Friedelind Wagner: Die rebellische Enkelin Richard Wagners 3487086158, 9783487086156

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Friedelind Wagner: Die rebellische Enkelin Richard Wagners
 3487086158, 9783487086156

Table of contents :
Eva Rieger: Friedelind Wagner. Die rebellische Enkelin Richard Wagners
Stammtafel der Familie Wagner
Zu diesem Buch
Inhalt
Einleitung
1 Ein »Riesen-Osterei«. Wo »Mausi« hineingeboren wurde
2 »Krachlaute« als Kind. 1924 bis 1931
3 »Sie soll ja schuften lernen«. Im Internat 1931 bis 1935
4 »Frech, lieb, originell«. Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937
5 »Ist das deutsch, was euch Hitler gebracht hat?« 1938 bis 1939
6 »Gerade weil ich deutsch bin, lebe ich nicht in Deutschland.« Der Abschied 1940
7 In England. Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941
8 »Mein Herz ist übervoll«. Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943
9 »Einzig Du könntest das Erbe noch retten!« 1943 bis 1945
10 Die Nachkriegssituation. 1946 bis 1950
11 Friedelind kehrt zurück. 1950 bis 1955
12 Die Meisterklassen formieren sich. 1956 bis 1960
13 Aufstieg und Ende der Meisterklassen. 1960 bis 1966
14 Turbulenter Geschwisterstreit. 1967 bis 1970
15 Pläne und Pannen. Die Siebzigerjahre
16 »Eine Ziehmutter, ein Leitbild«. Die Achtzigerjahre
Anhang
Dank
Abkürzungen
Literatur
Anmerkungen
Namensverzeichnis
Bildnachweis

Citation preview

EVA RIEGER

FRIEDELIND WAGNER Die rebellische Enkelin Richard Wagners

OLMS

Stammtafel der Familie Wagner unehelich

Franz Liszt 1811–1886

1.

Hans von Bülow 1830–1894

Daniela 1860–1940

Manfredi 1883–1932

Dagny 1942

Iris 1942

Blandine 1863–1941

Franz Wilhelm Beidler 1901–1981

Wolf Siegfried 1943

Nike 1945

Carl Friedrich Wilhelm Wagner 1770–1813

2.

Cosima 1837–1930

Henry Thode 1857–1920

Gilberto 1890–1972

Gräfin d’Agoult geb. Marie de Flavigny 1805–1876

Biagio Graf Gravina 1850–1897

Ellen Gottschalk 1903–1945

Daphne 1946

1.

Johanna Rosine Pätz 1774–1848

Richard 1813–1883

Isolde 1865–1919

Gertrud Reissinger 1916–1998

Wieland 1917–1966

Eva 1945

Gottfried 1947

Franz Beidler 1872–1930

Friedelind 1918–1991

Katharina 1978

Eva 1867–1942

Ellen Drexel 1919

Amélie 1944

1.

1.

Manfred 1945

Ludwig Geyer 1778–1821

Minna Planer 1809–1866

Houston Stewart Chamberlain 1855–1927

Wolfgang 1919–2010

2.

2.

Siegfried 1869–1930

Gudrun Mack geb. Armann 1944–2007

Winifred 1947

Winifred Williams Klindworth 1897–1980

Verena 1920

Wieland 1949

Bodo Lafferentz 1897–1974

Verena 1952

Eva Rieger FRIEDELIND WAGNER

Zu diesem Buch Friedelind Wagner wurde 1918, vor 100 Jahren, als Enkelin Richard Wagners und als zweites Kind von Siegfried und Winifred Wagner geboren. Was Friedelind zunächst zu einer Person des allgemeinen Interesses macht, ist ihre direkte Verwandtschaft mit Richard Wagner, dessen Werk bis heute unendlich fasziniert. Friedelind ließ sich schon früh auf Wagners Musik ein, und diese blieb für ihr ganzes Leben richtungsweisend. Die Unterordnung Bayreuths unter die nationalsozialistische Ideologie, die schließlich zum Abschied von dem Ort ihrer künstlerischen Träume führte, war daran schuld, dass sie ihren größten Wunsch nicht verwirklichen konnte, nämlich Opernregisseurin zu werden. Der faszinierende Bericht über ein rebellisches Mitglied der Wagner-Familie und über die ‚Machtfrage‘ der Bayreuther Festspiele. Eva Rieger, geboren 1940 auf der Insel Man, lehrte als Professorin für Historische Musikwisssenschaft an der Universität Bremen. Heute lebt sie in Vaduz / Liechtenstein und ist Autorin erfolgreicher Bücher, u. a. über Minna und Richard Wagner, die Wagner-Sängerin Frida Leider sowie Nannerl Mozart.

Eva Rieger

Friedelind Wagner Die rebellische Enkelin Richard Wagners Mit 26 Abbildungen

Georg Olms Verlag Hildesheim · Zürich · New York 2018

Umschlagabbildung: Fotografie, Nachlass Friedelind Wagner, Neill Thornborrow

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

3. Auflage 2018 © Georg Olms Verlag AG, Hildesheim 1. Auflage © Piper München 2012 www.olms.de Umschlaggestaltung: Irina Rasimus, Köln E-Book ISBN 978-3-487-42248-0

»Mit ihrer Bereitschaft, die Familiengeschichte – besonders im Dritten Reich – aufzuarbeiten, hinterließ sie eine Botschaft an alle Wagner-Nachkommen, individuelle Verantwortung beim Umgang mit der eigenen und deutschen Geschichte zu übernehmen.« Gottfried Wagner, Brief an Eva Rieger vom 9. 1. 2012

Inhalt

Einleitung

9

1 Ein » Riesen-Osterei « Wo » Mausi « hineingeboren wurde

18

2 » Krachlaute « als Kind 1924 bis 1931

34

3 » Sie soll ja schuften lernen « Im Internat 1931 bis 1935

55

4 » Frech, lieb, originell « Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

82

5 » Ist das deutsch, was euch Hitler gebracht hat ? « 1938 bis 1939

107

6 » Gerade weil ich deutsch bin, lebe ich nicht in Deutschland. « Der Abschied 1940

136

7 In England Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941

160

8 » Mein Herz ist übervoll « Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

187

9 » Einzig Du könntest das Erbe noch retten ! « 1943 bis 1945

218

10 Die Nachkriegssituation 1946 bis 1950

245

11 Friedelind kehrt zurück 1950 bis 1955

281

12 Die Meisterklassen formieren sich 1956 bis 1960

316

13 Aufstieg und Ende der Meisterklassen 1960 bis 1966

340

14 Turbulenter Geschwisterstreit 1967 bis 1970

366

15 Pläne und Pannen Die Siebzigerjahre

394

16 » Eine Ziehmutter, ein Leitbild « Die Achtzigerjahre

421

Anhang

453

Dank

454

Abkürzungen

456

Literatur

458

Anmerkungen

463

Namensverzeichnis

492

Bildnachweis

503

Einleitung

Strahlend blaue Augen, grellrot geschminkte Lippen, blondiertes Haar und auffällige Stoffe – nicht alle mochten sie auf Anhieb, als die amerikanische Staatsbürgerin Friedelind Wagner nach Jahren der Emigration 1953 wieder deutschen Boden betrat und in Bayreuth die Festspiele besuchte, die ihr berühmter Großvater 1876 gegründet hatte. Die Urenkelin Franz Liszts, Enkelin von Cosima und Richard Wagner sowie Tochter von Winifred und Siegfried Wagner war eine starke Persönlichkeit, die viel redete – manchen zu viel. Ihre Argumente waren laut und  feurig, oft undiplomatisch bis hin zur Taktlosigkeit. Dennoch ging etwas von ihr aus, das Menschen faszinierte. Es war nicht nur die auffällige physiognomische Ählichkeit mit ihrem Großvater, dessen Werk zu den bedeutendsten Leistungen der Musikgeschichte zählt : Ihr scharfer Witz, ihre Gewandtheit und ihr Charme taten ihre Wirkung. Und doch hat kaum ein Mitglied der großen Wagner-Familie so viele Schmähungen und Unwahrheiten ertragen müssen wie Friedelind. Diese reichen von sprachlich abwertenden Umschreibungen ( » Walküre des Jet-Zeitalters « ) bis hin zu groben Drohbriefen. Sicherlich haben diese Angriffe mit ihrer häufig rebellischen Art und ihren zuweilen provokanten Aussagen zu tun, aber ebenso oft hängen sie mit ihrer Opposition gegen manches zusammen, was in Bayreuth hochgehalten und vertreten wurde. Sie stellte sich gegen ihre Mutter, gegen die 9

Rehabilitierung ehemaliger Nazis im Nachkriegsdeutschland und gegen die Versuche ihres Bruders Wolfgang, der nachfolgenden Generation den Zugang zu Inszenierungen in Bayreuth zu versperren. Kein Wunder, dass sich das Bayreuther Establishment angegriffen und irritiert fühlte. Mit dem Bau des Festspielhauses hoch über der Stadt, das ausschließlich seine Werke aufführen sollte, hatte sich Richard Wagner 1876 einen lange gehegten Traum erfüllt : ein eigenes Musiktheater zu besitzen, das genau nach seinen Plänen und Ideen gebaut wurde. Für dieses Theater hatte er den Ring des Nibelungen und Parsifal geschrieben. Er hatte ein Leben lang seine Mühe mit der Öffentlichkeit gehabt, sie aber andererseits ausgiebig genutzt, indem er für zahlreiche Zeitschriften schrieb und mit Leserbriefen, Gedichten oder anonymen Aufsätzen eingriff, wenn ihm etwas nicht passte. In der Folge hatte er auch hinnehmen müssen, dass mit seinem steigenden Bekanntheitsgrad allerlei Spekulationen ( über seine Abstammung, seine Frauenbeziehungen, sein Verhältnis zu Ludwig II. und vieles mehr ) ins Kraut schossen. Bis heute färbt dieses Verhältnis zur Öffentlichkeit auf seine Nachkommenschaft ab. Die Wagners sind zu » Ersatz-Royals der Deutschen « geworden, » denen man bei jeder Gelegenheit unter die Bettdecke schauen darf «1, zumal die Nachkommenschaft ihre Fehden stets in der Öffentlichkeit austrug. Bei Friedelind war es weniger ihr Privatleben, das die Medien interessierte, sondern eher ihr Abschied von Bayreuth und ihre kritische Sichtweise auf die Nachkriegsfestspiele. Die Grundlage für die Kritik, die ihr entgegenbrandete, bildete ihre Autobiografie Nacht über Bayreuth. Es ist kaum verwunderlich, dass das Buch erst 1994 in Deutschland erschien, obwohl es schon ein halbes Jahrhundert früher in den USA herauskam und danach in mehrere Sprachen übersetzt wurde.2 Ihr Bruder Wolfgang Wagner, damals Leiter der Festspiele, wollte mit diesem Oppositionsgeist möglichst wenig zu 10

Einleitung

tun haben. Nach dem Erscheinen gab es am Bücherstand vor dem Bayreuther Festspielhaus ein Versteckspiel : » › Doch, wir haben das Buch ‹, sagt die Verkäuferin und greift unter den Tresen, › aber machen Sie’s nicht so offensichtlich, der Wolfgang Wagner hat das nicht so gern. ‹ «3 Mutter Winifred behauptet in ihrem Filminterview mit Syberberg herablassend, dass Friedelind das Werk gar nicht selbst geschrieben habe, und Wolfgang nennt das Buch ein » subjektives und phantasievoll-fabulierfreudiges Werk «.4 Die Brüder sprachen von » Irrtümern, Geschmacklosigkeiten, Verleumdungen « und von » Niveaulosigkeit «.5 Ihr Ärger ist verständlich, denn während sie bis zuletzt dem » Führer « geglaubt hatten, hatte sich Friedelind längst von ihm losgesagt. Selbstzeugnisse müssen bekanntlich nicht größeren dokumentarischen Wert oder mehr Wahrheitskraft besitzen als andere Berichte, und Friedelind hat oft überzeichnet. Dennoch gibt es keine Veranlassung, ihre Integrität anzuzweifeln. In ihrem Nachlass befinden sich Unterlagen, die zeigen, dass eine Verlagsmitarbeiterin die Kapitel lektoriert und in passableres Englisch gebracht hat. Auch die Parallelquellen, wie Briefe, denen man da, wo sie präzise Ereignisse umschreiben, Authentizität zubilligen kann, zeigen, dass Friedelind sich trotz mancher Ausschmückung weitgehend an die historische Wahrheit gehalten hat. Zudem macht ihre intime Nähe zu den NS-Größen, die in Bayreuth ein- und ausgingen, das Buch gerade angesichts des Schweigens ihrer Geschwister zu einem besonderen Dokument. Die Beschreibung ihres Lebens ist daher nicht nur als eine biografische Quelle anzusehen, sondern auch als Zeugnis der dunkelsten Epoche deutscher Geschichte. Obgleich die zeitliche Distanz die Erinnerung hin und wieder verblassen ließ, ist Friedelind fast immer dort zuverlässig, wo sie sich auf eigene Erfahrungen stützt. Wenn sie sich auf Erzählungen verlässt, entstehen zuweilen Unschärfen oder Übertreibungen, wie bei einem finanziellen Eklat im Jahr 1938, Einleitung

11

den sie dem Bayreuther Finanzbeauftragten Knittel anlastete6, an dem in Wirklichkeit jedoch Winifred genauso schuld war. Das konnte sie nicht wissen, denn die Mutter hatte sie nicht eingeweiht. Entscheidend ist das Selbstverständnis Friedelinds, das sich im Geschriebenen manifestiert. In einem Punkt allerdings muss man sie schuldig sprechen : Sie gibt den Zeitpunkt ihrer Abwendung vom Nationalsozialismus zu früh an. Es war ein kontinuierlicher Lernprozess, der auch Zweifel einbezog, die aufgrund ihrer Herkunft nur zu verständlich sind, bis sie dann zur entschiedenen Gegnerin wurde. Wie Jonathan Carr zu Recht schreibt, ist die Tatsache, dass sie » in Nachkriegsdeutschland regelmäßig als › schwarzes Schaf ‹ bezeichnet wurde, an Schäbigkeit kaum zu überbieten. «7 Das hat aber auch mit den ungeschriebenen Gesetzen der Beschreibung öffentlich bekannter Personen zu tun. » Tief eingegrabene mythische Strukturen bestimmen, wer unter den berühmten Toten als sympathisch und wer als unsympathisch zu gelten hat «, schreibt Janet Malcolm, die sich wie kaum eine andere mit den Fallstricken für Biografen befasst hat.8 Diese Gesetzmäßigkeiten führten dazu, dass Friedelind in der deutschen Presse oft als » Abtrünnige « galt, die von Nazigegnern » als Propagandaobjekt « benutzt wurde, die voller Komplexe war und mit ihrem Buch ein » Abreagieren von Minderwertigkeitskomplexen und vermeintlichem Zurückgesetztsein « zelebriert habe.9 Die Lebenswegmodelle von Männern und Frauen unterscheiden sich meist grundlegend. So erfahren Frauen häufiger Diskontinuitäten und Brüche, die ihr Leben prägen und ihm die Stetigkeit nehmen. Dies erschwert das Finden einer übergreifenden biografischen Leitlinie. Hinzu kommt, dass Frauen noch immer kritischer betrachtet werden als Männer. Diejenigen Frauen, die sich einen eigenen, selbstständigen Weg durch das Leben bahnten oder sich gegen gängige Strömungen stellten, haben es besonders schwer gehabt. Bei Friedelind kommt 12

Einleitung

hinzu, dass sie sich gegen das herrschende Bayreuth stemmte. Zuweilen wurde ihr Entschluss, Deutschland zu verlassen, lediglich als Akt der inneren Rebellion gegen alles Herkömmliche interpretiert10, oder aber man deutete ihre Briefe aus der Emigration als » eine sanguinische Wirrköpfigkeit «11, wie dies ihre Schwägerin Gertrud tut. Es gibt aber auch das Gegenteil, nämlich die idealisierende Herausstellung Friedelinds, die – horribile dictu – » in verschiedene Zucht- und Besserungsanstalten « verfrachtet wurde, deren Persönlichkeit durch die Mutter und die Umstände angeblich » reduziert oder zerstört wurde « und die » Psychoterror, juristische Drohung und finanzielle Nötigung « erleiden musste, um das Erscheinen ihres zweiten Buches zu verhindern12 ( das in Wirklichkeit nie geschrieben wurde ). Es bleibt die Frage, ob es sich lohnt, das Leben einer Frau zu dokumentieren, die sich auf berühmte Groß- und Urgroßeltern berufen kann, aber kein Theater leitete, keine überragende Leistung im Sinne einer historischen Großtat hinterließ. Die Stilisierung bedeutender Menschen zu Heroen ist aber gerade seitens der Geschlechterforschung oft und zu Recht kritisiert worden, weil sie die vielen Frauen ignoriert, die im Hintergrund agierten und dennoch Großartiges leisteten. Neuerdings interessiert man sich stärker für die sozial-, alltagsund kulturgeschichtlichen Anteile eines Lebens. Friedelinds weit vernetztes Kommunikationssystem, ihre Bekanntheit und die Freundschaften mit bedeutenden Künstlern und Künstlerinnen, ihre Förderung junger Hochtalentierter, ihr lebenslanger Kampf für bessere Opernaufführungen – das alles macht sie zu einer faszinierenden Person, deren Leben mit den politischen Umwälzungen und Ereignissen verschmolzen ist und dem nicht mit einem voyeuristischen Blick auf die » Skandalfamilie « Wagner Genüge getan ist. Dennoch sind die Kämpfe um die Leitung und Ausrichtung der Festspiele, um den Nachlass Siegfrieds und Winifreds und um die Nachfolgeordnung, Einleitung

13

die die weitverzweigte Familie immer wieder erschütterten, nicht auszuklammern ; auch sie bilden einen Teil von Friedelinds Leben und Wirken. Ihr umfangreicher Nachlass, der für die vorliegende Biografie zur Verfügung stand, ermöglicht einen ausführlichen Gang durch ihr Leben. Das Quellenkorpus umfasst Briefe, Zeitungsausschnitte, publizistische Gelegenheitsarbeiten, Vorträge, Skripte für ihr Buch, Überlegungen zu den Meisterklassen in Bayreuth und Stockton-on-Tees, Planungen für ihre Operntruppe, juristische und andere Auseinandersetzungen mit der Familie und zahlreiche Fotos : Alles wurde aufbewahrt. Sie war eine begeisterte Briefschreiberin, und einer ihrer Briefe umfasst – zugegeben in der äußerst großen Schrift, die ihr eigen war – sage und schreibe 34 Seiten. Zuweilen blieb sie bis morgens um drei Uhr am Schreibtisch. Aus der Fülle dasjenige herauszufiltern, was sie maßgeblich prägte, war daher das Anliegen der vorliegenden Biografie. Dennoch bleiben bei der Rekonstruktion dieses Lebens empfindliche Lücken, sperrt es sich doch gegen gängige Kategorisierungen. So blieb sie einesteils innerlich mit den Festspielen fest verbunden, die ihre Kindheit und Jugend so sehr geprägt hatten ; andernteils war sie die Außenseiterin, die nie einen wirklichen Zugang zum innersten Machtzentrum erhielt. Die Widersprüche in ihrem Charakter und in ihrem Leben waren menschlich, und sie sollen nicht verschwiegen werden. Aber wer trifft die Auswahl, und mit welcher Intention ? Briefe hängen in Aussage und Duktus bekanntlich vom Adressaten ab, sie sind situativ, können kurz darauf überholt sein oder eine lebenslange Bedeutung besitzen. Ist es nicht spekulativ, sie als Informationsquelle zu nutzen ? Ist nicht die Gefahr gegeben, dass man als Biografin in Friedelinds Haut schlüpft, ihre Abneigungen und Vorlieben übernimmt ? Und versucht man als nachträglich Aufzeichnende nicht, das fremde Leben zu harmonisieren, einen » roten Faden « zu entdecken, ein Kon14

Einleitung

glomerat verschiedenster Ereignisse einzuebnen, damit ein kohärentes Bild entsteht ? Gibt es nicht auch den gegenteiligen Effekt, dass die Biografin etwa eine Entscheidung für falsch hält und alles betont, was die Kritik verstärkt ? Längst ist bekannt, dass historisches Material und mündliche Aussagen keinen direkten Zugang zur historischen Wirklichkeit liefern können und dass das, was sie aussagen oder berichten, konstruiert und gefiltert ist. In den Interviews mit Zeitgenossen Friedelinds gab es zuweilen widersprüchliche Aussagen.13 Es wäre daher vermessen, alle Quellen als gleichermaßen zuverlässig zu betrachten. So sehr sich die vorliegende Interpretation ihres Lebens auch um Wahrhaftigkeit bemüht, bewegt sie sich im Rahmen zwischen wissenschaftlich objektiver Wiedergabe und um reale Deutung bemühter Darstellung. Eine Legitimation sieht sie in der Überzeugung des bekannten Germanisten Peter von Matt, der versichert : » Geschichtsschreibung wird nie ganz ohne Erzählung auskommen. «14 Was Friedelind vor allem zu einer Person des allgemeinen Interesses macht, ist ihre direkte Verwandtschaft mit Richard Wagner, dessen Werk bis heute unendlich fasziniert. Es ist nicht nur der Klanggenuss, der den Komponisten bis heute unvermindert populär sein lässt, sondern es sind auch die Interpretationsmöglichkeiten in Wort, Ton und Ideologie, die Fans wie Gegner gleichermaßen beschäftigen. Das Festspielhaus und die Festspielidee, als Werk eines einzelnen Komponisten bislang ein beispielloses Unterfangen, tun ein Weiteres, um seine einmalige Stellung in der westlichen Musikkultur zu festigen. Das versenkte Orchester, das aus dem Nichts zu erklingen scheint, der Rückgriff auf die Mythologie in den Opernhandlungen, die mystisch-kultische Atmosphäre steigern das Erlebnis des Dabeiseins. Das internationale Medienecho auf den Nachfolgekampf in Bayreuth 2008 hat gezeigt, dass der Name Richard Wagner sich einen Rang im Kulturleben erobert hat, der in der Welt einzig dasteht. Einleitung

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Zugleich zeigte sich aber auch, dass die Mittel des Machtkampfs, der seit Winifreds Übernahme der Leitung einsetzte, sich eher vergröbert als verfeinert haben. Das hat Folgen für die Nachfahren. Friedelind ließ sich schon früh auf Wagners Musik ein, und diese blieb für ihr ganzes Leben richtungsweisend. Ob sie eigene Aufführungen plante, Meisterkurse organisierte, Vorträge hielt oder einzelne Musiker( innen ) unterstützte : immer stand die Musik ihres Großvaters im Mittelpunkt, viel mehr als die ihres Urgroßvaters Franz Liszt oder ihres Vaters Siegfried Wagner. Sie nahm die Rolle als Enkelin Wagners an und machte die Beschäftigung mit seinem Leben und Werk zur Grundlage ihres Lebensunterhalts in den USA. Später widmete sie sich dann auch dem Werk ihres Vaters und förderte es nach Kräften. Die ideologische Unterordnung Bayreuths unter völkisch-rassistische Überzeugungen, die schließlich zu ihrem Abschied von dem Ort ihrer künstlerischen Träume führte, war daran schuld, dass sie ihren größten Wunsch nicht verwirklichen konnte, nämlich Opernregisseurin zu werden. Ihre Brüder sorgten nach dem Zweiten Weltkrieg dafür, dass sie keinen Fuß in die Leitungsebene setzen konnte. Dabei hat sie mit ihren Meisterklassen, die sie einige Jahre lang durchführen durfte und aus denen namhafte Theaterleute hervorgingen, bewiesen, wie sehr sie künstlerisches Potenzial zu erkennen und nachhaltig zu fördern vermochte. Eine seltsame Überkreuzung zweier Schicksale gilt es noch zu vermerken. Als Friedelind am 30. Mai 1940 auf der britischen Insel Man interniert wurde, konnte sie nicht ahnen, dass am selben Tag die schwangere Mutter ihrer späteren Biografin dort eingewiesen wurde. Als Ehefrau eines 1930 eingewanderten deutschen Pastors wurde Johanna Rieger ebenso verhaftet wie sie. Man brachte sie in zwei nebeneinanderliegenden Hotels unter. Die Fotos der beiden Frauen, die bei der Einlieferung gemacht wurden, zeigen im Falle Friedelinds ein offenes, fast neugieriges Gesicht, im Falle meiner Mutter, die drei 16

Einleitung

kleine Kinder zu versorgen hatte und ein viertes erwartete, einen Ausdruck der Angst. Friedelind wurde zwei Monate vor meiner Geburt nach London gebracht. Sie hat somit nicht in das Gesicht des Babys geschaut, das später auf Spurensuche gehen und über sie schreiben würde.

Einleitung

17

1 Ein » Riesen-Osterei « Wo » Mausi « hineingeboren wurde

Vieles wäre anders verlaufen, wäre sie als Junge geboren worden. Mit ihrer dominanten Wesensart, ihrer Impulsivität und der musikalisch-künstlerischen Begabung stach Friedelind schon als Kind die Brüder aus, und als Junge wäre ihr das erst recht gelungen. Ihr Pech war, dass sie als Mädchen zur Welt kam. Schon Richard Wagner, ihr Großvater, sah den Sohn Siegfried als alleinige Gewähr für die Fortsetzung seines Werks, hatte doch dessen Geburt Glücksgefühle bislang ungeahnten Ausmaßes in ihm ausgelöst. Der männliche Nachwuchs erschien ihm nach den Töchtern Isolde und Eva wie eine Erlösung, und der Sohn wurde geradezu als Halbgott gefeiert. » O Heil dem Tag, der uns umleuchtet, Heil der Sonne, die uns bescheint ! «, rief Cosima Wagner, die zweite Ehefrau des Komponisten, in Anlehnung an die Oper Siegfried aus. Richard wollte ein Haus für den Sohn bauen, der wie jeder Knabe eine wilde, wüste Jugendzeit durchleben sollte – ganz im Gegensatz zu dem, was die Schwestern vermittelt bekamen.1 Mit dem Siegfried-Idyll, das der stolze Vater für die Mutter komponierte und ihr am Weihnachtstag 1870 vorspielen ließ, wurde die Geburt des Sohnes musikgeschichtlich verewigt. Reisender, Militär, Hausbesitzer, Gelehrter – auf den Jungen häuften sich die Erwartungen, und die spätere Vorstel18

lung von einer Wagner-Dynastie, die vom Vater auf den Sohn, möglichst den Erstgeborenen, weitergegeben werden sollte, prägte das Denken der nachfolgenden Generationen. Friedelinds Vater Siegfried durchbrach diese Vorstellungen, als er seinerseits die Nachfolge für alle vier Kinder offenließ und Friedelinds Berichten zufolge sie sich durchaus als Erbin des Festspielhauses vorstellen konnte.2 Seltsamerweise waren es die Frauen – Cosima und nach ihr Winifred –, die an der männlichen Erbfolge unbeirrt festhielten. Sich selbst sahen sie als Witwen, die aus einer Notlage heraus die Weiterführung der Festspielleitung zwangsläufig übernehmen mussten. Während Cosima ihren Abgang mit Würde vollzog, hätte Winifred allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg das Zepter gerne länger in der Hand behalten. Als Richard Wagner 1883 in Venedig starb, übernahm Cosima provisorisch die Fortführung der Festspiele. Nachdem zwei Spielzeiten finanziell überstanden waren, war sie bereit, sie zu leiten. Die Skepsis der Kritiker war groß angesichts dessen, was sie sich zutraute, nämlich die organisatorische, finanzielle und künstlerische Verantwortung für eine bedeutende kulturelle Unternehmung, die nicht auf feste Zuschüsse rechnen konnte. Sie war beseelt von dem Wunsch, Richards Werk zu seinem Recht zu verhelfen, und dieser Wunsch trug sie über alle Klippen hinweg. Sie wollte sich nicht selbst verwirklichen, sondern im Dienste des Verstorbenen tätig sein. Die möglichst getreue Übernahme vieler Wagner’scher Maximen, die schwarze Witwenkleidung, der versteckte Sitz, die bei den Proben heruntergereichten Zettel mit Korrekturvorschlägen – dies alles verstärkte die Vorstellung von der Frau als Medium und Übermittlerin für den, der in Wahrheit das Sagen hatte. Dennoch war sie weit kreativer, als gemeinhin angenommen wird. 1886 schuf sie selbst das Bühnenbild für die Inszenierung des Tristan, schrieb die Angaben für Beleuchtung und alle weiteren Details, wobei sie sich im Einklang wusste mit Wo » Mausi « hineingeboren wurde

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den beiden vorherigen Inszenierungen, die Wagner selbst beaufsichtigt hatte ( München 1865 und Berlin 1876 ). Darüber hinaus befasste sie sich intensiv mit den Partituren und stellte Überlegungen zum Bühnenbild sowie zu der Art des Singens und der Darstellung an. 1884 schrieb der Dirigent Levi : » Dass die Vorstellungen dieses Jahres so vollendet waren, ist zum größten Teil dem tätigen Eingreifen von Frau Wagner zu danken. « Er habe in den wenigen Tagen unter ihrer Führung mehr gelernt als in 20 Jahren seiner Dirigierpraxis.3 Dafür waren die Finanzen in einem prekären Zustand, was sie aber mithilfe des befreundeten Bankiers Adolf von Groß überstand. Nach der Aufführung des Parsifal 1888 stand fest, dass das Festspielhaus eine stabile Größe innerhalb Deutschlands geworden war, die nicht mehr zur Disposition stand. Cosima nahm sich 1891 den Tannhäuser vor und spürte alles auf, was auch nur entfernt mit dem Werk zu tun hatte. 1894 wurde auch Lohengrin aufgeführt und in der Presse gut kommentiert. 1901 folgte der Fliegende Holländer, und 1906 brachte Cosima eine veränderte Fassung ihrer Tristan-Inszenierung heraus. » Hinter dem Anspruch auf Authentizität wirkt ein entschiedener eigener Stil … Die Theatergeschichte kennt keine Frau, die organisatorisch und künstlerisch Vergleichbares vollbracht und einen nur annähernd großen Einfluß ausgeübt hätte. «4 In 23-jähriger harter Arbeit gelang es ihr, Bayreuth zu einem Weltereignis zu machen. Zehntausende Besucher aus dem Inund Ausland strömten in die Kleinstadt, um der Musik Wagners zu lauschen. Gleichzeitig war der Bayreuther Kreis – eine Gruppe von nationalistisch gesinnten, antisemitisch und allgemein rassistisch eingestellten Personen – eifrig dabei, seine aggressive Ideologie in die Welt hinauszuposaunen. Cosima war überzeugte Antisemitin, und obwohl sie sich an der Arbeit des Bayreuther Kreises nur wenig beteiligte, ließ sie unwiderspro20

Ein » Riesen-Osterei «

chen, was verbreitet wurde. Wichtig war ihr allein der Ruhm ihres Ehemannes. Sie erhob die Festspiele zu einer Art religiösem Ereignis : Um Wagner wurde ein Kult getrieben, der ihn letztlich zu einer messiasähnlichen Gestalt machte. Die Aufführungen waren Weiheveranstaltungen, die – trotz der starken sinnlichen Wirkung von Wagners Musik – in einen Bereich der reinen, erbaulichen » Geistigkeit « führen sollten, was immer man darunter verstand. Die Bayreuther Blätter, 1878 gegründet, taten ein Weiteres, um Wagners Werk als groß und unantastbar herauszustellen. So ist Cosima ebenso wie Richard selbst für die Einengung auf eine völkisch-konservative Denkweise haftbar zu machen, die die Industrialisierung und die Demokratie ebenso ablehnte, wie sie das Deutschnationale idealisierte, wobei die Juden zu Schuldigen an den Auswüchsen des Kapitalismus gemacht wurden. Es verwundert kaum, dass ihre Töchter Daniela und Eva diese verlogenen Denkmuster übernahmen. Michael Karbaum, der als einer der Ersten die Geschichte der Bayreuther Festspiele wissenschaftlich aufarbeitete, setzt die Blütezeit der völkischen Formierung des Bayreuther Kreises in die Jahre zwischen 1901 und 1912 und sieht den Grünen Hügel als Sammelplatz der Reaktion.5 Wie so viele Deutsche begrüßte Siegfried den Ersten Weltkrieg euphorisch und komponierte einen » Fahnenschwur «, den er » Dem Deutschen Heer und seinen Führern in begeisterter Dankbarkeit « widmete. Herzbeschwerden bewogen Cosima, die Führung der Festspiele dem Sohn zu überlassen. Es fiel ihr nicht leicht, aber sie bewahrte Haltung, mischte sich nicht mehr ein und blieb darin bemerkenswert konsequent. In diesem Umfeld lebte Siegfried, umgeben von einer starken Mutter, zwei Halbschwestern ( Daniela und Blandine ) sowie zwei Schwestern ( Isolde und Eva ). Er wollte ursprünglich Architektur studieren und zog nach Frankfurt am Main, wo Daniela verheiratet war und er sich wohlfühlte. Parallel Wo » Mausi « hineingeboren wurde

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zum Architekturstudium fuhr er regelmäßig nach Mainz, wo er unter Anleitung von Engelbert Humperdinck in Harmonielehre und Kontrapunkt unterwiesen wurde. Seinen scherzhaften, ins Übermütige schießenden Briefen ist die Zuneigung zu Daniela anzumerken. Für ihn bildete Daniela » die direkteste Brücke « zu seinem Geliebten Clement Harris ; anscheinend war sie, die offenbar doch mehr Humor besaß, als es etliche Wagner-Autoren wahrhaben wollen, in die Natur der Beziehung eingeweiht. Ganz offen schreibt er ihr beispielsweise : » Grüß das liebe Clementchen herzlichst : er soll sich während der Tage, wo ich da bin, möglichst frei vom Parnaß halten. « Er war auch mit Hans von Bülow befreundet und besuchte dessen Konzerte, wann sich ihm die Gelegenheit bot. So schrieb er Daniela einmal in seinem typischen Sprach-Mischmasch : » If only your father would make better programmes ! It was really empörend last time, I am still quite dégouté. « Als sie sich darüber beschwert hatte, dass er sich nicht für die Übersendung von Noten bedankt hatte, antwortete er : » You old Crocodil ! What are you knaunsching ! I give you a slap ! Did I not thank you for the Missa Choir. If I did not, I’m a pig and beg pardon ; it’s already finished two days, also Lenau : Frühlings Tod. Seiner süßen Schwester gewidmet.  And if you are not yet pleased, I’ll compose a symphonic poem : Daniela, your character-bild. «6 Im Laufe der Zeit entschied er sich für die Musik und wurde Dirigent, Komponist und Festspielleiter. Mit etlicher Erfahrung als Regisseur und Bühnenbildner war er vorbereitet auf die Aufgaben, die ihm bevorstanden. 1907 übernahm er die Macht im Hause mit der Aufgabe, Bayreuth als Sommerspielstätte zu erhalten, und widmete sich fortan der Regie, wobei er insbesondere für die Beleuchtungseffekte, aber auch für die Inszenierungen selbst viel Lob erhielt. 1913 verfiel die Schutzfrist für alle Werke Richard Wagners. Tantiemen gingen nicht mehr ein, und der Ausbruch des Ers22

Ein » Riesen-Osterei «

ten Weltkriegs 1914 tat ein Übriges, um den Gedanken an Festspiele in den Hintergrund zu drängen. Eine zusätzliche schwere Krise erschütterte Wahnfried, als Isolde einen Prozess anstrengte, um offiziell zu machen, dass sie eine leibliche Tochter Richards war ( seine drei Kinder wurden alle unehelich geboren, aber nur Isolde wurde als eine » von Bülow « bezeichnet ). Siegfried nahm in eigennütziger Voraussicht Partei gegen Isolde und verhinderte, dass ihre verzweifelten Briefe an die Mutter diese erreichten. Cosima wurde von dem Geschehen um sie herum außerdem durch Eva und ihren Mann Houston Stewart Chamberlain abgeschirmt. Isolde verlor den Prozess, was sie niemals verwinden konnte, und starb einige Jahre später an Lungentuberkulose. Für Siegfried als Homosexuellen blieb die Frage seiner Nachfolge lange offen, und erst auf Drängen seiner Familie entschloss er sich, Erben zu zeugen. Mitten im Weltkrieg nahm er eine junge Engländerin zur Frau, Winifred Marjorie. Ihre Mutter, Emily Florence, geb. Karop, war eine halb dänische, halb englische Schauspielerin, die den Schriftsteller und Journalisten John Williams geheiratet hatte. Beide waren nach Winifreds Geburt 1897 im englischen Hastings innerhalb von eineinhalb Jahren gestorben. Die Vollwaise kam in ein Kinderheim, wo sie eine strenge Erziehung erhielt und traumatische Erfahrungen machte, die wohl zu der seltsamen Mischung von Freiheit und Strenge führten, die sie später den eigenen Kindern angedeihen ließ. Durch verwandtschaftliche Beziehungen zu der Frau des Pianisten, Dirigenten und Wagner-Freundes Karl Klindworth ( Henrietta Klindworth war eine Kusine von Winifreds Mutter ) kam es, dass das Mädchen ab 1907 von diesem Ehepaar in Pflege genommen und später adoptiert wurde. Klindworth nahm sie als 17-Jährige mit zu den Generalproben in Bayreuth, wo sie Siegfried kennenlernte, kurz bevor Anfang August 1914, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, der Festspielbetrieb für zehn Jahre eingestellt wurde. Wo » Mausi « hineingeboren wurde

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Winifred war 18, Siegfried bereits 46 Jahre alt, als sie 1915 heirateten. Der große Altersunterschied von 28 Jahren erinnert an den, der Cosima von Richard trennte ( 24 Jahre ), sowie an die 22 Jahre Altersunterschied bei Winifreds eigenen Eltern. Cosima war selig über die Heirat des Sohnes. An Humperdinck schrieb sie : » Ich denke zuweilen, ich träume, wenn ich an seiner Seite ein anmutiges, jugendliches Wesen wandeln sehe, welches, von unserem Freunde Klindworth musterhaft erzogen, alle Eigenschaften mitbringt, die zu Siegfrieds Wesen stimmen und zu unserem Hause harmonieren. «7 Das ausgewogene Verhältnis, das sie zu erkennen glaubte, kann sich auf das unterschiedliche Temperament bezogen haben. Siegfried war freundlich und eher konfliktscheu, Winifred konnte sich wehren und kämpfen, was aber erst allmählich zum Vorschein kam. Es war für sie selbstverständlich, in erster Linie für ihren Mann da zu sein, ebenso wie Cosima es gewesen war. » Der Mann war mir wichtiger als die heranwachsenden Kinder. «8 1917 wurde Siegfrieds und Winifreds erstes Kind geboren, ein Junge, der Wieland genannt wurde – Bayreuth hatte den so heiß ersehnten Stammhalter, nachdem der 16-jährige Franz Wilhelm Beidler aufgrund des verlorenen Prozesses seiner Mutter Isolde nicht als Enkel Wagners galt und damit ausgeschaltet worden war. Cosima setzte sich ans Klavier und spielte zur Freude aller, um das Ereignis zu feiern. Ein Jahr darauf kam eine Schwester zur Welt, in einer Zeit, als der Erste Weltkrieg noch wütete und die Kriegsschäden in Bayreuth deutlich sichtbare Spuren hinterlassen hatten. Winifred wurde am Gründonnerstag, dem 28. März, um sechs Uhr früh von Dr. Schweninger, dem Hausarzt der Familie, ins Krankenhaus begleitet.9 Aus dem Krankenhaus schrieb die stolze Mutter, » dass der Osterhase uns am Karfreitag früh um 7 Uhr ein Riesenosterei gebracht hat und zwar ein kleines, kräftiges, rotbackiges Mädel – das 7 Pfund und 300 gr. wog. Sie soll Friedelind heissen – Mir geht es Gottlob gut – natürlich liege ich 24

Ein » Riesen-Osterei «

wieder draussen im Krankenhaus und mopse mich mächtig – aber in 8 Tagen bin ich spätestens wieder daheim – da muss ich mich halt derzeit vertrösten ! «10 Einen Tag später bestätigte Siegfried die frohe Botschaft : » Karfreitag früh sieben Uhr ist Huscheles Schwesterchen Friedelind ans Tageslicht mit einem munteren Schrei und kleinen Fußstößen erschienen. Die Mutter wohl. Es ging alles viel leichter als das erste Mal. «11 Siegfrieds Freund Engelbert Humperdinck erhielt von Siegfried eine Postkarte mit einer zweitaktigen Melodie, unter der stand : » Ein Töchterchen ist da ! « Und er setzte hinzu : » Am Charfreitag, also am Tag, wo Du mir schriebst : Ich antworte auch in H-Dur ! Friedelind heißt die stramme kleine Jungfrau, Mutter u. Kind wohl ! Grosse Freude darob in Wahnfried ! Freude kann man ja brauchen in einer Welt voll Wahn u. Hass ! «12 Siegfried gab auch der Heldin seiner Oper Der Schmied von  Marienburg, an deren Kompositionsskizze er arbeitete, den Namen Friedelind. Ihr Name deutet auf die damals herrschende Sehnsucht nach Frieden. Freilich hieß das Kind bald allgemein » Maus « oder » Mausi « und unterschrieb so auch ihre Briefe an Freunde – den Namen behielt sie lebenslang. Winifred beantwortete die vielen Glückwünsche, die eingegangen waren. Das Temperament kam schon früh zum Vorschein : » Das Mauserl brüllt immer derart Mama & Papa – dass es gewöhnlich Abends stockheiser ist ! «13 Ein Jahr nach Friedelinds Geburt wurde Wolfgang geboren ;  wiederum ein Jahr darauf folgte das vierte und letzte Kind, Verena. Viel Zeit zum Hätscheln und Liebkosen blieb der Mutter nicht, zumal sie es als ihre Pflicht sah, den Ehemann bei seinen zahlreichen Reisen zu begleiten. Sie verreiste für ihr Leben gerne und langweilte sich oft in » Schilda «, wie Bayreuth in der Familienkorrespondenz heißt. Die altersmäßig enge Abfolge bewirkte, dass die Kinder oft zusammenblieben, sodass sie als » Rasselbande « galten14, als ein Pulk unartiger, auf Streiche ausgerichteter Kinder. FriedeWo » Mausi « hineingeboren wurde

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lind wurde ihrer Rolle als Oppositionsgeist offenbar schon in frühen Jahren gerecht, denn Winifred schreibt in einem undatierten Brief von einer Tauffeier, bei der anscheinend die drei ersten Kinder gemeinsam getauft wurden : » Am vorigen Sonnabend hatten wir Taufe. Beide Buben waren riesig brav, aber das Mädelchen gab zu jedem Wort des Pfarrers ihre Ansicht ab, sagte entweder ja oder nein und rief dann alle Anwesenden immer bei Namen ! Viel Respekt scheint sie also vor der hohen Geistlichkeit nicht zu haben, denn bei ihrer eigenen Taufe streckte sie ja dem Pfarrer die Zunge heraus ! «15 Das erinnert  an Cosimas Aussage über ihre Tochter Isolde, mit der Friedelind häufig verglichen wurde : » Noch heute höre ich das Lachen, womit sie mich in ihrem Kinderwagen empfing, wenn ich vom Spaziergang heimkehrte, wobei sie sich kerzengrad aufrichtete und wie eine Walküre wieherte. «16 » Das Deutschland, in dem ich 1918 geboren wurde, war ein zerrüttetes, trostloses Land, und meine engere Heimat, Bayreuth, hatte auf besondere Art gelitten : das Festspielhaus war geschlossen, das Ensemble und die Besucher waren in alle Winde zerstreut. «17 So beginnt Friedelind ihre autobiografischen Aufzeichnungen, und es ist kein Zufall, dass sie den kulturellen Niedergang ihrer Heimatstadt so früh erwähnt. Bayreuth blieb ein Fixpunkt in ihrem Leben, auch wenn sie später als Einzige in Siegfrieds Familie dem Nazigeist entgegentrat.18 1918 war aber auch ein Jahr des Aufbruchs : In Deutschland wurde die Republik ausgerufen und das Frauenstimmrecht erstmals eingeführt. Winifred begeisterte sich von Anfang an für die Ziele der Deutschnationalen und Nationalsozialisten, was damit zu tun haben mag, dass sie im Hause der Familie Bechstein Adolf Hitler persönlich getroffen hatte und ihn verehrte. Sie teilte den Wunsch vieler Menschen nach einer Führerfigur ebenso wie die Schuldzuweisung an die Juden für alle mensch26

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lichen, kulturellen und politischen Defizite im Lande. Auch der Traum von einem nationalen Erstarken Deutschlands war nach dem verlorenen Weltkrieg und den wirtschaftlichen Krisen in manchen Kreisen überaus stark ; die Versuche der Weimarer Republik, Deutschland zu demokratisieren, sahen viele von vornherein als zum Scheitern verurteilt an. Es mag durchaus stimmen, dass ihre im Kinderheim erlebte Entwurzelung ihr den heißen Wunsch nach Stabilität auch in politischer Hinsicht einpflanzte, wie ihre Enkelin Nike vermutet.19 Friedelind zufolge war sie von jedem angetan, der flüssig und überzeugend reden konnte, wozu neben dem späteren künstlerischen Leiter der Festspiele, Heinz Tietjen, auch Adolf Hitler gehörte. » War sie einmal von jemand eingenommen, blieb sie völlig blind dessen Fehlern gegenüber und nichts konnte ihre Meinung über ihn ändern. «20 Diese Unfähigkeit, den Charakter eines Menschen zu erkennen, war nach Friedelinds Meinung der Grund für die späteren Zerwürfnisse zwischen ihr und der Mutter. Obwohl Siegfried den Ruf hatte, unpolitisch zu sein, teilte er den Antisemitismus seiner Familie, und er beobachtete später die Begeisterung seiner Frau für die Nationalsozialisten und insbesondere für Adolf Hitler keineswegs aus vornehmer Distanz. Er war zwar darauf bedacht, die jüdischen Besucher der Festspiele nicht zu beleidigen, und hielt sich aus diesem Grunde zurück, ließ aber seine Frau mit ihrem Enthusiasmus gewähren. Schon 1922 – Friedelind war vier Jahre alt – bildete sich in Bayreuth eine Ortsgruppe der NSDAP, ein Jahr später reichten sich Hitler und der Ehemann von Eva Wagner, Houston Stewart Chamberlain, in Bayreuth die Hände. Chamberlain galt mit seinen Schriften als einer der größten Rassenideologen, und er war sofort von Hitler begeistert. Auch bei einem » Deutschen Tag « in Bayreuth war Hitler zugegen. Einen Tag darauf, am 1. Oktober 1923, besuchte er Wahnfried und schaute sich alles ehrfurchtsvoll an. Er war Wo » Mausi « hineingeboren wurde

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seit seiner Jugend ein fanatischer Anhänger des Wagner’schen Werks. Sein Jugendfreund Kubizek hat über Hitlers Begeisterung für den Volkstribun Rienzi in der gleichnamigen Wagner-Oper geschrieben, er identifiziere sich mit diesem Volkshelden und besuche in Wien immer wieder Opern von Wagner. Und Winifred Wagner berichtet, dass er jeden Takt des Lohengrin kannte21, was auf seine generellen Kenntnisse des gesamten Werks schließen lässt. Obwohl Friedelind erst fünf Jahre alt war, erinnerte sie sich  zeitlebens an diesen ersten Besuch, der ihrer Mutter so viel bedeutete. Die ganze Familie war versammelt, einschließlich der zweijährigen Verena. Wieland durfte wegen des Ereignisses die Schule schwänzen. Im Nachhinein überkommt sie Bitterkeit : » Wenn ich auf diesen schönen und hellen Frühlingstag zurückschaue, fällt es mir schwer zu begreifen, dass alles, was mit mir geschah, von diesem kurzen Höflichkeitsbesuch beeinflußt war, den ein armer und praktisch unbekannter Österreicher in seltsamer Kleidung unternahm. Ich konnte damals nicht wissen, dass diese hungrig aussehende Vogelscheuche mich eines Tages aus genau dem Haus vertreiben würde, in dem er herzlich empfangen worden war. Dadurch riß er mich aus einem Dasein heraus, das mir aufgrund meiner zufälligen Herkunft Wohlgefühl und Sicherheit verlieh, die anderen versagt wird, was schließlich das Verständnis und die Zuneigung zwischen meiner Familie und mir zerstörte. Ich konnte nicht ahnen, dass dieser Mann, der damals wie ein Buffosänger wirkte, mich schließlich zur Exilantin machen und von Land zu Land schicken würde auf der Suche nach einer Zuflucht ; dass er mich aller Wertsachen berauben würde, die er damals so stumpfsinnig bewunderte, und dass er mich zu Tode verurteilen und alles unternehmen würde, um mich zu zerstören. «22 Einige Wochen später ereignete sich der Aufstand in München : Hitler hatte versucht, mit einem Putsch die Regierung in 28

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Berlin zu stürzen, was aber misslang ; er kam in Haft. Siegfried und Winifred erlebten die Aufregung zufällig in München, wo ein Wagner-Konzert geplant war, und Winifred konnte drei Tage darauf bei der Bayreuther Ortsgruppe der NSDAP eine Zusammenfassung der Ereignisse geben. » Ich legte mit Sopranposaune los ! Die zweite Rosa Luxemburg ! ! « Ihr war klar, dass sie auch in der Öffentlichkeit mit Adolf Hitler in Verbindung gebracht wurde, was ihr gefiel : » Für mich hat der 9. November ein vollständig neues Tätigkeitsfeld eröffnet, nämlich das leidenschaftliche Eintreten für Hitler und seine Ideen. « Auch Siegfried war außer sich über den Fehlschlag : » So ein  schändlicher Verrat ist noch nie geschehen. Gegen solche Gemeinheit ist allerdings ein so reiner Mensch wie Hitler und Ludendorff nicht gefeit. «23 Hitlers Fanatismus interpretierte er als Geradlinigkeit und sah in ihm den künftigen Retter Deutschlands, der die Ehre des Landes wiederherstellen könnte. Er war angetan davon, dass Winifred » wie eine Löwin für Hitler « kämpfte ; er fand das » großartig «24. Fünf Tage nach dem Putschversuch erschien in der Oberfränkischen Zeitung eine Stellungnahme von ihr, in der sie bekannte, seit Jahren mit innerer Zustimmung die Arbeit Hitlers zu verfolgen, » dieses deutschen Mannes, der, von heißer Liebe zu seinem Vaterlande erfüllt, sein Leben seiner Idee eines geläuterten, einigen, nationalen Großdeutschland zum Opfer bringt … «. Sie lobte seine » moralische Kraft und Reinheit « und betonte, auch in den gegenwärtigen Zeiten zu ihm zu stehen.25 Ein Sieg für Hitlers Partei bedeute auch einen Sieg für Bayreuth. Tatsächlich konnte sich Siegfried ausrechnen, dass auch Bayreuth von einer politischen Stärkung der Nazis profitieren würde. Ebenso wusste Hitler, dass die Unterstützung der Festspiele aufgrund des Namens Wagner seinem Anliegen eine größere Legitimität verleihen würde. Wo » Mausi « hineingeboren wurde

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Die Kinder waren von Menschen umgeben, die fest davon überzeugt waren, dass Hitler der Retter Deutschlands sei : Chamberlain, Winifred, Siegfried, die Tanten Eva und Daniela, Hans von Wolzogen ( » Onkel Hans « ), die Gouvernante Lieselotte Schmidt und andere. Es verwundert daher nicht, dass sie bald diese Begeisterung teilten. Im Jahr darauf wurde von Bayreuth aus eine große Unterschriftenaktion zur Freilassung Hitlers in Gang gesetzt. Über 10 000 Unterschriften kamen zusammen. Es gab sogar Überlegungen, Hitler nach seiner Entlassung aus der Haft in Wahnfried wohnen zu lassen.26 1924 wurde Hitler zu einer milden Strafe verurteilt, die ihm nur wenige Monate Haft einbrachte. Winifred schickte dem Häftling eine Wolldecke, eine Jacke, Strümpfe, Lebensmittel und Bücher nach Landsberg und richtete eine Sammelstelle » für Liebespakete nach Landsberg « ein.27 Auch Daniela Thode, die Tante der vier Kinder, machte aus ihrer Begeisterung für die Sache Hitlers keinen Hehl und reiste nach München, um einen verwundeten Nazi zu besuchen ; nach ihrer Heimkehr berichtete sie darüber in einem Bayreuther Lokal. Chamberlain verfasste eine Solidaritätsadresse, in der die Reinheit Hitlers gelobt und es als » Gotteszeichen « gewertet wurde, dass er und Ludendorff den 9. November unversehrt überstanden hatten.28 Unter den Briefen an Winifreds Freundin Helene Roesener befindet sich die Kopie dieses Schreibens an Adolf Hitler, datiert am 1. Dezember 1923. Darunter stehen die Namen von Houston und Eva Chamberlain, Hans von Wolzogen, Siegfried und Winifred Wagner. Hitlers Partei war zwar verboten worden, aber Winifred engagierte sich für die Tarnorganisation, die sich » Völkischer Bund « nannte. Im selben Jahr fanden Reichstagswahlen statt, und die Nationalsozialisten zogen für den Völkischen Block mit hoher Stimmenzahl ins Parlament ein. Hitler schrieb den Wahlerfolg in erster Linie dem Bayreuther Einfluss zu : » Stolze 30

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Freude faßte mich, als ich den völkischen Sieg gerade in der Stadt sah, in der, erst durch den Meister und dann durch Chamberlain, das geistige Schwert geschmiedet wurde, mit dem wir heute fechten. « Deutlicher konnte er nicht ausdrücken, wie sehr seine Ideen vom » Meister « inspiriert worden waren, und die Erwähnung der Schwertmetapher ermöglichte ihm eine Identifikation mit dem Wagner’schen Helden Siegfried, der, mit übermenschlichen Gaben ausgestattet, zu bombastischer Musik ein Schwert schmiedet, mit dem er alle Hindernisse überwindet. Er schrieb weiter, dass er früher nicht habe kommen wollen, um nicht die » Feindschaft jener Kreise ins Haus zu tragen, unter deren Mißgunst Ihr hochseliger Herr Vater, unser aller › Meister ‹ so sehr zu leiden hatte « : ein Hinweis darauf, dass er die antisemitischen Schriften des » Meisters « gut kannte.29 1924 wurden die Festspiele nach zehn Jahren wieder eröffnet, nachdem die Inflation überstanden war. Siegfried konnte weder finanziell noch organisatorisch eine Neuinszenierung präsentieren, aber man war mit den Wiederaufnahmen zufrieden. 1925 kam Hitler, inzwischen aus der Haft entlassen, zu den Festspielaufführungen nach Bayreuth und erinnerte sich noch 1942 gerne daran. » Ich wollte eigentlich nicht hin. Ich sagte mir, die Schwierigkeiten würden für Siegfried Wagner dadurch nur noch größer werden, er war ein bißchen in der Hand der Juden. Ich kam in Bayreuth an um 11 Uhr abends … Am nächsten Morgen früh kam die Frau Wagner und brachte mir ein paar Blumen. Nun war ein Betrieb da ! Aus der Zeit existieren sehr viele Fotografien, die die Lotte Bechstein gemacht hat. Tagsüber bin ich in der kurzen Wichs gegangen, zu den Festspielen im Smoking oder Frack. Die freien Tage waren immer wunderbar. Wir sind ins Fichtelgebirge und in die Fränkische Schweiz gefahren. Auch im übrigen war es ein fabelhaftes Leben dort. Wenn ich nur zur › Eule ‹ hin bin, habe Wo » Mausi « hineingeboren wurde

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ich bei allen Künstlern und Künstlerinnen sofort Kontakt gehabt. Andererseits war ich noch nicht so berühmt, dass ich nicht meine Ruhe gehabt hätte. «30 Die Freundschaft Hitlers zu Winifred und Siegfried wie auch seine Verehrung des Wagner’schen Werks waren eine logische Folge dessen, was Wagner vertreten hatte. Hier mögen nur Stichworte genügen, die sich auf die direkte Verbindung zwischen dem Komponisten und der NS-Ideologie beziehen. Richard Wagners Erbe bestand nicht nur aus dem kulturellen  Schatz seiner Opern, die in ihrem Rückgriff auf mythologische Themen und mit ihrer alle Sinne ansprechenden Vertonung bis heute Generationen von Musikliebhabern tief berühren und faszinieren. Bayreuth bedeutet auch die Verbreitung seiner Ideen zum Deutschtum, zur Rasse, zum deutschvölkischen Nationalismus. Wagner hatte bereits 1850 mit seiner Hetzschrift Das Judentum in der Musik eine biologisch bedingte Deformiertheit und Andersartigkeit von Menschen jüdischer Herkunft behauptet, die er mit zahlreichen abstoßenden Einzelheiten ausgeschmückt hatte. 1869 hielt er es für geboten, das Pamphlet noch einmal zu verlegen, obwohl Cosima dagegen war, wie sie ihrem Tagebuch anvertraute. Gegen Ende seines Lebens intensivierten sich seine rassistischen und deutschnationalen Gedanken noch, denn er hatte die Schriften von Arthur de Gobineau zum Primat der arischen Rasse gelesen und selbst Schriften zum Thema verfasst. Sein monumentales Werk betrachtete er als Aushängeschild für eine dezidiert deutsch-völkische, nationalistische und antijüdische Gesinnung. Mit seiner Entscheidung, die Opernstoffe der Mythologie, also den archaischen Stimmen der Menschheit zu entnehmen, rührt er an tief liegende Emotionen, die durch seine Fähigkeit, die Musik bis in die feinsten psychologischen Verästelungen hinein zu gestalten, noch verstärkt werden. Beides macht das Festspielhaus für die meisten Besucher zu einem Tempel des sinnlichen Genusses, zu einem Quell 32

Ein » Riesen-Osterei «

intellektueller Diskussionen und Beschäftigung. Der Komponist glaubte, mit seinem Schaffen die deutsche Kunst erneuern zu können, ja, er hatte die gesamte » zivilisierte Welt « im Blick. Das Hausblatt der Nazis, der Völkische Beobachter, erkannte die Relevanz seiner Ansichten für die eigenen Zwecke, wenn er » die praktische Erfüllung der Wiedererneuerung des deutschen Volkes im Geiste Wagners « kommen sah.31 1930, nach dem plötzlichen und unerwarteten Tod ihres Ehemannes Siegfried, war Winifred Wagner auf sich allein gestellt. Ihre Schwägerinnen hielten sie nicht für fähig, den Betrieb weiterzuführen. So wie sie Hitler in den Zwanzigerjahren geholfen hatte, so war er jetzt bereit, ihr zu helfen. Ihre Verehrung für ihn währte über den Zusammenbruch Deutschlands und über Hitlers Suizid hinaus bis an ihr Lebensende, und sie » erhielt sein Retter-Image eisern und blindlings aufrecht «32. Diese Verkennung der historischen Fakten, diesen Mangel an persönlicher Scham hat Friedelind ihrer Mutter nie verziehen.

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2 » Krachlaute « als Kind 1924 bis 1931

Wahnfried bedeutete Heimat. Die Eltern widmeten den Kindern Zeit, sofern sie in Bayreuth und nicht auf Reisen waren. Frühstück und Mittagessen wurden gemeinsam eingenommen, um 16 Uhr gab es den Tee, der nach englischer Sitte zu einer kleinen Zeremonie ausgeweitet wurde. Der humorvolle, oft nachgiebige Vater, der sich kaum um die Erziehung kümmerte, amüsierte sich über Friedelinds freche Sprüche, während Winifred bemüht war, das rebellische Mädchen zu zähmen. Ihre durchdringende Stimme wusste diese zu nutzen, und sie hieß bald » Krachlaute «. Ihr Bruder Wolfgang schrieb, dass sie » beherrschend das große und mitunter schnodderige Wort « führte, » was meinen Vater zwar amüsierte, meine Mutter aber sehr oft dazu zwang, sie zurechtweisen zu müssen … Sie gebärdete sich stets auffallend und zog allein durch die Lautstärke ihres Sprechens die Aufmerksamkeit aller Umstehenden auf sich. «1 Diese wenig schmeichelhafte Schilderung enthält die bereits angelegte Nähe zum Vater. Dessen Konzept einer freien Erziehung kontrastierte mit den rigiden Vorstellungen der Mutter, die Schläge austeilen und bittere Strafen verhängen konnte, unter denen Friedelind nicht selten zu leiden hatte. Winifred prügelte dieses Kind als einziges, was aber kaum nutzte. 34

Siegfrieds lockerer Umgang mit den Kindern war vielleicht eine Reaktion auf die übertriebene Betreuung, die er selbst erlebt hatte. Das einzige Verbot, an das sich » Mausi « nachträglich erinnerte, bezog sich auf das Radeln den Festspielhügel hinauf – er glaubte, das könne ihr Herz schädigen.2 Die Kinder durften sogar das Rauchen ausprobieren, da er überzeugt war, dass sie es bereuen würden – was tatsächlich der Fall war.3 Die willensstarke Tochter bewegte sich instinktiv zum Vater hin, der ihre musikalische Begabung und schnelle Auffassungsgabe erkannte und ihr besonders gewogen war. » Meine Schwester war ein Vaterkind «, schreibt Verena. » Er liebte sie sehr : ihre Intelligenz, ihre Spontaneität, ihre Frechheiten, ihr ungebremstes Temperament. « Kam sie ungewaschen und ungekämmt zu Tisch, pfiff er » Eine Zigeunerin, furchtbar anzuschauen « aus dem 1. Akt von Verdis Troubadour, was bei ihr wirkte : Sie stand lachend auf und kam ordentlich wieder zurück.4 Mit Vorliebe begleitete sie ihn bei Spaziergängen in der Umgebung von Bayreuth, wobei er ihr Französisch und Englisch beibrachte, Sprachen, die er akzentfrei sprach. Auch Italienisch beherrschte er bis hin zur Nachahmung von Dialekten, war er doch oft mit seinem Vater in Italien gewesen. Einmal komponierte er mit dem Lied » Wahnfried-Idyll « in infantil-fröhlichem Stil das Leben daheim. Die Maus war » Mo «, Wieland hieß » Huschele « : Kugeli ! Kugeli ! Dudeldazwi ! Munter ist’s jetzt in Wahnfried früh : Kaum kräht der Hahn sein Kikriki, machen die Kleinen ihr erstes Pipi. Kugeli Kugeli dudeldazwi ! Die Mo, die bleibt nicht lange stumm ! Dem Huschele wird es bald zu dumm ! An der Türe er pumpert bumbumbumbum und tanzt im Elternbett herum ! … 1924 bis 1931

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Guckt nicht hinaus, Ihr Kindlein beid’, Ihr wisst noch nichts von Neid und Leid ! Der Weihnacht reiner Lichterschein leucht’ Euch stark ins Herz hinein. Dass des Lachens froher Schall in Eurer Brust nie verhall’ ! Die Villa Wahnfried, das Heim der Familie, spiegelte die Vorlieben ihres Schöpfers Richard Wagner wider. Zahllose Objekte erinnerten an ihn : Möbel, die er selbst entworfen hatte, Bücher, die nach seinen Richtlinien gebunden worden waren, Briefe, die er geschrieben und erhalten hatte, Erinnerungsstücke, die auf seinen Reisen gekauft worden waren, unzählige Geschenke, die ihm Bewunderer geschickt hatten, Porträts von ihm und seiner Familie, ein Klavier in fast jedem Zimmer. Ein von Wagners erster Frau Minna auf einen Wandschirm gestickter Papagei fiel besonders auf. Was mit Richard Wagner selbst zu tun hatte, wurde wie Reliquien bewahrt. Im Gebäude befanden sich kostbare Souvenirs unter Glas, Partituren lagen aufgeschlagen, zwei große Porträts von Cosima standen auf Staffeleien5 – alles atmete Geschichte und Tradition. Im Zentrum des Hauses befand sich ein zweistöckiger großer Salon mit einem teppichbedeckten Marmorboden. Der Raum wirkte » wie eine Mischung aus Museum und ägyptischer Grabkammer «6. Die Glasdecke war so hoch, dass sie einen Teil des Daches bildete – das Licht schien von oben in den Salon hinein. Auf halber Höhe der Wände befand sich eine Galerie, darunter hingen Ölgemälde mit Motiven aus dem Ring des Nibelungen, Geschenke von Ludwig II. Auch sechs auf Podesten stehende Marmorstatuen mit Figuren aus Wagners Opern waren ein Geschenk des Königs. Man benutzte sie zu Weihnachten als Haken zum Aufhängen von Tannenkränzen. In der Bibliothek waren die Seidentapeten mit einem Blumenmuster bemalt worden, und Tante Eva zeigte Friede36

» Krachlaute « als Kind

lind einmal die inzwischen verblichene Stelle, die sie einst selbst gestaltet hatte. Kindergeschrei hallte durch die ehrwürdigen Räume des Hauses. Friedelind wuchs in eine wunderbare Welt der Musik, der Malerei und der Literatur hinein, und ihr Kopf war mit Geschichten über ihre Vorfahren und deren Traditionen vollgestopft. Die greise Großmutter Cosima symbolisierte für sie die Verbindung zu dieser alten Welt, deren Spuren noch überall sichtbar waren. Die Kinder durften jederzeit die alte Dame besuchen, die ihnen Märchen und Märchenhaftes aus Wagners Opern erzählte. Sie waren oft in ihrem Zimmer, wo sie sich die Büste ihres Großvaters anschauten und mit ihr spielten ; die Großmutter musste oft die Kranke mimen, und sie kurierten sie. Sie lachte viel mit ihnen, zum Beispiel, als Friedelind auf die Frage, wie es ihr in der Schule ginge, antwortete » Ich gehe jetzt auf das Humoristische Gymnasium «. Cosima kommentierte : » Hoffentlich bleibt es immer humoristisch. «7 Im Garten konnten konsternierte Wagner-Verehrer, die Richards Grab besuchten, vier halb nackte Kinder herumtoben sehen. » Aber Frau Wagner, nur arme Kinder laufen barfuß herum «, bekam Winifred oft von entsetzten Bayreuthern zu hören, wenn der Nachwuchs wieder einmal mit schmutziger oder zerrissener Kleidung und ohne Schuhe herumlief. Friedelind ähnelte in ihrer Wildheit ihrer Großtante Isolde, so meinten die Tanten Eva und Daniela. » Ich küsse euch à la Loldi, d. h. recht lange und stark «, schrieb Cosima einmal an Daniela und unterstrich damit das Heftige im Naturell der Großtante.8 Das alte Kindermädchen Emma Bär betreute die Vierergruppe und ließ den Kindern viele Freiheiten, die ausgiebig genutzt wurden. Für die ältere Tochter, die von Kindheit an Autoritäten grundsätzlich misstraute, gehörten diese Jahre zu den unbeschwertesten ihres Lebens.9 Da der Name » Wagner « in Bayreuth als heilig galt, wuchs sie in dem Bewusstsein auf, 1924 bis 1931

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etwas Besonderes zu sein. » Man erzählt sich von den Kindern Anekdoten wie von königlichen Prinzen früher «, schrieb eine Bewohnerin Bayreuths, die das Ehepaar Wagner als » Könige von Bayreuth « bezeichnete.10 Friedelind zeigte, im Gegensatz zu späteren Jahren, einen ausgeprägten Geschäftssinn. So hatte sie zum 400. Todestag von Albrecht Dürer Hunderte von Postkarten und Farbreproduktionen gesammelt und brachte sie alle an der Wand der Galerie an, wobei sie für die Besichtigung Eintrittsgeld verlangte, Wolfgang zum Kassenwart bestimmte und Führungen veranstaltete. Verena nahm zehn Pfennige für die Garderobe. Den erzielten Gewinn teilte sie mit den Geschwistern ; sie kauften sich damit Knackwürste auf dem Markt, weil Winifred sie gerade vegetarisch ernährte.11 1927 » erbte « Wolfgang von seinem Onkel Houston den Hühnerstall und verkaufte seiner Mutter die Eier, wobei Friedelind das Amt der Kassiererin übernahm. Während der Festspiele kamen die Kinder auf die Idee, einen Leiterwagen mit kleinen Bänken zu versehen : Für zehn Pfennige verkauften sie den Festspielgästen Fahrten zu Wagners Grab, was sich viele nicht entgehen ließen. ( Einer ihrer Kunden war der Naziagitator Joseph Goebbels.12 ) Die Beziehung der Kinder zu den Festspielmitwirkenden war damals eng, da die meisten Künstler und Künstlerinnen den ganzen Sommer über in Bayreuth blieben. Der Tenor Lauritz Melchior ( 1890 – 1973 ) besaß noch im Alter ein Foto der vier Wagner-Kinder, die in Bayreuth auf ihm herumgekrabbelt waren, und er erinnerte sich, dass sie respektlos » Fettschwein « hinter ihm hergerufen hatten.13 Auf der Fläche neben dem Grab des Großvaters spielten die Geschwister mit den Stadtkindern Fußball und ruinierten damit den Rasen, den Winifred umgraben und neu herstellen lassen musste. Friedelind war, vermutlich wegen ihres Übergewichts, gerne Torwartin. Sie liebte es zudem, auf Stelzen zu laufen, und war Meisterin im Ersteigen von Treppen.14 Eine Puppenküche, die sich 38

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auf dem Dachboden von Wahnfried befand und in der sich kleine Gerichte herstellen ließen, konnte Friedelind nicht entzücken.15 Dafür liebte sie Tiere, und als ihre Geschwister aus einem Wurf je einen Hund auswählen durften, suchten die anderen die kräftigsten Welpen heraus, während Friedelind den schwächsten nahm. Auch nach einem Wurf von sieben Welpen bewährte sie sich als erstrangige Pflegerin.16 Wielands spätere Ehefrau Gertrud Reissinger, die Friedelind im schulischen Turnunterricht kennenlernte, nannte sie eine » koboldhafte Ulknudel «17. Die beiden Mädchen freundeten sich an, und wenn Gertrud zu Besuch in Wahnfried war, machten sie sich einen Spaß mit dem Teeritual. Sie saßen im Speisezimmer, und Friedelind rief durch den Aufzugsschacht : » Hallo, Grete, was gibt’s zum Tee ? « Daraufhin schepperte der Aufzug, und es erschien ein Tablett mit Tee und Milch, Brot und Hefenudeln, Butter und Marmelade. Friedelind setzte die beiden Hunde des Hauses auf die Polsterstühle, wo sie Milch aus den Porzellantassen schleckten und den Kuchen von den Tellern fraßen, was die Mädchen köstlich amüsierte. Als die kranke Hündin der Familie sich einmal weigerte, Lebertran zu nehmen, begoss Friedelind deren Nachwuchs mit dem Öl, und die Mutter leckte die Welpen sauber.18 » Meine sprunghafte Betriebsamkeit und hemmungslose Aufrichtigkeit brachten mich stets in Schwierigkeiten «, schrieb Friedelind später über sich.19 Das » lockere Mundwerk «, das ihr nachgesagt wurde, besaß auch der Bruder Wieland. Beide trieben das Spiel mit den Worten bis zur Unflätigkeit, auch, um sich von den als spießig empfundenen Bayreuthern abzuheben. Da sie eine Veranlagung zur Dickleibigkeit hatte, fiel  Friedelind schon als Kind mit ihrer gedrungenen Statur gegenüber der hübschen und zarten Schwester ab, was sie durch Temperament und Unternehmungsgeist zu kompensieren suchte. 1924 bis 1931

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Die Mutter Winifred litt als junge, erlebnishungrige Ehefrau unter Siegfrieds häufiger Abwesenheit und suchte nach Möglichkeiten, ihn zu begleiten : » Die Danziger Strohwitwenzeit habe ich glücklich überstanden, um jetzt schon wieder ohne Mann dazusitzen … Nach Berlin werde ich wahrscheinlich mitgehen, weil ich ein paar Tage wegkann, ohne das Kind abzugewöhnen. Die Milch pumpe ich mir ab und schick sie in Flaschen nach Bayreuth. Zum Piepen, was ? «20 Ein von ihr aus der völkischen Wochenschrift Die Sonne herausgerissener Artikel von 1924, den sie ihrer Busenfreundin Helene Boy ( spätere Roesener ) schickte und in dem die platonische Liebe gelobt wird, lässt auf ihre Probleme mit dem homosexuellen Ehemann schließen.21 Es war sicherlich nicht leicht für sie, Siegfrieds sexuelle Präferenzen zu akzeptieren. Winifred entsprach aber auch selbst nicht dem üblichen Rollenbild. Sie war weit entfernt vom Ideal einer sich für Mann, Familie und Haushalt opfernden Weiblichkeit und eher am Bild der selbstständigen Frau der Zwanzigerjahre orientiert ; ihre Lust am Autofahren, Reisen und Kennenlernen von Menschen und Orten war groß. Ihre Schwägerin Daniela hat sie einmal wie folgt charakterisiert : » Sie ist jung, rasch, ungeduldig und heftig, geht über Worte die an das Gemüth appelliren beinahe lachend hinweg und nur was ihrem Verstand zugänglich ist hat Erfolg bei ihr. «22 Sie hing an den Kindern, wollte sich aber keinesfalls mit einer vereinnahmenden Mütterlichkeit zufriedengeben, sodass diese die häufige Abwesenheit der Mutter in Kauf nehmen mussten. Zugleich konnte sie dominant und fast herrisch sein – etwas, was ihr bei der Leitung der  Festspiele oft zugutekam, aber bei einem so selbstständigen Kind wie Friedelind Widerstand hervorrufen musste. Als » unbestrittene souveräne Herrin ihres Hausstaats, mit seiner Weitläufigkeit, dem vielen Personal, den zwei Autos … war sie den jungen Besuchern gegenüber burschikos und der sie umtänzelnden Dienerschaft gegenüber selbstbewusst. Sie trat 40

» Krachlaute « als Kind

vehement auf und setzte, wenn es nötig schien, ihre kraftvolle Stimme mächtig ein. Den Ruf nach ihrer Tochter Friedelind – › Mausi ! ‹ – kannte halb Bayreuth. «23 Ein Beispiel für ihre Strenge, die mit ihrem Talent zur Organisation zusammenhing, waren die festen Essenszeiten. Wer um 13 Uhr nicht pünktlich erschien, wurde verbannt und musste sich mit Resten in der Küche begnügen ; den leeren Platz nahm dann der Hund ( ein Schnauzer ) ein.24 Der Kult und die emotionale Kraft der bürgerlichen Häuslichkeit waren nicht Winifreds Sache, aber sie bestand auf gemeinsamen Mahlzeiten und hielt bestimmte Regeln ein. Als sie einmal eine Köchin suchte, fand sie eine » dralle Person, die so aussieht, als ob sie die Bande da unten in Ordnung halten könnte – ob sie kochen kann ist ja eine zweite Frage «25. 1923, Friedelind war fünf Jahre alt, stieg die Inflation an, und die wirtschaftliche Krisensituation spitzte sich zu. Die rechte Presse ereiferte sich über die französische Besatzung an der Ruhr. Der Versailler Vertrag, der dem Kriegsverlierer Deutschland wirtschaftlich harte Bußen auferlegte, wurde als tiefe Demütigung empfunden. Das Gefühl von Ohnmacht ergriff alle Bevölkerungsschichten, und der rednerisch begabte Adolf Hitler erschien vielen als die letzte Rettung. Als es in Bayreuth einen » Deutschen Tag « geben sollte, war klar, dass er kommen und reden würde. Winifred stand am Garteneingang von Wahnfried, um die vorbeimarschierenden Teilnehmer zu begrüßen. Die völkischen Fahnen wurden geweiht, es gab eine Parade auf dem Schlossplatz, und am Abend sprach Hitler in  der überfüllten markgräflichen Reithalle. Er plädierte für die » Autorität der Persönlichkeit «, die die parlamentarische Demokratie abzulösen habe, was für viele verführerisch klang. Kaum hatte er die Rede beendet, fuhr Hitler zu Evas Ehemann, dem Schriftsteller Houston Chamberlain, der mit seinen abstrusen Theorien die Grundlagen für Hitlers Überzeugung von der Ungleichheit der Rassen geschaffen hatte. Dort 1924 bis 1931

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nahm Hitler sofort eine Einladung zum Frühstück in Wahnfried an. Am 1. Oktober 1923 kam er nach den Worten Winifreds als » ehrfürchtiger Bewunderer des deutschen Genius Richard Wagner, nicht als politischer Agitator «26. Agitation war auch gar nicht nötig, da Winifred ihm politisch längst zustimmte. Bewegt schaute er sich die Reliquien von Cosima und Richard sowie die Wohnräume an. Er hatte von Kindheit an Wagners Musik verehrt, war ihr verfallen ; er identifizierte sich mit den Helden der Wagner’schen Opern und fand in ihnen eine Entsprechung für seine eigene Rolle. Der Empfang war herzlich, er lernte die vier Kinder und Siegfried kennen, der an dem Gast Freude hatte und ihm das Du anbot. » Gottlob gibt es noch deutsche Männer ! «, schrieb der Hausherr über den Gast. » Hitler ist ein prachtvoller Mensch, die echte deutsche Volksseele. Er muss es fertig bringen ! «27 Weihnachten 1924 wurden die Kinder von den Eltern reich beschenkt ; sie erhielten Bücher, Helme, Säbel, Trommeln, Eisenbahnen, Soldaten, Puppen, Puppenwagen, und der Christbaum in der Halle reichte bis an die Deckenwölbung.28 1925 wurde nach Hitlers Entlassung aus der Festung die Partei neu gegründet. Winifred erlebte in München die erste Versammlung, als er in einem Saal vor 3000 Zuhörern eine Rede hielt. Anschließend nahm » Wolf «, wie Hitler sich nennen ließ, sie in seinem neuen Mercedes nach Plauen mit, wo Siegfried Wagners Oper Schwarzschwanenreich aufgeführt werden und wo er auch weilen sollte ; Hitler wollte sich bei ihm persönlich für seine Unterstützung bedanken. Aufgrund der vorgerückten Uhrzeit schlug Winifred ihm vor, die Fahrt in Wahnfried zu unterbrechen und heimlich zu übernachten, was er auch tat. Wegen des plötzlichen Todes von Reichspräsident Friedrich Ebert kam es dann nicht zu der Aufführung, sodass Hitler die Reise am nächsten Morgen abbrach. Die Kinder, von der elterlichen Begeisterung angesteckt, nannten Hitler nun auch » Wolf « und lauschten gerne seinen Geschichten. Sein spätes 42

» Krachlaute « als Kind

Auftauchen mitten in der Nacht machte ihn mysteriös, und er schmückte die Situation aus, indem er ihnen erzählte, wie gefährdet er sei. Kurz darauf besuchten Winifred und Siegfried Hitler in seiner recht kleinen Wohnung in München, und er versprach, zu den bevorstehenden Festspielen zu kommen. In diesem Jahr erlebte er zum ersten Mal eine Aufführung des Rings des Nibelungen, und er bekannte später als Reichskanzler öffentlich : » Es gibt keine herrlichere Äußerung des deutschen Geistes als die unsterblichen Werke des Meisters selbst. « Auch Joseph Goebbels wurde freundlich empfangen, als er 1926 Wahnfried besuchte. Winifred zeigte ihm den Flügel, den Schreibtisch und Porträts von Wagner, während die Kinder durch die Räume tobten. Sie beschwerte sich wohl bei ihm über ihren Mann, denn Goebbels notierte : » Siegfried ist so schlapp. Pfui ! Soll sich vor dem Meister schämen. « Er nannte ihn » Feminin. Gutmütig. Etwas dekadent «. Ein paar Wochen darauf hatte er  sich mit den Kindern angefreundet und befand, Friedelind  ( der Winifred bescheinigte, » immer ungezogener « zu werden29 ) sei die Begabteste : » Das älteste Mädel das geweckteste … Nachmittags Vorbeimarsch. Blumen werden gestreut und Heil gerufen. Dann tolle ich mit der Wagnerbagage eine Stunde im Heu herum. So ein liebes Kroppzeug … Ich bin etwas verliebt in die Wagnerbagage. «30 Ein undatiertes Foto von 1926 oder 1927 zeigt Friedelind auf seinem Schoß. Ein unvergesslicher Höhepunkt blieb für die Achtjährige eine Siegfried-Wagner-Woche in Weimar. Die Familie reiste 1926 mit einem Tross Verehrerinnen und Verehrer von Siegfried an, wozu ältere Damen ebenso gehörten wie Friedelinds  Pate Franz Stassen, der sie in Museen führte. Sie erinnerte sich später an die aufregende Atmosphäre im Hotel, gespeist von Erwartungen des Festes, umgeben von Musikern, Sängern und Gastdirigenten. In Weimar besuchte man Goethes Wohnhaus sowie die Hofgärtnerwohnung ihres Urgroß1924 bis 1931

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vaters Franz Liszt. Auf Eseln ritten sie zur Wartburg bei Eisenach, die den Großvater zu seinem Tannhäuser inspiriert hatte. Überall sah das Kind Spuren des großen Vorfahren und lebte in dem Gefühl, Erbin eines bedeutenden kulturellen Vermächtnisses zu sein. Friedelind wurde 1924 in Bayreuth eingeschult, in dem Jahr, in dem die Festspiele nach dem Ersten Weltkrieg wieder begannen. » Vom 6ten Lebensjahr, als in Bayreuth die Festspiele wieder eröffnet wurden – 1924 – war ich natürlich dem Theater völlig verzettelt «, schrieb sie. Es schien » für uns Kinder ein Märchen Wirklichkeit geworden zu sein «31. Sie war fasziniert von den Vorgängen auf der Bühne, spielte sie nach, beobachtete, sprach mit den Künstlern und Künstlerinnen, mischte sich ein. Nach eigener Aussage verpasste sie vom Beginn der Festspiele an bis zu ihrem Weggang als junge Frau, wenn es irgend möglich war, keine Probe und keine Aufführung. » Von dem Eifer und der Rastlosigkeit, mit der in den Wochen, die den Festspielen vorangehen, gearbeitet wird, kann sich ja niemand einen Begriff machen, der es nicht selbst erlebt hat. «32 Schon ein Jahr vorher begannen die Proben mit den Sängern. » Mit der Wiedereröffnung war es um uns Kinder geschehen : wir zweifelten nie daran, dass unsere Zukunft völlig von dem Musiktheater absorbiert und obsessiv besetzt werden würde. «33 Frech und phantasievoll, wie sie war, schlüpfte sie bei einer Generalprobe vor den Vorhang und verkündete dem verdutzten Publikum, dass die nächste Oper ihres Vater Der Kuhwedel heißen würde.34 Als Daniela einmal den Kindern Kostüme schneiderte, die dem Wagner’schen Ring entlehnt waren, raste die » Maus « als Fricka durch den Garten – Daniela gab ihr die Rolle der kritischen Ehefrau vermutlich nicht zufällig. Die ersten drei Jahre in der Schule, einer » Seminarschule « genannten Lehranstalt, die zusätzlich für die Lehrerausbildung zur Verfügung stand und vier Klassenstufen umfasste, 44

» Krachlaute « als Kind

gefielen ihr recht gut. 1926 konnte Winifred der Ehefrau des Kunst- und Musikschriftstellers Oskar Bie, Grete, noch stolz berichten : » Friedelind brachte heute ein feines Zeugnis heim. 11 Einser + 4 Zweier ! «35 Aber die Freude währte nicht lange. Als die Klasse im vierten Schuljahr einen ungerechten Lehrer bekam, begehrte sie auf und fragte ihn empört, warum er seine Bosheit nicht an ihr ausließ, sondern an den unschuldigen Mitschülern : » Sie würden sich ja nicht trauen, eine Wagner anzurühren. «36 Sie wollte trotz ihres berühmten Namens unbedingt wie alle anderen behandelt werden. Als man sie wegen schwacher Leistungen ein weiteres Jahr in der vierten Klasse beließ, anstatt sie sofort ins Gymnasium zu schicken, wirkte sich dies verheerend auf ihre Motivation aus. Anstatt aufzupassen, verbrachte sie ihre Zeit damit, die Lehrer zu ärgern. Dies wiederum verleitete ihre Mutter zu besonderen Strafen. Aber mit Wasser und Brot und Ins-BettSchicken sowie der Einkassierung von Gegenständen, die das Mädchen liebte, ließ sich der rebellische Wille nicht brechen. Stattdessen förderten diese Maßnahmen zwischen Mutter und Tochter eine Feindseligkeit, die zur Grundlage ihrer lebenslang schwierigen Beziehung wurde. Je mehr die Mutter versuchte, das renitente Kind zu bändigen, desto wilder wurde es :  » Ich raste auf dem Fahrrad umher mit Verena, die alle Nickel nannten, auf der Lenkstange und Wolfi hinten auf dem Gepäckträger ; ich machte alles, nur nicht meine Schulaufgaben. «37 Als sie endlich in das Gymnasium » Christian Ernestinum « eintrat, empfand sie den Unterricht als undemokratisch ; kritische Fragen waren unerwünscht. Die » Kriegsschuldlüge « wurde einseitig und politisch gefärbt dargestellt, wogegen sie sich wehrte. » Wie fast stets in Deutschland war ich von dem Gefühl befallen, dass mich ein Strick würge, an dessen beiden Enden gezogen werde ; die Lehrer beschwerten sich, Mutter war am Ende ihrer Weisheit … Wieder war ich in offenem 1924 bis 1931

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Aufruhr, die Stunden in der Schule wurden zum Kampf, die Spannung wuchs. «38 Sie verschaffte sich Gertrud zufolge » durch ihr aggressiv-witziges Mundwerk und ihre kameradschaftliche Umgänglichkeit sofort eine gewaltige Anhängerschaft «. Von der Schule aus zog die Kinderschar zum Wahnfriedgarten, wo man Fußball spielte. » Es gehörte vor allem zum Stil der anführenden › Maus ‹, dass man sich nicht wie › Mädchen ‹ verhielt, sondern ein möglichst rüdes Bubentum, Kraftausdrücke mit eingeschlossen, an den Tag legte. «39 Zu ihrem zehnten Geburtstag im März 1928 lud sich Mausi 15 Kinder ein, dazu die Tanten Eva und Daniela sowie ihre Klavierlehrerin, Fräulein Mann40, obwohl sie nicht als sonderlich fleißig am Klavier galt. Winifred lobte einmal Wieland, der bereits transponieren konnte, und schrieb : » Mausi ist stinkfaul und erreicht schon deshalb nicht das, was der Bub mit seinem Pflichtgefühl erreicht. «41 Siegfried sagte es anders : » Wieland ist fein musikalisch. Mausi kriegt dazwischen TempoDiarrhöe und saust mit den Vierteln davon. Verena singt niedlich und Wolf will Flöte lernen. «42 Eine gewisse Ratlosigkeit machte sich bei Winifred breit : » Die unverschämte Maus hat sich neulich in einer Rechenschularbeit eine 5 geleistet. Was soll man nur mit so einem Balg anstellen ? «43 Am 15. Juli 1929 fuhr Winifred mit Wieland und Friedelind nach München, um Mausi ins Landerziehungsheim nach Marquartstein zu bringen, einem kleinen Luftkurort zwischen München und Salzburg. Die Elfjährige war von dem Blick von der Burg in Salzburg begeistert.44 Das Heim war für seine humanistisch-liberale Erziehung bekannt, was das Mädchen wohl kaum bemerkt haben wird. Sie beschreibt das Institut als eine » Ferienkolonie «. Es ist nicht recht klar, warum sie dort hingebracht wurde. Wollte Winifred sich für einige Zeit von ihrem vorlauten Kind befreien ? Als eine Lehrerin sie nach München zu einer Lohengrin-Aufführung mitnahm, ließ sie sie im vornehmen Hotel Excelsior übernachten,  nannte ihr 46

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aber ein preiswerteres Hotel, wo sie abends essen sollte. Friedelind bestand aber darauf, im teuren Excelsior zu speisen, und ließ sich ihr Backhendl gut schmecken – ihr Hang zur Eigenständigkeit machte sich früh bemerkbar.45 Da der nationalsozialistische Parteitag am 4. August 1929 in Nürnberg stattfand, durfte Friedelind kurz nach Bayreuth zurückkehren, um bei der Standartenweihe anwesend zu sein. Die drei anderen Kinder, die Mutter, die Gouvernante Liselotte Schmidt, die Haushilfe Emma und Eva Chamberlain reisten morgens um sechs Uhr ab und wohnten im Deutschen Hof neben Hitlers Zimmer. Sie erhielten beste Plätze am Hauptmarkt für den Vorbeimarsch, der vier Stunden dauerte. Die Begeisterung war überall greifbar. Zwei Tage darauf kamen einige führende Nazis, darunter Goebbels, nach Bayreuth. Es gab eine Mittagstafel für zwölf Personen, und man saß nachher noch stundenlang im Saal und im Garten zusammen. NSElite und Festspielführung waren auf das Engste miteinander verzahnt. Im August brachen Winifred und Siegfried zu einer fünfwöchigen Reise auf und holten die Tochter aus dem Heim ab, in das sie wieder verfrachtet worden war. Sie hatte ihr Heimweh in trostlosen und jammervollen Briefen beschrieben und durfte nun einen Teil der Ferien allein mit ihren Eltern verbringen, da sich die anderen Geschwister bereits am Bodensee aufhielten. Ihr Vater wanderte mit ihr in den Bayerischen und Tiroler Alpen, sie pausierten in Bergwirtschaften und bewunderten die herrliche Sicht auf die Berge. Friedelind genoss alles in vollen Zügen und wünschte sich, der Sommer möge nie enden ; diese Wochen gehörten zu den glücklichsten ihres bisherigen Lebens. Zurückgekehrt nach Bayreuth, gingen die Probleme mit der Schule weiter. Als neues Fach war Latein hinzugekommen. Mausi streikte und dachte sich nur noch Streiche aus, um die Lehrer zu ärgern. Der Direktor drohte, sie von der Schule zu 1924 bis 1931

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weisen. Diesen Skandal wollte Winifred vermeiden, und da sie  Englischkenntnisse höher bewertete als solche in Latein, kamen die Eltern überein, Friedelind für ein Jahr nach England zu schicken. Sie könnte – so war der Plan – dann problemlos auf ein Lyzeum wechseln, das Englischkenntnisse voraussetzte. Für das aufmüpfige Kind war die Aussicht auf einen Auslandsaufenthalt aufregend, und sie sollte auch nicht enttäuscht werden. 1930 reiste Winifred mit der Tochter nach Köln, wo sie Siegfried trafen, der von Danzig gekommen war. Gemeinsam ging es weiter zur Kanalküste und hinüber nach Großbritannien. Siegfried hatte Konzertverpflichtungen, zunächst in Bristol, später in Bournemouth, wo es » viele alte Jungfern mit Zwickern gab «46 – eine Parallele zu Äußerungen seines Vaters, der 75 Jahre zuvor in London dirigiert und sich über die zuhörenden Damen echauffiert hatte. ( » Oft sieht man eine ungeheuer üppige Coiffüre, mit Rosen und Locken, und vorn dazu eine Brille auf der Nase. «47 ) Man war » schlemmerhaft im besten Hotel Londons untergebracht «.48 Dann begleitete Winifred ihre Tochter nach Brighouse in Yorkshire, einem Städtchen mit 20 000 Einwohnern, fünf Zugstunden von London entfernt. Die Direktorin der Brighouse High School, Miss Ethel M. Scott, war eine frühere Lehrerin Winifreds, und Friedelind wurde dementsprechend privilegiert behandelt : Sie durfte in Miss Scotts Haus wohnen und benutzte freizügig deren Briefpapier mit Briefkopf, wenn sie nach Hause schrieb. Es gefiel ihr dort gut, und sie lernte die englische Sprache geradezu spielend. Eine Lehrerin berichtete, dass sie ein fröhliches Mädchen war, viele Freundinnen hatte, Streiche liebte und einen gesunden Appetit besaß. » Sie war damals sehr für Hitler und zeigte überall den Hitlergruß, sehr zum Amüsement ihrer Klassenkameradinnen. «49 Für Friedelind war es eine gute Zeit. Unter Heimweh litt sie nicht, und sie schrieb Winifred zufolge » quietschvergnügte « 48

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Briefe nach Hause : » Es geht mir hier viel besser, wie daheim – hab Sonnabends nie Schule und darf mit Miss Scott immer wegfahren. « Winifred war froh, sie los zu sein : » Die Scott hat sich was Himmlisches aufgeladen – aber es scheint zu gehen. Ich zahl ganze 100 Mark im Monat Pension – eigentlich rührend anständig was ? «50 Der Tod der schon als Legende geltenden 92-jährigen Cosima Wagner am 1. April 1930 erregte weltweit Aufsehen. Für die Kinder war er aber kein allzu tragisches Ereignis, denn die Greisin hatte nur noch wenig Lebenswillen gezeigt. Sie hatten sie eher als leblose Gestalt wahrgenommen, die man mit dem Rollstuhl herumschieben konnte. Den Erwachsenen hatte Cosima größere Scheu eingeflößt, symbolisierte sie doch alles, was mit dem » Meister « zu tun hatte, um den sich die Festspiele drehten. Wie auch immer – bei Friedelind in der Ferne kam der Wunsch auf, heimzufahren und an dem feierlichen Begräbnis teilzunehmen.51 Als Siegfried vier Monate später während einer Probe zur Götterdämmerung einen Herzinfarkt erlitt und in hoffnungslosem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert wurde, holte man sie als einziges Kind zurück ( die anderen drei waren in den Ferien ). Ihre enge Bindung an den Vater verlieh ihr dieses Privileg. Es schmerzte sie ein Leben lang, dass ihr kein Einlass in sein Krankenzimmer gewährt wurde ; die Ärzte hatten ihm jede Aufregung untersagt. Tagelang lief sie vor der Zimmertür auf und ab, bis sie von seinem Tod erfuhr. Er starb im Alter von 61 Jahren, und sein Tod traf sie schwer. Als sie schmerzerfüllt zu ihrer Tante Eva ging, um Trost zu suchen, traf sie dort auf den Dirigenten Arturo Toscanini, der sie herzlich umarmte und versprach, sich um sie zu kümmern. Diese Geste vergaß sie ihm nie. Siegfried hatte in seinem Testament alle vier Kinder als Erben eingesetzt. Er machte zur Bedingung, Winifred als Festspielleiterin nur so lange zu belassen, wie sie sich nicht neu verheiratete. Schon am Tag nach seinem Tod saß Winifred an 1924 bis 1931

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ihrem Schreibtisch und arbeitete jetzt für zwei. Sie war fest entschlossen, die Festspiele fortzuführen. Vermutlich hatte » Wolf « seinen Segen dazu gegeben, was ihr Selbstvertrauen und Sicherheit verlieh. In Siegfrieds Todesjahr 1930 liefen die noch von ihm vorbereiteten Festspiele künstlerisch wie finanziell erfolgreich. Winifred stürzte sich mit Elan in die Vorbereitung der Aufführungen der darauffolgenden Jahre. Friedelind hatte jetzt keinen Vater mehr als Schutz und fühlte sich zuweilen wie ausgestoßen. Sie blieb nach Aussage ihrer Schwester unzugänglich für alle Versuche der Mutter oder der Geschwister, sie zu trösten, zu streicheln und für die Familiengemeinschaft zu gewinnen.52 Nach Cosimas Tod bekamen die Kinder die Räume, die ihr Personal bewohnt hatte. Sie und Verena bezogen nun ein Zimmer mit Biedermeierbetten mit weißem Mullhimmel. Der Kindersaal war mit Lernpulten, einem Klavier, einer Sitzgarnitur und einem Tisch eingerichtet, der Platz für zahlreiche Gäste bot. Freunde durften nun häufiger zu Besuch kommen, um den vier verwaisten Kindern Gesellschaft zu leisten. Winifred hatte ihre » Kommandozentrale « im Erdgeschoss eingerichtet, von wo aus sie alles organisierte, Briefe schrieb und mit dem Personal konferierte. 1931 veranstaltete Winifred ihre ersten Festspiele. Durch die Arbeitsflut, die auf sie einstürzte, hatte sie im Alltag weiterhin nur wenig Zeit für die Erziehung übrig, sodass die Kinder oft auf sich gestellt waren. Der Sängerin Frida Leider zufolge brachte es niemand fertig, ihnen Disziplin beizubringen. » Die vier Wagner-Enkel kannten keine Strenge und waren durch ihre Streiche in Bayreuth ebenso populär wie wir Künstler. «53 Furtwänglers Sekretärin Berta Geissmar erlebte sie ähnlich : » Kein Mensch war vor ihnen sicher, und niemand wusste, was sie in der nächsten Minute anstellen würden … Ich hatte immer viel übrig gehabt für › Mausi ‹, wie sie genannt wurde. Ihr Widerspruchsgeist, ihr schneller Verstand und ihre natür50

» Krachlaute « als Kind

liche Musikalität hatten mich angezogen. Als ich das erstemal nach Bayreuth kam, war sie zwölf Jahre alt und das ungezogenste und amüsanteste Kind, das man sich nur denken konnte. «54 Es wurde geschwommen, vorgelesen, Tennis gespielt, im Bett gelesen. Man stritt sich über das Vorrecht, am Klavier zu üben. Oft hörte man neue Schallplatteneinspielungen, so im Februar die neue Tannhäuser-Aufnahme : » Die Kinder sind sehr andächtig. «55 Man besuchte Konzerte, beispielsweise einen Klavierabend mit Elly Ney, und ging auch mal ins Kino. Die Kinder lernten das Fotografieren, waren oft bei Freunden oder luden sie zu sich ein. Ein beliebtes Spiel war das sogenannte Bilderraten : Wieland zeigte den anderen Gemälde aus einem kunstgeschichtlichen Buch, und sie mussten erraten, von wem sie stammten. Lieselotte Schmidt notiert : » Maus überholt mich noch um 2 Punkte. «56 Zu Himmelfahrt fuhren sie zur Riemenschneider-Ausstellung in Würzburg. Anschließend verbrachten sie in Nußdorf am Bodensee ihre Ferien, wo Winifred sich in dem neu erworbenen Häuschen am Wasser Zeit für sie nehmen und sie ganz für sich alleine haben wollte. Nach dem Frühstück stürzten die Geschwister an das Seeufer. Auch nach den Festspielen verbrachte man dort wieder zwei glückselige Wochen. Die Kinder erlebten in diesen Jahren eine starke Mutter, die den Haushalt mit allen organisatorischen Einzelheiten souverän zu leiten verstand, unzählige Briefe selbst auf der Schreibmaschine beantwortete und viel unterwegs war ( einmal benötigte sie für eine Bahnfahrt von Mailand, wo sie mit Toscanini verhandelte, bis nach Berlin 24 Stunden ). » Heute Abend erwarten wir wieder die Mami, dann kommt Leben in die Bude und einen Haufen Arbeit wird sie wohl auch wieder mitbringen «, schreibt Lieselotte.57 Vermutlich erlebte Winifred die Reisen als Befreiung, aber sicherlich auch als Verpflichtung, um die Festspiele auf feste Füße zu stellen. Sie benötigte drin1924 bis 1931

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gend einen professionellen Berater, und in der Presse herrschte Aufruhr, weil Heinz Tietjen, der Generalintendant der Preußischen Staatstheater aus Berlin, sowie der Dirigent Wilhelm Furtwängler berufen wurden, während der 71-jährige Karl Muck abgedankt hatte. Er hatte beschlossen, sich nach Siegfried Wagners Tod von Bayreuth zu verabschieden, aber es wurde gemunkelt, in Wirklichkeit sei er zurückgetreten, weil er mit der Verpflichtung Toscaninis nicht einverstanden war. Hitler, den alle Vorgänge in Bayreuth interessierten, reagierte auf den Rückzug Mucks entsetzt. » Gestern nachmittag war Wolf von 3 – 6 bei mir – der ist so außer sich über Muck, dass er schnurstracks zu ihm hinfahren will – er wird aber auch nichts erreichen ! ! ! «, schreibt Winifred58, und Lieselotte meldete ihren Eltern : » Es ist interessant, so an der Quelle zu sitzen, Frau Winny ist darin zu goldig. Teils dumme und gehässige Kommentare angeschaut in den vielen Zeitungen. «59 Winifred ließ sich von aufgeregten Mediendarstellungen nicht beirren – etwas, was ihre Tochter von ihr erbte. Mit Tietjen, dem Leiter der Preußischen Staatstheater, hatte Winifred einen leitenden Mitarbeiter, der den Vorteil besaß, in Berlin über einen großen Bestand an Künstlern und Künstlerinnen sowie an technischem Personal zu verfügen. » Führen Sie meinen Sohn Wieland allmählich seiner Lebensaufgabe zu : Der würdige Nachfolger seines Vaters im Dienst am Bayreuther Werk zu sein «60, schrieb sie ihm pathetisch, obwohl Siegfried das Erbe allen vier Kindern hinterlassen hatte. Tietjen hatte die fortschrittliche Berliner Kroll-Oper 1931 schließen lassen, vermutlich weil die Nationalsozialisten das » rötlichjüdische Kulturinstitut « bekämpften.61 Diese wendige Anpassung an die politischen Gegebenheiten, die er bestens beherrschte, machte ihn später für Friedelind so verhasst. Die Generalproben zu den Festspielen 1931 gingen gut voran. Es waren keine neuen Aufführungen geplant, aber dennoch musste vieles bedacht und organisiert werden. Furtwängler 52

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probte den Tristan, Toscanini den Parsifal. Die Kinder waren in jeder freien Minute im Festspielhaus. Zum Geburtstag ihrer Mutter schenkten sie ihr Inflationsgeld in verschiedenen Umschlägen mit witzigen Aufschriften wie » zur Schuldentilgung «. Zum Jahrestag von Siegfrieds Tod wurden zwei Konzerte angesetzt – das eine von Toscanini dirigiert. Friedelind, die mittlerweile eine gute Pianistin geworden war, spielte in einem Morgenkonzert mit dem Korrepetitor Karl Kittel eine Bearbeitung des Siegfried-Idylls für zwei Klaviere. Winifred freute sich über » Wolf « Adolf Hitlers Erdrutschsieg, den er im September 1930 bei den Wahlen errungen hatte. Damit nicht getratscht wurde, begrüßten sich die beiden bei öffentlichen Veranstaltungen nicht offiziell, jedoch gehörte er inzwischen fast zur Familie. Zur Konfirmation von Wieland und Friedelind schickte er große Nelkensträuße, was Klatsch hervorrief, da angenommen wurde, die Blumen seien für Winifred bestimmt. Wann immer es möglich war, traf sich die Familie mit ihm. Als sich Hitler im Mai zu einem Treffen in der Behringermühle bei Bayreuth ankündigte, war die ganze Familie nach einer einstündigen Fahrt dort. » Sprechen tat er zunächst nicht viel, aber gemerkt hat man doch, wie ihn vor allem das Wiedersehen mit den Kindern, die ihn ja abgöttisch lieben und an denen er sehr hängt, fast gerührt hat … die Kinder haben den gutmütigen Wolf von allen Ecken und Enden photographiert. «62 Winifred glaubte, dass Hitler das familiäre Umfeld so genoss, weil er selbst kaum eine Familie besessen hatte.63 Wegen ihres Übergewichts verbrachte Friedelind drei Tage in einem Sanatorium in Jena, und man überwies sie dann an den Chef der Medizinischen Klinik der Universität, Professor Veil, dem gegenüber sie eine tiefe Abneigung verspürte. Sie behauptete Jahre später, er habe die falsche Diagnose » Gehirnverfettung « gegeben.64 Seinerseits überwies er die fast 14-Jährige an Wiggers Sanatorium in Garmisch-Partenkirchen, wo 1924 bis 1931

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sie zwei Monate verbringen sollte. Dieser Aufenthalt gefiel ihr wider Erwarten recht gut. Da sie das einzige Kind dort war, schloss sie sich den Erwachsenen an, unternahm mit ihnen Skipartien und andere Ausflüge und aß auf der Alm von deren Windbeuteln, die so groß waren, dass sie stets was abbekam. An Gertrud schrieb sie, dass sie sich noch kein Konfirmationsgeschenk überlegt habe : » Von den Tanten werden wir schon Gesangbücher kriegen ! « Dann ging sie auf die politische Lage ein : » Ich zweifle ja noch daran, dass Hitler schon jetzt ans Ruder kommt. Die Rechtsparteien sind sich ja nicht einig. Jede will 1 Mann aufstellen. Aber lange wird Hindenburg auch nicht mehr oben sein. Ich weiss ja nicht, ob ich zu schwarz sehe ! Aber freuen tue ich mich natürlich wahnsinnig, wenn es ihm [Hitler] gelänge. «65 Sie traute sich nicht, für 25 Mark eine Fahrt zur Zugspitze zu machen, aus Angst vor dem mütterlichen Zorn. Den Wunsch hat sie sich ein Vierteljahrhundert später erfüllt.66 Auf der Heimfahrt wollte sie in München Station machen und das Braune Haus besuchen, das gerade zur Parteizentrale der NSDAP umgebaut worden war – ein Beweis für ihre Selbstständigkeit, aber auch für ihre Nazibegeisterung.

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3 » Sie soll ja schuften lernen « Im Internat 1931 bis 1935

» Ich will mit Maus eine halbe Stunde rechnen, weil’s wegen der  bevorstehenden Schularbeit dringend notwendig ist, sie ist ganz und gar nicht dafür. Aber nach einer tüchtigen Auseinandersetzung behalte ich als 1. Sieger das Feld ( was bei Maus allerhand heissen will ) und es wird 3/4 Stunde › geochst ‹. «1 Lieselotte Schmidt zufolge machte sie entweder gar nicht oder » höchstens fünf Minuten vor Torschluss « die Schulaufgaben. Die Probleme, die die Gouvernante schildert, waren letztlich überwindbar. Was Friedelind an der Schule so störte, war die Art und Weise, wie Wissen vermittelt wurde. Sie bekam noch Jahre später Albdrücken, wenn sie an ihre Schulzeit in Deutschland zurückdachte. Das Erziehungssystem war für sie der Inbegriff von » Engherzigkeit, Intoleranz, Dogmatismus. Es war eine systematische Vergiftung alles Schönen, und Hass und Rache waren das Grundmotiv zu fast allem in dieser Nachkriegs-Schulerziehung «.2 Man ist von ihr einiges an drastischer Sprache gewohnt, dennoch überrascht die Heftigkeit ihrer Abneigung. In einem Brief von 1931 an ein 15-jähriges Mädchen, das sich mehr Informationen über sie erbeten hatte, kommt Mausis Unmut gegenüber den Lehrkräften zum Vorschein : » Ich bin 12 Jahre alt, werde aber im März 13. Wie Sie wissen werden, 55

sieht man bei mir nichts von einer schlanken Linie. Ich besuche hier in Bayreuth das Mädchenlyceum. Bei uns nennt man es aber › Besenstall ‹, weil da lauter Affen reingehen, wozu ich mich ja nicht rechne. … Die blödesten Lehrer die es gibt haben wir auch. Unsere Klassenleiterin sieht aus wie eine Hexe, und ist ja auch eine, denn sie ist scheusslich zu uns, und niemand mag sie leiden, sogar mit den Lehrern steht sie auf Kriegsfuss. Nun ja ich will jetzt nicht alle Lehrer beschreiben, denn es wird Sie ja auch nicht weiter interessieren. Die Singstunde bei Prof. Kittel ist noch am schönsten, und wir mögen ihn auch alle. … Nun habe ich noch eine Bitte an Sie, und das wäre, dass Sie mich nicht mit › Sie ‹ anreden, sondern mit › du ‹, das passt viel besser, und ich habe es auch viel lieber. Dann auch nicht, dass Sie mich per › Frl. ‹ anreden, sondern einfach › Liebe Friedelind ‹. Ich habe so gut wie gar nichts von einem Frl. an mir, dass der Titel gar nicht passt. «3 Diese Zeilen verraten viel von ihrer Haltung. Als würde sie  aus ihrer Opposition geradezu Kraft schöpfen, nennt sie selbstbewusst ihre zwei Defizite ( » keine schlanke Linie «, » nichts von einem Fräulein an mir « ) und fordert damit Anerkennung wie Selbstachtung ein. Es war wohl diese zur Schau getragene innere Sicherheit, die manche Lehrkraft in Wut brachte. Dabei hatte sie es nicht leicht und musste Hänseleien ertragen : Während Verena als Schönheit galt, litt sie unter ihrem Übergewicht.4 Ihre innere Kraft schöpfte sie aus dem Gefühl, in einer besonderen Tradition zu stehen, die sie zu Großem verpflichtete. Dies wurde von Kindheit an gefördert. So schrieb ihr der Vermögensverwalter Albert Knittel einmal : » Denke an Deine Verpflichtungen dem Haus Wahnfried, d. h. dem Stamm Siegfried Wagner gegenüber. Bleibe diesem Stamm auch in Deinen Handlungen treu, so wie er rein äusserlich betrachtet in Dir seine volle Ausprägung gefunden hat. «5 Eine solche moralische Verpflichtung, bereits früh eingeimpft, musste zwangs56

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läufig auch die eigene Identität prägen. Während andere Kinder berühmter Eltern häufig in Krisen geraten, wuchs sie geradezu unter der Bürde. Künstlerisch begabt und an Bildung interessiert, wie sie war, geriet sie dennoch mit dem Schulsystem aneinander, da ihre Fähigkeiten darin nicht zum Zuge kamen. Es ist ja ein bekanntes Phänomen, dass sich kreative Menschen in der Schule oft langweilen und dies durch Schabernack oder direkte Gegnerschaft kompensieren. Es gelingt ihnen nur schwer, sich anzupassen. Bestrafungen gehen fehl und verstärken eher noch die Oppositionshaltung. Das Problem des Übergewichts begleitete Friedelind durchs ganze Leben. In ihrer Kindheit und Jugend wurde sie immer wieder zum Abnehmen fortgeschickt, und allmählich gewöhnte sie sich daran, in Abständen aus dem gewohnten Umfeld herausgerissen zu werden : Vielleicht eine Ursache für ihre spätere Ruhelosigkeit. Während sie im Sanatorium in Garmisch-Partenkirchen weilte, waren die Geschwister daheim mit dem Radio als neuester Attraktion beschäftigt. Ein mit einem Schallplattenspieler kombiniertes Gerät kam ins Haus, und sie konnten sich kaum satthören. Auch das neue Kasperlestück von Onkel Hans ( Hans von Wolzogen ) bekam Friedelind wegen ihrer Abwesenheit nicht mit. Es hieß » Prinzessin Bulette « und war für Wolfgang gedacht. Eine Kuhmagd liebt ihren Peter, aber » da kommt also zuerst ein ekelhafter Jud, den sie mit einer Ohrfeige zum Teufel jagt. Kasperle hält dann den Epilog, der mit einem › Heil Hitler ‹ schließt. «6 Auf diese Weise wurden die Kinder systematisch mit Naziideologie gefüttert. Und da sie Onkel Hans sehr liebten, war sein Einfluss entsprechend groß. Hans von Wolzogen ( 1848 – 1938 ) war 1877 von Richard Wagner nach Bayreuth geholt worden, wo er zum Freund dreier Familiengenerationen wurde. Der Nachwelt ist er als Hauptstatthalter der Bayreuther Ideologie bekannt geworden, wobei er sich auf Wagners Gedankengänge stützte ; die von Im Internat 1931 bis 1935

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ihm herausgegebenen Bayreuther Blätter enthalten zahlreiche Aufsätze von ihm. Die Familie freute sich auf Friedelinds Rückkehr. » Sie war ganz Engel ! Ob das von den 23 verlorenen Pfunden herrührt ? «, fragte Lieselotte, die sie schlank und hübsch fand.7 Als Franz Stassen die Kinder zu einem Ausflug ins Germanische Museum nach Nürnberg einlud, sagten Verena und Wieland dankend ab. Wolfgang und Friedelind fuhren hingegen und blieben drei Stunden im Museum, ohne sich zu langweilen. » Nachher Württemberger Hof ebenso manierlich wie gut mit uns gegessen und am Tiergarten die grösste Freude gehabt «, schreibt Lieselotte.8 Wenn sie wollte, konnte Friedelind sich durchaus anpassen. Die Kinder begannen das neue Schuljahr mit entsprechendem Eifer, und sogar Friedelind, die die Klasse wiederholte, arbeitete pünktlich und fleißig. Zu Lieselottes Erstaunen war sie ungewöhnlich höflich, » vielleicht eine Errungenschaft ihrer Sanatoriumszeit ? «. Als man im April einen Liederabend mit dem Tenor Gunnar Graarud besuchte und Friedelind » Prometheus « von Schubert auf dem Programm las, fragte sie,  ob dies ein Staubsauger sei. » Den Harfner-Gesang › Wer nie sein Brot mit Tränen ass ‹ nannte sie kurzweg das Lied vom  › Tränenaas ‹ ! Sie ist zum Schiessen «, schrieb Lieselotte, die sich immer wieder über das Mädchen amüsierte.9 Aber die höfliche Phase war nicht von langer Dauer, und der starke Eigenwille kam erneut zum Vorschein. Im Konfirmandenunterricht band sie sich ihr Hakenkreuz-Kettchen um, um den sozialdemokratischen Pfarrer zu ärgern. In Partenkirchen hatte sie den von ihrer Mutter eingefädelten Unterricht geschwänzt, und Winifred musste den Bayreuther Pastor mit viel Druck dazu überreden, Friedelind trotz ihrer mangelnden Kenntnisse einzusegnen, was er auch tat. Sie protestierte und verkündete daheim lauthals, dass sie nun weg von Bayreuth in eine andere Schule geschickt werden wolle. Das hätte sie lieber 58

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lassen sollen, denn Winifred nahm sie beim Wort und machte sich auf die Suche nach einem Internat für sie. Anfang Mai kam ein Anruf von Winifred aus Plauen, in dem sie Lieselotte bat, sich mit der Kinderschar um 21 Uhr in Berneck einzufinden, da der » Führer « sie treffen wollte. Die 13-jährige Friedelind meinte auf der Hinfahrt : » Wenn Goebbels dabei ist, wollen wir ihn mal fest anwafen10, nicht, dass er meint, er sei der einzige in der Partei, der ein Mundstück hat ! « Um 21 Uhr 30 kamen zwei Autos mit Hitler, Goebbels und Frau sowie weiteren Nazis angebraust. Hitler hatte die Kinder  ein Jahr lang nicht gesehen, war von ihnen entzückt und unterhielt sich länger mit ihnen. Dann fuhr er zusammen mit Winifred ab, die die Fahrt wohl genutzt haben wird, um ihre Bayreuth betreffenden Anliegen vorzutragen.11 Wie aktiv Winifred war, trotz ihrer Beteuerungen nach 1945, sie habe sich nie politisch betätigt, zeigen ihre Zeilen an Helene Roesener : » Heute morgen um 9 ist Hitler abgereist. Sein Letztes war, Blumen am Grab niederzulegen. Er war sehr glücklich hier und ganz der Alte – erkundigte sich nach Dir und wärmte Erinnerungen an Würzburg mit Dir auf ! ! – Ueber die Aufführungen ist er restlos begeistert und will mir finanziell helfen, wo und wie er kann. Vom Neubau in Wahnfried war er ganz weg. Gestern mittag war er ganz en famille bei uns ( Heinz kniff leider ! ), blieb bis nach Vier – ließ Verenchen photographieren etc. Abends hatte ich sämtliche Solisten bei mir – kaltes Büfett und dergleichen Rummel – dazu kam er auch – war rührend mit den Leuten und hielt ihnen einen großen Vortrag über Neuinszenierung des Parsifal etc. etc. Ich glaube, ich habe restlos gesiegt und die Tanten sind daneben ! ! ! – Rasch hat er sich vorgenommen – ohne meine Bitte – auch Pretzsch im Fränkischen Volk, der im Sinne der Tanten stänkerte – ist abgesetzt worden und Daube macht weiter die Berichterstattung. Fein, was – er wohnt in dem Haus in der Parkstrasse wo Heinz 1931 wohnte – und es gefiel ihm so gut, dass er einen Ankauf erwägt Im Internat 1931 bis 1935

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und damit eine Dauerwohnung in Bayreuth hätte. Er war mit mir ganz der Alte. «12 Die Kinder wurden mit deutscher Kultur gefüttert. Eine Pfingstfahrt, die Winifred Mitte Mai mit ihnen unternahm, sollte vermutlich der Bildung dienen. Sie begann in Würzburg, ging dann über Wertheim bis Miltenberg, wo Lieselotte mit der Maus ein Doppelbett teilte. » Das macht ihr und mir jedes Mal eine Gaudi «, berichtete die Gouvernante. In Amorbach wanderte die Gruppe zur Wildenburg, einst Wolfram von Eschenbachs Rittersitz. In Heidelberg wurde das Schloss besichtigt, und in Karlsruhe gab es eine Rienzi-Aufführung. Am nächsten Tag ging es ins Museum, um » die Thoma und Feuerbäche « zu sehen.13 Winifred reiste viel und verbreitete Unruhe – ihr Verhältnis mit Heinz Tietjen mag dabei eine Rolle gespielt haben. Es fiel auf, dass sie guter Laune war, sobald er wieder anreiste und die Proben begannen.14 Sie hatte oft das Gefühl, in Bayreuth zu versauern, und nahm viele Einladungen an : » Donnerstag und Freitag war Hoesslin hier – gestern die Benckers und heute erwarte ich Edwin Fischer, der am Dienstag ein Konzert hat. Donnerstag muss ich rasch nach Chemnitz zu einer Ortsgruppengründung und Freitag nach Würzburg, wo Zilcher einen Vortrag im Verband über Goethe und die Musik hält. Und dann sehen wir uns in Heidelberg ! «15 Nebenbei musste sie die Spielräume finden, um ihre unternehmerische und organisatorische Arbeit als Nachfolgerin Siegfried Wagners wahrzunehmen. Friedelind erlebte es als einen Schock, als ihr Heinz Tietjen als Vormund vorgesetzt wurde, denn sie mochte ihn nicht. Verena erinnerte sich viele Jahrzehnte später an dessen unheilvolle Rolle. Er habe einen gegen den anderen ausgespielt : » So kam Zwiespalt in die Familie. «16 Doch Winifred gab nicht nach, und die Tochter musste den Ersatzvater wohl oder übel akzeptieren. In ihren Erinnerungen lässt sie kaum ein gutes 60

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Haar an ihm : » In kürzester Zeit hatte Tietjen Mutter in der Tasche und den ganzen Stab der Festspiele an der Kandare. «17 Friedelinds Freundschaft zu einem Mädchen namens Susi Wieger nahm er zum Anlass, ihr lesbische Neigungen nachzusagen. » Ich hoffe, dass Heinz unrecht hat mit der Vermutung, dass das Kind, die Maus, anormal sexuell veranlagt ist ! – Es wäre zu greulich – aber unabänderlich. Ihr Benehmen ist ja  sonderbar «, schrieb die Mutter besorgt an ihre Freundin Helene. Tietjen war es auch, der Winifred zu einer besonders strengen Schule für die ältere Tochter überredete. » Mausi benimmt sich so skandalös, dass Heinz darauf besteht, dass sie nach den großen Ferien in ein ganz strenges Internat getan wird «, schreibt sie. » Ich suche etwas in Dresden à la Englische Fräulein, damit sie ein bischen Weltsitte lernt. Sie ahnt noch nichts – aber es muss sein – so geht die Kiste nicht weiter. «18 Es zeugt von Ratlosigkeit, dass sie, die die Kinder recht frei erzogen hatte, nun ins andere Extrem geriet. Sie schaltete nicht nur Tietjen ein, sondern auch Albert Knittel, dem gegenüber Friedelind ebenfalls eine starke Abneigung entwickelt hatte. Der Grund für ihre Maßnahme lag in einem » Skandal «, den Friedelind verursacht hatte, als sie Aktfotos entdeckte, die Wieland von seiner Freundin Gertrud Reissinger gemacht hatte. Friedelind hätte sie der Mutter zeigen können, aber ihr ging es Gertrud zufolge auch darum, » gegen ihre Mutter und › Heinz ‹, der sich in ihres Vaters Bett gelegt hatte, einen Schlag zu führen «19. Sie übergab eines der Fotos der Führerin des Bundes Deutscher Mädchen ( BDM ), worauf Gertrud aus dem Bund ausgeschlossen wurde. Winifred ergriff fairerweise nicht etwa Partei für die Verursacherin des Eklats, sondern für Gertrud, der sie den Umgang mit Wieland weiter gestattete. Winifred und Knittel reisten nach Heiligengrabe, um sich die dortige Schule anzuschauen. Da ihnen der strenge Alltag, die Uniformen und die im 19. Jahrhundert wurzelnden VorIm Internat 1931 bis 1935

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stellungen von Zucht und Ordnung nicht verborgen blieben, kann von einer unterschwelligen Bestrafung Friedelinds ausgegangen werden. » Sie ist ein komisches Kind und ein grosser Schmerz für ihre Mutter «, schreibt Lieselotte einmal über sie.20 Eine hyperaktive, lautstarke, ungehorsame, zugleich aber phantasievolle, lebendige und künstlerisch höchst interessierte und begabte Tochter in eine spartanische Klosterschule zu stecken, die strenge Regeln kannte und auf Ein- und Unterordnung größten Wert legte – dahinter kann nur der Plan gesteckt haben, ihren Eigenwillen notfalls mit Zwang zu brechen. Vorher aber verbrachte die Familie noch sorglose Sommerwochen am Bodensee. Nach dem Frühstück stürzten sich die Kinder ins Wasser. Sie lernten rudern und fuhren in jegliche Richtung. Hans von Wolzogen erhielt von dort eine Karte, auf der Friedelind ihr Konfirmationskleid trägt : » Diese ( Photographie ) haben wir am Sonntag › derheeme ‹ gemacht. Ich musste leider auf Befehl mein Einsegnungskleid anziehen, sodass es ziemlich … aussieht ! « Darunter malte sie ein Hakenkreuz und schrieb daneben » Heil Hitler «.21 Im September 1932 wurde sie dann nach eigenen Worten » in Deutschlands reaktionärste Schule gesteckt «, die » im finstersten Teil der Mark Brandenburg « lag. Das Kloster Heiligengrabe befindet sich im Nordosten Brandenburgs in der Prignitz, zwischen den Ortschaften Wittstock und Pritzwalk. Noch heute liegen die Gebäude abseits von großen Autostraßen, fast versteckt, in einer größeren Wiesensenke, umgeben von Bäumen und Äckern. Im 13. Jahrhundert als Zisterzienserinnenkloster gegründet und einst ein bekannter Wallfahrtsort, blickt das Anwesen auf eine bewegte Geschichte zurück, denn es wurde nach der Reformation zum evangelischen Damenstift und war dann jahrzehntelang eine Stiftsschule für adelige Töchter von den Gütern Pommerns, Mecklenburgs, Schlesiens und der Mark. Um 1930 war die 62

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Schule immer noch hauptsächlich eine Ausbildungsstätte für die weibliche Aristokratie, im Stil der inzwischen aufgelösten Kadettenanstalten. Nur allmählich wurden Lehrerinnen und Kinder aus angesehenen bürgerlichen Familien aufgenommen. Pflichtbewusstsein, Hilfsbereitschaft, Unterordnung des Individuums unter die Gruppe – das war der preußische Zuschnitt, dem sich die Individualistin jetzt unterzuordnen hatte. Das strenge Reglement in Heiligengrabe reichte aus, um einem so unabhängigen und eigenwilligen Mädchen wie Friedelind schwer zuzusetzen. Man kennt die Atmosphäre aus Darstellungen des 19. Jahrhunderts, und sie ist anschaulich in dem Spielfilm Mädchen in Uniform ( 1931, zwei Remakes 1950 und 1958 ) zu sehen, der auf dem Theaterstück Ritter Nérestan/Gestern und heute ( Uraufführung Leipzig 1930/Berlin 1931 ) der deutsch-ungarischen Schriftstellerin Christa Winsloe beruhte. Christa Winsloe verarbeitete den Stoff auch noch in ihrem in Amsterdam publizierten Roman mit dem Titel Das Mädchen Manuela. Dass sie dabei aus eigener Erfahrung sprach, wird aus ihren autobiografischen Notizen über ihre Zeit am Potsdamer Kaiserin-Augusta-Stift deutlich : » In ganz schweren Träumen finde ich mich wieder dort umherirrend in den langen weißen Korridoren, geweckt aus tiefem Schlaf von schriller Glocke und Kommandostimmen. Hungrig eine Andacht anhörend, in Eile einen mageren Wasserkakao herunterjagend, – fühle wieder das Gehen zu zwei und zwei, immer in der Angst, von rückwärts getreten zu werden oder dem Mädchen, das vor mir ging in die Füße zu treten. Die öden Sonntage kehren wieder, wo man die merkwürdigsten Ecken aufsuchte, um nur ein, ein einziges Mal allein oder zu zweit zu sein. «22 Dieses Szenario stimmt mit dem in Heiligengrabe überein, wie man den Berichten der Schülerinnen entnehmen kann. 80 Mädchen besuchten das Stift. Die straffe Ordnung begann mit der Einkleidung nach der Ankunft : Jede Spur von PutzIm Internat 1931 bis 1935

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sucht oder Koketterie sollte beseitigt werden. Die Mütter waren angewiesen worden, Nummern in die Wäsche einzunähen, und diese ersetzten den Namen. » Man war eine Nummer, die, eingefügt in ein Großes, Ganzes mit diesem zu verschmelzen und sich nicht zu widersetzen hatte. «23 Wegen ihrer körperlichen Fülle brauchte Friedelind zwar keine abgewetzte gebrauchte Uniform zu tragen, aber das neue Kleid fand sie ebenso entsetzlich. Darüber trug man eine überdimensionale Schürze aus Alpakawolle, an der man die Tinte abwischte und die zu den Mahlzeiten abgelegt wurde. Man schnürte sie sich um die Taille, das gab ein wenig Form. Von den Schülerinnen bekam die rot-blau karierte Uniform wegen der unangenehmen Farbe und des unvorteilhaften Schnitts den Namen » Blutwurstkleid « oder » Sack «. Im Sommer gab es grüne Baumwollkleider, im Winter Wollkleider, darunter dicke graue Strümpfe. Sonntags trug man blaue Röcke mit Gummizug, dazu schwarzweiß gestreifte Blusen, die zu weit und noch dazu unansehnlich waren. Wichtig war die Stiftsbrosche : Wer sie vergaß, bekam einen Strich, der im Hauszeugnis erschien. Drei Striche ergaben einen Tadel, der mit einer Strafpredigt geahndet wurde. Da die Äbtissin Hofdame gewesen war, wurde noch die alte Hofetikette praktiziert : » Tiefknicksend betrat man das allerheiligste Gemach der Frau Äbtissin, verharrte in gebührendem Abstand, und verließ dann rückwärtsgehend und ebenfalls tiefknicksend den Raum. « Friedelind war nicht im Schlafsaal untergebracht, sondern in einer winzigen Zelle, » Mauseloch « oder » Liliput « genannt. Es war das einzige Zweibettzimmer, was auf ihre privilegierte Stellung hinweist. Sie bewohnte es mit einer Schülerin, die nach eigenem Bekunden beauftragt wurde, auf sie » aufzupassen «24. Briefe wurden mit einem tiefen Knicks in Empfang genommen. Post von männlichen Absendern wurde vor der Aushändigung geöffnet. Nur Briefe an die Eltern durften zugeklebt werden, alle anderen wurden gelesen. 64

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Das » erbarmungslose Läuten einer Kuhglocke « hörten die Mädchen am frühen Morgen als Erstes. Frühstück gab es um 6.55 Uhr, bestehend aus einem Stück Schwarzbrot und Malzkaffee. Jede Woche wurden die Mädchen gewogen, und wenn sie abgenommen hatten, kamen sie morgens an den Suppentisch, wo sie einen großen Teller Haferbrei essen mussten. Von daheim durfte nichts Essbares geschickt werden, höchstens zu Geburtstagen : » Da gab es Obstsalat in den Schlafsälen aus unseren Waschschüsseln, und herrliche Geschichten von zu Hause wurden erzählt. Von Pferden, Jagd und den großen Brüdern. « Nach dem Frühstück stellte man sich für die Inspektion des Schlafraums auf. Es roch dort meist unangenehm, weil die Kleider nur selten gewaschen wurden. » Das Auswechseln der Kragen, von Dippi, der humpelnden und lispelnden Dame, der die Kleiderstube unterstand, angeordnet, konnte den Schweissgeruch pubertierender Mädchen nicht verhindern. « Die Schlafsaalleiterin wurde mit einem Knicks begrüßt, man zeigte ihr, dass man warme Unterhosen trug und dass die Schuhe geputzt waren. Der Waschraum nebenan war ungeheizt, es gab Blechschüsseln, vor denen man in Schlüpfern stand. Um 7.45 Uhr war Unterrichtsbeginn, in der Pause gab es belegte Brote und Kakao. Man konnte zu Beginn des Schuljahrs angeben, wie viele Scheiben man wollte, ob mit Wurst, Butter, Speck oder Schmalz, was zu einer regen Tauschtätigkeit während des Schuljahrs führte. Es folgten fünf Stunden Unterricht, dann wurden in den Schlafräumen die » Morgengreuel « abgelegt und die » Nachmittaggreuel « angezogen, bevor man den Speisesaal betrat. Wenn alle Mädchen an den Plätzen standen, wurde die Äbtissin von einer Schülerin mit den Worten » Frau Äbtissin, es ist angerichtet ! « gerufen. Bei ihrem Eintritt wurde geknickst, dann setzte sie sich am Kopfende des Tisches auf einen mit Petit-Point-Handarbeit verzierten Polstersessel. Das Mittagessen bestand größtenteils aus Kartoffeln. Nur sonntags gab es Im Internat 1931 bis 1935

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Fleisch, nie Eier, Milch oder Obst. Nach der Mittagsmahlzeit  musste jede Schülerin vor der Äbtissin so anmutig wie möglich in die Knie sinken, den Rocksaum in voller Weite auseinandergehalten. Sonntags wurde die Matratze gewendet, die Bettwäsche gewechselt und der Schrank aufgeräumt. Die Mädchen durften einmal wöchentlich baden. In einem Raum standen drei Wannen, sodass Dreiergruppen aufgerufen wurden ; eine Krankenschwester wachte darüber, dass alles ordnungsgemäß und schicklich verlief. Nach dem Essen wurde ein Spaziergang in Zweierreihen angesetzt, man suchte sich die Partnerin, indem man sie fragte, ob sie schon einen » Mann « habe – eine eigenartige Gepflogenheit. Manchmal entwischte ein Paar beim Spaziergang im Wald, um zu rauchen oder anderes anzustellen, und schloss sich brav der Reihe wieder an, wenn diese auf dem Heimweg war. Im Aufenthaltsraum gab es dann » Tee «, in Wirklichkeit eine Malzbrühe, dazu ein trockenes Brötchen und Schwarzbrot mit Pflaumenmus. Es folgten zwei Stunden Zeit, um die Aufgaben zu erledigen oder das wöchentliche Bad zu nehmen. Beim Abendbrot herrschte Sprechverbot, aber die Schülerinnen verständigten sich mittels Zeichensprache. Sonntags durfte man im Gemeinschaftssaal Briefe schreiben, wobei man seinen Platz mit Bildern der Lieben daheim verzierte. Nach dem Abendessen wurden Gebete gesprochen und Lieder gesungen. Um 21 Uhr war Bettzeit. Freilich wurde innerhalb dieses asketisch-autoritären Rahmens die Allgemeinbildung vielfältig gefördert. Der Fächerkatalog war nicht, wie im frühen 20. Jahrhundert noch üblich, auf eine begrenzte Bildung der Mädchen ausgelegt. Sie bekamen Unterricht u. a. in Deutsch, Französisch, Physik, Kunst, Zeichnen, Mathematik, Turnen und Handarbeit. Manches fesselte Friedelind, aber man kann sich auch vorstellen, wie schwer ihr das lange Stillsitzen und das » fade Sticheln, Streichen und Umbiegen des Stoffes, das Wiederauftrennen « bei 66

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der Handarbeit fiel und wie sie sich langweilte. Gegen die Tanzstunden protestierte sie, und sie wehrte sich bis hin zu Tränen gegen das orthopädische Turnen.25 Vermutlich nahm sie Klavierunterricht bei der Tochter des berühmten Klavierpädagogen und Komponisten Theodor Kullak, etwas respektlos » die Kuh « genannt. Friedelind konnte sich mit ihren Fähigkeiten bei der Ausstattung und Regie von Theaterstücken profilieren. Man traute ihr die Arbeit aufgrund ihrer Herkunft zu, zumal sie in Bayreuth und Berlin bei Tietjen Kostüme bestellen konnte und ihre Mitschülerinnen mit Theaterschminke anmalte. Mit ihrer deutlichen Aussprache und tragenden Stimme übernahm sie auch diverse Rollen.26 Die Stücke, die man einübte, waren recht anspruchsvoll ; es wurde beispielsweise 1933 Le trésor von François Coppée aufgeführt. Zuweilen wurden Ausflüge gemacht, zum Beispiel fuhr eine Klasse im Oktober 1932 für drei Tage zur Goethe-Festwoche nach Weimar, die der Schillerbund veranstaltet hatte. Im selben Jahr gab es auf dem Turnplatz ein großes Johannisfeuer, zu dem der » halbe Wald zusammengeschleppt « wurde, was den Mädchen sicherlich Spaß machte. Man fuhr auch zum Heimatmuseum in Havelberg und besichtigte den dortigen Dom. Einmal wurde ein kleines Faust-Spiel mit selbst gemachten Handpuppen aufgeführt, ein anderes Mal ein Lichtbildervortrag über Rumänien angeboten. Auch der Ausgrabung eines bronzezeitlichen Gräberfelds durften die Schülerinnen beiwohnen. Jedes Schuljahr gab es nach den langen Ferien einen Schulausflug. Als Friedelind dabei war, ging es mit dem Zug nach Neuruppin, von dort mit dem Dampfer an Altruppin vorbei und weiter über eine Kette schönster märkischer Waldseen. Dann wanderten die Schülerinnen nach Bienenwalde, einem hübschen Dorf mit Schloss am See. Zurück ging es wieder mit dem Dampfer und von Neuruppin mit dem Bus. Langsam schlich sich die Politik in das Schulleben ein. 1932, Im Internat 1931 bis 1935

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als die Äbtissin Elisabeth von Saldern von den höheren Klassen Anteilnahme am politischen Geschehen forderte, wurde » die Hitlerpartei « nach Aussagen einer Mitschülerin besonders energisch durch Friedelind vertreten. Dadurch, dass sie » Wolf « in Wahnfried kennen und verehren gelernt hatte, erwarb sie sich vermutlich eine Sonderstellung bei den Mitschülerinnen. Im September 1933 organisierte die NSDAP ein Heimat- und Erntefest, und das Stift lud etwa 500 SA-Männer zu einem Eintopfgericht im Klosterhof ein. Im Frühjahr 1934 hissten die Mädchen auf dem Dach ihrer Schule eine Hitlerjugendfahne und gedachten der Tage von Sedan, Tannenberg und Nürnberg. In Techow feierte man den 120. Erinnerungstag der Schlacht bei Leipzig und den Gedenktag für die an der Feldherrnhalle am 9. November 1923 Gefallenen, und die Schülerinnen beteiligten sich mit Gesang und Sprechchören. Friedelind selbst attestierte Jahre später einigen Lehrerinnen » eine unbeugsame, lautere Gesinnung «.27 Abends besuchte sie gelegentlich zwei von ihnen, die in Häuschen neben dem Kloster wohnten, um sich mit ihnen zu unterhalten – ein weiterer Beweis ihres Hangs zur Selbstständigkeit, aber auch ihrer privilegierten Position. Insgesamt jedoch war die Konzeption dieser Schule, die auf Gehorsam aufbaute, für sie quälend. » Nun ist die Maus also schon einen Tag in ihrer Verbannung «, schreibt Lieselotte. » Leicht ist es der kleinen Fuchtel ja nicht geworden und sie bäumt sich mächtig auf über diesen Staatsstreich, der gegen sie geführt wurde und den sie doch nicht für möglich gehalten hatte. Es ist aber das einzig Richtige und bei den andern macht sich das Fehlen der kleinen Aufrührerin schon angenehm bemerkbar. Die Nickel ist viel gesetzter geworden in den Ferien und hat bis jetzt einen tadellosen Benimm, ausserdem einen großen Eifer für die Schule und Klavier, sodass es eine helle Freude ist … Es ist überhaupt jetzt alles halb so schwer, seit dieser kleine Widder weg ist. « Und 68

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mit schadenfroher Genugtuung stellt sie sich vor, wie Friedelind vor der Äbtissin einen tiefen Hofknicks mit Handkuss machen muss : » Das muss ja zum Schiessen sein von diesem kleinen Rebellen. «28 Aufrührerin, Fuchtel, Widder, Rebellin : Friedelinds Rolle stand fest, wenn es darum ging, sich lautstark gegen die Anweisungen der Erwachsenen zu wehren und Opposition zu betreiben. Ihre Mitschülerinnen bezeugen, dass sie verbotenerweise Esspakete von daheim erhielt – vermutlich zeigte sich Lieselotte gnädig. Als Absenderort schrieb sie über ihre Briefe » Im Grabe, den … «, teilte mit, sie halte es nicht aus, und bat um ein verschließbares Tagebuch. Auch ihr Buch Ritter der Tiefe ließ sie sich schicken – eine etwas martialische Lektüre für eine 14-Jährige : Der Roman von Lowell Thomas, der mit Lawrence of Arabia einen Bestseller verfasst hatte, behandelt die Geschichte der U-Boote im Ersten Weltkrieg. Sie forderte Seidenstrümpfe von daheim an29, obwohl sie untersagt waren : Vielleicht war dies ein Bemühen um die Normen der Weiblichkeit, in die sie mit ihrem Übergewicht so schlecht hineinpasste. » Noch höre ich das ewige : › Du bist dumm ‹, › Du bist häßlich ‹, › Du darfst nicht schön sein wollen ‹, › Eitelkeit ist Sünde ‹, › Selber Unrecht haben, ist Pflicht ‹ «, schreibt Christa Winsloe. » Das ging mir noch ein Leben lang nach und das nennt man dann später Hemmung und Minderwertigkeitsgefühl, und es wird wie eine Krankheit behandelt. O, wie sündig fühlten wir uns, wenn wir heimlich die erzwungene häßliche Frisur umkämmten, im Spiegel unsere Decolletés betrachteten und uns gegenseitig abschätzten – schön oder nicht schön ? – Die häßliche traurige Uniform erregte unsere Wünsche nach extravaganten Toiletten. Ich verließ mit sechzehn Jahren das Stift, ohne eine Ahnung zu haben, wie man sich anzieht, ohne vom Haushalt etwas zu wissen, weltfremd, scheu und ängstlich, schüchtern bis zum Menschenhaß, von meinem Unwert erdrückt. «30 Im Internat 1931 bis 1935

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Aber die Internatserlebnisse konnten Friedelind nicht die Selbstständigkeit nehmen. Bei ihrer Heimkehr zu Weihnachten verlangte sie ein eigenes Zimmer und besuchte aus freien Stücken Eva, Daniela und Hans von Wolzogen. Winifred staunte : » › Zieh’ hin, ich kann Dich nicht halten ‹ – muss ich da  sagen – wenn es ihr halt woanders besser gefällt als zuhause, kann ich nichts dafür. «31 Sie verbrachte ihre Ferien in Arosa, wo sie sich gemeinsam mit Verena im Kunstschlittschuhlaufen übte. Wieland und Friedelind schlossen einen Vertrag ab, wonach sie von ihrem Bruder 100 Mark erhalten sollte, wenn sie lebenslang unverheiratet bliebe ; Friedelind ihrerseits wollte Wieland 100 Mark auszahlen, wenn sie eine Hochzeitsreise machen würde. Dieser Vertrag galt bis zum 29. März 1968, ihrem 50. Geburtstag, und zeigt, dass sie schon damals kein Interesse an einer Ehe hatte.32 Als ihre Brüder sie einmal mit einem » ostpreußischen Gutsbesitzer « verheiraten wollten, meinte sie : » Eine uninteressiertere Frau könnte er nicht kriegen. «33 Während die Kinder sich mit solchen Scherzen die Zeit vertrieben, braute sich das Unheil am politischen Himmel zusammen. Die sogenannte Machtergreifung der Nationalsozialisten Anfang 1933 bedeutete, dass weder Juden noch liberale Bürger sich mehr frei in Deutschland bewegen konnten. Der von Goebbels entworfene Aufruf zum Juden-Boykott war von Hitlers Kabinett gebilligt worden. Geleitet wurde die Aktion von Julius Streicher, dem Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes Der Stürmer, und sie richtete sich gegen jüdische Geschäfte und Waren sowie gegen die Tätigkeit jüdischer Rechtsanwälte und Ärzte. Am 1. April, dem Tag des allgemeinen Juden-Boykotts in Deutschland, war Friedelind mit ihrer Mutter zum Mittagessen in die Reichskanzlei eingeladen. Winifred wollte von Hitler wissen, ob sie die jüdischen Sänger in Bayreuth behalten  könnte, kam aber nicht dazu, ihn zu fragen, obwohl sie neben ihm saß. Der Speisesaal war riesig, 70

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es gab Nudelsuppe auf wappengeschmücktem Silbergeschirr. Friedelind zufolge wurden die politischen Ereignisse bei dem Mittagessen nicht erwähnt. Abends ging es in die Staatsoper. Zwei Juden waren an der Aufführung der Zauberflöte beteiligt : der Dirigent Leo Blech und der Sänger Alexander Kipnis. Beide erhielten tosenden Sonderbeifall. Trotz dieser Demonstration gegen den Boykott war klar, dass die Nazis sich durchsetzen würden. Da jüdische Künstler mit Auftrittsverboten belegt wurden, emigrierten sie oder bereiteten sich darauf vor : Otto Klemperer, Bruno Walter, die Familie Busch ( aus Protest gegen die Politik, obwohl sie keine Juden waren ) und zahlreiche andere Musiker zählten dazu. Franz Schreker und Arnold Schönberg wurden ihrer Posten an der Musikhochschule beziehungsweise der Preußischen Akademie der Künste in Berlin enthoben, Paul Hindemith wurde denunziert. Mit dem Kulturbund Deutscher Juden schuf man ein getto-ähnliches Gebilde für jüdische Musiker, dessen Aktivitäten genau beobachtet und kontrolliert wurden. Deutsche wurden ihrer nationalen Identität und ihrer Rechte beraubt, nur weil sie jüdisch waren. In diesem Jahr begann der erste große Flüchtlingsstrom ins Ausland. Der 16-jährige Wieland wollte Hitler zu seinem Geburtstag am 20. April 1933 die Faust-Ouvertüre von Wagner als Geschenk vorspielen, vierhändig mit Tietjen. » Wenn das sich einrichten lässt, mach ich dem Jungen das Vergnügen «, schrieb Winifred. Hitler war einverstanden. Winifred : » Wir fahren wahrscheinlich zu fünft nach Berlin, – Wieland darf dem Wolf zu seinem Geburtstag vorspielen und ich soll mit allen Kindern zu ihm kommen, als Osterfreude für die Kinder und Geburtstagsfreude für ihn ! ! ! «34 Im selben Jahr stellte sie öffentlich klar, dass – entgegen dem Testament Siegfrieds – Wieland eines Tages die Nachfolge als Festspielleiter antreten sollte. Für das Buch Bayreuth im Dritten Reich schrieb sie einen offenen Brief an Tietjen, der wie folgt endet : » Helfen Sie Im Internat 1931 bis 1935

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mir in treuer Zusammenarbeit weiter und führen Sie meinen Sohn Wieland allmählich seiner Lebensaufgabe zu : Der würdige Nachfolger seines Vaters im Dienst am Bayreuther Werk zu sein. «35 Für Winifred war es ein Schock, als Arturo Toscanini seine Dirigate in Bayreuth wegen der politischen Lage absagte. Sie nahm sofort Kontakt zu Hitler auf, der dem berühmten Dirigenten ein Telegramm sowie einen persönlichen Brief schickte. Doch Toscanini blieb seinem Vorsatz treu. Winifred erhoffte sich für die Festspiele weiterhin Unterstützung vom » Führer « :  » Unsere Arbeit hier geht herrlich vorwärts – künstlerisch-finanziell sieht es mies aus – aber ich habe alles gesammelt, was mir an Absagen aus politischen Gründen zugeschickt worden ist und will damit bei der Regierung hausieren gehen ! «36 Die Stadt Bayreuth war in der Festspielzeit voller Braunhemden, Hitler kam in einem großen schwarzen Wagen an, umgeben von SS-Männern, die auf dem Trittbrett des Autos standen und ihn schützten. Die gesamte Atmosphäre hatte sich geändert. Zu den Herbstferien 1933 durfte Friedelind nicht heimkehren, da in der Nähe des Stifts Fälle von Kinderlähmung aufgetreten waren und kein Kind das Internat verlassen durfte. Dafür kam Winifred am 8. Oktober nach Heiligengrabe, um nach ihr zu sehen. Sie nahm sie dann aber doch nach Berlin mit, wo sie für einige Tage die Geschwister traf. » Mausi benimmt sich ganz nett – rennt jeden Abend allein ins Theater – kann gar nicht genug kriegen «, schrieb ihre Mutter. Sie besuchte u. a. Bizets Carmen, Verdis Sizilianische Vesper, Pfitzners Palestrina, Strauss’ Rosenkavalier und » den skandalösen Tannhäuser «37 – Otto Klemperer hatte es gewagt, eine Inszenierung zu leiten, die als Angriff gegen die Nationalsozialisten betrachtet wurde und seine Emigration beschleunigte. Insgesamt waren diese Theaterbesuche ein beachtliches Pensum für eine 15-Jährige. Doch nicht genug damit : Mit den Geschwis72

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tern besuchte sie Ballett und Varieté, sah George Bernard Shaws Pygmalion, das Lustspiel Das Glas Wasser von Eugène Scribe und ging in Museen. Es war der Mutter nicht entgangen, dass ihre Kinder mitten in der Pubertät steckten : » Mausi flirtet nach Herzenslust mit Lorenz – Nickel wird mit ihrer Untreue zu Heinz aufgezogen und ist Empfängerin mancher verfänglicher Briefe – Wieland kauft seiner Gertrud Bernsteinhalsketten und nur Wolfi hält noch treu zu seiner Familie – lies Mutter ! ! «38 Friedelind hatte sich in den Sänger Max Lorenz verliebt. Der homosexuelle Tenor ( 1901 – 1975 ) gehörte zusammen mit Lauritz Melchior zu den Bayreuther Spitzenkünstlern. Dass er verheiratet war, tat ihrer schwärmerischen Zuneigung keinen Abbruch ; vielleicht gefiel ihr gerade seine vornehme Zurückhaltung ihr gegenüber. Zurück in Heiligengrabe, erhielt sie im Dezember » ein schlemmerhaftes Adventspäckchen «, und Lieselotte fragte etwas boshaft, wie ihr » die Heilige Grabeskost, die gekochte und die, die man mit dem Löffeln der Weisheit ißt «, schmecken würde.39 Zu Weihnachten durfte sie endlich nach Hause. Die Rückkehr in die Schule im Frühjahr wird ihr schwergefallen sein : » Gestern wurde sie dann wieder hinter Schloss und Riegel gebracht «, schreibt Lieselotte mit unbarmherzigem Humor, und so wird Friedelind es sicherlich empfunden haben. Derweil lief die politische Maschinerie unerbittlich weiter,  und Schulen sowie andere pädagogische Einrichtungen wurden gleichgeschaltet. Das Ermächtigungsgesetz vom März 1933 hatte Hitler die Errichtung seines Führerstaates ermöglicht. Die Parteien bis auf die NSDAP wurden liquidiert, der Reichstag wurde zum Einparteienparlament. Alle Jugendbünde wurden in die Hitlerjugend eingegliedert. Im Mai 1934 wurde in Heiligengrabe eine Sektion des BDM gegründet, der sich gleich 30 Schülerinnen anschlossen. Mitte des Jahres denunzierte der Dorfpfarrer zusammen mit einer Stiftsdame Im Internat 1931 bis 1935

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die Schule bei den Nazis, woraufhin zwei Schulräte aus Berlin zur Visitation des Unterrichts auftauchten, um die Gesinnung zu überprüfen. Die Lehrerin musste Unterricht in » Vererbungslehre « geben, was bisher nicht auf dem Stundenplan gestanden hatte. Die Schülerinnen bemühten sich, ihr beizustehen, und Friedelind machte eifrig mit. In der Geschichtsstunde stellte die Lehrerin Fragen aus der NS-Perspektive, über die Friedelind aufgrund ihrer familiären Bezüge gut Bescheid wusste, sodass sie ihr Wissen sofort eifrig von sich gab. Als die Fragen in die Vorkriegszeit zurückgingen, half Prinzessin Herzeleide von Preußen aus, die Tochter des Prinzen Oskar und Enkelin des Kaisers : » Ich hatte Herzeleide als › Brüllgenossen ‹. Und wir inszenierten einen Wettkampf, wer den anderen überschreien konnte, denn auch sie schien gemerkt zu haben, worauf es ankam. « Damit war die Lehrerin vorläufig gerettet. Obwohl Friedelind und Herzeleide befreundet waren, gab es gelegentlich erbitterten Streit zwischen ihnen, wenn es im Geschichtsunterricht um den Ersten Weltkrieg ging. Während  Friedelind hartnäckig darauf bestand, dass der Kaiser Schuld am Krieg gehabt habe und feige davongelaufen sei, er mithin die Verantwortung für den Zusammenbruch trage, protestierte die Prinzessin heftig, um die Ehre des Hauses Hohenzollern zu retten.40 Das Ergebnis der Revision durch die Schulbehörde war, dass die Äbtissin Elisabeth von Saldern als » nicht imstande, sich völlig auf die heutige Zeit einzustellen « bezeichnet wurde und daher als ungeeignet für den Unterricht im nationalsozialistischen Sinne galt. Sie schrieb daraufhin an Winifred und bat um Unterstützung. Winifred reagierte postwendend : » Als eine der ältesten Nationalsozialistinnen empört es mich aufs Tiefste, dass Lüge und Verleumdung diese Stätte vorbildlicher Jugenderziehung als reaktionär und als Fremdkörper im heutigen Staat zu bezeichnen belieben. Meine Kin74

» Sie soll ja schuften lernen «

der sind so glücklich, nichts anderes als eine nationalsozialistische Weltanschauung zu kennen. Niemals hat Friedelind, die äußerst kritisch und beobachtend ihrer Umgebung gegenüber und, soweit man bei einem Kinde davon reden kann, politisch eingestellt ist, Anlaß gefunden, sich über Anti-Nationalsozialismus in Heiligengrabe zu beklagen. «41 Als der » Führer « sie wieder einmal am 3. Oktober » urgemütlich von drei Viertel sieben abends bis halb ein Uhr nachts « besuchte, trug sie ihm die Angelegenheit Heiligengrabe vor. » Mutterseelenallein. So gelöst und menschlich und rührend haben wir ihn eigentlich lange nicht mehr gehabt. Wir haben die ganz Erbhofgeschichte Wahnfried mit ihm besprochen. «42 Sie versuchte bei dieser Gelegenheit, Wieland zum Alleinerben zu erklären, und berief sich dabei auf das 1933 erlassene Reichserbhofgesetz, wonach man einen Besitz nicht aufteilen, sondern nur einem einzigen Erben übergeben sollte. Das Gesetz sah zudem vor, dass Männer den Frauen in der Erbfolge vorgezogen würden. Winifred ahnte, dass die Nachfolgefrage gerade im Hinblick auf Friedelind schwierig werden könnte, die rückblickend über diese Jahre schrieb, dass ihre sich » immer heftiger regenden Wünsche nach künstlerischer Betätigung und Verantwortungsgefühl « sich in diesen Jahren verstärkten : » Ich wurde mir bewußt, dass ich für die Aufrechterhaltung der Bayreuther Festspieltradition mitverantwortlich war. «43 Hitler lehnte Winifreds Ansinnen ab.44 Die Probleme Winifreds mit ihrer ältesten Tochter ließen allerdings nicht nach. Dass diese keine Freude an der Schule hatte, wusste die Mutter : » All die Jahre in Heiligengrabe hat sie mir doch innerlich gegrollt, dass ich sie dahin gesteckt hatte. «45 Und auch daheim ging es nicht immer harmonisch zu. Gegenüber Helene Roesener klagte sie, sie wolle mit dem an den Mandeln operierten und erholungsbedürftigen Wolfgang ins Erzgebirge und müsse Mausi mitnehmen : » Wenn ich sie hier alleine lasse, geht alles schief. Ich hab immer noch einen schweren Stand mit dem Im Internat 1931 bis 1935

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Kind. Seit gestern habe ich ihr z. B. gesagt, dass wenn sie nicht um 9 beim Frühstück ist, sie keines kriegt. Gestern war sie pünktlich, heute nicht – also kriegt sie nichts. Die ersten 8 Tage hat sie nämlich wieder bis in die Puppen geschlafen, was ja schließlich bei ihrer Veranlagung auch nicht notwendig ist. « Außerdem war ihr Zeugnis » miserabel «, sodass die Mutter ihr unmissverständlich klarmachte, dass sie noch ein weiteres Jahr in Heiligengrabe verbringen müsse, wenn sie die Reifeprüfung nicht schaffe.46 Winifred weigerte sich auch, mit ihr in  ihre Berliner Zweitwohnung zu fahren : » Am 2. Oktober kriegt die Mausi Ferien, bis zum 18. Sie hatte sich das mal wieder so gedacht, dass sie die ganze Zeit über in Berlin ist, täglich mit ihren Künstlern zusammen ist und jeden Abend im Theater hockt. Ich darf derweil für sie kochen, aufwaschen und sie bedienen. Da ich dazu keine Lust habe, und sie die ganzen Sommerferien in der Bagage-Atmosphäre sich herumtrieb, laß ich sie hübsch hierher kommen und sich mal die 14 Tage zu Hause mopsen. « Winifred wollte schon deswegen nicht in Berlin sein, weil Tietjen gerade den Parsifal inszenierte und ohnehin kaum Zeit für sie hatte. » Und als Gesellschaftsdame für Nena zu fungieren, bedanke ich mich. «47 Nena war Tietjens kranke Ehefrau. Am 10. und 11. Dezember 1934 wurde Friedelinds Klasse von ihrem Vormund Heinz Tietjen für zwei Tage nach Berlin eingeladen, um im Staatlichen Schauspielhaus Kleists Hermannsschlacht zu sehen. Die Mädchengruppe wurde rundum verwöhnt, und es war sicherlich ein triumphaler Tag für Friedelind, die im Mittelpunkt des Geschehens stand. Die Abschlussprüfungen liefen wohl gut, denn Friedelind schrieb häufig an die Mutter, was ungewöhnlich für sie war : » Über Mausi bin ich platt – sie schreibt mir jetzt wirklich nett und ausführlich und mindestens alle zwei Tage ! «48 Wie sehr Friedelind sich ihrer besonderen Stellung als Enkelin Wagners und Tochter der Erben Bayreuths bewusst 76

» Sie soll ja schuften lernen «

war, zeigt ein bemerkenswertes Dokument : einige Zeilen an eine unbekannte Person, die sie als Jugendliche schrieb und in denen sie sich auf Augenhöhe mit der Adressatin stellt. » Glauben Sie wirklich, dass man mit Absicht ausgerechnet mit Ihnen so verfährt, wie Sie es heute Abend schilderten ? Sind Sie wirklich davon überzeugt, dass Ihnen jemand hier in Bayreuth mit voller Berechnung übel will ? Ich kann mir das nicht vorstellen. Und wenn T[ietjen] oder Mama mal gleichgültig oder unfreundlich zu Ihnen sind, so sagen Sie sich doch bitte nur, was die beiden alles um die Ohren haben ! Hinter den Kulissen sieht es doch nicht so einfach aus ! Da muss man eben mal eine Enttäuschung, die man an den beiden erlebt, runterschlucken. Uns Kindern geht’s doch auch nicht anders. Oder meinen Sie, ich finde es ideal, dass ich immer einen hohen Bogen um die › dicke Luft ‹ machen muss, wenn ich sowieso schon das ganze Jahr nicht zu Hause bin ! ? Und wer soll Sie denn › schneiden ‹ ? Geben Sie sich doch nur keinen Illusionen hin ! Sie sagen, kein Mensch kümmere sich um Sie ! Erstens muss das sich Kümmern, meiner Ansicht nach, auf beiden Seiten liegen. Falls sich das ferner auch auf die beiden Chefs beziehen soll, kann ich wiederum nur sagen, bedenken Sie doch nur, um wen sich die Chefs nicht alles zu kümmern haben ! Manche Leute geben sich ab und zu zufrieden, wenn sie sehen, dass überhaupt jemand der Familie da ist und › repräsentiert ‹. Wir sind allerdings alle 4 nur Kinder, aber sind wir nicht doch alle wenigstens Wagners ? Und einer von uns wird einst auch einmal der › Chef ‹ der Sache sein ! Können Sie uns nicht als kleine Vertreter unserer Mutter ansehen ? Und können Sie dann noch sagen, keiner hier in Bayreuth kümmere sich um Sie ? «49 An den Zeilen fällt ein stark entwickeltes Selbstbewusstsein auf, das Wissen um die Tradition und die daraus folgenden Pflichten. Die direkte und mutige Ansprache, wenn ihr etwas nicht gefiel, bewahrte sie ein Leben lang. Nach dem Abschlussexamen in Heiligengrabe 1935 richtete Im Internat 1931 bis 1935

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Winifred zu Friedelinds 17. Geburtstag einen kleinen Empfang in Berlin aus. Die Freude währte aber nur kurz, denn zwei Wochen später wurde sie in eine landwirtschaftliche Haushaltungsschule in Großsachsenheim bei Stuttgart gesteckt. » Maus ist fest in Großsachsenheim angenommen worden ! Sie  muckt natürlich. Muss sich aber drein finden ! «, schrieb Winifred fast triumphierend.50 Sie hatte zunächst eine andere Schule im Sinn gehabt, sie dann aber als zu » intellektuell « verworfen : » Sie soll ja wirtschaften und schuften lernen. «51 Und schuften musste Friedelind in der Tat. In dieser Schule gab es neben anderen Fächern Koch- und Backkurse für die feinere Küche, Gartenbau mit Gewächshaus und eine Geflügelzucht. Das stattliche dreistöckige Gebäude war 1913 aus Vereinsmitteln erstellt worden, das Ziel war die Ausbildung zur geprüften Hauspflegerin. Die Stätte gehörte seit 1908 zum Reifensteiner Verband, der von Ida von Kortzfleisch ( 1850 – 1915 ) ins Leben gerufen worden war. Sie hatte 1897 die erste Schule dieser Art gegründet und wünschte sich nicht nur eine qualifizierte hausund landwirtschaftliche Ausbildung der » Maiden «, sondern die Erziehung zur selbstständigen, verantwortlichen Staatsbürgerin.52 Das war um 1900 ein durchaus fortschrittliches, ja, reformpädagogisches Ziel. Friedelind war der gesamte Inhalt dieser Ausbildung so fremd, dass sie sich innerlich gegen alles wehrte. Obwohl sie tierlieb und in der Anfangszeit » glücklich bei ihren Hühnern « war53, hatte sie sich seit ihrer Pubertät intensiv mit Schauspiel, Oper, Konzert, Museen und Büchern beschäftigt, und ihre Gedanken und Phantasien lagen in der geistig-künstlerischen Auseinandersetzung mit der Kultur. » Nachdem ich zweieinhalb Jahre in einer Schule für Prinzessinnen hatte verbringen müssen, wo die Kost so karg war, dass man blutarm wurde, und die einzige Leibesübung in einem kurzen Nachmittagsspaziergang bestand, wurde ich plötzlich zu schwerster körperlicher Arbeit gezwungen «54, heißt es in ihrer Autobiografie. 78

» Sie soll ja schuften lernen «

Die Folge war, dass sie erkrankte und bis zu den Sommerferien die meiste Zeit im Bett verbringen musste. Möglicherweise hatte das Gefühl, bei der Erziehung versagt zu haben, Winifred dazu gebracht, die Tochter nach dem Besuch eines Internats mit adeliger Tradition umgehend in eine Einrichtung zu stecken, in der neben Gemüsebau Geflügel- und Schweinehaltung gelehrt und praktiziert wurde. Je älter Friedelind wurde, umso strenger ging man mit ihr um. War es, dass Winifred ihre Frechheiten und Freiheiten nur schwer ertrug, oder wollte sie die renitente Tochter aus dem Haus haben, wenn sie ihre Beziehung mit Tietjen auslebte ? Oder brauchte sie mehr Zeit für die Festspielleitung ? Die Tochter ließ sich allerdings auch in Großsachsenheim nicht ausschließlich kujonieren, sondern suchte Abwechslung, wo es möglich war. » Von der Maus kriege ich nur Amüsierbriefe «, schrieb Winifred etwas irritiert. » Wann die überhaupt in Sachsenheim ist, ist mir rätselhaft. « So war sie gerade in Stuttgart gewesen, hatte dort eine Generalprobe gehört und blieb bei der Familie einer Freundin zum Tee. Abends besuchte sie eine Vorstellung der Aida. Oder sie reiste nach Tübingen, um den Bayreuther Bekannten Prinz August Wilhelm ( » Auwi « ) zu besuchen. Der vierte Sohn des Deutschen Kaisers Wilhelm II. war im Rang eines Obergruppenführers und ein Anhänger des Nationalsozialismus. In Tübingen knüpfte sie weitere nette Bekanntschaften und wurde prompt zum Wintertanzfest der Universität eingeladen. » Gefragt wird aber nicht, sondern einfach hingefahren und ich kriege das nachher gnädig mitgeteilt mit der Bitte um Geld ! «55 Da Mausi zu dick und Nickel angeblich zu dünn war, schickte die Mutter beide Töchter in ein Sanatorium im oberbayrischen Törwang. Mausi sollte » getriezt werden ( spazierengehen etc. ), und Nickel gemästet werden «.56 28 Pfund verlor die ältere Schwester dort : » Man sieht mich bald gar nicht mehr ! ! Wir haben jetzt Schnee und Eis. Ich benutze aber nur Im Internat 1931 bis 1935

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das Eis, weil mir der Schnee noch zu dünn liegt und ich für meinen edelsten Teil fürchte, der immer noch gut beieinander ist. Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte da noch mehr abgenommen ! «57 Verena, die partout nicht zunehmen wollte, ließ sich von einer Freundin Abführmittel schicken. Um beim Wiegen nicht aufzufallen, nähte sie sich Bleischnüre in die Kleider und trank vorher so viel Wasser wie möglich. Wieland fotografierte gerne und war auch ästhetisch-künstlerisch daran interessiert. Er verdiente sich kein geringes Honorar, indem er Fotos vom » Führer « aufnahm und sie als Postkarten vertrieb. 1935 erhielt er einen Mercedes von Hitler  geschenkt – ein Beweis für die Erwartungen, die dieser dem jungen Mann gegenüber hegte. Die beiden Brüder reisten  nach München, um das Auto abzuholen, und verbrachten  einen Abend in Hitlers Münchener Wohnung. Wieland schlief in Hitlers Bett, weil dieser nach Berlin aufbrechen musste.58 Weihnachten sah dann alle in Wahnfried vereint. Der » Führer « schickte den Kindern Geschenke : Schmuck für Nickel, ein Buch für Wieland und einen Stereoscop-Apparat für Wolfgang. Winifred organisierte ihrerseits einen Boten, der die Abschriften des Briefwechsels zwischen Wagner und König Ludwig II. nach München brachte, um sie dort Hitler zu übergeben.59 Anscheinend hatte er Interesse an der Lektüre bekundet. Dass der Diktator drei Monate zuvor mit den berüchtigten  » Nürnberger Gesetzen « allen Deutschen verboten hatte, Juden zu heiraten, dass sämtliche Juden aus dem Staats-, Wirtschafts- und Kulturleben vertrieben wurden, schien die festliche Laune nicht zu verderben. Es interessierte auch nicht, dass der Sohn von Wagners Tochter Isolde, Franz W. Beidler, der mit Ellen, der jüdischen Tochter des Berliner Gynäkologen Gottschalk, verheiratet war, über Frankreich in die Schweiz emigriert war. Ein solch nazikritischer Verwandter war Winifred vermutlich ohnehin unsympathisch und peinlich. 80

» Sie soll ja schuften lernen «

Die Erfahrungen der zwei Schulen verstärkten Friedelinds Bestreben, sich so rasch wie möglich auf eigene Füße zu stellen. Instinktiv näherte sie sich den Tanten Eva und Daniela an, und im geistigen Austausch mit ihnen sowie durch die zahlreichen Auslandsaufenthalte, die sie durchsetzte, fand sie zu ihren ureigensten Bedürfnissen zurück : der Kunst, der Musik und den menschlichen Begegnungen.

Im Internat 1931 bis 1935

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4 » Frech, lieb, originell « Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

Als Teenager und junge Frau verband Friedelind mit ihrer Tante Daniela Thode eine besondere Freundschaft. Die erste Tochter aus Cosimas Ehe mit Hans von Bülow galt allgemein als verknöchert und altjüngferlich, war aber intelligent und konnte feurig und ausgesprochen leidenschaftlich sein. » Sie war voll ungenutzter Energien, die sich oft in Wutanfällen Luft machten, die sie danach stets bitterlich bereute «, befand Friedelind.1 Von ihrer Mutter Cosima war Daniela innerhalb der damals engen Grenzen für Mädchen erzogen worden und hatte ihre intellektuellen und kreativen Fähigkeiten nur beschränkt ausleben dürfen. Heinz Tietjen versuchte vergebens, einen Keil zwischen sie und die Nichte zu treiben, nannte Daniela » verbohrt und gefährlich « und forderte von Friedelind Solidarität mit Winifred : » Wir müssen Deine Mutter schützen. «2 Auf solche Vereinnahmungen war Friedelind nicht gut zu sprechen, denn sie hing an Daniela trotz deren Verschrobenheiten. Aber auch zu Eva, Richards zweitem Kind, entstand eine enge Beziehung. Nachdem beide Tanten ihre Ehemänner verloren hatten ( Daniela durch Scheidung, Eva durch Tod ), wohnten sie in Bayreuth nahe beieinander und verreisten auch oft gemeinsam. Da Siegfried erst in fortgeschrittenem Alter Kinder bekom82

men hatte, trennten Tanten und Nichte mindestens zwei Generationen. Diese Zeitspanne machte sich besonders in der andersgearteten Erziehung bemerkbar. Friedelind hatte in ihren ersten Lebensjahren viel Freiheit genossen ; in der Erziehung der Wagner-Kinder war nicht wesentlich zwischen Buben und Mädchen unterschieden worden. Das war bei Daniela ganz anders gewesen. Der außerordentliche Aufwand, den man um Siegfrieds Entwicklung und Bildung entfachte, hatte Cosimas Töchtern von Anfang an gezeigt, dass sie dem » zweiten Geschlecht « angehörten. Sie sollten kultiviert und geistig interessiert sein, aber keine Blaustrümpfe. Die Erziehung diente dem Zweck, sie für ihre künftige Rolle als untergebene Ehefrauen vorzubereiten. Richard Wagner ertappte die 19-jährige Daniela einmal dabei, wie sie am Klavier die Zeilen eines Gedichts in Musik setzte, was er ihr sofort mit der Begründung verbot, er wolle nicht, dass seine Kinder das gleiche Elend wie er als Komponist durchmachen müssten. Die Töchter bekamen keine Chance, ihre Talente zu entwickeln.3 Als Daniela darum bat, sich Visitenkarten herstellen zu lassen, lehnte Cosima sofort ab : » Mit Karten bist Du emancipirt und ungefähr wie eine 30-jährige häßliche gestellt. « Der Aufdruck des Namens unterstrich aus ihrer Sicht den Subjektstatus, und das empfand sie als unschicklich, wenn nicht gar ungehörig. Und sie gab der 21-Jährigen mit auf den Weg, sich das » Mädchenhafte « zu wahren, » das Bedingte, Bescheidene, sich willig Unterordnende «. Selbst im Alter von 25 Jahren durfte Daniela nur in Begleitung einer verheirateten Frau eine größere Gesellschaft besuchen.4 Auf diese Weise bekam sie vermittelt, was den Frauen frommte. Aber Daniela war von anderem Schrot und Korn, sie hätte gerne eine professionelle Ausbildung und ein befriedigendes Betätigungsfeld gehabt. Dass ihr dies versagt worden war, trug zu dem Bild der sauertöpfischen älteren Dame bei, dem sie zuweilen tatsächlich entsprach. Dennoch eignete sie sich innerFriedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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halb der ihr möglichen Grenzen Kenntnisse in Literatur und Kunstgeschichte an, las viel, besuchte Konzerte und übte täglich zwei Stunden Klavier. 1886 heiratete sie Henry Thode, einen in Kunstgeschichte promovierten Bankierssohn, der sich sehr für Bayreuth und Wagner-Musik interessierte und 1893 eine Professur für Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg erhielt. 1914 kam es wegen unüberbrückbarer Differenzen zur Scheidung, und sie kehrte verletzt und enttäuscht nach Bayreuth zurück. Danielas besonderes Interesse galt der Kostümbildnerei. 1909 übernahm sie die Verwaltung der Garderobe auf dem Grünen Hügel von ihrer Halbschwester Isolde, der sie übrigens eine » Genialität « bescheinigte, die sie niemals erreichen würde.5 Zunächst war sie zaghaft, aber schon zwei Jahre später stellte sie für die Meistersinger kulturgeschichtliche Recherchen an und orientierte sich an Werken deutscher Renaissance-Künstler. Sie kopierte Porträts von Dürer, Holbein, Grien und anderen und übernahm Einzelheiten in Bezug auf den Schnitt der Gewänder und Barette, die Farben und Haartrachten. Künstlerische Bildung zeigte sie, als sie in die Ausstattung der Meistersinger Einflüsse des Symbolismus einbezog und die Gewänder der Meister farblich ihren jeweiligen Zünften anpasste.6 Im Tristan von 1927 und 1928 ließ sie alle Schmuckstücke, Geräte, Waffen und Ornamente nach keltischen Vorlagen gestalten. Für eine Tannhäuser-Aufführung dagegen vertiefte sie  sich zwei Jahre lang in das Studium der Antike sowie des deutschen Mittelalters und nahm sich die Manessische Handschrift als Vorlage für die Kostüme. Sie beteiligte sich auch an mehreren Buchveröffentlichungen, übersetzte Dialoge von Dante und Goethe, die ihre Großmutter Marie d’Agoult zusammengestellt hatte, gab » Aussprüche über Musik und Musiker « von Richard Wagner heraus, eine Schrift über » Franz Liszt als Lehrer «, die Valérie Boissier auf Französisch verfasst hatte, Briefe ihres Vaters Hans von Bülow und anderes. Sie war eine ausgezeich84

» Frech, lieb, originell «

nete Pianistin, obgleich sie – wie Cosima auch – niemals für eine öffentliche Laufbahn ausgebildet worden war : » Am 18. versammelte ich nachmittags die Freunde zu mir, statt zu Thee und Würstchen zu Bach, Beethoven, Chopin. «7 Sie konzertierte auch bei Vereinen oder bei öffentlichen Gelegenheiten und trug beispielsweise 1938 Bachs Chromatische Fantasie sowie Beethovens Eroica-Variationen vor – ein anspruchsvolles Programm. Auf Reisen hielt sie Vorträge, vorzugsweise über ihren Großvater Franz Liszt. Eva und Daniela lasen sich gegenseitig gern Anspruchvolles vor : Platon, Plutarch, Shakespeare, Lessing und Goethe. Die enge Bindung zwischen der 18-jährigen Friedelind und ihrer 76-jährigen Tante hing in erster Linie mit der ähnlichen Wesensart der beiden Frauen zusammen. Cosima hatte Jahrzehnte zuvor in Daniela » Züge von großer Heftigkeit « gerügt8, wie sie nun Winifred ebenfalls bei Friedelind erlebte. Daniela wird in ihrer Nichte eine Neugier erkannt haben, die Welt allen » weiblichen « Erziehungsmaximen und Zumutungen zum Trotz näher kennenzulernen, und die wollte sie fördern. Danielas und Evas Konflikte mit der Schwägerin verschärften sich nach Siegfrieds Tod. Solange Cosima lebte, waren sie noch unangefochtene Persönlichkeiten im Haus gewesen, während Winifred sich rasch in die Organisation der Festspiele einarbeitete und bereits unentbehrlich machte. Sie war machtbewusst, was Eva und Daniela nie gestattet worden war. Wenn sie in Hosen und mit offenem Haar unter ihrem Auto lag und sich Hände und Kleidung bei der Reparatur beschmutzte, muss allein dieser Anblick den älteren, konservativ erzogenen Damen ein Gräuel gewesen sein. Nach Siegfrieds Ableben fühlten sie sich vollends ausgebootet. Daniela verfasste einen Aufsatz über Toscanini, weil sie glaubte, Winifred habe das Gerücht in die Welt gesetzt, wonach der italienische Dirigent schuld an Siegfrieds Tod sei. Erbost schrieb sie ihrer Schwester Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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Blandine : » Wahrlich ihre Rache ist furchtbar ! Siegfried’s Testament kennen wir ; er hat mit keinem Wort Winifred darin als Leiterin der Festspiele bestimmt … aber da sie Universalerbin ist und das Festspielhaus Privateigenthum, so ergriff sie mit Vehemenz auch die Leitung der Spiele, die allmählich zu Grunde gerichtet werden. Auch kannte er ihre an Wahnsinn grenzende Herrschsucht und Eifersucht, die ein Zusammenwirken unmöglich machen würden. Dieses alles ist Schicksal. Ich habe mich von Allem, auch von jeder weiteren Polemik, zurückgezogen, und suche es ohne Groll, ohne Bitterkeit zu thun. «9 Tatsächlich war Winifred nur als sogenannte Vorerbin des gesamten Nachlasses von Siegfried Wagner im Testament bestimmt, als Nacherben galten die gemeinsamen Abkömmlinge » zu gleichen Stammteilen «. Die älteren Damen litten unter dem Führungsanspruch der Schwägerin und empfanden die Veränderungen, die diese einführte und durchsetzte, als Angriff auf die » heilige « Tradition. Inszenierungen wurden entgegen den Bühnenanweisungen Wagners verändert ( Daniela bemängelte die » Verwandlung des Gralstempels in eine Kongreß-, ja Hotelhalle « ), die Medien bekamen Zutritt zum Festspielhaus, alles schien ihnen profanisiert. Daniela beklagte den » Geist des Merkantilen, der  Ehrfurchtlosigkeit, Pietätlosigkeit, Traditionslosigkeit in Bühne wie Haus «. Bei den Festspielen fuhren teure Autos vor, der » Geist von Bayreuth «, der sich nach Cosimas Willen einzig auf die Werke des Meisters richten und die Zuschauer erheben sollte, drohte verloren zu gehen – so waren die Befürchtungen. Besonders pikant ist es, dass Daniela, die als überzeugte Anhängerin der NSDAP von der Partei die Rettung Deutschlands erhoffte, sich über den » seit länger von Winifred Wagner angestrebten politischen Charakter « der Festspiele beschwerte, als 1933 » bei der zweiten Walkürenaufführung in der Pause zwischen dem 2. und 3. Akt eine durch Lautsprecher am Festspielhaus vermittelte große Wahlrede des Führers zu hören 86

» Frech, lieb, originell «

war, nach welcher das auf dem Festspielhügel versammelte Publikum das Deutschland- und das Horst-Wessel-Lied sang und der Beginn des 3. Aktes um ungefähr zwei Stunden hinausgeschoben worden war «.10 Es schmerzte zudem, dass die Schwestern nun von ihrem Anteil an den Einnahmen der Festspiele ausgenommen waren, die Siegfried ihnen noch freundlich gegönnt hatte.11 Winifred ließ gegenüber einer Freundin allen Respekt fahren, wenn es um Daniela ging : » Heute tritt hier im Konzert das 76-jährige Wunderkind Daniela auf – sie paukt mit drei anderen ein Konzert von Bach für 4 Klaviere ! Ich schenke mir den Abend, weil der › gute Schmidt ‹ mit seinem Dilettantenorchester mir zu sehr auf die Nerven geht. «12 Friedelind konnte sich daheim von den mütterlichen Zwängen etwas befreien, und Winifreds Klagen über ihre renitente Tochter häuften sich. » Mausi fährt ganz überflüssigerweise Montag nach Stuttgart zu einer Freundin, mit der sie das ganze Jahr in Sachsenheim war «, schrieb sie. » Auf alle meine Vorschläge etwas zu arbeiten, z. B. Klavierstunden, Stenographie und Schreibmaschine zu lernen, kommt immer nur eisiges Schweigen, sodass ich mir nun vorgenommen habe, überhaupt nichts mit ihr zu unternehmen. Ich laß sie einfach laufen  – denn sie ist ja schließlich alt genug, um zu wissen, was  sie  tut. Von irgend einer Hilfe für mich ist auch keine Rede – ein komisches Kind ! – Ich hielte ja das ewige Nichtstun nicht aus. «13 Obwohl sie im April 1936 18 geworden war, wonach sie sich gesehnt hatte, konnte Friedelind daraus kaum Kapital schlagen. Konflikte brachen auf und spitzten sich zu. Zuweilen konnte die Mutter sie wie eine Gleichberechtigte, sogar als Freundin behandeln, was dann aber wieder ins Gegenteil umschlug : » Irgend etwas trieb sie immer wieder dazu, die Diktatorenrolle zu übernehmen, und sie stürmte dann aus dem Zimmer, um eine Szene zu vermeiden. «14 In solchen Augenblicken bedauerte die Tochter, dass niemand da war, um zu vermitteln. Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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Mit Daniela entspann sich ein fruchtbarer Briefwechsel ; Friedelind fühlte sich von ihr angenommen und geliebt. » Du aber lebwohl, wissend, dass alles › Mäusliche ‹ unserem weit offenen Interesse begegnet, und sei von ganzem Herzen umarmt von deiner treuen Tante Lulu «15, schrieb die Tante. Die Konflikte, die beide Parteien mit Winifred austrugen, wurden in den Briefen verschwiegen, denn Daniela und Eva wollten sich nicht vorwerfen lassen, sie hätten Friedelind ungut beeinflusst. Die Korrespondenz verhandelt bis zum Krisenjahr 1939 fast ausschließlich kulturelle Erfahrungen und Pläne. Die 18-Jährige wollte Opernregisseurin werden, doch wie sie dorthin gelangen sollte, war ihr noch unklar. Sie überlegte, eine Biografie ihrer Großmutter Cosima zu schreiben – vielleicht, um sich auch in die Festspieltradition einzuarbeiten –, und bat Daniela, ihr so viel wie möglich über sie zu erzählen, was diese aus Zeitgründen verschob : » Ich weiss manches was in keiner Biografie steht – … also hab’ noch Geduld und Nachsicht mit mir. Gelegentlich, wenn ich Zeit vor mir sehe, will ich  gerne etwas für dich aufschreiben ; – was  Andere noch nicht kennen. Du weißt nicht was unausgesetzt an mich herandringt in Angelegenheiten unserer Sache, unserer Familie etc. etc. ( … ) Ich weiss oft nicht wie ich mir meine zwei Stunden Clavier, die mir Lebensbedürfnis, retten kann. «16 Leider kam es nicht zu der erhofften Offenbarung Danielas. Im März 1936 weilte Winifred wieder einmal in Berlin bei Heinz Tietjen, dessentwegen sie dort eine Wohnung gemietet hatte. Er war aber zu sehr mit seiner schwer kranken Frau Nena beschäftigt, als dass er Zeit für sie gehabt hätte. Ihr Geduldsfaden riss, als plötzlich Friedelind beschloss, ihre geplante Romreise aufzugeben und stattdessen zu Heinz zu reisen : » Alles was recht ist – wenn es auch meine Tochter ist – aber mich schmeisst er sozusagen heraus – und lässt sich die Maus kommen, für die er Zeit zu haben behauptet und für mich hat 88

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er nie Zeit ! – Ich explodierte nach allen Richtungen und sagte dem Kind und dem Heinz Bescheid. Nun weiss ich nicht, was wird, jedenfalls fährt sie nicht nach Berlin und sie scheint nun zu versuchen die Romkiste wieder einzufädeln. «17 Die Konkurrenz um Tietjen setzte sich zwischen Mutter und Tochter bis zu Friedelinds Weggang nach England fort. Friedelind mochte ihn nicht, doch er hatte die Hausmacht und konnte in künstlerischen Dingen frei entscheiden, außerdem war Winifred von ihm abhängig – das machte ihn zu einer interessanten Figur. Bayreuth war inzwischen zu einem wichtigen Standort der Nationalsozialisten geworden. Im neu erbauten » Haus der Deutschen Erziehung « konnte man ein neun Meter hohes Standbild der » deutschen Mutter « bewundern. Die Stadt war Sitz der Gauleitung und der SA-Gruppe Bayerische Ostmark sowie vieler Parteidienststellen und der Reichsamtsleitung des  NS-Lehrerbundes. Die Nazis griffen zwar nicht direkt ins Festspielgeschehen ein, doch die Kunst wurde immer mehr zum Spielball des Dritten Reichs, und Bayreuth entwickelte sich zum ästhetischen Aushängeschild für Nazideutschland. Reichsminister Göring, Propagandaminister Goebbels, die Gauleiter Wächtler, Streicher und Koch, Botschafter von Ribbentrop und der Gesandte von Papen : Die ranghöchsten Figuren der Nationalsozialisten erschienen in großer Zahl zu den Festspielen. Adolf Hitler wurde bei wichtigen Fragen von Winifred konsultiert und er unterstützte sie zum Erstaunen der Tanten, die hofften, in ihm einen Fürsprecher für die unveränderte Bewahrung der Wagner’schen Inszenierungen zu haben. Den Festspieldokumenten ist zu entnehmen, dass ab 1933 in Bayreuth » praktisch keine wichtige Entscheidung mehr ohne Billigung oder Kenntnisnahme des Führers gefällt wurde «.18 Dies ist auch damit zu erklären, dass die zentralistische Gleichschaltung zusammen mit dem institutionellen Ämterchaos die Macht Hitlers nicht schwächte, sondern im Gegenteil stärkte.19 Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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Das kam Winifred entgegen, denn Hitlers Wort wog viel mehr als das der Partei, mit der sie öfter im Dissens war. Heinz Tietjen schuf zusammen mit dem Bühnenbildner Emil Preetorius bemerkenswerte Inszenierungen. Es gelang ihnen, Szene und Musik in eins zu setzen, oder anders gesagt : das Musikalische in Form und Farbe des Bühnenbildes darzustellen. Friedelind erlebte, wie Wielands Dekorationen für den Parsifal benutzt wurden, und sie bekam auch mit, wie Tietjen vieles telefonisch mit Göring besprach. Furtwängler dirigierte den Lohengrin, und das musikalische Lob war allgemein. Maria Müller, Josef von Manowarda, Margarete Klose, Herbert Janssen, Jaro Prohaska und viele andere schenkten Bayreuth ihre Stimmen. Frida Leider glänzte als Brünnhilde und Max Lorenz als Siegfried. 1936 waren die Festspiele ausnahmsweise geteilt – von Mitte bis Ende Juli verlief der erste Teil, nach den Olympischen Spielen vom 18. bis 31. August der zweite. Nach dem ersten Festspielzyklus reiste Friedelind mit Verena zu den Spielen nach Berlin ; Hitler hatte Ehrenkarten zurücklegen lassen. An der Eröffnungsfeier war der Bayreuther Festspielchor beteiligt und sang die von Richard Strauss komponierte OlympiaHymne sowie Händels » Halleluja « aus dem Messias. Friedelind genoss die Großstadt in vollen Zügen. » Die Maus hat sich neben der ( Frida ) Leider ein Zimmer gemietet und lässt keinen Ton von sich hören ! «, beschwerte sich Winifred. Sie fand es von Hitler » rührend «, dass er die Schwestern zu einem Mittagessen in die Reichskanzlei einlud.20 Friedelind beschreibt in ihrem Buch diesen Besuch kurioserweise nicht, doch erwähnt sie das Treffen in einer späteren Radiosendung. Sie und Verena waren die einzigen Frauen dort.21 Es gefiel ihr, dass Frida Leider sie ernst nahm und lobte, wenn sie sich gut kleidete. Das empfand sie als Balsam auf ihre Wunden, » die Mutter immer noch vertiefte, indem sie mich stets als das häßliche Entchen behandelte «.22 Friedelind litt wohl doch mehr unter ihrer 90

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Dickleibigkeit, als sie zugeben mochte, zumal Verena gerade in einem Buch namens Nordische Schönheit : Ihr Wunschbild im Leben und in der Kunst abgebildet worden war. Es muss sie empfindlich getroffen haben, das Konterfei der Schwester als Ideal dargestellt zu sehen. In dem Buch wird die » Allvermischung und das Eindringen von Fremdblut « angeprangert, in Übereinstimmung mit den damaligen Rassentheorien.23 Nach den Festspielen hielt sich die Familie vor der Eröffnung des Reichsparteitags zur Aufführung der Meistersinger in Nürnberg auf und musste sich bis in die Morgenstunden hinein » Wolfs « Monologe anhören. Im Herbst spitzte sich daheim die Lage zu. Friedelinds Wunsch, bei den Festspielen künstlerisch tätig zu sein, hatte sich verstärkt, und die Tanten unterstützten sie. Sie drängte auf Beteiligung, wogegen sich Wieland jedoch wehrte. Wohl wissend, welche Energien seine Schwester zu mobilisieren vermochte und wie sehr sie ihm die Macht streitig machen könnte, spannte er seine Mutter für sich ein, für die klar war, dass ein männlicher Erbe die Festspiele übernehmen sollte. » Frau W( agner ) und der Wieland duldeten nicht, dass die Friedelind bei den Festspielen mitwirkte, bevor der Wieland so weit sei «, schrieb Gertrud Strobel, nachdem ihr Mann Otto, Archivar in Wahnfried, Briefe von Heinz Tietjen an Friedelind gelesen hatte.24 Dies wird von Verena bestätigt : » Für meine Mutter war Wieland sozusagen der Thronerbe. Wir hatten schon jeder seine kleinen Pflichten, die er tun musste, und Wieland und Friedelind haben natürlich auch künstlerisch arbeiten wollen, aber das hat meine Mutter damals nicht zugelassen. «25 Auch der » Führer « beteiligte sich an der Förderung des ältesten Wagner-Enkels, indem er ihn nach einem Jahr Militärdienst Ende 1937 freistellte. Das ermöglichte Wieland, zwei Opern seines Vaters, Sonnenflammen in Düsseldorf und in Köln Der Bärenhäuter, zu inszenieren und sich erste Kenntnisse und Erfahrungen in der Regie zu erwerben. Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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Um von daheim wegzukommen, meldete sich Friedelind zum weiblichen Arbeitsdienst in der Nähe von Berlin, wo sie in ein Haus mit 40 Mädchen eingewiesen wurde. Dies war eine ungeschickte Wahl, denn wieder war sie – wie in den beiden Internaten – eingesperrt, musste Anweisungen gehorchen, jeden Abend eine Stunde lang singen, Volkstänze üben und weltanschaulichen Unterricht über sich ergehen lassen. Das Arbeitspensum war körperlich hart, und nach einigen Tagen erkrankte sie an einer Stirnhöhleninfektion. Die Mutter befahl umgehend, sie wieder zu Professor Veil nach Jena zu schicken, wogegen sie sich vergeblich wehrte. Sechs Wochen lang plagte sie sich in der Klinik, ohne Besserung ihres Zustandes. Verzweifelt spielte sie sogar mit Selbstmordgedanken, die sie nach einiger Zeit durch eine Eigentherapie überwand : Sie sagte sich, dass es eine große Feigheit sei, sterben zu wollen, und es gelang ihr, die düsteren Gedanken zu verbannen. Immer wieder mobilisierte sie ihren Lieblingstraum, der darin bestand, ihre Laufbahn als Opernregisseurin mit einer Einstudierung des Tristan zu beginnen – eine mentale Strategie, die sie später in britischer Gefangenschaft wieder aufleben ließ. Und tatsächlich kehrte langsam ihr Lebenswille zurück. Die Tanten schickten ihr Blumen, Buchlektüre und Zeitungen,  worüber sie sich sehr freute. » Mausi schreibt mir überhaupt nicht ! «, stellte Winifred dagegen fest.26 Als Wolfgang Veil ohne Erlaubnis der Mutter Bluttransfusionen durchführte, holte sie Friedelind endlich ab, um mit ihr am 2. Dezember in Dresden Verenas 17. Geburtstag zu feiern. Friedelinds berufliche Orientierungslosigkeit hielt an. In diesem Zusammenhang erhielt sie einen langen Brief von Heinz Tietjen. Er, der gerne Menschen gegeneinander ausspielte, nahm nun Winifred, die ihn in Berlin besucht hatte, nicht mehr in Schutz : » Deine Mutter war während der ganzen Zeit nur einmal kurz hier, und die Dinge endeten, wie Du es ja selbst schon öfters erlebt hast, mit Krach. « Friedelind hatte 92

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ihre Kleider und Utensilien, die sie in Berlin benötigte, bei ihm deponiert ; ihre Mutter hatte jetzt alles beschlagnahmt und nach Bayreuth bringen lassen. Tietjen fuhr in seinem Brief fort : » Ich habe beobachtet, dass es Deiner Mutter sehr imponiert hat, wenn irgendein Mädchen in Deinem Alter aus ihrem oder Deinem Bekanntenkreis, auch wenn sie in sehr guten Verhältnissen lebte, sich selbständig gemacht hat. Hier sehe ich die einzige hohle Gasse, die aus dem Wirrwarr und aus Deinem nicht mehr zu reparierenden Verhältnis zu Deiner Mutter führen kann. Nun, und dann – der Erbe. « Damit schob er Wieland, mit dem er selbst gerade Probleme hatte, als Gegner in den Vordergrund, und um dies zu unterstreichen, schrieb er : » Deine Mitarbeit am Werk sehe ich als verloren an. « Er schlug vor, dass sie aufs Land ziehen und sich dort beruflich verwirklichen sollte, » als eine Art Sekretärin bei Gutsverwaltungen oder ( als ) selbständige Leitung des Kleintierbestandes auf frauenlosen Gütern, als Hilfe in der Forstwirtschaft «, und er endete mit der Aufforderung, sich von Wahnfried zu lösen.27 Was bewog Tietjen, ihr eine so unpassende Tätigkeit vorzuschlagen, wo er doch ihre Leidenschaft für das Theater seit Jahren kannte ? Sein Ratschlag liegt zudem quer zu seiner Bereitschaft, sie im Spätherbst und Winter in Berlin in Musikregie zu unterweisen. Die Zeilen offenbaren seine Neigung, Menschen ohne Rücksicht auf ihre wahren Bedürfnisse oder Begabungen wie Schachfiguren zu behandeln, und bildet die Grundlage für Friedelinds kritische Beurteilung seines Charakters in ihrem Buch. Sie verwarf die Idee umgehend, wollte nicht länger in Bayreuth untätig herumsitzen und beschloss, nach Berlin zu reisen, auch wenn sie so vermutlich Danielas Festrede zum 100. Geburtstag von Cosima verpasste, die diese in der Ludwig-Siebert-Festhalle in Bayreuth hielt. Winifred erlaubte einen Aufenthalt in Berlin nur in Verbindung mit einer Ausbildung und organisierte für die Tochter Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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einen Schreibmaschinen- und Stenografiekurs an der RackowSchule. Friedelind besuchte den täglich stattfindenden Unterricht aber nur sporadisch ; wichtiger war ihr der freie Eintritt zu all den Theatern und Musikstätten, die Tietjens Obhut unterstanden. Er vermittelte ihr auch Kenntnisse im Partiturlesen und Dirigieren. Nachdem sein absurder Ratschlag, einen Beruf in der Landwirtschaft zu finden, nicht auf Gegenliebe gestoßen war, wollte er sie vermutlich als Konkurrenz zu Wieland aufbauen, mit dem er in Bayreuth zerstritten war. Sie lernte Gesangsstimmen zu beurteilen und war besonders stolz, dass Tietjen ihr vertraute, wenn sie auswärts Sänger hörte und sie bewertete. Diese Fähigkeit verfeinerte sie ihr Leben lang. Und sie war endlich frei. Der Schreibmaschinenkurs trug offenbar trotzdem Früchte, denn Daniela freute sich über einen getippten Brief von Friedelind, » wiewohl auf dem Couvert die einst Fafner-artigen Schriftzüge schon zu einer gewissen Freia-Anmuth herabgesunken, uns entgegenleuchteten «. ( Sie war also mit ihrer krakeligen Handschrift vom Drachen zur Göttin avanciert. ) » Wir sehen Dich ja, so Gott will, bald wieder, dann plaudern wir wieder froh und freimüthig miteinander, als gäbe es keinen Harm auf dieser Welt, über Bücher und Bilder, Musik und Theater, Menschen und Thiere, und haben einander lieb. Geniesse indes in vollen Zügen alles Schöne, welches das reichhaltige und lebendige Berlin dir bietet. « Sie bat die Nichte, Hitler zu grüßen : » Auch nahmen wir an, dass du dich in der Diplomaten-Loge befandest, als Hitler seine gewaltige Rede hielt, seinen freimütigen offenen, starken Appell an die ganze Welt – wir hatten einen großen Eindruck von ihr und ihr Schluß, an dem sie so persönlich wird, hat mich tief ergriffen. Gern hätte ich ihm, wie sonst wohl, wo ich auch immer eine beglückende Antwort erhielt, telegrafiert, aber er ist so beschäftigt. Aber sag es ihm, bitte, von mir, falls du ihn gelegentlich sehen solltest. «28 94

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Friedelind hatte inzwischen allerdings eine starke Abneigung gegen Hitlers » bellende, häßlich klingende Wortkanonaden « entwickelt.29 Dabei war sein Kontakt zur Familie enger denn je ; Weihnachten schenkte Hitler den Brüdern goldene Uhren, sie und Verena erhielten goldene Armbänder und Winifred ein Porträtfoto mit Widmung.30 Daniela hing am » Führer «, war aber durchaus kritisch in ihrem Urteil : » Ach, hätte er nur nicht die Religion und die Kirchen, besonders unsere theure evangelische angetastet, und auf so thöricht falschem Wege die Judenfrage behandelt, die uns mehr als die halbe Welt zu Feinden gemacht hat ! Er wird’s büssen müssen, und Deutschland mit ihm. «31 Immer wenn sie Zeit hatte, machte sich Friedelind auf, um Berlins kulturelle Schätze kennenzulernen. Sie wollte sich Shakespeares Richard III. anschauen, wozu Daniela meinte, sie würde danach nicht schlafen können ( » furchtbarer Blick in die Abgründe der Welt und der Menschenherzen « ). Sie sah Shakespeares Hamlet und Mozarts Zauberflöte, wobei sich Daniela erinnerte, dass Wagner die Arie der Pamina » Ach, ich fühl’s « besonders geliebt hatte32, und sie besprach mit den Tanten die Berliner Interpretation des Fliegenden Holländers. Daniela hatte mit der Darstellerin der Senta, Marta Fuchs, die Kundry in Bayreuth einstudiert und lobte ihr Können. Zum ersten Mal wanderte Friedelind unbeaufsichtigt die Straßen entlang, durchstöberte Antiquariate und Buchläden, besuchte Museen und Galerien. Sie hatte sich gegen den mütterlichen Willen die Haare abschneiden lassen und durfte sich nun auch ihre eigene Kleidung kaufen – ihre Selbstständigkeit nahm zu. Tietjen lud sie auch ein, mit ihm in elegante Läden und Restaurants zu gehen.33 Wollte er sie womöglich gegen Winifred ausspielen ? Anlässlich eines Berlinbesuchs entdeckte diese, dass Mausi oft den Unterricht geschwänzt hatte. Sie sah nicht ein, dass die Tochter selbstständig bestimmen und sich fortbilden wollte, Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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auf so vielen Gebieten und an so vielen Orten wie möglich. Lesen, Musikhören, Aufführungen erleben und beurteilen, sich in die Geschichte der Bildenden Kunst einarbeiten, Sprachen lernen, Künstler treffen und mit ihnen Kontakte knüpfen : All das diente dem Erwerb einer breiten Kompetenz,  die ihr eines Tages bei der Leitung von Bayreuth dienen könnte. Winifred erkannte das Potenzial nicht. Vielleicht verdrängte sie es, weil für sie nur Wieland als Leiter der Festspiele infrage kam, und als Mutter störte sie die scheinbare  Richtungslosigkeit. » Was mit Mausi wird, weiß man ja nie «, schrieb sie resigniert, als sie Pläne eines Hausstands in Tietjens Nähe in Berlin ventilierte, wobei die Tochter ausgeklammert wurde.34 Als Friedelind den Wunsch äußerte, nach England zu reisen, war die mütterliche Bedingung hierfür, dass sie die Abschlussprüfung an der Rackow-Schule bestand, was ihr mühelos gelang. Da Frida Leider ( 1888 – 1975 ) zu Ostern im Londoner Opernhaus Covent Garden auftreten sollte, wollte Friedelind nicht länger warten. Winifred fand es riskant, die 19-Jährige sich selbst zu überlassen, und bat die Sängerin, sie nach England mitzunehmen. Friedelinds Freundschaft zu Frida reichte bis ins Jahr 1928 zurück : Als sich die Künstlerin  nach einer Aufführung in ihrer Garderobe auf einem Sofa ausgeruht hatte, war ein zehnjähriges Mädchen mit langen blonden Zöpfen erschienen und hatte sich ihr gegenübergesetzt, die Hände im Schoß gefaltet, und sie neugierig angeschaut ; vermutlich war sie schon damals von der Gesangskunst der Künstlerin fasziniert.35 Die Sängerin gehörte zu den bedeutendsten Wagner-Interpretinnen ihrer Zeit. Mit ihrem schlanken, schönen Sopran und ihrer intelligenten Interpretationskunst bewies sie, dass man nicht unbedingt ein mächtiges  Stimmorgan besitzen musste, um dramatische Frauenrollen zu singen. Im Laufe der Jahre kamen sich die beiden näher, und es entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft. 96

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Friedelind wurde an der Schule Tortington Park in Arundel in der Grafschaft Sussex angemeldet. Die Schule war zwar für Kinder bis 16 Jahre gedacht, doch um keine Verzögerung des Englandbesuchs in Kauf nehmen zu müssen, erklärte sie sich einverstanden. Das alte Backsteingebäude lag malerisch inmitten von Wäldern und Wiesen. Das Meer war nicht fern, und bald badete sie dort täglich. In der Schulbibliothek nahm sie sich Bücher vor und verbesserte ihre Sprachkenntnisse. Sie durfte zu Gastspielen von Frida nach London reisen, die zwischen den Engagements genügend Zeit fand, um mit ihr durch Museen und Kunstgalerien zu streifen. Auch mit Lauritz Melchiors Ehefrau » Kleinchen « freundete sich Friedelind an, da Lauritz häufig in Covent Garden sang. Dass sie während dieses Auslandsaufenthalts mit Gegnern Hitlers zusammenkommen würde, hatte Winifred nicht bedacht. Diese legten, zusammen mit der so anderen Medienberichterstattung über die politischen Ereignisse, den Grundstein für ihre Abwendung von der Naziverherrlichung ihrer Familie. Tante Eva ahnte nichts von diesen Dingen : » Gelingt es Dir den Engländern ein anderes, richtiges Bild vom Nationalsozialismus zu machen, dann hast Du eine wichtige Mission erfüllt und erhältst Du sicher einen großen diplomatischen Posten ! Du siehst, ich kann noch heiter sein, wenn auch manches das Herz bedrückt. «36 Friedelind war 1937 jedoch noch politisch indifferent bis unkritisch, wie eine Bemerkung den Tanten gegenüber zeigt : » Ebenso freue ich mich über des Führers drei Handküsse für Euch – der Gute – ! Es ist schon schön, eine Regierung zu haben, die nicht wie die Ochsen vor dem Berge Bayreuth gegenüber stehen, wie es früher der Fall war – so sieht doch Wielands ganze Zukunft viel froher und versprechender aus, da er immer Verständnis und Mithilfe vom großen Freunde erwarten kann – und nicht nur Phrasen, oder gar Gegnerschaft, wie  es leider stets war ! «37 Ihr schien die Leitung Bayreuths Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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unter Wielands Führung nach Ablösung Tietjens in dieser Phase selbstverständlich, wobei sie sich freilich eine teilnehmende Rolle ausrechnete. Noch aber interessierten sie andere Dinge. Galsworthy, Thackeray und Shakespeare standen auf ihrem Leseprogramm. Sie plante, im Herbst auf ein Londoner College überzuwechseln. Berta Geissmar, Furtwänglers ehemalige Sekretärin, die als Jüdin aus Deutschland verjagt worden war und das Glück hatte, eine Stelle bei dem Dirigenten Sir Thomas Beecham zu bekommen, wurde von ihr in Covent Garden besucht. Geissmar erinnerte sich, dass sie » eine der amüsantesten und am ungezügeltesten aller Kinder « in Bayreuth gewesen sei, deren » rebellischer Geist, rascher Verstand und natürliche Musikbegabung « sie schon immer angezogen hatten. Friedelind, die die Londoner Ring-Aufführung mit Bayreuther Sängern verpasst hatte, wollte nun den Holländer und den Tristan sehen und erlebte Frida Leider als » vollkommen überirdisch schön, wie ich sie noch nie erlebt habe «.38 Bei einem Opernbesuch wurde sie zur königlichen Loge begleitet, wo sie den Prinzessinnen Marie Louise und Helena Victoria vorgestellt wurde ; die beiden Enkelinnen der Königin Victoria hatten ihre Großmutter Cosima gut gekannt. Sie bat Berta Geissmar sofort um Hilfe, als Pressefotografen sie in der Loge aufnehmen wollten, denn es durfte kein Bild von ihr nach Deutschland dringen. Sie sollte ja die Schule besuchen und nicht in Theaterlogen sitzen.39 Friedelind wollte unbedingt Arturo Toscanini treffen, nicht zuletzt, um damit Daniela und Eva zu imponieren. Die Tanten schwärmten für den » Maestro «, reisten zu ihm nach Salzburg ( später nach Luzern ) und konnten sich in seitenlangen  Lobpreisungen seiner Dirigierfähigkeit ergehen.40 Auch sie war der besonderen Anziehung erlegen, die von ihm ausging, zumal Daniela sie ermutigte : » Und nun stracks hinein in’s Künstlerzimmer zum theuren maestro – am besten in der Pause, denn am Schluß ist das Gedränge um den Ärmsten zu 98

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toll. Mit einem Gruß von mir hast du einen Schlüssel zu seinem Herzen. Doch wird’s dessen gar nicht bedürfen, er wird sich freuen, denn wie liebevoll nahm er sich eurer an, als ihr verlassen wart ! «41 Friedelind ergriff die Gelegenheit und schrieb ihm, worauf seine Frau Carla sie einlud, die Proben zu besuchen. Er probte Beethovens Neunte, und es kam ihr vor, als hörte sie sie zum ersten Mal in ihrem Leben, » weil ich sie eben hier das erste mal erlebt habe ! « Sie kaufte einen Veilchenstrauß, fasste sich ein Herz und wartete nach einem » wundervollen « Klavierabend Alfred Cortots ( ein reines Chopin-Programm ) mit ihm und Stefan Zweig zusammen im Vorraum zum Künstlerzimmer.42 Der Dirigent umarmte und küsste die » cara Mausi « immer wieder und fragte nach der Familie. Nach dieser Begegnung erhielt sie einen Brief von ihm in holprigem Englisch, den sie stolz abschrieb und den Tanten schickte. Er schrieb ihr, dass Daniela sie schon oft gelobt habe und dass die zwei alten Damen ihre Zuneigung verdienten. » Now that I met you – spoke to you looking at your beautiful face I can say that I was able to read in your eyes the goodness that your heart conceal( s ). « Er nannte Bayreuth » the deepest sorrow of my life « – alles, was mit Wagner zu tun hatte, erfüllte ihn mit Leidenschaft, und sein Bruch mit Bayreuth 1933 beschäftigte ihn immer wieder.43 Aufgeregt schrieb sie den Tanten : » Ich hatte also eine unglaublich herrliche Zeit – und war  eigentlich nur mit dem maestro zusammen, der goldig und rührend und liebevoll – kurz, Alles – war ! Ich schwelgte Tag für Tag in Musik, und war in jeder Probe von Anfang bis zum Ende. « Er probte für ein reines Wagner-Konzert, als hätte er es für sie ausgesucht, und nahm sie mit zum Lunch. Beim Konzert saß sie » möglichst schön angezogen und frisiert « neben Frau Toscanini. Hinterher gab Madame Rothschild ein Souper, » wozu ich natürlich nicht mitkonnte, bei aller Liebe für den maestro ! « Stattdessen ging sie zu einem » höchst kultivierten Lords-Ehepaar «. Rothschilds zu schneiden passte zu Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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ihrem Rassendünkel, der damals noch virulent war. Ihre Zweifel an der Rassentheorie, die sie u. a. mit der Lektüre von Chamberlains Schriften eingesogen hatte, kamen erst später. Als sie allerdings zu Lady Cholmondeley auf deren feudalen Landsitz eingeladen wurde, sagte sie zu, obwohl sie wusste, dass die Gastgeberin Jüdin war – konsequent war sie also nicht.44 Sie musste Toscanini versprechen, regelmäßig zu schreiben, freute sich auf den Oktober, wo er zurückkehren wollte, und verabschiedete sich von ihm, als er nach Mailand abreiste.45 Daniela kommentierte im gewohnt ekstatischen Tonfall : » Ich kann Dir nicht sagen, wie glücklich diese Deine Beziehung zu dem theuren Freund und unvergleichlichsten Künstler mich macht und wie seine zärtliche Liebe für Dich mich ergreift – schließt sich dabei ein Tröpfchen Eifersucht ein, so würde ich zugleich an Wotan’s Wort denken müssen : › Dem ewig – Jungen mit Wonne zu weichen ‹, und nur Freude empfinden. Die Jugend ist ja der Lichtblick seines alternden, an tiefer Traurigkeit, ach, so reichen Lebens – und in deiner schönen Erscheinung tritt ihm lebendig ein Teil des Genius nahe, dem der Cultus seines großen Künstlerlebens durchs ganze Leben hindurch galt. «46 Damit hatte sie recht, denn Toscanini liebte es, über die Familie Wagner zu plaudern, und es faszinierte ihn Friedelinds physiognomisch wie verwandschaftlich nahe Beziehung zu dem von ihm so überaus verehrten Meister. Seinen ersten Eindruck von Wagners Musik hatte er 1878/79 in Parma erhalten, als er die Tannhäuser-Ouvertüre hörte. Als 1884 Bologna als erste italienische Stadt den Lohengrin aufführte, saß er als Cellist im Orchester. » Von der ersten Probe an – oder sogar von den ersten Takten des Vorspiels an – wurde ich von magischen, überirdischen Gefühlen überwältigt ; die himmlischen Harmonien enthüllten mir eine neue Welt «, schrieb er.47 1889 besuchte er zusammen mit dem Impresario Giulio Gatti-Casazza zum ersten Mal die Festspiele. Es kam aber 100

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lange nicht zu einem Dirigat in Bayreuth, weil vor allem Daniela und Eva, die später zu seinen glühendsten Verehrerinnen zählten, sich gegen seine Berufung wehrten und Karl Muck bevorzugten. Damals hatten sie noch Einfluss in Bayreuth, bis Siegfried beschloss, den weltberühmten Künstler 1929 doch einzuladen. Daniela wird die Festspielproben miterlebt haben, in denen er auswendig dirigierte und Einzelheiten aufspürte, die andere Kollegen überhört hatten. In dieser Zeit wuchs ihre Begeisterung für sein Können ins Unermessliche. 1937 beschrieb sie die in die Musikgeschichte eingegangene Aufführung der Meistersinger in Salzburg, die sie im August gehört hatte : » Für das Erlebnis finde ich keine Worte. Es war für mich die vollste Offenbarung des Götterwerkes, weil schöpferisch aus dessen Geist erstehend. Die Grandiosität des Erhabenen bis zur höchsten Apotheose hat uns keiner bisher in dieser erschütternden Weise vermittelt. Nun dazu diese Feinheiten, Zärtlichkeiten, diese Klarheit, Durchsichtigkeit, die Künstler alle von einer Korrektheit, wie sie nirgends zu treffen und durch den sie führenden Genius inspiriert, weit über sich emporgehoben. «48 Wie kam es, dass ein über 70-jähriger Mann eine solche Verehrung durch Friedelind erfuhr ? Toscanini galt damals als der genialste Dirigent der Welt, und noch heute ist sein Ruhm unübertroffen. Zu seiner legendären Ausstrahlung zählten auch sein gutes Aussehen und die makellos-elegante Kleidung. Orchestermusiker wie Zuhörer haben wiederholt versucht, die Faszination seiner Auftritte zu enträtseln. So schreibt der Geiger Samuel Antek, der ihn jahrelang als Dirigenten erlebte, dass man sich unter ihm als Individualist fühlte, nicht als untergebener Musiker. » Dies führte dazu, dass alles, was man tat, jede Note, die man spielte, die gleiche Intensität, den gleichen Ausdruck besaß, wie wenn man allein für sich spielen würde. Man wurde angefeuert, herausgefordert, sein Bestes zu Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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geben. Das Musizieren wurde wieder zu einem heiligen Ruf … Der Terror und all die Beschimpfungen, die Toscanini uns zuschrie, wurden hingenommen und ertragen, weil sie seiner eigenen Demut, seiner Aufrichtigkeit und Liebe zur Musik entsprangen. «49 Künstlerisch herausragend, vermochte er auch persönlich andere magnetisch in seinen Bann zu ziehen. Beides beeindruckte Friedelind tief. Sie besaß früh ein Sensorium für Qualität und erkannte sein Genie, und sie erinnerte sich mit Rührung seiner Aufführung des Siegfried-Idylls bei der Beerdigungsfeier ihres Vaters.50 Friedelind ließ die beiden Älteren an ihren Erlebnissen und Gefühlen teilhaben, die der Anhimmelung eines Teenagers ähnelten. » Wo mag Er jetzt wohl sitzen ? «, fragte sie einmal – das » Er « hob ihn bereits zu den Göttern empor. » Man möchte ihm nacheilen – auf Flügeln – nur recht schnell – in seiner Nähe fühlt man sich so wohlbehütet und stark – geborgen gegen jeden Sturm … ! Die Himmel mögen ihn segnen – den Guten – Geliebten – Grossen ! ! ! «51 Mit zwei Freundinnen zusammen hörte sie die Übertragung von Verdis Falstaff im Radio, wobei die Übertragung nur funktionierte, indem sie das Kabel ( als » Antenne « ) fest in der Hand hielt, » und so saß ich mit meinen beiden Freundinnen zusammen – die Nornen am Werke ! «52 Sie erlebte aber 1937 nicht nur Konzerte des Maestros, sondern das Londoner Musikleben in voller Blüte und verzichtete dafür auf einen Besuch der Bayreuther Festspiele. Zahlreiche deutsche Künstler stellten sich in London vor, darunter viele, die als Juden aus Deutschland vertrieben worden waren. Es gab einige Ring-Aufführungen in Covent Garden. Im ersten Zyklus sangen Frida Leider, Maria Müller und Max Lorenz, im  zweiten übernahm Lauritz Melchior den Siegfried und Kirsten Flagstad debütierte als Brünnhilde. Einmal saß Friedelind zusammen in einer Loge mit Anna Mahler, der Tochter Gustav Mahlers, die gerade aus Österreich geflohen war ; es 102

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kam aber nicht zu einem näheren Kontakt.53 Furtwängler brachte die Berliner Philharmoniker nach London. Bei einer Toscanini-Probe im Juni lernte sie die Pianistin Isabella Valli ( später Wallich ) kennen, mit der sie eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Die Nichte des Pioniers der Schallplatte, Fred Gaisberg, hörte plötzlich eine Stimme neben sich : » Was um Himmels willen tun Sie hier ? Niemand darf bei Toscanini-Proben anwesend sein. «54 Friedelind beruhigte sich, als sie erfuhr, dass auch Isabella zu den Eingeladenen gehörte. Im Kreise um Isabella lernten Frida Leider und sie auch Colleen ( » Coggie « ) Margetson kennen, die spätere Malerin und Karikaturistin. Gleich nach dem ersten Treffen nahm Isabella sie in der geräumigen Limousine ihres Vaters zu einer Tagestour nach Oxford mit, zusammen mit der Schwester des weltberühmten Geigers Yehudi Menuhin, Yaltah, die sich in London langweilte. Ein Chauffeur lenkte den Wagen, und sie besuchten Isabellas Bruder Mondy. Als der Student Jobst von der Gröben, der Yaltah unbedingt kennenlernen wollte, ihr in seinem Studentenzimmer seinen Flügel zeigte, setzte sie sich an das Instrument und spielte ihm Beethovens 5. Klavierkonzert mit allen solistischen und orchestralen Partien vor.55 Von dieser Episode findet sich nichts in den Berichten an die Tanten. Wollte Friedelind verschweigen, dass sie sich mit jüdischen Musikern traf ? Von ihrem Plan, eine Reise nach Paris zu unternehmen, berichtete sie den Tanten sehr wohl, bat sie allerdings, das nicht auszuplaudern : » Ich schreibe erst an Mama, wenn ich alle festen Unterlagen habe, sonst könnte sie einen Strich durch die Rechnung machen, weil sie es für zu kühn hält. «56 Daniela fand das Unternehmen zwar » gewagt, verhetzt und ein bischen abenteuerlich «, aber sie schloss versöhnlich : » › Doch, ich habe Muth ‹ – so singst du ja kräftig mit Leonoren’s  Worten. … Und nun › Glückskind ‹ – Glückauf nach Paris ! Grüß’ mir Blandine, Leonardo, Rembrandt und Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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Raffael im Louvre und laß’ Dich nicht mit den Schminktöpfchen der perversen Pariser Damenwelt ein ! «57 Friedelind kratzte also ihr letztes Geld zusammen, wagte im September 1937 den Abstecher und erlebte » die wundervollsten siebzehn Tage meines Lebens «. Sie wohnte bei dem französischen Komponisten Gustave Samazeuilh ( 1877 – 1967 ), der auch als Musikschriftsteller und Übersetzer arbeitete und Wagners Libretto zum Tristan ins Französische übertrug. Als Mitglieder der Berliner Staatsoper in Paris gastierten, war sie ständig mit dem Ensemble zusammen. Die Großstadt wurde nach Sehenswürdigkeiten durchkämmt. Daniela nahm wie stets intensiv an ihren Eindrücken teil, riet ihr, sich Zeit zu nehmen, und schlug vor, mit ihr Venedig zu besuchen : Die Abhandlung Stones of Venice von Ruskin sei eine schöne Vorbereitung dafür.58 Für die Rückkehr nach England empfahl sie die Besichtigung wichtiger Bilder : » Und im British Museum Printroom findest Du ebenso wie in der Sammlung Malcolm zahllose Zeichnungen und Studien Michelangelos. « Daheim befasste sich Daniela derweil kritisch mit Wieland Wagners Dekorationen zur Neuinszenierung des Parsifal. Sie blieb überzeugt, man müsse Wagners Inszenierungswünsche » in einer fast 50 Jahre heiliggehaltenen Tradition « erfüllen.59 Wielands Antwort auf ihre Kritik fand sie » schroff, ja fast anmaßend, ohne jeden Respekt, und ohne jeden Herzensklang «.60 Ihre Nichte nahm hingegen Wieland in Schutz und betonte, dass das Werk nicht entheiligt würde, wenn der Enkel des Meisters mit großem Ernst die Entwürfe mache. » Wir sind doch schließlich dieselbe Familie – und desselben Blutes – und da sollte doch ein gegenseitiges Verstehen – wenn auch mal durch kleine Kompromisse – möglich sein ! «61 Hier zeigt sie sich fähig zum Kompromiss, mit dem ernsthaften Wunsch, Konflikte auszugleichen. Wann beschloss sie, Deutschland für immer zu verlassen ? Rückblickend setzte sie den Zeitpunkt ihrer inneren Verab104

» Frech, lieb, originell «

schiedung von Deutschland auf das Jahr 1937 und nannte es » eine bewusste Lüge von gewissen Seiten «, zu behaupten, sie sei erst später emigriert. » Ich bin am 7. Mai 1937 aus Deutschland weg – am Tag zuvor war das Zeppelin Unglück – musste im Sommer 38 allerdings noch einmal auf der Bildfläche erscheinen, weil ich noch nicht mündig war und man mich mit Gewalt hätte zurückholen können, hätte man gewusst, dass ich draußen bleiben würde. Das schöne Gesicht meiner Mutter und Hitlers, nachdem sie informiert wurden, ist von meinem Bruder Wieland photographisch festgehalten. Ich wollte damals mit den Verbrechern nichts zu tun haben – noch will ich mit der heutigen braunen Mafia etwas zu tun haben … «62 Das erwähnte Foto zeigt Winifred und Adolf in schlechter Laune, was durchaus mit Friedelinds Weggang zu tun gehabt haben kann. Dennoch sind Zweifel an dieser Version erlaubt, denn ihre Briefe sind weiterhin dem Regime gegenüber unkritisch. Politische Zweifel tauchen erst Ende 1938 auf. Während ihre Brüder sich daheim um ihre Fortbildung kümmerten und Winifred sich immer wieder mit ihrem » Wolf « traf ( » Der Führer meldete sich bei uns an – und von 2 bis 6 habe ich ihn hier in aller Gemütlichkeit ganz allein für mich gehabt – es war zu schön – denn mit mir kann er ja ganz intime persönliche Dinge berühren, die ihm in Braunau und Linz an Herz und Nieren gingen – beide Städte sind mir ja bekannt – und seine Erlebnisse von frühster Jugendzeit dort auch ! ! ! «63 ), suchte Friedelind weiterhin ihr Heil im Ausland. Ihr Familienname öffnete ihr die Türen zu Opern- und Konzerthäusern, erlaubte ihr den ungehinderten Zugang zu Generalproben, aber auch zu den Künstlern selbst. Ihr Wunsch, sich zur Regisseurin ausbilden zu lassen, war ebenso präsent wie der Drang, aus dem Schatten der Mutter herauszutreten. Vielleicht waren es die Konflikte mit Heinz Tietjen, aber auch mit dem Finanzverwalter Carl Knittel, die sie neben den Problemen mit der Mutter von Bayreuth wegtrieben. Friedelind und die Tanten – 1936 bis 1937

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Ende 1937 hatte Hitler den Generälen der Wehrmacht erklärt, Deutschland benötige » Lebensraum « im Osten und müsse ihn sich mit Gewalt holen ; im Februar 1938 stürzte er die Wehrmachtsführung. Die Mehrheit der Deutschen stand noch immer zum Führerstaat, zumal Adolf Hitler wiederholt seinen Friedenswillen bekundet hatte. Dass die Menschenrechte ausgehebelt wurden, störte die meisten nicht sonderlich. Der Einmarsch in Österreich am 11. März 1938 wurde, auch beeinflusst durch die » Wochenschau «-Bilder der jubelnden Massen, als positives Ereignis verbucht. Erst mit dem Überfall auf Polen ein Jahr später begriffen viele Deutsche, dass der völkerrechtswidrige Angriff nicht ungesühnt bleiben würde. Da war es aber zu spät, um sich zu wehren, denn jegliche Opposition wurde mit Gewalt unterdrückt. Und die Olympiade zwei Jahre zuvor, die Deutschlands Weltgeltung unterstrichen hatte, der Bau der Autobahnen, die vielen Erfolge ließen die Mehrheit der Deutschen verdrängen, dass die Juden nun immer skrupelloser verfolgt wurden. Viele Bürger tolerierten den staatlich geförderten Rassismus ohnehin, hießen ihn sogar ausdrücklich gut.

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» Frech, lieb, originell «

5 » Ist das deutsch, was euch Hitler gebracht hat ? « 1938 bis 1939

Während sich Verena im Januar 1938 in Berlin aufhielt und dort einmal bei Hitler speiste, befand sich ihre Schwester wieder in England. Fern von den Ereignissen in Deutschland und voller Unternehmungslust, ausgestattet mit 200 Mark monatlich, lebte es sich gut. Winifred war froh, dass sie genug Devisen hatte, um sich die renitente Tochter vom Leib zu halten : » Jeder Monat England ist für uns alle eine Erleichterung. Die Geissmar erzählte, sie käme immer zu ihren Bürostunden und helfe tüchtig mit bei Erledigung der Korrespondenz. Ist das ein komisches Kind ! Für Bayreuth und für die Mutter nur nicht und für die Jüdin freiwillig ! ! ! ! «1 Der geistige Austausch mit den Tanten setzte sich fort. Daniela und Eva lasen Shakespeares Coriolan, ein Stück, das Eva zufolge » ein besonderer Liebling Deines Großvaters « gewesen sei. Sie nahmen sich auch Balzacs Roman Illusions perdues vor, der, wie Daniela schrieb, ein Paris zeige, » wo Bestie und Teufel in Menschengestalt, Armuth, Laster und Verzweiflung herrschen ( nichts für Deine Jugend ) «. Friedelind erwiderte respektlos-frech, dass die heutige Jugend aufgeklärt sei, » und ihr wart mit neunzehn wahrscheinlich noch weisse Unschuldslämmer … – und ein kleiner neunjähriger Pimpf weiss wahrscheinlich mehr, als ihr mit 77 «.2 107

Im Februar dirigierte Furtwängler in London zwei Konzerte, die Friedelind anmaßend beurteilte ( » das Brandenburgische war so schwach und characterlos, wie der ganze Mann «3 ). Daniela verteidigte ihn trotz ihrer übergroßen Liebe zu Toscanini : » Doch tust Du Furtwängler Unrecht mit Deinem scharfen, schroffen Urteil ; gewiß ich weiß, was ihm fehlt : für Bach die Wucht der Gestaltung, die Innbrunst der religiösen Empfindung, für Beethoven die Schauer des Dämonischen und Geheimnisvollen, die Ekstase der Entzückung – aber ich habe eine Eroica einmal außerordentlich schön, cristallklar durchgearbeitet von ihm gehört und in einer 9ten Sinfonie das Andante – Adagio von geradezu sphärenhafter Schönheit, so dass ich deinem Vater damals schrieb, als Toscaninis Stern noch nicht an unserem Horizont aufgegangen war, ich könnte mir denken, dass er der Geeignete für den Parsifal sein könnte. «4 Es folgten Konzerte, die Willem Mengelberg und Felix Weingartner dirigierten, und ein Soloabend des Geigers Fritz Kreisler. Das Theaterstück Mourning becomes Electra ( Trauer wird Elektra tragen ) von Eugene O’Neill überwältigte sie ; weniger stark war der Eindruck einer Aufführung von Shakespeares Othello. Auch eine Ausstellung mit Malerei aus dem 17. Jahrhundert hatte es ihr angetan, wie sie überhaupt manche Stunde in Kunstmuseen verbrachte. England war voller Künstler, die aus Angst vor der politischen Entwicklung Deutschland verlassen hatten. Dazu zählte die Liedsängerin Elena Gerhardt ( 1883 – 1961 ), bei der Friedelind Unterricht nahm. Ihr Ehemann Fritz Kohl war als Verwaltungschef des Mitteldeutschen Rundfunks bei den Nazis in Ungnade gefallen und 1934 verhaftet worden. Seine Frau flüchtete daraufhin nach England. Nach seiner Haftentlassung kam auch er nach London, wo die Sängerin zu einer der bedeutendsten Liedinterpretinnen avancierte. Friedelind besuchte auch Lady Sybil Cholmondeley ( 1883 – 1968 ), die oft Künstler zu sich in ihr eindrucksvolles Haus in Kensington Palace Gar108

» Ist das deutsch, was euch Hitler gebracht hat ? «

dens ( im Volksmund » Millionaires’ Row « ) einlud. Die gefeierte Aristokratin, Schwester des Politikers Philip Sassoon und Gründerin des weiblichen Dienstes in der Kriegsmarine im Ersten Weltkrieg, war mit Winston und Clementine Churchill befreundet. Musiker durften in ihrem Heim üben, der Pianist Arthur Rubinstein feierte dort seine Hochzeit, die Toscaninis wohnten häufig bei ihr, und auch Friedelind übernachtete vor Kriegsausbruch gelegentlich da. Da ihr Ehemann immer um 20 Uhr ins Bett verschwand und sich bei den Abendessen nicht blicken ließ, war die Ehe der Hausherrin etwas frustrierend, wie sie Toscanini verriet.5 Sie gehörte zu dem Kreis der Frauen, die sich in den großen Dirigenten verliebt hatten, wie einige Briefe von ihr bezeugen. Toscanini genoss die Verehrung zwar, nahm sie aber nicht sonderlich ernst und schrieb über Lady Sybil, dass er vergeblich versucht habe, ihr » väterlichen Rat zu erteilen «.6 Friedelind fand also mit ihrer Schwärmerei ein empfängliches Umfeld. Zwischen ihren Tanten und Winifred schwelte der Streit weiter. Eva hatte einen Brief an die Schwägerin entworfen, in dem sie ihr Fernbleiben bei der ersten Serie der Festspiele ankündigte und ihre Loge zur Verfügung stellte. » Es hat sich für mich als die Tochter des Meisters eine geradezu entwürdigende Lage auf dem einst so vertrauten Hügel herausgebildet «, schrieb sie.7 Es war wohl die Nichtbeachtung der üblichen Rangordnung, die sie störte, denn Winifred hielt wenig vom gehobenen Stellenwert einer Tochter Richard Wagners. So musste Eva es ertragen, von einer » Angeheirateten « an den  Rand gedrängt zu werden. Daniela trauerte derweil um die verlorene Villa im italienischen Gardone, die ihr und ihrem Mann Henry Thode einst gehört hatte und beschlagnahmt worden war. Friedelind erfuhr außerdem, dass Daniela ihren » edlen jüdischen Freund « Max Freiherr von Waldberg ( 1858 – 1938 ) in Heidelberg besuchen wollte, der 1933 die Briefe Cosimas an sie herausgegeben hatte. Der Professor für Ger1938 bis 1939

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manistik, der seit 1889 an der Universität in Heidelberg lehrte, war 1933 zwangsweise in den Ruhestand versetzt worden. Dieses Phänomen – Juden insgesamt als minderwertig zu klassifizieren, aber immer wieder Ausnahmen zu machen – war nicht ungewöhnlich : auch Richard, Cosima und Winifred hatten sich auf diese Weise verhalten. Im März flog Friedelind zu der Aufführung der Oper ihres Vaters Der Schmied von Marienburg nach Berlin ; das Flugticket hatte die Mutter geschickt. Sie feierte dort gerne mal eine Nacht durch, kehrte dann morgens um halb sieben ins Hotel zurück und legte sich in die Badewanne, um anschließend zu frühstücken, » und der nächste vollbesetzte Tag fing an «.8 Für den Besuch der Aufführung gab sich die 19-Jährige mit ihrer Garderobe viel Mühe : Über einem bestickten schwarzen Seidenkleid mit Schleppe trug sie einen Abendmantel aus lackierter Seide, den Frida Leider ihr geschenkt hatte, verziert mit bunten und goldenen Blumen. Dazu zeigte sie rot lackierte Zehennägel.9 Sie wollte das Image des übergewichtigen und burschikosen Mädchens ablegen und endlich als hübsch, gar elegant wahrgenommen werden. Winifred fand einmal, sie sähe » wie eine Schaufensterfigur in einem Friseurgeschäft aus – das werden wir ihr nach und nach abgewöhnen «.10 Sie meinte also immer noch, die Tochter disziplinieren zu können. Friedelind experimentierte aber schon längst mit ihrem äußeren Erscheinungsbild und ließ sich nichts mehr sagen. Von Berlin aus machte sie einen kurzen Abstecher nach Bremen, um Frida dort die Isolde singen zu hören. Die stimmliche wie darstellerische Leistung ihrer verehrten Freundin begeisterte sie aufs Neue.11 Nach der Oper saßen sie bis in die frühen Morgenstunden zusammen. Die Wehrmacht war am 12. März in Österreich einmarschiert, und  damit stand Fridas Ehemann Rudolf Deman als Jude im Fokus der antisemitischen Hetze. » Unser Leben war eine schleichende Krise geworden «, schreibt die Sängerin über diese Zeit.12 Friedelinds Zweifel am 110

» Ist das deutsch, was euch Hitler gebracht hat ? «

Regime werden sich in diesen Wochen und Monaten verstärkt haben. Über Bückeburg, wo Friedelind Verena besuchte, ging es über Berlin im März zurück nach London. Sie erlebte die Geschwister Menuhin, und auch Rachmaninoffs Spiel blieb ihr unvergessen – da sie sich in die Proben einschmuggelte, konnte sie die Programme mehrmals hören. Sie wollte unbedingt zwischen Mai und Juni Toscaninis Konzerte miterleben und sich um eine Arbeit im Royal Opera House bemühen.13 Es  wurde aber nichts daraus, denn kurz darauf wurde das Opernhaus geschlossen : der Zweite Weltkrieg hatte begonnen. Eine Anstellung hätte ihr Leben entscheidend verändert ; sie wäre dann wohl nicht ausgewandert, sondern hätte in Europa bleiben und sich als Regisseurin professionell qualifizieren können. Im Juni 1938 reiste Friedelind, wenn auch widerstrebend, von London nach Bayreuth. Das starke Eingreifen der Politik in die Festspiele, die propagandistischen Maßnahmen wie die Aufkäufe der Karten durch die Organisation » Kraft durch Freude « ( KdF ) und die vielen Hakenkreuzfahnen, die in Bayreuth wehten, erfüllten sie mit Unbehagen. Schon längst waren die Künste politisch gesteuert. Es war das Jahr, in dem in Düsseldorf die Ausstellung » Entartete Musik « stattfand und in der  Komponisten wie Schönberg, Weill, Krenek, Hindemith und Strawinsky verunglimpft wurden. Die Werke von Mendelssohn, Meyerbeer, Offenbach, Mahler und anderen verschwanden aus dem Konzert- und Opernrepertoire. In dem von den Nazis erzwungenen » Jüdischen Kulturbund « wurden von 1933 bis 1941 Musiker und Komponisten gettoisiert. Friedelind sah in Berlin Schmierereien auf den Fensterscheiben von Läden. Die Schikanen jüdischen Mitbürgern gegenüber sowie deren soziale, moralische und rechtliche Diffamierung blieben ihr nicht verborgen. Auch in Bayreuth eskalierte die Situation. Manche Künstler 1938 bis 1939

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waren bereits emigriert. Frida Leider, die weiterhin in quälender Anspannung lebte, fühlte sich der Situation nicht gewachsen, erlitt eine Nervenkrise und sagte ihre Rolle als Isolde ab. Ihr Mann Rudolf Deman informierte Heinz Tietjen, worauf es zu einer heftigen Kontroverse kam, in der vermutlich auch Beleidigungen fielen, denn die Sängerin verzieh Tietjen diesen Ausbruch nie.14 Friedelind hörte vom Nebenzimmer aus die lautstarke Auseinandersetzung und war ebenfalls von seinem harschen Benehmen betroffen. Frida kehrte zwar gegen Ende der Saison zurück und sang zweimal die Isolde, brach danach aber ihren Kontakt zu Tietjen endgültig ab. Auch Friedelind ließ ihn spüren, dass er falsch gehandelt hatte, denn er beklagte sich, dass » von dem Augenblick des Hinauswurfs von Deman die Maus kein Wort mehr mit mir gesprochen hat und mit fest verbissenen Lippen mich mied und mich bis zu ihrer Flucht nach der Schweiz radikal schnitt «.15 » Wolf « war wieder in Bayreuth und lud an seinem letzten Abend dort alle Künstler zu sich. Winifred wurde in jeder Stunde, die sie frei hatte, zu ihm gerufen, ob nach der Aufführung oder zum Mittagessen, und Lieselotte Schmidt war beeindruckt : » Sie meistert alles mit Götterkräften, geht fest unter die Höhensonne, damit sie gut aussieht, und hat trotz Allem noch Humor. Man kann nur staunen. «16 Friedelind langweilte sich bei den Essen mit Hitler wegen seiner endlosen Tiraden und gähnte laut, um ihn zu zwingen, die Tafel aufzuheben. Als er über Strafen für Karl Schuschnigg monologisierte, wagte sie – so behauptete sie später – den Einwand, dass man ihn durch eine schwere Bestrafung zu einem Helden und Märtyrer stilisieren könne, was nicht sonderlich gut ankam.17 Am letzten Tage des Hitler-Besuchs in Bayreuth wurde Wielands Mitgliedschaft in der NSDAP gefeiert. Friedelind fand aber auch immer wieder Zeit, sich im Künstlerlokal » Eule « zu amüsieren, und schrieb ins Gästebuch : » Vom Schwan über die Taube in die Eule ! Friedelind Wagner. «18 112

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Eine andere junge Frau besuchte ebenfalls die Festspiele – Unity Mitford, britische Aristokratin und eine exaltierte Anhängerin des » Führers «. Friedelind hatte von ihr gehört und lernte sie nun kennen. Nach einer Aufführung der Walküre nahm Hitler Unity in seinem Sonderzug mit nach Breslau, wo sie auf der Tribüne stundenlang den Vorbeimarsch der Reichsdeutschen aus verschiedenen Gauen sowie den der Sudetendeutschen beobachtete und miterlebte, wie sich die Menge anschließend auflöste, die Menschen zu Hitler rannten und sich um ihn drängten : » Alle schluchzten und streckten ihre Hände aus und manche schafften es, im Chor zu rufen : › Führer, wir schwören Dir aufs Neu, wir bleiben Dir auf ewig treu. ‹ «19 Friedelind zufolge sprach Unity in Gegenwart Hitlers schlecht von England, aber er nahm sie nicht sonderlich ernst. Als 1939 der Krieg gegen England ausbrach, schoss sie sich eine Pistolenkugel in den Kopf, überlebte den Selbstmordversuch jedoch schwer hirngeschädigt. Ihre Mutter pflegte sie, bis sie 1948 starb. Daniela und Eva konnten sich in diesem Jahr die Salzburger Festspiele nicht leisten, und sie wollten nicht Toscanini anbetteln.20 So planten sie eine Reise nach Tribschen bei Luzern, um dort ein Konzert unter der Leitung des » Maestro « zu erleben. Kurz nach dem » Anschluss « Österreichs an NS-Deutschland war er von Schweizer Persönlichkeiten gebeten worden, bei einem kleinen Musikfestival in Luzern zu dirigieren. Dies war bereits ein Jahr zuvor geplant worden, war also nicht als politische Demonstration gegen Deutschland gedacht, wie so oft behauptet wird. Dennoch musste die geballte Zahl jüdischer Musiker, die daran teilnahmen, das nationalsozialistische Deutschland irritieren.21 Der Dirigent sagte zur Überraschung aller zu. Daniela rechnete nicht mit Friedelinds Kommen und schrieb ihr : » Oh Maus, dies ist ein Ade-Sagen – denn am 21. gehe ich von dannen und treffe mit Tante Eva am 2. Juni in  Tribschen ein – ob du dort wohl an die good old ladies 1938 bis 1939

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denken wirst, die deiner Vorstellung so lange – scheint’s – entschwanden ? «22 Die Maus wollte nicht nur die Tanten dort überraschen, sondern vor allem Toscanini sehen und hören, doch wurde es immer schwieriger, die Ausreisegenehmigung zu erhalten. Eine Chance bot sich ihr, als die Mutter des in Bayreuth tätigen Korrepetitors Gottfried von Einem, Gerta von Einem, sie einlud, sie nach Venedig zu begleiten. Gottfried hatte sich in Friedelind verliebt. Da er nach eigenen Angaben » hunderte von Briefen « von ihr erhielt, darf man annehmen, dass auch sie seine Liebe zumindest eine Zeit  lang erwiderte ( die Briefe wurden später von seiner Schwiegermutter verbrannt ).23 Winifred und auch die Baronin betrachteten die Liaison mit Wohlwollen. Letztere war wohlhabend, reiste mit einem großen englischen Wagen, einem Chauffeur und einer Sekretärin und versprach, für alle Unkosten außerhalb Deutschlands aufzukommen – ideale Voraussetzungen für eine unternehmungslustige junge Dame. Man verabredete sich zunächst in Zürich, wo Friedelind als Erste eintraf. Dort bestellte sie sich ein Mittagessen, das sie in der Hoffnung anschreiben ließ, die Baronin möge keine Panne erleiden und pünktlich erscheinen, um die Schuld zu begleichen. Zum Glück für sie ging alles gut, und sie und Gottfried kamen rechtzeitig zur Hauptprobe am 21. August in Tribschen an, wo sie zwei » äusserst glückliche Tage « verbrachten. Daniela war hocherfreut über ihr plötzliches Erscheinen. Toscanini, der die Sommerwochen in Luzern verbrachte, zog wie gewohnt Künstler der Spitzenklasse an, so die Pianisten Vladimir Horowitz und Rudolf Serkin, den Cellisten Pablo Casals und die Geiger Enrico Polo ( ein früherer Klassenkamerad des Dirigenten ), Adolf Busch und Bronislav Huberman. In Luzern selbst dirigierte er mehrere Konzerte im Kunsthaus und in der Jesuitenkirche. Zusätzlich plante er, im Park neben der Wagner-Villa in Tribschen ein Konzert zu leiten ; Serkin hatte den Platz zuvor geprüft und für gut befunden. Umfang114

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reiche Vorbereitungen waren nötig, um alles zu organisieren, zumal der Dirigent äußerst geräuschempfindlich war und möglichst kein Ton von außen stören sollte. In der Umgebung war Autohupen untersagt, die Dampfer wurden über Seeburg umgeleitet, auf den angrenzenden Gehöften mussten die Hühner und Hunde eingesperrt werden und selbst » den Enten auf dem See soll man die Schnäbel zugebunden haben, damit sie nicht schnattern würden «24, wie Ellen Beerli, die Kustodin von Tribschen, scherzte. Schreiner errichteten einen Pavillon für das Orchester und die Bestuhlung für das teilweise von weither angereiste Publikum. Daniela musste einen Schock verarbeiten wegen einer Unbekannten, die sie bei Toscaninis Anfahrt nach Tribschen in seinem Auto sah ; das löste bei der 78-Jährigen » viel Herzensqual aus «, so Ellen Beerli.25 Der Maestro dirigierte an diesem schönen Sommernachmittag das Eliteorchester mit Adolf Busch als Konzertmeister und weiteren illustren Musikern. Es gab eine Ouvertüre von Rossini, Mozarts Sinfornie g-Moll, Beethovens 2. Sinfonie und von Wagner das Vorspiel zum 3. Akt der Meistersinger sowie das Siegfried-Idyll als besondere Huldigung an Tribschen, da Wagner das Werk anlässlich der Geburt seines Sohnes dort komponiert hatte. Die Aufführung wurde von der National Broadcasting Company und 80 angeschlossenen Sendern unter anderem direkt nach Amerika übertragen. Leider endete der Abend mit einem Missklang, da der Dirigent zwei riesige Blumensträuße mit den Worten » Non sono una ballerina « zurückwies und aus seinem Künstlerzimmer fortstürzte. Solche plötzlichen Umschwünge war seine Entourage zwar gewohnt, aber sie verdarben doch die ansonsten gute Stimmung. Ellen Beerli kommentierte trocken : » Das gab meiner Begeisterung für diesen König des Taktstockes einen argen Knacks, denn ein solch grosses Ereignis beschliesst man nicht mit dieser Art Marotten. «26 Bei Friedelind hinterließ insbesondere das Siegfried-Idyll einen unver1938 bis 1939

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gesslichen Eindruck, hatte sie dasselbe Werk doch bei der Beerdigungsfeier ihres Vaters gehört, ebenfalls von Toscanini dirigiert. Für sie gehörte diese Huldigung Richards an Cosima zuerst der Familie und dann der Öffentlichkeit.27 Anschließend ging es mit Gottfried und seiner Mutter über Mailand nach Paris und von dort weiter nach Venedig. Im Hotel Danieli schickte Frau von Einem in Abständen ein Kammermädchen zu den beiden hinauf, das durch die Schlüssellöcher spähen musste, um zu sehen, ob sich etwas tat. Zwar hatte das Paar getrennte Zimmer, die jedoch nach Aussage Gottfrieds durch eine Tür miteinander verbunden waren.28 Da Friedelind später behauptete, nur er sei verliebt gewesen, ist zumindest eine der beiden Versionen anzweifelbar. Nachdem Friedelind in Berlin für eine Fahrt nach Paris ein Visum beantragt hatte, reiste sie nach Bayreuth, wo sie ein paar Tage allein und ganz auf sich gestellt war. Sie war jetzt erwachsen, eine 20-jährige junge Frau mit noch unklarer  Zukunft. » Das waren Tage voller Zauber, vermischt mit einem leisen, melancholischen Unterton «, schrieb sie. Tagsüber blätterte sie in der großen Bibliothek ihres Großvaters oder lief nachdenklich den Kastanienweg im Garten von Wahnfried entlang, wobei ihr viele Erinnerungen an ihre Kindheit durch den Sinn gingen. Abends speiste sie bei den Tanten, die inzwischen aus Luzern zurückgekehrt waren, und wird ihnen sicherlich verraten haben, dass sie sich absetzen wollte. Sie packte ihre wichtigsten Bücher und Noten ein, wobei sie einige Kleidungsstücke zurückließ, um keinen Hinweis auf eine Flucht zu geben. Als sich Winifred früher als geplant von einer Reise zurückmeldete, erschrak sie und versteckte sicherheitshalber den Pass im Ausschnitt ihres Kleides. Zunächst verlief alles friedlich. Als aber die Mutter erfuhr, dass Friedelind in Tribschen Toscanini getroffen hatte, war sie ungehalten. Luzern galt ihr als ein von Juden frequentierter Ort, wo sich die Feinde Deutschlands trafen, und zudem hatte 116

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Toscanini sich Bayreuth verweigert. Friedelind verschwieg diesmal die Konflikte mit der Mutter nicht und schrieb den Tanten : » Es gab am letzten Abend zu Hause fürchterliches Donnerwetter wegen Luzern ! ! Aber was macht es schon hinterher ! ! ! Damit wurde ja auch gerechnet ! «29 Auch die geplante Reise nach Paris passte der Mutter nicht. Nach außen hin stets um ein harmonisches Familienbild bemüht, fand sie, dass ihre Tochter durch ihr Benehmen den Namen Wagner schlecht repräsentiere. Friedelind konnte sich nur durch eine Notlüge retten, wonach sie nach Berlin fahren musste, um dort innerhalb einer Woche Verschiedenes zu erledigen. Diesen Abstecher wollte sie aber nutzen, um abzureisen. Schließlich willigte die Mutter ein.30 Friedelind fuhr tatsächlich nach Berlin und machte von dort aus einen Kurzbesuch in Heiligengrabe. Sie entwickelte sogar nostalgische Gefühle gegenüber der früher so verhassten Schule : » Es ist immer wie ein nach Hause kommen – Alles beim Alten geblieben, dieselben Gesichter der Lehrerinnen … « Aber über allem schwebte die Gefahr des Krieges. » Die politische Situation verschlechtert sich rapide – von Stunde zu Stunde kann man jetzt schon sagen – und Gott weiss, was daraus noch wird ! «, schrieb sie den Tanten wenig später aus Paris. » Mir ist nicht sehr wohl dabei, unter solchen Umständen im fremden Lande zu sitzen. Gestern gab es wieder 7 Morde in der Tschechei – Sudetendeutsche und Tschechen. Es hängt jetzt Alles vom Führer ab ! Ich möchte König Heinrichs Wort darüber setzen : › Herr, lass’ mich weise sein ‹ ! ! «31 Allen Geschehnissen zum Trotz traute sie Hitler also immer noch zu, die Lage zu bereinigen. ( Daheim in Deutschland lag Wolfgang, der im Krieg verletzt worden war, in einem Berliner  Krankenhaus. Er wurde ein paarmal von Hitler besucht und schrieb : » Am Freitag war der Führer noch einmal hier und hat sich über Salzburg ausgelassen, fabelhaft negativ ! «32 ) In Paris blieb sie zunächst im Hotel Bedford, von wo aus sie 1938 bis 1939

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nach einer Wohnung suchte. Sie besuchte Germaine Lubin, die als Kundry erfolgreich in Bayreuth debütiert hatte. Nun lud Germaine sie in die Auvergne ein, wo sie ein Haus besaß. Friedelind verbrachte eine wundervolle Woche auf dem Lande, die politische Lage jedoch blieb angespannt : Mit Hitlers Expansionsplänen stieg die Kriegsgefahr. Die tschechisch-slowakische Moldaurepublik existierte erst seit 1918. Eine größere Anzahl von Deutschen lebte dort, und diese wollte Hitler » befreien «. Am 1. Oktober marschierte die Wehrmacht in das Sudetenland ein. In der Tschechei kam es zu Massenaufmärschen der dortigen Nazis, und im Anschluss an Kundgebungen wurden Fensterscheiben jüdischer und tschechischer Bürger zerstört.33 Man riet Friedelind dringend, Frankreich zu verlassen, » bis man klar sehen kann, wie sich die Lage entwickelt «.34 Sie überlegte, zuerst nach Zürich zu fahren, um im Hotel Dolder Frida Leider und andere Freunde zu treffen und dann einige Tage in Tribschen zu verbringen. Und sie bat die Tanten inständig, ihren Schweizer Aufenthalt keinesfalls der Mutter zu verraten. Ende September 1938 unterzeichneten die Regierungschefs Großbritanniens, Frankreichs und des Deutschen Reiches das sogenannte Münchener Abkommen, das, so schien es, zur Lösung der Krise beitragen sollte. Vertreter der Tschechoslowakischen Republik waren nicht eingeladen. Hitler bekam den Segen für den staatlichen Anschluss des Sudetenlandes an  Deutschland. Friedelind erschien das als eine friedliche Lösung des Konflikts, daher war sie am 3. Oktober schon wieder zurück in Paris. Sie ahnte nicht, dass die deutsche Wehrmacht fünfeinhalb Monate nach der Annektierung des Sudetenlandes in Prag einmarschieren würde. Zunächst atmeten alle auf, da sie die Kriegsfurcht gebannt sahen, so auch sie. » Aber nun ist Friede – unglaublich und unfassbar ! Welcher Segen für die ganze Welt ! «, schrieb sie am 3. Oktober. Erleichtert sah sie Glucks Alceste, beschäftigte sich mit französischer 118

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Musik, hörte Tristan und Isolde mit Kirsten Flagstad und Carl Hartmann, dem zweiten Bayreuther Tristan des gleichen Jahres, in den Titelpartien. Ihr Urteil über die Darstellerin der Isolde zeigt ihre bereits vorhandene Erfahrung : » Flagstads Stimme ist wundervoll – frisch und jung, und von herrlicher Klarheit – metallisch leuchtend. Besonders die Höhe ist tadellos und gibt alles her – mehr als notwendig –, während die Tiefe so gut wie gar nicht vorhanden ist. Darstellerisch ist nichts da – sie versteht ihre Partien nicht ( den Worten nach ) und kriegt aus sich heraus nichts fertig, sodass sie furchtbar kalt wirkt. Man könnte Wunder mit ihr vollbringen ! Tietjen hat sie fallen lassen im Jahre 34 – leider ! Ein grosser Verlust ! «35 Sie wohnte in einem kleinen Einzimmer-Appartement in der Rue Mansart, dem Atelier der Sängerin Norma Gadsden, die sie von Bayreuth her kannte, am Rande von Montmartre, von wo aus sie über die Dächer nach Sacré Cœur schauen konnte. Das Opernhaus stellte ihr eine permanente Eintrittskarte zur Verfügung, die sie weidlich ausnutzte. Wenn sie nicht durch die Stadt streifte, nahm sie Französischunterricht und machte rasch Fortschritte, besuchte Konzerte, belegte Kurse und studierte Partituren. Im November überraschten sie ihre zwei englischen Freundinnen Isabella Valli und Colleen Margetson, und sie » stellten die Bude redlich auf dem Kopf « : Friedelind am Klavier, alle singend, teilweise andere Leute nachahmend. Sie verbrachten Stunden damit, die Partitur des Tristan am Klavier durchzuspielen und alle Rollen zu singen. Großen Erfolg erzielte sie mit ihrer Darstellung der Kundry aus dem ersten Akt des Parsifal sowie mit der Brünnhilde, wobei sie einen Kochtopf als Helm benutzte. Dann frisierte sie sich wie ihr Großvater Richard und setzte sich eine Kappe auf, durch die ihre Ähnlichkeit mit ihm noch stärker zur Geltung kam, sodass sie noch mehr Gelächter erntete. Um Mitternacht sangen sie zu dritt im Hotel Partien aus Carmen und tanzten dazu, und im Taxi fingen sie an, Ausschnitte aus 1938 bis 1939

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den Meistersingern zu trällern. Zugleich waren sie in Paris unterwegs zu den kulturellen Höhepunkten, besuchten nachts den Louvre, wenn zweimal wöchentlich die griechische, ägyptische und mittelalterliche Abteilung in spezieller Beleuchtung zu sehen war, durchstreiften die Antiquitätenläden und saßen nicht zuletzt in guten Restaurants.36 Doch die politischen Ereignisse ließen sich nicht mehr ausblenden. Am 9. November organisierten die Nazis mit Teilen der Bevölkerung in Deutschland eine Terrornacht, ließen Schaufensterscheiben einschlagen, Geschäfte plündern, Synagogen zerstören und 20 000 Juden verhaften ; viele wurden ermordet. Friedelinds Einschätzung der NS-Politik wurde dadurch realistischer, und ihr Wunsch, sich von Deutschland abzusetzen, verstärkte sich. Hitler demaskierte sich Ende 1938 mit seiner Rede vor Journalisten. Er wolle nun die Bevölkerung darauf einstellen, dass es Dinge gebe, die nicht friedlich zu regeln seien. Er habe bisher immer vom Frieden gesprochen, jetzt müsse man aber » bestimmte Vorgänge so beleuchten, dass im Hirn der breiten Masse des Volkes ganz automatisch allmählich die Überzeugung ausgelöst wurde : wenn man das eben nicht im Guten abstellen kann, dann muss man es eben mit Gewalt abstellen «. Diese Vorbereitung der Bevölkerung auf den Krieg habe man » planmäßig begonnen, planmäßig fortgeführt, verstärkt «.37 Unvorstellbar, dass Winifred hiervon nichts mitbekam. Sie blieb aber später unangefochten bei ihrer Behauptung, es sei nichts Politisches in Bayreuth besprochen worden, und sie freute sich über einen neuen Mercedes, den sie zu Weihnachten vom » Führer « erhielt. Anlässlich eines Konzerts, das Furtwängler in Paris dirigierte, kam er mit Friedelind ins Gespräch. Er erwähnte seine Konflikte mit dem NS-Regime und bewunderte sie für ihren Entschluss, nicht heimzukehren, ging aber nicht auf ihren Vorschlag ein, selbst im Ausland zu bleiben. Sie erfuhr noch von ihm, dass man glaubte, sie sei in den Skandal um Frau von 120

» Ist das deutsch, was euch Hitler gebracht hat ? «

Einem verwickelt, die verdächtigt wurde, als Spionin zu arbeiten. Erbost beklagte sie sich bei ihrer Mutter über diesen unsinnigen Klatsch, die ihr mit einem kritischen Brief antwortete, worauf Friedelind vor lauter Ärger beschloss, ihr eine Zeit lang gar nicht mehr zu schreiben. Winifred bemühte sich, Kontakt zu halten, und machte sogar zusammen mit Wieland einen Abstecher nach Paris, wo Friedelinds 21. Geburtstag gefeiert wurde.38 Immer wieder bemühte sie sich, die auseinanderdriftende Familie zusammenzuhalten. Im Juni bat sie die Tochter um ein Lebenszeichen. » Telefonische Anrufe, bezahlte Antworttelegramme etc. bleiben unbeantwortet – Deine Pariser Portiersfrau weiß Deine Adresse nicht, sodass keine Post nachgeschickt werden kann. Durch Madame Lubin erfahre ich, dass Du in London bist, aber keine Adresse … «, schrieb die Mutter. Und sie fragte mit kühler Direktheit : » Bist du psychisch krank, Herzele ? «39 Da sich auch die Tanten bei Friedelind beschwerten, war diese überzeugt, dass ihre Post von staatlichen Stellen abgefangen wurde : » Seit Wochen versuche ich, jenem Briefgeheimnis auf den Grund zu gehen – und ich kann nur zu einem Schlusse kommen : dass Ihr sie Euch bei Herrn Himmler abholen müßt. «40 In London, wohin sie nach längerer Abwesenheit zurückgekehrt war, sah sie den geliebten Toscanini und wohnte seinen Dirigaten bei, was stets in einen schriftlichen Austausch mit Daniela und Eva mündete. Sie besuchte weiter Museen, Konzerte, Theateraufführungen und Opern. Besonders beeindruckte sie die Aufführung der Elektra des Sophokles durch eine griechische Schauspieltruppe, wobei sie sich mit der Hauptdarstellerin Katina Paxinou ( 1900 – 1973 ) anfreundete, die mit ihrem Mann zum Ensemble des griechischen Nationaltheaters in Athen gehörte. Einige Jahre später sollte Paxinou in dem berühmten Film Wem die Stunde schlägt ( 1943 ) als Zigeunerin Pilar Weltruhm erlangen. Der Londoner Aufenthalt hatte auch einen ernsten Hinter1938 bis 1939

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grund, denn Friedelind war hauptsächlich dorthin gereist, um ihre Flucht nach New York in die Wege zu leiten. Sie hatte sich sogar bereits für das Schiff entschieden, das sie nach New York bringen sollte, konnte aber nicht fahren, da die Deutschen in Polen einmarschiert waren, » und ich musste aufschieben – nicht aber aufgeben ! «41 Sie wird durch die Presse erfahren haben, dass ihre Mutter persönlich vom » Führer « das von ihm gestiftete Ehrenkreuz für die deutsche kinderreiche Mutter erhielt. Zu den Festspielen reiste sie nicht ; sie hatte sich bereits innerlich abgewandt. Dafür war Hitler dort, der zusammen mit Goebbels und » Reichsleiter « Martin Bormann seinen letzten Besuch in Bayreuth erlebte – selbst Winifred bekam ihn danach nicht mehr zu Gesicht. 15 Mann aus dem Musikzug der » Leibstandarte Adolf Hitler « spielten vom Balkon des Festspielhauses aus die traditionellen Fanfaren. Da Hitler kurz zuvor seinen 50. Geburtstag gefeiert hatte, hing sein Foto im Riesenformat über dem Königsportal. Er hatte Großes mit der Stadt vor, und als Oberbürgermeister Fritz Kempfler ihm die aktuelle Planung für das Gauforum vorstellte – mit einem Gebäude für die Gauleitung, einer Halle für 10 000 Personen, einem Stadttheater und einem Sportfeld –, war Wolfgang anwesend. Als Friedelind erfuhr, dass ihre Tanten im Sommer wieder in Tribschen sein würden, beschloss sie hinzufahren, zumal Toscanini sie in einem Telegramm ausdrücklich einlud : » Why dont you come here I think it is worth while come come we are all waiting for you your old friend = Toscanini «.42 » Liebste Maus, wie immer frech, lieb, originell, – wir erwarten dich freudigst spätestens 28. Dein Bett ist überzogen, ital. Grammatik kommt in den Papierkorb, Schönschreibunterricht sei suspendiert, und Nornen-weise Regie-Auskunft sei garantiert «, schrieb Daniela im Juli 1939 in Erwartung der Ankunft ihrer Nichte. Diese wollte mit Lulu » recht viel durchgehen und studieren «, da diese die Regiearbeiten ihrer Mutter Cosima eng 122

» Ist das deutsch, was euch Hitler gebracht hat ? «

begleitet hatte. In ihrer Vorfreude auf unbeschwerte Sommerwochen lud sie noch von London aus die Tanten ein, mit ihr eine Ausstellung spanischer Maler in Genf anzusehen. Daniela wurde zur Zielscheibe ihres Spotts, weil sie sich als zu alt für Unternehmungen hinstellte, wenn ihr etwas nicht gefiel, jedoch » wie ein Wiesel hüpfte «, wenn sie zu etwas Lust verspürte : » Wahrscheinlich schwömme sie nach New York, um den Maestro zu hören – aber sie ist zu alt, um mit einem Taxi von der Lisztstrasse aufs Festspielhaus zu fahren, wenn Herr Tietjen den Ring massacriert ( I don’t blame her ! ) Ich vergleiche nur, wie relativ das Alter aussehen kann ! «43 Am 31. Juli 1939 wurde in Tribschen morgens um acht Uhr telefonisch ein Telegramm durchgegeben : » Angekommen, Maus. « Kaum hatte die Haus- und Museumsverwalterin Ellen Beerli den erfreuten Tanten dies mitgeteilt, stand Friedelind schon an der Haustür : Sie hatte das Telegramm direkt am Bahnhof Luzern abgeschickt, also etwa eine halbe Stunde zuvor.44 Politisch hatte sich die Situation in Europa weiter verdüstert. Ein letztes Mal vor Ausbruch des Krieges dirigierte Toscanini in Europa, und Luzern erlebte wieder so prominente Mitwirkende wie Sergej Rachmaninoff, Vladimir Horowitz, Pablo Casals und Bronislaw Huberman. Als Dirigenten wurden Bruno Walter, Sir Adrian Boult und Ernest Ansermet verpflichtet. Nach einer Aufführung des Beethoven-Violinkonzerts durch Adolf Busch lud Toscanini Friedelind zu einem Abendessen im traditionsreichen Hotel Wilden Mann ein, wo sie mit den Brüdern Busch, den Serkins, dem Komponisten Samuel Barber, Enrico Polo und der unvermeidlichen Eleonora von Mendelssohn zusammensaß.45 Die Schauspielerin und Mendelssohn-Urenkelin, die in Toscanini verliebt war und sich rühmte, mit ihm geschlafen zu haben, war angereist und störte ihn und seine Gattin ( » Diese Frau verhält sich wie ein Pensionsgast in meinem Haus «, schrieb Toscanini ) ; auch der Intendant Max Reinhardt und später der Schauspie1938 bis 1939

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ler Rudolf Forster sollten ihre recht aufdringliche Liebe erfahren.46 Vier Konzerte im Kunsthaus und zwei Aufführungen von Verdis Requiem in der Jesuitenkirche wurden durch eine versöhnliche Überraschung Toscaninis ergänzt, indem er in der Villa Tribschen ein Sonderkonzert mit dem Siegfried-Idyll für 15 Geiger dirigierte. Es fand auf der Treppe statt, und eine kleine Gruppe von Freunden und Verwandten durfte zuhören. Friedelind hatte die Tanten während der Vorbereitungen in ihre Zimmer eingeschlossen, und die Überraschung gelang. Nach der Aufführung küssten die beiden Damen Toscanini, der sich umdrehte, ohne ein Wort zu sagen, und zu seinem Auto ging47, gewiss in Vorahnung des bevorstehenden europäischen Desasters. Kurz vor dem Einmarsch der deutschen Truppen schrieb Friedelind dem Dirigenten Erich Kleiber nach Buenos Aires, dass man eine Revolution in Deutschland erwarte48 – wohl ein Wunschdenken in der Hoffnung, dass sich die politischen Ereignisse noch zum Guten wenden könnten. Zwischen April und August verhandelte die Sowjetunion sowohl mit den Alliierten, also England und Frankreich, als auch mit Deutschland. Nach dem Einmarsch der Deutschen in die Tschechoslowakei hatte sich die Stimmung verändert. England war fest entschlossen, keine weiteren deutschen Gebietseroberungen mehr zuzulassen. Da es eine englische und französische Garantieerklärung für Polen gab, wollte Deutschland einen Zweifrontenkrieg auf jeden Fall vermeiden und nahm deshalb Verhandlungen mit der Sowjetunion auf. Am 24. August unterzeichneten die Außenminister Ribbentrop und Molotow in Gegenwart von Josef Stalin in Moskau einen Pakt, der eine Nichtangriffsklausel und im Kriegsfalle die gegenseitige Neutralität der anderen Partei vorsah : den sogenannten HitlerStalin-Pakt. In einem geheimen Zusatzprotokoll legten beide Länder außerdem die Aufteilung Nordost- und Südosteuropas 124

» Ist das deutsch, was euch Hitler gebracht hat ? «

in Interessensphären für den Fall fest, dass es zu einer » territorial-politischen Umgestaltung « Osteuropas kommen sollte. Friedelind, Eva und Daniela waren noch zusammen in Tribschen, als die Deutschen am 1. September in Polen einmarschierten und der Zweite Weltkrieg begann. Dieser Einmarsch wurde in der Schweizer Presse als das dargestellt, was er war, nämlich als unverhohlene Aggression. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb am 1. September vom » Bedürfnis ( Deutschlands ), Polen als Angreifer erscheinen zu lassen «, ließ sich also vom Propaganda-Geschrei des großen Nachbarn nicht irreführen. Der Schweizer Bundesrat befahl die Mobilmachung der schweizerischen Armee. Kurz darauf wurde in London die Evakuierung von Müttern, Kindern, Kranken und Behinderten beschlossen. Toscanini und Gattin Carla rieten den Tanten, den Krieg über in Tribschen zu bleiben. Diese aber hatten das Gefühl, nach Deutschland zurückkehren zu müssen, und boten ihrerseits alles auf, um auch Friedelind zur Rückkehr zu bewegen. Arturo und Carla reisten zusammen mit Igor Strawinsky am 24. September vom französischen Hafen Le Verdon mit der » Manhattan « nach New York, begleitet von der anhänglichen Eleonora von Mendelssohn. Friedelind beschloss, in Tribschen zu bleiben, bis sie eine Alternative fand. » Toscanini wusste, dass ich nie im Leben nach Nazi-Deutschland zurückkehren würde, und war der einzige Mensch, der mich in diesem Entschluß unterstützte und mich dann ja auch nach den USA holte. «49 Es war ein schwieriger und sicherlich auch schmerzhafter Prozess, sich von einer Naziüberzeugten in eine dezidierte Nazigegnerin zu wandeln. Andere Zeitgenossen, die ebenfalls eine solche innere Umkehr bis hin zum Widerstand durchmachten, beschreiben diesen Vorgang als mühsam und langwierig.50 Mit dem Einmarsch in Polen wurden Friedelind jedoch endgültig die Augen geöffnet, und nun versuchte sie 1938 bis 1939

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alles, um die Tanten von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen. Der Hausverwalterin Ellen Beerli zufolge kam es zu dramatischen Szenen, wenn über die politische Lage diskutiert wurde : » In unserem sonst so feierlich stillen Haus war viel Leben durch das › enfant terrible ‹ eingezogen. « Die Nichte sprach wiederholt das Thema der Vertreibung der Juden an, die beiden älteren Damen waren jedoch nicht bereit, ihre bedingungslose Verehrung Hitlers aufzugeben. Obwohl es selbst bei dessen größten Verteidigern keinen Zweifel geben konnte, dass er einen Angriffskrieg führte und Expansionspläne verfolgte, brachten die beiden es nicht über sich, den » Führer « als Verbrecher zu betrachten. » Starke Menschen wie Mussolini, Hitler, Chamberlain thun ja Alles was in ihrer Macht steht, dieses Unglück nicht zu wecken und dem grauenvollen Bolschewismus mit dem jüdischen Bluthund Stalin an der Spitze, den jüdischen Kriegshetzern Roosevelt, Eden und zahllosen anderen die Spitze zu bieten, so seltsam es klingt, die furchtbaren Aufrüstungen dienen dem Frieden, und der ruhig besonnen kluge vornehme Ch[amberlain] hält mit fester Hand die Waage des europäischen Gleichgewichts – vertrauen wir ihm doch ! «, schrieb Daniela. Sie glaubte ernsthaft, dass » das Judentum « die Weltherrschaft erringen wolle, » welches es zum größten Theil schon längst besitzt. Gewiss, auch ich habe Freunde unter den Juden, edle, gütige, hochgebildete, die ich liebe und hochschätze, weiss auch, dass die Mischung mit dem Arierthum manche bedeutende glänzende, liebenswerthe Erscheinung hervorbringt, aber ich werde doch niemals die ungeheure Gefahr verkennen, welche das Eindringen der fremden Race noch jedem anderen Volke je brachte und bringt, und dessen moderne ungeheuerliche Ausgeburt eben jener Bolschewist ist, gegen den Hitler bis aufs Blut kämpft, ob erfolgreich ? «51 Fast täglich spielten sich politische Gefechte ab. Einmal, als Friedelind Daniela über den Vierwaldstättersee ruderte, gab es eine lautstarke Auseinandersetzung, worauf 126

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Friedelind sie warnte : » Noch ein Wort, und Du läufst nach Hause ! «52 Als Daniela am 13. September Luzern verließ – Eva war bereits abgereist –, begleiteten sie Friedelind und Ellen zum Bahnhof. Es waren dramatische Minuten. Tante und Nichte ahnten, dass sie sich sehr lange nicht sehen würden, vielleicht nie mehr. Aus dem Zugfenster sagte Daniela zu Ellen : » Kämpfen Sie weiter so tapfer für Recht und Wahrheit, wie bis  jetzt ! « Das waren erstaunliche Worte, zeigten sie doch, dass Daniela vieles begriffen hatte, doch nur in dieser Ausnahmesituation des Abschieds fähig war, es zuzugeben. Friedelind  nahm dem Augenblick die Spitze, indem sie ihr zurief : » Lusch, wasch dich, mein Kuß hat abgefärbt ! « ( Dass sich Friedelind schminkte, hatte ihre Tante oft kritisiert. ) » Aber Mausi, wie kannst Du «, war die empörte Antwort, die in Lachen überging, bis der Zug wegrollte.53 Es war ein Abschied für immer. Einem Freund vertraute Daniela an : » Unsere Friedelind, die Sie nur im Widerschein all’ der unsinnigen Modethorheiten, in denen heut die ganze Frauenwelt befangen ist, erblickten, ist uns ein gar lieber Gesell hier gewesen. Sie ist ein prächtiges Menschenkind, mit goldenem Herzen, großer Intelligenz und Begabung – das freilich noch manche Schroffheit abfeilen muss um zur Harmonie des Wesens zu gelangen – aber sie geht einen geraden Weg unter sehr erschwerenden Verhältnissen, und in einer fast verzweifelten Lage ihrer Mutter und dem jetzigen Bayreuth gegenüber. «54 Friedelind besuchte noch Frida Leider in Basel. Deren Ehemann lebte seit zehn Monaten in einem Hotel, da er als österreichischer Jude nicht heimkehren konnte und wollte. » Es soll und darf aber niemand wissen, dass wir hier zusammen waren «, schreibt Friedelind, » denn die lieben Freunde in Berlin und Bayreuth würden uns wieder einen Strick daraus ziehen ! « Die Stimmung war düster, und sie beschrieb Frida als 1938 bis 1939

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» Nervenbündel «.55 Es gelang ihr, die Sängerin, von der sie » Ungetüm « genannt wurde, zeitweise aufzuheitern – Daniela und Eva hatten ihr schon die Spitznamen » Oceana « und » Oger « verliehen. Sie wollte nicht mehr allzu lange in Tribschen bleiben, hatte nach dem Kriegsbeginn ihre Fühler bereits ausgestreckt und Kontakt zu britischen Politikern und der Regierung aufgenommen, bereit, öffentlich gegen die Nazis zu agieren. Sie schrieb an den konservativen Abgeordneten des britischen Unterhauses, den Politiker und Theaterkritiker Sir Arthur Beverley Baxter ( 1891 – 1964 ), der ihren Wert für die Propaganda erkannte und sich im Außenministerium um ihre Einreise bemühte. Es war schließlich der leitende Beamte Sir Robert Vansittart, der die Anweisungen erteilte, Friedelind einreisen zu lassen.56 Vansittart war ein engagierter Gegner des » Appeasement «, des Nachgebens gegenüber dem Diktator Hitler um des Friedens willen, und gehörte zu den wenigen Politikern, die im frühen Vorkriegsstadium die Gefahr erkannt hatten, die von Hitler ausging.57 Er befürwortete Friedelinds Kommen sofort. Immer guten Mutes, war sie überzeugt, sich durch Arbeiten und unterstütztende Freunde finanziell über Wasser halten zu können. Für die Reise durch Frankreich benötigte sie ein französisches Visum, das auf sich warten ließ. Um sich die Zeit zu verkürzen, besuchte sie in Luzern verschiedene Veranstaltungen : ein Konzert der weltberühmten Altistin Sigrid Onégin ( 1889 – 1943 ), mit der sie anschließend zusammensaß, oder eine Wohltätigkeitsveranstaltung im Schweizerhof, bei der Albert Ferber ( 1911 – 1987 ) am Klavier brillierte, den sie am nächsten Tag zum selbst gekochten Mittagessen einlud. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu Toscanini, der ihr durch seinen Weggang von Bayreuth und Salzburg als Vorbild diente. In langen Briefen schüttete sie ihm ihr Herz aus, schrieb ihm, dass es ihr leid täte, ihren » Hafen « verlassen zu müssen, dass 128

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sie aber in der gegenwärtigen Situation nicht dort bleiben könne, da sie sich sonst selbst verachten müsste. Aus ihrer Protesthaltung heraus, aber auch wegen der engen Verflechtung der Bayreuther Festspiele mit der NS-Führung, zog sie den Schluss, dass nur sie für die künftige Leitung der Festspiele prädestiniert sei. » Bitte, liebster maestro, sorgen Sie sich nicht um mich. Stellen Sie sich nur vor, wie Sie an meiner Stelle handeln würden … ! Ich muss es tun. Ich kann nicht stillstehen und träumen, ich muss handeln. Jeder positive Schritt, den ich  jetzt gehe, ist ein Baustein für die Zukunft – auch für Bayreuth ! Wer sollte ihn tun, wenn nicht ich ? ? Die anderen sind schwach und schauen ein Leben lang den Mond an. Sie sind charmant, schön und intelligent, aber sie haben kein Rückgrat und kein Temperament und sind zufrieden in ihrer Bequemlichkeit. Sie wissen noch nicht einmal, was Bayreuth wirklich bedeutet ! «58 Ihr ungebrochenes Selbstvertrauen, das sie lebenslang behielt, blitzte wieder auf, ermutigt durch das Vorbild des Dirigenten, dem sie die Kraft zum Bruch mit ihrer Familie verdankte. Ihren künftigen Aufenthaltsort wollte sie vor der Mutter geheim halten, und Daniela versprach ihr, sie dabei zu unterstützen. Briefe an Verena wurden also vorsorglich an Daniela geschickt, die Verena zu sich in die Lisztstraße rief, um ihr die Post zu übergeben.59 Aber es sickerte dennoch einiges durch. Eva war schon im September über die Wahl des neuen Aufenthaltsortes informiert, schrieb sie doch der Nichte : » Nochmals, lebe recht wohl auf der Zufluchts-Insel. « Sie hatte Freunden gegenüber zu viel ausgeplaudert und gab zu, » dass deine Mutter möglicherweise darum heute schon wissen kann «.60 Es war nicht leicht, Klatsch zu vermeiden, wenn es um die Familie ging. Für die Mutter war Friedelinds Fernbleiben von den Festspielen schon ärgerlich, aber ihre Pläne, nicht heimzukehren, alarmierten sie noch mehr. Sie monierte, dass die Tochter, während in Bayreuth die Festspiele liefen, an » antideutschen 1938 bis 1939

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Kulturveranstaltungen « teilnahm, » die Juden und Emigranten in Luzern aufziehen «, und bedauerte, dass Friedelind es in diesen schweren Zeiten über sich brachte, sich » außerhalb der Familie und der Volksgemeinschaft zu stellen «.61 Diese im stereotypen Nazisprachgebrauch formulierte Ansicht entbehrt nicht der Pikanterie, hatten doch die für Antisemitismus durchaus empfänglichen Tanten ebenfalls die Konzerte in Luzern besucht. Friedelind wurde nun deutlicher und antwortete, sie sei nicht wahnsinnig, dorthin zurückzukehren, wo Freunde verhaftet würden, und riet der Mutter, Wertsachen in die Schweiz zu schaffen. Diese erkannte die Brisanz der Entscheidung auch für Bayreuth und schickte vorsorglich im August » die nette, zarte «62 Tochter Verena mit dem Auftrag nach Tribschen, Friedelind zur Heimkehr zu bewegen. Die Beziehung zwischen den beiden Schwestern war immer eng gewesen, aber Friedelind besaß einen starken Willen und ließ sich auf nichts ein. Verenas Versuche waren auch nicht besonders überzeugend, da sie für Friedelinds Entscheidung durchaus Verständnis aufbrachte. Es war ein trauriger Abschied für beide, da sie sich bewusst waren, dass er für immer sein konnte. Friedelind berief sich auf ihren Großvater Richard Wagner, der nach der misslungenen Revolution in Dresden aus politischen Gründen nach Zürich geflohen war. Sie glaubte, von Vorträgen leben zu können.63 Die Situation verschärfte sich, als Friedelind ihrer Mutter vorwarf, dass » im selben Augenblick, in dem ich Beweise deiner mütterlichen Zuneigung erhalte – dass wiederum deine besten Freunde sich erlauben, Verleumdung über Verleumdung über mich auszubreiten «. Es war immer noch der Klatsch um die Baronin von Einem, der Friedelind erboste. Als sie mit ihr und Gottfried von Einem ein Jahr zuvor nach Venedig gereist war, hatte sie nicht ahnen können, dass die Baronin nachrichtendienstlich beschattet wurde und auch sie somit in den Verdacht kam, an Spionage beteiligt zu sein. Im Gegenteil, sie half Gottfried 1939, Deutsch130

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land zu verlassen und in die Schweiz zu reisen, indem sie einen Onkel für ihn erfand und einen gefälschten Brief an die Behörden schickte, worin dieser » Onkel « versicherte, für den Neffen zu sorgen, da er wegen Tuberkulose dringend behandelt werden müsse. Gottfried übergab ihr in der Schweiz Juwelen aus dem Besitz seiner Mutter, die er in die Schweiz eingeschmuggelt hatte und deren Verkauf ihr nach dem Krieg viel Ärger bescherte. Friedelind war entschlossen, alle Warnungen der Mutter in den Wind zu schlagen. Wie sehr sie sich politisch bereits von der NS-Ergebenheit ihrer Familie entfernt hatte, zeigte sie gegenüber Alfred Zinsstag, einem Juwelier und begabten Musiker, der sich um den Ausbau Tribschens verdient gemacht und für die Wagner-Familie dort das Besuchsrecht bewirkt hatte. Er schickte ihr die Kopie eines Briefes von Siegfried Wagner an August Püringer, in dem Siegfried sich gegen die Ausgrenzung von Juden in Bayreuth gewehrt hatte. Püringer, Chefredakteur der Deutschen Zeitung, hatte für Mitglieder der Festspiel-Stiftung, die dem Einsammeln von Spenden diente, die Einführung des Arierparagrafen gefordert, was Siegfried ablehnte, um jüdische Wagnerianer nicht zu verprellen. Friedelind war froh und dankbar über diesen Brief, der ihren Vater scheinbar vom Vorwurf des Antisemitismus entlastete, und verwendete ihn in ihrem Buch.64 Sie schrieb Zinsstag, dass sie es sehr begrüßen würde, wenn die internationale Presse das Dokument aufgriffe : » Es ist besonders für die Zukunft von großer Wichtigkeit – wenn dieser dunkle Traum zu Ende ist – und man hoffentlich – so Gott will – an Bayreuths Wiedererstehung gehen kann. Es mag heute phantastisch klingen – aber ich glaube so fest daran – und werde auch nicht ruhen, bis es  so weit ist. Und dieser Brief hat mir Gottlob die Richtigkeit meiner Überzeugung bestätigt – die ich all die Jahre laut geäußert habe – aber natürlich überging man › das dumme Kindergeschwätz ! ‹ «65 1938 bis 1939

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Als sie im Dezember » bei Sauerkraut, Weihnachtsliedern und Rotwein « mit Zinsstag über ihre Zukunftspläne plauderte, berichtete er Daniela darüber, die diese Informationen in Bayreuth weitergab, vermutlich auch an Winifred. Adolf Zinsstag hatte Anfang 1930 einen größeren Protest gegen die Erneuerung der Parsifal-Inszenierung gestartet und wurde damals von den Tanten unterstützt, sodass allein sein Name die Mutter schon in Wut versetzte. Friedelind war über Danielas Verrat außer sich und schimpfte mit ihr : » Nun wird man mir wieder nachsagen, ich konspirierte gegen Bayreuth und ich weiss nicht was Alles. Du musstest doch mit dem Effect rechnen, den gerade ein Brief von ihm erwecken müsste ! Ich verstehe Dich wirklich nicht. « Sie konnte sich nicht beruhigen : » Du wusstest von allen meinen Plänen und sie hätten Dich nicht erstaunen dürfen. Dass Du all den Quatsch nachsagst, den das Propagandaministerium Euch vorkohlt, hätte ich Deiner Intelligenz nicht zugetraut. Alle Briefe, die ich aus Deutschland empfange, lauten aufs Wort gleich – diese Uniformierung lebendiger Gehirne wundert einen wirklich, wenn man nicht daran gewöhnt ist, geistlos alles nachzuplappern wie ein Papagei ! «66 Vom Deutschen Generalkonsulat in Bern wurde sie bespitzelt, und am 10. November 1939 berichtete ein Schweizer Spion, sie habe sich wiederholt » in gehässiger Weise über den Führer und das nationalsozialistische Deutschland geäußert. Insbesondere habe sie vor wenigen Wochen wörtlich erklärt : › Es dauert kein halbes Jahr, dann ist der Hitler abgeschossen. ‹ Außerdem habe sie sich in geheimnistuerischen Andeutungen darüber gefallen, dass sie durch ihren früheren Aufenthalt in England gute Beziehungen dorthin habe und › jederzeit Engländerin werden könne. ‹ «67 Man kann sich vorstellen, dass Hitler über solche Nachrichten nicht gerade erfreut war. Verena, die sich in Berlin zur Schwesternhelferin ausbilden ließ, traf den »Führer« zweimal. Während es beim ersten Ge132

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spräch hauptsächlich um ihre Tätigkeit im Lazarett und ihre Prüfungen ging, bat sie bei einem späteren Gespräch um Verständnis und Nachsicht für Friedelind. Hitler erwiderte jedoch, man müsse bedenken, dass sie Landesverräterin sei, und da könne er sie nicht mehr schützen.68 Daniela machte noch einen letzten Versuch, die geliebte Nichte umzustimmen. » Dass Zinsstag nach einem Besuch bei Dir am Sonntag vor 8 Tagen mir schreiben würde, wusstest Du sicher und wusstest auch, wie tief seine Mitteilungen uns betrüben und erschrecken würden. … Verena kam spät abends am 5. 1. bleich und bitterlich schluchzend nach einer scheint’s heftigen Szene in Wahnfried zu mir – es gelang mir, das schöne liebliche Kind, das Dich so liebt, einigermaßen zu beruhigen. Alle leiden. « Sie fasste den Entschluss, zusammen mit Verena in Tribschen bei Friedelind zu erscheinen, um noch einmal alles mit ihr durchzusprechen und » die trostlosen, verhängnisvollen Consequenzen darzulegen, die Dein Schritt mit sich führt, indem Du Dich von Vaterhaus und Familie, Vaterland und Heimat entfremden, in der Fremde Dein Glück suchen willst «. Ihr Plan erwies sich als praktisch undurchführbar, vermutlich erhielt sie keine Ausreiseerlaubnis. » Jetzt nach England gehen, dem ruchlosen erbitterten Feinde Deutschlands, eine Deutsche, eine Wagner, die vielleicht von den jüdisch internationalen dortigen Kreisen nur ausgenützt und ausgebeutet, als Aushängeschild für ihre antideutschen Pläne gebraucht und schließlich fallen gelassen wird ! … Und nun Süd-Amerika ! Regisseurin an einem größeren Theater ! « Friedelind plante auf Vorschlag Toscaninis, als Regisseurin in Buenos Aires zu arbeiten. Daniela zählte auf, welche Anforderungen sie dort erwarten würden : » Unsummen von Kenntnissen musikalischer, literarischer, kunsthistorischer Art, Erfahrungen auch in bühnentechnischer Hinsicht, Wissen um die Gesetze der Optik, der Symmetrie, der Harmonie, der Logik, des Styls « sowie Fähigkeiten im menschlichen Umgang. Sie 1938 bis 1939

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erinnerte an Cosima, die fast 50 Jahre alt gewesen war, als sie erstmals Regie führte, » und durch was für eine Schule und Schulung ist sie, die Geniebegabte, hindurchgegangen. Dir aber, trotz Deiner großen Intelligenz, Deines scharfen hellen Verstandes, Deines gesunden Urteils, Deiner künstlerischen Anlagen, fehlen alle diese Vorbedingungen, fehlt auch die persönliche strenge Disziplin, die zu jeder Tätigkeit gehört. Gehst Du nicht auch hier bitteren Enttäuschungen entgegen ? « Und sie zog zum Schluss ihre vermeintliche Trumpfkarte, wusste sie doch, dass Friedelind Toscanini bedingungslos vertraute : » Denke des geliebten maestro, der Dich seine Tochter nannte – und von der Amerikafahrt dringend abriet ! «69 Das konnte aber nicht mehr stechen, denn der Dirigent unterstützte Friedelind jetzt in ihrem Entschluss. Daniela schrieb auch erregt an Adolf Zinsstag : » Ihre Geschwister leiden unter diesen Verhältnissen. « Einen Ausweg sah sie darin, Friedelind in der Schweiz zu belassen, wo sie Italienisch lernen  oder die Schriften und Briefe Wagners studieren könnte, um sich in der Bayreuther Sache nützlich zu machen. Aber sie ahnte, dass die Nichte sich dem nicht beugen würde. » Sie sehen, lieber Freund, ich bin ohnmächtig – kann nur inbrünstig im Herzen hoffen, dass dem Lebensweg von Siegfrieds geliebtem Kind, trotz aller momentanen Verdunkelung und Verworrenheit, freundliche Sterne noch leuchten werden. «70 Zinsstag erwiderte : » Ich glaube, dass Sie mich verstehen, dass ich hier in Ihrem Sinne gar nichts ausrichten kann, ebenso, dass Friedelind einstweilen bei uns in guter Obhut ist und sich mit unserem schweizerisch-demokratischen Wesen so eng befreundet hat, dass es für sie unmöglich ist, jemals wieder in den Gesinnungs- und Gewissenszwang der Diktatur ihrer Heimat zurück zu finden. «71 Eine solche Parteinahme muss wie ein Schlag auf die Bayreuther Familie gewirkt haben. Und er verteidigte auch noch ihren Entschluss, nach England 134

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zu reisen : » Sie konnte einfach nicht anders, sie musste ihrer dem III. Reich entgegengesetzten Empfindungswelt Ausdruck geben und ihrem Leben eine andere Richtung geben, unberücksichtigt um alle Folgen. Hier schlägt sich der unbeugsame  Einschlag des Blutes ihres Großvaters durch, auch er hat  alles seinem Ideal geopfert und dem, was er für Recht erkannt hat. … Ganz ähnlich handelt heute seine Enkelin. Auch sie könnte es gut, ja glänzend haben, sich aller Gunst hoher und höchster Persönlichkeiten erfreuen, alle Vorteile der Parteizugehörigkeit genießen, genau wie es ihre Geschwister und die Mutter auch haben. Statt dessen zieht sie es vor, eine gänzlich unberechenbare, unsichere, ja gefährliche Zukunft vor sich zu sehen, nur um des Einen, Grossen willen : ihrer Überzeugung Ausdruck zu geben, einer Überzeugung, die ihr nicht von irgend jemand aufgenötigt wurde, sondern die sie sich selbst aneignete durch die persönliche Berührung und Bekanntschaft mit einer ganzen Anzahl von Vertretern jener Mächte und Kräfte, die jetzt das Schicksal Europa’s in den Händen haben und die das deutsche Volk in den furchtbarsten aller Kriege hineinmanövriert haben. … Man mag sich zu ihr stellen wie man will, sie hat dadurch den Beweis geliefert, dass sie Charakter hat und lieber ein schweres, ungesichertes Leben lebt, als sich dem Zwang fügt, der von ihr verlangt würde, wenn sie durch die Entwicklung genötigt wäre, wieder zurück zu kehren. «72

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6 » Gerade weil ich deutsch bin, lebe ich nicht in Deutschland. « Der Abschied 1940

Friedelinds Entscheidung stand fest. » Ich lasse mich nicht durch die Hackmaschine drehen, wenn ich es vermeiden kann. Und ich werde mein Leben lang nur für die Wahrheit, das Gute, das Grosse und Göttliche mich einsetzen – aber nicht für Schmutz und Verbrechen. «1 Diese pathetischen, jedoch ernst gemeinten Worte rief sie Daniela zu, als sie sich schon auf die Abreise nach England vorbereitete. Ihr Widerstand gegen den NS-Staat beflügelte sie in ihrem Vorhaben. Die radikale Gegnerschaft stärkte ihre Bereitschaft, sich nach ihrer Übersiedlung mit Zeitungsartikeln gegen Nazideutschland zu stellen : Sie wollte der Welt ( und speziell der Mutter ) zeigen, wer in diesem Kampf recht behalten würde. Es sollte auch nach außen hin festgehalten werden, wo die Tochter stand. Sie hatte sich innerlich von ihrer Familie und der dort vorherrschenden Begeisterung für Hitler verabschiedet ; halbe Lösungen waren nicht ihre Sache. » Ich stehe nun auf einem anderen Ufer als Ihr – und ich habe › Deutschlands Erbfeinde oder Todfeinde ‹, wie Du sie nanntest, lieben und schätzen gelernt «, bekam Daniela zu hören. » Und ich weiss, dass sie nicht Deutschlands Vernichtung wollen – sondern retten wollen, was von hohen Werten des Menschentums noch zu retten 136

ist. Da muss aber mit Verbrechern, Mördern, Menschenhetzern, die unermessliches Leid in der ganzen Welt angerichtet haben, gründlich aufgeräumt werden. Ist das wirklich deutsch, was euch ein Hitler gebracht hat ? ? ? Hat er nicht einen gottsjämmerlichen Trümmerhaufen aus der Welt gemacht, und das Klagen und Weinen von Millionen – den Tod der Herrlichsten unserer Jungen und der Grössten unserer Männer auf dem Gewissen ? « Die Verehrung, die sie einst für Hitler empfunden habe, sei Abscheu und Hass gewichen. Fast prophetisch rief sie der Tante zu : » Glaube mir, der Tag, an dem Ihr die Richtigkeit meines Handelns einsehen werdet, wird schon noch dämmern und vielleicht eher, als Ihr es jetzt glaubt. Deutschland kann in diesem Krieg nicht siegen, denn das Recht ist nicht auf seiner Seite. Und ich wundere mich, wie Ihr, die Ihr doch erst vor einem Vierteljahrhundert dasselbe durchgemacht habt, noch einmal blindlings in Euer Verderben rennt. « Sie setzte noch eins drauf : » Ich möchte euren nationalsozialistischen, Stalingetränkten Glauben unter keinen Umständen seines glühenden Fanatismus berauben – aber ich möchte darum bitten, mir meine Überzeugungen und Ansichten gleichermassen zu lassen. « Sie bat die Tante noch, sich zu beruhigen und Verena nicht zu bearbeiten : » Sie befindet sich sowieso in einer furchtbaren Tretmühle, in der sie entweder gebrochen wird oder stark daraus erwächst. Ich hätte diesem geliebten Geschöpf wirklich eine etwas rosigere Jugend gewünscht. «2 Unterschrieben waren die Zeilen wieder mit » Oceana «, was den weiten, ozeanähnlichen Abstand zu symbolisieren scheint, der sie von den beiden älteren Damen trennte. Ihre Verlautbarungen beweisen, dass es politische Gründe waren, weshalb sie die Heimat verließ, dass sie nicht aus Abenteuerlust oder aufgrund von Zerwürfnissen mit der Mutter ging. Einer, der das verstand, war Wilhelm Furtwängler, den sie im November in Zürich traf, wo er ein Konzert dirigierte. Sie rechnete es ihm hoch an, dass er mit ihr verkehrte, galt sie Der Abschied 1940

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doch inzwischen bei vielen Deutschen als Verräterin : » Deutsche gingen mir aus dem Weg, als sei ich leprakrank. « Er ignorierte das und mehr noch, lud sie zu einem Abendessen nach dem Konzert ein.3 Friedelind schrieb der Mutter zu Weihnachten einen Brief, in dem sie sich von Deutschland verabschiedete. Sie wählte die jüngsten Vorgänge, um ihren Standpunkt zu erläutern, und bezog sich dabei auf den deutsch-sowjetischen Vertrag. Nachdem Polen im September von der Westgrenze aus überrannt und eingenommen worden war, marschierten die Truppen der Sowjetunion ihrerseits in Ostpolen ein und besetzten einen Teil. Friedelind stellte sich nun endgültig gegen die Familie. » Liebe Mama, zum Weihnachtsfest sende ich euch alle meine herzlichsten Wünsche und Grüße … Ich sehe keinen Grund, mich dieser national-communistischen Volksgemeinschaft in die Arme zu werfen und diese liebevoll gutzuheißen. Diejenigen, die Deutschland an Rußland verraten haben, nachdem sie jahrelang die Komödie des Hasses gespielt haben, haben Deutschland den Todesstoß gegeben. Und der Tag ist leider nicht mehr allzu ferne, da Ihr Alle dafür bezahlen müsst. Ihr habt alle Opfer umsonst gebracht und werdet alle umsonst bringen. Jedoch soll euch nichts daran hindern, dies solange zu tun als ihr glaubt. Da es bei mir jedoch nicht der Fall ist, kann ich nicht gegen mein Gewissen handeln, und für etwas eintreten, das ich ganz und gar ablehnen muss … Ich kann jetzt keine Kompromisse machen – und werde auch in Zukunft nie welche machen. Jedoch werdet Ihr mir, ganz gleich ob Ihr es wollt oder nicht, im Herzen stets am Nächsten stehen, da wir nun mal zusammengehören. «4 Mit der » Komödie des Hasses « meinte sie wohl die Darstellung der Sowjetunion als » jüdisch-bolschewistische Gefahr « seitens des NS-Staates. Nach dem Abschluss des Hitler-StalinPaktes galten diese Hasstiraden auf einmal nicht mehr, wenn auch nur für relativ kurze Zeit. Der » Todesstoß «, der damit 138

» Gerade weil ich deutsch bin, lebe ich nicht in Deutschland. «

Deutschland gegeben wurde, bezieht sich wohl darauf, dass die Westalliierten diesen Pakt nicht tolerieren würden. Dass in Friedelinds Augen alle Opfer umsonst sein würden, ist recht klar in die Zukunft gesehen. Wieland sah das jedoch anders : » Ihr Geltungsbedürfnis hat  sie nun dazu geführt, sich als heroische Emigrantin zu fühlen. … Eigentlich kann sie einem leid tun, dass sie sich soweit verrannt hat, denn von der ihr immer nachgesagten aussergewöhnlichen Klugheit ist in ihrem › Credo ‹ wenig zu merken. Das › Judentum in der Musik ‹ aus dem sie ihren Freundeskreis wählt, kann triumphieren. Über ihre Begeiferung des Führers erübrigt sich wohl jedes Wort. … Wir haben bisher der Bitte unserer Mutter, die Maus nach aussen zu decken, Folge geleistet, sehen jetzt aber keinerlei Veranlassung mehr dazu. Das wirst Du nach ihrem Brief vom 21. 12. sicher auch verstehen. Früher oder später wird sie wohl auch noch zur Vernunft kommen und einsehen, wohin sie gehört. «5 Und an Friedelind selbst schrieb er, er habe sich über ihr Geburtstagstelegramm gefreut, » da ich noch hoffte, du würdest den Weg nach Hause finden. Dein Weihnachtssbrief hat mich aber  eines Besseren belehrt. Der Einfluß Deiner jüdischen › Freunde ‹ war doch zu stark, um dich klare Gedanken fassen zu lassen. «6 Daniela sah das ebenso. Sie fand, die Nichte habe den Angehörigen » einen sie ganz erschütternden Brief geschrieben, worin sie alle Brücken zwischen sich und ihrer Familie abgebrochen hat. Sie kann aber nicht erwarten, dass diese Friedelind’s international beeinflußten politischen Gesinnungen theilen oder gar nur anhören dürfen, da sie, ganz abgesehen von der Politik und der Partei zu der sie gehören, in tiefster Dankbarkeit dem Manne verbunden sind der wie ein zweiter Vater sich ihrer angenommen hat und an ihnen handelt ! «7 Aber sie nahm die Nichte doch in Schutz : ( Mausi ) » ist durch ihren langen Aufenthalt im Ausland gewissermaßen Der Abschied 1940

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› internationalisiert ‹. … Aber eine › Landesverrätherin ‹, wie man es aus ihr machen will, ist sie nicht. «8 Wolfgang kommentierte : » Man muss abwarten, was das › arme Kind ‹ in der nächsten Zeit zu tun gedenkt und welch weise Äußerungen über Deutschland und seine Führer sie in nächster Zeit brieflich und deshalb kontrollierbar ins Reich sendet. Das Schlimme ist, dass Mama und auch wir nicht volle Kenntnis ihrer brieflichen Dummheiten haben, wie ich aus Andeutungen von Frank, den ich neulich in der Oper sah und der von der Angelegenheit volle Kenntnis hatte, entnehmen muss. « Hans Frank, der Generalgouverneur des besetzten Polens, » Schlächter von Krakau « genannt, einer der grausamsten Verbrecher der Naziepoche, Plünderer von Kunstschätzen, Mörder Hunderttausender Polen, Schöpfer mehrerer Vernichtungslager, war den Wagners gut bekannt. Dieser » Herrenmensch « war mit Friedelinds Briefen und Ansichten vollkommen vertraut ; sie wurde akribisch überwacht. » Frank erzählte ganz interessant von Krakau und sie planen ein Gastspiel der Staatsoper, wobei sie auch ein Konzert mit Werken von Papa planen «, schrieb Wolfgang noch.9 Derweil waren die Brüder dabei, die Geschäfte der Zukunft unter sich aufzuteilen. Heinz Tietjen intrigierte schon wieder und lobte Wolfgang fürs seine Regiefähigkeiten, was diesen bewog, Wieland eine Aufteilung vorzuschlagen : » Für Regie hält er mich für geeigneter als Dich ( was ja Deine Meinung auch ist, wie Du mir gegenüber auch äußertest ). Die Sache könnte sich nun folgendermaßen abspielen : Die Stelle von Mama nimmst du ein, also Leiter der Festspiele und dazu noch die Bühnenbildnerei, ich wäre dann an der Stelle von Heinz, also künstlerischer Leiter bzw. Regisseur. … Du könntest so ruhig bei Deiner Begabung, der Malerei, bleiben und ich könnte dann immer noch meinen anderen Neigungen zu gegebener Zeit nachgehen. «10 140

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Friedelind beschloss nun, die Mutter in die Schweiz einzuladen, um das Gemisch aus übler Nachrede, Klatsch und diffusen Informationen zu entwirren und ihr vor allem zu versichern, dass sie Bayreuth nicht schaden wolle. Sie machte sich Sorgen um das Festspielvermögen, das Archiv, alle Erinnerungs- und Wertgegenstände, da sie vermutete, dass diese im Krieg zerstört werden könnten, und hoffte, man könne alles nach Tribschen transferieren.11 Damit brach sie ihr Schweigen, das sie sich selbst auferlegt hatte. » Sonst sehe ich keinen Weg euch Gott weiss wie lange zu sehen, da ich erst nach NordAmerika und dann nach Süd-Amerika gehe … Ich möchte gern Vieles mit Euch besprechen. «12 Winifred war mit einem Treffen einverstanden, nur nicht da, wo sich die Tochter aufhielt : » Unter gar keinen Umständen kann ich jetzt als Gast nach Tribschen kommen. « Es wäre ihr vonseiten der Machthaber angekreidet worden, sich nach Luzern zu begeben, wo Toscanini in den beiden Jahren zuvor dirigiert hatte und zahlreiche emigrierte Musiker aufgetreten waren, und sie schlug stattdessen das Hotel Baur au Lac in Zürich vor. » Es gibt, wie Du mit Recht bemerkst, Bindungen tieferer Art, und da möchte ich den Wunsch äussern, dass Du im Neuen Jahr wenigstens diese blutsmässigen Bindungen mehr und liebevoller pflegst, als im vergangenen Jahr – dadurch kannst Du mir über manchen Kummer und manche Bitternis, die Deine Einstellung mir verursachen, hinweghelfen. … Halte die Verbindung zu uns aufrecht und lasse uns etwas an Deinem persönlichen Leben und Ergehen teilnehmen. Du sollst auf jeden Brief eine Rückäusserung von mir erhalten. «13 Gerade das aber konnte und wollte Friedelind nicht. Mit ihrer Hinwendung zum britischen » Feind « tat sich eine Kluft auf, von der sie wusste, dass sie unüberbrückbar war, und deshalb erschien ihr Schweigen als die beste Strategie. Am 9. Februar 1940 kam Winifred in Zürich an. Beide übernachteten im historischen Hotel Baur au Lac, wo der politische Der Abschied 1940

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Flüchtling Richard Wagner 87 Jahre zuvor an vier Abenden den Text zum Ring des Nibelungen vorgelesen und 1856 in einer » spektakulären Soirée « vor Liszt, seiner Frau Minna, dem Ehepaar Wesendonck und anderen den ersten Akt der Walküre vorgetragen hatte, der seine in Musik gesetzte Liebe zu Mathilde enthielt.14 Die besondere Ausreiseerlaubnis erhielt Winifred persönlich vom Reichsführer-SS Heinrich Himmler, der eine Rückkehr der renitenten Tochter erhoffte, was wiederum Winifred unter Druck setzte. Mutter und Tochter saßen zum Gespräch zusammen im Veltlinerkeller in der Schlüsselgasse in Zürichs hübscher Altstadt. » Ihr Gesicht sah englischer aus denn je, lebhaft, distinguiert, unzerstörbar schön «, schreibt Friedelind und fährt fort : » Wir hätten Fremde sein können, höfliche Fremde, denn keine Wärme kam zwischen uns auf. «15 In ihre Agenda trug sie zum 10. Februar ein : » Grosse Aussprachen. Stürmisch – bewegt ! « Die Heftigkeit ergab sich aus dem Zusammenprall zweier Frauen, die beide Willensstärke zeigten und nicht nachgeben wollten. Winifreds Vorschlag, Friedelind solle für 24 Stunden Berlin besuchen und mit ihrer Präsenz Solidarität mit Deutschland demonstrieren, lehnte diese schroff ab, da sie ihren Protest gegen die Verhältnisse in Deutschland gerade durch den Verbleib im Ausland öffentlich machen wollte.16 Daraufhin stellte Winifred die Variante eines Verbleibens in einem neutralen Land wie der Schweiz als eine schlechte, aber immerhin mögliche Option vor. Friedelind wollte aber den Krieg nicht in einem neutralen Land » aussitzen «, sondern zeigen, wie ernst es ihr mit der Ablehnung des Nationalsozialismus war. Die Tochter bekam auch zu hören, dass sie im Dienst des englischen Geheimdienstes und des » internationalen Judentums « stehe – Ersteres war nicht ganz falsch, da sie schon in Paris Kontakte zu dem britischen Politiker Beverley Baxter geknüpft hatte, der seinerseits mit den britischen Behörden über ihre Emigration verhandelte, was den deutschen Behörden vermutlich bereits bekannt war. 142

» Gerade weil ich deutsch bin, lebe ich nicht in Deutschland. «

Einige Sätze, die Winifred bei dem Treffen gesagt haben soll und die sie später bestritt, sind häufig zitiert worden : dass von hoher Stelle ein Befehl kommen könne, wonach Friedelind » vertilgt und ausgerottet « würde, wenn sie nicht zurückkehre. Dass Winifred eine Warnung ausgestoßen hat, ist durch Friedelinds Brief an Toscanini dokumentiert, den sie ihm unmittelbar nach dem Treffen schrieb ; es hätte keinen Grund gegeben, den Dirigenten zu täuschen. Ihre Schwester Verena behauptet, sie selbst habe diese Worte von Himmler gehört, als sie ihn besuchte, und ihre Mutter habe sie zitiert.17 Verenas Aussage, wonach die Familie durch Hitler geschützt wurde, bekommt eine Bestätigung durch Wolfgangs Zeilen an Wieland : » Wie wir neulich beim Führer waren, habe ich sofort die Sache zur Sprache gebracht, sodass er genauestens orientiert ist. Er meinte, solange sie nichts gegen Deutschland unternehme, sei es ja nicht so schlimm, wenn sie aber doch was tue, dann bliebe nichts anderes übrig als sie auszubürgern. … Wie schon gesagt, habe ich unseren Standpunkt dem Führer genau dargelegt. «18 Friedelind hatte ihre Artikel, in denen sie Hitler lächerlich machte, allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht. Himmler hat demnach den Fall ernster genommen als Hitler. Insgesamt fiel das Treffen besser aus, als von Friedelind erwartet. » Es war auf eine Art dramatisch und pathetisch. Mit Ausnahme einer grösseren Auseinandersetzung waren wir friedlich und charmant zueinander ! « Sie erfuhr von Winifred, dass Himmler alle ihre Briefe der Vergangenheit auswendig kannte und zitieren konnte. Von ihm stammten vier Optionen, die ihr nun zur Wahl gestellt wurden. Sie sollte a ) sofort nach Deutschland zurückkehren ; b ) sich in einem neutralen Land aufhalten, den Mund halten und eine gute Nationalsozialistin sein ; c ) würde sie nicht schweigen, würde man versuchen, sie zu entführen und irgendwo bis Kriegsende ruhigzustellen oder gar zu töten ; d ) würde sie in ein Feindesland Der Abschied 1940

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gehen, müsse sie ihre deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben und dürfe lebenslang keinen Kontakt mehr mit ihrer Familie haben. Friedelind folgerte : » Die erste Option wäre natürlich die friedlichste Lösung für jeden Feigling. Meine Mutter bot mir an, zu wählen, wo immer ich leben wollte, wenn ich nur heimkehren würde. Das kann ich aber nicht ! Und ich muss Ihnen ja nicht erklären, warum ! b ) ist unmöglich, c ) ängstigt mich nicht, d ) gibt mir zwar volle Freiheit, aber stempelt mich gleichzeitig zu einer Verräterin – und ich würde meine Familie und alles innerhalb Deutschlands verlieren. Und dennoch ist das der einzige Weg, den ich jetzt gehen kann ! Ich mag der Familie als Verräterin erscheinen, aber vor mir selber will ich es nicht sein, auch nicht gegenüber der Welt. Ich werde niemals ein lausiges Papier unterschreiben, in dem ich meiner Nationalzugehörigkeit und meiner Familie entsage. Ich tue es nicht, weil ich deutsch bin. Gerade weil ich deutsch bin, lebe ich nicht in Deutschland – weil dies kein Deutschland mehr ist. Und ich bin eine Wagner – und ich liebe meine Familie – selbst wenn ich wenig Liebe erhielt. Ich bin es meinem Vater schuldig und der gesamten Familie, nicht nur der jetzt lebenden Familie. Ich glaube, sobald der Krieg vorbei ist, dass meine Familie das erkennen wird. «19 Schließlich bat sie den Maestro um seine Meinung, die ihr wichtiger sei als jede andere. Toscanini billigte ihre Entscheidung, und mehr noch : Er war bereit, sich aktiv für sie einzusetzen. Dies sollte für sie bald von erheblicher Bedeutung sein. Im April 1940 kam sie in ihrem Brief an Toscanini auf die Drohung der Mutter wieder zurück : » Es tut mir leid, daß ich Hitler so enttäuscht habe und nicht in sein Paradies zurückkroch um mich ihm anzudienen, nachdem er die wundervolle Idee hatte, meine Mutter zu ihrer Tochter zu schicken und ihr sagen zu lassen, daß man mich › zerstören und ausrotten ‹ würde, wenn ich mich nicht wie sie benehmen würde. «20 144

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Dass sie Winifreds Warnungen missverstand, ist Friedelind nicht anzulasten. Jahrzehnte später stellte Wielands Musiklehrer Kurt Overhoff diese als Angst Winifreds vor den möglichen Folgen dar : » Eine zu Tode erschrockene Mutter, die um das Wohl und Leben ihres Kindes bangte, versuchte damals das Kind von einem ungeheuer gefährlichen Schritt abzuhalten. Wenn Friedelind damals gefaßt worden wäre, dann hätte der Diktator keineswegs aus Ehrfurcht vor dem Genius Wagners anders mit ihr verfahren, wie mit jedem seiner Feinde. «21 Obwohl Winifred nichts erreicht hatte, blieb sie um einen freundschaftlichen Ton bemüht. » 11. 2. Abfahrt Mama. Bewegter, herzlicher Abschied. « Auf der Heimfahrt von Zürich, wo ihr an der Grenze der in der Schweiz gekaufte Käse wieder abgenommen wurde, schrieb Winifred : » Es wäre ja so schön, wenn wir beide zusammen diese Fahrt machten – wir könnten jetzt so gut Kameraden sein und ich darüber glücklich – Irrungen und Wirrungen gibt es in jedem Leben – aber die Liebe kann doch darüber hinweghelfen und so wie ich Deine Einstellung verstehe so wirst Du vielleicht eines Tages auch Deine Mutter besser verstehen ! – Lass’ den Heinz nicht zwischen uns stehen – ich meinerseits werde auch dafür sorgen – aber dulde ihn neben mir – ich brauche ihn. – Alles Liebe und Gute Dir – es umarmt Dich Deine Mama. «22 Winifred hatte ihrer Tochter selten liebende Zuwendung gezeigt, und der emotionale Tonfall an dieser Stelle verwundert. Plötzlich erschien Friedelind nicht mehr als » Kind «, sondern als Gegenüber auf Augenhöhe. Offensichtlich hatten auch die Spannungen wegen Winifreds Partner Heinz Tietjen in dem Gespräch eine Rolle gespielt : so konnte Friedelind neben anderen Dingen nicht verwinden, dass er behauptete, sie wäre in den Hochverratsfall der Baronin Gerta-Luise von Einem verwickelt.23 Die Baronin lebte in Paris, wo ihre Agententätigkeit für die Nazis aufflog. Sie floh aus Frankreich und wurde in Abwesenheit durch ein Der Abschied 1940

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französisches Militärgericht wegen Spionage und Bestechung zum Tode verurteilt. Der insgesamt freundliche Abschied könnte einer bewussten Strategie der Tochter entsprungen sein, denn kurz nach Winifreds Abreise schrieb sie der Mutter einen Brief in ruhigfreundlichem Ton, in dem sie ihre Reisepläne verschleierte : » Ueber Deinen Besuch habe ich mich so gefreut und danke Dir vielmals dass Du Dir die Mühe der langen Reise gemacht hast. Aber es hat sich doch gelohnt, nicht wahr ? … Ich kann Dir heute noch keine genaue Entscheidung sagen. Es ist unmöglich die schon eingegangenen Verträge zu lösen. Gerne würde ich nicht gehen aber die Zeit soll am besten darüber entscheiden. Wer weiss, was schon in wenigen Wochen ist ! Ich werde nichts Unüberlegtes tun. «24 Nicht nur sie täuschte der Mutter etwas vor, die Brüder taten es ebenfalls : » Menschlich ist es für Mama wichtig, dass sie den Eindruck hat, dass wir noch nicht mit ihr gebrochen haben – denn danach müssen wir endgültig einen Schlußstrich ziehen und dann können wir es auch ! ! «25 Friedelind war längst klar, dass sie ein neues Leben beginnen würde, und sie schrieb über sich : » Vielleicht ist es richtiger, zu sagen, ich bin einen Schritt vorangegangen, denn im Grunde hatte ich schon lange kein Vaterland mehr. «26 Sie hatte das Transitvisum bestellt, wollte die Mutter aber nicht vor der Zeit aufregen und war sich bewusst, dass die Post von den Nazis kontrolliert wurde. Dennoch blühte in Deutschland der Klatsch : Gertrud Strobel hörte von Frau Kittel, dass Friedelind mit Toscanini in den USA ein Theater eröffnen wolle, und Friedelind erfuhr, dass sie in Deutschland als Agentin des britischen Geheimdienstes galt.27 Was wird Friedelind empfunden haben, als ihr Winifred in unverfänglichem Plauderton schrieb, dass Hitler Wolfgang in der Berliner Charité besucht habe, wo er eine Kriegsverletzung auskurierte, und dann am Krankenbett von » Teddie « Göring abgelöst worden sei ? Wolfgang sollte bald das Kran146

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kenhaus verlassen, und » anscheinend will Wolf dafür sorgen, dass er auch aus dem Heeresverband entlassen wird, damit er seine Berufsausbildung anfangen kann «.28 Einige Monate später begann er eine Ausbildung an der Berliner Staatsoper, wobei er auch in Harmonielehre, Kontrapunkt und musikalischer Analyse unterrichtet wurde. Dass ihr jüngerer Bruder wie selbstverständlich für eine spätere Festspieltätigkeit vorgesehen war, während sie trotz ihrer Ambitionen auf Bayreuth einen absoluten Neuanfang in einem ihr bis dahin unbekannten Umfeld zu wagen hatte, musste Friedelind empfindlich treffen. Und schließlich tat Winifred so, als sei die Warenverknappung in Deutschland eine Bagatelle : » Die Organisation klappt überall fantastisch. Wir kennen ja aus dem Weltkrieg das Markensystem und dass dazu die 100 Punkte Kleiderkarte gekommen ist, beugt jeder Ungerechtigkeit in der Verteilung vor. So ist jeder zufrieden, weil er genau weiss, dass er das ihm Zustehende auch wirklich gut und prompt bekommt. «29 Später behauptete Winifred, Hitler und sie hätten sich gänzlich » entfremdet «, als Friedelind Deutschland verließ. Der Weggang der Wagner-Tochter kann durchaus ein Grund dafür gewesen sein, dass die Kontakte sehr viel spärlicher wurden.30 Daniela schrieb Friedelind am 3. März einen letzten Brief. Darin verwahrte sie sich gegen Angriffe ( Friedelind hatte ihre Zeilen zuvor als » christlich-demütig «, » schimpfend-jammernd « und » hysterisch « gebrandmarkt ) und machte noch einmal den Bruch deutlich, der sie trennte : » Du bist kein › schwarzes Schaf ‹ und wir sicher keine › unbefleckte Engelchen ‹ – wir wollen Dich auch nicht in politischer Hinsicht bekehren ; da stehst Du, wie Du sagst auf anderem Ufer. In so Manchem würden wir uns sicher verstehen, nur in dem Einen nicht, dass ich fest halte an meinem Glauben an den Führer und ihm die Treue halte, – das hat mit Fanatismus wahrlich nichts zu tun. «31 Der » Wirbelwind « hatte sich mit Sack und Pack verabschieDer Abschied 1940

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det, und nun trat in Tribschen Ruhe ein. Zuvor hatte Friedelind Frau Beerli eingeschärft, keinem zu verraten, wohin die Reise ging. Bayreuth blieb folglich ohne Nachricht. Daniela wiederholte ihre Bitte um Information beim Stadtpräsidenten Luzerns, Jakob Zimmerli : » Wir stehen vor lauter Räthseln. Frau Beerli, die sonst so Schreibselige, antwortet nicht auf einen doch ziemlich wichtigen Brief, den ich ihr vor ungefähr drei Wochen schrieb. Die Bangnis und Sorge aber um unsere Nichte ist durch all’ dies nur betrüblich gesteigert … «32 Zimmerli antwortete kurz und bündig : » Fräulein Friedelind geht ihre eigenen Wege. Es ist daran nichts zu ändern. Es hat sich alles damit abzufinden. Sie hat am 1. März Luzern verlassen. Reiseziel : Amerika. Wir können nichts tun, als ihr von Herzen alles Gute wünschen und uns gedulden. «33 Er informierte Zinsstag über sein Schreiben an Frau Thode : » Ich denke nicht im Traume daran, mich nochmals irgend einer › Massage ‹ in der Sache auszusetzen. Wenn die Eltern, resp. das Elternhaus etwas unternehmen wollen, so ist das ganz ihre Sache, die uns nichts angeht. Mein früherer ungünstiger Eindruck ist längst modifiziert und es scheint mir, dass die › Schweizerluft ‹ dem Fräulein sehr gut tut und in jeder Beziehung einen erfreulichen Einfluss auf sie hat. Sie wird in späteren Jahren sich mit grösster Dankbarkeit dieser Zeit erinnern und sich der Stadt Luzern gegenüber erkenntlich zeigen. Das mag ja jahrelang gehen, aber diese Zeit wird kommen. «34 Man muss ihm eine prophetische Gabe zusprechen, denn mit der Wahl von Luzern als Wohnort für ihre letzten Lebensjahre und der Restaurierung des Wagner’schen Klaviers in Tribschen erwies sich Friedelind in der Tat als höchst dankbar. Winifred reagierte ähnlich wie Daniela mit großer Sorge. Sie bat Zimmerli ebenfalls um Auskunft über den Verbleib ihrer Tochter, denn sie habe gerüchteweise gehört, dass diese Frau Beerli verboten habe, Auskünfte zu erteilen. » Die gute Frau Beerli in Ehren – ich dächte aber, dass sie eine Verpflich148

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tung hätte, mir als der Mutter des Kindes Auskunft zu geben … Sie werden verstehen, dass es mir nicht angenehm ist, in diesen unruhigen Zeiten nicht zu wissen, wo das Kind sich aufhält. «35 Ein anderer war erstaunt über ihre Flucht und konnte sich nicht vorstellen, dass ein Spross aus Wahnfried sich aus politischen Gründen von Deutschland trennen konnte : Franz Beidler, Friedelinds Vetter, ein engagierter Gegner des Nazismus, der Deutschland bereits 1933 aus Protest verlassen hatte. Der Sohn Isoldes, des ersten Kindes von Richard und Cosima, hatte sich innerlich weit von Winifred und deren Familie entfernt. Als ihm Zinsstag von Friedelinds Weggang schrieb, kommentierte er scharf : » Vollständig unerfindlich ist mir, warum sie nicht mehr ins Reich zurückkommen soll : Politische Gründe können da doch wohl überhaupt nicht mitsprechen. Und was für persönliche es sein mögen, darüber habe ich meine eigenen, nicht eben sehr bewundernden Gedanken, weil ich weiss, auf welches bedenklich plebejische Niveau, um nicht noch Schlimmeres zu sagen, man wie überall in Deutschland so auch in Bayreuth heruntergekommen ist. Wenn Madame Cosima d a s erlebt hätte ! ! ! Ihre Bemerkung über › das Wesen und Benehmen der Dame ‹ Friedelind ist vielsagend genug und scheint deutlich zu beweisen, dass diese Enkelin Cosimas recht wenig von der Vornehmheit und dem Lebensstil ihrer Grossmutter mitbekommen hat. «36 Friedelind erhielt somit Lob und Kritik von allen Seiten, aber sie konnte ihren Weg unbeeinflusst weitergehen, weil sie das meiste davon nicht mitbekam. Sie hatte entschieden, über ihr Leben selbst zu verfügen, und war bereit, ihr » Herz nur an so viele Dinge zu hängen, die in einen Koffer paßten «37. Mit ihrem Weggang verlor sie das Erbe ihrer Tante Eva Chamberlain. Ursprünglich sollte sie über 20 Möbelstücke erhalten, Gemälde von Stassen, Schmuck und Lüsterschalen. Verena hingegen sollte lediglich ein silbernes Tee- und Kaffeeservice Der Abschied 1940

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und einen silbernen englischen Marmeladenbehälter nebst kleineren Gegenständen erben, die sich in den Schubfächern des Büffets befanden, und Wieland gar nur ein Ölgemälde von Edmund Steppes. Jetzt verschoben sich die Gewichtungen, da Eva ihre Nichte für ihren Weggang nicht noch belohnen wollte. Am 3. Juli 1941 verfasste sie einen Nachtrag zu ihrem » Letzten Willen «, in dem sie alles Verena Wagner vermachte für den Fall, dass Friedelind Wagner bis zu ihrem Ableben » nicht nach Deutschland zurückgekehrt wäre oder dies als ihre Absicht nicht ausgesprochen hätte «.38 Der Emigrantin war aber auch nicht nach Möbeln oder Zierrat zumute. Endlich traf das lang ersehnte Visum ein, und nun ging es rasch voran. Gottfried von Einem besuchte sie noch kurz, sie ventilierten beide einen Opernplan, wobei Friedelind vermutlich das Libretto schreiben sollte. Das Projekt verlief allerdings im Sande, wie so vieles in ihrem Leben. Am 1. März aß sie mit ihm zu Mittag, dann reiste sie nach Basel, die Nacht hindurch im verdunkelten Zug nach Paris und von dort nach Calais. Sie setzte nach Folkestone über und erreichte London mit dem Zug um zehn Uhr, wo sie der Politiker Beverley Baxter empfing, der ihr Unterstützung im Kampf » für das wahre Deutschland und gegen Hitler « zugesagt hatte.39 Sie nahm daher an, dass sie als Deutsche in England einen Sonderstatus innehabe, was sich als fataler Irrtum erweisen sollte. Furtwänglers frühere Sekretärin Berta Geissmar bereitete derweil den Boden für sie in London vor. Eine Wohnung stand in dem Haus bereit, in dem auch Geissmar wohnte : 25 Lyncroft Gardens, NW 6. Es gehörte einer Frau Bolilton-Biggs. Frau Geissmar informierte im Vorfeld verschiedene Freunde Friedelinds, darunter auch den Wagner-Experten und Musikkritiker Ernest Newman und seine Frau, die nach London kamen, um sie zu besuchen. Sie erfuhren dort von Friedelind, dass sie in der Schweiz befürchtet habe, nach Deutschland verschleppt zu werden.40 150

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Ein Wirbelsturm verschiedener Aktivitäten setzte ein. In den ersten Wochen wurde sie herumgereicht, und wie bei ihr üblich war sie jeden Abend unterwegs, oft begleitet von Frau Geissmar. Sie traf auf alte Freunde, lernte neue Menschen kennen und verlebte eine recht unbeschwerte Zeit.41 Es war nicht gerade das typische Leben eines Flüchtlings, das sie führte. Ein Steinway-Flügel wurde gemietet, sie nahm Gesangsstunden bei der Sängerin Elena Gerhardt, die gerade auf Anregung der Pianistin Myra Hess an den berühmten Mittagskonzerten in der National Gallery teilgenommen hatte, und erinnerte sich später an den Unterricht : » Musste dauernd Fü-Ja singen – sie war keine gute Lehrerin – hielt mich für Sopran – bin aber mezzo ! «42 Ein Konto über 10 000 belgische Francs wurde für sie eröffnet43, vermutlich von einem Verehrer namens Bracht. Daniela gegenüber hatte sie einmal spaßeshalber von ihrem » belgischen Bräutigam « gesprochen, der wohlhabend war und den die Tante als veritablen Bewerber einschätzte ( was Friedelind zu einer empörten Entgegnung veranlasste : » Er kann noch so reich und noch so nett in Deinen Augen erscheinen – wenn der Oger ihn nicht liebt, heiratet er ihn auch nicht ! ! … Ausserdem glaube ich gar nicht, dass Monsieur Bracht auch nur die kleinsten Absichten auf mich hatte, das war freie Erfindung von Tante Lulus überreicher Phantasie ! «44 ) Gottfried von Einem erhielt ihren ersten Brief. » Du glaubst nicht wie schön es ist, fern von dem ganzen Schmutz zu sein. Ich fühle mich wie im Himmel – die Hölle ist so weit weg. «45 Ihr  zufolge würde es schwierig sein, die deutsche Moral zu brechen, da die Bevölkerung noch immer unter der Hitler’schen Hypnose leide. Sie sah auch schon die Zeit » danach « voraus, indem sie anmerkte, sie sei nicht Optimistin genug zu glauben, alle Deutschen würden sich nach Hitlers Tod in  Engel verwandeln. Mehrfach war sie bei Proben und Aufführungen des London Philharmonic Orchestra dabei, wenn » Tommy « Der Abschied 1940

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Beecham dirigierte, so zusammen mit Isabella Valli am 4. März. Das Konzert war zugleich sein letzter Auftritt in England bis zum Ende des Krieges. Es gab ein Programm mit Werken von Sibelius zur Unterstützung der finnischen Bevölkerung, deren Krieg gegen die Sowjetunion durch andere politische Ereignisse in den Hintergrund gedrängt worden war. Danach gab das Orchester dem Dirigenten zu Ehren ein Abschiedsessen bei Pagani, einem von Musikern bevorzugten italienischen Restaurant – vermutlich war sie in Begleitung von Frau Geissmar dabei.46 Toscanini hatte sie drei Jahre zuvor dorthin mitgenommen, wobei damals ein Drehorgelspieler ihn an den Rand seiner Geduld brachte und nur mit etlichen Shillingen verabschiedet werden konnte.47 Anschließend reiste er in die USA und kehrte erst vier Jahre später zurück. Da Friedelind aktiv zur Bekämpfung der Nazidiktatur beitragen wollte, stellte sie sich im Bewusstsein ihrer Rolle als Enkelin Richard Wagners und zugleich nahe Bekannte Hitlers der britischen Presse zur Verfügung und verfasste eine Reihe von Artikeln für die Zeitung Daily Sketch, in denen sie beschrieb, wie sie zuerst von Hitler fasziniert gewesen war und wie sich ihre Einstellung dann in Abneigung und zum Schluss in Hass verwandelt hatte. Diese Texte, die sie bereits in Luzern entworfen hatte, bilden die Grundlage ihres späteren Buches. Die in der Schweiz entstandenen Vorarbeiten waren aber noch nicht druckreif, und Beverley Baxter half ihr bei der Ausarbeitung. Er hatte jahrelang Theaterkritiken für den Daily Express und den Evening Standard verfasst, und beide werden sich in früheren Jahren nach Aufführungen in Künstlerzimmern begegnet sein. Nun war Arbeit angesagt : Am 26. März saß sie beispielsweise viereinhalb Stunden mit ihm zusammen und redigierte ihr Manuskript. Es ärgerte sie zwar später, dass man es in der Redaktion unbefangen kürzte und verwässerte, dennoch ließ sie es zu. Die Artikel gegen Hitler und Mussolini verursachten eini152

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gen Aufruhr in Deutschland, und Winifred erhielt einen Anruf aus der Reichskanzlei wegen der Tätigkeit ihrer Tochter in England. Sie gab der » vollkommen anti-nationalsozialistischen und anti-hitlerischen Gesellschaft «, in die Friedelind geraten sei, die Schuld und vermutete : » Wären wir nicht Mitglieder der Wagner-Familie gewesen, wären wir daraufhin ja alle samt und sonders ins Konzentrationslager gekommen. Das ist doch klar ! Also, die galt glatt als Verräter, sozusagen. «48 Friedelind widmete jeden Artikel im Daily Sketch einem anderen Thema. Es wird die politische Führung in Deutschland besonders geärgert haben, dass sie oft die lächerliche Seite Hitlers herausstellte : seine Vorwegnahmen wichtiger Reden durch seine informellen Monologe in Bayreuth, die hysterischen Reaktionen seiner Anhänger, seine vergeblichen Versuche, dem englischen König den Lohengrin nahezubringen.49 Später behauptete Friedelind, sie sei praktisch an den Daily Sketch verkauft worden.50 Vermutlich hatte Baxter mit dem Pressemagnaten Kemsley abgemacht, dass sie ihre Artikelserie in dessen Zeitung publizieren sollte, und er kürzte nach Belieben, denn sie schreibt, dass Baxter » in einer billigen Art und Weise versuchte, mich zu zwingen, die Beiträge zu verstümmeln «.51 Dass es Missverständnisse gab, wird durch eine Bemerkung einer Freundin deutlich, die Jahre später schrieb : » 1940 besorgte ein skrupelloser Journalist ihr ein Visum, damit sie in England aus Gründen der Propaganda einreisen durfte. Das Ganze basierte auf einem Mißverständnis und erwies sich als  desaströs. «52 Damit war Baxter gemeint, er konnte aber damals die Folgen seines Angebots nicht überblicken. Friedelind fühlte sich rückblickend dennoch von ihm über den Tisch gezogen und war über die ganze Initiative verärgert. Dass sie Hitler aus der Nähe kennengelernt hatte und ein Buch darüber plante, machte Friedelind zu einer interessanten Person, und viele drängten sich nun um sie, wollten sie kennenlernen. Beverley Baxter organisierte am 3. März eine DinDer Abschied 1940

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nerparty, zu der sie und Berta Geissmar eingeladen waren. Sie  weckte in den ersten Wochen das Interesse vor allem derjenigen, die entweder ihr politisches Süppchen kochen wollten oder aber aufgrund ihrer Kontakte zum » Führer « eine Vermarktung ihres Wissens voraussahen. So kam es zu Gesprächen mit Edmund Stinnes, dem Sohn des deutschen Industriellen Hugo Stinnes, Befürworter eines schnellen Friedens mit Hitler und Anhänger des sogenannten Cliveden Set – eines Verbundes meist politisch rechts ausgerichteter Personen. Diese Gruppe, die sich aus der Oberschicht rekrutierte und zu der auch Edward Wood ( Lord Halifax ) gehörte, war über den Versailler Vertrag desillusioniert und glaubte, Deutschland sei ungerecht behandelt worden. Deutschland sollte als Bollwerk gegen den bedrohlichen Kommunismus dienen, und deshalb plädierte man für einen schonenden Umgang mit den Nazis. Man unterstützte die Appeasement-Politik Chamberlains, versuchte die britische Regierung von den Vorteilen dieser Politik zu überzeugen und traf sich in Cliveden, dem Sitz von Lady Nancy Astor, der ersten Frau im Unterhaus. Wollte man Friedelind von ihrem hitlerfeindlichen Vorhaben abbringen ? Die englischen Vertreter eines moderaten Umgangs mit den Nazis werden die Artikelserie vermutlich als Schlag ins Gesicht empfunden haben. Friedelind wusste um diese politischen Auseinandersetzungen, denn Lady Cholmondeley, bei der sie oft gewohnt hatte, stand aufseiten Churchills, während ihr Bruder Philip mit Chamberlain sympathisierte.53 Man kann sich ausrechnen, dass dieses Thema oft leidenschaftlich und kontrovers diskutiert wurde. Jahre später erwähnt Friedelind die » Kemsley-Papiere «, die sie in England zurückgelassen hatte.54 Es handelte sich dabei wohl um die Entwürfe für ihre Artikelserie, denn Viscount Kemsley ( mit bürgerlichem Namen Gomer Berry ), der Besitzer des Daily Sketch, wollte dazu beitragen, das Verhältnis zwischen Deutschland und England zu beruhigen, und führte im Juli 1939 in Bayreuth ein Gespräch 154

» Gerade weil ich deutsch bin, lebe ich nicht in Deutschland. «

mit Hitler. Es ging unter anderem auch um die Frage des Austauschs von Artikeln zwischen deutschen und englischen Zeitungen. Als Anhänger Neville Chamberlains versuchte er dem » Führer « klarzumachen, dass Churchill zu viel Aufmerksamkeit gezollt würde und dass er, Kemsley, ein Treffen des Reichskanzlers mit Chamberlain begrüßen würde.55 Kemsley tat also gut daran, sich das Manuskript anzuschauen und allzu negative Beschreibungen Hitlers abzumildern, was jedoch nicht gelang. Vielleicht doch ? Es gibt einen Hinweis darauf, dass sie durch diese Kontroversen ins Schleudern geriet : Einer ihrer Artikel handelt von der übergroßen Liebe Hitlers zu England – etwas, was in ihrem späteren Buch völlig fehlt. Es ist gut möglich, dass man sie bat, diese Seite Hitlers zu betonen, um ihm in England eine gewisse Sympathie einzutragen. Friedelind ärgerte sich über diese Bevormundung, die ihre Integrität infrage stellte, und schimpfte noch jahrelang über Baxter, der ihr das Ganze eingebrockt hatte. Mit Hermann Rauschning, ursprünglich NSDAP-Mitglied und zeitweilig Präsident des Danziger Senats, speiste sie am 8. März. Er hatte sich von der NS-Politik losgesagt und war 1936 nach Großbritannien geflohen. Hitler hatte er zwar persönlich gekannt, behauptete aber fälschlicherweise, ihn bis 1934 mehr als 100 Mal gesprochen zu haben, und schrieb ein Buch über die Gespräche. Es war mit vielen angeblichen Zitaten angereichert, die er in einer solchen Fülle und Genauigkeit gar nicht gehört haben konnte. Dennoch gelang es Rauschning, ein überzeugendes Bild zu zeichnen, das mit den zitierten Aussprüchen anderer Zeitzeugen in vielem übereinstimmt. Sein Werk wurde zu einem Bestseller und erschien ab 1939 in mehreren Sprachen. Durch ihn wird Friedelind Kontakt zu Emery Reves ( 1904 – 1981 ) geknüpft haben, einem Journalisten und Autor ungarischer Abstammung, der Rauschning 1939 bewogen hatte, die Hitlergespräche niederzuschreiben, und ihm einen größeren Zuschuss gewährte. Der Abschied 1940

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Reves interessierte sich nun auch für Friedelinds Schriftstellerei ; er wird an einen ähnlichen Erfolg gedacht haben. Er  hatte nach seiner Flucht aus Deutschland in Paris eine Nachrichtenagentur gegründet und erwarb sich zweifelhaften Ruhm durch die Herausgabe des Buches I Paid Hitler, das ihm der Industrielle Fritz Thyssen in Südfrankreich diktierte. Reves gab es 1941 ohne Wissen und Erlaubnis Thyssens heraus. ( 1945 stieß Reves’ Buch Anatomy of Peace in den USA auf weite Beachtung und brachte es auf 27 Auflagen. Er plädiert darin für einen Weltföderalismus, um künftige Kriege zu verhindern. ) Er erklärte sich bereit, Friedelinds Manuskript zu redigieren. Als sie später in den USA lebte, präsentierte er ihr dafür eine Rechnung in Höhe von $ 320, die sie in Raten abzahlen musste.56 Auch der Bankier Wilhelm Regendanz ( 1882 – 1955 ) wollte ihr helfen, ein Buch über Hitler zu schreiben. Regendanz war ein guter Freund des von den Nazis entmachteten und später ermordeten Reichskanzlers Kurt von Schleicher gewesen. Der Mord hatte seine Haltung zum Nationalsozialismuss drastisch verändert, und er war daran interessiert, Friedelinds Erinnerungen an Hitler und die Nazis zu verlegen. Er zahlte ihr £ 200 Vorschuss, weitere £ 600 waren ihr bei Fertigstellung des Manuskripts zugesagt. Das war mehr, als damals ein Bestsellerautor erhielt, und zeigt seine großen Erwartungen an ihr Buchvorhaben.57 Friedelind schrieb ihm, dass ihre Kritik an der deutschen Politik sich nach dem Einmarsch in Polen in eine engagierte Ablehnung gewandelt hatte, was sie zu drastischen Worten veranlasste : » Zu Hitler – das ist so, als ob ein offiziell anerkannter Verrückter sein Asylum anzündet ! Eine Verzweiflungstat ! Nur dass sich diese Tat im Grossen eben ins unermeßliche und unabsehbare Chaos steigert. … Mit dem Russenpakt hat er [Hitler] seiner ganzen › Weltanschauung ‹ den Todesstoß gegeben und der sogenannte › Nationalsozialismus ‹ hat jetzt überhaupt keine Berechtigung mehr ! ! «58 156

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Sie kam auch mit dem populären Schriftsteller Dennis Wheatley ( 1897 – 1977 ) zusammen, dessen Thriller ihm eine große Leserschaft bescherten. Auch Elli Gundolf, Ehefrau des 1931 verstorbenen Dichters Friedrich Gundolf, die 1935 nach England emigriert war, lernte sie kennen. Ein weiterer Autor, Sir Frederick McCormick, speiste mit ihr – vielleicht plante man, aus ihrem Material einen Roman zu machen. Beverley Baxter stellte sie noch Raymond Savage vor, der sich um die Weltrechte für ihr noch unvollendetes Buch kümmerte, wohl in der Hoffnung, damit Geld zu verdienen. Sogar der stellvertretende Leiter der britischen Polizeibehörde Scotland Yard, Sir Trevor Bigham, war bei einem Treffen zugegen, an dem sie mit Stinnes und vermutlich auch Berta Geissmar ( im Tagebuch G. B. genannt ) teilnahm. Freundschaft schloss sie mit Marguerite Wolff, geborene Jolowicz ( 1883 – 1964 ), die den deutschen Juristen Martin Wolff geheiratet hatte. In Deutschland war Marguerite Wolff bis 1933 am Berliner wissenschaftlichen Kaiser-Wilhelm-Institut tätig gewesen, wo sie es bis zur Kodirektorin gebracht hatte. 1933 hatten die Nazis ihre Entlassung bewirkt, und sie war nach Großbritannen zurückgekehrt. ( Nach Kriegsende beaufsichtigte sie als verantwortliche Übersetzerin die Akten des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals. ) Zu Friedelinds engsten Freundinnen gehörte die Pianistin und spätere Schallplattenproduzentin Isabella Valli, der sie 1937 bei einer Probe Toscaninis begegnet war. Isabella war zunächst etwas besorgt über Friedelinds Besuch ( » es näherte sich uns eine recht füllige Figur in einem schwarzen weiten Mantel – › wie ein Schiff mit vollen Segeln ‹, wie mein Bruder sagte «59 ), da sie als Italienerin im Visier der britischen Behörden stand und befürchtete, durch Friedelinds Nähe zu Hitler kompromittiert zu werden. Trotzdem nahm sie sie zum Essen bei ihrem Onkel mit, dem Schallplattenproduzenten Fred Gaisberg. Auch Lady Crosfield ( 1892 – 1963 ) lud FriedeDer Abschied 1940

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lind mehrmals ein. Die griechische Millionärin, die ursprünglich Domini Elliadi hieß, hatte den begüterten Industriellen und Abgeordneten im Parlament Sir Arthur Crosfield geheiratet. Seit seinem Tod 1938 führte die wohlhabende Gönnerin ihr Haus in Witanhurst ( zwischen Highgate West Hill und Hampstead Heath ) allein. Es war mit 65 Räumen das größte Privathaus in London – nur der Buckingham-Palast war größer. Sie organisierte u. a. Kammermusikkonzerte, und wenn Yehudi Menuhin in London auftrat, wohnte er häufig bei ihr. Durch Lady Crosfield lernte Friedelind auch die griechische Pianistin Gina Bachauer kennen. All diese Kontakte spielten sich in der britischen Oberschicht ab, und obwohl Friedelind nicht viel mehr als ihre Herkunft und ihre Bekanntschaft mit Hitler einbringen konnte, zählte sie zu den Personen, die » man « einlud. Auch nach dem Krieg wohnte sie wieder häufig bei Lady Crosfield und genoss das Leben sowie die häufigen Partys. Berühmt waren jene aus Anlass der jährlichen Tennismeisterschaften in Wimbledon. Die Aristokratin war aber keineswegs nur sportlich und musisch interessiert, sie sprach sechs Sprachen und betätigte sich gelegentlich auch politisch. Das angenehm-geschäftige Leben brach plötzlich ab, so schnell, wie es sich ihr nach der Überfahrt nach England geboten hatte. Am 25. Mai hatte sie noch ihren Rechtsanwalt Woolley konsultiert und mit Berta Geissmar in einem chinesischen Restaurant gespeist sowie anschließend zwei Filme angesehen : » Vigil in the night « und » Gone with the wind «. Am 26. Mai klopfte ein Polizist an ihre Tür und brachte ihr die Nachricht, dass sie am nächsten Tag interniert werden sollte. Sie blieb den Tag über bei Lady Crosfield, von der sie sich, genau wie von Woolley, Schutz erhoffte. Beide begleiteten sie am nächsten Tag auf die Polizeistation West Hampstead, konnten aber nichts für sie tun. Friedelind wurde in Haft genommen und um 14.30 Uhr in die Fulham Road Institution gebracht, durch158

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sucht und anschließend zum Reception Centre in West London geschickt, wo sie zwei Tage und Nächte in Gefangenschaft verbrachte – eine schockierende Erfahrung für die junge Deutsche, die nach inneren Kämpfen beschlossen hatte, zum Gegner überzulaufen.60 Ihre Tanten erfuhren von alldem nichts mehr, da Daniela einige Wochen nach Friedelinds Ankunft in England verstorben war. Ihre Halbschwester Eva starb zwei Jahre später.

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7 In England Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941

Warum diese Verhaftung von Deutschen, gleichgültig welcher politischen Richtung oder Gesinnung ? Im Mai 1940 hatte der Überfall auf die Beneluxstaaten und auf Frankreich begonnen, was bei der britischen Regierung höchste Alarmbereitschaft auslöste. Man befürchtete Nazisympathisanten auf der Insel, die auf eine deutsche Invasion warteten und den Boden dafür zu bereiten versuchten. Der britische Geheimdienst war aber kaum auf die vielen Aufgaben vorbereitet, die mit dem Kriegsausbruch auf ihn zukamen. Es gab zum einen zu wenig Personal, und die Unsicherheit auf politischer Ebene führte zu raschen Personalwechseln : Winston Churchill feuerte im Mai 1940 den Leiter des Dienstes und ersetzte ihn durch den Brigadier Oswald Allen Harker, der seinerseits im April 1941 von Sir David Petrie abgelöst wurde. Es war Petrie, der den Dienst reformierte, sodass dieser den Ansprüchen des Krieges genügen und bald einige Erfolge gegenüber deutschen Spionageversuchen verbuchen konnte. Großbritannien hatte seit 1933 Flüchtlinge aus Deutschland aufgenommen. Von Anfang an war klar gewesen, dass die Nationalsozialisten einen totalitären, rassistischen Staat errichten wollten. Bis Ende 1933 verließen über 37 000 Menschen Deutschland : politisch und rassisch Verfolgte und Menschen, 160

die sich mit den neuen Machtverhältnissen nicht abfinden wollten. Rund 2000 kamen nach Großbritannien. 1940 verschlechterte sich die Lage dramatisch. Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich waren von den deutschen Truppen eingenommen worden, und man befürchtete eine Invasion auf der Insel. Die meisten Ausländer, die in Großbritannien lebten, standen der deutschen Politik feindlich gegenüber, dennoch machte sich allgemein Angst und Skepsis gegenüber den Emigranten breit, zumal ihre Zahl drastisch anstieg. Man beschloss daher, Einreisende sowie alle Deutschen und Österreicher, die bereits im Land lebten, auf eine Insel zu verfrachten. Ob jüdische Flüchtlinge, Widerstandskämpfer und -kämpferinnen, Nazibegeisterte oder längst Assimilierte : Alle waren verdächtig, alle galten nun als feindliche Ausländer. Im ersten Kriegshalbjahr mussten sich 64 000 Bürger aus Deutschland, Italien und Österreich, die in Großbritannien lebten, Befragungen durch ein Tribunal unterziehen. Geprüft wurde, ob sie » friendly aliens «, also dem Lande freundlich gesinnt waren oder nicht. Man unterschied dabei nicht zwischen Auswanderern, Exilierten oder intellektuellen Gegnern der Diktatur. Die Befragten wurden in die Kategorien A, B und C eingeteilt. Die Kategorie A wurde umgehend interniert, wer als B eingestuft war, durfte seinen Wohnort nicht über eine Fünfmeilenzone hinaus verlassen. Die Kategorie C betraf Ausländer, die als völlig unverdächtig galten. Selbst aus dieser Gruppe wurden aber auch die Männer verhaftet ( die Frauen wurden weitgehend geschont ). Dieses System wurde jedoch rasch verworfen, und man beschloss, alle zu internieren. Das Gesetz » Defence Regulation 18B « gestattete der Regierung, jeden gefangen zu nehmen, der für das Land eine Bedrohung darstellte. Damit war nun auch Friedelind als Verdächtige eingestuft. Als Premierminister Herbert Asquith die Internierungen am 13. Mai ankündigte, wird sie noch geglaubt haben, sie Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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sei nicht betroffen, hatte doch ein Mitglied des Unterhauses sie  explizit nach England eingeladen. Aber es kam anders : Als Mitglied einer Familie, die mit Hitler engstens verbunden war, erregte sie trotz ihrer Beteuerungen, Gegnerin des Naziregimes zu sein, zwangsläufig Verdacht. Am 27. Mai wurden die ersten Frauen, zwischen 16 und 60 Jahre alt, in Frauengefängnissen auf dem Festland untergebracht und von dort auf die Isle of Man transportiert, eine Insel in der Irischen See. Viele Deutsche hatten bei ihrer Verhaftung panische Angst davor, zum Austausch für englische Kriegsgefangene benutzt zu werden. Auch Friedelind wusste, was ihr bevorstand, wenn sie zurück nach Deutschland deportiert würde. Die Reise auf die Insel dauerte länger als einen Tag. Für die  Nacht wurden die Frauen noch auf dem Festland in Sportstadien untergebracht, wo sie nur die Wahl hatten, die Nacht sitzend oder in schmutzigen Kabinen zu verbringen. Die Waschgelegenheiten reichten nicht aus, und es wurde als entwürdigend empfunden, dass die Türen der Toiletten offen bleiben mussten. Die Stimmung war schlecht, viele Frauen weinten oder litten unter Angstzuständen. Diese nächtliche Qual blieb Friedelind erspart, da sie abends in Liverpool ankam und um 22 Uhr auf das Schiff gebracht wurde. Auf dem Weg zum Hafen wurden die Gefangenen von englischen Zuschauern angepöbelt. Der Kanaldampfer war überfüllt, die Toiletten verstopft. Von Douglas, wo das Schiff landete, ging es mit dem Zug nach Port Erin, einem hübschen Fischerdorf, das eigentlich vom Tourismus lebte. Als beliebtes Bade- und Ferienziel besaß die Insel zahlreiche Hotels und Pensionen, die beschlagnahmt worden waren. Die noch anwesenden Touristen mussten rasch packen und heimkehren, ganze Stadtund Dorfteile wurden mit Stacheldraht eingezäunt, und Wachmänner standen an den Toren. Auf den Zustrom war die Insel schlecht vorbereitet. Die Frauen standen stundenlang in einer 162

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langen Schlange, um auf die verschiedenen Hotels und Pensionen verteilt zu werden.1 Am Morgen des 30. Mai erreichte Friedelind das Rushen Internment Camp als eine der Ersten, die das auf dem südlichen Teil der Insel eilig eingerichtete Frauenlager betraten. Die beiden Badeorte Port Erin und Port St. Mary boten Platz für insgesamt 4000 Frauen ( 3000 davon in Port Erin ). Das größte Hotel war das Ballaqueeney, das mehrere Hundert Frauen aufnehmen konnte. Die Einwohner reagierten zunächst abwehrend, begriffen dann aber rasch, dass sie mit der von der Regierung gezahlten Miete besser dastanden als ohne, denn Touristen waren in Kriegszeiten rar. Zur Erntezeit durften die Bauern Internierte bei der Feldarbeit einsetzen. Bald gab es auf jeden Einwohner zwei Gefangene. Die Frauen hatten Angst und litten unter der doppelten Entwurzelung, denn manche waren aus Deutschland vertrieben worden und hatten sich in England eine neue Heimat geschaffen, aus der sie nun wieder herausgerissen wurden, von ihren Männern gewaltsam getrennt. Andere waren aus den besetzten Niederlanden geflohen und mussten erleben, dass sie auch hier als Feinde galten. Sie wussten auch nicht, ob ihre Zimmergenossinnen, mit denen sie zwangsweise ein Doppelbett teilten, vielleicht überzeugte Nazis waren. Es kam vor, dass sich eine deutsche Nazibegeisterte weigerte, neben einer Jüdin zu schlafen. Das war schwer erträglich für Menschen, die daheim alles hatten verlassen müssen, um ihre Haut zu retten, und sich nun neuerlichen Angriffen ausgesetzt  sahen. Sie waren verzweifelt, weil die Engländer sie dafür hassten, dass sie Deutsche waren, viele Deutsche sie aber als Jüdinnen verschmähten.2 Angstzustände, Schreikrämpfe, Sorgen um die Ehemänner, Klaustrophobie – die nervliche Anspannung stieg an. Während die Männer in ihren Lagern durch selbst organisierte Kurse versuchten, die Lage zu verbessern, litten die Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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weiblichen Gefangenen unter ihrer strengen Lagerleiterin, Dame Joanna Cruickshank. Dennoch gab es im Laufe der Zeit Erleichterungen, die das Leben erträglich und sogar ein wenig angenehm machten. Bald wurden wie bei den Männern auch im Frauenlager die verschiedensten Kurse angeboten. Es gab Unterricht in Geschichte und Biologie, auch Theater- und Musikgruppen wurden gebildet. » Anleitungen zu kosmetischer Praxis « fanden ebenso statt wie diverse Handwerkerausbildungen. Eine Österreicherin bot einen Jiu-Jitsu-Kurs an, damit man sich gegen Nazis wehren könne.3 Eine Vertreterin der Lagerleitung namens Nora O’Connor organisierte Tanzabende in Verkleidung sowie Kartenspielwettbewerbe und erteilte Tanzunterricht. Auch Friedelind übte die Tanzschritte, war aber wohl nicht sonderlich begabt, denn O’Connor erinnerte sich an die » frustrierende Qual «, sie zu unterrichten.4 Wer Geld besaß, konnte einkaufen ; die Läden besaßen noch genügend Vorräte, die sie ursprünglich für die Touristen vorgesehen hatten. Die Frauen konnten auch ein Café besuchen, sich an den Strand legen, Vorträge besuchen und sogar zweimal wöchentlich ins Kino gehen. Mit der Zeit gewöhnte man sich an eine Art Alltag, nur der Stacheldraht erinnerte an den Zwang des Eingesperrtseins.5 Für einige Frauen bot sich die Möglichkeit auszureisen. Als aber am 2. Juli 1940 das Schiff Arandora Star, das mit 1500 Internierten auf dem Weg nach Kanada war, an der irischen Westküste von einem deutschen U-Boot torpediert wurde und 800 von ihnen ertranken, schockierte dieses Ereignis die Menschen in den Lagern, und viele verschoben daraufhin ihre Ausreisepläne oder gaben sie ganz auf. Friedelind war dem Hydro Hotel zugeteilt worden. Sie schaute sich regelmäßig Kinofilme an ( Walt Disneys Pinocchio, den sie » bezaubernd « fand und zweimal sah, Ninotschka mit Greta Garbo und weitere ). Bald lernte sie die Sängerin Jeanette Simon kennen, eine aus Deutschland emigrierte Jüdin, die in 164

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Berlin künstlerisch tätig gewesen war. Diese erteilte Friedelind Gesangunterricht und freundete sich mit ihr an. Seltsamerweise hatten sich die beiden nicht schon vorher getroffen, obwohl Jeanettes Gesanglehrerin Marianne Mathy seit Anfang 1939 in dem Haus untergebracht war, in dem Berta Geissmar wohnte. Jeanette gehörte zu ihren besten Schülerinnen, und sie hatte den Familienschmuck ihrer Lehrerin, in ihren Pelzmantel eingenäht, frühzeitig nach England geschmuggelt.6 Die junge Sängerin war im Jüdischen Kulturbund aufgetreten und hatte somit professionelle Erfahrung, die sie nun durch das Erteilen von Unterricht und die Mitwirkung bei Gottesdiensten auf der Insel nutzte. Friedelind war bei den Proben dabei und konnte so ihrer Liebe zur Musik frönen, wenn auch im Vergleich zu früher auf einer bescheideneren Ebene. Eingesperrt mit einer Gruppe Frauen, von denen die meisten Jüdinnen waren, hörte sie sich deren Lebensgeschichten an und hatte selbst viel zu erzählen. Die Frauen trösteten sich und munterten sich gegenseitig auf. So wirkte eine Frau namens Marja all die Wochen und Monate hindurch auf alle belebend, weil sie hinreißend sächselte.7 Trotz oder gerade wegen der Lage, in der sie sich befanden, wurde auch viel gelacht. Später erinnerte sich eine von ihnen daran, dass Friedelind in Unkenntnis des richtigen englischen Ausdrucks von dem » Hintern « eines Brotlaibs ( » the behind « ) sprach, als sie den Kanten meinte. Friedelind lernte jiddische Lieder, die eine aus Lemberg stammende Frau ihr beibrachte – ein harter Kontrast zu den von Toscanini dirigierten Konzerten, aber ein hochwillkommener Akt der Freundschaft.8 Auch dürften Einsichten wie die der jüdischen Filmautorin Lotte H. Eisner, die die deutsche Judenhetze nicht auf sich, sondern » auf die Bilderbuchjuden mit Kaftan und Rauschebart aus dem Osten « bezogen hatte9, Friedelind in diesen Monaten gezeigt haben, welche perfiden Wege der brutale Antisemitismus ihres Heimatlandes einschlug. Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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Die jungen Frauen konnten sich gegenseitig ablenken und zugleich fördern. Jeanette hatte Woche für Woche in der Methodistenkirche einen Soloauftritt, sei es mit deutschen Liedern, Opernarien oder Weihnachtsliedern. Daneben gab es die » Friday Night Concerts «, an die sich Friedelind noch Jahre später erinnerte.10 Jeanette trat laut der Lokalzeitung Isle of  Man Examiner am 6. September in einem Gottesdienst auf  und sang neben Kirchenliedern eine Arie aus Puccinis Madame Butterfly. Sie interpretierte in der Kirche auch das Gebet der Elisabeth aus Wagners Tannhäuser sowie die hochdramatische Arie » Suicidio « aus La Gioconda von Amilcare Ponchielli – ein Zeichen für ihre Professionalität und Erfahrung. Eine weitere Sängerin namens Johanna Metzger sang eine Arie aus Haydns Schöpfung. Solche Aufführungen wurden regelmäßig veranstaltet, und die Kirche war übervoll11 – die Musik konnte wieder einmal ihre heilende Wirkung entfalten. Für ihren Einsatz wurden Jeanette von dankbaren Besuchern Chrysanthemensträuße überreicht.12 Als der Bischof von Chichester, George Bell, am 28. Juli 1940 zu Besuch kam und in der Kirche St. Catherine’s einen Gottesdienst abhielt, sang sie auch dort. Bell setzte sich nachdrücklich für in England lebende Emigranten und Flüchtlinge ein, und seine Besuche galten als besonders denkwürdig. » Wundervoll ! «, kommentierte Friedelind in ihrem Kalender. Ihre Treffen mit Jeanette fanden nun täglich statt und brachten neben den Gesangsstunden lange Spaziergänge am Strand, aber auch intimes Zusammensein, von ihr als » cosy nook « bezeichnet. In dieser gefahrvollen Zeit, wo niemand wusste, wie es weitergehen würde, erwuchs eine zarte Liebe, die Jeanette und Friedelind zueinander führen sollte und für das ganze Leben verband. Derweil liefen in Bayreuth die ersten Kriegsfestspiele. Am 23. Juli 1940 kam Hitler zu den » Festspielen des Sieges « und sah sich eine Aufführung der Götterdämmerung an. Die NS166

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Organisation » Kraft durch Freude « hatte die Kartenvergabe organisiert und Verwundete, Frontsoldaten, Krankenschwestern und anderes Kriegspersonal als » Gäste des Führers « eingeladen. Vor dem Festspielhaus paradierte die » Leibstandarte Adolf Hitler « im Stechschritt. Es war das letzte Mal, dass er in Bayreuth anwesend war. Der Erbauer des Festspielhauses, der Architekt Karl Runkwitz, war als Ehrengast gekommen und saß an einem Vormittag auf einer Bank, neben ihm Winifred, vor ihm Wieland, Wolfgang und Verena, und erzählte von seinen Begegnungen mit Richard Wagner.13 Frau Strobel regte sich über eine Aufführung des Siegfried auf. Max Lorenz habe stellenweise markiert und sei in Sprechgesang verfallen, Erda desgleichen ; Wotan sei ohne Hut zu Erda gekommen, und als er ihn beim Nahen Siegfrieds aufsetzte, gab es » großes Theater, bis er sitzt «. Die Stimme Fafners war kaum noch zu hören, das Publikum angeblich » das bisher schlechteste «, nämlich aus der Ostmark : » Es wird immer schon VOR dem Schluß des Aktes geklatscht, viele schlafen. « Am Tag darauf war Hitler in Bayreuth, und Frau Strobel sah ihn im Wahnfriedgarten : » Rechts Frau Wagner und Wolf, links Verena und Wieland untergehakt ; Stassen, Overhoff und die Gertrud gingen voran … Als der Führer seine Loge betritt, grüßt ihn alles schweigend mit erhobenem Arm. « Die Aufführung fand sie wieder » grauenhaft, Lorenz überhaupt indiskutabel «.14 Ob Hitler mit Winifred weiterhin über Friedelind sprach, die » zum Feind übergelaufen « war ? Dass er sich in die Inszenierungen einschaltete, wird aus einem Brief Wolfgangs an Wieland deutlich, den dieser aus Berlin schrieb : » Die Abschrift vom Führerentscheid wirst Du ja erhalten haben … Wie der Führer selbst mir sagte, werden normale Friedenszustände erst nach einem Jahr wieder herrschen, d. h. dass noch alle Beschränkungen bestehen werden … Ich wurde nun schon öfters gefragt, ob es jemals wohl wieder Festspiele für die Öffentlichkeit gibt ( propagandisch wird von den Weibern zur Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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Zeit in dieser Richtung gearbeitet, außerdem wird allenthalben verbreitet, dass es bei uns mit dem Arierparagraphen nicht ganz passen würde )15 … Gross spielen ohne Parsifal können wir ja nicht. Der Führer hat sich auch weiterhin mit dem Werk beschäftigt, wie er mir sagte, und kam nun zu folgenden Erkenntnissen : Das einzig wirklich immer wieder ans kirchliche Erinnernde sind die Tempelscenen und die kirchlich architektonisch orientierte Halle ( hinzu kommt natürlich die ganze Musik und die Handlung, wie Heinz mit Recht hinzufügt ), da müßte man nun zu einer Lösung gelangen, die ins Mystische, also ins Undefinierbare und Unbestimmbare geht. Bildnerisch wird man dabei noch eher zu einer Lösung kommen als rein regielich, dies sind nur kurze Andeutungen. … In dieser Nacht war es etwas unruhig, es ist aber nichts weiter passiert, nach eigenen Beobachtungen auf dem Dachgarten konnte man feststellen, dass die Flak und die sonstige Abwehr wesentlich verbessert worden ist. «16 Seiner Mutter schrieb er etwa zur gleichen Zeit : » Gestern Abend ließ mich der Führer rufen und ich hatte ausgiebig die Möglichkeit, mit ihm allein die bayreuther Dinge zu besprechen. Dabei kam nun folgendes heraus : Es soll alles für den Tannhäuser und für den großen Spielplan vorbereitet werden,  falls es aber die politische bzw. militärische Lage nicht zulässt ( denn zum Tannhäuser u. s.w. muss Frieden sein, sagte er ), nimmt er sich daraus ergebende Folgen restlos auf sich und dann kommt wieder nur ein Spiel wie im Vorjahre in Frage. Ich machte ihn natürlich sofort auf die ganzen Schwierigkeiten aufmerksam, die durch die derzeitige Lage bedingt sind, zu deren Beseitigung sagte er ebenfalls seine volle Unterstützung zu … Seine Zusage zur finanziellen Unterstützung usw. brauche ich ja eigens weiter nicht zu erwähnen … Er sah sehr gut aus und machte einen sehr zuversichtlichen Eindruck. Ich soll natürlich herzlich grüssen, wie immer erkundigte er sich ausgiebig nach Euch und Euerem Befinden. Da 168

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ich fast eine dreiviertel Stunde allein mit ihm zusammen war, dazwischen lag noch ein gutes Essen mit geräuchertem Lachs, empfahl ich mich dann sogleich und war so um 9 Uhr schon zuhause. «17 Am 6. Juni, dem Geburtstag ihres Vaters, dachte Friedelind intensiv an Tribschen und an das Siegfried-Idyll, das Toscanini dort dirigiert hatte, und Ende August feierte ihre Gruppe die vierteljährige Internierung mit Pflaumen- und Streuselkuchen – es muss also irgendwo möglich gewesen sein, deutschen Kuchen zu backen. Da freiberufliche journalistische Arbeit von dem Berufsverbot für Emigranten ausgenommen war18, konnte sie für ihre Artikelserie im Daily Sketch ein Honorar in Höhe von £ 150 einstreichen, das allerdings auf der Isle of Man beschlagnahmt wurde. ( Im gleichen Jahr erschien übrigens das wichtige Buch Germany : Jekyll & Hyde des Emigranten Sebastian Haffner, der wie sie 1940 als » feindlicher Ausländer « interniert worden war. ) Ihr Anwalt versuchte das Geld freizubekommen, damit sie ihre in England angehäuften Schulden zurückzahlen konnte. Er schrieb an die Behörde, dass es schwierig für sie sei, sie von der Insel aus zu begleichen. » Viele Schuldner haben Druck auf mich wegen der Bezahlung gemacht. Ohne Einnahmen kann Fräulein Wagner nichts tun ; soweit ich weiß, besitzt sie nur einigen Schmuck von nur geringem Wert, der bei Lady Crosfield aus Sicherheitsgründen deponiert worden ist. «19 Friedelind bagatellisierte bewusst den Wert des Schmucks der Baronin von Einem, den sie auf deren Wunsch nach England mitgenommen hatte. Auf diese Weise wollte sie vermeiden, ihn verpfänden zu müssen. Sie blieb bei ihrer Ansicht, dass Hitler den Krieg verlieren würde. » Ich bin fest überzeugt, dass diese schreckliche Schlacht der Gewaltherrschaft ein Ende setzen wird. Doch was für einen Preis muss man zahlen, um die Welt von einem Wahnsinnigen zu befreien – aber endlich gibt es wieder Hoffnung «, Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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schrieb sie im Mai 1940.20 Derweil empörte sich Goebbels daheim über die Abtrünnige : » Die kleine, dicke Wagner schreibt in London Enthüllungen gegen den Führer. So ein kleines Biest ! Das kann evtl. etwas peinlich werden … Wieland Wagner wird vom Führer über sein sauberes Schwesterchen unterrichtet. Das ist eigentlich eine schwere Schande, die dieses dumme Mädel da anrichtet. « Hitler war demnach bestens über ihre Handlungen und Äußerungen informiert. Einige Tage darauf notierte Goebbels : » Die dicke Wagner schreibt einen ersten Bericht gegen den Führer in der Londoner Presse : hundsgemein. Mit deutlicher Absicht, Italien gegen uns in Rage zu bringen. Urteile des Führers über Mussolini, die darauf abgelegt sind, den Duce in Wut zu versetzen. Daran hat ein englischer Propagandist mitgearbeitet. Dieses dicke Biest betreibt da also kompletten Landesverrat. Ein Produkt schlechtester häuslicher Erziehung. Pfui Teufel ! «21 » Klein, dick und dumm « – mehr fiel Goebbels zu Friedelind nicht ein. Er hatte sie sichtlich unterschätzt, aber seine Reaktion zeigt, wie sehr er sich ärgerte. Der » englische Propagandist « war vermutlich Baxter. Als Friedelind Briefe an der Zensur vorbeischmuggeln wollte, flog das auf, und zur Strafe wurde ihr der Besuch von Freunden verboten. Die britischen Behörden bezweifelten ihre Opposition zu den Nazis und legten ein ausführliches Dossier über sie an, in das sie auch Mitteilungen englischer Schulfreundinnen einhefteten, die über Pro-Nazi-Aussagen der jungen Frau Bericht erstatteten ( so wurde behauptet, sie habe noch Anfang 1938 den Engländern eine Diktatur empfohlen ). Auf der anderen Seite galt sie bei deutschen Nazigetreuen auf der Isle of Man als Verräterin. Reichsminister Martin Bormann soll gedroht haben : » Friedelind soll ja nicht mehr nach Deutschland zurückkommen, sonst müßte ich sie vor den Volksgerichtshof stellen. «22 Ende August wurde in Großbritannien beschlossen, wis170

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senschaftlich oder kulturell herausragende Menschen, einwandfrei Naziverfolgte sowie solche, die in Deutschland oder Spanien gegen den Faschismus gekämpft hatten, aus der Internierung zu entlassen. Nach drei Monaten durfte Friedelind am 10. September 1940 aufgrund ihrer kriegswichtigen Zeitungsartikel die Insel verlassen. Im Hydro Hotel nahm sie Abschied von Jeanette und wurde von Liverpool mit dem Zug nach London gebracht, wobei es schon am Bahnhof Euston einen Bombenalarm gab. Das, was sie nun erwartete, war schlimmer als die Zeit davor, denn man brachte sie in eine Dependance des berüchtigten Wandsworth-Gefängnisses. Die Royal Victoria Patriotic School ( RVPS ) in Wandsworth hatte während des Krieges die Aufgabe, Flüchtlinge auf ihre Gesinnung zu prüfen beziehungsweise sie zu kontrollieren, solange sie noch nicht ihre Visa zur Weiterreise besaßen. Es war ein Gefängnis – selbst eine zeitweise Entfernung war nicht gestattet, sie saß mit zahlreichen anderen Frauen fest. Kaum war sie in London, gingen massive Bombardierungen der Stadt in heftiger Folge los. Diese » Blitz « genannte Periode umfasste die Jahre 1940 und 1941. Vom 7. September an wurde jede Nacht angegriffen. Die Nazis hofften, durch ihre Offensive die Moral der Briten zu zerstören. Über 30 000 Menschen wurden in diesem Zeitraum getötet : Friedelind befand sich somit im Zentrum deutscher Ziele. » Man erwartet eine Bombe, bis plötzlich die Flakgeschütze losdonnern, als wenn die Welt unterginge. Und wir alle im Luftschutzkeller erstarren plötzlich vor Angst und entspannen uns wieder, bis  zur nächsten Salve «, schrieb eine Frau, die die Angriffe hautnah miterlebte.23 In Deutschland notierte Joseph Goebbels befriedigt : » Die Berichte aus London sind grauenvoll. Ein Inferno von unvorstellbaren Ausmaßen. Die Stadt gleicht einer Hölle. Man kann schon leichte Anzeichen einer sinkenden Moral feststellen. Wie lange wird diese 8 Millionenstadt Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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das noch aushalten ? … Frage : ist London auf diese Weise in die Knie zu zwingen. Ich möchte annehmen ja. Aber wir müssen abwarten, und angreifen, angreifen … Man hat seine helle Freude an diesem organisatorischen Meisterwerk. «24 Weit gefehlt : Die Briten dachten nicht daran, aufzugeben. In  den U-Bahnhöfen schliefen Männer, Frauen und Kinder auf jedem verfügbaren Stück Boden, selbst auf den Stufen und  Rolltreppen lagerten sie, manche konnten wochenlang die Kleidung nicht wechseln. Der Kampf um einen begehrten Platz an der Wand war groß, zuweilen bewachten Menschen rund um die Uhr ihre Betten. Wenn Bomben fielen und Wohnraum zerstörten, mussten die Ausgebombten versorgt werden. » Wir hatten heute früh 700 Wohnungslose am Eingang der Suppenküche «, schrieb eine Journalistin, die dort aushalf. » Ich hätte heulen können, als ich Teebecher, Brot und Butter in die zitternden Hände alter Männer legte, die noch in ihren Schlafanzügen aus den Trümmern befreit worden waren, alte Frauen mit Blut in ihrem weißen Haar, staubbedeckte Kleinkinder, Väter, deren Kinder noch unter den Trümmern lagen. Es ist ihre rührende Dankbarkeit für das Wenige, das wir für sie tun können, was mich so bewegt. «25 Friedelind stellte in London umgehend einen Antrag auf Ausreisegenehmigung. Toscanini hatte aus der Ferne bereits versucht, ihre Ausreise zu erreichen. Er fühlte sich verantwortlich für das weitere Wohlergehen der 22-Jährigen, die ohne finanzielle Ressourcen, ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung, aber mit künstlerischen Erfahrungen und einem unbändigen Drang nach einem Aktionsfeld nun festsaß. Am 17. September war sie noch voller Hoffnung auf eine baldige Überfahrt nach Buenos Aires. Ihr Rechtsanwalt Woolley konnte ihr mitteilen, dass er die Reise mithilfe des Dirigenten arrangiert habe, der alle Kosten übernehmen würde.26 Südamerika war die einzige Möglichkeit für sie, aus der derzeitigen Untätigkeit herauszukommen, und sie plante, von dort 172

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aus in die USA zu reisen. Bald lag das argentinische Visum vor, es haperte aber am » Exit Permit «, der Ausreiseerlaubnis. Noch immer zögerten die britischen Behörden. Am 5. Oktober 1940 wurde ihr Antrag abgelehnt. Sie war schockiert, denn damit hatte sie nicht gerechnet. Obwohl Baxter umgehend zahlreiche Briefe schrieb, um die Angelegenheit zu beschleunigen, ging nichts voran. Kurz darauf mussten alle Gefängnisinsassen umziehen – fünf Minuten entfernt nach 101, Nightingale Lane, in » The Residential School for Jewish Deaf & Blind Children«, ein Heim für hör- und sehbehinderte jüdische Kinder. Da die Kinder kurz zuvor evakuiert und aufs Land geschickt worden waren, stand das Gebäude leer. Friedelind hatte ihren Humor nicht verloren und schrieb über das Heim, » das hochkoscher ist und wahrscheinlich recht dünne Wände hat ! Ist das nicht ein Witz ? ? Wenn das unser Wolf wüßte – der Schlag würde ihn rühren. Die verlorene Tochter – im jüdischen Taubstummenheim … ! ! ! Ich lache überhaupt ununterbrochen – alles ist so komisch, obwohl es eigentlich recht traurig ist. Aber man muss doch wenigstens noch etwas Galgenhumor beibehalten. « Sie war mit etwa 150 Frauen zusammengepfercht und schlief in einem Saal auf einer Matratze. Das Gebäude war von Stacheldraht umgeben, eine Flucht unmöglich. Nach einiger Zeit wurde wenigstens der Stacheldraht entfernt, und es wurde den Frauen gestattet, im Garten umherzugehen, freilich von Wachleuten kontrolliert. Kontakt mit Außenstehenden war nicht erlaubt. Es gab nicht einmal ein Radio für die Inhaftierten, die Behörde ordnete aber nach einiger Zeit den Erwerb eines Geräts an.27 Friedelind wird trotz ihrer Abgeschiedenheit mitbekommen haben, dass die Deutschen auch sogenannte Baedeker-Überfälle durchführten : Sie suchten die Städte nach den kulturellen Schönheiten aus und bombardierten im November 1940 Coventry mitsamt der Kathedrale ( zynisch » Operation Mondscheinsonate « genannt ), später Bath und Norwich. Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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Wie auf der Insel mussten die Frauen sich etwas einfallen lassen, um nicht in Depression zu verfallen. Auch hier wurde musiziert und vorgelesen, so spielte eine Geigerin eine GriegSonate. » Ich las Die Ideale von Schiller vor, die mich zutiefst berührten – man findet, wo man geht und steht, Parallelen ! «, schrieb Friedelind. Sie las gut vor, hinterher weinten einige ihrer Zuhörerinnen. Sie plante einen » Unblöden Nachmittag «, bei dem sie den in Port Erin erlernten Steptanz vorführen würde, » um die anderen zum Lachen zu bringen «. Jiddisch beherrschte sie inzwischen recht gut. » Der Ton ist besser als auf der Insel, man weiß wenigstens, mit wem man zusammen ist. Hier, wo es um die Ausreise geht, sind es meist Juden und solche, die unverdächtig sind. «28 Sie konnte aber nicht immer heiter bleiben. Es quälte sie, nur selten allein sein zu können. Tagsüber verkroch sie sich in ein Zimmer, wenn es auch sehr kalt war. Aber abends zwischen 19 und 23 Uhr gab es » Weibergetratsche «, dem sie sich nicht entziehen konnte. Die Trennung von Jeanette, die auf der Insel hatte bleiben müssen, fiel ihr schwer, und die Zeilen, die sie an sie richten durfte, wurden ihr unentbehrlich, um die quälende Warterei zu überbrücken. Erlaubt war nur spezielles, weiß glänzendes Papier in einem länglichen Format, wobei man die Enden zusammenfalten musste. Dies erleichterte der Zensur, die Briefe zu öffnen, denn es gab keine Klebekanten. Manche sind mit einem Etikett überklebt » Opened by Examiner 5264 « oder tragen einfach den Stempel » passed «. Beide Frauen mussten daher abwägen, was sie sich mitteilten, sie schrieben sich häufig. Im Oktober beispielsweise schickte Friedelind mindestens elf Briefe. Rechnet man die Gegenbriefe hinzu, waren sie in ständigem Kontakt. Friedelind richtete ihre Zeilen an ihre » süße Kleine «, » Goldigste «, ihr » darling angelface «, » geliebtes Lumpilein « und » liebstes Putzelchen «. Immer wieder mobilisierte sie ihre eigenen Kräfte, um die Freundin und damit sich selbst aufzumuntern. So beschwor sie Jeanette, » Kraft 174

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und Mut wie Leonore « ( aus Beethovens Oper Fidelio ) zu haben und sich nicht vor der Zukunft zu fürchten : » Bald wird das Schlimmste überstanden sein … Ich vermisse dich ganz schrecklich, mein Liebling – manchmal fühle ich mich elend beim Gedanken daran, dass ich die Welt so ganz alleine besiegen muss. Aber wir müssen alle unserer Bestimmung folgen – es gibt eine ! Halte das Kinn hoch, mein Liebling ! … Bisher kam nach jedem Sonnenuntergang immer wieder die Morgenröte … Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis ! Wenn ich nichts gelernt habe in all den Monaten, so habe ich doch wenigstens dieses Wort verstehen gelernt – in seiner ganzen Tiefe und Bedeutung. Und alles Erleben messe ich an ihm, damit es seine richtigen Proportionen gewinne. «29 Dann aber brach doch die Sehnsucht durch : » Ich wünschte, ich wäre noch bei Dir, oder viel mehr, Du kämst schon mit mir, to take care of you. Ich weiß, wie sehr du einen kleinen Seelsorger brauchst … Ich umarme dich vielemale und küsse dich liebevollst ohne Dich rot zu machen ! Immer Deine Mausi. « Sie fühlte sich als Beschützerin, versuchte Jeanette aufzubauen und sprach ihr Mut zu, wobei sie selbst nervlich im höchsten Maße angespannt war. So sehr sie wünschte, dass Jeanette nach London käme, fand sie es besser für sie, auf der Insel zu bleiben, da sie dort vor dem Bombenhagel sicherer war als in London, wo der » Blitz « weiter wütete. Von ihrer Familie abgeschnitten, ohne zu wissen, wie es weitergehen würde, brachte sie ihre Tage zu. Die Warterei nahm Friedelind mit. Ihre Entlassung verzögerte sich weiter, angeblich weil irgendetwas nicht ausgefüllt war ( in Wirklichkeit, weil man immer noch prüfte, ob sie eine Agentin oder  eine wahre Gegnerin des Nationalsozialismus sei ). Die Behörden waren überfordert. Ein niedriger Personalbestand und eine veraltete Organisationsstruktur führten zu überlangen Wartezeiten, was den Verantwortlichen durchaus bekannt war, jedoch nicht so rasch geändert werden konnte. Im NovemHinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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ber schrieb Friedelind : » Meine Sache geht auf Schneckenfüßen ( haben Schnecken Füße ? Ich fürchte nein ! ) und ich komme mir wie ein Acrobat im Geduldsüben vor. Meine Strickarbeit ist der einzige Beweis, dass die Zeit vorwärts schreitet. « Sie las viel, bis ihr der Kopf rauchte, oder führte Selbstgespräche. Wenn kein Bombenalarm war, sang sie draußen im Garten die Kastanienbäume an. Woolley hatte angedeutet, dass sie von Südamerika nach New York reisen könne, wobei unklar blieb, wie lange sie in Buenos Aires bleiben müsste. Sie begann bereits zu planen und nahm sich vor zu erwirken, dass Jeanette dort die Senta und Elisabeth singen könne, und bat sie sogar, sich daraufhin die Partituren anzuschauen. Auch Isoldes Liebestod aus Tristan und Isolde sollte sie einstudieren. Sie freute sich auf den Tag, an dem sie sie einem argentinischen oder nordamerikanischen Publikum vorstellen könnte, und sah sich schon als Regisseurin. » Alles wird gut werden ! «, schrieb sie, als wollte sie sich selber Mut zusprechen. Ihre Gefühle die bevorstehende Reise betreffend waren ambivalent : » Letztens war ich drauf und dran, loszuheulen, weil ich nach Buenos Aires fahre. Dann sagte ich mir, dass ich dumm sei und sehr undankbar. Doch fühle ich mich immer noch wie ein Paket, das man mit einem Etikett versehen und irgendwohin verfrachtet hat. « Die Konzerte in der Gefangenschaft, in denen Jeanette so häufig gesungen hatte, gingen ihr durch den Kopf : » Wie vermisse ich  die Freitag-Abende ! Ich gönne sie den anderen Leuten fast  gar nicht. Aber ich tröste mich – ich weiß ja, dass Du beim  Singen  hin und wieder ein bischen an die Schülerin denkst – so zwischen den Ritzen der wirklichen Gedanken. « Sie dachte viel an die Freundschaften, die sie auf der Insel geschlossen hatte. Nun waren sie verloren, vermutlich entlassen, und ihr war » weh ums Herz dabei «. Als Bekannte von der Insel ankamen, berichtete sie Jeanette gleich davon : » Ruth gab mir einen Kuss, obwohl ich natürlich das Original vorgezogen 176

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hätte … « Sie wollte einerseits schnell ihr Visum bekommen und abreisen, andererseits aber auch Jeanette wiedersehen. Sie würde aber » tausend Tode « sterben, wenn Jeanette nach ihrer Abreise nach Südamerika in Wandsworth eingeliefert würde. Es fiel ihr schwer, nur kurze Briefe schicken zu dürfen. » Wenn ich nur mal einen richtigen Mausibrief schreiben könnte – die hörten überhaupt nicht auf. Ich kann mich so schlecht in wenig Worten ausdrücken oder konzentrieren, wenn ich an jemanden besonders Liebes schreibe ! Daher die Abgehacktheit. Am schönsten wäre ja, wir brauchten gar nicht schreiben, sondern wären zusammen. Ich umarme dich zärtlichst – erwidere jeden Kuss – leider nur brieflich – vervielfältigt – und habe dich so lieb – stets Deine Mausi … Ich vermisse dich ganz furchtbar, meine Süßeste – ich empfinde es immer stärker, da man allmählich begreift, dass man sein Umfeld nicht nur für einige Tage verlassen hat, sondern für immer. «30 Am 27. September 1940 erhielt sie das ersehnte Visum und fühlte sich gleich viel besser. Sie rechnete nun damit, in etwa zwei Wochen die Ausreisegenehmigung zu erhalten und abzureisen. » Hier schläft Alles mit den Visas im Arm auf den Matratzen, man hütet seine Papiere wie früher seinen › Augapfel ‹. « Berta Geissmars Haus war kurz zuvor teilweise zerbombt worden, und so wohnte Berta jetzt in Friedelinds Zimmer. Diese plante daher, nach der Entlassung bei Lady Crosfield unterzukommen. Da sie Gesangunterricht bei Elena Gerhardt gehabt hatte, überlegte sie, ob sie nach der Entlassung zu ihr zurückkehren sollte, nicht ahnend, dass man sie direkt von dem Ort ihrer Gefangenschaft aus in Begleitung zum Schiff bringen würde. Als sie ihre Bögen für Argentinien ausfüllen musste, kam sie sich ganz feierlich vor, denn bei der Rubrik » Beruf « schrieb sie zum ersten Mal » Regisseur «. » WIE lange wartete ich darauf ! Genau so sehnsüchtig, wie einstmals aufs Mündigwerden ! ! Ob ich nun aber auch ein guter Regisseur werde ? Ich habe schon schlaflose Nächte, weil ich in GedanHinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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ken dauernd insceniere. Darüber vergesse ich ganz das Gebrause draußen – oder es paßt als Donner dazu. Der Großvater konnte ja auch Geräusche machen. Süßes, ich brauche dich unbedingt, sonst werde ich ein ganz schlechter › producer ‹ vor dem Herrn ! « 31 Im Februar 1941 erfuhr sie, dass Daniela verstorben war. » Es war ein unerwarteter Schock und ich kann es noch immer nicht glauben «, schrieb sie Toscanini. » Ich bin sehr, sehr traurig, weil ich sie mehr als jeden anderen Menschen in der Familie liebte. Und ich weiß, was Ihnen der Verlust bedeutet haben muss, liebster Maestro. Es gibt so wenige des alten Bayreuths noch – aber so lange ich noch einen Atemzug tue, lasse ich nicht seine Seele sterben. « Sie erwähnte noch, dass die Tanten sie » Oceana « genannt hätten, und war zuversichtlich, dass der Ozean sie problemlos nach Buenos Aires bringen würde.32 Die ersehnte Freilassung zog sich Woche um Woche hin. Um sich die Zeit zu vertreiben, las sie Goethes Iphigenie, Egmont und Tasso, übte Tenorpartien ein und sang die » Blumenarie « aus Bizets Carmen sowie » Holde Aida « mit den nötigen italienischen Schluchzern. Sie sang sich den ganzen Tristan vor oder ging im Geiste die Leonoren-Ouvertüre durch. » Ist das eine gute Mischung ? « Aber ihre Liebe war fest bei Wagner verankert. » Ich habe schreckliche Sehnsucht nach Tristanmusik. Dabei habe ich das Gefühl, dass ich sie gar nicht hören könnte, ohne zumindest etwas verrückt zu werden – es ist ja alles pures Gift für unsere verkalkten Gehirne. Süße, wie sieht ein Opernhaus aus ? Und wie ein Bett ? Beides weiß ich nicht mehr. Und nach Beidem sehne ich mich – obwohl der Gedankengang ein etwas wirrer scheint. « Ihr Rechtsberater Woolley kam Ende Dezember zu Besuch, konnte ihr aber noch immer keine Hoffnung machen. » Vor Ende März ist keine Aussicht auf ein Schiff, und dann ist nicht gesagt, ob für mich ein Platz zu haben ist. Nach US gehen augenblicklich auch keine Schiffe und für jetzige Begriffe ist 178

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das gar nichts Anormales. Da ich darauf gefaßt war, war der  Schrecken nicht so groß … Das ganze augenblickliche Leben kommt mir vor wie eine ewige Dämmerung, kein Lichtstrahl – aber auch nicht finstere Nacht. « Sie hoffte, dass Jeanette ihr nachreisen würde. Sie wären dann » normale Menschen, ohne 5000 eifersüchtige Katzen drumherum, und eine Atmosphäre, die etwas künstlerischer ist – ach, von Oper zu sprechen und niemanden damit zu stören ! « Sie flüchtete in die Kunst, um das Leben zu ertragen. » Das Deprimierendste sind die entsetzlichen Einzelschicksale – fast ein Jeder hat Unvorstellbares durchgemacht. Da komme ich mir recht wie ein Baby vor – alles entrückt und gewinnt die richtigen Proportionen. Ich finde, alles ist gut, solange man Menschen in der Welt hat, die man liebt und die einen lieben ! Von dieser Perspektive aus gesehen, mein Süßes, sind wir noch und noch sehr reich. Gelt ? ? « Doch die Tage wollten einfach nicht vergehen. Sie las sogar einen französischen Liebesroman : » Seit dem Internment bin ich ja überhaupt grenzenlos gebildet … Ich warte und warte ! «, stöhnte sie am 21. Oktober. Aber ihre Zuversicht verließ sie nie. Einmal träumte sie, Jeanette sei auf der Bühne, Puccinis Butterfly singend, und zugleich im Publikum – neben ihr war kein Sitz für Friedelind frei. In ihren Tagträumen sah sie Jeanettes Namen zusammen mit dem ihren auf einem Programmzettel stehen – » dann hätten wir das Sprungbrett für New York «.33 Die US-Metropole blieb ihr ersehntes Ziel, und ihr Optimismus war unverwüstlich. » Ich will versuchen, zum nächsten Sommer entweder Tannhäuser oder Holländer in Buenos Aires durchzudrücken. Kleiber möchte Beides machen. Den Holländer haben wir vor 11/2 Jahren zusammen besprochen als ich ihn zuletzt in Paris sah. Die drei Akte ohne Pause, wie in Bayreuth. « Der Dirigent Erich Kleiber war 1935 vom Naziregime gezwungen worden zurückzutreten, weil er missliebige Kompositionen aufführte ( u. a. von Krenek, Milhaud und .

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Strawinsky ). Er emigrierte nach Kuba und später nach Buenos Aires. » Wie die Monate sausen. Das ist noch EIN Gutes ! Vor zwei Jahren war ich zu einem wunderbaren Hochamte in Notre Dame – wie mag es heute da aussehen ? Man darf gar nicht daran denken. Alles › Versunkene ‹ scheint in der Erinnerung doch nur wie gestern – und Gottlob bleibt immer nur das Schöne haften. Wäre es nicht so, dann würde ich überhaupt nicht an die letzten 10 Jahre zurückdenken wollen, die ein Albtraum waren. Da aber nur die Lichtpunkte hervorstechen – hilft es jetzt recht oft ! Wenn es da oben am Himmel recht surrt und bumst, fange ich an, eine Symphonie von A – Z durchzunehmen – und vergleiche mir die Tempi der verschiedenen Dirigenten. Du weißt natürlich, dass ich das bei EINEM [Toscanini] scheue, weil jene Eindrücke viel zu stark waren, um nicht Alles andere daneben verblassen zu lassen. Dann frage ich mich natürlich, ob ich je wieder solche Konzerte erleben werde ? «34 In ihrer lebhaften Phantasie inszenierte sie immer wieder Opern. » So viele Dinge gewinnen Form und Vorstellungskraft und sind bereit, abgeschlossen zu werden. Es fehlt nur die Bühne – die Künstler etc. ! Ob es je soweit kommt ? Ob man je wird richtigen Wagner wieder aufführen, nachdem sie Bayreuth zertrampelt haben ? ? ! Und ob ich es wirklich je schaffen werde, meinen Teil dazu beizutragen ? Es ist gut und recht, an eine Vorsehung und eine Bestimmung zu glauben – ist man heutzutage aber nicht doch dem Zufall überlassen ? … Vielleicht – wenn wir alle diese schwerste aller Prüfungen im Leben hinter uns haben – wird man klarer sehen – und vielleicht sogar einsehen, dass es so hat sein müssen. Das Leben formt uns. Und es zeigt sich jetzt mehr denn je, wer man ist – ob man zur Auslese gehört oder zur stumpfen, vegetierenden Masse. Alles Angelernte, Falsche fällt in derartigen Situationen vom Menschen ab und er zeigt sich in seiner ganzen Größe – oder erbärmlichen Kleinheit. «35 Ihre wechselnden Stimmun180

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gen, das Schwanken zwischen emotionaler Nähe und kühler  Distanz erinnern an die Erfahrungen des Dichters Elias Canetti, der unweit von ihr zur gleichen Zeit in Hampstead Heath die Flieger am Himmel beobachtete : » Die Verbindung von Aufregung und Kälte während dieser Stunden sind mir in der Erinnerung daran das Unbegreiflichste. «36 Es war die bislang schwerste Prüfung für sie. Eingesperrt mit 150 Frauen, die alle unter höchster Nervenanspannung standen, und dann mit der Unsicherheit und Angst leben zu müssen, war wohl das Schlimmste. » 10 Wochen bin ich nun schon hier – ich sollte mich nicht wundern, wenn es 20 würden bei dem Schneckentempo, mit dem die Dinge sich entlangschleppen. Es ließe sich leichter tragen, wenn man nicht immer die › gräßliche Ungewißheit ‹ des Ausganges hätte – und sich dazu fragt : warum eigentlich ? ? ? « Der britische Geheimdienst war sich noch immer uneinig, ob sie nicht doch eine Agentin sei ; ihre Bekanntschaft mit der Nazielite machte sie verdächtig. Ein für seine Gegnerschaft zu den Nazis bekannter, jedoch namentlich in den Akten nicht genannter Schriftsteller bekam den Auftrag, sie zu interviewen, und er tat sich schwer mit seinem Urteil, da er sie weder gegen noch für die Nazis eingestellt fand : » Es ist eher so, dass sie kein wirkliches Verständnis für die heutige politische Realität besitzt. « Das verwundert, weil sie sich Toscanini gegenüber eindeutig gegen die deutsche Politik geäußert hatte. Vermutlich kam der Interviewer zu diesem Ergebnis, da sie ihm sagte, ihr Hauptinteresse sei nicht die Politik, sondern die Opernregie vor allem von Wagners Werken. Auf seine Frage, ob sie nicht Angst um ihre Familie habe, weil sie sich in Feindesland befinde, erwiderte sie, sie seien außer Gefahr, weil sie sie verstoßen hätten. Der Schriftsteller schloss mit dem Urteil : » Ich glaube nicht, dass sie eine Nazi-Agentin ist. «37 Jeden Abend ging sie mit den Mithäftlingen im eingezäunten Areal spazieren. Wenn aber Verdunkelung angesagt war, Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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blieb sie allein draußen, während die Gruppe ins Haus zurückkehrte. Selbst der Bombenkrater in der Nähe war nun unsichtbar, alles um sie herum war pechschwarz. Ihre Gedanken kreisten um den so verehrten Dirigenten, und sie notierte sie und hob die Blätter bis zu ihrem Lebensende auf. » Ich schaue auf zu den Wolken, um ein kleines Zeichen des Himmels zu erhalten – etwas, das schöner ist als dieses Elend auf Erden. Ich  beginne ein Gespräch mit dem Allmächtigen …, aber plötzlich höre ich, wie ich den Maestro anrufe. So nannte ich Gott niemals, ich verwechsle beide. Warum bitte ich ihn in New York um Kraft, und nicht von den unsichtbaren Himmeln, warum schicke ich ihm meine Bekenntnisse, warum will ich nur noch weiterleben, um ihn wiederzusehen ? « Sie weinte und erkannte dann einen Stern – einen kleinen Lichtstrahl in der Dunkelheit, der sie tröstete.38 Toscanini hatte ihr beigestanden, als ihr Vater starb, er war für sie da gewesen, als sie 1937 die englische Schule besucht hatte und seinen Proben hatte beiwohnen dürfen, und sie setzte jetzt all ihre Hoffnung auf ihn, stilisierte ihn zum wahren Freund und Retter. Er erfüllte diese Rolle bravourös, war sogar für die praktischen Dinge des Alltags zuständig. Ihr Anwaltsbüro bat Toscanini um 200 Pfund, damit sie sich Garderobe und andere Dinge für die Reise kaufen konnte, und er unterstützte sie. Beverley Baxter war verständlicherweise bestürzt über ihre Internierung und versuchte, durch das politische Geflecht hindurch eine Lösung für sie zu finden. Er wandte sich an Sir Samuel Hoare vom Außenministerium sowie an R. A. Butler, den Untersekretär des Außenministeriums, und bat sie um Hilfe. Beide meinten, sie könnten nichts ausrichten, und überstellten den Fall dem Innenministerium. Daraufhin meldete sich Baxter im Unterhaus zu Wort, und am 3. Dezember 1940 gab es im britischen Parlament eine Diskussion über sie. Es empörte ihn, dass man sie als Feindin behandelte. In seinem Plädoyer39 für ihre beschleunigte Entlassung betonte er, dass 182

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sie früher Hitler verehrt, dann aber die Meinung geändert habe, und gab an, dass er es gewesen sei, der ihre Übersiedlung nach Großbritannien mithilfe des Außenamts betrieben hatte. Er erwähnte Arturo Toscanini, der ihr einen Posten in Buenos Aires angeboten habe. Ihm entgegnete der ( ebenfalls den Konservativen angehörende ) Untersekretär des Innenministeriums, Osbert Peake : » Fräulein Wagner ist nicht vor der Unterdrückung der Nazis geflohen, sondern ist eine normale Deutsche, und ihr Fall ist eine Ausnahme. « Er befürwortete dennoch ihre Ausreise – wohl eher, um sie loszuwerden, als um ihr zu helfen.40 Die Unsicherheit der Behörden dürfte durch das Geheimdossier verursacht worden sein, das über sie vorlag. In einem Dokument stand : » Berichte über sie sind widersprüchlich. Sie scheint ein etwas labiles Gemüt zu besitzen und könnte zu ihrer früheren Liebe zurückkehren und wieder die Nazis unterstützen. «41 Während ihre frühere Geschichtslehrerin in Brighouse, Dorothy Stead, betonte, sie sei damals » sehr für Hitler « gewesen und habe überall den Hitlergruß demonstriert, kam man mehrheitlich zum Ergebnis, ihr Ehrgeiz und Streben sei in erster Linie musikalisch begründet und nicht politisch-patriotisch. In einem Zeitungsartikel zu ihrer Verteidigung nennt Baxter sie zwar » dickköpfig, selbstherrlich und  taktlos «, fügt dann aber hinzu : » Aber Richard Wagner war ihr Großvater und er besaß ebenfalls diese Eigenschaften. « Damit konnte er die Kritik an ihrer Person kontern, man kam aber zu keiner Einigung. Die parlamentarische Diskussion wurde sofort in Deutschland bekannt, denn Winifred erhielt am 3. Dezember erstmals die Information, dass Friedelind interniert sei.42 Später erfuhr Friedelind durch Toscanini, der es ihr nach ihrer Ankunft in Buenos Aires erzählte, warum sie so lange in London aufgehalten worden war : Ihr wurde die Ausreiseerlaubnis verweigert, weil man sie in der Schweiz und in ItaHinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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lien mit einer nachrichtendienstlich beschatteten Person gesehen habe.43 Das war wieder die Baronin von Einem, die Friedelind nach dem Krieg so viel Not bereiten sollte und derentwegen es schon einen Streit zwischen ihr und der Mutter gegeben hatte, weil Friedelind beschuldigt wurde, ebenfalls eine Art Spionin zu sein. Es war aber auch ihre Wandlung von der mit Hitler befreundeten Nazianhängerin hin zur dezidierten Gegnerin, die die Verwirrung um ihre Person stiftete. Ob die Information über die Baronin aber aus zuverlässiger Quelle kam, ist unsicher ; es können auch andere Gründe eine Rolle gespielt haben. Der skeptische Politiker Osbert Peake, der im Parlament schon Zweifel an Friedelinds Nazigegnerschaft geäußert hatte, schrieb am 12. Dezember 1940 in der Daily Mail, obwohl man wisse, dass Fräulein Wagner sich in Zeitungsbeiträgen gegen Hitler gestellt habe, sei sie bekanntlich mit ihm befreundet gewesen, und die Berichte des britischen Konsulats in der Schweiz seien nicht besonders günstig gewesen.44 So vergingen Tage und Wochen. Weihnachten war ein Geschenk des Himmels, denn es gab drei Ruhetage – drei Tage lang keine Bomben ! –, die sie an die » weit entfernten normalen Zeiten « erinnerten. Im Hintergrund wurde für sie gearbeitet ; Toscanini bezog sogar den US-Botschafter Joseph Kennedy, den Vater des späteren US-Präsidenten, in seine Bemühungen ein. Der Botschafter hatte dem Dirigenten schon einmal 1939 beigestanden und ihm mittels Druck auf Mussolini zu einem Pass verholfen, als er in Italien festgesessen hatte, weil man ihm die Ausreise verweigerte.45 Am 8. Februar 1941 wurde Friedelinds Entlassung ein weiteres Mal verschoben. Sie nutzte die Zeit, um Jeanette eine Bettjacke zu stricken : » Mit viel Liebe fabriziert – eine jede Masche ein Wunsch für Dich und ein liebevoller Gedanke – und ganz alleine gemacht ! « Ein Neuankömmling war von der Insel eingetroffen, » wie alle weiß sie alles besser und versieht uns Alteingeborenen mit Etzes oder wie sich das auf jiddisch schreibt. 184

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Mich interessiert sie gar nicht, da sie nichts von Dir weiß, oder vielmehr nie bei den Services war. Ganz gleich wo ich sein werde, Du wirst mir immer ganz ganz nahe sein – und Entfernungen gibt es nicht. Tausend innigste Umarmungen – viele zärtliche Küsse, immer Deine Mausi … › Zwei-einig geht der Mensch am best’ ‹ findest Du bei Wagners Hans Sachs – und Recht hat er. « Jeanette kannte den zweiten Akt der Meistersinger ebenso gut wie sie. » Viele viele zärtliche Küsse und Umarmungen – und Dank für so viel Liebe, Wärme und Verstehen, Immer und Immer Deine Mausi. « Lady Crosfield, die sich rührend um Friedelind kümmerte, besuchte sie, und es gab einen » bewegenden Abschied. Überall lässt man ein bisschen von seinem Herzen – in der ganzen Welt zerstreut – und man selbst fühlt sich immer einsamer … So ist nun mal das Leben ! Es ist eine schreckliche Sache. «46 Es war eine strenge Prüfung für die Erlebnishungrige und Umtriebige, die Reisen und Aufenthalte im In- und Ausland unternommen hatte, stets von vielen Menschen umgeben. Die nächsten Verwandten hatten sich von ihr abgewandt, selbst Frida Leider, die so sehr unter der Naziherrschaft zu leiden hatte, hatte sie dringend davor gewarnt, Deutschland zu verlassen. Sie war isoliert. Ihr blieb nur noch Toscanini, der ihre Schritte guthieß und ihr helfen wollte. Zudem musste sie mit einer sarkastischen Presse fertig werden. So mokierte sich die Zeitschrift The Cavalcade am 14. Dezember 1940 über das Aufsehen, das sie verursachte : » Mr. Baxter brachte sie nach Britannien ; Mr. Peake tat sie hinter Schloss und Riegel ; Mr. Baxter wollte sie aus Britannien herausbekommen ; Mr. Peake möchte sie gehen lassen ; Mr. Toscanini bietet ihr einen Job in Argentinien an. Es fehlt nur noch jemand, der › auf Wiedersehen ‹ sagt. «47 Für eine 23-Jährige, die voller Hoffnung nach England gereist war, war diese Verhöhnung sicherlich schwer erträglich. Über Woolley schickte ihr Toscanini häufig Botschaften, Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941

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die sie beglückten. Er blieb ihr künstlerisches Idol, wenn sie beispielsweise an die Regiearbeiten dachte, die sie einmal ausführen wollte : » Hätte ich nicht jenes leuchtende Vorbild – wer weiß, ob ich’s schaffte ? « Aber auch politisch hatte er sie beeinflusst. Kurioserweise hatten die antisemitisch eingestellten Tanten Friedelinds Annäherung an den Dirigenten durch ihre Schwärmerei gefördert, und ausgerechnet er trug nun dazu bei, ihr die Augen über die wahre Lage in Deutschland zu öffnen. » Wie soll ich ihm nur danken. Was für ein Engel ist er mir gegenüber. Wäre es nicht das Wissen um seine Freundschaft und Zuneigung, ich weiß nicht, wie ich es so viele Monate lang durchgehalten hätte. « Endlich war es so weit. Friedelind behauptete später, durch Intervention der Ehefrau des Verlegers der Washington Post, Agnes Meyer, die sich direkt an Winston Churchill wandte, die Ausreise erhalten zu haben48, aber vermutlich war Toscaninis Einfluss entscheidend. Am 14. Februar 1941 wurde sie aus der Londoner Internierung entlassen und in Begleitung eines Beamten nach Glasgow gebracht, der sie einen Tag später auf der Andalucia Star einschiffte. Ihr Koffer mit Büchern, Fotos, Papieren und anderem war auf Anordnung vorher durchsucht worden, aber man hatte nichts Verdächtiges finden können. Dennoch wurden große Teile ihres Buchmanuskripts in England belassen. Vom Schiff aus telegrafierte sie Toscanini, dass sie eine herrliche Reise genieße, ohne Aufregung, mit einem sanften Meer.49 Auf verschlungenen Wegen gelangte die Information über ihre Entlassung und Abreise nach Bayreuth. Eva Chamberlain  schrieb am 25. Februar an Ellen Beerli : » Dass Sie mir Beruhigendes über unser Sorgenkind melden konnten, war eine große Wohltat, die auch in Wahnfried als solche wirkte. Endlich kein Gerücht mehr, sondern Thatsachen ! Gott gebe eine ersprießliche Befestigung dieser abenteuer-reichen Existenz ! «50 186

In England

8 » Mein Herz ist übervoll « Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

Am 1. März wurde der Äquator überquert ; am 5. März legte das Schiff im brasilianischen Rio de Janeiro an, vier Tage darauf war Montevideo erreicht und am Tag darauf das Ziel, die argentinische Hauptstadt Buenos Aires. 23 Tage hatte die Reise gedauert, und das Schiff war lediglich einem Unterseeboot begegnet, dem man mit hoher Geschwindigkeit entkam. Nach den Erfahrungen des » Blitz « in London konnte Friedelind kaum mehr etwas aus der Ruhe bringen. An der Anlegestelle holte sie der Österreicher Erich Engel ab, zusammen mit seiner Gattin, der Sopranistin Editha Fleischer. Der Direktor des Teatro Colón lebte seit 15 Jahren in Buenos Aires und arbeitete eng mit den Dirigenten Erich Kleiber und Fritz Busch zusammen. Editha Fleischer hatte zwischen 1926 und 1936 über 400 Mal in der New Yorker Metropolitan Opera gesungen und unterrichtete jetzt in Argentinien. Engel überraschte Friedelind mit der freudigen Nachricht, dass Toscanini drei Monate später bei ihnen dirigieren würde. Von einer Tätigkeit Friedelinds am Opernhaus war nirgends die Rede, obwohl Toscanini den britischen Behörden gegenüber behauptet hatte, sie würde dort als Regisseurin arbeiten. Er ließ wohl den Plan fallen, nachdem sie Zweifel geäußert hatte : » Wie könnte ich je auf einer Bühne was leisten, die ich 187

noch nie gesehen habe – in einem Land, wo ich noch nie war – mit Künstlern und einem Chor zu arbeiten, die mir neu sind und von denen ich nichts weiss – mitten in einer Saison, die bereits in voller Blüte ist – wo ich nichts meinen Wünschen entsprechend verändern könnte ? Ich hätte einige Wochen zur Verfügung, um eine Aufführung, die nicht von mir stammt, kurz vor dem Schluß zu beeinflussen – und die wäre mit meinem Namen versehen, was eine hübsche Reklame für die Oper wäre, aber nicht für mich. «1 War es die Last ihres berühmten Namens, die sie zögern ließ, weil sie glaubte, dass man von ihr eine besondere Qualität verlangte ? Jedenfalls vergab sie die Chance, auf bescheidener Stufe in die Regiearbeit einzusteigen, wie es beispielsweise der Sohn von Fritz Busch, Hans Peter, tat. Es gab großzügige Anlagen und Avenidas in der Hauptstadt, einen recht lauten Großstadtverkehr im Zentrum, der von Polizisten dirigiert wurde, viele Kleinbusse, » quietschende Straßenbahnen, moderne Hochhäuser, Kinosäle, Theater, Restaurants, Pizzerias und gut sortierte Geschäfte «.2 Argentinien hatte strenge Einreisebestimmungen, nahm aber im Vergleich zu anderen Ländern eine große Zahl jüdischer Flüchtlinge auf. Das Land war nach den USA und Palästina zum wichtigsten Auffangbecken außerhalb Europas geworden. In den Jahren 1933 bis 1945 wanderten etwa 40 000 deutsche Juden in Argentinien ein, die vor dem nationalsozialistischen Terror geflohen waren. Allerdings lebten auch viele deutsche Nazianhänger dort, was Friedelind mit Unmut vermerkte.3 Man konnte deutschsprachige Zeitungen lesen, z. B. das liberal gesinnte Argentinische Tageblatt, das Antinazikarikaturen enthielt, und es gab eine lebendige jüdische Gemeinde und ein anspruchsvolles jiddisches Theater. Im Ludwig-Tietz-Heim, einem Treffpunkt von Emigranten, fanden Konzerte mit Musik von Beethoven und Haydn statt4, aber nichts deutet darauf hin, dass Friedelind sie besuchte. Stets kritisch, was Musikdarbietungen 188

» Mein Herz ist übervoll «

betraf, wartete sie lieber auf die Ankunft ihres verehrten Dirigier-Vaters. Sie lernte etwas Spanisch und war froh, dass niemand beim Einkaufen lachte, wenn sie Waren verlangte. Es war herrlich für sie, endlich wieder eine beleuchtete, unzerstörte Stadt zu sehen, im Nachthemd ( und nicht in voller Kleidung ) einzuschlafen und Salat essen zu dürfen. Es gab also Abwechslung im Vergleich zum kargen Londoner Lagerleben, aber das war es nicht, was sie suchte. Nach monatelanger Gefangenschaft war ihr die Überfahrt wie ein erlösender Aufbruch in Neuland erschienen, doch nun kam sie mit ihrem Einreisegesuch in die USA nicht voran. Sie wollte dort das amerikanische Bürgerrecht erlangen, und Buenos Aires erschien ihr wie eine lästige Zwischenstation. Von New York versprach sie sich ein Stück Lebenssicherheit, die ihr durch die Internierung und die anschließende Haft in London abhandengekommen war. Wieder stand sie vor einer Mauer, wieder hieß es warten, ohne Hoffnung auf ein absehbares Ende. An Jeanette schrieb sie später über diese Monate, die sich zu einer der größten Krisen ihres bisherigen Lebens ausweiteten : » Süßeste, ich hätte Dir gerne einen richtigen MausiBrief geschrieben, voller Mut und › mach-dir-keine Sorgen ‹ – aber wie konnte ich ? ? Bis vor kurzem war ich gar nicht mehr die Mausi, die Du kanntest – sondern jemand, die nur ein Verlangen hatte : nicht mehr leben zu müssen. Das muss wohl die Reaktion auf die ganzen schrecklichen Erlebnisse gewesen sein – die Nervenanspannung war nicht in Buenos Aires vorbei, sondern sie ging von vorne los. « Sie setzte sich einen Termin, bis zu dem sie noch ausharren würde : » Sonst hätte ich dem Ganzen ein Ende gemacht. « Dort warten zu müssen schien ihr schlimmer, als in einem Internierungslager eingesperrt zu sein oder von Bomben bedroht zu werden.5 Ihr Nervenkostüm war nach den Erlebnissen des Bombenhagels in London und der Gefangenschaft dünn geworden. Später beschrieb sie, wie schwer es ihr gefallen sei, wieder in Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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normalen Zeitkategorien zu denken. » Wenn Du Dich dem Tod so nahe gegenübersiehst, kann man kaum über die ersten fünf Minuten hinausdenken – und Du hast das Gefühl, dass Du alles in diese paar Minuten hineinstopfen musst, da Du sie vielleicht nicht überlebst. Ich brauchte einige Monate, um mich an die Normalität zu gewöhnen. «6 Dabei war sie privilegierter als andere, nicht nur als Enkelin eines genialen Musikers, sondern weil sie durch ihre zahllosen Opernbesuche in London, Paris und nicht zuletzt durch die Festspiele in Bayreuth so viele Künstler kannte. Die meisten jüdischen Künstler und Künstlerinnen waren inzwischen aus Deutschland ausgewandert, um der drohenden Vernichtung zu entgehen, und einige von ihnen hatten sich in Buenos Aires niedergelassen oder gastierten dort. Das Ehepaar Engel brachte sie mit anderen Musikern zusammen, die zur europäischen Elite gehörten. So ging sie beim Ehepaar Busch ein und aus. Fritz Busch ( 1890 – 1951 ), dessen Bruder Adolf sie als leitenden Geiger des Ensembles vom Toscanini-Konzert 1938 in Tribschen her kannte, hatte aus Verachtung für das Regime Deutschland verlassen. Von 1918 bis 1922 Generalmusikdirektor und Hofkapellmeister in Stuttgart, war er zu einem viel gefragten Operndirigenten avanciert, darunter an der Semperoper in Dresden. Er hatte sich auch in Bayreuth vorgestellt und eine Saison lang dort gearbeitet, war aber mit seinem Vorschlag, bessere Sänger einzustellen sowie Toscanini einzuladen, bei Siegfried nicht gut angekommen.7 Als er 1933 in Dresden von einem SA-Mob niedergeschrien worden war, hatte er Deutschland verlassen. » Zum Pech für die Nazis, die ihn gern behalten hätten, war er ein anständiger Kerl. Er schmiß alles hin : den schönen Titel › Generalmusikdirektor ‹ und das noch schönere Einkommen. «8 Busch arbeitete u. a. in Glyndebourne, wo er zusammen mit Carl Ebert das Opernfestival mit begründet hatte. Das Unternehmen, mitten in der englischen Landschaft, war seit seiner Gründung 1934 190

» Mein Herz ist übervoll «

rasch zu einem Ereignis von Weltrang avanciert. Als Friedelind anreiste, hatte Busch bereits einige Jahre lang die deutsche Stagione am Teatro Colón geleitet. Später, von 1945 bis 1950, arbeitete er als künstlerischer Leiter der Metropolitan Opera New York. Sie traf Josef Gielen, den österreichischen Schauspieler, Opernregisseur und früheren Direktor des Wiener Burgtheaters, der mit seiner Frau Rosa, der Schwester des Pianisten Eduard Steuermann, aus seiner Heimat geflohen war. Da sie als Jüdin in Deutschland nicht sicher war und sogenannte Mischehen politisch missliebig waren ( Tietjen hob deswegen Gielens Vertrag in Berlin vorzeitig auf 9 ), schiffte sich die Familie im Januar 1940 in Triest ein mit Ziel Argentinien. Das Teatro Colón, an dem er seit 1939 arbeitete, gab Josef Gielen einen Jahresvertrag, sodass er ein wenn auch bescheidenes Auskommen hatte. ( Der Sohn Michael, heute ein bekannter Komponist und Dirigent, war damals 13 Jahre alt. ) Auch Erich Kleiber ( 1890 – 1956 ) traf sie wieder. Der Dirigent war 1923 als Nachfolger von Leo Blech an die Staatsoper in Berlin berufen worden, blieb dort zwölf Jahre lang und hatte das deutsche Musikleben geprägt wie außer ihm nur noch Wilhelm Furtwängler und Richard Strauss. Neben der Pflege der Werke Beethovens und Wagners hatte er Alban Bergs Wozzeck ( 1925 ) und Leos Janáceks Jenu˙fa zur deutschen Ur- beziehungsweise Erstaufführung gebracht. 1935 war er zurückgetreten, weil das Naziregime die von ihm geförderten Werke von Alban Berg, Ernst Krenek, Darius Milhaud und Igor Strawinsky vehement ablehnte. Er war nach Kuba und später nach Buenos  Aires emigiert, wo er u. a. klassischen und romantischen Musikwerken zur südamerikanischen Erstaufführung verhalf. 1938 wurde ihm ehrenhalber die argentinische Staatsbürgerschaft verliehen. Ein Jahr vor Friedelinds Ankunft hatte er einen Zyklus mit allen Beethoven-Symphonien geleitet. Im September 1939 hatte sie ihm aus Tribschen geschrieben, und Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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er kommentierte ihre Zeilen : » Die kleine Wagner war viel mit Toscanini zusammen und schreibt, ich wäre der einzige der lebenden Dirigenten, von dem er nur gut spricht – an den anderen lässt er kein gutes Haar. Sie war auch mit Kipnis zusammen und erwartet die Revolution in Deutschland. Ihre Brüder sind im Feld, und Mama ist nicht mehr so begeistert pro Adolf ! «10 Ob da Wunschdenken im Spiel war ? Kleiber war  übrigens ein großer Verehrer von Toscaninis Dirigierkunst und er hatte auf seinen Reisen stets ein Foto mit einer Widmung des verehrten Kollegen dabei.11 Engel war bemüht, die besten Sänger nach Südamerika zu  holen. Einer davon war der Bassist Alexander Kipnis ( 1891 – 1978 ), den Friedelind seit 1927 aus Bayreuther Zeiten kannte. Rückwirkend erinnerte sie sich, damals seinen 1930 geborenen Sohn Igor in seinem Kinderwagen gesehen zu haben – der spätere Cembalist sei ein ungewöhnlich hübsches Baby gewesen.12 1935 hatte Kipnis Deutschland verlassen, weil er als Jude Verfolgungen ausgesetzt war, und häufig in den USA gastiert. Auch das Ehepaar Herbert und Erna Janssen kannte Friedelind seit Jahren, und sie freute sich, als sie im Juni in Buenos Aires eintrafen. Herbert Janssen ( 1892 – 1965 ) war in Bayreuth 1930 als Wolfram aufgetreten, 1931 als Amfortas, hatte noch 1937 den Heerrufer im Lohengrin gesungen, war als  Gunther in der Götterdämmerung und Kothner in den Meistersingern dabei gewesen und gehörte zu Tietjens Berliner Opernmannschaft. 1938 hatte er erstmals in Buenos Aires gastiert. Friedelinds Agenda verzeichnet zahlreiche Treffen mit den beiden : Autofahrten, Mittagessen, Abende, an denen man zusammenkam und seine Erlebnisse erzählte. Auch mit dem chilenischen Pianisten Claudio Arrau ( 1903 – 1991 ) freundete sie sich an, und man saß an manchem Abend zusammen. Er hatte in Deutschland studiert, war mit der Mezzosopranistin Ruth Schneider verheiratet und 1940 emigriert ; seine Frau war ihm einige Monate später, nach der Geburt ihres Kindes, ge192

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folgt. In seinen Erinnerungen nennt er Friedelind » eine wunderbare Frau «, obwohl es ihn störte, dass sie sich kaum mit ihrem Urgroßvater Franz Liszt beschäftigte und nicht sonderlich reagierte, wenn er Liszt lobte.13 Friedelind hat das übrigens kritisiert, als 1984 Arraus Memoiren erschienen, wobei sie seine Kritik aber irrtümlich auf ihren Vater verlagerte : » Mein Vater hat fast in allen seinen Konzerten immer Liszt dirigiert – ich kenne nur glühende Verehrung, Liebe in seiner Generation. «14 ( Dass Arrau dennoch recht hatte, zeigt sich an ihrer Bemerkung anlässlich einer Aufführung von Liszts FaustSymphonie, die sie sich unter Mitropoulos anhören wollte : » Not that I am a great Liszt-fan. «15 ) Toscanini verschob sein Kommen, und Friedelind wurde von dem argentinischen Dirigenten Ferruccio Calusio beschworen, ihn umzustimmen. Der ehemalige Assistent an der Mailänder Scala sehnte ebenso wie das Publikum sein Kommen herbei. Friedelind berichtete Toscanini, dass sie Calusio bei einer Probe getroffen habe. » Er sah mehr denn je aus, als würde er zu enge Schuhe tragen … Er flehte mich an, Ihnen zu telegrafieren. «16 Als das Herumsitzen und Warten auch ihr zu viel wurde, schickte sie Toscanini ein Telegramm : » Wann kommen Sie – sehr besorgt – liebevoll Mausi. «17 Am 9. Juni erschien der berühmte Orchesterleiter in der Hauptstadt. Er hatte sich mit seinem NBC-Orchester verkracht, weil die Intendanz einen Gastdirigenten eingeladen hatte, den er für ungenügend hielt. Hitzig wie er war, weigerte er sich, in der Wintersaison 1941 – 42 mit dem Orchester zu arbeiten. Ein Jahr zuvor hatte er noch mit seinen Musikern eine Tournee durch Südamerika durchgeführt und zum ersten Mal seit 44 Jahren wieder in Buenos Aires gastiert. Doch seine Verbindung zur Stadt ging weiter zurück, auf das Jahr 1887 ; damals hatte er als 19-Jähriger innerhalb einiger Stunden das Dirigat von Verdis Aida übernommen und die Herausforderung glänzend bestanden. Jahre später hatte er fünf Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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Spielzeiten lang in der Stadt dirigiert, die letzte im Teatro Colón, das 1908 die Pforten öffnete. Der Auftritt war somit eine Art Heimspiel für ihn. Nun kam er, ohne Orchester, bereit, mit den Musikern des Teatro Colón die Neunte Symphonie von Beethoven sowie das Requiem von Verdi zu erarbeiten und aufzuführen. Es war weitgehend Kleiber zu verdanken, dass das Orchester, das früher am Ende der jeweiligen Spielzeit aufgelöst wurde, nun ganzjährig angestellt blieb.18 Um die Qualität zu verbessern, brachte Toscanini sechs Blechbläser aus Cleveland sowie den Fagottisten des NBC Symphony Orchestra mit. Endlich war er da. Nach Monaten der Gefangenschaft, der Bombennächte und der Zukunftsangst erschien Friedelind der 74-jährige Dirigent wie ein Retter und Schutzengel. Sie brach zusammen und weinte hemmungslos, schämte sich über sich selber, aber ihre Nerven waren zu angegriffen. » Verzweifelte Heulerei. Ich kann kaum die Tränen zurückhalten, wenn ich unter Menschen bin. «19 Eine Mischung aus überschwänglicher Liebe, Freude über das bevorstehende Ende der Odyssee durch drei Kontinente ( Europa, Süd- und Nordamerika ) sowie Dankbarkeit für Toscaninis Fürsorge überwältigte sie. Es drängte sie, ihre Gefühle zu Papier zu bringen. » Ich will nur leben, wenn ich in seiner Nähe sein kann. … Warum dahinvegetieren ? Warum den Rest meines Lebens damit verbringen, verrückt zu werden aus Verlangen, ihn zu sehen – und jeden Tag zu zählen, der verloren gegangen ist – für immer verloren, weil ich ihn nicht sah. … Mein Herz ist schwer – ich sehne mich nach Wärme und Zuneigung. Diese letzten Jahre waren zu viel. Ich dachte, ich könnte das Leben alleine durchstehen – aber ich rechnete nicht mit dieser Art von Leben. Es war eigentlich alles so gut vorgeplant, auf Jahre im voraus, bis ich merkte, dass man noch nicht mal für den nächsten Tag planen kann … «20 Die sonst so selbstsicher und autonom Handelnde war an ihre Grenzen gekommen. 194

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Es machte sie stolz, endlich vom Maestro wie eine Erwachsene behandelt zu werden. » Ich hatte harte Diskussionen über Musik mit einem seiner Freunde in Buenos Aires ; er saß einfach daneben, hörte zu und lachte, und als ich ihm schließlich sagte : › bitte sagen Sie ihm, dass ich recht habe ‹, lächelte er lediglich und sagte, › natürlich hast Du recht, aber sprich weiter ‹. Manchmal tut er so, als wäre er böse auf mich, und er würde das beibehalten, wenn ich darauf reinfallen würde, aber ich ignoriere das und mache keine Szenen, wie es manche dummen Frauen machen. Ich lache lediglich und tue so, als würde ich von nichts wissen, sodass er sein Getue aufgeben muss. Das Komische ist, dass er dann ein schlechtes Gewissen bekommt und Angst hat, ich könne ihm böse sein. Er versucht, sein Benehmen wettzumachen, indem er dreimal so liebenswürdig ist. Dann erinnere ich ihn zuweilen daran : › Wenn Sie denken, dass ich einen tête de bois habe, sollten Sie wissen, dass meiner aus Stahl ist. ‹ Dann sagt er wie ein kleiner Schuljunge : › Ich weiß, cara, ich weiß ‹ – und sieht sehr ängstlich aus. «21 Doch bei aller vorgespiegelten Überlegenheit : In Wirklichkeit war sie in diesen Monaten sehr unsicher, denn sie liebte ihn nicht nur als Vater und Beschützer. Nach seiner Ankunft folgten sechs aufregende Wochen, denn sie hatte sich schon im Mai entschlossen, dem 160 Sänger starken Chor beizutreten, sang bei den vielen Proben und der Aufführung mit und erlebte selige Stunden. Drei Jahre zuvor hatte sie bereits begeistert in London eine Aufführung des Werks unter Toscanini miterlebt. Damals schrieb sie : » Ich hätte es in die ganze Welt hinausjubeln können : › Freude, schöner Götterfunken ! ‹ Stattdessen wird die ganze Welt immer verrückter – › seid umschlungen, Millionen ‹ ist ferner denn je, stattdessen schreit[et] einer über des anderen Grenze, einer erschießt und ermordet den Nachbarn – heil’ge Kunst, sie ist die einzige Brücke und im idealsten Sinne international ! «22 Toscanini dirigierte das Requiem dreimal und Beethovens Neunte Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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viermal. Sie erhielt als Chorsängerin einen Vertrag » Coristas Extraordinarios «, was ihr pro Probe $ 4, pro Konzert $ 15 einbrachte. Da sie die Werke genau kannte, musste sie nichts lernen und beobachtete von der Bühne aus den Maestro, dem sie direkt gegenüberstand. » Ich hatte den besten Platz auf der Welt und fühlte mich wie im Himmel. « Es beglückte sie, sich als ein Teil seines Instrumentariums zu betrachten. Sie hielt den Klavierauszug in den Händen, um nicht aufzufallen, obwohl sie jede Note auswendig konnte und ihn nicht benötigte. Nichts ahnend fragte Toscanini sie im Künstlerzimmer streng, ob sie denn nicht auswendig singen könne – bekanntlich dirigierte er bis zur fünfstündigen Wagner-Oper alles ohne Partitur. Sie konnte ihn beruhigen. Mit der Aufführung von Beethovens letzter Symphonie, die mit der Schiller’schen Ode » An die Freude « zu den Höhepunkten der Symphonik zählt, schrieb der Dirigent sich in die Rezeptionsgeschichte ein. Die Neunte war mit ihrer Botschaft der Verbrüderung der Menschheit das geeignete Musikwerk, um dem in Europa wütenden Krieg etwas entgegenzustellen, und sie wurde in seiner Interpretation auch als Ruf für eine bessere Welt verstanden. Toscanini wusste, dass die freie Welt auf ihn schaute : Musik galt gerade in den schweren Kriegsjahren als Sprachrohr der Freiheit, und 1941 war eines der düstersten Kriegsjahre. Nachrichten über die systematische Ermordung der Juden sickerten durch, und der militärische Kampf war aus Sicht der Alliierten noch keineswegs gewonnen. Angst und Sorge herrschten gerade bei den Emigranten vor, die noch Freunde und Verwandte in Deutschland besaßen und deren eigene Existenz ungesichert war. Toscaninis Ansehen speiste sich auf dem amerikanischen Kontinent auch aus seiner politischen Haltung. Er war von Bayreuth und Salzburg weggegangen und hatte sich geweigert, in Italien die faschistische Hymne zu dirigieren. » Der dreifach Emigrierte, aus Italien, Deutschland, Österreich, ist der größte Dirigent 196

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der Gegenwart «, schrieben Erika und Klaus Mann bewundernd. » Im Glanze seines Ruhmes wird seine furchtlose, klare und ritterliche Haltung zum weithin leuchtenden Vorbild. «23 Für seine Konzerte konnte er auf bewährte Kräfte zurückgreifen, die Kleiber für die Opernaufführungen engagiert hatte. Es sangen die Mozart-Expertin Judith Hellwig ( Sopran ), die frühere Primadonna der Berliner Staatsoper, Lydia Kindermann ( Alt ), der Belgier René Maison ( Tenor ) und der Russe Alexander Kipnis ( Bass ). Von Kipnis stammt eine Einschätzung des Dirigats : » Mein Eindruck von der Aufführung war, dass sie sich von den anderen deutlich unterschied. Sie hatte mehr Feuer, mehr Impetus, mehr Fanatismus und war nicht, was man mit dem Begriff › sehr gemütlich ‹ bezeichnet. Ich erinnere mich noch an den letzten Abschnitt des Finales, das › Poco allegro ‹ beginnt und sich bis zum › sempre più allegro ‹ steigert : wenn man ihn zu rasch nimmt, wirkt er banal, aber das Tempo, mit dem Toscanini begann, und die Art, wie er die Steigerung nahm, war außergewöhnlich. «24 » Seid umschlungen, Millionen ! « Dieser Aufruf, der angesichts einer sich im Krieg befindenden Welt eine erschütternde Wirkung erzielte, hallte durch das Opernhaus. Die erste der vier Aufführungen fand am 20. Juni statt. Ein Mitschnitt der Symphonie stammt vom letzten Konzert am 24. Juli 1941, kurz vor Friedelinds geplantem Abflug mit dem Ehepaar Toscanini. Er vermittelt eine intensive und fast beängstigende Explositivät und gilt als eine der bemerkenswertesten Interpretationen dieses Werks in der langen Laufbahn des Dirigenten. Die Soprane schaffen die große Höhe sauber und folgen spielend dem extremen Tempo – die Aufführung war für Friedelind, mitten im Geschehen stehend, eine tiefgreifende Erfahrung, die sie ihr ganzes Leben nicht vergessen sollte. Kaum erklangen die ersten Takte, wurde sie in eine andere Welt versetzt, eine Welt, von der sie einige Monate zuvor kaum zu träumen gewagt hatte. Das Adagio kam ihr himmlischer Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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vor denn je, und sie musste an Daniela denken, die den Maestro so sehr geliebt hatte. Überwältigt versuchte sie, das Erlebte aufzuschreiben. » Warum stirbt man nicht in so einem Augenblick – einem Augenblick vollständigen Glücks – wo die Seele sich über das menschliche Elend erhebt und nach dem unbekannten Himmelreich greift und es berührt. Ich konnte während des gesamten Abends meinen Körper nicht spüren … Musik jubelt in mir – mein Herz ist übervoll, meine Seele ist durch seine Liebe und seine Musik berührt. «25 Fast 50 Jahre später schenkten ihr Freunde eine Musikkassette mit dem Mitschnitt von 1941. Sie verglich ihn mit einer von Leonard Bernstein dirigierten Aufnahme. » Vollkommene Kontraste – so gültig beide Interpretationen sind. Toscanini wie ein zürnender Zeus, der er ja damals allen Grund hatte zu sein. Die Solisten alle Flüchtlinge und Verfolgte – wir alle Freiwild für Herrn Hitler oder Mussolini. Das knallt und zündet … Lenny’s Fassung dann völlig abgeklärt – elysisch – makellos in seinen breiten Tempi. «26 Nach dem letzten Konzert war der Zeitpunkt der Abreise in die USA gekommen. Als es losgehen sollte, gab es wegen schlechten Wetters gleich eine eintägige Verzögerung. Toscanini, seine Ehefrau Carla und Friedelind flogen die Strecke mit Unterbrechungen, sodass sie insgesamt fünf Tage unterwegs waren. Da sie später als geplant starteten, verpassten sie in Rio den Anschlussflug, wo sie einen Tag verbrachten, den Friedelind in vollen Zügen genoss. Toscanini fuhr sie durch die ganze Stadt und auf die Berge, um ihr alles zu zeigen. Er war » stolz wie ein Kind «, dass er ihr die ganze Gegend vorführen konnte.27 Im Hotel » Copacabana « gab es ein festliches Abendessen, und sie fühlte sich wie entrückt : » Dank, Dank ist alles was mir in den Sinn kommt. Alles ist wie ein Traum «, schrieb sie in ihre Agenda. Am nächsten Tag übernachteten sie auf dem Äquator in 198

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Belem, einem Ort an der Mündung des Amazonas, dann eine Nacht in Trinidad : » Lange Fahrt. Ich bin sehr, sehr glücklich ! Ich sehe den nördlichen Himmel wieder und hätte vor Freude weinen können – ich weiß nicht warum. Glücklich ! « Die fünftägige Reise bescherte ihr herrlich unbeschwerte Tage, eine Ruhe vor dem Sturm. Es muss Momente großer Intimität gegeben haben, die ihr einen euphorischen Aufschwung bescherten, denn sie glaubte, noch nie in ihrem Leben so selig gewesen zu sein. » Je höher und näher unser Flugzeug dem Himmel war – umso besser fühlte ich mich und umso glücklicher war ich. « Sie wünschte sich, dass das Flugzeug abstürzen möge, da sie sich vor der Zukunft ängstigte. Und sie endet mit dem kryptischen Satz : » Da es nur eine Sache gibt, die ich niemals im Leben haben konnte oder kann, dachte ich mir, es wäre doch wunderbar, es tot zu haben. « War es die heimliche Liebe zu Toscanini, die sie zu diesen Worten veranlasste ? Auf jeden Fall berührte es sie zutiefst, von ihm väterlich umsorgt zu sein : etwas, das sie in der Londoner Gefangenschaft so sehr entbehrt hatte. Es war wohl eine Mischung aus Freude über die Anwesenheit Toscaninis, der Aussicht auf bessere Zeiten in New York sowie Erleichterung darüber, alles europäische Elend endlich hinter sich lassen zu können. In ihrer Vorfreude schwang aber auch Angst mit, denn in New York würde sie eine von mehr als 100 000 deutschen und österreichischen Flüchtlingen sein, die zwischen 1933 und 1941 in die Vereinigten Staaten immigriert waren.28 Obwohl sie mit dem Pfund ihres Namens wuchern wollte, war ihr bewusst, dass sie ganz von vorne beginnen musste. Am 30. Juli erreichten sie mit Miami nordamerikanischen Boden, und einen Tag darauf kam sie nachmittags auf dem Flugplatz La Guardia an. Sie betrat endlich New York, die ersehnte Stadt. 18 Jahre zuvor waren ihre Eltern auf dem Kontinent bei dem Antisemiten Henry Ford gewesen, der die berüchtigte Zeitungsserie » The International Jew « lanciert hatte, Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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die den angeblich schädlichen Einfluss der Juden in der Welt geißelte. Winifred erzählte später in einem Interview, dass Ford Hitler mittels der Erlöse aus dem Verkauf von Autos und Lastwagen finanziell unterstützt habe.29 Das Ehepaar Wagner konnte damals nicht ahnen, dass die Tochter Jahre später vor genau diesem verehrten » Führer « fliehen würde. » Jetzt bist du zu Hause «, sagte Toscanini nach der Landung. Und sie schreibt : » Ich strahle vor Glück. Endlich in den USA ! Der Traum ist wahr geworden. Ich laufe abends herum … Lieber Gott – ich weiß, dass es jetzt vorüber ist, aber diese Tage waren die glücklichsten überhaupt. Ich bin zufrieden. «30 Toscanini gab ihr Zuversicht und Hoffnung auf ein neues Leben, fern von Bomben und Krieg. Friedelind brauchte lange, um die harte Erfahrung der Gefangenschaft in Großbritannien und der Wartezeit in Buenos Aires zu überwinden. Sie wohnte auf Anraten Toscaninis im Zuckerbäckerbau des Ansonia Hotels an der 73. Straße, nördlich vom später errichteten Lincoln Center, westlich vom Central Park. Das riesige Gebäude war 1904 als Hotel für Dauergäste eröffnet worden und hatte ursprünglich 2500 Zimmer und 340 Suiten in 17 Stockwerken. Musiker wie Caruso, Strawinsky, Rachmaninow, Mahler und andere hatten dort gewohnt, weil die Zimmer gut schallisoliert waren. Auch das Ehepaar Janssen lebte dort. In New York erwartete Friedelind kein Jubelchor, sie wurde nicht mit offenen Armen empfangen, sondern war bis hin zu den einfachsten Dingen auf sich selbst angewiesen. Sie besaß lediglich ihre Kleidung, einige Mitbringsel aus Deutschland und ihre schriftlichen Aufzeichnungen. Immer wieder gingen ihre Gedanken zu Jeanette zurück, da sie Zeiten großer Einsamkeit durchleben musste : » Die ersten Monate waren deswegen schrecklich. «31 Nach ihrer Ankunft versorgte Toscanini Friedelind weiterhin mit Geld. Carla war für das Finanzielle verantwortlich, 200

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obwohl sie darin nicht viel mehr Geschick zeigte als ihr Mann, der in solchen Dingen geradezu hilflos war.32 Nachdem Friedelind sich in der neuen Umgebung orientiert hatte, kümmerte sie sich um einen Verlag, denn sie wollte mit ihrem Buch, das ihr Leben bis zur Emigration beschrieb, reüssieren. Sie begriff rasch, dass in den USA die Werbung für die eigene Person eine Grundbedingung war, wenn man vorankommen wollte. Es gab aber Probleme mit den englischen Behörden, die das Manuskript nicht herausrückten. Zu Beginn ihres Vorhabens hatte sie die Gegnerschaft zu Hitler vielleicht nicht deutlich genug ( oder übertrieben deutlich ) herausgearbeitet und befürchtete nun, die Behörden hätten einen falschen Eindruck bekommen : » Das Buch dreht sich um Hitler und wendet sich gegen ihn und es gibt vieles, das ich nicht veröffentlichen würde, aber das sich im ersten Entwurf befindet, und das mag der Grund dafür sein, warum die Behörden es beschlagnahmt haben. Ich möchte den Alliierten mit dem Buch helfen. «33 Sie ärgerte sich noch immer über die Manipulation ihrer Texte durch die Zeitung Daily Sketch – zum ersten Mal in  ihrem Leben hatte sie erlebt, wie rücksichtslos Vertreter der  Medien mit dem ihnen anvertrauten Material umgehen konnten. Während sie mit dem Kennenlernen ihres neuen Umfelds vollauf beschäftigt war, fanden daheim in Bayreuth Grabenkämpfe statt. Wieland wollte unbedingt inszenieren und griff seinen Mentor Heinz Tietjen an, der immer noch der Vertraute Winifreds war. Tietjen seinerseits hinterlegte eine Denkschrift für Hitler und drohte Wieland damit, ihm diese zu übergeben, sollte Wieland ihn weiter angreifen, und er stellte verschiedene Bedingungen für seinen Verbleib. Wielands starker Wille, unbedingt die Leitung der Festspiele zu erhalten, zeigt, dass Friedelind es sehr schwer gehabt hätte mitzuarbeiten, wäre sie daheim geblieben. Wieland überlegte sich, ob er zum » Führer « fahren, ihm die ganze Lage in Bayreuth vortraVon Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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gen und sagen sollte, dass der von Tietjen vorgeschlagene » Waffenstillstand « nur dazu diene, die Festspiele aus Rücksicht auf den » Führer « fortzusetzen.34 Das brachte Winifred in eine äußerst schwierige Situation. Als Lebensgefährtin Tietjens und Mutter des designierten Festspielleiters stand sie zwischen den beiden Männern. Hiervon bekam Friedelind nichts mit. Die ersten Monate der Eingewöhnung in die völlig fremde Umgebung wurden von emotionalen Wirren begleitet. Der Kontakt zu Toscanini war durch das Zusammensein in Buenos Aires und die fünftägige Reise nach Nordamerika noch intensiver geworden, und es entging ihr nicht, dass er an ihr erotisch interessiert war. Das elektrisierte sie. Lange Jahre hindurch hatte sich ihre Liebe aus einer Vater-Tochter-Beziehung sowie aus ihrer Bewunderung für seine geniale Dirigierkunst gespeist ; jetzt interessierte er sie ( und sie ihn ) in anderer Weise. Der gut aussehende Maestro war für seine Affären bekannt. So war beispielsweise die exzentrische Schauspielerin Eleonora von Mendelssohn bei den abendlichen Treffen in seinem Haus in Riverdale häufig anwesend. Die Nachfahrin des Philosophen Moses Mendelssohn und Urgroßnichte des Komponisten fuhr regelmäßig mit dem Taxi zu Toscaninis Wohnsitz, um ihm aufzulauern, und saß manchmal die Nacht hindurch auf seinem Rasen, wozu sie meist eine Männerhose, eine Jacke sowie eine Schirmmütze anlegte in der Hoffnung, ihre Identität dadurch zu verbergen.35 Sie und ihr Bruder Francesco galten als skandalträchtiges Geschwisterpaar, und Eleonore konnte auf Affären mit Max Reinhardt und Gustav Gründgens zurückschauen. Auch mit der Publizistin und Theaterautorin Ruth Landshoff ( Nichte des Verlegers Samuel Fischer ), die gerne im Frack zu Festen erschien, verband sie eine erotische Beziehung. Ihre größte Verehrung galt jedoch dem Dirigenten. Auch ihr Bruder Francesco war in die erotischen Wirren einbezogen, hatte er doch eine Liebesbeziehung zu dem Pia202

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nisten Vladimir Horowitz unterhalten, der seit 1933 mit Toscaninis jüngster Tochter Wanda verheiratet war und seine homoerotischen Neigungen nur noch versteckt ausleben konnte. 1935 hatte Eleonore Toscanini auf ihr Anwesen in Österreich eingeladen und ihm in ihrem Überschwang ein Gemälde von Guardi geschenkt, das der Maestro rasch im Kofferraum seines Autos versteckte, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Im Laufe der Zeit kam es zu einer Liebschaft, die – als sie zu Ende ging – in eine schwärmerische Anhänglichkeit mutierte. Der Dirigent unterhielt zahlreiche Affären, da ihm die Beziehung zu seiner Ehefrau Carla keine erotische Erfüllung mehr brachte. Carla nahm diese Eskapaden aber wohl nicht ganz ernst, zumal eine Scheidung für das römisch-katholisch getraute Ehepaar nicht infrage kam. Fast täglich war Friedelind in das luxuriöse Anwesen der Toscaninis in Riverdale eingeladen. ( Die Familie des Komponisten Jean Gilbert hingegen lebte in relativer Armut in einem Mietshaus in der Nachbarschaft ; Gilbert hatte wie so viele andere emigrierten Künstler große Mühe, im Musikleben Fuß zu fassen.36 ) Von weiten Rasenflächen und einem Garten umgeben, lag das stattliche Haus mit Blick auf den HudsonFluss. Felsblöcke und Schilf säumten das Ufer. Man schaute auf bewaldete Anhöhen, die New Jersey Palisades. Alles atmete Großzügigkeit : Im geräumigen Wohnzimmer standen zwei Flügel ( ein drittes Instrument befand sich in Toscaninis Studio im ersten Stock ), es gab einen Plattenspieler mit großen Lautsprechern in allen vier Ecken, und eine Wand war mit Regalreihen voller Schallplatten bedeckt. Sie enthielten nicht nur eigene Aufnahmen und Mitschnitte der Rundfunkübertragungen des Hausherrn mit dem NBC-Orchester, sondern auch diverse Aufnahmen von Kollegen.37 1941 hatte der Dirigent gerade keine Liebesaffäre. Da er tagsüber hart arbeitete, machte es ihm Spaß, Frauen wenigstens zum Abendessen einzuladen.38 Friedelind saß häufig mit Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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den anderen Gästen auf der Terrasse, wo man speiste und dabei den Mondschein bewundern konnte. Neben Eleonore Mendelssohn war oft die Pianistin Ania Dorfman dabei, die bereits als Solistin mit Toscanini gearbeitet hatte, wie auch die Schriftstellerin Marcia Davenport, eine Tochter der Sängerin Alma Gluck und ebenfalls eine begeisterte Anhängerin des Dirigenten. Sie hatte 1936 mit Of Lena Geyer einen Bestseller gelandet, einem Roman über einen weiblichen Fan, der eine Sängerin anbetet. Häufig zugegen war auch Margherita de Vecchi, die Toscanini bei einem seiner früheren Besuche in New York kennengelernt hatte und die seitdem als Faktotum für ihn und seine Familie agierte. Sie besorgte Theaterkarten, Schiffspassagen und Küchenpersonal, und der Maestro besprach viel mit ihr – er, der Klatsch liebte, wurde von ihr großzügig bedient.39 Friedelind hatte bereits von der Isle of Man aus mit ihr korrespondiert und sollte häufig mit ihr zu tun haben. Gerne spielte Toscanini nach dem Essen Schallplatten mit seinen Dirigaten vor, beispielsweise den Tristan, die Götterdämmerung, Werke von Johann Strauss und César Franck. Ein andermal wurde sein Dirigat der Beethoven’schen Neunten mit einer Aufnahme von Leopold Stokowski verglichen. » Lost and lonesome « – das Gefühl der Einsamkeit und des Verlorenseins betraf weniger Friedelinds Situation als Emigrantin, sondern ihre Empfindungen für den Mann, den sie bisher als Vaterfigur wahrgenommen hatte. » Ich bin glücklich in seiner Nähe «, schreibt sie. Ihr war jedoch bewusst, dass es keinen Platz für ihre Liebe gab : Momente großer Intimität waren selten. Gerade deshalb konnte sich die Atmosphäre aufladen. » Spannungsvolle Stimmung. Ich werde verrückt. Er versucht so sehr, seine Gefühle zu verstecken, und leidet Qualen. Ich auch. Ich werde durchdrehen, wenn das so weitergeht … Er betrachtet mich so, dass ich das Gefühl habe, in Rauch aufzugehen – es brennt so sehr. « Es begannen die nächtlichen 204

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Telefonate, für die der Dirigent berüchtigt war, da er nur wenig Schlaf benötigte. » Der maestro war süß. Er ruft mich nach Mitternacht an. › Deine Schuld, Deine Schuld, Deine Schuld ‹, sagt er verzweifelt. « Ein andermal ging er ihren Blicken aus dem Weg und schaute demonstrativ weg : » Wir sind unglücklich, wie gefoltert. « Es konnte aber auch passieren, dass er sie ständig anstarrte, was sie gleichfalls nicht ertragen konnte : » Der maestro ist unglücklich. Er schaut – schaut – schaut. Ich werde wahnsinnig. « Sie weinte daheim, bekam Wutanfälle und litt unter Schlaflosigkeit, nahm sich vor, ihm aus dem Weg zu gehen. Aber wenn sie ihn zwei Tage lang nicht sah, litt sie wiederum übermäßig. Als sie und Margherita einmal die einzigen Gäste waren, tat sie, als wäre alles normal : » Er soll nicht herausfinden, wie ich mich wirklich fühle. « Dann wieder gab es glückliche Abende. Man saß draußen bis kurz vor 23 Uhr und genoss die sanfte Brise, er nannte sie wieder » la figlia «, und sie freute sich, war selig über die Stimmung. Sie war überzeugt : » Er ist immer noch verrückt nach mir und versucht sehr, es zu verstecken. « Am 10. September 1941 erinnerte man sich mit dreitägiger Verspätung an den Jahrestag der Bombardierungen Londons sowie an Friedelinds Haft, die ein Jahr zuvor begonnen hatte. Abends gingen der Maestro und seine Frau mit Margherita, Eleonore und Friedelind in ein Restaurant und aßen Gulasch, den sie mit Unmengen von Champagner herunterspülten : » Very nice party «, kommentierte sie. Anschließend wurde sie von Arturo und Carla heimgebracht. Oft wurden ihre Zukunftspläne besprochen : » Er ist süß und verständnisvoll. «40 Ende September eskalierte die Spannung. Der Maestro rief manchmal mehrfach am Tag oder auch nachts an : » Leidenschaftliche Liebe am Telefon. Er macht mich so klein. Wir sind Geliebte – leider nur am Telefon. « Am 29. eines nicht näher genannten Monats muss sich etwas Besonderes zwischen den beiden ereignet haben. Da ihr Geburtstag am 29. März war, Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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kann es damit zu tun gehabt haben. » Er segnet  den 29sten – ich werde nie – nie in meinem Leben das vergessen. Es ist mir noch nie passiert … Er ruft mich an. Wir sprechen bis Tagesanbruch : › Der 29ste ist unser Tag ‹, sagt er. « Einen Tag darauf ging sie mit Toscanini und seiner Entourage zur Premiere des Theaterstückes The Human Voice ( La voix humaine ) – einem Einakter von Jean Cocteau, in dem Eleonora Mendelssohn die Frau spielte, die ein Telefonat mit ihrem ehemaligen Geliebten führt. Dies war eine recht pikante Situation, da Toscanini nachts nicht nur Friedelind anrief, sondern ebenso gerne mit seinen diversen Freundinnen sprach.41 » Ihr klassisch-klares Gesicht und ihr Körper erleben diese tragische Symphonie der Gefühle von Liebe, Haß, Eifersucht, Enttäuschung, Einsamkeit und Todesnähe «, schrieb der Kritiker der deutschsprachigen Emigrantenzeitung Aufbau voller Lob.42 Der Journalist Leo Lerman, der mit Eleonora befreundet war, fragte sich allerdings, ob Toscanini begriffen habe, dass » die herzzereißenden Worte, die Cocteau dieser armen Person gab, in keiner Weise sich unterschieden von den Worten, die unsere Eleonora ins Telephon murmelte, wenn sie von ihrem Bett aus in langen, einsamen Nächten mit ihm sprach «.43 Die Aufführung war für Friedelind kein Genuss – alle einschließlich Carla waren an diesem Abend sehr unhöflich zu ihr. Wurde sie mit ihrer für alle sichtbaren Liebe zu Toscanini als Störenfried empfunden ? » Hinterher eine schreckliche Nacht – ich sitze ihm gegenüber und wir können wenigstens unter dem Tisch zusammen sein. Ich rufe ihn um 3.30 morgens an, wir sprechen bis 6 Uhr. « Die Presse freute sich übrigens, wenn Eleonore und Friedelind zusammen in der Öffentlichkeit zu sehen waren, und kommentierte die Verbindung von » Mendelssohn mit Wagner «44. Friedelinds mit Sehnsucht erfüllte Entsagung konnte in dieser Intensität nicht lange bestehen, und allmählich gelang es ihr, sich aus der Verstrickung zu lösen. Ihre Frustration 206

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übertrug sie auf das Umfeld des Dirigenten. Sein Zuhause in Riverdale erlebte sie als einen » königlichen Hof : das ist der einzige Name, den ich seiner Residenz geben kann, da es ein Ort voller Intrigen, Eifersüchteleien und Klatsch ist, ein Platz der Stiefel-Lecker und Jasager – und ich Ärmste mittendrin, die mit der Eifersucht von einhundert dummen Frauen verfolgt werde. Man intrigiert gegen mich, um mich zur › persona non grata ‹ in seinen Augen zu machen. Ich [ver]folge die Strategie, alles zu ignorieren, was sich als das Klügste herausstellt. Es ist zuweilen widerlich, aber ich schaue auf alles aus der Sicht des Philosophen und lächle über diese Komödie, die mir meist wie eine opera buffa vorkommt – allerdings zuweilen eine bösartige, und er tut mir leid. Es scheint mein Schicksal zu sein, immer von Eifersucht umgeben zu sein. « Das konnte sie nicht verstehen, da sie selbst niemals in ihrem Leben eifersüchtig gewesen war und sich manchmal wünschte, auch einmal an dieser seltsamen Krankheit zu leiden. Der Maestro war ihr ein » wunderbarer Freund – manchmal versucht er, bei mir den Diktator zu spielen, aber er findet dann schnell heraus, dass ich genauso störrisch sein kann wie er und gibt es dann auf. Ich genieße es, wenn er seine alten Tricks an mir ausprobiert und schließlich sehr froh ist, wenn ich ihm vergebe und so tue, als sei nichts geschehen. Dann nennt er mich › que tipo ‹ und sagt › warum bist Du so anders als die anderen ‹ – und versucht, alles wieder gutzumachen. Ich sollte über einige Erfahrung in der Behandlung von Diktatoren verfügen in eben der Art, wie sie es verdienen … «45 Toscanini blieb lebenslang der verehrte Maestro, und sie widmete 1944 ihre Autobiografie » Meinen beiden Vätern Siegfried Wagner und Arturo Toscanini «, womit sie ihren Status als » figlia « nach außen hin festigte. Doch innerlich befreite sie sich zunehmend, und als der Dirigent sie einige Jahre später beleidigte, entlud sich ihre Empörung in einem Schreiben an ihn : Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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» Lieber ehemaliger Vater und Freund, dies mag Ihnen ein etwas seltsamer Brief ( anniversary letter ) erscheinen – jedenfalls beschloss ich, in Ihre würdigen Fußstapfen zu treten und etwas Dampf abzulassen. Vielleicht fühle ich mich danach etwas besser, falls Ihr Rezept wirkt. Wenn nicht, dann habe ich eben Pech gehabt. Ich finde es – milde gesagt – etwas seltsam, dass Sie mein › Fehlen ‹ eines › Sexlebens ‹ monieren und mit einigen Ihrer neueren Bekannten über diese Ihre große Sorge ausführlich sprechen. Ich halte es für äußerst schlechten Stil, dass das ausgerechnet von IHNEN kommt. Ich glaube, dass jede Frau mit nur einem Gramm von Gehirn und Selbstachtung liebend gerne auf den Genuss gestohlener Küsse verzichten würde – nachdem sie die Entwürdigung, das Elend und die Einsamkeit, die damit verbunden sind, erlebt hat, mitsamt dem wunderbaren Spektakel der Feigheit des › geliebten Mannes ‹, das damit einhergeht. Er behandelt seinen schlimmsten Feind besser als die Frau, die er angeblich liebt. Nein danke, ich will nichts davon. Wenn ein Mann mich künftig küsst, muss er sich die Mühe machen, sich als mein legaler Ehemann auszuweisen. Bis dahin, fürchte ich, werden Sie sich weiterhin um mein uninteressantes Verhalten sorgen müssen. Ich frage mich abgesehen von allem anderen, was für Frauen Sie in Ihrem Leben begegnet sind. Es gehört sowohl zu meiner persönlichen Überzeugung als auch zu meinen innersten Gefühlen, dass ich unfähig wäre, mich von einem Mann lieben zu lassen, während ich in einen anderen verliebt bin. Aber es scheint, dass Sie noch nie solchen eigenartigen Menschen begegnet sind, die so empfinden. Pech gehabt ! Jetzt ist es zu spät. Vielen Dank, dass Sie fortfahren, das zu zerstören, was früher einmal für mich das Wertvollste überhaupt war : der 208

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Mythos, der Toscanini einmal war. Ich bin froh, dass Sie auch nur ein Mensch sind. «46 Damit hatte sie sich auch ihre Frustration über sein Flirten mit verschiedenen Frauen und seine taktlosen Kommentare von der Seele geschrieben. Das Schreiben traf Toscanini so sehr, dass er wütend » Wrong Address « quer über den Umschlag schrieb und es zurückschickte. Sie war übrigens nicht die einzige Frau, die von dem weltberühmten Künstler beleidigt wurde : auch Eleonore von Mendelssohn musste erleben, dass sich der Maestro vor Besuchern über ihre Bettgewohnheiten ausließ.47 Als Neuling in dem riesigen New York hatte Friedelind es schwer, sich einzuleben. Aber Freunde und Bekannte, die sie auf der Isle of Man und später in London kennengelernt hatte, boten ihr eine erste Orientierung und Hilfestellung. Man traf sich zum Kaffeeklatsch, es wurde in den Wohnungen gekocht, über Politik und die Bewältigung des schwierigen Neuanfangs gesprochen. » Meine Freunde sind ein wunderbarer Querschnitt aller Lebensstufen, aller sozialer Schichten, Farben, Nationalitäten, Rassen, Religionen, Berufe. «48 Allen fiel es schwer, sich ein neues Leben aufzubauen. Der Austausch untereinander verstärkte das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das sich in der Not gebildet hatte. Die Frauen fühlten sich wie eine » happy little family «, die keine Geheimnisse voreinander besaß und alle Erfahrungen teilte. Zwei der Bekannten arbeiteten als Dienstmädchen, zwei weitere in Fabriken, wo die Arbeit besonders hart war. Es war den Emigrierten eine große Genugtuung, als einige Tage nach dem Angriff der Japaner auf die US-Flotte in Pearl Harbor die USA in den Krieg eintraten. » Wir sind alle sehr glücklich … wir tun alle positive Dinge – und wir sind alle optimistisch – und Hitler unendlich dankbar, der indirekt der Grund für unser Hiersein ist. Wir wissen nur zu gut, was unser Schicksal gewesen wäre, Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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wenn wir nicht den Sprung ins Unbekannte gewagt hätten «, stellte sie ironisch, aber zugleich aufrichtig fest.49 In einer Fabrik hat Friedelind niemals arbeiten müssen, aber die Lage nötigte ihr Flexibilität ab. Sie musste mit den Behörden verhandeln und für die eigene berufliche Zukunft sorgen, und sie übernahm verschiedene Jobs. Was sie mit Vorträgen und Artikeln einnahm, reichte nicht aus. Gar nicht schüchtern, sondern ausgesprochen kommunikativ veranlagt, ging sie oft in die Oper und in Konzerte, wobei ihre Kontakte zu Musikern und Musikerinnen, die sie stets gepflegt hatte, ihr halfen, andere zu treffen und kennenzulernen. Man unterschied in Amerika fein zwischen der Masse der » immigrants «, die aus der ganzen Welt kamen und ein besseres Leben suchten, und den » émigrés «, die sich in ihren Heimatländern bereits einen Namen gemacht hatten und überdurchschnittlich gebildet waren.50 Einige deutsche Künstler wie Artur Schnabel, Adolf Busch und dessen Schwiegersohn Rudolf Serkin hatten bereits früher in den USA konzertiert und waren dort gut bekannt. Der Geiger Adolf Busch war seit 1918 Professor an der Musikhochschule in Berlin gewesen, wo er unter anderen Yehudi Menuhin unterrichtet hatte. Dort hatte er das weltberühmte Busch-Quartett gegründet und den jungen, hochbegabten Pianisten Rudolf Serkin getroffen, mit dem er lebenslang befreundet blieb. In New York lebte » Rudi « mit der Busch-Familie immer noch zusammen. Während dieser sich in den USA rasch als Künstler etablierte und bald zu den erfolgreichsten Pianisten zählte, gelang es Busch nicht, Fuß zu fassen.51 Ehe Busch und Serkin aufs Land zogen, waren sie oft bei Toscaninis zu Besuch, wo Friedelind ihnen mehrmals begegnete. Zu ihrem Bekanntenkreis gehörte außerdem der aus Ungarn stammende Fotograf, Journalist und Herausgeber Stefan Lorant ( 1901 – 1997 ), der von den Nazis verhaftet worden war, aber noch hatte emigrieren können. Sie traf auch den Tenor Kurt Baum, der regelmäßig an der 210

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Metropolitan Opera sang, sowie Konrad Wolff. Der Jurist, der später ein Klavierstudium bei Artur Schnabel in Italien aufnahm, trug die Tradition der Leschetizky- und Czerny-Schulen in die Staaten und blieb zeitlebens seinem Lehrer verbunden, dem er eine Schrift mit dem Titel Interpretation auf dem Klavier – Unterricht bei Artur Schnabel widmete. Ilse Bing, seine Ehefrau, errang als Fotokünstlerin Weltruhm. Das Ehepaar hatte in Frankreich die Hölle erlebt. Nach dem Einfall deutscher Truppen waren beide in ein Internierungslager deportiert worden. Über Marseille war ihnen die Flucht gelungen, und nach verschiedenen Zwischenfällen waren sie in die Vereinigten Staaten emigriert. Friedelind hatte erfahren, dass das Ehepaar auf der Insel Trinidad gestrandet war, und war erleichtert zu wissen, dass sie inzwischen in den USA weilten. Auch die griechische Schauspielerin Katina Paxinou, die Friedelind 1939 in London kennengelernt hatte, sah sie hin und wieder. Ihr erstes Weihnachtsfest in Amerika feierte sie zusammen mit dem Ehepaar Janssen. Später kamen Lauritz und »Kleinchen « Melchior hinzu. Herbert Janssen, zu dessen Schülerinnen auch Astrid Varnay gehörte52, unterrichtete Friedelind in Gesang. Er war an der Metropolitan Opera fest angestellt und sang regelmäßig in den Sommermonaten im Teatro Colón in Buenos Aires. Friedelind wollte stets den aktuellen Klatsch von dort erfahren : » Ich bin gespannt, wie es mit Herrn Busch geht. Dirigiert Kleiber tatsächlich gar nichts ? Wie geht es mit all den neuen, beziehungsweise alten Directoren ? « Zu ihrer Eingewöhnung in New York trug auch bei, dass sie immer wieder auf exilierte deutsche Künstler stieß. Monika Mann, die Tochter von Thomas und Katia Mann, traf auf Friedelind, als diese an der Seite von Kadidja Wedekind ( der Tochter von Frank Wedekind ) aus einer Popcorn-Bar trat.53 Die Schriftstellerin, Journalistin, Grafikerin und Schauspielerin ( 1911 – 1994 ) war in die USA geflohen, und Monika Mann teilte Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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für einige Jahre eine Wohnung mit ihr. Kadidja Wedekind traf sich ein paar Mal mit Friedelind und schrieb später einen lobenden Aufsatz für eine deutsche Illustrierte mit der Überschrift : » Sie rettete die Ehre der Familie Wagner. « Friedelind wird darin als lebhafte Person geschildert, die » selbst damals in Amerika und so kurz nach dem Krieg eine beunruhigende Art ( hatte ), laut und deutlich zu sagen, was sie dachte «. Sie habe nach dem Krieg versucht, den entsetzten Amerikanern zu erklären, dass man die bestialischen Grausamkeiten in den Konzentrationslagern nicht dem ganzen deutschen Volk zur Last legen könne.54 Als Klaus Mann 1942 ein Konzert Bruno Walters in der Carnegie Hall besuchte, begegnete er beim anschließenden Tee Friedelind. » Warum verschweigst Du mir, dass sie so an Pamela ( Wedekind ) erinnert und im Begriff ist, zur richtigen Rubensfigur auszuarten ? «, fragte er seine Schwester Erika. » Sie sagt manchmal etwas dumme und freche Sachen, aber irgend etwas ist natürlich ganz knorke und bestrickend an ihr. Sie mag mich, wie ihr blauer Blick mich wissen ließ. « Eine Annäherung der berühmten Familien Wagner und Mann hätte Aufsehen erregt, doch er verwarf den Gedanken : » Die Idee, sie zu heiraten, liegt nahe genug : wenn ich mir nur etwas mehr aus dem schöneren Geschlechte machte. «55 Die Geldprobleme blieben virulent. Toscanini war zwar bereit, weiterhin helfend einzuspringen, aber ihr war klar, dass sie sich selbst um ihr Fortkommen kümmern musste. In das Jahr 1942 ging sie dennoch optimistisch hinein. Langsam wurde sie in ihrer neuen Heimat bekannter. Sie schrieb nun auch Artikel, die nichts mit Musik zu tun hatten, beispielsweise über Katina Paxinou, und arbeitete an ihrem Buch weiter, wobei sie sich mit dem Lektorat auseinandersetzen musste. » Ich ging heute nicht zum Jones Strand, weil ich so mit Arbeit eingedeckt bin – ich traf meinen Chef früh um 11 Uhr und  er war mit einem weiteren Kapitel einverstanden, dem 212

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ersten Kapitel, das mich vollauf befriedigte – es war ein Kapitel, um das ich am meisten kämpfte. «56 Immer wieder war sie unterwegs, um in Vorträgen über Hitler zu berichten. Sie sah in der Zerstörung Deutschlands die einzige Lösung, um die deutsche Bevölkerung von ihren Naziüberzeugungen zu lösen, und berichtete über die Verbindung ihrer Familie mit Hitler. Freunde hätten ihr mitgeteilt, so sagte sie, dass man sie als psychisch krank erklären und in eine Anstalt stecken wollte, was ihre Flucht beschleunigt habe.57 Inwieweit sie damit übertrieb, kann nur gemutmaßt werden. Am 17. Januar 1942 hielt sie nach der Übertragung einer Aufführung des Lohengrin in der Met in der Pause eine Ansprache, deren Text ihr vorgelegt wurde und die vermutlich keine politischen Implikationen besaß. In England hatte Friedelind es noch abgelehnt, das Radio zu Propagandazwecken zu benutzen. Diese Hemmungen kannte sie inzwischen nicht mehr. Es gelang Erika Mann, sie einen Monat später zu einer Ansprache zu überreden, die sich an die deutschsprachigen Hörer richtete. Erika Mann war Kriegsberichterstatterin im Status einer US-Armeeangehörigen im Offiziersrang und schrieb nach der Sendung ihrem Vater, dass die 23-Jährige ihrem Großvater Richard Wagner ähnlich sähe : » Des ungeachtet hat sie Deutschland, kaum war sie mündig, hinterrücks verlassen und ist nach England entflohen, wo man sie ein Jahr lang interniert hielt, genialisch wie man ist. › Monstre ‹ [Hitler] hat sie auf den Knien gewiegt, all ihr Kinderleben lang und sie, die Wagnerverklärung und Teilengländerin, vergöttert, wiewohl sie nie anders als störrisch gewesen. Nun ist sie entwischt und steckt voller Neuigkeiten und Melodien. «58 Am 14. Februar 1942, einen Tag nach dem 59. Todestag ihres Großvaters, trug sie einen kämpferischen Text zu einer Tannhäuser-Übertragung vor, bei der drei Emigranten mitsangen, nämlich Lauritz Melchior, Herbert Janssen und Alexander Kipnis. Sie Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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prüfte das ihr vorgelegte Skript, das Erika Mann verfasst hatte, zusammen mit ihrem Agenten und korrigierte einiges darin. Ihre Stimme wurde nach Europa übertragen : » Deutsche Hörer ! Es mag Ihnen seltsam erscheinen, dass ich den Todestag meines Großvaters im Ausland, im feindlichen Ausland begehe und aus New York zu Ihnen spreche. Glauben Sie mir aber, ich habe Deutschland nicht leichthin verlassen und bin erst fortgegangen, als die mörderischen Absichten des heutigen deutschen Regimes klar am Tage lagen. Selbst dann noch habe ich mich gefragt, wie würde mein Großvater, wie würde Richard Wagner gehandelt haben an meiner Stelle. Wäre er geblieben, hätte er sich den Nazis zur Verfügung gestellt, hätte er ihre Untaten gedeckt mit seinem Namen, der auch der meine ist ? Kein Zweifel ist möglich : Richard Wagner, der die Freiheit und die Gerechtigkeit mehr geliebt hat als selbst die Musik, hätte in Hitlers Deutschland nicht atmen können. So feiern wir den großen Deutschen, obwohl unser Land im Krieg ist mit Deutschland. « Man bekämpfe, führte sie weiter aus, aufseiten der Alliierten nicht den Geist Goethes, Beethovens oder Wagners, sondern » Hitlers Ungeist und Welteroberertum «. Sie spreche im Geiste ihres Großvaters, wenn sie voraussage, dass die Stunde der Götter- und Götzendämmerung für die Nazis bald kommen werde.59 Erika Mann, die die Moderation übernahm, war stolz auf ihren Text ( » So habe ich denn ein wonnig Stückchen hingelegt « ) und von Friedelinds Vortrag angetan : » Die Darbietung, wiewohl unwahrhaftig, war übscher ( sic ) als Shakespeare, da wahrhaftig gemacht, von Seiten des lieben Wagnerblutes ( das seinen Shawl, ein buntes Tuch aus Tribschen und bestem Material, um den Hals trug ), und dürfte den Tieren zu gehörigem Verdruß gereicht haben. I was very pleased. «60 214

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Glaubte Friedelind, dass diese Übertragung nicht an die Ohren der Nazis dringen würde, oder war es ihr gar recht, dass die Familie davon erfuhr ? Vier Tage nach der Ausstrahlung war der vorausgesagte » Verdruss « da, als Winifred in Bayreuth eine Anfrage des SS-Oberführers Alfred-Ingemar Berndt mit einer Zusammenfassung der Ansprache erhielt. Er fragte sie, was es mit diesem » krass deutsch-feindlichen « Elaborat auf sich habe. Winifred besann sich ihrer bewährten Strategie, die darin bestand, alles dem bösen Einfluss der Ausländer und Juden auf die Tochter zuzuschreiben, denn Berndt antwortete ihr am 1. März voller Einsicht : » Es tut mir leid, unbewußt auf diese Weise eine Wunde berührt zu haben. Ein junges Mädchen, noch dazu aus einer künstlerisch so stark begabten Familie, ist ohne Zweifel besonders sensibel und sehr leicht zu beeinflussen. Es braucht deshalb der Kern nicht schlecht zu sein. Ich bin sogar überzeugt, dass das auch in diesem Falle so ist. Wenn es auch zunächst noch nicht abzusehen ist, so kann man vielleicht doch damit rechnen, dass Ihre Tochter nach diesem Kriege heimfindet, wenn sie wieder unter deutschen Einfluß gebracht werden kann. « Er fügte hinzu, dass die Sendung das deutsche Volk nicht erreicht und daher keinen besonderen Schaden angerichtet habe.61 Vermutlich haben Winifreds gute Beziehungen sie gerettet, jede » normale « Mutter einer solchen aus Sicht der Nazis üblen Verräterin wäre kaum so ungeschoren davongekommen. Friedelind scheint sich der Gefährdung der Angehörigen nicht bewusst gewesen zu sein. Hätte sie von den Zeilen ihrer Mutter erfahren, die ihr jegliches eigenständige Denken absprach, wäre sie sicherlich wütend gewesen. Die Mutter ihrerseits machte für die Gegenseite Reklame. 1943, als der » Endsieg « bereits in weite Ferne gerückt war, schrieb sie in einem Begleitbuch für die Bayreuther Meistersinger-Aufführung während der sogenannten Kriegsfestspiele, Hans Sachs verkörpere den » schaffenden deutschen Menschen Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943

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in seinem völkisch bedingten Schöpferwillen «, der im » Ringen der abendländischen Kulturwelt mit dem destruktiven Geist des plutokratisch-bolschewistischen Weltkomplotts « den Soldaten die Kampfkraft » und den fanatischen Glauben an den Sieg unserer Waffen verleiht «.62 Damit man auch sichergehen konnte, dass dieser Text von ihr stammte, war er im Faksimile ihrer Handschrift abgedruckt. Wieland hatte ein angepasstkonventionelles Bühnenbild geschaffen, wofür Nike Wagner eine Erklärung bereithält : Hätte er sich von den an Erfahrung überlegenen Heinz Tietjen und Emil Preetorius zu sehr abgesetzt, wäre er der Bewunderung der konservativen Gegner Tietjens und Winifreds sicher gewesen.63 Die Theaterprofis Tietjen und Preetorius leisteten aber zusammen mit Furtwängler gerade im Bereich der Wagner-Interpretation Herausragendes, und das Triumvirat gehörte zur Weltspitze. Er musste also lavieren, obwohl ihn inzwischen ein tiefer emotionaler Graben von Tietjen trennte. Im gleichen Jahr gab Winifred einem deutschen Filmteam ein Interview, in dem sie mehrfach betonte, dass sie selbst nicht künstlerisch tätig sei, sondern sich nach Kräften bemühe, dem Festspielleiter beizustehen. Mehrfach unterstrich sie die Rolle des » Führers « : Er habe ihr » mit der ganzen Hingabe und Liebe für Richard Wagner und Bayreuth « hilfreich zur Seite gestanden und die Kriegsfestspiele in Gang gesetzt. Sie fühle sich als » Zwischenglied « zwischen ihrem verstorbenen Mann und den Söhnen, und sie ernannte Wieland zu demjenigen, der einmal für die künstlerischen Belange verantwortlich sein würde, während Wolfgang das Organisatorische übernehmen sollte. Friedelind wurde nicht erwähnt.64 Von Bayreuth bekam Friedelind nichts mit. Wieland besuchte 1942 Hitler einige Male, der den Wunsch äußerte, den Parsifal wieder zu hören. Verena schlug Gertrud Strobel zufolge vor, nur den ( erotisch aufgeladenen ) zweiten Akt aufzuführen, was Wieland dem » Führer « erzählte, » der furchtbar 216

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darüber lachte ! «65 Derweil gab Otto Strobel die erste Folge der Neuen Wagner-Forschungen heraus. In dem Band ist das Gartenzimmer des Siegfriedhauses abgebildet, in dem ein großes Porträt des » Führers « prangt. Im Vorwort betont Strobel, dass die Errichtung der Forschungsstätte bereits 1938 zum 125. Geburtstag Richard Wagners auf Weisung von Hitler verfügt worden sei. Winifred öffnete zu diesem Zweck das Hausarchiv, und die Stadt Bayreuth überließ ihre Urkundenbestände der wissenschaftlichen Verwertung. Anscheinend rechnete man in Bayreuth noch immer fest damit, dass der » Führer « den Krieg gewinnen würde.

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9 » Einzig Du könntest das Erbe noch retten ! « 1943 bis 1945

An Plänen mangelte es Friedelind nicht ; im Gegenteil, sie sprudelte förmlich davon über. Das Formulieren bereitete ihr keine allzu große Mühe. Neben den Vorträgen, die sie hielt, schrieb sie auch für diverse Journale, darunter für die deutschsprachige Zeitschrift Der Aufbau. 1934 in New York als monatliches Nachrichtenblatt des Deutsch-Jüdischen Vereins gegründet, förderte das Blatt die Kommunikation der deutschen Juden in den USA untereinander. Schriftsteller konnten dort auf Deutsch publizieren, und die Zeitung gab den Emigranten Hilfestellung beim Finden einer ersten Unterkunft, lieferte Tipps für die Suche nach einer Arbeitsstelle und half ihnen generell, sich einzuleben. Friedelind hatte längst ihren antisemitischen Dünkel abgelegt und zählte zahlreiche Juden zu ihrem Freundeskreis. Sie stand spät auf und nutzte den Vormittag für das Schreiben von Briefen und Artikeln auf der Schreibmaschine. Dann nahm sie ein Bad, und wenn das Zimmermädchen um 14 Uhr kam, um aufzuräumen, verschwand sie, um Verabredungen wahrzunehmen. Konzertbesuche waren nach wie vor ihr Lebenselixier, darunter eine Serie mit den New Yorker Philharmonikern unter Toscanini. Besonders freute sie sich auf ein Benefizkonzert Ende November 1942, das der Maestro mit 218

einem ausschließlichen Wagner-Programm dirigieren würde : » Der junge Mann ist jetzt 75, was man angesichts seiner Konzertpläne nicht glauben mag. «1 Die US-Konzertkultur unterschied sich in vielem von der in Europa. Manch ein europäischer Pianist musste seine Karrierehoffnungen begraben, weil er sich mit den dortigen Repertoiregepflogenheiten nicht auskannte. Schumanns Kreisleriana oder Davidsbündlertänze kamen nicht gut an, und sein Klavierkonzert auf das Programm zu setzen galt als » Selbstmord «.2 Bei den Opernaufführungen hingegen war es weniger die Auswahl der Stücke als vielmehr die Qualität, die Friedelind in ihrer Wahlheimat monierte. Drastisch wie sie war, bezeichnete sie die Metropolitan Opera als einen Ort, wo man wegen der schlechten Qualität Selbstmord ohne Reue begehen könne. Da die Met aber ein hohes Prestige besaß, mussten Sänger und Sängerinnen, die eine Karriere anstrebten, dennoch dort aufgetreten sein. Für Friedelind war das ein Ärgernis : » Mein Großvater hätte sich das Gehirn ausgepustet, wenn er eine Aufführung seiner Werke dort gesehen hätte. Ich hätte mich als eine Wagner auch erschießen sollen, aber es ist mehr denn je mein Wille, hier in New York Festivals zu organisieren. Sobald der Krieg aus ist, hoffe ich, den Plan ernsthaft angehen zu können. «3 Die Ursache für die Misere lag größtenteils an der problematischen Finanzierung. Die Kriegskosten, der eingeschränkte öffentliche Verkehr und die Rationierung von Benzin hielten das Publikum von Opernbesuchen fern. Außerdem zeigten die Erben der Logenplätze der ursprünglichen Sponsoren wenig Enthusiasmus fürs Spenden und blockierten viele Sitze. Erst 1944 gab es wieder schwarze Zahlen. Friedelind erlebte eine Experimentierphase, in der man versuchte, junge ( und billige ) einheimische Gesangskräfte anstelle der teuren europäischen Stars zu engagieren, was oft zu Enttäuschungen führte. Ein Musikkritiker bezeichnete 1942 beispielsweise eine gewisse Marie Wilkins als eine Sängerin, die » mit Balkenüber1943 bis 1945

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schriften in der Presse begann und als Fußnote endete « und deren Gesang » nahe am Desaster « war ; Stella Roman als Elisabeth im Tannhäuser habe den misslungenen Versuch gemacht, » sich an vokale Strohhalme zu klammern «.4 Friedelind hatte in Bayreuth ein künstlerisch hochgerüstetes Opernhaus und in Berlin die hoch subventionierte Staatsoper unter Tietjens Leitung erlebt. Sie kannte jeden Takt der Musik Wagners und war mit der Konzeption von Bühnenbildern, Kostümen sowie technischen Dingen bestens vertraut. Die Met konnte dem Niveau der Wagner-Pflege in Deutschland nicht entsprechen, und so blieb ihre Einschätzung vernichtend, ohne Rücksicht auf die Hintergründe. Mitunter gab es auch in New York Highlights, beispielsweise einen im März 1942 von Bruno Walter dirigierten Don Giovanni mit Ezio Pinza, Jarmila Novotna, Rose Bampton und Alexander Kipnis, dessen legendärer Ruf bis heute anhält. Aber das sonstige Angebot enttäuschte sie. Ab 1942 unternahm sie Vortragstourneen, wobei die Themen um Nazideutschland, Wagner und das Musiktheater kreisten. Öffentlich aufzutreten bedeutete, entweder unterzugehen oder aber das Schwimmen zu erlernen, schrieb sie einer Freundin.5 In ihren Vorträgen wiederholte sie, wie wichtig es sei, mit der Musik des 20. Jahrhunderts mitzuhalten, und sie plädierte für eine Modernisierung des Konzertrepertoires. Sie scheute sich nicht, die US-Operngesellschaften zu kritisieren, und schloss in ihre Kritik auch das Publikum ein, das ihr zu konservativ war. Vorträge über Wagner-Themen zog sie allen anderen vor. Das war ihr ungleich lieber, als sich über Politisches zu äußern, was sich aber nicht vermeiden ließ, da die politischen Verstrickungen Bayreuths bei den Amerikanern immer wieder auf Interesse stießen. Gerne hätte sie für den Rundfunk gearbeitet, wie es Eleonora von Mendelssohn tat, die seit August 1942 als Sprecherin für das Office of War Information ( OWI ) fungierte und dort die Nachrichten der Rund220

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funksendung » The Voice of America « auf Deutsch vorlas. Friedelind machte sich Hoffnungen, ebenfalls in dieser USRegierungsbehörde zur Verbreitung von Kriegsinformationen und -propaganda unterzuschlüpfen. Die Bezahlung lag bei rund 225 Dollar monatlich, was ihr ein Grundeinkommen verschafft hätte. Es gelang ihr jedoch nicht, eine Festanstellung zu bekommen. Immer wieder brach ihre Sehnsucht nach der in England zurückgelassenen Freundin Jeanette durch. » Schreibe mir doch bitte bald, Liebling, erzähle mir ganz viel von Dir, was Du  tust, wer deine Freunde sind – gibt es › boyfriends ‹, wie wir  hier sagen ? « Sie hoffte immer noch auf Jeanettes Übersiedlung und riet ihr, ein Konzertprogramm bereitzuhalten. Nummern wie der Schlussmonolog aus der Salome von Richard Strauss kämen immer an, aber sie solle sich auf Lieder spezialisieren, wie Lotte Lehmann und Maggie Teyte, dann habe sie ein offenes Feld für Auftritte. Fred Gaisberg6, der sich gerade in England aufhielt, sollte Schallplatten von ihr mitbringen. Jeanette war von der Isle of Man nach London zurückgekehrt, genau ein Jahr, nachdem Friedelind sie in Port Erin hatte zurücklassen müssen. Die mitgebrachte Schallplatte verstärkte in Friedelind das Heimweh nach der Freundin, der Sängerin und der Lehrerin. Sie sehnte sich nach dem Gesangsunterricht, den sie bei Jeanette genommen hatte, da sie in ganz New York keine Lehrkraft fand, deren Methode ihr zugesagt hätte. » Ich habe so sehr an Dich gedacht – und Dich keine Sekunde lang vergessen – aber das Leben ist ein 24-StundenKampf. Der Versuch, hier eine Karriere zu starten, macht weder hier noch irgendwo Spaß. «7 Trotz ihrer finanziellen Engpässe hegte sie den Traum, eine Opernkompagnie zu gründen. Sie verdiente sich weiterhin Geld als Kellnerin, Verkäuferin oder Bürokraft, nahm Gesangsstunden und arbeitete gleichzeitig an ihrem Buch Heritage of 1943 bis 1945

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Fire, das ihre Erinnerungen an Bayreuth mitsamt ihrer Kritik an den Nazis umfassen sollte. Ihr eigentliches Ziel, Regisseurin zu werden, ließ sich am schwersten realisieren. Sie belegte Schauspiel-, Pantomime- und Sprechkurse sowie Bühnentechnik am Brenda Matthews Theatre der Columbia University. In Bayreuth hatte sie hospitiert, aber nirgends studiert oder Regie geführt, und ihre Lehre bei Tietjen war nicht viel mehr als eine lockere Unterweisung gewesen. Ihre dennoch nicht geringen Kenntnisse hatte sie sich selbst angeeignet. 1943 wurde Friedelind mehrfach von einem Beamten des State Department intensiv nach ihren Kenntnissen über Adolf Hitler befragt. Man erhoffte sich von ihr wohl ein deutlicheres Profil des Diktators. Der gleiche Beamte interviewte übrigens auch Ernst ( » Putzi « ) Hanfstaengl, den früheren Auslandspressechef der NSDAP, der 1937 nach Großbritannien geflohen war, um von dort in die USA zu gelangen. Er ließ sie grüßen.8 Die US-Behörden richteten ein waches Auge auf sie,  denn schließlich hatte sie Hitler seit ihrer Kindheit aus der Nähe erlebt, und in England war sie nach eigener Aussage mit Mitgliedern des » Cliveden Set « zusammengekommen, die als Anhänger des » Appeasement « galten und aus Angst vor dem Kommunismus bereit waren, Hitler Zugeständnisse zu machen. Mehrfach wurde sie vorgeladen, um zu berichten ;  vermutlich suchte man nach Nazisympathisanten. Eine Zeit lang beschäftigte man sich etwa mit Edmund H. Stinnes, einem der Söhne des legendären deutschen Industriellen, der sich bereits 1942 in einer Schrift mit einer Friedensordnung in Deutschland befasste.9 Nach anfänglicher Übereinstimmung mit den Nazis hatte sich seine Einstellung zu ihnen jedoch bald geändert, und spätestens als Hitler ihm einen Ministerposten in seinem Kabinett unter der Bedingung anbot, dass er sich von seiner jüdischen Gattin und den Kindern trennen müsse, hatte er genug und verließ Deutschland.10 Friedelind zufolge hatte er mehrfach versucht, mit ihr Kontakt aufzuneh222

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men. Anscheinend wollte er nicht, dass sie ihr Buch in ihrer geplant scharfen Form veröffentlichte, denn er plädierte dafür, sich nicht schriftlich gegen Hitler zu wenden, auch nicht gegen Deutschland, sondern im Gegenteil die deutsche Kultur hervorzuheben, um Deutschlands Ruf in den USA zu verbessern. Er behauptete, dass Wolfgang Stresemann, der spätere Intendant der Berliner Philharmoniker, der Dirigent Bruno Walter sowie Hermann Rauschning auch seiner Meinung seien und dass er versuche, den 1934 emigrierten Politiker Heinrich Brüning auf seine Seite zu ziehen.11 1944 fragte man bei Friedelind wieder einmal an, ob sie eine deutschsprachige Sendung machen würde. Sie sagte zu und forderte darin die Bürger der USA auf, Kriegsanleihen zu kaufen : » Glauben Sie nicht, dass die Burschen an der Front die beste Ausstattung haben müßten ? «12 Ein solcher Aufruf, der den Tod deutscher Soldaten billigend in Kauf nahm, war geeignet, bei eingewanderten Deutschen für kontroversen Diskussionsstoff zu sorgen, was sie deutlich zu spüren bekam. Ihr Plädoyer stand dem fanatischen Glauben an den Sieg der deutschen Soldaten entgegen, den ihre Mutter daheim verkündete. Ende des Jahres erhielt Toscanini ein Telegramm : » Harper Verlag hat Buch gekauft – sehr guten Vertrag unterschrieben und besiegelt – glückliche Mausi. « Sie war selig, dass Heritage of Fire endlich von einem Verlag angenommen worden war. In diesem Buch, das mit ihrer Kindheit beginnt, in breiter Form die Dreißigerjahre behandelt und bis zum Besuch Winifreds in  Zürich 1940 reicht, beschreibt sie Adolf Hitler als Kleinbürger mit einer gestörten Psyche und steht damit der Ansicht ihrer eigenen Mutter entgegen, die Hitler bis an ihr Lebensende treu ergeben war. Später kritisierte sie die Koautorin Page Cooper, auf die der Verlag bestanden hatte : » Da der Verlag eine Aschenputtel-Geschichte einem Bericht über die NaziÄra vorzog, quetschte sie die fehlenden Teile aus mir heraus. 1943 bis 1945

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Zugleich reduzierte sie mein umfangreiches Manuskript um wenigstens die Hälfte, wenn nicht noch mehr. Aber jedes Wort im Buch ist die Wahrheit, nichts als die Wahrheit und es war alles meins. « Der britische Verlag wählte den Titel » Royal Family of Bayreuth «, weil die Erinnerung an die deutschen Bomber, die England mit Feuer überzogen hatten, noch zu stark war. Sie reagierte zwar mit dem Ausspruch » nur über meine Leiche «, aber » da Autoren für Verlage sowieso nur noch Leichen sind, nachdem sie die Verträge unterschrieben haben, wurde ich natürlich ignoriert «.13 Neben der Vortrags- und Schreibtätigkeit übte sie sich bei kleineren Unternehmungen in der Regie. Im Frühjahr nahm sie eine Nebenrolle als Schauspielerin an : » Ich soll angeblich eine geborene Komödiantin sein ! « Kontakte zu anderen Künstlern waren ihr wichtig. Sie blieb Erna und Herbert Janssen eng verbunden, mit denen sie in Buenos Aires so oft zusammen gewesen war. Er sang an der Met, der er bis 1951 angehörte. Auch zu Lauriz und » Kleinchen « Melchior bewahrte sie freundschaftliche Kontakte. Da Lotte Lehmann ein Haus im New Yorker Bezirk Riverdale gemietet hatte, wo auch Toscanini und die Sängerin Elisabeth Rethberg wohnten, wird sie mit ihr, die als eine der berühmtesten Liedsängerinnen des Jahrhunderts gilt, gelegentlich Umgang gepflegt haben. Lottes Ehemann Otto war kurz zuvor gestorben, und sie wohnte jetzt mit der Hochschullehrerin Frances Holden zusammen, die deshalb ihre Professur an der New York University aufgegeben hatte. Kurz nach ihrer Ankunft in New York war Friedelind mit Lehmanns Agentin Constance Hope zusammengetroffen. Die Tochter des Konzertpianisten Eugene Bernstein kannte sich in allen » Publicity «-Tricks aus und erfand ohne Skrupel sogar Nachrichten, um die Sängerin in die Medien zu bringen.14 Das Treffen diente vermutlich einer möglichen Zusammenarbeit, woraus aber nichts wurde. Während Friedelind zu den männlichen Künstlern mitsamt 224

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deren Ehefrauen gute Kontakte pflegte, gab es nur wenige Verbindungen zu emigrierten Musikerinnen. Dabei suchten viele von ihnen in den USA ihr Glück, beispielsweise die Pianistin Grete Sultan, die viele Jahre im Jüdischen Kulturbund in Deutschland konzertiert und eine Höllenfahrt in einem abgeschlossenen Viehwaggon von Berlin nach Portugal überstanden hatte. Sie bekam nach anfänglichen Schwierigkeiten immer mehr Engagements in den USA. Die Pianistin Frida Kahn unterrichtete einige Jahre an der Princeton University. Die berühmte Cembalistin Wanda Landowska, deren unersetzliche Sammlung an Cembali und Noten die Nazis in Paris konfisziert hatten, mietete privat die New Yorker Town Hall und feierte dort Erfolge.15 Ursula Mamlok verließ als junges Mädchen 1939 Deutschland und studierte in den folgenden Jahren unter anderem bei Roger Sessions Komposition. Sie verschrieb sich als Komponistin der Zwölftonmusik und lehrte nebenher an New Yorker Hochschulen und Universitäten. Vally Weigl war eigentlich Komponistin, wurde aber zu einer Pionierin der Tanztherapie, während die Pianistin Pia Gilbert für den Tanz komponierte : so schufen sich die Künstlerinnen neue Felder, in denen sie sich profilieren konnten.16 Am einfachsten hatten es die Klavierlehrerinnen, da sie aus Europa meist eine exzellente Ausbildung sowie pädagogische Fähigkeiten und Erfahrungen mitbrachten. Auch sie hatten schwierige Startbedingungen, aber sie fanden dann doch ein Auskommen, vor allem in Kleinstädten. Friedelind besaß keine abgeschlossene Ausbildung wie diese Künstlerinnen – sie wollte ja erst Regisseurin werden –, und daher war es für sie wesentlich schwerer, sich zu behaupten. Allerdings öffnete ihr Name, verbunden mit ihrer typischen Wagner-Physiognomie, viele Türen, sodass sie sich mit Vorträgen und ihrem Buch einem breiteren Publikum bekannt machen konnte. Oft brach ihre Verzweiflung über den Krieg durch : » Wie kann man jemals wieder glücklich sein, mitten in diesem 1943 bis 1945

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Elend ? Man kann nur seinen kleinen Beitrag einbringen – gerne würde ich mehr leisten. « Die Nachrichten aus Europa deuteten inzwischen recht erkennbar auf eine deutsche Niederlage hin, und sie war in Sorge um Freunde und Familie. Sie erfuhr, dass Frida Leider ( » our darling Frida «, wie sie schrieb ) einen Liederabend in der Berliner Singakademie gegeben hatte und dass der Saal einen Tag später durch Bomben zerstört wurde.17 Während Friedelind Vorträge hielt, kämpfte man in Deutschland mit den trostlosen Problemen des Alltags, mit den Folgen des Bombenkriegs auf die Zivilbevölkerung und dem Ausmaß der Zerstörung. Gertrud Strobel erfuhr in Bayreuth von Winifred, dass diese einen » reizenden Bericht « von Hitlers Arzt Dr. Brand erhalten habe : Der Führer sitze stundenlang in seinem Bunker, mit seiner Katze auf dem Schoß, die er mit Konfekt füttere.18 Was hätte Friedelind zu dieser Meisterleistung der Verdrängung ihrer Mutter wohl gesagt, wenn sie das gehört hätte ? Verena hatte geheiratet – ihr Ehemann Bodo Lafferentz war der Chef der Organisation » Kraft durch Freude «. Auch das wäre keine erfreuliche Nachricht gewesen. Gefreut hätte es sie jedoch, dass Verena und ihr Mann die erste Tochter Amélie-Friedelind nannten – ein Zeichen für die Zuneigung der jüngeren Schwester. Im September 1944 wurden von Goebbels die deutschen Theater geschlossen, und Wieland hätte zum Volkssturm oder zur Wehrmacht einberufen werden sollen. Sein Schwager Lafferentz kam ihm aber zu Hilfe und stellte ihn in einem Außenlager des KZ Flossenbürg als zivile Arbeitskraft ein, wo militärische Forschungsprojekte erarbeitet wurden. Es befand sich in einer ehemaligen Baumwollspinnerei in Bayreuth, wurde im Sommer 1944 errichtet und im Mai 1945 komplett zerstört. Wie die Gefangenen berichteten, herrschten dort im Vergleich zu anderen Lagern halbwegs erträgliche Bedingungen. Vermutlich arbeitete Wieland an seinen Bühnenbildern ; dennoch bleibt diese Anstellung ein belastender Makel, über 226

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den er beharrlich schwieg. Und es gelang ihm tatsächlich lange Zeit, diese Tätigkeit geheim zu halten ; Tochter Nike schreibt noch 1998 von einem » Betrieb für geheime militärische Forschung «.19 Hätte Friedelind etwas von der Beschäftigung ihres Bruders geahnt, wäre das Wiedersehen Jahre später vermutlich weniger harmonisch verlaufen. Auch Bodo Lafferentz verschwieg bei den Verhören der Alliierten seine Leitung des Instituts, das KZ-Häftlinge als Arbeitskräfte eingesetzt hatte.20 Denkt man z. B. an die lebenslange öffentliche Verurteilung Leni Riefenstahls, die sich für einen Film KZ-Häftlinge » auslieh «, verlief Wielands Rehabilitation ungleich schneller. Am 9. August 1944 fand in Bayreuth die letzte Aufführung der » Kriegsfestspiele « mit den Meistersingern statt, zu denen Wieland die Bühnendekoration beigesteuert hatte. Im dritten Akt waren außer dem Festspielchor Angehörige der Hitlerjugend und des BDM sowie Männer der SS-Standarte Wiking auf der Bühne. Friedelind bekam davon nichts mit, ebenso wenig wie von den vergeblichen Versuchen Wielands, im Laufe des Jahres mit Hitlers Wissen und Billigung die Festspiele vorzeitig an sich zu bringen.21 Im September 1944 schrieb er an Kurt Overhoff über die politische Situation : » Noch gibt’s aber keinen Grund, Alles verloren zu geben und Konsequenzen zu  ziehen, die vorläufig noch nur als Zeichen individueller Schwäche anzusehen sind. Noch besteht Hoffnung, dass der Gral wieder leuchten wird. Sagen Sie nicht, das ist leichtfertiger Optimismus – dieser war nie meine Sache. Unsere derzeitige Arbeit muss eben durchgestanden werden. «22 Während Friedelind bereits Jahre zuvor die Lage durchschaut hatte, blendete er weiterhin die Realität aus. Winifred war nach wie vor bemüht, die beiden Söhne bestens ausbilden zu lassen. Für die Töchter gab es in diesen Plänen keinen Platz. 1944 schrieb sie an den Leiter der Musikabteilung im Propagandaministerium, Heinz Drewes : » Am 7. Juni werde ich in Berlin die Freude haben den Bruder Lustig 1943 bis 1945

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zu hören, als erste selbständige Regiearbeit meines jüngeren Sohnes Wolfgang. Für mich bedeutet das eine große Genugtuung – denn es  lässt hoffen, dass beide Söhne dermaleinst ihre Pflicht erfüllen können. «23 Ein Jahr vor dem Zusammenbruch wurde Wieland beauftragt, einen Ring unter der musikalischen Leitung von Karl Böhm in Wien zu inszenieren, was aber wegen der politischen und militärischen Lage nicht mehr durchführbar war. Verena Lafferentz zufolge gratulierte Hitler ihr zum Geburtstag am 2. Dezember 1944 telefonisch, und sie wurde mit Wieland und Gertrud zu einem Essen eingeladen, das am 7. Dezember stattfand. » Beim Wechsel vom Eßzimmer in das Wohnzimmer wurde ihm von einem Adjutanten geholfen, der ihm sorgfältig ein Kissen in den Rücken tat. Es wurde nicht über die Festspiele gesprochen, sondern in Erinnerungen geschwelgt. Gegen 5 Uhr morgens wurden wir heimgebracht ( Wieland, Gertrud, Bodo, Verena ) «.24 Hitler aß nichts und machte einen fahrigen Eindruck ; eine Hand zitterte stark, und mit der anderen streichelte er ständig seinen Schäferhund. Dennoch schrieb Gertrud : » Wir sind mit sehr positiven Gefühlen von ihm gegangen und das hat recht wohl getan. «25 Besaß er noch immer Charisma ? Die » positiven Gefühle « waren angesichts der Zerstörungen nicht von langer Dauer. Seit der Landung der Alliierten in der Normandie und den großen Erfolgen der russischen Armee war offensichtlich, dass der Krieg verloren war. Die deutschen Städte sanken in Schutt und Asche, die Armeen der Anti-Hitler-Koalition standen vor den Grenzen, der Untergang kurz bevor. Dennoch war Winifred noch im Januar 1945 – also nach der fehlgeschlagenen Ardennen-Offensive, auf die viele Deutsche ihre letzten Hoffnungen auf einen Sieg gesetzt hatten – mit Hitler in Kontakt, der die Hoffnung äußerte, Wieland möge die Walküre in Bayreuth inszenieren. » Der Wunsch ist vorläufig noch geheim zu halten – die endgültige Entscheidung muss Anfang März gefällt werden – wenn aber die Kriegslage bis dahin nicht ent228

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spannt ist, halte ich es für ausgeschlossen «, schrieb sie. Sie versuchte alles, um Wieland Regieerfahrungen zu vermitteln, und schaltete Kurt Overhoff ein, der sich in Wien für ihn einsetzen sollte. Ob so eine Inszenierung zustande käme, sei freilich fraglich, » wo man für Wehrmacht und Volkssturm das letzte an Material zur Bekleidung braucht und die Ausgebombten in die ungezählten Hunderttausende gehen – aber die Jugend ist Gottlob weniger belastet als unsereiner und denkt unbewußt wohl stark egoistisch «, schrieb sie weiter.26 Sie konnte sich also vorstellen, trotz Hunderttausender Wohnungsloser und trotz der Not, die im Land herrschte, eine Oper für den » Führer « aufführen zu lassen. Noch 1945 versuchte Wieland, Hitler in Berlin zu erreichen, um sich die Wandlung » vom Kronprinz zum Oberhaupt « absegnen zu lassen, doch er gelangte nicht mehr dorthin.27 Für heutige Verhältnisse mutet dies an wie aus einer anderen Welt. Wie war es möglich, dass ein ehemaliger Postkartenmaler einen Industriestaat gleichsam » aus dem Stegreif « führte, sodass die Beamten und Leistungsträger vom banalen Alltag eines Einzelnen abhingen, der die Nacht zum Tag machte, den Regierungsapparat teilweise außer Kraft setzte, laienhaften Vorstellungen von der Weltpolitik anhing und seine Entscheidungen oft zwischen Tür und Angel, aus dem Augenblick heraus improvisierte ?28 Glaubte die Wagner-Familie wie weiland Richard Wagner bei Ludwig II. von Bayern, sie hätte ein Ohr am raunenden Schicksal Deutschlands ? Allerspätestens Ende 1944 war für alle sichtbar, dass der Krieg verloren war, doch vertrauten sie weiterhin dem zittrigen kranken Mann, der in seinem Bunker hockte, seinen Hund streichelte und Winifred gegenüber von neuen Festspielen faselte. Allerdings war Winifred auch pragmatisch eingestellt, wenn es um das Wohl der Familie ging. Sie beschloss bei Zunahme der Bombardements, dass Bayreuth kein Ort für werdende Mütter sei, und schickte Gertrud und Verena mit dem Kind 1943 bis 1945

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Amélie nach Nußdorf am Bodensee in ihr dortiges Haus. Ellen, ebenfalls schwanger, war noch bei Wolfgang und Winifred im Keller des Siegfried-Wagner-Hauses, als am 5. April 1945 eine amerikanische Bombe auf Wahnfried fiel und einen Teil des Hauses schwer beschädigte. Zum Glück waren keine Opfer zu beklagen. Bayreuth verlor in den letzten Tagen des Krieges durch schwere Luftangriffe mehr als ein Drittel seines Wohnungsbestands. Bis dahin hatten viele Bewohner der Stadt tatsächlich geglaubt, Friedelind würde in den USA dafür sorgen, dass die Stadt verschont bliebe.29 Der Krieg war zu Ende, auf der ganzen Welt machte sich Erleichterung breit. Toscanini dirigierte in den USA zur Feier der deutschen Kapitulation am 18. Mai Beethovens Fünfte Symphonie, die auch im Radio erklang. Die Amerikaner marschierten in Bayreuth ein und beschlagnahmten den zerstörten Familiensitz, das Festspielhaus und den unbeschädigten Siegfriedbau neben der Villa Wahnfried, in dem Hitler stets übernachtet hatte. Das Festspielhaus und sämtliches Vermögen der Familie wurden beschlagnahmt und unter Treuhandverwaltung gestellt, das Festspielhaus von der Truppenbetreuung der Besatzer für Shows verwendet. Man hatte dazu den Orchesterraum überdeckt, eine Vorbühne geschaffen und eine Warmluftheizung eingebaut. Einige Mitglieder des Wagner-Clans brachten sich im Mai 1945 vor den Alliierten in Sicherheit. Neben Wieland mit seiner schwangeren Frau und zwei Kindern waren seine schwangere Schwester Verena und ihr Mann Bodo Lafferentz mit von der Partie. Kurz vor dem Eintreffen französischer Soldaten machten sich beide Familien auf die Flucht in die Schweiz und nahmen einige Partituren als Startkapital mit. Der Plan misslang jedoch. Sie wurden an der Grenze abgewiesen, da ihre Nähe zu den Nazis bekannt und den Schweizer Behörden die  Sache zu riskant war – eine Demütigung angesichts der bis  dahin privilegierten Stellung der Familie. » Wie glauben 230

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Sie, dass das Erwachen für Ihre Lieben wohl war und sind sie schon ganz wach ? Hoffentlich lernen sie nun etwas aus den Geschehnissen «, schrieb Ellen Beerli aus Luzern. » Ich weiss dass Ihre Mama einem amerikanischen Obersten bei einem Interview sagte, dass sie nie den Radio des Auslandes hörte und daher ganz ahnungslos sei über das ganze Geschehen. Wären Sie so gehorsam gewesen ? Es ist natürlich bitter für Ihre Mutter, diese Zeiten durchzumachen und hören zu müssen was alles dieser › Gott ‹ oder schon vielmehr Götze mit seinem Anhang dem deutschen Volk als Erbe hinterließ. «30 Allmählich sickerten Informationen zu Friedelind durch, und im August 1945 konnte sie den Janssens berichten, dass sie in der Sunday Times Bilder von Bayreuth gesehen habe, auf denen Arbeiter den Schutt von Wahnfried wegräumten. » Die Familie lebt scheints vollkommen in Oberwarmensteinach. Ich versuche augenblicklich rauszufinden, wo meine Schwester ist – vielleicht kann ein Soldat sie auftreiben, denn ich bezweifle stark, dass sie mit ihrem Mann mit dem Rest der Familie zusammenlebt, denn ihr Verhältnis mit meiner Mutter war auch nicht sehr rosig – und sie hat ja alles getan, um von zu Hause fern zu sein. Ich mache keinerlei Anstalten, mit dem Rest der Familie in Verbindung zu treten – nicht nach dem verdammten Interview, das meine Mutter gab ! Wenn sie was von mir will, sie weiß, wo sie mich wiederfinden kann. «31 Gemeint ist das Interview Winifreds mit Klaus Mann, das er  als US-Soldat für die Zeitschrift Stars and Stripes geführt hatte. Friedelind war schockiert über die anhaltende Bewunderung ihrer Mutter für Hitler. Sie hatte gehofft, ihre Mutter würde ein Schuldeingeständnis abgeben und Reue über die Verstrickung Bayreuths zeigen. Nichts davon passierte. Das nötigte ihr sogar ein Quäntchen Bewunderung ab : » Wenigstens windet sie sich nicht wie die vielen anderen Deutschen, die nun behaupten, immer gegen die Nazis gewesen zu sein. « Insgesamt aber enttäuschte es sie zutiefst, dass ihre Familie 1943 bis 1945

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die  Verbrechen Hitlers nicht zur Kenntnis nahm, und sie ahnte, dass dies ihr künftiges Verhältnis zu den Angehörigen belasten würde. » Wenn sie sich aller Verbrechen, die Hitler begangen hat, vergewissert hätten, könnten sie ihn unmöglich bis heute bewundern. Was unsere künftige Beziehung betrifft, scheint sie mir für alle Zeiten gleich null. Ich hatte mir zu viele Hoffnungen gemacht, dass sie mir eines Tages sagen würden : Du hattest recht, obwohl meine kühle Logik immer wusste, dass so ein Tag nie kommen würde. Jetzt sehe ich keine Grundlage für ein Treffen, es wäre so vergeblich und unproduktiv und unerfreulich wie das Verhältnis vor Kriegsausbruch. «32 Sie fragte Wieland sogar, ob er keinen Einfluss auf Winifred habe, um sie zum Schweigen zu bringen.33 Winifreds Strategie der nachfolgenden Jahre konnte sie einem Schreiben entnehmen, das diese im August 1945 an den  US-Kommandanten der in Bayreuth stationierten Soldaten, Colonel Fiori, geschickt hatte und das in Kopie in ihre Hände gelangte. Winifred wies seine Kritik zurück, wonach sie  die Künstler bis zur Schließung der Festspiele schlecht bezahlt habe, ebenso wie seinen Vorwurf, sie habe sich persönlich bereichert. Zu ihrer politischen Rolle führte sie aus, sie habe nie politische Ambitionen gehabt, nie ihre Zugehörigkeit zur Kirche aufgegeben, sei nie Mitglied der Reichstheaterkammer gewesen und habe Menschen in Not immer geholfen. Ihre Einladung an Hitler, nach Bayreuth zu kommen, stellte sie in eine Linie mit den Besuchen gekrönter Häupter im Festspielhaus. Wäre Bayreuth eine amerikanische Stadt, würde die US-Stadtverwaltung nie zugelassen haben, dass man die Familie, der die Stadt ihren weltweiten Ruhm verdankte, im Stich lasse. » Statt dessen schaut sie zu und tut nichts, um zu verhindern, dass alle Erinnerungsstücke an Wagner, die traditionellen Möbel usw. kaputt gehen, weil es keinen Stauraum für die Familie gibt, wo diese Stücke sicher wären. « Außerdem beschwerte sie sich, dass in einer Stadt, die durch Wagner zu 232

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Ruhm gekommen war, dessen Enkelkinder kein Zuhause mehr hätten.34 Diese Darstellung bildete auch die Grundlage ihrer späteren Verteidigung vor Gericht. Winifred stellte noch einmal ihren Abstand zur Partei dar und betonte die angeblich privaten, freundschaftlichen Bande, die sie bewogen hatten, Hitler zu den Festspielen einzuladen ; ohne seinen Schutz, so Winifred, hätten sie in diesen Jahren nicht existieren können. Friedelind aber hatte 1944 in ihrer Autobiografie gerade auch das politische Gewicht der Verbindungen betont. Ihr permanentes Schweigen gegenüber der Mutter kann auf ihr Erstaunen über diese briefliche Darstellung zurückzuführen sein. ( Ein anderer Grund kann ihre bevorstehende Einbürgerung gewesen sein ; sie wollte nicht als jemand dastehen, der Kontakte zu ehemaligen Nazis pflegte. ) Obwohl Winifred am 7. April 1946 ihren ersten Brief an Friedelind schickte, brauchte diese ein Jahr, ehe sie antwortete. Unterschlagen wurde in Winifreds Auslassungen ihre Begeisterung für den » Führer « mitsamt ihrem Hass auf » Nagods «, wie sie gerne schrieb : jüdische Mitbürger. Sie hatte sich mehr als einmal Rückendeckung bei Hitler für Entscheidungen geholt, die Geschicke Bayreuths betrafen, und sich in den Medien begeistert zum angeblich bevorstehenden Sieg der Deutschen geäußert. Der » Führer « hatte sich sehr wohl in Bayreuther Angelegenheiten eingemischt. Er hatte sich gegen den Parsifal-Aufruf Danielas und Evas gestellt, er hatte befohlen, Roller als Bühnenbildner zu holen, er hatte die Festspiele wiederholt subventioniert, er plante ein neues Gebäude. Friedelind bekam mit den Erklärungen ihrer Mutter eine Kostprobe der Verteidigungsstrategie ehemaliger Nazis und war skeptisch, was die Erneuerung und Säuberung Deutschlands nach dem Zusammenbruch betraf, denn sie blieb von der Kontinuität des Gedankenguts überzeugt. Mit Recht : Bedenkt man, dass die Wurzeln des Antisemitismus und der braunen Ideologie 1943 bis 1945

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bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, so leuchtet ein, dass diese Anschauungen selbst nach Offenlegung der Nazigräuel sich nicht wie ein Licht ausknipsen ließen. Für den Musikwissenschaftler Ulrich Drüner ist » die zu zögerliche kulturelle Öffnung nach dem Kriegsende, die höchst fragwürdige › Vergangenheitsbewältigung ‹, bei welcher der Schutz von Tätern, Nutznießern und Mitläufern des Regimes manchmal höher stand als das Interesse der Opfer «, der Hauptgrund für die Stabilität ideologischer Überzeugungen auch im musikkulturellen Milieu. » Den Quellen zufolge hat die faschistisch geprägte Kunstepoche weit mehr als ein Halbjahrhundert gebraucht, um sich zu entwickeln und wieder abzuklingen. Die Dauer der eigentlichen Nazi-Diktatur dagegen ist rein zeitlich so kurz, dass allzuviele bereit sind, deren kulturelle Begleitumstände als › Unfall ‹ zu betrachten und daraus eine Schlussstrich-Forderung abzuleiten. Das ist im Sinne der Opfer des › Dritten Reiches ‹ strikt abzulehnen. «35 Drüners Vorbehalte stellen keineswegs eine Einzelmeinung dar. Friedelinds Vetter Franz Wilhelm Beidler, selbst wegen der Nazis geflohen, schrieb noch vor Kriegsende an Thomas Mann, man müsse damit rechnen, » dass Europa auf beträchtliche Zeit verloren und dem geistigen Erstickungstod ausgesetzt ist «.36 Und Mann schrieb 1945 in seinem Aufsatz » Warum ich nicht nach Deutschland zurückkehre «, man könne die vergangenen Jahre nicht von der Tafel wischen : Er sei in München einer Pressehetze ausgesetzt gewesen, sodass ihm die Rückkehr » abgeschnitten « sei.37 Die Drehbuchautorin Salka Viertel, die in die USA geflohen war, wollte nicht in Wien unter » Ex-Nazis « leben, die Hitler und den Holocaust ermöglicht hatten.38 Der in New York lebende Komponist Robert Stolz ( 1880 – 1975 ) äußerte nach Kriegsende : » Insolange Komponisten bei Euch heute noch gefeiert und tätig sind, die Hymnen für die gewesenen Mörder komponierten, ist der Zeitpunkt … noch nicht reif ! «39 Der Musikwissenschaftler Alfred 234

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Einstein, dem 1933 als Herausgeber der Zeitschrift für Musikwissenschaft gekündigt wurde und der den Gang ins US-Exil wählte, war noch radikaler : » Aus diesem Deutschland der Bestialität kann niemals wieder ein Deutschland der Humanität werden ; wer sich mit ihm identifiziert, hat das Recht verloren, die Namen Mozart, Beethoven, Goethe, Schiller auch nur in den Mund zu nehmen. « Er war zutiefst dankbar für die neue Heimat in den USA und betrachtete das neue Deutschland als das » Vierte Reich «, weigerte sich, je wieder in die Heimat zu reisen, und kehrte sich von allem ab, was ihn mit der deutschen Musikwissenschaft verbinden konnte.40 Eine solche Abwehr jeglicher Versöhnung weist Spuren eines Traumas auf. Aufgrund der Bombardements und Plünderungen herrschte in Deutschland große materielle Not. Die Ehepaare WielandGertrud, Wolfgang-Ellen und Bodo-Verena hatten Kinder zu  versorgen ; Deutschland lag zertrümmert darnieder, man bekam auch für Geld kaum etwas zu kaufen. Krankheiten wie  Diphtherie, Kinderlähmung und Keuchhusten grassierten  und gefährdeten die Kinder, zumal es weder Penizillin noch Impfungen gab. Friedelind unterstützte nun ihre Familie, indem sie Pakete mit Lebensmitteln und Kleidung nach Tribschen in die Schweiz sandte, von wo die Kustodin Ellen Beerli sie weiterleitete. Einmal schickte sie mehrere Kilo Kaffee, die ihre Mutter verkaufen und damit bei der großen Geldknappheit gut verdienen konnte. Ihre Hilfsbereitschaft kannte keine Grenzen ; es gehörte zu ihrem Wesen, anderen bis zur Selbstverleugnung zu helfen, wenn sie von der Notwendigkeit überzeugt war. Dabei befand sie sich selbst in Geldschwierigkeiten. Im Februar 1945 schrieb sie an Toscaninis Faktotum Margherita de Vecchi und gab zu, dass sie noch nicht einmal die Miete für Januar hatte zahlen können. Sie erklärte ihr auch, dass sie dem Pfandleiher Geld überweisen musste für Frau von Einems Juwelen, die sie seit 1940 hortete. Im Herbst 1944 war mit Tos1943 bis 1945

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canini ausgemacht worden, dass er sie weiter unterstützen würde, bis sie ihre Schulden in Ordnung gebracht hätte. Der Dirigent verlangte von ihr, sich Arbeit zu suchen, was sie mit viel Eifer tat. Aber ihr Budget war und blieb knapp, und er unterstützte sie bereits im fünften Jahr ihrer Emigration. Immerhin gelang es ihr, die verpfändeten Juwelen wieder für ein Jahr zu bewahren ; ein guter Freund hatte auf ihren Hilferuf hin die vom Pfandleiher geforderten Gebühren gezahlt. Im Austausch für Bilder, die Wieland herstellte, organisierte sie Care-Pakete. Er bot seinerseits Porträts von Richard Wagner an, die er kopierte, um etwas zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Wie sie die Sendungen finanzierte, bleibt bei ihrer eigenen Geldnot ein Rätsel : » Die Zustände werden ja nicht besser und sie verlangen mehr und mehr und mehr – es nimmt gar kein Ende. « Ihr Schwager Bodo, der verhaftet und in ein Internierungslager gebracht worden war, durfte nicht schreiben und hatte nur jedes Vierteljahr Sprecherlaubnis, und sie litt mit Verena, die mit der Situation überfordert war. » Inzwischen ist über die Welt ein zweiter Krieg hereingebrochen, der Deutschland zu einem großen Teil in Trümmer gelegt hat. Das bescheidene rote Haus auf dem Festspielhügel ist verschont geblieben. Wird der Geist Richard Wagners noch einmal darin wohnen ? «, fragte sich nicht nur der Dirigent Fritz Busch, den schon vor 1930 die vielen Hakenkreuzfahnen in der Umgebung Wahnfrieds gestört hatten.41 Diese Frage trieb jetzt auch Friedelind um. Vielen Emigranten schien es unmöglich, dass sich das kulturelle Leben rasch erholen könnte. Sie mussten zudem im Laufe der Zeit erfahren, dass Menschen, die sich von der Naziherrschaft befreit hatten und ins Exil gegangen waren, nach 1945 in Deutschland nicht sonderlich willkommen waren. Die meisten von ihnen wurden nach Kriegsende nicht gebeten, heimzukehren. Es war dies » die zweite Schuld «, von Ralph Giordano so genannt, die die 236

» Einzig Du könntest das Erbe noch retten ! «

deutsche Bevölkerung auf sich lud – vermutlich, weil es ihr unmöglich war, mit den Schrecken umzugehen, die die allmähliche Offenlegung aller Verbrechen mit sich brachte. Zwar gab es einige Auftritte, Sommerkurse oder Konzerte, zu denen man Exilmusiker bat, aber eine echte Problematisierung oder Vertiefung des Themas Exil blieb aus oder wurde als ein Unfall betrachtet, den andere zu verantworten hatten. » Mit erschreckender Unsensibilität verschloß man die Augen vor der kriminellen Vertreibung. « Selbst die Wissenschaftler taten sich schwer damit, in Lexika von einer Vertreibung zu schreiben, sie sprachen eher von einer » Übersiedlung «.42 Friedelinds erster Brief nach Kriegsende ging nicht an die Familie, sondern nach Tribschen zu Ellen Beerli. Sie hatte vom Tod ihrer Tanten Eva und Daniela durch die amerikanische Presse erfahren und fragte nun nach, ob sie weiterhin mit ihren Illusionen gelebt hätten oder » haben sie je gedacht oder geschrieben, dass die Mausi doch recht hatte ? «43 Fragen über ihre Mutter sparte sie aus ; zu groß war der Zorn über ihre Unnachgiebigkeit. Enttäuscht darüber, dass ihre Familie sich der Vergangenheit nicht stellte, blieb sie misstrauisch gegenüber Deutschland. » Ich habe keine Illusionen über meine Familie … Ganz Deutschland soll mehr Nazi denn je sein – und die Occupation hat ja leider nichts dazu beigetragen, dies zu ändern, weil sie eben das Problem gar nicht verstanden haben. Und nun werden die Leute von Tag zu Tag wieder frecher, weil sie wissen, dass sie nicht mehr an den Galgen kommen, wenn sie den Mund aufmachen. Aber statt Hitlers Regime zu kritisieren, kritisieren sie nur die ehemaligen Feinde, weil das wohl billiger ist und das Schuldgefühl schön entlastet. «44 Mitleid fand sie unangebracht, denn » es gibt Millionen, denen dies hundertprozentig zukommt, aber nicht unseren früheren Landsleuten. Kein Wunder, dass die Deutschen – einzeln und en masse, noch nicht ein Wort des Mitgefühls für ihre früheren Opfer übrig hatten – und entrüstet 1943 bis 1945

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schreien : was tut ihr uns an – denn wenn man hier die Zeitung liest, könnte man auch schon bald glauben, dass sie die einzigen Kriegsopfer – und natürlich unschuldige obendrein – waren. «45 Aus welcher Perspektive sollte man überhaupt den verlorenen Krieg betrachten ? Das Herz von Katia Manns Mutter, Hedwig Pringsheim, blutete, wenn sie an all die deutschen jungen Männer dachte, die sinnlos in den Tod geschickt worden waren. Golo Mann hingegen meinte, es geschehe ihnen ganz recht.46 Katia Mann stellte sich bedingungslos auf die Seite der Alliierten, ebenso wie Erika Mann, die keine Versöhnung mit Deutschland wollte, und auch für Friedelind war klar, dass die Deutschen das Kriegsgeschehen angezettelt hatten und für das millionenfache Morden verantwortlich waren. Wie der Familie Mann waren auch ihr die deutschen Patrioten in den USA verhasst, jeglicher » Emigrations-Nationalismus « ausgewanderter Deutscher, die mit Hitler sympathisiert hatten, war ihr zutiefst zuwider. Für Winifred hingegen stand fest, dass sie niemals ihre freundschaftlichen Gefühle für » Wolf « würde aufgeben können. Unwillig, sich einzugestehen, dass sie zu lange die Tatsachen verdrängt hatte, gab sie seinem Umfeld die Schuld an dem Geschehen und behauptete allen Ernstes, sie habe mit » Wolf « nie über Politik gesprochen. Ausführlich schilderte sie dafür in ihren Briefen die Folgen der Bombardierungen Bayreuths durch die Amerikaner und Engländer, als wären diese schuld an dem Desaster. In der Bewertung des Kriegsgeschehens blieben zwischen Friedelind und Winifred unüberbrückbare Differenzen, sodass Friedelind auf die vielen Briefe ihrer Mutter weiter mit beharrlichem Schweigen reagierte. Während die Buchstaben » USA « für Winifred nach dem Krieg als trotziges Kürzel für » Unseren Seligen Adolf « dienten, womit sie ihre Freundschaft zu dem Massenmörder weiterhin signalisierte, bedeuteten die 238

» Einzig Du könntest das Erbe noch retten ! «

USA für Friedelind die Freiheit ; die Vereinigten Staaten waren ein Land, in dem sie sich selbst verwirklichen konnte und dessen Staatsangehörigkeit sie annahm. Diese beiden Pole – Amerika als erträumtes und später auch tatsächliches Land der Freiheit, und » Unser Seliger Adolf « als halsstarrige Rückwendung zu einer Lebenslüge – können als symptomatisch für den starken Riss gelten, der die Beziehung zwischen den beiden Frauen weiterhin belastete. » Um die Arztrechnung für ihre Diphtheriebehandlung bezahlen zu können, haben Wielands ihr Eßzimmer verkauft ( das hübsche Grüne aus Berlin ). Sie haben nur 800 Mark dafür bekommen. Ich habe einen Pelz verkauft und bekam 900 Mark – ist aber natürlich auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein – denn Schuhe kosten jetzt z. B. 70 – 120 DM das Paar. Es ist alles mehr als bescheiden – aber wir sind doch nicht unterzukriegen und planen und werden es schon wieder  zu was bringen – wenn die Russen nicht kommen. «47 Winifred zeigte in jeder Situation ihren Lebenswillen, und sie stand den kleinen Enkelkindern tatkräftig bei. Ihre Wandlung von der Freundin des höchsten Repräsentanten Deutschlands in eine beerenpflückende Hausfrau gelang ihr anscheinend mühelos. Sie ließ sich von ihrer dänischen Cousine Stricknadeln und Wolle schicken und verbrachte viel Zeit damit, Kleidungsstücke für die zahlreichen Enkel zu stricken. Zitronen, Fleischextrakt, Marmelade, Briefpapier, Glühbirnen, Toilettenpapier, Sicherheitsnadeln, Kaffee und anderes mehr, die ihr aus dem Ausland geschickt wurden, waren » ungeheure Hilfen « und linderten die Not. Da die Zuteilung nicht ausreichte, zog sie Kartoffeln mit einem Handwagen den Berg hinauf nach Oberwarmensteinach und suchte im Wald Holz und Tannenzapfen. Das Einmachen von Obst gehörte jetzt zum Tagesablauf. Da eine Fahrt nach Bayreuth vier Mark kostete, verkaufte sie Blaubeeren für 40 Pfennige das Pfund. » › Hunger, poverty and dirt ‹ heißt die letzte Zeile 1943 bis 1945

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eines englischen Gedichtes, das ich als Kind lernte – und davor fürchte ich mich manchmal «, schrieb sie ihrer Cousine.48 Sie ließ sich aber nicht unterkriegen, im Gegenteil, es mutet an, als sei ihr gerade in Krisenzeiten mehr Kraft zugewachsen. Nach dem Zusammenbruch galt Friedelind als die reiche Tante in Amerika, die man um alles Mögliche bitten konnte. Wieland schrieb : » Ich möchte Dich schamlos um etwas Wolle für mich bitten – sie ist leicht und wohl auch nicht allzu teuer für Dich. Man könnte für die Kinder die dringend benötigten Höschen stricken und ich kann nicht leugnen, dass ein handgestrickter Pullover zwecks Erwärmung des irdischen Gefäßes meiner göttlichen Seele angebracht sei. Eine allenfalls noch leerstehende Ecke könnte man vielleicht mit Tee oder köstlichem Ness-Kaffee [sic] ausfüllen. « Er freute sich über ein » Schuhpaket « für die Kinder, das Friedelind an Frau Beerli zur Weiterleitung geschickt hatte. Eine Stellungnahme zum Verhalten der Daheimgebliebenen in der NS-Zeit suchte Friedelind auch bei ihm vergeblich. Während viele Emigranten mit Billy Wilders Kinofilm Eine auswärtige Affäre ( mit Marlene Dietrich ) erstmals einen Blick auf das zerbombte Berlin werfen konnten und über das Ausmaß der Zerstörung entsetzt waren, mussten die Brüder daheim sofort nach dem Krieg eine fundamentale Kehrtwende in ihrem Denken und Handeln vollbringen. Bis vor Kurzem waren sie mit dem mächtigsten Mann im Staate befreundet – jetzt war er tot, die Mutter angeklagt. Die Militärregierung bildete zunächst einen » Hauptausschuss « als Vorläufer des ersten Stadtrats, zu dem Gegner des NS-Regimes gehörten, darunter Dr. Konrad Pöhner, der später für die Festspiele bedeutend sein würde. Der Trümmerbeseitigung und Versorgung der Bevölkerung galt die erste Sorge ; das kulturelle Leben lag noch lange brach. 1948, drei Jahre nach Kriegsende, bezahlten in Berlin die Zuschauer ihre Eintrittskarten mit Briketts. Den 240

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Sängern stand der Atem vor dem Mund, so kalt war es und so wenig Infrastruktur war vorhanden.49 Doch es waren weniger die materiellen Hürden, die die Brüder mit Sorge erfüllten. Zwar dachten beide nach dem Zusammenbruch daran, die Festspiele zu übernehmen und fortzuführen, doch mussten sie befürchten, dass Friedelind als politisch » Makellose « ihnen zuvorkommen und die Leitung beanspruchen könnte. Und natürlich war ihnen bewusst, dass Bayreuth mit seinen engen Verbindungen zu Hitler und der Unterstützung durch das NSRegime besonders belastet war. Im Juli 1945 hatte Friedelind von amerikanischen Freunden erfahren, dass das Festspielhaus für Unterhaltungsshows der Besatzer genutzt wurde : » Mein armer Großvater muss sich im Grab rumdrehen ! Wahrscheinlich saust Sinatra in den Rheintöchterapparaten herum und singt : Don’t fence me in. Directe Nachrichten habe ich natürlich gar nicht von der Familie – und erwarte auch keine mehr, nachdem sie nach wie vor ihrem Führer treu sind. «50 Nicht, dass sie noch mit zerknirschten Reuebekundungen gerechnet hätte, aber der schwarze Humor verdeckte nur notdürftig ihre Bestürzung – über die demütigende Entweihung des Festspielhauses ebenso wie über die unbelehrbare Mutter. Während Wolfgang mithalf, die Trümmer in Wahnfried zu beseitigen, schrieb Wieland von Nußdorf aus, er sei ohne jede Nachricht von daheim, hoffe aber, dass alles gut gehe und im nächsten Jahr die Festspiele stattfinden würden.51 Davon konnte freilich gar keine Rede sein. Die Ratlosigkeit war groß ; es war die Rede von einer Verstaatlichung des Festspielhauses.52 Niemand wusste, wie und ob es weitergehen würde. Im Gegensatz zu Wolfgang, der bezüglich einer Fortsetzung der Festspiele negativ eingestellt blieb, versuchte Wieland von Anfang an, eine Fortführung um jeden Preis zu erzielen. Er schrieb im September 1945 recht ehrerbietig an Toscanini und teilte ihm mit, er sei der einzige Mensch, der eine Fortführung 1943 bis 1945

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gewährleisten könne. Erstaunlich ist seine Übernahme des Vokabulars von Daniela und Eva, die mit erhaben-religiösen Begriffen argumentiert hatten. Das Festspielhaus würde als Theater benutzt und ebenso sei Wahnfried beschlagnahmt : » Ich kann nicht glauben, dass der Parsifal, in dem Richard Wagner der Welt die Religion des Mitleidens verkündet, dass der Ring, in dem er prophetisch und mit furchtbarer Deutlichkeit von den Folgen egotistischen Strebens nach Macht warnt, dass der Tannhäuser und der Tristan nun nicht mehr an › ihrer ureigensten Stätte ‹ für all diejenigen, die nach den Jahren chaotischen Grauens und Kulturlosigkeit höchstes Erleben und innerste Einkehr auf dem › Hügel ‹ suchen, nun nicht mehr erklingen soll. … Darf das › Geheimnis ‹, das der Meister bei der Grundsteinlegung des Hauses dort verschlossen hat, sich der Welt nicht mehr offenbar machen ? « – » Tragische Umstände « hätten den Dirigenten gezwungen, den Hügel zu meiden, schreibt er noch.53 Auffällig ist die Umgehung des Namens Adolf Hitler. Eine Kopie dieses Briefes schickte er an Friedelind und schrieb ihr : » Aus diesem nüchternen Tatsachenbericht wirst du – zwischen den Zeilen lesend ! – ersehen, dass du eine Mission hast – der Bestand der Festspiele ist in Gefahr – bitte auch du den Maestro um seine Hilfe und seinen Beistand – ohne ihn wird wohl in Bayreuth der Parsifal lang nicht mehr ertönen … Einzig du könntest das Erbe noch retten ! «54 Es ist der Hilferuf eines Desillusionierten, der sich allzu lange an denjenigen geklammert hatte, der Macht und Einfluss versprach, und dessen Werte kollabiert waren. Der Dirigent antwortete nicht. Friedelind fühlte sich aber angesprochen und meldete sich im November mit einem im Tonfall herzlichen Brief, der allerdings ein Sendungsbewusstsein verriet, das Wieland irritieren musste. » Ich wusste vor 8 Jahren, als ich Euch verließ, so gut wie heute, was meine Mission eines Tages sein würde. Ich weiß, dass heute nur durch mich das Fortbestehen der Festspiele gerettet werden kann, 242

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obwohl wir uns gewärtig sein müssen, dass es wahrscheinlich Jahre dauern wird. Der Maestro wird mir stets als Freund und Berater zur Seite stehen, und er weiß, welche Schritte ich bereits unternommen habe. « Sie wollte wissen, ob man versuche, das Festspielhaus zu enteignen, und inwiefern die Familie von den Verordnungen der Besatzungsbehörden betroffen sei. War ihre Mutter lebenslang als Vor- und Universalerbin eingesetzt oder konnten ihre Kinder durch ihre Mündigkeit bedingt als Erben gelten ? » Ihr werdet verstehen, dass kein Mensch einen Finger für den Fortbestand des Erbes rühren wird, solange Mama an der Spitze steht. « Zur Verwendung des Festspielhauses als Fronttheater schrieb sie : » Meinem wagnerischen Teile ist es genau so ergangen, als ich zuerst davon hörte. Aber meine praktische Hälfte hat sich gesagt : erstensmal, Krieg ist Krieg, und › Kraft durch Freude ‹ war bei Gott keine größere Zierde – und das echte Festspiel und wagnerische Heiligtum muss sowieso vollkommen von Neuem aus der Taufe gehoben werden – und die letzten zwölf Jahre wird man im Vergessen vergraben ! «55 Im März 1946 schrieb Wieland an seinen Mentor Overhoff : » Bayreuth scheint ja auch in Zukunft eine Angelegenheit von – Frauen zu bleiben. Denn in Bezug auf die Pläne meiner Schwester gebe ich mich keinen Illusionen hin – wie Mama das zu tun scheint. « Er schloss damit, dass er » den Kampf nicht aufgeben « wolle56 – eine bezeichnende Formulierung. Die Brüder schwankten zwischen Resignation, Ärger und Hoffnung. » Um die Zukunft Bayreuths brauchte sich meine Schwester als Emigrantin und Antifaschistin von uns allen am wenigsten Kopfzerbrechen zu machen, zumal sie offenkundig, wie ihr Buch besagte, im Vollbesitze sämtlicher nur denkbarer Voraussetzungen für die Übernahme der Festspielleitung war «, schrieb ihr Bruder Wolfgang in seiner Autobiografie, um weiter zu behaupten, Friedelind habe in ihrem Buch ihre 1943 bis 1945

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Fähigkeiten als Regisseurin und Festspielleiterin zu Unrecht ausgebreitet, da sie diese nicht besäße.57 Sollte ausgerechnet diejenige, die den Daheimgebliebenen politischen Ärger einbrachte, nun als Siegerin heimkehren ?

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10 Die Nachkriegssituation 1946 bis 1950

Im Februar 1946 kommentierten auch deutsche Zeitungen in großer Aufmachung Friedelinds Autobiografie, die 1945 in der Schweiz in deutscher Übersetzung erschienen war. Sie enthalte » manche Pikanterie «, hieß es, und besonders der Satz » Du wirst vertilgt und ausgerottet «, den sie Winifred zuschrieb, machte Schlagzeilen.1 Winifred behauptete, dies sei eine falsche Darstellung, und schob die Schuld für die » Lügen « der Koautorin Page in die Schuhe : Friedelinds » ganze Haltung ist mir noch rätselhaft, denn sie lässt via Luzern, wo sie Geld hinschickt, monatlich schöne Futterpakete an jedes Familienoberhaupt schicken ! «2 In der ganzen Familie löste die Nachricht vom Erscheinen einen Schock aus, denn man ahnte nichts Gutes, befürchtete persönliche Diffamierungen. Wieland schrieb seiner Mutter, das Buch werde sich » bei allen anständigen Leuten von selbst richten «. Dabei blieb er auch, als er es tatsächlich lesen konnte. Die Familie verurteilte es als » belang- und niveaulos «.3 Wolfgang an Wieland : » Das ganze ist ein höchst merkwürdiges Produkt und manches ist mir psychologisch doch ein ziemliches Rätsel. «4 Gertrud Strobel brachte die Verachtung der Familie für Friedelind ( bei gleichzeitigem Empfang ihrer so willkommenen Lebensmittelpakete ) auf den Punkt : » Vom Buch der Maus gesprochen ; mit 245

der Schweizer Einnahme werden die Care-Pakete finanziert ( › Die Kehr- oder Care-Seite ‹ ! ! ! ) Familie Wagner lebt also von der eigenen Schande ! «5 Eine Schweizer sozialdemokratische Zeitung kommentierte hingegen euphorisch : » Ob Bayreuth nach all dem Grauen des Nationalsozialismus überhaupt noch eine Existenzberechtigung haben kann, das zu beantworten muss kommenden Generationen überlassen bleiben. Blüht dann später einmal Bayreuth wieder auf, dann hat Friedelind mitten im hellsten Licht dieser strahlenden Freude zu stehen ; denn sie – sie mit ihrem zu höchst entwickelten Gefühl für nationale Ehre und für die unangetastete Reinheit der Menschenwürde – sie hat ja Bayreuth gerettet ! «6 Eine solche Betrachtungsweise wird der Familie nicht gefallen haben, und sie  wurde auch von der Mehrheit in Deutschland nicht aufgegriffen. Was dachte sich Friedelind dabei, als sie während der Verhandlungen der Spruchkammer zur Schuldfrage Winifreds ausgerechnet der deutschen Zeitschrift Neue Auslese die Erlaubnis gab, das Kapitel aus ihrem Buch zu veröffentlichen, das  das Streitgespräch mit der Mutter in Zürich enthielt ?7 Das  Provozieren lag ihr im Blut, jetzt aber ging es um das Schicksal ihrer eigenen Mutter. Von den Reaktionen aus Deutschland erfuhr sie nichts. So bezeichnete der Bayreuther Bühnenbildner Emil Preetorius ( 1883 – 1973 ) ihr Werk als » Hintertreppenkolportagebuch, in dem 90 % frei erfunden sind «.8 Das ist nachvollziehbar angesichts der Angriffe, die sein Kollege Heinz Tietjen in dem Buch erfuhr. Tietjen missfiel die Darstellung seiner Person, und er erhob Protest : » Ich behaupte, dass, während Manches der Wahrheit entspricht, Vieles jedoch entstellt und sogar auf absoluter Unwahrheit beruhend, niedergeschrieben ist. Meinen internationalen Ruf und mein Ansehen als Künstler wie als Mensch empfinde ich als durch das Buch empfindlich geschädigt, und einschließlich meines deutschen Vaterlandes können auch Berufsschwierig246

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keiten eintreten. Ich teile Ihnen meinen Standpunkt und meinen Protest hierdurch mit und erlaube mir die Anfrage, ob und wie der Verlag bereit ist, Richtigstellungen, die ich dann übermitteln würde, zu veröffentlichen. «9 Sie hatte ihn fälschlicherweise bezichtigt, im Dienst der Nazis englische Hubschrauberpiloten nach dem Abschuss befragt zu haben. Winifred hatte sie gebeten, die Aussage in der deutschen Fassung zurückzunehmen. Sie beschrieb Tietjen als herzkrank und mittellos und versuchte, Friedelind milde zu stimmen : » Ich bin fest überzeugt, dass Du niemals Menschen lebenslänglichen Schaden hast zufügen wollen, als Du das Buch Anfang der 40er Jahre schriebst und Dir gar keine Vorstellung über die möglichen Folgen machen konntest. « Friedelind nahm den Satz aber nicht heraus. Warum nicht ? War ihr Hass auf die Mutter und ihren Liebhaber so groß ? Winifred fügte hinzu : » Du hast ja noch einigen Menschen arg mitgespielt – Bockelmann z. B. und der Frau von Manowarda – Bockelmann singt aber wieder in Hamburg und Frau von Manowarda ist wohl in einem österreichischen Lager, denn sie war ja tatsächlich im Gegensatz zu mir › Aktivistin ‹ ! «10 Von dem Sänger Rudolf Bockelmann hatte Friedelind behauptet, er sei » ein wütender Nazi « geworden, und vom Ehepaar Manowarda hieß es, » sie brüllten begeistert in ihrem österreichischen Dialekt, dass Österreich nun endlich nazistisch werden würde «. In einem Fall war sie gezwungen, eine Passage in der Schweizer Ausgabe zu ändern. Im englischen Original von 1945 stand, dass Richard Strauss sich selbst als Ersatz für ein Konzert in Berlin angeboten hatte, das ursprünglich Bruno Walter dirigieren sollte. Das stimmte so nicht. Ferner nannte sie Strauss in der englischen Erstausgabe » eine Wetterfahne, die sich mit jedem politischen Winde drehte. Monarchist, Sozialdemokrat, ein bißchen rosa, ein bißchen braun, kam er mit allen Regimes zurecht. « Der Satz wurde ersatzlos gestrichen, denn Willi 1946 bis 1950

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Schuh hatte Strauss über das Buch informiert, woraufhin dieser mit juristischen Folgen drohte. Friedelind mag ihre Informationen dem von Erika und Klaus Mann 1939 veröffentlichten Buch Escape to Life. Deutsche Kultur im Exil entnommen haben, das sechs Jahre vor Erscheinen ihres Bandes  veröffentlicht worden war. Dort konnte man nachlesen, dass Strauss vor dieser Episode bereits in Leipzig für Bruno Walter eingesprungen war, der als jüdischer Dirigent ein Konzert absagen musste. In der deutschen Fassung von Friedelinds Buch hieß es nun, dass Strauss sich nie mit Politik befasste und nur im Interesse der Aufführung seiner Werke » eine gleichgültige Haltung gegenüber politischen Wandlungen einnahm «. Winifred hatte gleich nach der Zulassung des ausländischen Postverkehrs im April 1946 an Friedelind geschrieben. Sie konnte sich brieflich gut verstellen, denn von Ärger über die Tochter wegen des Buches, das sie bereits kannte, ist nichts zu spüren. Ihrem » geliebten Kind « berichtet sie auf drei eng beschriebenen Seiten über den Verbleib gemeinsamer Bekannter und Verwandter sowie über die Zerstörungen. Nach der Bombardierung Wahnfrieds habe Wolfgang den Schutt Schippe für Schippe durchsucht : » Viel ist aber nicht zu retten gewesen und das Haus verfällt nun allmählich ganz, da ich bisher keine Aufbaugenehmigung erhielt. … 250 Brandbomben haben wir auf dem Gesamtgrundstück gelöscht. «11 Im Oktober teilte sie ihr mit, dass ihr Erbteil auf jeden Fall gewährleistet sei. » Sollte ich nicht mehr selbst in der Lage sein, Dich zu orientieren, so wird es Wolfgang übernehmen, denn immerhin muss ich mit Arbeitslager – also mit Freiheitsberaubung rechnen – da man nicht gewillt zu sein scheint, meine nachweislichen vielfachen Hilfsaktionen für Verfolgte des dritten Reiches anzuerkennen. «12 Eine Zeile über Friedelinds Buch sucht man vergebens. In den Jahren 1947 und 1948 fand die Spruchkammerver248

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handlung gegen Winifred statt, die als Einzige der Familie angeklagt worden war. Zunächst galt sie als Hauptschuldige ( Stufe I ), wurde nach der ersten Verhandlung jedoch der Gruppe II der Belasteten ( Aktivisten ) zugeschlagen. August Roesener, der Ehemann von Winifreds bester Freundin Helene, bat im Voraus um Friedelinds Hilfe. Er hatte zur Vorbereitung der Verhandlung gegen Winifred einen Beitrag zu ihrer Verteidigung geschrieben, in dem er ihre künstlerisch-organisatorischen Leistungen der Vergangenheit hervorhob, » da die Politik allzu sehr zu dominieren drohte «. Er wünschte sich von ihr eine Verbreitung seiner Argumentation und wollte, dass die Familie bei der Verhandlung zusammenhalte. » Dass bei der künftigen Gestaltung Du eine besonders massgebende Rolle zu spielen haben wirst, hierüber ist man sich allenthalben klar. « Hierzu sei wichtig, unter die Vergangenheit » einen Strich « zu ziehen, denn sie sei » eine furchtbare Verstrickung « gewesen, » deren Opfer wir alle geworden sind «.13 Mit anderen Worten : Er winkte mit dem Lohn der Festspielmitarbeit, wenn sie ihre Mutter verteidigen würde. Friedelind ging hierauf nicht ein. Sie war noch zu verletzt über das Interview, das Winifred Stars & Stripes gegeben hatte und in dem ihre Uneinsichtigkeit deutlich geworden war. Wie konnte sie, die aus Überzeugung Deutschland verlassen und die Haft in britischen Lagern und Gefängnissen auf sich genommen hatte, ihre Mutter nun verteidigen ? Erwartete die Familie, dass sie ihr Buch als Fiktion hinstellte ? In der ersten Runde im Entnazifizierungsprozess am 25. Juni 1947 wurde festgestellt, dass die Betroffene Mitglied der NSDAP seit 1926, Inhaberin des Goldenen Parteiabzeichens sowie eine begeisterte Anhängerin Hitlers gewesen sei und – so die Klageschrift – » in ihrem Fanatismus so weit ging, dass sie das Erbe Wagners den ideologischen Weltanschauungen des Nationalsozialismus zur Verfügung stellte «. Man nahm an, dass Friedelinds Buch eine große Rolle in dem Verfahren spie1946 bis 1950

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len würde, und in der Tat hätte es ihre Mutter belastet, wenn man die zahlreichen Schilderungen der Zusammenkünfte mit Hitler sowie das Treffen in Zürich im Januar 1940 angeführt hätte, bei dem sie mit drastischen Worten versucht hatte, die Tochter zur Heimkehr zu bewegen. Oft ist zu lesen, dass ein Telegramm von Friedelind den Verteidiger bevollmächtigt habe, der Spruchkammer die Verwendung des Buches zu verbieten.14 Es hatte jedoch folgenden Wortlaut : » Klageschrift vom 14. Mai gegen Winifred Wagner in meinem Besitz. Nach Unterredung mit massgebenden Persönlichkeiten Washington und New York ersuche ich die Verhandlung bis zu meinem Eintreffen Bayreuth aufzuschieben. Als legale Repräsentantin des Wagnerischen Erbguts und amerikanische Bürgerin muss ich auf meiner Zeugenaussage bestehen. «15 Friedelind wollte also eine Einladung als Zeugin erhalten, um dann ihrer Mutter gegenüberzustehen und sie zu » retten « : ein psychologisch aufschlussreiches Szenario. Aber die Ankläger legten keinen Wert auf ihre Anwesenheit : » Seitens der Anklage wird Friedelind Wagner bzw. ihr Buch nicht als Belastung herangezogen werden. «16 Dass Friedelind selbst die Benutzung ihres Buches verboten hätte, ist in den Akten zur Spruchkammerverhandlung nicht nachweisbar. Wolfgang – so darf man mutmaßen – wollte mit dieser Legende der Öffentlichkeit zeigen, dass Friedelind ihr Buch selbst nicht für wahrheitswürdig hielt. Auch Winifred hatte vorgearbeitet, um Friedelinds Autobiografie infrage zu stellen, denn sie schrieb ihr : » Dein Buch spielt eine grosse Rolle, da ich aber anhand Deiner eigenen Briefe viele Irrtümer nachweisen kann, hoffe ich, dass es nicht so ins Gewicht fallen wird. «17 Obwohl das Buch nicht als Beweismaterial diente, wirkte es im Hintergrund, da eine Zeugin namens Elisabeth Schäfer in einem Belastungsschreiben die bereits erwähnte Stelle anführte, wo die Tochter behauptete, Winifred habe ihr gedroht : 250

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» Wenn Du nicht parierst, dann wirst Du ausgetilgt und ausgerottet werden. « Winifred stritt sofort ab, dies so gesagt zu haben, und ihr Verteidiger betonte, dass das Gericht es abgelehnt habe, die Mutter durch die Tochter belasten zu lassen.18 So schrammten beide an einem irreparablen Schaden vorbei, denn das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter wäre für alle Zeiten zerrüttet gewesen, wenn Friedelinds Aussage gegolten und sie Winifred damit geschadet hätte. Bedenkt man, wie unverblümt Friedelind zu sprechen gewohnt war, hätte sie,  um nicht als unglaubwürdig zu gelten, wohl kaum eine eigene Aussage in ihrem Buch bestritten. Dass ihre Mutter auf diese Art und Weise vor Gericht erscheinen musste, traf sie jedoch, und sie schrieb dem Bruder : » Janssens haben gerade ein 22 Pfund Paket an Mama aufgegeben, Alles nimmt rege Teilnahme und ist höchst empört. «19 Das Gericht wertete Winifreds Begeisterung für Hitler, ihren Einkauf von Beutegut in Prag in Oberbürgermeister Fritz Kempflers Dienstwagen sowie ihre propagandistische Wirkung aufgrund ihrer Stellung als belastend. 60 Prozent ihres Vermögens sollten eingezogen werden ; sie hätte keine Rente beantragen können und das Wahlrecht verloren. Für die Nachkommen muss der Einzug des Vermögens als Fanal gewirkt haben : Damit wäre eine Fortführung der Festspiele durch die Siegfried-Wagner-Nachfahren in weiteste Ferne gerückt, wenn nicht gar unmöglich geworden. Wieland schrieb entsetzt an Friedelind : » Ich frage Dich : Worin unterscheidet sich das alles von der berüchtigten Sippenhaft und der Sippenrache des SS-Staates Himmlers … ? « Er fand es ungerecht, einer Familie etwas wegzunehmen, was » seit über 75 Jahren zum Ruhme des geistigen Deutschlands und zu Ehren seiner Kunst gegründet, verwaltet und geleitet wurde, einer Familie, die in dieser Zeitspanne ihre menschliche Gesinnung und ihr künstlerisches Verantwortungsgefühl unter allen obwaltenden Umständen bewährt hat und auch heute neben völlig unpoli1946 bis 1950

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tischen Mitgliedern in Dir sogar eine bekennende und tatfreudige › Antifaschistin ‹ in ihren Reihen hat. «20 Er stellte damit ihren Jahre zuvor viel geschmähten Bruch mit Bayreuth nun als ruhmenswürdige Tat hin. Konnte man wirklich von » unpolitischen « Familienmitgliedern sprechen, wie Wieland es tat ? Nach Kriegsende beschrieb Heinz Tietjen das Ausmaß der politischen Gespräche, die in Bayreuth stattfanden. Er, der sich nach 1945 zum Widerstandskämpfer stilisierte ( was sich freilich nicht belegen lässt21 ), berichtete, dass Bayreuth für ihn seit 1933 » eine Fundgrube wichtiger und wichtigster politischer Informationen « gewesen sei. Er nannte den Reichstagsbrand und die Justizmorde anlässlich der Röhm-Affäre. Waren dies » bereits gravierende Ecksteine für [meine] Gegnerschaft gegen Hitler, so ließen die Nürnberger › Kulturreden ‹ und das Rüstungsprogramm, über die anläßlich des Baues der › strategisch ‹ wichtigen Reichsautobahnen in unverblümter Weise in Bayreuth gesprochen wurde, keinen Zweifel mehr offen, was man beabsichtigte. Aus meinem indirekten Mithören ( ich war bei den Familienabenden mit Hitler persönlich nie dabei ) wurde durch zwei markante Ereignisse eine politische Habachtstellung. Ich meine die Provozierung der Tschechoslowakei 1938 durch Hitler persönlich und die Absage Hitlers an den englischen Botschafter 1939. «22 ( Friedelind zufolge ist auch über die Bombardierung Spaniens, die Invasion Polens und die Ermordung von Dollfuß offen gesprochen worden. ) In der Verhandlung stand die Mehrzahl der Zeugen auf Winifreds Seite, aber es gab auch andere Aussagen. Besonders tragisch ist der Fall der jüdischen Ehefrau des Max Freiherr von Waldberg, die 1942 nach Polen oder Theresienstadt verschleppt werden sollte. 1940 hatte ihre Deportation nach Gurs bei Pau in den Pyrenäen verhindert werden können, weil Daniela Thode intervenierte. Daniela kannte sie gut : Frau von Waldberg war zum einen als Vorsitzende des Richard252

Die Nachkriegssituation

Wagner-Verbandes Deutscher Frauen tätig gewesen, zum anderen hatte ihr Ehemann Briefe Cosimas an Daniela herausgegeben. Eine Freundin, Frau Brandner, versuchte Winifred zu sprechen, um sie zu bitten, sich für Frau von Waldberg einzusetzen, wurde aber mehrfach an der Tür von Wahnfried mit  fadenscheinigen Argumenten abgewiesen. Waren es die früheren Konflikte mit Daniela, die Winifred verletzt hatten und die sie nun bewogen, nichts zu unternehmen ? Kurz vor der Deportation nahm sich Frau von Waldberg das Leben.23 Winifred hatte in ihrer unabhängigen Art immer wieder erfolgreich versucht, einzelne Juden zu retten, wenn sie der Ansicht war, dass dies zu geschehen habe. Dies erforderte Mut und Unabhängigkeit. Wie viele Antisemiten war sie bereit, sich für Einzelne einzusetzen, wenn sie einen persönlichen Bezug zu ihnen hatte : das Gefühl, jemandem geholfen zu haben, war eine psychische Belohnung, die kurzfristig das Vorurteil überwand. Zu ihren Beteuerungen, Juden geholfen zu haben, schrieb die Anklage allerdings : » Hier begibt sich die Betroffene nun wirklich auf das Niveau des kleinen Blockund Zellenleiters und der anderen Amtsträger der Klasse II, die auch fast alle behaupten, dass sie Juden gegrüßt, bei Juden gekauft und auch mit Juden noch freundlich gesprochen haben. Die Betroffene sollte sich vor Augen halten, dass der Nationalsozialismus, an dessen Begründung sie als Altparteigenossin nicht unwesentlich beteiligt war, Millionen Juden ausgerottet hat. Hält sie sich denn da wirklich für so unschuldig an diesem Geschehen ? «24 Die verhängten Sühnemaßnahmen traten nicht in Kraft, weil Winifred Berufung einlegte. Sie nahm alles lakonisch und ohne eine Spur von Reue hin. » Auf uns Alte kommt es nicht mehr so darauf an – wir haben unsere Arbeit geschafft und meine einzige Sorge sind die Nachkommen und deren Auskommen. Einerseits befürchte ich immer, dass ich Euch ein Klotz am Bein bin – aber zum Aufhängen fehlt mir der Strick 1946 bis 1950

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und der Mut und die Neugier, wie wir noch einmal aus diesem Schlammassel herauskommen, hält mich am Leben, selbst wenn ich einige Jahre nun in ein Arbeitslager käme ! «25 Im Dezember 1948 wurde ihre Verurteilung von der Berufungskammer in Ansbach so gut wie aufgehoben ; sie galt nun als » Minderbelastete « und erhielt keine Strafe. Allerdings wurde sie von der künftigen Leitung der Festspiele ausgeschlossen. Mit einem solch milden Urteil folgte das Gericht der üblichen Praxis der Spruchkammern, die über Naziverbrechen zu urteilen hatten. Diese bedienten sich zuweilen der NS-Rhetorik vom » Volksgenossen « und nahmen die Angeklagten in Schutz ; häufig wurden mildernde Umstände vorgebracht.26 Außerdem waren Winifred zahlreiche Entlastungszeugen zugutegekommen. Sie galt als Mitläuferin ( Stufe 4 ), und damit war die mögliche Enteignung vom Tisch. Eine Beobachterin schob die abgewiesene Schuldzuweisung auf die Zustände in Bayreuth. » Die Wagner ist sozusagen freigekommen … Das Publikum war geschlossen für das Haus Wagner, das Fürstenhaus von Bayreuth. Sie haben das Herz treuer Untertanen gegen ihre Fürsten, die Wagners. Und Frau Wagner hinter Stacheldraht wäre gleichbedeutend mit Bayreuth hinter Stacheldraht. «27 Winifred berichtete ihrer Tochter in langen Briefen über weitere Spruchkammerverhandlungen, die Freunde durchmachen mussten, über Gefangennahmen und Aufenthalte in Lagern, die Besetzung von Wohnungen durch Flüchtlinge, und schimpfte auf die Nachkriegsverhältnisse : » Die Franzosen betreiben die Entnazifizierung nicht besonders schnell und es liegt in Wielands Interesse möglichst lange damit zu warten – aber solange er nicht eingestuft wurde, kann er nicht beschäftigt werden … Es ist alles so widersinnig und man könnte wirklich meinen, es wäre besser, wenn eine Atombombe einfach diesen verrückten Erdball in seine Bestandteile auflösen würde … Trotzdem hoffe ich am nächsten Ersten Dir wieder schreiben zu können, der homo sapiens ist ja ein zähes Exem254

Die Nachkriegssituation

plar und Deine Mutter auch ! «28 Der Oberbürgermeister von Bayreuth hatte die Erlaubnis zum Wiederaufbau Wahnfrieds gegeben, » aber gleichzeitig erklärt, dass an eine BaumaterialZuteilung nicht zu denken sei – so dass wir genau so dastehen, wie vorher ! «29 Die Währungsreform wurde von ihr als » die blanke Pleite aller « bezeichnet, sie misstraute der Nachkriegsentwicklung. Und sie machte sich politische Gedanken, nicht aber in die Richtung, wie sie sich Friedelind gewünscht hätte : » Ob der Bolschewismus überhaupt noch aufzuhalten sein wird ? – Die Verproletarisierung der Masse führt doch einfach dazu hin – und noch dazu, wenn das Unterste zu Oberst gekehrt wird, wie bei uns ! – Mit 1 Dollar pro Monat könnten wir schon leben – aber den haben wir nicht ! ! ! Die Schwarzmarktpreise für 200 Amizigaretten ist 1000 Mark … der Preis der 2000 Amizigaretten aber 80 cents ! ! « Sie zeigte gleichzeitig ihre unverwüstliche Stärke : » Drohte die Verzweiflung über unwiederbringlich Verlorenes, über entwürdigende Erfahrungen, über die tägliche Not, so half mir immer wieder die Natur, zu der ich flüchten konnte – und die tröstend mir immer wieder alle unvergänglichen Werte zu Bewußtsein brachte. «30 Einstweilen war es Friedelinds Traum, Tristan und Isolde zu inszenieren und damit eine große Tournee durch die USA zu unternehmen. Sie hatte eine besondere Nähe zu dem Werk, und da es von allen Opern Wagners die kleinste Besetzung verlangt, schien es ihr zusätzlich günstig für ein solches Projekt. In der festen Überzeugung, dass es noch Jahre dauern würde, bevor die Bayreuther Festspiele wieder aufgenommen werden könnten, gründete sie 1946 offiziell die » Friedelind Wagner Opera Company «. Ihr schwebte vor, jede Saison eine andere Oper herauszubringen. Zunächst gelang es ihr, verschiedene Städte für die Unternehmung zu interessieren, und es gab Zusagen, die sie ermutigten. Wieland wurde gebeten, die Bühnenbilder zu entwerfen – eine Geste der Solidarität, die ihr später nicht gedankt wurde, als er und Wolfgang dar1946 bis 1950

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angingen, die Festspiele in Bayreuth ohne sie zu organisieren. Sie wollte das Ganze finanziell wie eine Broadway-Show behandeln, indem sie Kleinaktionären Anteile ab $ 100 anbot. Ob ihr bewusst war, welch ein ökonomisches und künstlerisches Wagnis sie damit einging ? 1937 war eine geplante USTournee mit dem von dem weltberühmten Regisseur Max Reinhardt inszenierten Theaterstück The Eternal Road abgesagt worden ; sie war an rechtlichen Auseinandersetzungen um ausstehende Tantiemen gescheitert.31 Aber an Mut gebrach es Friedelind nie. Mit Elan warf sie sich in die Aufgabe, prüfte Bewerber und Bewerberinnen für die Rollen und machte Kostenrechnungen auf. Da sie von fünf bis sechs Aufführungen pro Woche ausging, benötigte sie je drei Tristans und Isolden, zwei Kurwenals und Brangänen, dazu zwei Dirigenten und Assistenten sowie einen Chor von zehn Männern. Erforderlich waren außerdem je drei Sätze von 45 Garderoben, 30 Paar Schuhen, 28 Perücken, sechs Speeren, zwölf Degen und etliches mehr. Zwischendurch übernahm sie eine Regietätigkeit in einem Tanztheater ( Jacob’s Pillow ) in Lee, Massachusetts, und ging mit Schwung an die Arbeit. Sie verpflichtete sich, ein Stück mit Ballett zu Melodien von Schubert, Auszüge aus Verdis Aida und Akt 1, Szenen 1 und 2 aus Tannhäuser sowie Szenen 1 und 2 aus dem ersten Akt von Lohengrin zu inszenieren – kein übermäßig anspruchsvolles Programm, aber immerhin viel Arbeit. In den Programmheften wird sie außerdem als Regisseurin der Entführung aus dem Serail genannt. Noch im Juli kündigte die Zeitung The Berkshire Eagle an : » Wagner’s Granddaughter Directs Opera « – mit einem Foto von ihr ; die Sängerin Rosamond Chapin, die die Abteilung Oper und Opernballett leitete, begrüßte freudig Friedelinds Kommen.32 Hier konnte sie wichtige Erfahrungen sammeln. An manchen Tagen probte sie von morgens um 8.30 bis nachts um ein Uhr. Als Chapin jedoch kurz vor der Premiere der Entführung Kür256

Die Nachkriegssituation

So mädchenhaft und friedlich, wie Friedelind hier im Alter von ungefähr sechs Jahren aussieht, war sie im wahren Leben selten.

Winifred mit dem 1917 geborenen »Musensohn« Wieland, der die Erbfolge sicherte. Friedelind folgte ein Jahr darauf.

Eine Familienidylle. Siegfried mit Wolfgang im Arm, Wieland, Winifred mit Verena und Friedelind. Letztere ausnahmsweise brav.

Wolfgang, Verena, Wieland und Friedelind (von links): Daniela schneiderte ihnen Wagner-Kostüme, Friedelind war die streitbare Fricka.

Friedelind (2. von rechts) und Wieland (am Steuer) mit Besuchern. Mädchenhaft zurechtgemacht, fühlt sie sich sichtbar unwohl.

Verena und Friedelind Arm in Arm mit dem »Führer« Adolf Hitler, von Wieland porträtiert.

Wieland, Wolfgang, Friedelind und Verena stehen hinter der nachdenklichen Mutter.

Friedelind als robuster Teenager: Was kostet die Welt? Einige Jahre später saß sie im Londoner Gefängnis.

Richard Strauss (rechts), den Friedelind für einen NS-Opportunisten hielt, und ihr Patenonkel, der Kunstmaler Franz Stassen.

Sie suchte Freiheit und erntete Gefangenschaft: Die Registrierkarte von der Isle of Man, wo Friedelind im Mai 1940 interniert wurde.

Die beiden Tanten Daniela Thode (links) und Eva Chamberlain, die Friedelind liebten und zu ihr hielten. Sie erwiderte die Zuneigung.

Der genial-tyrannische, weltweit bekannte Maestro Toscanini liebte die Frauen; er zog auch kurz »Mausi« in seinen erotischen Bann.

Friedelind in eleganter Abendrobe: Die physiognomische Ähnlichkeit mir ihrem Großvater Richard Wagner prägte ihr Leben.

Friedelind verzieh ihrem Bruder Wolfgang nie, dass er bei der Nachfolgefrage die jüngere Generation verschmähte.

Friedelind mit dem Komponisten Gottfried von Einem, der behauptete, er habe eine Affäre mit ihr gehabt. Sie bestritt das.

Äußerlich harmonisch, in Wahrheit eine schwierige Beziehung: erster Auftritt nach Kriegsende 1953 mit Mutter Winifred.

Sie wollten sich nach dem Krieg gegenseitig helfen, doch der Kampf um die Macht in Bayreuth kam dazwischen: mit Bruder Wieland.

»Ich vermisse Dich ganz furchtbar, meine Süße.« Friedelind mit der Sängerin Jeanette Eisex (Mitte), ihrer Freundin von der Isle of Man, mit der sie eine lebenslange Freundschaft verband, und der griechischen Millionärin Lady Crosfield.

Die Meisterklassen fanden von 1959 bis 1967 auch mal im Freien statt, wenn kein Raum im Bayreuther Festspielhaus frei war.

Der österreichische Theatermann Walter Felsenstein wurde zum wichtigsten Dozenten der Bayreuther Meisterklassen. Er und Wieland Wagner prägten die Nachkriegs-RegieÄsthetik auf den europäischen Opernbühnen maßgeblich.

Für ihren »Lohengrin« in Bielefeld 1968 erntete sie Lob und Schmähung. Das Werk blieb ihre einzige Inszenierung in Deutschland.

Der Besuch der Oper »The Consul« von Gian Carlo Menotti im Jahr 1950 erinnerte sie an das bedrückende Gefühl der Ohnmacht eines Menschen, der von unmenschlichen Behörden abhing. Ähnlich war es in London, als sie auf die Ausreise wartete.

Mit dem Weltklasse-Dirigenten Otto Klemperer, 1933 in die USA emigriert, blieb sie lebenslang freundschaftlich verbunden.

Wer sie kannte, liebte ihren Humor, ihren scharfen Witz, ihren Spott, ihre Gewandtheit und ihren Charme: Mausi in Fahrt.

Der weltberühmte französische Komponist und Dirigent Pierre Boulez wollte die Opernhäuser abfackeln; das gefiel Friedelind.

Stets für ein Klavierspiel zu haben, obwohl sie als 15-Jährige wegen neuralgischer Schmerzen den Unterricht aufgeben musste.

zungen ansetzte, war Friedelind aufgebracht und schrieb einer Freundin, dass die Aufführung ein » Fiasco « gewesen sei.33 Anfang 1947 wurde ihr Agent H. N. Gump unruhig und bat sie, ihre Tristan-Tournee doch rasch umzusetzen. Es gebe nämlich, so Gump, in ganz New York Klatsch, wonach aus den hochgestochenen Plänen nichts würde. Er forderte sie auf, sich rasch mit der Gewerkschaft zu einigen, Verträge mit den Künstlern und Künstlerinnen abzuschließen und sich auch um die Bühnenbilder und Garderoben zu kümmern. Das wäre die beste Lösung, um dem Gerede zuvorzukommen.34 Friedelind ließ sich aber nicht drängen. Die ersten Proben sollten im Dezember 1947 beginnen, die erste Tournee im Januar 1948. Sie sollte acht bis zwölf Wochen dauern ; die zweite Tournee von gleicher Länge würde sich im Herbst anschließen. Ende August 1947 hatte sie bereits 45 Termine aufgelistet, plante jedoch, insgesamt 100 Aufführungen zustande zu bringen. Ihre Pläne gingen stets ins Monumentale. Es gehörte zu ihrer Wesensart, sich weniger um die praktische Umsetzung überschaubarer Ziele zu kümmern, als vielmehr ihre Ideen und Träume immer weiter ausufern zu lassen. Sie wollte nicht nur die Vereinigten Staaten erobern, sondern eigentlich die ganze Welt. Europa, Südafrika und gar Australien rückten als Aufführungsländer in den Fokus : » Ich bin völlig überzeugt, dass es ein Bombenerfolg wird, wenn die Leutchen wirklich genügend vorbereitet wurden und keine Schlamperei in der Vorbereitung durchgeht. Und das erlaube ich nicht – meine Mitarbeiter auch nicht, so besteht auch diese Gefahr nicht. Die hartgesottensten Geschäftsleute sagten mir, dass die Sache auch geschäftlich von jedem Punkte aus betrachtet absolut solide ist – also auch hier keine abenteuerlichen Dinge passieren könnten. «35 Im Sommer 1947 war klar, dass der Zeitplan nicht einzuhalten war, und sie verschob das Unternehmen auf den Herbst 1948. Im März 1948 hatte sie Bilder, die Wieland zum Brot1946 bis 1950

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erwerb gemalt hatte, erhalten und plante, im August eine Ausstellung seiner Werke in Chicago zu organisieren. Danach wollte sie die Gemälde auf ihre Tournee mitnehmen : » Die technischen Vorbereitungen sind derartige, dass es vorher nicht ging. Ich muss mit ungefähr 20 verschiedenen Arbeitergewerkschaften verhandeln, die alle verschiedene Gesetze und Preise in den 48 Staaten haben. Mit jedem Staat muss ich mich deshalb extra auseinandersetzen und Verträge zeichnen. Die Auditorien zu kriegen ist das zweite Kunststück, denn die sind gewöhnlich auf Jahre vermietet und schließlich muss eine Tour so gebucht werden, dass man die kleinsten Abstände von Stadt zu Stadt reist, und nicht von NY nach Los Angeles und dann zurück nach Philadelphia. « Es sollten mindestens 50 Städte bereist werden.36 Im Januar 1948 hieß es : » Mein Tristan ist vorläufig noch nicht auf den Beinen. « Sie würde wohl Ende Januar mehr wissen, wenn sie in Chicago und Detroit wäre. » Bis alles geglättet ist, keine Pläne möglich. « Toscanini sah mit seiner Erfahrung, dass ein solch riesiges Projekt kaum von einer einzelnen Person zu stemmen war, abgesehen von den logistischen und finanziellen Problemen. Zu seinem 81. Geburtstag rief sie ihn an – es war nach New Yorker Zeit nachts um halb zwei –, und » er war so verschlafen, dass er nicht mal schimpfen konnte dass ich noch unterwegs bin, sondern nur › come home soon ‹ krächzte, was mir viel lieber war, denn er ist sehr gegen meine Opernambitionen, und wir haben uns deshalb zweimal so verkracht, dass ich mich seitdem weigere, etwas darüber zu sagen. Seitdem kommt er natürlich vor Neugier um und fragt mich Löcher in den Bauch, aber er kriegt keine Antworten. «37 1949 waren ihre finanziellen Probleme so drückend wie noch nie, denn sie hatte Geld aus der Kasse genommen, das für die Gagen ihrer Sänger vorgesehen war, um Werbematerial für die Tournee drucken zu lassen. Der Anwalt und Freund George Brickbauer hat sie wohl aus dieser Klemme befreit, 258

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aber die Probleme häuften sich. Einige Korrepetitoren warteten vergeblich auf das ihnen zustehende Honorar. Besonderen Ärger bereitete ihr ein Sänger namens Köhler, der Geld für sie bei seinen Freunden geliehen hatte. Er rief nun ihre Bekannten an, um ihnen davon zu erzählen. Selbst vor Toscanini machte er keinen Halt. Der Dirigent war außer sich und verweigerte sich einem Gespräch mit Friedelind. Sie zahlte bereits einen Bankkredit zurück und musste nun zusätzlich die Forderung Köhlers befriedigen. Es gibt auch Hinweise, dass eine allgemeine Ablehnung deutscher Kunst zu mancher Absage führte.38 Dies alles, zusammen mit Konflikten mit den Gewerkschaften verschiedener Staaten, machte die Verwirklichung der Tournee immer unwahrscheinlicher. Einen Teil der Schuld gab sie ihrer Erziehung : » Ich merke es jeden Tag in meinem Beruf, dass mir jedes amerikanische Kind geschäftlich überlegen ist, und dass ich gewisse Dinge da nie lernen werde. ( Geschäfte lasse ich ja völlig meinen Rechtsanwälten und Managers – obwohl ich sehr oft die › contacts ‹ und ersten Verhandlungen leiten muss ). Entscheidungen allerdings hängen dann wieder von mir ab. Drüben … hatte ich nie einen Einblick in die Geschäftswelt – und auch gar nichts mit derartigen Leuten zu tun. Thank God ! Oder › tant pis ‹ – vielleicht wäre es eine gute Lehre gewesen. Aber der hochgeistige Hochmut unserer Kreise hätte ja solch eine Berührung überhaupt nicht von statten kommen lassen … «39 Einen weiteren Teil der Schuld trug vielleicht Amerika selbst. Friedelind war als Enkelin Richard Wagners und frühere » gute Bekannte « eines der größten Diktatoren der Weltgeschichte willkommen gewesen, aber für sie als Theatermanagerin schien kein großes Interesse vorhanden zu sein. Alle Exotik, die sie umgeben hatte, wich jetzt von ihr, und sie wurde zur einfachen Emigrantin, die sich wie alle anderen abstrampeln musste, um zu überleben. Da Friedelind sich nicht meldete, war Winifred auf andere Informationen angewiesen. Als sie Furtwängler in München 1946 bis 1950

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traf, erfuhr sie, dass » die Maus mit ihrem Tristan pleite gemacht hat, jetzt wieder Vorträge hält und ein neues Buch geschrieben hat «, wie Gertrud Strobel kolportierte.40 Wieland sprach danach nur noch von der » Maus-Pleite «.41 Wolfgang hatte zuvor seine Bedenken ausgesprochen : » In erster Linie müssen wir uns gegen einen Einspruch seitens Friedelinds schützen, die ganz offiziell in ihrem Tristan-Prospekt druckt, dass sie sich mit dieser Tournée Bayreuth › von außen erobern ‹ will ! «42 Für eine derartige Aussage von ihr gibt es allerdings keinen Beleg. Auch Winifred stellte mit Genugtuung fest, dies sei zwar » eine harte, aber ganz gute Lehre für M[ausi]s Einbildung, dass sie nur zu kommen brauche, um zu siegen. Auch für ihr späteres Verhältnis zu den Brüdern ist jeder Rückschlag, den sie drüben erleidet, ein Vorteil. «43 Im April 1947 schrieb Friedelind ihren ersten Brief an die Mutter – der erste Kontakt seit sieben Jahren. Der Brief ist nicht erhalten, aber es ging ihr darum sicherzustellen, dass ihre Rechte an Wahnfried und am Festspielhaus gewahrt blieben. Sie warnte wohl vor einem Verkauf, worauf die Mutter entgegnete, dass die Erbschaftssteuer 50 Prozent betragen würde und man dann möglicherweise die Eigentumsrechte auf das Haus verlieren könnte, da die Festspiele unter Eigentumskontrolle standen. Das Verfahren wegen ihrer Nähe zu den Nazigrößen sollte die Klärung der Besitzverhältnisse und somit der Zukunft der Festspiele bringen. Was ihre Kinder anging, so waren Verfahren wegen Kollaboration mit den Nazis nicht zu erwarten : Wolfgang war nicht betroffen, Verena fiel unter die Jugendamnestie, und Wieland war höchstens als  Mitläufer einzustufen, da er erst im September 1938 der Partei beigetreten war. Sühnepflichtig waren im größeren Umfang diejenigen, die schon vor 1937 Parteimitglieder geworden waren.44 Die » Stunde Null « brachte Probleme nicht nur für die deutschen Daheimgebliebenen, sondern ebenso für diejenigen, die 260

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ihre Heimat hatten verlassen müssen. Erstere sprachen gerne von ihrem stillen Widerstand gegen die Politik bei gleichzeitiger Duldung der Ereignisse. Die Emigranten hingegen sahen sich oft als legitime Testamentsvollstrecker des traditionellen Deutschlands, das kulturell so viel vorzuweisen hatte. Während sie die » innere Emigration « der Daheimgebliebenen anzweifelten, weil sie sich kulturell oder persönlich so wenig niedergeschlagen hatte, fand die andere Seite es ungerecht, dass diejenigen, die im Ausland Sicherheit und Demokratie genossen hatten, kritisch auf sie herabschauten. Friedelind war nicht bereit, sich auf eine dieser beiden Seiten zu schlagen. So tat sie noch mehr als bisher für Wilhelm Furtwängler, der weiterhin in den USA stark angegriffen wurde. Bereits 1942 hatte sie einen Aufsatz in der Zeitschrift Opera News geschrieben, in dem sie ihn verteidigte, der während der Hitler-Diktatur in Deutschland geblieben und nun breiter Kritik ausgesetzt war. Dem Redakteur des Musical Courier schrieb sie, Furtwänglers Tragödie sei es, dass er innerhalb Deutschlands als Nazigegner gelte und außerhalb seiner Heimat zu Unrecht als Nazi verdammt werde.45 Sie verbündete sich jetzt mit einer Gruppe von Emigranten, darunter Fritz Zweig, Gilbert Back und Hugo Kolberg ( ehemaliger Konzertmeister der Berliner Philharmoniker ), Alicia Ehlers, Ernst Gottlieb, Louis P. Lochner ( Berlin-Korrespondent der Vorkriegszeit ) und anderen. Diese Gruppe sprach Emigranten an, denen die Flucht aus Nazideutschland oder Österreich mit Furtwänglers Hilfe gelungen war. Dr. Hugo Strelitzer, der 1933 durch Furtwänglers Einsprache aus dem Gefängnis gerettet worden war, schrieb darüber einen Bericht ebenso wie Prof. Robert Hernried. Zweig schrieb für die Zeitschrift Life, wie es 1938 gelungen war, seinen Neffen mithilfe des Dirigenten aus dem KZ zu befreien. Friedelind schickte zehn eidesstattliche Versicherungen von Emigranten an das State Department.46 Ihr Artikel zu Furtwänglers Verteidigung, den sie im März 1946 bis 1950

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1946 in der Zeitschrift Musical Courier veröffentlichen ließ, war eine mutige Entgegnung auf die Weigerung der Alliierten, ihn wieder als Dirigenten der Berliner Philharmoniker einzusetzen47, und zeigt wider Erwarten ihre Fähigkeit zum diplomatischen Abwägen : » Laßt uns einen Augenblick nachdenken, alle persönlichen Abneigungen vergessen und uns nicht wie die Nazis benehmen, sondern wie die fairen und zivilisierten Menschen, die wir sein wollen. Da niemand von uns perfekt ist, sollten wir nicht den berühmten Stein in das Glashaus werfen. Das Wenigste, was wir tun können, ist, beide Seiten zu hören – und herauszufinden, was die Taten der Menschen verursachten «, schrieb sie.48 Sie schilderte auch, wie sich der Dirigent in vielen Situationen aus dem Griff der Nazis befreit hatte, etwas, was in späteren Biografien bestätigt wurde.49 Trotz ihres Einsatzes brachen 1948 die Konflikte im Zusammenhang mit Furtwänglers Engagement beim Symphony Orchestra Chicago wieder auf. Künstler wie der Pianist Vladimir Horowitz, die Sängerin Lily Pons, der Dirigent André Kostelanetz, die Geiger Jascha Heifetz und Nathan Milstein sowie der Cellist Gregor Piatigorski wären nicht aufgetreten, wenn er 1949 gekommen wäre.50 Der Pianist Arthur Rubinstein behauptete apodiktisch : » Wäre Furtwängler ein guter Demokrat gewesen, hätte er Deutschland den Rücken gekehrt – wie das z. B. Thomas Mann aus Protest tat. «51 Andere wie Yehudi Menuhin verfielen ins Gegenteil und weigerten sich, mit dem Chicago Symphony Orchestra aufzutreten, solange Furtwängler nicht in Chicago dirigieren durfte.52 Derweil überlegte Wieland daheim unaufhörlich, wie es mit den Festspielen weitergehen könnte. Zunächst glaubte er wohl, sich Friedelinds Tourneeplänen anschließen zu können, denn er verfasste ein Papier, in dem es hieß, die Familie sei sich einig darüber, ein neues Familienunternehmen zu gründen, um im Ausland Richard-Wagner-Festspiele durchführen zu können. » Es soll angestrebt werden, die Veranstaltungen auf 262

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der Grundlage eines eigenen Finanz- und Wirtschaftswesens, ähnlich wie in Bayreuth aufzubauen. Gegebenenfalls ist eine Beteiligung an dieser Wirtschaftsgrundlage zu sichern. « Dann grenzte er sich gegenüber einer möglichen Vorherrschaft Friedelinds ab : » Für den Fall, dass die Familie oder Familienmitglieder den Betrieb des Festspielhauses in Bayreuth wieder übernehmen können, wird das neue Auslandsunternehmen im Einklang mit den Bayreuther Interessen durchgeführt … Unabhängig von der Aufgabenverteilung sind die einzelnen Familienmitglieder zu gleichen Anteilen an der Neugründung zu beteiligen. «53 Da Friedelind ihn für die Bühnenbilder ihrer Tristan-Tournee engagieren wollte, dachte er daran, sich zumindest einen gleichberechtigten Platz an ihrer Seite schaffen zu wollen, um dann eine mögliche Leitung Bayreuths durch seine Schwester zu unterlaufen. Die Nervosität der Brüder war berechtigt, denn 1946 erhielt Friedelind Besuch vom damaligen Militärgouverneur Bayreuths, Colonel Caroll J. Reilly, der ihr von Plänen berichtete, sie als Leiterin der Festspiele einzusetzen. Die Besatzer wollten ehemalige NSDAP-Angehörige aus der Kulturarbeit ausklammern und suchten geeignete Personen, die professionell qualifiziert und zugleich politisch akzeptabel waren. Friedelind schwieg dazu, und als Reillys Dienstzeit zu Ende ging, hakte der Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth, Oskar Meyer, in einem Brief nach. Es sei der große Wunsch ihrer Heimatstadt, so Meyer, dass sie das künstlerische Erbe ihres Großvaters antrete. » Leider ist Woche für Woche vergangen, ohne dass wir von Ihnen hören durften. Inzwischen sind aber so viele Fragen an das Festspielhaus akut geworden, dass ich es für dringend notwendig halte, bevor grundlegende Beschlüsse gefaßt werden, zunächst einmal die Ansicht der Träger des Namens Wagner zu hören, die nach deutscher Auffassung noch ein Recht zur Mitwirkung am Bayreuther Werk haben. « Damit war sie an vorderste Stelle der infrage kommenden 1946 bis 1950

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Erben gerückt, denn nach amerikanischem Gesetz sollte das Vermögen aller Personen, die den Nationalsozialismus in besonderem Maße gefördert oder unterstützt hatten, beschlagnahmt werden. Meyer schrieb weiter, dass aufgrund der Wohnraumnot vorläufig an eine Unterbringung auswärtiger Besucher nicht zu denken sei. » Das darf aber nicht heißen, dass wir nun tatenlos auf bessere Zeiten warten wollen, im Gegenteil, wir müssen der Welt zeigen, dass Bayreuth trotz allem lebt und dass der alte Bayreuther Geist lebendig geblieben ist. « Die Frage der Finanzierung sei noch ungeklärt, fuhr er fort. Ob das blockierte Wagner’sche Hausvermögen und die ebenfalls beschlagnahmten verschiedenen Wagner-Stiftungen freigegeben würden, sei noch offen. Er hoffe auf Spenden und auf eine neu formierte Verwaltung und brachte dazu die Idee eines Kuratoriums von qualifizierten Mitarbeitern ein. Dazu lieferte er einige Namen : Dr. Karl Siegmund Benedikt aus München, der den Wagner-Frauenverband und den Stipendienfonds verwaltet hatte, sowie der Musikwissenschaftler Carl Engel waren darunter. » Prof. Dr. Weiß, Charlottenburg, der bekannte Berliner musikwissenschaftliche Wagnerforscher und andere haben sich mir zur Mitarbeit zur Verfügung gestellt. « Er wolle aber nichts entscheiden, ehe er nicht von ihr eine Stellungnahme bekommen habe, und er schloss mit einem pathetischen Aufruf, der sie sicherlich nicht unbeeindruckt ließ : » Ich darf mich wohl mit allen Bayreuther Freunden der Hoffnung hingeben, dass Sie sich der Bedeutung der Ihnen von der Geschichte gestellten großen Aufgabe bewußt sind, denn wir sind der festen Überzeugung, dass bei Ihnen die Verwaltung des Bayreuther Vermächtnisses in den denkbar besten Händen liegt und dass bei Ihrer Einstellung zum Nationalsozialismus die sicherste Gewähr dafür gegeben ist, dass die für die Sache Wagner besonders verhängnisvolle geistige Entfremdung und Entgleisung, die die Bayreuther Tradition unter Winifred Wag264

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ners Leitung erlitten hat, eine hinter uns bleibende Episode bleiben wird. «54 Meyer legte in einem vermutlich für die US-Administration  in Deutschland verfassten Bericht die Gründe für die Anfrage dar : » Ich bin nicht der Ansicht, dass die Nachkommen Wagners grundsätzlich von jedem Einfluß auf Bayreuth ausgeschlossen sein sollen, aber unwürdig des Erbes sind diejenigen Familienmitglieder, die sich als Pg. [Parteigenosse] oder Nicht-Pg bedingungslos Adolf Hitler und seiner wohltätigen Freundschaft ergeben haben, die sich jetzt angesichts einer möglichen Besitzänderung als Hüter des Grals lobpreisen und es trotzdem zuließen, dass man die Unwissenden betrog, indem man Wagners Gedanken und Worte über den deutschen Geist für parteipolitische Zwecke umfälschte (› Die Werke Wagners schließen alles in sich, was der Nationalsozialismus erstrebt ‹ ) und zur Entfachung eines gedankenlosen Klassen- und Rassenhasses mißbrauchte, dass man Wagner, dem Freiheitskämpfer in einen engherzigen Nationalismus zwang und gestützt auf feiles und käufliches Spezialistentum oder urteilslosen Dilettantismus zu unterschieben wagte, Seher einer 1000-jährigen Epoche gewesen zu sein. Mein Anschreiben an Friedelind Wagner, auch ein ihr übergebener Brief blieben ohne Erfolg. «55 Warum ergriff Friedelind nicht die Chance, die sich ihr bot ? Mehrere Faktoren hielten sie davon ab, umgehend nach Deutschland zu reisen. Zum einen glaubte sie, wegen der Zerstörung der Infrastruktur Bayreuths die Entscheidung hinausschieben zu können. Zudem lief ihr Antrag auf die amerikanische Staatsbürgerschaft, an der ihr so viel lag, und mit einer Auslandsreise hätte sie das Verfahren unterbrochen. Im August 1946 hatte sie eine Anhörung bei den US-Behörden und wartete jetzt auf die entscheidenden Papiere. Die Aussicht, Amerikanerin zu werden, beglückte sie zutiefst.56 Zum anderen hoffte sie immer noch, durch ihre Tristan-Tournee künst1946 bis 1950

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lerische Bestätigung und Bekanntheit zu erlangen. Bei einer guten Presse hätte sie sich damit für die Führung von Bayreuth nicht nur politisch, sondern vor allem künstlerisch legitimiert. Sie war zu diesem Zeitpunkt noch überzeugt, dass der Tourneeplan durchführbar sei. Für Bayreuth gab es hingegen momentan keine Finanzierungsmöglichkeit. Und außerdem hätte sie mit einem Kuratorium zusammenarbeiten müssen, das ehemalige Nazis enthielt – es sei denn, sie legte sofort energischen Protest ein. Die Wagner-Verbände hatten stets treu zu Winifred gehalten. Friedelind konnte sich ausmalen, dass ein Neubeginn außerordentlich kompliziert werden würde. Und wem würde das Festspielhaus künftig gehören ? Würde die Familie es zurückerhalten, oder würde es in Staatsbesitz übergehen ? Zu guter Letzt war an die Brüder zu denken, die jahrelang für die Leitung der Festspiele ausgebildet worden waren. Bei aller Kritik an deren Mitläufertum wollte sie sie nicht ausschalten. Von der US-Presse wurde sie nun als Anwärterin gehandelt. Am 6. März 1947 schrieb die New York Times : » Wanted : A Wagner. « Man erfuhr, dass Bayreuth einen Nachfolger suchte, und der letzte Satz lautete : » Das einzige Mitglied der Wagner-Familie, das über allen Verdacht der Nazisympathien erhaben ist, ist Friedelind, die in den USA wohnt und eine Tochter Siegfrieds ist. Sie wird unweigerlich ein wichtiger Faktor bei der Wiedereröffnung sein. « Friedelind hat sich nicht immer in gleicher Manier zur Frage der Festspielleitung geäußert, was zeigt, dass sie sich die  Entscheidung nicht leicht machte. Jahrzehnte später war sie versucht, sich an einer gewissen Legendenbildung zu beteiligen. Sie habe dem Bürgermeister nicht geantwortet, weil » ich nachdrücklich die Annahme ablehnte, wonach die Festspielleitung ein politisches Amt ist, ob diese nun von Nazis, Anti-Nazis, Opportunisten oder Neutralen ausgeht. Ich machte meiner Familie ganz klar, dass ich nie jemand schlagen würde, 266

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der am Boden liegt – ich kämpfe nur mit Gleichgestellten – und dass ich nie was nehmen würde, was mir nicht gehört oder mir nur teilweise gehört ( 25% ). « 1947 nahm sie noch an, man würde auf sie warten. Durchaus im Bewusstsein ihrer Sonderstellung als » saubere « Emigrantin schrieb sie an Jeanette : » Nebenbei muss ich für eine 16-köpfige Familie sorgen, und die Schlacht um Bayreuth hat gerade angefangen ! Ich habe sie hinausgezögert, so lange es geht – musste aber jetzt in den Ring steigen, um alles zu retten  und zu erhalten.57 In einem Interview, das sie der Fränkischen Presse vom 20. Mai 1947 gab, sagte sie voraus, dass die Festspiele erst in mindestens zehn Jahren eröffnet werden könnten, und erwähnte ihre eigenen Opernpläne mit der amerikanischen Tournee.58 Beides hatte sie kurz zuvor einer USZeitung mitgeteilt. Es gäbe in den Köpfen des Publikums irrtümlicherweise noch zu viele Vorstellungen von den Verbindungen Wagners mit den Nazis, und die müssten ausgemerzt werden. Und sie machte klar, dass der Besitz nicht der Mutter gehöre, sondern den Kindern, und dass er weder verkauft noch geteilt werden könne, solange die Erben lebten.59 Schließlich stellte die Zeitschrift Aufbau sie in einem Beitrag als einziges Mitglied der Wagner-Familie dar, das moralisch legitimiert sei, die Festspiele wieder aufzubauen.60 Wiederholt äußerte sie Zweifel an der politischen Läuterung ihres Heimatlandes. Sie wollte als eine zurückkehren, die rechtzeitig dem Bösen den Rücken gekehrt habe, und nicht als Verräterin, und das erschien ihr unter diesen Umständen unmöglich : » Nach Deutschland zieht es mich bei Gott nicht. Nicht, weil die Nachkriegsverhältnisse so sind, wie sie sind, aber weil ich so gar keinen Unterschied zu Nazideutschland entdecken kann. Geistig hat sich garnichts geändert, so scheint es jedenfalls aus der Ferne. Dieselben Leutchen sitzen schon wieder in allen wichtigen Posten und weinen ganz offen dem Herrn Hitler nach. Man hatte doch wenigstens gehofft, dass die liberale1946 bis 1950

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ren Elemente sich würden durchsetzen können, aber leider haben die Okkupationsmächte andere Ideen gehabt, wenn sie überhaupt Ideen hatten, was sehr zweifelhaft erscheint. Die Zankerei zwischen Ost und West hat natürlich auch nur dazu beigetragen, dass der Dritte lachen konnte – und der Dritte war leider Gottes wieder mal die falsche Adresse. «61 Noch 1948 behauptete sie der Presse gegenüber, vermutlich nie nach Deutschland zurückkehren zu wollen.62 Wollte sie aus der Ferne agieren ? In einem undatierten Statement, das ihrem Nachlass beiliegt und aus dem Jahr 1947 stammen muss, schreibt sie : » Mein Fernziel wäre es, die Geschwister auszuzahlen, aber momentan kann ich nur erreichen, die Leitung zu beanspruchen und nominell Leiterin zu sein. «63 Bescheidenheit war nie ihre Sache ; die Brüder aber dachten nicht im Traum daran, etwas herzugeben. In Bayreuth schrillten die Alarmglocken, als sich mit Franz Wilhelm Beidler, dem einzigen Sohn von Richard Wagners erstem Kind Isolde, ein weiterer » Konkurrent « auftat. Er war ein Intellektueller, der als überzeugter Gegner der Nazis eine besondere Legitimität besaß, und außerdem ebenso wie Wieland, Friedelind, Wolfgang und Verena ein direktes Enkelkind Richard Wagners. Der 1901 geborene studierte Jurist war mit der aus einer jüdischen, assimiliert-bürgerlichen Familie stammenden Ellen Gottschalk verheiratet ( ihr Vater war ein angesehener Gynäkologe gewesen ). Das Ehepaar hatte in Berlin fünf Jahre lang bei dem Kulturpolitiker Leo Kestenberg gearbeitet ; 1933 waren beide nach Paris und dann nach Zürich emigriert. 1947 wurde Beidler vom Bayreuther Oberbürgermeister Meyer gebeten, ein Konzept für einen Neubeginn Bayreuths zu entwerfen. Er nahm die Herausforderung an und schlug die Bildung eines Stiftungsrates vor, der sich mit den geistigen Voraussetzungen für die Erneuerung der Festspiele befassen sollte. Thomas Mann sollte als Ehrenpräsident fungieren. Die Familie Wagner war in diesem Schreiben nicht er268

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wähnt, aber er hatte keine Bedenken, sie einzubeziehen, wie Konrad Pöhner Friedelind schrieb.64 Dieser Vorstoß kam bei der Familie denkbar schlecht an. Machtbewusst hatten sie das Festspielschiff durch alle Fährnisse des Krieges hindurch gesteuert ; sie hatten Unterstützung vom » Führer « bekommen und waren von ihm Jahr für Jahr protegiert worden. Nun sollte ihnen das entwunden werden ? Das wäre nicht nur eine Entmachtung gewesen, sondern eine Demütigung sondergleichen, denn Beidler war politisch unbescholten. Winifred schrieb Friedelind : » Inzwischen wirst Du nun auch das Gebräu von W. B. in Händen haben – ich vertraue auf Deinen gesunden Menschenverstand und auf eine gesunde Einstellung zu diesen Dingen. Pöhner benimmt sich vorbildlich taktvoll und als alter Schildaer [Bayreuther] sieht er natürlich auch die Dinge anders als wie die vielen › Neubürger ‹, die von der Vergangenheit nichts und von der Kunst und Kultur wenig wissen. Vergleiche mit diesem Gifttrank das Testament Pappas – und Du hast einen sicheren Wegweiser. Zu Ostern will diese Menschenblüte wieder nach Schilda kommen. Persönlich haben wir ja nichts miteinander und das gab er auch dem Wolfi gegenüber zu – Frau Beerli nennt es : Ehrsucht und falscher Rehabilitierungswahn. «65 Wieland schrieb an die Schwester : » Unser lieber Vetter Willi hat sich durch den in der Denkschrift als hoffnungsvoller Wagnerianer rangierenden Karl Amadeus Hartmann, der jetzt in München als kommunistisch angehauchter Komponist ultramoderner Prägung eine große Rolle spielt, an den mit diesem aufs engste befreundeten Mr. Edwards herangemacht. Der Plan Beidler ist bei diesen auf sehr günstigen Boden gefallen – das ging mit Sätzen wie › in Bayreuth muss frische Luft  hinein ‹, › es ist unter Cosima ein Mausoleum gewesen ‹ usw. hervor. Er ist in die Idee, in Bayreuth ein internationales Operntheater, in dem bedeutende moderne Komponisten aufgeführt werden, verliebt, und glaubt in Beidler den richtigen 1946 bis 1950

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Mann gefunden zu haben, doch waren noch keine Beschlüsse irgendwelcher Art gefaßt und es interessierte ihn sichtlich, durch einen › Vertreter der Opposition ‹ den Standpunkt der Reaktion kennenzulernen. Wohin der Hase laufen soll, hast Du inzwischen ja auch aus dem einzigartigen Dokument der Münchener Kultursachverständigen ersehen. Noch plumper geht’s ja nicht. Dr. Stenzel ( Jude ), Schlachthofdirektor Meyer, Herr Hartmann, Herr Beidler und der ziemlich eingeseifte aber noch keineswegs völlig verlorene Mr. E [ ngel ] – das wäre so die südliche Interessentengruppe, mit der wir in Zukunft zu rechnen haben. Wer die in der Zeitung erwähnte Berliner Kommission, die pietätvollerweise 1948 den Parsifal aufführen will, ist, weiß ich nicht. Sollte am Ende gar unser alter Freund H. T. sich auf diese Weise wieder installieren ? «66 Er nutzte geschickt Friedelinds Horror vor Heinz Tietjen, der in ihren Augen ein Intrigant war und mit dem sie innerlich längst gebrochen hatte. Wielands Betitelung Stenzels als Jude zeigt die antisemitische Kontinuität : Winifred schrieb übrigens im gleichen Tonfall von einem Stiftungsrat » mit Thomas Mann an der Spitze und nur Juden im Komitee «67. Es waren zwei Jahre nach Kriegsende keine Denunziationen nötig ; schon die Erwähnung des Begriffs » Jude « reichte, ganz im Sinne des NSStaates, um weiterhin ideologische Denkmuster aufzurufen. Weder Wieland noch Winifred fragten sich, ob solche Vorurteile bei Friedelind überhaupt wirken konnten – sie gingen einfach davon aus. Wenn es um die Angst vor kommunistischen, » ultramodernen « Komponisten ging, zeigte sich, dass der von den Nationalsozialisten benutzte Wortschatz noch sehr präsent war – es fehlten nur noch » Zersetzung « und » Entartung «. Hartmann hatte sich der NS-Musikpolitik verweigert, und Wieland betrachtete ihn immer noch als Gegner. Mit der Schreckensphantasie, Bayreuth würde zum Mekka der Moderne umgewandelt, wurden Ängste geschürt, und schließ270

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lich wurde der Schlachthofdirektor durch die Hervorhebung seines Berufs verspottet. Wieland versuchte noch, seine Schwester ins gemeinsame Boot zu ziehen : » Die Denkschrift unseres Vetters … stellt unseres Erachtens den plumpen Versuch dar, unter dem Vorwand einer großen internationalen Organisation, sich selbst die Alleinherrschaft über die Festspiele zu sichern. Denn die Mitglieder dieses Stiftungsrats sind wohlweislich soweit verstreut über den ganzen Erdball, dass in der Praxis die gesamte Verantwortung und Führung in den Händen des Sekretärs, welchen Posten er sich bescheidenerweise vorbehalten hat, liegt. … Ich glaube, der einfachste und beste Weg, diesen edlen Plan zum Scheitern zu bringen, wäre der, dass Du Dich mit Thomas Mann in Verbindung setzt. Wir halten es für wenig wahrscheinlich, dass dieser seinen Namen für ein Unternehmen solch zweifelhafter Art, dem jede moralische und rechtliche Grundlage fehlt, hergeben wird. Eine Absage würde automatisch diesen ganzen Plan, der auf der Autorität dieses Namens aufgebaut ist, wie Beidler selbst schreibt, vereiteln. Ich schreibe Dir dies in der Ueberzeugung, dass Du derselben Ansicht bist wie wir. Sollen wir uns diese Frechheit unseres Vetters, der sich – ein wahrer NS-Uebermensch – so vortrefflich aufs Enteignen versteht, gefallen lassen ? … Ich glaube, dass es Dir gelingen müßte, Dich mit Th. M[ann] zu einigen ! «68 Wolfgang ergänzte diese Suada, indem er vom » Geist des Vetters, der Wahnfried unter allen Umständen und mit allen Mitteln kaputt machen will « schrieb : » Ich nehme an, dass Du dem entsprechend zu begegnen wissen wirst. «69 Ob Friedelind wusste, dass Thomas Mann 1939 in einem Artikel behauptet hatte, Wagner habe dem Nationalsozialismus vorgearbeitet ?70 Vermutlich nicht. Sie stimmte ihren Brüdern jedenfalls zu und besuchte Mann im Mai 1947, um ihn von der Mitwirkung an Beidlers Vorhaben abzubringen. Rückblickend fand sie, der Schriftsteller habe eine zwielichtige 1946 bis 1950

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Rolle gespielt, wenn er ihr gegenüber versicherte, er lehne die Ehrenpräsidentschaft der Festspiele ab, während er dem USZuständigen für Kultur in Bayern seine Bereitschaft erklärt hatte, das Amt zu übernehmen.71 Sie besuchte auch den Oberbefehlshaber der US-Militärregierung, Lucius D. Clay, und warnte ihn vor Beidler, dieser sei ein linker Sozialist.72 Dass dies gerade in jener Zeit geschah, in der das gefürchtete » House Un-American Activities Committee « ( HUAC ) Kommunisten oder solche, die das Komitee dafür hielt, in Anhörungen angriff und verfolgte, machte die Denunziation umso abstoßender. Nicht genug damit : Sie schlug sich auf der Suche nach weiteren Gründen, um Beidler auszuschalten, auf die Seite der Brüder und übersah, dass sie sich selbst keinen Dienst damit erwies. Sie bat Wolfgang, nach Dokumenten zu forschen, » die klipp und klar beweisen, dass Herr Beidler Kommunist war und deshalb Deutschland verließ. Soviel ich mich von früher entsinne, hieß es immer, dass er activer Kommunist war. Ob er sogar Mitglied war ? Und was war seine Rolle zu Anfang der Zwanziger in München bei all den politischen Aufruhren und Revolutionen ? ? Ich entsinne mich auch da verschiedener Geschichten und Behauptungen. Ich möchte überhaupt, dass jemand, der über ihn Bescheid weiss, mir einen möglichst ausführlichen Lebenslauf Beidler’s schickt, denn ich kann keine Behauptungen aufstellen, die ich nicht beweisen kann. Nachdem mein Rechtsanwalt ihn nun schon vor etlichen Wochen gewarnt hat vor den Consequenzen einer Veröffentlichung der  Teile aus Grossmama’s Tagebuch, wegen Verstoß gegen das  Urheberrecht, übrigens hat er noch nicht drauf geantwortet, kann ich mir vorstellen, dass er mir nur zu liebend gerne mit einem Verleumdungsprocess drohen wuerde, deshalb muss ich schon so viele Dokumente wie möglich über ihn in der Hand haben, um meine Behauptungen zu begründen. «73 Winifred lobte sie : » Sowohl was R. L. betrifft als auch F. W. B. – bei Letzterem bist Du ja auf eine glänzende Idee 272

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gekommen, ihn k.o. zu schlagen ! « Verena Lafferentz zufolge genügte die Mitteilung an Clay, » um einen Deutschen abzuhalftern «.74 Im Juni 1948 wurde ein Memorandum der USBehörde zu den Bayreuther Festspielen vorgelegt mit dem Vermerk : » General Clay soll bestimmen, was das Beste wäre. «75 Diese Panikattacken erstaunen angesichts von Beidlers Verhalten, denn er hatte keineswegs machthungrig die Initiative ergriffen, sondern war lediglich beauftragt worden, sich Gedanken über die Zukunft der Festspiele zu machen. Wielands Behauptung, Beidler habe sich an den Bürgermeister » herangemacht «, enthält damit eine unschöne Akzentuierung, die als Reaktion auf den befürchteten Machtverlust zu interpretieren ist. Beidler wurde umgehend zum Gegner, und Friedelind ließ sich in dieses Spiel hineinziehen. Sie nahm ihren Cousin noch nicht einmal in den Stammbaum auf, der ihr Buch schmückte. ( Selbst in der deutschen Neuauflage von 1994 fehlt der Wagner-Enkel, wohingegen Cosimas Kinder mit Bülow zu finden sind, die mit Wagner gar nicht verwandt waren. ) Beidler hielt damals freilich auch nicht sonderlich viel von Friedelind : » Sie ist nicht ernst zu nehmen «, schrieb er seiner ehemaligen Kollegin Annemarie Landau.76 Die Kustodin von Tribschen in der Schweiz war ganz auf der Seite der Kinder Siegfrieds und lobte Friedelind : » Gottlob haben Sie jetzt Kampfstellung bezogen, denn das darf nicht vorkommen, dass ein solches Erbe an Fremde geht, überhaupt dass B( eidler ) im Archiv schnüffeln durfte und in den Tagebüchern von Cosima, alles für sein › Rehabilitierungsbuch ‹ ! «77 Die heftige Reaktion hängt aber auch mit der Tradition zusammen, die Beidlers Name in der Familie hatte. Da er 1933 aus Deutschland weggezogen war, galt er als Abtrünniger. Daniela hatte 1938 an den Gründer des Schweizer WagnerVereins Adolf Zinsstag geschrieben : » Was den Sohn meiner armen, unglücklichen, grossen, hochbegabten, aber traurig verwirrten Schwester anbelangt, … schon in früher Kindheit 1946 bis 1950

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als › blutiger Sozialist ‹ bekannt, sollen er u. seine Frau in Berlin wie in Paris sich communistischen Umtrieben hingegeben haben, daher sie ausgewiesen worden seien etc. ( Dies bitte unter uns ). «78 Kommunist, Enteigner, Menschenblüte, Verfasser von Gebräu : die Diffamierungen zeigen die Ängste, die durch den drohenden Machtverlust entstanden, und sie fügen sich in die nationalsozialistischen Denkmuster ein, die noch lange nicht überwunden waren. Cousin Beidler, wie Friedelind ein Kämpfer gegen die Naziherrschaft, wie sie ein Emigrierter, wie sie ein mit ständigen Geldsorgen Lebender, der seine eigentliche Heimat hatte verlassen müssen, war zum großen Gegner erwachsen. Saßen die eigentlichen Gegner nicht in Bayreuth ? Als sie es begriff, war es zu spät. Friedelind behauptete noch Jahrzehnte später, es sei ihr gelungen, die Festspiele für die Familie zu retten. » Mit der Hilfe einer herausragenden Firma internationaler Juristen verhinderte ich, dass sie von dem ewig hungrigen bayerischen Staat aufgefressen wurden ; ich vereitelte den Versuch unseres Cousins Beidler, der von einer Gruppe unter der Leitung Thomas Manns unterstützt wurde, die Familie zu enteignen und die Kontrolle über die Festspiele zu erhalten. «79 Sie meint damit auch ihre Anfrage an das Büro von Clay, wobei Clay durch seinen Hausjuristen lediglich bestätigte, dass im Falle einer Enteignung der Besitz nach Winifreds Tod an die Erben fallen würde.80 Die Entwicklung in Bayreuth vollzog sich rascher, als sich Friedelind hätte träumen lassen, und sie geschah über ihren Kopf hinweg. Im April 1948 suchte der Staatssekretär für die schönen Künste im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Dieter Sattler, Winifred auf und deutete ihr die Bereitschaft des Freistaats an, sich für die Festspiele einzusetzen. Er stellte die Bedingung, dass die Trägerschaft aus Vertretern der Stadt, des Freistaats und » internationaler Freunde « bestehen sollte – was dem Plan Beidlers sehr nahe kam. Wini274

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fred lehnte ab und deutete an, dass sie bereit wäre, den Besitz an ihre beiden Söhne zu übergeben. Das wiederum wollte das Land nicht akzeptieren, und es war kein Zufall, dass einige Wochen darauf der bayerische Kultusminister Alois Hundhammer in Bayreuth eine Rede zum 135. Geburtstag Richard Wagners hielt, in der er die wichtige Rolle des Freistaats bei der Finanzierung und Erhaltung der Festspiele betonte und über den » Schatten « sprach, der noch immer über Wagners Musik läge. Im Juli 1948 versuchte Sattler Winifred noch einmal umzustimmen, sie aber beharrte darauf, dass sie sich eine staatliche Unterstützung nur im Zusammenhang mit der Leitung der Festspiele durch ihre Söhne vorstellen könne, und warnte Sattler davor, ihre Willenskraft zu unterschätzen.81 Kurz nach Winifreds Berufungsverhandlung im Dezember 1948 wurde der Familienbesitz der Familie zurückgegeben. Winifred teilte der Tochter mit, dass die Brüder sie zu einer Familienkonferenz einladen wollten, da die finanzielle Lage unhaltbar geworden sei » und wir möglichst keine Schritte unternehmen wollen, die nicht gemeinsam durch alle vier Kinder gebilligt werden «.82 Friedelind aber rührte sich nicht ; sie zog es vor, in den USA zu bleiben. Die Brüder mussten mit ihrer Mutter einen schweren Kampf ausfechten, um sie dazu zu bringen, die Leitung der Festspiele abzugeben. Sie hatte tatsächlich geglaubt, nach dem Zusammenbruch und bei einem Neubeginn die Zügel wieder in die Hand nehmen zu können, und wurde in ihrem Starrsinn von Heinz Tietjen unterstützt, der sie beschwor, nach Ablauf der Bewährungsfrist ihre Rechte » im Interesse Bayreuths zu wahren «.83 Erst das Urteil im Berufungsverfahren, das ihr die Leitung der Festspiele untersagte, ließ sie handeln : Am 21. Januar 1949 erklärte sie schriftlich, dass sie sich jedweder Mitwirkung enthalten und ihren Söhnen » die entsprechenden Vollmachten erteilen würde «. Inzwischen hatte auch der Oberbürgermeister gewechselt, und der Kulturreferent der Stadt, 1946 bis 1950

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Karl Würzburger, stellte klar, dass Siegfrieds Testament sowohl eine Übernahme durch Friedelind als auch das Stiftungsprojekt von Franz Beidler unmöglich mache. » Das Testament ist so eindeutig «, schrieb er, » dass ich nicht verstehe, wie Dr. Meyer überhaupt an den Festspielen herumdilettieren konnte. «84 Die Brüder waren zufrieden. Wolfgang gibt in seiner Autobiografie zwar zu, dass jedes der vier Kinder den Status eines gleichberechtigten Nacherben besaß, fügt aber hinzu : » Nach meiner damaligen wie auch noch heutigen Ansicht wäre dies dem Ende des durch Mitglieder der Familie geführten Unternehmens regelrecht zwangsläufig gleichbedeutend gewesen. «85 Wolfgang informierte Friedelind im März 1948, dass man hoffe, nach unzähligen Schwierigkeiten Bayreuth wieder aufbauen zu können. Er klagte aber über » Elemente, die in vergangenen Zeiten absolut versagt haben, und die nach zwangsläufiger Unterbrechung der bitteren 13 Jahre dort wieder anfangen zu können glauben, wo sie damals geendet haben ! «86 Meinte er Kommunisten, Sozialisten und Juden ? In Friedelinds Ohren klang das alles nicht unbedingt nach Scham oder Schuldbewusstsein. Er hoffte, dass die Entnazifizierung der Mutter bald durchgestanden sei, und glaubte, dass dann » das im Sommer in Aussicht gestellte Wiederaufkreuzen unseres schweizer Vetters dann auch keinerlei Wirkung mehr haben wird «.87 Er war dabei, Vertragsentwürfe mit Wieland und Winifred zu erarbeiten, in denen die Leitung der künftigen Festspiele den Söhnen zuerkannt wurde.88 Hierbei traf es sich gut, dass Wieland ohne Verhandlung und in Abwesenheit von der Spruchkammer zum » Mitläufer « erklärt worden war und damit nichts mehr zu befürchten hatte.89 Im gleichen Jahr schrieb Friedelind noch selbstsicher : » Ich glaube nicht, dass ich bei meiner Familie beliebter als zuvor bin, nur habe ich natürlich die strategisch stärkere Position – und das leuchtet ihnen ein, wenn es sie wohl umso mehr 276

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ärgert, dass das schwarze Schaf in Allem Recht behalten hat. «90 Größer konnte ihre Fehldeutung kaum sein, denn nun folgte ein Schritt, der von den Brüdern gemeinsam mit der Mutter ausgehandelt war und der sie aushebelte : Am 19. Januar 1949 unterschrieben Winifred, Wieland, Verena und Wolfgang eine Vereinbarung, die die beiden Brüder zum selbstständigen Handeln bevollmächtigte, das heißt, im Namen der Familie zu sprechen.91 Winifred verzichtete zugunsten ihrer Söhne auf die  Wahrnehmung ihrer Erbschaftsrechte hinsichtlich der Weiterführung der Festspiele. Friedelind hatte immer geglaubt, fest im Sattel zu sitzen, da alle Geschwister gleichermaßen erbberechtigt waren. Sie hatte ihren Teil beigetragen, um ihren Vetter auszubooten, der wie sie Deutschland wegen der Naziherrschaft verlassen hatte. Nun war sie selbst das Opfer. Der geheime Wahlspruch der Brüder soll Gertrud Wagner zufolge geheißen haben : » Nach Cosima und Winifred Schluss mit der Weiberdiktatur ! « Und Wolfgang ergänzte : » Die Weiber lassn mr draußen. «92 Die Mutter überflutete Friedelind mit einem Strom von Informationen über die Enkelkinder, die Söhne, den geplanten Wiederaufbau des Westteils von Wahnfried. Wieland ließ 1949 Teile der Stukkaturen abtragen und riss Fußböden und Wände in Wahnfried heraus, um sich einen Wohnbereich nach seinem Geschmack zu gestalten. Alte Möbel wurden zerschlagen, was Winifred als den Versuch interpretierte, sich der Vergangenheit zu entledigen.93 In ihren Briefen wurde sorgfältig die Vergangenheit ausgeklammert, ebenso wie ihr Ärger über Friedelinds Buch. Sie empörte sich über ihre Behandlung im Nachkriegsdeutschland : » Ich bin halt alt und versorgt geworden, was ja kein Wunder ist, wenn man sich überlegt, wie man mit mir bzw. mit uns Schlitten fährt ! «94 Wieland konnte derzeit kaum etwas verdienen : » Mit seinen vier Kindern und der Unmöglichkeit vor seiner Entnazifizierung [eine Stelle zu finden], die er aber aus einleuchtenden Gründen 1946 bis 1950

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auch nicht von sich aus betreiben möchte – es fällt vielleicht alles bald unter den Tisch – hat [er] es vielleicht am Schwersten. «95 Friedelind wird diese Nachrichten mit gemischten Gefühlen gelesen haben, kam doch von Wieland nicht viel, das nach einer Läuterung geklungen hätte : » Wie herrlich waren die Jahre von 1917 bis 1920 gegen das, was sich jetzt im armen Deutschland abspielt. «96 Es brauchte viel Zeit, bis die Emigranten sich von den demokratischen Strukturen in Westdeutschland überzeugen konnten. Im September 1948 war der siebzigköpfige Parlamentarische Rat unter Vorsitz von Konrad Adenauer in Bonn zusammengetreten, um das Grundgesetz zu erarbeiten. Die drei Westzonen vereinigten sich zu Westdeutschland, im Mai 1949 wurde Bonn zum Regierungssitz erklärt, und die westlichen Militärgouveneure billigten das Grundgesetz. Aus den Westzonen war die Bundesrepublik Deutschland geworden ; im August fanden die ersten Wahlen statt. Nicht zufällig wurde im gleichen Jahr, in dem die Bundesrepublik gegründet wurde, die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth ins Leben gerufen, die das Ziel hatte, für eine Wiederaufnahme der Festspiele Geldspenden einzuwerben. Die aufstrebende Wirtschaft war bereit, dem Unternehmen beizustehen, das einst Weltgeltung besessen hatte und nun das Ansehen Deutschlands verbessern könnte. Zum Präsidenten der privaten Mäzenatenvereinigung, die bis heute existiert, wurde Dr. Moritz Klönne ernannt. Er war 1940 der NSDAP und der SS beigetreten, wobei er Kontakte zum militärischen Widerstand hatte. So wie zahllose andere hatte er sich letztlich dem Regime angepasst. Seine rechte Hand in der Gesellschaft war Konrad Pöhner, wie Klönne ein Industrieller, der später bayerischer Finanzminister wurde. 1948 war er Stadtrat in Bayreuth. Dr. Hans Bahlsen von der Hannoveraner Backwarenfirma war ebenso dabei wie Martin Schwab von der Firma Telefunken, Berthold Beitz, damals Generaldirektor der 278

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Versicherungsgesellschaft Iduna-Germania in Hamburg, und andere Industrielle. 1950 standen bereits 400 000 DM bereit, größtenteils von Vertretern der Wirtschaft gespendet. Eine solche Geschwindigkeit war überraschend, denn die meisten Menschen hatten in dem zerstörten Land noch immer Mühe, den Alltag zu bewältigen. Nachdem man die Wiederaufnahme der Festspiele für das Jahr 1950 als unrealistisch erkannt hatte, einigten sich die Brüder auf ein Eröffnungskonzert im Jahr 1951 mit Beethovens Neunter Symphonie, dirigiert von Paul Hindemith, gefolgt von jeweils fünf Aufführungen des Parsifal und der Meistersinger sowie zwei kompletten Ring-Zyklen. Währenddessen hielt sich Friedelind mit Vorträgen, Rundfunkdiskussionen und Artikeln finanziell knapp über Wasser und bekam von den Planungen kaum etwas mit. Wenn Toscanini in New York dirigierte, war sie dabei, so als sie nach einer Nachmittagsvorstellung der Meistersinger in der Metropolitan Opera in den Konzertsaal des NBC hastete, um den Dirigenten zu erleben.97 Sie dachte wieder einmal in überdimensionierten Kategorien, als sie Jeanette überreden wollte, in der New Yorker Town Hall mit einem Liederabend zu debütieren. Jeanette fühlte sich letztlich dieser Herausforderung nicht gewachsen und sagte ihr Kommen ab, worauf Friedelind beschloss, den Termin für einen eigenen Vortrag zu nutzen. Was für ein Vorhaben : Die Town Hall, ein Gebäude in Midtown Manhattan, konnte bis zu 1500 Zuhörer fassen und wurde von Weltklassekünstlern wie Wanda Landowska oder Yehudi Menuhin gefüllt. Friedelind wollte über Deutschland sprechen, » die Probleme dort, die aber zugleich die Probleme der ganzen Welt heute sind « – viel zu ambitioniert für eine junge Emigrantin, die ihr Heimatland seit acht Jahren nicht gesehen hatte. Trotz ihrer Werbemaßnahmen blieb, wie zu erwarten, der erhoffte Besucherstrom aus.98 Mehr Erfolg hatte sie mit Vorträgen, die auf Einladungen erfolgten, so beispielsweise in Chicago, wohin sie im Dezem1946 bis 1950

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ber zusammen mit dem Ehepaar Janssen und der Sopranistin Irene Jessner reiste, die die Elektra unter Artur Rodzinski singen sollte.99 Im März 1948 ging sie dort in Symphoniekonzerte, hörte die Pianisten Rubinstein und Casadesus und einen Liederabend mit Lotte Lehmann : » Sie war wunderbar und verzauberte, selbst jetzt wo ihre Stimme nicht mehr die größte oder die jüngste ist. Sie ist noch immer die weltbeste Liedsängerin. «100 Aber in Chicago erlebte sie auch Unangenehmes, denn sie wurde von deutschstämmigen Amerikanern, die ihr Buch mit der Kritik an Hitler und an der deutschen Politik sowie an Bayreuth gelesen hatten, buchstäblich boykottiert, was sie durchaus als Kompliment, zugleich aber auch als schockierend empfand. Sie wohnte in einem Hotel, das Deutschen gehörte, und » mit jedem Gang bekam man eine Propagandarede, dass einem der Appetit gleich verging. « Die Sängerin Claire Dux ( 1880 – 1967 ), die seit 1921 in Chicago lebte und zahlreiche Rollen am Opernhaus übernommen hatte, weigerte sich gar, sie zu empfangen, » weil sie von meinem Buch und meinem Benehmen so empört war «. Sie bekam zu hören, dass die Alliierten die größten Verbrecher seien, weil sie es gewagt hätten, Deutschland zu bombardieren ; die Naziverbrechen wurden hingegen schöngeredet. » Da wird einem doch übel, und dann erwartet man, dass die Deutschen, die immer in Deutschland gelebt haben, sich bessern sollen ! «101

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11 Friedelind kehrt zurück 1950 bis 1955

Das Weihnachtsfest 1949 verbrachte Friedelind mit William Suida und seiner Familie. Der bedeutende österreichische Kunsthistoriker ( 1877 – 1959 ) war ein Neffe von Danielas geschiedenem Ehemann Henry Thode und Spezialist für die Kunst der italienischen Renaissance. Nach der Annexion Österreichs durch die Nazis hatte er seine Professur in Graz verloren und war nach England und von dort in die USA geflohen. Seit 1947 arbeitete er als Leiter der kunstgeschichtlichen Forschung bei der Samuel H. Kress Foundation in New York. Der Besuch der Oper The Consul von Gian Carlo Menotti berührte sie zutiefst, denn darin kam etwas zum Ausdruck, was ihr durchaus vertraut war : das drückende Ohnmachtsgefühl eines Menschen, dessen Leben von einer unmenschlichen Behörde abhing. Sie hatte das ähnlich in London erlebt, als sie so dringend auf die Ausreise wartete. Die amerikanische Sopranistin Patricia Neway, die bei der Uraufführung in Philadelphia im Januar 1950, aber auch bei der Aufführung in New York sang, war von ihr als Brangäne für die geplante TristanTournee vorgesehen gewesen. Welch gute Wahl sie getroffen hatte, zeigte sich in den folgenden Jahren, denn Neway machte eine bedeutende Karriere und blieb bis in die Siebzigerjahre 281

eine gefragte Sängerin. Friedelind ging nach der Aufführung in die Garderobe und war bewegt über die Veränderung, die sie bei der Sängerin feststellen konnte. » Der Erfolg hat sie zu einer Millionen-Dollar-Gewinnerin gemacht … endlich ist die längst verdiente Anerkennung da. «1 Anfang 1950 arbeitete Friedelind noch im Büro, hoffte aber, einen Dreijahresvertrag mit einer Agentur für Vorträge zu ergattern : » Das wäre dann mein letzter Tag als Sekretärin. «2 Sie hatte zahlreiche eigene Projekte im Kopf und plante Reisen  nach Indien und Israel. Auch wollte sie sich ganz aufs Schreiben verlegen und würde wenig Geld für die großen Reisen benötigen, weil sie » überall bei Freunden und Freunden von Freunden leben « könne. Mit der amerikanischen Kultur fühlte sie sich inzwischen vertraut, ohne ihre Herkunft aufgeben zu wollen. » Meine Freunde wundern sich alle über meine schnelle › Veramerikanisierung ‹, aber glaube mir, es war ein 24-hour-per-day-job, sich all die besten Dinge Amerika’s anzueignen … Dabei bin ich doch noch durch und durch Europäerin, was › savoir vivre ‹ anbetrifft – Angewohnheiten, likes and dislikes. Die Mischung von alter und neuer Welt ist aber sehr gut – und recht oft sehr amüsant. «3 Über das Verhältnis zu ihrer Mutter verriet sie Jeanette : » Ich habe ihr so gar  nichts zu sagen, denn wenn man sich geistig völlig entfremdet ist, was bleibt dann schon noch übrig ? «4 Ihre Skepsis gegenüber der Eröffnung der Bayreuther Festspiele blieb bestehen.5 » Ich meine noch immer, dass das verfrüht ist, da ich nichts von dem Geist dort erkenne, der eine Neueröffnung gerechtfertigen würde. Ein › wahres Friedenswerk ‹, › allen Musikliebhabern in der ganzen Welt gewidmet ‹, › der Geist internationaler Bruderschaft ‹ usw. : diese Worte klingen recht hohl. « Vermutlich hatte Bayreuth mit diesen Begriffen geworben. » Die wahnsinnige Geschwindigkeit, mit der Deutschland re-nazifiziert wird, wirft einen Schatten auf die Zukunft Bayreuths. « Zuschüsse der bayerischen Regie282

Friedelind kehrt zurück

rung fand sie falsch, denn sie weckten Erinnerungen an die Nazis, die die Festspiele unterstützt hatten : » Wir wären ohne diesen Kuss des Todes besser dran gewesen. « Ebenso lehnte sie Pläne ab, aus den Festspielen eine touristische Attraktion zu machen : » Wir haben jede Spur des Kommerziellen stets gemieden. « Dass man mit Furtwängler verhandle, wundere sie angesichts seiner gemischten Erfahrungen mit Bayreuth : » Ob er geneigt ist, nach seiner schändlichen Behandlung durch meine Mutter, Heinz Tietjen und die Nazis zu kommen, weiß ich nicht. « ( Sie bezog sich auf den Streit zwischen Tietjen und Furtwängler, bei dem sich Winifred gegen Letzteren entschied, was Hitler dann umsetzte.6 ) Ein verfrühter Beginn könne für den Geist der Festspiele und auch für die Finanzen fatal sein. Es hörte aber niemand auf sie. Glaubte sie, mit provokanten Rundumschlägen die Entwicklung stören, gar aufhalten zu können ? Sie verschärfte sogar ihre Kritik und verkündete, dass ihre aktive Mitarbeit am Wiederaufbau der Festspiele nicht zu erwarten sei, » da eine Zusammenarbeit mit meiner Familie nach wie vor in permanente Disharmonie auszuarten scheint – und ein Leben im renazifizierten Deutschland mir genau so unmöglich ist wie im alten Nazilande «.7 Anlass für diese Reaktion war ein Zeitungsbericht, wonach Mutter und Geschwister planten, Originalmanuskripte Richard Wagners zum Verkauf anzubieten, um die Wiedereröffnung der Festspiele zu finanzieren.8 Nun gab es kein Halten mehr, und sie protestierte sofort bei der Familie, betonte, dass ein Verkauf ohne ihre Genehmigung nicht möglich sei, und fügte scharf hinzu : » Es gibt viele Möglichkeiten, die Festspiele zu finanzieren, an die Ihr anscheinend nicht gedacht habt, ohne den einzigen wahren Besitz, den wir noch haben, und der Ewigkeitswert hat, zu vernichten und in wenigen Jahren einen totalen Bankrott heraufzubeschwören, von dem es dann keine Rettung mehr gibt. «9 Kopien dieses Briefes schickte sie an den bayerischen Ministerpräsi1950 bis 1955

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denten und den Hochkommissar für Bayern und schrieb im November an Verena und Bodo Lafferentz, dass es – abgesehen vom Ausverkauf des Erbes – sinnlos wäre, Manuskripte in den USA zu verscherbeln, da das Geld sofort von der Regierung beschlagnahmt würde ; nur sie als Amerikanerin würde ihren Teil ausbezahlt bekommen.10 Sie bezeichnete sich als » mitten im Kampf mit meiner Familie «, nahm aber Verena aus, die ebenso schlecht behandelt würde.11 Sie war einer Fehlmeldung aufgesessen, und die Brüder verlangten umgehend ein öffentliches Dementi : » Wir würden es ausserordentlich bedauern, wenn Du uns dazu zwingen würdest, Dich in der Öffentlichkeit als Lügnerin anzuprangern ( wozu nach Deinem Buch nicht mehr sehr viel notwendig ist ! ) «12 Damit war das Klima vergiftet, denn die Familie verabscheute das Breittreten von Konflikten in der Öffentlichkeit  – etwas, was die medienerfahrene Friedelind geradezu lustvoll praktizierte. Die Brüder machten ihr klar, dass die Mutter als sogenannte befreite Vorerbin durchaus das Recht hätte, Partituren zu verkaufen. Die Partituren, die Hitler zu seinem 50. Geburtstag geschenkt bekommen hatte, stammten aber gar nicht von ihr, sondern von Industriellen, die sie aus dem Nachlass König Ludwigs II. gekauft hatten. Zum Ärger über die Familie kam die Enttäuschung über die ihrer Meinung nach mangelnde Aufarbeitung des politischen Geschehens. Sie, die selbst lange gezögert hatte, sich in die Planung einzubringen, merkte jetzt, dass sie abgehängt wurde, denn die Brüder zogen es vor, Erfolge für sich zu behalten. » Ich habe euch eineinhalb Jahre gegeben, um mir Berichte über die zukünftigen Festspiele zu schicken – aber vergebens. Glaubt nicht, dass mich ein fait-accompli überrumpelt. Ich hätte Euch so und so nichts in den Weg gestellt, ganz gleich, wie sehr ich gegen eine Wiedereröffnung so früh bin. Eine Finanzierung etwas später, wäre sehr viel leichter gefallen, denn sie wäre auf internationaler Basis möglich gewesen. So 284

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seid Ihr gezwungen, auf Nazi-Freunde oder Gleichgültige, politisch gesprochen, zu lehnen, was dem Rufe Bayreuths nur wieder von Neuem schadet «, schrieb sie den Brüdern.13 Wenn sie zerknirschte Reuebekenntnisse erwartete, so täuschte sie sich. In dem zerbombten und erniedrigten Land sehnte man sich nach Kultur und wollte so rasch wie möglich zu einem geordneten Alltag zurückkehren. Sie bekam den Eindruck, dass das Rechtsbewusstsein, das während der Naziära in Staat und Gesellschaft verloren gegangen war, acht Jahre nach dem Krieg noch nicht wiederhergestellt war : » Die mentale, moralische, intellektuelle und emotionale Wüste, die Hitler hinterließ, ist erschütternd, und schockierender als alle Häuserruinen. … Was kann man mit geschrumpften Seelen, unreifen Gehirnen, verbogenem und korruptem Denken und emotionalen Krüppeln machen, deren schuldbesetzte Gewissen sie zwingen, sich ewig zu verteidigen. «14 Ihre Skepsis hinsichtlich der ungenügenden Entnazifizierung bestand nicht zu Unrecht, denn die noch junge Bundesrepublik bediente sich beim Wiederaufbau der Hilfe zahlreicher Politiker, Juristen und weiterer Akademiker, die über das Mitläufertum hinaus erfolgreich innerhalb des Regimes agiert hatten. Jeder hatte damals mitbekommen, dass die Juden vertrieben wurden, dass NS-Gegner verschwanden und die Gestapo willkürlich Menschen verhaftete. Und dennoch hatten viele mitgemacht ; und wenn man nicht aktiv war, so hatte man sich arrangiert. Etwa 8,5 Millionen Deutsche waren Mitglieder der NSDAP gewesen ; viele beteuerten nun, sie hätten keine andere Wahl gehabt, als in die Partei einzutreten. Obwohl die Alliierten mit strengen Vorgaben begannen, aktive NS-Anhänger auszugrenzen, konnten diese sich bald ins Arbeitsleben eingliedern. Einer der  Kommentatoren von Hitlers Rassegesetzen, Hans Maria Globke, schaffte es 1953 sogar bis zum Staatssekretär im Kanzleramt und diente als rechte Hand von Konrad Adenauer. Ihm gelang es, ehemalige NS-Diplomaten in einflussreiche Stellun1950 bis 1955

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gen zu bringen. Das musste wie ein rotes Tuch auf diejenigen wirken, die ins Exil geflüchtet waren. Als Thomas Mann 1953 zu einem Vortrag in die Festspielstadt eingeladen werden sollte, verhinderte das die Gesellschaft der Freunde Bayreuths. Etwas später bestellte der Präsident dieser Gemeinde von festspielbegeisterten Anhängern, Ewald Hilger, eine martialische Wagner-Büste ausgerechnet bei Hitlers Hofbildhauer Arno Breker. Sie war aus Marmor, und als sie zu verwittern drohte, bestellte die Stadt 1986 die gleiche Büste aus Bronze ; sie ist noch heute im Park des Festspielhauses zu sehen. In solchen Gesten wurde deutlich, dass man Wagner durchaus mit der NS-Vergangenheit in Einklang bringen konnte und den Bruch, der 1945 geschehen war, eher übertünchen als verdeutlichen wollte. Friedelind wurde nicht müde, diese Kontinuität anzuprangern, in der auch ihre Mutter stand, die nicht daran dachte, alte Naziseilschaften aufzugeben oder ihre einschlägige Literatur aus dem Bücherregal zu entfernen. Die Tochter erntete damit ihrerseits böse Angriffe . Jens Malte Fischer umreißt den Konflikt wie folgt : » Die Emigranten sind für die  Zuhausegebliebenen der lebendig wandelnde Schuldvorwurf – es schlägt ihnen daher keineswegs Reue und Schuldbekenntnis entgegen, sondern Anmaßung, Selbstgerechtigkeit, ja Aggression. «15 Es war aber nicht nur das neuerliche Auftauchen ehemaliger Nazis, das sie so aufbrachte, sondern die Unfähigkeit vieler, auch ihrer Brüder, sich mit ihrer Rolle in der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Hitler hatte das Sagen gehabt, und man hatte sofort umgesetzt, was er wollte. So schrieb Tietjen 1934 : » Die Entscheidung, dass der Parsifal neuinszeniert wird … ist vom Führer selbst gefällt worden, untersteht also nicht der Kritik. «16 Es war nicht nur die Vorliebe der NSÄsthetik für Wagners Musik und deren Breitenwirkung, es waren das ständige Ein- und Ausgehen der Naziführung bei 286

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den Festspielen und Hitlers enge Kontakte zu Winifred, die als Skandalon in die Nachkriegszeit hineinreichten. Es wäre daher eine für die ganze Welt deutlich wahrnehmbare Geste gewesen, wenn die Brüder sich 1951 mit einer Presseverlautbarung zu dieser Verstrickung bekannt hätten. Es gab schließlich keine andere Kunststätte, die von dem Diktator und seiner Entourage so häufig besucht und aus seiner Schatulle subventioniert worden war. Und es gab keinen Komponisten, um den im Dritten Reich ein solcher Kult betrieben worden war wie um Wagner. Wieland hatte Hitler mehrfach fotografiert und Postkarten davon herstellen lassen, die z. B. bei der Reichstagung des NS-Lehrerbundes vertrieben wurden. Die HitlerFotos in den Festspielführern von 1934, 1936 und 1939 stammten von ihm. Er hatte sogar versucht, » Wolf « für seine Übernahme Bayreuths zu instrumentalisieren. Während andere Institutionen, wie beispielsweise die evangelische Kirche, eine Mitschuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus einräumten, was 1945 mit dem sogenannten Stuttgarter Schuldbekenntnis geschah, unterstrich Winifred ihre Gefolgschaft Hitler gegenüber, wobei der Rest der Familie am liebsten alles verdrängen wollte. Wieland stellte sich dann der Vergangenheit auf seine Weise, indem er als Regisseur mit ästhetischen Neuerungen arbeitete, die einen Neuanfang wenigstens symbolisch signalisierten. Heinz Tietjen war außer sich, als er erfuhr, dass Wieland die Festspiele übernehmen und auch inszenieren wollte, und schrieb an Emil Preetorius : » Im Übrigen scheint ja die bayrische Regierung mit dem Hut in der Hand der Familie Wagner jeden Wunsch zu erfüllen, den sie ausspricht. Sie haben recht : es scheint tatsächlich so, dass man ein Günstling Hitlers gewesen sein muss, um im heutigen Bayern Karriere zu machen, denn sonst wäre diese Unglaublichkeit, diese moralische Schweinerei und diese künstlerische Idiotie, die man über den Hügel mit der Nächstenliebe Hundhammerscher, und leider 1950 bis 1955

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auch Sattlerscher Protektion ausbreitet, undenkbar. Und nach den unwidersprochenen Zeitungsartikeln, die Sie mir mitgeschickt haben, erscheint ja Herr Wieland Wagner seiner gläubigen Mitwelt tatsächlich als einziger in Frage Kommender. Wann wird solcher Erbärmlichkeit ein paroli geboten ? ! «17 Und er höhnte : » Omi – – – ist wieder die in Hörigkeit zerfließende Mutter, leider ist auch Wolfi in seinen Bann geraten und von Außen macht die Maus das Affentheater voll. «18 Sie habe einen Plan, teilte Friedelind ihrer Schwester mit, der eine finanzielle Absicherung künftiger Festspiele garantieren würde. Und mehr noch : » Man muss sich drüben aber dessen klar sein, dass ich durch legale Schritte eine jede Action, die drüben unternommen wird, blockieren kann, bis sich keiner mehr rühren kann. « Sie habe im Sommer 1950 einen » unverschämten « Brief von Wieland erhalten.19 Vermutlich hatte Wieland genug von ihren Ratschlägen und Versuchen, die Eröffnung der Festspiele zu verzögern, während er und Wolfgang erfolgreich dabei waren, Spenden einzuwerben und sie möglich zu machen. Während sie in Verkennung ihrer Position glaubte, als politisch unbelastete Emigrantin das Heft noch in der Hand zu halten, hatte Winifred bereits mithilfe eines Rechtsanwalts einen Vertrag mit den Söhnen ausgearbeitet. » Es ist sehr schwer, einmal die Unterhaltsgrundlage für mich zu finden und dann meinen beiden Töchtern als MitNacherben gerecht zu werden «, schrieb sie einer Freundin.20 Es musste ein Weg gefunden werden, um Friedelind von der Leitung auszuschalten, ohne dass Siegfrieds Testament übergangen wurde. Friedelind erfuhr hiervon vorerst nichts. Stattdessen berichtete ihr Winifred vom Fortgang der Festspielvorbereitungen : Man habe Knappertsbusch für das Dirigat des Parsifal, Karajan für das des Ring engagiert21, und Wieland habe zu Weihnachten einen großen Empfang in Wahnfried ausgerichtet : » Alle Prominenz und alle guten alten und jungen Freunde « 288

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seien gekommen. » Die Jungs sind tüchtig bei den Vorbereitungen für die Festspiele und haben auch alles erreicht, was sie erreichen wollten : Zuschuss vom Staat, Zuschuss vom Rundfunk, – günstige Abmachungen mit Rundfunk und Grammophongesellschaften und das Fehlende haben die › Freunde Bayreuths ‹ gebracht. Der Vorverkauf geht überraschend gut. … Ich selbst habe nun die Mitteilung meines Abschlusses der Entnazifizierung bekommen und sie haben mich in die Mitläufer endgültig eingestuft. «22 Damit erfuhr Friedelind in geballter Form, dass die künstlerische Betreuung durch Spitzendirigenten abgesichert war, der Kartenverkauf optimistisch stimmte, die gesellschaftlichen Kräfte bereit waren, sich finanziell zu engagieren, und die Mutter politisch rehabilitiert worden war. Ihre düsteren Prognosen hatten sich in Luft aufgelöst. Sie war in den USA buchstäblich abgehängt, hatte nichts mehr zu sagen. Wolfgang gab später zu : » Vor allen Dingen musste unzweifelbar mit aller Deutlichkeit in der Öffentlichkeit klargestellt werden, dass mein Bruder und ich allein – nicht etwa aber die Familie Wagner – die verantwortlichen Veranstalter der Festspiele waren. «23 Die emphatische Betonung des vermeintlich Feststehenden ( » vor allen Dingen «, » unzweifelbar «, » mit aller Deutlichkeit « ) zeigt, wie wichtig es ihm war, die unbotmäßige Schwester auszuschalten. Diese ahnte nichts von dem bevorstehenden Paukenschlag, den Wieland mit seiner Inszenierung des Parsifal verursachen würde. Gern hätte sie Europa besucht und für Zeitungen Artikel über den Stand der Dinge im Nachkriegsdeutschland verfasst, aber dieses Vorhaben scheiterte an der Finanzierung. In den Medien – und in Bayreuth indirekt auch – blieb sie freilich präsent. Wie die New York Times schrieb, fiel in Bayreuther Cafés in den Pausen immer wieder ihr Name.24 Es war eine erhebliche Leistung von Wolfgang und Wieland, die Komplexität des Festspielbetriebs in den Griff zu bekommen. Künstlerische, organisatorische und rechtliche Fak1950 bis 1955

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toren waren ebenso zu berücksichtigen und zu beherrschen wie die Technik. Um nicht gleich zu scheitern, musste alles auf einem hohen künstlerischen Niveau beginnen, denn es gab genügend kritische Stimmen wie die von Emil Preetorius, der boshaft-neidisch schrieb : » Es gibt großen Ansturm auf Karten … Irgendmal platzt die je aus Impotenz, Anmaßung und Unlauterkeit gespeiste Bombe doch. «25 Wieland hatte jahrelang Zeit gehabt, sich mit Regiefragen zu befassen. Er wollte einen klaren Schnitt machen, die Fesseln der Tradition ablegen und gleichzeitig seine eigene Rolle in der Vergangenheit vergessen. Sein langjähriger Lehrer Kurt Overhoff hatte dem Spiegel mitgeteilt, dass er drei Ordner mit Briefen seines Schülers besitze, die nachweisen würden, wie sehr dieser in der NS-Politik befangen gewesen sei.26 Das war jetzt kein Thema mehr. Wieland hatte Wagners Werke ausgiebig studiert und war in den langen Jahren in Nußdorf die Partituren immer wieder durchgegangen, meist zusammen mit seiner Frau Gertrud. Die Sängerin Anja Silja, die seine Inszenierungen genauestens kannte, schreibt : » Für ihn war das einzig zeitgemäße Theater ein archetypisches, symmetrisches. Die Ideen, die er darin verwirklichte, waren für seine Zeit revolutionär und sind heute aus dem modernen Musiktheater nicht mehr wegzudenken. Er brauchte die Strenge der Form, die › Leere ‹ für seine Regie. Gerade bei Wagner gab es vor der Neu-Bayreuther Zeit durch den Stil der Dekorationen eine Einengung der optischen Phantasie des Regisseurs und eine Festlegung der Bewegungen, die die Sänger machen wollten und konnten. «27 Es hatte zwar bereits während der Kriegsjahre Bestrebungen gegeben, das Bühnenbild zu entrümpeln, aber Wieland gelang es nun, insbesondere mithilfe der vielfachen Lichteffekte und des auf ein Minimum reduzierten Bühnenbildes, wirklich Neuartiges in Szene zu setzen. Heldisches Pathos, gedankenlose, lediglich naturalistische Wiedergabe und Prunk 290

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fehlten in seiner Inszenierung des Parsifal ebenso wie romantische Bestandteile. Die Felsen- und Waldlandschaften gehörten ebenso wie Tempel, Schwäne und Tauben der Vergangenheit an. Das Bühnenbild nutzte die enorme Bühnentiefe des Hauses zur Gänze und verlieh den Gralsszenen eine fast magische Wirkung. Elf Jahre später brachte er es auch schriftlich auf den Punkt : » Genauso wie es an der Zeit ist, die gesamte musikalische Interpretation – Tempi, Agogik, Dynamik – dem Lebensgefühl des 20. Jahrhunderts anzupassen ( Wagner also nicht mehr exhibitionistisch, langsam, schwer und mit blechgepanzerter Schwülstigkeit zu zelebrieren ! ), bedarf alles Optische und Darstellerische einer ununterbrochenen Neuformung. «28 Damit verabschiedete er sich von dem Monumental-Heroischen, Faustischen und Erhabenen, das für die Nazis so wichtig gewesen war und das sie für ihre Zwecke genutzt hatten. In Anbetracht Wielands früherer Identifizierung mit dem Nationalsozialismus stellten die revolutionären Neuerungen auf der Bühne sicherlich auch den Wunsch nach einem persönlichen Neubeginn dar. Die Meinung des Publikums war gespalten. Viele waren begeistert, da sie in der Neuinszenierung eine Erschließung tieferer Schichten des Werkes erkannten, andere entsetzt. Die von Herbert von Karajan dirigierten Meistersinger, von Hans C. Reissinger inszeniert, stießen dagegen auf recht große Zustimmung. Das von den Brüdern verbreitete Motto » Hier gilt’s der Kunst « war ein Zitat aus dem zweiten Akt dieser Oper, gesungen von Eva. » Die unschuldige und jungfräuliche Eva wurde damit vereinnahmt, um ein beflecktes Bayreuth und verbunden damit auch Richard Wagner zu reinigen «, schreibt Nicholas Vazsonyi und fügt hinzu : » Dieser unaufrichtige und etwas scheinheilige Versuch der Entpolitisierung stellte nur die erste von zahlreichen Phasen der Vergangenheitsbewältigung dar, oder besser gesagt, des Fehlens davon. «29 Allgemein jedoch wurde die Wiedereröffnung als » glückverheißendes 1950 bis 1955

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Zeichen der Gesundung « angesehen, so Wolfgang Stresemann.30 Man konstatierte mit Genugtuung, dass das Ausland keine Bedenken hatte anzureisen. 753 Autos aus 22 Ländern zählte ein Verkehrspolizist. Jeder Besucher konnte die Scham über die braune Vergangenheit ein wenig mehr vergessen machen – so wird es der Bayreuther Bevölkerung erschienen sein, die sich der besonderen politischen Rolle ihrer Stadt in der Vergangenheit durchaus bewusst war. Der bayerische Ministerpräsident war ebenso anwesend wie der Landtagspräsident, und als Wolfgang Wagner sich bei der Gesellschaft der Freunde Bayreuths für ihr finanzielles Engagement bedankte, standen 120 Journalisten aus aller Welt bereit, um dies zu dokumentieren. Bayreuths Oberbürgermeister » legte ein warmherziges Bekenntnis der Stadt zum Hause Wahnfried und seinen › jungen Herren ‹ ab «.31 Der joviale Tonfall erinnert an eine väterlich anmutende Freude über den Erfolg des Nachwuchses. Nach den Festspielen brachte die Gesellschaft der Freunde ein Gedenkheft heraus, in dem sich der Wunsch nach Normalität und Anerkennung auf jeder Seite niederschlägt. Während in den zerstörten Städten die Trümmerfrauen noch Ziegelsteine abklopften und stapelten32, zeigen die Fotos schöne Besucherinnen in Abendkleidern mit Pelzstolen oder Besucher im Smoking, vor einer Festtafel sitzend. Die Enkel » schufen einen Wagner von Innen «, es ist die Rede von einer » zunehmenden Spiritualisierung « und » geistigen Verdichtung «. » Das Gralswunder im Jahre 1951 « wurde die Parsifal-Inszenierung genannt. » So wichtig auch der Wiederaufbau zerbombter Städte ist, wichtiger noch sind der seelische und geistige Wiederaufbau, das Sichselbstbesinnen auf die großen Werte der Vergangenheit, das Selbsterkennen ihrer wahren Bedeutung für Gegenwart und Zukunft. «33 Man spürt geradezu die Erleichterung darüber, die Vergangenheit hinter sich lassen zu können. In all diesen Lobpreisungen fällt keine Silbe über den 292

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Verlust der Glaubwürdigkeit, verursacht durch den Zusammenbruch aller Werte in einem Land, das sich der kulturellgeistigen Übermacht so sicher gewesen war. Nichts war zu erfahren über die Decouvrierung der in der Naziepoche so hochstilisierten Weltbilder, nichts darüber, dass die Vorstellung eines Schlussstrichs die Opfer entwürdigte. Richard Wagners Werk galt als Inbegriff der abendländischen Kultur humanistischer Prägung, die man moralisch unversehrt erhalten musste. Und dafür wurde eine Fassade errichtet, die nicht zu durchdringen war. Im gleichen Jahr veröffentlichte Franz Wilhelm Beidler in der angesehenen Wochenzeitschrift Das literarische Deutschland eine » kritische Jubiläumsbetrachtung «34 zur Wiedereröffnung der Festspiele. Er beklagte, dass man nach einem materiellen und moralischen Zusammenbruch sondergleichen so tat, als sei nichts geschehen, und rief die unselige Tradition Bayreuths in Erinnerung, die mit Cosimas » großer Welt, jenem fatalen Amalgam aus Feudaladel und industriellem Großbürgertum « eine schlechte Tradition in Gang gesetzt habe, die mit Chamberlains Schriften fortgesetzt wurde. Er stritt ab, dass Hitler als Erster die Festspiele politisiert habe, und erinnerte an 1924, als sich bei der damaligen Wiedereröffnung der Festspiele » die ganze Fronde des gestürzten Kaiserreiches gegen die › Judenrepublik ‹ mit Ludendorff an der Spitze demonstrativ zusammenfand «. Deutschland war für ihn noch keineswegs vom Nazigeist gereinigt. Mit dieser Bewertung befand er sich im Einklang mit dem von ihm so verehrten Thomas Mann, der Ähnliches verlauten ließ. In der Schrift der Gesellschaft der Freunde Bayreuths folgte umgehend eine Replik, die rügte, dass die » negierende Tendenz « dieses Artikels » auf Grund persönlicher Ressentiments « offensichtlich sei. » Beidler scheint nicht zu wissen, dass die Jubiläumsfestspiele 1951 mit einer ausverkauften geschlossenen Gewerkschaftsvorstellung schlossen «, schreibt Karl Würzburger, wo1950 bis 1955

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bei er überging, dass es auch vor 1933 Gewerkschaftsvorstellungen und zu Hitlers Zeiten Vorstellungen für einfache Soldaten gegeben hatte.35 Beidlers Hauptanliegen, nämlich die Kritik an einer mangelnden Aufarbeitung der katastrophalen Vergangenheit, wurde nicht angesprochen. Der Hinweis auf » persönliche Ressentiments « war maliziös, denn Beidler hatte sich in allen Belangen, die die Bayreuther Wagner-Familie betrafen, besonders fair gezeigt, in der Annahme, es werde eine Enteignung geben, wie sie vom Bayreuther Oberbürgermeister damals angestrebt worden war. Auch im Ausland wurde der nahtlose Übergang kritisch kommentiert. Dem US-amerikanischen Musikjournalisten Ross Parmenter fiel auf, dass niemand über die Hitler-Jahre sprach : » Es waren Gespenster bei der Pressekonferenz, aber sie wurden kaum wahrgenommen. … Der Bürgermeister bemerkte in feinsinniger und galanter Weise, dass Frau Winifred ihr Amt aufgeopfert habe, damit die Söhne es auf den bisherigen Stand bringen konnten. Und das war es dann auch. «36 Friedelind schaute ohnmächtig zu, wie Bayreuth rasch dabei war, die neuen Verhältnisse zu zementieren und die beiden Wagner-Enkel in der öffentlichen Wahrnehmung als natürliche Nachfolger hinzustellen. Die Doppelkonstruktion konnte zwar nicht dauerhaft gut gehen, war aber für den Anfang opportun. Winifred hatte mit juristischer Hilfe die Lösung zur Ausbootung Friedelinds gefunden, indem sie in ihrer Eigenschaft als Vorerbin und Verfügungsberechtigte über den Besitz einen Mietvertrag mit den Söhnen abschloss. Darin vermietete sie ihnen das Festspielhaus, Wahnfried und alle Nebengebäude samt Zubehör. Der Mietzins, über den je nach Einnahmen der Festspiele nach einem Jahr neu verhandelt werden durfte, betrug DM 33 000, was ihr ein sicheres Einkommen einbrachte, obwohl sie zunächst nur DM 200 davon monatlich ausgeben durfte.37 Durch die finanztechnische und handlungsmäßige Tren294

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nung von Festspielhaus und Durchführung der Festspiele wurden die Töchter ausgeschaltet, die dem Testament Siegfrieds entsprechend gleichberechtigt zu behandeln waren. Verena war entsetzt und klagte gegenüber der Mutter : » Das, was Maus nun in sehr bitteren Worten Euch sagen musste, empfinde ich schon sehr lange : dass man von uns keinerlei Notiz nimmt und nicht im entferntesten daran denkt, dass wir neben der Liebe zu der Bayreuther Sache auch noch Rechte haben, die Du zu verteidigen die Pflicht hast. « Die Bestallung der Brüder als Leiter der Festspiele legte nach ihrer Meinung » den Keim zu einem Zerwürfnis innerhalb der Familie «.38 Winifred berichtete darüber ihrer Freundin : » Verena – die auch die Maus vertritt – steht auf dem Standpunkt, dass ich nicht auf Alles zugunsten der beiden Söhne, die natürlich von mir aus nach wie vor die Festspiele machen sollen, verzichte – die Unerfahrenheit der Beiden lassen die Töchter besorgen, dass ihre Nacherbschaft flöten geht zugunsten der Abhaltung von Festspielen und sie wollen meine Oberaufsicht beibehalten wissen – Das ist nicht im Sinn der Söhne, die ihre Unabhängigkeit wollen und Meyer soll mir morgen sagen, was ich den Jungens übergeben darf und was nicht, um allen Teilen gerecht zu werden. «39 Bodo Lafferentz verlangte eine Klärung der Lage und musste sich damit zufriedengeben, dass Winifred als sogenannte befreite Vorerbin ohne Weiteres einen solchen Mietvertrag abschließen durfte.40 Zu Friedelinds Unzufriedenheit über den Vertrag schrieb die Mutter : » Wegen all der schwebenden Fragen hoffe ich, dass Du hier an Ort und Stelle alle erwünschten Aufklärungen erhalten kannst. Du kannst fest davon überzeugt sein, dass Deine Nacherbenrechte genauso peinlich gewahrt worden sind wie die Deiner Geschwister und dass Verena in Deinem Namen ihre Zustimmung für sich und Dich in den getroffenen Vereinbarungen gab, weil es so gehandhabt wurde. « Welch ein kryptischer Satz ! » Natürlich 1950 bis 1955

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wirkt der Kontrast meines rechtlichen Zustandes vor und nach der Entnazifizierung aus der Ferne völlig verwirrend und unverständlich. VOR der Entnazifizierung war ich völlig rechtlos – weil alles beschlagnahmt war und unfähige Treuhänder eingesetzt wurden, die omnipotent hier über alles verfügen konnten. … In der Revisionsverhandlung wurde ich Minderbelastete. Die Möglichkeit der Enteignung fiel damit weg und inzwischen bin ich zur Stufe 4 ( Mitläuferin ) avanciert, die jede Sühnemaßnahme unmöglich macht und mich wieder in meine vollen Rechte einsetzte. «41 Winifreds Argumente wegen des Mietvertrags sind raffiniert, denn sie beeilte sich zu betonen, dass Friedelind keinen finanziellen Nachteil erleiden würde. In Wirklichkeit ging es aber darum, den Söhnen Ämter zu übergeben und sie damit unanfechtbar zu Leitern der Festspiele zu befördern. Ihrer Kusine schrieb sie : » Das vergangene Jahr hat mir die Genugtuung gebracht, dass meine Söhne durchaus in der Lage sind, die Festspiele im Sinne der grossen Familienmission weiterzuführen und die ganze Welt hat daran teilgenommen – vielleicht mit 80 % Zustimmung und 20 % Ablehnung – aber die Ablehnenden gehören zu den Sturen aus allen Generationen, die am Vergangenen festhalten und neue Wege grundsätzlich ablehnen. « Die Söhne seien » mit einem Mal in den Mittelpunkt des künstlerischen Interesses gekommen « und hätten bereits auswärtige Regieaufträge erhalten.42 Friedelinds Angst, durch die Brüder und die Mutter übervorteilt zu werden, war seit Kriegsende gewachsen. Ihr war bewusst, dass die Familie einen veritablen Schatz besaß, und sie wollte sowohl ihren Anteil gewahrt sehen als auch dafür sorgen, dass nichts unrechtmäßig verkauft wurde. Rechtsanwalt Robert Kempner, der bereits bei den Nürnberger Prozessen tätig gewesen war und sie vertrat, wandte sich mit einem Brief vom 13. Mai 1953 an Winifred, um Friedelinds Rechte an Bayreuth geltend zu machen, wobei auch eine außergericht296

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liche Regelung in Betracht gezogen wurde. Der Anwalt der Gegenseite, Gottfried Breit, wies jedoch die Annahme einer Benachteiligung entschieden zurück ; die neue Regelung sei aufgrund der Beauftragung Wielands und Wolfgangs – » insbesondere auch unter der neuen Rechtsform durch die Vorerbin Winifred Wagner – unangreifbar «.43 Breit zufolge hätten die Töchter zu Winifreds Lebzeiten keine Aussicht auf eine erfolgreiche Klage. Allerdings könnten sie nach dem Ableben der Mutter auf eine Zwangsversteigerung Wahnfrieds dringen. Deshalb sei es am besten, jetzt schon zu einer friedlichen und gerechten Lösung zu kommen. Winifred schlug vor, den Töchtern nach ihrem Tod die gesamte Einnahme aus der Vermietung des Operngebäudes zu überlassen, was aber nicht eintrat. » Wieland wollte alles vermeiden, was dazu führen konnte, dass Friedelind unmittelbar bei den Festspielen mitwirken ( oder besser › mischen ‹ ) und in das Festspielgeschehen eingreifen würde «, schreibt Wolfgang Jahre später mit erstaunlicher Offenheit.44 In Wahrheit teilten beide Brüder diesen Wunsch. Über die Schwester wird mit den Begriffen » einmischen « und » eingreifen « gleich zweimal ein negatives Urteil gefällt. Beide waren sich mit der Mutter einig, von der Nike Wagner zu Recht bemerkt : » Winifred schaltete ihre erwachsenen Töchter mit einem Fingerschnippen von Zugängen zu analoger › maskuliner ‹ Selbstverwirklichung aus, schnitt ihnen, eine eifersüchtige alte Parze, den Lebensfaden, der sie mit Bayreuth verband, kurzerhand durch. «45 Erkannte Friedelind die Risiken, die der Vertrag enthielt ? Begriff sie, dass sie künftig vom Wohlwollen der Brüder abhängig war, wenn sie beispielsweise zeitweilig Räume in Wahnfried bewohnen, Karten für sich und Freunde haben oder gar selber aktiv an den Festspielen teilnehmen wollte, wie sie es später mit ihren Meisterklassen versuchte ? Als Mieter des Festspielhauses hatten die Brüder ein Machtmittel in der 1950 bis 1955

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Hand, das ihnen für die weiteren Jahrzehnte dazu dienen sollte, die renitente und unberechenbare Schwester auszuschalten, was auch dem Willen der Mutter entsprach. Sie hatte nach dem deutschen Zusammenbruch 1945 Pakete geschickt, teilweise unter schwierigsten Bedingungen ; sie hatte Wieland gestützt und versucht, seine Bühnenbilder zu verwerten und seine Porträts zu verkaufen, auch wenn das Geld nicht bei ihm ankam.46 Da Wolfgang wiederholt von der » Verräterin « Friedelind sprach47, deutet ihr Ausschluss auf eine Art Racheakt hin. Sie hatte in den Nazijahren die Familie durch ihren Weggang kompromittiert. Durch ihr Buch und ihre Zeitungsartikel hatte sie darüber hinaus Salz in die Wunden gestreut. Und nun konnte man es ihr heimzahlen. Verena und Bodo gaben sich mit dem Vertrag nicht zufrieden und überlegten, wie Friedelind doch noch an den Festspielen beteiligt werden könne. Für ihre Idee, amerikanische Studierende und Musiker im Sommer in Bayreuth auszubilden, war die Zeit noch nicht reif. Sie war aber von sich aus tätig geworden und bot sich über ein Reisebüro als Leiterin einer Reise durch europäische Festspielstädte mit entsprechenden Konzert- und Opernbesuchen an. Reklameblätter waren schnell gedruckt, ihre Vorstellungen allerdings waren wie so oft überdimensioniert : Von Juli bis September sollte es  nach Bayreuth, Edinburgh, Florenz, Luzern, München, Neapel, Paris, Rom, Salzburg und Venedig gehen. Winifred war beeindruckt : » Eine amerikanische Reisegesellschaft von 21 Personen unter › Führung von Friedelind Wagner ‹ hat Karten für den ersten Zyklus bestellt ! ! … Auf das Wiedersehen bin ich nun einigermassen gespannt ! ! «48 Das Reisebüro, das das Projekt auflegte, war davon ausgegangen, dass Friedelinds Freundeskreis sich sofort um sie scharen würde, doch als sie erklärte, dass die meisten ihrer Freunde Musiker von Beruf seien, die in ihrer Freizeit nichts mit Musik zu tun haben wollten, und die anderen sich eine solche Unternehmung nicht 298

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leisten konnten, wurden die Pläne ad acta gelegt.49 Wieder einmal war eines ihrer Vorhaben an der unprofessionellen Vorbereitung gescheitert, aber sie blieb gelassen und bemühte sich um Aufträge für Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, die sie in Europa schreiben und verkaufen würde. Das Geld für die geplante Reise zu den Festspielen 1953 verdiente sie stundenweise als Sekretärin bei zwei Psychoanalytikern – » das macht riesigen Spaß, weil sie verrückter sind als ihre Patienten «. In den Jahren zuvor hatte sie als Schreibkraft, Serviererin, Sekretärin, Telefonistin, Empfangsdame, Buchund Lohnbuchhalterin gearbeitet.50 Ihre Mutter witterte die Brisanz des ersten Besuchs nach 15 Jahren und legte eine sorgfältige Planung vor. Zu sehr fürchtete sie die auf Skandale rasch reagierende Presse und bat daher die » Maus «, die erste Nacht bei ihr in Oberwarmensteinach zu wohnen, » denn Du wirst vielleicht verstehen können, dass ich unser Wiedersehen nach all den schweren vergangenen Jahren nicht unter den Augen der Öffentlichkeit wissen möchte «. Sie schlug vor, dass Friedelind sie kurz nach ihrer Abfahrt aus Nürnberg anrufen sollte : » Ihr fahrt 45 Minuten ca. bis zur Autobahn-Ausfahrt Bayreuth Süd – und ich fahre genau die gleiche Zeit von hier bis zu Eurer Autobahn-Ausfahrt. … Wir würden dann nach Deinem Umstieg Deine Freunde bis zu ihrem Quartier geleiten und dann unmittelbar hier herausfahren. « Friedelind hatte sich brieflich über üble Nachrede aufgeregt, die die Mutter wie folgt entkräftete : » Dass Du während der höchsten Gefahrenstufe, soweit es in Deinen Kräften stand, Dich eingesetzt hast, habe weder ich noch irgendein Familienmitglied je verleugnet und kein Mensch hier drüben hat hier jemals die Behauptung aufzustellen gewagt, Du habest › uns verhungern lassen ‹, › uns gar an den Galgen gebracht ‹. Das sind Ausstreuungen Unverantwortlicher, die ihre Freude daran haben, Familien gänzlich auseinander zu bringen. – Ich 1950 bis 1955

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hoffe von ganzem Herzen, dass unser Wiedersehen die Voraussetzung schafft, um die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen, und dass wir in Zukunft nur mehr eine Einheit nach außen bilden werden. In der Zwischenzeit seid ihr alle selbständig und unabhängig geworden und ich respektiere das am deutlichsten damit, dass ich mich hierher zurückgezogen habe und nur noch für euch da bin, wenn ihr Verlangen nach mir habt – dann steht euch allen aber mein Herz und mein Haus offen und in diesem Sinne erwarte ich Dich hier aufs Herzlichste ! Warum Du zu befürchten scheinst, dass › die Existenz der Festspiele von Neuem ungehindert aufs Spiel gesetzt werde ‹, ist mir unverständlich. Du wirst Dich bei Deinem Hiersein von dem Gegenteil überzeugen können ! «51 Aus den Zeilen spricht Vorsicht, gemischt mit Skepsis. Die Mutter kannte ihre Tochter und wusste, dass diese kein Blatt vor dem Mund nahm, wenn sie von etwas überzeugt war. Sie wählte daher eine Umarmungsstrategie, um jegliche Konfrontation zu vermeiden, und schützte sich und die Söhne, indem sie darum bat, nicht über die Vergangenheit zu reden. Nach einem Rundfunkauftritt bei der Schauspielerin Eva Gabor ( 1919 – 1995 ), der Schwester der berühmteren Zsa Zsa Gabor, reiste Friedelind nach Europa. Im Vorfeld ihres Besuchs gab sie der Arbeiter-Zeitung ein Interview, in dem sie ankündigte, über Richard und Cosima Wagner sowie Franz Liszt ein Buch schreiben zu wollen, um sich gegen Vorurteile und Verdrehungen zu wehren. Sie bezeichnete sich als » Hilfsregisseurin « unter Heinz Tietjen, erwähnte ihren Schauspielund Gesangunterricht und nannte ihre Arbeit als Regisseurin bei Jacob’s Pillow. Damit machte sie ihren Anspruch deutlich, eines Tages in Bayreuth Regie zu führen. Wie wenig sie vom Regiekonzept Wielands wusste, zeigte sich, als sie für einen naturalistischen Bühnenaufbau, die Bildlichmachung von Naturerscheinungen, die Vermittlung von Naturstimmungen auf der Bühne und für den Bezug auf die Regieanweisungen Richard 300

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Wagners plädierte – alles Dinge, die ihr Bruder in seinen Aufführungen abgeschafft hatte. Sie beendete das Interview mit einer Klage über die Familie, die ihr verbiete, Werke ihres Vaters Siegfried gekürzt aufzuführen.52 Sie war von Winifreds Gnade abhängig, bei der die Rechte lagen. Am 19. Juli 1953 flog sie nach Paris, das sie zuletzt 1937 gesehen hatte. Nun lag ein Krieg dazwischen, und dennoch schlug die Stadt sie wieder in ihren Bann. Sie übernachtete bei einer Familie Moreau und startete zwei Tage später mit Herrn Moreau in seinem Bentley, den ein Chauffeur fuhr, Richtung Bayreuth mit einem Halt in Straßburg, wo sie das Münster besichtigte. Von Nürnberg aus meldete sie sich bei ihrer Mutter, und das Wiedersehen verlief wie geplant. Die Ankunft am nächsten Tag vor dem Festspielhaus war überlegt inszeniert, und der Spiegel berichtete entsprechend populistisch ausgemalt darüber : » Der überschwere Straßenkreuzer nahm die Auffahrt um eine Nuance zu schnell. Der Halt mißlang nicht gänzlich, aber eine gewisse Indezenz des Vorgangs war nicht zu leugnen. Einen Augenblick lang zeigte der schwarze Chauffeur seine Zähne, stöhnten die Pneus, wiegte sich die chrombestückte Karosse breit in den Hüften. Dann begab sich das Wunder. Der dunkelhäutige PS-Hüter öffnete gekonnt wie ein Butler den Schlag, Tüll wolkte heraus, blondes, ein wenig zu hellblondes Haar erschien über feingezeichneten Brauen und der unverkennbar kühn geschwungenen Nase. Ein leises Raunen erhob sich, angesichts des Niegeglaubten, im Kreis der ehrfürchtig Umstehenden. Friedelind, die verlorene Tochter, war heimgekehrt. So courths-mahlerisch sich diese Darstellung ausnehmen mag : die Fakten stimmen … Die Heimkehr von Friedelind, 35, der › Rebellin ‹, wie sie sich selbst genannt hat, bildete die Premieren-Sensation der diesjährigen Festspiele. «53 Es war ihr wichtig, persönlich wahrgenommen zu werden, und sie plante ihren Auftritt minutiös. Als hässliches Entlein 1950 bis 1955

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hatte sie Deutschlands verlassen, hatte schlecht geschnittene Dirndlkleider und viel zu große Mäntel getragen, die ihren übergewichtigen Körper noch weniger attraktiv aussehen ließen. Nun kam sie » onduliert und amerikanisiert «54 als kosmetisch gepflegte, elegant gekleidete und blondierte Erscheinung in Europa an. Reporter und Fotografen bedrängten sie geradezu. Die Fotos zeigen sie mit gewelltem Haar, exquisit in einem geblümten Abendkleid, schlank gehungert und strahlend – sie steht neben der Mutter, und man hätte annehmen können, das Verhältnis sei wieder gut. Ihr Foto wurde zur bestverkauften Postkarte der Festspiele. Sie spielte die » heile Welt « mit ; als Reporter sie fragten, ob sie sich mit der Familie versöhnt habe, bejahte sie. Winifred sagte ihr, dass sie alle in der Familienloge auffinden würde, und sie tat wie geheißen. » Wir gingen in die dunkle Loge hinein, jemand küßte mir die Hand ( nachher fand ich heraus, dass es mein Schwager war ) und dann drehten sich sechs kleine Köpfe zu mir und ein Flüstern ging vom einen Kind zum anderen : › Die Maus – die Maus – die Maus. ‹ Ich entdeckte schließlich drei Pferdeschwänze, griff den mir am nächsten und entdeckte Iris, Wielands Älteste. Dann Amélie, die Älteste meiner Schwester, neben Iris. Dann ging das Licht an und ich entdeckte alle sechs Kinder, es waren die vier Kinder Wielands und die beiden Ältesten Verenas. Wolfgangs Kinder werden immer durch ihre Eltern versteckt und ich musste in ihr Haus schleichen, um sie endlich auch zu sehen zu kriegen. «55 Zum ersten Mal nach dem Krieg hatte sie Bayreuther Boden betreten. 15 Jahre waren insgesamt vergangen, in denen sie und die Geschwister älter, reifer und erfahrener geworden waren. Die Aufführungen wurden von den Rundfunkstationen aller fünf Erdteile übertragen, die insgesamt über 200 Millionen Hörer erfassten – eine riesige Verantwortung für die Beteiligten. Es gelang, dem Medienspektakel Paroli zu bieten 302

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und eine fröhliche Familienzusammenkunft zu inszenieren. » Die juristischen Fragen schweben noch ungelöst herum «, schrieb sie, » aber für mich war es sehr angenehm und schön, da ich beschloß, es so zu gestalten. Ich hatte ja nie feindselige Gefühle gegenüber meiner Familie, bis auf ihre politischen Betätigungen und wegen einiger ihrer Gangster-Freunde. «56 Bei aller Schärfe mancher ihrer Urteile hatte sie ein großes Herz und konnte großzügig sein. Der sechsjährige Gottfried erlebte seine Tante als eine herzliche Person, exotisch gekleidet und burschikos auftretend. Sie erzählte ihm gleich von den Indianern und gewann damit sein Herz : » Sie war die Einzige in der Familie, die mich nach meinen Interessen fragte und wie einen Jungen meines Alters behandelte. « Sein Vater verbot ihm jedoch den weiteren Kontakt zu ihr.57 Ohne die Neffen und Nichten war sie traurig : » Ich bin arbeitslos, was meinen Job als Tante betrifft – keine Kinder da – und ich sitze in der Loge ohne zwei Kinder im Arm und ohne mit vier von ihnen im Bett zu liegen, oder in der Badewanne mit mindestens zwei Kindern – so ist mein Leben recht einsam. Leider wird man viel zu schnell verwöhnt von so viel Liebe und Bewunderung einschließlich dem ganzen drücken, umarmen und küssen, und ich vermisse das sehr. «58 Sie war für die Kinder eine echte Tante, die zuhören konnte, stets eine Geschichte bereithielt und mit ihnen spaßte. » Die am meisten von der Familie Geschädigte hatte den positivsten Familiensinn. Und die keine Kinder hatte, war für die Kinder und Kindeskinder der anderen unermüdlich einsatzbereit, phantasievoll, lustig und unkonventionell – wie eben ein echtes Original von Tante, die › anders ‹ war als die landläufigen Erwachsenen «59, schreibt ihre Nichte. Vielleicht erinnerte sich Friedelind dabei an die kinderlosen Tanten Daniela und Eva, die sie selbst so oft in Schutz genommen, beschenkt und beeinflusst hatten. In Bayreuth konnte sie den Tristan, den Ring und den Par1950 bis 1955

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sifal in Inszenierungen von Wieland sowie Wolfgangs Lohengrin mit der großartigen Astrid Varnay als Ortrud sehen. Ramón Vinay, der den Parsifal sang, kannte sie ebenso wie Varnay und Eleanor Steber, die die Elsa verkörperte, schon aus New York – wie ihr auch zahlreiche andere Künstler und Künstlerinnen bereits vertraut waren. Als Besucherin zahlloser Inszenierungen in den USA und Europa erkannte sie das Potenzial vor allem in Wielands Entwürfen, und ihre spontane Begeisterung für die Neuerungen war wahrhaftig. Für Wieland waren die Menschen auf der Bühne als Mittelpunkt der Handlung wichtig, weniger die Bühnenbilder, die somit an Bedeutung verloren. Kein historisch ausgeschmücktes Bühnenbild war zu sehen, sondern ein Bühnenraum mit abstrahierten Grundformen. Farbe und Licht taten ein Weiteres. » Bayreuth war eine wunderbare Überraschung. Die Aufführungen sind großartig und ich bin absolut für den › neuen Stil ‹. Man muss es gesehen haben, um es zu glauben, denn die Farben sind entscheidend und ein schwarz-weiß-Foto kann das überhaupt nicht vermitteln. «60 Ihre Skepsis wegen der Neueröffnung, die erlittene Ausgrenzung durch die Brüder war wie weggewischt. Es fiel ihr nicht schwer, herausragende Leistungen neidlos anzuerkennen, selbst wenn sie frühere Urteile revidieren musste, und der internationale Erfolg freute sie. Unangenehme Fragen zur Vergangenheit ersparte sie sich. Vielleicht ahnte sie, dass es keinen Sinn hatte, Verdrängtes mit Gewalt ans Licht zu holen, vielleicht wollte sie sich einfach nur über das Wiedersehen freuen. Wieland war sich ohnehin keiner Schuld bewusst, wie so viele andere Künstler und Künstlerinnen, die im Dritten Reich komponiert, musiziert oder Regie geführt hatten, ähnlich wie Orff, Egk, Karajan, Krauss und weitere, die » glaubten, dass sie und ihre Kunst Opfer der Nazi-Unterdrückung gewesen waren und ihre Integrität [betonten], die sie während der dunklen Jahre angeblich be304

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wahrt hatten «.61 In einem Interview mit der Abendzeitung wehrte sie sich gegen jede Kollektivverurteilung der Deutschen. Und sie lobte auch hier die Inszenierungen, die sie in Bayreuth gesehen hatte : » Man kann, meine ich, danach kaum noch einen anderen Wagner vertragen. Um sie aber an einem Theater nachzuahmen, muss man eben so begabt sein wie Wieland. Für Wolfgang freut mich der Lohengrin-Erfolg … Ich war ganz überrascht, als ich dieses distinguierte FestspielPublikum plötzlich in lauten Jubel ausbrechen sah. «62 Sie konnte also auch anders, als nur beißende Kritik von sich zu geben. Neben dem ehrlichen Lob zeigte sie sogar Taktgefühl : Sie kritisierte nicht Wolfgangs Inszenierung, sondern lobte das Publikum. Am 24. August zogen Mutter und Tochter mit dem Auto los, um in der Schweiz und Italien Besuche zu machen – ein mutiger Versuch der beiden Frauen, ihre kriselnde Beziehung zu kitten. Sie besuchten Tribschen und erlebten ein Furtwängler-Konzert. » Fu « versprach Winifred, im kommenden Jahr in Bayreuth zu dirigieren. Von Luzern begaben sie sich über den Gotthard nach Pallanza am Lago Maggiore, wo Toscanini wohnte. Friedelind wollte mit der Mutter den Maestro besuchen ; er hatte trotz aller Naziverfehlungen meist positiv von Winifred gesprochen. Dort wurden sie jedoch abgewiesen – Toscaninis Tochter Wanda weigerte sich, sie zu empfangen, allerdings nicht Winifreds wegen : Sie hatte Friedelind nie verziehen, dass sich diese in ihren Vater verliebt hatte.63 Wenn Friedelind auch später diesen Affront seitens der Tochter herunterspielte, muss er sie doch tief getroffen haben, denn der Dirigent gehörte zu den wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Während Winifred noch ein paar Tage bei der Familie Wille in Mariafeld verbrachte, blieb Friedelind im Haus in Tribschen, was Winifred in der ihr eigenen Art kommentierte : » Sie genoß lauter komische Emigrantenfreunde, die zur Zeit dort 1950 bis 1955

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waren. «64 Von München aus flog Friedelind zu den Berliner Festwochen, da sie einen Auftrag aus den USA hatte, darüber zu berichten. Dort staunte sie über die Unterschiede zwischen Ost und West, sah Frida Leider zum ersten Mal seit Jahren wieder und freute sich, dass diese und ihr Mann je eine Professur in Berlin innehatten. Sie ignorierte Tietjen und lief an ihm vorbei – das Verhältnis war ein für alle Mal zerstört. Immer begierig, Neues kennenzulernen, hörte sie Werke von Paul Hindemith und Karl Amadeus Hartmann. Wieder in München, erlebte sie eine Aufführung der Götterdämmerung unter Knappertsbusch, die sie zutiefst beeindruckte. » Mir war zum Heulen zumute beim Gedanken, dass meine Brüder einen solchen Mann gehen ließen. Große Dirigierleistung, Vornehmheit, Schwung, Gefühl, Größe, Feuer, Empfindsamkeit. «65 Anschließend besuchte sie in Cornwall das Ehepaar Ernest und Vera Newman, das mit Staunen registrierte, wie hübsch sie geworden war.66 Newman, der bekannte Musikkritiker der Sunday Times, galt seit seiner vierbändigen Wagner-Biografie als ausgewiesener Wagner-Experte und hatte Wielands Inszenierungen anlässlich der Wiedereröffnung der Festspiele überschwänglich gelobt. Ende Januar 1954 ging es nach einem sechsmonatigen Aufenthalt in England wieder zurück nach New York. Sie erlebte dort eines der letzten Konzerte Toscaninis, der spürte, dass sein Gedächtnis nachließ, und somit ahnte, dass sein Rücktritt bevorstand, was ihn zutiefst deprimierte. Sein Temperament hatte ihn allerdings nicht verlassen, und Friedelind wurde Zeugin, wie er während einer Probe vor Wut die schwere Partitur ergriff und sie so heftig wegschleuderte, dass sie in der zehnten Reihe des Parketts landete.67 Friedelind verbrachte Weihnachten in Wahnfried und war Silvester zu Verena gereist. Dazu Winifred : » Die Maus hat die ganze Zeit noch bei der Nickel in Nussdorf gehockt … Nach all den langen Jahren gefällt ihr doch die Familie und das Familienleben ausnehmend gut ! … Sie ist noch immer ein Pro306

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blem für uns – da sie irgendwie gerne mit ihren Brüdern an der Organisation der Festspiele arbeiten würde – aber andererseits hat sie das ja nie gelernt, und dann ist sie so amerikanisch geworden : die Medien, die Medien sind ihr Gebet bei Tag und Nacht und wir hassen die störende Presse. … Sie hat ihr Buch niemals erwähnt und ich tat es auch nicht ! ! ! ! ! «68 Es fiel Winifred nicht leicht, ihre Entmachtung zu verarbeiten. Sie saß im Winter in Oberwarmensteinach, strickte Pullover, stellte Lampenschirme her und schrieb Briefe, darunter auch an Mausi, die dabei erfuhr, dass die Mutter noch immer Kontakt zu ihrem früheren Lebensgefährten pflegte : » Meine paar Tage Mailand waren eine schöne Abwechselung für mich und da Tietjen mir die Fahrt und den Aufenthalt zahlte, habe ich auch keine Gewissensbisse ! « Er hatte sie in seinem Auto mitgenommen und mit ihr Bellagio und den Comer See besucht.69 Ende Mai 1954 zogen die Amerikaner aus dem sogenannten Siegfried-Haus links vom Wahnfriedgebäude aus ; es fiel an Winifred zurück, und drei Wochen darauf zog sie dort ein. Im Laufe der Zeit hatte sich zwischen den Brüdern eine Feindseligkeit entwickelt, die sich aus der Konkurrenz speiste. Wieland hatte nur Verachtung für Wolfgangs Aufführungen, die ab 1953 stattfanden, und Wolfgang machte sich lustig über Wielands angeblich geniale Regieeinfälle. Nach außen hin klappte die Zusammenarbeit recht gut : Wieland war für die künstlerische, Wolfgang für die organisatorische Leitung verantwortlich. Aber Wolfgang hatte sich dem älteren Bruder unterzuordnen. So gab es zwei Parteien im Festspielhaus, die sich gegenseitig befehdeten.70 Einigkeit herrschte zwischen den beiden Brüdern allerdings weiterhin darüber, dass Friedelind möglichst keinen Zugang bekommen sollte. Verena und ihr Mann hingegen überlegten hin und her, wie man Friedelind in Bayreuth stärker einbinden könnte. Es ging um eine finanzielle Unterstützung für sie, die weiterhin in New York 1950 bis 1955

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mit großen Geldproblemen zu kämpfen hatte. Als Friedelind anbot, gegen ein festes Honorar in den USA für Bayreuth zu werben, hielten die Brüder dies zunächst für sinnlos, da der Prozentsatz der amerikanischen Besucher ohnehin gering und die Werbung über Reisebüros günstiger war. Auf Verenas und Bodos Einwand hin, man müsse Mausi für den Aufbau einer Existenz die Basis schaffen, kamen weitere Bedenken auf. » Ein ziemlich unmotivierter, heftiger Aus- und Aufbruch von Wolf machte diesem Gespräch ein Ende «, schrieb Verena.71 Diese mangelnde Hilfsbereitschaft ist umso unverständlicher, als Wolfgang 1952 einen vertraulichen Brief an den Bayreuther Landrat gerichtet hatte mit der Bitte, » durch persönliches Werben und Wirken uns helfen zu wollen «, weil so viele Karten aus dem Ausland zurückkamen und sie Lücken im Zuschauerraum befürchteten.72 Friedelind wollte aber teilhaben – wenn nicht an den Inszenierungen oder an den künstlerischen Entscheidungen, die ihr verwehrt waren, so doch am finanziellen Gewinn. Und sie glaubte fest daran, aufgrund ihrer guten Kontakte in den USA Festspielbesucher rekrutieren zu können. Wieder gab es Ärger mit der Familie, weil sie 1954 der Presse gegenüber die Neuveröffentlichung eines Bildnisses von Wagner angekündigt hatte, das aber bereits ein Jahr zuvor in der Wagner-Biografie von Zdenko von Kraft abgebildet war, was sie nicht wusste. Es handelte sich um die zweite Zeichnung, die Paul von Joukowsky einen Tag vor Wagners Tod gemacht hatte ; die erste Zeichnung war schon überall veröffentlicht worden. Während ihres vorjährigen Aufenthalts in Bayreuth hatte Friedelind bei der Durchsicht von Familienpapieren die Skizze im » Roten Notizbuch « ihrer Großmutter Cosima gefunden, die dort ihre Termine notiert hatte. Ohne ihre Mutter wegen des Copyrights zu fragen, ließ sie den Musikjournalisten Howard Taubman für die New York Times » eine › story ‹ um das Bild herum « schreiben und blieb dabei, dass die Veröffent308

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lichung ein für Bayreuth wichtiger » Sensationserfolg « sei.73 Mit den Rechten an dem Bild nahm sie es nicht so genau, und auch die wissenschaftliche Wahrheit war ihr nebensächlich : Es ging ihr um den Werbeeffekt. Die Familie war darüber freilich ungehalten. Das Bayerische Tagblatt spottete : » Schade, schade ! Im Lebens-Atlas Richard Wagners gibt es keinen weißen Fleck mehr, den ein Entdecker bereinigen könnte, er müßte ihn denn heimlich hineinklecksen. «74 Friedelind konnte nicht ahnen, dass die Festspiele inzwischen auf festen Füßen standen, die Besucher sich um die Karten rissen und Werbung eigentlich überflüssig war. Sie bemühte sich weiter redlich um Kontakte, suchte zum Beispiel das Fernsehprogramm der Ford Foundation auf, um sich zu erkundigen, ob man an Aufnahmen aus Bayreuth interessiert sei. Auch die Schallplattenfirma London Records ( Decca ) wurde besucht, um deren Werbung für ihre neue LohengrinAufnahme möglicherweise mit einer Werbung für Bayreuth zu verbinden. Sie ließ Broschüren in Reisebüros verteilen, empfahl ihnen, selbst Reklame zu machen, und sie schlug vor, dass man in Bayreuth jemanden einstelle, der die Kartenbestellungen für das darauffolgende Jahr entgegennehme.75 Die Resonanz war gering, und so erzielte sie ihr mit den Brüdern mühsam ausgehandeltes Honorar für ihre Bemühungen nicht, weshalb sie kaum ihre Mietschulden begleichen konnte. Damit kam auch ihre ursprüngliche Zusage ins Wanken, bei der BBC in London über drei Inszenierungen des Ring des Nibelungen ( in der New Yorker Met, im Londoner Covent Garden und in Bayreuth ) einen Vortrag zu halten, denn sie wartete vergeblich auf die 3000 DM, die ihr von den Brüdern für den Europaflug zugesagt worden waren. Es war im Frühjahr mit Wolfgang vereinbart worden, dass sie anstelle einer nachträglichen Reisekostenerstattung diesmal eine Rundreisefahrkarte für ihren Aufenthalt in Europa bekommen sollte. Wolfgang schrieb ihr, dass er das Geld zurückhalten würde, was sie empörte : » Die 1950 bis 1955

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bodenlose Frechheit etc., na ja, es hat ja keinen Sinn, sich weder zu wundern noch zu ärgern. Ich sitze natürlich inzwischen ohne einen Pfennig da, nachdem ich ja laut Nachricht aus Bayreuth sicher auf die Überweisung rechnen konnte, habe ich mich vollauf in Bayreuther Arbeit gestürzt. «76 Nun saß sie in New York fest, denn sie hatte viele Schulden angehäuft, die sie erst begleichen musste, ehe sie neues Geld aufnehmen konnte. Lady Crosfield fragte aus England verwundert nach, warum Friedelind nicht erschienen sei und sich auch nicht abgemeldet habe, woraufhin diese ihr antwortete, dass sie der Rundfunkanstalt weder die Wahrheit erzählen noch lügen wollte. » Es gibt noch einen Grund : meine Familie hat eine Phobie, was das Erscheinen meines Namens in den Medien betrifft. Sie wollen, dass ich als anonymer Astralleib für sie arbeite. « Sie ließ durchblicken, dass sie ihrerseits ihrer Familie mit der Absage eine Lektion erteilen wollte.77 Dass sie glaubte, ihre Brüder und ihre Mutter damit ärgern zu können, zeigt, wie sehr sie sich inzwischen von der Wirklichkeit Bayreuths entfernt hatte. Der wahre Grund für Wolfgangs Weigerung, ihr den Flug zu genehmigen, lag in der Schmuckaffäre, die schon länger schwelte, nun aber an Sprengkraft zugenommen hatte. Die Baronin Gerta von Einem pochte auf die Rückgabe ihres Schmucks und kündigte ein Gerichtsverfahren an. Schon 1950 hatte Wieland der Schwester geschrieben, dass Gottfried Aufklärung über den Verbleib des Schmucks seiner Mutter beziehungsweise des Geldes erwarte. Sollte sie sich nicht melden, wäre von Einem gezwungen, Schritte zur Herausgabe seiner Wertgegenstände einzuleiten.78 Es ging um den Schmuck, den der Komponist und Jugendfreund Friedelinds ihr 1940 in Tribschen anvertraut hatte und den sie nach Kriegsende zurückgeben sollte. In England waren die Gegenstände amtlich versiegelt und ihr bei ihrer Ausreise nach Buenos Aires ausgehändigt worden. In New York war sie dann genötigt gewesen, den 310

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Schmuck beleihen zu lassen, und ihre Briefe aus dieser Zeit spiegeln ihre Not wider, die Zinsen für die beliehenen Preziosen zu bezahlen. Man gab ihr im Leihhaus 1700 Dollar, also 25 Prozent des geschätzten Werts, und verlangte dafür 5 Prozent Zinsen. Diese aufzubringen schaffte sie nicht, und ihre Hoffnung, durch Vorträge im Juni 1949 die Zinsen bezahlen zu können, war vergebens. Deshalb bat sie einen Freund einzuspringen, damit der Schmuck nicht verloren gehe. Sie müsse jetzt unbedingt verreisen, um mit einem Sponsor ihrer Tristan-Tournee zu sprechen. » Ich bin am Punkt, wo es nur einen sanften Schubs eines einzelnen Menschen braucht. « Sie wollte nicht die Juwelen für 300 Dollar wegwerfen, da sie doch viel mehr wert seien, zwischen 6000 und 8000 Dollar. » Die kleinste Summe, um mich zu erhalten, wäre von der größten Wichtigkeit ( oh Tristan – Du Sorgenkind ! ) Ich könnte meinen Kopf über Wasser halten bis alles arrangiert ist, wenn Du diesem Deal zustimmen könntest. «79 Ihre Bitte wurde erhört, und der Schmuck war für ein weiteres Jahr gesichert. Schließlich zwang sie die Geldnot aber, ihn doch zu verkaufen. Sie besaß noch eine beurkundete Kopie der originalen Schätzung aus dem Jahr 1941, wonach die Gesamtsumme 422 Britische Pfund ( nach heutiger Berechnung etwa 13 000 Euro ) betrug.80 Nach dem Krieg benutzte sie » jeden Pfennig, den ich auftreiben konnte, meine Familie zu ernähren und Bayreuth zu retten. Sodass ich die Zahlungen verfehlen musste und der Schmuck dann amtlich verauktioniert wurde. «81 Auf Anfrage von Gottfried von Einem hatte Friedelind ihm schriftlich die Abzahlung von 4500 Dollar zugesichert. Sie meldete sich dann aber nicht mehr, sodass die Baronin nun eine Klage anstrengte. Ausgerechnet am Heiligen Abend 1953 flatterte Friedelind die Klageschrift ins Haus. Die Baronin Gerta von Einem hatte ein zwielichtiges Leben geführt. Die Gestapo hatte sie 1938 wegen Verdachts der Spionage verhaftet, sie war aber dann wegen schwerer Devisenver1950 bis 1955

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gehen verurteilt worden. 1940 hatte ein französisches Militärgericht sie in Abwesenheit wegen Bestechung und Spionage zum Tode verurteilt. 1946 schließlich war sie in Frankreich verhaftet worden, wo sie zwei Jahre in einem Gefangenenlager verbrachte, ehe man ihr den Prozess machte, der überraschend mit einem Freispruch endete.82 Es wurde nie geklärt, für wen und was sie eigentlich spioniert hatte. Sie knüpfte Kontakte zu vielen prominenten Menschen, so zu Musikern wie Wilhelm Furtwängler und Bruno Walter oder zu Politikern wie Winston Churchill. Auch Nazigrößen gehörten zu dem Kreis ihrer Bekannten und Freunde. Nach dem Krieg tauchte sie in Bayreuth auf und half Wolfgang Wagner, Spenden einzuwerben, wobei sie ihre Verbindungen zur wieder aufstrebenden wirtschaftlichen Elite nutzte. Wolfgang bat sie, ihre Kontakte zum Bund zu verwenden, um trotz der Kulturhoheit der Länder eine Spende zu erwirken. Auch bei der Wirtschaft sollte sie um Annoncen in den Programmheften werben. Es gelang ihr, dringend benötigte Beleuchtungsapparate zu beschaffen, und 1953 gab es noch einmal eine Sonderzuweisung, womit er alle Verbindlichkeiten bei den Banken abdecken konnte.83 Die Folge war, dass Wolfgang eher mit ihrer Seite sympathisierte als mit Friedelind. Das Zeitungsfeuilleton schreckte die Kulturwelt mit Überschriften auf, die ein trübes Licht auf Friedelind warfen : » Prozess um verpfändeten Familienschmuck « – » Klage gegen Enkelin Richard Wagners « – » Fremden Schmuck versetzt « – » Schmuck im Werte von 300 000 DM für 5000 Dollar versetzt « – » Zwei zähe Prozessgegnerinnen – Die Schmuckaffäre von Friedelind Wagner « – » Kummer in Bayreuth «. Vom Bamberger Volksblatt bis hin zur Alfelder Zeitung und anderen Blättern wurde das Thema begierig aufgegriffen. Die Hintergründe der von der Presse als » Skandal « bezeichneten Affäre wurden in allen Einzelheiten ausgebreitet. Im März 1954 kam es zur Anerkennung der von der Angeklagten zu zahlenden 312

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Summe von 5000 Dollar und 80 Pfund plus Zinsen ab April 1954.84 Friedelind akzeptierte die Forderung. Es gab dann noch ein Nachspiel, weil der Anwalt der Baronin, Dr. Karl von Raser, plötzlich behauptete, dass Friedelind in Bayreuth Vermögen besitze, und zwar aus dem Nachlass von Eva Chamberlain. Da diese aber ihr Testament abgeändert und Verena das meiste geerbt hatte ( was diese Friedelind später zurückgab ), konnte die Baronin mit diesem Einwand nicht punkten. Wolfgang wollte von Friedelind nun die Zusage, dass sie im Sommer nicht bei den Festspielen erscheinen würde. » Der Schmuck wurde zu einer › Waffe ‹ meiner Brüder gegen Friedelinds eventuelle Ansprüche auf Bayreuth «, schreibt Verena Lafferentz.85 In der Tat konnte das negative Bild Friedelinds in der Presse den Brüdern nur dienlich sein. Die mangelnde Solidarität ihres Bruders verletzte Friedelind am meisten. Sie wurde den – sicherlich berechtigten – Verdacht nicht los, » dass Wolf und die Einem unter einer Decke stecken «86, und schrieb ihrer Vertrauten Frida Leider : » Die Familie spielt eine recht traurige Rolle – außer Nickel und Mann, die von vornherein kein Wort glaubten – aber meinen Brüdern und meiner Mutter kam es als gefundenes Fressen, um mich von Bayreuth auszuschalten – und die alte Schachtel hätte es nie gewagt, zu prozessieren, wenn sie nicht vollauf, zumindest von Wolf, unterstützt und ermutigt worden wäre. … Natürlich liegt es nur an ihm und in seiner Hand, die Einem-Sache anständig zu regeln. « Vorerst kam sie nicht an die nötigen Unterlagen heran, denn da sie ihre Mietschulden nicht begleichen konnte, hatte das Hotel Ansonia, wo sie wohnte, ihr Gepäck beschlagnahmt, in dem sich die Papiere befanden. Als sie die Unterlagen endlich in Händen hatte und nach Bayreuth mitbrachte, » war peinliche Stille innerhalb der Familie – sie hatten sich darauf verlassen, dass ich nie etwas beweisen könnte. Gottlob habe ich immer jeden Fetzen Papier aufgehoben, was sich als ein Glück erweist. «87 1950 bis 1955

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Sie dachte nicht daran, der Bitte Wolfgangs zu folgen und 1954 Bayreuth fernzubleiben. Als sie zum Festspielbesuch in Nürnberg ankam, stand zwar ein VW-Bus für sie bereit, der Chauffeur übergab ihr aber einen Brief von Wolfgang, der ankündigte, nichts mehr mit ihr zu tun haben zu wollen. Sie habe seinem Verbot, Bayreuth zu betreten, nicht Folge geleistet und dürfe ihn nicht durch ihre Gegenwart » bei offiziellen Empfängen komprimittieren «.88 Friedelind versteckte wie gewöhnlich ihre Verletztheit und reagierte mit Widerstand : Nach zwei Tagen und Nächten bei der Mutter zog sie ins Hotel Post, wo ihr Schwager Bodo ein Zimmer für kurzfristig auftauchende Besucher gemietet hatte und sie umsonst wohnen konnte. » In Anbetracht aller Häuser, die wir besitzen, ist es etwas seltsam, heimatlos zu sein. «89 Vorher machte sie im Auto von Max Lorenz einen Abstecher nach Salzburg und hörte einen » bodenlosen « Freischütz : » Furtwängler noch langsamer und Rennert hat sich völlig verhauen mit einer › romantischen ‹ Inszenierung. «90 Wolfgang ließ seine Verbindungen spielen und warnte anscheinend verschiedene Menschen, denn sie wurde zu keiner Einladung gebeten, » und die Leute, die mich einen Tag noch freundlich begrüssen, werden sofort › instruiert ‹ und kennen mich dann am nächsten Tag nicht mehr. … Ich laufe natürlich durch all diese Intrigen mit strahlendem Lächeln hindurch, als wüsste ich von nichts – jeden Tag eine neue, schöne Toilette, was auch wieder Gift produziert ! – nur innerhalb der Familie schimpfe ich wild auf Alles – das muss man  tun, das habe ich von Bodo gelernt, sonst kapieren sie es  nicht – sie missverstehen jede Freundlichkeit als Schwäche.  In all dem Luxus laufe ich ohne einen Pfennig Geld herum, ein wirklich reizender Zustand. « Vorläufig konnte sie die Rechnungen im Festspielrestaurant einfach abzeichnen, aber sie erwartete täglich, dass Wolfgang dies entdecken und umgehend stoppen würde.91 314

Friedelind kehrt zurück

Wie hielt sie dieser Ablehnung nicht nur Wolfgangs, sondern auch der von ihm manipulierten Freunde und Bekannten stand ? Sie hatte eine kleine Gruppe von Menschen, die ihr treu waren. Dazu gehörte ihre Schwester mit Ehemann Bodo, die überlegten, den Festspielen aus Protest fernzubleiben, ebenso wie Jeanette Simon ( die geheiratet hatte und jetzt Eisex hieß ), die wie stets zu ihr hielt. Jeanette fand, die beiden Brüder würden sich wie » kleine Hitlers « benehmen : » Mausi, vergiß aber nicht, dass Du auch leben, nicht nur existieren musst … und dass Du ja schließlich noch nicht das Gelübde der völligen Armut abgelegt hast. «92 Friedelinds ein Jahr später gegen das Schmuckurteil von 1954 eingelegte Berufung brachte ihr nichts, da sie nicht vor Gericht erschien. Ihr Anwalt legte sein Mandat nieder und begründete das vor dem Gericht damit, dass Friedelind die Berufungsverhandlung » großspurig angekündigt, sich dann aber um den Rechtsstreit nicht im geringsten mehr gekümmert und auf kein Schreiben eine Antwort erteilt habe «.93 Sie ignorierte die Post, die sie in New York erhielt, weil sie sich mit derlei unangenehmen Dingen nicht befassen wollte. Drei Jahre nach Beginn des juristischen Streits wurde er im März 1957 beigelegt. Da sie ihre Schulden nicht begleichen konnte, übernahmen Wolfgang und Wieland die Summe, die von ihrem späteren Erbe abzuziehen war.

1950 bis 1955

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12 Die Meisterklassen formieren sich 1956 bis 1960

Jetzt, da die Festspiele trotz aller Unkenrufe von Friedelinds Seite eröffnet waren und seit 1951 erfolgreich liefen, wollte sie dabei sein. Als ob sie sich ihre Standfestigkeit selbst beweisen wollte, blieb sie drei Jahre lang in Europa. Sie hielt sich in England, Frankreich, in der DDR und den Niederlanden auf und besuchte in dieser Zeit mehr als 300 Opernaufführungen sowie zahllose Proben, ehe sie im November 1957 wieder in die USA flog. Selbst die unternehmungslustige Winifred war zuweilen erschöpft, wenn die Tochter wieder einmal in Bayreuth erschien : » Maus kommt öfter als mir lieb ist ! – Aber sie meint’s halt gut ! «1 Zu den Festspielen fuhr sie nun regelmäßig und verdiente sich ihren Unterhalt durch journalistische Berichte und Aufsätze, meist über die Aufführungen. Der Musikjournalist Irving Kolodin erhielt lange Briefe mit Berichten von europäischen Opernhäusern, und sie flirtete nebenher mit ihm. So bedauerte sie, dass sie ihren » Jahreskuss « nicht abholen könne, und kündigte an, Zinsen darauf zu sammeln.2 Ab 1955 bewohnte sie das von ihr » Haus Wahnfriedelind « getaufte Gärtnerhaus neben Wahnfried, das über vier kleine Zimmer und eine Notküche verfügte, lud diverse Freunde ein, und weil sie danach oft bis morgens um drei Uhr abwaschen 316

musste, prägte sie den Begriff » Festspülhaus «. Einmal verirrten sich nachts männliche Besucher in ihr Schlafzimmer, was mit viel Gelächter quittiert wurde. 1955 kam die gefeierte französische Publizistin Geneviève Tabouis nach Bayreuth, die im Zweiten Weltkrieg oft politische Ereignisse richtig vorausgesagt hatte ( ihre 1942 veröffentlichten, englischsprachigen Memoiren tragen denn auch den Titel They called me Cassandra ). » Ihre sanfte, aber durchdringende Stimme wird niemals müde, Frankreich, Europa und die Welt mit einem unerschöpflichen Vorrat an Argumenten und Beispielen vor dem Unglück, welches die totalitären Staaten vorbereiten, zu warnen «, lobten Erika und Klaus Mann die Französin 1939.3 Friedelind kannte sie von ihren Büchern her, und die beiden freundeten sich an. Weihnachten verbrachte sie bei Verena und Bodo am Bodensee und putzte dort zahlreiche Kindernasen, las Märchen vor, montierte Rollschuhe und badete Babys. Als Verena eine Gans und eine Ente füllte, meinte Friedelind, sie sei eine gut trainierte jiddische Hausfrau, und » wir New Yorker Juden nennen dies die Stuffed Derma «.4 Sie brauchte einige Schnäpse, um das gute Essen zu verdauen, und ihre Taille war nun keine mehr. Daher baute sie auf das Leben hinter dem Eisernen Vorhang, wohin sie besuchsweise reisen wollte, um abzunehmen. Im darauffolgenden Sommer war sie wieder in Bayreuth. Als der Wagner-Autor Robert Gutman dort in Bücherläden stöberte, wurde er von einem Antiquar darüber informiert, dass alle deutschen Exemplare des Buchs von Friedelind, Nacht über Bayreuth, » von ein und derselben Quelle « aufgekauft würden. Friedelind nahm das mit Ironie hin : » Da müßte man reineweg den Verleger veranlassen, eine große Auflage zu drucken – der Verkauf scheint ein gesichertes Geschäft ! «5 Etwa 100 Rundfunkanstalten aus allen Erdteilen übertrugen die Aufführungen, die Festspiele waren als gesellschaftlich-kulturelles Ereignis wieder fest etabliert. Dort erlebte sie schrille 1956 bis 1960

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Proteste und Buhrufe nach Wielands Inszenierung der Meistersinger, die wegen der fehlenden Alt-Nürnberger Kulissen von eher konservativ eingestellten Besuchern und Presseorganen verdammt wurde. Wie er selbst sagte, habe er die Figur des Hans Sachs » entsentimentalisiert « und » seiner Rolle als einer Art › Reichsstatthalter ‹ entkleidet «.6 Von dem Chef der Freunde von Bayreuth, Moritz Klönne, wurde Wieland darauf hingewiesen, dass diese Oper das deutscheste aller Werke Wagners sei und seine Inszenierung zur Bayreuther Weihestätte nicht passe, und der bayerische Staatssekretär Kurt Eilles erklärte seinen Austritt aus dem Verein mit der Begründung, dass ein » gesunder Altbayer « die Inszenierung » nur als › Krampf ‹ « bezeichnen könne7– was Wieland aber ungerührt ließ. Auch Winifred war entsetzt : Während sich Friedelind für innovative Konzepte und um die Vorantreibung künstlerischer Techniken und Ausdruckswege in der Opernkultur einsetzte, vermochte ihre Mutter nicht, Wieland künstlerisch zu folgen : » Über die Meistersinger fehlen mir die Worte, um meine Empörung über Wielands Blasphemien Ausdruck zu geben – alles und alle sind verzeichnet und verzerrt – das Evchen eine Nutte – wie im Leben so auf der Bühne. Sachs fällt gar nicht auf – die Meister benehmen sich wie ein Kegelclub im 1. Akt – die Lehrbuben wie Halbstarke aus Chicago – Stolzing sieht wie ein Mephisto aus – tritt in voller lächerlicher heruntergekommener Rüstung auf und behält dieses Kostüm bis zum Schluß – die Einheitsbühne – ein mit einer doppeletagigen Balustrade umgebenes Bretterbodenrund – eignet sich in keiner Weise für die Szenerie – alles ist aufs Derbste vergröbert und parodiert … die Festwiese eine gemeine, sinnlose, schlechte Hollywoodshow – der Schluß total daneben – keine Sachsapotheose – da kann Wieland noch so großartige Erklärungen für seine Parodie auf die › Spießer ‹ abgeben – es ist von A bis Z schauderhaft und ich werde nie mehr eine dieser Vorstellungen besuchen. Das Schlimme ist, dass die Jugend, die 318

Die Meisterklassen formieren sich

Wagner nicht kennt, begeistert von dieser Verzerrung ist – die die Musik einfach totschlägt. «8 Die Vermietung des Festspielhauses an die Brüder reichte diesen inzwischen nicht mehr aus. 1956 wurden neue Verträge ausgehandelt, worüber sich Friedelind beschwerte : » Zuerst wurde der Nickel und mir die Pistole auf die Brust gesetzt, wir  müßten unser Recht am Festspielhaus wegzeichnen. Du kannst Dir vorstellen, was für eine Wut uns da gepackt hat und wie wir natürlich dagegen angingen. Inzwischen versuchen sie es mit demselben Spiel, nur mit geändertem Wortlaut und glauben, wir fallen darauf rein. Aber es ist ein dauerndes Laufen zu Rechtsberatern und Gerichten, um alte Akten auszugraben etc. – und dazu die Scheißwut auf all diese Zumutungen und Dinge, die damit zusammenhängen. «9 Der Grund hierfür lag in dem Bestreben der Festspielleiter, das Eigentum von der Durchführung der Veranstaltungen zu trennen. Das entzog dem Familienrat den Zugriff auf die Festspiele. Während die Liegenschaften und das wertvolle Archiv weiterhin der gesamten Familie gehörten, wurde die Durchführung der Festspiele von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts übernommen, mit beiden Brüdern an der Spitze.10 Winifred bestand darauf, dass Wieland und Wolfgang die gleichen Rechte erhielten, um von vornherein ernste Streitereien zu vermeiden. Verena und Friedelind hatten wie bisher nichts zu melden. So mussten die Schwestern zusehen, wie Wieland und Wolfgang sich weiterhin ungestört künstlerisch fortbildeten, indem sie endlos lange proben konnten, Lichtexperimente veranstalteten, Mitarbeiter für Bühnenbild, Kostüm und Maske sowie Künstler nach eigenem Gusto verpflichteten und verwaltungstechnische und organisatorische Maßnahmen beschlossen. Friedelind blieb dadurch im Vergleich zu den Brüdern an Erfahrung zurück, denn sie hatte zwar Hunderte von WagnerAufführungen gesehen und kannte alle Vorgänge, die sich vor und hinter der Bühne abspielten, aber sie hatte kaum selbst 1956 bis 1960

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Regie geführt. Selbst Wielands Ehefrau Gertrud, die als Tänzerin für die Choreografien mitwirkte, durfte kreativ agieren. Sie sollte sich zwar später darüber ärgern, dass sie nie darauf gedrungen hatte, in den Programmheften namentlich erwähnt zu werden, aber sie konnte wenigstens bis zum Tod ihres Mannes künstlerisch tätig sein. Friedelind bekam nie das Angebot, eine Oper in Bayreuth zu inszenieren ; in kluger Voraussicht hat sie auch nie darauf gedrungen, denn man hätte es ihr wohl nie gestattet. Da sie sich auf einen längeren Aufenthalt in Europa eingestellt hatte, beschloss Friedelind 1956, endlich auch » die Ostzone «, wie man die DDR damals nannte, zu bereisen. Sie wollte möglichst viele Opernhäuser sowie Konzertsäle und Theater kennenlernen und Artikel darüber an US-Zeitschriften verkaufen. In einem Mammut-Besuchsreigen besuchte sie etwa 70 Opern-, Theater- und Konzertaufführungen in Ostberlin, Karl-Marx-Stadt, Weimar, Erfurt, Leipzig, Dresden, Halle und Dessau. Es erstaunt, wie es ihr gelang, mit geringen finanziellen Mitteln die von gesetzlichen Bestimmungen überzogene DDR zu » erobern « und sich überall Zugang zu ermöglichen. Dabei setzte sie freilich ihre physiognomische Ähnlichkeit mit Richard Wagner sowie ihre Kontakte zu den Medien ein. Sie traf viele der dort führenden Künstler und hielt sich an der Leipziger Universität, im Weimarer Liszt-Konservatorium und in der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Halle auf, die bestimmend für die besondere Qualität des Kunsthandwerks in der DDR war. Die Wartburg in Eisenach, wo Wagner die Handlung des Tannhäuser ansiedelte, wurde erklommen, und sie besichtigte die von der Sowjetunion beschlagnahmten Gemälde im Dresdener Zwinger wenige Tage, nachdem sie zurückgegeben worden waren. Sie besuchte einen Gottesdienst zum Reformationstag in der Leipziger Thomaskirche, und die Stadt gefiel ihr so sehr, dass sie sich vornahm, im Herbst 1960 die Eröffnung des Leipziger Opernhauses mit320

Die Meisterklassen formieren sich

zufeiern, was auch geschah. Die von Kurt Hemmerling gestaltete Bühne mit Drehbühne und versenkbaren Podien zählt noch immer zu den bemerkenswertesten Bühnen Deutschlands. Sie » traf all die kommunistischen Großkopfeten und hatte eine wunderbare Zeit «.11 Berührungsängste kannte sie nicht, und da sich zugleich ihre lang gehegten Pläne für eigene Meisterklassen in Bayreuth verdichteten, wollte sie Hemmerling gerne engagieren und zugleich Besuchsmöglichkeiten für ihre künftigen Zöglinge eruieren. Eine wichtige Begegnung war Joachim Herz, in den Jahren 1953 bis 1957 Assistent von Walter Felsenstein an der Komischen Oper Berlin. Herz hat die spätere Chéreau-Inszenierung des Ring des Nibelungen in Bayreuth, die im Jubiläumsjahr 1976 so viel Aufregung verursachte, 1973 – 76 inhaltlich vorweggenommen, indem er die Tetralogie ins 19. Jahrhundert versetzte, mit allen Problemen der Industrialisierung. Der Kontakt war herzlich, zumal Friedelind neue, kreative Ansätze favorisierte. Da Aufführungen in Leipzig weitgehend unter Klausur blieben, weil Westler sich nicht die Mühe machten hinzufahren, war sie eine Ausnahme, was ihr auch in der DDR Freunde schuf. Es war der Beginn einer langen Freundschaft zu diesem Land und seiner Musikkultur. Ihrem Hang zur Opposition kam es entgegen, dass das Land mit dem Westen verfeindet war, zumal man in der DDR gerne betonte, man habe den Altnazis keine Bleibe geboten und würde sie verfolgen. Ob Friedelind mitbekam, dass beispielsweise die Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Halle, die sie besuchte, gerade Ende der Fünfzigerjahre mit staatlichen Angriffen zu kämpfen hatte, dass zahlreiche Lehrende in die Bundesrepublik auswanderten ? Wohl kaum, denn in ihren Briefen regt sich keine Kritik, höchstens an den trüben Stadtbildern. Als sie Walter Felsensteins Inszenierung von Janáčeks Das Schlaue Füchslein in der Komischen Oper sah, erkannte sie das 1956 bis 1960

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Außerordentliche an dieser Leistung sofort und besuchte mehrere Aufführungen. Die Premiere fand im Mai 1956 statt ; das Stück lief neun Jahre lang. Ihre Begeisterung stieg von Mal zu Mal. Der Regisseur wehrte sich gegen » Interpretationen « von Musikwerken und versuchte etwas, was als » realistisches Musiktheater « bezeichnet wird. Die Handlung, die die Notwendigkeit betont, sich mit der Natur zu versöhnen, wurde in den Proben stets gründlich durchleuchtet und in ihrer Aussagekraft als etwas Reales inszeniert. Felsenstein forderte, die Schauspielerei habe sich genau der Musik anzupassen. Seine ästhetischen Vorstellungen waren denen Wielands in vielem entgegengesetzt, dennoch bewunderte Friedelind das künstlerische Potenzial beider Männer. Rasch war sie auch dort bei den Angestellten bekannt. Mit der Sekretärin der Komischen Oper sprach sie nach ihrer Rückkehr einmal anderthalb Stunden am Telefon und hoffte, » nicht mehr in Bayreuth zu sein, wenn die Rechnung ankommt ! – obwohl sie ja von der Erbschaft abgezogen wird, wie überhaupt Alles ! ! « Zurück in der Bundesrepublik lief ihr hektisches Leben weiter. Sie korrespondierte mit Agenten, Journalisten und Künstlern und schickte, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, Reportagen an diverse Redaktionen. Nachdem sie zum Beispiel im Juni 1956 das Leningrader Orchester mit Oistrach in München gehört hatte, fuhr sie tags darauf nach London, um an einem der berühmten Gartenfeste bei Lady Crosfield, ihrer alten Bekannten aus Vorkriegszeiten, teilzunehmen, und hoffte, darüber eine Reportage für die nach Hofprominenz lechzenden deutschen Zeitungen machen zu können. Sie bewegte sich im Umkreis berühmter Musiker genauso entspannt wie in der britischen Oberschicht. Aber sie erlebte auch  Unangenehmes : Ende Oktober 1957 inszenierten in Düsseldorf die Gesellschaft der Freunde Bayreuths und der Richard-Wagner-Verein einen Boykott ihres Vortrags, » mit Drohungen, anonymen Briefen etc. gegen und an die Veran322

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stalter. Ich fühlte mich sehr geehrt, dass diese alten Nazis mich immer noch hassen. «12 Bei manchen Altwagnerianern galt sie immer noch als » Verräterin «. Ihre Mutter hingegen war 1956 wieder in das Siegfried-Wagner-Haus eingezogen, das sie trotzig als » Führerbau « betitelte ; den Vorbau nannte sie ihr » SSEßzimmer «, das sie » sehr streng im Führerstil « eingerichtet hatte, in Erinnerung an die Zeiten, als Hitler dort Gäste eingeladen hatte.13 Friedelinds Bemühen um ein Honorar für ihre Festspielwerbung in den USA trug endlich Früchte. Der Vertrag verriet Wolfgangs Handschrift und erntete ihre Kritik, weil ihr Honorar im Falle von Misserfolgen von ihrem Erbteil abgerechnet wurde. Das empfand sie als eine » reine Erpressung auf die Zukunft «.14 Bodo und Verena rieten ihr jedoch, endlich zu unterschreiben, da sonst kein Geld fließen würde. Bodo ergriff bei Familienfehden meist die Seite seiner Schwägerin, auch um seine Ehefrau zu schützen, die in Bayreuth genauso wenig zu sagen hatte wie Friedelind. Sie unterzeichnete schließlich einen Vertrag, der besagte, dass sie Spenden und Inseratenaufträge für Bayreuth vermitteln würde, deren Erlös der Erhaltung der Festspiele zugutekommen sollte. Der Vertrag war insofern voller Haken und Ösen, als sie zwar eine monatliche Vergütung von DM 600 erhielt, die aber als Vorschuss auf ein Honorar gedacht waren, das 30 Prozent der eingeworbenen Gelder betragen sollte. Falls es ihr nicht gelinge, Geld einzunehmen, müsse sie die erhaltenen Beträge zurückzahlen, und zwar spätestens bei Eintritt des Nacherbfalles. Zur Sicherung dieser Forderung übergab sie den Brüdern ein Pfandrecht auf ihr späteres Erbe, obwohl bereits die Baronin von Einem wegen der Schmuckaffäre ein Pfändungspfandrecht besaß.15 Wolfgangs sprichwörtliche Bauernschläue hatte wieder einmal obsiegt. Gertrud Wagner betrachtete das Ganze – wohl zu Recht – als » eine Art Abschiebung. Als Wolfgang Wagner dem Bruder im Oktober 1957 den Vertragsentwurf zuschickte, 1956 bis 1960

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nahm er kein Blatt vor den Mund. Das gemeinsame Interesse, schrieb er, gehe ja dahin, Friedelind möglichst bald loszuwerden. › Die Weiber ‹ draußen zu halten, war ein elementarer Bestandteil der Männerherrschaft auf dem Grünen Hügel. «16 Der Zugriff auf ihr späteres Erbe war ein harscher Akt, wenn man bedenkt, wie viele Pakete aus den USA nach Nußdorf und Bayreuth geschickt worden waren und wie sehr sie sich verschuldet hatte, um diese Hilfssendungen zu finanzieren. Wäre es wirklich undenkbar gewesen, sie als Mitarbeiterin mit einem kleinen Grundhonorar einzustellen ? Um für Bayreuth überall in der Welt tätig zu sein, war es wichtig, die Medienvertreter gut zu behandeln. Hier konnte sie ihre Beziehungen einsetzen. Als Erstes kümmerte sie sich um Howard Taubman, der für die New York Times Musikkritiken schrieb. Wieland mochte ihn nicht, weil er in seiner Toscanini-Biografie kritisch über die Qualität des Bayreuther Orchesters geschrieben hatte.17 Da sie um seine Bedeutung für die US-Presse wusste, bemühte sie sich, ihm den Aufenthalt in  Bayreuth trotz mancher seiner Aversionen angenehm zu machen. So bedauerte sie, dass er zur Eröffnungsvorstellung kommen wollte, weil » die wichtigtuerischen Nazis da sein werden «.18 Neben der Medientätigkeit blieb ihr aber genug Zeit, um sich in den Opern- und Konzertbetrieb zu stürzen. Ihr Tagebuch von 1958 zeigt wieder eine hektische Betriebsamkeit. Da finden sich der Besuch von Konzerten unter der Leitung von Leonard Bernstein und Dimitri Mitropoulos mit Emil Gilels und Glenn Gould am Klavier, Essen mit Daniel Barenboim, zahlreiche Treffen mit dem befreundeten Robert ( » Bob « ) Gutman, dem späteren Wagner-Biografen. Sie erlebte Maria Callas als Tosca, Leonie Rysanek als Lady Macbeth. Und so ging es immer weiter. » Wenn Leute Friedelind Wagner treffen, bilden sie sich ein, eine zittrige, mit einem Schal aus Spitze umhängte alte Dame zu sehen oder eine formidable Matriarchin. Die Realität ist 324

Die Meisterklassen formieren sich

eine besonders angenehme Überraschung, denn sie entpuppt sich als lustig und sehr gut aussehend in einem blonden, teutonischen Stil, der gut zu den stromlinienförmigen Produktionen passt, die ihr Bruder Wieland Wagner derzeit in Bayreuth inszeniert «, schrieb die Washington Post am 17. Januar 1958. In ihren Vorträgen gelang es ihr, mit drastischen Formulierungen und witzigen, oft auch provokativ vorgetragenen Thesen das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Nachdem sie in den Vierzigerjahren immer wieder über ihre Erfahrungen mit Hitler hatte sprechen müssen, konnte sie sich jetzt stärker auf Richard Wagner konzentrieren. In den Sechzigerjahren widmete sie sich dem Thema Bayreuth und zeigte mithilfe von Dias, wie sich die Inszenierungen im Nachkriegsdeutschland verändert hatten. Andere Themen waren die Philosophie der Wagner’schen Musikdramen, Opernproduktionen in Europa allgemein und kulturelle Entwicklungen in der DDR, und sie hatte sich auch eingehend mit Fragen der Übertragung von Opern auf den Fernsehschirm befasst. Ihre ruhelose Reisetätigkeit zu den europäischen Opernhäusern machte sich bezahlt, da sie auf einen entsprechenden Wissensfundus zurückgreifen konnte. Dass sie fließend englisch sprach, kam ihr ebenfalls zugute. Sie referierte meist an Universitäten, Colleges, Ober- und Musikhochschulen. Immer witzig und unterhaltsam, bekam sie viel Zuspruch, und die Vorträge bildeten den Grundstock ihrer Einnahmen. Um über Wielands Inszenierungen vertieft referieren zu können, informierte sie sich bei einem Psychoanalytiker, der ihr die Unterschiede zwischen Freud und Jung erklärte und Lektüre empfahl. » Gott sei Dank habe ich jetzt bald einige Vorträge, die gut bezahlt sind, bin am 2. April in der Lincoln University, Delaware, das ist auf dem Weg nach Washington, eine Negeruniversität. Am 22. 3. hier in Whiteplains bei NY und am 8. 4. in einem Nonnenkloster in Washington, jedesmal über Bayreuth mit Dias der Inszenierungen. «19 1956 bis 1960

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In Europa zog es sie immer wieder in die Komische Oper Berlin, da ihre Begeisterung für Felsensteins Regie ungebrochen war. Im Januar 1959 sah sie dort Turandot sowie Hoffmanns Erzählungen, » für die es sich lohnt, über den Atlantik zu schwimmen oder zu gehen «.20 Ein Konzert mit dem ihr noch unbekannten Wolfgang Sawallisch brachte sie ins Grübeln, denn es fiel ihr schwer, von Toscanini zu abstrahieren, aber sie fand es unfair, den jungen Dirigenten an den Leistungen des » Maestro « zu messen. » Aber wie kann man sich davon lösen ? Es scheint in mir eingraviert und ein Teil von mir für immer zu sein. «21 Über München ging es an den Bodensee und von dort nach Zürich, wo sie Otto Klemperer sah und mit ihm und seiner Tochter Lotte speiste. Der Dirigent war als Jude während der NS-Zeit vor den Nazis geflohen und wie sie in die USA emigriert. Seine Ecken und Kanten – Katia Mann fand ihn eine Mischung aus souveräner Exaktheit mit bisweilen verwegenen Extravaganzen22 – störten sie nicht. Er konnte unwirsch bis zur Unhöflichkeit sein. Seit 1954 lebte er nun in der Schweiz. Seine herzkranke Frau wollte nicht mehr mit ihm reisen, sodass Lotte einsprang und ihr ganzes Leben dem Vater weihte.23 Es erschütterte Friedelind zu hören, dass er sich in Zürich beim Rauchen seiner Pfeife im Bett schwere Verbrennungen zugezogen hatte, als dabei seine wollene Bettjacke in Brand geraten war und er für seinen Löschversuch versehentlich nach einer Flasche mit Alkohol gegriffen hatte. Mit ihrer Werbung für die Festspiele war Friedelind nicht sonderlich erfolgreich, und sie schaute sich nach einem neuen Betätigungsfeld um. Im Oktober 1958 wurde ihr Plan, eine Ausbildungsmöglichkeit in Bayreuth zu schaffen, mit den Brüdern besprochen, die ihr gestatteten, kurz vor und während der Festspiele Kurse anzubieten. In einer Vereinbarung stand : » Die von Frl. Friedelind Wagner in einem Exposé vom 13. 10. 1958 unterbreiteten Vorschläge, während der Bay326

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reuther Festspiele Meisterklassen für junge Dirigenten, Sänger, Regisseure, Bühnenbildner, Kostüm- und Maskenbildner, Korrepetitoren, Theaterarchitekten, Beleuchter und anderen Theaternachwuchs durchzuführen, sind für die Bayreuther Festspielleitung von besonderem Interesse. Sie wird, wenn die erforderliche Organisation und Finanzierung des Projektes sichergestellt ist, alles veranlassen, damit diese Kurse während der Bayreuther Festspiele abgehalten werden. « Als die Meisterklassen offiziell als eingetragener Verein ( Festspielmeisterklassen e.V. ) gerichtlich registriert waren, » fielen mir etliche Steine vom Herzen, da ich in Bayreuth nie weiß, was für Intrigen eventuell im letzten Moment noch gebraut werden könnten «.24 Wolfgang betonte ein weiteres Mal, dass die Festspielleitung das Projekt zwar ideell und moralisch unterstütze, es aber finanziell und organisatorisch von den Festspielen getrennt sei. Es wurde zugesagt, » nach den betrieblich bestehenden Möglichkeiten « Räume des Festspielhauses kostenlos zur Verfügung zu stellen. » Ebenfalls wird der Probenbesuch den Kursteilnehmern kostenlos zugestanden «, schrieb er noch.25 Zu mehr war man nicht bereit. Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth protestierte gegen das Vorhaben, weil man irrtümlicherweise annahm, dass Friedelind von den Festspielgeldern profitierte : » Die lieben Freunde glauben, dass Bayreuth es sich nicht leisten kann, Geld zu verlieren «, spottete sie. Sie war aber überzeugt, dass die Brüder zu dem Projekt stehen und nicht von ihren Zusagen abrücken würden, obwohl ein gewisser Widerstand von Anfang an zu spüren war. Das Misstrauen ihr gegenüber blieb bestehen : Sie sollte auf keinen Fall einen Fuß in die Bayreuther Inszenierungstür setzen können.26 Ihr schien das isolierte Nebeneinander verschiedener Fachdisziplinen an Opernhäusern verfehlt, weil es den Mitarbeitern einen umfassenden Zugang zu dem Werk, dessen Aufführung sie vorbereiteten, verwehrte. Aus ihrer Überzeugung 1956 bis 1960

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heraus, dass ein umfassendes Grundverständnis vorhanden sein sollte, entwickelte sie die Konzeption eines mehrwöchigen Aufenthalts von Angehörigen verschiedener Fachrichtungen in Bayreuth, der die Beobachtung der Generalproben ebenso umfasste wie Kurse, Übungen, Vorträge in den verschiedenen Fächern und Diskussionen. Für ihre Konzeption war zentral, dass alle sich fachübergreifend bilden sollten. Der Plan erinnerte an den ihres Großvaters, der eine Stilschule hatte einrichten wollen. 1892 und 1893 hatte Cosima eine solche Ausbildungsstätte gegründet, die zunächst gut funktionierte, aber 1897 daran scheiterte, dass sie Anfänger aufnahm. Ein weiterer Versuch war 1913 und 1914 gefolgt, als Siegfried und Cosima eine Singschule für 60 Kinder gründeten, die für den Chor im Parsifal auszubilden waren. Der Kriegsausbruch 1914 hatte dem Projekt ein Ende gesetzt. Mit ihrem erneuten Anlauf befand sie sich somit in einer bedeutenden Tradition. Die Klassen wurden aus den Bewerbern und Bewerberinnen zusammengestellt, die sie persönlich auswählte. Die Kurse sollten sich um die Proben und Aufführungen herum gruppieren und alle Aspekte der Opernproduktion umfassen. Um die Fehler Cosimas zu vermeiden, sollten die Studierenden bereits professionell tätig oder zumindest an der Grenze zur Berufsausübung sein, jung und begabt, nur in Ausnahmefällen schon älter. Das Konzept nahm allmählich konkrete Formen an. » Sobald wir unsere 30 geplanten Schüler unter Dach und Fach haben, komme ich dann rüber «27, schrieb sie ihrer Mutter. Sie profitierte von ihrer Bekanntheit in der Musikwelt und bat bei den großen Stiftungen um Geld, wurde von der Fulbright und Rockefeller Stiftung unterstützt und suchte nach profilierten Dozenten und Dozentinnen, die Vorlesungen und Übungen anbieten sollten. Sie wollte unbedingt Walter Felsenstein dabeihaben und lud ihn ein, sich eine Inszenierung von Wieland anzuschauen. 328

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Dafür würde sie ihn » an jedem Bahnhofe oder Flughafen der Welt abholen, und wenn die Mondraketen schon funktionierten, würde ich Sie auch vom Monde runterholen. Ich kann Ihnen gar nicht oft genug sagen, welches Prestige Ihr Name hier bedeutet – und meine Meisterklassen wären sofort › Sonderklasse ‹, wenn Sie an ihnen mitwirken würden. «28 Es gelang ihr, ihn für jedes Jahr zu engagieren, und er wurde ungewollt zum Mittelpunkt der Kurse. » Nun geht also die Schlacht hier los. Ich bin gespannt, wie viele sich melden «, schrieb sie im Februar 1959 erwartungsvoll.29 Vier Monate vor Beginn der ersten Meisterklasse bemühte sie sich um hervorragende Studierende und reiste landauf, landab, um sie kennenzulernen und zu prüfen. Es kamen rund 100 Anmeldungen, fast alle seriös, und sie hörte sich viele Sänger und Sängerinnen an, wobei sie froh war, dass es auch Bewerbungen aus anderen Sparten gab. Bei der Auswahl stand sie unter Druck : » Wir können ja nur 30 annehmen im ersten Jahr und es soll natürlich nur ganz erstklassiges Material gewählt werden, damit meine Brüder sich nicht über den › Mist, den sie da anschleppt ‹ etwa beklagen können. «30 Immer wieder schimmert die Angst vor dem negativen Urteil Wolfgangs und Wielands hindurch – es war zu viel Konkurrenz im Spiel. Mitunter erlebte sie auch bei der Mobilisierung von Spenden Verletzendes. So traf sie auf Deutsche, die über Präsident Roosevelt witzelten und ihn » Rosenfeld « nannten, um ihn als Juden zu schmähen. » Und man muss dasitzen und eine Dame spielen und darf nicht in ihre Gesichter spucken – verdammt noch mal, es ist doch anstrengend, eine Dame sein zu müssen ! ! ! ! Mir wurde von einem Betrunkenen wieder und wieder gesagt, wie schlimm es von mir war, mich gegen die Nazis gestellt zu haben usw. … Ist ein Stipendium so viel wert ? Ich glaube : nein. «31 Kerngedanke der Konzeption blieb das Ineinandergreifen verschiedener Bereiche. Die Wagner’sche Tradition sollte im 1956 bis 1960

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Mittelpunkt vieler Vorträge und Diskussion stehen, nicht aber ausschließlich. » Großpapa spielt nur dann eine Rolle, wenn er in das Programm hineinpasst, das die Klasse gerade bearbeitet «, schrieb sie.32 Bei der Suche nach Dozenten setzte sie auf ausgewiesene Experten, wusste sie doch aus eigener Erfahrung, wie wichtig die mediale Präsentation für den Erfolg war. Gerne hätte sie den von ihr bewunderten und geliebten Kritiker Irving Kolodin als Fachmann für Musikgeschichte gewonnen. » Mein Privatleben hat einige erstaunliche Fortschritte gemacht «, schrieb die Vierzigjährige, und ihre Briefe strahlen in diesen Monaten eine bejahend-fröhliche Haltung aus.33 Leider stieß ihre Schwäche für Kolodin auf keine große Gegenliebe ; seine Absage enttäuschte sie tief. In ihren Verhandlungen mit Felsenstein bot sie DM 1000 pro Vortrag plus Spesen als Honorar an, was damals das Monatsgehalt eines leitenden Angestellten überstieg, und lud ihn ein, mehrere Vorträge zu halten. ( 1963 erhielt er gar DM 8000 plus Spesen für mehrere Vorträge, was ihr Interesse an seiner Teilnahme zeigt, da sie anderen Vortragenden nur DM 200 anbot. ) Sie war sich bewusst, dass der Erfolg ihres Projekts mit der Qualität zusammenhing, und Felsenstein gehörte zu den bedeutendsten Regisseuren Deutschlands. Sie konnte mit Recht stolz darauf sein, ihn gewonnen zu haben. Auch der Opernregisseur Herbert Graf ( 1903 – 1973 ) wurde eingeladen. Ilse Laux, die früher an der Berliner Max-Reinhardt-Schule gelehrt und die Friedelind durch Felsenstein kennengelernt hatte, leitete einen Workshop für Schauspiel im Markgräflichen Opernhaus, und Rudolf Heinrich, der als Bühnenbildner an der Komischen Oper in den Fünfzigerjahren alle wichtigen Ausstattungen schuf, war ebenfalls dabei. Laux ging mit Elan daran, die Teilnehmer in den Bewegungsübungen von Hemmungen zu befreien. Auch Bayreuther Künstler sollten unterrichten und demonstrieren, was alles zur Zusammenstellung 330

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einer Bühnenproduktion notwendig war. Karl Schmitt-Walter, der Beckmesser der Bayreuther Meistersinger, wollte mit der Gruppe an der sängerischen Textgestaltung arbeiten. Unter den Vortragenden fanden sich noch A. M. Nagler aus Yale und der Psychoanalytiker Max Friedlander, der über den Ring und Parsifal referierte. Es machte ihr Spaß, mit großen Namen zu jonglieren. » Da Orff nicht unterrichten will, was mich sehr freut ! – will ich jetzt Martinu einladen. Er lebt in Basel, ist also easily accessible. Ich mag ihn persönlich schrecklich gerne und schätze ihn als Komponisten. Menotti will kommen, wenn er es zeitlich schafft. Eventuell lade ich noch K. A. Hartmann oder Henze oder beide ein, die ich schätze und an deren Gaben ich glaube. Orff ist mir zu nazistisch in Stil und Denkart – meine Einladung an ihn war eine Geste in Richtung Wieland – und ich lachte voller Vergnügen, dass ich eine Abfuhr bekam. «34 Hans Werner Henze, den sie in München traf, war bereit, sich an den Klassen zu beteiligen, was sich allerdings nie konkretisierte. Aus geplanten 30 Minuten für ein Treffen mit ihm wurden mehrere Stunden. Sie hatte seinen König Hirsch in den USA empfohlen und versuchte, an Tonbänder heranzukommen. Henze war sehr daran interessiert, seine Oper in Washington aufführen zu lassen, wollte sie mit einem Regisseur zusammen auch inszenieren und gegebenenfalls auch dirigieren. » Er sorgt sich, dass er niemand dort kennt. Ich sagte ihm, er solle nur kommen, wenn er gebeten wird und dass man immer ganz oben beginnen sollte und niemals unten … Er schreibt gerade an einer Oper namens der Prinz von Homburg, aber demilitarisiert, mit Liebe als das Thema : Jemand trotz all seiner Schwächen lieben oder wegen der Schwächen ist sein Thema. Er möchte, dass Visconti Homburg inszeniert. Er ist ein sehr netter und interessanter junger Mann, sehr direkt, der in Italien lebt, weil er das Getue um das Vaterland nicht erträgt. Er wuchs auf mit einem Blick von sei1956 bis 1960

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nem Klassenzimmer aus auf einen zerstörten und entheiligten jüdischen Friedhof, der aus › erzieherischen ‹ Gründen bewußt so gelassen wurde. «35 Das Einführungsjahr der Meisterklassen begann mit einem willkommenen medialen Paukenschlag. Der mit ihr befreundete Musikjournalist Howard Taubman platzierte im Februar 1959 einen Bericht über die geplanten Master Classes in der Sunday Times.36 » Der Artikel war mehr wert als eine Million Dollar auf der Bank – man hat seitdem immer gut über uns geschrieben, und wir ruhen uns noch immer auf diesem Beitrag aus, mit dem es begann «, äußerte sie sich später rückblickend.37 Der Publizist bezog sich darin auf die vergangenen Versuche Cosimas und Richards, in Bayreuth eine Ausbildungsstätte zu errichten, und betonte den professionellen Aspekt, der diesmal den Erfolg bringen sollte. Sie übernahm den Text in ihr Programmheft. Langsam nahten die Sommerwochen heran. Die Arbeit türmte sich. Freunde, Bekannte – alle bestürmten sie, und sie mochte sie ungern abweisen. Im Mai meldete sich Lotte Lehmann, die die Festspiele besuchen und ihre Plätze gegen bessere eintauschen wollte. » Mausi « sollte das richten. Die Sängerin hatte 1951 ihren Rücktritt vom Konzertpodium erklärt und im gleichen Jahr eine eigene Meisterklasse in der Music Academy of the West aufgebaut. Sie unterrichtete nur zwei Monate im Jahr und wurde gut bezahlt. Die Arbeit machte ihr Freude, und es ist anzunehmen, dass sie Friedelind von ihren Erfahrungen erzählte. Auch Lotte hegte wie Friedelind den Traum von einer vollständigen Erarbeitung einer Opernaufführung mit den Studierenden, doch während sie einen solchen Versuch schaffte38, gelang es Friedelind aus Zeitgründen nie. Die Klassen starteten Mitte Juni. Künstlerisch und akademisch qualifizierte Teilnehmer bevölkerten nun den Grünen Hügel. Da Chor und Orchester noch fehlten, wurden die ersten Tage mit Beleuchtungsproben und anderem angefüllt. 332

Die Meisterklassen formieren sich

Einen Höhepunkt besonderer Art bildeten die Vorträge Felsensteins, der mit seinem realistischen Zugang zur Bühne in Kontrast zu den ästhetischen Vorstellungen Wielands stand. Einmal diskutierte er sechs Stunden lang mit den Teilnehmern, und man kam nur aufgrund der bevorstehenden Meistersinger-Aufführung zu einem Ende.39 Jedes Jahr reiste Friedelind mit der jeweiligen Gruppe zu ausgesuchten Produktionen in Ost- und Westdeutschland sowie nach Berlin, um dort zum einen die Inszenierungen Walter Felsensteins in der Komischen Oper und zum anderen Aufführungen im Westteil der Stadt zu erleben. Aufgrund des systembedingten Ost-West-Konkurrenzkampfes versprach sich Friedelind eine hohe Qualität der Aufführungen. Auch herausragend inszenierte Theaterstücke wurden besucht, so im Schillertheater im Westen, an der Volksbühne und beim Brecht-Ensemble im Osten Berlins. Die Reiseroute hing davon ab, was zu sehen qualitativ lohnend war, wobei Friedelind auf ihre jahrzehntelange Erfahrung baute. Man gab ihr ein Büro im Festspielhaus, was sie glücklich machte, denn nun konnte sie leichter ihre Schützlinge in die Aufführungen einschmuggeln. Solche Übertretungen brachten die Brüder gegen sie auf, aber das war ihr gleichgültig. Wo es ihr nötig schien, nahm sie jedoch Rücksicht : Die Gruppe erhielt für die Proben eine eigene Loge, sodass man mit Taschenlampen die Noten verfolgen konnte, ohne dass es auffiel oder Wieland bei der Regiearbeit störte. Jeden Abend wurde sein Probenplan festgelegt, und sie musste bis dahin warten, um den Tagesplan aufstellen zu können. Fast jeden Sonntag trugen die Teilnehmer Kammermusik im Siegfried-WagnerHaus vor, wozu Winifred das Musik- und das Gartenzimmer zur Verfügung stellte. Nach Ablauf der Meisterklassen 1959 sah sie an der Komischen Oper die Proben zum Otello unter Felsenstein, die sie als » die erregendste und aufregendste Erfahrung in meinem gan1956 bis 1960

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zen Opernleben « bezeichnete.40 Wieland ging mit ihr zur Premiere sowie tags darauf zum Schlauen Füchslein, womit er laut Gertrud nichts anfangen konnte. Damit befand er sich im Gegensatz zur Schwester, die das Werk schon zum neunzehnten Mal sah und deren Begeisterung nicht nachließ.41 Als sie anschließend im Oktober zu Verena nach Nußdorf reiste, war ihr letztes Geld für Benzin ausgegeben, und sie hatte genau 30 Pfennige in der Tasche. Verena war daran gewöhnt, dass sie mit solchem Reichtum anzukommen pflegte.42 Das hing mit ihrer Sorglosigkeit in eigener Sache zusammen, nun aber ging es nicht mehr um ihre eigene Geldbörse, sondern um die ihr anvertrauten Meisterschüler. Als eine Bewerberin, die akzeptiert worden war, absagen musste, schwante ihr Ungemach : » Was dies für unser Budget bedeutet, ist eine andere Sache. Ich hoffe, dass ich irgendwie durch die Saison komme. «43 Ursprünglich war vorgesehen, dass Bayreuth eine bestimmte Summe pro Schüler erhalten sollte. Damit wollte sie vermutlich das Wohlwollen der Brüder erkaufen. Bald jedoch erwies sich, dass dies undurchführbar war. Noch lange nach der Beendigung der Kurse flatterten unbezahlte Rechnungen auf ihren Schreibtisch. Da sie von staatlichen Stellen nicht abhängig sein wollte, wird sie weder bei der Stadt Bayreuth noch beim Land Bayern oder bei der Bundesregierung um Gelder vorstellig geworden sein. In den USA hatte sie mit Jeremiah ( » Jerry « ) Gutman ( 1924 – 2004 ) einen prominenten Anwalt an ihrer Seite, der bereit war, ihr in Finanzdingen beizustehen. Der Bruder des Publizisten und späteren Wagner-Biografen Robert ( » Bob « ) Gutman blieb bis zu seinem Tod ein engagierter Verfechter der Bürgerrechte und der Redefreiheit. Zusammen mit Alexander » Sascha « Merovitch betreute er ihre MeisterklassenFinanzen. Sascha war über ihren Umgang mit Geld erschrocken und rügte sie, weil sie unter anderem bei ihrem Reisebüro die Rechnung nicht bezahlt hatte : » Wenn man Schulden nicht 334

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bezahlen kann und älter als 15 ist, sollte man das entweder der Person sagen, der man Geld schuldet, oder ein paar Worte schreiben. «44 Sie erwiderte, dass ihre Brüder ihr weniger als erwartet geschickt hätten und sie derzeit keinen Cent besitze. Sie sah keine Alternative, als die Rechnung von ihrem Vortragshonorar im November zu bezahlen, wenn nicht ein Wunder geschehe. » Wie ich die nächsten acht Tage überstehen soll ist mein größtes Fragezeichen und meine größte Sorge. « Dadurch, dass 1550 Dollar weniger eingegangen seien, weil zwei Teilnehmer abgesagt hatten, sei sie in einer schwierigen Situation.45 Jerry bat sie eindringlich, Sponsoren auch in Europa einzuwerben, und empfahl ihr, sich an die Brüder zu wenden : Sie sollten bereit sein, einen großen Teil der Unkosten des ersten Jahres zu übernehmen, » weil sie keinen Nachteil erlitten, nichts ausgeben mussten, keine Mühe hatten und kaum eine Ungelegenheit. Die Meisterklassen werden ein großer Vorteil für sie werden, sobald sie fest verankert sind. «46 Doch weit gefehlt. Für die beiden handelte es sich wohl um einen lästigen Versuch Friedelinds, sich in die Festspielleitung einzuschmuggeln, was um jeden Preis vereitelt werden musste. Jerry und Sascha warnten Friedelind auch davor, im nächsten Jahr gleichzeitig als Chauffeurin, Stadtführerin und Werbeträgerin zu agieren, wenn sie die Klassen leiten wollte.47 Die beiden Männer machten sachbezogene Vorschläge, doch Friedelind blieb bei ihrem Modell : Sie konnte und wollte die Verantwortung nicht delegieren. Auch in Deutschland gab es noch ein Nachspiel, denn Martin Hirsch, SPD-Bundestagsabgeordneter und später Bundesverfassungsrichter, forderte sie mehrmals auf, sich um den neu gegründeten Verein zur Förderung der Meisterklassen zu kümmern. Laut Satzung hätte eine formelle Generalversammlung stattfinden müssen, außerdem sei ein Jahresabschluss zu erstellen und einem Wirtschaftsprüfer vorzulegen.48 Das waren unangenehme Aufga1956 bis 1960

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ben, die sie am liebsten ignorierte. Sie schleppten sich jedoch durch die ganzen Jahre hindurch und sogar in die Jahre nach Beendigung der Meisterklassen : Noch 1969 riet ihr Hirsch, der Bayerischen Staatsbank monatlich DM 300 zurückzuzahlen und alles zu tun, » damit wenigstens der gute Wille dokumentiert ist «.49 Oberstes Ziel blieb es, die Teilnehmer der Meisterklassen beruflich zu fördern und unterzubringen. Dafür scheute Friedelind weder Kosten noch Kraft. Im ersten Jahr gelang es ihr auf Anhieb, einige auf den Karriereweg zu bringen, darunter die Sängerin Frances Martin, die einen Bayreuther Vertrag als eine der Walküren erhielt. Friedelind informierte vor lauter Freude sogar die Presse darüber, und Wolfgang gestattete ihr, für die USA Bilder von der Vertragsunterzeichnung zu machen. Nach dieser Verpflichtung erhielt Frances Martin einen Vertrag in Darmstadt. Die schwarze Sängerin Ella Lee wurde durch Friedelinds Vermittlung in Deutschland eingeführt und sang unter anderem bei Felsenstein in Ostberlin. Dem Pianisten Bruce Hungerford verhalf sie zu Engagements, indem sie dem Dirigenten Franz Konwitschny schrieb und ein Vorspiel in Berlin arrangierte. Sie sah Chancen für ihn, mit einem Spitzenorchester nicht nur West-, sondern auch Ostdeutschland zu erobern50, und sie veranstaltete ein Konzert im Markgräflichen Opernhaus mit ihm als Solisten. Auch die Sopranistin Mary MacKenzie machte in Bayreuth Eindruck, und Friedelind bemühte sich, ihr Geld für eine Reise nach Wien zu verschaffen, damit sie dort dem Dirigenten Lovro von Matačić vorsingen konnte. Mit Erfolg : Der Dirigent bot ihr an, mit ihm in verschiedenen europäischen Städten aufzutreten. Ein Jahr nach den Meisterklassen hatte MacKenzie ein Engagement an der Met in der Tasche. » Es macht natürlich viel Spaß, wenn man sieht, dass die Arbeit und Mühe solch schöne Resultate hat – es hat ja lange genug gedauert, bis ich diesen Traumplan ausführen konnte «51, 336

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schrieb sie. » Selbst meine Feinde sind von dem Erfolg eingeschüchtert – und insbesondere von der finanziellen Unterstützung, die wir bekommen haben … dies ist ein Traum, der wahr geworden ist und es bringt mir jeden Tag ein großes Glücksgefühl, was wohl nur wenige Menschen mitbekommen. «52 Und an Jeanette : » Es war ein ganz toller Erfolg, und ich habe allen Grund, zufrieden zu sein. Das ganze Festspielhaus › took to them ‹ und die Gruppe hat sich überall einen ganz tollen Namen und Ruf geschaffen. Ich bin dementsprechend demoliert und brauche eine Atempause, ehe ich mich in die Vorbereitungen für nächstes Jahr stürze. «53 Bob Gutman schrieb ihr ironisch, der Enthusiamus der » Heiligen Familie « für das Projekt sei erstaunlich ( dies eine Anspielung auf das Gemälde von Joukowsky, der die WagnerFamilie in dieser Rolle als Ölbild verewigt hatte ) : » Das, was wir am meisten befürchteten, nämlich eine aktive Opposition aus Walhall, kam nicht vor und dafür sollten alle Kerzen in bayrischen Synagogen angezündet werden. «54 Offenbar hatten er und Friedelind größeren Widerstand erwartet. Eine wichtige Aufgabe wurde ihr im Frühjahr 1959 in Shreveport, L. A., angetragen, wo sie die Uraufführung der Odyssee, einer Oper von Rudolf von Oertzen, inszenieren sollte, mit dem sie schon länger korrespondierte. Ihr war bewusst, dass die Presse dies sehr aufmerksam registrieren und sie als die dritte Wagner-Erbin bezeichnet würde, die sich dem Vergleich mit den Brüdern stellte.55 Die Chance, sich als Regisseurin zu profilieren, wurde jedoch wegen interner Querelen vertan. Sie wollte längere Probenzeiten haben, eng mit dem Bühnenbildner zusammenarbeiten, die Künstler selbst aussuchen, keine Kürzungen oder Schnitte dulden – dies alles war nicht gewährleistet. Die Direktion wollte nur einheimische Künstler engagieren, was für sie unannehmbar war. Sie warf das Ganze hin und versuchte von Oertzen dazu zu bringen, die Premierenrechte zu seiner Oper weltweit zurückzu1956 bis 1960

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ziehen. Dies, so schrieb sie, sei eine der Gelegenheiten, wo man wieder sagen würde, sie sei schwierig, » nur weil man eher den Hut nimmt, als sich billig zu verkaufen ! Ich bin sicher, dass die Oertzens meine Entscheidung verstehen und billigen und mich unterstützen werden. «56 Ihr Erfolg in Bayreuth mag ihre Wahl zur » Mistress of Ceremonies « durch die Zunft ( Guild ) der Metropolitan Opera gefördert haben, die Anfang Dezember 1959 stattfand. Sie hatte im Großen Ballsaal des Waldorf-Astoria-Hotels zu moderieren und kam auf den Gedanken, unbekannte Wagner-Lieder vorzustellen. Man war von ihrem Auftritt nicht enttäuscht : » Sie waren absolut superb als Zeremonienmeisterin bei unserem gestrigen Essen. Es war genau die richtige Mischung aus interessanten Informationen, Humor und Erinnerungen. «57 Anwesend waren auch Erich Leinsdorf, Birgit Nilsson, die sich auf die Rolle der Isolde an der Met vorbereitete, und Ramón Vinay. Friedelind nutzte die Gelegenheit, um Lang van Norden, den langjährigen Präsidenten der Guild, zu überreden, eine Sängerin für die Meisterklassen zu sponsern. Sie beschloss, die Wagner-Lieder aufnehmen und den Ertrag der Stiftung zukommen zu lassen. Gern hätte sie zwei Studierende der Klassen für die Aufnahme bestimmt, die dann die Tantiemen hätten einstreichen können. » Ich werde niemals meine Kinder in irgendeiner Weise ausbeuten und dies wäre ein faires Geschäft. «58 Ihre Fürsorge war ehrlich. Es überraschte sie, dass man ihr die Stelle als Intendantin des Berliner Rundfunk-Sinfonieorchesters unter Ferenc Fricsay anbot, obwohl dieser sie persönlich nicht kannte. Sie wäre damit Wolfgang Stresemann nachgefolgt, der zum Intendanten der Berliner Philharmoniker aufgerückt war. Fricsay meinte, dass sie durchaus die Meisterklassen mit der Arbeit für das Orchester verbinden könne, aber ihr sagte die Berliner Kulturpolitik nicht zu, und der Gedanke an eine Dauerstellung in Deutschland verursachte ihr eine » akute Attacke der 338

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Klaustrophobie «. Sie wollte um jeden Preis selbstständig bleiben. Doch die Anfrage schmeichelte ihr, und sie leitete wie beiläufig das Angebot an » bekannte Ohren « weiter : » Ich teile es nicht den Medien mit, denn je ruhiger ich mich verhalte, umso besser für uns am Festspielhaus. Der Klatsch verbreitet  sich sowieso ! «59 Kurz darauf bot sie Felsenstein ihre Regie-Assistenz für Hamburg an. » Ob ich ein Honorar kriegen würde oder nicht, wäre mir gleichgültig, ich wäre beinahe glücklicher ohne. «60 Der Wunsch wurde nicht erfüllt, da der Hausintendant Rolf Liebermann auswärtige Hospitanten nicht zuließ.61 Die kleine Episode zeigt, wie wenig ihr Geld und finanzielle Sicherheit bedeuteten und wie viel für sie dagegen die künstlerische Erfahrung zählte. Damit ähnelte sie ihrem berühmten Großvater, der ein ähnlich unbekümmertes Verhältnis zu Schulden hatte und damit gut leben konnte.

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13 Aufstieg und Ende der Meisterklassen 1960 bis 1966

Obwohl der Zwang, Geld für ihre Meisterklassen eintreiben zu müssen, virulent blieb, verdoppelte Friedelind 1960 die Zahl der Kursteilnehmer und lud 23 junge Amerikaner und Amerikanerinnen ein : Bühnenbildner, zukünftige Dirigenten, Sänger, Korrepetitoren und sechs Architekten, darunter auch Walfredo Toscanini, den Enkel des Dirigenten.1 Überzeugt davon, dass das Studium der Bauweise von Opernhäusern in die Kurse einbezogen werden sollte, steigerte sie das Kursangebot im Vergleich zum Vorjahr. Auf einer zweiwöchigen Rundreise sollten berühmte Gebäude angeschaut, Opern gehört und die Ergebnisse eines Architekturwettbewerbs diskutiert werden. Im Juni ging es mit der Gruppe zuerst ins schwedische Malmö, um das Stadttheater zu besichtigen, dann nach Stockholm zur Kongresshalle, ins Hoftheater von Drottningholm sowie zum Tivoli-Konzertsaal und zum Radio-Haus in Kopenhagen. Außerdem besuchte man in Berlin Hans Scharoun ( 1893 – 1972 ), der sich gerade mit dem Bau der Berliner Philharmonie befasste, die 1963 vollendet wurde. Es folgte der Besuch der Opernhäuser in Düsseldorf, Gelsenkirchen, Köln, Hamburg und Münster. Das mit besonderen Beleuchtungseffekten ausgestattete, neu erbaute Theater in Lünen wurde ebenso besichtigt wie das dortige Geschwister-Scholl-Gymna340

sium, das Scharoun entworfen hatte. Die Bonner Beethovenhalle, das Mannheimer Nationaltheater, das Schwetzinger Hoftheater, das Frankfurter Opernhaus, die Liederhalle und das Kleine Schauspielhaus in Stuttgart folgten. Den Abschluss bildete das Salzburger Festspielhaus. Wie es gelang, ein solch umfangreiches Programm zu organisieren, zu finanzieren und durchzuführen, bleibt ein Geheimnis : der logistische Aufwand lässt sich nur erahnen. Die Begeisterung war jedenfalls groß : » Dies war eine enorm wertvolle Exkursion und sehr stimulierend. Ohne diese Erfahrungen hätten die Kurse, die in Bayreuth anschließend zur Architektur angeboten wurden, kaum funktioniert «2, schrieb ein Teilnehmer. In der anschließenden Aufarbeitungsphase in Bayreuth kam Sven Gottfrid Markelius ( 1889 – 1972 ) hinzu, einer der bedeutendsten schwedischen Architekten, der eine wichtige Rolle bei der Planung Stockholms nach dem Krieg spielte, sowie der dänische Architekt Jørn Utzon ( 1918 – 2008 ). Ihn mochte Friedelind besonders, und sie verteidigte sein Opernhaus im australischen Sydney gegenüber den Jüngeren : » Es hat die Phantasie einer ganzen Nation entzündet, auch von denen, die sich sonst nicht um Oper kümmern. «3 Das Fach Theaterarchitektur wurde in ihren Meisterklassen von Thomas Munter und dem Akustiker Dr. Werner Gabler vertreten. Die Teilnehmenden wurden angehalten, selbst ein Modell eines Opernhauses zu entwerfen. Leider hielt der Architekturkurs nur ein Jahr lang durch – vermutlich erwies sich die Durchführung als zu aufwendig. » Der Sommer verklingt diesesmal wirklich auf einer höchst harmonischen und glücklichen Note und wir schmieden schon feste Pläne für nächstes Jahr «, berichtete sie im August zufrieden Walter Felsenstein. » Viele werden wiederkommen, außerdem werde ich mit Bewerbungen überschüttet. So dass eine gute Auswahl hoffentlich wieder gelingt. Der Höhepunkt für alle war nach wie vor Ihr Besuch – wie auch der Besuch in 1960 bis 1966

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Berlin. «4 Ein Beobachter schrieb ihr : » Ich fand es wahnsinnig  interessant und höchst lohnend, dort gewesen zu sein. Sie  haben mit Ihrer Meisterklasse ein Kind in die Welt gesetzt, dem ich nur wünschen kann, dass es wachse, blühe und  gedeihe … Alle Anlagen dazu hat es ja von Ihnen mitbekommen. «5 Die Studien umfassten im Lauf der neun Jahre, die die Meisterklassen existierten, musikalische Interpretation, Operngeschichte und Ästhetik, Theaterarchitektur und Opernproduktion. 1961 hielt der Musikwissenschaftler und Dirigent Edward ( » Ed « ) Downes an jedem Aufführungstag öffentliche Vorträge auf Englisch. Seit Jahrzehnten besuchte er die Festspiele, was ihn zu einer Autorität in Bezug auf die Inszenierungen machte. Er bot aber auch allgemeine musikhistorische Vorträge. Seine Erläuterungen wurden als exzellent eingestuft, im Gegensatz zu denen des Psychologen Max Friedlander ( nicht zu verwechseln mit dem Musikwissenschaftler Friedländer ), der recht obskure Deutungen des Wagner’schen Werks bot.6 Zusagen erhielt Friedelind noch von den Sängerinnen Astrid Varnay und Hanne-Lore Kuhse, den Sängern Kurt Winter und Willi Klose sowie von Pierre Boulez und Gian Carlo Menotti, allerdings kam es bei den beiden Letzten zu keinem Vertrag. Auch Wieland und Wolfgang waren bereit mitzumachen. Wegen der Raumknappheit traf man sich in Klassenzimmern, in einer Polizeiwache, einem winzigen Theater und in zufällig freien Probenräumen. Wolfgang hatte von Beginn an klargestellt, dass die Meisterklassen eine Privatveranstaltung waren, für die keine Räume bereitgestellt werden konnten. Als der Pianist Bruce Hungerford dazustieß, erkannte Friedelind sofort seine außerordentliche Begabung und richtete spontan eine Klaviersektion unter seiner Leitung ein. Sie verstand es, die kreativ begabten Teilnehmer in Matineen einzubinden und führte sie zu glänzenden Leistungen. 1962 gaben die Meisterklassen ein öffentliches Konzert im Markgräflichen Opern342

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haus, mit Hungerford am Klavier, dem Geiger Isidor Lateiner, Lawrence Foster als Dirigenten und den drei Pianisten Howard Wells, Peggy Donovan und Patricia Sage. Bei einer der sonntäglichen Matineen im Siegfried-Wagner-Haus spielten Isidor Lateiner und seine Frau Edith Werke von Beethoven. Unter den zahlreichen Festspielbesuchern, die als Zuhörer kamen, befand sich auch die britische Krimiautorin Agatha Christie.7 Der neuseeländische Journalist und Musikwissenschaftler John Mansfield Thomson ( 1926 – 1999 ) brachte seine Bayreuther Erfahrungen zu Papier.8 Wie so häufig, kam seine Wahl zum Meisterklassenschüler eher zufällig zustande. Er kannte den Fotografen Helmut Gernsheim ( 1913 – 1995 ), der als deutscher Flüchtling auf der Isle of Man interniert gewesen war. Vermutlich hatte Friedelind dessen Ehefrau Alison Gernsheim im Frauenlager kennengelernt. Die Fotografin gehört ebenso wie ihr Mann zu den Pionieren der Fotogeschichte. Helmut Gernsheim empfahl Thomson, in New York bei Friedelind vorbeizuschauen. » Wie erstaunlich war es, zum ersten Mal das klassische Wagner’sche Profil zu sehen, mit den intensiven blauen Augen und der konzentrierten Energie «, schrieb er. Sie spielte mit ihm daheim Bearbeitungen Wagner’scher Musik für zwei Klaviere sowie Emanuel Chabriers » Souvenirs de Munich «, und sie nahm ihn mit zu einer Party bei Eric Salzman, dem Musikkritiker der New York Times. Genauso spontan, wie sie ihn zu sich eingeladen hatte, lud sie ihn anschließend zu den Meisterklassen 1962 ein und sagte ihm auch noch ein Stipendium zu. Man mag in diesem schnellen Entschluss eine gewisse Sorglosigkeit erkennen – Tatsache bleibt jedoch, dass Thomson zu den profiliertesten Musikwissenschaftlern seines Heimatlandes Neuseeland avancierte, dass er die renommierte Zeitschrift Early Music mit begründete, ein Grundlagenwerk über die Musikgeschichte Neuseelands schrieb ( The Oxford History of New Zealand Music ) 1960 bis 1966

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und als Lehrer sehr beliebt war. Instinktiv erkannte Friedelind seine große Begabung und menschliche Ausstrahlung. Nach seiner Ankunft wurde er sofort ins Festspielhaus geführt, wo Wieland gerade eine Beleuchtungsprobe leitete ; anschließend übte Wilhelm Pitz den Pilgerchor aus Tannhäuser ein. Für den Besuch verschiedener Opernhäuser und Theater fuhr die Gruppe nach Leipzig, um eine Aufführung des Rienzi sowie Prokofieffs Krieg und Frieden zu sehen, ein Werk, das im Westen bis dahin kaum bekannt war. In München besuchte man Schönbergs Moses und Aron sowie Strauss’ Schweigsame Frau. Damals wurden Opern im Prinzregententheater aufgeführt, da das im Krieg zerstörte Opernhaus erst ein Jahr später eingeweiht wurde. Von der Mauer, die 1961 zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland errichtet wurde, ließ sich Friedelind nicht abschrecken ; sie reiste weiterhin mit der Meisterklasse nach Ostberlin. An der Grenze benahm sie sich, als wäre alles eine inszenierte Show. Als die Volkspolizisten sich autoritär gebärdeten, tat sie sie ab : » Hören Sie, junger Mann, ich habe die Gestapo erlebt, und Sie können  mich nicht beeindrucken. « Einmal drehte ein Vopo bei einer Kontrolle ihren Sitz um, hinter dem sich ein Freiraum zeigte, und sie rief aus : » Hätte ich das gewusst, hätte ich jemand rausschmuggeln können. «9 Im Ostberliner Theater am Schiffbauerdamm sah die Gruppe Brechts Dreigroschenoper, einen Tag darauf in der Westberliner Deutschen Oper Proben zu Pfitzners Palestrina – ein wahrhaft kontrastreiches Programm. Man studierte die technischen Fortschritte in der Theaterbeleuchtung bei der Firma Reich und Vogel, die jahrelang in Bayreuth beraten hatte. Ein Höhepunkt besonderer Art war der Besuch der Komischen Oper im Osten der Stadt. Walter Felsensteins Inszenierung von Verdis Otello überzeugte ebenso wie eine Aufführung von Brittens Ein Sommernachtstraum, die die Gruppe ergriffen miterlebte. Die schwarze Sängerin Ella 344

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Lee hatte durch Friedelinds Vermittlung die Rolle der Titania bekommen. Felsenstein blieb der herausragende Dozent in den Meisterklassen, und seine Diskussionsbeiträge hinterließen einen bleibenden Eindruck, zumal Friedelind die Fragen und Antworten blitzschnell in akzentfreies Englisch übersetzen konnte. Thomson nahm denkwürdige Erlebnisse mit nach Neuseeland und blieb Friedelind zeitlebens dankbar. Von Felsensteins Vorlesungen hat einiges als Tonbandmitschnitt überlebt, so eine Diskussion am 2. August 1962, die hier zusammengefasst werden soll. Die große Anzahl seiner Proben, die den Aufführungen vorangingen und zu denen der Regisseur befragt wurde, erregte Erstaunen. Für ihn hatte ein Theater keine Existenzberechtigung, wenn lediglich Repertoire-Aufführungen zustande kämen, und er bezeichnete sich aus diesem Grunde als » staatsoper-feindlich «, was Gelächter provozierte. Im Laufe von Aufführungen lasse sich durch eine akribische Kontrolle ein noch höherer Standard erreichen, auch, weil man dann neue Aspekte erkenne, die zuvor nicht aufgefallen waren. Er war mit den Wiederholungen seiner Inszenierungen von Traviata und Rigoletto, die damals in Hamburg liefen, unzufrieden und überlegte, seinen Namen zurückzuziehen ; sie seien zwar nicht äußerlich, aber doch innerlich verflacht. Zur Zusammensetzung des Publikums befragt, meinte er, es sei zwischen dem wahren Theaterpublikum und dem » akustischen Publikum « schwer zu unterscheiden. Letzteres würde die schlechteste Aufführung akzeptieren, wenn nur die hohen Töne stimmten. Er verstünde nicht, wenn man sage, eine Aufführung sei lediglich » musikalisch ausgezeichnet « gewesen, da Opernmusik für ihn nur einen Inhalt habe : » Eine Oper besteht doch ausschließlich aus Programmusik. « Gefragt, wie er sich für die Wahl einer bestimmten Oper entscheide, erwiderte er, dass die Frage der Besetzung vorrangig sei, aber auch, ob sich die Oper den musiktheatralischen Anforderungen anpassen könne. Damit meinte er, dass 1960 bis 1966

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er Werke vorziehen würde, die des Inhaltes wegen und nicht aus rein musikalischen Motiven geschrieben wurden. Rossinis Barbier von Sevilla sei beispielsweise raffinierter und gekonnter als die gleichnamige Oper von Paisiello, der seinerseits Beaumarchais’ Barbier auf die Bühne gestellt habe. Ein Werk lohne sich für die Inszenierung, wenn man sich aufgrund des menschlichen Gehalts zu ihm bekennen könne. Würde man lediglich zum eigenen Vergnügen spielen, hätte sich der Zweck des Theaters nicht erfüllt. Jede Aufführung sei für die Allgemeinheit da, nicht nur für Musik- und Theaterfachleute. Er wolle zwar nicht dem breiten Geschmack entgegenkommen, das Publikum aber auch nicht » erziehen «. Wie las er Dinge in der Partitur, die anderen Regisseuren entgingen ? Dazu gehöre keine besondere Technik. » Wenn jemand willens und bereit ist, das Stück zu lesen, dann lernt er es kennen, aber den meisten Fachleuten in der Oper fehlt diese Bereitschaft. Sie sind der Meinung, sie kennen das Werk. Es gehört in erster Linie Demut dazu. « Die Schwierigkeit beginne damit, das, was man aus einem Stück erfahren habe, anderen Menschen mitzuteilen. Es sei ungenügend, den Sängern und Sängerinnen Dinge nur durch Sprache erklären zu wollen. Man müsse verschiedene Methoden haben, um etwas mitzuteilen, denn nur in seltensten Fällen sei ein Darsteller bereit, so lange zu forschen und zu fragen, bis er etwas verstanden habe. Es sei daher eine Hauptaufgabe des Regisseurs herauszubekommen, was der » Jasager «, der alle Ratschläge abnicke, nicht wisse. » Wenn ein Sänger nur imitiert, was der Regisseur ihm sagt, ist er für die Rolle nicht imstande. Der Regisseur kann nur das, was der Betreffende nicht weiß, aus ihm herausholen. Gehorsam ist verboten. « Immer wieder stand die Tatsache im Raum, dass die Komische Oper zur DDR gehörte. Felsenstein : » Wenn man das Wort › politisch ‹ aus › polis ‹ ableitet, ist es nicht mit Politik zu verwechseln ; wenn man darunter das versteht, was die Öffent346

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lichkeit betrifft, dann ist das Theater eine der politischsten Unternehmungen überhaupt. Es erfüllt dies, indem es allen ethischen-moralischen Wünschen nach ihrer eigenen Erhebung und Verbesserung dient. Es ist gefährlich und bequem zu sagen, Theater hat mit Politik nichts zu tun. Theater hat sehr viel damit zu tun. Gibt es ein Stück, das politischer ist als Otello oder Zauberflöte ? Gleichzeitig muss ein Theaterstück immer unterhaltsam sein. Es ist peinlich für das Publikum, wenn es belehrt wird oder das Gefühl hat, belehrt zu werden. Das Publikum soll nicht nur zuhören, sondern muss mit einbezogen werden. Ich meine damit nicht › sich identifizieren ‹, sondern ich kann selbst teilnehmen, genauso wenn zwei sich streiten, und ich bin an dem Streit thematisch interessiert, so streite ich im Geiste mit. «10 Solche Glanzpunkte konnten Friedelinds enormes Arbeitspensum nicht kompensieren, was gelegentlich zu Nervosität und einem leidigen Befehlston führte. Sie war zwar stolz auf den Erfolg, aber » während ich als Chauffeurin, Sekretärin, Krankenschwester und was-nicht-alles fungierte, blieb mir keine Zeit für eine Person, die Friedelind heisst, die zeitweilig einen Kurs leiten und verschiedene andere Dinge tun musste. Ich wurde mit einer Million Kleinigkeiten beschäftigt, damit die Räder liefen. «11 Sie erkannte zwar die Überanstrengung, war aber außerstande, daran etwas zu ändern. Gerne vermittelte sie zwischen Künstlern, wo es ihr nur möglich war. So hatte sie einmal eine Botschaft von Benjamin Britten für Felsenstein bereit : » Er hat die Originalbesetzung von 14 Instrumenten lieber, hat aber eine Verdoppelung der Instrumente allen deutschen Bühnen, an denen man Albert Herring aufführte, gerne genehmigt. Nur besteht er darauf, dass gleichmäßig verdoppelt wird. «12 Um politische Empfindlichkeiten scherte sie sich genauso wenig wie ihre Mutter. Als der Intendant der Berliner Staatsoper, Hans Pischner, mit einer DDR-Delegation nach Bay1960 bis 1966

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reuth reiste, um zu Wagners Geburtstag einen Kranz am Grab niederzulegen, gab es Unruhe. Er galt zwar als ausgezeichneter Musiker und couragierter Kulturpolitiker, denn er setzte trotz staatlicher Widerstände einen niveauvollen Spielplan durch, doch dies stimmte Wolfgang und den Oberbürgermeister nicht milder im Blick auf die » Delegation aus der Ostzone «, obgleich Winifred noch versuchte, sie dafür zu interessieren : » aber vergeblich – beide wollten nichts von den Herrschaften wissen «. Sie ging dann selbstständig vor, lud die Gruppe ins Restaurant Goldener Anker ein und musste ihnen beibringen, » dass eine gemeinsame Kranzniederlegung mit Westdeutschland unerwünscht sei « und dass sie eine Stunde später als die städtische Vertretung zum Grab kommen sollten. » So was Unmögliches ! ! ! Redet man ewig von Wiedervereinigung und wenn ein kleiner Fühler ausgestreckt wird, weicht man feige zurück ! «13 An Courage mangelte es ihr nicht ; das hatte sie mit ihrer Tochter gemeinsam. Am 22. Mai 2009 brachte die Süddeutsche Zeitung in ihrem beigelegten Magazin ein Interview mit einem Männerpaar, das seit vielen Jahrzehnten zusammenlebt. Darin tauchte Friedelinds Name auf : » So verbrachte ich den Sommer in Bayreuth, doch Friedelind ließ uns mitten in der Nacht sitzen und nahm die Gelder mit, die die Studenten ihr für die Zimmermieten gegeben hatten. «14 Geschrieben hatte das Alfred Kaine, der bei den Meisterklassen 1961 dabei gewesen war und später als Pianist bei dem Choreografen John Cranko arbeitete, damals Ballettchef der Württembergischen Staatsoper in Stuttgart. Ich beschloss, der Sache nachzugehen, und nahm mit ihm Kontakt auf. Seine Geschichte ist erzählenswert, weil es darin um einen geradezu klassischen Streit ging. Als ausgebildeter Pianist war Kaine zu den Meisterklassen eingeladen worden. Den Anstoß hatte der Cembalist Igor Kipnis, Sohn des Bassisten Alexander Kipnis, zusammen mit dem 348

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Journalisten Martin Bernheimer gegeben. Friedelind war mit Bernheimer befreundet, und auch den Sänger kannte sie seit ihrer Kindheit in Bayreuth. Friedelind bat nun Kaine, Schallplatten aus den USA mitzubringen. Für den Transport brauchte er einen Koffer und legte dafür DM 100 aus. Diese konnte Friedelind ihm nicht sofort zurückzahlen, und sie tat das, was sie  auch sonst tat : Sie reagierte nicht auf seine Mahnungen. Drei Briefe schrieb ihr Kaine, bis ihr der Kragen platzte. Sie wies auf ihre Geldnot hin und erinnerte ihn daran, dass er ein Stipendium von 1250 Dollar erhalten habe. Sie könne erst nach Abtragen ihrer Schulden das Geld überweisen und halte ihn für undankbar. » Es ist mir gelungen, DM 18 500 an Krediten zu bekommen, die ich zurückzahlen muss, und mir fehlen immer noch DM 21 500, wobei jetzt die Leute auf mich zukommen, die ihre Rechnungen bezahlt haben wollen. «15 Aus ihrer Sicht war das Begehren ihres Schülers unethisch und unverschämt – aus der Sicht des jungen Pianisten, der das Geld dringend benötigte, hatte sie sich als unzuverlässig erwiesen. Kaine war damals ein mittelloser Student, der sich aufgrund von Versprechungen, ihm einen Job zu vermitteln, im siebten Himmel wähnte und nun durch Friedelind rüde in die Realität  zurückversetzt wurde. Sie wiederum hatte alles an Kraft und Energie eingesetzt, um den Studierenden etwas zu bieten, und war verstört, dass man ihr Vorhaltungen machte. Als sie ihre Absolventen, die bereits im Berufsleben standen, nachträglich um eine Spende bat, erhielt auch er drei Jahre nach diesem Zwischenfall einen solchen Bettelbrief. Er rächte sich für den Vorfall, indem er ihr auf dem Papier genau die DM 100 spendete, die sie ihm nie zurückbezahlt hatte.16 So kam es zu einem Riss, der nicht mehr zu kitten war, und die beiden liefen Jahre später in Bayreuth aneinander vorbei, ohne sich zu grüßen. Dieser Fall steht stellvertretend für die gesamte Problematik des Unternehmens : Die Leiterin hatte geniale Ideen, bei 1960 bis 1966

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denen es an der Umsetzung haperte, weil sie letztlich für alles verantwortlich sein wollte und eine gesicherte Finanzierung von Anfang an fehlte. Ihre Einstellung, auf das eigene Gefühl zu setzen, gepaart mit einer jahrzehntelangen Erfahrung im Umgang mit Künstlern, war problematisch, denn sie traf ihre Entscheidungen häufig willkürlich. Das wiederum schuf informelle Hierarchien innerhalb der Gruppe. Wenn es Auseinandersetzungen gab, hatte sie sich oft nicht im Griff. Mit dem Komponisten und Musiktheoretiker Leon Stein, der 1950 das Buch The Racial Thinking of Richard Wagner veröffentlicht hatte, gab es 1961 einen so erregten Streit, dass die Beziehung zwischen den beiden daran zerbrach. Der hochintelligente Stein stieß auf ein mit komplexen Emotionen ausgestattetes, heftig reagierendes Gegenüber, und eine Versöhnung war nicht möglich. » Die Empathie, um den Standpunkt eines anderen Menschen oder dessen Gefühle zu verstehen, war bei ihr unterentwickelt. «17 Es kam noch etwas hinzu, was Tom Lipton, ein mit ihr befreundeter Fotograf und späterer Opernadministrator, der sie in Bayreuth aus nächster Nähe beobachtete und ansonsten sehr schätzte, so zusammenfasst : » Friedelind hat Menschen sofort fallengelassen in dem Augenblick, wo sie empfand, daß ihre führende Position oder › Exklusivität ‹ ihr keine Vorzüge mehr brachte, oder aber ihren Einfluß auf sie minderte. «18 Es gäbe eine Reihe psychologischer Erklärungen hierfür : ihre » natürliche « Dominanz, die sie bereits als Kind besaß, der ständige Kampf darum, von der Mutter geliebt und akzeptiert zu werden, ihre ungesicherte berufliche Position, die eine gesteigerte Suche nach Anerkennung zur Folge hatte, das Bewusstsein, als Wagner-Enkelin von vornherein eine herausgehobene Rolle zu besitzen, die langjährige Isolation als Emigrantin und anderes mehr. Vergleicht man die Einschätzung Liptons mit der Aussage zweier Teilnehmer : » 1961 dachte ich, ich sei im Himmel gelandet « oder » Wir alle, die wir von ihr ausgesucht wurden, schulden ihr Dank für 350

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ihren Einsatz für unsere Person und unsere Karriere «19, wird die Spannbreite ihrer Aktivitäten deutlich. Sie hatte den Mut, Spitzenkräfte zu engagieren, und blieb ihrem Streben nach höchster Qualität treu. Dafür nahm sie endlose Geldquerelen in Kauf, wobei es ihr nie um eine persönliche Bereicherung ging. Ihre Stärke war der selbstlose Einsatz, den sie in das berufliche Fortkommen ihrer Schützlinge investierte. Sie kämpfte wie eine Löwin für viele von ihnen, und einige durchliefen später eine bedeutende Karriere, was auf ihre glückliche Hand bei der Auswahl von potenziellen Spitzenkräften hinweist. Einer von ihnen war der 1944 auf Kuba geborene New Yorker John Dew. Der Kunsthistoriker und Bühnenbildner kam 1966 nach Bayreuth ; anschließend arbeitete er unter anderem als Regieassistent an deutschen Theatern. 1967 hospitierte er durch die Vermittlung Liselotte Heubergers, der langjährigen Freundin Friedelinds und » Chaufferin « der Meisterklassen, bei Walter Felsenstein an der Komischen Oper Berlin, entwarf Bühnenbilder für Die Zauberflöte im südafrikanischen Durban und führte dann in Ulm erstmals Regie. Er wurde Oberspielleiter in Bielefeld, anschließend Generalintendant in Dortmund und ist derzeit als Intendant des Staatstheaters Darmstadt tätig. » Sie schrieb mir, jemand, der so verrückt ist, von Oxford nach Paris zu trampen, ohne sicher zu sein, mich dort auch wirklich anzutreffen, klingt nach einer Person, die genau in meine Meisterklasse passt «, berichtet Dew. Für ihn waren die Meisterklassen ein wichtiger Faktor in seiner Karriere, wobei ihm die Probenbesuche das meiste gaben.20 Auch andere Teilnehmer wie Jonathan Dudley waren überzeugt, durch die Meisterklassen auf den richtigen künstlerischen Weg gebracht worden zu sein. In einer nordamerikanischen Kleinstadt aufgewachsen, wurde ihm als Dirigierstudent empfohlen, sich um die Aufnahme zu bemühen. Friedelind lud ihn zu einem Gespräch ein, und es wurde über alles geredet, nur 1960 bis 1966

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nicht über Musik. Er wurde aufgenommen – vermutlich weil sie ihn sympathisch fand und sich auf ihre Intuition verließ, die sie nicht täuschen sollte. Für ihn wie auch für Dew war der Unterricht, der in Bayreuth erteilt wurde, nicht so wichtig wie die Einbettung in die Festspiele. Er erlebte 1961 nicht nur sämtliche Generalproben, sondern auch die Aufführungen selbst, sei es im Orchestergraben, von der Bühnenseite her oder in der Familienloge. Diese Erfahrungen blieben ihm unvergesslich.21 Die Liste der später erfolgreichen Künstler, die von den Meisterklassen profitierten, ist lang. Pamela Rosenberg wurde Intendantin der Berliner Philharmoniker. Der 1932 geborene ungarisch-amerikanische Dirigent Peter Erős floh während des ungarischen Aufstandes aus seiner Heimat und arbeitete in Amsterdam mit dem Concertgebouw-Orchester sowie als Assistent von Otto Klemperer bei Opernaufführungen am Holland Festival ; 1960/61 assisterte er Hans Knappertsbusch in Bayreuth. Abe Polakoff war von Beruf Ingenieur, hatte ein Gesangsstudium absolviert und sang aus Liebe zur Musik in einer Amateur-Operngesellschaft in New York. Freunde von Friedelind empfahlen ihm, ihr vorzusingen. » Ich hätte nie gedacht, dass eine solche Gelegenheit so eine Auswirkung auf meinen künftigen Beruf haben würde. « Er fuhr ins Ansonia Hotel, das ein Probenzimmer besaß, da dort viele Musiker abzusteigen pflegten, und trug ihr Arien vor. Sie lud ihn spontan zu den Meisterklassen ein, aber da sie kein Stipendium für ihn auftreiben konnte, war er zu seinem Bedauern nicht in der Lage, die Einladung anzunehmen. Kurz darauf gewann er einen prestigereichen Gesangswettbewerb ( von 1000 Bewerbern und Bewerberinnen gab es nur fünf Preisträger ), dessen Preis ein Engagement in Mailand war. Friedelind schlug ihm vor, in Bayreuth ihren Brüdern vorzusingen. » Das gab meiner Gesangskarriere zu einem sehr kritischen Zeitpunkt eindeutig einen großen Auftrieb. Nun hatte ich zu wählen zwischen der 352

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Dauerstelle als Ingenieur und den unregelmäßigen Engagements an einer Opernbühne. Später erfuhr ich, dass solche Ermutigungen typisch für Friedelind waren. Wenn sie an einen Künstler glaubte, war sie wie eine hingebungsvolle Mutter, von enormer Hilfsbereitschaft, die einer Verpflichtung nie aus dem Wege ging. «22 Die Sängerin und Pianistin Patricia Sage, die 1962 und 1963 dabei war, geriet durch ihr Debüt als Grimgerde in der neu etablierten Lyric Opera in Chicago in Friedelinds Blickfeld. Sie erhielt durch die Meisterklassen so viele Anregungen, dass sie selbst eine Ausbildungsinstitution schuf. Ihr Theaterprojekt The American Center for Musical Arts Wagner Theater Project ( ACMA ) führt begabte Sänger und Sängerinnen an das Opernrepertoire heran, wobei das Schwergewicht auf Wagner-Opern liegt. Minderheiten und Teilnehmer aus vernachlässigten Stadtteilen werden von ihr besonders gefördert ; das Theater steht im New Yorker Stadtteil Harlem. » Ich versuche mit Herz, Leidenschaft und innerer Beteiligung Friedelinds Fußstapfen zu folgen, um etwas von den unglaublichen Geschenken zurückzugeben, die sie mir und uns allen gab ! … Sie  war ein phänomenaler Mensch, eine große Künstlerin, eine leidenschaftlich mitfühlende Frau und eine wunderbare Freundin – meine Erinnerungen an sie sind so lebendig, wie sie es war, und ich schulde ihr etwas, das nur dadurch zurückbezahlt werden kann, indem ich mich anderen Menschen und ihren Begabungen widme ! «23 Auch der Dirigent Lawrence Foster nahm 1961 und 1962 an den Meisterklassen teil. Ende der Sechzigerjahre arbeitete er als ständiger Gastdirigent beim Royal Philharmonic Orchestra und stand seitdem am Pult zahlreicher namhafter Orchester und Opernhäuser in Europa, darunter aller Londoner sowie der sechs führenden amerikanischen Orchester. Er war Musikdirektor des Aspen Music Festivals und der Symphonieorchester von Barcelona und Jerusalem. Gegenwärtig ist er 1960 bis 1966

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Chefdirigent des Gulbenkian-Orchesters Lissabon. 1998 leitete er die Weltpremiere und weitere Aufführungen von Paul McCartneys Oratorium Standing Stone. Der Bühnenbildner John Conklin hatte schon am Broadway Erfolg gehabt und wurde später international bekannt. Der Amerikaner Siegfried Schoenbohm bekam 1962 ein Stipendium für Bayreuth. Er war Opernregisseur, arbeitete ab 1966 als Assistent von Walter Felsenstein und führte danach in Kassel, Freiburg und Heidelberg Regie. Als Gast war er in Hamburg, Essen und Bonn tätig ; in Bonn inszenierte er Wagners Ring. Die bereits erwähnte Ella Lee wurde 1965 als » Woman of the Year « in Kalifornien geehrt. Sie übernahm führende Rollen in San Francisco und Chicago sowie auch an europäischen Häusern und wird von Kurt Pahlen in seinem Buch über Sänger als eine Weltklassesängerin gefeiert.24 Ein weiterer Absolvent war der Sänger John Moulson, der in Atlanta studierte und in den Meisterklassen Felsenstein kennenlernte, der ihn 1961 an die Komische Oper verpflichtete, wo er über 30 Jahre lang blieb. 1966 sang er den Don Ottavio in der Fernsehversion des von Felsenstein inszenierten Don Giovanni. Abe Polakoff ging nach Zürich, Gretta Harden nach Flensburg, Patricia Sage nach Münster und München, wobei sie beide Engagements dem Einsatz Friedelinds verdankte, die mithilfe ihrer Kontakte für ihre Schüler Reklame machte. Emily McKnight erhielt eine Einladung nach Luzern, Betsy Davidson nach Heidelberg. Frances Martin sang in Darmstadt, Coburg und Münster. Mary MacKenzie wurde zu einer in den USA geschätzten Konzertsängerin, und Grace de la Cruz wurde in Bremen engagiert. Der US-Geiger Isidor Lateiner spielte unter anderem mit den Berliner Philharmonikern und dem niederländischen Concertgebouw-Orchester und unterrichtete am Konservatorium von Den Haag. Noch ein Stipendiat, nämlich der Regisseur Lotfi Mansouri, brachte es in der Musikwelt weit. Er entstammte der irani354

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schen Aristokratie und übernahm aufgrund seiner Ähnlichkeit mit Enrico Caruso 1956 die Hauptrolle in dem Film The Day I met Caruso. Er studierte unter anderen bei Lotte Lehmann und arbeitete bis 1966 als Regisseur in Zürich. Friedelind suchte in Los Angeles jemanden, der ihr bei der Auswahl der Bewerbungen behilflich sein konnte. Mansouri war ihr durch Lotte und das Ehepaar Zweig empfohlen worden, und Zweigs Ehefrau Tilly de Garmo unterrichtete ihn in Gesang. Friedelind erkannte sein Talent, und nach Beendigung seiner Assistenz bot sie ihm eine Stipendium an. Diese Chance, Wielands Regiearbeiten aus nächster Nähe zu erleben, nahm er freudig an. » Bayreuth sollte stimulierend und und erhebend auf mich wirken – aber zugleich höllisch frustrierend «, schreibt er.25 Als angehender Regisseur interessierten ihn in erster Linie die Aufführungen ; die Referate, Vorträge und Seminare waren für ihn eher nebensächlich. Er sah die legendäre Parsifal-Inszenierung mit Régine Crespin und Thomas Stewart, die 1951 ein großes Aufsehen erregt hatte und bis 1973 im Spielplan blieb. » Tag für Tag fegten mich Chor und Orchester von den Füßen mit ihrem ausdrucksstarken und engmaschigen Klang. « Es passte ihm weniger, dass die Gruppe zu Wagners Grab geführt und bei Winifred eingeladen wurde, die die Klasse » Drachenfrau « taufte. Ihm missfielen auch die Vorträge des Wagner-Biografen Robert Gutman, der in engen Jeans und einem bis zum Nabel aufgeknöpften Hemd herumlief und Mansouri zufolge aus Wagners Leben eine Seifenoper machte. ( 1970 erschien Gutmans Wagner-Biografie, in der er jegliche Heldenverehrung vermeidet und immer wieder auf Wagners Antisemitismus im Werk hinweist, wobei er manche Annahmen bewusst provozierend formuliert. Wolfgang war über das Buch entsetzt und gab Friedelind die Schuld für das, was darin stand, Gertrud Wagner hingegen war von der Lektüre begeistert.26 ) Schwänzte man die Vorträge, wurde man mit dem Entzug der Generalprobenkarten bestraft. Mansouri 1960 bis 1966

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schaffte es dennoch mehrfach, sich hineinzuschmuggeln. Wie Friedelind war er ein Fan von Felsenstein und fand dessen Inszenierung des Schlauen Füchsleins eine der brillantesten, die er je gesehen hatte.27 Nach Aussage eines Meisterschülers sei es Friedelinds großer Traum gewesen, unter den von ihr ausgesuchten und geförderten Künstlern und Künstlerinnen eine Weltklassebegabung zu entdecken28 – etwas, was ihr mit Michael Tilson Thomas tatsächlich gelang, der als Dirigent und Komponist eine Weltkarriere machte. Er mochte Friedelind sehr, was wohl daran lag, dass sie seiner Meinung nach eine ebensolche » leidenschaftliche Exzentrikerin « war wie er ( » passionate eccentric « ). In Bayreuth wurde er spontan als Korrepetitor engagiert, weil man damals in Not war ; er half Pierre Boulez bei seiner Produktion des Parsifal, und bald darauf wurde er ganz übernommen, was eine Ehre für den jungen Musiker war. Er lernte dort das Wagner’sche Repertoire kennen. Friedelind verpflichtete ihn zu einem Klavierabend in Wahnfried mit ausschließlich neuer Musik ( Ives, Copland und andere ), was er nicht ausschlagen konnte und wofür er » wahnsinnig üben « musste.29 1971 veröffentlichte die New York Times einen neunseitigen euphorischen Bericht über die bislang rasante Karriere des damals Sechsundzwanzigjährigen. Er hatte zwei Jahre zuvor ein Konzert übernommen, als der Dirigent William Steinberg während der Proben erkrankte. Friedelind förderte auch ihre Dozentinnen nach Leibeskräften. 1966 sorgte sie sich um ein Gastspiel von Hanne-Lore Kuhse in den USA, kümmerte sich um Werbung für sie, plante, am 4. Juni 1966 nach Leipzig zu reisen, um sie als Donna Anna zu hören, und bat Freunde, das Werbematerial » strategisch « in und um Philadelphia herum zu verbreiten. Einen Liederabend, den die Sängerin in Bayreuth gegeben hatte, wollte Friedelind als Schallplatte vermarkten, und sie bemühte sich erfolgreich um die Rechte an den Wesendonck356

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Liedern, die sie original mit Klavierbegleitung aufnehmen sollte. Im Januar 1961 musste sie bis zum Mai mindestens 25 000 Dollar auftreiben. Sie wollte nicht mehr bei den großen Stiftungen betteln gehen, sondern lieber unabhängig bleiben. » Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger will ich Geld von der Ford-Stiftung. «30 War dies eine Schutzbehauptung, die aus der Sorge vor möglichen Absagen erwuchs ? Zur Überzeugung geworden, erwies sie sich als sträflich, denn die Defizite stiegen. Wolfgang plante, die Ausgaben von ihrem Erbe abzuziehen, da sie immer wieder Rechnungen unbezahlt liegen ließ, die dann bei ihm landeten. Für den pragmatisch denkenden Bruder war ihr Verhalten eine Qual. Um Geld aufzutreiben, nahm ihr » Pianist-in-residence « Bruce Hungerford Klavierwerke von Wagner auf zwei Langspielplatten auf, die für 25 Dollar an den Meisterklassen-Förderverein verkauft wurden.31 Die Herstellung war allerdings so aufwendig gewesen, dass sie dadurch nun » bis zum Halse voller Schulden « steckte.32 So lieh sie sich dafür von Winifred Geld und verschob die eingehenden Summen an ihre Mutter.33 In ihrer gewohnt nonchalanten Art ließ sie oft im Festspielrestaurant anschreiben und verschwand am Ende der Saison, ohne zu bezahlen.34 Da sie das Spiel mit den Medien beherrschte und mit US-Musikjournalisten von Times, New York Herald Tribune, Opera News und Saturday Review vernetzt war, hoffte sie, dass deren Unterstützung sie bekannter machte und Spenden leichter fließen würden. Irgendwie schaffte sie es, die Kurse aufrechtzuerhalten, doch fehlte letztlich eine professionelle Organisation. Warum musste sie sich persönlich um die Unterkünfte kümmern, warum mit den Meisterschülern persönlich nach Ostberlin fahren, anstatt deren Begleitung hin und wieder anderen anzuvertrauen, warum korrespondierte sie selbst mit jedem einzelnen Bewerber ? Sicher nicht nur, weil die Brüder nicht daran interessiert waren, ihr beizustehen, 1960 bis 1966

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sondern auch, weil sie die Übersicht behalten wollte und nur schlecht delegieren konnte. Die Finanzierung ihrer Unternehmungen war ihr zwar wichtig, aber der Gedanke an das nötige Geld überwucherte niemals ihre künstlerischen Vorstellungen. Im Gegenteil blieb Geld für sie immer lediglich ein Mittel zum Zweck. Niemals hortete sie es, um sich eigenen Luxus zu ermöglichen. Dies hätte man Alfred Kaine klarmachen müssen, ebenso wie Friedelind hätte lernen müssen, andere nicht auszunutzen, besonders wenn diese jede Mark umdrehen mussten. Der gegenseitige Mangel an Einblick erzeugte manche seelische Wunde. Zieht man eine Gesamtbilanz der Meisterklassenjahre, überwiegen die positiven Effekte. Nimmt man beispielsweise das Jahr 1965, so hatten die Studierenden das erregende Erlebnis, Weltklassesänger wie Birgit Nilsson, Wolfgang Windgassen, Leonie Rysanek, Hans Hotter und Jess Thomas unter dem Dirigat von Karl Böhm und André Cluytens zu hören und zu beobachten. Sie diskutierten mit Walter Felsenstein, sahen die Proben zu Wielands legendärem Tristan, mit einem von dem britischen Bildhauer Henry Moore beeinflussten Bühnenbild und einer genialen Lichtregie. Wielands achtzehnjähriger Neffe Gottfried war tief beeindruckt : » Mir wurde fast schmerzlich bewußt, wie groß die künstlerische Kluft zwischen Wieland und Wolfgang war. «35 Wo auf der Welt hätten junge, aufstrebende Künstler Gleichwertiges erleben können, wo wäre es sonst möglich gewesen, aus erster Hand eine effizient organisierte musikalische Institution mit künstlerischem Weltruf so hautnah zu erleben ? Hier konnten sie sich erstmals intensiv dem Wagner’schen Werk widmen, und viele von ihnen merkten, wie zentral die Beschäftigung mit Wagner für das Verständnis der westlichen Musik war. Friedelind lebte in diesen Jahren nur für ihre Meisterklassen. Sie war häufig in den USA und darüber hinaus unterwegs und machte dort weiter Reklame für das Projekt. Im Mai 358

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1963 bereiste sie beispielsweise Vancouver, Los Angeles, San Francisco und Chicago, hielt 15 Vorträge, acht Radioansprachen und stand für zwei Fernsehinterviews zur Verfügung, dazu ständige Prüfungen von Bewerbern.36 Wieland plante einen Besuch in den USA, wo er Regie führen wollte, und Friedelind hatte schon ein » Friends of the Master Classes «-Festessen organisiert, damit die Teilnehmer mit ihm diskutieren konnten.37 Er erkrankte jedoch, verließ zwar im Herbst die Münchner Klinik und hielt sich in Wahnfried auf, musste aber rasch wieder ins Krankenhaus zurückkehren. Nichts von der Schwere seiner Krankheit ahnend, besuchte ihn Friedelind kurz vor seinem Tod in München und war – mit Ausnahme der Kinder, die bis zu seinem Tod bei ihm waren – diejenige, die ihn als Letzte aus der Familie noch lebend sah.38 » Dabei merkte ich, wie hoffnungslos sein Zustand ist, auch als einzige unter Familie und Freunden. Ich log heroisch und mit Erfolg ! « Es war für alle ein großer Schock, als man begreifen musste, dass es sich um eine tödliche Erkrankung handelte. Der Sommer 1966, in dem Wieland im Sterben lag, war für Friedelind eine Anfechtung. » Keiner aus der Meisterklasse wusste darüber Bescheid – nur ein einziges Mal verlor sie in dieser Zeit ihre Fassung, ansonsten hatte sie ihre privaten Gefühle unter ständiger Kontrolle «, schreibt einer ihrer Zöglinge.39 Wieland verstarb am 17. Oktober 1966 an einem Lungenleiden. Nach den offiziellen Beerdigungsfeierlichkeiten suchte Friedelind demonstrativ die Sängerin Anja Silja auf, die  aus naheliegenden Gründen von den Kindern Wielands und Gertruds abgelehnt wurde. Die Geliebte Wielands schrieb : » Ich durfte ihn nicht auf dem Weg zum Friedhof begleiten. Erst später ging ich, nur in Begleitung von Friedelind Wagner,  die eigens von der privaten Trauerfeier zurückgekommen war, um mich abzuholen, an das Grab. Einige Bayreuther waren noch dort und ein Fotograf, der mir aufgelauert hatte. «40 Weihnachten lud Friedelind sie nach Nußdorf ein, wo sie bei 1960 bis 1966

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Verena und ihrer Familie Trost suchte und fand. Dieses Verhalten war typisch für Friedelind, die ihr Leben lang allen Nichtkonformen und Gegnern der offiziellen Linie zugetan war und mit der Sängerin zeitlebens befreundet blieb. Sie gab der Times ein Interview, in dem sie Inszenierungen ihres Bruders als richtungsweisend bezeichnete, hinter die man nicht zurückgehen könne, aber sie blieb auch kritisch und lehnte eine Kanonisierung seines Schaffens – also die Übernahme seiner Ideen in standardisierter Form – ab. Überzeugt, dass er seinen Stil noch ausbauen wollte, dürfe man das, was er hinterlassen habe, nicht als etwas Endgültiges betrachten. » Die Essenz seiner Arbeit ist, dass er versuchte, zum Kern der Arbeiten zu dringen, bei denen er Regie führte. Er stellt die Fragen, die wir uns früher gar nicht zu stellen wagten, und unsere menschlichen Probleme bleiben gleich. « In seinen Produktionen nahm sie einen tiefen Pessimismus wahr, und sie zitierte ihn : » Meine Generation hatte keinen Grund, optimistisch zu sein «.41 Beide Geschwister hatten den Krieg aus unterschiedlicher Perspektive erlebt, waren aber zu den gleichen Ergebnissen gekommen. Auch für sie, wie für die gesamte Musikwelt, war Wielands Tod ein plötzlicher Schock. Die Presse würdigte noch einmal seinen Mut, mit der traditionellen Wagner-Ästhetik gebrochen und 1951 einen Neuanfang gewagt zu haben. Die Wochenzeitung Die Zeit vermerkte, dass die sogenannte moderne Operninterpretation sich seit 1950 » zwischen Walter Felsensteins realistischem und Wieland Wagners visionär-psychologischem epischen Musiktheater « im In- und Ausland manifestiert habe.42 Beide wurden auf eine Ebene gestellt, und sie prägten die Opernästhetik dieser Jahre gleichermaßen. Friedelind spürte, dass sich nach Wielands Tod eine schmerzhafte Lücke auftat : » Es klingt scheußlich, aber ich weiß wirklich nicht, was ich Mama schreiben soll oder könnte. Die Distanz scheint größer und unüberbrückbarer denn je – 360

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auch der Abschied war direkt unheimlich, Wolf im Festspielhaus, Gertrud in Wahnfried, Mama in ihrem Haus – gerade diese Dreierkonstellation zu hinterlassen war wirklich angsterregend. « Sie hatte auch vernommen, dass für Winifred niemand anderes als Nachfolger infrage kam als Wolfgang : » Mama denkt, dass er der einzig Berufene ist und sie einer neuen goldenen Tietjen-Neuzeit entgegensieht. «43 Die Meisterklassen existierten noch ein Jahr nach Wielands Tod 1966, bis Wolfgang die alleinige Kontrolle über Bayreuth erhielt. » Im Jahr 1967 bestanden so viele Schulden, und ich hatte privat für Friedelind bereits vorher so zahlreiche Bürgschaften übernommen, dass aufgrund eines derartigen materiell-organisatorischen Desasters das Unternehmen Meisterklassen sang- und klanglos endete «, schrieb er.44 In der Tat belasteten die Geldsorgen die Meisterklassen : Friedelind musste 1966 zugeben, dass ihr Kreditrahmen bei den Banken ausgeschöpft war. Sie verlor sogar einige der Lehrenden, weil diese zu lange auf ihr Geld warten mussten. Auch wurde sie wegen Leih- und Transportgebühren für zwei Flügel 1965 mit Zahlungsbefehlen belegt. Sie hatte eine zwei Jahre alte Rechnung einfach ignoriert.45 Da machte es Wolfgangs abrupte Kündigung ihr leicht, ihm die Schuld zuzuschieben, an der sie aber auch durch ihre Nachlässigkeit in Gelddingen beteiligt war. Er warf ihr wiederum vor, » vollmundig « erklärt zu haben, dass die Meisterklassen nach dem Tod Wielands uninteressant geworden seien. In seiner » Lebens-Akte « schreibt er leicht vergrätzt : » Dieser Ton und dieses Deutungsmuster war ganz von dem Schlag, dessen sich sinngemäß auch andere Mitglieder meiner Familie nach Bedarf bedienten ( und bedienen ), wenn in und um Bayreuth etwas nicht so ablief, wie sie es sich zu ihrem Benefiz ausgedacht hatten. «46 Gleichzeitig musste Friedelind erleben, dass ihre Mutter ihr  Haus in Oberwarmensteinach verkaufte und den Erlös ( DM 100 000 ) Bodo Lafferentz gab. Kurz zuvor hatte Winifred 1960 bis 1966

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Verena ihr Haus in Nußdorf vermacht. Friedelind ging leer aus.47 Es findet sich allerdings kein einziger Hinweis darauf, dass sie das geärgert hätte – sie nahm es einfach hin. Zurück in den Staaten, berührte es sie zu sehen, wie eine ganze Gesangsgeneration nach und nach abtreten musste und langsam, aber sicher von jüngeren Sängerinnen wie Marilyn Horne und Joan Sutherland überholt wurde. 1966 beschloss die Gesellschaft der Metropolitan Opera, das Haus an seinen heutigen Standort im Lincoln Center zu verlegen. Bevor das alte Gebäude abgerissen wurde, gab es eine festliche Galaveranstaltung. Die Feier begann um 18 Uhr mit einem Abendessen in der Oper und endete um zwei Uhr morgens nach der letzten Nummer. Friedelind war als Ehrengast dabei – eine Eintrittskarte zum Preis von 200 Dollar hätte sie sich nie leisten können. » Samstag haben wir die alte Met begraben, es war ein unbeschreiblicher Zirkus – 60 alte Stars und 60 augenblickliche Stars. Die Alten marschierten rein, zum Jubel und Entzücken des brüllenden Publikums, einer nach den anderen, alphabetisch, [es] fing mit Marian Anderson an, Lotte Lehmann, Elisabeth Rethberg unter ihnen. Dann kam die Parade der singenden Primadonnen und Primesignori – und eine Primadonna versuchte natürlich, die andere an Garderobe und Juwelen zu übertreffen. Himmlisch komisch ! Fast alle wie die Zirkuspferde. «48 Ihr Verhältnis zu Lotte Lehmann war weiterhin gemischt – vielleicht war Konkurrenz im Spiel, da Letztere ebenfalls Meisterklassen leitete. Anlässlich eines Aufenthalts in Kalifornien ( die Sängerin lebte in Santa Barbara ) schrieb Friedelind : » Da sie immer nur unfreundlich mir gegenüber war, habe ich sie nicht besucht. Sie ist sozusagen die Königin dort – von mir aus ! «49 In dem Vakuum, das nach Wielands überraschendem Tod in der Festspielleitung entstand, blieb einige Monate lang unklar, ob Wolfgang sie tatsächlich übernehmen würde. Friedelind war überzeugt, dass es genügend hochqualifizierte und 362

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talentierte Individualisten in der nachfolgenden Wagner-Generation gab. Sie bezeichnete sie alle als musikalisch und an Bühnengestaltung und -produktion interessiert und meinte, sie könnten jederzeit einsteigen.50 Auch ihr Schwager Bodo schrieb an Wolfgang und machte einen Vorschlag zur Neuregelung der Nachfolge. » Verena hat den Wunsch, dass nicht nur die männlichen, sondern auch die weiblichen Familienmitglieder in Betracht gezogen werden sollten, soweit sie über die erforderliche Begabung verfügen und für dieses schwierige Amt geeignet sind. « Immer wieder versuchte Verena, etwas für ihre Schwester zu tun, doch Wolfgang sperrte sich. Er wollte endlich die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten in völliger Freiheit ausprobieren. Die Schwestern hatten nach seiner Meinung in der Leitung der Festspiele nichts zu suchen, ebenso wenig wie seine Kinder oder die Nachkommen Wielands. Wolfgang entschied letztendlich, weder Wolf Siegfried, Nike, Eva noch Gottfried und schon gar nicht die eigene Schwester für die Nachfolge in Bayreuth in Betracht zu ziehen, sondern alleine weiterzumachen. Auf einer Pressekonferenz wies er auf den 1962 mit Wieland fixierten Gesellschaftsvertrag hin, der vorsah, dass im Todesfall des einen Bruders der andere allein die Festspiele weiterführen und den Angehörigen des Verstorbenen den Lebensunterhalt mit einer Monatsrente sichern solle. Er konnte somit die Verantwortung für den Wieland-Stamm in die Waagschale werfen. Es war seine Chance, endlich aus dem Schatten des künstlerisch herausragenden Bruders hervorzutreten und eigene Konzepte zu entwickeln. Er kündigte an, neuen Kräften mehr Raum zu geben, und nannte die Regisseure August Everding und Giorgio Strehler, die er verpflichtet habe beziehungsweise mit denen er in Verhandlungen stehe. Ferner deutete er düster an, dass nach dem Tod seiner Mutter, die jetzt allein Vorerbin und Eigentümerin des Unternehmens sei, eine Zersplitterung des Eigen1960 bis 1966

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tums durch die vier Wagner-Stämme erfolgen könnte, was es zu verhindern galt. Was die Meisterklassen betraf, zweifelte Friedelind keinen Moment lang daran, sie fortsetzen zu können. Von Bayreuth aus organisierte sie Interviews mit Bewerbern und Bewerberinnen in New York und bemühte sich um Ankündigungen in der Presse. Erfreut übernahm sie einen Artikel aus der prestigereichen Times, die die Klassen lobte, als Aufhänger für ihre Programmbroschüre. Zusätzliche Einnahmen erhoffte sie sich durch den Plan, interessierte Touristen einzubeziehen, die beim Unterricht hospitieren dürften. Die Schallplatten mit Klavierwerken Wagners, die sie herstellen ließ, verkauften sich recht gut.51 Doch die Lücke zwischen den Einnahmen und den Ausgaben blieb unverändert groß. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, damit aufzuräumen. Eine Zeitung berichtete : » Zu der Ansicht von Friedelind Wagner, dass sie politisch und finanziell wesentlich dazu beigetragen habe, dass die Festspiele nach dem Krieg wieder stattfinden konnten, meinte Wolfgang, er wolle den missionarischen Eifer seiner Schwester nicht schmälern. Die Fakten sprächen aber nicht unbedingt für sie. Seit dem Bestehen der Festspiel-Meisterklassen, die Friedelind ins Leben gerufen habe, seien aus diesem Unternehmen 5000 Mark den Festspielen zugeflossen. › Das sind weniger als 0.08 v. H. von dem, was unsere wirklichen Mäzene von der Gesellschaft der Freunde Bayreuths im gleichen Zeitraum aufgebracht haben. ‹ «52 Der Hieb saß. Der Festivalchef bestand nun auf einer » Überprüfung der vertraglichen Verhältnisse und der Loyalität der sogenannten Meisterklasse gegenüber den Festspielen «. Das war der Todesstoß, denn Wolfgang spielte damit auf Friedelinds Solidarität an, und die ließ bekanntlich zu wünschen übrig, da sie sich den Mund nicht verbieten ließ und Rücksichtnahme oder Takt nicht zu den von ihr gepflegten Eigenschaften gehörten. Die Schließung der Klassen war ein schwe364

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rer Schlag für sie, hatte sie doch Herz und Seele investiert. Es verbitterte sie außerdem, dass Wolfgang nach ihrer Ansicht alles getan hatte, » um uns finanziell zugrunde zu richten : so musste ich in den letzten 2 Jahren für über 22 000 Mark Karten kaufen, weil meine Schüler sonst keine Aufführungen hätten sehen können. In den ersten Jahren bekamen wir immer Treppen- oder Turmkarten umsonst. «53 Abgesehen von dem schmerzhaften Verlust ihres Lebensinhaltes musste sie es ertragen, dass ihr der jüngere Bruder damit zeigte, wer Herr im Hause war.

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14 Turbulenter Geschwisterstreit 1967 bis 1970

Das Spiel war aus. Die Meisterklassen fanden 1967 zum letzten Mal statt, und Friedelind war erneut – wie 1941 – eine Außenstehende, eine, die nicht dazugehörte, die keine wahre Heimat hatte und sich wieder einmal ein neues Leben aufbauen musste. Hinzu kam, dass 1965 die NPD gegründet wurde, eine rechtsradikale Partei, in der zahlreiche Altnazis saßen. In Bayreuth brachte es die NPD bei den Wahlen auf stattliche 13,6 Prozent, was Winifred zu dem Ausspruch veranlasste : » Ja – der Ausgang der Wahlen war wirklich überraschend – hoffentlich bewähren sich die Vertreter der NPD nun auch. Zum Ausmisten ist es ja wirklich an der Zeit ! «1 Ihre Gedanken waren oft bei der Vergangenheit : » Für mich bleibt die Zeit von 33 – 39 immer noch die Beste ! ! «2 Hierzu passte, dass der Altnazi Hans Severus Ziegler, der gerade sein Buch Hitler aus dem Erleben veröffentlicht hatte, eine Vorlesungsreihe an der Volkshochschule Bayreuth hielt. In dem Buch charakterisiert er Hitler als gebildeten, geistig interessierten Menschen. 1938 hatte er die perfide NS-Ausstellung » Entartete Musik « organisiert. Als die Stadt nach Erscheinen des Buches jedes weitere Auftreten Zieglers verbot, lud Winifred ihn zusammen mit etwa 80 Interessierten zu sich ein, die auch alle erschienen.3 Es war irritierend für die Toch366

ter mitzuerleben, wie Winifred ihre alten Freundschaften mit ehemaligen Nazibegeisterten weiterführte. Sie machte Friedelind gegenüber auch nie einen Hehl aus ihrem Freundeskreis. Edda Göring, Ilse Heß, Gerdy Troost ( die Frau des NS-Architekten Paul Ludwig Troost und selbst Architektin ) gingen bei ihr ein und aus. Hinzu kamen die umstrittene Filmemacherin Leni Riefenstahl, die die Parteitage in Nürnberg mit ihren Filmen so aufgewertet hatte, der britische Faschistenführer Oswald Mosley sowie der damalige NPD-Vorsitzende Adolf von Thadden. Der oben erwähnte Hans Severus Ziegler gehörte ebenfalls zu der trauten Runde. Sie traf auch Ernst Röchling, dessen Vater, der Industrielle Hermann Röchling, im engen Vertrauensverhältnis zu Hitler gestanden hatte und 1935 dem Rüstungsbeirat des Reichswehrministeriums beigetreten war. Vater und Sohn wurden nach dem Krieg wegen ihrer NS-Überzeugungen und -Kontakte verhaftet, kamen aber bald frei. Winifred scheute sich nicht, zu ihrer Überzeugung zu stehen, ebenso wenig wie Friedelind, die mit ihrer politischen Position in hartem Kontrast zu ihrer Mutter stand. Im September 1965 kam es in Bayreuth zu einer Anti-Grass-Demonstration : Der Schriftsteller Günter Grass hatte sich politisch für die SPD engagiert, und Willy Brandt war bei einer Wahlveranstaltung von den lautstarken Protestlern aufgefordert worden, » er möge dem lauthals politisierenden Poeten sein Vertrauen entziehen «. Brandt dachte nicht daran, sondern trat mit Grass und weiteren illustren Gästen bei der Demonstration auf, darunter Hans Werner Henze, Fritz Kortner, Ingeborg Bachmann, Bernard Wicki und eben auch Friedelind, die die Veranstaltung zu einem » wahrhaften Medienspektakel « machten.4 Außerdem stand Winifred fest an der Seite ihres Sohnes. Während der Festspiele scheuchte sie die Tochter von ihrem Sitz in der Familienloge – Friedelind hatte wieder zu vielen Freunden den Eintritt versprochen und saß nun auf einem 1967 bis 1970

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Platz, der anderweitig vergeben war. Im Juni beschwerte sich Winifred bei Verena mit einem Durchschlag an Friedelind über ein Gespräch Friedelinds mit dem Oberbürgermeister. Sie hatte sich für ihren deutschen Führerschein bedanken wollen und, so die Mutter, » dabei sinngemäß geäußert, dass jetzt ihr Bruder Wolfgang seinem Hass gegen Wieland freien Lauf ließe ! Da der OB in dieser Äußerung berechtigterweise eine Haltung gegen den verantwortlichen Festspielleiter sieht, die so in die Öffentlichkeit getragen nur Schaden anrichten kann, hat er Wolfgang sofort davon unterrichtet. « Winifred schrieb sich auf fünf langen Seiten den Ärger von der Seele. Sie war der  Ansicht, man solle sich aus taktischen Gründen öffentlicher Meinungsäußerungen enthalten, da die Versorgung von Wielands Familie davon abhängig sei, dass Wolfgang die Festspiele leite. Auch Winifreds Pachtvertrag würde hinfällig, wenn die Festspiele nicht unter der Leitung eines Familienmitglieds stattfänden. Ihr kam gar nicht in den Sinn, dass Friedelind einspringen könnte : » Jegliche Erschwerung von Wolfgangs Arbeit – die eventuell sogar zu einem Ruin des Festspielunternehmens führen könnte, bedeutet also das Absägen eines Astes, auf dem wir sitzen. « Wieland habe zudem ernsthaft daran gearbeitet, Wolfgang von jeder künstlerischen Arbeit in Bayreuth auszuschalten, » und eine Zeitlang haben sich der OB und auch viele Mitglieder der Freunde Bayreuths in dieser Beziehung zu seinem Sprachrohr gemacht – ganz unverblümt auch mir gegenüber «. Jetzt hätten diese Herrschaften eingesehen, dass die im Vertrag vorgesehene Gleichbehandlung der Brüder sinnvoll gewesen war. Sie vermutete, dass Friedelind von Anja Silja beeinflusst worden sei ; Silja habe sich von Bayreuth getrennt, weil Wolfgang ihr zwar die bisherigen Partien weiter angeboten habe, nicht aber die des Evchen in den Meistersingern. Winifred glaubte nun, Friedelind habe dies als Hass gegenüber Wieland ausgelegt. Und sie schloss mit ihrem wichtigsten Anliegen : » wenigstens über die 368

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Festspielzeit hinüber nach AUSSEN hin eine Solidarität zu bewahren «5. Die Atmosphäre zwischen Friedelind einerseits und Wolfgang und Winifred andererseits konnte kaum schlechter sein. Sie behauptete nun, ihre Mutter habe Hitler 1938 sämtliche Wagner-Autografen schenken wollen. Dies ist nirgends belegt, und ihr Schwager Bodo Lafferentz, der um Ausgleich bemüht war, bat sie, diese Behauptung fallen zu lassen : » Das wäre ja ein völlig unsinniges Geschenk gewesen und praktisch auf eine Verstaatlichung des Archivs hinausgelaufen. Der Umweg über Hitler war damals also überflüssig und nicht notwendig, denn Hitler hätte es ja nur dem Staat übergeben können … Wenn Du also nicht ganz besondere Beweise konkreter Art hast, lass’ diese Behauptung fallen. «6 Beweise konnte sie nicht liefern, beharrte aber darauf, es selbst gehört und dagegen protestiert zu haben. Sie habe damals sogar ihre britische Freundin Lady Cholmondeley um einen guten Anwalt gebeten, um dagegen vorzugehen. Friedelind verlangte außerdem ein genaues Verzeichnis der Bestände, die sich im Familienarchiv befanden. Ihr war die bestehende grobe Auflistung zu ungenau. Sie wird sich über einen besonderen Erfolg in der offiziellen Wagner-Forschung gefreut haben : 30 Jahre nach dem Versuch, eine Wagner-Forschungsstätte unter der Kontrolle Bayreuths aufzubauen, die sich vor allem gegen Juden richtete, die angeblich in » planmäßiger Zersetzungsarbeit « Wagner demontieren wollten7, wurde nun der renommierte Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus von der Stiftung Volkswagenwerk beauftragt, einen historischkritisch gesicherten Text der Werke Richard Wagners als Gesamtausgabe herauszugeben. 1968 war für Friedelind vor allem deshalb ein bemerkenswertes Jahr, da sie ihren ersten offiziellen Regieauftrag in Deutschland erhielt und auch durchführte. Die Nichte des Generalmusikdirektors Bernhard Conz hatte vorgeschlagen, 1967 bis 1970

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sie zu einer Opernregie nach Bielefeld einzuladen, und da sein Haus die Sopranistin Patricia McGee engagiert hatte, die aus den Meisterklassen stammte, schrieb Conz : » Da ich auch persönliche gute Beziehungen zum Hause Wahnfried habe, könnte ich mir denken, daß wir Friedelind Wagner für die Regie von Lohengrin gewinnen könnten. Selbst bei einem gewissen künstlerischen Risiko, das nicht allzu groß wäre, da ich ja dabei bin, glaube ich, daß wir damit im besten Sinne eine Sensation erzielen würden. «8 Beim Vertragsabschluss stellte sie vorab zwei Bedingungen : Sie wollte mit den im Hause tätigen Künstlern – und nicht mit herbeizitierten Stars – arbeiten und forderte zwei volle Monate für Proben. Mit einem Honorar von DM 3500 plus Spesen hatte sie erstmals Gelegenheit, eine Oper auf deutschem Boden zu inszenieren, wenngleich in einer Stadt mit weniger als 200 000 Einwohnern. Sie und ihre Mitarbeiter bereiteten das Bühnenbild vor, probten mit den Sängern und Sängerinnen und erarbeiteten alle Details der Produktion. Zugleich nutzte Friedelind die Medien mit einer Fülle von Vorankündigungen. Sie hatte sich schon 1946 in einer USMusikzeitschrift kritisch zu amerikanischen Inszenierungen des Lohengrin geäußert. Der historische Bezug war für sie ebenso wichtig wie die dramaturgische Logik. So würde Ortrud oft wie eine » Zigeunerin « dargestellt und nicht wie die edle Tochter eines Königs. Auch Telramund würde meist als düsterer, älterer Mann mit schwarzer Perücke und schwarzem Bart gezeichnet. Er sei aber kein Bösewicht, sondern das unschuldige Opfer einer machthungrigen Frau. » Telramund ist schwach, aber nicht schlecht. « Es ärgerte sie auch, wenn Elsa anders als der Chor gekleidet war. Das Wunder sei doch gerade, dass Lohengrin im ersten Akt sofort wisse, wer sie sei, ohne ihre Sonderstellung an ihrer Kleidung erkennen zu können. Sie erinnerte noch daran, dass die Handlung im Antwerpen des 10. Jahrhunderts spiele » und nicht in den Ländern von Tausendundeiner Nacht «9. 370

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In den USA der Vierzigerjahre hatte es sie befremdet, mit ansehen zu müssen, wie wenig die Regisseure von dem Werk verstanden. Sie hingegen kannte Wagners Aufsätze, Briefe und Regieanweisungen genau. Es ärgerte sie, dass viele Opernhäuser alte und schäbig gewordene Bühnenbilder immer wieder verwendeten ; die Kostüme fand sie oft verfehlt, ebenso wie das Aussehen der Darsteller. Sie fühlte sich dem Werk Wagners wie auch dem Stilwillen Wielands gleichermaßen verpflichtet.10 » Ich versuche, das Zeitlose herauszuarbeiten, die C. G. Jungsche Interpretation – daran liegt mir am meisten. Natürlich ist Wieland das große Vorbild für mich. Ich will in seiner Richtung weiterdenken und hoffe, nicht steckenzubleiben. «11 Getreu ihrer häufig geäußerten Meinung, dass man Opern nicht auf dem Stand der » alten Garde einfrieren « könne und dass andererseits die Tendenz, alle Traditionen wegzuwischen, nicht im Geiste Wagners stehe12, versuchte sie einen Mittelweg. In einem Vortrag bezeichnete sie sich selbst und alle Angehörigen der Wagner-Familie als typische Einzelgänger, als Nonkonformisten, die einzig und allein der Kunst dienten. In ihrer Arbeit strebe sie das gleiche Ziel an wie ihr Bruder Wieland : Sie wolle eine tiefenpsychologische Einführung in die Schicksale der Wagner-Figuren. Anhand von Farbdias zeigte sie Beispiele aus Inszenierungen Wielands. Neben dem geistig-religiösen Gehalt waren ihr der Mensch und ebenso die Götter in ihrer irdischen Befangenheit wichtig. Sie endete mit dem Hinweis auf ihre Bereitschaft, das Werk ihres Großvaters fortleben zu lassen, nicht nur im Traditionellen verhaftet, sondern über die Zeit hinausdeutend.13 Ihren Kleinkrieg mit Wolfgang setzte sie in einem Artikel im Spiegel fort, der kurz vor ihrer Premiere erschien. Darin plauderte sie mit der ihr eigenen Offenheit und sagte, Wolfgang habe bei den vergangenen Festspielen aus dem Lohengrin ein erheiterndes Singspiel gemacht und eine » konzeptionslose Regie « geführt. Der Spiegel zitierte sie, ihr Telramund müsse 1967 bis 1970

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sich so » machtgierig und so schwach wie mein Bruder Wolfgang geben «, und schrieb weiter : » Für die heidnische Intrigantin Ortrud nahm die Regisseurin, die spitze Reden liebt und sich gerne mit satirischen Slogans gegen die Familienpietät vergeht, an Mutter Winifred Maß. «14 Das war eine Replik auf Wolfgangs Abschaffung ihrer Meisterklassen, die die Mutter geduldet hatte. Da Bühnenbild und Kostüme die finanziellen und technischen Möglichkeiten der Bielefelder Bühnen nicht überschreiten durften, überließ ihr die Deutsche Oper Berlin zu einem Spottpreis 100 Chorkostüme, die nur unwesentlich umgearbeitet werden mussten. Was man ihr nicht bieten konnte, beschaffte sie selbst, beispielsweise Beleuchtungskörper : » Da waren nicht genügend vorhanden. Also habe ich Schulden gemacht. « Oder Geld für die Inszenierung : » Ich glaube, 6500 DM waren angesetzt, aber das ist ja ein Witz. Die hiesige Gesellschaft der Theater- und Konzertfreunde ist mit DM 2000 beigesprungen. Den Rest habe ich zusammengekratzt. «15 Sie wäre sicherlich auch noch bereit gewesen, ihr eigenes Geld einzusetzen, um ihre Ziele zu erreichen – hätte sie welches gehabt. Bernhard Conz war vom Bühnenbild begeistert : » Es gibt für mich überhaupt keinen Zweifel : Dieser Entwurf und kein anderer muß mit aller Gewalt durchgeführt werden. Man kann dieses Bühnenbild nur auf Anhieb lieben oder ablehnen. Mir ging es Gottseidank so, daß ich vom ersten Anblick an davon fasziniert war. Sie haben, liebe Frau Wagner, damit schon etwas erreicht, was ich für wesentlich halte : Die Linie Wieland Wagners und sein Konzept wird hier nicht epigonenhaft zu einem Aufguß, sondern konsequent weitergeführt. Es gelingt Ihnen damit im besten Sinne des Wortes, › modern ‹ zu bleiben, wobei ich unter modern nicht › modisch ‹ verstehe, sondern ein Konzept, das aus unserem Leben und unserer Beziehung zur Zeit erwächst. «16 Der Spiegel wusste zu berichten : 372

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» Dieser Lohengrin, meint der Bielefelder Generalmusikdirektor Bernhard Conz, › wird neuen Wind in unsere Oper bringen. ‹ Mit der frischen Brise, so hofft Friedelind Wagner, › werden auch weitere Regie-Aufträge kommen. Denn nie wollte ich etwas anderes tun als inszenieren. ‹ «17 Sie hatte die Kanonisierung des Wieland’schen Schaffens mit Skepsis beobachtet, da er ihrer Meinung nach noch dabei gewesen war, seinen Stil zu entwickeln und zu vertiefen, und zu früh gestorben war. » Es ist schwierig für Männer, im Schatten eines so kolossalen Großvaters wie dem Unsrigen aufzuwachsen. Im gewissen Sinn ist Richard der Feind seiner brillanten Enkelsöhne, und ein Groll über seine übermächtige Statur könnte vielen kritischen Bezügen Wielands in der Vergangenheit zugrunde liegen. «18 Möglicherweise schlug sie sich selbst noch mit der Vergangenheit herum und wollte sich von einer alten Lohengrin-Aufführung Tietjens absetzen, die dieser 1936 in Bayreuth inszeniert hatte. Damals hatte er eine Heroisierung der Erzählung versucht, wobei nicht Elsas Schicksal im Mittelpunkt stand, sondern » die Schlagkraft des ganzen deutschen Reiches im Kampf gegen den Ostfeind «, wie ein Rezensent damals schrieb.19 Ihr lag eine vergleichbare Heroisierung fern. Sie veränderte die Rolle Elsas insofern, als diese dem Geliebten die berühmte Frage nicht aus Neugier stellt, sondern aus Angst um ihn. Ihr zufolge war es Elsas Tragödie, dass sie immer um ihn bangte und daran zugrunde ging. Sie vermied eine Pathologisierung Telramunds ; er wurde nicht unsympathisch gezeichnet. Die Oper war in den Bewegungen durchgehend zurückgenommen, der Chor sollte kommentieren und schritt feierlich über die Bühne. ( Verwunderlich bleibt dabei, dass sie an einer Inszenierung des Rienzi durch Wieland in Stuttgart bemängelt hatte, dass der Chor » sich mal wieder nur wie eine Schafsherde, uniformiert kostümiert und uniform-sich-bewegend, hinstellen mußte «.20 ) Am 1. Januar fand die mit Spannung erwartete Premiere 1967 bis 1970

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endlich statt. Die Schallplattenproduzentin und langjährige Jugendfreundin Isabella Wallich reiste aus England an, um dabei zu sein, wusste sie doch, wie wichtig es ihrer Mausi war, der zutiefst empfundenen Berufung zur Regisseurin nachzukommen. » Es war ihr völlig klar, dass ein Angebot, in Bayreuth Regie zu führen, völlig ausgeschlossen war. Die Tore dort waren fest geschlossen, und Mausi war sowieso dort wegen ihrer Anti-Nazi-Aktivitäten während des Krieges persona non grata «, schreibt Wallich.21 Mausis nervöse Ängstlichkeit und mühsam in Schach gehaltene Erregung blieben ihr nicht verborgen, und sie schrieb sie ihrer isolierten Stellung zu. Auch der Dirigent Wyn Morris kam aus England angereist, und mit ihm viele weitere Freunde. Schwester Verena war ebenfalls erschienen. Isabella Wallich fand die Inszenierung wunderschön ; ihr fielen die warmen Farben auf, die eine zärtliche Seite Wagners verrieten. Kostüme und Ausstattung waren einfach, in Pastellfarben gehalten, die mit der Konzeption übereinstimmten. Das Bühnenbild, das der junge Künstler Dacre Punt gestaltet hatte, bestand aus mehreren langen Kunststoffröhren, die zwei große konkave Streifen bildeten und die Schwingen eines Schwans andeuteten. Sie ragten später in das Münster und in das Brautgemach hinein. Der Chor erschien als Repräsentant des Volkes statisch wie ein griechischer Chor. Der Schwan selbst erschien nicht, sondern lediglich eine Lichtprojektion.22 Die Aufführung wurde stürmisch beklatscht, und der Schlussapplaus war anhaltend. Hinterher gab es eine große Premierenfeier. Die Erleichterung der Freunde ging in Freude über den Erfolg über. Es ist kaum möglich, eine Inszenierung im Nachhinein, nur auf Besprechungen gestützt, zu beurteilen, zumal die Krakenarme Bayreuths weit in die Medienlandschaft reichten und jeder, der mit Wolfgang vertraut war, wusste, dass dieser seiner Schwester keinen Erfolg gönnte. Wolfgangs Netzwerk scheint 374

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im journalistischen Feld auch in diesem Fall funktioniert zu haben : » Man darf den Einfluß Bayreuths in der Opernszene nicht unterschätzen «, schreibt ein Kenner der Szene.23 Auf die Frage an Verena Lafferentz nach dem Einfluss Bayreuths antwortete diese : » Es ist immer häßlich, das sagen zu müssen, wie groß der Einfluß meines Bruders auch der Presse gegenüber war. Aber da mein Vater Siegfried auch oft trotz eines großen Erfolges schlechte Presse bekam, hatte Friedelind sich daran gewöhnt. «24 Neben diesem mutmaßlichen Einfluss kam die zeitübliche Häme hinzu, die man Frauen in leitenden Positionen damals oft noch angedeihen ließ. Horst Koegler schrieb eine gehässige Kritik über die Arbeit des » liebsten Enfant terrible aus der Wagner-Familie «. Die Choreografie gäbe sich » als illegitime Tochter aus einer Verbindung Isadora Duncans und Gertrud Wagners « zu erkennen, und, auf die Regie bezogen, » kapituliert die Dame, die mit ihrer Bielefelder Inszenierung das Zeitalter des Neu-Bayreuth in die Ära eines NewBayreuth hinüberzuleiten hoffte «. Als wäre dies nicht genug der Niedertracht, erwähnt der Kritiker einen im Premierenjubel zu hörenden Ruf » Friedelind, go home ! «, um anschließend zu bemerken : » Wie Elsa kann ich mich nicht dafür verbürgen, ob ich ihn in der Fiktion oder in der Realität gehört habe. « Hatte sich der Rezensent wohl überlegt, was der Ruf » go home « für eine Emigrantin bedeutete, die nach ihrem Weggang weder hier noch dort wirklich heimisch geworden war ? Einig waren sich so gut wie alle Kritiker darüber, dass die sängerischen Leistungen hervorragend waren – dies sicherlich auch als Folge von Friedelinds intensiver Probenarbeit – und dass Bernhard Conz das Orchester souverän führte. Eine anerkennende Besprechung schrieb Heinz Joachim in der Welt : » Ihre Wagnisbereitschaft ist nicht minder zu bewundern als der Mut dieser Bühne zu einem Experiment, das äußerste Anspannung aller Kräfte forderte. «25 1967 bis 1970

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Wolfgang, der der Aufführung selbst fern geblieben war, war überzeugt, dass sie schlecht war : » Die Frau hat ihre erste Inszenierung gemacht in einem Alter, in dem mein Bruder gestorben ist, mit 48 dreiviertel. Wenn sie mit ihrer zweiten Inszenierung wartet, bis sie 99 einhalb ist, dann ist es gut. Aber sie  sollte sich abgewöhnen, zu behaupten, ich, ihr Bruder, mache nur Scheiße. «26 Hart ging auch der Zeit-Kritiker Heinz Josef Herbort vor, indem er die Regisseurin als Nachahmerin der Ideen Wolfgangs sah – also ausgerechnet des Bruders, dessen Inszenierungen sie oft genug kritisiert hatte : » Ohne das Neubayreuth ihrer Brüder Wieland und Wolfgang kommt Friedelind Wagner nicht zurecht. Sie übernimmt Wolfgangs nahezu oratoriale Statuarik, die lähmende Symmetrie, das gemessene Schreiten der Mannen ( denen das ganze Theater scheint’s wenig behagt, sie machen immer nur grimmige Gesichter ) und Schloßfräulein ( die offensichtlich sehr fromm sind, sie falten immer ihre Hände ), sie folgt dem letztjährigen Versuch ihres Bruders gelegentlich bis in die Position der Figuren, oft in der Gestik, fast immer in den unlogischen Einfällen … Gelegentlich jedoch geht Frau Wagner eigene Wege – merkwürdige Wege. Ortrud, die Heidin, winkt ab und zu beschwörend und rachedrohend mit einem runenverzierten Stab, sie kompensiert so die mimische und gestische Monotonie. « Sie führe die Personen wie Marionetten, schrieb der Rezensent der Münchner Abendzeitung : » Die Szene bleibt beinahe spießig «, ein » Kabinett für Brabanter Wachsfiguren «. Fern vom Bayreuther Hügel habe sie ihre Probe nicht bestanden, die Regie zeige sich » unbeholfen, einfallslos, fast laienspielhaft «. Da Lohengrin Elsa lediglich als Traumfigur erschien und die Liebe der beiden sich als Illusion darstellte, kommentierte Herbort : » Friedelind Wagners Bayreuther Regieträume sind nach all dem vermutlich auch nur allenfalls eine Illusion. «27 Ein Rezensent schrieb in der Rheinischen Post von einem » Sam376

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melsurium aus nicht zusammenpassenden Entwürfen – › Lichtorgeleffekte ‹ und › Op-Art-Effekte ‹ «. Die Chöre » standen steif und glotzten ins Leere «, und Ortrud » benahm sich wie eine Opernschülerin bei einer Aufnahmeprüfung «. Man kann sich vorstellen, wie herzlich Wolfgang darüber gelacht und wie tief ein solcher Spott Friedelind verletzt haben wird. Das » publicitätssüchtige Enfant terrible aus den USA « wurde hart herangenommen. Die Bühnenbilder ihres Schülers und Helfers Dacre Punt wurden fast überall mit bissigster Ironie verrissen28, was angesichts des überschwenglichen Lobs vom Leiter des Opernhauses schwer nachvollziehbar ist. Ihre alte Freundin Frida Leider hatte irgendwo eine positive  Besprechung gelesen und gratulierte ihr von Herzen : » Ich hab mich aufrichtig gefreut über Deinen großen Lohengrin-Erfolg und hoffe, dass Du diese Linie ausbauen kannst. Du willst Dich schon wieder für Bayreuth zerreißen ? Entschuldige meine Einmischung, aber gescheiter wäre es, wenn Du Deine fruchtbare großartige Arbeit fortsetzen würdest. Ich seufze ! Hab Dich noch immer so gern wie eh und je. «29 War Friedelind mit ihren Regieambitionen in zu große Schuhe geschlüpft ? Die überwiegende Ablehnung ihrer ersten und einzigen Regiearbeit in Deutschland mag ungerecht und gar von Bayreuth aus gesteuert gewesen sein, jedoch ist auch ihre mangelnde Erfahrung zu berücksichtigen. Ein Vergleich mit Wielands Ausbildung zeigt die Kluft, die sich zwischen den beiden auftat. Wieland konnte bereits 1937 mit den Bühnenbildern zum Parsifal experimentieren und beschloss 1940, den Komponisten und Dirigenten Kurt Overhoff als Mentor zu engagieren und mit ihm alle Werke Richard Wagners durchzugehen. Sie analysierten die Partituren Takt für Takt, bis der Schüler die musikalische Syntax in- und auswendig kannte. Mit dem Lehrer konnte er keine bessere Wahl treffen : dessen musiktheoretischen Bücher waren Leitwerke für Dirigenten, Theaterfachleute und Musikwissenschaftler30, und er 1967 bis 1970

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wird Wieland auch jedes Detail erschlossen haben. Freilich erhebt Overhoff alles gern ins Mythische und ignoriert die gesellschaftlichen Faktoren, die Wagner motivierten, aber dafür vermittelt er tiefe musikalische Einsichten in seine Musikdramen. Den eigentlichen Praxisschub erhielt Wieland ab 1943, als er mithilfe von Goebbels einen Posten als Regisseur am Landestheater in Altenburg erhielt. Goebbels gab einen Sonderzuschuss in Höhe von 120 000 Reichsmark für seine Inszenierung des Ring des Nibelungen.31 Idealer konnten die Bedingungen kaum sein, die sich dem Wagner-Enkel boten. Zählt man seine Regiearbeiten in Nürnberg hinzu, produzierte er 1943 und 1944 insgesamt neun Inszenierungen, bei denen er auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnete. Damit wuchs er in die professionelle Regiearbeit hinein, wobei er nicht nur auf seine Erfahrung als interner Beobachter in Bayreuth, sondern auch auf seine Begabung als Zeichner zurückgreifen konnte. Während sich Wolfgang an der Berliner Staatsoper mit Bühnenorganisation und Probenassistenz begnügen musste, konnte der ältere Bruder schon alles Wesentliche ausprobieren. Nach Kriegsende setzte er seine Arbeit am Werk fort mithilfe aller Bücher, deren er habhaft werden konnte. In Nußdorf, wohin er nach Kriegsende gereist war, studierte er die Werke im Hinblick auf die dramaturgische Umsetzung, wobei er seine Ideen mit seiner Frau Gertrud und mit Verena diskutierte. Er saß oft mit Gertrud auf dem Fußboden des Wohnzimmers und bat Verena und Bodo dazu, um mit ihnen über die Psychologie der Figuren in den Wagner’schen Dramen zu sprechen, wobei man sich meistens mit der Frage herumschlug, wie man diese in Bewegung und Gesten übersetzen konnte. Gertrud, die eine weitaus größere Hilfe war, als gewöhnlich bekannt, demonstrierte aufgrund ihrer choreografischen Vorbildung mögliche Modelle. Zuweilen fragte er Verena, wie eine bestimmte Stelle bei früheren Bayreuther 378

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Inszenierungen umgesetzt worden war, da ihr Gedächtnis darin besser als das seine war.32 Wie groß die Vorteile dieser jahrelangen Beschäftigung mit der Materie waren, lässt sich anhand der Lichtexperimente beurteilen, mit denen sich Wieland akribisch befasste und die ihm Weltruhm bescherten. Mit der nach seelischer Vertiefung strebenden, von allem Realismus entfernten Darstellung, die bis hin zu einer fast völligen Auflösung der szenischen Konturen führen konnte, rief er Widerspruch hervor, erntete aber auch höchstes Lob. Obwohl er sich einen » autodidaktischen Enthusiasten « nannte, benutzte er in höchst ausgeklügelter Weise Licht und Farbe, um der Musik und dem Drama Form und Atmosphäre zu verleihen. » Wolken dürfen nicht kommen und gehen, sie müssen aus einem Dunst entstehen und sich in einem Nebel auflösen. Die Farbe eines Kostüms ist für mich so wichtig wie der Ton einer Violine – eine falsche Schattierung schmerzt mich so sehr wie ein falscher Ton den Dirigenten. «33 Das Lichtsystem wurde nach dem Krieg installiert. Bayreuth besaß ein neues Cyclorama : oberhalb der Bühne gab es einen großen Apparat, der Hunderte von Lichteffekten hervorbrachte, und schließlich gab es 40 Filmprojektoren und Flutlichter für besonders intensive Beleuchtung, die Wolfgang mit seinen technischen Kenntnissen bedienen konnte. Davon war Bielefeld weit entfernt : Friedelind musste mit einfachster Ausstattung und Hilfskonstruktionen vorliebnehmen. Sie konnte lediglich auf ihre Regieerfahrung mit einzelnen Akten zurückgreifen, die sie in den USA inszeniert hatte. Sie hatte zwar unzählige Aufführungen besucht, aber als Wieland sich bei Overhoff ausbilden ließ, saß sie in britischer Gefangenschaft oder musste sich in den USA mit Sekretärinnenjobs durchschlagen. Hätte man ihr nach dem Krieg ein Versuchsfeld für eigene Inszenierungen überlassen, wäre sie in die Profession hineingewachsen. Aber sie hatte sich mit ihrem Tristan-Projekt übernommen und scheiterte beim Versuch, 1967 bis 1970

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Planung, Regie, Reise und Durchführung zugleich zu organisieren. Man kann ihr anlasten, dass sie sich ein zu großes Stück vom Kuchen abschneiden wollte, als sie die Tournee plante. Doch wie auch immer : Durch das Fiasko vergrößerte sich der Abstand zu den Brüdern noch mehr, bis er uneinholbar war. Kaum waren die Aufführungen des Lohengrin vorüber, gab es eine Familienkonferenz. Es ging um den Geldmangel, der nicht nur für Friedelind peinigend war, sondern auch für Gertrud sowie für Verena und Bodo, dessen Geschäfte nicht gut liefen. Nun kam Winifred selbst in Geldschwierigkeiten. Ein Jahr zuvor hatte sie testamentarisch verfügt, dass das Archiv in  eine Stiftung übergehen sollte, um zu verhindern, dass Familienmitglieder einzelne Objekte herauslösten und verkauften – eine kluge Entscheidung, die den Erhalt der Bestände sicherte. Aber die Meinungen über die einzelnen Punkte gingen noch weit auseinander. Die Sitzung war turbulent. Presseberichten zufolge soll Friedelind ihre Mutter als » bösen Geist der Familie « bezeichnet haben : » Solange sie lebt, wird es keinen Frieden geben ! «34 Man konnte sich nicht einigen. In der Folgezeit verursachte Friedelind aufgrund ihrer Äußerungen mehrere Skandale. Am 2. März brachte die ARD eine Sendung unter dem Titel Hand aufs Herz, in der sie von den drei Journalisten Günter Bendig, Lovis H. Lorenz und Bernd Wessling interviewt wurde. Wessling meinte Jahre später zu dieser Sendung : » Ich habe stets an Frau Wagner ihre Aufrichtigkeit, ihren kritischen Sinn, ihren Common sense und ihren positiven Widerspruchsgeist bewundert. « Er erinnerte sich aber auch an den Ärger nach der Sendung und schrieb, » dass sie damals unerhörten Wirbel auslöste und dies mit sich brachte, dass mir Wolfgang Wagner bis auf den Tag gram ist. Nun ja «.35 Befragt nach einer möglichen neuen braunen Gefahr meinte sie, dass Bayreuth politisch durch die rechtsextreme NPD gefährdet sei, und fuhr fort : » Gerade in Ostdeutschland wird das sehr stark ausgenützt, dass die NPD 380

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in Bayreuth so stark ist. « Sie war einer Falschmeldung über eine angebliche Bücherverbrennung in Bayreuth aufgesessen, die umgehend von der Stadtverwaltung dementiert worden war, was sie aber nicht wusste. Die Neonazis hatten 1966 bei den Kommunalwahlen drei von 42 Stadtratssitzen gewonnen, was bei ihr tief liegende Ängste aufleben ließ. Die Presse reagierte auf Friedelinds Äußerungen mit entrüsteten Attacken, denen der Oberbürgermeister Hans Walter Wild sich anschloss. In einem offenen Brief schrieb er ihr : » Ihre Erklärung vor dem Deutschen Fernsehen wurde nach allem somit wider besseres Wissen abgegeben. Der Schaden, den Sie Ihrer Heimatstadt dadurch zugefügt haben, ist unabsehbar. Schließlich haben Sie vor einem umfänglichen, möglicherweise sogar internationalen Fernsehpublikum das Dementi der Stadt Bayreuth Lügen gestraft. Auch haben Sie sich auf die Seite der Presseorgane in der DDR gestellt, die zwar die Falschmeldung weitgehend übernommen und politisch gegen die Bundesrepublik und Bayreuth verwertet haben, von der Berichtigung der Stadt aber keine Kenntnis nahmen. « Wild zitierte schließlich den Zettel, den ihre Brüder 1951 an das Schwarze Brett des Festspielhauses angeheftet hatten : » Keine Politik, hier gilt’s der Kunst ! «, und fügte hinzu : » Die Entpolitisierung der Festspiele ist auch heute Leitlinie des Geschehens am Grünen Hügel. «36 Freilich erwähnte er nicht, dass die Brüder es stets ablehnten, sich mit der braunen Vergangenheit der Festspiele auseinanderzusetzen. Dass Friedelind vorgeworfen wurde, » auf der Seite « der DDR-Presse zu stehen, zeigt, dass sie wieder als Verräterin galt. Und wie selbstverständlich Kunst und Politik in Bayreuth bis in die Gegenwart hinein verwoben sind, zeigen die Eingriffe staatlicher Stellen anhand der Wahl der beiden heutigen Festspielleiterinnen.37 Von dem Regisseur August Everding wurde ihr nun die Schuld in die Schuhe dafür geschoben, dass die DDR ihre Künstler angeblich nicht mehr in den Westen schickte, was sie empörte : » Ich weiß nicht, ob 1967 bis 1970

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ich diese erneute Hetze gegen mich so einfach auf mir sitzen lassen soll ? «38 Die Fernsehsendung reichte, um Winifred und Wolfgang erneut Munition gegen sie zu liefern. Wenig zimperlich schrieb Winifred einer Freundin : » Du hättest ruhig schreiben können, dass der Friedelind der Po ausgehauen gehört – … Sie ist ja immer schon ein enfant terrible gewesen und allmählich wächst sie sich für uns hier in Bayreuth zu einer Landplage aus und ich meine immer, wenn sie ein Buch schreiben will mit dem Titel › Pardon my return ‹ – ich eines schreiben müßte mit dem Titel › Friedelind go home ‹ – ( sie ist doch Amerikanerin geworden ! ) «39 Das Kind, das da versohlt werden sollte, war immerhin inzwischen 50 Jahre alt. Als ein weiterer Paukenschlag war ein Bericht in der Boulevardzeitschrift Quick vom 19. 6. 1968 zu bewerten, in dem Friedelind freimütig ihre Meinung zum Besten gab, aber auch andere Mitglieder der Familie sich zu Wort meldeten. Sie hatte respektlos von Pöhner behauptet, » daß er mit der einen Hand als Finanzminister das austeilt, was er mit der anderen wieder einsteckt – als Bayreuther Bauunternehmer, der seit Jahren die Umbauten des Festspielhauses ausführt «. Bayerns Finanzminister Konrad Pöhner war außer sich und schrieb dem Anwalt der Familie von » unqualifizierten Äußerungen von Friedelind und Wolf Siegfried Wagner «. Er werde künftig jede Unterhaltung mit der Familie – mit Ausnahme von Wolfgang und Winifred – ablehnen. » Ich bin auch nicht bereit, innerhalb der Bayerischen Staatsregierung die Verhandlungen über eine Stiftung weiterzuführen. Angesichts der Vorstellungen, die man bei den Familienmitgliedern hat, sind solche Verhandlungen ohnedies zwecklos. Es müßte also eine ganz andere Lösung angestrebt werden oder es geht mit den Festspielen dahin. Man weiß nicht, ob in der Familie die Dummheit oder die Gemeinheit größer ist. «40 Daraufhin untersagte Wolfgang seiner Schwester das weitere Betreten des Festspielhau382

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ses. » Ich hatte wiederholt darum gebeten, alle öffentlichen Äußerungen zu unterlassen, die der Familie und den Festspielen abträglich sind. Die Tatsache, daß jüngst z. B. in der Illustrierten Quick Erklärungen von Dir veröffentlicht wurden, die nicht nur der Familie und den Festspielen Schaden zufügen, sondern auch objektiv unrichtig sind, kann ich mir nur so erklären, daß Du entweder in Unkenntnis des wahren Sachverhaltes oder wider besseren Wissens Behauptungen aufstellst. Die Folgen blieben nicht aus ; so hat z. B. Herr Dr. Pöhner bereits erklärt, daß er nicht gewillt ist, sich von Mitgliedern unserer Familie weiter verleumden zu lassen. Da ich es unter diesen Umständen, insbesondere den Vertretern der öffentlichen Hand, aber auch vielen Mitgliedern der Gesellschaft der Freunde und den mitwirkenden Künstlern nicht zumuten kann, während der Festspielzeit mit Dir zusammenzutreffen, bitte ich Dich, das Festspielhaus bis auf weiteres nicht mehr zu betreten. «41 Wolfgang schrieb auch an Friedelinds Anwalt und ging auf ihre Ausführungen in einem Regional-Interview des WDR im Dezember 1967 ein sowie auf ihre Ausführungen im Spiegel, die sie entgegen den Bitten von Bodo Lafferentz zu keinem Zeitpunkt richtigstellte, und schließlich auf ihre Äußerungen in der Quick. » Diese Äußerungen haben mich erst zu dem Schritt veranlaßt. In der Familiensitzung vom 6. 1. 1968 hat meine Schwester zum Ausdruck gebracht, daß sie der Meinung sei, ich hätte durch die Berufung eines für mich wesentlichen Mitarbeiters die zur Zeit noch laufende Ring-Inszenierung meines Bruders kaputtgemacht. Damit stellte sie nicht nur mein künstlerisches Verantwortungsbewußtsein in Frage, sie diskriminierte darüber hinaus meine Haltung gegenüber meinem verstorbenen Bruder. Es geht hier überdies nicht nur um die Verleumdung des Herrn Staatsministers Dr. Pöhner, des bayrischen Finanzministeriums, sondern darüber hinaus um die Diskriminierung unserer privater Mäzene der Gesell1967 bis 1970

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schaft der › Freunde von Bayreuth ‹. … Bereits im Jahr 1958, also 8 Jahre vor dem Tode meines Bruders, hat Friedelind es  übernommen, für die Festspiele Spenden beizubringen. Das Ergebnis ihrer Bemühungen waren ganze DM 5000 ; demgegenüber hat sie von den Festspielen Darlehen in Höhe von DM 80 000 aufgenommen, gewissermaßen als Vorschuß für ihre erfolglose finanzielle Tätigkeit. Darüber hinaus haben wir frühere Verbindlichkeiten meiner Schwester ausgelöst, die durch den Verkauf von fremdem Schmuck entstanden sind. Diese für uns alle peinliche Situation wurde von mir 1958 bereinigt. Schließlich habe ich 1961 für sie eine persönliche Bürgschaft gegenüber einer Bank übernommen, um ihr bei den finanziellen Schwierigkeiten, die bei der Abwicklung der Meisterklassen entstanden sind, zu helfen. Diese Bürgschaft hat sich allerdings in der Zwischenzeit erledigt. Wo ich ihr helfen konnte, habe ich geholfen. Ihr ist vermutlich nicht bekannt, daß die erheblichen finanziellen Vorlagen auf schärfste Kritik der öffentlichen Zuschußgeber stießen. Der Oberste Bayrische Rechnungshof hat wiederum verlangt, daß die Forderung gegen meine Schwester realisiert wird. Unter diesen Umständen könnte ich wohl erwarten, daß sie alles unterläßt, was die Festspiele, meine Arbeit und diejenigen Stellen, welche die Festspiele subventionieren, diskriminiert. «42 Friedelind schaltete daraufhin ihren Anwalt Servatius ein, der Wolfgang seitens seiner Mandantin zusicherte, dass schädigende Äußerungen nicht mehr in die Medien gelangen würden. Nach dieser Verbeugung blieb er aber in der Sache hart : Friedelind musste ihre Freikarten weiterhin zur Verfügung gestellt bekommen. Servatius bat sie wiederum um Behutsamkeit bei weiteren Interviews und schloss sein Schreiben an sie mit einer humorvollen Bemerkung : Wolfgang habe bei der betreffenden Sitzung Friedelinds » Sünden der Vergangenheit « in Leitz-Ordnern hinter seinem Sitz aufgereiht, über die ausgerechnet dann Dr. Pöhner gestolpert sei.43 384

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Als sie am Vorabend der offiziellen Festspieleröffnung am 24. Juli 1968 in Bayreuth ankam, wurde sie von einigen in der Stadt nicht mehr gegrüßt. Briefe an sie, die die Festspieladresse enthielten, wurden vermutlich auf Anweisung Wolfgangs mit dem Vermerk » Anschrift unbekannt « postwendend zurückgeschickt. Doch jemand bei der Post oder im Festspielhaus war so freundlich, die Sendungen wenigstens nach Bielefeld weiterzuleiten. Verena beschloss, die Festspiele unter diesen Verhältnissen gar nicht erst zu besuchen. Sie befürchtete, dass Friedelind etwas angetan werden könnte. Nicht zu Unrecht, denn als Friedelind am vierten Abend Freunde im Restaurant des Hotels » Reichsadler « treffen wollte, bat die Besitzerin sie, das Lokal zu verlassen, weil angeblich die Gäste durch ihre Gegenwart gestört würden. » Wolfgang wies im Hotel, in dem unsere Familie seit zig Jahren verkehrte, die Wirtin an, meiner Schwester den Eintritt zu verweigern «, schreibt Verena.44 Da es kalt war, bat Friedelind darum, im Vorraum warten zu dürfen, bis ihre Gäste kämen, aber das wurde ihr ebenfalls verwehrt. So ging sie in einem dünnen Kleid auf den Bahnhofsplatz. Aus einem ehrwürdigen Restaurant hinausgeworfen zu  werden war eine neue Erfahrung. » Ich war kein bißchen erregt, sogar etwas aufgestellt, da ich endlich begriff, wie es den deutschen Juden unter Hitler ergangen war … hier, in meiner Heimatstadt, geschah etwas mit mir, was ich nie erwartet hätte ! Ich war nicht nur imstande, mit Juden und Farbigen zu sympathisieren, sondern ich konnte mich auch mit ihnen identifizieren. Trotz allem behielt ich meinen Sinn für Humor, als mir klar wurde, wie komisch es doch war, daß die Enkelin von Wagner in Bayreuth aus einem Hotel geworfen wurde, von allen Orten, ausgerechnet von Mitgliedern der Gesellschaft der › Freunde von Bayreuth ‹ ! «45 Durch das lange Stehen in der Kälte, ohne Schal oder Mantel, erkrankte sie schwer und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden, wo sie mit Antibiotika behandelt wurde. Verena 1967 bis 1970

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reiste an und pflegte sie. Sie fand heraus, dass ein anonym geschickter Blumenstrauß von ihrer Mutter stammte, und fragte sich : » Was würde Freud aus sowas machen ? «46 Während Verena weiterhin unbehelligt das Festspielhaus betreten durfte, ging Friedelind nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus mit bezahlten Karten in zwei Vorstellungen. Sie sah die Walküre und weinte sich durch die Meistersinger hindurch, weil es so schmerzte, dass Wieland tot war und mit ihm sein Bayreuth. » Wielands Bayreuth ist erfolgreich und willentlich in zwei kurzen Spielzeiten vernichtet worden, wie eine Zeitung es ausdrückte : › als ob Wieland nie gelebt hätte ‹. «47 Der Schock über die erlebten Demütigungen wirkte nach. Sie sah, dass Wolfgang von der Stadt, der bayerischen Regierung und der Gesellschaft der Freunde unterstützt wurde. Diese drei Instanzen waren seine wichtigsten Förderer, und damit war seine Rolle als Leiter unangefochten. Ihr blieb nur der Sarkasmus : » Wie ein offener Beobachter jüngst sagte : › Wieland starb im richtigen Augenblick. ‹ Während der 15 Jahre seiner Tätigkeit musste Deutschland so tun, als sei es weltoffen, liberal, international und avantgardistisch aufgestellt. Dies ist jetzt vorbei und sie können jetzt offen nationalistisch, intolerant, engstirnig, reaktionär und faschistisch sein. Wolfgang ist genau im richtigen Augenblick in die Chefposition gerückt. «48 1968 ging ein Rechtsstreit zwischen Winifred und dem Freistaat Bayern in die Revision, wobei die Wagner-Familie unterlag. Sie hatte gegen die Einbeziehung Bayreuths in das » Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts « protestiert, das eine Abwanderung von Kulturgütern ins Ausland untersagte. Vermutlich wollte die Familie einzelne Stücke aus dem Erbe verkaufen, um kurzfristig zu etwas Geld zu kommen. Es gab langwierige Verhandlungen, bei denen sich herausstellte, dass die Familie von dem Festspielhaus kaum Erträge würde verlangen können, da die öffentliche Hand bereits viel investiert hatte. Auch das Haus Wahnfried würde kaum etwas abwerfen, weil in 386

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Kürze Renovierungen nötig waren. Als einziger Wert war das umfangreiche Wagner-Archiv einzubringen, das mit 7,5 Millionen DM taxiert wurde. Es war Winifreds lang gehegter Wunsch, das Archiv als Einheit zu belassen. Friedelind war mit dem Plan ihrer Mutter, den Familienbesitz ( Wahnfried, das Festspielhaus u. a. ) in eine Stiftung zu überführen, zunächst nicht einverstanden. Sie und Verena wollten weiterhin ihr Interesse an den Festspielen nicht dem Gelde opfern, sondern als direkte Erben aktiv am Geschehen beteiligt sein und einen Weg finden, wie die jüngere Generation eines Tages das Ganze übernehmen könnte.49 Dies musste zwangsläufig zu Streitigkeiten mit Wolfgang führen. » Das ganze Treffen ( am 6. Januar ) mündete in einen gigantischen Stunk, indem Wolfgang einen Wutanfall bekam und den Raum verließ, als man ihn korrigierte. Mutter spuckte mir ihren Haß entgegen wie in den schlimmsten früheren Zeiten. «50 Obwohl sie danach noch drei Monate in Bayreuth verbrachte, hatte sie keinen weiteren Kontakt zu ihrer Mutter. Als sechs Wochen später ein erneutes Treffen einberufen wurde, schickte sie ihren Anwalt hin. Noch immer mussten die Erben auf eine Auszahlung verzichten ; die Verhandlungen zogen sich bis in die Siebzigerjahre hin. Als sie im Februar 1968 in England an einem Fernsehprogramm für die BBC mitwirken sollte, verließ sie das Studio nach dem ersten Interview mit einem jungen Journalisten, der ihr mitteilte, dass er ihre Mutter bewundere, weil sie auf ihrer Treue zu Hitler beharre. Solche Taktlosigkeiten, die ihre Emigration und die Leistung der Trennung von allem, was ihr lieb war, zunichte zu machen versuchten, waren ihr unerträglich. Aber es kam noch heftiger. Sie erhielt einen Brief eines Dr. Erich Hoffmann aus Wien : » Ein schon lange gehegter Verdacht hat sich nun vollauf bestätigt : es kann wohl kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß Sie geisteskrank sind. Anders ist Ihr im höchsten Grade widerliches und charakterloses Verhal1967 bis 1970

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ten wohl nicht mehr zu erklären. Sie befürchten das Heraufkommen einer neuen › braunen Pest ‹ in Bayreuth, sind aber selbst die stinkendste Pestbeule am Stamm der Nachkommen Richard Wagners. Ich kann Ihnen nur den einen guten Rat geben : Lassen Sie sich nie mehr in einem deutschen Land sehen – sollte das noch einmal der Fall sein, dann würden ich und meine Freunde dafür sorgen, daß Sie unverzüglich in eine Heilanstalt eingeliefert werden. «51 Das war braune, primitivste Hassideologie in Reinkultur : Menschen, die sich nicht einordnen wollten, als unwertes Leben zu betrachten und abzuschieben – das kannte sie aus den Jahren deutscher Barbarei zur Genüge. Wenn Wolfgang geglaubt hatte, er könne Friedelinds Hang, den Medien gegenüber offen zu plaudern, dauerhaft Einhalt gebieten, so hatte er sich geirrt. 1968 gab sie in England ein Fernsehinterview, in dem sie über ihren Rauswurf aus dem Bayreuther Restaurant berichtete und ihrem Bruder eine Mitschuld gab.52 Nach Beendigung der turbulenten Festspielwochen hielt sie sich für einige Zeit vor der Presse zurück, obwohl sie nicht an einen künstlerischen Aufschwung glaubte : » Wielands Bayreuth ist erfolgreich und bewußt in zwei kurzen Saisons umgebracht worden, wie eine Zeitung es formulierte. Es ist, als ob Wieland Wagner nie gelebt hätte. Gott sei Dank schloß ich die Meisterklassen im letzten Sommer. Wir wollen sie auf einer Jahresbasis innerhalb eines Jahres wieder eröffnen, natürlich anderswo. «53 Rechtsanwalt Servatius wollte dafür sorgen, dass Friedelind im kommenden Jahr keine Kartenprobleme haben würde. Winifred kommentierte : » Maus lässt sich das Festspielverbot nicht gefallen und hat durch einen Hamburger Rechtsanwalt Verwahrung einlegen lassen – aber auch er scheint nur recht unzulängliche Gründe dagegen zu finden – Die WielandsKinder kommen auf alle Fälle zum ersten Zyklus – man hatte sie gebeten, erst zum zweiten aufzutauchen – aber das machen 388

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sie nicht – So häufen sich die Probleme für die erste Festspielwoche ! Diese Familienmeckerer wollen weder die Staatsregierung noch die Freunde Bayreuths noch Wolfgang zu seinen Empfängen haben – Wenn sie nicht eingeladen werden, gibt es Stunk, und wenn sie eingeladen werden, gibt es Stunk ! Es ist zum Kotzen – auch das werden wir noch überstehen ! «54 Servatius operierte in einem Schreiben an Wolfgang taktisch klug : » Das eindeutige Verhalten Ihrer Frau Schwester während der Festspiele, die Ablehnung aller Interviews durch sie sowie die Erklärungen des Unterzeichneten vor der Presse werden Sie davon überzeugt haben, daß unsere Mandantin es ernst meint mit dem, was wir Ihnen unter dem 16. Juli d. J. schreiben durften. « Er gehe davon aus, dass Friedelind bei den kommenden Festspielen » nicht behindert wird, wenn sie ihre angestammten Plätze wieder in Anspruch nimmt «.55 Inzwischen bereiste sie Deutschland auf der Suche nach einer neuen Stätte für ihre Meisterklassen. Das Rheintal schien ihr zunächst ideal, aber sie fand nichts Konkretes. Zugleich kümmerte sie sich um Anja Silja, die von Wielands Familie geschnittene Geliebte Wielands. Sie nahm die Sängerin mit zum Bierfest nach Kulmbach, von dem Wieland gemeint hatte, es sei das beste an den Festspielen, und in die Eule, das Bayreuther Künstlerlokal. Als Friedelind in Bielefeld den Lohengrin inszenierte, kam Anja Anfang Dezember aus Solidarität an das dortige Opernhaus, um die Salome zu singen. » Ich war immer gerne mit ihr zusammen, sie hatte mir so oft geholfen im letzten Jahr, außerdem war sie ein Teil von Wieland «, schrieb Anja. Auf dem Rückweg nach Hannover, von wo sie anschließend zurückfliegen wollte, herrschte dichter Nebel, und Friedelind fuhr sie nach Frankfurt. » So war sie, immer spontan bereit zu helfen. «56 Sie konnte aber auch kämpfen und war gar nicht zimperlich, wenn sie erbost war. Und das war sie : Wolfgangs Beendigung ihrer Meisterklassen traf sie tiefer ins Herz, als sie zu1967 bis 1970

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zugeben bereit war, und die Verletzung kann durchaus ihre Kritik an ihm noch akzentuiert haben. Sie hielt weiterhin so viele Vorträge wie möglich, oft in Großbritannien, und bot hauptsächlich vier Themenkreise an : » The Bayreuth Story « behandelte die Geschichte ihrer Familie und der Festspiele ; » My Grandfather Richard Wagner « beleuchtete dessen Leben und Werk ; ein weiterer Vortrag befasste sich mit dem neuen Bayreuth, wobei sie über die Regiearbeiten ihrer Brüder Wieland und Wolfgang referierte, und » Modern Opera Production in Europe « fußte auf ihrer breiten Kenntnis der europäischen Opernproduktion. Die Reisen zu den Vortragsorten waren zuweilen albtraumartig : wenn das Wetter schlecht war, es keine Gepäckträger an den Bahnhöfen gab oder die Organisatoren sie irgendwo stehen ließen, anstatt sich um sie zu kümmern. Ihre Verehrung für Felsenstein hielt an, wobei sie in ihm nicht nur den großen Künstler sah, sondern ihn auch als Mann mochte. Sie reiste nach Berlin, um ihm » die Hand zu halten «, als er operiert wurde, und sorgte sich um ihn. Mit der Vermittlung von Sängern und Sängerinnen konnte sie immer wieder Erfolge verbuchen ; so wurde 1967 die DDR-Sängerin HanneLore Kuhse durch sie nach Philadelphia engagiert, wo sie neben Ramón Vinay als Kurwenal und Ernst Gruber als Tristan die Isolde sang. Aber Friedelind war mit ihrer Situation unzufrieden. Sie überlegte hin und her, wo sie die Meisterklassen neu einrichten könnte, studierte Wagners frühe Opern und sprach den Wunsch aus, einmal den Ring zu inszenieren. » Mein Großvater malte ein schreckliches Bild dieser bestimmten Welt, aber wenigstens glorifizierte er Brünnhilde und Sieglinde und macht die Frauen menschlich, was sie in den Sagen nicht sind. Hinzu kommt sein Erlösungsthema, das den Vorgängern der Wagnerschen Charaktere ebenfalls unbekannt war. In meinem Ring wäre Wotan ein Bösewicht ! « Zurück in den USA, musste sie anstelle von Lotte Lehmann 390

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als Ehrengast bei einem » Wiener Ball « in Hollywood fungieren, was sie bereute. Ihren Humor behielt sie jedoch, denn sie schrieb an ihre Anwälte : » Jedenfalls habe ich Ihren Rat, den Mund zu halten, so gut befolgt, dass ich gleich die Stimme verlor. «57 Man bot ihr an, einen Tristan in St. Paul sowie eine Tosca in Portland/Oregon zu inszenieren, was sich aber nicht umsetzen ließ. Auch Pläne, in Pasadena eine Wagner-Oper zu inszenieren, scheiterten. In San Diego, wo eine Internationale Universität sich neu angesiedelt hatte, sah sie den » Canyon «, in den man ein Freilichttheater bauen wollte. Diese Idee begeisterte sie. Das Freilichttheater wollte man neben einem überdachten Theater bauen, wobei die Bühne mehrere Ebenen erhalten sollte. Dies war genau das, was sie sich wünschte, und ein offenes Theater in einem sonnigen Klima kam als Geschenk hinzu. Sie ging jedoch wie so oft mit der ihr eigenen Unbekümmertheit zu weit, indem sie der Verwaltung gegenüber den Architekten kritisierte, in die Planung eingriff und vorschlug, den dort unbekannten Architekten Werner Ruhnau mit heranzuziehen. » Es könnte ein Traumprojekt werden – da die Universität aber Exklusivvertrag mit dem schlechtesten Architekten der Stadt hat, sehe ich schwarz. «58 Auch hier zerschlugen sich die Pläne. Ein Jahr zuvor schwer erkrankt, gelang es ihr nicht, arbeitsmäßig auf die Beine zu kommen. Seit 1967 hatte sie keine Verbindung mit Bayreuth : » Ich bin mit der gegenwärtigen Administration nicht einverstanden, auch nicht mit den künstlerischen und politischen Zielen. «59 Dass ihre Inszenierung in Bielefeld keine Folgen zeitigte, schrieb sie auch der Tatsache zu, dass sie in Europa keinen Manager angeheuert hatte. » Da ich die deutschen Agenten alle kenne, weiß ich, daß sie nicht nur Nudniks60 sind, sondern Feiglinge, und mich wegen des Drucks, der von Bayreuth kommt, nicht anrühren würden. Solange wie das gegenwärtige Bayreuth politisch so mächtig ist, muß es jemand außerhalb von Deutschland sein. «61 Sie 1967 bis 1970

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beschloss, nach Europa zurückzukehren, da sie » zu lange herumgesessen « habe. Die Vorträge machten ihr nicht mehr solchen Spaß wie früher, und sie schrieb, sie würde lieber zum Restaurant » Schraffts « zurückkehren, wo sie in den Vierzigerjahren gearbeitet hatte, und dort eine ehrliche Serviererin werden. Die Lage in Bayreuth beschäftigte sie weiterhin anhaltend. Ihrem Anwalt schrieb sie : » Es wird Sie freuen zu erfahren, daß ich im Juli in Johannesburg und Pretoria den Holländer inszenieren soll. Ich soll Ende Januar eine kurze Informationsreise dorthin machen. Ich bitte Sie davon beim Familientreffen noch keinen Gebrauch zu machen, sonst aktiviert meine Mutter gleich die gesamte nach Südafrika emigrierte NSDAP, um den Vertrag zu vereiteln. Familie Verena weiß Bescheid, Familie Wieland besser nichts sagen vorläufig. «62 Aber auch hieraus wurde nichts. Ihre Projekte und Pläne fielen zusammen wie ein Kartenhaus, fast immer wegen ihrer Kompromisslosigkeit. Richard Wagner war eine Lebenschance zur Profilierung, die sie nur bedingt nutzen konnte, ebenso wie eine Hypothek. Die Emigration hatte ihr nicht nur das Band zu Bayreuth zerschnitten und damit alle Chancen zerstört, an Ort und Stelle fortzuwirken, sondern ihr auch den Wiedereinstieg erschwert. Zum anderen verbaute sie sich selbst aufgrund ihrer fehlenden Praxis in der Regiearbeit ihre Chancen ; es gelang ihr nur selten, Projekte selbstverantwortlich in Gang zu setzen und zu Ende zu bringen. So bleibt es offen, ob es die gesellschaftlichen Bedingungen oder ihre charakterlichen Grenzen waren, die das Scheitern verursachten. Auf jeden Fall wirkten Mutter und Brüder bei ihrer Ausgrenzung von Anfang an mit. In einer Phase extremer Ruhelosigkeit reiste sie wieder einmal quer durch die USA, hielt Vorträge, sprach im Rundfunk, und ihre Geldprobleme begleiteten sie überallhin : » Ich mußte betteln, mir was leihen und stehlen, um es bis hierher zu schaffen und um hier zu überleben, bis ich gestern endlich einen 392

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Scheck einlösen konnte. «63 Aber alte Freundschaften hielten sie lebendig. Auf einer ihrer Reisen hörte sie 1969 den inzwischen fast achtzigjährigen früheren Heldentenor Lauritz Melchior in seinem » Glaspalast « bei Hollywood » singen « : » Die Stimme hatte ihren ganzen Glanz und Schmelz und auch Kraft wie eh und je – ( das fand bei Tisch statt – es gab Antilopenragout, selbstgeschossene, frag mich nicht, wo ) – er nahm stets den Hörapparat aus dem Ohr und hielt Monologe. «64

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15 Pläne und Pannen Die Siebzigerjahre

1970 war kein gutes Jahr für Friedelind. Noch immer waren die Schulden aus den Meisterklassen nicht abgetragen, und Wolfgang war der Einzige, der die Tilgung vorantreiben konnte. Ihrem Anwalt Servatius schrieb sie im Herbst, dass sie nicht in die USA zurückreisen könne, ehe die Schuldenlast abgezahlt sei : » 12 Monate sind seit meiner Ankunft in Europa verstrichen und wir haben nichts als leere Phrasen erhalten. «1 Sie erhielt keine Einsicht in das, was in Bayreuth ausgeheckt wurde, erfuhr durch das Fernsehen, dass Pläne betrieben würden, Bayreuth in eine Stiftung zu überführen, dass es aber lange dauern könne, bis Geld ausgezahlt würde.2 Hinzu kam, dass sie kein richtiges Ziel hatte. Das Ende der Meisterklassen traf sie härter, als sie zugeben mochte. Den Sommer verbrachte sie zwischen dem Bodensee, Salzburg und Orten wie Zürich oder Luzern. Bayreuth wurde gemieden. Von Nußdorf, wo sie bei Verena wohnte, floh sie einige Stunden vor Winifreds Ankunft – sie wollte die Mutter nicht sehen. Stattdessen pflegte sie ihre Kontakte zu guten Freunden, traf im September mit Otto Klemperer, seiner Tochter Lotte sowie Tilly und Fritz Zweig in Zürich zusammen. Mit diesen Menschen verband sie eine lebenslange Freundschaft. » Sie sind fantastische Künstler, Pädagogen und Freunde, beide 394

hatten ausgezeichnete Karrieren, bis Hitler kam «, schrieb Friedelind über das Ehepaar Zweig.3 Fritz Zweig ( 1893 – 1984 ), ein Privatschüler von Arnold Schönberg, war als Korrepetitor und Kapellmeister an verschiedenen Opernhäusern tätig gewesen, so unter anderem an der Berliner Krolloper und 1932 an der Staatsoper. 1933 wurde ihm wie auch seiner Frau, der Sängerin Tilly de Garmo, aufgrund des » Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums « gekündigt. Das Paar floh über Prag und Frankreich in die USA, wo Fritz seine Tätigkeit als Dirigent erfolgreich fortsetzte. Unter diesen Künstlern fühlte sie sich wohl . Das Gefühl, aus Deutschland vertrieben worden zu sein und in den USA ähnliche Erfahrungen gemacht zu haben, verband sie mit ihnen. Anschließend fuhr Friedelind nach Bonn, um Klemperers Konzert mit seinem Philharmonia Orchestra zu hören : Sie investierte viel, um den Kontakt zu befreundeten Künstlern zu bewahren. Und sie nahm regen Anteil am kulturellen Klatsch, so wenn es wieder einmal einen » Verschiebebahnhof « für Regisseure und Dirigenten gab : » Liebermann wird 1973 in Hamburg zurücktreten aus Altersgründen, Seefehlner soll ihm folgen. Er versucht Abbado als Generalmusikdirektor zu kriegen, noch einer, der höchstens eine Oper bisher dirigiert hat. Aber er ist sehr talentiert, aber das ist auch Maazel, dessen Dirigate ich nicht ausstehen kann. Abbado hat, seitdem er den Mitropoulos-Wettbewerb in New York gewann, eine raketenartige Karriere hingelegt. «4 Sie besaß keine feste Adresse, lebte praktisch in ihrem Auto, kam bei Freunden unter, immer dort, wo sie eine Oper sehen oder einen Vortrag halten wollte. Sie wohnte in London häufig bei Lorna Braithwaite, der Mutter des Dirigenten Nicholas Braithwaite. Dort bereitete sie ihre Vorträge vor, die sie an Universitäten und Institutionen wie der Wagner-Gesellschaft, auf einem Festival in Wexford oder im Tanztheater Sadler’s Wells hielt.5 Als sie sich die Bandaufnahme eines ihrer VorDie Siebzigerjahre

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träge anhörte, staunte sie über die vielen Lacher, die sie bekam. Es gelang ihr stets, das Publikum durch ihre oft ironische Art zu unterhalten. Grundsätzlich sprach sie frei, sie hasste das Ablesen. Immer wieder wurde sie um Radiointerviews gebeten, und auch das Fernsehen interessierte sich in Abständen für sie, meist im Rahmen von Talkshows. Als sie Jeremy Menuhin bei einer Abendgesellschaft traf, redeten sie bis zwei Uhr nachts miteinander. Ob der Sohn des weltberühmten Geigers mit ihr über sein gestörtes Verhältnis zu den Eltern sprach ? Das emotionale Leben seiner Kindheit empfand er als grotesk : Er habe die Eltern kaum gesehen, und sie hätten kein Interesse an ihren Kindern gezeigt, so berichtete er Jahre später. Den Vater empfand er als » kalt und abgehoben «, die Mutter als dominierend.6 Friedelind kannte die Familie von ihrer Jugend her, als sie bei Lady Crosfield untergekommen war, wo die Menuhins oft wohnten, wenn sie in London konzertierten, und ihre Probleme mit der eigenen Mutter weckten vermutlich ihr Mitgefühl mit Jeremy. Friedelinds Rolle als enfant terrible bestätigte sich erneut, als die Familie sich über ein Interview erregte, das sie einer englischen Zeitung gegeben hatte. Sie hatte erzählt, wie Hitler 1936 plante, die Bayreuther Lohengrin-Inszenierung als Krönungsgeschenk für Edward VII. auf Tournee nach London zu schicken, was dieser jedoch ablehnte, weil er Opern nicht ausstehen konnte.7 Sie wehrte sich gegen die Kritik : » Die Veröffentlichungen, die Euch so entrüstet haben, würde ich gerne sehen. Ich weiß nur vom Interview im Manchester Guardian, wo ich nur von Zukunftsplänen sprechen wollte und die Journalistin aus meinem Buch zitiert hat. Da England ein freies Land ist, kann man das niemandem verbieten, man kann nur darum bitten. «8 Und sie betonte, dass diejenigen, die Hitler gekannt hatten, in der Presse immer wieder als interessant eingestuft und befragt würden, und es folgte ein versteckter Hieb gegen die Verwandten : » Sollte ich nun für all das 396

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verantwortlich gemacht werden ? ? Ich habe mich im Jahre 1940 lieber internieren lassen, als Lügen zu schreiben ! Dass die Welt die Hitlerzeit nicht vergessen hat und auch nie vergessen wird, kann man ihr nicht verübeln und auch nicht verbieten, wie gewisse deutsche Kreise das natürlich vorziehen würden. «9 Anfang 1972 reiste sie mit Ella Lee nach Ostberlin. Brittens Ein Sommernachtstraum an der Komischen Oper war für sie inzwischen » an old Felsenstein evergreen «. Sie behauptete, die  Inszenierung seit 1961 einschließlich aller Proben etwa 50 Mal gesehen zu haben. Felsenstein blieb für sie einer der faszinierendsten Regisseure ihrer Zeit, für den sie schikanöse Einreisen über die deutsch-deutsche Grenze in Kauf nahm. Aber sie war auch gerne bei Joachim Herz, der sie zu einer Rheingold-Inszenierung nach Leipzig einlud : » In Leipzig sind Sie unser Gast. «10 Es kam durchaus vor, dass sie zum Applaus auf die Bühne steigen musste ; sie konnte sich dort als Ehrengast fühlen. Die Kapitalismuskritik, die Herz einige Jahre vor der Ring-Aufführung Chéreaus auf die Leipziger Bühne brachte11 und die bedauerlicherweise nicht dokumentiert ist, hat sie somit miterlebt. Als 1972 Pläne zur Gründung einer Internationalen Siegfried-Wagner-Gesellschaft – ISWG e.V. – bekannt wurden, erklärte sie sich bereit, als Präsidentin zu fungieren. Peter Pachl zufolge waren die jungen Gründer glücklich, sie für das Amt zu gewinnen, zumal die ISWG von offizieller Bayreuther Seite ( insbesondere von Winifred und Wolfgang ) befehdet worden war. Das änderte sich unter ihrer Präsidentschaft : Durch kleine Tricks schaffte sie es, das Aufführungsverbot Winifreds, die die Rechte besaß, für Siegfrieds Werke zu durchbrechen. Es gab erste konzertante Wiederaufführungen von Der Friedensengel und Der Kobold in London ; es folgten Aufführungen an anderen Orten, zum Beispiel Sternengebot und Sonnenflammen in Wiesbaden, Herzog Wildfang in München und die Die Siebzigerjahre

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Uraufführung seiner letzten Oper Das Flüchlein, das Jeder mitbekam in Kiel. Was sie von der Musik ihres Vaters wirklich hielt, ist schwer auszumachen. Die traditionelle Grundstruktur seiner Kompositionsweise hat bis heute verhindert, dass seine Opern Eingang ins Konzert- oder Opernrepertoire fanden, und führte zu negativen Beurteilungen wie der von Béla Diòsy : » Melodie ohne Ende und ohne Melodie. «12 Markus Kiesel sieht bei Siegfried Wagner eine » kritiklose Selbstüberschätzung « am Werke und eine Arbeitsweise, die » ihre Spuren in der zuweilen mangelnden Inspiration und Ausarbeitung im Detail hinterließ «.13 Die Loslösung vom gegenständlichen Kontext, die sich seit 1900 in der künstlerischen Entwicklung ( Kandinsky in der Bildenden Kunst, Schönberg in der Musik ) ausbreitete, ging an ihm völlig vorbei. Hinzu kam seine Wahl überholt-romantischer Themenkreise, die gerade in den Zwanzigerjahren, als die Gesellschaft nach der Sprengung alter kultureller Grenzen und Normen strebte, anachronistisch anmuteten und bis heute mit ihrer mangelnden Prägnanz den Eindruck der Rückwärtsgewandtheit hinterlassen. Möglicherweise war es Friedelinds Hang zur Opposition und die häufige Ablehnung von Aufführungen durch Winifred, die sie in diese Nische führten. Natürlich gab es wie in jeder Organisation Meinungsverschiedenheiten, die aber in der Regel rasch ausgeräumt wurden. Als problematisch erwies sich die doppelte Kontoführung. Sie hatte schon bei der Organisation der Meisterklassen zuweilen Persönliches und Dienstliches vermengt, zwar nie in böser Absicht, sondern weil sie nicht begriff, dass eine Trennung dieser Bereiche unabdingbar ist. Und als heikel erwies sich ihre Absicht, auch die Gegner der Aufführungen von Siegfrieds Werken in die ISWG zu integrieren, indem sie zunächst ihre Mutter und dann ihren Bruder zu Ehrenpräsidenten machte ( die aber nie bei den Versammlungen erschienen ). 398

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Sie schloss sogar sogenannte erzkonservative Kreise nicht aus und soll einmal stolz verkündet haben : «Jetzt haben wir auch Hitlers letzten Staatsanwalt ! «14 Glaubte sie, diese Leute bekehren zu können ? In diesen Jahren war sie meist in England anzutreffen. Der Staatsbesuch des deutschen Bundespräsidenten Gustav Heinemann war ein besonderes Ereignis, da sie zu einem festlichen Empfang im Schloss Hampton Court eingeladen wurde. Sie saß neben dem Schauspieler Peter Ustinov, der charmant zu plaudern verstand, und fuhr die Schauspielerin Elisabeth Bergner nach Hause.15 Die berühmte Theater- und Filmschauspielerin, von Erika und Klaus Mann mit überschwänglichen Elogen bedacht ( » Ein Wesen von ungreifbar koboldhaftem, dabei rührend-kindlichem, schmeichlerisch-zartem, knabenhaft-rauhem Zauber «16 ), war 1940 nach Hollywood emigriert und arbeitete später in New York, ehe sie nach Europa zurückkehrte. Friedelind wird sie von ihrer Zeit in New York her gekannt haben. Doch das waren Nebenschauplätze ; jetzt rückte ihre Vortragstätigkeit in den Vordergrund. Insbesondere das Thema » Let’s help Boulez burn down all the theaters « machte Furore, es war ihr » Knallerfolg «. Pierre Boulez hatte einige Jahre zuvor mit einer provozierenden Forderung für ein großes Medienecho gesorgt. Für ihn war modernes Musiktheater in den konventionellen Opernhäusern nicht adäquat zu realisieren, daher würde seiner Meinung nach kaum eine gute neue Oper komponiert. Die neuen Stätten sähen zwar von außen oft modern aus, seien aber innen altmodisch geblieben : » Die teuerste Lösung wäre, die Opernhäuser in die Luft zu sprengen. Aber glauben Sie nicht auch, dass dies die eleganteste wäre ? «17 Solche Provokationen waren ganz nach ihrem Geschmack, abgesehen davon, dass sie sich als Kennerin fast aller bedeutenden Opernhäuser Europas und der USA seit Jahren eine ideale Aufführungsstätte wünschte. Sie breitete ihre Ideen bereitwilDie Siebzigerjahre

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lig vor Zuhörern und Presse aus. Die jetzigen Gebäude seien » Museen «, kritisierte sie, völlig ungeeignet für moderne Produktionen. Das ideale Haus sollte flexibel sein, eine gute Sicht von jedem Platz aus bieten, die Mitarbeiter sollten einheitlich bezahlt, Oper und Sprechtheater am gleichen Standort angeboten werden und gut zusammenarbeiten. Der Proszeniumsbogen zwischen Vorhang und Orchester müsse verschwinden. Um das Gebäude herum sollten sich Komponisten, Librettisten und weitere Mitarbeiter ansiedeln, und jeder solle zu dem zu produzierenden Werk einen persönlichen Bezug erhalten.18 Sie nahm Kontakt zu Boulez auf und führte diese Gedanken über ein variables Theater aus, das zudem ermöglichen würde, Filme abzuspielen und andere neue Techniken einzubeziehen, und erwähnte die Krupp’sche Traglufthalle, die im Messegelände in Hannover stand und ein neues Raumgefühl vermittelte, da kein Pfeiler störte. Dass eine solche Halle » klassenlos, unsnobbistisch, nicht-protzig « war, faszinierte sie.19 Der Presse teilte sie mit, dass sie an jede Stelle der Welt reisen würde, wenn ein Gönner diesen Plan realisieren wollte ; einzige Bedingung sei eine genügende Bevölkerungsdichte, um künstlerisches Potenzial heranzuziehen. Wie ihr Großvater verdrängte sie die praktischen Fragen der Kosten. Finanzielle Folgen, die sich aus der logistischen Umsetzung eines solchen Unternehmens ergaben, interessierten sie nicht. In diese Überlegungen hinein platzte eine sensationelle Nachricht, als ihr das Mitglied der britischen Wagner Society, Paul R. Duffy, schrieb und von einem geplanten Kulturprojekt berichtete. In Teesside, einem Verwaltungsbezirk im Nordosten Englands unweit der Stadt Stockton-on-Tees, wollte man ein flexibles Theater errichten. Teesside war der Sammelname für sechs Städte, die sich zusammengeschlossen hatten : Middlesbrough, wo das geplante Theater stehen sollte, Stockton, Thornaby, Redcar, Billingham und Yarm. Geplant war, das Theater sowohl für seriöse kulturelle als auch für sportliche 400

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oder geschäftliche Veranstaltungen zu nutzen ; der Bau sollte in Kürze beginnen und nach zweieinhalb Jahren fertiggestellt sein. Duffy stellte Friedelind zwei verlockende Möglichkeiten zur Auswahl : entweder man lud künstlerische Gruppen dorthin ein, die sich auf Tournee befanden, oder » man findet ein Genie ( z. B. Friedelind Wagner ), um eine lokale Truppe zu schaffen, bei der die Schule einen wichtigen Bestandteil bilden würde «.20 Im nahe gelegenen Norton gäbe es für neue Meisterklassen ein altes Pfarrhaus, das bereits schallisolierte Räume besaß, die man zu Unterrichtszwecken benutzen könnte. Die weiteren Informationen entsprachen ihren Idealvorstellungen eines Theaters : die Zahl der Sitze war zwischen 1600 und 5000 Plätze zu variieren, die Akustik sollte modernsten Erkenntnissen entsprechen, und es würde keine Säulen geben, sodass man von überall eine gute Sicht hätte. Duffy bot ihr ein Gespräch mit dem Projektleiter John Pinches an. Sollte sich ihr Traum tatsächlich erfüllen ? Der Brief wühlte sie auf, ergab sich doch hier endlich eine Möglichkeit, als künstlerische Leiterin eines vielversprechenden Projekts ihre Ideen umzusetzen, die sich aus den Erfahrungen mit den Meisterklassen entwickelt hatten. Und plötzlich rückte die Umsetzung in greifbare Nähe, denn ein längst fälliges Ereignis trat ein. Am 2. Mai 1973, nach endlosen Querelen, wurde der Vertrag unterzeichnet, der die Übergabe der Villa Wahnfried, des Festspielhauses und des Archivs an die Stadt Bayreuth festlegte, die ihrerseits alles in eine Stiftung einbrachte. Friedelind hatte sich bei den Vorbesprechungen oft durch ihren Anwalt vertreten lassen, da sie fürchtete, bei den gelegentlich heftigen Auseinandersetzungen ausfällig zu werden : » Denn ich würde dort vermutlich einen mehrfachen Mord begehen. «21 Nun wurde das Privatunternehmen endlich in eine » Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth « umgewandelt. Daran beteiligt waren die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern, die Gesellschaft der Freunde, die OberfrankenDie Siebzigerjahre

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stiftung und die Stadt Bayreuth. Winifred, die dieses Ziel über Jahre hinweg beharrlich verfolgt hatte, übergab die Gebäude dem Staat, ohne Geld zu verlangen. Damit war sie zugleich alle Schulden los. Wolfgang behielt seine Stellung als Festspielleiter : » Der Wagnerenkel verwandelte sich damit in den Privatunternehmer seines ehemaligen Mitbesitzes. «22 Von dem Erlös in Höhe von 12,4 Millionen DM erhielten Friedelind, Wolfgang und Verena je ein Fünftel, während die Kinder des verstorbenen Wieland das ihnen zustehende Fünftel unter sich aufteilten. Winifred behielt das fünfte Fünftel für sich. Damit konnte Friedelind plötzlich – abzüglich der Schulden, die sie bei Wolfgang hatte – über mehr als zwei Millionen DM verfügen. Für die Vertretung der Familie Wagner in dem neuen Stiftungsrat galt : Neben Winifred stand jedem Stamm der vier Abkömmlinge eine Stimme zu. Franz Wilhelm Beidler wurde weiterhin übergangen ; eine Beteiligung, wenn auch ohne wirkliche Gestaltungsmacht, hätte dem Zweiundsiebzigjährigen sicherlich eine kleine Genugtuung für das bedeutet, was ihm widerfahren war. ( Da Richard Wagner kein Testament hinterließ, unternahm der Bankier Adolf von Gross auf Veranlassung Cosima Wagners die juristische Festlegung des gesamten  Erbes auf ihren Sohn Siegfried. Beidlers Mutter Isolde erhielt noch nicht einmal ein gesetzliches Pflichtteil, da Cosima sich aus Gründen der Prüderie weigerte, sie als Tochter Wagners anzuerkennen. ) Wolfgang Wagner wurde volle künstlerische Freiheit auf Lebenszeit gewährt. Erstaunlich ist, dass es der Familie nicht gelang, seine Bestallung zum Festspielleiter auf einige Jahre zu begrenzen, um es auch anderen Mitgliedern der Familie zu ermöglichen, in die Leitung aufzurücken. Rechtsanwalt Reinhold Kreile, der die Interessen der Wieland-Nachfahren vertrat, hielt eine fünfjährige Leitungsdauer mit der Option auf weitere fünf Jahre für vertretbar.23 Auch Bodo schlug vor, » Sicherheiten einzubauen, um allen 402

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anderen Familienmitgliedern, darunter auch z. B. der Friedelind und Wummi [Wolf Siegfried], die Türen der Festspielleitung zu öffnen «.24 Er konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Wolfgang verdankte seine lebenslange Anstellung den staatlichen Vertretern, die bei der Sitzung dominierten und gegen die Familie entschieden. Er konnte nach Gutdünken entscheiden, und später ergab sich ein Zwist aus seiner Weigerung, Wieland Lafferentz bei Orchesterproben zuzulassen, was Verena und Bodo erzürnte. Als Bodo Lafferentz am 17. Januar 1975 verstarb, war das nicht nur ein persönlicher Verlust für Friedelind. Er hatte immer zu ihr gehalten und sich um Ausgleich in den Familienstreitigkeiten bemüht. Jetzt musste sie ihre Probleme mit Wolfgang alleine lösen. Friedelinds Kontakt zu den Neffen und Nichten war eng. Sie vertrauten sich ihr gerne an, erzählten ihr von ihrer Ausbildung, und sie hätte ihrerseits Eva, Nike, Gottfried oder Wolf Siegfried gerne mitarbeitend oder gar an leitender Stelle der Festspiele gesehen. Doch ahnte sie das Scheitern solcher Wünsche voraus : » Sicherlich wird es einen harten Widerstand gegen Wummi geben, da sein Onkel ihn haßt ( ich kann kein milderes Wort anwenden : Wummi hat sich allerdings im Sommer 1966, als sein Vater todkrank war, von diesem aber noch angestachelt, leider sehr schlecht dem Onkel gegenüber benommen ; nicht dass gutes Benehmen geholfen hätte ; ich benahm mich exemplarisch korrekt und loyal, was nicht geholfen hat ! ). Aber der Herr Onkel müßte ja mit seinen 54 Jahren genug Reife haben, um einige Jugendsünden zu vergeben. Wir waren ja auch keine Engel als Kinder. «25 Obwohl sie gelegentlich eigene Ambitionen auf die Festspielleitung zugab26, kämpfte sie nun für die nachfolgende Generation, wurde nicht müde, den Medien zu berichten, dass Wolfgang es dem Wagner-Nachwuchs verwehrte, in Bayreuth eine Regie zu übernehmen. Dass sie mit ihrer Einschätzung recht hatte, kann Die Siebzigerjahre

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man von Wolfgang Wagner selbst erfahren. Er gab der Zeitschrift Playboy ein Interview, in dem er alle Urenkel als unpassende Nachfolger für die Festspielleitung hinstellte : » Wenn ich jetzt unmittelbar ausscheiden würde, bringt keiner von der jungen Wagner-Generation die Voraussetzungen mit, um Bayreuth zu leiten … Mein Verständnis von einer Bayreuther Festspielleitung [ist] primär nicht verwandtschaftlich und patriarchalisch determiniert. «27 Der Gedanke an Meisterklassen in England ließ Friedelind nicht mehr los. Zusammen mit den Behörden und einem Vorstand wurde die Stiftung » The Friedelind Wagner Masterclasses Scholarship Trust « gegründet. Ihr Ziel war demjenigen der Bayreuther Meisterklassen angelehnt : Sie wollte den begabtesten Nachwuchs von überallher ausbilden. Der Unterricht sollte wieder möglichst alle Aspekte des Musiktheaters umfassen : Architektur, Regie, Dirigieren, Darstellung, Lichttechnik, technische Angelegenheiten, Gesang, das Schreiben von Libretti. Mittelmaß kam auch diesmal nicht infrage, sie  pokerte hoch. » Jeder Teilnehmer sollte eine vollständige Kenntnis der Fachdisziplin und des Handelns der anderen besitzen. Nach drei Jahren sollte jede( r ) inszenieren, die Beleuchtung, Bühnenbild und Regie beherrschen und in manchen Fällen dirigieren können. Dies wurde von Piscator und von dem Opernworkshop der University of Pittsburgh geleistet – warum also auch nicht von uns ? «28 Sie hatte Erwin Piscators Buch Das politische Theater gelesen, das sie begeisterte : » Ob man ihn mag oder nicht, er war bahnbrechend. Es ist schade, dass ich so viele dieser berühmten Künstler nur in der Emigration kannte und damals oft gar nicht recht wusste, was sie eigentlich gewesen waren. Obwohl ich ja in den 1920ern schon vorhanden war, war ich ja noch etwas klein – und ich kann mir auch nicht gut vorstellen, dass mein Vater mich hätte ins rote Proletarier Theater mitgenommen, selbst wenn ich etwas grösser gewesen wäre. «29 ( Damit hatte sie sicherlich recht. ) 404

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Die berühmte Krolloper, die das Kulturleben der Zwanzigerjahre so stark beeinflusst hatte, war 1931 geschlossen worden. Friedelinds Vetter Franz Beidler hatte der Oper nahegestanden ; Otto Klemperer, der dort gearbeitet hatte, plädierte übrigens wie Friedelind für die Beteiligung der Mitwirkenden an allen Vorgängen der Oper ; dies hatte er sich von Gustav Mahler abgeschaut.30 Sie bewegte sich mit ihren Ideen folglich in einer ehrwürdigen Tradition. Nachdem sie 1973 drei Konzerte in Stockton-on-Tees mit der Sängerin Ella Lee veranstaltet hatte, plante sie, auf die Jagd nach Spenden für Stipendien zu gehen, so wie sie es bei den Bayreuther Meisterklassen getan hatte. Der Tochter ihres Vetters, Dagny Beidler, riet sie, das Lehramt aufzugeben und bei ihr zu arbeiten, doch zog diese es vor, im bewährten Beruf zu bleiben. Friedelind war überzeugt, dass noch drei weitere Wagner- oder Liszt-Nachfahren mitarbeiten würden : Wolf Siegfried, Nike ( die elektronische Experimente machen ) und der Liszt- und Bülow-Nachfahre Timothy Gravina, der die Computer überwachen sollte.31 Um den Aufbau des neuen Musikzentrums, das diesen Landstrich zugleich kulturell bereichern sollte, zu beschleunigen, kaufte sie ein kleines Haus in Ragworth Road, Norton, nahe bei Stockton-on-Tees, wo sie wohnen wollte. Im Sommer 1974 erwarb sie das villenartige Gebäude » Southlands « in Eaglescliffe, Preston-on-Tees, und war in euphorischer Stimmung. Beides ließ sie renovieren ; mit dem stattlichen Vermögen im Hintergrund fiel ihr dies nicht schwer. » Southlands « war als eine Investition gedacht, von der alle Teilnehmer ihrer Kurse profitieren sollten. Das 100 Jahre alte Haus besaß hochherrschaftliche Räume, die auf den Park blickten, und einen Turm, in dem man auch wohnen konnte. Auf dem Grundstück befanden sich noch zwei Häuschen. Im Geiste sah sie fünf bis zehn kleine Häuser am unteren Ende des Parks, die man bauen konnte, ohne die Schönheit des Grundstücks zu Die Siebzigerjahre

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beeinträchtigen. Ein kleiner Bach schlängelte sich durch den Park, auch ein Teich fehlte nicht. Ställe und ein riesiges Gewächshaus luden zum Ausbau ein : » Haus und Garten sind ideal für unsere Meisterklassen-Zwecke : für Gäste, für Gönner-Parties, für Hauskonzerte, für Aufführungen im Park etc. «32 Im Turm wie in den beiden Häuschen sollten die Dozenten leben, die unteren Räume als Studios fungieren. Das Gebäude wurde umgekrempelt und mit großem Aufwand restauriert und renoviert, und Friedelind stürzte sich mit Elan in die Aufgabe. Kamine wurden entfernt, Wände von zahlreichen Tapetenschichten befreit und neu tapeziert, Badezimmer versetzt und installiert, Fenster zu Doppelfenstern umgebaut und Böden erneuert. Sie nahm selber die Küche in Angriff und kam sich wie eine verstaubte Gipsstatue vor, ehe sie in die Badewanne flüchten konnte. Neue elektrische Leitungen wurden gelegt, Heizungskörper eingebaut oder verlegt, woraufhin die Heizung kaputt ging. Die Kosten hierfür trug sie angesichts ihres neuen Vermögens mit Fassung, ärgerlich fand sie nur die unzuverlässigen Handwerker : » Wenn man Arbeiter findet, dann saufen sie oder kommen nicht oder überfluten das Haus. «33 1975 gab Hanne-Lore Kuhse einen Liederabend. Der Beginn der Klassen wurde wegen der Umbauten und anderer Vorbereitungen auf 1976 verschoben. Friedelind beschuldigte die Londoner Behörden, sich mit der Etablierung der Stiftung zu viel Zeit zu lassen. » Und noch mehr Zeit wurde vergeudet durch die Neuordnung der Grafschaften – auch das ist London zuzuschreiben. «34 Langsam, aber sicher schlichen sich wieder die alten Fehler ein. Sie vermengte ihre eigenen Ausgaben mit denen der Stiftung, und im Protokoll einer Sitzung der Stiftungsräte vom Mai 1975 ist zu lesen, dass sich ein Mitglied über das » finanzielle Chaos « beschwerte, das es vorgefunden habe. Als sich aufgrund der erwähnten politischen Neustrukturierung der Grafschaften herausstellte, dass man in Teesside 406

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nun doch kein neues Theater bauen würde, verlegte sie die Aufführungen in Kirchen und teilte mit, dass sie mit einer Traglufthalle oder einer Fabrikhalle auch zufrieden wäre. Eine angenehme Ablenkung war für sie die konzertante Aufführung von Siegfried Wagners Oper Der Friedensengel, die sie am 23. November 1975 in der Londoner Elizabeth Hall organisierte und die vom Rundfunk übertragen wurde. Sie hatte sich um die Werbung im Programmheft gekümmert und dafür auch Fotografien ihres Vaters besorgt. Familienmitglieder aus drei Generationen kamen angereist . Winifred und Verena waren anwesend, und sogar der Wagner-Enkel Franz Wilhelm Beidler ließ sich dazu überreden, obwohl er nach seinem Weggang aus Deutschland nie wieder eine Aufführung in Bayreuth besucht hatte : vielleicht der versöhnliche Versuch, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Seinen Onkel Siegfried hatte er stets geachtet, und seine Tochter Dagny war ebenfalls anwesend. Wolfgang Wagner fehlte demonstrativ. Im Vorfeld konnte Friedelind es sich nicht versagen, öffentlich darauf hinzuweisen, dass ihrer Mutter die Oper eigentlich nicht gefiel. » Sie haßt das Thema ; sie findet es furchtbar, sich mit Selbstmord zu beschäftigen, und auch diese Dreiecksverhältnisse gefallen ihr gar nicht. «35 Die Presse würdigte die Aufführung und lobte die Sänger Raffaele Polani, Martha Mödl und Hanne-Lore Kuhse, Mödl ( die eine große Anhängerin von Siegfrieds Musik war ) freilich eher für ihr dramatisches Talent als für die Stimme. Friedelind hatte mit dieser Unternehmung Mut bewiesen, der von Erfolg gekrönt war. Ihre Nichte Nike Wagner hat sie einmal treffend als » Tochter-Adjutantin « bezeichnet, ähnlich wie auch Erika Mann eine war, mit dem Unterschied, dass Friedelind ihre Rolle nur als » Witwe « ausleben konnte. ( Nike Wagners Vermutung, dass solche » Wotans-Töchter « keine Kinder bekämen, weil sie keine fremde Liebeswahl treffen könnten36, ist ebenfalls bedenkenswert. ) Die Siebzigerjahre

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1976 war es endlich so weit : Der erste sechswöchige Kurs sollte stattfinden. Eingeladen waren bereits ausgebildete, hochqualifizierte Kräfte. Parallel dazu wurde die Bevölkerung einbezogen, um den Kontakt zu musikalischen Laien zu fördern. Den Schulen sollte das Theaterspiel nahegebracht werden. Künftig sollten die Kurse das ganze Jahr über laufen. Friedelind pokerte hoch und lud Cathy Berberian, Karlheinz Stockhausen, Joachim Herz, Luciano Berio und Pierre Boulez ein, Kurse zu übernehmen, die aber noch zögerten. In einer Broschüre sind H. K. Bast für Bühnenbild und Kostüme, Nicholas Braithwaite für Dirigieren, Charles C. Fussell für Komposition, Ute Hertz für Schauspiel, Bruce Hungerford für Korrepetition, Hanne-Lore Kuhse für Gesang und Interpretation und sie selbst für Regie genannt. Man wollte Mozarts Hochzeit des Figaro analysieren. Trotz aller Vorbereitungen fand sie noch Zeit für eine zweiwöchige Reise durch England mit Winifred. Sie fuhren mit dem Auto von Wales nach Stonehenge und Stratford, und Friedelind zeigte der Mutter stolz ihr Haus und alle anderen Bauvorhaben. Winifred war froh, dass die Tochter eine Ablenkung hatte : » Das ist gut so, da ist sie abgelenkt und spuckt nicht uns in die Suppe ! «37 Um begabte Meisterschüler zu finden, entwickelte Friedelind wieder einmal eine fieberhafte Reisetätigkeit. Aus Boston schrieb sie Anfang 1977, dass sie bereits 20 Teilnehmer ausgewählt habe und nach San Antonio, Texas, zu einer Rienzi-Aufführung reisen würde : » Ganz Amerika fliegt dazu hin, sodass ich sehr viele Freunde sehen werde. Am 29. bin ich in Houston, am 31. Denton und dann Dallas, dies alles noch Texas. Dann fliege ich weiter nach Atlanta, Georgia, und von dort nach Winston-Salem, N. Carolina, von dort nach Washington und dann entweder Ottawa – New York … Dann bleibe ich wieder ein bißchen in New York und werde Abstecher nach Philadelphia und New Haven machen … Boulez dirigiert 408

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augenblicklich vier Konzerte pro Woche, Lotte Klemperer geht in alle vier plus Proben, leider kann ich mir das nicht leisten, weil ich zu viel zu tun habe, aber morgen Abend gehe ich mit vielen Freunden hin, ob ich am Nachmittag ein Schauspiel am Broadway schaffe, weiss ich noch nicht. Sonntag Abend werde ich nach Rockland County verschleppt, wo ein alter Freund ein Konzert dirigiert, die erste Hälfte Opapa, sodass er mich natürlich gerne dabei hat. «38 Diese Aufzählung ließe sich endlos fortführen. Neben der Prüfung weiterer Kandidaten suchte sie nach Sponsoren und bediente sich auch der Presse, die über sie und ihre Pläne berichtete. Es belebte sie aber auch, alte Freunde wiederzusehen und Seilschaften zu erneuern. 1978 fanden sogenannte Saturday Night Events statt, durch die sie ihr Projekt stärker an die Region anbinden wollte. Bei diesen Wochenendkursen sollten die Künstler » über ihre Arbeit, ihr Studium, Laufbahn, Aufgaben etc. sprechen und dann natürlich spielen, singen, demonstrieren, ausstellen, illustrieren. Anschliessend werden immer Diskussionen stattfinden. «39 Zu Ostern wurde ein » Musical-Weekend « organisiert, zu dem auch Verena und Winifred kamen. Der Name der Veranstaltung war wohl ironisch gemeint, denn sie setzte ihren » meschuggenen Wagnerianern ( 35 Wagnerfans aus ganz Großbritannien ) Boulez, Carter, Crumb etc. vor, was sie wie bittere Medizin schluckten «40. Es gab unter anderem ein Orchesterkonzert im Garten, bei dem zwei junge Männer aus der Region dirigierten beziehungsweise Klavier spielten. » Es gelang mir ein echt amerikanischer Coup, indem ich viele Frauen aus der Region dazu brachte, für das Fest zu backen, und sie haben sich selbst übertroffen. « Im Juli gab Hanne-Lore Kuhse vier Liederabende und acht Meisterklassen. Der Pianist Laurence Allix brachte zeitgenössische Musik sowie Werke von Liszt zu Gehör. Friedelind plante, aus Cosima Wagners Tagebüchern vorzulesen. Die Siebzigerjahre

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Die Kurse ließen sich nicht dauerhaft aufrechterhalten, da das Geld nicht ausreichte. Zu allem Unglück stellte sich heraus, dass sich das alte Pfarrhaus, das vom Stadtrat zur Verfügung gestellt worden war, nicht für Konzerte eignete. Wegen der niedrigen Decke war die Akustik mangelhaft, und die Künstler weigerten sich, dort aufzutreten. Es hätte große Kosten verursacht, Veränderungen vorzunehmen. Kurz entschlossen bestimmte sie, dass die Klassen künftig in » Southlands « stattfinden würden, wo sie inzwischen auch wohnte. Als die Finanzen aus dem Ruder liefen, verweigerten die politischen Instanzen einen Ausgleich des Defizits. Friedelind lag krank darnieder, als sich » die hiesigen Zeitungen mit Gemeinheiten und Verleumdungen über die Meisterklassen [übertrafen] und der Stadtrat, den mein Vorsitzender dazu kriegen wollte, dass sie das Defizit des ersten Jahres garantieren, sagte gottlob nein, denn daraufhin trat mein ganzer Aufsichtsrat zurück und ich bin nun wahrhaft befreit wie von einem Alpdruck und kann mich selbst wieder rühren «.41 Für den neuen Aufsichtsrat wählte sie Franz Wilhelm Beidler, was als ein Zeichen der Wiedergutmachung mit ihm angesehen werden kann, Verena Lafferentz beziehungsweise ihren Sohn Manfred, ihren Freund Alexander Eldon, ihre Freundin Isabella Wallich und sich selbst aus. Die Finanzen blieben aber weiterhin das große Problem. Das schleichende Ende kündigte sich an, als die Behörden tatsächlich die Grenzen der Grafschaften änderten und es entgegen den ersten Plänen keine finanzielle Förderung von staatlicher Seite gab. Im März 1979 kam sie zu der bitteren Erkenntnis, alles aufgeben zu müssen, was sie nicht nur auf die  Veränderungen der Grenzen der Grafschaften, sondern auch auf den ersten Aufsichtsrat zurückführte, » dessen › Wohlwollen ‹, Impotenz, Ignoranz und Inkompetenz, gemischt mit Arroganz, mein Projekt in Grund und Boden zerstörten «. Kein Ausdruck war für ihren Ärger stark genug. Sie war überzeugt, 410

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dass ihre Versuchsklassen durch » ständige Störungen, Kompromisse und Feigheit « sabotiert worden waren. Dem neuen Verwaltungsrat teilte sie ihren Entschluss mit, alles abzubrechen. Sie sehe traurigerweise keine Zukunft für ihr Projekt mehr, werde ihre Haushalte samt Inhalt auflösen, die Häuser verkaufen und England verlassen. » Ich werde froh sein, wenn ich die ganze Verantwortung für so viel Häuser los bin und will mal, zumindest zwei Jahre, mich an gar nichts binden. « Sie habe genug von unzuverlässigen Arbeitern, gebrochenen Versprechen, Betrug, » dass man mich wie ein Paria behandelt weil ich eine Frau und Ausländerin bin «.42 Es waren aber auch ihre Querelen mit dem Aufsichtsrat, die sie zusätzlich zermürbt hatten. Das Anwesen » Southlands « verkaufte sie 1980. Mit der Erbschaft im Hintergrund kam ihre Generosität verstärkt zum Zuge. So bekam ihre Freundin aus alten Isle-of-Man-Zeiten, Bertel Mayer, zusammen mit ihrem Mann eine Reise erster Klasse nach Israel geschenkt, Tagesgelder, Zwischenstopps in Europa – alles inklusive. Die Kosten in Höhe von 1575 Dollar übernahm sie vollständig ; sie wollte den beiden einen Gefallen tun. Sie waren mehr als überrascht, und der Ehemann schrieb ihr : » Du kannst keine derartigen phantastischen Geschenke machen – selbst wenn Du von Bayreuth geerbt hast –, ohne einen reichen Engländer umgebracht zu haben. Ich lese jeden Tag die Times mit größter Aufmerksamkeit, aber ich hoffe, dass Du noch nicht wegen Raub und Mordes verhaftet bist. « Boshaft erwiderte sie, dass nicht sie eine Mörderin sei, sondern dass ihre Mutter Bayreuth und dessen stolzes Vermächtnis umgebracht habe.43 Einer Nichte, die von ihr Geld für eine medizinische Behandlung erhielt, schrieb sie, sie habe von Toscanini gelernt, dass man den Lebenden helfen solle ; der Dirigent habe nur Bilder von lebenden Malern gekauft – » die anderen waren ja schon verhungert «. Deshalb sei sie überzeugt, » dass Dein Die Siebzigerjahre

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Großvater Siegfried es bestimmt auch viel vernünftiger und sinnreicher fände, dass man seiner Enkelin über die Runden hilft «.44 Eine unweit größere Investition tätigte sie mit ihrem Angebot an die Jugendfreundin Isabella Wallich, als diese mit ihrem Schallplattenlabel » Symphonica « unverschuldet in Bedrängnis geriet. Als Isabella kaum mehr weiterwusste und eine vorbereitete Beethoven-Einspielung mit dem Pianisten Charles Rosen auf der Kippe stand, rief » Mausi « an und sagte ihr zu, dass sie Teilhaberin werden würde. Sie interessiere sich für das, was Isabella und der Dirigent Wyn Morris machten, und sie wolle ihr Geld, das von ihrem Großvater stamme, nicht in Goldbarren oder Aktien anlegen, sondern sinnvoll verwenden. Isabella war überwältigt : » Ich werde diese erstaunliche Geste der Generosität nie vergessen. «45 Friedelind wurde nun Direktorin der » Symphonica Music Limited «, Teil eines Teams und an der Planung beteiligt. Man nahm die Diabelli-Variationen mit Charles Rosen auf, und als Letztes wurde 1977 Das Liebesmahl der Apostel von Richard Wagner mitgeschnitten, ein selten gespieltes Werk. Als aber die Investitionsfirma Norton Warberg 1979 bankrottging, kam Isabella wieder in Bedrängnis. Schließlich musste sie Friedelind den Verlust ihrer Investition mitteilen. » Tapfere, aufrichtige Freundin, die sie war, klagte sie kein einziges Mal und akzeptierte ihren Verlust philosophisch wie wir alle «, schrieb sie.46 Aus England, das sie enttäuscht verließ, brachte Friedelind einen aufstrebenden Künstler mit nach Deutschland, den Pianisten Neill Thornborrow, den sie in Stockton-on-Tees kennengelernt hatte und fördern wollte. Im Sommer 1979 konzertierte er zusammen mit Gabriele Schnaut in Winifreds Haus in Bayreuth und erhielt eine Zweijahresstelle am Opernhaus in Regensburg, was sie mit Stolz erfüllte, hatte sie doch auf ihn und seine Begabung gesetzt. Später bestimmte sie ihn zu ihrem Gesamterben. Mitte der Siebzigerjahre gab es Skandale und Turbulenzen 412

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in Bayreuth : Hans-Jürgen Syberberg drehte 1975 ein Filminterview, das unter dem Titel Winifred Wagner und die Geschichte des Hauses Wahnfried 1914 – 1975 als fünfstündiger Dokumentarfilm erschien. Eva Wagner-Pasquier fädelte den Kontakt Syberbergs zu Winifred ein. Enkel Gottfried, der längst für eine Aufarbeitung der Schuld der Wagner-Familie an der Politisierung der Festspiele in der Naziära plädierte, war bei den Aufnahmen dabei. Es irritierte ihn, dass er bei seinen Besuchen im Haus seiner Großmutter, wo ein großes Bild des » Führers « hing, nicht dessen Briefe lesen durfte, die ab 1923 geordnet und nach seiner Aussage » sensationelles Material, tip-top in Ordnung « waren.47 Er wollte Einblick nehmen, worauf Winifred Wolfgang anrief, der es verhinderte. Winifred verriet viel in dem Interview, was sie sonst gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen hatte, insbesondere ihr offenes Bekenntnis zu Hitler. Ihre Aussage, wonach es sie genauso wie früher beglücken würde, wenn er ins Zimmer einträte, erreichte traurige Weltberühmtheit. Bei seinem ersten Besuch in Bayreuth sei er ihr erschienen als » absolut unpolitischer und Wagner-begeisterter Mann … Im übrigen kam er hierher, um Familienleben zu genießen. Über Politik wurde überhaupt nicht geredet. « Er habe » Herzenstakt und Wärme « besessen, sie habe durch ihn nie eine menschliche Enttäuschung erlebt, » abgesehen von dem, was draußen passierte, aber das berührte mich nicht «. » Die Ausstrahlung war beträchtlich … dämonisch im Goetheschen Sinn … mein Nationalsozialismus war nur mit der Person Adolf Hitlers verbunden. « Und weiter : » Ich habe den Menschen nicht aus meinem Vorstellungskreis verbannen können. Alles was passierte, lehne ich auch ab, aber ich lasse das, was ich gut und menschlich an Hitler fand, mir nicht nehmen … verleugnen werde ich die Freundschaft zu ihm nie. « Wolfgang sei als Verwundeter in der Charité von Hitler besucht worden, der ihm Blumen brachte, » solche Dinge vergißt man nicht «. – » Ich bin imstande, den Hitler, den Die Siebzigerjahre

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ich kenne, zu trennen von dem, was man ihm heute zur Last legt. Ich wäre genauso fröhlich und glücklich ihn zu sehen, wenn er heute käme. « Sie wisse, dass Schlimmes existiere, aber » für mich existiert es nicht – mich interessiert nur die persönliche Erfahrung … Ich bin eine wahnsinnig treue Person. Wenn ich eine Zuneigung gefaßt habe, dann bleibt es dabei. « Sie weigerte sich, ihn als Massenmörder anzusehen, und schob die Schuld auf andere, beispielsweise Julius Streicher, und resümierte : » Ich war nie politisch. « Jede kritische Sichtweise auf den Diktator lehnte sie ab, sie blieb dabei : Er sei ein Freund der Familie Wagner und vor allem ein Bewunderer des Meisters gewesen. Als Einziges konzedierte sie eine Drogenabhängigkeit kurz vor dem Zusammenbruch ; seinen Satz » ich höre die Flügel der Siegesgöttin rauschen « interpretierte sie als den eines nicht mehr Gesunden. Die Medien überschlugen sich, und während die einen über sie entsetzt waren, bewunderten die anderen sie für ihre Geradlinigkeit. Syberberg saß dem Irrtum auf, mit dem Interview eine cineastische Form gewählt zu haben, die den Anschein der Wahrheit gewährte. Die Form » garantierte den Wahrheitsgehalt dieser Dokumentation, wo Ehrlichkeit alles ist «, schrieb er dazu.48 Dass Winifred in ihren Äußerungen die Wahrheit so zurechtbog, wie sie ihr passte, ging dabei verloren. Und doch kam manches heraus, das nachdenklich macht. Sie beschrieb ihre Tochter Friedelind als » ein sehr wagnerisches Kind : willensstark, selbstbewußt, eigenwillig, dickköpfig. Ein absolut fröhliches, sehr burschikoses Kind. Sie wollte immer die erste Geige spielen. « Die Tanten hätten sie » verzogen «, sie » Maienkönigin « genannt. Dann kam sie auf die Emigration ihrer Tochter zu sprechen und gab zu, dass sie diese falsch gefunden habe : » Mir war das peinlich, sie im Ausland zu wissen … Friedelind sollte dem Vaterland ihre Dienste leisten. « Sie war nicht bereit, der Tochter eine politische Entscheidung gegen die Nazis zuzugestehen, sondern meinte, Friede414

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lind habe sich von Ehepaaren wie Frida Leider und Rudolf Deman beeinflussen lassen ; dadurch sei ihre » Antihaltung « entstanden. Sie, Winifred, sei über Friedelinds Flucht nach England über Frankreich durch einen Anruf aus der Reichskanzlei informiert worden : » Wären wir nicht Mitglieder der Wagnerfamilie gewesen, wären wir ins KZ gekommen. « Zu Friedelinds Buch meinte sie, es sei » von einem Ghostwriter geschrieben «. Nach ihrer Heimkehr nach Deutschland hätten die Söhne den Meisterklassen zugestimmt und » damit hatte sie ihre Beschäftigung «. Ihre Äußerungen zur Tochter hören sich an wie die einer Außenstehenden, es ist keine Spur irgendeines Verständnisses vorhanden, sie war nicht bereit, die Tochter ernst zu nehmen. Für Friedelinds Ausreise hatte sie nur Kritik übrig und nahm ihr nicht ab, dass die politische Situation sie zur Emigration gezwungen habe ; sie diffamierte ihr Buch und machte deutlich, dass die Zustimmung zu den Meisterklassen den Zweck gehabt habe, Friedelind von dem Griff nach der Leitung Bayreuths abzulenken. Winifreds Verhältnis zu Hitler kann man nur psychologisch deuten : Es bedeutete für sie eine glanzvolle Selbsterhöhung, an der Seite des Staatslenkers ins Festspielhaus einzuziehen. Das » Duzen « war für sie vielleicht ein erotischer Ersatz. Dem adoptierten Waisenkind lag der mächtigste Mann Deutschlands zu Füßen – einer, der halb Europa besiegt hatte und es mit der ganzen Welt aufnahm. Um nicht mit ihm abzustürzen, hielt sie auch nachträglich zu ihm. In der Schilderung des Einmarsches der Amerikaner sah sie sich als Opfer ( womit sie nicht die Einzige war, die so dachte ). Während sie die US-Soldaten verurteilte, die Wahnfried beschmutzt und auf Wagners Grabstein getanzt hätten, verdrängte sie die NS-Mordmaschinerie, legte sich eine persönliche Wunschwelt zu und überhöhte Hitler. Nachdem diese und weitere Äußerungen bekannt geworden waren, verbot Wolfgang seiner Mutter, die Festspiele und Die Siebzigerjahre

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das Festspielhaus zu besuchen. Er teilte dies auch der Presse mit.49 Dabei war er weniger über ihre Ansichten entsetzt als darüber, dass sie an die Öffentlichkeit gedrungen waren. Mit einer solchen Preisgabe ihrer innersten Gedanken hatte er nicht gerechnet. Auch Winifred war entsetzt : » Der hinterhältige Syberberg hat absolut privat gemeinte Dinge, die während der Drehpausen stattfanden, schwarz aufgenommen und bei der Pariser Aufführung des Films diese Gespräche mitlaufen lassen – nachdem er sie bei einer Abnahme des Films durch Wolfgang ausgelassen hatte ! … Wolfgang sah mal wieder eine Gefahr für die Festspiele ( braune Schatten über Bayreuth ) und meinte, sich öffentlich von mir distanzieren zu müssen, was er dadurch machte, dass er mir das Betreten des Festspielhauses bis auf die letzten vier Vorstellungen verbot ! ! ! ! «50 Es freute sie später, dass sie so viel Zuspruch von ihrem Freundeskreis erhielt, von Menschen, die sich in der Nazizeit in ihrer Nähe gesonnt hatten. Nach der Ausstrahlung des Films bekam sie fast täglich freundliche Anrufe, wie sie Helene Roesener mitteilte : » Die vielen zustimmenden Stimmen zu meinem Film benötigen natürlich auch einen schriftlichen Dank. «51 Außerdem wurde Winifred nach wie vor von Menschen hofiert, die die Naziära als etwas Positives empfunden hatten und nicht bereit waren, ihre Haltung zu ändern. So nahm sie die Frau des NS-Architekten Paul Ludwig Troost, Gerdy Troost, nach Sternberg zu Henry Picker mit, den Winifred selbst als » mit einem Bein alten Nazi « bezeichnete. Picker, der 1951 die Tischreden Hitlers 1941 – 42 herausgab, die er damals persönlich protokolliert  hatte52, hatte 20 Personen eingeladen, darunter die Schwester von Franz Josef Strauß, damit sie Winifred kennenlernte. So feierten rechtskonservative Kreise fröhliche Urständ und gedachten vermutlich gerne der guten alten Zeiten. Bei der Feier zum hundertjährigen Bestehen der Bayreuther Bühnenfestspiele hielt Bundespräsident Walter Scheel eine 416

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Ansprache, Karl Böhm dirigierte die Meistersinger, und anschließend gab es um das Festspielhaus herum ein fränkisches Volksfest. 1976 war aber auch das Jahr der Inszenierung des Ring des Nibelungen in Bayreuth durch den jungen französischen Regisseur Patrice Chéreau, und da es sich um die Hundertjahrfeier der Ring-Aufführungen handelte, besaß dieses Engagement eine große Bedeutung und zog ein entsprechend starkes internationales Echo auf sich. Hatten in den Jahren zuvor schon profilierte Regisseure wie Joachim Herz oder Götz Friedrich die politischen Implikationen in Wagners Werk auf die Bühne gebracht, wagte sich nun auch Chéreau daran. Es gab viele kritische Stimmen. » Boulez/Chéreau sind die Anführer dieses ersten Angriffs der Vandalen «, schrieb eine Zuschauerin. Ihr Herz sei » gebrochen «, und sie fände die Inszenierung » lästerlich «. Eine Leserin im Nordbayerischen Kurier schrieb von einem » Experiment mit dem Holzhammer « : » Einer vertrauten Sage den Stempel unserer Zeit zu geben, kann nur die Engstirnigkeit und Phantasielosigkeit dieser jungen Garde fertigbringen. «53 Friedelind war ganz anderer Ansicht : » Jedes Mal, wenn es in Bayreuth eine Innovation gibt, gibt es Protestgebrüll von den Alteingesessenen. «54 Als Chéreaus Ring für das US-Fernsehen aufgezeichnet wurde, stellte sie sich als » Hostesse « zur Verfügung und gab verbindende Worte zum Besten, in denen sie offen über Hitlers Besuche in Bayreuth sprach, was ihr viele Sympathien in den USA einbrachte. Als der Musikethnologe Fritz A. Kuttner, der von der jüdischen Organisation B’nai B’rith gebeten worden war, Bericht zu erstatten, meinte, es würde sich unter Chéreaus Regie im ersten und zweiten Akt von Siegfried eine » skandalöse und schäbige antisemitische Ausbeutung « finden55, verneinte sie umgehend : » Es ist ein ganz großartiges, menschliches Dokument und genau umgekehrt von dem, was Sie ihm anlasten. … Nicht er [Chéreau], noch Boulez sind Antisemiten – ich lege gerne jeden Tag meine Hand für beide Die Siebzigerjahre

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ins Feuer – ja, besteige gerne einen Scheiterhaufen, um die Zweifler von ihrer Integrität zu überzeugen – der Antisemit war mein Großvater und allzu viele Menschen um ihn. « Diese Erkenntnis erstaunt angesichts ihrer Verneinung solcher Tendenzen bei ihrem Vater Siegfried. Kämpferisch, wie sie war, bot sich Friedelind für jede Debatte über dieses Thema an. Sie bat Kuttner außerdem, sich mit Peter Weinberg von Channel 13 und mit John Ardoin von der Dallas Morning News zu treffen, die beide an der Produktion beteiligt waren. Wolfgang war über ihre Anwesenheit während der Jahrhundertfeiern nicht erbaut. Als Frederick Haupt um ein Interview ersuchte, schrieb er zurück : » Gruppen, die sich über die Bayreuther Festspiele gleichermaßen bei mir und einem oder mehreren Mitgliedern meiner Familie, die mit der Durchführung der Festspiele nichts zu tun haben, informieren wollen, empfange ich prinzipiell nicht. «56 Er ging aber nicht nur mit Friedelind hart um. 1976 heiratete er seine Sekretärin Gudrun Mack und kündigte seiner Tochter Eva, die von 1968 bis 1975 im Festspielhaus mitgearbeitet hatte und zur Mutter hielt. » Wunschmaid bist du nicht mehr «, heißt es passenderweise in der Walküre. Friedelind hatte ein gewisses Verständnis dafür, dass ihre Mutter die Inszenierung ablehnte, da sie einer anderen Generation angehörte und sich daher neuen Interpretationen verweigerte. Sie ärgerte sich aber, als Winifred ihre Kritik lauthals öffentlich von sich gab. Daher stellte sie Chéreau ihrer Mutter vor, die bisher einen Bogen um den Regisseur gemacht hatte, indem sie an seiner Seite auf sie zuging : » Obwohl Du ihn bei der ersten Begegnung erschießen wolltest, besteht er darauf, Dich kennenzulernen. « Notgedrungen lobte Winifred einiges Chéreau gegenüber, schloss aber ihre Bemerkungen mit : » Und nun, Herr Chéreau, suchen Sie sich zu Ihrem Stück einen Komponisten. «57 In einem Brief an Friedelind unterstrich sie nochmals : » Die Bühnenbilder und Kostüme zum Ring sind 418

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für mich völlig unmöglich – aber diese Parodie, Blasphemie, Verbrechen und Tempelschändung ist wohl das, was die Heutigen begehren – ich komm da nicht mehr mit ! «58 So heftig Friedelind einerseits Chéreaus Konzeption verteidigte, so vehement konnte sie andererseits Kritik äußern. Die Inszenierung des Lohengrin durch Götz Friedrich fand sie  » häßlich, häßlich « und zitierte einen Besucher, der sich schwor, nie mehr Kuchen im Schlafzimmer zu essen, weil der Regisseur das Brautbett als riesige Hochzeitstorte dargestellt hatte.59 Als die Stadt Wolfgangs sechzigsten Geburtstag in Wahnfried feierte, war niemand aus der Familie außer Winifred eingeladen. Verena und Friedelind verlangten, die restlichen Angehörigen einzubeziehen, doch erhielten nur sie Einladungen, worauf Verena auf das Kommen verzichtete. Während die Familie von Wolfgangs zweiter Ehefrau Gudrun vollzählig erschien, war seitens der Wagner’schen Angehörigen nur Friedelind anwesend. Gerade weil die Öffentlichkeit immer wieder die nachfolgende Generation ins Visier nahm, wenn es um die Suche nach einem Nachfolger ging, fand sie es misslich, dass bei dieser Gelegenheit keine Wagner-Enkel auftreten konnten, zumal der Wieland-Sohn Wolf Siegfried gerade sechs Regiearbeiten im In- und Ausland vorbereitete. Friedelind riet ihm, sich öfter in Bayreuth sehen zu lassen, » da die Frage der Nachfolge alle beschäftigt und man Dir allenorts sehr gut gesinnt ist. Eine Bekannte von mir nennt so etwas › Gesichtspflege ‹ betreiben. «60 Am Vorabend des Geburtstags war sie bei Gudrun und Wolfgang eingeladen, wo sie sich aber nicht wohlfühlte, weil sie das Rauchen nicht ertrug und es sie störte, mit ansehen zu müssen, wie Hummer lebend in kochendes Wasser geworfen wurden.61 Große Überraschung löste die Mitteilung der SiegfriedWagner-Gesellschaft 1980 aus, dass Friedelind in einem Speicherraum des Festspielhauses Siegfrieds symphonische DichDie Siebzigerjahre

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tung Sehnsucht gefunden habe. Es handelte sich bei dem Fund allerdings nicht um das Autograf, sondern um eine gedruckte Partitur. 1981 erfolgte die erste Aufführung mit der Nordwestdeutschen Philharmonie.62 Trotz ihrer guten Kontakte zu den Medien konnte sich Friedelind auch schroff verweigern. Als eine Redakteurin des Bayerischen Rundfunks sie bat, sich an einer Sendung über » Frauen im Dritten Reich « zu beteiligen, und hinzufügte, dass Eva Wagner-Pasquier vorausgesagt habe, sie würde von Friedelind eine Ablehnung erhalten, war die Antwort kurz und bündig : » Meine Nichte hatte Recht. «63 Die Festspiele unter der Leitung ihres Bruders blieben eine Wunde in ihrer Seele. Als sie eine Einladung bekam, über Wagner in New York zu sprechen, sagte sie ebenfalls in der für sie typischen brüsken Weise ab : » Ich rede nicht mehr über Bayreuth. Wenn ich über Wagner sprechen sollte, wie könnte ich dann nicht über Bayreuth reden ? Ich hoffe, dass der Tag nicht allzu fern ist, an dem ich wieder sprechen kann. Momentan ist es zu schmerzhaft. «64 Stattdessen informierte sie sich über die Entwicklung der neuesten Musik und besuchte Pierre Boulez’ IRCAM-Institut in Paris. Es begeisterte sie, dass Boulez die Segmente des Konzertsaals – Decken, Wände und Boden – entsprechend den akustischen Bedürfnissen verändern konnte. Diesen Traum eines wandelbaren Konzert- und Opernhauses hatte sie für Teesside gehegt. » Sollte man diese Tonflexibilität ( vom Konzertsaal zum Opernsaal ) übernehmen, wäre die Zukunft der Oper in der Tat aufregend. «65

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16 » Eine Ziehmutter, ein Leitbild « Die Achtzigerjahre

Am 5. März 1980 verstarb Winifred Wagner. Man konnte ihr nicht nachsagen, bei der Fortführung der Festspiele nach Siegfrieds Tod das bedeutende Erbe Cosimas und Siegfrieds verschleudert zu haben, denn mit ihrer Verpflichtung von Tietjen, Preetorius, Furtwängler und der Weiterbeschäftigung Toscaninis wurde die künstlerische Qualität der Bayreuther Stätte, die verbindliche Maßstäbe für alle bedeutenden Theater der Welt gesetzt hatte, beibehalten und sogar ausgebaut. Dass ihr die Bildung, das künstlerische Talent und das geistige Niveau ihrer Schwiegermutter Cosima fehlten, kann man ihr schwerlich anlasten. Auch ihre blinde Begeisterung für Hitler in den Zwanzigerjahren kann als zeitbedingtes Fühlen und Handeln gewertet werden. Es ist problematisch, aus der sicheren Entfernung moralisierend über Menschen zu richten, die in einer Diktatur lebten, zumal Winifred sich darauf berufen konnte, in der Nazizeit hilfesuchenden Menschen – auch Juden – geholfen zu haben. Was aber völliges Unverständnis bei Friedelind hervorrief, war ihre unverbrüchliche Treue zu einem der größten Verbrecher der Weltgeschichte, die sie bis zu ihrem Tode auslebte. Trotz des Ärgers über die unbelehrbare Mutter konnte sich die Tochter aber nie gänzlich von ihr distanzieren, und ein Ge421

misch gegensätzlicher Emotionen prägte die Beziehung. Beiden Frauen war eine eiserne Willensstärke als gemeinsamer Charakterzug eigen. Hätte Winifred nachträglich die NS-Ideologie verurteilt, hätte sie auch die Tochter mit ihrem Gang ins Exil rehabilitieren müssen. So jedoch sah sie in ihr fast nur noch diejenige, die die Nationalsozialisten mit ihrem Weggang irritiert hatte, auch noch Amerikanerin geworden war und sie in ihrem Buch angegriffen und belastet hatte. Während also Friedelind der Mutter nie verzieh, dass diese unkritisch mit ihrer Vergangenheit umging, konnte die Mutter die Schmach, die ihr durch die Tochter bereitet worden war, nie überwinden. Friedelind blieb für sie eine Renegatin und Verräterin, trotz aller Freundlichkeiten, die sie mit ihr brieflich austauschte.1 Winifreds Tod hielt Friedelind volle drei Jahre in Bayreuth, wo sie ihr Haus aufräumte und den Nachlass ordnete. Da sie sich noch unschlüssig über ihre Zukunft war, kam ihr diese Tätigkeit entgegen. Die Stadt interessierte sich für den Kauf des Esszimmers im Siegfried-Haus, und die Gespräche mit den Nacherben verliefen zäh. Es gab viel zu verhandeln und zu vermitteln. Infolge der Umwandlung der Festspiele in eine Stiftung hatte Winifred über zwei Millionen DM erhalten, und ein großer Teil davon war noch übrig. Hinzu kamen noch das Mobiliar sowie wertvolle Gegenstände aus Richard und Siegfried Wagners Epoche, die der Verstorbenen persönlich gehört hatten. Bei den divergierenden Interessen und vorherrschenden Umgangsformen innerhalb der Familie war ein Rechtsstreit unvermeidlich. Anwälte einzelner Familienmitglieder ( bei der Sitzung am 14. Februar 1981 waren insgesamt sieben Rechtsvertreter zugegen ) versuchten, eine Schneise des Einverständnisses in den Wust der verschiedenen Begehrlichkeiten zu schlagen. Seit sie selbst Geld geerbt hatte, war Friedelind bemüht, der Generation ihrer Neffen und Nichten beizustehen und sie zufriedenzustellen. Sie schlug vor, Winifreds Anteil am 422

» Eine Ziehmutter, ein Leitbild «

Erlös des Archivs, der den vier Stämmen zukam ( Wolfgang, Verena, Friedelind und den Kindern von Wieland : Iris, Daphne, Nike und Wolf Siegfried ), so zu kürzen, dass die Urenkel Wagners, die von Siegfried abstammten, einen größeren Anteil bekämen ( die Enkelin von Siegfrieds Schwester Isolde Beidler, Dagny, ging wie immer leer aus ). Der Streit eskalierte, als Wolfgang verlangte, dass die von seiner Tochter Eva erstrittene Summe von ihrem späteren Erbe abgezogen werden sollte. Ihr Anwalt wies dies umgehend zurück, da das eine nichts mit dem anderen zu tun habe.2 Winifred hatte Unterlagen, darunter Briefe von Hitler an sie, » bei Nacht und Nebel aus Bayreuth wegschaffen lassen «, wie Friedelind später schrieb. Gemeint war die Übergabe dieses Materials, mitsamt Briefen Friedelinds an ihre Mutter aus den schwierigen Vierzigerjahren, an deren Lieblingsenkelin Amélie Hohmann, eine Tochter von Bodo und Verena Lafferentz und Historikerin von Beruf. Diese verwahrt sie bis heute und reagiert nicht auf Bitten, sie einer wissenschaftlichen Auswertung zugänglich zu machen. Inzwischen war zudem eine » Festspiele GmbH « gegründet worden, anscheinend am Stiftungsrat vorbei. Beide vollendeten Tatsachen empörten Friedelind, und sie schrieb ihrem Anwalt : » Im Hinblick darauf, dass ich als Stifterin, als auch Mitglied des Stiftungsrates auf wiederholte Forderungen heute noch nicht über die Abmachungen der sogenannten › GmbH Festspiele ‹ informiert wurde, noch eine Liste des › geistigen Gutes ‹, das mein Bruder ( an wen ? ? ? ) verkauft hat, erhalten habe, habe ich Amélie verboten, meinem Bruder Information zu geben, bis zu dem Zeitpunkt, an dem auch ich von seinen und der Stiftung Machenschaften 100 % informiert bin und man feststellen konnte, wem das › geistige Gut ‹ wirklich gehört und [ob] die Herren, die die GmbH gegründet haben, auch wirklich dazu berechtigt waren. «3 Sie wollte verhindern, dass das Material, das Winifred bei Amélie verwahrte, an Wolfgang ausgeDie Achtzigerjahre

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händigt würde, solange er nicht seinerseits Aufklärung über die neue GmbH gegeben hatte. Nach den Meisterklassen und den gescheiterten Kursen in Teesside unterstützte Friedelind weiterhin junge Künstler und Künstlerinnen, wo es nur möglich war. Zu ihnen gehörte der junge chinesische Dirigent Muhai Tang, der sich bei der » Gesellschaft der Freunde Bayreuths e.V. « um ein Stipendium beworben hatte, das er auch erhielt. 1982 war er plötzlich zu Ruhm gekommen, als er den Karajan-Wettbewerb gewann und zur Belohnung die Berliner Philharmoniker dirigieren durfte. Das Orchester hatte ihm unter anderem das Orchesterwerk Die Sehnsucht von Siegfried Wagner vorgeschlagen. Friedelind war darob hocherfreut, half Tang und stellte ihn in Berlin auch Daniel Barenboim vor, mit dessen Mutter sie befreundet war und dessen kometenhafte Karriere sie seit Jahren wohlwollend verfolgte. Tang blieb ihr von da an freundschaftlich verbunden. Er bewunderte ihre Hilfsbereitschaft, ihren Witz und ihre Weltoffenheit.4 Es war ihr auch selbstverständlich, der jungen Sängerin Gabriele Schnaut Gesangunterricht bei der DDR-Künstlerin Hanne-Lore Kuhse zu vermitteln, worüber Erstere sehr glücklich war : » Die Arbeit mit ihr tut mir sehr gut, ja ich glaube, uns beiden macht es viel Spaß und Freude. « Gerne schrieb sie Friedelind von ihren Bühnenerfahrungen. So hatte man die damals Neunundzwanzigjährige » überflüssigerweise in André Chenier mit der Madelon besetzt ( 70 Jahre alt, blind, mit Enkel ) «5. Viele Künstler waren ihre Freunde. Als der Pianist und Dirigent Christoph Eschenbach in der Züricher Tonhalle ein Konzert mit dem aufstrebenden Pianisten Tzimon Barto veranstaltete, lud er sie dazu ein und bot an, sie mit dem Auto von Luzern abholen zu lassen. Der DDR-Regisseur Joachim Herz schickte ihr einen vierseitigen Brief über seine New Yorker Unternehmungen. Er war zu Regiearbeiten dort und berichtete ausführlich über den Besuch von Theatern, Musicals, 424

» Eine Ziehmutter, ein Leitbild «

Kunstmuseen und seine Begegnungen mit Theatermenschen. Anscheinend hatte sie ihm viele Tipps gegeben, denn er schrieb : » Da hätte ich also mal ganz rasch eine Prise Amerika geschnuppert und bedanke mich nochmals ganz herzlich für Ihre liebenswürdige Unterstützung ! «6 1990 lud er sie herzlich zu einer Così fan tutte-Aufführung nach Salzburg ein.7 Aber auch zu dem Regisseur Peter Konwitschny unterhielt sie beste Beziehungen. Als er 1987 Herzog Blaubarts Burg in Kassel inszenierte und auf viel Protest stieß, kam sie nach der Aufführung mit ausgebreiteten Armen ins Künstlerzimmer und lobte ihn überschwänglich. Er lernte ihre Überzeugungen  kennen und schätzte fortan ihre Freundschaft : » Wenn jemand, die so verständig ist, so einen Zuspruch gibt, bedeutet mir das schon etwas. «8 Bei einem Besuch in Luzern führte sie ihn durch ihre Wohnung, und sie verbrachten einige Stunden in Tribschen zusammen. Als sie ihren ehemaligen Meisterklassen-Schützling Siegfried Schönbohm in Kassel besuchte, knüpfte sie freundschaftliche Kontakte zu dem dortigen älteren Dramaturgen Hans Joachim Schaefer. Er hatte 1941 Winifred kennengelernt, und als Friedelind 1989 zu seiner Abschiedsvorstellung kam, sagte sie ihm, seine Theaterentwicklung habe mit einer Frau begonnen ( Winifred ), nun solle sie auch mit einer Frau aus dem Hause Wahnfried enden – so schließe sich der Ring.9 Selbst ältere Kolleginnen erhofften sich von ihr Hilfe, wie die sechsundsiebzigjährige Dirigentin Antonia Brico, die 1930 bei den Berliner Philharmonikern sowie 1938 als erste Frau das New York Philharmonic Orchestra dirigiert hatte. Sie war 1974 nach der Produktion eines Dokumentarfilms der Vergessenheit entkommen und suchte nun händeringend eine Chance, in England oder Deutschland zu arbeiten : » Würde ich Fuß in England fassen, könnte ich sicherlich einiges in Gang setzen. Ich flehe Dich an, liebste Friedelind, bitte versuche weiterhin, mir in diesem Sinn zu helfen. «10 Doch diese war erfolgDie Achtzigerjahre

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reicher mit ihrem Einsatz für die Jugend. Den deutschen Musikwissenschaftler und Kulturmanager Markus Kiesel lernte sie in Freiburg i. Br. kennen, als er dort seine erste Regiehospitanz absolvierte. Beide waren 1983 anwesend, als der neue Intendant des Staatstheaters Kassel, Manfred Beilharz, seine Ära mit einer Neuinszenierung des Rings eröffnete. Als eine Gruppe eingeschworener Wagnerianer die Veranstaltung mit Zwischenrufen störte, griff Friedelind » mit dynastischer Autorität « ein und bezeichnete es nicht nur als das Recht, sondern als die Pflicht eines Regisseurs, Werke neu zu interpretieren. Für Kiesel » stellte sich eine Nähe her, die über das rein Fachliche hinausging, eine Art Geistesverwandtschaft über die Grenzen der Generationen hinweg. Man war sich über vieles so einig, ohne viel Erklärung. Wir sprachen über Gott und die Welt. « Als Kiesel ein Jahr darauf in den USA weilte, schrieb er Friedelind über seinen Plan, eine Dissertation über Siegfried Wagner zu verfassen. » Über alle urheberrechtlichen Grundsätze hinweg wurde fotokopiert, zitiert und vermittelt, Pakete hin und hergeschickt, telefoniert. Ihr materieller Beitrag zu der Arbeit ging sicher in die hunderte DM. Darüber hinaus waren es aber die geistigen Anregungen in unzähligen Gesprächen und Gedanken, nicht nur über Siegfried Wagner, sondern über alles, wirklich alles ! die mich so unendlich bereicherten. « Wann immer sich Gelegenheit bot, traf er sie in Kassel bei Wagner-Matineen oder -Aufführungen, sowie in Luzern, wo er nicht nur mit geistiger, sondern mit wirklicher Kost gefüttert wurde. Er empfand ihre Gastfreundschaft als grenzenlos bis zur Selbstaufgabe, wobei sie nie aufdringlich war : » Nie wollte sie wissen, wie weit die Arbeit ist, nie hat sie sich irgendwie inhaltlich eingemischt oder gar versucht, wie auch immer Einfluß zu nehmen. «11 Als er 1990 in Rastatt bei Händels Alcina Regie führte, war sie selbstverständlich bei der Premiere dabei. War es das Aufgehen in der Rolle der fürsorgenden Mentorin, die Friedelind so handeln ließ ? Oder ging es ihr vor allem 426

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darum, jüngere Menschen, von deren Begabung sie überzeugt  war, selbstlos zu unterstützen ? Genoss sie ihre Dominanz als Ältere, Erfahrenere, Berühmtere, die ihr von vornherein einen gewissen Respekt, wenn nicht Ehrfurcht bei den von ihr Protegierten verschaffte ? Es war wohl etwas von allem dabei. Diese » Fixpunkte « in ihrem ansonsten ruhelosen Leben gaben ihr das Gefühl, mithilfe ihres Netzwerks, das sie seit ihrer Jugend gepflegt und ausgebaut hatte, etwas Sinnvolles zu tun. Es bestand aus Künstlern und solchen Persönlichkeiten der Öffentlichkeit, die sie immer wieder bei ihren Reisen zu europäischen und nordamerikanischen Kulturstätten traf und sprach. Undenkbar, dass sie je eine Opernaufführung gesehen hätte, ohne hinterher im Künstlerzimmer gewesen zu sein. Menschen wie George Lascelles ( 1923 – 2011 ), Vetter ersten Grades der britischen Königin und zugleich der siebte Lord Harewood, der die English National Opera als Intendant leitete, schätzten sie. Er profitierte nicht selten von ihrer Bewertung der Dirigenten, Regisseure, Sänger und Sängerinnen, die sie anderswo gehört hatte und empfehlen konnte. Ihre auffallende Ähnlichkeit mit Richard Wagner und der Unterhaltungswert ihrer Gespräche verliehen ihr überall einen Sonderstatus. Außerdem besaß sie Zutritt zu den Schätzen in Bayreuth : So überreichte sie dem Dirigenten Daniel Barenboim 1981 die Fotokopie eines Chorstückes von Wagner, das bisher niemand kannte : La Descente de La Courtille ( Der Abstieg von La Courtille ), eine Arbeit, die Wagner 1840 aus Geldnot im Pariser Exil komponiert hatte. Zwei Jahre später erschien davon eine Schallplattenaufnahme. Einem Rezensenten erschien das Werk freilich als » ungelenker Jacques Offenbach «.12 Es machte ihr dennoch Spaß, solche kleinen Sensationen auszugraben und die Presse damit zu überraschen. Ihre Skepsis gegenüber Bayreuth blieb bestehen, und kleine Missgeschicke amüsierten sie. An Markus Kiesel schrieb sie : Die Achtzigerjahre

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» Es wird Dich auch freuen, dass Dr. Eger Totenmaske Weber & Lebendmaske Liszt verwechselt hat und mit Neill › hot argument ‹, der Weber müßte Liszt sein, weil er Warzen hat. «13 1983 flog Isabella Wallich nach Paris, um dort Friedelind zu treffen und an den Proben zu Siegfried Wagners symphonischer Dichtung Die Sehnsucht unter Daniel Barenboim dabei zu sein. Abends gab es laut Wallich ein Fest zu Ehren von Friedelind bei der Prinzessin Ruspoli. Barenboim gelang in der Salle Pleyel eine gültige Aufführung, obwohl die Musiker es nie zuvor gespielt hatten. Friedelind hing sehr an ihm und besuchte gerne seine Aufführungen. 1963 hatte sie an Walter Felsenstein geschrieben : » Daniel ist jetzt 20. Er war ein Wunderkind. Pianist. Ein ganz phänomenales Talent, das jetzt herrlich herangereift ist und all das hielt, was er vor Jahren versprach. Ich kenne ihn seit seinem 12. Lebensjahr. Er ist in Argentinien geboren, in Israel aufgewachsen, hat schon in der ganzen Welt konzertiert. Ist zum ersten Mal in Deutschland. Als Furtwängler ihn als kleinen Buben engagieren wollte, wagten es die Eltern nicht, zu akzeptieren, weil man es ihnen in Israel damals nicht verziehen hätte. Jetzt ist es Gottlob so weit, leider ist aber kein Furtwängler mehr da … Daniel ist gleich begabt als Dirigent, Komponist, in Sprachen und Mathematik. Dazu imitiert er herrlich. Ist völlig unverdorben. Und liebt mich heiß. Ich hänge genau so an ihm. Hoffentlich werden Sie ihn eines Tages einmal hören können. «14 Jetzt war er fast 40 Jahre alt, und sie reiste so oft sie konnte zu seinen Konzerten. Als Gottfried mit seiner Frau Teresina und seiner Schwiegermutter im August nach Bayreuth fuhr und Wolfgang seinen Sohn nicht empfangen wollte, lud Friedelind die Familie zum Abendessen ins Hotel » Schloss Tiergarten « ein. Sie kümmerte sich auch um Karten für eine Aufführung, indem sie Wolfgang anrief und drei Karten zurücklegen ließ.15 Ihre emotionale Unterstützung und Anteilnahme war auch wichtig für die 428

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Neffen oder Nichten, die eine Karriere anstrebten. Wenn Wolf Siegfried oder Gottfried eine Oper inszenierten oder Wieland Lafferentz dirigierte, war sie zur Stelle ; sie ließ Wolf Siegfrieds Namen fallen, als in Leipzig ein Regisseur für den Rienzi gesucht wurde, und versuchte so, die Karrieren der nächsten Generation zu fördern. » Sie war bis zu ihrem Tod 1991 immer an meiner beruflichen Entwicklung interessiert und kam mit rührendem Stolz meist zu den Premieren meiner Inszenierungen «, schrieb Gottfried.16 Auch ihre Nichte Eva lobte sie : » Ohne Deinen Rat, Deine Hilfe und Deine Großzügigkeit in dem letzten Jahr wäre ich sicher öfter verzweifelt gewesen über unsere Familie. «17 Nike Wagner, die gerade an ihrem Buch Wagner Theater arbeitete, bedankte sich für die Gastfreundschaft in Luzern : » Ich lag prima auf Deiner realen wie metaphorischen Matratze und Du hast mir viel helfen können mit  Deinem Elefantengedächtnis und mit Deiner › illuminated ‹ Genauigkeit. Es ist für mich wichtig und ein Vergnügen, Einblicke zu kriegen in Dein ( zum Unterschied zu den › Daheimgebliebenen ‹ ) welthaltiges Leben. Von dessen Mühen und Schwierigkeiten sagst Du wenig, aber es schimmert manches durch. Du verstehst sicher auch, wie froh ich bin, dass du als Kontrapunkt innerhalb der kulturpolitischen Bayreuthentwicklung existierst – ohne dass Dich ein Ressentiment in den  Antiwagnerismus getrieben hätte. «18 Sie spendierte den Nichten und Neffen Autos oder Geld und verschenkte Möbel aus Winifreds Nachlass, die ihr zugesprochen worden waren. Zuweilen aber schlich sich auch Ärger über den familiären Nachwuchs ein. Darlehen wurden nicht zurückgezahlt, Termine abgesagt : » Kein Anruf, kein Besuch. Nur Geld fordern ! « Und sie versuchte, einen Termin zu vereinbaren, an dem sich alle treffen könnten, um die noch immer schwelende Auseinandersetzung um das Erbe zu beenden.19 Zum 100. Todestag Richard Wagners planten die Stadt Bayreuth und der Bayerische Rundfunk eine Gedenkfeier im Die Achtzigerjahre

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Markgräflichen Opernhaus, bei der Pierre Boulez dirigierte und von der Friedelind zufällig durch ihre Freundin Lotte Klemperer erfuhr. Als sie Wolfgang zur Rede stellte, meinte er, dass keine Plätze für die Familie zur Verfügung stünden.20 Umgehend richtete sie eine Beschwerde an die beiden Institutionen : » Es ist kaum vorstellbar, dass die Nachfahren Richard Wagners von zwei öffentlichen Körperschaften, deren eine nur vom Ruhm unserer Familie lebt, bei diesem Anlasse ganz einfach übergangen werden sollen und Sie sich derartig vor der ganzen Welt blamieren wollen ! « Die Anschriften aller Angehörigen legte sie bei.21 Aber man blieb hart, lud nur Friedelind und Verena ein, sodass beide aus Protest der Feier fernblieben. Nicht nur sie hatte ihre Probleme mit Wolfgang. » Sieh Dich selbst an : hast nicht auch Du kapituliert vor dessen Machtposition ? «, schrieb ihr die Schwägerin Gertrud, als Friedelind sie fragte, wo einige Wieland-Zeichnungen beziehungsweise -pastelle geblieben seien. Sie hatte Blätter mit Parsifal-Zeichnungen von Wieland aus den Dreißigerjahren von Wolfgang nicht zurückerhalten.22 Als Friedelind gebeten wurde, während eines Wagner-Symposiums in Leipzig an einer Podiumsdiskussion zusammen mit Martin Gregor-Dellin, Martin Geck und anderen WagnerForschern aufzutreten, lehnte sie in ihrer bekannt brüsken Art ab : » Ich möchte nicht tot mit solchen Leuten auf der Bühne auftreten. « Sie hatte schon eine Einladung zu einem Symposium in New York abgelehnt : » Ich mag das ganze Gerede um Wagner nicht mehr hören und genieße seine Opern auch nicht mehr, sie werden ja sowieso von den Sängern und den meisten  Dirigenten kaputt gemacht, von den Regisseuren ganz zu  schweigen ! Wolfgang war ganz erleichtert, als ich ihm erzählte, dass ich nicht mehr an öffentlichen Debatten teilnehmen werde, obwohl meine Gründe ihn entsetzten ! Ich empfahl überall meine Nichten und Neffen, ich glaube, dass Nike an dieser New Yorker Veranstaltung teilnimmt. « Sie fügte hinzu, 430

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dass ihr Bruder sich geweigert habe, die Schirmherrschaft in New York zu übernehmen, und zwar wegen der kritischen Einleitung, die Nike 1976 in dem von Wolf Siegfried Wagner herausgegebenen Fotoband zu den Wagners veröffentlicht hatte : » Er hat ein langes Gedächtnis und keiner hier hat je begriffen, was die Freiheit der Rede wirklich bedeutet. «23 Zu öffentlichen Diskussionen zog es sie nicht mehr hin, dafür nahm sie an, als der Bayreuther Antiquar Peer Baedeker sie 1983 einlud, um auf die Dokumentation hinzuweisen, die er  zum Thema » Wagner-Interpreten im Exil « im eigenen Wohnzimmer zusammengetragen hatte, mit ihrem Buch in englischer Originalfassung im Mittelpunkt. An der Matinee, die das offizielle Bayreuth nicht entzücken konnte, nahmen neben dem kanadischen Musikautor Philip M. Wults ( dem sie Material für eine Wagner-Biografie gegeben hatte, die bis heute nicht  erschienen ist ) die Wagner-Urenkelin Dagny Beidler sowie deren Ehemann Hans Hablützel teil. » Friedelind, die am eigenen Leib erfahren hatte, wie bitter Verstoß und Emigration sind, integrierte Dagny, war ihr herzlich zugetan «, schreibt Nike Wagner. » Sie war sich der historischen Ungerechtigkeit bewußt, und es trieb sie wohl auch eine alte Lust am Widerstand gegen das selbstgerechte Wahnfried-Establishment. «24 Wults charakterisierte in seiner Ansprache Bayreuth als Hochburg der Nazis und unterstrich, dass Friedelind dagegen aufbegehrt hatte. Man ging anschließend ans Grab eines jüdischen Mitbürgers und legte dort Blumen nieder. Das sollte auch ein Zeichen gegen die hohen Wahlergebnisse der NPD setzen. In der Frankenstadt fühlte sie sich tatsächlich wie im Exil, da sie erneut eine » braune Gefahr « in Bayreuth heraufziehen sah. Dass sie in den USA mit Gegnern des Naziregimes befreundet war, habe zum Krach mit der Familie geführt, und sie gelte noch heute als » Verräterin «, verriet sie einem Reporter.25 Als sie 1984 von einem Altnazi der » Fahnenflucht aus Deutschland « bezichtigt wurde, war dies für sie – nachdem sie Die Achtzigerjahre

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ohnehin der Präsidentschaft merklich müde geworden war – offiziell der Grund, ihr Amt als Präsidentin der Internationalen Siegfried-Wagner-Gesellschaft niederzulegen und zugleich die ISWG auflösen zu wollen. Sie war für Vereine nicht geschaffen, und schon gar nicht im wagnerischen Umfeld, das immer wieder Kräfte aus dem rechten Lager anzog. » Ich muss mich mit Empörung von einem Verein distanzieren, in dem ich von alten Nazis angepöbelt werde, und hoffe, dass alle anständig denkenden Menschen meinem Beispiel folgen werden. «26 Sie bezog sich auf ein Schreiben von Franz Ehgartner, der eine Rolle in der österreichischen Siegfried-Wagner-Gesellschaft mit Sitz in Graz spielte. Er sprach seine Freude über ihren Rücktritt aus und fügte hinzu : » Siegfried Wagner – mit Graz tief verbunden – war ein deutscher Mann der, wie auch seine Frau, unsere erhabene Winifred, zu seinem Volk stand ! «27 Die Auflösung sollte durch schriftliche Zustimmung der hierfür erforderlichen Dreiviertelmehrheit des Vereins passieren. Die von ihr angestrebte Mehrheit wurde aber nicht erreicht, obgleich zahlreiche Mitglieder ( und kurioserweise insbesondere die neu gewonnenen Ultrarechten ) aufgrund ihres Rundschreibens austraten. Verena Lafferentz übernahm die Präsidentschaft für kurze Zeit, aber bald traten alle Familienmitglieder aus. Nach den Vorstandsneuwahlen erschienen wieder neue Mitteilungsblätter, einige Mitglieder traten wieder bei, neue wurden gewonnen, und die ISWG nahm einen frischen Aufschwung.28 » Drama, as all things Wagnerian ! «, schrieb Friedelind, als sie sich wieder einmal über die Familie aufregte.29 Sie brauchte Abstand, und es war folgerichtig, dass sie beschloss, nach Luzern umzuziehen. Endlich konnte sie ihre Bücher und Möbel aufstellen und die in mühevollen Auseinandersetzungen um das Erbe erworbenen Familienstücke genießen. Alles dort gefiel ihr : die Luft, ihre netten Vermieter, der » herrliche Blick auf See, Alpen und Tribschen – was will ein[e] Wagner mehr ! «30 432

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Auf der Terrasse des oberen Stockwerks lag sie oft in einem groß geblümten Hawaii-Sackkleid31, von wo aus sie auf den See und die Berge blicken konnte ; sogar das herrlich gelegene Haus ihrer Großeltern in Tribschen war mit bloßem Auge zu erkennen, wo sie zwar kontroverse, aber auch schöne Stunden mit den Tanten Eva und Daniela, mit Frau Beerli und mit Toscanini erlebt hatte. Sie wusste nun, wo sie hingehörte. Ihr halbherziger Versuch, Ordnung in ihre Archive zu bringen, misslang : » Das minutiöse Gedächtnis war ihr Hauptarchiv, aus dem sie Namen, Daten und Ereignisse wie aus einer gewaltigen Schublade zog. «32 ( Ein Teil ihres Besitzes lagert noch heute im Festspielhaus. ) Mit dem Ehepaar Marfurt, das ihr die Wohnung vermietet hatte, entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis : bei Reisen wurden die Hausschlüssel abgegeben sowie Blankoschecks hinterlegt. Da die Marfurts mehr belcanto- als wagnerorientiert waren, nannte sie sie » die Donizettis von unten « und besorgte ihnen Karten für Aufführungen in London, Mailand und Paris. Sie fand in der Schweiz ein reiches Musikleben vor und reiste nach wie vor viel, um befreundete Künstler spielen zu hören oder neue kennenzulernen. Das Verhältnis zur Schwester kühlte ab – sie meinte, dass diese zu oft zu Versammlungen der diversen Wagner-Vereine gehe : » Was sie davon hat, weiß ich nicht, da ich die Tagungen der Vereine nicht ausstehen kann. «33 1983 präsentierte Bayreuth einen neuen Ring unter der Regie von Peter Hall. Da die Rheintöchter ( übrigens nackt ) in  einem Wasserbecken zu schwimmen hatten und mittels großer Spiegel der Anschein erweckt wurde, sie würden schweben, gab es technische Probleme. Wenige Stunden vor der Premiere der Götterdämmerung übte man noch an der Schlussszene – etwas, was bisher undenkbar gewesen war. Friedelind war über die Inszenierung entsetzt und gab daraufhin eines ihrer berüchtigten Interviews. Die Münchener Abendzeitung brachte am Die Achtzigerjahre

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4. Mai die Überschrift : » Bayreuth heute ist ein Skandal ! « Wieder nahm sie kein Blatt vor den Mund. Peter Hall habe weder Ahnung von Regie noch vom Ring, er mache daraus die größte » Amateur-Show « und könne kein Wort Deutsch sprechen. » Wenn ich sehe, wie viel begabte Wagner-Urenkel rumlaufen, die nicht in Bayreuth arbeiten dürfen, das ist ein Skandal. « Es blieb ihr ein Dorn im Auge, dass weder Wolf Siegfried, Nike noch Gottfried inszenieren durften, während Wolfgang Regisseure engagierte, die zwar international einen Namen hatten, aber ihrer Meinung nach nichts von Wagner verstanden. Und sie setzte noch eins drauf : » Seit dem Solti-Ring ist mein Bruder geistig überfordert. «34 Vermutlich beschwerte sich daraufhin Wolfgang, denn sie bat den Redakteur der Zeitung, Werner Meyer, eine Korrektur zu veröffentlichen, die Wolfgang allerdings erst recht aufgebracht haben muss : » Mein Bruder war nicht › geistig ‹ vom Solti-Hall-Ring überfordert, denn von Geist war in diesem Fiasco sowieso keine Spur. «35 Ihre Beschwerden über die Ausschaltung der nachfolgenden Generation wurden von der New York Times aufgegriffen : » Wolfgang, der nächstes Jahr 70 wird, wird einen Nachfolger erhalten, der von der Stiftung gewählt wird, wobei man den qualifizierten Familienmitgliedern den Vorzug geben will. Aber wer mißt Qualität ? Einige Mitglieder der nächsten Generation einschließlich einiger Kinder von Wolfgang und Wieland sind im Theatersektor aktiv : als Regisseure, Verwaltungsangestellte oder Studierende. Wenn man Friedelind Wagner, der Schwester Wolfgangs, Glauben schenken kann, hat Wolfgang sie unnachgiebig in ihren Karrieren entmutigt und ihnen weder bei der Beteiligung an den Festspielen noch beim Besuch der Festspiele beigestanden. Vielleicht ist er lediglich paranoid ; vielleicht betrachtet er sie tatsächlich als untalentiert ; vielleicht will er sie einem Verfahren aussetzen, aus dem lediglich die Härtesten hervortreten. Die Nachfolge in Bayreuth ist wahrhaftig ungeklärt. «36 434

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Trotz ihres Austritts aus der Siegfried-Wagner-Gesellschaft reiste Friedelind nach Kiel, um die Uraufführung der Oper ihres Vaters Das Flüchlein, das Jeder mitbekam zu sehen und durch eine Dokumentationsausstellung im Theater zu ergänzen. 1985 rief sie aus Luzern Isabella Wallich an und überraschte sie mit dem Vorhaben, auf ihrem Label auf eigene Kosten drei Werke ihres Vaters einspielen zu lassen : seine Symphonie in C sowie die beiden symphonischen Dichtungen Sehnsucht und Und wenn die Welt voll Teufel wär’. Dazu engagierte sie das dänische Aalborg Symfoniorkester mit seinem Dirigenten Peter Erős. Es war kennzeichnend für sie, dass sie die Mehrkosten für Hotel und Aufenthalt für Isabellas Aufnahmeteam in Dänemark auf sich nahm, weil sie Erős schon lange kannte und ihm vertraute ( er war unter anderem Assistent von Klemperer gewesen ). Isabella nahm das Angebot mit Freuden an. Aber ach ! Krach war vorprogrammiert, denn die dänische Orchestergewerkschaft hatte mitbekommen, wie unbekümmert Friedelind deren Regeln brach. Zusammen mit Isabella nahm sie an Verhandlungen mit der Gewerkschaft teil, schlug schließlich mit der Faust auf den Tisch und erklärte, dass man alles abziehen und abreisen würde, wenn es zu keiner Lösung käme, und das Orchester dann auf die Mehreinnahme verzichten müsste. Das wirkte. Die Mitschnitte fanden in der Stadthalle statt, Isabella hielt vor Aufnahmebeginn eine kleine Rede und unterstrich, wie wichtig es für Friedelind sei, die Werke ihres Vaters zu hören. Nach vier Tagen war alles zur Zufriedenheit aufgenommen, und die Werke wurden von Isabellas Firma Delysé herausgegeben.37 1989 ging Isabellas Vertrieb in Konkurs, Friedelind kaufte die Restplatten auf, bezahlte die CDs aus eigener Tasche und war mit über CHF 100 000 in den roten Zahlen.38 Ein besonderes Ereignis war die Einweihung von Richard Wagners Erard-Flügel in Tribschen. Sie hatte die RestaurieDie Achtzigerjahre

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rung bezahlt, und als das Instrument nach der Instandsetzung zurückkehrte, ging sie ins Tribschener Museum. Zufällig war der Pianist Jeffrey Swann ( geb. 1951 ) dort, der als Erster die Tasten berühren durfte. Offiziell wurde der Flügel von ihrem Freund Daniel Barenboim eingeweiht, der von ihr einmal scherzhaft sagte, sie habe Haare wie Franz Liszt und das Profil von Richard Wagner.39 1986 erhielt sie eine Einladung nach San Francisco zur Aufführung des von Tony Palmer inszenierten Wagner-Films, wobei die Einnahmen dem dortigen Opernhaus für die RingAufführung 1990 zugutekommen sollten. Friedelinds Absage war kurz und bündig : » Ich bin weder als Wagner zu vermieten, noch sehne ich mich nach einer Bestrafung und stehe unter keinen Umständen für das Zeigen des Burton WagnerFilmes bereit. Ich werde auch nicht gestatten, dass man meinen Namen im Zusammenhang damit erwähnt. «40 Dass sie den Film gesehen hat, ist zu bezweifeln. Es hätte auch kaum zu ihrer Ablehnung gepasst. Vermutlich stieß sie auch der große Aufwand der Reise ab. Für ernsthafte Anfragen war sie jedoch offen wie eh und je. 1988 war sie wieder einmal in Bayreuth und verbrachte dort einen Abend mit den Barenboims ( Mutter Elena, Daniel und der schwarzen Krankenschwester seiner Frau, der ein Jahr zuvor verstorbenen Cellistin Jacqueline du Pré ), was sie an den Ausspruch Winifreds erinnerte, die auf die Frage, wo sich Friedelind gerade aufhalte, antwortete : » vermutlich bei den Juden und den Schwarzen «.41 Als Barenboim ein Jahr darauf die Leitung des Orchestre de Paris aufgab, war sie entsetzt. » Du musst Dir ja vorgekommen sein, als wäre am letzten Freitag die neue Bastille in Gänze auf Dir heruntergekracht – achtzehn Monate harter Arbeit, Agonie, Hoffnungen und Erwartungen zerstört. Ich teilte zunächst die ersten wilden Reaktionen mit Dir – ich trauerte und litt mit Dir – aber nachdem ich 48 Stunden später das Schlachtfeld besichtigt habe, 436

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finde ich, dass man Dir gratulieren könnte «, schrieb sie ihm, denn sie fand es positiv, dass er sich nicht weiter mit Sitzungen, kleinlichen Intrigen und Saboteuren abgeben musste.42 Ein Jahr vor Friedelinds Tod enthüllte die Kabarettistin Eva Busch in einem Interview erstmalig den Namen ihres leiblichen Vaters. Es war Franz Beidler, der Friedelinds Tante Isolde geheiratet hatte. Während deren TBC-Erkrankung hatte er sich in die Sängerin Emmy Zimmermann verliebt und mit ihr ein Kind gezeugt. Friedelind nahm sofort Kontakt zu ihr auf, und gemeinsam besuchten sie in Zürich Dagny Beidler, die Enkelin des Wagner-Dirigenten Beidler und Nichte von Eva Busch. Wie Friedelind war Eva ihr Leben lang nonkonformistisch gewesen. Sie hatte in Kabaretts Lieder von Tucholsky und Bert Brecht gesungen und wie ihr Mann, der Sänger und Schauspieler Ernst Busch, offen mit dem antifaschistischen Widerstand sympathisiert. 1937 war sie aus Deutschland ausgebürgert worden, nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich festgenommen und dreieinhalb Jahre im Konzentrationslager Ravensbrück gefangen gehalten worden.43 Friedelind dachte über eine neue Übersetzung ihrer Autobiografie nach, da sie zahlreiche Anfragen erhalten hatte. Ihr Schweizer Verleger plante, Hitler auf die Buchvorderseite zu platzieren sowie einen Vorabdruck mit dem Spiegel auszuhandeln – was sie beides ablehnte. Sie wollte ihre Erinnerungen nicht in erster Linie als eine Abrechnung mit der Naziära verstanden wissen – das war ihr einmal wichtig gewesen, aber sie hatte es hinter sich. Überzeugt, dass ihre Familie alles versuchen würde, um die Veröffentlichung zu blockieren, wollte sie bei einem Schweizer Verlag bleiben : » Nichts hat sich geändert und ich werde immer noch verfolgt wie eine Kriminelle im Land der Nazis «.44 Wie wenig Rücksicht sie jetzt noch nahm, zeigt ein Briefentwurf, der sich in ihrem Nachlass befindet, gerichtet an den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein. Sie war eingeDie Achtzigerjahre

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laden worden, dem Kuratorium des Schleswig-Holsteiner Musikfestivals beizutreten, lehnte aber ab : » In einem Land, in dem ich immer noch und immer wieder verfemt, verleumdet, verjagt, verfolgt und verdammt werde, weil ich 1937 19-jährig den Mut hatte, Hitler-Deutschland zu verlassen und zu bekämpfen, kann ich leider nichts zu tun haben. Das schulde ich Hitlers Opfern. Trotzdem wünsche ich Ihnen viel Freude und Erfolg zum Musik Festival. «45 Damit stand sie im Gegensatz zu ihrem langjährigen Bekannten, dem jüdischen Dirigenten Leonard Bernstein, der gerne in Schleswig-Holstein dirigierte und sich dort wohlfühlte. Von seinen letzten Fernsehaufzeichnungen aus Waldsassen kommend, besuchte Bernstein am 6. April 1990 Bayreuth, um neben dem Nationalarchiv und dem Richard-WagnerMuseum in Wahnfried auch das Festspielhaus kennenzulernen. Friedelind kannte den Dirigenten seit 1944. Sie hatte ihn nach Bayreuth eingeladen, holte ihn dazu in Waldsassen ab und begleitete ihn zur Festspielstadt. Wolfgang hatte abgesagt, was sie tief enttäuschte. Bernstein war von schwerer Krankheit gezeichnet und hatte beim Atmen starke Schmerzen in der Lunge ( er starb ein halbes Jahr später ). Er hielt nichts von Abstinenz, und als ihm Anhänger nach dem Lungenkrebstod von Alan Jay Lerner demonstrativ Schilder mit der Botschaft » We love you, Lenny. Please stop smoking « entgegenhielten, rief er : » I smoke. I drink. I stay up all night. I screw around. I’m overcommitted on all fronts. « Dieses Zitat wurde in USA Today vor seiner großen Tournee mit den New Yorker Philharmonikern verbreitet und sollte wohl seine unbekümmerte Lebensfreude dokumentieren.46 Friedelind kam nur ihm zuliebe wieder zurück an die Stätten ihrer Kindheit, Jugend und auch späteren Tätigkeit, die ihr so viel bedeutet hatte. Es war sein erster und ihr letzter Besuch dort und für sie wie ein Abschiednehmen. Vom Festspielhaus war er sehr bewegt. Er stieg hinab in den Orchestergraben und 438

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stellte sich an das Pult, an dem er Tristan und Isolde dirigiert hätte, wenn Wieland nicht so früh gestorben wäre. Sie schauten sich Wahnfried an, wo Bernstein, immer zu Scherzen aufgelegt, den Bayernkönig Ludwig II. mimte, während Friedelind in die Rolle des Großvaters schlüpfte, der den Mäzen herumführte. Der Dirigent war auch von dem Steinway-Flügel aus Rosenholz fasziniert, der Wagner gehört hatte. Er spielte darauf das Vorspiel zum Tristan, gefolgt von Ausschnitten aus dem Liebesduett aus dem zweiten Akt. » Man könnte einen gesamten Orchesterklang auf diesem Instrument herstellen «, meinte er. Das Grab des Komponisten wollte er zunächst nicht besuchen, ließ sich dann aber überreden. Beide standen vor der kahlen Steinplatte. Sie sei groß genug, um darauf zu tanzen, meinte Bernstein und sagte dann, dass er mit ihr an seiner Seite endlich eine Art Frieden geschlossen habe mit einem Musiker, den er so lange gehasst habe – gehasst, wenn auch auf Knien, wie er zugeben musste.47 Friedelind führte ihn auch zur Synagoge. Bernstein witzelte über ihrer beider » Jewish noses «, womit er auf ihre Annäherung an das Judentum anspielte, die sie in ihrer New Yorker Zeit erlebt hatte und die sie so sehr von dem Bayreuther Umfeld unterschied, in dem es noch immer Reste brauner Überzeugung gab. Anschließend begleitete sie ihn nach München. Kurz vor ihrem Tod nahmen die Auseinandersetzungen ihres Neffen Gottfried Wagner mit seinem Vater zu. Gottfried, der die Diskussion um oft verdrängte Fragen nach dem Einfluss Bayreuths auf die nationalsozialistische Politik ( und umgekehrt ) einforderte, hatte im Januar 1990 erfahren, dass Wolfgang gedroht hatte, sich öffentlich von den Richard-Wagner-Verbänden zu distanzieren, wenn deren Einladungen an den Sohn nicht rückgängig gemacht würden. Daraufhin stellte er den Vater schriftlich zur Rede, obwohl ihm bewusst war, dass er diesen Machtkampf nicht gewinnen konnte. Wolfgang konterte machterprobt mit Zeitungszitaten seines Sohnes ( so Die Achtzigerjahre

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hatte dieser die Festspiele seit dem Tod Wielands als ein » Mittelding zwischen einer Investitionsbörse und einem Alteisenmarkt « bezeichnet ), die ihn zu diesem Schritt veranlasst hätten. Der Festspielleiter nutzte damit seine Position aus, um lebendige Diskussionen innerhalb der Fachkreise zu unterbinden.48 Sicherlich wäre es für ihn unangenehm gewesen, gegen den eigenen Spross argumentieren zu müssen ; dazu hätte es einer gewissen Gelassenheit bedurft, die er nicht aufbringen konnte. Bereits Jahre zuvor hatte er sich geweigert, Gottfrieds Ehefrau Teresina und deren Sohn Eugenio zu empfangen, was  Gottfried als besonders schmerzlich empfand : » Er will nichts mehr mit uns zu tun haben – damit müssen wir leben. «49 Gottfried sah fortan in seiner Tante die einzige Verbündete innerhalb der Familie. Friedelinds Menschlichkeit war stets auf Ausgestoßene und Außenseiter ausgerichtet – das gehörte zu ihrem Naturell. Friedelind, die ihren Körper seit der Jugend mit Hungerkuren gequält hatte, erkrankte an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Sie verließ sich eher auf die Homoöpathie als auf die klassische Medizin, der sie wenig zutraute. Zunächst ignorierte sie ihre Beschwerden, wurde dann aber nach langem, schwierigem Krankheitsverlauf auf eigenen Wunsch in eine Spezialklinik ins westfälische Herdecke gebracht. Sie musste aus ihrer Wohnung hinuntergetragen werden und wurde von den Maltesern in die Klinik transportiert. Neben der Familie kümmerte sich das Ehepaar Marfurt liebevoll um sie. Aber der Tod war nicht aufzuhalten, sie verstarb dreiundsiebzigjährig am 8. Mai 1991. Ihren gesamten Nachlass vermachte sie Neill Thornborrow, dem jungen Pianisten, den sie in England kennengelernt und in seiner weiteren Karriere unterstützt hatte. Er lebt heute als Theateragent in Düsseldorf. Obwohl sie keine Feier in Bayreuth gewünscht hatte, fand auf Initiative Wolfgangs am 17. Mai eine Gedenkstunde für die 440

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Verstorbene statt, zu der nur Familienangehörige und ihr nahestehende Freunde eingeladen wurden.50 Das erklärt, warum kein Vertreter der Stadt Bayreuth anwesend war ; es erklärt aber nicht, warum bis heute keine Straße in Bayreuth nach der Emigrantin benannt wurde. » Elsas Traum « aus Lohengrin und der » Gesang der Verena « aus Siegfried Wagners Oper Der Kobold, gesungen von Carmen Reppel und begleitet von Klaus Arp, bildeten den musikalischen Rahmen für die von Wolfgang Wagner gehaltene Ansprache. Er zeichnete ein Bild vom Wesen, Leben und Wirken seiner Schwester und betonte, dass sie es weder sich noch denen, die mit ihr zu tun hatten, leicht gemacht habe. Ähnlich wie das Leben ihres Großvaters sei ihres » ein Meer von Widersprüchen « gewesen. Ablehnung des Seienden, Opposition zum Bestehenden seien die herausragenden Eigenschaften » ihres ewig rebellierenden Geistes « gewesen. Auf diese Weise fundamentalisierte und entpolitisierte er ihre Neigung zur Kritik und stellte diese als Teil ihrer natürlichen Wesensart hin. » Verweigerung und Gegensätzlichkeiten waren für sie vitale Triebkräfte, aber auch das brennende Verlangen nach einem starken, reinen Ideal. « Ein Grundzug zum Utopischen habe ihr Sein bestimmt, so Wolfgang weiter. Auch das hätte sie sicherlich nicht unterschrieben. Die Tatsache, dass Siegfried sie verhätschelt habe und Winifred dies habe ausbügeln müssen, deutete er als Ursache für ihre frühe Ablehnung der Mutter und ihre große Liebe zum Vater. Damit machte er aus ihr ein Opfer der Umstände, in die sie hineingewachsen sei, und bagatellisierte den Konflikt mit der Mutter als eine Folge der Erziehung ( und nicht von Winifreds politischer Einstellung ). Wolfgang bescheinigte sodann ihrem Buch Heritage of Fire mehr subjektiven Erlebniswert als dokumentarische Objektivität. Es sei ein weitgehend erfundenes Machwerk, geschrieben von Friedelinds » amerikanischem Ghostwriter «. Die Koautorin hatte jedoch in Wirklichkeit Die Achtzigerjahre

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lediglich Kürzungen, Korrekturen und sprachliche Verbesserungen vorgenommen. Er behauptete weiter, dass Friedelind im Spruchkammerverfahren gegen Winifred verlangt habe, dass ihr Buch bei der Verhandlung nicht benutzt werden dürfe. Tatsächlich hatte sie aber in ihrem Telegramm an das Gericht ihr Kommen zur Bedingung für die Verhandlung gemacht und um Aufschiebung des Prozesses gebeten.51 Durch die erfundene Behauptung, wonach sie ihr Buch nicht verwertet wissen wollte, wurde es ein weiteres Mal als unglaubwürdiges Machwerk abgetan. Ein weiterer Fehler, oder bewusste Verfälschung, war seine Behauptung, dass die Überschreibung der Festspiele auf die Söhne » dem Testament Siegfried Wagners in vollem Umfang Rechnung « trage – Siegfried hatte jedoch alle vier Kinder gleichwertig bedacht. Und schließlich behauptete er, Friedelind habe ihrerseits » Ansprüche auf die Übernahme der Festspiele geltend « gemacht, wofür es keinen Beleg gibt. Es war in Wahrheit der Bayreuther Oberbürgermeister Dr. Meyer, der sie vergeblich dazu gedrängt hatte, sich um die Leitung zu bewerben. Im Hinblick auf das Scheitern der Meisterklassen fragte Wolfgang, » ob ihre Pläne zu groß gedacht waren oder ob die Wirklichkeit für sie zu klein gewesen ist «, ohne zu erwähnen, dass er sie selbst 1968 – zugegebenermaßen wegen der Schulden, die sie angehäuft hatte – hinausgeworfen hatte. Und er kam zu dem Schluss, sie sei » eine Querdenkerin « gewesen, kein » schwarzes Schaf «. Ihren Einsatz für das Werk ihres Vaters würdigte er uneingeschränkt und schloss : » Nachdem die öffentliche Meinung fast ausschließlich die Kontroversen zwischen Mutter und Tochter und in geringerem Maße auch mit mir beachtete und zur Beurteilung meiner Schwester heranzog, sollte nunmehr allerseits versucht werden, ihre tatsächliche Bedeutung fernab gängiger Klischeevorstellungen zu erkennen. « Das war ein geschicktes Resümee, denn es hinterließ 442

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den Eindruck, als hätte Wolfgang über ihre » tatsächliche Bedeutung « gesprochen. In Wirklichkeit hatte er jedoch Kritisches und einiges Falsche angehäuft : Ihm zufolge war ihr Konflikt mit der Mutter lediglich eine Folge ihrer Erziehung, Friedelinds Buch war frei erfunden, sie hatte Deutschland nicht aus politischen Gründen verlassen, und das Testament Siegfrieds wurde durch die Brüder voll erfüllt.52 Drei Jahre nach ihrem Tod gab es eine erhebliche Presseresonanz, als Wolfgang Wagner seine Autobiografie LebensAkte veröffentlichte. » Warum hat sich der greise Wolfgang das angetan ? «, fragte der Rezensent der Zeit und wies darauf hin, dass die Festspiele in der Welt einzigartig dastünden und künstlerisch, juristisch und finanziell gesund wären. War es daher nicht überflüssig, dieses Buch in die Welt zu schicken ? Er kritisierte auch Wolfgangs arglose Darstellung der Verbindung Hitlers zu Bayreuth und zitierte ihn : » Mein Bruder und ich ebensowenig hatten zum Glück keine Veranlassung, in Sack und Asche zu gehen und uns reuevoll an die Brust zu schlagen, dafür war unsere Vergangenheit zu kurz und zu wenig bedeutend. «53 Ein Vergleich zwischen Wolfgangs Erwähnung der Schwester in seiner Autobiografie und seinen Worten bei der Rede auf der Begräbnisfeier zeigt einen größeren Graben zwischen Bruder und Schwester, als vermutet. Er ergeht sich in ironischen Bemerkungen zu ihrem Buch, und es heißt, ihre » unbezähmbare Betätigungslust « habe Bayreuth » lediglich finanzielle Belastungen « gebracht. Friedelind hätte seine Autobiografie gewiss nicht unkommentiert belassen, wäre sie noch am Leben gewesen. Mit ihrem Tod endete ein Leben, das mit der großen Liebe zum Vater begann und schloss und das von Ruhe- und Heimatlosigkeit bestimmt war. Bayreuth blieb lebenslang ein zentraler Ort für sie : Auch wenn sie am Ende ihres Lebens nur noch selten dorthin fuhr, hegte sie doch unzählige und prägende Erinnerungen. Ihr farbiges, unstetes Leben hatte sie Die Achtzigerjahre

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von Deutschland nach England geführt, von dort nach Argentinien, dann nach Nordamerika und anschließend in die Schweiz – und zum Sterben wieder nach Deutschland. Ihre Asche kehrte zurück zu ihrem letzten Wohnort, ins geliebte Luzern, wo ihr Großvater den Tristan beendet hatte, wo auch ihre Großeltern Cosima und Richard glücklich gewesen waren und einen neuen, versöhnlichen Lebensabschnitt aufgebaut hatten und wo sie als junge Frau unbeschwerte Ferien mit ihren Tanten verlebt hatte. Die Asche wurde auf ihren Wunsch anonym in der Schweiz verstreut. » Die wilde Mausi oder das schwarze Schaf « titelte eine Zeitung 1994, als Friedelinds Erinnerungen nach 50 Jahren neu aufgelegt wurden. Eine andere nannte sie den » kauzigsten Ableger mit dem losesten Mundwerk « an Wagners Stammbaum.54 Ihr Status als Oppositionelle blieb ihr somit auch Jahre nach ihrem Tod und Jahrzehnte nach dem Erscheinen ihrer Autobiografie erhalten. Betrachtet man ihr Leben aus der Geschlechterperspektive, dann leistete Friedelind als junge Frau weitaus mehr als ihre politisch affirmativen Brüder. Sich ohne eine abgeschlossene Ausbildung aus Protest gegen die politische Lage ins Ausland abzusetzen, sich für Jahre von der Heimat, der Kulturstätte des Festspielhauses und der Familie zu trennen, das war eine Leistung, die Hochachtung verdient. Sie gehörte weder hier- noch dorthin, und es wurde ihr von keiner Seite gedankt, dass sie sich im Ausland für ein anderes Deutschland eingesetzt hatte. Im Gegenteil : Nach 1945 wurde die jüngste Vergangenheit im Land der Täter beschönigt und geleugnet. Was die Emigranten auf sich genommen hatten, wurde nie angemessen gewürdigt. Auch Friedelind musste mit dem Etikett der Außenseiterin leben, bis hin zu ihrem Rauswurf aus einem Hotel im  Jahr 1968. Der Übergang von der Entnazifizierung zum Antikommunismus fiel zusammen mit einem erstaunlich raschen – auch kulturellen – Aufschwung in Deutschland, was 444

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zur Folge hatte, dass viele durch ihre NS-Vergangenheit belastete Personen ihre früheren Positionen behielten. Trotz ihres Zorns über diese konservative Kehrtwende wehrte sich Friedelind gegen kollektive Verurteilungen. Ebenso heftig konnte sie protestieren, wenn sie glaubte, dass der braune Ungeist in Deutschland wieder im Kommen sei. Sie hat es nie verwunden, dass die Deutschen sich nach ihrer Meinung von dem Zivilisationsbruch des Genozids an den Juden nicht ausreichend distanzierten. Vielleicht war ihre kritisch-resignierte Einstellung gegenüber den politisch-demokratischen Leistungen der Bundesrepublik eine Folge der Ablehnung ihrer Emigration seitens vieler Deutscher – Fehleinschätzungen gab es auf beiden Seiten. Sie blieb furchtlos und trotzte allen Versuchen, sie zu disziplinieren. Die Fähigkeit, sich selbst ernst zu nehmen und sich durchzusetzen, was vielen Frauen ihrer Generation aufgrund ihrer Erziehung schwerfiel, hatte sie schon früh erworben, und Antworten wie die folgende, die sie einer christlich missionierenden Schweizerin an der Haustür zurief, zeugen davon : » Ich werde den Zeitpunkt und den Dialekt bestimmen, mit dem ich das Paradies betreten werde. «55 Hätte sie es 1947 gewagt, dem Ruf Folge zu leisten, die Festspiele zu übernehmen, wären die jährlichen Veranstaltungen gewiss anders gelaufen. ( Die Frage bleibt hypothetisch, da es  zu keiner Enteignung kam ; dennoch hätte sie dann vielleicht eine Leitungsfunktion zusammen mit den Brüdern erhalten .) Machtdenken und Herrschaftsgelüste überschatten bis in die jüngste Gegenwart hinein das Gerangel um die Festspielleitung. Friedelind hat jedenfalls ihre Chance verpasst, wie so vieles im Leben an ihr vorbeilief oder unverwirklicht blieb. Trennung von der Familie, Opposition, Kampf, Gefangenschaft, Anpassung an eine fremde Kultur, Sorge für den eigenen Lebensunterhalt : solche Herausforderungen wurden Frauen im 20. Jahrhundert nicht in die Wiege gelegt. Dass sich ihre Brüder und ihre Mutter der historischen Verantwortung Die Achtzigerjahre

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für die enge Zusammenarbeit mit den Nazis nicht stellten, kritisierte sie zwar niemals öffentlich, war aber überzeugt, dass es keine wirkliche Aufarbeitung der Vergangenheit in Deutschland gegeben habe. Hatten die Daheimgebliebenen das System stabilisiert, wie sie oft vermutete ? War, wer mitmachte, ohne überzeugt zu sein, ein Nazi und wurde dadurch die NS-Ideologie verstärkt ? Das waren Fragen, mit denen sich viele Überlebende herumschlugen, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Sie spiegeln letztlich die unlösbaren Probleme des 20. Jahrhunderts wider. » Trotz aller weltanschaulichen Gegensätze und Meinungsverschiedenheiten fühlt sich Friedelind ihrer Familie keineswegs entfremdet «, schrieb Kadidja Wedekind einmal.56 Die Tochter des Schriftstellers Frank Wedekind wusste aus eigener Erfahrung um solche Ambivalenzen. Friedelinds Verhältnis zur Mutter war spannungsreich, aber die Bindung stark. Immer wieder versuchte sie, ein gutes Verhältnis zu ihr zu bekommen, konnte dann aber mit einem Angriff in der Presse alles zunichte machen. Nie rückte sie von ihrer schwärmerischen Liebe zum Vater ab, selbst als zu ihren Lebzeiten Dokumente veröffentlicht wurden, die dessen Begeisterung für Hitler zeigten57 und ihr Bild vom unpolitischen Festivalleiter und Komponisten, das sie über ein Vierteljahrhundert zuvor in ihrer Autobiografie gezeichnet hatte, hätten zerstören müssen.  Wie Erika Mann, die sich um das Vermächtnis ihres Vaters  kümmerte und sich eine » Nachlasseule « nannte, sah sich Friedelind gegen Ende ihres Lebens als Vollstreckerin von Siegfrieds künstlerischem Vermächtnis und tat alles Menschenmögliche, um sein kompositorisches Schaffen der Vergessenheit zu entreißen und dem Opernkanon einzuverleiben. Sie war zwar Patronin des » Internationalen Lisztzentrums für Musik des 19. Jahrhunderts «, aber über ihrem ganzen Leben schwebte Richard Wagner, dessen Musik sie mit der Muttermilch eingesogen hatte. Ob das Wagnersein als Beru446

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fung ausreichte, ob dies für sie Fluch oder Segen war, lässt sich nicht eindeutig beantworten, doch sie konnte und wollte die Bindung nicht abschütteln. Nach Bayreuth kehrte sie immer wieder zurück, und erst in ihren letzten Lebensjahren ließ sie davon ab. Wiederum gilt auch für sie, was Viola Roggenkamp für eine andere Vatertochter, nämlich Erika Mann, schrieb : » Wenn sie irgendwo beheimatet war, dann in der Ausgeschlossenheit. «58 Vielleicht versagte sie sich sogar eigenes Begehren im Dienst am Großvater, an den sie sich zu klammern schien, weil er ihr eine Identität als Enkelin verlieh, was ihr lebenslang Türen öffnete und ihrem Dasein einen Sinn gab. In frappierender Weise scheint sie viel von ihrer Tante Isolde gehabt zu haben, wie Daniela und Eva oft behaupteten. Cosimas Lieblingstochter, das erste Kind Richard Wagners, wurde von ihrer Mutter wie folgt charakterisiert : » Sie hat keine Genialität, aber Genie ( was ich unter Genie verstehe ). Von einer Harmlosigkeit, von der sich kein Mensch draußen auch nur einen Begriff zu machen vermöchte, kann sie durch den Einfluß der Welt nur perturbiert werden ; ihr fehlt jede Schärfe, um sie zu durchschauen, sie hat nur Sinn und keine eigentlichen Gedanken … Viele Talente und keine Freude an der Ausübung derselben. … Ich wünschte ihr einen Mann, den sie liebte. Das wird aber schwer sein, denn sie versteht nur das Absolut-Männliche, alles andere zieht sie nicht an, und da sie gar nichts will, fürchte ich, dass mein Wunsch ein frommer bleibt. «59 Auch Friedelind brachte ihre Talente nicht alle zur Entfaltung ; sie konnte mit Geld nicht haushalten, sie fand keinen Partner oder Partnerin fürs Leben, und vielleicht mangelte es ihr an der analytischen Fähigkeit, souverän mit den Konflikten ihres Lebens umzugehen. » Ich bewundere ihre Aufrichtigkeit, Offenheit, Geradheit,  Festigkeit, mit der sie sich selbst einen schweren Weg schafft «, schrieb Daniela einmal anerkennend über ihre Nichte.60 Verena Lafferentz sprach von ihrer » hohen BegaDie Achtzigerjahre

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bung, ihrem überschäumenden Temperament, ihrer Hilfsbereitschaft, Güte, Liebe, Freundschaft und ihrem großen Herzen «.61 » Sie trug ihr großzügiges Herz auf der Zunge «, so der Nordbayerische Kurier : » Ihre fast fanatische Wahrheitsliebe konnte ebenso erfrischend sein wie entwaffnend. «62 » Friedelinds Meisterklassen verdankt die Musikwelt von Sydney bis Toronto und Stockholm hervorragende Sänger, Dirigenten und Instrumentalisten «, stellte eine Zeitung in einem Nachruf zu Recht fest. Eine ihrer Schülerinnen, Patricia Sage, meinte : » Ich halte fest an den unglaublichen Erinnerungen an die Meisterklasse, an die zauberhaften Zeiten, als wir uns alle in den Proben duckten, damit uns Wieland nicht sehen und hinauswerfen konnte, während die Musik von Wagner erklang. Ich bin Gott dankbar, dass Friedelind eine große Dame war ( egal wie schwierig sie war ! ) und dass sie dafür sorgte, dass wir alle das Beste bekamen, was sie uns geben konnte. Diese Erlebnisse haben unser Leben und unsere beruflichen Karrieren in eine gehobene Umlaufbahn projiziert. «63 Mateo Lettunich schrieb, Friedelind sei » ihren Idealen fanatisch verbunden «. Er hielt sie für » vollkommen uneigensüchtig. Ich habe ihre wunderbare Arbeit mit den Meisterklassen beobachtet von ihren Anfängen an. … Trotz aller Hindernisse ist es ihr gelungen, einige wunderbare Karrieren auf den Weg zu bringen. Sie verweigert niemals denjenigen ihre Hilfe, die die Meisterklassen durchlaufen haben. «64 Der Musikkritiker Martin Bernheimer fand sie » brillant, mit mehr als deutlichen Ansichten – allerdings nicht absolut vertrauenswürdig in Angelegenheiten der Planung und der Finanzen «.65 Die Freundin Isabella Wallich erkannte » in ihrer sorgfältigen Konzentration, wenn sie eine Aufgabe übernahm, viel von ihrem Vater ; auch ihre Ungeduld mit Dilettantismus paßt dazu. Zum Glück erbte sie die Wärme ihres Vaters, die sie zu einer so zauberhaften Freundin machte. Ihr Charakter war sowohl resolut als auch mutig, und sie hatte nie Angst davor, 448

» Eine Ziehmutter, ein Leitbild «

etwas zu tun,  wenn sie es für richtig hielt, selbst wenn der Preis, den sie dafür zahlen musste, hoch war. «66 Die Sängerin Anja Silja lobte ihren » klinischen Gerechtigkeitssinn « : » Sie kämpfte gegen alles, was ihr ungerecht schien. Wenn sie jemandem treu war, dann blieb sie das auch. Sie war menschlich einmalig und trat für andere immer wieder ein. «67 Ihre Nichte Dagny, jahrelang mit ihr freundschaftlich verbunden, beschrieb sie als eine »äusserst interessante, unabhängige, mutige, kämpferische, grosszügige Frau, die Etliches angepackt und initiiert hat.  Eine Frau, die Intuition und Empathie besass, begeistern konnte, sich viel zumutete, ihre Grenzen kaum wahrnahm, damit aber auch den anderen viel zumutete. Sie war aber auch die Zurückgezogene, die sich scheute, jemandem voll zu vertrauen, die Angst hatte, die anderen kommen ihr zu nahe. «68 Der Musikwissenschaftler Markus Kiesel schreibt : » Mit Friedelind Wagner verlor die Musik- und Theaterwelt eine Ziehmutter, ein Leitbild, eine Ratgeberin und eine unbequeme Zeitgenossin von Format, aber es ist möglich, dass es die Welt wieder einmal nicht merkt. «69 Und er bekennt weiter : » Was ich selbst ihr verdanke, wird sich hoffentlich täglich unbemerkt vermitteln : Die rechte Mischung aus Integrität, Eigenverantwortung und Menschenliebe. «70 Für ihren Neffen Gottfried war sie ein Vorbild : » Mit ihrer Bereitschaft, die Familiengeschichte – besonders im 3. Reich – aufzuarbeiten, hinterließ sie eine Botschaft an alle Wagnernachkommen, individuelle Verantwortung beim Umgang mit der eigenen und deutschen Geschichte zu übernehmen. «71 Und in der Tat erscheint ihr Leben wie ein Spiegelbild der grenzenlosen Widersprüche und Belastungen, die Deutschland im 20. Jahrhundert seiner Bevölkerung – und der halben Welt – zumutete und die das seelische Gleichgewicht mehrerer Generationen nachhaltig erschütterten. Thomas Manns berüchtigte Aussage, wonach es viel Hitler in Wagner gibt, hat – neben den bekannten ideengeschichtlichen ZusammenhänDie Achtzigerjahre

449

gen zwischen ihm und der NS-Zeit72 – ihre unheimliche Berechtigung, wenn man Wagners zeitliche Nachbarschaft zu den Ereignissen des Nationalsozialismus betrachtet. Richard Wagner gab Elsa Bernstein die Hand, der Tochter seines Freundes Heinrich Porges : sie wurde nach Theresienstadt deportiert.73 Dass Richards Schwiegersohn Franz Beidler eine uneheliche Tochter hatte, die ins Konzentrationslager Ravensbrück eingeliefert wurde ( Eva Busch ), und dass Wagners Enkel Franz Wilhelm Beidler, 16 Jahre lang einziger Erbe Bayreuths, politisch gefährdet war und ins Ausland fliehen musste – dies alles macht Wagners unmittelbare, auch zeitliche Nähe zum Gang in die Barbarei deutlich. Danielas gute Freundin, Frau Waldberg, die Leiterin der Richard-Wagner-Frauengruppe in Heidelberg, brachte sich um, weil ihr die Deportation nach Polen bevorstand und Winifred nichts für sie unternahm. Tat sie das, weil Frau Waldberg mit Daniela befreundet war und weil es seit dem Tod von Siegfried immer wieder Zank und Streit mit den Tanten gab ? Winifred setzte sich für zahlreiche jüdische Mitbürger ein, aber es gab auch einige, für die sie nichts tun wollte. Wie konnte ein englisches Waisenkind sich anmaßen, mutwillig über Leben oder Tod zu entscheiden ? Die Frage könnte man auch im Falle Hitlers stellen, der als dilettantischer Postkartenmaler ein Dasein in Wien fristete und später Abermillionen Menschen in den Tod schickte. Der Historiker Ian Kershaw hat kürzlich die Frage gestellt, weshalb die deutsche Bevölkerung die Flächenbombardierung ihrer Städte hinnahm, ohne einen Aufstand zu wagen und dadurch den Krieg abzukürzen, was endloses Leid verhindert hätte.74 Es ist wohlfeil, als Nachgeborene den Zeigefinger zu erheben und zu urteilen, und es ist umso schwieriger, sich in diese Zeit zurückzuversetzen. Es fällt in der Rückschau schwer, sich die Zeit um 1947 vorzustellen, in der Friedelind um ein Haar gegen ihre Mutter ausgesagt hätte, um ihre eigene Iden450

» Eine Ziehmutter, ein Leitbild «

tität als Emigrantin und Buchautorin zu bewahren. Hatte Wielands früher Tod mit seiner Verdrängung der eigenen Rolle zu tun, in die er als junger Mann hineinkatapultiert worden war und in der er sich jahrelang so sehr gefallen hatte ? Und Wolfgang : Ist seine lebenslange Sturheit dem Wagner-Nachwuchs gegenüber, die Bauernschläue im Abfassen von Verträgen, um sich vor Angriffen der Familie zu schützen, auch ein Resultat der Verwundungen, die die Nazizeit mit ihren Betrügereien so vielen jungen Menschen zufügte ? War Friedelinds Gang zu General Clay, bei dem sie ihren Vetter anschwärzte, ein Zeichen ihrer unverrückbaren Bindung an Mutter und Geschwister, die sie trotz aller Streitereien in der Ferne der Emigration nicht aufzugeben vermochte ? Über die enge Verbindung von Hitler zu Wagner ist viel geschrieben worden, dennoch gibt es weiterhin Klärungsbedarf. Unumstritten bleibt, dass die Hofierung Hitlers durch die Festspielleitung diesen adelte und ihm mit seinem Rückgriff auf die Mächte der Tradition einen kulturellen Glanz verlieh, was wiederum auf die Bevölkerung ausstrahlte und seine Herrschaft weiter festigte. Es geht nicht darum, etwas zu entschuldigen oder zu beklagen, es geht nur darum, Fragen zu stellen, von denen man hoffen kann, dass sie in der Zukunft nie wieder gestellt werden müssen. In Friedelinds Leben spiegelt sich das Unglück, das ihrer Generation widerfuhr. Und nicht zuletzt deshalb war es wichtig, es nachzuzeichnen.

Die Achtzigerjahre

451

Anhang

Dank

Gr0ßer Dank gilt Gottfried Wagner, der mich auf die Idee brachte, diese Biografie zu schreiben, sowie dem Verwahrer  des Friedelind-Wagner-Nachlasses in Düsseldorf, Neill Thornborrow, der mir Zugang zu allen Unterlagen ermöglichte. Beide standen für Fragen und Kommentare unbeschränkt zur Verfügung. Im Gegensatz zu der Historikerin Brigitte Hamann, die für ihre Biografie Winifred Wagners Zugang zu Wolfgang Wagners Privatarchiv erhielt, gelang es mir nicht, Einsicht in dessen Materialsammlung zu erhalten. Umso dankbarer bin ich den Nachkommen Wieland Wagners, die mir die Verwendung der Unterlagen ihres Vaters ermöglichten, die in Salzburg liegen. Unter den Verwandten gilt besonderer Dank Friedelinds Schwester Verena Lafferentz, da sie die Briefe Helene Roeseners an Winifred Wagner zur Verfügung stellte und mehrmals für Gespräche bereitstand. Sie las und kommentierte das Manuskript, woraus sich Diskussionen ergaben, die für beide Teile nicht immer einfach waren. Auch Eva, Nike, Daphne und Iris Wagner gaben bereitwillig Auskunft. Markus Kiesel, Harvey Sachs, Joachim Herz ( † ), Peter Pachl, Gisela Graf und Rainer Fineske stellten Briefmaterial großzügig bereit und erteilten Auskünfte. John Dew, Walfredo Toscanini ( † ), Peter Konwitschny, Muhai Tang, Michael Tilson Thomas, Martin Bernheimer, Anja Silja, Jonathan Dudley, Tom Lipton, Philipp und Evelyn Marfurt, Alfred Kaine, Doris 454

Metz, Doris Stoisser, Dominique Modesti, Erich Singer und Patricia Sage steuerten wichtige Informationen bei. Gudrun Foettinger, Helga Bahl, Nora Neese, Helga Dolega-Kozierowski, Peter Sommeregger, Roger Sims, Katia Fleischer, Charmian Brinson und Elisabeth Furtwängler konnten spezielle Fragen beantworten. Hannelore Abt und Christine Koschel redigierten beziehungsweise kommentierten den Text. Eine große Hilfe waren die Arbeit der Lektorin, Ulrike StrerathBolz, sowie die Betreuung von Kristin Rotter im Piper Verlag. Und nicht zuletzt gilt mein Dank Dagny Beidler, die mir beim Schreiben geduldig zur Seite stand, Exzerpte verfasste und das Manuskript durch Kritik und Vorschläge mitgestaltete.

Dank

455

Abkürzungen

ADB AdK AER AFB AGG AGM BB BG BH BHA FW GSt HR HUB IfZ

Lebens-Akte LiS LS MNH

Monacensia

NA

NTh

NüB

456

Archiv Dagny Beidler ( privat ) Akademie der Künste, Berlin Archiv der Verfasserin Archiv der Gesellschaft der Freunde Bayreuths Archiv Gisela Graf ( privat ) Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde, Wien Brüder-Busch-Archiv, Karlsruhe Staatsbibliothek München, Nachlass Blandine Gravina Brigitte Hamann : Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth ( s. Literaturliste ) Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München Friedelind Wagner Gertrud Strobel, Tagebuch ( RWA ) Helene Roesener Handschriftenabteilung Universität Basel ( Nachlass Zinsstag ) Institut für Zeitgeschichte, München Wolfgang Wagner : Lebens-Akte ( s. Literaturliste ) Liszt Saeculum 1.46 ( 1991 ) Lieselotte Schmidt (RWA)

Manx National Heritage Museum, Isle of Man Literaturarchiv und Bibliothek München ( EM M 144 ) National Archives, Kew, London ( KV2/1914, KV4/141 ff. und KV4/339 ff. ) Archiv Neill Thornborrow ( Nachlass Friedelind Wagners ) Friedelind Wagner : Nacht über Bayreuth ( s. Literaturliste )

NYPL PA RWA SA Luzern SLB

STH VLA VL

WoWa

WW WWS

New York Public Library, Toscanini Legacy, Ted Shawn Collection Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Deutschland Richard Wagner Museum, Archiv, Bayreuth Stadtarchiv Luzern ( B 3.3 /A 99 ) Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld ( Städt. Bühnen 107/6, Nr. 1063, 1625, 1669, 1684, 2044 ) Stiftsarchiv Heiligengrabe Archiv Verena Lafferentz ( privat ) Verena Lafferentz Wolfgang Wagner Winifred Wagner Wieland Wagner Archiv, Salzburg

Abkürzungen

457

Literatur

Allende-Blin, Juan ( Hg. ) : Musiktradition im Exil. Zurück aus dem Vergessen, Köln 1993 Angenete, Hildegard : » Geschichte der Landfrauenschule Groß-Sachsenheim «, in : Die Mörin 2 ( März ) 1994 ( = Schriftenreihe des Vereins für Heimatgeschichte Sachsenheim e.V. ) Antek, Samuel : So war Toscanini, Zürich 1964 Ardoin, John : » A Ring Diary «, in : The Opera Quarterly ( Summer 1983 ) Arrau, Claudio : Leben mit der Musik. Aufgezeichnet von Joseph Horowitz, Bern u. a. 1984 Bachteler, Kurt : Geschichte der Stadt Großsachsenheim, Großsachsenheim 1962 Bald, Albrecht/Jörg Skriebeleit : Das Außenlager Bayreuth des KZ Flossenbürg. Wieland Wagner und Bodo Lafferentz im » Institut für physikalische Forschung «, Bayreuth 2003 Bauer, Oswald Georg : » Vierzig Jahre Neubayreuth «, in : Programmhefte III Rheingold, S. 1 – 19, IV Die Walküre, S. 1 – 15, V Siegfried, S. 1 – 23, VI Die Götterdämmerung, S. 1 – 15, Bayreuth 1991 Beerli-Hottinger, Ellen : Richard Wagners Nachfahren auf Tribschen, hg. von Katja Fleischer, Luzern 2008 Beidler, Franz W. : Cosima Wagner-Liszt. Der Weg zum Wagner-Mythos, hg. von Dieter Borchmeyer, Bielefeld 1997, 2. Aufl. Würzburg 2011 Blubacher, Thomas : Gibt es etwas Schöneres als Sehnsucht ? Die Geschwister Eleonora und Francesco von Mendelssohn, Leipzig 2008 Brinkmann, Reinhold/Christoph Wolff : Driven into Paradise : The Musical Migration from Nazi Germany to the United States, Berkeley, Calif. 1999 Brinson, Charmian : » › In the Exile of Internment ‹ or › Von Versuchen, aus einer Not eine Tugend zu machen ‹ : German-Speaking Women Interned by the British during the Second World War «, in : Politics and Culture in

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Twentieth-Century Germany, hg. von William Niven und James Jordan, Rochester 2003, S. 63 – 87 Brinson, Charmian : » Keine verlorene Zeit : Musik im britischen Fraueninternierungslager Rushen «, in : Echolos, hg. von Anna-Christine RhodeJüchtern/Maria Kublitz-Kramer, Bielefeld 2004, S. 243 – 264 Burton, Humphrey : Leonard Bernstein, München 1994 Busch, Eva : Und trotzdem. Eine Autobiographie, München 1991 Busch, Fritz : Aus dem Leben eines Musikers, Zürich 1949 Carnegy, Patrick : Wagner and the Art of the Theatre, New Haven/London 2006 Carr, Jonathan : The Wagner Clan. The Saga of Germany’s most Illustrious and Infamous Family, New York 2007 ( deutsch 2008 ) Cassius ( = Michael Foot ) : Brendan and Beverley. An Extravaganza, London 1944 Chappell, Connery : Island of Barbed Wire ( 1984 ), Reading 1986 Davenport, Marcia : Too strong for fantasy, New York 1967 Ebermayer, Erich : Magisches Bayreuth, Stuttgart 1951 Eichner, Walter ( Hg. ) : Weltdiskussion um Bayreuth. Im Auftrag der » Gesellschaft der Freunde von Bayreuth «, Bayreuth 1952 Eick, Simone ( Hg. ) : Nach Buenos Aires ! Deutsche Auswanderer und Flüchtlinge im 20. Jahrhundert, Bremerhaven 2008 Einem, Gottfried von : Ich hab’ unendlich viel erlebt. Aufgezeichnet von Manfred A. Schmid, Wien 1995 Felsenstein, Walter/Melchinger, Siegfried : Musiktheater, Bremen 1961 Fischer, Jens Malte : » Wagner-Interpretation im Dritten Reich. Musik und Szene zwischen Politisierung und Kunstanspruch «, in : Friedländer/ Rüsen 2000, S. 142 – 164 Friedländer, Saul/Jörn Rüsen ( Hg. ) : Richard Wagner im Dritten Reich. Ein Schloss Elmau-Symposium, München 2000 Geissmar, Berta : The Baton and the Jackboot. Recollections of Musical Life, London 1944 Geissmar, Berta : Musik im Schatten der Politik ( 1945 ), Zürich/Freiburg i. Br. 1951 ( Gekürzte Fassung der englischen Originalausgabe ) Gilbert, Marianne : Das gab’s nur einmal. Verloren zwischen Berlin und New York ( 2002 ), Zürich 2007 Gilbert, Pia : » Rückblicke in die Gegenwart «, in : Allende-Blin 1993, S. 134 – 147 Gillis, Daniel : Furtwängler and America, New York 1970 Gillman, Peter und Leni : » Collar the Lot ! « How Britain interned and expelled its wartime refugees, London 1980 Glass, Beaumont : Lotte Lehmann. A Life in Opera & Song, Santa Barbara 1988

Literatur

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Goodall, Felicity : Voices from the Home Front, Cincinnati 2004 Hamann, Brigitte : Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth, München/ Zürich 2003 Heer, Hannes/Boris von Haken : » Der Überläufer. Heinz Tietjen. Der Generalintendant der Preußischen Staatstheater im Dritten Reich «, in : Zeitschrift für Geschichtswissenschaft ( ZfG ) 58/1 ( 2010 ), S. 28 – 53 Henze-Döhring, Sabine : » Kulturelle Zentren in der amerikanischen Besatzungszone : der Fall Bayreuth «, in : Kulturpolitik im besetzten Deutschland 1945 – 1949, hg. von Gabriele Clemens, Stuttgart 1994, S. 39 – 54 Humperdinck, Eva : Engelbert Humperdinck in seinen persönlichen Beziehungen zu Richard Wagner, Cosima Wagner, Siegfried Wagner, Bd. III : 1905 – 1921, Koblenz 1999 Karbaum, Michael : Studien zur Geschichte der Bayreuther Festspiele, Regensburg 1976 Kater, Michael H. : Never Sang for Hitler. The Life and Times of Lotte Lehmann, 1888 – 1976, Cambridge 2008 Kiesel, Markus : Studien zur Instrumentalmusik Siegfried Wagners, Frankfurt/M. u. a. 1994 Kolodin, Irving : The Story of the Metropolitan Opera 1883 – 1950 : A Candid History, New York 1953 Kraft, Zdenko von : Der Sohn. Siegfried Wagners Leben und Umwelt, Graz 1969 Kropf, Meta : Bayreuther Festspielsommer von damals ( 1936 – 1944 ), Bayreuth 1978 Landshoff-Yorck, Ruth : Klatsch, Ruhm und kleine Feuer. Biographische Impressionen, Köln 1963 Lehmann, Stephen/Marion Faber : Rudolf Serkin. A Life, New York 2003 Leider, Frida : Das war mein Teil. Erinnerungen einer Opernsängerin, Berlin 1959 Lühe, Irmela von der : Erika Mann. Eine Biographie, Frankfurt/New York 1994 Mack, Dietrich : Der Bayreuther Inszenierungsstil, München 1976 Mack, Dietrich ( Hg. ) : Cosima Wagner. Das zweite Leben. Briefe und Aufzeichnungen, München/Zürich 1980 Mann, Erika : Mein Vater, der Zauberer, hg. von Irmela von der Lühe und Uwe Naumann, Reinbek 1996 Mann, Erika und Klaus : Escape to Life. Deutsche Kultur im Exil ( 1939 ), München 1991 Mansouri, Lotfi/Donald Arthur : Lotfi Mansouri. An Operatic Journey, Lebanon 2010

460

Literatur

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Literatur

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462

Literatur

Anmerkungen

Einleitung 1 FonoForum 10 ( 1998 ), 25 2 Deutsche Übersetzung Bern 1948, Neuauflage Köln 1994 3 Die Zeit 27 ( 2007 ) 4 Wolfgang Wagner 1994, 138 5 Wieland und Wolfgang Wagner an FW, 8. 7. 1950 ( WWS ) 6 NüB, 297 ff. B. Hamann hat die wahre Sachlage dargestellt, vgl. BH, 356 – 359 7 Carr 2008, 277 8 Janet Malcolm : Two Lives. Gertrude and Alice. New Haven/London 2007, 223. Alle übrigen Übersetzungen stammen von der Verf. 9 Ebermayer 1951, 217, 218 f. 10 Wolfgang Wagner 1994, 73 ; BH meint, dass Friedelind sich in

11 12 13

14

ihrem Buch zu Unrecht als » die große Oppositionelle gegen Hitler « hochgejubelt habe, in : Doris Stoisser : Radio-Feature Friedelind Wagner Schostack 1998, 309 Vgl. Eva Weissweiler, Nachwort zur Neuauflage von NüB, 337 – 346 Z. B. sagte VL, Friedelind habe Siegfried Wagners Musik genauestens gekannt, während ein ehemaliger Meisterschüler meinte, sie habe nur grobe Kenntnisse gehabt. Die Beispiele ließen sich fortführen. NZZ v. 31. 10. 2010, 67

463

1 Ein » Riesen-Osterei « – Wo » Mausi « hineingeboren wurde 1 Cosima Wagner : Die Tagebücher. München/Zürich 1976, Bd. I, 107, 168, 134 2 Nach Meinung ihrer Schwester VL kann dabei freilich auch etwas Wunschdenken im Spiel gewesen sein. 3 Zit. bei Mack 1980, 11 4 Mack 1980, 12 und 15. Diese Befunde werden in der jüngsten Biografie Cosima Wagners ( Hilmes 2007 ) leider kaum erwähnt. 5 Karbaum 1976, Teil I, 55 6 Pachl 1988, 83, 98 f., 111 7 Mack 1980, 870 ( 19. 12. 1915 ) 8 Syberberg o. J. 9 Mack 1980, 741 10 WW an HR, o. D. ( April 1918, VL ). » Sich mopsen « = sich langweilen 11 von Kraft 1969, 217 ( an Rosa Eidam ) 12 Humperdinck 1999, 321 ( dort Abb. der Postkarte ) 13 WW an HR, 17. 8. 1919 ( VL ) 14 Mitteilung VL 15 WW an HR, o. J. ( ca. 1920, VL ) 16 Brief von Cosima Wagner an Houston S. Chamberlain vom 23. 11. 1891, in : CW und Houston S. Chamberlain im

464

Anmerkungen

17 18

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

31 32

Briefwechsel, hg. von Paul Pretzsch, Leipzig 1934, 253 NüB, 5 Isoldes Sohn Franz W. Beidler verließ 1933 Deutschland mit seiner Ehefrau ( vgl. Beidler 2011, 365 ff. ). N. Wagner in : Friedländer/ Rüsen 2000, 191 FW, Typoskript » Wahnfried «, 27 ( NTh ) Syberberg o. J. FW, Manuskript » Enter Hitler «, 40 ( NTh ) Zit. bei BH, 90 BH, 91 und 94 In : Zelinsky 1976, 169 Hans Conrad : Der Führer und Bayreuth ( 1936 ), zit. b. Karbaum II, 68 f. BH, 99 BH, 96 5. 5. 1924, abgedruckt in : Karbaum II, 65 f. Henry Picker : Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier. ( 1963 ). Stuttgart 1976, 115 f. Zit. bei BH, 86 N. Wagner : » Für uns war er überhaupt nicht der Führer «, in : Friedländer/Rüsen 2000, 179 – 193

2 » Krachlaute « als Kind – 1924 bis 1931 1 Lebens-Akte, 138 2 FW : From my Life and Work, in : LiS, 20 3 Aussage von VL in : DVD » The Wagner Family «, Regie Tony Palmer, 2011 4 Schriftliche Aussage von VL 5 Schostack 1998, 82 und 94 6 Schostack 1998, 82 7 VL, Brief an die Verf. ( Oktober 2011 ) 8 Waldberg 1933, 26 ( 11. 6. 1869 ) 9 FW : Manuskript » Wahnfried « ( NTh ).Wenn nicht anders vermerkt, stammen die Schilderungen aus dieser Quelle sowie aus NüB. 10 Warburg 1989, 48 11 Interview VL 12 Dass es der Reichsführer der SS Heinrich Himmler war ( Skelton 1971, 36 ), ist falsch ( Aussage NTh ). 13 FW : Lauritz Melchior zum 100. Geburtstag, Manuskript ( NTh ) 14 FW an Sabine Rapp, 12. 1. 1956 ( NTh ) 15 WoWa, 63, 66, 168 16 FW : A Price on my Head. Manuskr. 15. 3. 1943 ( NTh ) 17 Schostack 1998, 79 18 Syberberg o. J. 19 NüB, 41 20 WW an HR, 20. 2. 1920 ( VLA ) 21 Hans Wegener : Freundschaften, in : Die Sonne 1924, 695,

22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

dem Brief vom 20. 2. 1920 beigelegt ( VLA ) Daniela Thode an A. Zinsstag, 24. 9. 1934 ( HUB ) Schostack 1997, 84 f. Interview VL in : » The Wagner Family «. DVD, Regie Tony Palmer, 2011 WW an HR, 27. 2. 1926 ( VLA ) Winifred Wagner, Denkschrift 1946, zit. b. Karbaum II, 114 Zit. bei BH, 85 WW an HR, o. D. ( NTh ) WW an Helene Boy ( später verh. Roesener ), 8. 4. 1925 ( NTh ) Tagebuch vom 9. 9. 1926, zit. b. Karbaum II, 67, und BH, 155 FW an ein » geliebtes Quartett «, 15. 10. 1970 ( NTh ) ; NüB, 34 Anna Bahr-Mildenburg/ Hermann Bahr : Bayreuth. Leipzig 1912, 17 FW : From my Life and Work, in : LiS, 20 S. Fußnote 16, NüB, 42 21. 12. 1926 ( Angebot im Internet-Autografenhandel, www.ZVAB.de vom 8. 9. 2008 ) NüB, 72 NüB, 71 NüB, 76 Gertrud Wagner, in : Wolf S. Wagner 1976, o. S. WW an HR, 27. 3. 1928 ( VLA ) WW an HR, 24. 5. 1928 ( VLA ) v. Kraft 1969, 269

Anmerkungen

465

43 WW an HR, 6. 2. 1929 ( VLA ) 44 FW an I. Kolodin, 20. 8. 1953 ( NTh ) 45 LS, 30. 7. 1929 46 Pachl 1988, 424 47 Richard Wagner. Sämtliche Briefe, hg. von Hans-Joachim Bauer und Johannes Forner. Leipzig 1988, Bd. VII, 97 ( 7. 4. 1855 ) 48 WW an HR, 25. 2. 1930 ( VLA ) 49 Brief von Dorothy Stead, 4. 12. 1940 ( NA ) 50 WW an HR, 25. 2. 1930 ( VLA ) 51 Pachl 1988, 429 52 VL, schriftliche Aussage 53 Leider 1959, 104 54 Geissmar 1951, 179 und 224. Friedelind war bereits 13.

55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66

11. 2. 1931 ( LS ) 18. 1. 1931 ( LS ) LS, 24. 1. 1931 WW an HR, 15. 11. 1930 ( VLA ) LS, 24. 1. 1931 4. 8. 1933 in : Karbaum II, 85 Heer/von Haken 2010, 32 LS, 7. 6. 1931 Syberberg, o. J. 25. 4. 1947 ( NTh ). » Inzwischen sitzt er im Gefängnis, Gott hab ihn selig. « 22. 2. 1932 ( WWS ) 25. 1. 1956 ( NTh ). Sie erhielt wöchentlich 50 Pfennige Taschengeld.

3 » Sie soll ja schuften lernen « – Im Internat 1931 bis 1935 1 LS, 18. 1. 1931 2 FW Typoskript » Meine Schulzeit « ( NTh ) 3 Frl. Sarhage, 4. 2. 1931 ( NTh ) 4 Dass ihr Leiden am Tod des geliebten Vaters dazu führte, dass sie » aggressiv, laut und sehr dick « wurde ( BH, 207 ), lässt sich nicht belegen. 5 Albert Knittel, o. D. ( NTh ) 6 LS, 14. 1. 1931 7 LS, 8. 3. 1932 8 LS, März 1932 9 LS, 19. 4. 1932 10 Anwafen = fränkisch für anquatschen 11 LS, 3. 5. 1932 12 WW an HR, 30. 7. 1933 ( VLA )

466

Anmerkungen

13 LS, 13. 5. 1932 14 vgl. BH, 220 – 223 15 WW an HR, 23. 2. 1936 ( VLA ) 16 VL am 18. 1. 2011 zur Feier ihres 90. Geburtstages im Rathaus Bayreuth 17 NüB, 93 18 WW an HR, 14. 12. und 16. 7. 1932 ( VLA ) 19 Schostack 1998, 120 20 LS, 14( 7 ) Seite beschnitten, teils unlesbar 21 Postkarte vom 23. 7. 32, RWA 22 Christa Winsloe : » Zu meinem Stück «, in : Programmheft der Uraufführung des Leipziger Schauspielhauses vom

23

24 25 26 27 28 29 30 31

32 33 34 35

30. 11. 1930. ( Dank an Doris Hermanns für diesen Hinweis ) Bericht von Barbara Böhnke, Bd. 1/56, Archiv Heiligengrabe. Die folgenden Zitate stammen aus Berichten von Schülerinnen wie Gisa von Barsewisch u. a., die zeitgleich oder fast zeitgleich mit Friedelind in Heiligengrabe waren ( Archiv Heiligengrabe ), sowie aus Friedelinds eigenen Schilderungen ( NüB ). Eine ähnliche atmosphärische Schilderung findet sich auch bei Erika von Hornstein : Adieu Potsdam. Köln/Berlin 1969, 89 ff. Interview mit Helga DolegaKozierowski ( Frankfurt/M. ) WW an HR, 12. 10. 1932 ( VLA ) NüB, 121 NüB, 112 LS, September 1932 ( RWA ) LS an FW, 6. 9. 1932 ( NTh ) Christa Winsloe ( vgl. Fußn. 20 ) WW an HR, 14. 12. 1932 ( VLA ). Tannhäuser, 1. Akt : » Zieh hin, Wannsinniger, zieh hin ! Verräter, sieh, nicht halt ich dich ! « Vertrag vom 28. 12. 1933 ( NTh ) 13. 9. 1939 ( RWA ) WW an HR, 24. 3. und 15. 4. 1933 ( VLA ) ( Ohne Hg. ) : Bayreuth im Dritten Reich. Ein Buch des

36 37 38 39 40 41 42

43 44

45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59

Dankes und der Erinnerung. Hamburg 1933, 13 f. WW an HR, 25. 6. 1933 ( VLA ) WW an HR, 8. 10. 1933 ( VLA ) WW an HR, 2. 1. 1934 ( VLA ) LS an FW, 13. 6. 1933 ( NTh ) FW : Ein Teil der Schulzeit – Heiligengrabe. Typoskript, 68 ( NTh ) STH, Chronik, 444 WW an HR, 10. 10. 1934 ( VLA ). VL zufolge waren es lange Gespräche, » mit Ernst und Humor geführt «. Brief an die Verf. vom 10. 11. 2008 NüB, 96 BH, 299 ; Lebens-Akte. Dort betont WoWa, dass Wieland an dem Versuch einer Übernahme beteiligt gewesen sei. Er war aber zu dem Zeitpunkt gerade 17 Jahre alt. WW an HR, 24. 5. 1935 ( VLA ) WW an HR, 10. 10. 1934 ( VLA ) WW an HR, 19. 9. 1934 ( VLA ) WW an HR, 20. 2. 1935 ( VLA ) Adressat unbekannt ( NTh ) WW an HR, 12. 12. 1934 ( VLA ) WW an HR, 29. 11. 1934 ( VLA ) Wörner-Heil 1997, 7 WW an HR, 14. 5. 1935 ( VLA ) NüB, 190 WW an HR, 2. 2. 1936 ( VLA ) WW an HR, 17. 11. 1935( VLA ) FW an HR, 16. 12. 1935 ( VLA ) LS, zit. bei Skelton 1971, 46 WW an HR, 25. 12. 1935 ( VLA )

Anmerkungen

467

4 » Frech, lieb, originell « – Friedelind und die Tanten 1936 bis 1937 1 NüB, 15 2 Briefkarte von Tietjen an FW vom 27. 1. ( o. J. ) ( NTh ) 3 FW : Typoskript » Wahnfried «, 20 ( NTh ) 4 Waldberg 1933, 240, 248, 307 5 Daniela Thode : Mitteilungen an die Freundin über Bayreuther Kostümfragen, in : Festspielführer 1931, 34 – 36. ( Original in Der Bazar. Illustrirte Damen-Zeitung, 7. 7. 1932 ) 6 Vgl. auch Carnegy 2006, 154 7 19. 10. 1937 ( RWA ) 8 Waldberg 1933, 135 9 20. 9. 1935 ( BG ) 10 Daniela Thode : Bayreuth seit 1930. Manuskript 1935, 9, 10 ( RWA Hs 93/127 ) 11 Karbaum 1976, II, 87. VL zufolge gestattete die prekäre Finanzlage keine Fortsetzung der Zahlungen. Das ändert jedoch nichts an dem konfliktreichen Verhältnis. 12 WW an HR, 17. 1. 1936 ( VLA ) 13 WW am HR, 5. 4. 1936 ( VLA ) Friedelind zufolge zwangen neuralgische Schmerzen sie als Fünfzehnjährige zur Aufgabe des Klavierspielens ( Interview, in : Arbeiter-Zeitung v. 28. 5. 1953 ). 14 NüB, 232 15 26. 1. 38 ( RWA ) 16 12. 6. 1936 ( RWA, HS 26 ) 17 WW an HR, 28. 3. 1936 ( VLA )

468

Anmerkungen

18 Karbaum 1976, 1, 87 19 Vgl. Karl D. Bracher : Stufen totalitärer Gleichschaltung, in : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 4 ( 1956 ), 42 20 WW an HR, 5. 8. 1936 ( VLA ) 21 FW, Radio-Manuskript, o. D. ( NTh ) 22 NüB, 242 23 Paul Schultze-Naumburg : Nordische Schönheit. Berlin 1937, 33 24 GSt, 13. 11. 40, 17. 6. und 27. 8. 1941 25 Interview VL, 2009 26 WW an HR, 26. 10. 1936 ( VLA ) 27 24. 11. 1936 ( NTh ) 28 19. 1. und 7. 2. 1937 ( RWA ) 29 NüB, 263 30 BH, 330 31 11. 6. 1937 ( RWA ) 32 7. 2. 1937 ( RWA ) 33 NüB, 252 34 WW an HR, 2. 4. 1937 ( VLA ) 35 Leider 1959, 104 f. 36 Eva Chamberlain an FW, 4. 7. 1937 ( RWA ) 37 An Eva Chamberlain, 3. 8. 1937 ( RWA ) 38 An die Tanten, 19. 6. 1937 ( RWA ) 39 Geissmar 1944, 296 f. Diese Passage fehlt in der deutschen ( gekürzten ) Übersetzung. 40 Arturo Toscanini ( 1867 – 1957 ) war bis 1929 künstlerischer Leiter der Mailänder Scala ( mit Unterbrechungen ),

41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

1908 – 1914 leitete er die Metropolitan Opera in New York, später das New York Philharmonic Orchestra und 1937 – 1954 das NBC Symphony Orchestra. 1930 und 1931 dirigierte er in Bayreuth, 1935 – 1937 bei den Salzburger Festspielen und 1939 bei den Festwochen Luzern. 11. 6. 1937 ( RWA ) An die Tanten, 4. 11. 1937 ( RWA ) Abschrift von FW, Toscanini an FW, Juli 1937 ( NTh ) An Daniela, 16. 8. 1937 ( RWA ) 19. 6. 1937 ( RWA ) 11. 11. 1937 ( RWA ). » Dem ewig Jungen weicht in Wonne der Gott « ( III. Akt Siegfried ) Zit. b. Sachs 1980, 31 11. 8. 1937 ( RWA ) Antek 1964, 73 LP-Rezension von Friedelind Wagner : » Richard Wagner conducted by Arturo

Toscanini. « Typoscript ( NTh ) 51 13. 9. 1939 ( RWA ) 52 9. 8. 1937 an die Tanten ( RWA ). Die Nornen knüpfen im Ring des Nibelungen Seile. 53 Geissmar 1944, 205 f. 54 Wallich 2001, 49. Fred Gaisberg verpflichtete Siegfried Wagner 1927 für die Aufnahme des Siegfried-Idylls in England. 55 Wallich 2001, 52 56 18. 8. 1937 ( RWA ) 57 31. 7. und 1. 8. 1937 ( RWA ) 58 27. 8. 1937 ( RWA ) 59 Mack 1976, 102 60 27. 8. 1937 ( RWA ) 61 23. 7. 1937 ( RWA ) 62 10. 4. 1988 an Dieter ( NTh. ) Siehe auch Nordbayerischer Kurier v. 28/29. 3. 1988, 17. Das Foto findet sich im Fotoband von Wolf Siegfried Wagner, 125. 63 WW an HR, 24. 3. 1938 ( VLA )

5 » Ist das deutsch, was euch Hitler gebracht hat ? « – 1938 bis 1939 1 WW an HR, 29. 1. 1938 ( VLA ) 2 FW an Daniela, 24. 1. 1938 ( RWA ) 3 12. 2. 1938 ( NTh ) 4 23. 2. 1938 ( RWA ) 5 Handschriftl. Kommentar von FW auf der Todesanzeige von Lady Cholmondeley von Ende 1989 ( Archiv Harvey Sachs ) 6 Peter Stansky : Sassoon. The Worlds of Philip and Sybil.

7 8 9 10 11 12 13

New Haven/London 2003, 211 f., 280 Eva an WW, Frühjahr 1938 ( RWA ) An die Tanten, 4. 4. 1938 ( RWA ) NüB 276 WW an HR, 24. 6. 1938 ( VLA ) 4. 4. 1938 ( RWA ) Leider 1959, 184 Dok. 11a ( NA )

Anmerkungen

469

14 Leider 1959, 283 f. 15 H. Tietjen an Gertrud Beckel, zit. bei BH, 376 16 LS, 27. 7. 1938 ( RWA ) 17 FW, Typoskript » A Price on my Head « v. 15. 3. 1943 ( NTh ) 18 Kropf 1978, 39 19 Unity an Diana Mitford, 4. 8. 1938, in : The Mitfords. Letters between six sisters, hg. von Charlotte Mosley. London u. a. 2007, 131 20 26. 1. 1938 ( RWA ) 21 Vgl. Naegele 2005 22 12. 5. 1938 ( RWA ) 23 v. Einem 1995, 67. » Wir waren eng befreundet – er war sterblich verliebt « : FW an Bernard Servatius, 2. 12. 1968 ( NTh ) 24 Beerli-Hottinger 2008, 19 25 a. a. O., 15 26 a. a. O., 20 27 Rezension des Victor-LPAlbums Toscanini dirigiert Wagner, Typoscript 1947 ( NTh ) 28 v. Einem 1995, 67. Von Einem fügt hinzu, dass diese Tür geöffnet war. VL ist jedoch überzeugt, dass es von Friedelinds Seite aus keine Liebesbeziehung war ( Interview 2009 ). 29 14. 9. 1938 ( RWA ) 30 NüB 299 31 14. 9. 1938 ( RWA ) 32 WoWa an Wieland Wagner, 24. 10. 1939 ( WWS ) 33 Jörg Osterloh : Nationalsozialistische Judenverfolgung im

470

Anmerkungen

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37

38

39 40 41 42

43

44 45 46 47

48 49

Reichsgau Sudetenland 1938 – 45. München 2006, 170 f. 27. 9. 1938 ( RWA ) 19. 10. 1938 ( RWA ) FW an die Tanten, 17. 11. 1938 ( RWA ) ; Isabella Wallich : Friedelind Wagner. » Mausi «. Memoirs of a Friend, in : LS, 12 Rede Hitlers vor der deutschen Presse, zitiert nach : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 2 ( 1958 ), 183 » Wie schön wäre es, wenn ich zu Deinem 30. Geburtstag so anrücken könnte, wie damals zu Deinem 21! « WW an FW, 5. 3. 1948 ( NTh ) WW an FW, 14. 6. 1939 ( NTh ) FW an die Tanten, 1. 7. 1939 ( RWA ) FW an die Tanten, 25. 1. 1940 ( RWA ) Telegramm vom 20. 8. 1939 ( NTh ). Das Datum ist rätselhaft, da FW schon in Luzern weilte. FW an die Tanten, 1. 7. 1939 ( RWA ). Die Tanten teilten ihre Abneigung gegenüber Tietjen. Beerli-Hottinger 2008, 21 Potter 2010, Bd. 2, 700 Sachs 1980, 372 ; Blubacher 2008, 286 f. Taubmann 1951, 242. Beerli erwähnt dies in ihren Erinnerungen nicht, aber FW schreibt darüber. Russell 1958, 205 Undat. Manuskript FW : » Meine Beziehungen zu

50 51 52 53 54 55 56

57

Luzern und der Schweiz « ( NTh ) Z. B. Eitel Dobert Graf Prebentow : Statt SA – Emigrantenleben, in : Zadek 1981, 46 – 53 D. Thode an A. Zinsstag, 26. 2. und 22. 4. 1939 ( HUB ) Bericht Thornborrow ( nach Erzählung Friedelinds ) Beerli-Hottinger 2008, 23 Daniela Thode an A. Zinsstag, 30. 8. 1939 ( HUB ) An Daniela Thode, 23. 9. 1939 ( RWA ) Rede Baxters im britischen Unterhaus, 3. 12. 1940, in: The Parliamentary Debates. Hansard 1940 Vgl. Hans R. Vaget : Thomas Mann, der Amerikaner. Frankfurt/M. 2011, darin Kap. » Der Vansittarismus «

58 17. 12. 1939 ( NYPL ) 59 Brief von VL an die Verf. ( 10. 11. 2008 ) 60 10. 7. 1939 ( RWA ) 61 10. 9. 1939 ( NTh ) 62 Beerli-Hottinger 2008, 22 63 Interview VL 64 NüB, 153 – 156 65 17. 1. 1939 ( HUB, Nachlass Zinsstag ) 66 25. 1. 1940 ( NTh ) 67 Deutsches Generalkonsulat, 10. 11. 1939 ( PA ) 68 Brief von VL an die Verf. ( 10. 11. 2008 ) 69 10. 1. 1940 ( RWA ) 70 13. 1. 1940 ( HAB ) 71 Zinsstag an D. Thode, 25. 1. 1940 ( HUB ) und 6. 2. 1940 ( SA Luzern ) 72 Adolf Zinsstag an Daniela Thode, 25. 1. 1940 ( HUB )

6 » Gerade weil ich deutsch bin, lebe ich nicht in Deutschland. « – Der Abschied 1940 1 An Daniela, 25. 1. 1940 ( RWA ) 2 25. 1. 1940 ( NTh ) 3 FW : Nazis or Non-Nazis ? – Is Our » Screening « a Success ? in : Musical Courier v. 15. 3. 1946 4 An WW, 21. 12. 1939 ( WWS ) 5 26. 1. 1940 ( RWA ) 6 Wieland an FW, 26. 1. 1940 ( WWS ) 7 An Adolf Zinsstag, 2. 2. 1940 ( HUB ) 8 Daniela an Wieland, 10. 1. 1940 ( WWS )

9 WoWa an Wieland Wagner, o. D., ca. 1940 ( WWS ) 10 WoWa an Wieland, 12. 2. 1940 ( WWS ) 11 Interview VL 12 FW an WW, 14. 1. 1940 ( NTh ) 13 24. 1. und 6. 1. 1940 ( NTh ) 14 Vgl. Eva Rieger : Leuchtende Liebe, lachender Tod. Richard Wagners Bild der Frau im Spiegel seiner Musik. Düsseldorf 2009, 151 – 3 15 NüB, 325 16 FW, undat. Manuskript ( NTh )

Anmerkungen

471

17 Brief von VL an die Verf. vom 4. 5. 2011. Es gäbe dann aber keinen Grund für Winifred, die Worte abzustreiten, wie sie es im Syberberg-Interview später tat. VLs Antwort an Himmler soll gelautet haben : » Reichsführer, meine Schwester wird während des Krieges nicht zurückkehren. « 18 WoWa an Wieland W., 16. 4. 1940 ( WWS ) 19 NYPL, 13. 2. 1940 ( Original auf Englisch ) 20 April 1940 ( NYPL ) 21 Kurt Overhoff : Offener Brief an den Spiegel zur Ausgabe Nr. 53 ( 1967 ) ; Manuskriptfassung ( NTh ) 22 9. 2. 1940 ( NTh ) 23 NüB 305. Gottfried von Einem schreibt von » Eifersucht ( Friedelinds ) auf ihre Mutter, die mit Tietjen mehr als befreundet war « ( von Einem 1995, 66 ). 24 FW an WW, 29. 2. 1940, Abschrift ( WWS ) 25 WoWa an Wieland, 25. 1. 1940 ( WWS ) 26 NüB, 9 27 GSt vom 4. 2. 1940 ; FW an Toscanini, 13. 2. 1940 ( NYPL ) 28 WW an FW, 23. 2. 1940 ( NTh ) 29 WW an FW, 6. 1. 1940 ( NTh ) 30 Der Spiegel 25 v. 21. 6. 1947. VL sagt hingegen, dass Hitler sich um Friedelinds Emigration nicht gekümmert habe. 31 3. 3. 1940 ( RWA ) 32 11. 3. 1940 ( NTh )

472

Anmerkungen

33 18. 3. 1940 ( SA Luzern ) 34 6. 3. 1940 ( SA Luzern ) 35 27. 3. 1940 ( SA Luzern ). Das » Kind « war zu diesem Zeitpunkt fast 22 Jahre alt. 36 Brief an Zinsstag vom 2. 1. 1940 ( ADB ) 37 Gilbert 2007, 42 38 Eva Chamberlain : Mein letzter Wille. Handschr. Manuskript, Testament ( NTh ) 39 In ihrem Nachlass befinden sich Telegramme, die Baxters Bemühen um ihr Kommen zeigen. 40 Newman 1963, 194 41 Zu entnehmen dem Brief eines Unbekannten an sie v. 29. 4. 1940 ( SA Luzern ). Die Namen der Personen, die sie traf, sind ihrer Agenda entnommen. 42 FW an Gisela, 3. 11. 1987 ( NTh ) 43 Falls nicht anders vermerkt, sind die Anmerkungen der Akte FW ( NA ) entnommen. 44 6. 11. 1939 ( RWA ) 45 7. 3. 1940 ( AGM ) 46 Alan Blackwood : Sir Thomas Beecham. The Man and the Music. London 1994, 177 47 FW an die Tanten, 4. 11. 1937 ( RWA ) 48 Syberberg o. J. 49 Daily Sketch, 7. – 16. 5. 1940 ( NTh ) 50 How Wagner came to Stockton, in : The Observer v. 5. 10. 1975 51 An W. H. Woolley, 5. 1. 1942 ( NTh )

52 Isabella Wallich : Friedelind Wagner. » Mausi «. Memoirs of a Friend, in : LiS, 12 53 Peter Stansky : Sassoon. The Worlds of Philip and Sybil. New Haven/London 2003, 225 und 242 54 » Frage [Frau Wolff] auch, ob die ganzen Dokumente, die mit Lord Kemsley und Mr. Woolley zu tun haben, angekommen sind. « FW an Jeanette Simon, 16. 11. 1950 ( NTh ) 55 Wilhelm Lenz/Lothar Kettenacker : Lord Kemsleys

56 57 58 59 60

Gespräch mit Hitler Ende Juli 1939, in : Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 6/3.19 ( 1971 ), 305 – 321 Emery Reves an FW, 10. 10. 1941 und 4. 12. 1944 ( NTh ) Dok 18B ( NA ) 11. 9. 1939 ( NA ) Wallich 2001, 68 Isabella Wallich behauptet, Friedelind sei im HollowayGefängnis interniert gewesen ( Wallich 2001, 70 ), hierfür gibt es aber sonst keinen Hinweis.

7 In England – Hinter Stacheldraht 1940 bis 1941 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

11

Nelki 1981 Ramati 1980, 94 Ramati 1980, 195 und 123 Goodall 2004, 249 Chappell 1986 www.aussing.com.au/madame_ marianne_mathy.htm An Jeanette Simon, 29. 9. 1940 ( NTh ) 29. 9. 1942 an Helen ( NTh ) Lotte H. Eisner : Ich hatte einst ein schönes Vaterland. Memoiren. ( 1984 ). München 1988, 106 8. 5. 1948 an Jeanette Simon : » Du bist dünn geworden – es steht Dir wunderbar – und alle Isle of Man Bewunderer der Friday Night Concerts durften Dich auch angucken. « ( NTh ) Brinson 2003, 73

12 Brinson in : Rhode-Jüchtern/ Kulitz-Kramer 2004, 259 f. 13 Sophie Rützow : Richard Wagner und Bayreuth. München 1943, 105 14 GSt, 21., 22. und 23. 7. 1940 15 WoW wollte nicht auf KdF = den Verein » Kraft durch Freude « angewiesen sein. 16 WoWa an Wieland, 15. 11. 1940 ( WWS ) 17 WoWa an WW, 5. 11. 1940 ( WWS ) 18 Walter 1984, 122 19 7. 9. 1940 ( NA ) 20 FW an Toscanini, 19. 5. 1940 ( NYPL, L88D ) 21 Joseph Goebbels : Tagebücher 1924 – 45, hg. v. Ralf Georg Reuth ( Bd. 4, 1940 – 1942 ), München/Zürich 1992, 1414 ff.

Anmerkungen

473

22 Fritz Kempfler, Lebenserinnerungen. Typoskript, 89, zit. b. BH, 404 23 Goodall 2004, 98 24 Joseph Goebbels : Tagebücher, Bd. 4 : 1940 – 1942. München/ Zürich 1992, 1471 25 Phyllis Warner, zit. bei Goodall 2004, 120 26 Dok 19A ( NA ) 27 KV 4/141 ff. und 339 ff. ( NA ) 28 An Jeanette Simon, 24. 9. 1940 ( NTh ) 29 11. 12. 1940 ( NTh ) 30 19. 9., 24. 9. und 27. 9. 1940 ( NTh ) 31 20. 9. 1940 ( NTh ) 32 13. 2. 1941 ( NYPL ) 33 19. 9. 1940 ( NTh ) 34 1. 11. 1940 ( NTh ) 35 19. 9. und 8. 11. 1940 ( NTh ) 36 Elias Canetti : Party im Blitz. Die englischen Jahre. München/Wien 2003, 155 37 34 32A, 24. 1. 1941 ( NA ) 38 Manuskript ohne Titel, o. D. ( NTh )

39 Wortlaut in : The Parliamentary Debates. Hansard 1940 40 New York Herald Tribune, 4. 12. 1940. Vgl. auch Stent 1980, 196 41 Dok. 22ab4 vom 27. 12. 1940 ( NA ) 42 GSt. 5. 12. 1940 43 Der Spiegel vom 24. 3. 1954. In den Akten des britischen Geheimdienstes gibt es keinen Hinweis hierauf. 44 Information von Roger Sims, Bibliothar des MNH 45 NYPL ( L 88B ) ; Mortimer H. Frank : Arturo Toscanini. The NBC Years. Portland, Oregon 2002, 47 46 6. 2. und 31. 1. 1941 ( NTh ) 47 NA ( 22ab4 ) 48 Bericht über einen Vortrag Friedelinds, in : The Free Lance-Star, Fredericksburg, 4. 5. 1945 49 FW an Toscanini von der Blue Star Line, o. D. ( NYPL ) 50 25. 2. 1941 ( RWA )

8 » Mein Herz ist übervoll « – Von Buenos Aires nach New York 1941 bis 1943 1 FW an Toscanini, April 1940 ( NYPL ) 2 Schopflocher 2010, 88 f. 3 World-Telegram v. 28. 1. 1944 ( NTh ) 4 Eick 2008 5 29. 12. 1941 an Jeanette Simon ( NTh ) 6 5. 12. 1949 an Alfhild Brickbauer ( AER )

474

Anmerkungen

7 Vgl. Spotts 1994, 147. VL bestreitet dies ( schriftl. Stellungnahme ). 8 E. und K. Mann 1991, 214 9 Heer/Haken 2010, 40 10 Zit. b. Russell 1958, 205 f. 11 Russell 1958, 12 12 FW an Peter Weinberg, 7. 6. 1984 ( NTh ) 13 Arrau 1984, 209

14 FW an den Scherz Verlag, 2. 11. 1984 ( NTh ) 15 FW an A. Brickbauer, 5. 12. 1949 ( AER ) 16 FW an Toscanini, 26. 5. 1941 ( NYPL, L 93L ) 17 » When are you coming very anxious dearest love Mausi. « o. D. ( NYPL, L93K ) 18 Russell 1958, 224 19 29. 12. 1941 ( NTh ) 20 FW, Aufzeichnungen über die Begegnung mit Toscanini, 20. 6. 1941 ( NTh ) 21 FW an Jeanette Eisex, 29. 12. 1941 ( NTh ) 22 An die Tanten, 4. 11. 1937 ( NTh ) 23 E. und K. Mann 1991, 285 24 Alexander Kipnis : Booklet zur CD Music & Arts CD 1119 25 FW Manuskript ( wie Fußn. 20 ), 20. 6. 1941 ( NTh ) 26 21. 3. 1990 an Gudrun ( NTh ) 27 29. 12. 1941 an Jeanette Simon 28 Brinkmann/Wolff 1999, xiii 29 Eva Schweitzer : Amerika und der Holocaust. Die verschwiegene Geschichte. München 2004, 26 30 FW Tagebuch, 30. 7. 1941 ( NTh ) 31 29. 12. 1941 ( NTh ) 32 Aussage von Harvey Sachs 33 An Rechtsanwalt W. H. Woolley, 27. 8. 1941 ( NTh ) 34 GSt 25. 12. 1941 35 Landshoff-Yorck 1963, 205 ; Pasca 207, 5 36 Vgl. Gilbert 2007, 82 f. 37 Taubman 1951, 326

38 Aussage von Walfredo Toscanini, 4. 11. 09 39 Taubman 1951, 315 40 Die Angaben entstammen ihrem Taschenkalender von 1941 ( NTh ). 41 Davenport 1967, 467 42 Zit. bei Blubacher 2008, 292 43 Pascal 2007, 7 44 Blubacher 2008, 298 45 An Frau Kayersling, 7. 1. 1942 ( NTh ) 46 4. 8. 1947 ( NTh ) 47 Pascal 2007, 44 48 An Miss Wilson, 31. 10. 1944 ( NTh ) 49 Damit befand sie sich in Übereinstimmung mit deutschen Emigranten wie Adolf Busch, der den Lärm der US-Bomben als wunderschön und beruhigend pries, Potter Bd. 2, 736. 50 Blubacher 2008, 218 51 Lehmann/Faber 2003, 90 52 Aussage von NTh 53 Monika Mann : Das fahrende Haus. Aus dem Leben einer Weltbürgerin. Reinbek 2007, 49 54 Münchner Illustrierte 31 ( 1951 ) 55 Brief vom 18. 4. 1942 an Erika Mann, in : Klaus-Mann-Schriftenreihe, Bd. 5 : Trauma Amerika. 1937 – 1942, hg. von Fredric Kroll. Wiesbaden 1986, 371 56 An » Darlings «, 24. 7. 1943 ( NTh ) 57 The Free Lance-Star, 4. 5. 1945 ( NTh ) 58 Mann 1996, 162 f.

Anmerkungen

475

59 Zit. b. von der Lühe 1994, 195 60 von der Lühe/Naumann 2005, 163. » übscher « war ein Mannscher Familienausdruck. 61 A.-I. Berndt an WW, 1. 3. 1942 ( NTh ). Winifreds Brief ist nicht auffindbar.

62 Fischer, in : Friedländer/Rüsen 2000, 146 f. 63 N. Wagner 1998, 171 64 BH, 467 f. 65 GSt, 9. 4. 1942

9 » Einzig Du könntest das Erbe noch retten ! « – 1943 bis 1945 1 29. 9. 1942 an Helen ( NTh ) 2 Arrau 1984, 122 3 23. 8. 1942 an Herbert und Erna Janssen, 29. 9. 1942 an Helen ( NTh ) 4 Vgl. Kolodin 1953, 518 und 510 5 31. 10. 1944 an Coggie Margetson ( NTh ) 6 Fred Gaisberg ( 1873 – 1951 ) war einer der Pioniere der Schallplattenaufnahme und 1921 der künstlerische Leiter von HMV ( His Master’s Voice ) geworden. 7 FW an Jeanette Simon, 29. 12. 1941 ( NTh ) 8 FW an Ehepaar Lafferentz, 10. 1. 1973 ( NTh ) 9 Brief von Edmund Stinnes an James P. Warburg vom 2. 4. 1942 ( NTh ) 10 Bernhard-Michael Domberg/ Klaus Rathje : Die Stinnes. Vom Rhein in die Welt. Geschichte einer Unternehmerfamilie. Wien 2009, 160 11 Geheimes Memorandum des US-Coordinator of Information vom 2. 4. 1942 ( NTh ) 12 FW, Manuskript ( NTh )

476

Anmerkungen

13 18. 1. 1979 an Walter ( NTh ) 14 Kater 2008, 150 f. 15 de Vries, Willem : Von St. Leu. nach Lakeville – das Exil der Wanda Landowska, in : Rhode-Jüchtern/KublitzKramer 2004, 212 16 Claudia Maurer Zenck : Gedanken zu einer » Leerstelle «. Versuch, ein Forschungsfeld abzustecken, in : Rhode-Jüchtern/KublitzKramer 2004, 40 f. 17 FW an Coggie Margetson, 21. 10. 1944 ( NTh ) 18 GSt, 4. 12. 1941 ( RWA ) 19 N. Wagner 1998, 319. Geoffrey Skelton wies allerdings bereits 1971 darauf hin, dass es sich bei der Außenstelle Flossenbürg um ein KZ handelte, vgl. Skelton 1971, 78 f. 20 Bald/Skriebeleit 2003, 64. Dies wird von VL bestritten. 21 Karbaum 1976, I, 95 22 Zit. b. Skelton 1971, 77 ( mit Abbildung der Handschrift Wielands ) 23 Winifred Wagner an Heinz Drewes, 3. 6. 1944 ( PA ). Sie

24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

36 37 38

39

schreibt noch von der Zeit, » wenn erst dieser Schicksalskampf glücklich überstanden ist «. VL, Mitteilung Schostack 1998, 204 WW an K. Overhoff, 15. 1. 1945 ( RWA HS 122/V ) N. Wagner 1998, 171 Vgl. Maurizio Bach : Staat und Weltkrieg aus dem Stegreif geführt, in : FAZ v. 7. 12. 2011 Mayer/Paulus 2008, 9 An FW, 28. 9. 1945 ( NTh ) FW an Erna und Herbert Janssen, 28. 8. 1945 ( NTh ) 23. 7. 1945 an Mausi, Jennerl und Katzi ( NTh ) FW an Wieland Wagner, 5. 11. 1945 ( NTh ) WW an Colonel Fiori, 3. 8. 1945 ( NTh ) Ulrich Drüner/Georg Günther : Musik und » Drittes Reich «. Wien/Köln/Weimar 2012, 10 Beidler 1997, 333 Beidler 1997, 341 Nicole Nottelmann : Ich liebe dich. Für immer. Greta Garbo und Salka Viertel. Berlin 2011, 221 Robert Hanzlik ( Hg. ) : Augenblicke europäischer Musikgeschichte in Briefen. Eine Auswahlstudie zu den Musikerbriefen aus dem Bestand der Handschriftenund Nachlaßsammlung der

40

41 42 43 44 45 46

47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57

Österr. Nat.Bibl. 1900 – 1955. Hamburg 2007, 134 f. Zit. b. Melina Gehring : Alfred Einstein. Ein Musikwissenschaftler im Exil. Hamburg 2007, 85 Busch 1949, 164 Allende-Blin 1993, 9 2. 9. 1945 ( NTh ) 11. 2. 1948 an Ehepaar Beerli ( NTh ) 20. 1. 1948 an Jeanette Eisex ( NTh ) Inge und Walter Jens : Frau Thomas Mann. Das Leben der Katharina Pringsheim. Reinbek 2002, 232 f. WW an FW, 27. 11. 1948 ( NTh ) WW an O.Wiinholt, 20. 4. und 19. 6. 1948 ( RWA ) Heinz Tietjen, in : Das bin ich, hg. von Hannes Reinhardt. München 1970, 203 FW an Erna und Herbert Janssen, 31. 7. 1945 ( NTh ) GSt vom 8. 8. 1945, Brief von Wieland an Dr. Deubzer Mittelbayer. Zeitung vom 14. 5. 1946 Wieland W. an Toscanini, 31. 9. 1945 ( NTh ) Wieland W. an FW, 29. 9. 1945 ( NTh ) FW an Wieland W., 5. 11. 1945 ( NTh ) Wieland W. an Kurt Overhoff, März 1946 ( RWA, Hs 122/V ) Lebens-Akte, 146 f.

Anmerkungen

477

10 Die Nachkriegssituation – 1946 bis 1950 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

15 16 17 18 19 20

21

Oswald Bauer III/1991, 8 WW an HR, 10. 3. 1949 ( AGG )

Zit. b. Schostack 1998, 228 Bauer III/1991, 15 GSt, 1947 ( RWA ) Volksrecht v. 16. 10. 1946 Neue Auslese 2. ( 2 ) 1947, 87 – 92 E. Preetorius an H. Tietjen, 15. 10. 1946 ( AdK ) Heinz Tietjen an den Hallwag Verlag, 5. 3. 1947 ( NTh ) WW an FW, 6. 8. 1947 ( NTh ) WW an FW, 7. 4. 1946 ( NTh ) WW an FW, 10. 10. 1946 ( NTh ) August Roesener an FW, 19. 7. 1947 ( NTh ) So u. a. Lebens-Akte, 138 ; N. Wagner 1998, 322. Auch VL betont, dass es einen entsprechenden Anruf von Friedelind gab. Telegramm abgedruckt in : Mayer/Paulus 2008, 118 21. 6. 1847 ( BHA ) WW an FW, 16. 3. 1947 ( NTh ) Mayer/Paulus 2008, 116 An WoWa, 11. 7. 1947 ( WWS ) Wieland W. an FW, o. D., ca. Juli 1947 ( WWS ). Oben handschriftl. Vermerk : » Wurde versehentlich nicht abgeschickt ! « Heer/von Haken 2010, 44 f. : In der » wissenschaftlichen Literatur zum Widerstand tauchen Tietjens Name und sein Beitrag nirgends auf «.

478

Anmerkungen

22 Verlautbarung Tietjen, in : RG 260 OMGUS 5/347-3/5 ( IfZ ) 23 Akte Winifred Wagner ( STAM ) 24 Akte Winifred Wagner ( STAM ) 25 WW an FW, 8. 5. 1947 ( NTh. ) 26 Bald/Skriebeleit 2003, 57, 66 f. 27 Warburg 1989, 371 28 WW an FW, 1. 8. 1948 ( NTh ) 29 WW an FW, 26. 6. 1948 ( NTh ) 30 WW an FW, 1. 8. 1948 ( NTh ) 31 Blubacher 2008, 258 32 Rosamond Chapin, 27. 3. 1946 an Ted Shawn, in : Ted Shawn Collection ( NYPL ) 33 FW an Erszi, 11. 8. 1946 ( NTh ) 34 H. Gump an FW, 28. 1. 1947 ( NTh ) 35 FW an Jeanette Eisex, 23. 8. 1947 und 14. 4. 1948 ( NTh ) 36 FW an Wieland Wagner, 20. 3. 1948 ( NTh ) 37 FW an Jeanette Eisex, 13. 1. und 26. 3. 1948 ( NTh ) 38 Friedelind erfuhr einmal, dass » Deutsche unpopulär und in Minnesota unerwünscht seien «, H. N. Gump an James Lombard, 26. 8. 1946 ( NTh ) 39 FW an Jeanette Eisex, 29. 6. 1948 ( NTh ) 40 GSt v. 6. 11. 1947 41 Schostack 1998, 251 42 Zit. bei BH, 526 ( Archiv WoWa ) 43 a. a. O. 44 WW an FW, 8. 5. 1947 ( NTh ) 45 6. 11. 1944 an Leonard Liebling ( NTh )

46 Gillis 1970, 69 und 88 ; Herbert Haffner : Furtwängler. Berlin 2003, 380 f. 47 McClure Explains Allies’ Boycott of Furtwaengler as Conductor, in : New York Times v. 22. 2. 1946 48 FW : Nazis or Non-Nazis ? Is our » Screening « a Success ? in : Musical Courier v. 15. 3. 1946 49 Prieberg 1986, 351 50 Howard Taubman in : New York Times v. 6. 1. 1949 51 Vgl. Curt Riess : Furtwängler. Musik und Politik. Bern 1953, 301 52 New York Times v. 13. 1. 1949 53 Wieland Wagner : Plan zur Gründung eines ausländischen Festspielunternehmens ( um 1946 ), zit. b. Karbaum 1976, II, 125 54 9. 7. 1946 ( NTh ) 55 Oskar Meyer : Bayreuth, die deutsche Festspielstadt ! o. D., ca. Januar 1947 ( IfZ, MK 50451 ). Von wem das von ihm benutzte Zitat stammt, konnte nicht ermittelt werden. 56 FW an Jeanette Simon, 6. 9. 1946 ( NTh ) 57 FW an Jeanette Eisex, 27. 3. 1947 und 14. 4. 1948 ( NTh ) 58 Bauer IV, 3 59 The New York Times v. 6. 4. 1947 60 Aufbau v. 25. 4. 1947, vgl. Henze-Döhring 1994, 50 61 22. 5. 1949 an Tankred ( NTh ) 62 The Detroit Times v. 11. 2. 1948 63 FW, Statement, o. D. ( NTh )

64 5. 2. 1947 ( NTh ) 65 WW an FW, 16. 3. 1947 ( NTh ) 66 Wieland W. an FW, 22. 6. 1947 ( NTh ) 67 WW an August Roesener, 7. 3. 1947, zit. b. BH, 539 68 6. 3. 1947 ( NTh ) 69 12. 7. 1947 ( NTh ) 70 Hans Rudolf Vaget : Thomas Mann, der Amerikaner. Frankfurt/M. 2011, 339 71 FW an Nike Wagner, 4. 12. 1989 ( NTh ). Ihren Besuch bei Thomas Mann bestätigt sie in einem Brief an Inge Jens vom 4. 12. 1989 ( NTh ). Thomas Mann setzte den Besuch auf den 8. 5. 1947 fest ( Thomas Mann : Tagebücher 1946 – 48, hg. von Inge Jens. Frankfurt/M. 1989, 125 ) 72 Brief von VL an die Verf. vom 23. 9. 2011 73 FW an WoWa, 22. 4. 1947 ( WWS ) 74 VL, schriftliche Mitteilung 75 9. 6. 1948, BHA ( 10/120-2/2 ) 76 F. Beidler an A. Landau, 5. 10. 1946 ( Landau-Nachlass, AdK ) 77 10. 3. 1947 ( NTh ) 78 4. 2. 1938 ( HUB, AII 81, 124 – 154 ) 79 FW an Geoffrey Skelton, 15. 1. 1970 ( NTh ). Vgl. auch ihr Interview in : Der Brückenbauer v. 5. 12. 1975 80 FW an WoWa und Wieland, 11. 7. 1947 ( WWS ). Vgl. auch FW an Geoffrey Skelton, 15. 1. 1970 ( NTh ) – ––– ––––––

Anmerkungen

479

81 Monod 2005, 255. In taktloser Weise verglich sie ihre Willenskraft mit dem » Wehrmachts-Blitzkrieg «. 82 WW an FW, 1. 8. 1948 ( NTh ). Tietjen hielt Wieland für ungeeignet, die Festspiele zu leiten. 83 WW an HR, 5. 8. 1949 ( AGG ) 84 Lebens-Akte, 142 85 Lebens-Akte, 141 86 WoW an FW, 23. 3. 1948 ( NTh ) 87 WoWa an FW, 23. 3. 1948 ( NTh ) 88 WoWa, Entwurf 20. 6. 1948 ( Archiv WoWa ), zit. b. BH, 562 89 BH, 566

90 14. 4. 1948 an Jeanette Eisex ( NTh ) 91 Lebens-Akte, 158 92 Schostack 1998, 271 f. 93 Syberberg o. D. 94 WW an FW, 1. 5. 1948 ( NTh ) 95 WW an FW, 5. 8. 1948 ( NTh ) 96 Wieland an FW, 4. 12. 1946 ( NTh ) 97 An A. Brickbauer, 25. 11. 1947 ( AER ) 98 An Jeanette Eisex, 23. 8. 1947 ( NTh ) 99 An A. Brickbauer, 12. 12. 1947 ( AER ) 100 19. 3. 1948 ( NTh ) 101 13. 1. 1948 ( NTh )

11 Friedelind kehrt zurück – 1950 bis 1955 1 An Alfhild Brickbauer, 11. 5. 1950 ( AER ) 2 FW an Marguerite Wolff, 26. 1. 1950 ( NTh ) 3 An Jeanette Eisex ( 23. 8. 1947 ) ( NTh ) 4 FW an Jeanette Eisex, 12. 5. 1950 ( NTh ) 5 FW : Manuskript » To the Musical Courier « v. 11. 11. 1949 ( NTh ) 6 Vgl. BH, 351 7 In : Aufbau v. 30. 6. 1950, 10 ; New York Times v. 11. 6. 1950 8 Ross Parmenter : Wagner’s Manuscripts, in : New York Times v. 11. 6. 1950 9 FW an ihre Familie, 7. 6. 1950, in : Aufbau v. 30. 6. 1950, 10

480

Anmerkungen

10 FW an VL ( » Nickel « ), 30. 11. 1950 ( NTh ) 11 An Alfhild Brickbauer, 26. 6. 1950 ( AER ) 12 Wieland und Wolfgang an FW, 10. 07. 1950 ( NTh ) 13 7. 6. 1950 ( WWS ) 14 Lady’s Home Journal, ca. Sept./ Oktober 1953 ; vorhandenes Ex. o. D. ( NTh ) 15 Fischer 2000, 161 16 12. 1. 1934, in : Karbaum 1976, Teil II, 96 17 8. 6. 1949 ( AdK ). Alois Hundhammer war damals Staatsminister für Unterricht und Kultus. 18 Zit. bei BH, 559 19 FW an VL, 30. 11. 1950 ( NTh ).

20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

30 31

32 33 34 35 36 37 38 39 40

Der von ihr erwähnte Brief fehlt in ihrem Nachlass. WW an Ilse Ernst, 23. 4. 1950, zit. b. BH, 568 WW an FW, 21. 3. 1950 ( NTh ) WW an FW, 19. 12. 1950, und WoWa an FW, 23. 3. 1948 ( NTh ) Lebens-Akte, 162 f. Howard Taubman : Wagner Brothers reopen Baireuth «, in : New York Times v. 5. 8. 1951 15. 8. 1950 ( AdK ) Overhoff, Brief an den Spiegel, o. D. ( NTh ) Silja 2000, 125 Wieland Wagner 1962, 235 Nicholas Vazsonyi in ders. ( Hg. ) : Wagner’s Meistersinger. Performance, History, Representation. Rochester 2003, 15 Eichner 1952, 8 Eichner 1952, 158. Oberbürgermeister Meyer, der Franz W. Beidler und Friedelind zur Mitarbeit aufgerufen hatte, war längst ersetzt worden. Die sog. Trümmerfrauen waren bis in die Fünfzigerjahre hinein tätig. Eichner 1952, 21, 158, 108, 8, 10 Abgedruckt in : Beidler 1997, 298 – 302 Eichner 1952, 30 und 36 New York Times v. 5. 8. 1951 Mietvertrag v. 15. 5. 1955 ( NTh ) N. Wagner 1998, 343 ; Schostack 1998, 301 WW an HR, 7. 3. 1950 ( AGG ) WW an WoWa und Wieland, 12. 11. 1951 ( WWS )

41 42 43 44 45 46

47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58

59 60 61

WW an FW, 27. 6. 1953 ( NTh ) O. Wiinholt, 28. 12. 1951 ( RWA )

Lebens-Akte, 288 Lebens-Akte, 287 Nike Wagner 1998, 344 Nach Aussage Nike Wagners behielt Friedelind aus Geldnot die Einnahmen aus dem Verkauf ( Interview ). Aussage Gottfried Wagner ( Interview ) WW an HR, 19. 4. 1953 ( AGG ) An Alfhild Brickbauer, 11. 6. 1953 ( AER ) An Alfhild Brickbauer, 4. 3. 1953 und 10. 6. 1951 ( AER ) WW an FW, 27. 6. 1953 ( NTh ) » Flammenerbe «. Begegnung mit FW, in : Arbeiter-Zeitung v. 28. 5. 1953 Bayreuth : Kult auf der Koch-Platte, in : Der Spiegel v. 12. 8. 1953, 27 Schostack 1998, 308 FW an Alfhild Brickbauer, 4. 10. 1953 ( AER ) a. a. O. G. Wagner 2010, 47 FW an Irving Kolodin, 20. 8. 1953 ( NTh ). Friedelind vergaß unter ihren Neffen und Nichten die 1942 geborene Dagny Beidler, Enkelin von Isolde Wagner, die in Zürich lebte ; erst in den späten Sechzigerjahren lernte sie sie kennen. N. Wagner 1998, 416 f. FW an Lee Jones, 7. 8. 1953 ( NTh ) Vgl. Monod 2005, 256 und 259

Anmerkungen

481

62 AZ v. 27. 7. 1953 63 Laut Aussage von VL. Vielleicht wollte aber Toscanini auch aus politischen Gründen Winifred Wagner nicht begegnen. 64 WW an HR, 4. 9. 1953 ( AGG ). FW erwähnte den Musikjournalisten Howard Taubmann, den sie gut kannte. 65 14. 12. 1953 : FW an Kolodin, 14. 12. 1953 ( NTh ) 66 Newman 1963, 243 67 Sachs 1980, 426 68 WW an HR, 23. 10. 1953 ( AGG ) ; WW an Maude, 10. 1. 1954 ( A 2010/II–A2-96 ) RWA 69 WW an FW, 26. 1. 1954 ( NTh ) 70 G. Wagner 2010, 51 71 VL an FW, Anfang 1953 ( NTh ) 72 16. 7. 1952 ; Kopie dem Briefwechsel WW-HR beigelegt ( AGG ) 73 New York Times, 10. 2. 1954 ; FW an WoWa, 10. 2. 1954 ( NTh ) 74 30. 3. 1954 75 FW an WoWa, 27. 2. 1954 ( NTh ) 76 FW an Verena und Bodo, 3. 3. 1954 ( NTh ) 77 FW an Lady Crosfield, 10. 7. 1954 ( NTh ) 78 Wieland an FW, 24. 8. 1950 ( NTh ) 79 FW an George ( vermutlich Brickbauer ), 19. 6. 1949 ( NTh ) 80 Die Kopie liegt in Friedelinds Nachlass ( NTh ).

482

Anmerkungen

81 FW an George 6. 2. 1954 : Brief von FW an Verena ( NTh ) 82 Vgl. Der Spiegel 24. 3. 1954 : » Kummer in Bayreuth « 83 Lebens-Akte, 386 84 Bayreuther Tagblatt vom 17. 9. 1954 85 VL, schriftliche Stellungnahme 86 FW an Jeanette Eisex, 8. 6. 1954 ( NTh ) 87 Nach Aussage Gottfried von Einems versprach Wolfgang Wagner als Ausgleich für den Verlust die Überlassung einer Partiturskizze Richard Wagners. Dieser widersprach und veröffentlichte eine Pressemitteilung, wonach Gottfried oder dessen Mutter gegenüber keinerlei Verbindlichkeiten der Festspielleiter bestanden. FW an Frida Leider, 7. 9. 1954 ( NTh ), vgl. auch N. Wagner 1998, 390 88 FW an Herbert und Erna Janssen, 1. 8. 1954 ( NTh ) 89 FW an Irving Kolodin, 30. 7. 1954 ( NTh ) 90 FW an Robert Gutman und Familie ( » Bobby und meschpochah « ), 1. 8. 1954 ( NTh ) 91 FW an Herbert und Erna Janssen, 1. 8. 1954 ( NTh ) 92 Jeanette Eisex an FW, 29. 7. 1954 ( NTh ) 93 Bayreuther Tageblatt v. 30. 9. 1955

12 Die Meisterklassen formieren sich – 1956 bis 1960 1 WW an HR, 14. 3. 1956 ( AGG ) 2 FW an I. Kolodin, 19. 6. 1955 ( NTh ) 3 E. und K. Mann 1991, 178 4 FW an Jeanette Eisex, 11. 1. 1956 ( NTh ) 5 11. 3. 1956 an Sabine Rapp ( NTh ) 6 Zit. bei Ingrid Kapsamer : Wieland Wagner. Wegbereiter und Weltwirkung. Wien u. a. 2010, 188 7 Zit. bei Spotts 1994, 221 8 WW an Lieselotte Tietjen, 3. 8. 1963 ( IfZ ): WW bezieht sich auf Wielands Inszenierung von 1963 9 7. 5. 1956 an Jeanette Eisex (NTh) 10 Vgl. Lebens-Akte, 179 11 24. 12. 1960 ( NTh ) 12 6. 11. 1957 an Marianne Kasel. Es bleibt unklar, wie das Thema des Vortrags lautete und wer diese Hatz inszenierte. Der Düsseldorfer R. W.-Verband besitzt für 1957 keine Aktenunterlagen. Dank an Dr. Elisabeth Scheeben vom Stadtarchiv Düsseldorf für die Information. 13 WW an Ilse Ernst, 1957 ( Musikantiquariat Dr. Ulrich Drüner, Internetliste Januar 2010 ) 14 6. 11. 1957 an Sabine Rapp ( NTh )

15 Vertrag mit Nacherbenrechtsverpfändung vom 13. 11. 1957 ( NTh ) 16 Schostack 1998, 310. ( Schostack schrieb ihre Biografie in enger Zusammenarbeit mit Gertrud Wagner und benutzte ihre Quellen. ) 17 Taubman 1951, 194 und 205 : » Bayreuth schien von Siechtum ergriffen. « 18 April 1958 an Madeleine Conn ( NTh ) 19 5. 3. 1959 an WW ( NTh ) 20 18. 1. 1959 an Howard Taubmann ( NTh ) 21 7. 1. 1956 an Kolodin ( NTh ) 22 Inge und Walter Jens : Frau Thomas Mann. Das Leben der Katharina Pringsheim. Reinbek 2003, 289 23 Eva Weissweiler : Otto Klemperer. Ein deutsch-jüdisches Künstlerleben. Köln 2012, 242 24 23. 2. 1959 an Marianne ( NTh ) 25 WoWa, ohne Titel, 30. 9. 1959 ( NTh ) 26 3. 5. 1959 an Fred ( NTh ) 27 5. 3. 1959 an WW ( NTh ) 28 30. 11. 1958 ( Felsenstein-Nachlass, AdK ) 29 6. 2. 1959 an Robert Gutman ( NTh ) 30 16. 3. 1959 an Bolte ( NTh ) 31 1. 6. 1959 an Fred ( NTh ) 32 FW, Korrektur eines Artikels über die Meisterklassen von

Anmerkungen

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37 38 39 40 41 42 43 44 45 46

Nicholas Braithwaite, Manuskr. ( NTh ) April 1958 an Madeleine ( NTh ) 8. 2. 1959 an Hans ( NTh ) 15. 6. 1959 an Fred ( NTh ) Howard Taubmann : New Wagnerites. Students to Learn Operatic Skills in Master Classes at Bayreuth, in : New York Times v. 8. 2. 1959 FW an Matteo Lettunich, 2. 1. 1961 ( NTh ) Vgl. Kater 2008, 253 f. Martin Bernheimer : The Master Classes of Bayreuth, in : Saturday Review v. 30. 4. 1960 24. 9. 1959 an Lys, Randy und Vicky ( NTh ) 25. 10. 1959 an Herrn Walter ( NTh ) 26. 10. 1959 an Robert Gutman ( NTh ) 2. 7. 1959 an » Sascha « und » Jerry « Gutman ( NTh ) 25. 7. 1959 von Sascha ( NTh ) 7. 8. 1959 an Sascha ( NTh ) Jeremiah Gutman an FW, 9. 9. 1959 ( NTh )

47 Jeremiah Gutman und Sascha Merovitch an FW, 17. 11. 1959 ( NTh ) 48 26. 10. 1959 Martin Hirsch an FW ( NTh ) 49 24. 01. 1969 von Martin Hirsch ( NTh ) 50 20. 12. 1959 an Bruce Hungerford ( NTh ) 51 An Marianne, 29. 12. 59 ( NTh ) 52 An Alfhild Brickbauer, 24. 12. 1960 ( AER ) 53 4. 9. 1959 an Jeanette Eisex ( NTh ) 54 Robert Gutmann an FW, 21. 9. 1959 ( NTh ) 55 13. 11. 1957 ( recte 1959 ) an Mrs. Pandit ( NTh ) 56 21. 4. 1959 an Alfhild Brickbauer ( AER ) 57 8. 12. 1959 ( NTh ) 58 10. 12. 1959 an Frances Martin ( NTh ). Siehe auch New York Times v. 8. 12. 1959 59 26. 10. 1959 an FW ( NTh ) 60 2. 11. 1959 an W. Felsenstein ( NTh ) 61 13. 11. 1959 an FW ( NTh )

13 Aufstieg und Ende der Meisterklassen – 1960 bis 1966 1 Bayreuther Tagblatt v. 24. 6. 1960 2 ( Unbekannt ) : Bericht an Matteo Lettunich vom 4. 11. 1960 ( NTh ) 3 24. 12. 1960 ( NTh ) 4 20. 8. 1960 an W. Felsenstein ( NTh )

484

Anmerkungen

5 Reinhard Mieke an FW, 15. 8. 1960 ( NTh ) 6 Brief von Alfred Kaine an die Autorin, 15. 6. 2009 7 Fränkische Presse vom 24. 8. 1962 8 Thomson 1997 ( sowie die folgenden Schilderungen )

9 Interview mit Michael Tilson Thomas, 13. 9. 2010, Luzern 10 W. Felsenstein, Tondokumente. Mitschnitt im Internet 11 An Marion Saerchinger, 11. 10. 1959 ( NTh ) 12 An Walter Felsenstein, 6. 8. 1957 ( AdK ) 13 WW an HR, 15. 2. 1963 ( AGG ) 14 Julia Rothhaas/Alexandros Stefanidis : » Der Mann für’s Leben «, in : Süddeutsche Zeitung Magazin 21 ( 2009 ) 15 FW an Alfred Kaine, 14. 10. 1961 ( NTh ) 16 FW an A. Kaine, 26. 3. 1964 ( NTh ) ; A. Kaine an FW, 23. 4. 1964 ( AER ) 17 Jonathan Dudley, Interview, 5. 11. 2009, New York 18 E-Mail 14. 4. 2010. Er schrieb aber auch : » Friedelind hat viel zu meiner Laufbahn im Musiktheater beigesteuert und zu meinem Leben in vielerlei Hinsicht sehr positiv beigetragen. « ( 23. 12. 2011 ) 19 E-Mail von Patricia Sage, 10. 7. 2010, Gespräch mit Jonathan Dudley am 5. 11. 2009 20 Brief an die Verf., 11. 11. 2011 21 Dudley ( Fußn. 19 ) 22 Abe Polakoff : Remembering Friedelind Wagner, in : LiS, 16 23 E-Mail von Patricia Sage 24 Kurt Pahlen : Große Sänger unserer Zeit. Gütersloh 1971, 258 25 Mansouri 2010, 54 26 FW an Robert Gutman, 10. 3. 1974 ( NTh )

27 Mansouri 2010, 57 28 Dudley ( Fußn. 19 ) 29 Interview mit Michael Tilson Thomas, 13. 9. 2010, Luzern 30 21. 12. 1960 an Floris ( NTh ) ; FW an Alfhild Brickbauer, 11. 1. 1962 ( AER ) 31 An Walter Legge, 17. 1. 1962 ( NTh ) 32 2. 5. 1961 an Floris ( NTh ) 33 FW an Herrn Mehner, 9. 4. 1962 ( AFB ) 34 Nach Aussagen von Alfred Kaine, 15. 6. 2009 35 G. Wagner 2010 36 FW an Felsenstein, 7. 5. 1963 ( AdK ) 37 FW an Sarah-Maud und Bob, 4. 5. 1966 ( NTh ) 38 FW an Herrn und Frau Loock, 5. 11. 1966 ( NTh ) 39 Bericht von John Dew, 11. 11. 2011 40 Silja 2000, 176 41 The Times v. 24. 12. 1966 42 Die Zeit v. 17. 10. 1966 43 FW an Verena, Bodo und Kinder ( o. D. ) 44 Lebens-Akte, 289 45 Februar 1968 ( NTh ) 46 Lebens-Akte, 289 47 VL betont, dass sie und Bodo den Erlös für das Haus in Raten zurückzahlten. 48 19. 4. 1966 an Laux ( NTh ) 49 26. 2. 1966 an WW ( NTh ) 50 Undatiertes Manuskript ( Interview mit FW ) ( NTh ). Da sie erwähnt, dass Wieland einige Monate zuvor verstarb : ca. Anfang 1967.

Anmerkungen

485

51 FW an Harvey Sachs, 2. 1. 1967 ( Harvey Sachs Archiv ) 52 Westfalen-Blatt vom 18. 7. 1968

53 FW an Martin Hirsch, 20. 3. 1969 ( NTh )

14 Turbulenter Geschwisterstreit – 1967 bis 1970 1 WW an Gerdy Troost, 23. 11. 1966, zit. bei BH, 604 2 WW an Kempfler, 25. 6. 1974, zit. bei BH, 605 3 WW an HR, 22. 1. 1965 ( AGG ) 4 Harro Zimmermann : Günter Grass unter den Deutschen. Chronik eines Verhältnisses. Göttingen 2006, 168 5 WW an Verena und Bodo Lafferentz, 9. 6. 1967 ( NTh ) 6 Bodo L. an FW, 18. 11. 1968 ( NTh ) 7 1938 hatte Oberbürgermeister Schmidt Richtlinien für eine » Deutsche Stelle für RichardWagner-Forschung « verfasst. Diese wurde erst 1943 eröffnet. 8 Aktennotiz. des GMD B. Conz 17. 11. 1966 ( SLB ) 9 FW : Staging Wagner Operas, in : Musical America, Februar 1946 10 Neue Westfälische Zeitung vom 11. 12. 1967 11 Münchner Abendzeitung vom 20. 12. 1967 12 FW : Wagner Today, in : Review of Recorded Music. März 1953 13 Neue Westfälische Zeitung v. 11. 12. 1967, Die Glocke v. 7. 12. 1967 14 » Oper. Friedelind Wagner.

486

Anmerkungen

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20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

Endlich Mensch «, in : Der Spiegel 53 ( 1967 ), S. 100 Neue Westfälische Zeitung vom 12. 12. 1967 B. Conz an FW, 6. 9. 1967 ( NTh ) Der Spiegel 53 ( 1967 ) Typoskript » Bayreuth and Dream Theatres «, o. D., o. J. ( NTh ) Reinhold Brinkmann : Wagners Aktualität für den Nationalsozialismus, in : Friedländer/Rüsen 2000, 131 6. 11. 1957 an Marianne ( NTh ) Wallich 2001, 204 Aus einem Vortrag Friedelinds, in : Westfalen-Blatt vom 11. 12. 1967 G. Wagner 2010, 153 Interview mit VL, September 2009 Zit. im Westfalen-Blatt v. 6. 1. 1968 Zit. bei N. Wagner 1998, 381 Die Zeit 1 ( 1968 ) Westfalen-Blatt : Lohengrin im Spiegel der Presse v. 6. 1. 1968 ( SLB ) Frida Leider an FW, 2. 3. 1968 ( NTh ) Z. B. : Die Musikdramen Richard Wagners. Eine

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38

thematisch-musikalische Interpretation. Salzburg 1967. Die Studie beruht auf den Unterrichtsstunden, die der Autor Wieland gab. Kurt Overhoff : Die Wahrheit über die künstlerische Ausbildung Wieland Wagners. Manuskript ( RWA ) FW, unveröff. Manuskript, ca. 1970 ( NTh ) Joseph Wechsberg : A Reporter at Large. My Grandfather would be all for it. ( Gespräch mit Wieland Wagner ), in : The New Yorker v. 18. 8. 1956, 68 BH, 601 ff. Berndt W. Wessling an N. Thornborrow, 17. 4. 1996 ( NTh ) Veröffentlichung der Stadt Bayreuth : Im Zorn über Unwahrheiten. o. D. ( RWA ) Julia Spinola : Frischer Wind in Bayreuth. FAZ v. 25. 7. 2009 : » Schon der regelwidrige Eingriff der öffentlichen Hand in das torpedierte Nachfolgeverfahren im vergangenen Jahr, als Staatsminister Neumann und der damalige bayerische Kunstminister Thomas Goppel die Inthronisierung Katharina Wagners kurzerhand zu ihrer Sache machten, ließ sichtbar werden, wie eng man die Zukunft Bayreuths mit Wahlkampfinteressen verknüpft. « An B. Servatius, 3. 12. 1968 ( NTh )

39 WW an » Putt « ( Nelly Gaetens ), 16. 4. 1968 ( AER ) 40 Pöhner an RA Dr. Gottfried Breit, 14. 6. 1968 ( NTh ) 41 WoWa an FW, 1. 7. 1968 ( NTh ). Brigitte Hamanns Behauptung, Wolfgang habe Friedelind als » Miststück « bezeichnet, vgl. BH 603 f., entspricht nicht den Tatsachen. 42 WoWa an Bernhard Servatius, 18. 7. 1968 43 Servatius an FW, 30. 4. 1969 ( NTh ) 44 Schriftliche Äußerung an die Verf., Nov. 2011 45 An Dr. Wolfram, o. D. ( 1968 ) ( NTh ) 46 An Dr. Bernard Servatius, 10. 6. 1968 ( NTh ) 47 FW an A. Brickbauer, 22. 9. 1968 ( AER ) 48 An Jeanette Eisex, 9. 4. 1968 ( NTh ) 49 Wallich 2001, 206 50 O. D. an Dr. Wolfram ( NTh ) 51 3. 3. 1968 ( NTh ) 52 Zit. in : Der Brückenbauer v. 5. 12. 1975 53 An Alfhild Brickbauer, 22. 9. 1968 ( AER ) 54 19. 7. 1968 ( If Z ) 55 Servatius an WoWa, 1. 11. 1968 ( NTh ). ( FW ist aber 1969 nicht zu den Festspielen gefahren. ) 56 Silja 2000, 224 57 10. 10. 1969 ( NTh ) 58 20. 3. 1969 ( NTh ) 59 An Alan Young, 7. 9. 1969 ( NTh )

Anmerkungen

487

60 Nudnik = jiddischer Ausdruck für » Angeber « 61 An Dorothy, 9. 9. 1969 ( NTh ) 62 An Servatius, 4. 12. 1969 ( NTh )

63 An Gerard Semon, 22. 1. 1969 ( NTh ) 64 FW : Lauritz Melchior zum 100. Geburtstag. Manuskript ( NTh )

15 Pläne und Pannen – Die Siebzigerjahre 1 FW an RA Servatius, 28. 9. 1970 ( NTh ) 2 3. 10. 1970 an John ( NTh ) 3 FW an Mateo Lettunich, 21. 11. 1978 ( NTh ) 4 FW an Richard ( Martell ? ), 14. 9. 1970 ( NTh ) 5 Manchester Guardian v. 29. 8. 1972 6 » I only felt loved when I played well. « Interview in : The Telegraph vom 21. 2. 2005 7 Der Brief der Familie ist nicht erhalten ; der Bericht über Hitler steht im Manchester Guardian v. 29. 8. 1972 8 FW an Verena, Bodo Lafferentz und Familie 9. 1. 1973 ( NTh ). Sie schrieb eine Zweitfassung des Briefes am 10. 1. 73. 9 FW an Verena, Bodo Lafferentz und Familie, 10. 1. 1973 ( NTh ) 10 Joachim Herz an FW, Telegramm v. 15. 1. 1973 ( NTh ) 11 Vgl. Oper mit Herz, Bd. 1, hg. von Joachim Herz, Michael Heinemann und Kristel Pappel-Herz. Bergheim 2011 12 Zit. bei Kiesel 1994, 188 13 Kiesel 1994, 189

488

Anmerkungen

14 Aussage von Peter P. Pachl. Trotz gelegentlicher Kritik an Friedelind blieb er ihr und ihrem Wirken gegenüber » stets voll des Dankes « ( Interview ). 15 FW an die Familie Lafferentz, 31. 10. 1972 ( NTh ) 16 In : Mann 1991, 58 17 Der Spiegel 40 ( 25. 9. 1967 ) 18 The Guardian v. 29. 8. 1972 19 FW an Pierre Boulez, 20. 8. 1971 ( NTh ) 20 Paul R. Duffy an FW, 5. 4. 1972 ( NTh ) 21 FW an John, 11. 4. 1972 ( NTh ) 22 N. Wagner 1998, 393. Der Wortlaut der Stiftungsurkunde findet sich in : Lebens-Akte, 446 ff. 23 Reinhold Kreile an Servatius, 6. 11. 1972 ( NTh ) 24 Bodo Lafferentz an Servatius, 23. 3. 1972 ( NTh ) 25 FW an Servatius, 24. 1. 1974 ( NTh ) 26 In einer Sendung des Deutschen Fernsehens vom 2. 3. 1968 ( Typoskript ) schloss sie nicht aus, die Festspiele eines Tages zu leiten. 27 Lebens-Akte, 374 f.

28 FW : Manuskriptkorrekturen zu einem Aufsatz von N. Braithwaite, o. D., ca. 1976 ( NTh ) 29 FW an ein » geliebtes Quartett «, 15. 10. 1970 ( NTh ) 30 Peter Heyworth : Conversations with Klemperer. London 1973 31 24. 1. 1974 an Servatius ( NTh ) 32 An Bodo Lafferentz, 7. 4. 1974 ( NTh ) 33 An Servatius, 24. 1. 1974 ( NTh ) 34 29. 4. 1974 an die Familie Modesti 35 Der Brückenbauer v. 5. 12. 1975 36 Nike Wagner : » Es war ein Verhältnis. « Thomas Mann und Richard Wagner, in : Vom weltläufigen Erzählen. Die Vorträge des Kongresses in Zürich 2006, hg. von Manfred Papst und Thomas Sprecher, Frankfurt/M. 2008, 57 f. N. Wagner nennt sie auch » streitbare vater- und politikgeschädigte Damen « ( ebda ). 37 WW an Fritz Kempfler, 25. 6. 1974, zit. b. BH, 629 38 An WW, 21. 1. 1977 ( NTh ) 39 15. 1. 1978 an Ilse Laux, 7. 6. 1978 ( NTh ) 40 31. 5. 1978 an Lotte Klemperer ( NTh ). Sie zahlten pro Person 15 Pfund. 41 31. 5. 1978 an Lotte Klemperer ( NTh ) 42 22. 3. 1979 an Ray, 1. 10. 1979 an Hertha, 5. 9. 1979 an Erzsi und Delia ( NTh )

43 Herr und Frau Bertel Mayer an FW, 27. 1. 1974 ; FW an Judy Sullivan, 14. 2. 1974 ( NTh ) 44 3. 11. 1979 ( NTh ) 45 Wallich 2001, 267 46 Wallich 2001, 275 f. 47 Interview Gottfried Wagner 48 Hans Jürgen Syberberg ( Hg. ) ; Syberbergs Filmbuch. München 1976, 149 49 Kropf 1978, 19 50 WW an Lieselott Tietjen, 13. 9. 1975 ( AdK ) 51 WW an HR, 17. 1. 1976 ( AGG ) 52 WW an FW, 24. 4. 1978 ( NTh ). Eine neue Ausgabe wurde 1980 von Werner Jochmann herausgegeben. 53 Zit. bei Kropf 1978, 7 54 FW : From my Life and Work, in : LiS, 20 55 Fritz A. Kuttner an FW v. 21. 5. 1983 ( NTh ) 56 Frederick Haupt an FW, 21. 5. 1983 ( NTh ) 57 Schriftliche Aussage von VL 58 21. 7. 1976 ( NTh ) 59 3. 9. 1979 an Judy Sullivan ( NTh ) 60 An Wolf Siegfried Wagner, 19. 10. 1979 ( NTh ) 61 An Judy Sullivan, 3. 9. 1979 ( NTh ) 62 Pachl 1988, 135 63 Waltraud Ehrhardt an FW, 1. 6. 1983, mit handschriftl. Vermerk von FW vom 15. 6. 1983 ( NTh ) 64 9. 10. 1970 an Delia ( NTh ) 65 FW : From my Life and Work, in : LiS, 21

Anmerkungen

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16 » Eine Ziehmutter, ein Leitbild « – Die Achtzigerjahre 1 Ein umfassender und nachvollziehbarer Erklärungsansatz zu Winifreds Charakter stammt von ihrer Enkelin Nike Wagner ( N. Wagner, 2000 ). 2 Besprechungsvermerk v. 14. 2. 1981 ( NTh ) 3 21. 1. 1987 an B. Servatius ( NTh ) 4 Interview mit Muhai Tang, Zürich, 28. 9. 2010 5 G. Schnaut an FW, 15. 2. 1980 ( NTh ) 6 Joachim Herz an FW, 30. 3. 1987 ( NTh ) 7 14. 9. 1990 ( Besitz Kiesel ) 8 Interview mit P. Konwitschny am 6. 5. 2011 9 Schaefer 2007, 126 10 A. Brico an FW, 19. 5. 1978 ( NTh ) 11 Markus Kiesel : Friedelind Wagner. Manuskript ( NTh ). Vgl. seine Dissertation : Studien zur Instrumentalmusik Siegfried Wagners. Frankfurt am Main u. a. 1994 12 Der Spiegel 28 ( 1983 ) 13 8. 6. 1988 ( Besitz Kiesel ) 14 FW an Felsenstein, 7. 5. 1963 ( AdK ) 15 G. Wagner 2010, 235 f. Nach seiner Israelreise 1990 erhielt Gottfried keine Karten mehr von seinem Vater. 16 G. Wagner 2010, 48 17 Eva Wagner-Pasquier an FW, 23. 3. 1981 ( NTh )

490

Anmerkungen

18 Nike Wagner an FW, 30. 8. 1989 ( NTh ) 19 6. 10. 1983 an B. Servatius ( NTh ) 20 FW an Ph. Wults, 5. 2. 1983 ( NTh ) 21 29. 12. 1982 ( NTh ) 22 Gertrud Wagner an FW, 24. 7. 1986 ( NTh ) 23 5. 1. 1983 an Philip Wults ( NTh ) 24 N. Wagner 1998, 371 f. 25 » Rebell « von Bayreuth, in : Münchener AZ vom 12. 8. 1983 26 1. 8. 1984 ( NTh ) 27 28. 6. 1984 an Frau Hildebrand ( NTh ) 28 Interview 29 FW an Oscar A. Beuselinck, 2. 9. 1977 ( NTh ) 30 FW an Hans Sulzer, 18. 12. 1984 ( NTh ) 31 N. Wagner 1998, 415 32 N. Wagner 1998, 416 33 An Craig, 27. 6. 1989 ( NTh ) 34 Münchener Abendzeitung v. 4. 5. 1984 35 14. 5. 1984 ( NTh ) 36 New York Times v. 14. 8. 1988 37 Wallich 2001, 279 f. 38 FW an Joachim ( Verleger ), o. D. ( vermutl. Januar 1989 ) ( NTh ) 39 Busch 1991, 345 40 FW an Werner H. Kraus, 1. 2. 1986 ( NTh ). Richard Burton spielt darin Richard Wagner.

41 FW an Florence, 25. 10. 1988 ( NTh ) 42 FW an Daniel Barenboim, Briefentwurf o. D. ( NTh ) 43 Busch 1991, 345 44 Brief an Ilse und Konrad Wolff, 14. 1. 1988 ( NTh ) 45 FW, Entwurf zu einem Brief, ca. Januar 1986 ( NTh ). Dass das Jahr 1937 nicht stimmt, wurde bereits erwähnt. 46 Burton 1994, 484 47 Burton 1994, 514 48 Gottfried Wagner an WoW, 30. 1. 1990 und Antwort 1. 2. 1990 ( NTh ) 49 Gottfried Wagner an FW, 16. 4. 1981 ( NTh ) 50 » › Maus ‹ hatte es sich ausdrücklich verbeten, dass ihrer in Bayreuth mit einer Trauerfeier gedacht werden sollte « ( Gottfried Wagner 2010, 48 ). Gottfried wurde nicht eingeladen ( Interview Gottfried Wagner ). 51 Vgl. Mayer/Paulus 2008, 118, wo das Telegramm abgedruckt ist. 52 Auch VL empfand die Rede als » unwahr « ( schriftl. Kommentar ). 53 o.V., in : Die Zeit 31 ( 1994 ) 54 Nordbayerischer Kurier v. 13/14. 8. 1994 ; Der Spiegel 21/1991 55 20. 1. 1984 an Lorna Braithwaite ( NTh ) 56 Kadidja Wedekind : Sie rettete die Ehre der Familie Wagner,

57 58 59

60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73

74

in : Neue Münchner Illustrierte v. 4. 8. 1951 Vgl. Karbaum 1976, I, 73 f. Viola Roggenkamp : Erika Mann. Eine jüdische Tochter. Frankfurt/Main 2008, 228 Cosima Wagner und Houston S. Chamberlain im Briefwechsel 1888 – 1908, hg. von Paul Pretzsch. Leipzig 1934, 253 An Adolf Zinsstag, 12. 11. 1939 ( HUB ) An das Ehepaar Marfurt, 2. 7. 1991 ( Privatbesitz Marfurt ) 11/12. 5. 1991 Patricia Sage, E-Mail 12. 2. 2009 an NTh 30. 7. 1978 ( NTh ) E-Mail, 27. 5. 2010 Wallich 2001, 207 Interview, 9. 1. 2012 E-Mail, 2. 1. 2009 Markus Kiesel : Friedelind Wagner : Würdigung, in : Musica 4 ( 1991 ), 269 Markus Kiesel, Manuskript ( NTh ) Gottfried Wagner, E-Mail, 9. 1. 2012 Vgl. Friedländer/Rüsen 2000 Elsa Bernstein : Das Leben als Drama. Erinnerungen an Theresienstadt, hg. von Rita Bake und Birgit Kiupel. Hamburg 1999, 15 Ian Kershaw : The End. Hitler’s Germany, 1944 – 45. London 2011

Anmerkungen

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Namensverzeichnis

Abbado, Claudio 395 Adenauer, Konrad 278, 285 Agoult, Marie d’ 84 Allix, Laurence 409 Anderson, Marian 362 Ansermet, Ernest 123 Antek, Samuel 101 Ardoin, John 418 Arp, Klaus 441 Arrau, Claudio 192 f. Asquith, Herbert 161 Astor, Lady Nancy 154 Bach, Johann Sebastian 85, 87, 108 Bachauer, Gina 158 Bachmann, Ingeborg 367 Back, Gilbert 261 Baedeker, Peer 431 Bahlsen, Hans 278 Balzac, Honoré de 107 Bampton, Rose 220 Barber, Samuel 123 Barenboim Daniel 324, 424, 427 f., 436 Barenboim, Elena 424, 436 Barto, Tzimon 424 Bast, H. K. 408 Baum, Kurt 210

492

Baxter, Beverley, Sir Arthur 128, 142, 150, 152 f., 155, 157, 170, 173, 182 f., 185 Beaumarchais, Pierre 346 Beecham, Sir Thomas 98, 152 Beerli, Ellen 115, 123, 126, 148, 186, 231, 235, 237, 240, 269, 433 Beethoven, Ludwig van 85, 99, 103, 108, 115, 123, 175, 188, 191, 194 – 196, 204, 214, 230, 235, 279, 343, 412 Beidler, Dagny 405, 407, 423, 431, 437, 449, 455 Beidler, Ellen geb. Gottschalk 80 Beidler, Franz Wilhelm 24, 80, 149, 234, 268 – 274, 276, 293 f., 402, 405, 407, 410, 450 Beidler, Isolde 18, 23 f., 26, 37, 80, 84, 149, 268, 402, 423, 437, 447 Beilharz, Manfred 426 Beitz, Berthold 278 Bell, George 166 Bencker, Herr und Frau 60 Bendig, Günter 380 Benedikt, Karl Siegmund 264 Berg, Alban 191 Bergner, Elisabeth 399 Bernheimer, Martin 349, 448, 454

Bernstein, Eugene 224 Bernstein, Leonard 198, 324, 438 f. Berry, Gomer (s. Kemsley) Bie, Grete 45 Bie, Oskar 45 Bigham, Sir Trevor 157 Bing, Ilse 211 Bizet, Georges 72, 178 Blech, Leo 71, 191 Bockelmann, Rudolf 247 Böhm, Karl 228, 358, 417 Boissier, Valérie 84 Bolilton-Biggs, Frau 150 Bormann, Martin 122, 170 Boulez, Pierre 342, 356, 399 f., 408 f., 417, 420, 430 Boy, Helene (s. Roesener) Bracht, Herr 151 Braithwaite, Lorna 395 Braithwaite, Nicholas 395, 408 Brandner, Frau 253 Brandt, Willy 167 Breit, Gottfried 297 Breker, Arno 286 Brickbauer, George 258 Brico, Antonia 425 Britten, Benjamin 347 Brüning, Heinrich 223 Bülow, Blandine von 21, 86, 103 Bülow, Hans von 22, 82, 84, 273 Burton, Tony 436 Busch, Adolf 114 f., 123, 190, 210 Busch, Eva 437, 450 Busch, Fritz 187 f., 190 f., 236 Busch, Hans Peter 188 Butler, Richard Austen 182 Callas, Maria 324 Calusio, Ferruccio 193 Canetti, Elias 181 Carr, Jonathan 12

Carter, Elliott 409 Caruso, Enrico 200, 355 Casadesus, Robert 280 Casals, Pablo 114, 123 Chabrier, Emanuel 343 Chamberlain, Eva (s. Wagner) Chamberlain, Houston Stewart 23, 27, 30 f., 41, 100, 293 Chamberlain, Neville 126, 154 f. Chapin, Rosamond 256 Chéreau, Patrice 321, 397, 417 – 419 Cholmondeley, Lady Sybil 100, 108, 154, 369 Cholmondeley, Philip 154 Chopin, Fréderic 85, 99 Christie, Agatha 343 Churchill, Clementine 109 Churchill, Winston 109, 154 f., 160, 186, 312 Clay, Lucius 272 – 274, 451 Cluytens, André 358 Cocteau, Jean 206 Conklin, John 354 Conz, Bernhard 369 f., 372 f., 375 Cooper, Page 223 Copland, Aaron 356 Coppée, François 67 Cortot, Alfred 99 Crespin, Régine 355 Crosfield, Lady 157 f., 169, 177, 185, 310, 322, 396 Cruickshank, Joanna 164 Crumb, George 409 Cruz, Grace de la 354 Dahlhaus, Carl 369 Daube, Otto 59 Davidson, Betsy 354 Deman, Rudolf 110, 112, 415 Dew, John 351 f., 454 Dietrich, Marlene 240

Namensverzeichnis

493

Diòsy, Béla 398 Donovan, Peggy 343 Dorfman, Ania 204 Downes, Edward 342 Drewes, Heinz 227 Drüner, Ulrich 234 Du Prè, Jacqueline 436 Duffy, Paul R. 400 f. Duncan, Isadora 375 Dürer, Albrecht 38, 84 Dux, Claire 280 Ebert, Carl 190 Ebert, Friedrich 42 Eden, Anthony 126 Edward VII. 396 Edwards, Herr 269 Egk, Werner 304 Ehlers, Alicia 261 Eidam, Rosa 464 Eilles, Kurt 318 Einem, Gerta von 114, 116, 121, 130, 145, 169, 184, 310 f., 313, 323 Einem, Gottfried von 114, 130, 150 f., 310 f. Einstein, Alfred 235 Eisex (s. Simon) Eisner, Lotte H. 165 Eldon, Alexander 410 Eliadi, Domini (s. Crosfield) Engel, Carl 264 Engel, Erich 187 Erös, Peter 352, 435 Eschenbach, Christoph 424 Eschenbach, Wolfram von 60 Everding, August 363, 381 Felsenstein, Walter 321 f., 326, 328, 330, 333, 336, 339, 341, 344 – 347, 351, 354, 356, 358, 360, 390, 397, 428

494

Namensverzeichnis

Ferber, Albert 128 Feuerbach, Anselm 60 Fiori, Colonel 232 Fischer, Edwin 60 Fischer, Jens Malte 286 Fischer, Samuel 202 Flagstad, Kirsten 102, 119 Fleischer, Editha 187 Florence, Emily, geb. Karop 23 Ford, Henry 199 f. Forster, Rudolf 124 Foster, Lawrence 343, 353 Franck, César 204 Frank, Hans 140 Freud, Siegmund 325, 386 Fricsay, Ferenc 338 Friedlander, Max 331, 342 Friedrich, Götz 417, 419 Fuchs, Marta 95 Furtwängler, Wilhelm 50, 52, 90, 98, 103, 108, 120, 137, 150, 191, 216, 259, 261 f., 283, 305, 312, 314, 421, 428 Fussell, Charles C. 408 Gabler, Werner 341 Gabor, Eva 300 Gabor, Zsa Zsa 300 Gadsden, Norma 119 Gaisberg, Fred 103, 157, 221 Galsworthy, John 98 Garmo, Tilly de 355, 394 f. Gatti-Casazza, Giulio 100 Geck, Martin 430 Geissmar, Berta 50, 98, 107, 150 – 152, 154, 157 f. Gerhardt, Elena 108, 151, 177 Gernsheim, Alison 343 Gernsheim, Helmut 343 Gielen, Josef 191 Gielen, Michael 191

Gielen, Rosa 191 Gilbert, Jean 203 Gilbert, Pia 225 Gilels, Emil 324 Giordano, Ralph 236 Globke, Hans Maria 285 Gluck, Alma 204 Gluck, Christoph Willibald 118 Goebbels, Joseph 38, 43, 47, 59, 70, 89, 122, 170 f., 226, 378 Goethe, Johann Wolfgang von 43, 60, 67, 84 f., 178, 214, 235, 413 Göring, Edda 367 Göring, Hermann 89 f., 146 Gottlieb, Ernst 261 Graarud, Gunnar 58 Graf, Herbert 330 Grass, Günter 367 Gravina, Timothy 405 Gregor-Dellin, Martin 430 Grien, Hans Baldung 84 Gröben, Jobst von der 103 Gross, Adolf von 402 Gruber, Ernst 390 Gründgens, Gustav 202 Guardi, Francesco 203 Gump, H. N. 257 Gutman, Jeremiah 334 Gutman, Robert 317, 324, 334, 337, 355 Hablützel, Hans 431 Haffner, Sebastian 169 Halifax (s. Wood) Hall, Peter 433 f. Händel, Georg Friedrich 90, 426 Hanfstaengl, Ernst 222 Harden, Gretta 354 Harker, Oswald Allen 160 Harris, Clement 22

Hartmann, Karl Amadeus 269 f., 306, 331 Haydn, Joseph 166, 188 Heifetz, Jascha 262 Heinemann, Gustav 399 Heinrich, Rudolf 330 Hellwig, Judith 197 Hemmerling, Kurt 321 Henze, Hans Werner 331, 367 Herbort, Heinz Josef 376 Hernried, Robert 261 Hertz, Ute 408 Herz, Joachim 321, 397, 408, 417, 424, 454 Herzeleide-Ina-Marie, Prinzessin von Preußen 74 Heß, Ilse 367 Hess, Myra 151 Hilger, Ewald 286 Himmler, Heinrich 121, 142 f., 251 Hindemith, Paul 71, 111, 279, 306 Hirsch, Martin 335 f. Hitler, Adolf 26 – 33, 41 – 43, 47 f., 52 – 54, 57, 59, 61, 68, 70 – 73, 75, 80, 89 f., 94 f., 97, 105 – 107, 112 f., 117 f., 120, 122, 124, 126, 128, 132 f., 136 – 138, 143, 146 f., 150 – 158, 162, 166 f., 169 f., 183 f., 198, 200 f., 209, 213 f., 216 f., 222 f., 226 – 234, 237 f., 241 f., 249 – 252, 261, 265, 267, 280, 283 – 287, 293 f., 315, 323, 325, 366 f., 369, 385, 387, 395 – 397, 399, 413, 415 – 417, 421, 423, 437 f., 443, 446, 449 – 451 Hoare, Samuel 182 Hoesslin, Franz von 60 Hoffmann, Erich 387 Hohmann, Amélie 423 Holbein, Hans 84 Holden, Frances 224 Hope, Constance 224

Namensverzeichnis

495

Horne, Marilyn 362 Horowitz, Vladimir 114, 123, 203, 262 Hotter, Hans 358 Huberman, Bronislav 114, 123 Humperdinck, Engelbert 22, 24 f. Hundhammer, Alois 275 Hungerford, Bruce 336, 342 f., 357, 408 Ives, Charles 356 Janáček, Leoš 191, 321 Janssen, Erna 192, 200, 211, 224, 231, 251, 280 Janssen, Herbert 90, 192, 200, 211, 213, 224, 231, 251, 280 Jessner, Irene 280 Joachim, Heinz 375 Joukowsky, Paul von 308, 337 Jung, Carl Gustav 325 Kahn, Frida 225 Kaine, Alfred 348 f., 358, 454 Karajan, Herbert von 288, 291, 304, 424 Karbaum, Michael 21 Kempfler, Fritz 122, 251 Kempner, Robert 296 Kemsley, Viscount (Gomer Berry) 153 – 155 Kennedy, Joseph 184 Kestenberg, Leo 268 Kiesel, Markus 398, 426 f., 449, 454 Kindermann, Lydia 197 Kipnis, Alexander 71, 192, 197, 213, 220, 348 Kipnis, Igor 348 Kittel, Karl 53, 56 Kleiber, Erich 124, 179, 187, 191 f., 194, 197

496

Namensverzeichnis

Kleist, Heinrich von 76 Klemperer, Lotte 326, 394, 409, 430 Klemperer, Otto 71 f., 326, 352, 394 f., 405, 435 Klindworth, Henrietta 23 Klindworth, Karl 3 f. Klönne, Moritz 278, 318 Klose, Margarete 90 Klose, Willi 342 Knappertsbusch, Hans 288, 306, 352 Knittel, Albert 12, 56, 61 Koch, Max 89 Koegler, Horst 375 Kohl, Fritz 108 Köhler, Herr 259 Kolberg, Hugo 261 Kolodin, Irving 316, 330 Konwitschny, Franz 336 Konwitschny, Peter 425, 454 Kortner, Fritz 367 Kortzfleisch, Ida von 78 Kostelanetz, André 262 Kraft, Zdenko von 308 Krauss, Werner 304 Kreile, Reinhold 402 Kreisler, Fritz 108 Krenek, Ernst 111, 179, 191 Kress, Samuel 281 Kuhse Hanne-Lore 342, 356, 390, 406 – 409, 424 Kullak, Theodor 67 Kuttner, Fritz A. 417 f. Lafferentz, Amélie 226, 230, 302, 423 Lafferentz, Bodo 226 – 228, 230, 235 f., 284, 295, 298, 308, 314 f., 317, 323, 361, 363, 369, 378, 380, 383, 402 f., 423 Lafferentz, Manfred 410

Lafferentz, Verena, geb. Wagner 25, 28, 35, 38, 45 f., 50, 56, 58, 60, 70, 80, 90 – 92, 95, 107, 111, 129 f., 132 f., 137, 143, 149 f., 167, 216, 226, 228 f., 230, 235 f., 260, 268, 273, 277, 284, 295, 298, 302, 306 – 308, 313, 317, 319, 323, 334, 360, 362 f., 368, 374 f., 378, 380, 385 – 387, 392, 394, 402 f., 407, 409 f., 419, 423, 430, 432, 447, 454 Lafferentz, Wieland 403, 429 Landau, Annemarie 273 Landowska, Wanda 225, 279 Landshoff, Ruth 202 Lascelles, George 427 Lateiner, Edith 343 Lateiner, Isidor 343, 354 Laux, Ilse 330 Lee, Ella 336, 345, 354, 397, 405 Lehmann, Lotte 221, 224, 280, 332, 355, 362, 390 Leider, Frida 50, 90, 96, 98, 102 f., 110, 112, 118, 127, 185, 226, 306, 313, 377, 415 Leinsdorf, Erich 338 Lerman, Leo 206 Lerner, Alan Jay 438 Lessing, Gotthold Ephraim 85 Levi, Hermann 20 Liebermann, Rolf 339, 395 Lipton, Tom 350, 454 Liszt, Franz 9, 16, 44, 84 f., 142, 193, 300, 405, 409, 428, 436 Lochner, Louis P. 261 Lorant, Stefan 210 Lorenz, Lovis H. 380 Lorenz, Max 73, 90, 102, 167, 314 Lubin, Germaine 118, 121 Ludendorff, Erich 29 f., 293 Ludwig II. von Bayern 10, 36, 80, 229, 284, 439

Maazel, Lorin 395 Mack, Gudrun 418 MacKenzie, Mary 336, 354 Mahler, Anna 102 Mahler, Gustav 102, 111, 200, 405 Maison, René 197 Malcolm, Janet 12 Mamlok, Ursula 225 Mann, Erika 197, 212 – 214, 238, 248, 317, 299, 407, 446 f. Mann, Golo 238 Mann, Katia 211, 238, 326 Mann, Klaus 197, 212, 231, 248, 317, 399 Mann, Monika 211 Mann, Thomas 211, 234, 262, 268, 270 f., 274, 286, 293, 449 Manowarda, Frau von 247 Manowarda, Josef von 90, 247 Mansouri, Lotfi 354 – 356 Marfurt, Philipp und Evelyn 433, 440, 454 Margetson, Colleen 103, 119 Markelius, Sven Gottfrid 341 Martin, Frances 336, 354 Matačić, Lovro von 336 Mathy, Marianne 165 Matt, Peter von 15 McCormick, Sir Frederick 157 McGee, Patricia 370 McKnight, Emily 354 Melchior, »Kleinchen« 97, 211, 224 Melchior, Lauritz 38, 73, 97, 102, 211, 213, 224, 393 Mendelssohn, Eleonore von 123, 125, 202, 204, 209, 220 Mendelssohn, Felix 111 Mendelssohn, Francesco 202 Mendelssohn, Moses 202 Mengelberg, Willem 108 Menotti, Gian Carlo 281, 331, 342

Namensverzeichnis

497

Menuhin, Jeremy 396 Menuhin, Yaltah 103, 111 Menuhin, Yehudi 103, 111, 158, 210, 262, 279 Merovitch, Alexander 334 Metzger, Johanna 166 Meyer, Agnes 186 Meyer, Bertel 411 Meyer, Oskar 263 – 265, 268, 270, 276, 295, 442 Meyer, Werner 434 Meyerbeer, Giacomo 111 Milhaud, Darius 179, 191 Milstein, Nathan 262 Mitford, Unity 113 Mitropoulos, Dimitri 193, 324, 395 Mödl, Martha 407 Molotow, Wjatscheslaw M. 124 Moore, Henry 358 Moreau, Familie 301 Morris, Wyn 374, 412 Mosley, Sir Oswald 367 Mozart, Wolfgang Amadeus 95, 115, 197, 235, 408 Muck, Karl 52, 101 Müller, Maria 90, 102 Munter, Thomas 341 Mussolini, Benito 126, 152, 170, 184, 198

Oertzen, Rudolf von 337 f. Offenbach, Jacques 111, 427 Onégin, Sigrid 128 Orff, Carl 304, 331 Overhoff, Kurt 145, 167, 227, 229, 243, 290, 377 – 379

Nagler, A. M. 331 Neway, Patricia 281 Newman, Ernest 150, 306 Newman, Vera 150, 306 Ney, Elly 51 Nilsson, Birgit 338, 358 Norden, Lang van 338 Novotna, Jarmila 220

Pachl, Peter 397, 454 Pahlen, Kurt 354 Paisiello, Giovanni 346 Palmer, Tony 436 Papen, Franz von 89 Parmenter, Ross 294 Paxinou, Katina 121, 211 f. Peake, Osbert 183 – 185 Petrie, Sir David 160 Pfitzner, Hans 72, 344 Pinches, John 401 Pinza, Ezio 220 Piscator, Erwin 404 Pischner, Hans 347 Platon 85 Plutarch 85 Pöhner, Konrad 240, 269, 278, 382 – 384 Polakoff, Abe 352, 354 Polani, Raffaele 407 Polo, Enrico 114, 123 Pons, Lily 262 Preetorius, Emil 90, 216, 246, 287, 290, 421 Pretzsch, Paul 59 Pringsheim, Hedwig 238 Prohaska, Jaro 90 Prokofieff, Sergej 344 Puccini, Giacomo 166, 179 Punt, Dacre 374, 377 Püringer, August 131

O’Connor, Nora 164 O’Neill, Eugene 108

Rachmaninoff, Sergej 111, 123 Raffael 104

498

Namensverzeichnis

Rauschning, Hermann 155, 223 Regendanz, Wilhelm 156 Reilly, Caroll J. 263 Reinhardt, Max 123, 202, 256 Reissinger, Gertrud (s. Wagner) Reissinger, Hans C. 291 Rembrandt van Rijn 103 Rennert, Günther 314 Reppel, Carmen 441 Rethberg, Elisabeth 224, 362 Reves, Emery 155 f. Ribbentrop, Joachim von 89, 124 Riefenstahl, Leni 227, 367 Rieger, Johanna 16 Riemenschneider, Tilman 51 Röchling, Hermann 367 Roesener, August 249 Roesener, Helene 30, 40, 59, 75, 249, 454 Röhm, Ernst 252 Roller, Alfred 233 Roman, Stella 220 Roosevelt, Franklin 126, 329 Rosen, Charles 412 Rosenberg, Pamela 352 Rossini, Gioacchino 115, 346 Rothschild, Familie 99 Rubinstein, Arthur 109, 262, 280 Ruhnau, Werner 391 Runkwitz, Karl 167 Ruskin, John 104 Ruspoli, Prinzessin 428 Rysanek, Leonie 324, 358 Sage, Patricia 343, 353 f., 448, 455 Saldern, Elisabeth von 68, 74 Samazeuilh, Gustave 104 Sassoon, Philip 109 Sattler, Dieter 274 f. Savage, Raymond 157 Sawallisch, Wolfgang 326

Schaefer, Hans Joachim 425 Schäfer, Elisabeth 250 Scharoun, Hans 340 f. Schiller, Friedrich 174 Schmidt, Lieselotte 30, 47, 51, 55, 112 Schmitt-Walter, Karl 331 Schnabel, Artur 210 f. Schnaut, Gabriele 412, 424 Schneider, Ruth 192 Schönberg, Arnold 71, 111, 344, 395, 398 Schönbohm, Siegfried 425 Schreker, Franz 71 Schubert, Franz 58, 256 Schuh, Willi 248 Schumann, Robert 219 Schuschnigg, Karl 112 Schweninger, Ernst 24 Scott, Ethel 48 f. Scribe, Eugène 73 Seefehlner, Egon 395 Serkin, Rudolf 114, 123, 210 Servatius, Bernhard 384, 388 f., 394 Sessions, Roger 225 Shakespeare, William 85, 95, 98, 107 f., 214 Shaw, George Bernard 73 Sibelius, Jean 152 Silja, Anja 290, 359, 368, 389, 449, 454 Simon, Jeanette, verh. Eisex 164 – 166, 171, 174 – 177, 179, 184 f., 189, 200, 221, 267, 279, 282, 315, 337 Sinatra, Frank 241 Solti, Sir Georg 434 Sophokles 121 Stalin, Josef 124, 126, 137 f. Stassen, Franz 43, 58, 149, 167 Stead, Dorothy 183 Stein, Leon 350

Namensverzeichnis

499

Steinberg, William 356 Stenzel, Herr 270 Steuermann, Eduard 191 Stewart, Thomas 355 Stinnes, Edmund H. 154, 157, 222 Stinnes, Hugo 154 Stokowski, Leopold 204 Stolz, Robert 234 Strauss, Johann 204 Strauss, Richard 72, 90, 191, 221, 247 f., 344 Strawinsky, Igor 111, 125, 180, 191, 200 Strehler, Giorgio 363 Streicher, Julius 70, 89, 414 Strelitzer, Hugo 261 Stresemann, Wolfgang 223, 292, 338 Strobel, Gertrud 91, 146, 167, 216, 226, 245, 260 Strobel, Otto 91, 217 Suida, William 281 Sultan, Grete 225 Sutherland, Joan 362 Swann, Jeffrey 436 Syberberg, Hans-Jürgen 11, 413 f., 416

Thode, Henry 84, 109, 281 Thoma, Hans 60 Thomas, Jess 358 Thomas, Lowell 69 Thomson, John Mansfield 343, 345 Thornborrow, Neill 412, 440, 454 Thyssen, Fritz 156 Tietjen, Heinz 27, 52, 60 f., 67, 71, 76, 79, 82, 88 – 96, 98, 105, 112, 119, 123, 140, 145, 191 f., 201 f., 216, 220, 222, 246 f., 252, 270, 275, 283, 286 f., 300, 306 f., 361, 373, 416, 421 Tietjen, Nena 76, 88 Toscanini, Arturo 49, 51 – 53, 72, 85, 98, 100 – 103, 108 f., 111, 113 – 117, 121 – 125, 128, 133 f., 141, 143 f., 146, 152, 157, 165, 169, 172, 178, 180 – 187, 190, 19 – 200, 202 – 204, 206 f., 209 f., 212, 218, 223 f., 230, 235, 241, 258 f., 279, 305 f., 324, 326, 411, 421, 433 Toscanini, Carla 99, 125, 198, 200, 203, 205 f. Toscanini, Wanda 203, 305 Troost, Gerdy 367, 416 Troost, Paul Ludwig 367, 416

Tabouis, Geneviève 317 Tang, Muhai 424, 454 Taubmann, Howard 482 Teyte, Maggie 221 Thackeray, William Makepeace 98 Thadden, Adolf von 367 Thode, Daniela, geb. von Bülow 21 f., 30, 37, 40, 44, 46, 70, 81 – 88, 93 – 95, 98 – 101, 103 f., 107 – 109, 113 – 115, 121 – 123, 125 – 129, 132 – 134, 136, 139, 147 f., 151, 159, 178, 198, 233, 237, 242, 252 f., 273, 281, 303, 433, 447, 450

Ustinov, Peter 399 Utzon, Jorn 341

500

Namensverzeichnis

Valli, Isabella 103, 119, 152, 157, 374, 410, 412, 428, 435, 448 Valli, Mondy 103 Vansittart, Sir Robert 128 Varnay, Astrid 211, 304, 342 Vazsonyi, Nicholas 291 Vecchi, Margherita de 204, 235 Veil, Wolfgang 53, 92 Verdi, Giuseppe 35, 72, 102, 124, 193 f., 256, 344

Viertel, Salka 234 Vinay, Ramón 304, 338, 390 Vinci, Leonardo da 103 Visconti, Luchino 331 Wächtler, Fritz 89 Wagner, Cosima 9, 18 – 21, 23 f., 26, 32, 36 f., 42, 49 f., 82 f., 85 f., 88, 93, 98, 109 f., 116, 122, 134, 149, 253, 269, 273, 277, 293, 300, 308, 328, 332, 402, 409, 421, 444, 447 Wagner, Ellen, geb. Drexel 230, 235 Wagner, Eugenio 440 Wagner, Eva 18, 21, 23, 27, 30, 36 f., 46 f., 49, 70, 81 f., 85, 88, 97 f., 101, 107, 109, 113, 121, 125, 127 – 129, 149 f., 159, 186, 237, 242, 303, 313, 433, 447 Wagner, Daphne 423, 454 Wagner, Gertrud 13, 39, 46, 54, 61, 73, 167, 228 f., 235, 277, 290, 320, 323, 334, 355, 361, 375, 378, 380, 430 Wagner, Gottfried 303, 358, 363, 403, 413, 428 f., 434, 439 f., 449, 454 Wagner, Iris 302, 423, 454 Wagner, Isolde 18, 23 f., 26, 37, 80, 84, 149, 268, 402, 423, 437, 447 Wagner, Nike 5, 27, 216, 227, 297, 363, 403, 405, 407, 423, 429 – 431, 434, 454 Wagner, Richard 9 f., 15, 18 f., 21 – 24, 32, 36 f., 42, 57, 82 – 84, 109 f., 116, 119, 130, 142, 149, 152, 167, 183, 213 f., 216 f., 229, 236, 242, 259, 268, 275, 282, 291, 293, 300, 309, 312, 320, 325, 332, 350, 369, 373, 377, 388, 390, 392, 402, 412, 422, 427, 429 f., 435 f., 444, 446 f., 450

Wagner, Siegfried 9, 13, 16, 18 f., 21, 23 – 27, 29 – 33, 35, 40, 42 f., 46 – 50, 52 f., 56, 60, 71, 82 f., 85 – 87, 101, 131, 134, 190, 207, 251, 266, 273, 276, 288, 295, 301, 328, 275, 397 f., 402, 407, 412, 418 f., 421 – 424, 426, 428, 432, 441 – 443, 446, 450 Wagner, Teresina 428, 440 Wagner, Verena (s. Lafferentz) Wagner, Wieland 24, 28, 35, 39, 46, 51 – 53, 58, 61, 70 – 73, 75, 80, 90 f., 93 f., 96 – 98, 104 f., 112, 121, 139 f., 143, 145, 150, 167, 170, 201, 216, 226 – 230, 232, 235 f., 239 – 243, 245, 251 f., 254 f., 257, 260, 262, 268 – 271, 273, 276 – 278, 287 – 291, 297 f., 300, 302, 304 – 307, 310, 315, 318 – 320, 322, 324 f., 328 f., 331, 333 f., 342, 344, 355, 358 – 363, 368, 371 – 373, 376 – 379, 386, 388 – 390, 392, 402, 419, 423, 430, 434, 439 f., 448, 451, 454 Wagner, Winifred 11 – 13, 16, 19, 23 – 26, 28 – 30, 32 – 34, 37 f., 40 – 43, 45 – 53, 58 – 61, 70 – 72, 74 – 76, 78 – 80, 82, 85 – 90, 92 f., 95 – 97, 105, 107, 109 f., 112, 114, 116, 120 – 122, 132, 141 – 143, 145 – 149, 153, 167, 183, 200 – 202, 215 –217, 223, 226 – 233, 238 f., 245 – 254, 259 f., 264, 266, 269 f., 272, 274 – 277, 283, 287 f., 294 – 298, 301 f., 305 – 307, 316, 318 f., 333, 348, 355, 357, 361, 366 – 369, 372, 380, 382, 386 – 388, 394, 397 f., 402, 407 – 409, 412 – 416, 418 f., 421 – 423, 425, 429, 432, 436, 441 f., 450, 454 Wagner, Wolf Siegfried 363, 382, 403, 405, 419, 423, 429, 431, 434

Namensverzeichnis

501

Wagner, Wolfgang 10 f., 25, 34, 38, 57 f., 75, 80, 117, 122, 140, 143, 146, 167, 216, 228, 230, 235, 241, 243, 245, 248, 250, 255, 260, 268, 271 f., 276 f., 288 f., 292, 297 f., 302, 304 f., 307 – 310, 312 – 315, 319, 323, 327, 329, 336, 342, 348, 355, 357 f., 361 – 365, 368 f., 371 f., 374, 376 – 380, 382 – 390, 394, 397, 402 – 404, 407, 413, 415 f., 418 f., 423, 428, 430, 434, 438 – 443, 451, 454 Wagner-Pasquier, Eva 363, 403, 413, 418, 420, 423, 429, 454 Waldberg, Frau von 252 f., 450 Waldberg, Max Freiherr von 109, 252 Wallich, Isabella (s. Valli) Walter, Bruno 71, 123, 212, 220, 223, 247 f., 312 Wedekind, Kadidja 211 f., 446 Wedekind, Pamela 212 Weigl, Vally 225 Weill, Kurt 111 Weinberg, Peter 418 Weingartner, Felix 108 Wells, Howard 343 Wessling, Bernd 380

502

Namensverzeichnis

Wheatley, Dennis 157 Wicki, Bernard 367 Wieger, Susi 61 Wild, Hans Walter 381 Wilkins, Marie 219 Wille, Familie 305 Williams, John 23 Windgassen, Wolfgang 358 Winsloe, Christa 63, 69 Winter, Kurt 342 Wolff, Konrad 211 Wolff, Marguerite, geb. Jolowicz 157 Wolff, Martin 157 Wood, Edward (Lord Halifax) 154 Woolley, W. H. 158, 172, 176, 178, 185 Wults, Philip M. 431 Würzburger, Karl 276, 293 Ziegler, Hans Severus 366 f., Zilcher, Hermann 60 Zimmerli, Jakob 148 Zinsstag, Alfred 131 – 134, 148 f., 273 Zweig, Fritz 261, 355, 394 f. Zweig, Stefan 99 Zweig, Tilly (s. de Garmo)

Bildnachweis

Bayerische Staatsbibliothek München: Tafel 7 Manx Museum, Douglas, Isle of Man: Tafel 6 unten Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth: Tafeln 2 oben, 3, 4 und 6 oben Stadtarchiv Bielefeld: Tafel 13 unten Die übrigen Bilder entstammen dem Nachlass Friedelind Wagners. Wir danken Neill Thornborrow für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.

Eva Rieger

Minna und Richard Wagner Stationen einer Liebe

2. veränderte Auflage 2018. 440 Seiten mit Abb. Gebunden. ISBN 978-3-487-08611-8

Richard Wagner und die attraktive Schauspielerin Minna Planer lernten sich 1834 kennen und gingen 1836 die Ehe miteinander ein, die 1866 mit dem Tod Minna Wagners endete. Minna Wagner, höchst eigenständig und selbstbewusst, teilte das ruhelose Leben ihres Mannes zwischen Pariser Opernszene, Dresdner Barrikade und Schweizer Exil mit allen Höhen und den Tiefen vor allem der Anfänge des weltberühmten Komponisten. Das Referenzwerk der bekannten Musikwissenschaftlerin und Wagner-Expertin Eva Rieger über die spannungsreiche Liebe und 30-jährige Ehe von Minna und Richard Wagner und auch über die frühen und mittleren Schaffensjahre des Komponisten.