Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik: Eine qualitative Inhaltsanalyse zum Fachpraktikum Französisch 978-3-476-04987-2

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Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik: Eine qualitative Inhaltsanalyse zum Fachpraktikum Französisch
 978-3-476-04987-2

Table of contents :
Danksagung......Page 6
Inhaltsverzeichnis......Page 7
Abbildungsverzeichnis......Page 14
1 Einleitung......Page 15
2.1 Bestimmungen von Professionalität im Lehrberuf: Überblick......Page 22
2.2 Theorie-Praxis-Verhältnisse und Wissensarten professionellen Handelns......Page 27
2.3 Exkurs – wie kommt das Neue in die Praxis?......Page 29
2.4 Können als Wissensanwendung versus Theorien der Praxis......Page 32
2.5 Implizites Wissen......Page 34
2.6 Transformationen von Wissen durch gesteuerte Lerngelegenheiten und Reflexion......Page 36
2.7 Praxisphasen in der Lehrer*innenbildung: Ansätze und Probleme......Page 37
2.8 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie......Page 42
3.1 Dewey (1910): Wie wir denken......Page 44
3.2 Van Manen (1977): Reflexion als Progression und Emanzipation......Page 45
3.3 Schön (1983): reflection in action versus reflection on action......Page 46
3.4 Korthagen (2002): Zyklische Reflexion und Lehreridentität......Page 47
3.5 Müller (2010): Vom Reflex zur Reflexion......Page 49
3.6 Empirische Modelle reflexiver Kompetenz......Page 50
3.6.1 Reflexion als Progression: Hatton/Smith (1995)......Page 51
3.6.2 Reflexion als Ausdruck des Professionsverständnisses: Gasser/Suter/Bühler (2014)......Page 53
3.7 Probleme der Empirie: Experimente versus Selbsteinschätzungen......Page 55
3.8 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie......Page 57
4 Fachdidaktisches Wissen: Modelle und empirische Zugänge......Page 59
4.1 Fachdidaktisches Wissen als Problem: Fremdsprachendidaktik als nicht-kanonisiertes Wissensgebiet......Page 60
4.2 Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften: Standards und Modellierungsversuche......Page 66
4.2.1 Bildungspolitische und -administrative Rahmungen: KMK-Standards, Masterverordnung, Modulhandbücher......Page 68
4.2.2 Europäisches Profil für die Aus- und Weiterbildung von Sprachenlehrkräften (Kelly/Grenfell 2004)......Page 73
4.2.3 Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA) (Newby et al. 2007)......Page 74
4.2.4 Standards zu Lehrersprache, Mehrsprachigkeit und Interkulturalität: Wipperfürth (2009)......Page 75
4.2.5 Entphilologisierung und Sprachlehrforschung als Fluchtpunkte der Lehrer*innenbildung: Schneider (2007)......Page 76
4.2.6 Kompetenzorientierung und Mehrsprachigkeit als Fluchtpunkte der Lehrer*innenbildung: Egli Cuenat (2014)......Page 78
4.2.7 Testorientierte Modellierungen: TEDS-LT (Jansing et al. 2013; Hoinkes/Weigand 2016; Kirchhoff 2016)......Page 79
4.3 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie......Page 81
5 Exemplarische Arbeiten zu Praxisphasen, Reflexion und fachdidaktischen Kompetenzen angehender Fremdsprachenlehrkräfte......Page 84
5.1 Fokus Reflexion und Lernen: Moon (1999)......Page 85
5.3 Fokus Praktika an Universitäten in Deutschland: Gröschner et al. (2015)......Page 86
5.4 Fokus Kompetenzmessung: Blömeke et al. (2013)......Page 87
5.5 Fokus Theorie-Praxis-Verhältnis: Nölle (2002)......Page 89
5.6 Fokus Wirksamkeit reflexiver Lerngelegenheiten: von Felten (2005)......Page 90
5.7 Fokus Beobachtungsaufgaben: Lunkenbein (2012)......Page 91
5.8 Fokus Aktionsforschung und Veränderung subjektiver Theorien: Warneke (2006)......Page 92
5.9 Fokus Unterrichtssimulation und Videographie: Abendroth-Timmer (2011)......Page 93
5.10 Fokus fachdidaktische Reflexion mit dem EPOSA: Mehlmauer-Larcher (2012)......Page 94
5.11 Fokus Zufriedenheit der Studierenden: Elsner (2010)......Page 95
5.12 Fokus Professionsforschung und Reflexion: Roters (2012)......Page 96
5.13 Fokus Aufgabenorientierung als Lehrkompetenz: Raith (2011)......Page 97
5.14 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie......Page 98
6 Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz erforschen: Kontext und forschungsmethodologische Verortung der empirischen Studie......Page 99
6.1 Qualitative Inhaltsanalyse als empirischer Ansatz zur Erforschung fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz......Page 101
6.2 Erfahrungsbasierte Reflexion als hochschuldidaktischer und empirischer Ausgangspunkt der Studie......Page 104
6.3 Entwicklung einer Interimsdidaktik als Ziel der Studie......Page 105
7.1 Annäherungen an den Reflexionsbegriff der empirischen Studie......Page 107
7.2 Reflexive fachdidaktische Handlungskompetenz: eine Arbeitsdefinition......Page 109
7.2.1 Reflexion ist subjektiv und kann nur erfahrungsbasiert rekonstruiert werden......Page 113
7.2.2 Reflexion braucht Anleitung und Diskurs......Page 115
7.2.3 Reflexion transformiert ex-ante modelliertes Wissen......Page 116
7.2.4 Reflexion kann unterrichtliches Handeln verändern......Page 118
7.3 Hochschuldidaktisches Setting: Lerngelegenheiten zur Entwicklung reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz......Page 120
7.3.1 Antinomie 1: Kompetenzorientierung zwischen Normativität und Kritik......Page 123
7.3.2 Antinomie 2: Fachdidaktik zwischen Erfahrungswissenschaft und Forderung nach Evidenz......Page 124
7.3.3 Modulstruktur und lerntheoretische Prinzipien......Page 125
7.3.3.1 Modulstruktur: Das Praktikum und seine Rahmung durch Begleitveranstaltungen......Page 127
7.3.3.2 Anchored Instruction, Handlungsorientierung und Feedback als elementare Prinzipien des Seminars......Page 129
7.3.4 Exemplarische Texte, Aufgaben, Diskussionsimpulse......Page 131
7.3.4.1 Lektüren......Page 132
7.3.4.1.2 Exemplarische fachdidaktische Literatur......Page 133
7.3.4.2.1 Prozess- und Produktportfolio......Page 134
7.3.4.2.2 Das EPOSA......Page 135
7.3.4.3.1 Microteaching......Page 137
7.3.4.4 Feedback und Austausch......Page 138
7.3.4.4.1 Unterrichtsbesuch......Page 139
7.3.4.4.2 Informelle Arten von Austausch und Feedback......Page 140
7.3.4.4.3 Tutorium......Page 141
8.1 Methodisches Vorgehen: Interviews und Qualitative Inhaltsanalyse......Page 142
8.1.1 Qualitative Inhaltsanalyse zur Identifikation fachdidaktischer reflexiver Kompetenz......Page 143
8.1.2 Empirisches Material: Interviews mit Studierenden zur Wahrnehmung des Moduls......Page 146
8.1.3 Transkription und computergestützte Analyse......Page 147
8.1.4 Beschreibung der Stichprobe......Page 148
8.2.1 Die Kategorie „Reflexivität“......Page 150
8.2.1.1.1 Exkurs zur Genese der Kategorie „Reflexivität“......Page 151
8.2.1.2.1 Perspektivenwechsel versus Perspektivenverengung......Page 153
8.2.1.2.2 Transformation von Wissen als dynamisch-adaptives versus statisches Geschehen......Page 154
8.2.1.2.3 Normativität versus Deskriptivität als reflexiver Fluchtpunkt......Page 155
8.2.1.3.1 Die Subkategorie „einperspektivisch-linear“: Codierregeln und
Ankerbeispiele......Page 156
8.2.1.3.2 Die Subkategorie „mehrperspektivisch-zyklisch“: Codierregeln und
Ankerbeispiele......Page 158
8.2.1.4 Beispiele für Codierungen: Kontrastierende Codings mit kurzer
Diskussion......Page 160
8.2.2 Die Kategorie „fachdidaktisches Wissen“......Page 162
8.2.2.1 Beschreibung der Kategorie „fachdidaktisches Wissen“......Page 163
8.2.2.1.1 Exkurs zur Genese der Kategorie „Fachdidaktisches Wissen“......Page 165
8.2.2.2.1 Kompetenzbegriff......Page 166
8.2.2.2.2 Aufgabenorientierung......Page 167
8.2.2.2.3 Curriculare Rahmentexte......Page 168
8.2.2.2.4 Unterrichtsplanung, -beobachtung und -gestaltung......Page 169
8.2.2.3.1 Die Subkategorie „Kompetenzbegriff“: Codierregeln und
Ankerbeispiele......Page 170
8.2.2.3.2 Die Subkategorie „Aufgabenorientierung“: Codierregeln und
Ankerbeispiele......Page 171
8.2.2.3.3 Die Subkategorie „Interaktion/Unterrichtsgespräch“: Codierregeln
und Ankerbeispiele......Page 172
8.2.2.3.5 Die Subkategorie „Schülerorientierung“: Codierregeln und Ankerbeispiele......Page 174
8.2.2.3.6 Die Subkategorie „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“: Codierregeln
und Ankerbeispiele......Page 175
8.2.2.3.8 Die Subkategorie „Fertigkeiten/Kompetenzen“: Codierregeln und Ankerbeispiele......Page 176
8.3.1 Übersicht zu Kategoriensystem und Codiervorgang......Page 177
8.3.2.1 Mangelnde Trennschärfe der Subkategorien von Reflexivität......Page 178
8.3.2.2 Nachfragetechnik: Probleme der Gesprächsdynamik......Page 183
8.3.2.3 Codiereinheiten als Problem......Page 185
8.3.2.4 Probleme bei der Codierung fachdidaktischen Wissens......Page 188
8.3.2.5 Neue Kontexte, neue Codierungen? Probleme des hermeneutischen Prozesses
......Page 189
9 Empirische Analysen: „Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“ als Elemente einer Interimsdidaktik......Page 192
9.1.1 Codings insgesamt: Verteilung nach Subkategorien zur Identifizierung fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz (RHK)......Page 193
9.1.2 Ergebnisse und Diskussion......Page 196
9.1.3 Codings nach Studierenden: Verteilung der Subkategorien bei den Interviewpartner*innen......Page 199
9.1.4 Ergebnisse und Diskussion......Page 201
9.2.1 Subkategorien fachdidaktischen Wissens: Häufigkeiten und Diskussion......Page 204
9.2.2 Inhaltliche Subkategorien fachdidaktischen Wissens: Häufigkeiten und Diskussion......Page 207
9.2.3 Qualitative Analyse der Kategorien fachdidaktischen Wissens: Auf dem Weg zu einer Interimsdidaktik reflexiver Handlungskompetenz......Page 210
9.2.3.1 Subkategorie „Fertigkeiten/Kompetenzen“......Page 212
9.2.3.1.1 Grammatikunterricht und Wortschatzarbeit als „Thema“ im Französischunterricht
......Page 214
9.2.3.1.2 Explizierung und Verarbeitungstiefe: Ausprägungen reflexiver Handlungskompetenz
......Page 218
9.2.3.1.3 Zwischenfazit......Page 223
9.2.3.2.1 Sprachkompetenz......Page 226
9.2.3.2.2 Adaptivität......Page 228
9.2.3.2.3 Körpersprache, Gestik, Mimik, Stimme......Page 230
9.2.3.2.4 Zeitmanagement und Unterrichtsökonomie......Page 234
9.2.3.2.5 Zwischenfazit......Page 236
9.2.3.3 Subkategorie „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“......Page 240
9.2.3.3.1 Die Arbeit mit Unterrichtsentwürfen als Einübung in die Praxis und Reflexionsinstrument
......Page 241
9.2.3.3.2 Unterrichtsentwürfe zwischen Reflexionshilfe und -verhinderung......Page 245
9.2.3.3.3 Der Unterrichtsentwurf als Initiator selbstreflexiver Prozesse......Page 247
9.2.3.3.4 Zwischenfazit......Page 249
9.2.3.4 Subkategorie „Schülerorientierung“......Page 251
9.2.3.4.2 Ausgehen von der Lerngruppe als Grundlage schülerorientierter Unterrichtsplanung
......Page 252
9.2.3.4.2.1 Was Schüler wollen – Schülerorientierung als Unterstellung......Page 253
9.2.3.4.2.2 Was Schüler wollen – Schülerorientierung als empirischdialogischer Prozess
......Page 254
9.2.3.4.2.3 Was Schüler wollen – Schülerorientierung als Charaktereigenschaft der Lehrkraft
......Page 256
9.2.3.4.3 Schülerorientierung als Überraschung: „Und dann kommen aufeinmal die Schüler dazu“......Page 258
9.2.3.4.4 Zwischenfazit......Page 260
9.2.3.5.1 Methodenkenntnis......Page 261
9.2.3.5.2 Inhaltsorientierung/Material......Page 263
9.2.3.5.3 Kompetenzbegriff......Page 264
9.2.3.5.4 Aufgabenorientierung......Page 267
9.3 Detailanalysen: reflexive Handlungskompetenz in Clustern und episodischen Passagen......Page 268
9.3.1 Methodisches Vorgehen und quantitative Ordnung der Cluster......Page 269
9.3.2 Detailanalysen – vier Cluster als Einzelfälle......Page 271
9.3.2.1 „Ich will das irgendwie so aktiver gestalten“: TN2 zwischen
Differenzhypothese und theoriegeleiteter Unterrichtsplanung......Page 272
9.3.2.2 „Dass sie das selber entwickeln und erkennen“: TN13 zwischen
Anspruch und Wirklichkeit des Grammatikunterrichts......Page 278
9.3.3.2 „Was eigentlich total sinnfrei war“: TN2 reflektiert Methoden zur
Bedeutungsaushandlung......Page 286
9.3.2.4 „Dann im Endeffekt im Portfolio für eine Rollenspielanalyse entschieden“: TN11 zwischen Prozess- und Produktorientierung......Page 293
10 Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz als Interimsdidaktik: Ergebnisse und Diskussion......Page 304
10.1 Dimension 1: Reflexion zwischen Distanzierung und Habitualisierung......Page 306
10.1.1 Distanzierende Reflexion und Pragmatismus als interdependente Elemente der Interimsdidaktik......Page 307
10.1.2 Beispiel: TN13 und die „passende Zeitschrift“......Page 310
10.1.3 Transferrichtungen: von der Theorie in die Praxis, aber nicht umgekehrt......Page 311
10.1.4 Beispiel: TN1 und Elemente von Körpersprache im Fremdsprachenunterricht......Page 315
10.1.5 Distanznahme und Kritik als unerreichte Kompetenz lehrerbildender Reflexionsideale......Page 316
10.1.6 Beispiel: TN13 und die Metaperspektive kritischer Reflexion......Page 318
10.1.7 Zyklisches Reflektieren als Verhinderung von kritischer Reflexion?......Page 319
10.2 Dimension 2: Situativität zwischen Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit......Page 321
10.2.1 Didaktische Transformationen am Einzelfall......Page 322
10.2.2 Diskursive Räume und Textsortenprobleme......Page 323
10.2.3 Reflexion und Narration als Problem von Kompetenzmodellen......Page 324
10.2.4 Beispiel: Assoziieren versus Erzählen bei TN11 und TN13......Page 326
10.2.5 Reflexionsanlässe und Textsorten als interdependente Größen......Page 327
10.2.6 Beispiel: Strategisch situative Reflexion im Portfolio bei TN19......Page 329
10.2.7 Reflexion und Situation: von der Erfahrung zum Forschungsinterview......Page 331
10.2.8 Beispiel: TN16 thematisiert die Situativität von Reflexion im Interview......Page 332
10.3.1 Prioritäre Themen und Erfahrungsverankerung......Page 333
10.3.2 Alinearität und Kontingenz bei der Wissenstransformation......Page 336
10.3.3 Beispiel: TN18 zur Notwendigkeit von Erfahrung für Reflexions-handlungen......Page 340
10.3.4 Implizites und explizites Wissen im Widerstreit......Page 341
10.3.5 Beispiel: Das Phänomen „Transportverlust“ am Beispiel von Grammatik als Reflexionsinhalt......Page 344
11 Ausblick I: Hochschuldidaktische Konsequenzen aus der empirischen Analyse des Praktikumsmoduls......Page 346
11.1 Kontingentes Wissen als hochschuldidaktisches Problem......Page 347
11.1.2 Veränderte Dramaturgie: Üben und ganzheitliches Handeln im reflexiven Rahmen......Page 348
11.1.3 Dauer von Praktika: Ausweitung von Reflexionsgelegenheiten statt Ausweitung der Praktikumsdauer......Page 352
11.1.4 Reflexives Ziel: Fachdidaktisches Wissen erfahrungsorientiert systematisieren......Page 356
11.2.1 Stärkung der Fallarbeit......Page 357
11.2.2 Feedback und kollegiale Fallberatung......Page 361
11.2.3 Reflexives Ziel: Differenzbewusstsein stärken......Page 362
11.3 Evaluation als Problem – Überlegungen zu Reflexion und Selektion......Page 364
12 Ausblick II: Methodologische Reflexion der qualitativen Inhaltsanalyse und Ausblick auf Anschlussstudien......Page 367
12.1 Gütekriterien qualitativer Forschung und Reichweite der Studie – Diskussion und Problematisierung......Page 368
12.2 Quantifizierung als Aspekt der Reichweite der Studie......Page 370
12.2.1 Isolierte Elemente von Professionalität als Aspekt der Reichweite der Studie......Page 372
12.2.2 Selbstbeobachtung der Forscherin: Rollenkonflikte und Wahrnehmungsveränderung als Aspekt der Reichweite der Studie......Page 373
12.3 Grenzen der Inhaltsanalyse und Ausblick auf Anschlussarbeiten: Narration, Interaktion, Situation......Page 375
12.4 Selbstzeugnisse als Dilemma der Professionsforschung......Page 378
12.5 Forschung zu Praktika stärken: Entwicklungs- und Aktionsforschung......Page 379
12.6 Berufsbiographische Entwicklung fachdidaktischer reflexiver Kompetenzen: Ausblick auf die dritte Phase des Projekts......Page 381
13 Zusammenfassung......Page 384
Literatur......Page 390
Anhang......Page 404

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Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS

Birgit Schädlich

Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik Eine Qualitative Inhaltsanalyse zum Fachpraktikum Französisch

Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS Reihe herausgegeben von Carola Surkamp, Göttingen, Deutschland Andrea Bogner, Göttingen, Deutschland Christoph Bräuer, Göttingen, Deutschland Birgit Schädlich, Göttingen, Deutschland Marta García, Göttingen, Deutschland

Die neue, interdisziplinär orientierte Reihe (LiKuS: Literatur, Kultur, Sprache) setzt sich zum Ziel, sprachenübergreifend Fragen zur Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung zu bearbeiten. Sie erfasst Beiträge aus den Didaktiken des Deutschen als Erst-, Zweit- und Fremdsprache, der Englischdidaktik, der Didaktik der romanischen Sprachen sowie der Mehrsprachigkeitsdidaktik. Die drei genuinen Arbeits- und Forschungsbereiche der (Fremd-)Sprachendidaktiken werden explizit zusammengedacht. Gezeigt werden soll, dass und wie sprachliches, literarisches und kulturelles Lernen ineinandergreifen. Ausgegangen wird von einem weiten Literaturbegriff, der medial unterschiedlich vermittelte Texte umfasst. Mit Kulturdidaktik ist eine Verschiebung des Fokus im Fremdsprachenunterricht weg vom landeskundlichen Faktenwissen hin zur Förderung einer kultursensiblen Kommunikations- und Verstehensbereitschaft sowie der Fähigkeit zur Bedeutungsaushandlung gemeint. In den Blick genommen werden der (Fremd-)Sprachenunterricht an Schulen und in außerschulischen Bildungskontexten sowie die Ausbildung von (Fremd-)Sprachenlehrer*innen. In der Reihe erscheinen theoretisch-konzeptionell und/oder empirisch ausgerichtete Dissertationen und Habilitationen sowie einschlägige Monographien und Sammelbände.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/15879

Birgit Schädlich

Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik Eine Qualitative Inhaltsanalyse zum Fachpraktikum Französisch

Birgit Schädlich Seminar für Romanische Philologie Georg-August-Universität Göttingen Göttingen, Deutschland

ISSN 2522-0292 ISSN 2522-0306  (electronic) Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS ISBN 978-3-476-04987-2  (eBook) ISBN 978-3-476-04986-5 https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. J.B. Metzler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. J.B. Metzler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Danksagung Der vorliegende Band ist das Ergebnis umfangreicher Auseinandersetzungen und Erfahrungen mit Praktikumsveranstaltungen in universitären Kontexten der Lehrer*innenbildung im Fach Französisch. Die Studierenden des Göttinger Master of Education haben sich nicht nur als engagierte Praktikantinnen und Praktikanten, sondern auch als interessierte Interviewpartnerinnen und -partner an der Studie beteiligt. Ohne die vielen Gespräche, die ich im Verlaufe der letzten Jahre in ganz unterschiedlichen Kontexten führen durfte, wäre dieses Buch nicht entstanden. Auch die vielen Hilfen in inhaltlicher und organisatorischer Hinsicht haben eine kontinuierliche Arbeit ermöglicht. Mein Dank gilt an dieser Stelle Ann-Christin Rudolf und Lara Dütting für umfangreiche Recherchearbeiten sowie Lisa Kemper und Esther Zittel für die gekonnte Transkription der Interviewtexte. Mélanie Dijoux danke ich für die Korrektur der französischsprachigen Textteile, Karoline Heyder für zahlreiche Korrekturen und Petra Löb-Kompart für die umsichtige und geduldige Formatierung des Bandes. Von erhellenden Gesprächen mit Mercedes Peralta und Matthias Grein habe ich über die Jahre hinweg ebenso profitiert wie vom Erfahrungsaustausch mit den Kolleginnen und Kollegen der Göttinger Zentralen Einrichtung für Lehrerbildung (ZELB) sowie des Zentrums für empirische Unterrichts- und Schulforschung (ZeUS). Den Mitgliedern der Forschungsgruppe Teacher Educators as Professionals (TEaP) der Humboldt-Universität Berlin danke ich für zahlreiche Anregungen und die Offenheit der Diskussionen. Für Geduld und Zuneigung möchte ich mich von Herzen bei Arndt, Freundinnen und Freunden sowie meiner Familie bedanken.

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis.................................................................................. XV 1 Einleitung................................................................................................... 1 2 Fachdidaktische Lehrer*innenforschung: Überblick und Fokus auf Theorie und Praxis .................................................................................... 9 2.1 Bestimmungen von Professionalität im Lehrberuf: Überblick .......... 9 2.2 Theorie-Praxis-Verhältnisse und Wissensarten professionellen Handelns ......................................................................................... 14 2.3 Exkurs – wie kommt das Neue in die Praxis? .................................. 16 2.4 Können als Wissensanwendung versus Theorien der Praxis .......... 19 2.5 Implizites Wissen............................................................................. 21 2.6 Transformationen von Wissen durch gesteuerte Lerngelegenheiten und Reflexion .................................................. 23 2.7 Praxisphasen in der Lehrer*innenbildung: Ansätze und Probleme ........................................................................................ 24 2.8 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie ................... 29 3 Reflexion: Ansätze zur Begriffsbestimmung und Probleme empirischer Zugriffe ................................................................................ 31 3.1 Dewey (1910): Wie wir denken ....................................................... 31 3.2 Van Manen (1977): Reflexion als Progression und Emanzipation................................................................................... 32 3.3 Schön (1983): reflection in action versus reflection on action ........ 33 3.4 Korthagen (2002): Zyklische Reflexion und Lehreridentität ........... 34 3.5 Müller (2010): Vom Reflex zur Reflexion ........................................ 36 3.6 Empirische Modelle reflexiver Kompetenz ..................................... 37 3.6.1 Reflexion als Progression: Hatton/Smith (1995) .................. 38 3.6.2 Reflexion als Ausdruck des Professionsverständnisses: Gasser/Suter/Bühler (2014) ................................................. 40 3.7 Probleme der Empirie: Experimente versus Selbsteinschätzungen ..................................................................... 42 3.8 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie ................... 44 4 Fachdidaktisches Wissen: Modelle und empirische Zugänge................ 47 4.1 Fachdidaktisches Wissen als Problem: Fremdsprachendidaktik als nicht-kanonisiertes Wissensgebiet ............................................ 48

VIII

Inhaltsverzeichnis

4.2 Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften: Standards und Modellierungsversuche ................................................................... 54 4.2.1 Bildungspolitische und -administrative Rahmungen: KMK-Standards, Masterverordnung, Modulhandbücher..... 56 4.2.2 Europäisches Profil für die Aus- und Weiterbildung von Sprachenlehrkräften (Kelly/Grenfell 2004) .......................... 61 4.2.3 Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA) (Newby et al. 2007) ................................................ 62 4.2.4 Standards zu Lehrersprache, Mehrsprachigkeit und Interkulturalität: Wipperfürth (2009)................................... 63 4.2.5 Entphilologisierung und Sprachlehrforschung als Fluchtpunkte der Lehrer*innenbildung: Schneider (2007) ............ 64 4.2.6 Kompetenzorientierung und Mehrsprachigkeit als Fluchtpunkte der Lehrer*innenbildung: Egli Cuenat (2014) ................................................................ 66 4.2.7 Testorientierte Modellierungen: TEDS-LT (Jansing et al. 2013; Hoinkes/Weigand 2016; Kirchhoff 2016) ................... 67 4.3 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie ................... 69 5 Exemplarische Arbeiten zu Praxisphasen, Reflexion und fachdidaktischen Kompetenzen angehender Fremdsprachenlehrkräfte .............. 73 5.1 Fokus Reflexion und Lernen: Moon (1999) ..................................... 74 5.2 Fokus Novizen des Fremsprachenunterrichts: Tsui (2003) ............. 75 5.3 Fokus Praktika an Universitäten in Deutschland: Gröschner et al. (2015) ..................................................................................... 75 5.4 Fokus Kompetenzmessung: Blömeke et al. (2013) ......................... 76 5.5 Fokus Theeorie-Praxis-Verhältnis: Nölle (2002) .............................. 78 5.6 Fokus Wirksamkeit reflexiver Lerngelegenheiten: von Felten (2005) ........................................................................... 79 5.7 Fokus Beobachtungsaufgaben: Lunkenbein (2012) ........................ 80 5.8 Fokus Aktionsforschung und Veränderung subjektiver Theorien: Warneke (2006) .............................................................. 81 5.9 Fokus Unterrichtssimulation und Videographie: Abendroth-Timmer (2011) .............................................................. 82 5.10 Fokus fachdidaktische Reflexion mit dem EPOSA: MehlmauerLarcher (2012) ................................................................................. 83 5.11 Fokus Zufriedenheit der Studierenden: Elsner (2010) .................... 84

Inhaltsverzeichnis

IX

5.12 Fokus Professionsforschung und Reflexion: Roters (2012)............. 85 5.13 Fokus Aufgabenorientierung als Lehrkompetenz: Raith (2011) ..... 86 5.14 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie ................... 87 6 Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz erforschen: Kontext und forschungsmethodologische Verortung der empirischen Studie.................................................................................. 89 6.1 Qualitative Inhaltsanalyse als empirischer Ansatz zur Erforschung fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz ..... 91 6.2 Erfahrungsbasierte Reflexion als hochschuldidaktischer und empirischer Ausgangspunkt der Studie .......................................... 94 6.3 Entwicklung einer Interimsdidaktik als Ziel der Studie ................... 95 7 Konzeptionell-theoretische Basis des Projekts: Arbeitsdefinition reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz und Seminarkonzept ...................................................................................... 97 7.1 Annäherungen an den Reflexionsbegriff der empirischen Studie ............................................................................................. 97 7.2 Reflexive fachdidaktische Handlungskompetenz: eine Arbeitsdefinition ............................................................................. 99 7.2.1 Reflexion ist subjektiv und kann nur erfahrungsbasiert rekonstruiert werden ......................................................... 103 7.2.2 Reflexion braucht Anleitung und Diskurs ........................... 105 7.2.3 Reflexion transformiert ex-ante modelliertes Wissen ....... 106 7.2.4 Reflexion kann unterrichtliches Handeln verändern.......... 108 7.3 Hochschuldidaktisches Setting: Lerngelegenheiten zur Entwicklung reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz ... 110 7.3.1 Antinomie 1: Kompetenzorientierung zwischen Normativität und Kritik....................................................... 113 7.3.2 Antinomie 2: Fachdidaktik zwischen Erfahrungswissenschaft und Forderung nach Evidenz ........................ 114 7.3.3 Modulstruktur und lerntheoretische Prinzipien................. 115 7.3.4 Exemplarische Texte, Aufgaben, Diskussionsimpulse ........ 121 8 Empirischer Ansatz zur Erforschung reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz ........................................................................... 133 8.1 Methodisches Vorgehen: Interviews und Qualitative Inhaltsanalyse ............................................................................... 133

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8.1.1 Qualitative Inhaltsanalyse zur Identifikation fachdidaktischer reflexiver Kompetenz.............................. 134 8.1.2 Empirisches Material: Interviews mit Studierenden zur Wahrnehmung des Moduls ................................................ 137 8.1.3 Transkription und computergestützte Analyse .................. 138 8.1.4 Beschreibung der Stichprobe ............................................. 139 8.2 Entwicklung eines inhaltsanalytischen Kategoriensystems zur Identifikation reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz . 141 8.2.1 Die Kategorie „Reflexivität“................................................ 141 8.2.2 Die Kategorie „fachdidaktisches Wissen“........................... 153 8.3 Durchführung und Probleme der Codierung für die Qualitative Inhaltsanalyse................................................................................ 168 8.3.1 Übersicht zu Kategoriensystem und Codiervorgang .......... 168 8.3.2 Probleme bei der Codierung: Kritische Reflexion der Trennschärfe einzelner Codes und der Gesprächsdynamik ............................................................. 169 9 Empirische Analysen: „Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“ als Elemente einer Interimsdidaktik ...................................... 183 9.1 Reflexive fachdidaktische Handlungskompetenz als mehrperspektivisch-zyklisch versprachlichte Reflexion fachdidaktischer Wissensinhalte................................................... 184 9.1.1 Codings insgesamt: Verteilung nach Subkategorien zur Identifizierung fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz......................................................... 184 9.1.2 Ergebnisse und Diskussion ................................................. 187 9.1.3 Codings nach Studierenden: Verteilung der Subkategorien bei den Interviewpartner*innen ................ 190 9.1.4 Ergebnisse und Diskussion ................................................. 192 9.2 Reflexive Handlungskompetenz als Mobilisierung fachdidaktischer Wissensanteile ................................................... 195 9.2.1 Subkategorien fachdidaktischen Wissens: Häufigkeiten und Diskussion.................................................................... 195 9.2.2 Inhaltliche Subkategorien fachdidaktischen Wissens: Häufigkeiten und Diskussion .............................................. 198

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9.2.3 Qualitative Analyse der Kategorien fachdidaktischen Wissens: Auf dem Weg zu einer Interimsdidaktik reflexiver Handlungskompetenz ........................................ 201 9.3 Detailanalysen: reflexive Handlungskompetenz in Clustern und episodischen Passagen........................................................... 259 9.3.1 Methodisches Vorgehen und quantitative Ordnung der Cluster ................................................................................ 260 9.3.2 Detailanalysen – vier Cluster als Einzelfälle ....................... 262 10 Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz als Interimsdidaktik: Ergebnisse und Diskussion .................................................................... 295 10.1 Dimension 1: Reflexion zwischen Distanzierung und Habitualisierung ............................................................................ 297 10.1.1 Distanzierende Reflexion und Pragmatismus als interdependente Elemente der Interimsdidaktik............... 298 10.1.2 Beispiel: TN13 und die „passende Zeitschrift“ ................... 301 10.1.3 Transferrichtungen: von der Theorie in die Praxis, aber nicht umgekehrt ................................................................. 302 10.1.4 Beispiel: TN1 und Elemente von Körpersprache im Fremdsprachenunterricht .................................................. 306 10.1.5 Distanznahme und Kritik als unerreichte Kompetenz lehrerbildender Reflexionsideale ....................................... 307 10.1.6 Beispiel: TN13 und die Metaperspektive kritischer Reflexion ............................................................................. 309 10.1.7 Zyklisches Reflektieren als Verhinderung von kritischer Reflexion? ........................................................................... 310 10.2 Dimension 2: Situativität zwischen Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit ............................................................................. 312 10.2.1 Didaktische Transformationen am Einzelfall ...................... 313 10.2.2 Diskursive Räume und Textsortenprobleme ...................... 314 10.2.3 Reflexion und Narration als Problem von Kompetenzmodellen............................................................................. 315 10.2.4 Beispiel: Assoziieren versus Erzählen bei TN11 und TN13 ............................................................................ 317 10.2.5 Reflexionsanlässe und Textsorten als interdependente Größen................................................................................ 318

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10.2.6 Beispiel: Strategisch situative Reflexion im Portfolio bei TN19 ............................................................................. 320 10.2.7 Reflexion und Situation: von der Erfahrung zum Forschungsinterview .......................................................... 322 10.2.8 Beispiel: TN16 thematisiert die Situativität von Reflexion im Interview........................................................ 323 10.3 Dimension 3: Kontingentes Wissen zwischen fachsystematischer Explizierung und impliziter Wissensmobilisierung ........................ 324 10.3.1 Prioritäre Themen und Erfahrungsverankerung ................ 324 10.3.2 Alinearität und Kontingenz bei der Wissenstransformation ...................................................... 327 10.3.3 Beispiel: TN18 zur Notwendigkeit von Erfahrung für Reflexionshandlungen ........................................................ 331 10.3.4 Implizites und explizites Wissen im Widerstreit................. 332 10.3.5 Beispiel: Das Phänomen „Transportverlust“ am Beispiel von Grammatik als Reflexionsinhalt ................................... 335 11 Ausblick I: Hochschuldidaktische Konsequenzen aus der empirischen Analyse des Praktikumsmoduls ............................................................ 337 11.1 Kontingentes Wissen als hochschuldidaktisches Problem............ 338 11.1.1 Inhaltliche Restrukturierung der Begleitveranstaltungen .. 339 11.1.2 Veränderte Dramaturgie: Üben und ganzheitliches Handeln im reflexiven Rahmen .......................................... 339 11.1.3 Dauer von Praktika: Ausweitung von Reflexionsgelegenheiten statt Ausweitung der Praktikumsdauer .................. 343 11.1.4 Reflexives Ziel: Fachdidaktisches Wissen erfahrungsorientiert systematisieren................................. 347 11.2 Situativität reflexiver Prozesse als hochschuldidaktisches Problem ......................................................................................... 348 11.2.1 Stärkung der Fallarbeit ....................................................... 348 11.2.2 Feedback und kollegiale Fallberatung ................................ 352 11.2.3 Reflexives Ziel: Differenzbewusstsein stärken ................... 353 11.3 Evaluation als Problem – Überlegungen zu Reflexion und Selektion........................................................................................ 355 12 Ausblick II: Methodologische Reflexion der qualitativen Inhaltsanalyse und Ausblick auf Anschlussstudien .............................. 359

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12.1 Gütekriterien qualitativer Forschung und Reichweite der Studie – Diskussion und Problematisierung .................................. 360 12.2 Quantifizierung als Aspekt der Reichweite der Studie.................. 362 12.2.1 Isolierte Elemente von Professionalität als Aspekt der Reichweite der Studie ........................................................ 364 12.2.2 Selbstbeobachtung der Forscherin: Rollenkonflikte und Wahrnehmungsveränderung als Aspekt der Reichweite der Studie ........................................................ 365 12.3 Grenzen der Inhaltsanalyse und Ausblick auf Anschlussarbeiten: Narration, Interaktion, Situation ................................................... 367 12.4 Selbstzeugnisse als Dilemma der Professionsforschung ............... 370 12.5 Forschung zu Praktika stärken: Entwicklungs- und Aktionsforschung .......................................................................... 371 12.6 Berufsbiographische Entwicklung fachdidaktischer reflexiver Kompetenzen: Ausblick auf die dritte Phase des Projekts ............ 373 13 Zusammenfassung ................................................................................ 377 Literatur ...................................................................................................... 383 Anhang ........................................................................................................ 397

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5:

Abbildung 6: Abbildung 7:

Abbildung 8:

Reflexionszirkel nach Korthagen .......................................... 35 Modell reflexiver Progression .............................................. 39 Anlage des Moduls zum Fachpraktikum: Teilmodule und Prüfungsleistung im Semesterverlauf ................................ 117 Kategoriensystem und Codierablauf .................................. 168 Identifikation reflexiver Handlungskompetenz im Kategoriensystem der qualitativen Inhaltsanalyse mit Anzahl der Codings....................................................... 185 Verteilung der Codings zum fachdidaktischen Wissen....... 197 Verteilung der Codings in den Subkategorien fachdidaktischen Wissens insgesamt und in den Subkateogrien „spontan“ und „auf Nachfrage“, angeordnet nach Häufigkeit insgesamt .......................................................... 198 Hervorhebung der im Detail analysierten Subkategorien fachdidaktischen Wissens .................................................. 202

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Einleitung „In der Schule der Wissenschaft wird daher für die Praxis immer zuviel und zuwenig gelernt, und ebendaher pflegen alle Praktiker in ihren Künsten sich sehr ungern auf eigentliche, gründlich untersuchte Theorie einzulassen; sie lieben es weit mehr, das Gewicht ihrer Erfahrung und Beobachtungen gegen jene geltend zu machen“ (Herbart 1964: 125; zit. in Radtke 2004: 115).

Das Zitat aus den Pädagogischen Schriften (1880) ist über hundert Jahre alt, doch bis heute hat sich an Herbarts Befund kaum etwas geändert: Lehrer*innenbildung1 erscheint als Zankapfel, den sich Akteur*innen in Theorie und Praxis in permanenter Rivalität um wissenschaftliche Deutungshoheiten und brauchbare Praxiskonzepte zuspielen. Aus der Perspektive der Theorie erscheinen Praxiskonzepte willkürlich, subjektiv und unsystematisch, für die Praxis bleibt die Wissenschaft weltfremd, handlungsfern und immer ausgerechnet um die Theorie verlegen, die nun wirklich den Unterricht verbessern könnte. Dabei wird alles Erdenkliche versucht, Theorie-Praxis-Bezüge zu stärken. Bereits in der ersten universitären Phase werden zunehmend mehr Praktika und reflexive Szenarien angeboten, die fachdidaktische Theorien stärker an die Praxis anbinden und handlungsfähige Lehrkräfte hervorbringen sollen. Es scheint hier nicht an Heilsversprechungen zu mangeln, die sich um Praktika ranken und den Beteiligten nicht selten den Blick auf sich selbst und die Perspektiven der empirischen Bildungsforschung verstellen. Hascher (2011) spricht vom „Mythos Praktikum“, der vor allem die studentische Perspektive bestimmt und doch mit den „verpassten Lerngelegenheiten“ kollidiert, die auf der Seite der Lehrenden und in empirischen Arbeiten immer wieder 1

Die vorliegende Arbeit bemüht sich um eine gendergerechte Schreibweise. Durch Sternchen gekennzeichnete Formulierungen verweisen auf männliche und weibliche Formen sowie auf solche jenseits dieser Unterscheidung. Ausnahmen wurden im Sinne des erleichternden Leseflusses bei komplexen Sätzen oder Komposita realisiert.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_1

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festgestellt werden können. Weyland setzt sich unter der Frage des „Erlösungsmythos“ – werden Praxissemester endlich die ersehnten Verbesserungen der Lehrer*innenbildung bringen? – mit der Verlängerung von Praxisphasen auseinander (Weyland 2012). Sie äußert massive Skepsis am Erfolg einer Ausweitung von Praxisphasen, die allenfalls wirksam zu sein versprechen, wenn sie mit der Ausbildung reflexiver Kompetenz verbunden sind: Unterricht kritisch und distanziert analysieren zu können, um die Übernahme „blinder Routinen“ (Neuweg 2007: 8) zu vermeiden und fallbezogen die Besonderheiten komplexer Situationen zu verstehen – hier liegt aktuell die Hoffnung zahlreicher Konzepte reflexiver Lehrer*innenbildung. Als „Heiligen Gral der Professionsforschung“ bezeichnet Moon (1999: 55) jedoch den Terminus ‘Reflexion’ selbst, um den es im Folgenden gehen soll und stellt gleichzeitig seine vage wissenschaftliche Konturierung und mangelhafte empirische Operationalisierbarkeit fest. Lehrer*innenbildung als institutionelles, empirisches, hochschuldidaktisches und bildungspolitisches Problem bleibt von grundsätzlichen Dilemmata, Forschungsdesideraten und Praxisvorschlägen über die Zeit fast erschreckend unverändert geprägt. Empirische Methoden zu ihrer evidenzbasierten Untermauerung, ebenso wie die Versuche, durch immer ausgefeiltere Interventionsversuche etwas zu ändern, haben hier und da neue Akzente eingespielt. Das grundsätzliche Problem hält sich hingegen hartnäckig, Theorie und Praxis wollen sich offenbar nicht übereinbringen lassen. Der Lehrberuf ist ein „unmöglicher Beruf“ (Gidion 1981; zit. in Radtke 2004: 142). In der Lehrer*innenbildung kommt es im Kern darauf an zu lernen, mit dieser Unmöglichkeit der „Vereindeutigung oder des Vermeidens von Unsicherheit auszukommen, sie also selbst als Teil professioneller Tätigkeiten zu akzeptieren“ (Radtke 2004: 142) und trotzdem „in dieser notwendig unvollkommenen Tätigkeit nach professioneller Richtigkeit zu suchen“ (Messmer 2015: o.S.). In diesem Spannungsfeld bewegt sich die vorliegende Arbeit. Unter der Annahme von Unsicherheit, der Unmöglichkeit von Standardisierung einerseits, und dem Versuch, Handeln im Sinne einer qualitativen Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts zu verändern andererseits, werden Lehr-

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/Lernprozesse in Praktikumsmodulen im Fach Französisch empiriebasiert beschrieben und analysiert. Dabei wird das Ziel verfolgt, Aspekte des Theorie-Praxis-Verhältnisses am Beispiel eines Fachs genauen Beschreibungen zugänglich zu machen und dabei mit dem Begriff der Reflexion einen Aspekt besonders zu fokussieren, der immer wieder als Grundlagenkonzept für Professionalisierungsprozesse gehandelt wird. Dies wurde bereits in zahlreichen anderen Kontexten versucht, insofern bezieht sich die vorliegende Studie auf eine schier unüberblickbare Menge möglicher Referenzen und muss wohl eine noch unüberblickbarere Menge möglicher Referenzen beiseitelassen. Neu ist jedoch die Verortung im Bereich der Fremdsprachendidaktik und damit verbunden der Versuch, spezifisch fremdsprachendidaktische reflexive Kompetenzen am Beispiel des Fachs Französisch empirisch greifbar zu machen und dies in Form einer möglichst genauen Beschreibung fachspezifischer Reflexionsprozesse. Diese werden als Interimsdidaktik bezeichnet, wobei der Begriff darauf verweist, dass es sich um ein individuelles und dynamisches Konstrukt der Studierenden handelt, übergreifende Gemeinsamkeiten aber dennoch erkennbar werden können. Seit ich im Bereich Fremdsprachendidaktik forsche und lehre, beschäftige ich mich mit Praktika. Ich bin überzeugt davon, dass sie Kernstücke und Schlüsselmomente der universitären Lehrer*innenbildung darstellen: Hier werden Situationen geschaffen, in denen konkrete Fälle der Unterrichtspraxis erlebt und aus verschiedenen Perspektiven analysiert werden können. Die Beschäftigung mit theoretisch-konzeptionellen Fragen und empirischen Arbeiten, aber auch die hochschuldidaktische Entwicklung von Praktikumsmodulen haben meine eigenen Überzeugungen und Herangehensweisen jedoch immer wieder ins Wanken gebracht, eigene Vorstellungen vielleicht auch als Mythen erkennbar werden lassen. Auch diese biographischen Prozesse sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit nachvollziehbar werden. Sie sind an die Doppelrolle der Forscherin und Dozentin gebunden, die also nicht distanziert zu beschreiben versucht, sondern ihre Involviertheit selbst zum Gegenstand der Forschungsarbeit macht: Lehrerbildungsforschung, zumal

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eine, die sich dem Thema Reflexion widmet, ist nicht möglich ohne Selbstreflexion, ohne die Sichtbarkeit derer, die andere und ihr Handeln empirisch sichtbar zu machen versucht. Die Ausgangsbeobachtung für die vorliegende Studie wurde wiederholt in den Praktikumsmodulen gemacht. Sie wird darüber hinaus in der Literatur (z.B. Legutke 2003 oder Lührmann 2002) sowie im kollegialen Austausch immer wieder bestätigt: Im Kontext der Praktika äußern sich Studierende häufig in ausschließlich persönlichkeitsbezogenen Kategorien und stark wertend über beobachteten oder selbst gestalteten Unterricht, ohne jedoch Bewertungskriterien für ihre Urteile erkennen zu lassen oder zu explizieren. Vor allem konnte ich eine auffällige Ausblendung spezifisch fremdsprachendidaktischer Beobachtungs- und Planungsschwerpunkte beobachten: in den Gesprächen über Praktika und erste Unterrichtserfahrungen herrscht häufig eine seltsame und für mich als Fachdidaktikerin befremdliche ‘Fachferne’. Die Frage, wie sprachlich-kulturelles Lernen und Lehren durch Beobachtung und eigene Erfahrung zu reflektieren sei, taucht in zahlreichen Reflexionen überhaupt nicht auf. Aus dem Versuch, das fachdidaktische Moment in den Praktikumsmodulen systematisch zu stärken und den Fokus auf die Planung und Reflexion sprachlich-kultureller Lehr-/Lernprozesse im Fach Französisch zu lenken, ist das in dieser Arbeit beschriebene empirische Projekt hervorgegangen. Vor der Leitfrage der handlungsbezogenen Transformation fachdidaktischen Wissens soll die empirische Studie zwei Komponenten in den Blick nehmen, die in ihrer Beziehung zueinander untersucht werden: Reflexivität und fachdidaktisches Wissen. In der Analyse von Interviews zu studentischer Erfahrungen im Praktikum wird einerseits ein kompetenzmessender Anspruch verfolgt: es sollen aus dem empirischen Material heraus Aussagen darüber getroffen werden, welche Aspekte reflexiver Handlungskompetenz sichtbar werden. Andererseits basiert der empirische Ansatz auf der Grundannahme, dass die Art von Reflexion, die hier ‘überprüft’ werden soll, sich in individuell variablen Kontexten zeigt sowie subjektiv und situativ definiert ist, sodass – vor allem für den Anteil des fachdidaktischen Wissens – kein statisches Kompetenzmodell

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unterlegt werden kann, weil sich die Mobilisierung von Wissen im Kontext reflexiver Handlungskompetenz in per se dynamischen und gerade nicht kanonisierten Wissensbeständen und deren Fachsystematiken vollzieht. Es handelt sich also weniger um den Anspruch einer Überprüfung spezifischer Wissensanteile oder Kompetenzen, als vielmehr um die Frage, welche Themen und Wissensanteile in Szenarien der reflection on action (vgl. Schön 1983) mobilisiert und in welcher Art sie reflektiert werden. Als empirischer Ansatz wird eine qualitative Inhaltsanalyse mit punktuell ergänzenden vertiefenden Interpretationen gewählt. Mit diesem Ansatz sollen zwei Ziele verfolgt werden: Es werden zum einen Elemente reflexiver Handlungskompetenz identifiziert, zum anderen sollen Elemente fachdidaktischen Wissens empiriebasiert ausdifferenziert werden. Die Identifikation reflexiver Handlungskompetenz erfolgt dabei über ein deduktives Kategoriensystem: Die Interviewtexte werden im Vorfeld festgelegten Codes zugeordnet, sodass zunächst ein quantitativer Nachvollzug von Textstellen, in denen reflexive Handlungskompetenz erkannt werden kann, ermöglicht wird. Hierbei gilt reflexive Handlungskompetenz als gleichzeitiges Auftreten einer bestimmten Art von Reflexivität in Auseinandersetzung mit fachdidaktischen Wissensanteilen. Die fachdidaktischen Wissensanteile werden über ein sowohl deduktiv im Vorfeld entwickeltes als auch induktiv im Prozess der Auswertung erweitertes Kategoriensystem definiert, sodass einerseits auch hier quantitative Verteilungen nachvollzogen werden können, andererseits mögliche Elemente fachdidaktischen Wissens überhaupt erst entdeckt werden. Wenn für die Modellierung auch bewusst auf Skalierungen reflexiver Kompetenz verzichtet wird, so erlauben die Daten es dennoch, vergleichbare Äußerungen von Studierenden vor bestimmten Fragestellungen und in bestimmten Kontexten als mehr oder weniger reflexiv handlungskompetent zu charakterisieren. Die Hierarchisierungen, die in der Auswertung vorgenommen werden, haben jedoch ausschließlich relationalen Charakter: Innerhalb des erhobenen Datenkorpus und im Rahmen des hier beschriebenen Moduls können Bewertungen vorgenommen werden. Diese erlauben gege-

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benenfalls die Abstraktion von Indikatoren, die auf tiefere und oberflächlichere Verarbeitungsprozesse hindeuten und für Anschlussarbeiten genutzt werden können. Der Band gliedert sich in zehn Großabschnitte, die den Forschungsstand, die Entwicklung der empirischen Instrumente sowie die Durchführung der Inhaltsanalyse und die Zusammenführung der Ergebnissee als Interimsdidaktik umfassen. Zwei weitere Kapitel leisten rückblickende Reflexionen des Vorgehens und entwerfen Ausblicke auf hochschuldidaktische Konsequenzen sowie mögliche Anschlussarbeiten. In Abschnitt 2 wird ein Überblick zu fachdidaktischer Lehrer*innenforschung gegeben. Neben dem grundlegenden Versuch, unterschiedliche Herangehensweisen und typische Fragestellungen zu skizzieren, liegt das besondere Augenmerk auf dem so genannten ‘Theorie-Praxis-Problem’. Es wird die Frage aufgeworfen, welches Wissen für Professionalisierungsprozesse relevant ist und der Begriff der ‘Anwendung’ problematisiert. Abschnitt 3 führt zunächst Überlegungen zu dem für die Studie zentralen Konzept der Reflexion aus. Es wird eine begriffsgeschichtliche Herleitung skizziert und an maßgeblichen Studien zum Reflexionsbegriff festgemacht. Im Anschluss werden Probleme empirischer Zugriffe auf reflexive Prozesse in lehrerbildenden Kontexten ausgeführt und hinsichtlich des Ansatzes der durchgeführten eigenen Empirie diskutiert. Fremdsprachendidaktisches Wissen als das zweite zentrale Konzept der Studie wird in Abschnitt 4 behandelt. Hier geht es primär um den Nachvollzug der Schwierigkeit, fachdidaktisches Wissen zu systematisieren und zu operationalisieren. Es werden verschiedene Modelle fremdsprachendidaktischen Wissens vorgestellt und hinsichtlich der unterschiedlichen Ebenen in Forschung und Curriculumsentwicklung, für die sie relevant sind, diskutiert. Abschnitt 5 skizziert einige exemplarische Forschungsarbeiten, die sich Professionalisierungsprozessen, Praxisphasen im Studium sowie reflexiven Prozessen und spezifisch fremdsprachendidaktischem Wissen widmen. Es wird jeweils erläutert, inwieweit die Empirie der vorliegenden Studie an diese Arbeiten anknüpft und wo sich auch Differenzen oder Widersprüche ergeben. Die weiteren Abschnitte widmen sich

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der empirischen Studie im engeren Sinne. In Abschnitt 6 findet eine grobe forschungsmethodologische Verortung statt. Qualitative Inhaltsanalysen werden als Ansatz gewählt, erfahrungsbasierte Reflexion von Studierenden in einer Interimsdidaktik zu systematisieren. Die genauen Kontexte und Instrumente der Empirie werden in Abschnitt 7 mit der Entwicklung einer Definition reflexiver Handlungskompetenz einerseits sowie der detaillierten Schilderung des hochschuldidaktischen Konzepts der Praktikumsveranstaltungen andererseits, im Rahmen derer die Datenerhebung stattfindet, erläutert. Das konkrete methodische Vorgehen ist Gegenstand von Abschnitt 8. Zentral sind Interviews mit Studierenden aus drei Durchgängen des Fachpraktikumsmoduls Französisch. An die Daten wird ein Kategoriensystem angelegt, das ausführlich in seiner Entstehung und Erprobung geschildert und reflektiert wird. Die zentralen Kategorien sind zwei Ausprägungen von Reflexivität, die „einperspektivisch-linear“ und „mehrperspektivisch-zyklisch“ genannt werden und mit weiteren Kategorien, die fremdsprachendidaktisches Wissen systematisieren, in Zusammenhang gebracht werden. Abschnitt 9 stellt das zentrale Kapitel der Datenauswertung dar. Es gliedert sich in quantitative und qualitative Analysen. In quantitativer Hinsicht werden Tendenzen und Proportionen der zentralen Kategorien nachvollzogen. Qualitative Ergänzungen erfahren diese Ergebnisse durch exemplarische, kontrastierende Einzelfallanalysen. Abschnitt 10 integriert die Ergebnisse zusammenfassend in der Interimsdidaktik. Diese kann als vorläufiges und dynamisches Wissenskonstrukt gelten, das fachdidaktische Reflexion im Kontext der Praktika beschreibbar macht. Die Interimsdidaktik wird in drei Dimensionen fachdidaktischer Reflexion ausgeführt, die sich jeweils durch antinomische Spannungsfelder charakterisieren lassen, in denen sich die Reflexionen verorten lassen. Der Ausblick in Abschnitt 11 transferiert die Ergebnisse in Überlegungen zur hochschuldidaktischen Weiterentwicklung des Moduls, Abschnitt 12 widmet sich einer kritischen Rückschau auf die gewählte Forschungsmethode und skizziert Ansätze für Anschlussarbeiten.

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Fachdidaktische Lehrer*innenforschung: Überblick und Fokus auf Theorie und Praxis

Das folgende Kapitel leistet einen Überblick zu Lehrer*innenforschung im Kontext der Fremdsprachendidaktik. Dabei wird zunächst eine grundsätzliche Verortung fremdsprachendidaktischer Professionsforschung im übergeordneten Kontext – vor allem bildungswissenschaftlicher Ausrichtung – vorgenommen. In weiteren Unterkapiteln wird das Verhältnis von Theorie und Praxis, das für schulpraktische Studien und Praktika besonders relevant erscheint, näher beleuchtet. 2.1 Bestimmungen von Professionalität im Lehrberuf: Überblick Forschung zu Lehrerinnen und Lehrern, ihrem Handeln und den Prozessen ihrer Professionalisierung hat eine lange Tradition in Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik. Die folgenden Abschnitte stellen exemplarische Klassifizierungsversuche vor und umreißen das Forschungsfeld, in dem die vorliegende Studie sich verortet (vgl. Terhart 2011; Wieser 2015; Legutke/Schart 2016). Es handelt sich dabei um ein unübersichtliches, weites Feld, das in verschiedenen Kontexten unterschiedlich repräsentiert sowie hinsichtlich der empirischen und nicht-empirischen Forschungsinteressen unterschiedlich systematisiert wird. Die Konsequenzen, die aus der Forschung zum Lehrerberuf für die Gestaltung von (Aus-)bildungsformaten gezogen werden, sind entsprechend heterogen, wenn sie denn überhaupt möglich sind. Eine der maßgeblichen Systematisierungen wird von Baumert/Kunter (2006) vorgeschlagen und stellt die Paradigmen Strukturtheorie versus Kompetenztheorie als grundsätzliches Gegensatzpaar der Professionsforschung gegenüber. Während hier stark konfrontativ abgegrenzt wird, sieht der Systematisierungsvorschlag bei Terhart (2011) drei Paradigmen vor, und verweist bei deren Darstellung auch auf Überschneidungen und gegenseitige Ergänzungen. Terhart (2011a: 206) unterscheidet drei „Ansätze zur Bestimmung von Professionalität im Lehrberuf“, die in der Perspektive der Forschung an unterschiedliche Erkenntnisinteressen gekoppelt sind und entsprechend

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Fachdidaktische Lehrer*innenforschung

auch unterschiedliche methodische Ansätze verfolgen. Der strukturtheoretische Ansatz betont die grundsätzlich widersprüchlichen Anforderungen, in denen Lehrkräfte agieren. Professionalität wird hier verstanden als die Fähigkeit, mit Antinomien (vgl. Helsper 1996) umzugehen und zeigt sich in diesem Ansatz primär „in der Fähigkeit, die vielfachen Spannungen und genannten Antinomien sachgerecht handhaben zu können. Kompetenter, reflektierender Umgang mit unabstellbarer, aber gleichwohl täglich zu bewältigender und faktisch auch irgendwie bewältigter Unsicherheit und Undeterminiertheit werden im strukturtheoretischen Ansatz zum Kernstück pädagogischer Professionalität“ (Terhart 2011: 206). Forschungsmethodisch verbunden mit dieser Annahme sind entsprechend Herangehensweisen, die Strukturprobleme und Antinomien beschreibend und rekonstruktiv durchdringen (vgl. Terhart 2011: 206). Als Beispielstudie kann hier die germanistische literaturdidaktische Arbeit von Wieser (2008) genannt werden. Im kompetenztheoretischen Bestimmungsansatz wird zwar die Feststellung, dass kompetentes Handeln von Lehrpersonen grundsätzlich an Situationen von Unsicherheit gekoppelt ist, geteilt. Ebenso geteilt wird die Annahme, dass der „Zusammenhang zwischen dem Unterrichten eines Lehrers und dem Lernen seiner Schüler […] grundsätzlich kontingent [ist]“ (Terhart 2011: 207): Kausalzusammenhänge zwischen Lehren und Lernen – wie beispielsweise für das Prozess-Produkt-Paradigma der 1980er Jahre bestimmend –, werden problematisiert. Dennoch geht der kompetenztheoretische Ansatz durchaus von der Möglichkeit eines „optimierbaren Lernerbezug[s] von Lehrerkompetenzen“ (Terhart 2011: 208) aus. Kompetenztheoretische Ansätze akzentuieren in ihren Modellen daher nicht die grundsätzlich antinomische Struktur des Handelns, sondern versuchen zumindest Teile von Professionalität über Kompetenzstandards zu definieren und empirisch überprüfbar zu machen. Maßgebliche Bezugspunkte sind hier beispielsweise die Standards der Kultusministerkonferenz (vgl. KMK 2004), die die Bereiche „Unterrichten und Erziehen“, „Diagnostizieren“, „Beurteilen und Beraten“, „individuelle Weiterbildung“ sowie „kollegiale Schulentwicklung“ ausdifferenzieren. Für die Fachdidaktiken und Fachwissenschaften liegt ebenfalls ein KMK-Text vor (vgl. KMK 2008), der für die universitäre Phase der

Überblick und Fokus auf Theorie und Praxis

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Lehrer*innenbildung „grundlegende Kompetenzen hinsichtlich der Fachwissenschaften, ihrer Erkenntnis- und Arbeitsmethoden sowie der fachdidaktischen Anforderungen“ (KMK 2008: 3) ausformuliert und für einzelne Fächer spezifizierend ausführt. Standards und ihnen zugeordnete skalierte Niveaustufen werden in Tests überprüft und geben entsprechend Aufschluss über die ausgebildeten Kompetenzen von Lehrkräften zum jeweiligen Messzeitpunkt. Beispielstudien sind hierfür COACTIV (Baumert/Kunter 2006) oder TEDS-LT (Blömeke et al. 2008; siehe auch Abschnitt 5.4). Der dritte Ansatz, Professionalität begrifflich zu bestimmen, stellt Berufsbiographien von Lehrkräften ins Zentrum des Interesses (vgl. Terhart 2011: 208). Professionalität wird hier in erster Linie als Entwicklungsproblem verstanden, entsprechende Forschungsinteressen beziehen sich auf längerfristige Kompetenzentwicklungen (wo eine deutliche Affinität zum kompetenztheoretischen Ansatz besteht), die Bewältigung kritischer oder krisenhafter Lebensereignisse (die sich im Forschungsinteresse eher dem Bereich der Antinomien strukturtheoretischer Sichtweisen annähern) oder die Rekonstruktion typischer Karrieremuster. Methodisch wird hier meist mit Instrumenten gearbeitet, die Zugriff auf die Biographie der Akteur*innen ermöglichen, wie beispielsweise narrativen Interviews. Exemplarisch können die bildungsgangtheoretische Studie von Hericks (2006) genannt werden sowie für den fremdsprachendidaktischen Bereich die Arbeiten zum Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrkräften von Caspari (2003) oder ValádezVasquez (2014). Während Terhart einen zwar umfassenden, aber allgemein erziehungswissenschaftlich fokussierten Überblick gibt, bleiben Versuche domänenspezifischer Strukturierung des Feldes eher rar. Grundsätzlich kann die Terhartsche Systematisierung auch an Arbeiten zu Professionalisierungsfragen der sprachlichen Fächer angelegt werden, doch weisen Überblicksdarstellungen in diesen Feldern meist andere Systematisierungskategorien auf. Bei Nold/Roters (2010) wird beispielsweise der strukturtheoretische Ansatz abgegrenzt von der Erforschung Subjektiver Theorien und der Expertenforschung. Das Interesse für Subjektive Theorien, die Einblicke in die Binnenperspektive der an Lehr-/Lernprozessen beteiligten Akteur*innen

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ermöglicht, hat sich vor allem im fremdsprachendidaktischen Bereich als fruchtbar erwiesen, weil bislang unbeleuchtete Mechanismen, die Handlungen unterliegen oder Einstellungen bedingen, durch diesen Ansatz greifbar gemacht werden konnten. Hier liegen häufig Überschneidungen mit dem Bereich der Biographieforschung vor (siehe z.B. die bereits genannte Arbeit von Caspari (2003)). Die Expertenforschung (vgl. Bromme 1992; für die Fremdsprachendidaktik Tsui 2003) interessiert sich für die Unterschiede im Handeln zwischen Expert*innen und Noviz*innen. Dabei spielen Prozesse von Wissenstransformation eine Rolle, die häufig entsprechend der Systematisierung von content knowledge, curricular knowledge und pedagogical content knowledge (vgl. Shulman 1986) modelliert und erforscht werden. Eine Differenzierung spezifisch fremdsprachendidaktischer Arbeiten nach forschungsmethodischen Zugriffen findet sich im Überblick bei Roters/ Trautmann (2014): Sie grenzen qualitative von quantitativen Arbeiten im Bereich fremdsprachendidaktischer Professionsforschung voneinander ab und konstatieren ein starkes Übergewicht qualitativer Arbeiten, die sich methodisch an das „Forschungsprogramm Subjektive Theorien“ (Scheele/ Groeben 1998) anlehnen. Quantitative Arbeiten, die über Einzelfallanalysen hinauszugehen vermögen, sind hingegen im Bereich der Fremdsprachendidaktik stark unterrepräsentiert. Ein neuerer Sammelband (Legutke/Schart 2016) zeigt hier jedoch, dass sich in den letzten Jahren der Zweig der Professions- und Kompetenzforschung auch für die Fremdsprachendidaktik etabliert hat. Obwohl das Shulmansche Konzept des pedagogical content knowledge gerade geisteswissenschaftliche Domänen vor massive Modellierungsprobleme stellt (vgl. Legutke/Schart 2016: 13), finden sich zunehmend Arbeiten zu fachspezifischem Wissen und Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften und deren Überprüfung. Im Sammelband von Schart/Legutke (2016) sind dies beispielsweise die Beiträge von Kirchhoff, Diener und Hoinkes/Weigant. In einem Handbucheintrag zu „Lehrerforschung“ systematisiert Abendroth-Timmer (2017) Unterrichtsinhalte, sprachlich-fachliche Kompetenzen

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sowie Aspekte der Persönlichkeit als Ebenen von Lehrerforschung im fremdsprachendidaktischen Bereich. Auch hier wird die Dominanz qualitativer Arbeiten konstatiert und ein Manko in der Ausdifferenzierung nach Einzelsprachen sowie den verschiedenen Bildungsgängen und Vermittlungskontexten kritisiert. Für die Deutschdidaktik systematisieren Bräuer/Wieser (2015: 9) Arbeiten zu Vorstellungen und Orientierungen von Lehrenden, Rekonstruktionen und Analysen des Handelns von Lehrpersonen im Deutschunterricht und die Erhebung fachlich-didaktischer Kompetenzen. Wieser betont in ihrem Versuch, Konstellationen von Theorie und Praxis in der Lehrer*innenforschung und -bildung zu abstrahieren, auch die Frage der Beziehung zu anderen Disziplinen wie Soziologie, Psychologie, Erziehungswissenschaft, fragt aber prioritär nach einer möglichen Fachspezifik. So verweist sie beispielsweise auf Arbeiten, die in strukturtheoretischer Ausrichtung Antinomien und Paradoxien des Handelns von Deutschlehrkräften ausdifferenzieren (vgl. Wieser 2015: 24) und betont das fruchtbare Potenzial fallrekonstruktiver Arbeiten, die sich an die pädagogische Kasuistik anlehnen (vgl. Wieser 2015: 30). Fremdsprachendidaktische Lehrer*innenforschung zeichnet sich durch eine große thematische und methodische Bandbreite aus. Schwerpunkte in qualitativ-empirischen Arbeiten, die sich prioritär für Einstellungen, Haltungen sowie Aspekte von Lehrerpersönlichkeit interessieren, wurden in der letzten Zeit zunehmend ergänzt durch Arbeiten im Kompetenzparadigma, die auch Tests und quantitative Messungen einschließen. Auch Versuche, die Bezugswissenschaften stärker auf Transfer hin zu befragen, sind gestärkt worden, wobei hier unterschiedliche Schwerpunkte erkennbar sind. Während sich beispielsweise die Deutschdidaktik (vgl. Bräuer/Wieser 2015) stark in Richtung rekonstruktive Forschung und Kasuistik öffnet, sind vergleichbare Ausprägungen in der Fremdsprachenforschung weniger stark beobachtbar. Hier wird auch deutlich, dass Fachlichkeit und fachdidaktische Forschungstraditionen Fragen und Interessen auf den Plan rufen können, die nicht unter

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‘übergeordnete’ allgemein erziehungswissenschaftliche Paradigmen subsumierbar sind, sondern diese immer schon im Kontext der eigenen Fachlichkeit umdeuten. Für die vorliegende Arbeit sind diese Überlegungen dahingehend relevant, als diese einerseits an traditionelle Erkenntnisinteressen fremdsprachendidaktischer Professionsforschung anknüpft, indem sie sich für die Binnensicht zukünftiger Lehrkräfte interessiert. Sie unternimmt jedoch darüber hinaus auch den Versuch, zu einer fachlichen Modellierung spezifischen Fachwissens beizutragen und dies an Konzepte reflexiver Lehrer*innenbildung anzuknüpfen. Dabei geht es weniger um die testbasierte Überprüfung ex ante etablierter Standards, sondern vielmehr um einen Nachvollzug reflexiver Prozesse, die in realen Handlungssituationen relevant werden. 2.2 Theorie-Praxis-Verhältnisse und Wissensarten professionellen Handelns Ein Topos in der Definition von professioneller Kompetenz ist das Desiderat einer möglichst engen Theorie-Praxis-Verbindung (vgl. den Überblick bei Makrinus 2012), wie sie beispielsweise in Ansätzen zur reflexiven Lehrer*innenbildung (vgl. Wallace 1991; Esteve 2011; Korthagen 2002) konzipiert wird. Häufig unterliegen entsprechenden Ansätzen Oppositionen wie „praxisferne Universität versus wissenschaftlich rückständige Schulpraxis“ oder die Vorstellung, nur solche wissenschaftlichen Theorien seien der Rezeption würdig, die sich unmittelbar in methodisch-didaktische Handlungsszenarien transformieren ließen. In jüngeren Texten zur Professionsforschung lassen sich zwei grundsätzliche Tendenzen zum Verhältnis der Wissensarten und ihren Implikationen für die Lehrer*innenbildung ausmachen (vgl. Nölle 2002: 48f.): Die so genannte Differenzhypothese geht davon aus, dass wissenschaftliches Wissen und praktisches Handlungswissen zwei so unterschiedliche Bereiche darstellen, dass sie per se nicht aufeinander bezogen werden können. Die Annahme einer solchen Strukturdifferenz führt entsprechend zu Konzepten der Lehrer*innenbildung und ihrer Erforschung, die beide Bereiche auch strikt voneinander trennen. Demgegenüber steht die Integrationshypothese,

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die davon ausgeht, dass wissenschaftliches Wissen durchaus in praktisches Handeln überführt und integriert werden kann. Das Dilemma, das die meisten Arbeiten zur Professionalisierung thematisieren, beschreibt den Bruch zwischen der handelnden Einübung in die – unter professionstheoretischen Aspekten möglicherweise problematische – Praxis einerseits, und einer nicht in konkrete unterrichtliche Handlungen transformierbaren Aneignung theoretischen Wissens andererseits. So stellt beispielsweise Neuweg (2007) „träges Wissen“, das in Anwendungssituationen der Praxis ungenutzt bleibt, und „blinde Routine“, die auch unangemessene, nicht lernförderliche Handlungsmuster in der Praxis fortschreiben kann, gegenüber. Er spricht sich in diesem Kontext für eine Verbindung handlungssteuernden Wissens und reflektierten Handelns aus, die er als Schnittmenge aus „trägem Wissen“ und „blinder Routine“ bezeichnet. Auch Hascher formuliert dieses Dilemma, wenn sie – basierend auf einer Analyse empirischer Arbeiten – feststellt, „dass zwar viel von und in der Praxis gelernt werden kann, zugleich aber die Gefahr besteht, Lernen durch die Aneignung von ‚Habits’, also mit unhinterfragter Praxis, zu ersetzen“ (Hascher 2012: 122). Neben den Dilemmata auf institutioneller oder bildungspolitischer Ebene sind auch berufsbiographisch bestimmte Vorlieben oder Selbstwahrnehmungen derer, die Lehrer*innenbildung gestalten, wichtige Einflussgrößen. Heil/Faust-Siehl (2000) haben dazu in einer Studie Lehrerbildner*innen befragt und aus den Interviews heraus ein Strukturmodell beruflicher Selbstverständnisse rekonstruiert. Dabei beschreiben sie vier Typen, die sich im Spannungsfeld von Wissenschaftsbezug und Berufsfeldbezug verorten und dieses Verhältnis jeweils unterschiedlich ausgestalten, wobei dieser Ausgestaltung auch ein grundsätzlicher Habitus unterliegt: (Selbst-)reflexiver Wissenschaftsbezug des „Magisters“ steht hier dem Praktiker mit handlungskompetentem Berufsfeldbezug gegenüber; der Vermittler gestaltet einen „didaktisch-vermittelnden“ und der Schulforscher demgegenüber einen „forschungstheoretischen“ Berufsfeldbezug (vgl. Heil/Faust-Siehl 2000: 138f.). Diese Typen treten häufig situationsbedingt hervor, sind also nicht

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ausschließlich personenbezogen, sondern können in unterschiedlicher Ausprägung auch von einer einzelnen Person repräsentiert werden. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass Lehrer*innenbildung – unabhängig davon, wie sie institutionell verankert und bildungspolitisch gerahmt ist –, immer auch von Überzeugung und Habitus der gestaltenden Personen bestimmt wird. Das Verhältnis von Theorie und Praxis erscheint vor allem vor der Schwierigkeit, die Theorie von der Praxis abzugrenzen, nur bedingt geeignet, die Probleme von Professionalisierungsprozessen angemessen zu beschreiben. Wenn auch in Alltagsgesprächen die Opposition als unmittelbar evident und begrifflich klar erscheint, so wird ihre Abgrenzung voneinander bei näherem Hinsehen immer schwieriger. Sind nicht gerade fachdidaktische „theoretische“ Texte häufig selbst schon praxisbezogen, beispielsweise in Form von Handreichungen, oder als empirische Analysen von Praxissituationen? Ist die Praxis nicht auch immer schon geformt und unsere Wahrnehmung gesteuert durch theoretische und normative Bezugspunkte, derer sich die Handelnden mal mehr, mal weniger bewusst sind? Den Begriffen von Theorie und Praxis unterliegen also weitere Differenzierungen zum Wissensbegriff, die in den folgenden Abschnitten umrissen werden sollen. Dabei unterliegt die Annahme, dass das handlungsrelevante Wissen von Lehrkräften nicht nur die einmal bewusst gelernten Fakten, Theorien und Regeln umfasst, sondern darüber hinaus auch Erfahrungen, Einstellungen und Wertvorstellungen (vgl. Bromme 1992). Aus der Feststellung, dass das Wissen von Lehrpersonen sowohl deklarative als auch prozeduralisierte, handlungs- und einstellungsbezogene Wissensanteile einschließt, ergibt sich für die Lehrer*innenbildung die Frage, wie die verschiedenen Wissensformen vermittelt werden und ob sie in der Vermittlung – durch bestimmte hochschuldidaktische Settings beispielsweise – überhaupt systematisch aufeinander bezogen werden können. 2.3 Exkurs – wie kommt das Neue in die Praxis? Unter der Feststellung der Tradierung problematischer Praxis, die bei Hascher (2012) mit dem Begriff der „Habits“ oder bei Neuweg (2007) mit dem der „blinden Routinen“ gefasst wird, stellt sich die Frage, wie neues Wissen

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und verändertes Handeln überhaupt in die Praxis gelangen können, wenn man davon ausgehen muss, dass Transfer aus dem Wissenschaftswissen aufgrund der Strukturdifferenz der Wissensarten und der Persistenz subjektiver Theorien unmöglich oder zumindest stark erschwert wird. Dieser Kernfrage strukturtheoretisch geprägter Lehrerbildungsforschung widmet sich Radtke (2004) aus historisch-philosophischer Perspektive. Er bezieht sich auf die Arbeiten von Kant, Herbart und Weniger und erläutert, wie Herbart den ‘Widerstand ’Studierender gegenüber der Theorie in seine Überlegungen aufnimmt und ihr die Funktion zuschreibt, neue Sichtweisen auf die alleinige – beschränkte – Erfahrung zu ermöglichen. Mit der Vorstellung des Erziehers als „wissenschaftlich vorgebildetem Praktiker“ (vgl. Radtke 2004: 116) sieht Radtke in den Theorien Herbarts die Ursprünge integrierender Ansätze der Lehrer*innenbildung. Radtke beschreibt, ähnlich wie später Neuweg, dass Wissensbestände aus der Universität heraus gerade nicht „dort draußen möglichst direkt angewendet/verwendet werden können“ (Radtke 2004: 113). Vielmehr kommt „[d]as ‘richtige Wissen’ […] nur ‘verstümmelt‘ zur Anwendung, es geht beim Transfer unterwegs zumindest teilweise verloren oder es wird bis zur Unkenntlichkeit trivialisiert […]“ (Radtke 2004: 117). In Reaktion auf diesen „Transportverlust“ wird ein „erweitertes Transfermodell“ vorgeschlagen, das vorsieht, Wissensbestände bereits im Vermittlungsprozess den Rezeptionsproblemen anzupassen: „[…] das Wissensangebot gezielt auf die Bedürfnisse und Voraussetzungen, das Vorwissen und die Handlungsbedingungen der Adressaten abzustimmen“ (Radtke 2004: 118). Trotz dieses Versuchs, Theoriewissen bereits als Funktion von Praxisproblemen auszuwählen und verhandelbar zu machen, geht Radtke weiterhin davon aus, dass es keine Linearität vom Wissensangebot zu seiner Anwendung geben kann: Unterrichtliches Handeln ist nicht vorhersehbar und gehorcht einer grundsätzlichen Eigenwilligkeit, spätestens seitdem man es jenseits behavioristischer Reiz-Reaktions-Mechanismen betrachtet (vgl. Radtke 2004: 117). Die Differenz zwischen wissenschaftlichem Erklärungswissen und praktischem Handlungswissen (vgl. Radtke 2004: 118) wird von Radtke im Rück-

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griff auf zwei inkompatible Konstruktionen von Wirklichkeit erläutert: Entweder zielt die Konstruktion auf eine phänomenologisch ausgerichtete Beschreibung der Wirklichkeit, das heißt auf die Erkenntnis dessen, „was ist“, oder aber auf die Bewältigung oder Gestaltung einer bestimmten Situation, der ein „was soll sein?“ unterliegt (vgl. Radtke 2004: 120). Differenzorientierte Ansätze werfen sich entsprechend entweder epistemologische Ignoranz oder mangelnde Praktikabilität des jeweils anderen Interesses vor. Radtke fragt dennoch, wie die zwei „an unterschiedliche soziale Kontexte gebundene[n] Modi der Beschreibung der Wirklichkeit“ synthetisiert werden können (Radtke 2004: 120), sodass der Versuch einer Theorie-Praxis-Verbindung zwar strukturtheoretisch als naiv demaskiert wird, aber als Fluchtpunkt für Lehrer*innenforschung und -bildung weiterhin Gültigkeit behält: „In einer Universität kann man lernen, was man über Schule und Unterricht derzeit wissen kann“ (Radtke 2004: 141); das Studium stellt dieses Wissen für zukünftige Praktiker*innen bereit. Historisch beschreibt Radtke die Synthetisierung inkompatibler Wissensarten zunächst als Versuch, ‘naives’ Alltagswissen durch ‘bessere’ theoretische Wissensanteile zu ersetzen (seit den 1980er Jahren), und dabei beliefs und subjektive Theorien zukünftiger Lehrkräfte mit wissenschaftlichem Wissen abzugleichen. Diesem Ansatz attestiert er jedoch „geringen Erfolg“ (vgl. Radtke 2004: 121) und zitiert in diesem Kontext Studien, aus denen deutlich wird, dass es keine produktive Auseinandersetzung des Dialogs der Wissensbereiche gibt, der „Versuch, die neuen Einsichten in die eigene Praxis und deren Verbesserung einzuarbeiten“ (Radtke 2004: 124) also fruchtlos bleibt. Die Transformation von Wissen in ihre „intentionsgerechte Verwendung“ kann offensichtlich nicht kontrolliert in Gang gebracht werden. Auch Versuche des Perspektivenabgleichs, um Beispiel durch Aktionsforschung, bezeichnet Radtke als gescheitert (vgl. Radtke 1996), zusammenfassend „sind auch symmetrisch angelegter Dialog oder Kooperation kein sicheres Instrument der Innovation oder Steuerung“ (Radtke 2004: 127).

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2.4 Können als Wissensanwendung versus Theorien der Praxis Ein Kernbegriff im Kontext verschiedener Wissensbereiche ist der Begriff der ‘Anwendung’: Theoretisches Wissen soll – so die Alltagstheorie zur Lehrer*innenbildung – in der Praxis angewendet oder umgesetzt werden, entsprechend der Grundannahme „gute Praxis sei die Anwendung von Theorie“ (Neuweg 2011b: 18). In der Literatur (z.B. Neuweg 2011b; Weyland 2012) wird diese Annahme zurecht als naiv charakterisiert: Die Denkfigur „Können als Wissensanwendung“ ist nicht nur dahingehend problematisch, dass sie eine normative Priorisierung (Wissenschaftswissen steht über Handlungswissen) vornimmt. Sie ignoriert auch die Komplexität der Handlungssituation, die niemals lediglich unter einen theoretischen Bezugspunkt subsumierbar wäre. Entscheidungen in Handlungssituationen sind gerade keine unmittelbare Anwendung vorweg etablierter Wissensbestände, sie zeichnen sich durch Ungewissheit, Neuheit und Einmaligkeit aus: „teachers […] must draw upon and integrate multiple knowledge domains under conditions of uncertainty and novelty. Classroom events rarely unfold the same way twice” (Grossman/Shulman 1994: 10). Als alternative Modelle lassen sich gegenüber der Denkfigur „Können als Wissensanwendung“ Ansätze ausmachen, die Professionalisierungsprozesse umgekehrt als Theoretisierung der Handlungsrepertoires von Communities of Practice (Lave/Wenger 1991) verstehen: Nicht die Anwendung der Theorie in der Praxis macht das professionelle Wissen aus, sondern im Gegenteil die Betrachtung des „teacher learning as the theorization of practice” (Burns/ Richards 2009: 3, zit. in Abendroth-Timmer 2011: 5). Beide Ansätze integrierend, schreibt Tsui über Expertise und den Möglichkeiten ihrer Entwicklung, dass diese durch beide Bereiche gleichermaßen hervorgebracht wird. Theoretisierte Praxis und den Umgang mit theoretischem Wissen in der Praxis beschreibt sie als „zwei Seiten einer Medaille“: „[…] I argue that the theorization of practical knowledge and the ‘practicalization’ of theoretical knowledge are two sides of the same coin in the development of expertise. […] I characterize expertise as constant engagement in exploration and experimentation, in problematizing the unproblematic, and responding to challenges” (Tsui 2003: 277-278).

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Eine solche Interdependenz verschiedener Wissensarten betont aus strukturtheoretischer Perspektive auch Kolbe: „Weder führt dann Wissenschaft neues Wissen in die Praxis ein, noch selektiert die Praxis Relevantes aus dem wissenschaftlichen Wissen. Vielmehr ergänzen sich beide im Sinne einer Relativierung der Perspektive” (Kolbe 2004: 214). Die entscheidende Fähigkeit von Lehrpersonen besteht vor dieser Annahme im Perspektivenwechsel, der die verschiedenen Wissensbereiche in Beziehung zueinander stellen kann. Vor dem Hintergrund solcher Perspektivenwechsel müssen Lehrkräfte vor allem über hermeneutisch-rekonstruktives Wissen verfügen, das reflexives Fallverstehen erlaubt (vgl. Kolbe 2004: 213). Im Kontext eines solchen strukturtheoretischen Verständnisses von Professionalität formuliert Helsper (1996) Antinomien, in denen sich das Handeln von Lehrpersonen grundsätzlich bewegt und dadurch von in sich widersprüchlichen Anforderungen geprägt ist. Für die Fragestellung der hier vorliegenden Studie ist vor allem die Antinomie „Subsumption versus Rekonstruktion”, die das Theorie-PraxisVerhältnis betrifft, relevant. Sie rahmt das Dilemma, dass Praxissituationen – und damit auch die Entscheidungen über ‘gutes’ Handeln in der Praxis – immer einerseits ein konkretes Fallverständnis benötigen, das sich aus einer deskriptiven Rekonstruktion des Einzelfalls heraus herstellen lässt (Rekonstruktion), andererseits aber theoretisches Wissen diese Wahrnehmung immer schon so bestimmt, dass die Fallbeschreibung sich an präetablierten theoretischen Kategorien orientiert. Einzelne Aspekte der Beobachtung werden also unter Kategorien subsumiert, die den Einzelfall verstehbar machen, ihn aber nicht zwangsläufig in dieser Form interpretieren müssen. Jede Interpretation einer Situation ist also auch eine Entscheidung, eine bestimmte Kategorie ‘stark’ zu machen und andere als weniger erkenntnisstiftend auszuklammern. Das Verhältnis von Situationsspezifik und subsumptionslogischer Theorieanwendung beschreibt Bredella (2004) für Kontexte des Fremdsprachenunterrichts, indem er den Nutzen des theoretischen Wissens für Praxissituationen als hermeneutischen Wissenshorizont definiert, vor dem Wahrnehmung und Verständnis der Praxis stattfinden: „Wir brauchen Deutungsund Erklärungsschemata, wie sie die Theorie bzw. die Wissenschaft anbietet.

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Ohne sie kommt keine Profession aus. Aber der Professionelle bedarf der hermeneutischen Fähigkeit, ein Erklärungs- und Deutungsschema situationsspezifisch anzuwenden und die Bedeutung des Einzelfalls mit dessen Hilfe interpretierend zu entfalten” (Bredella 2004: 21). 2.5 Implizites Wissen Neben der Infragestellung des Anwendungsbegriffs spielen für das Wissen und Handeln von Lehrpersonen auch Wissensanteile eine Rolle, die den Handelnden explizit bewusstseinsmäßig nicht – oder nicht vollständig – verfügbar sind. Wenn es auch möglich erscheint, Anteile angeeigneten Wissens in das Handeln zu integrieren oder Handeln an diesen Elementen auszurichten, so gehen Handlungen doch immer über diese Aspekte hinaus. Unbewusste Routinen, inkorporierten Praktiken unterliegende Wissensbereiche, die auch in konflikthaftem Verhältnis zu intentionalen Handlungen stehen können, bestimmen Handlungen maßgeblich. Für professionelles Handeln spielen gerade diese automatisierten Wissensanteile, die implizit vorhanden oder geworden sind, eine bedeutsame Rolle: Ob theoretisch mit dem Begriff der „Könnerschaft“ (Neuweg 1999) oder durch Habitustheorien (beispielsweise in Anlehnung an Bourdieus Arbeiten zum sens pratique) gerahmt, akzentuieren Theorien impliziten Wissens Anteile von Wissen, die anderen Dynamiken folgen als deklaratives Wissen, wie es in Fachsystematiken oder Kanones repräsentiert wird. Wer professionell handelt, kann etwas, das sich ganzheitlich, im sprachlichen und körperlichen Agieren zeigt, und das über die allein kognitive Repräsentation von Wissenschaftswissen hinausgeht. Dieses Können enthält Wissensanteile, die dem Bewusstsein des Handelnden nicht zwingend zugänglich sein müssen. Professionelle wissen also mehr als sie zu sagen wissen (vgl. Polanyi 1985: 14). Den Begriff des impliziten Wissens (tacit knowledge) von Polanyi nimmt Neuweg (1999) im Begriff der Könnerschaft auf und legt ihn an Überlegungen zu Professionalisierungsprozessen an. Prozeduralisiertes Handlungswissen erscheint als ein Wissen, das theoretische Anteile transformiert und integriert hat, sodass sie „‘im Kopf‘ des Lehrers nicht als Wissen auffindbar sein [müssen]“ (Neuweg 2011a: 462).

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Aus habitustheoretischer Sicht (z.B. Bloh/Bloh 2016; Bredella 2004) bestimmen implizite, atheoretische Wissensbestände das Handeln unterliegend. Aus impliziten Orientierungen kann auf den Habitus als „generatives System ‘dauerhafter und übertragbarer Dispositionen’“ (Bourdieu 1987; zit. in Bloh/Bloh 2016: 209), die konkretes Handeln bedingen, geschlossen werden. In Anlehnung an Schön und Polanyi führt Bromme (2004) aus der Sicht der Expertiseforschung die These aus, dass das Können von Expert*innen sich grundsätzlich einer vollständigen Explizierung entzieht (vgl. Bromme 2004: 22). Implizites Wissen unterscheidet sich „[…] inhaltlich und seiner Struktur nach von dem expliziten Wissen, das in Form von Regeln und Theorien verbalisierbar ist“ (Bromme 2004: 23). Die Handlungssituation und ihre Schnelligkeit zwingen außerdem „zu einer bestimmten Reaktionsweise“, sodass in der Handlungssituation selbst kein expliziter und regelgeleiteter Bezug zu allen potenziell relevanten Wissensbeständen hergestellt werden kann (vgl. Bromme 2004: 24). Bromme zeichnet Transformationsprozesse von Wissen über die Andersonsche Wissenstaxonomie nach, in der kognitive Fertigkeiten sich in ihrer Entwicklung dadurch kennzeichnen, dass sie sich in Handlungspläne (Scripts) transformieren, also zunehmend prozeduralisiert werden (vgl. Bromme 2004: 28). Die Entwicklung von Können integriert Automatisierung und Verlust von Aufmerksamkeit (z.B. Autofahren, Schleifen binden) sowie verschiedene Formen des Lernens (Bromme 2004: 35). Dies kann auch den paradoxen Effekt hervorbringen, dass Noviz*innen häufig mehr wissen als sie können, während Expert*innen umgekehrt mehr können als sie wissen (vgl. Bromme 2004: 34). Letztere verfügen nach Bromme weniger über dezidierte Könnensbereiche als über einen ihnen eigenen „Denkstil“, eine „bestimmte Perspektive“ (Bromme 2004: 37), die es ihnen erlaubt, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Dies bezeichnet er als „[…] Kompetenz, Sachverhalte in einem bestimmten Zusammenhang zu sehen und zu bewerten“ (Bromme 2004: 39).

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2.6 Transformationen von Wissen durch gesteuerte Lerngelegenheiten und Reflexion Die meisten neueren Arbeiten bezweifeln, dass es zwangsläufige oder als ‘Automatismus’ funktionierende Transformationen von Theorie- in Praxiswissen gibt. Sie betonen umgekehrt, dass „gekonntes Expertenhandeln oftmals gerade nicht durch deliberative Wissensanwendung […] hervorgebracht wird“ (Kolbe 2004: 209). Dennoch wird davon ausgegangen, dass durch gesteuerte Lerngelegenheiten Praxiserfahrung und Theoriewissen aufeinander bezogen und für das Verstehen unterrichtlichen Handelns sowie seine Veränderung fruchtbar gemacht werden können: „Wissensentwicklung durch Erfahrungsverarbeitung ruht auf Reflexionsprozessen, die im besten Fall zugleich zu neuen Wissensgrundlagen des Handelns führen“ (Kolbe 2004: 207). Die fallverstehende Rekonstruktion von Handlungssituationen bei gleichzeitiger Auseinandersetzung mit fachsystematisch strukturiertem Wissen ermöglichen einen abstrahierenden Blick auf die Praxis, die auf diese Weise immer wieder neue Rahmungen erfahren kann, also zu weiteren und differenzierten Wahrnehmungen der Praxis führen mag: „Teachers will become better educators when they can begin to have explicit answers for questions, ‘How do I know what I know? How do I know the reasons for what I do?’ […] The capacity to answer such questions not only lies at the heart of what we mean by becoming skilled as a teacher; it also requires a combining of reflections on practical experience and reflection on theoretical understanding“ (Shulman 1988: 33; zit. in Tsui 2003: 261). Roters/Trautmann (2014) resümieren in ihrem Überblick zu jüngeren empirischen Arbeiten fremdsprachendidaktischer Professionsforschung: „Hauptergebnis der vorliegenden fachdidaktischen Untersuchungen ist, dass die bisherige Lehrerbildung in der ersten Phase erhebliche Defizite aufweist und durch neue, angemessenere Formen der wechselseitigen Bezugnahme von persönlichen Erfahrungen/Überzeugungen und wissenschaftlichem Wissen durch entsprechende universitäre Lerngelegenheiten verbessert werden muss“ (Roters/Trautmann 2014: 56). Entsprechend fordern auch Maag/

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Werner (2011) „Seminarangebote, die eine methodisch angeleitete fallverstehende Reflexivität Studierender ermöglichen“ (Maag/Werner 2011: 227). Vor diesem Anspruch lassen sich Arbeiten zur Professionalisierung zusammenfassen, die sich für Reflexion und reflexive Kompetenz als Kernkompetenz von Lehrpersonen interessieren (vgl. Abschnitt 5). 2.7 Praxisphasen in der Lehrer*innenbildung: Ansätze und Probleme Vorschläge für die Gestaltung von Ausbildungsformaten der Lehrer*innenbildung sind immer abhängig von unterliegenden Annahmen zu Professionalität und Professionalisierungsprozessen. Studiengänge und einzelne Ausbildungsanteile orientierten sich dabei zwangsläufig an normativen Fluchtpunkten. Diese können zwar sehr unterschiedlich sein, gehen aber durchweg von der Unterstellung aus, dass spezifische, praxisorientierte Ausbildungsanteile die Entwicklung eines ‘Mehr’ an Professionalität ermöglichen, wobei allenfalls die Wahl des Formats zur Diskussion steht: „[…] das die professionelle Entwicklung befördernde Moment wird in jedem Ansatz anders gesehen: Aus- und Fortbildung, Training, berufliche Erfahrungsbildung, die Erfahrung des Ungenügens eben dieser bisherigen Erfahrung, kollegiale Zusammenarbeit, gemeinsame oder individuelle Selbstreflexion – oder eine Mischung aus diesen Elementen“ (Terhart 2011: 216). Weitgehender Konsens besteht darüber, dass Erfahrungen in der Praxis ein notwendiges und förderliches Element lehrerbildender Ausbildungsstrukturen darstellen. Dass diese Annahme jedoch selbst in starkem Maße fach- und lernkulturell bedingt ist, macht der Vergleich internationaler Ausbildungsformate und Begründungsdiskurse deutlich. So beschreibt beispielsweise Lenoir (2010) die grundsätzlich verschiedene Herangehensweise an Professionalisierungsprozesse im französischen und US-amerikanischen Kontext: Während die „epistemologische Perspektive“, vor der die Lehrer*innenbildung in Frankreich strukturiert wird, das Primat fachwissenschaftlichen Wissens verfolgt, das auch in der ihm eigenen Systematik vermittelt wird, fokussieren amerikanische Ausbildungsstrukturen eher eine „funktionale Perspektive“.

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Diese akzentuiert pragmatisches, also handlungsbezogenes Wissen und erfahrungsbasiertes „Savoir-faire“ (vgl. Lenoir 2010: 26). Ähnliche Dichotomien lassen sich nicht nur fach- und lernkulturell ausmachen, sondern auch in historischer Perspektive: So unterscheidet beispielsweise Wallace (1991) drei Modelle als Entwicklungslinien von Ausbildungsstrukturen: Das „Applied Sciences Model”, bei dem die Idee vorherrscht, Professionalisierung ergebe sich aus der Anwendung systematischen Fachwissens in der Praxis, das „Craft Model”, bei dem durch Beobachtung und Imitation eines „Meisters” gelernt wird und schließlich das „Reflective Model”, das professionsorientiertes Lernen als zyklische Abfolge von Erfahrung, Reflexion und neuer Erfahrung beschreibt. Die Ansätze beschreiben also jeweils unterschiedliche Priorisierungen von systematischem Wissenschaftswissen und handlungsbezogenem Praxiswissen in Ausbildungskontexten. In den letzten Jahren hat sich im bundesdeutschen Bildungssystem konsensuell das „reflexive Modell” als Bezugspunkt für die Lehrer*innenbildung herauskristallisiert. Davon ausgehend, dass deklaratives Wissenschaftswissen und seine Aneignung alleine keine ausreichend professionalisierende Wirkung hat, wurden Formate gestärkt und implementiert, die angehenden Lehrkräften Gelegenheiten eröffnen, unterrichtlich zu handeln und Erfahrungen zu sammeln. Praxisanteile gerade in der universitären Phase sind sowohl quantitativ massiv gestärkt als auch qualitativ professionalisiert worden. Obwohl die Notwendigkeit, Praxiserfahrung so früh wie möglich zu sammeln, kaum in Frage gestellt wird, bergen Praxisphasen einige grundsätzliche Probleme, die in den nächsten Abschnitten skizziert werden. Diese lassen deutlich werden, dass Praxisphasen weder per se wirksam sind – sie können ganz im Gegenteil auch negative Wirkungen entfalten –, noch geklärt ist, welche Art von Praxis in welcher universitären Rahmung modellhaft als wirksam angesetzt werden kann. Praxisphasen der Lehrer*innenbildung sind von einem grundsätzlichen Dilemma geprägt: Sie ermöglichen einerseits Erfahrung und erstes Experimentieren mit eigener Unterrichtsplanung und -durchführung. Andererseits

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ist die Handlungssituation, mit der sich die Studierenden im Praktikum konfrontiert sehen, derart komplex, dass ein systematisches und intentionales Ausprobieren bestimmter isolierter Verfahren kaum möglich ist. Studierende handeln im Praktikum unter dem Druck, in einer komplexen Handlungssituation schnell Entscheidungen treffen zu müssen, für die sie mental kaum über wählbare Alternativen verfügen, sodass Rückgriffe auf Modelle sowie Erinnerungen der eigenen Schulbiographie hier gegebenenfalls stärker handlungsleitend wirken als der Versuch, fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Prinzipien zum Bezugspunkt der Entscheidungen zu machen. Die Phänomene werden bei Wahl (1991) unter dem Titel Handeln unter Druck sowie bei Perrenoud (1996) – Enseigner: agir dans l‘urgence, décider dans l‘incertitude – eindrucksvoll beschrieben. Einwände gegen ein mögliches ‘Zuviel’ an Praxis und entsprechend kontraproduktiven Effekten für Professionalisierungsprozesse stammen aus diesem Kontext: Die Komplexität der Handlungssituation fördert die Unreflektiertheit blinder Routinen (vgl. Neuweg 2007: 8) oder trägt dazu bei, gegebenenfalls auch nicht lernförderliche „Habits” (Hascher 2012: 122) zu übernehmen, im Handlungsrepertoire zu verankern oder zu zementieren. Die Orientierung am Modell, die historisch der so genannten „Meisterlehre” entspricht, wird aus genau diesem Grund ambivalent: Einerseits sind Modelle stark handlungsleitend und stellen daher einen Zugang zur Habitualisierung von Praktiken dar, die durch die Rezeption theoretischer, textgebundener Wissensbestände nicht zu erreichen ist. Andererseits werden aber nicht nur lernförderliche Praktiken übernommen, sondern auch die von Hascher und Neuweg beschriebenen problematischen Routinen. Dies mag auch erklären, warum innovative didaktische Ansätze es so schwer haben, den Schritt in die Praxis tatsächlich zu schaffen: „Often, despite their intentions to do otherwise, new teachers teach as they were taught. The power of their ‘apprenticeship of observation’, and of the conventional images of teaching that derive from childhood experiences, makes it very difficult to alter teaching practices and explains in part why teaching has remained so constant over so many decades of reform efforts” (Kennedy 1991; zit. in Schocker-v. Ditfurth 2001: 88).

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Modelllernen, die Orientierung an der eigenen Lernerbiographie sowie die hohe Veränderungsresistenz subjektiver Theorien erschweren grundsätzlich jedes Bemühen, das Handeln von Lehrkräften durch „Ausbildung” zu verändern (vgl. zahlreiche Literaturangaben in Warneke 2006: 44). Entsprechend erkennt Dick (1999: 150; zit. in Warneke 2006: 44) in der Berufsbiographie von Lehrkräften die größte regressive Variable, die Entscheidungen im Unterricht beeinflusst. So bezieht sich auch der Korthagensche Begriff der Gestalts (Korthagen 2004: 85) auf spontane, der Reflexion und Veränderlichkeit nicht unmittelbar zugängliche Vorstellungen von Situationen des Unterrichtshandelns. In diese Vorstellungen spielen mentale Bilder aus der eigenen Schulzeit, Rollenvorbilder, Emotionen, beobachtete Routinen und Wertvorstellungen hinein. Dabei ist allerdings kaum bestimmbar, welche Lehrpraktiken oder –routinen als wünschenswert oder ‘rückständig’ zu charakterisieren wären. Normative, aber nicht zwangsläufig mit empirischer Evidenz unterlegte Ansprüche an die Unterrichtsgestaltung fokussieren meist auf lediglich isolierte Anteile von Unterrichtshandlungen. Die Implementierung ‘innovativer’ Lehr/Lernformen sieht sich immer konfrontiert mit bereits existierenden und von Lehrkräften und Schüler*innen verinnerlichten Praktiken. Diese funktionieren meist ganzheitlich und unbewusst, sodass die Veränderung an einer isolierten ‘Stellschraube’ auch schnell als Störfaktor wahrgenommen und gegebenenfalls als unerwünscht sanktioniert wird. Situation, Lerngruppe und Ziel können ähnliche Praktiken unterschiedlich rahmen und rechtfertigen. Durch Beobachtung übernommene Handlungsmuster können zwar in der Praxis dominant und durchaus erwünschter ‘Usus’ sein, entsprechen aber nicht zwangsläufig den Anforderungen von Rahmentexten oder solchen Unterrichtspraktiken, die Ergebnisse empirischer Arbeiten in Fachdidaktik und Bildungswissenschaft nahelegen würden. Die normativen Bezugspunkte unterrichtlichen Handelns im Praktikum werden in der Übernahme habitualisierter Praktiken kaum bewusst oder gar reflektiert: Gerade Studierenden, die erstmalig Gelegenheit haben, Unterrichtserfahrung zu sammeln, erscheint die Praxis bereits allein dadurch als ‘gut’ und normativ bindend, weil überhaupt einmal Gelegenheit zum Handeln besteht.

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Dass Praxisphasen und deren quantitative Ausweitung allein also noch kein Garant für Professionalisierungsprozesse sind, ist mittlerweile ebenso Konsens in der Professionsforschung wie die grundsätzliche Annahme ihrer Notwendigkeit im Kontext des Lehramtsstudiums. Obwohl bildungspolitisch massiv gefordert und zunehmend in Rahmentexten und Studienordnungen verankert, stellen bildungswissenschaftliche empirische Arbeiten die Wirksamkeit von Praxisfragen massiv in Frage. Unkritisches Modelllernen sowie die mangelnde Bewusstheit über die Prägungen der eigenen Lernerbiographie stehen dabei im Mittelpunkt der Kritik sowie auch die vergleichsweise geringen Lerneffekte, die sich an Praktika nachweisen lassen. So zweifelt beispielsweise Weyland in ihrer Expertise zu den Praxisphasen in der Lehrerbildung die bildungspolitische Entscheidung an, in den letzten Jahren verstärkt Praxissemester zu implementieren: „Dabei scheint es, als würde der ‘Erlösungsmythos’, der im Praxisbezug grundsätzlich gesehen wird, auch hier mal wieder als erhellende Größe einer besseren und wirkungsvolleren Lehrerbildung verstärkt durchklingen“ (Weyland 2012: 4). Auch Hascher (2011) problematisiert den Nexus von Praxis und Wirksamkeit dahingehend, dass sie den „Mythos Praktikum“ aus einer historischen Analyse evidenzbasierter Forschungen zu Praktika heraus gründlich entzaubert. Entgegen der Einschätzung der Studierenden – „Ich habe in den Schulpraktika mehr gelernt als in den Lehrveranstaltungen der Universität“ (vgl. Hascher 2012: 111) – zeichnet sie nach, dass in Praktikumsveranstaltungen nur wenig Fach- und Curriculumswissen vermittelt wird (vgl. Hascher 2012: 114) und dass im unterrichtlichen Handeln vor allem unhinterfragte Routinen übernommen werden, die auch problematische Praktiken perpetuieren können (vgl. Hascher 2012: 122). Lunkenbein (2012: 96f.) verweist in einer empirischen Studie zu Beobachtungsaufgaben im Praktikum auf verschiedene Arbeiten, die allesamt die Chancen reflexiver Praktika hoch einschätzen, jedoch deren Wirksamkeit empirisch nur sehr eingeschränkt nachweisen können. Im fremdsprachendidaktischen Bereich ist in diesem Kontext die Studie von Gabel (1997) ein wichtiger Referenzpunkt: Gabel konstatiert einen

Überblick und Fokus auf Theorie und Praxis

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deutlichen Bruch zwischen den Erwartungen, die an Praktika geknüpft werden und der beobachtbaren Wirklichkeit. Auch neuere Arbeiten, die zunehmend jene reflexiven Prozesse in Praktika beleuchten, denen Bewusstmachungs- und damit auch Veränderungspotenzial zugeschrieben wird, können häufig nicht die erwarteten Effekte zeigen (z.B. Roters 2012; Elsner 2010; Schüpbach 2007) oder sie verbleiben dort im Bereich des Punktuellen. Ein wichtiger Aspekt bei der Diskussion um Praxisphasen und ihre Stärkung liegt im ökonomischen Bereich. Es stellt sich die Frage der „Ziel-MittelRelation“ (vgl. Weyland 2012: 8), die aktuell bei der Frage der in vielen Bundesländern bereits implementierten Praxissemester diskutiert wird: Welche Maßnahmen versprechen einen Lernzuwachs, der in angemessenem Verhältnis zu finanzieller und personeller Investition steht? Weyland verweist hier vor allem auf „enorme Kraftanstrengungen“ (Weyland 2012: 5), die die Begleitung der Studierenden den Beteiligten abverlangt. Kooperationen mit Mentor*innen und betreuenden Lehrkräften sowie deren Schulung spielen dabei eine tragende Rolle. Im Kontext ökonomischer Faktoren wird immer wieder auch die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes thematisiert und die Tendenz zur Verlagerung der zweiten Phase der Lehrer*innenbildung in die erste diskutiert (vgl. Weyland 2010: 5; Kötter 2015). Diese Maßnahme verbindet das ökonomische mit dem lerntheoretischen und bildungstheoretischen Problem: Die Einsozialisierung in die Schulpraxis mit dem Ziel der Förderung praktischer Handlungsfähigkeit wird unter Umständen an der Stelle kontraproduktiv, wo sie Gefahr läuft, den Paradigmenwechsel zur Kompetenzorientierung gerade durch eine Orientierung an einer (häufig noch) nicht kompetenzorientierten Praxis zu unterlaufen. 2.8 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie Zusammenfassend erweist sich das Theorie-Praxis-Problem als vielschichtig und in möglichen konzeptionellen Modellierungen als stark abhängig von grundlegenden Überzeugungen und Vorstellungen zum Wissensbegriff. Für die vorliegende Studie wird davon ausgegangen, dass ein Bruch besteht zwischen hochschuldidaktischer Intention – die sich auf einen professionstheoretischen Konsens gründet und die prioritär die theoriegeleitete

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Fachdidaktische Lehrer*innenforschung

kritische Reflexion von Unterricht fokussiert – einerseits sowie den ‘pragmatischen’ Wünschen der Studierenden, die prioritär auf die habitualisierende Einübung in die Praxis fokussiert sind (vgl. Weyland 2012: 6). Damit unterliegt dem empirischen Teil dieser Arbeit die Grundannahme strukturell differenter Wissensanteile, deren Integration nicht unmittelbar möglich ist. Die empirische Studie soll dazu beitragen, mittelbare Theorie-Praxis-Bezugnahmen beschreibbar zu machen, die über reflexive Prozesse zustande kommen. Aus dem problematischen Theorie-Praxis-Verhältnis, wie es in den vorherigen Abschnitten zum Anwendungsbegriff und zum impliziten Wissen umrissen wurde, ergibt sich für die vorliegende Arbeit eine Grundhaltung, die die Widersprüchlichkeit und Inkompatibilität verschiedener Wissensbereiche anerkennt. In diesem Sinne unterliegt ihr ein strukturtheoretisches Verständnis von Theorie-Praxis-Verbindungen (vgl. Nölle 2002; Weyland 2012: 53; Kolbe 2004; Radtke 2004), das mit Ansätzen zu Reflexivität verbunden wird. Hier wird die Frage der Wissensarten insofern weitergeführt, als bei der Definition von Reflexion auch immer wieder danach gefragt wird, inwieweit sie bewusst gesteuert ist, ob sie abhängig von Erfahrungen ist und inwieweit sie überhaupt den Reflektierenden kognitiv zugänglich sein kann. Reflexion ist also eng an die Frage des professionellen Handelns gebunden und daher für Fragen der Lehrer*innenbildung hochgradig relevant.

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Reflexion: Ansätze zur Begriffsbestimmung und Probleme empirischer Zugriffe

Dass reflexiven Handlungen im Kontext der Versuche, inkompatible, aber gleichsam konstituierende Wissensarten in Professionalisierungsprozessen zu integrieren, eine fundamentale Bedeutung zukommt, wurde bereits in den letzten Abschnitten ausgeführt. Der Begriff der Reflexion soll nun in theoretischer und empirischer Hinsicht genauer umrissen werden, um die Basis des Reflexionsbegriffs zu legen, der für den empirischen Teil dieser Arbeit entwickelt wird. Laut Moon ist Reflexion „generally not a recognized construct in psychology“ (Moon 1999: 94). Es gibt sowohl theoretisch-begriffsgeschichtliche Auseinandersetzungen mit dem Konzept (z.B. Müller 2010) als auch in jüngerer Zeit verstärkt Versuche, das Konstrukt empirieorientiert zu modellieren (vgl. Wyss 2013) und via Tests überprüfbar zu machen. Grundsätzlich lassen sich zwei Herangehensweisen an Modellierungen ausmachen: Teleologische, progredierende oder stufenbasierte Vorstellungen von Professionalisierung2 (z.B. Hatton/Smith 1995) verweisen hierbei auf grundsätzlich andere Repräsentationen von (Aus-)Bildungsprozessen als solche, die eher auf zyklischen Modellen basieren (z.B. Korthagen 2002) und nicht von Skalierungen, sondern von interdependenten Dimensionen und deren Überschneidungen ausgehen (z.B. Müller 2010). Die folgenden Abschnitte stellen ausgewählte Grundlagenarbeiten zum Reflexionsbegriff vor. Diese – eklektizistische – Auswahl begründet sich in der Relevanz einzelner Elemente, die für den eigenen Reflexionsbegriff (vgl. Abschnitt 7) übernommen werden. 3.1 Dewey (1910): Wie wir denken Historisch beziehen sich aktuelle Begriffe von Reflexion meist auf die Arbeiten John Deweys3, konkret auf das 1910 erschienene How we think, in dem

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Vgl. Titel von Studien wie Der weite Weg vom Wissen zum Handeln (Wahl 1991), Professional Development (Moon 1999), Professionelle Kompetenzen im Studienverlauf (Blömeke et al. 2013). Die folgende Darstellung orientiert sich an Hatton/Smith (1995).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_3

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Reflexion

Dewey reflexives Denken an die Frage pädagogischen Handelns knüpft4. Reflexion wird hier als Problemlösung durch eine aktive (An-)ordnung von Gedankenketten gefasst (vgl. Hatton/Smith 1995: 33). Bei Dewey werden grundsätzliche Fragen aufgeworfen, die vor allem für das Verhältnis von Reflexion und Handlung relevant sind, so beispielsweise die generelle Frage, ob Reflexion auf Denkprozesse ‘beschränkt’ bleibt, Handlungen lediglich impliziert oder zwangsläufig bedingt und nach sich zieht. Auch die Frage der zeitlichen Ausdehnung reflexiver Prozesse, ob sie immer problembezogen sind und inwieweit unterliegende historische, kulturelle oder politische beliefs diese bestimmen, spielt eine Rolle. In der Folge von Deweys Arbeiten sind diese Fragen weiter ausdifferenziert worden, so beispielsweise die Annahme, dass reflexives Denken zu veränderter Handlung führt (vgl. Hatton/Smith 1995: 34) oder die Entwicklung einer grundsätzlichen Trennung von reflection in action und reflection on action bei Schön (1983), die ihrerseits die Frage der Bewusstheit von Handlungsentscheidungen stellt und damit auf das Problem impliziter Wissensanteile lenkt (vgl. Hatton/Smith 1995: 34 mit Bezug zu Polanyi 1958). Für den entwickelten Ansatz reflexiver Handlungskompetenz ist die Verbindung von Erfahrung, Reflexion und Handlung ein wichtiger Bezugspunkt (vgl. Abschnitt 7). 3.2 Van Manen (1977): Reflexion als Progression und Emanzipation Ein Problem des Reflexionsbegriffs, das vor allem für empirische Modellierungen relevant ist, ist die Frage nach einer möglichen Dimensionierung oder Stufung reflexiver Kompetenzen. Eine der Basisarbeiten zu dieser Frage hat der Erziehungswissenschaftler Van Manen in den 1970er Jahren vorgelegt. In Linking ways of knowing with ways of being practical unterscheidet er vor dem Hintergrund der Problematik inkompatibler Wissensarten technical reflection, practical reflection und critical reflection. Dabei bezieht sich van Manen auf Habermas, der Reflexion mit politisch-emanzipatorischen Zielsetzungen verbindet: individuelles Handeln wird durch kritische Reflexion in 4

Im deutschsprachigen Raum haben Bohnsack (2005) und Oelkers (2009) einführende Portraits von Dewey vorgelegt.

Ansätze zur Begriffsbestimmung und Probleme empirischer Zugriffe

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übergeordnete historische und kulturelle Kontexte eingebettet, wodurch Reflexion ein grundsätzliches Veränderungspotenzial gesellschaftlicher Wirklichkeiten zugeschrieben wird (vgl. Hatton/Smith 1995: 35). Dieser rahmende Anspruch gesellschaftlicher Veränderung schreibt technischer und praktischer Reflexion eine schwächere Position zu, weil diese Anteile sich meist auf Veränderungen und Handlungsalternativen innerhalb nicht hinterfragter Rahmungen beziehen und damit zwangsläufig politisch affirmativ bleiben. Diese Hierarchisierung reflexiven Handelns bestimmt zahlreiche spätere Modelle von Reflexion und reflexiver Kompetenz. Sie unterliegt im Sinne der Fähigkeit zu Mehrperspektivität auch der hier entwickelten Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz (vgl. Abschnitt 7). 3.3 Schön (1983): reflection in action versus reflection on action Grundlage zahlreicher Arbeiten zur Lehrer- und Professionsforschung sind die Arbeiten zum Verhältnis expliziten und impliziten Wissens, die Donald Schön in The reflective practitioner (1983) systematisiert hat5. Schöns Arbeit geht von der oben bereits ausgeführten Annahme eines Bruchs zwischen Theoriewissen und praktischem Handeln – auf welches theoretisches Wissen keinen Einfluss zu nehmen scheint – aus. Darüber hinaus wird bei Schön ein zweiter Gedanke entwickelt, der sich auf die Existenz so genannten theoretischen Wissens an sich bezieht, die er grundsätzlich anzweifelt: Eine verbindliche Wissensbasis existiert in vielen Bereichen gar nicht; das Transferproblem entsteht demnach viel früher – an der Stelle nämlich, wo die Frage nach dem aufkommt, was überhaupt transformiert werden könnte (oder sollte). Hier stellt Schön fest: „in professions such as social work and education, there is not a body of secure knowledge that can be used instrumentally to guide practice and this results in a state of confusion” (Schön 1983, zit. in Moon 1999: 416). Ausgehend von der Frage, wie Handlungsfähigkeit in Professionen wie Architektur, Pflege oder Medizin ausgebildet wird, unterscheidet er zentral die Konzepte reflection in action und reflection 5 6

Die folgende Darstellung orientiert sich an Moon (1999). Moon zitiert hier Schön (1983), die genaue Referenz konnte nicht nachvollzogen werden.

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on action. Reflexion in der Handlungssituation als bewusstes Reagieren auf zeitgleiches Geschehen lässt sich als Aktualisierung impliziten Wissens beschreiben, die stark nach dem Prinzip von „Versuch und Irrtum“ funktioniert (vgl. Moon 1999: 42). Diese Handlungen beziehen sich nicht auf wissenschaftliche Theorien, sondern idiosynkratisch auf Gebrauchstheorien, die in der Handlung selbst verankert sind. Reflection on action hingegen ist die rückblickende sprachliche Explizierung dessen, was die Handlung spontan bestimmt hat: “[…] they turn thought back on action and on the knowing which is implicit in action. They may ask themselves, for example, ‘What features do I notice when I recognize this thing? What are the criteria by which I make this judgement?’[...]” (Schön 1983: 50).

Hier ist Reflexion im chronologischen Sinne ein Nach-Denken, bei dem Reflektierende aus dem unmittelbaren Handlungsgeschehen zeitlich heraustreten. Dies ermöglicht ein verlangsamtes Explizieren von Handlungsintentionen einerseits, von Analysen des Handelns, das auch von anderen als den intendierten Aspekten bestimmt sein kann, andererseits. Die reflection on action ist eine explizierende Sprachhandlung, während das Handeln in action ganzheitlich und nicht nur verbalsprachlich geprägt ist. Für den weiter unten entwickelten Ansatz zu reflexiver Handlungskompetenz (vgl. Abschnitt 7) sind maßgeblich die Grundannahme divergierender Wissensformen sowie das Konzept der reflection on action als distanznehmende Versprachlichung von Erfahrung relevant. Auch das Modellierungsproblem des „theoretischen Wissens“ („body of secure knowledge“) wird im empirischen Ansatz berücksichtigt (vgl. Abschnitt 4). 3.4 Korthagen (2002): Zyklische Reflexion und Lehreridentität Auf das Zirkelmodell (vgl. Abb. 1), das Korthagen in Schulwirklichkeit und Lehrerbildung (2002: 66) vorschlägt, beziehen sich zahlreiche Ansätze lehrerbildender Veranstaltungen, sowohl im universitären Kontext als auch der zweiten Phase des Vorbereitungsdienstes. Das handlungsverändernde Potenzial von Reflexion wird hier über eine zyklische Anlage prozesshafter Bezogenheit von Erfahrung und Reflexion modelliert:

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Abb. 1: Reflexionszirkel nach Korthagen (2002: 66).

Übergeordnet diskutiert Korthagen auch Elemente der Identität von Lehrkräften in einer von ihm als „Zwiebelmodell“ bezeichneten Dimensionierung. Reflexion ist hier zwar als transversale Tätigkeit präsent, wird jedoch selbst nicht weiter beleuchtet. Die bildhafte Vorstellung äußerer und innerer Schichten, die ineinandergreifen, unterscheidet sich von Modellen, die Progressionen vorschlagen. Die modellierten Dimensionen implizieren jedoch durchaus ‘oberflächlichere’ und ‘tiefere’ Ebenen, die gegebenenfalls auch mit einer Annahme einfacher oder schwieriger herzustellender Veränderbarkeit einhergehen. Das Modell integriert die Dimensionen Umwelt („What is it you have to cope with?/What influences you?“), die Verhaltensebene („What do you do?“), Kompetenzen („What can you do?“), Überzeugungen und Einstellungen („What do you believe in?“), Identität („Who are you?/How do you see your role in...?“) und Mission („Why are you here? To what larger whole do you feel committed?“) (Meijer/Korthagen/Vaselos 2009: 299). Weitere Dimensionen für reflexive Kompetenzen schlagen Korthagen/ Wubbels (1991) vor, wenn sie zwischen einer „external and non reflective orientation“ und einer „internal and more reflective orientation“ unterscheiden, wobei sich letztere dadurch auszeichnet, dass die Studierenden mit

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einer fragenden Grundhaltung an ihren Unterricht herangehen und die Lernprozesse der Schüler*innen ins Zentrum ihrer Reflexion stellen. Die Differenzierung solcher Grundhaltungen fließt auch in die Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz ein, ebenso wie das zyklische Modell reflexiver Prozesse dem hochschuldidaktischen Konzept des Praktikumsmoduls unterliegt (vgl. Abschnitt 7). 3.5 Müller (2010): Vom Reflex zur Reflexion Eine begriffsgeschichtliche Perspektive auf den Reflexionsbegriff entfaltet Müller (2010): Er beschreibt Reflexion als grundsätzlich intentionale und dem Reflektierenden zugängliche Handlung, die gleichzeitig aber von nicht steuerbaren, konfligierenden Wissensanteilen geprägt bleibt. Reflexivität modelliert Müller nicht skalierend, sondern in der Fokussierung auf Handlungen, die Reflektierende vollziehen. Der Transfer seiner sozialphilosophisch begrifflichen Unterscheidung von „Reflex – Reflektion – Reflexion“ auf gängige Ansätze reflexiver Lehrer*innenbildung ist insofern überzeugend, als er dazu beiträgt, deren spezifischen Beitrag zu möglicher Handlungsveränderung (und was dabei hinderlich sein könnte) nachzuvollziehen. Das Modell von Müller ist letztlich auch hierarchisierend, hat aber gegenüber anderen skalierenden Modellen den Vorteil, dass die Dimensionen stärker in ihrer Interdependenz interessieren: „Unterschiedliche Ebenen und Formen von Reflexivität verweisen darauf, dass Praxis aus einer Kombination von drei Ebenen besteht: Routinen (Reflex) erleichtern den Alltag, Reflektion hilft zur Verbesserung der sinnvollen Routinen, und durch Reflexion wird der Zusammenklang der beiden vorhergehenden Ebenen praktisch und theoretisch vollzogen und kann im besten Falle einer produktiven Änderung zugeführt werden“ (Müller 2010: 44). Sein Modell will er nicht als „additive Stufenfolge“ verstanden wissen, sondern als „jeweils andere vermittlungslogische Möglichkeit[en], sich innerhalb des Zirkels zu bewegen“ (Müller 2010: 48). Die Frage, wie der Kontext der Reflexion selbst zu ihrem Gegenstand wird (vgl. Müller 2010) bestimmt auch das für die empirische Studie angesetzte Verständnis von Reflexion. Dieses setzt die Problematisierung von Routinen in

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weiteren, vielperspektivischen Kontexten als (kompetente) Reflexionshandlung an (vgl. Abschnitt 7). Dieser Aspekt liegt nah an der Ebene kritischer Reflexion, wie sie bei Van Manen (1977) und Hatton/Smith (1995) konstituiert wird. 3.6 Empirische Modelle reflexiver Kompetenz Empirische Ansätze, Reflexion beschreib- oder gar messbar zu machen, bewegen sich in einem Spektrum kompetenzmessender Zugriffe einerseits – hier soll objektiv und repräsentativ erhoben werden, wie ‘gut’ Studierende oder Lehrkräfte zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer professionellen Biographie reflektieren können –, andererseits existieren Arbeiten, die aus der Binnensicht der Akteur*innen ihre Wahrnehmung des Kompetenzerwerbs rekonstruieren. Beiden Herangehensweisen unterliegt das Problem, dass Reflexion grundsätzlich nur indirekt beobachtet werden kann: Es wird auf reflexive Kompetenz aus bestimmten Handlungen – also aus beobachtbarer Performanz heraus – geschlossen. Da es kein isoliertes Verhalten oder ein Set an Verhaltensmerkmalen gibt, das eindeutig auf Reflexivität hinweisen würde – „There is no one behavior or one consistent set of behaviors“ (Moon 1999: 65) – sind entsprechende Modelle auch immer nur als Annäherung zu begreifen. Sie integrieren diejenigen Anteile von Reflexion, die sie auswählen und operationalisieren, wobei sie andere Anteile zwangsläufig ausklammern. Dies kann zu Fokussierungen führen, die weniger dem inhaltlich-begrifflichen Interesse an komplexen reflexiven Handlungen folgen, sondern sich aus forschungsmethodologischen Gründen am ‘Machbaren’ orientieren müssen. Es werden im Folgenden exemplarisch zwei empirische Modellierungen vorgestellt, die Möglichkeiten der Skalierung und dimensionaler Typisierung verdeutlichen sollen. Während Hatton/Smith (1995) versuchen, reflexive Kompetenz zu skalieren, erarbeiten Gasser/Suter/Bühler (2014) Rekonstruktionen von typenhaften Professionsverständnissen, die reflexiven Prozessen unterliegen. Für die in Abschnitt 7 entwickelte Definition reflexiver Handlungskompetenz wird zwar auf Skalierungen verzichtet, die Dimensionen, die bei Hatton/Smith relevant sind, spielen jedoch auch hier eine Rolle. An den

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beiden empirischen Arbeiten soll auch gezeigt werden, dass ihnen trotz der unterschiedlichen methodologischen Rahmung sehr ähnliche Elemente eigen sind, die auf reflexive Kompetenz hinweisen; dies sind vor allem der Begriff der „dialogischen Reflexion“, die von der unmittelbar persönlichen Ebene abstrahiert, sowie darüber hinaus die grundsätzliche Annahme, dass Reflexionsprozesse auf verschiedenen Ebenen verlaufen, die den Reflektierenden selbst nicht immer zugänglich sind. 3.6.1 Reflexion als Progression: Hatton/Smith (1995) Hatton/Smith (1995) entwickeln – ausgehend von den Reflexionsbegriffen von Dewey, Schön und Habermas – einen skalierenden Systematisierungsversuch reflexiver Kompetenz, der fünf Stufen von Reflexivität umfasst. Die Daten, die der Studie zugrunde liegen, umfassen mündliche und schriftliche Selbstzeugnisse (Berichte, Selbstevaluationen) sowie Unterrichtsvideos und strukturierte Interviews. Die Autoren äußern sich nicht näher zu ihren Auswertungsverfahren (vgl. Hatton/Smith 1995: 40), von besonderem Interesse ist aber der Versuch der Triangulation selbstevaluativer Daten mit solchen, die aus Videoanalysen zum beobachteten Handeln resultieren. Hatton/Smith erstellen ausgehend von der Analyse ihrer Daten eine Typologie (vgl. Abb. 2), die sich stark an Schöns Differenzierung von reflection in action und reflection on action anlehnt und beiden Ausprägungen als „unterste Stufe“ eine „technische“ Reflexion assoziiert, die sie wiederum aus den Typologien von Valli (1992) und van Manen (1977) übernehmen.

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Abb. 2: Modell reflexiver Progression (Hatton/Smith 1995: 45).

Im Bereich der reflection on action unterscheiden sie eine beschreibende (descriptive reflection), eine dialogische (dialogic reflection) und eine kritische (critical reflection) Ebene reflexiver Handlungen. Schon die beschreibende Ebene geht insofern über die rein technizistische (vgl. Ebene 1 in Abbildung 2) hinaus, als hier in Ansätzen Erklärungen

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für Lehrhandeln formuliert und Alternativen für zukünftiges Handeln beschrieben werden. Dabei gibt es Ausprägungen, die eine Perspektive berücksichtigen oder zu erkennen geben, dass mehrere Perspektiven präsent sind. Die dialogic reflection zeichnet sich durch eine Distanzierung („stepping back“) vom erlebten Geschehen aus, das verschiedene interpretative Zugriffe auf die Situation durchspielt und alternative Erklärungsmuster und Hypothesen formuliert. Diese Reflexion ist analytisch und integriert verschiedene Faktoren, auch in ihrer potenziellen Widersprüchlichkeit. „Dialogisch“ bezieht sich hier nicht nur auf tatsächlich im Zwiegespräch mit anderen hervorgebrachte Reflexion, sondern auf eine durch „discourse with one‘s self“ hergestellte Mehrperspektivität, die nach möglichen unterliegenden Gründen für das Handeln fragt. Critical reflection ergänzt die Distanzierung von der Erfahrung durch eine Perspektive noch weiterer Kontextualisierung, bei der historische und soziokulturelle Faktoren mitgedacht werden, wie beispielsweise Machtverhältnisse in institutionellen Kontexten (vgl. Hatton/Smith 1995: 49). Dass Skalierungen durch unterschiedliche Grundannahmen zu reflexiven Prozessen bestimmt sein können, wird zum Beispiel an der Verortung von reflection in action-Handlungen im Modell von Hatton/Smith deutlich, die je nach Modell unterschiedlich ausfällt. Valli (1992), die sechs Levels von Reflexion unterscheidet ((1) behavioral, (2) technical decision making, (3) reflection-in-action, (4) deliberative, (5) personalistic, (6) critical), charakterisiert die reflection in action als ‘mittlere’ Progressionsstufe, während sie bei Hatton/Smith als „most complex and demanding kind of reflection“ (Hatton/ Smith 1995: 44) erscheint und entsprechend ‘hoch’ in der Progressionsskala verortet wird. Für den Reflexionsbegriff der vorliegenden Studie wird die reflection in action in Anlehnung an Hatton/Smith als stark voraussetzungsreich und eher bei erfahrenen Lehrkräften identifizierbar angesetzt (vgl. Abschnitt 7). 3.6.2 Reflexion als Ausdruck des Professionsverständnisses: Gasser/Suter/ Bühler (2014) Eine Typologie, die zwar nicht ausdrücklich skaliert, in der Zuschreibung von Übereinstimmung und/oder Differenz zu etablierten Verständnissen von

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Reflexion aber durchaus Hierarchisierungen vornimmt, wird bei Gasser/ Suter/Bühler (2014) dargestellt: Aus Aufgaben zu reflexiven Fallrekonstruktionen, die von Lehramtsstudierenden der PH Bern bearbeitet werden, leiten sie drei Typen von Professionsverständnissen her. Die Studierenden sollen dabei eine im Praktikum erlebte Situation verschriftlichen und methodisch angeleitet analysieren, wobei sie zur „Entschleunigung gezwungen“ (Gasser/ Suter/Bühler 2014: 36) werden, um hermeneutisch-rekonstruktive Verfahren anwenden zu können. Die drei Typen zeichnen sich durch Übereinstimmung oder Differenz zum angesetzten Reflexionsverständnis aus. Dieses besteht in einer Sensibilisierung für die nicht-Standardisierbarkeit professionellen Handelns und der daraus abgeleiteten Notwendigkeit von Reflexion und Begründung (vgl. Gasser/Suter/Bühler 2014: 34). Der erste Typ – „Lehrperson als reflexiv-professionalisierte Praktikerin“ ist durch den Anspruch gekennzeichnet, „dass sie das eigene Handeln mittels theoriegeleiteter Reflexion begründen“ (Gasser/Suter/Bühler 2014: 3) kann und deckt sich darin mit der Schönschen Vorstellung des reflective practitioner, der in der Lage ist, „sich reflexiv-analytisch von normativen Grundannahmen, die an Bildungsprozesse geknüpft sind, zu distanzieren“ (Gasser/Suter/Bühler 2014: 39). Der zweite Typ – „Lehrperson als soziotechnokratische Perfektionistin“ – charakterisiert sich durch effektive Planung und deren möglichst störungsfreie Durchführung (vgl. Gasser/Suter/Bühler 2014: 39). Die „Lehrperson als charismatische Meisterin“ identifiziert sich wesenhaft mit der Rolle – „Sie sind Lehrperson“ (Gasser/Suter/Bühler 2014: 40; Kursivsetzung im Original; B.S.) – und unterrichten intuitiv, ohne die Notwendigkeit zur Begründung anzuerkennen oder Handlungsalternativen zu reflektieren. Die Autorinnen assoziieren den ersten und zweiten Typ mit grundsätzlich unterschiedlichen Professionsverständnissen, wobei sie die „reflexiv-professionalisierte“ Praktikerin dem strukturtheoretischen Verständnis von Professionalisierung beiordnen, die soziotechnokratische Perfektionistin einer wissenssoziologischen Perspektive (die hier so verstanden wird, dass Professionalität vor allem im Verfügen über Lösungen, mit denen Praxisfällen begegnet wird, besteht). Diese Art der Typologisierung unterscheidet sich von den weiter oben skizzierten vor allem dadurch, dass sie nicht aus der Überprüfung eines ex ante angesetzten

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Modells reflexiver Kompetenz hervorgeht, sondern reflexive Prozesse mit übergeordneten Verständnissen von Professionalität abgeglichen werden. Dabei ist weniger relevant, was die Studierenden reflexiv tun, sondern welche unterliegenden Überzeugungen die Reflexionsprozesse bedingen. Dieser Ansatz bestimmt auch das im Rahmen der vorliegenden Studie entwickelte Verständnis reflexiver Prozesse, vor allem hinsichtlich der Frage fachdidaktisch fokussierter Reflexionshandlungen (vgl. Abschnitt 7). 3.7 Probleme der Empirie: Experimente versus Selbsteinschätzungen Naheliegend für die Frage, ob reflexive Ansätze der Lehrer*innenbildung „wirksam“ sind oder nicht (vgl. den Überblick bei Abel/Faust 2010), sind experimentelle oder quasi-experimentelle Untersuchungen, wie beispielsweise von Feltens Studie (2005) (vgl. Abschnitt 5.6). Es liegen mittlerweile einige Versuche mit wirkungsbezogenen Forschungsdesigns vor (vgl. den Überblick in Lunkenbein 2012), jedoch gelangen zahlreiche Studien (vgl. Dieck et al. 2010) zu der Aussage, dass hier häufig keine signifikanten Unterschiede reflexiv orientierter Ansätze zu anderen Formaten feststellbar sind. Der Anspruch, die spezifische Wirksamkeit reflexiver im Vergleich zu anderen Verfahren zu belegen, erweist sich also als problematisch. Entweder sind sie tatsächlich nicht wirksam, oder die forschungsmethodischen Ansätze sind nicht geeignet, das Spezifische, um das es bei der Reflexion zentral geht, so zu isolieren, dass ein Vergleich zwischen Experimental- und Kontrollgruppen tatsächlich aussagekräftig wäre. Hier sind wiederholt zwei Probleme zu beobachten: Erstens handelt es sich in den meisten Fällen um quasi-experimentelle Designs, die – obwohl sie Kontrastierung anstreben – im Rahmen natürlicher Lehr-/Lernsituationen verortet sind und damit zwangsläufig mit Faktorenkomplexion umgehen müssen, die kaum antizipier- oder ausschaltbar ist. Zweitens fehlen aktuell valide, empirisch verankerte Modelle spezifischer Kompetenzen vor allem für domänenspezifische fachdidaktische Kompetenzen, die experimentell überprüft werden könnten (vgl. Abschnitt 4). Nicht weniger problematisch als der Versuch experimenteller Messung reflexiver Kompetenz erscheinen im Gegensatz dazu Arbeiten, die auf Kompetenzeinschätzungen von Studierenden basieren und deren Binnensicht

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zugänglich machen: Interviews und Selbsteinschätzungen werden zwar laut Maag/Werner (2011) im Forschungsdiskurs kontinuierlich kritisiert, bleiben jedoch ein immer wieder praktizierter empirischer Zugriff. Problematisch an Arbeiten zur Selbsteinschätzung der Kompetenz ist laut Cramer (2010), dass diese eher „ein Ausdruck des (beruflichen) Selbstverständnisses künftiger Lehrerinnen und Lehrer [sind] als ein verlässlicher und valider Kompetenzindikator“ (Cramer 2010: 85). Entsprechende Daten verweisen also eher auf beliefs als auf Kompetenzen. Auch Hatton/Smith (1995: 36) betonen die Notwendigkeit, in der Forschung über die Analyse von Selbstberichten hinauszugehen und Ansätze zu finden, durch die reflexive Prozesse evident nachgewiesen werden können. Im Gegensatz dazu erkennen Gröschner/ Schmidt (2012: 117) in Selbsteinschätzungen durchaus die Möglichkeit, aus ihnen Indikatoren für Kompetenzentwicklungen herzuleiten, weil sie als Element des Selbstkonzepts Veränderungen des Zutrauens in die eigenen Fähigkeiten dokumentieren. Als Beispiele dafür können die Arbeiten von Warneke (2006) oder Haack (2018) gelten, welche über Interviews und Fragebögen Entwicklungsprozesse analysieren, die veränderte Einstellungen nachweisen. Neben dem Problem der Unzuverlässigkeit beispielsweise von Selbsteinschätzungen spielen auch forschungsökonomische Hindernisse bei der empirischen Erforschung von Reflexionskompetenz eine Rolle. Indirekte Verfahren – solche also, die aus der Performanz konkreter Reflexionshandlungen auf reflexive Kompetenz schließen wollen –, sind laut Leonhard et al. (2010: 117) zwar ergiebig, aber derart aufwändig, dass sie sich zwangsläufig auf kleinere Projekte mit geringer Probandenzahl beschränken müssen. Dabei zeigen Arbeiten zu schriftlichen Dokumentenanalysen wie Portfolios oder Lerntagebüchern durchaus, „dass es sich bei diesen Produkten um ausgesprochen ergiebige Forschungsdokumente handelt, die je nach Gestaltung tiefe Einblicke in die Lern-, Reflexions- und Selbststeuerungsprozesse der Studierenden erlauben“ (Leonhard et al. 2010: 117). Das bestätigt auch Abendroth-Timmer (2011: 35), die ausgehend von einer inhaltsanalytischen Systematisierung selbstreflexiver Texte in Portfolios behauptet, dieses Instrument als „Methode der Reflexion bestätigt“ zu haben. Auch Raith

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(2011) kann Ausprägungen reflexiver Kompetenzen in Interviews nachzeichnen, die auf Stimulated Recalls zu Unterrichtsvideographien basieren. Der Nachvollzug reflexiver Kompetenz bei Roters (2012) basiert ebenfalls auf Interviews sowie der Analyse von Portfolios. Roters (2012) verzichtet zwar auf den Kompetenzbegriff, hat aber mittels ihrer typenbildenden Inhaltsanalyse einen überzeugenden empirischen Ansatz zur Messung reflexiver Kompetenzen im Kontext der Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften vorgelegt. 3.8 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie Der vorliegenden Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass eine systematisch angeleitete, auf Reflexivität fokussierende Theorie-Praxisverbindung zur Professionalisierung angehender Lehrkräfte beiträgt. Der Begriff der Reflexion und Versuche, reflexive Kompetenzen empirisch einzuholen, wurden in den vorangegangenen Abschnitten jedoch problematisiert: Zwar wird Reflexion im Kontext praxisorientierter Lerngelegenheiten zugeschrieben, unterrichtliches Handeln verstehbar und damit veränderbar zu machen. Wie jedoch genau reflexive Prozesse gestaltet und empirisch nachgewiesen werden können, bleibt insofern problematisch, als Reflexion nicht direkt beobachtbar ist. Für empirische Arbeiten stellt sich also zusammenfassend die Frage, welche Aspekte von Reflexion in einem konkreten Forschungszusammenhang prioritär interessieren und wie diese empirisch erkennbar gemacht werden können. Ein entsprechendes Modell reflexiver Handlungskompetenz wird in Abschnitt 7 entwickelt. Ihm unterliegen die Grundannahmen, die oben aus den ausgewählten Arbeiten zum Reflexionsbegriff hergeleitet wurden und an dieser Stelle erneut zusammengefasst seien: Der Reflexionsbegriff bezieht sich auf Elemente, die sich sowohl in skalierenden als auch in dimensionalen Modellen als wiederkehrend herauskristallisieren. Mit Dewey (vgl. Abschnitt 3.1) wird Reflexion als Zusammenhang von Erfahrung und Handlung begriffen. Van Manen (vgl. Abschnitt 3.2) verweist auf zentrale Dimensionen von Reflexion, die auf kritisch-emanzipatorische Aspekte von Handlungsveränderung durch Reflexion verweisen und vor allem an die Herstellung mehrperspektivischer Sichtweisen auf Erfahrungen

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gebunden sind. Von Schön (vgl. Abschnitt 3.3) wird die grundsätzliche Differenz verschiedener Wissensarten übernommen sowie der Begriff der reflection on action im Sinne der verbalen Explizierung professioneller Erfahrungen ex-post. Korthagens zyklisches Verständnis des Reflexionsprozesses (vgl. Abschnitt 3.4) wird als Modell angesetzt, Handlung und Reflexion im Praktikumskontext zu verstehen und hochschuldidaktisch zu transformieren (vgl. Abschnitt 7). Mit Müller (vgl. Abschnitt 3.5) wird die grundsätzliche Interdependenz verschiedener Dimensionen der Kategorie Reflexivität betont, die sich eher durch ihrerseits reflektierte Zusammenhänge als durch progredierende Skalierung auszeichnet. Darüber hinaus wird angenommen, dass Reflexion per se an erfahrungsbasierte Selbstaussagen geknüpft ist und deshalb ausgehend von entsprechenden Texten untersucht werden soll. Wenn auch auf skalierende Modellierungen als Bezugspunkt verzichtet wird, so werden die Selbstaussagen der Studierenden dennoch vor dem Anspruch der Überprüfung außerhalb ihrer selbst entwickelten Kriterien systematisiert. Zusammenfassend versucht der hier verfolgte Ansatz also, immanente Beschreibungen von Professionalisierungsprozessen mit „auf Entwicklungsziele gerichtete[n], letztlich auch normative[n] Komponente[n]“ (Terhart 2011a: 341; kursiv im Original; B.S.) zu verbinden.

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Fachdidaktisches Wissen: Modelle und empirische Zugänge

Die Forderung, wissenschaftliche Reflexivität zum Fluchtpunkt der Professionalisierung zu machen, wird von Helsper als „methodisierte, wissenschaftliche Erkenntniskompetenz unter Rückgriff auf wissenschaftlich abgesicherte Wissensbestände“ (Helsper 2001: 11-12; zit. in Lüsebrink 2014: 444) beschrieben. Reflexion soll sich dementsprechend auf eine bestimmte Art von Theorie beziehen, nämlich eine solche, die erstens relevant für unterrichtliches Handeln ist und zweitens als wissenschaftlich abgesichert gilt. Dieser Anspruch dürfte erheblich schwerer einzulösen sein als es zunächst den Anschein haben könnte: Es gibt kaum Evidenzen zur Wirksamkeit bestimmter fremdsprachendidaktischer Methoden oder Praktiken, und auch die bildungspolitischen, curricularen und fachdidaktischen Referenztexte folgen keineswegs einer gemeinsamen Basis, die eine Identifikation dessen, was nun genau als „wissenschaftlich abgesichert“ gelten könnte, ermöglichen würde. Die Vorstellung, es gäbe so etwas wie eine stabile, empiriebasierte Wissensbasis, die dann im Handeln transformiert würde, ist als Metapher bereits irreführend: Das Bild suggeriert, dass es einen (fest verankerten und ‘monolithischen’) Bestand gibt, der in die Kompetenzentwicklung eingebracht wird. Dass diese Vorstellung problematisch ist, wurde bereits weiter oben mit Schöns Ausführungen in The reflective practitioner erläutert (vgl. Abschnitt 3.3). In den folgenden Abschnitten werden zunächst die paradigmatischen Probleme von Modellierung und empirischem Nachvollzug weiter ausgeführt. Dabei wird für den Bereich der Fremdsprachendidaktik das Problem diskutiert, inwieweit überhaupt von einer Wissensbasis als Bezugspunkt des Fremdsprachenunterrichts ausgegangen werden kann. In einem zweiten Schritt wird unter dem Stichwort des „Kompetenzparadigmas“ beschrieben, dass bestehenden Modellierungsversuchen der gemeinsame Ansatz unterliegt, fachdidaktisches Wissen an den Lern- und Kompetenzzielen schulischen Fremdsprachenunterrichts entlang zu entwickeln.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_4

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Fachdidaktisches Wissen

In weiteren Unterkapiteln werden konkrete Modelle fremdsprachendidaktischen Wissens für die Lehrer*innenbildung diskutiert. 4.1 Fachdidaktisches Wissen als Problem: Fremdsprachendidaktik als nicht-kanonisiertes Wissensgebiet Das Anliegen der Konstruktion einer konsensuellen Wissensbasis für die Lehrer*innenbildung besteht zunächst einmal darin, eine Sensibilität für die Frage zu entwickeln, was aus welchen Traditionen heraus, von wem und auf welcher empirischen Basis als ‘gutes praktisches Handeln’ angesetzt wird und diese vermeintlichen Gegebenheiten gegebenenfalls zu hinterfragen. Für den Bereich der Fremdsprachendidaktik erscheint dies besonders schwierig. Was in einer fachdidaktischen Einführung als common sense beispielsweise zur Grammatikvermittlung zusammengetragen wird, kann empirischen Forschungsergebnissen – sofern solche überhaupt vorhanden sind – massiv widersprechen; was in fachdidaktischen Zeitschriften als „praxiserprobtes Konzept“ zur Nachahmung angeboten wird, kann bei der Realisierung in veränderten pädagogischen Kontexten gründlich scheitern. Auf Fragen aus der Praxis, zu denen Studierende gegebenenfalls Hinweise in der wissenschaftlichen Literatur suchen, finden sie häufig keine Antworten, weil viele Bereiche fachdidaktischer Praxis bislang kaum empirisch eingeholt sind oder unter veränderten Begrifflichkeiten theoretisiert werden, ohne dass Übergänge zwischen Alltags- und Wissenschaftssprache transparent diskutiert und vermittelt würden. Darüber hinaus erscheint auch im Fall ausreichend ‘gesicherter’ empirischer Ergebnisse die Frage des Transfers problematisch. Von einer ‘Deduktionslogik’ aus der Empirie in die Praxis kann nicht ausgegangen werden: Grotjahn (2003) betont beispielsweise, dass Lehrkräfte wissenschaftlich begründete Handlungsempfehlungen benötigen, weswegen Sprachlehrforschung und Fremdsprachendidaktik sich als „praxisorientierte Wissenschaften“ verstehen. Aber „ein direkter Schluss von Sein auf Sollen, d.h. eine direkte Ableitung von Handlungsempfehlungen aus den Resultaten empirischer Forschung“ (Grotjahn 2003: 494) ist umgekehrt nicht möglich – was die genannten Disziplinen gerade von reinen „Erfahrungswissenschaften“ abhebt.

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Die mangelnde systematische Wissensbasis ist gerade für die Fremdsprachendidaktiken ein Problem. Erste Ansätze zur Bearbeitung finden sich bei Nold/Roters (2010), auch die Rahmentexte und Instrumente des Europarates (z.B. Kelly/Grenfell 2004; Newby et al. 2007) bieten Systematisierungsvorschläge an, die jedoch nicht einheitlich rezipiert werden. Es gibt nach wie vor sehr disparate Bezugspunkte für Modellierungen sprachlichen Lernens. Wenn beispielsweise in den Standards der Kultusministerkonferenz von anschlussfähigem Fachwissen in den Teilgebieten der „Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft“ die Rede ist, stellt sich erneut die Frage der Kompatibilität unterschiedlicher Studienanteile vor deren Funktion für übergreifende Fragen des Unterrichtshandelns. Die fachwissenschaftlichen Studienanteile folgen in der Regel anderen und nur bedingt an unterrichtlichen Fragen interessierten Systematiken. In diesem Sinne weist auch Grossman in ihren Arbeiten auf die „Diffuse Nature of English as a Subject Area“ (Grossman/Shulman 1994: 3) hin. Die diffuse Natur geisteswissenschaftlicher und im besonderen fremdsprachenphilologischer Gegenstandsbereiche ist laut Grossman/Shulman (1994: 4) auch durch ihren diskursiven Charakter bedingt: Der Gegenstand konstituiert sich erst im Reden über ihn, in Erzählungen über Aneignungsprozesse, die den Gegenstand aus dieser Erzählung heraus systematisieren. Grossmann/Schoenfeld/Lee (2005: 213) sprechen in diesem Zusammenhang von „essentially competing versions of English“ – womit gemeint ist, dass bereits der Gegenstand, mit dem umgegangen werden soll, im Bereich der Fremdsprachen äußerst heterogen gefasst wird (vgl. Schädlich 2014: 277). Mit einer Fokussierung auf Vermittlungsprozesse verschärft sich das Problem des immer nur flüchtig greifbaren Gegenstandes von Fremdsprachenunterricht. Pennycook (2004: 279) unterscheidet beispielsweise als mögliche Perspektivierungen eine soziale Dimension („language as social, communicative behavior“), eine künstlerische („language as a vehicle for creativity“) oder eine philosophische („training in analytic techniques“). Auch der Begriff der „gering strukturierten Domäne“ (Blömeke et al. 2011), als welche die sprachlichen Fächer in besonderem Maße gelten

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können, deutet darauf hin, dass hier die wissenssystematische Basis für die Modellierung professioneller Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften weniger kanonisiert ist und auch weniger konsensuell diskutiert wird als dies in anderen Wissensbereichen der Fall ist. Roters/Trautmann (2014) stellen fest, dass das Konstrukt „fachdidaktisches Wissen“ bislang vage geblieben ist und kaum konkretisiert wurde. Eine solche Konkretisierung ist nicht zuletzt deshalb so schwierig, weil fachdidaktisches Wissen auch nicht trennscharf von anderen Inhalten, die für das Handeln von Lehrpersonen relevant sind, zu trennen ist. So sind auch die Grenzen zum fachwissenschaftlichen und bildungswissenschaftlichen Wissen fließend. Die Differenzierung bei Shulmann (1986), der Fachwissen (content knowledge), pädagogisches Wissen (pedagogical knowledge), curricularorganisatorisches Wissen (curricular knowledge) sowie das fachdidaktische Wissen (pedagogical content knowledge) voneinander unterscheidet, lässt diese Problematik ebenfalls erkennen. Hier liegt zumindest mit dem Konzept des pedagogical content knowledge der Versuch eines handlungsbezogenen Wissensbegriffs vor. Neuweg blickt jedoch kritisch auf das Shulmansche Konzept, weil es weiterhin der Idee einer Anwendungslogik verhaftet bleibt: „Suggeriert wird damit die Existenz einer eigenen Wissensbasis, die die Lehrkraft aus dem Fachwissen und dem allgemeinpädagogischen ‘Wissen’ erzeugt und im Klassenzimmer dann anwendet“ (Neuweg 2011c: 36). Dass jede Transformation von Inhalten auch deren Interpretation und Verbindung mit unterrichtlichen Handlungen, die diesen nicht zwangsläufig korrespondent sein müssen, umfasst, macht das Konzept gleichermaßen schwer beschreibbar wie aus der Praxis heraus identifizierbar. In ähnlicher Weise kritisch äußern sich Legutke/Schart (2016: 13) aus der spezifischen Perspektive der Fremdsprachendidaktik: Zwar mag eine Modellierung fremdsprachendidaktischen pedagogical content knowledge am Beispiel der Mathematikdidaktik naheliegen, jedoch besteht eines der grundlegenden Probleme der Fremdsprachenfächer darin, dass es sich hier gerade – im Gegensatz zu den Didaktiken des mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereichs – nicht um ein „gut konturiertes Wissens- und Fertigkeitsgebiet“ (Legutke/Schart 2016: 13) handelt. Fachlicher Transfer erscheint hier

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problematisch, da einiges dafür spricht, „dass die Erforschung professioneller Kompetenzen von Fremdsprachenlehrenden fachspezifische Herangehensweisen erfordert“ (Legutke/Schart 2016: 14). Modelle zur Beschreibung professioneller Kompetenzen gehen darüber hinaus von Wissensmodellen aus, die über das deklarative Wissen hinaus auch prozedural-handlungsbezogene Elemente sowie Einstellungen und Haltungen einschließen. Professionelle Kompetenz zeichnet sich doch gerade dadurch aus, dass mit dem Wissen problemlösend gehandelt wird, wie die aktuell zentrale Definition des Kompetenzbegriffs deutlich macht: Kompetenzen sind die „bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001: 27). Der Fokus der Kompetenzentwicklung liegt also in der Transformation von Wissen sowie in der Integration verschiedener Wissensarten vor dem Ziel, Probleme handelnd lösen zu können und die hier angewandten Strategien auch in neue Problemsituationen übertragen zu können. In diesem Sinne differenziert Frey (2008) in einer Analyse zu beiden Phasen der Lehrer*innenbildung Kompetenzstrukturen von Studierenden. Dabei stellt er zwar eine Fülle unterschiedlicher Kompetenzmodelle vor, innerhalb derer die Bereiche Didaktik und Fachdidaktik jedoch weiterhin nur sehr vage beschrieben bleiben. So führt er im Bezug auf Osers Standards (1997) die Bereiche „Allgemeine Didaktik“ und „Fachdidaktik“ aus, dass eine „Lehrkraft gesellschaftliche und fachlich bedeutsame Lerninhalte auswählen sowie Lernziele im emotionalen, kognitiven und/oder psychomotorischen Bereich formulieren kann“ (Frey 2008: 51). Die Konkretisierung bezieht sich jedoch ausschließlich auf das, was mit den Inhalten handelnd geschehen oder durch Handlung erreicht werden soll – soziale Interaktion, Fördern, an Lerngruppen adaptieren, Ermöglichung von Mehrfachverarbeitung durch die Schüler – nicht jedoch, wie die Inhalte selbst aussehen könnten und welche Faktoren gegebenenfalls die Arbeit mit bestimmten Inhalten begründbar machen.

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Die Masterverordnung Lehr des Landes Niedersachsen (MaVo 2007: 499) formuliert als Kannbeschreibung beispielsweise: „Die Absolventinnen und Absolventen beurteilen die Notwendigkeit und Problematik didaktischer Transformationen oder Reduktionen und weisen erste Erfahrungen mit deren Umsetzung nach“. Auch hier wird nicht spezifiziert, was der Gegenstand der Transformation in fachbezogener Hinsicht sein könnte oder sollte. Was genau die Anteile deklarativen Wissens sind – oder sein sollten – die in die Entwicklung von Kompetenzen einfließen, bleibt häufig unklar. Das Problem spiegelt sich auch in der Opposition zwischen normativen, kaum empirisch verankerten Kompetenzmodellen (z.B. die Standards der KMK) einerseits, sowie empirischen Beschreibungen zum Erfahrungswissen von Lehrkräften (z.B. Appel 2002) andererseits, die entweder keine kritische Perspektive beinhalten oder sich – beim Versuch, eine solche herzustellen – mit stark heterogenen möglichen Bezugsnormen konfrontiert sehen. Trotzdem lassen die Versuche, Standards für die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Anteile von Lehramtsstudiengängen zu formulieren, eher inhaltliche Aufzählungen erkennen als die Formulierung von Elementen des Könnens. Es werden vor allem so genannte „Listenmodelle“ entworfen, die Wissensbestände additiv aufführen, aber keine kontextualisierten Fertigkeitsprofile entwerfen (vgl. Wipperfürth 2009: 10). In den folgenden Abschnitten werden exemplarische Modelle fachdidaktischen Wissens näher beschrieben. Dabei sollen sowohl die inhaltlichen Elemente differenziert werden als auch Anmerkungen zur ihrem Zustandekommen beziehungsweise ihrer Eignung für empirische Evaluationsprozesse erörtert werden. Grundsätzlich folgen die meisten Kompetenzmodelle der Annahme, dass diese an den Kompetenzzielen des Fremdsprachenunterrichts orientiert sein sollten, also strukturell parallel konstruiert werden: „Dabei wird angenommen, dass die Orientierung an den Zielen des Fremdsprachenunterrichts die notwendige Integration aller Handlungsanforderungen erleichtert. Die Bildungsziele des Fremdsprachenunterrichts, die als Zielvorgaben für das Lehrerhandeln dienen, sind über die Lehrpläne bekannt“ (Wipperfürth 2009:

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9). Referenzpunkte sind also linguistische Forschungen und bildungspolitische Rahmentexte zu Spracherwerbs- oder Lernprozessen sowie eine Orientierung an den gesellschaftlichen Funktionen, die dem „Sprachenkönnen“ zugeschrieben werden. Die Geschichte der Methoden des Fremdsprachenunterrichts – und damit auch der Lerninhalte für angehende Lehrpersonen – zeigt diese Verwobenheit deutlich (vgl. Willems 2004; Titone 2004). Institutionell sind lehrerbildende Studiengänge jedoch nicht einheitlich verortet, sodass die unterliegenden Parameter zu heterogenen Ausprägungen von Inhalten, Kanones und Ausbildungsstrukturen führen und sich gerade nicht – oder nicht ausschließlich – an den Belangen des Fremdsprachenunterrichts orientieren. So zeigt der Blick in Vorlesungsverzeichnisse und Modulkataloge fremdsprachenphilologischer Lehramtsstudiengänge, dass diesen häufig eine andere Fachsystematik unterliegt oder zumindest die Proportionen der Anteile sich anders gestalten. Die Ausbildungsanteile gerade der ersten Phase sind in der Regel nicht an den Zielen des Fremdsprachenunterrichts ausgerichtet, sondern an der Wissenschaftssystematik fremdsprachenphilologischer Studiengänge wie Anglistik, Romanistik, Slawistik oder Sinologie. Die fünf Kompetenzbereiche der MaVo (siehe Abschnitt 4.2.1) zeigen dies auch deutlich. Die Standards sind also keineswegs normative Vorgaben, die aus der empirischen Forschung hergeleitet und dann an den Universitäten ‘umgesetzt’ würden. Sie nehmen stattdessen deutlich erkennbar auch gängige traditionelle curriculare Strukturen und Lehrangebote in ihre Rahmungen mit auf. So werden hier auch Traditionen gefestigt, die aus der Perspektive anderer Kompetenzmodelle und Standards für die Lehrer*innenbildung gerade problematisiert werden. Die Differenz zwischen Schulfach und Wissenschaftsfach dürfte in kaum einer Domäne so eklatant sein wie im Fall der Fremdsprachenphilologien und ‘ihren’ Didaktiken. Dies liegt auch daran, dass fremdsprachendidaktisches Forschen und Lehren an Universitäten in unterschiedlichen Kontexten stattfindet. Eine grobe Unterscheidung lässt sich beispielsweise zwischen Studiengängen, die primär auf das Lehren und Lernen von Fremdsprachen ausgerichtet sind, gegenüber solchen, die dies lediglich sekundär einschließen,

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feststellen (vgl. Willems 2004): Studiengänge der Sprachlehrforschung, angewandten Linguistik, DaF oder DaZ widmen sich primär der Erforschung sprachlich-kultureller Lehr-/Lernprozesse. Da das Berufsziel der Absolvent*innen der Lehrberuf ist, nimmt die Lehre diese Zielsetzung entsprechend auf. Demgegenüber fokussieren Studiengänge der fremdsprachlichen Lehrämter für das staatliche Schulwesen insofern meist nur sekundär auf Vermittlungsprozesse, als diese lediglich einen (recht marginalen) Teil der Forschungs- und Lehrtätigkeit anglistischer, romanistischer oder slawistischer philologischer Seminare ausmachen. Hier folgt die Struktur der Lehrer*innenbildung sehr viel stärker den Fachsystematiken von Literatur- und Sprachwissenschaft und deren Wissenschaftstraditionen. Die Schnittmenge mit den unmittelbaren Belangen sprachlich-kultureller Erwerbsprozesse und deren Förderung ist hier ungleich kleiner: Sprachliche Lehr-/Lernforschung ‘braucht’ Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften als Bezugstheorien, umgekehrt jedoch ist dies nicht der Fall. 4.2 Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften: Standards und Modellierungsversuche Obwohl die bildungswissenschaftliche Professionsforschung hinsichtlich allgemeiner Lehrkompetenzen mittlerweile recht differenzierte Modelle entwickelt hat, die sich auch in Standards (z.B. KMK 2004) manifestieren, bleibt die Konkretisierung für fachdidaktische Lehrkompetenzen – vor allem in den geisteswissenschaftlichen und sprachlichen Fächern – noch immer ein Desiderat. Zwar hat die Kultusministerkonferenz auch für die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Anteile der Lehrer*innenbildung Standards formuliert (vgl. KMK 2008). Dennoch lässt sich so etwas wie ein Wissenskanon, der in den fremdsprachendidaktischen Anteilen der ersten Lehrerbildungsphase als konsensuell angenommen werden könnte, kaum ausmachen. Raith (2011) widmet einen knappen Abschnitt seiner Dissertationsstudie den „[i]nhaltsorientierte[n] Standards für die Fremdsprachen“ (Raith 2011: 28). Hier werden vor allem mögliche Inhalte wie Themen aus der „Welt der Lernenden, der Welt der Zielkulturen, der Zielsprache und dem Lehr/Lernprozess“ (Raith 2011: 28) genannt. Er beschreibt ebenfalls das Problem,

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dass Kompetenzen und Inhalte nicht zu trennen sind und sich deshalb auch Kompetenzen „anders modellieren“ (Raith 2011: 28) lassen müssten. Die Festlegung von Kanones – „eine Liste literarischer Texte oder landeskundlicher Themen“ (Raith 2011: 28) – allein ist dafür allerdings nicht ausreichend. Fremdsprachendidaktische decken sich nicht mit fachwissenschaftlichen Kanones, obwohl sie in Rahmentexten wie beispielsweise der Masterverordnung Lehr des Landes Niedersachen (Schule und Recht 2007) so verknüpft werden, dass in ihnen die Annahme erkannt werden kann, fachwissenschaftliches Wissen sei die Grundlage fachdidaktischen Handelns und werde bei der Unterrichtstätigkeit in die ‘Praxis umgesetzt’. Die folgenden Abschnitte skizzieren einige der aktuell maßgeblichen Arbeiten aus dem Bereich der Professionsforschung im fremdsprachendidaktischen Bereich hinsichtlich ihrer Modellierung fachdidaktischen Wissens. Trotz der Bezugnahme auf die Texte des Europarates, erkennbar beispielsweise in der Favorisierung des kommunikativen Ansatzes und der Förderung von Mehrsprachigkeit, bleibt das fachdidaktische Wissen, das in den Rahmentexten genannt wird, nur vage umrissen. Im Gegensatz zu den Listenmodellen, die in bildungsadministrativen Texten dominant bleiben, sind Systematisierungsversuche, die aus dem fachdidaktischen Kontext selbst stammen, meist kompetenzorientiert ausgerichtet und integrieren eine handelnde Komponente von Wissensvermittlung und -aneignung, beispielsweise in Form von Kanndeskriptoren oder Vorschlägen für Lehr-/Lernmodule. Texte, in denen Modelle für fachspezifische Wissens- oder Kompetenzanteile ausgearbeitet werden, lassen sich grob in drei Gruppen gliedern: konzeptionelle Ansätze (z.B. Wipperfürth 2009), bildungspolitische (z.B. Kelly/Grenfell 2004) und diagnostische (z.B. Jansing et al. 2013) können voneinander unterschieden werden. Sie dienen zum einen unterschiedlichen Zielen, beispielsweise der Überprüfung von Kompetenzen (im Fall von TEDSLT über Tests, im Fall des Europäischen Portfolios für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA) über selbstdiagnostisches Handeln) oder der Herstellung von Bezugsrahmungen für inhaltliche und methodische Entscheidungen in Curricula und hochschuldidaktischen Formaten (Wipperfürth und Egli Cuenat

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schlagen Kompetenzbereiche und -standards vor und formulieren Kanndeskriptoren). Zum anderen sind sie empirisch unterschiedlich verankert oder ausgerichtet. Das European Profile for Language Teacher Education (Kelly/Grenfell 2004) beispielsweise ist empiriebasiert, weil es eine DELPHIExpertenbefragung zugrunde legt. TEDS-LT basiert auf empirischen Vorarbeiten und zielt auf eine empirische Überprüfung von Kompetenzen. Zusammenfassend ist den Modellen gemeinsam, dass ihnen als Bezugspunkt deutlich erkennbar die sprachenpolitischen Texte und Instrumente des Europarates unterliegen. Das EPOSA (Newby et al. 2007), das European Profile für Language Teacher Education (Kelly/Grenfell 2004) sowie weitere affine Schriften und Materialen sind unmittelbar im Kontext des Europarates, häufig am ECML/CELV7 entstanden. Sie können als Konkretisierung der paradigmatischen Ansätze zum „Sprachenlernen in Europa“ gelten, wie sie vor allem im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001) entworfen werden. In den letzten Jahren sind parallel zum Entstehen der vorliegenden Studie einige Arbeiten erschienen, die fachdidaktisches Wissen kompetenzorientiert modellieren (vgl. dazu den Sammelband von Legutke/Schart 2016). Für die Konzeption der hier durchgeführten Empirie konnten diese Studien noch keine Rolle spielen, für die Diskussion der Ergebnisse werden sie jedoch in die vorliegende Arbeit integriert. 4.2.1 Bildungspolitische und -administrative Rahmungen: KMK-Standards, Masterverordnung, Modulhandbücher Grundsätzlich ist die Entwicklung von Standards an die Frage gebunden, welche Institutionen und Akteur*innen welche Bereiche aus welchen Gründen als normativ maßgeblich definieren und in Rahmentexten (als verbindlich) verankern. Kompetenzmodelle werden ihrerseits jedoch auf sehr unterschiedliche Weise hervorgebracht, begründet und empirisch angebunden. So

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Das European Centre for Modern Languages/Centre européen pour les langues vivantes (www.ecml.at; letzter Zugriff am 10.12.2018) ist in Graz angesiedelt und gibt auf seiner Homepage auch einen Überblick zu Projekten und Instrumenten der Lehrer*innenbildung.

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grenzt Hallet (2008) Kompetenzmodelle, die politisch normativ gesetzt werden – wie beispielsweise die Standards der Kultusministerkonferenz – von solchen ab, die aus der (empirisch beobachteten) Praxis heraus abstrahiert wurden, wie beispielsweise Osers Standards für die Lehrerbildung in der Schweiz (vgl. Oser 2001). Eine dritte Variante stellt das Eruopean Profile for Language Teacher Education (Kelly/Grenfell 2004) dar. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sollen bei der folgenden Zusammenstellung vor allem die Anteile der Bezugstexte fokussiert werden, die sich Praxisanteilen der universitären Lehrer*innenbildung widmen, also für das hier entwickelte empirische Projekt von unmittelbarer Relevanz sind. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Gestaltung von Praxisanteilen in den Göttinger Lehramtsstudiengängen sind die Standards der Kultusministerkonferenz sowohl für die bildungswissenschaftlichen als auch für die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Anteile der Lehrerbildung (KMK 2004; 2008), die Masterverordnung Lehr (MaVo) des Landes Niedersachsen (Schule und Recht 2007) sowie die Modulbeschreibungen der Georg-AugustUniversität (GAU 2015).8 In den Standards für die Lehrerbildung, die Terhart 2002 als „Expertise für die Kultusministerkonferenz“ herausgegeben hat, werden neben fachbezogenen, fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Standards auch solche für schulpraktische Studien formuliert: • • • •

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„Erfahrung der eigenen Person im schulischen/unterrichtlichen Kontext Reflektion auf die eigene Berufswahlentscheidung Verknüpfung von Studieninhalten und den Erfahrungen während der schulpraktischen Studien Grundformen und -methoden der Lehrerforschung (forschendes Lernen, teacher research)

Die Modulkataloge der Georg-August-Universität unterliegen einer kontinuierlichen Überarbeitung. Die für die vorliegende Studie zentral relevanten Elemente bleiben jedoch unverändert, sodass an dieser Stelle auf einen chronologischen Nachvollzug der letzten Änderungen verzichtet wird.

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Einbringen der Erfahrungen aus schulpraktischen Studien in das weitere Lehrerstudium“ (Terhart 2002: 35; Hervorhebung durch BS.) Sowohl die KMK-Standards für die bildungswissenschaftlichen Anteile der Lehrerbildung (KMK 2004) als auch die Spezifizierungen für die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Anforderungen (KMK 2008) setzen die Förderung von Theorie-Praxis-Verbindungen in ihren Kompetenzbeschreibungen als Kernelement an: Die Standards für die bildungswissenschaftlichen Anteile enthalten einige Standards, die sich auf fachdidaktisches Wissen sowie theoriegeleitetes Handeln beziehen: Absolvent*innen sollen „allgemeine und fachbezogene Didaktiken [kennen] und wissen, was bei der Planung von Unterrichtseinheiten beachtet werden muss“ (KMK 2004: 7). Sie „verknüpfen fachwissenschaftliche und fachdidaktische Argumente und planen und gestalten Unterricht“ (KMK 2004: 7). Dabei sind sie laut KMK-Text in der Lage, „aktivierende Methoden“ einzusetzen und die Lernenden beim „Verstehen und beim Transfer [zu] unterstütz[en]“ (vgl. KMK 2004: 8). In den Standards für die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Anteile wird formuliert, dass die Studierenden über „anschlussfähiges fachdidaktisches Wissen“ (KMK 2008: 3) verfügen, wobei für die neuen Fremdsprachen die Fähigkeit zur Analyse und Didaktisierung von Texten, die Kenntnis und Nutzung didaktischer Ansätze für den Unterricht sowie Wissen über fremdsprachliche Kompetenzen (vgl. KMK 2008: 26) präzisiert werden. In den KMK-Standards bleibt jedoch das quantitative Verhältnis der Kompetenzbereiche und Fächer, aus denen sie sich speisen, problematisch: 39 bildungswissenschaftlichen Standards stehen ganze 10 Standards für Fachwissenschaften und Fachdidaktiken gegenüber. Die beiden Bereiche werden also nicht nur zusammengefasst, sondern erhalten gegenüber den sehr differenzierten Standards für die Bildungswissenschaften auch noch ein deutliches quantitatives Untergewicht. Bemerkenswert an den KMK-Standards von 2008 ist darüber hinaus die Ausklammerung praxisbezogener Reflexion und Transformation von Wis-

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sensanteilen sowie deren ausdrückliche Kopplung an den Vorbereitungsdienst (vgl. KMK 2008: 4). Hier heißt es konkret: „Die Vermittlung mehr unterrichtspraktisch definierter Kompetenzen ist hingegen vor allem Aufgabe des Vorbereitungsdienstes; zahlreiche Grundlagen dafür werden aber schon im Studium gelegt bzw. angebahnt“ (KMK 2008: 3; Kursiv im Original; BS). Dies widerspricht insofern der gängigen Praxis universitärer Ausbildungsstrukturen, als genau die genannten „unterrichtspraktisch definierten Kompetenzen“ mit schulpraktischen Studien, Blockpraktika oder Praxissemestern erreicht oder zumindest angestoßen werden sollen (z.B. Schule und Recht 2007: 490-495). Hier ist also bereits eine Diskrepanz zwischen einzelnen Rahmentexten zu beobachten, obwohl grundsätzlich der Versuch besteht, die Rahmentexte stringent aufeinander zu beziehen und curriculare Entscheidungen aus ihnen abzuleiten. Im Bereich Fachdidaktik werden Standards zu „anschlussfähigem fachdidaktischen Wissen“, zu „Diagnostik“ sowie „Leistungsbeurteilung“ (vgl. MaVo 2007: 499) angesetzt. Absolvent*innen sollen einerseits über „solides und strukturiertes Wissen über fachdidaktische Positionen und Strukturierungsansätze“ (MaVo 2007: 499) verfügen, andererseits betonen die Standards mehrfach das Exemplarische für einzelne Bereiche – so beispielsweise die Kenntnis fachdidaktischer oder lernpsychologischer Forschung im Umgang mit Heterogenität. Für die modernen Sprachen (MaVo 2007: 556f.) differenziert die niedersächsische Masterverordnung fünf Kompetenzbereiche: „Sprache“, „Literaturwissenschaft/Umgang mit Texten“, „Vermittlung interkulturellen Wissens“, „Sprachwissenschaft“ sowie „theoriegeleitete fachdidaktische Reflexion“. Die Anzahl der für die einzelnen Kompetenzbereiche formulierten Standards variiert deutlich, wobei auch Überschneidungen zwischen Kompetenzbereichen bestehen. Die „theoriegeleitete fachdidaktische Reflexion“ sieht beispielsweise folgende Standards vor: „Die Absolventinnen und Absolventen planen exemplarisch Fachunterricht“ (MaVo 2007: 560).

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„Die Absolventinnen und Absolventen beurteilen die Notwendigkeit und Problematik didaktischer Transformationen oder Reduktionen und weisen erste Erfahrungen mit deren Umsetzung nach“ (MaVo 2007: 499). Auch hier fällt der Verweis auf das Exemplarische auf, konkrete Inhalte werden mit den Bereichen Erwerbstheorie, Kompetenzmodelle, Interkulturalität, historische und bildungspolitische Aspekte, bilingualer Sachfachunterricht angesprochen. Die zur Prüfungsordnung gehörenden Modulverzeichnisse der Universität Göttingen (GAU 2015) formulieren ebenfalls Kompetenzziele für das Lehramtsstudium, die den Kompetenzbereichen der Masterverordnung sowie den Standards der KMK entsprechen. Im Master of Education absolvieren die Studierenden drei Module (fachwissenschaftliches Vertiefungsmodul, fachdidaktisches Vertiefungsmodul, Praktikumsmodul). Die Modulbeschreibung für das fünfwöchige Fachpraktikum (vgl. GAU 2015: 9652) formuliert folgende Kannbeschreibungen: „Nach der Absolvierung dieses Moduls können die Studierenden • • • • • • • •

den Unterricht für das Schulfach Französisch fachspezifisch planen; geeignete Themen und Texte für den Unterricht auswählen; Lernziele formulieren; geeignete Unterrichtsmaterialien auswählen und strukturieren; geeignete Methoden sowie Sozial- und Kommunikationsformen auswählen; interkulturelle Lernprozesse im Französischunterricht fördern; Unterrichtsergebnisse dokumentieren, präsentieren und evaluieren sowie über die eigenen Unterrichtserfahrungen (aus dem Praktikum) reflektieren“ (GAU 2015: 9652).

Insgesamt erscheinen diese Angaben angesichts der Komplexität des oben diskutierten Theorie-Praxis-Problems sowie hinsichtlich der zu vermittelnden

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Wissensanteile äußerst vage. Sie bestätigen einerseits die Annahme, dass Theorie-Praxis-Verbindungen nötiger Bestandteil von Professionalisierungsprozessen sind und werden als solche gestärkt. Eine differenzierte Beschreibung von Begriffen wie „Verbindung“ oder der „Kompetenz“, die zum „Umgang mit Theorie, Empirie und Praxis“ befähigen soll, wird jedoch an keiner Stelle vorgeschlagen. Das weiter oben beschriebene Problem, dass Praktika gegebenenfalls nicht die Wirkung entfalten, die ihnen zugschrieben wird, kann bereits durch die Formulierung solch vager Standards verstärkt werden. Für die vorliegende Arbeit ist vor allem der Aspekt der Reflexion „über die eigenen Unterrichtserfahrungen“ relevant, dem hier die anderen Bereiche (Methoden, Interkulturalität) hierarchisch beigeordnet werden. Sie gelten als die Inhalte reflexiver Prozesse und sollen deskriptiv erfasst werden. Zudem orientiert sich die hochschuldidaktische Anlage des Fachpraktikumsmoduls unmittelbar an der zitierten Modulbeschreibung der Göttinger Prüfungsordnung. 4.2.2 Europäisches Profil für die Aus- und Weiterbildung von Sprachenlehrkräften (Kelly/Grenfell 2004) Das Europäische Profil für die Aus- und Weiterbildung von Sprachenlehrkräften (Kelly/Grenfell 2004) basiert auf einer DELPHI-Studie, stellt also ein auf Expertenbefragungen basierendes Kompetenzmodell dar, das Ziele und Standards aus der Perspektive der Befragten heraus abstrahiert und strukturiert. Die Orientierung an den sprachenpolitischen Grundlagentexten des Europarates ist deutlich erkennbar. Das Profil stellt einen Referenzrahmen für die Aus- und Weiterbildung von Sprachenlehrkräften dar, der die Bestandteile „Struktur“, „Wissen und Verstehen“, „Strategien und Fähigkeiten“ sowie „Werte“ umfasst. Jedem der Bereiche werden Inhaltskomponenten zugeordnet, wobei deutliche Unterschiede in deren Abstraktheitsgrad bestehen. Der Bereich „Struktur“ bezieht sich auf die Ausbildungsstrukturen. Diese umfassen Elemente wie lebenslanges Lernen, Mobilität sowie die Zusammenarbeit von Studierenden mit Mentorinnen und Mentoren, auch im Kontext von Praktika. „Wissen und Verstehen“ beinhaltet Methoden- und

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Ressourcenkenntnisse sowie den kritischen Umgang mit curricularen Rahmentexten. „Strategien und Fähigkeiten“ umfasst die Sprachkompetenz der (angehenden) Lehrkräfte sowie die Reflexion von Mehrsprachigkeit im eigenen Unterricht (auch im Kontext von CLIL). Ebenfalls akzentuiert werden autonomes Lernen und Schülerorientierung als Prinzipien des Lernens und Lehrens. „Werte“ werden als „soziale und kulturelle Werte“ ausgeführt, die beispielsweise auf die Anerkennung sprachlich-kultureller Diversität fokussieren. Für die vorliegende Studie ist das Profil insofern relevant, als eigene hochschuldidaktische Entscheidungen für das Praktikumsmodul mit dem Text abgeglichen wurden. Das Profil macht es möglich, jenseits informeller Gespräche mit Kolleg*innen des unmittelbaren Umfeldes einen Eindruck darüber zu erhalten, was Expert*innen im europäischen Kontext paradigmatisch für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften als wichtig ansetzen. Das Verfahren der DELPHI-Studie verweist auch auf eine empirische Verankerung, sodass hier nicht nur Ideale modelliert werden, sondern sich auch übereinstimmende Praxisentscheidungen der Studienteilnehmer*innen wiederfinden. 4.2.3 Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA) (Newby et al. 2007) Das EPOSA (Newby et al. 2007) stellt ein Instrument zur Eigendiagnostik angehender Fremdsprachenlehrkräfte dar und formuliert vor diesem Ziel annähernd zweihundert detaillierte Kanndeskriptoren für verschiedene Aspekte fremdsprachendidaktischen Unterrichtshandelns. Die übergeordneten Kategorien stellen Bereiche dar, in denen „von Lehrenden Wissen und eine Vielzahl an Kompetenzen in Bezug auf den Unterricht gefordert werden und in denen sie entsprechende Entscheidungen treffen müssen“ (Newby et al. 2007: 6). Auch diese Formulierung verweist auf die Interdependenz von Wissenschafts- und Handlungswissen und deren Aktualisierung in nicht wiederholbaren komplexen Entscheidungssituationen: Kompetent ist, wer situativ plausible Entscheidungen für unterrichtliches Handeln treffen kann, womit das EPOSA deutlich auf die adaptive Kompetenz als Kernkompetenz

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von Lehrkräften verweist. Die Kannbeschreibungen nehmen Elemente fachdidaktischen, spracherwerblichen und bildungspolitischen Wissenschaftswissens auf, wie beispielsweise Aspekte von Diagnostik und Evaluation, schülerorientierter Unterrichtsplanung, der Verfügbarkeit curricularer Rahmentexte sowie die fremdsprachlichen Kompetenz- bzw. Fertigkeitsbereiche, wie sie der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen des Europarates (Europarat 2001) formuliert. Für die vorliegende Studie ist das Instrument von zentraler Bedeutung: Im Modul arbeiten die Studierenden mit ausgewählten Deskriptoren des EPOSA, die für Beschreibungen und Reflexionen eigener Erfahrungen während des Praktikums genutzt werden (vgl. Abschnitt 7.3). 4.2.4 Standards zu Lehrersprache, Mehrsprachigkeit und Interkulturalität: Wipperfürth (2009) Ausgehend von der Feststellung der mangelhaften Spezifizierung fachdidaktischer Anteile der KMK-Standards schlägt Wipperfürth (2009) fremdsprachendidaktisch konkretisierende Standards für die erste Phase der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften vor. Diese sind in die drei Bereiche Lehrersprache, Mehrsprachigkeit und Interkulturelle Kompetenz gegliedert. Obwohl Wipperfürth die Möglichkeit verbindlicher inhaltlicher Standards per se problematisiert und die Tendenz zur Individualisierung (sowohl auf der Seite der Schüler*innen als auch des Lehrkörpers) betont, die mit erhöhten Anforderungen an adaptive Kompetenzen und die Fähigkeit, Wissen situationsadäquat auszuwählen (vgl. Wipperfürth 2009: 12), assoziiert sind, sind die drei Bereiche insofern plausibel, als es Wipperfürth gelingt, in der Ausführung ihrer theoretischen Bezüge ein umfassendes ‘Abbild’ des aktuellen state of the art fachdidaktischer Forschung zu leisten. Hier liegt der Versuch vor, einen verbindlichen Wissensbestand zu systematisieren und vor allem handlungsorientiert zu konkretisieren. Wipperfürth trägt eine repräsentative Auswahl maßgeblicher Literatur für die jeweiligen Bereiche zusammen und formuliert abschließend jeweils fünf bis acht Kompetenzstandards, die als Kannbeschreibungen formuliert sind. Die Deskriptoren sind so konkret ausdifferenziert, dass sie als Bezugspunkt für hochschuldidaktische Planungsprozesse dienen können.

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Für die vorliegende Studie ist das Modell relevant, wurde allerdings nur punktuell in Arbeit einbezogen, weil der Text zu Beginn der empirischen Erhebungen nicht bekannt war. 4.2.5 Entphilologisierung und Sprachlehrforschung als Fluchtpunkte der Lehrer*innenbildung: Schneider (2007) Schneider (2007) stellt für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften in der Schweiz – die sich jedoch in bundesdeutsche Kontexte übertragen lässt – dar, aus welchen Bereichen sich Schwerpunkte ableiten lassen. Dabei differenziert er drei Ebenen: Fremdsprachenforschung, subjektive Theorien von Lehrkräften und Studierenden sowie sprachenpolitische Entwicklungen. Hier wird bereits deutlich, dass Lehrer*innenbildung sich nicht ausschließlich aus wissenschaftlichen Bezugsdiskursen speist, die in der Praxis ‘umgesetzt’ würden. Vielmehr muss sie als angewandte Wissenschaft neben politischen Richtlinien auch etablierte Praktiken und mitgebrachte Überzeugungen sowie subjektive Theorien der Studierenden mitdenken; dies ist ein Aspekt, der beispielsweise bei Wipperfürth kaum ausgeführt wird, für die Beschreibung oder Überprüfung der Handlungen, in denen die Kompetenzen sich zeigen (können), aber unumgänglich relevant sein dürfte. Als konsensuelle Grundtendenzen für die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften nennt Schneider die Entphilologisierung der Ausbildung und eine stärkere Hinwendung zu Theorien angewandter Linguistik, Sprachlehr- und Zweitspracherwerbsforschung sowie jüngst zu einer Ablösung der stark auf Einzelsprachen fokussierten Sprachlehre hin zu übergreifenden, mehrsprachigkeitsorientierten Ansätzen (vgl. Schneider 2007: 144). Die zahlreichen Bezugswissenschaften und möglichen Schwerpunkte bleiben allerdings bei der Erstellung von Curricula kontingent. Jede konkrete Auswahl ist maßgeblich auch davon beeinflusst „aus welchem Fach und Forschungszusammenhang die Dozierenden zufällig stammen“ (Schneider 2007: 144). Dennoch führt er einige Aspekte als Konsens an, wie beispielsweise die Überzeugung, dass Sprachenlernen in Interaktion stattfindet und kontextbezogen ist, also eine Überwindung der herkömmlichen Vorstellung einer unveränderlichen und kontextunabhängigen Sprachkompetenz. Die daraus ableitbaren Prinzipien zur Gestaltung von Lehr-/Lernsituationen kollidieren

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jedoch oftmals mit den subjektiven Theorien der Studierenden. Diese sind als Einflussbereich laut Schneider deshalb so stark, weil sie einerseits besonders resistent sind, und andererseits gerade in solchen fachdidaktischen Wissensbereichen auf problematische Repräsentationen verweisen, die aus Sicht aktueller Forschung besonders veränderungswürdig erscheinen. Es sind also gerade die Neuerungen, die in erwerbstheoretischer Sicht besonders vielversprechend erscheinen, am schwierigsten zu implementieren, weil sie massiv mit vorgängigen, stark biographisch verankerten Repräsentationen kollidieren. Von der Erstellung eines inhaltlichen Kanons sieht Schneider ab, betont aber, dass die angesprochenen Themen nicht nur als „Inhaltsbereiche zu verstehen und [zu] gestalten [sind], in denen Basis- oder Hintergrundwissen vermittelt wird, sondern ebenfalls als Erfahrungsbereiche, in denen die Studierenden reflektierend, forschend (probe-)handelnd neue Erfahrungen machen können“ (Schneider 2007: 148). Hierzu nennt er zu jedem der drei Bereiche Leitlinien für die Entwicklung lehrerbildender Studiengänge. Im Bereich der Fremdsprachenerwerbsforschung sollen die Studierenden den aktuellen Forschungsstand kennen, z.B. zur Grammatikvermittlung (focus on form vs. focus on forms), zur Fehlerkorrektur sowie zur Unterscheidung zwischen alltagssprachlicher und bildungssprachlicher Kommunikation (BICS/CALP). Dieses Wissen soll handelnd, beispielsweise in Aktionsforschungsprojekten oder durch die Analyse ihrer eigenen Lernerbiographie, angeeignet und praxisbezogen transformiert werden. Ebenso soll Mehrsprachigkeit wissenschaftlich reflektiert werden. Aufgabenorientierung und Evaluation/Diagnostik werden als weitere Bereiche genannt, die auch interdependent sind und ihrerseits in den Rahmungen des GER und des Europäischen Sprachenportfolios ausgestaltet werden sollten. Bei Schneider findet sich eine unmittelbare Kopplung von Themen im Sinne deklarativer Wissensanteile und der Art ihrer handlungsorientierten Aneignung. Diese Art der Kanonisierung von Wissen trägt der Tatsache Rechnung, dass gerade für die Professionalisierung von Handlungsaspekten deklaratives Wissen nicht ausreichend ist und damit Verfahren der Aneignung und Transformation im

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Hinblick auf die Praxis von vornherein in Kompetenzbeschreibungen eingehen. Für die vorliegende Studie ist der Ansatz relevant, weil hier der Frage nachgegangen werden soll, wie die Art der Aneignung mit der Reflexion von Erfahrung zusammenhängt. Auch die inhaltlichen Bereiche, die Schneider nennt, decken sich stark mit den im Modul fokussierten Themen (vgl. Abschnitt 7). 4.2.6 Kompetenzorientierung und Mehrsprachigkeit als Fluchtpunkte der Lehrer*innenbildung: Egli Cuenat (2014) Egli Cuenat (2014) fokussiert in einem berufsspezifischen Curriculum Kompetenzorientierung und Mehrsprachigkeit als Fluchtpunkte für die Lehrer*innenbildung. Ihre Ausführungen beziehen sich auf ein Schweizer Projekt zur Primarstufe, der Ansatz ist jedoch auf andere Schulformen und in den deutschen Kontext übertragbar. Zielkompetenzen für Fremdsprachenlehrkräfte lassen sich in die Bereiche lernstrategische Kompetenzen und Bewusstheit für Sprachen und Kulturen, sprachlich-kommunikative Handlungsfähigkeit in der Zielsprache sowie den Umgang mit sprachlichen Mitteln gliedern (Egli Cuenat 2014: 420). Die Bereiche werden zunächst als übergeordnete Kompetenzen beschrieben, dann unterdifferenziert und in Kannbeschreibungen konkretisiert. So wird beispielsweise für den Bereich der Bewusstheit für Sprachen und Kulturen formuliert: „Globalziel: Die Lehrperson verfügt über eine hohe Bewusstheit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit und Interkulturalität“. Dieses Globalziel untergliedert sich weiterhin in die an Byrams Modell interkultureller kommunikativer Kompetenzen (vgl. Byram 1997) angelehnten Dimensionen von savoir-être/Haltungen („Die Lehrperson nimmt eine Haltung der Offenheit gegenüber anderen Sprachen und Kulturen ein“), savoir-faire/Fertigkeiten („Die Lehrperson ist sich ihres Einsatzes der Zielsprache, der Schulsprache Deutsch und weiterer Sprachen je nach Situation bewusst“) und savoir/Wissen („Die Lehrperson weiss, dass die zu unterrichtende Sprache ein Teil ihres mehrsprachigen und interkulturellen Repertoires ist“) (Egli Cuenat 2014: 420). Auch hier ist das fachdidaktische Wissen – beispielsweise über den Begriff des sprachlichen Repertoires – bereits handlungsbezogen modelliert. Der Ansatz ähnelt dem des EPOSA, welches

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ebenfalls den Versuch unternimmt, Kannbeschreibungen für die relevanten Aspekte fremdsprachlicher Lehr-/Lernprozesse zu entwickeln. Im Unterschied zum EPOSA stellt das Programm von Egli Cuenat darüber hinaus auch Lehr-/Lernmodule zur Verfügung, mit Hilfe derer die Teilkompetenzen thematisiert und eingeübt werden können. Für die vorliegende Studie ist das Modell vor allem für die Analyse der Interviews relevant. Da der Text nach der Datenerhebung erschienen ist, konnte er konzeptionell noch nicht berücksichtigt werden. 4.2.7 Testorientierte Modellierungen: TEDS-LT (Jansing et al. 2013; Hoinkes/Weigand 2016; Kirchhoff 2016) Den Versuch einer testorientierten Modellierung fachdidaktischer Kompetenzen nehmen die Autoren von TEDS-LT (vgl. Blömeke et al. 2008; Jansing et al. 2013) vor. Diese und weitere Arbeiten, die Professionswissen testorientiert modellieren (z.B. Hoinkes/Weigand 2016; Kirchhoff 2016) orientieren sich meist am Modell von COACTIV (Baumert/Kunter 2011) und schlagen differenzierte, inhaltsorientierte Bereiche für die Konkretisierung fachdidaktischen Professionswissens in den Sprachenfächern vor. Damit integrieren sie das oben geschilderte Problem von Handlungskompetenzen, die das Professionswissen über das Vorhandensein rein deklarativer Wissensanteile ausmacht. Bei TEDS-LT wurden folgende Gegenstandsbereiche fachdidaktischen Professionswissens berücksichtigt: – – – – – – –

„Analyse fremdsprachlichen Unterrichts /die Rolle von Formfokussierung/produktive Kompetenzen Methodische Ansätze auf der Basis schriftlicher Unterrichtsszenarien Situative Konzepte interkultureller Kompetenz Formate bilingualen Lernens und des bilingualen Sachfachunterrichts Literaturdidaktische Ansätze und ihre Umsetzung im Englischunterricht Analyse von Lese- und Hörverstehensprozessen Varianten von Lesarten im Englischunterricht

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Fachdidaktisches Wissen Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern vor dem Hintergrund des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER)“ (Jansing et al. 2013: 79).

Dabei schildern sowohl Jansing (2013) als auch Hoinkes/Weigand (2016) Probleme für die Testkonstruktion vor allem hinsichtlich der Reliabilität einzelner Skalen. Für Hoinkes/Weigand stellt sich beispielsweise im Verlauf der Modellierung des zu testenden Wissens die Frage nach den fachwissenschaftlichen Bezugsdisziplinen bzw. -themen (vgl. Hoinkes/Weigand 2016: 50-51), deren relative Willkür bzw. Kontextabhängigkeit die beiden Autoren diskutieren. Das Problem wird für die Testkonstruktion spätestens an der Stelle relevant, wo sie versuchen, das an den Universitäten vermittelte Wissen mit den Zielen der Lehrer*innenbildung in Übereinstimmung zu bringen. Die exemplarischen Testitems, die Hoinkes/Weigand vorstellen, integrieren eine Unterrichtssituation und Fragen, die diese mit linguistischem Fachwissen ‘bewältigbar’ machen (Hoinkes/Weigand 2016: 65). Tatsächlich wäre die Frage, ob der „Ist-Zustand“ dem „Soll-Zustand“ (vgl. Hoinkes/ Weigand 2016: 59) entspricht, nur dann valide zu beantworten, wenn an den Universitäten kanonisiertes und damit vergleichbares Wissen zu genau dem in Frage stehenden Phänomen vermittelt würde. Den dokumentenanalytischen Ansatz, bei dem über Modulhandbücher, Vorlesungsverzeichnisse und Einführungswerke ein Wissenskanon für die Testkonstruktion modelliert wird, beschreiben Hoinkes/Weigand jedoch als problematisch. Aus der Perspektive der Lehrer*innenbildung sind ‘unerlässliche’ Themen gerade nicht systematisch in den Modulhandbüchern verankert. In einen Test können sie daher nicht mit dem Anspruch auf Repräsentativität aufgenommen werden. Als Beispiel nennen Hoinkes/Weigand Themen wie „Spracherwerb“ oder „Mehrsprachigkeit“ (vgl. Hoinkes/Weigand 2016: 64) und fassen zusammen: „Die hohe Anzahl an Teilbereichen in den einzelnen Fachdisziplinen, die innerhalb der Ausbildung relevant sind, und die geringe Spezifizierung bei der Themenvorgabe würden die Entwicklung eines repräsentativen Tests erheblich erschweren“ (Hoinkes/Weigand 2016: 64). Zudem beschreiben sie das Problem, dass „informelle Gespräche“ (Hoinkes/

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Weigand 2016: 65) mit Studierenden immer wieder offenbaren, dass sie die Bedeutung fachwissenschaftlicher Wissensanteile für ihre spätere Tätigkeit nicht erkennen, „da sie davon ausgehen, dass sie eine wissenschaftliche Disziplin wie z.B. die Linguistik an der Schule gar nicht unterrichten müssen“ (Hoinkes/Weigand 2016: 65). Bei Kirchhoff (2016) werden thematisch umfassende Items präsentiert, die sowohl fachdidaktisches Professionswissen – Wissen um Schülerkognitionen, Wissen um schülergerechtes Erklären und Darstellen, Wissen um Lehr-/Lernpotenzial von Aufgaben und Texten (vgl. Kirchhoff 2016: 77) – als auch fachwissenschaftliches Wissen integrieren, jedoch weniger als dies bei Hoinkes/Weigand der Fall ist, nach deren Verknüpfung fragen. Mit FALKO-E liegen umfangreiche Skalen vor, die zwar auch punktuell hinsichtlich ihrer Reliabilität problematisiert werden (vgl. Kirchhoff 2016: 89), in der Summe jedoch ein gangbares Modell zur Überprüfung fremdsprachendidaktischen Professionswissens vorschlagen. Für die vorliegende Studie sind diese Modellierungen nicht relevant, da sie nach der Konzeption des empirischen Ansatzes veröffentlicht wurden. Sie bilden jedoch für die Analyse der Interviewdaten sowie für die Verortung der Ergebnisse im aktuellen fachdidaktischen Diskurs einen wichtigen Referenzpunkt. 4.3 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie Zwar lassen sich zwischen den oben vorgestellten Modellen durchaus Überschneidungen erkennen und Bereiche identifizieren, die normativ als weitestgehend verbindlich anerkannt werden. Dennoch entsprechen diese Wissensund Kompetenzbereiche nicht zwangsläufig den konkreten Studienangeboten. Diese bleiben gleichzeitig auch geprägt von individuellen Schwerpunkten der Lehrenden. Und sie entsprechen gegebenenfalls auch nicht dem, was Studierende in Praxissituationen tatsächlich als ‘Theoriewissen’ aufrufen oder für reflexive Handlungen mobilisieren. Für empirische Arbeiten ist also nicht nur das Desiderat eines konsistenten Modells fachdidaktischer Kompetenzen relevant, sondern auch die Frage des Verhältnisses von Modell und

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Fachdidaktisches Wissen

empirisch beobachtbarer Wissenstransformation in Handlungssituationen der Praxis. Sowohl übergeordnete Problematisierungen des Gegenstands ‘Fremdsprachenunterricht’ als auch einzelne Kompetenzmodelle verweisen auf Probleme der Modellierung fachdidaktischen Wissens als Teilbereich professioneller Kompetenz. Zwar sehen die Standards der Kultusministerkonferenz (vgl. KMK 2004; 2008) auch Anteile fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Wissens vor, diese bleiben jedoch sehr abstrakt. Zusammenfassend verorten sich nahezu alle aktuellen Tendenzen, fremdsprachendidaktische Kompetenzen zu modellieren, im Kontext sprachenpolitischer Setzungen, die in den Texten und Instrumenten des Europarates (Europarat 2001; Newby et al. 2007; Kelly/Grenfell 2004) formuliert werden. Insgesamt sind hier ein pragmalinguistischer, auf der Handlungs- und Sprechakttheorie basierender Sprach- und Sprachlernbegriff, die Orientierung an Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität als gesellschaftliche Gegebenheit sowie als bestimmendes Moment sprachlich-kultureller Lernprozesse, die Abkehr vom Ideal einer nativnahen Sprachkompetenz und die Hinwendung zum intercultural speaker als normative Setzungen erkennbar. Darüber hinaus stellen die Modellierungsversuche meist Verbindungen von Wissen und seiner handlungsbezogenen Transformation ins Zentrum ihrer Überlegungen, was sich sowohl an der Entwicklung von Standards (wie bei Wipperfürth oder Egli Cuenat) zeigt als auch bei der Entwicklung von Tests, die meist das COACTIV-Modell von Professionswissen fremdsprachendidaktisch ausdifferenzieren. Problematisch bleiben die verschiedenen Einflussbereiche, die tatsächliches Handeln beeinflussen, wie vor allem bei Schneider (2007) ausgeführt wird. Für die Erforschung reflexiver Prozesse in Professionalisierungskontexten ergibt sich daraus das Desiderat einer Perspektivenerweiterung, bei der das Interesse nicht ausschließlich einer normativ orientierten Verfeinerung der Operationalisierung von Standards gilt, sondern umgekehrt auch danach gefragt wird, welche Wissens- und Kompetenzbereiche in Reflexionssituationen von Studierenden realiter mobilisiert werden und welche expliziten und impliziten Vorstellungen über den Gegenstand ‘Lehren und Lernen von Sprachen’ in Reflexionshandlungen beobachtbar sind.

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Hier lässt sich aus vorhandenen Studien eine Tendenz ablesen, dass Studierende in biographisch verankerten Reflexionen kaum spezifisch fachdidaktische Kategorien aufrufen (vgl. Meyer/Kiel 2014; Lührmann 2002; Schädlich 2011: 23). Wenn darüber hinaus einschlägige Arbeiten zu Professionalisierungsprozessen zu dem Ergebnis kommen, dass nur solche Wissensbestände für das Handeln relevant und veränderbar sind, die an subjektiv relevante Erfahrungen in Praxissituationen anknüpfen (vgl. Schockervon Ditfurth 2001; Wahl 1991), verschiebt sich das Interesse von der Überprüfung jener Standards, die im Erfahrungswissen kaum eine Rolle zu spielen scheinen, hin zu solchen Wissensaspekten, die in Erfahrungssituationen dominant sind, aber gegebenenfalls keine oder wenig Überschneidungen mit den Standards aufweisen. Diese erfahrungsbezogenen Wissensanteile sollen in den vorliegenden empirischen Analysen zugänglich gemacht und systematisiert werden.

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Exemplarische Arbeiten zu Praxisphasen, Reflexion und fachdidaktischen Kompetenzen angehender Fremdsprachenlehrkräfte

Die folgenden Abschnitte skizzieren jüngere Arbeiten zu Praxisphasen, Reflexionskompetenz und fachdidaktischem Wissen, die wichtige Bezugspunkte für die vorliegende Arbeit darstellen. Dabei fällt auf, dass empirische Studien zu Praxisphasen und Reflexion sich meist nicht spezifisch auf fremdsprachendidaktische Kontexte beziehen oder innerhalb dieser eher allgemein didaktische Kompetenzen fokussieren. Arbeiten, die sich mit fachdidaktischem Wissen befassen, sind zwar meist auch an reflexiven Prozessen interessiert, rahmen diese jedoch sehr unterschiedlich, sodass bildungswissenschaftliche und fremdsprachendidaktische Arbeiten nicht bruchlos aufeinander bezogen werden können. Die Menge an Publikationen zu Praxisphasen ist weder umfassend überschaubar noch systematisierbar. Es sei zur Orientierung auf die Überblickskapitel bei Weyland (2012) und Lunkenbein (2012) verwiesen, für den Fokus Fremdsprachendidaktik auf die Dissertationsstudien von Roters (2012) und Raith (2011), den aktuellen Sammelband von Legutke/Schart (2016) sowie die Sammelrezension neuerer Dissertationsarbeiten im Bereich fremdsprachendidaktischer Professionsforschung von Doff et al. (2016). Für den folgenden Überblick wurden prioritär Arbeiten rezipiert, die sich in den Themenfeldern ‘Praxisphasen’, ‘Reflexion’ und ‘Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften’ verorten lassen und in Fragestellung, Bezugstheorien und/oder empirischer Ausrichtung eine Nähe zum hier verfolgten Ansatz aufweisen. Dabei lassen sich zwar Schnittmengen erkennen, was vor allem für die Verbindung von Reflexion und Praxisphasen gilt. Für den Bereich der Fremdsprachendidaktik wird der Nexus Reflexion und Praxisphasen allerdings nur in einer sehr überschaubaren Menge an Studien thematisiert. Die Arbeiten werden im Folgenden hinsichtlich ihrer Fragestellung, des methodischen Zugriffs und der Ergebnisse umrissen. Ihre Relevanz für das hier vorgestellte empirische Projekt wird diskutiert und Übernahmen sowie © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_5

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Unterschiede zur hochschuldidaktischen Gestaltung des Praktikumsmoduls (vgl. Abschnitt 7.3) sowie zum forschungsmethodischen Ansatz (vgl. Abschnitt 8) werden jeweils am Ende der Unterkapitel ausgeführt. 5.1 Fokus Reflexion und Lernen: Moon (1999) Die Arbeit von Moon (1999) ist eine grundlegende Studie zum Reflexionsbegriff, den Moon mit der Frage nach Lernprozessen assoziiert. Dabei interessiert sie die Frage, wie Reflexion zu tieferen Lernprozessen (orientiert an der Biggschen SOLO-Taxonomie) beiträgt. Es interessieren hier Professionalisierungsprozesse im Allgemeinen, also nicht solche mit allein lehrerbildendem oder fremdsprachendidaktischem Fokus. Moon diskutiert den Reflexionsbegriff in Auseinandersetzung mit Dewey, Habermas und Schön und fragt dabei auch nach empirieorientierter Modellierung, die sie über den Vergleich einzelner Ansätze problematisiert. Moons Arbeit basiert nicht auf eigenen empirischen Studien, sie synthetisiert jedoch methodisch kritisch die wichtigsten empirischen und evidenzbasierten Arbeiten zu den Themenfeldern Reflexion und Lernen. Der Rekurs auf ihre praxisorientierten Vorschläge ist somit auch empirisch begründet, wenn auch die Studie von Moon selbst keine empirischen Daten hervorbringt. Die zentrale Annahme – „reflection is integral to a deep approach to learning“ (Moon 1999: 152) – wird über die Diskussion der genauen Verbindung von Reflexions- und Lernprozessen bearbeitet. Der Zusammenhang zur vorliegenden Studie besteht vor allem darin, dass hier die Elemente, die von Moon als förderlich für vertiefte Lernprozesse identifiziert werden, in die hochschuldidaktische Gestaltung des Moduls integriert werden: Feedback, Lernerorientierung, Erfahrungsbasiertheit und kooperative Bedeutungsaushandlung. Dabei wird ähnlich wie bei Moon davon ausgegangen, dass die Explizierung des reflexiven Handelns – wie beispielsweise beim Verfassen von Portfolios – den Lernprozess nicht nur abbildet, sondern als solchen überhaupt erst hervorbringt: „Learning occurs in the process of representing the learning“ (Moon 1999: 147).

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5.2 Fokus Novizen des Fremdsprachenunterrichts: Tsui (2003) Im Paradigma der Expertisetheorie (v.a. Dreyfus/Dreyfus 1996) hat Tsui Fallstudien zur Expertise von Englischlehrkräften (im US-amerikanischen Kontext) erarbeitet. Das Potenzial der Fallstudien für die Lehrer*innenbildung liegt für sie darin, dass über die Explizierung von Expertenwissen Modelle für Novizen etabliert werden. Tsui geht von einem prozessbezogenen Expertisebegriff aus, der weniger einen (einmal erreichten) Zustand beschreibt, als vielmehr Veränderungen von Handlungen beispielsweise in der Art des Problemlösens oder in der Art der situationsbezogenen Adaptation fachlichen Wissens im Dialog mit den Lernenden (vgl. Tsui 2003: 59). Die Fallstudien sind durch übergeordnete Themen strukturiert und betonen die grundsätzliche Situativität relevanter Kompetenzen. Expertise macht sich für Tsui an Reflexionsfähigkeit im Sinne der Explizierung ihres Handelns fest, das vor allem im Eruieren und Benennen von Problemen besteht: „to identify and define problems, rather than to solve problems that they are presented with that is the critical distinction between experts and nonexperts“ (Tsui 2003: 271-272; Kursiv im Original). Tsuis Arbeit ist für die vorliegende Studie vor allem hinsichtlich des Reflexionsbegriffs relevant, der das Explizieren und perspektivwechselnde Problematisieren unterrichtlicher Handlungen fokussiert. 5.3 Fokus Praktika an Universitäten in Deutschland: Gröschner et al. (2015) Obwohl bildungspolitische Entscheidungen zur Stärkung von Praxisphasen in einer erheblichen Reichweite getroffen werden, liegen evidenzbasierte Studien zur Wirksamkeit entsprechender Formate bislang kaum vor. Die Arbeiten von Gröschner et al. (2015) beziehen sich in erster Linie auf Dokumentenanalysen zu institutionellen Rahmenbedingungen schulpraktischer Phasen. Das Panel zum Lehramtsstudium (PaLea) differenziert aus einer Analyse von zwölf Hochschulen drei Praxistypen, die sich in zeitlicher Verortung, Professionalisierungsabsicht sowie durch die Art und den Umfang der Begleitung des Praktikums durch Lehrende der Universität unterscheiden. Wie die Praxis

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innerhalb dieser Strukturen jedoch gestaltet wird, welche konkreten hochschuldidaktischen Szenarien realisiert werden und wie wirksam sie sind, kann die PaLea-Studie nicht erfassen, sodass hier ein Bedarf an „Implementationsstudien unter Berücksichtigung intendierter Zielsetzungen für den Kompetenzerwerb im Lehramtsstudium und die tatsächliche Nutzung praxisbezogener Lerngelegenheiten“ (Darge et al. 2012; zit. in Gröschner et al. 2015: 661) reklamiert wird. Das Jenaer Projekt KLiP (Kompetenzentwicklung und Lernerfahrungen im Praktikum) erfasst hierzu beispielsweise die Selbsteinschätzungen von Studierenden zur Entwicklung von Kompetenzen in den Bereichen der KMKStandards (Unterrichten, Erziehen, Beurteilen, Innovieren) (vgl. Gröschner/ Schmitt 2012). Obwohl Selbsteinschätzungen für Kompetenzmessungen als problematisch beschrieben werden (vgl. auch Abschnitt 3.7), schreiben Gröschner/Schmidt (2012) ihrem Ansatz ökologische Validität und Reliabilität zu. Das vorliegende Projekt setzt am Desiderat einer differenzierten Beschreibung implementierter Lerngelegenheiten an und fokussiert die Frage, wie diese von den Studierenden genutzt werden. Dabei sind sowohl die Wahrnehmungen der Studierenden (vgl. Schädlich 2015) als auch der Nachvollzug fachdidaktisch orientierter reflexiver Kompetenzen zentrale Erkenntnisinteressen. Im Gegensatz zu den groß angelegten Studien von Gröschner et al. geht es hier um fokussierte Einzelanalysen. 5.4 Fokus Kompetenzmessung: Blömeke et al. (2013) Die Studie Teacher Education and Development Study: Learning to Teach (TEDS-LT) stellt einen der wenigen Versuche dar, den „am Ende der Ausbildung erreichten Leistungsstand mit repräsentativen Stichproben“ (Blömeke 2013: 7) zu erheben. Die Studierenden wurden zu zwei Messzeitpunkten getestet, sodass ein Vergleich der Ergebnisse Aussagen über Entwicklungen sowie die Wirksamkeit von Opportunities to learn erlaubt. Die Testentwicklung basiert auf theoretischen Rahmungen der Expertiseforschung, berücksichtigt also ausdrücklich nicht nur deklarative Wissensanteile,

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sondern verknüpft diese mit einer skalierenden Taxonomie kognitiver Operationen (Bloom 1956; Anderson et al. 2001), sodass auf den Verarbeitungsgrad, die Transferfähigkeit und Problemlösefähigkeit im Sinne des Kompetenzbegriffs fokussiert wird (vgl. Blömeke et al. 2013: 11). Inhaltlich orientieren sich die Tests an den KMK-Standards und berücksichtigen darüber hinaus Lehrwerke, „von denen bekannt ist, dass sie an mehreren Hochschulen eingesetzt werden, sodass ihnen ein gewisser Kanonisierungsgrad bescheinigt werden kann“ (Blömeke 2013: 8). Hinzu kommen Curriculumsanalysen und Expertengespräche (vgl. Jansing et al. 2013: 78). Im Fach Englisch werden Literatur- und Sprachwissenschaft als Dimensionen des Fachwissens getestet, Fachdidaktik bildet eine dritte Dimension. Hier stellen die Autor*innen der Studie fest, dass diese Dimension schwieriger zu modellieren ist als die fachwissenschaftlichen Dimensionen und folgern daraus, „dass das Professionswissen in der Fachdidaktik Englisch auf inhaltlich differenzierte Weise untersucht werden sollte, um seine Heterogenität zuverlässig abbilden zu können“ (Blömeke 2013: 14). Ein Erklärungsansatz ist die mangelnde Kanonisierung fachdidaktischen Wissens: „Die Lehrinhalte in der Fachdidaktik unterliegen einer noch schwächeren Kanonisierung als die Inhalte der Fachwissenschaft“ (Blömeke 2013: 14). Als problematisch für die Messung hat sich im Rahmen von TEDS-LT vor allem die mangelhafte Reliabilität der Fachdidaktikskala erwiesen, was mit der „Heterogenität des Konstrukts Fachdidaktik selbst“ (Jansing et al. 2013: 80) erklärt wird. Insgesamt ist also der Zugriff auf kanonisiertes Wissen in der Dimension ‘Fachdidaktik’ weniger möglich als dies in den im engeren Sinne fachwissenschaftlichen Dimensionen der Fall ist. Dies erklären die Autoren auch damit, dass in der Lehrer*innenbildung nicht nur theoriegeleitetes Wissen, sondern auch „Reflektionsbereitschaft und Reflektionsfähigkeit mitgebrachter Einstellungen explizit einzubeziehen“ (Jansing et al. 2013: 102) sind. Der Fokus verschiebt sich also von den Inhalten selbst hin zu deren kontextgebundenen Mobilisierung. Hier liegt auch der Unterschied zum in dieser Studie durchgeführten Projekt: Während sich TEDS-LT für die Entwicklung von Kompetenzen im Studienverlauf interessiert, sollen hier individuelle Momentaufnahmen gemacht werden. Methodologisch liegt der Hauptunterschied darin,

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dass Kompetenzen hier nicht losgelöst von konkreten Unterrichtserfahrungen getestet, sondern situativ beschrieben werden. 5.5 Fokus Theorie-Praxis-Verhältnis: Nölle (2002) Nölle (2002) interessiert sich in ihrer Studie zum Erwerb unterrichtsrelevanten pädagogischen Wissens für Momente der Theorie-Praxis-Integration. Sie konkretisiert die Frage des Theoriebezugs in der Reflexion und entwickelt für eine empirische Studie skalierende Ausprägungen, nach denen sich Theoriebezüge in Reflexionen systematisieren lassen. So können Theorien als nicht erkennbar, additiv, implizit aggregierend oder klassifizierend versprachlicht werden (vgl. Nölle 2002: 55). Im Gegensatz zu den Arbeiten von Lunkenbein oder von Felten basiert Nölles Studie weniger auf Theorien zu Reflexion, sondern auf dem professionstheoretischen Konstrukt des pedagogical content knowledge, das basierend auf Arbeiten von Bromme (1995) und Shulman (1986) modelliert wird. Die experimentell angelegte Studie stellt ein einphasiges Praxismodell (einer Schweizer Universität), das nach den Prinzipien des Cognitive Apprenticeship arbeitet, einem ‘typischen’ Blockpraktikum (an einer Niedersächsischen Universität) gegenüber, das zwar über eine Vor- und Nachbereitung strukturiert ist, deren „Verbindung mit unterrichtsrelevanten Theorien […] jedoch als eher unspezifisch einzuschätzen [ist]“ (Nölle 2002: 52). Im Gegensatz dazu verfolgt das Schweizer Modell das Prinzip der Anchored Instruction (vgl. Nölle 2002: 56) und soll auf diese Weise eine wirkungsvollere Theorie-Praxis-Kopplung ermöglichen. Die Studie bestätigt die Hypothese, dass sich bei den Studierenden des Schweizer Modells differenziertere kognitive Muster erkennen lassen als bei denen, die an Blockpraktika teilnehmen. Für die hier vorgestellte Studie ist zum einen die skalierende Modellierung des „Theoriebezugs“ interessant, zum anderen der Rekurs auf das Prinzip der Anchored Instruction, das als spezifisches Merkmal gelungener Integration von Wissen und Können in Ausbildungskontexten angesetzt wird. Das diskursive Moment bei der Reflexion von Erfahrung wird bei Nölle (2002) mit dem Begriff des episodischen Wissens verbunden: Erinnerungen an Praxiserfahrungen dienen dabei als Anker für

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theoretische Kategorien. Im Erinnern und Erzählen konkreter Unterrichtssituationen wird das theoretische Wissen integriert. Nölle zeigt über eine Strukturanalyse von Fragebögen und Interviews, dass in Settings, die nach dem Prinzip der Anchored Instruction arbeiten (neue theoretische Kategorien werden in unmittelbarer Anbindung an subjektive Erfahrungen vermittelt), theoretisches Wissen stärker explizierend klassifiziert wiedergegeben wird, während in Settings, bei denen die Erfahrungskomponente geringer ist und die Integration theoretischen und erfahrungsbasierten Wissens weitestgehend der Integrationsleistung der Studierenden überlassen wird, theoretische Bezüge ungenannt oder implizit bleiben. Daraus ergeben sich Brüche und Widersprüche, die Theoriebezüge bleiben inkonsistent und vermutlich ohne besonderen Gewinn für den Transfer in pädagogische Handlungssituationen. Nölle führt diese Differenz als Indiz dafür an, dass das Ausbildungsformat – einphasiges Modell versus Blockpraktikum – entscheidend für die Entstehung klassifizierender Theoriebezüge ist. Hier wird in forschungsmethodischer Hinsicht deutlich, wie schwierig es ist, genau den Faktor zu isolieren, dem die Wirksamkeit eines bestimmten lehrerbildenden Formats kausal zugeschrieben werden kann. So arbeitet das im Rahmen der vorliegenden Studie entwickelte Modell für das Fachpraktikum auch nach den Prinzipien der Anchored instruction, ist aber gleichzeitig als Blockpraktikum konzipiert. Es wird davon ausgegangen, dass ähnliche Effekte erzielt werden, wie jene, die von Nölle dem einphasigen Modell zugeschrieben werden und dass dies nicht am übergeordneten Format, sondern an spezifischen Lerngelegenheiten liegt, die nach dem Prinzip der Verankerung und Erfahrungsbasiertheit gestaltet sind. 5.6 Fokus Wirksamkeit reflexiver Lerngelegenheiten: von Felten (2005) Von Felten (2005) untersucht in einem quasi-experimentellen Design die Wirksamkeit reflexiver Praktika. Hier liegt eine der seltenen Arbeiten vor, welche die Validität ihrer Ergebnisse über den Vergleich mit einer Kontrollgruppe herzustellen versucht. Der Schwerpunkt des evaluierten Ausbildungskonzepts liegt in der Zusammenarbeit mit den betreuenden Lehrpersonen, denen von Felten für die Entstehung von Reflexivität eine signifikante Rolle

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zuschreibt. Untersucht werden in zwei Schweizer Institutionen der Lehrer*innenbildung Experimental- und Kontrollgruppen, wobei die Experimentalgruppen und die betreuenden Lehrkräfte vorweg eine Schulung erhalten, die zur systematisch angeleiteten Reflexion befähigt, während die Kontrollgruppen ohne eine solche Anleitung agieren. Theoretische Bezugspunkte sind Schöns Konzepte von reflection on action und reflection in action. Weiterhin spielen Beobachtungsaufgaben und Feedbackdaten eine konstituierende Rolle. Von Felten kann insgesamt zeigen, dass die „Aufarbeitung impliziten Wissens und die Reflexion der Erfahrungen“ (von Felten 2005: 166) im reflexiven Praktikum es den Studierenden ermöglicht, „ihr Handeln bewusst zu entwickeln“, während dies bei den jeweiligen Kontrollgruppen statistisch signifikant schwächer ausgeprägt bleibt. Die theoretischen Kategorien, die Gegenstand der Reflexion sind, beziehen sich jedoch nicht auf fachspezifische Bereiche. Dies ist dadurch bedingt, dass die Gruppen fachlich heterogen zusammengesetzt sind, die Teilnehmer*innen der Studie also Praktika in unterschiedlichen Fächern gemeinsam absolviert haben. Aus forschungsökonomischen Gründen sowie aus der Überzeugung heraus, dass es in natürlichen Lehr-/Lernkontexten kaum möglich ist, aussagekräftige Vergleichsszenarien zu konstruieren, spielt von Feltens forschungsmethodischer Ansatz für die vorliegende Studie keine Rolle. Das Ergebnis, dass explizierte Erfahrung einen signifikanten Unterschied zu anderen Szenarien ausmacht, soll jedoch in der vorliegenden Arbeit fachdidaktisch konkretisiert werden. Auch das Konzept sowie einzelne Elemente der Schulung bei von Felten – so das „auftragsbezogene Beobachten“, die „datengestützte Reflexion“ und die Verschriftlichung von Reflexion (vgl. von Felten 2005: 32f.) weisen Überschneidungen mit der hochschuldidaktischen Anlage des Göttinger Fachpraktikumsmoduls auf, sodass ein Übertrag der Ergebnisse zur Wirksamkeit möglich erscheint. 5.7 Fokus Beobachtungsaufgaben: Lunkenbein (2012) Für den Nexus Beobachtung und Reflexion ist die Studie von Lunkenbein (2012) ein wichtiger Bezugspunkt. Die Dissertation widmet sich der Arbeit mit

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Beobachtungsaufgaben in schulpraktischen Studien, die für das Grundschullehramt absolviert werden. Untersucht wird der Einfluss von Beobachtungsaufgaben auf die Entwicklung von Reflexivität. Interviews mit Studierenden (n=21) bilden die Basis für skalierende Inhaltsanalysen. Die Modellierung von Reflexivität orientiert sich an den Modellen von van Manen (1977) und Hatton/Smith (1995). Die höheren Reflexionsstufen der angesetzten Skalierungen werden nur selten identifiziert, sodass Lunkenbein als Ergebnis festhält, dass eine Steigerung reflexiver Kompetenz durch Beobachtungsaufgaben „nicht selbstverständlich erreicht wird“ (Lunkenbein 2012: 278). Damit bestätigt er auch andere Arbeiten, die der Wirksamkeit schulpraktischer Studien zur Verbesserung reflexiver Theorie-Praxis-Bezüge skeptisch gegenüberstehen. Sowohl die theoretischen Bezugspunkte für das unterliegende Verständnis von Reflexion (genannt werden hier die Arbeiten von Korthagen, Schön und Leonhard) als auch der methodische Ansatz, Reflexivität über die inhaltsanalytische Auswertung von Interviewdaten identifizieren zu wollen, ähneln dem der vorliegenden Studie. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Fachbezogenheit der Reflexionsbereiche: Lunkenbein untersucht zum einen angehende Grundschullehrkräfte und zum anderen keine spezifisch fachdidaktischen Kategorien. Seine Beobachtungsaufgaben beziehen sich auf die Machtverhältnisse in den Lerngruppen, das Meldeverhalten sowie den Umgang mit Heterogenität (vgl. Lunkenbein 2012: 93f.). Methodisch unterscheidet sich die hier vorliegende Studie vom Ansatz bei Lunkenbein vor allem im Verzicht auf Skalierungen reflexiver Kompetenz. Während Lunkenbeins Inhaltsanalyse hypothesentestend vorgeht, dominiert im hier vorliegenden Projekt der explorative Anspruch, die Zusammenhänge von Reflexionsmodi und fachdidaktischen Wissensbereichen systematisieren zu können. 5.8 Fokus Aktionsforschung und Veränderung subjektiver Theorien: Warneke (2006) Warneke rekonstruiert in ihrer Dissertationsstudie die Subjektiven Theorien angehender DaF-Lehrkräfte im Kontext eines Praxissemesters. Die Arbeit

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knüpft an das Konzept der reflexiven Lehrer*innenbildung (Wallace 1991) an und fokussiert Szenarien Forschenden Lernens mit engem Bezug zur Studie von Schocker-von Ditfurth (2001). Dabei werden Daten zur Selbstevaluation, halbstrukturierte Interviews sowie Auswertungen von Praktikumsberichten trianguliert. Die Studie belegt die Annahme, dass sich subjektive Theorien durch reflexive Prozesse revidieren und differenzieren lassen (Warneke 2006: 46). Warneke analysiert zwar die bereits weiter oben problematisierten Selbstzeugnisse, in ihren Analysen werden aber durchaus Reflexionskompetenzen sichtbar, die sich vor allem auf die Veränderung der Wahrnehmung der eigenen Rolle und des eigenen professionellen Handelns während des Praxissemesters beziehen. Der hochschuldidaktische Ansatz deckt sich stark mit dem des hier verfolgten Projekts: Als förderlich für die Entwicklung von Reflexionsfähigkeit werden Elemente wie Beratung und Feedback, Teamarbeit und Konversationskultur angesetzt und in die Empirie einbezogen. Ein entscheidender Unterschied besteht jedoch in der organisatorischen Rahmung des Praktikums durch den Studiengang. Hier bildet sich die Klientel aus DaF-Studierenden in der Erwachsenenbildung – im Gegensatz zum Gymnasiallehramt als Ausbildungskontext der hier vorgestellten Studie. Zudem handelt es sich bei dem von Warneke untersuchten Format um ein einsemestriges Praktikum, während in der vorliegenden Studie fünfwöchige Blockpraktika erforscht werden. 5.9 Fokus Unterrichtssimulation und Videographie: Abendroth-Timmer (2011) Abendroth-Timmer verankert ihr an der Aktionsforschung orientiertes hochschuldidaktisches Projekt im Kontext der reflexiven Lehrer*innenbildung (Esteve 2011). Diese folgt der Annahme, dass die Professionalisierung von Lehrkräften weniger in der Anwendung erlernter Theorien in der Praxis als im Gegenteil vielmehr in der „theorization of practice“ (vgl. Burns/ Richards 2009: 3) besteht. Explizierungsprozesse, welche Handlungen im Nachhinein analysieren, spielen dabei eine tragende Rolle. In den untersuchten Szenarien reflektieren Studierende Microteachings, wobei die Refle-

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xion auf Videographie basiert und in Portfolios angeleitet wird. Die „komplexe Versprachlichung und Verschriftlichung“ (Abendroth-Timmer 2011: 35) ermöglicht es, durch zeitliche Distanz das Unterrichtsgeschehen mehrperspektivisch wahrzunehmen und dadurch neue theoretische Wissensbestände zu integrieren. Wenn auch das hier vorgestellte Projekt dem Ansatz, hochschuldidaktische Aktionsforschung zu den Praktika zu betreiben, stark ähnelt, so finden sich doch in den konzeptionellen und methodischen Konkretisierungen Differenzen: Im Unterschied zum hier vorgestellten Projekt finden bei Abendroth-Timmer keine Praxisphasen außerhalb der Universität statt, alles spielt sich in der Lehrveranstaltung selbst ab, während das hier vorgestellte Projekt den Erfahrungsraum durch die Tätigkeit in authentischen schulischen Unterrichtssituationen erweitert. Ein weiterer Unterschied liegt in der Auswahl sowie im Zeitpunkt der Auseinandersetzung mit theoretischen Texten: Während bei Abendroth-Timmer eine erfahrungsbasierte Chronologie (erst die Praxiserfahrung, dann die theoretische Differenzierung) realisiert wird, zielt das hier untersuchte Seminarkonzept darauf ab, repetitive, spiralförmige Theorie-Praxis-Theorie-Rückkopplungen zu inszenieren und dabei auch systematisiertes Wissen ex ante zur Verfügung zu stellen. Eine weitere Ergänzung der Arbeiten von Abendroth-Timmer nimmt die hier vorliegende Studie bei der fachdidaktischen Differenzierung von reflexiver Kompetenz vor. Abendroth-Timmer modelliert die Elemente von Reflexion entlang der didaktischen Kompetenzen nach Hallet (2006), die nicht spezifisch fremdsprachendidaktisch ausdifferenziert sind und insofern andere Ergebnisse hervorbringen als die hier interessierenden. 5.10 Fokus fachdidaktische Reflexion mit dem EPOSA: Mehlmauer-Larcher (2012) Die Arbeiten von Mehlmauer-Larcher beschäftigen sich mit dem Nachvollzug reflexiver Kompetenzen, die zukünftige Englischlehrkräfte in der Auseinandersetzung mit dem EPOSA (Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (Newby et al. 2007)) entwickeln (vgl. Mehlmauer-Larcher 2012). In Bezugnahme auf Dewey und das Konzept des reframing sowie unter

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Exemplarische Arbeiten zu Praxisphasen

Bezugnahme auf Reflexionstypen bei Akbari (2007) und Jay/Johnson (2002) untersucht sie über Interviews und die Analyse von Portfolios die reflexiven Kompetenzen der Studierenden. Mehlmauer-Larchers Arbeiten sind für die hier vorliegende Studie in hohem Maße relevant, weil ihnen sowohl ein ähnliches Konstrukt von Reflexivität unterliegt als auch das Interesse für die spezifisch fachdidaktische Differenzierung der untersuchten Reflexionsprozesse bestimmend ist. Dabei rekurriert Mehlmauer-Larcher mit dem EPOSA auf eines der wenigen Modelle fremdsprachendidaktischer Lehrkompetenz (vgl. Abschnitt 4.2). Hier dient das Modell nicht der Überprüfung fachdidaktischer Kompetenzen, sondern einer prozessorientierten Auseinandersetzung der Studierenden mit systematisch geordneten handlungsbezogenen Aspekten fremdsprachendidaktischen Handelns und Beobachtens. Über Fragebögen, Reflexionsgespräche und leitfadengestützte Interviews wurde die Arbeit mit dem EPOSA am Centre for English Language Teaching der Universität Wien evaluiert. Die Studierenden bewerten das Instrument überwiegend positiv. Es ist sowohl für rückblickende Reflexionen als auch für Planungsprozesse sinnvoll, hilft zu fokussieren beziehungsweise überhaupt spezifisch fachdidaktische Beobachtungs- und Handlungsschwerpunkte auszumachen. Die Herausforderungen im Umgang mit dem EPOSA liegen im (frühen) Zeitpunkt des Einsatzes, zu dem die Studierenden über erst wenig Praxiserfahrung verfügen, die sie in die Reflexion einbringen könnten (vgl. Mehlmauer-Larcher 2012: 201). 5.11 Fokus Zufriedenheit der Studierenden: Elsner (2010) Elsner (2010) interessiert sich für die Zufriedenheit mit den Praktika in anglistischen Studiengängen, die mittels Fragebögen erhoben wird. Die Besonderheit der Daten liegt in ihrer Doppelperspektivität: so hat Elsner Studierende und Lehrende von Praktikumsveranstaltungen befragt und kann so zu Vergleichen der Wahrnehmungen beider Gruppen gelangen. Während die Dozierenden unreflektierten Praxiserfahrungen eher kritisch gegenüberstehen, bewerten die Studierenden Praxisphasen durchweg positiv. Auch hier kann gezeigt werden, dass die Organisationsform ‘Blockpraktikum’ allein

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noch kein Garant für die Entwicklung fachspezifischer Planungs- und Handlungskompetenz ist. Die Auswertungen bestätigen die Ergebnisse von Fix (o.J.) und Neuweg (2007), dass im Unterricht häufig subjektive Theorien bzw. der Rückgriff auf die selbst erfahrenen Modelle der eigenen Schulzeit handlungsleitend sind. Elsner beschreibt in diesem Kontext das Problem, dass die betreuenden Lehrkräfte an den Praktikumsschulen häufig Unterrichtsschemata vorgeben, an denen die Praktikant*innen sich orientieren sollen, ohne dass diese mit der Universität und dem dort vermittelten theoretischen Wissen abgeglichen worden wären. Aus der Perspektive der Studierenden stellt sich die Kritik an Praktika so dar, dass diese sich Übungen im Bereich der Unterrichtsplanung wünschen, während Hochschullehrende „Unterrichtsrezepte“ häufig ablehnen. Sie meinen auch, die Studierenden würden das theoretisch erworbene Wissen selbständig in innovative planerische Konzepte überführen und diese während des Praktikums realisieren, was jedoch kaum der Fall ist. Die Studie ähnelt dem hier verfolgten Ansatz insofern, als die angenommene Differenz zwischen eher unterrichtspragmatisch orientierten Studierenden und Lehrenden, die reflexive Kompetenzen betonen, auch dem theoretischen Professionsverständnis entspricht. Während Elsner jedoch mit Fragebögen arbeitet und die Wahrnehmung der beteiligten Akteur*innen fokussiert, geht der hier verfolgte Ansatz mit seinem Interesse für reflexive Kompetenz über diese Selbsteinschätzung hinaus9. 5.12 Fokus Professionsforschung und Reflexion: Roters (2012) Die Dissertation von Roters (2012) ist im professionstheoretischen Ansatz verortet und untersucht Merkmale von Reflexivität im deutsch-amerikanischen Vergleich. Im Kontext schulpraktischer Studien werden zwei Studierendengruppen kontrastierend untersucht. Dabei werden aus Dokumentenanalysen abgeleitete Lerngelegenheiten mit studentischen Reflexionen (Portfolios und Praktikumsberichte) abgeglichen und hinsichtlich verschiedener Ausprägungen von Reflexivität untersucht. Das inhaltsanalytische Vorgehen 9

Die Wahrnehmung des Moduls durch die Studierenden wurde an anderer Stelle (vgl. Schädlich 2015) systematisch aufgearbeitet.

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orientiert sich dabei an Kategorien, die aus dem skalierenden Reflexionsmodell von Ward/McCotter (2004) abgeleitet wurden. Im deutsch-amerikanischen Vergleich lassen sich keine Unterschiede in den reflexiven Fähigkeiten der Studierenden festmachen, innerhalb der Gruppen gibt es jedoch starke individuelle Ausprägungen. Die Analyse abstrahiert Roters in fünf Novizentypen: deskriptiv-pauschalisierend, selbstfokussiert, instrumentellreflexiv, dialogisch-reflexiv und transformativ-reflexiv (vgl. Roters 2012: 264). Die Bezugskategorien, innerhalb derer die Reflexionsfähigkeit untersucht wird, sind fachdidaktischer, allgemein lerntheoretischer und forschungsmethodischer Natur. Vor allem die Kategorie „Reflexion über fremdsprachlichen Unterricht“ weist deutliche Parallelen zum hier vorgestellten Projekt auf. Der Unterschied liegt darin, dass Roters auf ein gegebenes Modell von „fachbezogenem Wissen“ rekurriert, während hier die Bezugskategorien selbst Gegenstand einer empirischen Rekonstruktion sind. Roters‘ Ergebnisse zeigen, dass vertiefte, höherstufige Reflexion nur selten stattfindet und die Studierenden ihre Erfahrungen häufig stark deskriptiv oder instrumentell versprachlichen. 5.13 Fokus Aufgabenorientierung als Lehrkompetenz: Raith (2011) Die Dissertationsstudie von Raith (2011) ist eine der wenigen, die sich der Professionalisierung angehender Fremdsprachenlehrkräfte unter spezifisch fremdsprachendidaktischen Fragestellungen widmet. Konkret fragt er nach spezifischen Kompetenzen im Bereich der Aufgabenorientierung, über die Fremdsprachenlehrkräfte verfügen sollten, um ihrerseits aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht realisieren zu können. Verortet ist die Studie in der zweiten Phase der Lehrer*innenbildung. Es wurden Referendarinnen und Referendare in Baden-Württemberg in ihrem Professionalisierungsprozess begleitet. Über qualitative Interviews soll „die Perspektive der Teilnehmer auf ihren eigenen Unterricht untersucht werden, um festzustellen, welche Kompetenzbereiche in ihrer Reflexion berücksichtigt werden bzw. welche wenig ausgebildet sind“ (Raith 2011: 83). Den Beteiligten werden Videos ihrer eigenen Stunden vorgespielt, die sie nach Impulsen zu Zielsetzung, Bewertung und möglichen Handlungsalternativen rückblickend reflektieren sollen.

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Die Auswertung des Stimulated Recall erfolgt inhaltsanalytisch – hier werden Kompetenzbeschreibungen als Analysekategorien und Codes (Raith 2011: 90f.) angesetzt. Die Arbeit betont die Wichtigkeit zyklisch angelegter Reflexion und zeigt, dass Lehrkompetenz eng an reflexive Praktiken gebunden ist. Die Arbeit trägt zur Modellierung spezifisch fachdidaktischer Kompetenzen bei, indem sie das Konzept der Aufgabenorientierung in Standards überführt, die den Bezugspunkt der qualitativen Inhaltsanalyse darstellen. Aufgabenorientierung bildet zwar einen wichtigen inhaltlichen Bezugspunkt im hier vorgestellten Projekt, jedoch nicht den einzigen fremdsprachendidaktischen Fokus. Der Abgleich der Ergebnisse ist dennoch möglich und fruchtbar, weil das forschungsmethodische Vorgehen – die Identifikation reflexiver Kompetenz über inhaltsanalytische Auswertungen von Interviews – in beiden Studien ähnlich angelegt ist. 5.14 Zwischenfazit und Ausblick auf die empirische Studie Die im Folgenden vorgestellte empirische Studie bezieht sich auf die referierten Arbeiten, mal stärker in methodischer, mal stärker in fachlich-konzeptioneller Hinsicht. Auffällig in den Ergebnissen der referierten Arbeiten ist zusammenfassend, dass diese einerseits in kompetenzüberprüfenden Verfahren durchweg zu eher ernüchternden Ergebnissen kommen, der Rolle von Reflexion jedoch tendenziell positive Effekte zugeschrieben werden. Die Arbeiten bestätigen auch, dass Reflexion kein ‘Automatismus’ ist und können dort, wo Reflexion systematisch angeleitet wird, durchaus Wirksamkeiten entsprechender Formate feststellen. Das Erkenntnisinteresse für die im Folgenden dargestellte empirische Studie besteht primär darin, fachbezogene Reflexivität angehender Fremdsprachenlehrkräfte im Kontext von Praktika identifizierbar zu machen. Dafür wird eine Arbeitsdefinition fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz entwickelt, die im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse empirisch überprüft und ausdifferenziert werden soll.

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Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz erforschen: Kontext und forschungsmethodologische Verortung der empirischen Studie

Als Teil einer Langzeitstudie (vgl. Schädlich 2016) zielt das Projekt auf eine empirisch verankerte Identifikation und Beschreibung fachdidaktisch fokussierter Reflexion von Lehramtsstudierenden der Fremdsprachendidaktik, konkret des Fachs Französisch. Ziel ist es, aus verschiedenen Perspektiven differenzierte Einblicke in Lehr-/Lernprozesse angehender Französischlehrkräfte zu erhalten (vgl. Kuckartz et al. 22008; von Kardorff 2003). Das Projekt untersucht Aspekte von Reflexion in einem spezifischen Kontext universitärer Lehrer*innenbildung. Die vorliegende Publikation stellt das Kernstück des Projekts dar, das durch weitere Teilprojekte ergänzt wird bzw. wurde (vgl. Schädlich 2015; 2016). Im Zentrum der Langzeitstudie stehen drei Forschungsfragen: 1.

2.

3.

Wie nehmen die Studierenden das Praktikumsmodul im Fach Französisch vor dem Ziel der Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz wahr und wie bewerten sie einzelne Elemente des Moduls? Welche Aspekte reflexiver Handlungskompetenz können in den Interviews mit den Studierenden unabhängig von der subjektiven Bewertung einzelner Elemente des Moduls identifiziert werden? Sind Veränderungen der reflexiven Handlungskompetenz im Professionalisierungsprozess phasenübergreifend und über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtbar, und wie lassen sich diese beschreiben?

Die Fragen zielen sowohl auf die Modellierung reflexiver Handlungskompetenz als auch auf die Bedeutung, die ihr von verschiedenen Beteiligten für die Lehrer*innenbildung zugeschrieben wird. So fokussiert der erste Teil der Studie (vgl. Schädlich 2015) den Nachvollzug der Studierendenperspektive. Auch wenn von Kardorff (2003: 242) hierzu feststellt, dass in vielen Evaluationen nicht alle Beteiligten partizipativ einbezogen werden, so kann dies für den Bereich der fremdsprachendidaktischen Forschung – die sich eher durch © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_6

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Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz erforschen

eine hohe Zahl an Arbeiten zu Binnensichten und Rekonstruktionen Subjektiver Theorien auszeichnet – kaum gelten. Dennoch erscheint es lohnenswert, die hochschuldidaktische Intention des Moduls mit der Wahrnehmung der Studierenden abzugleichen (vgl. Schädlich 2015). Die dritte Forschungsfrage geht davon aus, dass sich die Wahrnehmung der Studierenden im Professionalisierungsprozess verändern kann. Vor diesem Hintergrund wird es interessant, die Bewertung des Moduls sowie seiner hochschuldidaktischen Konzeption im Abgleich verschiedener Perspektiven zu erforschen, die bei den Beteiligten zu verschiedenen Zeitpunkten entstehen. Das Erkenntnisinteresse, das dem empirischen Teil der vorliegenden Studie unterliegt, bezieht sich auf die zweite Forschungsfrage, die Identifikation reflexiver Kompetenzen von Studierenden im Fachpraktikum, das im Master of Education verortet ist. In Expertisen oder Rahmentexten finden sich hinsichtlich der Kompetenzziele Formulierungen wie „Verknüpfung von Studieninhalten und den Erfahrungen während der schulpraktischen Studien“ (Terhart 2002: 35) oder „[d]ie Absolventinnen und Absolventen beurteilen die Notwendigkeit und Problematik didaktischer Transformationen oder Reduktionen und weisen erste Erfahrungen mit deren Umsetzung nach“ (MaVo 2007: 499). Hier werden zwar Bezüge verschiedener Wissensformen in Erfahrungskontexten thematisiert und als Ziele lehrerbildender Veranstaltungen angesetzt. Hinsichtlich der konkreten Umsetzung sowie der Möglichkeiten ihrer empirischen Beschreibung oder Evaluation bleiben diese Vorgaben jedoch vage. Sie bedürfen einer genaueren Differenzierung, wie genau die Verknüpfungen im Handeln während der schulpraktischen Studien oder Praktika hergestellt werden (sollen) bzw. woran ihr Gelingen zu erkennen wäre. Handlungsleitend für die vorliegende empirische Studie ist dementsprechend folgende Forschungsfrage, die sich in zwei zugeordnete Unterfragen gliedert: Welche Merkmale weisen reflexive Prozesse angehender Fremdsprachenlehrkräfte auf, die im Rahmen von Fachpraktika beobachtbar sind? a) Welche Arten von Reflexion sind identifizierbar?

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b) Welches fachdidaktische Wissen bestimmt reflexive Prozesse im Kontext von Praktika? Die folgenden Abschnitte erläutern den übergeordneten Kontext des Projekts und erlauben eine Verortung im Kontext von Lehrer*innen- und Professionsforschung. Es werden die Bedeutung des hochschuldidaktischen Settings sowie die Entscheidung für den methodischen Zugriff auf fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz über eine qualitative Inhaltsanalyse erläutert. Ausgangspunkt für die Empirie ist der Anspruch, Einblick in erfahrungsbasierte Reflexionsprozesse von Studierenden zu erhalten. Als „Interimsdidaktik“ systematisiert sollen diese Prozesse Aufschluss darüber geben, wie welches fachdidaktische Wissen in Handlungssituationen während eines Praktikums von Studierenden reflexiv verarbeitet wird. 6.1 Qualitative Inhaltsanalyse als empirischer Ansatz zur Erforschung fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz In der vorliegenden Studie wird die zweite Forschungsfrage des Langzeitprojekts fokussiert. Über eine qualitative Inhaltsanalyse (vgl. Kuckartz 2012) sollen Elemente fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz identifiziert werden. Das in diesem Kontext entwickelte Kategorienmodell soll übertragbar sein und auch an anderes empirisches Material angelegt werden können. Die Inhaltsanalyse kann lediglich einen Teilaspekt von Reflexion beleuchten, die Fähigkeit nämlich, Zusammenhänge zwischen theoretischem Wissen und unterrichtlichem Handeln explizieren und problematisieren zu können (vgl. Nölle 2002). Dabei stellt sich die Frage, ob die Isolation einer derart eng fokussierten Kompetenz überhaupt aussagekräftig hinsichtlich der Professionalität angehender Lehrkräfte sein kann. Die berufliche Identität von Fremdsprachenlehrpersonen umfasst gerade nicht nur fachdidaktische Kompetenzen, vielmehr ist sie generell ganzheitlich zu verstehen (vgl. z.B. Caspari 2003; Haack 2018; Valadez-Vazquez 2014). Daher muss ein Interesse an isolierten Elementen von Professionalität per se problematisch erscheinen und hin-

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Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz erforschen

sichtlich der Reichweite der Ergebnisse problematisiert werden. Ein isolierender Fokus ermöglicht jedoch andererseits differenzierte Erkenntnisse zu einem als relevant angenommen Teilaspekt gerade durch die Reduktion der Komplexität. Mit der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse liegt das Projekt forschungsmethodisch an der Schnittstelle von hypothesentestenden Verfahren und interpretativer Exploration (vgl. Bonnet 2010; Caspari/Schmelter 2003). Es wird das Ziel einer Differenzierung des Konstrukts fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz im Kontext romanistischer Fremdsprachendidaktik verfolgt. Der Ansatz ist im Sinne der Gegenstandsangemessenheit empirischer Forschung unmittelbar an die Definition reflexiver Handlungskompetenz gebunden, die der Studie unterliegt. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass individuelle Erfahrungen und die Reflexion konkreter Unterrichtssituationen in Anbindung an Wissenschaftswissen versprachlicht werden (vgl. Abschnitt 7). Notwendigerweise ist das methodische Vorgehen der Inhaltsanalyse auch verengend in dem Sinne, als während des Analyseprozesses Auffälligkeiten im Interviewmaterial sichtbar werden, die andere methodische Zugriffe nahelegen oder erforderlich machen können, welche jedoch bei der Planung (noch) keine Berücksichtigung gefunden haben. Praxisbegleitende empirische Forschung unterliegt hier grundsätzlich dem Problem, dass spezifische Perspektiven erst im Forschungsverlauf sichtbar werden und die Möglichkeiten, diese zugänglich zu machen und zu repräsentieren, während des Prozesses angepasst werden. Die chronologische Verortung des genauen Vorgehens sowie die Entscheidungen, die in methodologischer Hinsicht getroffen wurden, sind während des Forschungsprozesses selbst kontinuierlich revidiert und verfeinert worden. Alle Beobachtungen und neuen Fraugen, die sich bei der inhaltsanalytischen Arbeit ergeben, werden daher im Verlauf der Arbeit in Exkursen und Ausblicken thematisiert. Konkret bedeutet dies, dass im Kontext inhaltsanalytischer Verfahren punktuell durch Reflexion des methodischen Vorgehens Fragen entstanden sind, die eigene Vorurteile und Kategorien der Bedeutungszuschreibung durch die Forscherin offenbart haben. Diese sollen reflexiv benannt werden,

Kontext und forschungsmethodologische Verortung

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auch wenn dies bisweilen als Infragestellung des zunächst gewählten Forschungsansatzes erscheinen mag. Zusammenfassend kann der im Prozess entstandene weiterführende Blick auf die Ausgangsfrage und das untersuchte empirische Material als Bewegung von einem eher überprüfenden Ansatz (Welche Elemente der entwickelten Definition reflexiver Handlungskompetenz finden sich im empirischen Material?) hin zu einem eher explorativen Anspruch (Wie können reflexive Praktiken überhaupt systematisch beschrieben werden?) charakterisiert werden. Aus den kategorial orientierten Inhaltsanalysen heraus ist ein vorrangiges Interesse für die Zusammenhänge zwischen einzelnen Interviewpassagen entstanden, die forschungsmethodisch eher offene, nicht kategorial organisierte Verfahren nahelegen würden, sondern eher solche, die dem interaktionalen Moment von Bedeutungsaushandlungen Rechnung tragen. Die Struktur des Textes bildet dieses veränderte Interesse auch in der Kapitelfolge ab. Je weiter die Analyse der Daten voranschreitet, umso deutlicher treten neue Fragen hervor, die bei der Anlage der Empirie noch nicht berücksichtigt worden waren. Die Fragestellung, die diesen Text zunächst motiviert hat, hat sich im Forschungsprozess mehr und mehr zersetzt. In den Momenten, in denen Antworten auf das Erkenntnisinteresse generiert wurden, wurden diese Antworten durch neue Kontexte, weiterführende Fragen angezweifelt, ergänzt und vor neuen Rahmungen anders gestellt. Das methodische Vorgehen der qualitativen Inhaltsanalyse erweist sich sowohl im Prozess als auch im Augenblick der Ergebnisdarstellung als lediglich für einige spezifische Aspekte und ausschnitthafte Reduktionen des Datenmaterials geeignet. Dass hier eine Methode gewählt wurde, die sich ex post als zwar angemessen und ergebnisreich bestätigt, gleichzeitig aber im Prozess Probleme aufgeworfen hat, die auf neue Erkenntnisinteressen und andere zu deren Bearbeitung besser geeignete methodische Ansätze verweisen, hätte auch dazu führen können, das Forschungsprojekt – oder zumindest die hier bearbeitete Fragestellung – nicht weiterzuverfolgen. Die Entscheidung für eine Fortführung und offene Darstellung der Entwicklung hat auch die Funktion, die zeitweise Unsicherheit, Unklarheit und Situativität lang angelegter empirischer Projekte der Hochschullehre für die Leser*innen nachvollziehbar zu machen. Der

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Anspruch, eine Erfahrung in immer neuen Kontexten zu versprachlichen, sie immer wieder neu zu rahmen, sei hier demnach nicht nur als Hauptmerkmal des in dieser Studie interessierenden Konstrukts der reflexiven Handlungskompetenz angesetzt, sondern auch als Forderung an hochschuldidaktische Begleitforschung zu lehrerbildenden Formaten, die kaum unabhängig von der Entwicklung ihrer Akteur*innen – konkret der forschenden Personen – erfasst werden können. 6.2 Erfahrungsbasierte Reflexion als hochschuldidaktischer und empirischer Ausgangspunkt der Studie Das Projekt und damit auch das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit setzen an der Stelle an, wo einerseits die Infragestellung der Wirksamkeit von Praxisphasen ernst genommen wird, andererseits aber dort weiter differenziert wird, wo in der jüngeren Forschung Möglichkeiten gesehen werden, dem Problem der Unwirksamkeit von Praktika konstruktiv zu begegnen. Dabei erscheinen vor allem systematisch angeleitete, auf Reflexivität fokussierende Theorie-Praxisverbindungen vielversprechend, bei denen Erfahrungen „systematisch mit dem Wissenserwerb in einer Lehrveranstaltung verbunden“ werden (Hascher 2012: 113). Dieses Moment einer Kopplung von systematischem Wissenschaftswissen mit subjektiven Erfahrungen kann durch standardisierte Tests nur sehr bedingt eingeholt werden. Seine Erforschung erfordert Settings, die die Annahme der Nicht-Standardisierbarkeit unterrichtlichen Handelns und die Komplexität des Einzelfalls sowohl hochschuldidaktisch als auch in der Anlage empirischer Studien integrieren. Tsui (2003) schreibt in ihrer Studie zur Expertise von Fremdsprachenlehrkräften (vgl. Abschnitt 5.2), dass Expertise nicht unabhängig von subjektiver Erfahrung und versprachlichter Geschichte entstehen kann. Die Verankerung in der Erfahrung bildet also sowohl für die hochschuldidaktische Anlage des Moduls als auch für das Forschungsdesign die konstituierende Basis. Basierend auf einer Definition von Reflexivität, die Erfahrungen, Handlungswissen und fachdidaktisches wissenschaftliches und empiriebasiertes Theoriewissen einbezieht, besteht das Ziel der Arbeit in einer empirischen

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Beschreibung reflexiver Handlungskompetenz der Studierenden, die sich an der Studie beteiligt haben. 6.3 Entwicklung einer Interimsdidaktik als Ziel der Studie Während der erste Auswertungsschritt des zugrunde liegenden Interviewmaterials (vgl. Schädlich 2015) den Nachvollzug der Bewertung des Moduls durch die Studierenden zum Ziel hatte, soll der zweite Schritt mit dem Versuch der Identifikation reflexiver Handlungskompetenz eine weitere Perspektive auf das empirische Material eröffnen. Das Ergebnis der Auswertung soll die Beschreibung einer „Interimsdidaktik studentischer fachdidaktischer Reflexion“ sein, die Aufschluss darüber gibt, über welches fachdidaktische Wissen die Studierenden, die an den Praktikumsmodulen teilgenommen haben, verfügen und wie sie dieses Wissen reflexiv im Sprechen über Praxissituationen der eigenen Erfahrung im Französischunterricht transformieren. Dabei werden zum einen thematische Setzungen fokussiert – welche fachdidaktischen Themen und Probleme werden in den Erfahrungen auf den Plan gerufen? – und zum anderen die Art, wie diese reflexiv transformiert werden. Der Begriff der ‘Interimsdidaktik’ zur Beschreibung fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz wurde in diesem Kontext auch gewählt, um einer vor den empirischen Beobachtungen naiv erscheinenden Vorstellung von Prozess-Produkt-Effektivität universitärer Lehre eine Alternative entgegenzustellen. Die Lerngelegenheiten der Begleitveranstaltungen, die in Abschnitt 7 beschrieben werden, sind – so die Vermutung – nicht wirkungslos, es wird davon ausgegangen, dass es Verbindungen zu den reflexiven Prozessen während des Praktikums gibt. Diese sind jedoch so komplex, dass beobachtbare Reflexionen immer auch über das Vermittelte hinaus auf wietere Wissensbereiche verweisen, die der studentischen Reflexion unterliegen. Diese sind für die Beschreibung subjektiv verankerter und damit handlungsrelevanter Reflexionen ebenso bedeutsam wie die Rekurse auf das im Modul vermittelte Wissen. Sie geben Aufschluss über gegebenenfalls konkurrierende implizite Wissensanteile, die gegebenenfalls auch eine Ursache für die immer wieder festgestellte ‘mangelhafte’ Reflexionskompetenz angehen-

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der Lehrkräfte sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Studierende gewissermaßen ‘Opfer’ ihrer subjektiven Theorien und grundsätzlich zu kriteriengeleiteter Reflexion nicht fähig wären. Die Interimsdidaktik hat zum Ziel, genau dieses Spannungsfeld zwischen explizierender Reflexion und impliziter Praxis mit ihren divergierenden Bezugssystemen beschreibbar zu machen. Die Interimsdidaktik zeichnet sich durch ein Wissen aus, das nicht stringent aus der fachdidaktischen Systematik abgeleitet werden kann. Vielmehr lassen sich kontingente Rückgriffe auf Wissensanteile beobachten, die mit Erfahrungswissen verbunden werden und hierbei mal mehr, mal weniger plausible Bedeutungskonstruktionen oder Interpretationsansätze für Probleme der Praxis sichtbar werden lassen. Eine – wie hier auch ansatzweise intendierte – quantifizierende Zuordnung von Wissensbeständen, die sich an den fachsystematischen Logiken der Bezugswissenschaften oder bestehenden Kompetenzmodellen orientieren, erscheint vor diesem Hintergrund zwar sinnvoll, wird aber hinsichtlich des pädagogischen Handelns gerade durch die Ergänzung um Wissenselemente, die jenseits der standardorientierten Überprüfung liegen, aussagekräftig: Die Interimsdidaktik kann an der Stelle ansetzen, wo bei Kompetenzüberprüfungen defizitorientiert „abwesende“ oder „schwach ausgeprägte“ Kompetenz konstatiert wird. Sie beschreibt hingegen positiv das, was anstelle des (vermeintlich) Abwesenden vorhanden ist und liefert deskriptive Erklärungsansätze für das Reflexionshandeln. Die Interimsdidaktik verfolgt also gerade nicht das Ziel, fachdidaktische Kompetenzen zu überprüfen, sondern nachzuzeichnen, welche Wissensbereiche in reflexiven Äußerungen in welcher Art aufgerufen werden. Der Wert dieses Ansatzes gegenüber kompetenztestenden Verfahren besteht darin, dass die Reflexionen sich auf subjektiv relevante Erfahrungen beziehen und daher davon auszugehen ist, dass sie stärker handlungsleitend sind als dies bei Wissensbereichen der Fall ist, die durch Tests ohne Erfahrungsbasis hervorgebracht werden.

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Konzeptionell-theoretische Basis des Projekts: Arbeitsdefinition reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz und Seminarkonzept

Ausgehend von den Überlegungen zum Reflexionsbegriff (vgl. Abschnitt 3) und zu bestehenden Kanones fachdidaktischen Wissens (vgl. Abschnitt 4) werden im Folgenden die theoretisch-konzeptionellen Bezugspunkte für die empirische Studie erarbeitet: Es wird zunächst eine Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz vorgeschlagen. Diese enthält als konstituierende, interdependente Elemente Reflexivität und fachdidaktisches Wissen. Ihr unterliegen die weiter oben ausgeführten Problematisierungen zum TheoriePraxis-Verhältnis, zu Reflexivität sowie zur Modellierung spezifisch fachdidaktischer Inhalte und Kompetenzen. In Verbindung mit der Arbeitsdefinition reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz wird das Konzept des Praktikumsmoduls beschrieben, in dessen Kontext die empirische Studie sich verortet. Im Fokus der hochschuldidaktischen Entscheidungen stehen dabei sowohl die thematische Auswahl der Lehr-/Lernmaterialien als auch die methodisch-didaktische Gestaltung von Reflexionsgelegenheiten. 7.1 Annäherungen an den Reflexionsbegriff der empirischen Studie Die oben skizzierten Arbeiten zum Reflexionsbegriff und zu den Problemen seiner empirieorientierten Modellierung (vgl. Abschnitt 3) haben deutlich gemacht, dass es sich um ein heterogenes Konstrukt handelt, das in verschiedenen Kontexten unterschiedlich theoretisiert und mit verschiedenen forschungsmethodischen Ansätzen empirisch zugänglich gemacht wird. Sowohl die begriffliche Herleitung als auch der empirische Zugriff beeinflussen die Ergebnisse und Aussagen zur Bedeutung, die reflexiven Prozessen in lehrerbildenden Kontexten zukommt. Das folgende Kapitel entwirft die Grundannahmen zu reflexiven Prozessen, die der weiteren Konkretisierung und Operationalisierung der vorliegenden empirischen Studie unterliegen werden. In Abschnitt 10 werden die Ergebnisse der empirischen Studie als Ausdifferenzierung dieser Grundannahmen dargestellt. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_7

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In Abschnitt 3 wurden zusammenfassend die mehrperspektivische Explizierung von Erfahrungen in Unterrichtssituationen im Sinne der reflection on action sowie deren kritisch-dialogische Diskussion als konstituierend für den Reflexionsbegriff betont. In Überleitung auf den spezifischen Begriff reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz für die vorliegende Studie werden diese abstrakten Ansätze weiter ausdifferenziert: „Reflexivität als Bewusstheit über das eigene Tun wird [...] als Schlüsselkompetenz von Professionalität aufgefasst“ (Kolbe/Combe 2004: 835). Praxisorientierung ist daher gerade nicht als unmittelbare Anwendung von Theorie in der Praxis zu verstehen, sondern als Versuch, Handlungen der Praxis ex post neu zu rahmen und bei dieser Rahmung explizit verfügbare Wissensanteile zu integrieren. So betont auch Neuweg, dass Reflexion und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Unterricht vor allem das Ziel einer Erweiterung von Perspektiven verfolgt, die er auch an eine Erweiterung des Handlungsspielraums koppelt: „Soll [...] der Begriff Studium seinen Sinn bewahren, sind Hintergrund-, Bildungs-, Reflexionswissen zu vermitteln, Problemmodelle, die Fragen zulassen, Deutungsschemata, die helfen, Wirklichkeit zu lesen. Das hat, wenn es gut gemacht ist, ‘praktische Relevanz’ – nicht, weil dadurch unmittelbar ‚Anwendbares’ erworben würde, das hernach durch ‘Übung’ und ‘Praxis’ zur ‘Prozedur’ wird, sondern weil sich die Perspektiven verbreitern, in denen praktische Probleme ihre Rahmung erfahren, weil der Raum an Handlungsalternativen sich verbreitert, den man sieht, und weil das praktische Denken sich am Möglichen und nicht nur am Vorfindlichen zu orientieren lernt“ (Neuweg 2011b: 23; Auslassung vorgenommen durch B.S.).

Reflexives Handeln verhilft dazu, im vermeintlich Selbstverständlichen überhaupt Probleme erkennen zu können. Tsui schreibt Experten genau diese Fähigkeit als zentrale Eigenschaft zu: „to identify and define problems, rather than to solve problems that they are presented with that is the critical distinction between experts and nonexperts“ (Tsui 2003: 271-272; Kursiv im Original; B.S.). In diesem Sinne definiert auch Roters den Vorgang des reframing im Rückgriff auf Dewey und Schön als die Fähigkeit, „auftretende[n] Problemen nicht mit vorgefertigten Handlungsanweisungen zu begegnen, sondern sie immer neu zu formulieren“ (Roters 2012: 115f).

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Dies bleibt nicht nur auf rückblickende Analysen bezogen. Auch die Planung von Unterricht ist reflexiv, beispielsweise bei der Vorwegnahme von Problemen, die mit der Fähigkeit verbunden ist, den Unterricht mit den Augen der Lernenden zu sehen (vgl. Tsui 2003: 271-272) und mögliche Verläufe oder Schwierigkeiten im Vorfeld zu antizipieren. Diese Fähigkeit wird – obwohl sie aus der Sicht erfahrener Lehrkräfte als Binsenweisheit erscheinen mag – seit dem Erscheinen der Metastudie Visible Learning von John Hattie (2009) als Kernelement gelingenden Unterrichts und damit auch als Merkmal von Professionalität angesetzt: „It is teachers seeing learning through the eyes of students, and students seeing teaching as the key of their ongoing learning. The remarkable feature of the evidence is that the biggest effects on student learning occur when teachers become learners of their own teaching, and when students become their own teachers“ (Hattie 2009: 22).

Perspektivenwechsel, der durch systematisches Feedback hergestellt wird, verweist in diesem Ansatz auf eine grundsätzlich adaptive Haltung als Merkmal von Professionalität und Tsui zufolge als Hauptunterschied zwischen Expert*innen und Noviz*innen: in der Unterrichtsvorbereitung spielen erstere „mentale Dialoge“ (vgl. Tsui 2003: 190) durch und antizipieren mögliches Handeln ihrer Schüler*innen und eventuelle Probleme. In der Unterrichtssituation selbst sind sie in der Lage, schnell zu reagieren und den Plan verändernd anzupassen („adjust very quickly“ (Tsui 2003: 190)), während Noviz*innen die Planung vor allem ausgehend von Unterstellungen hinsichtlich des Vorwissens und Könnensstandes vornehmen und im Unterricht selbst streng bei ihren Plänen bleiben (vgl. Tsui 2003: 191). 7.2 Reflexive fachdidaktische Handlungskompetenz: eine Arbeitsdefinition Die empirische Operationalisierung des Reflexionsbegriffs für die vorliegende Studie geht von zwei Grundannahmen aus: erstens der Erfahrungsgebundenheit von Reflexion, zweitens der Annahme von Strukturdifferenzen in den Wissensarten, die für unterrichtliches Handeln relevant sind. Reflexion ist per

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se erfahrungsgebunden, sodass es keine Diskussion des Theorie-Praxis-Verhältnisses geben kann, die unabhängig von Handlungserfahrungen wäre. Weil sie erfahrungsgebunden ist, ist sie nur ex-post verstehbar. Ausgehend vom oben entworfenen ambivalenten Verständnis von Theorie-Praxis-Verbindungen (vgl. Abschnitt 2) soll im Rahmen der vorliegenden Studie das Fachpraktikum – konkret des Fachs Französisch – als Schnittstelle charakterisiert werden, bei der implizites Wissen und Erfahrung expliziert werden und von Studierenden der Versuch unternommen wird, fachdidaktisches, fachwissenschaftliches und bildungswissenschaftliches (deklaratives) Wissen mit beobachteter oder selbst realisierter Praxis abzugleichen. Diese Art des Nachdenkens über Praktikumserfahrungen wird hier als reflexive fachdidaktische Handlungskompetenz verstanden. Die Rekonstruktion entsprechender Reflexionshandlungen gibt Antworten auf die Frage, wie theoretisches Wissen und praktische Erfahrung in professionstheoretischer Hinsicht aufeinander bezogen werden und weiterhin auf die Frage, was das fachdidaktische Wissen Lehramtsstudierender thematisch genau ausmacht. Als Arbeitsdefinition wird für den empirischen Teil der Arbeit folgende Definition angesetzt: Reflexive fachdidaktische Handlungskompetenz bedeutet, dass Studierende in der Lage sind, Französischunterricht vor dem Hintergrund fachdidaktischer und curricularer Texte zu planen und zu reflektieren und dabei die Relevanz dieser Texte für die individuellen und komplexen Erfahrungen in der Praxissituation ‘Fachpraktikum’ zu explizieren. Diese Definition nimmt zum einen das konstituierende Element der Distanznahme zur unmittelbaren Erfahrung auf (vgl. Abschnitt 3), das sich als Schnittmenge der vorgestellten Reflexionsbegriffe und -modelle herauskristallisiert hat. Zum anderen wird der Begriff der „Theorie“ konkretisiert, indem er hier verengt wird auf „curriculare und fachdidaktische Texte“. Dennoch bleibt der Begriff problematisch, vor allem dann, wenn in Listenmodellen oder Formulierungen von Standards „Theorie“ in Opposition zu

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„Empirie“ und/oder „Praxis“ gefasst wird. So lautet beispielsweise ein Standard, schulpraktische Studien sollten „zu einem kompetenteren Umgang mit Theorie, Empirie und Praxis befähigen“ Terhart (2000: 108). Was ist aber hier genau die „Theorie“? Die Texte, die den Wissenskanon in fachdidaktischen Lehrveranstaltungen ausmachen, sind zwar als „Theorie“ zunächst insofern als Opposition zu „Praxis“ zu verstehen als sie nicht von den unmittelbaren Erfahrungen der Studierenden ausgehen, nicht zwangsläufig an diese angeknüpft werden müssen und meist anders strukturiert sind als Texte über Praxiserfahrungen. Dennoch beinhalten viele fachdidaktische Texte sowohl empirische Forschungsergebnisse als auch Praxisberichte mit Handreichungscharakter, sodass die im Standard formulierte Trias von „Theorie, Empirie und Praxis“ keinesfalls abgrenzend gelten kann, sondern die „Theorie“ häufig bereits Empirie und Praxis integriert. Viele fachdidaktische Texte thematisieren selbst das Problem abstrakter oder dekontextualisierter Forschungen und sind als praxisorientiert zu bezeichnen in dem Bemühen, Situationen der Praxis in der „Theorie“ bereits mitzuverhandeln. Die Dichotomisierung von „Theorie“ und „Praxis“ erweist sich demnach als kaum brauchbar, wenn es darum geht, verschiedene Arten ausbildungsrelevanten Wissens zu systematisieren. Vor diesem Hintergrund wurde hier ein enges, aber empirisch beschreibbares Verständnis von „Theorie“ angesetzt. Drittens ist in der Definition mit dem Begriff der Distanznahme impliziert, dass sich es um rückblickende Versprachlichungen handelt, die per definitionem an eine chronologische Differenz zwischen Handlung und Reflexion gebunden sind und damit an das Konzept der reflection on action im Sinne Schöns (vgl. Abschnitt 3.3). Reflexivität als Handlungskompetenz bezieht sich in der Definition dieser Studie also nicht auf das Handeln in der Unterrichtssituation selbst, sondern auf die Handlung der Wiedervergegenwärtigung und Bewusstmachung, die durch eine chronologische Verschiebung zwischen Erfahrungssituation und Reflexion charakterisiert ist. Eine Konzentration auf die reflection on action erscheint auch dem Ausbildungsstand der Studierenden angemessen. So beschreiben Hatton/ Smith in Anlehnung an Schön die reflection in action als „most complex and demanding kind of reflection“ (Hatton/Smith 1995: 44), die stark an das

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Erfahrungswissen eines längeren berufsbiographischenn Zeitraums gebunden ist: „He [gemeint ist Schön; B.S.] recognised that such an approach to reflection develops only as a consequence of considerable experience“ (Hatton/Smith 1995: 44). Über diesen Erfahrungshintergrund verfügen Studierende in der universitären Ausbildungsphase noch nicht, sodass ein forschendes Interesse für Prozesse der reflection-in-action wenig ertragreich erscheint. Die oben vorgeschlagene Definition knüpft an ähnliche Formulierungen an, die in vergleichbaren Arbeiten angesetzt werden. Andere Definitionsversuche reflexiver Kompetenz betonen meist auch das Moment der Rückschau und der Distanzierung von der Handlungssituation; so definieren beispielsweise Leonhardt et al.: „Reflexionskompetenz ist die Fähigkeit, in der Vergegenwärtigung typischer Situationen des schulischen Alltags durch aktive Distanzierung eine eigene Bewertung und Haltung zu Handlungsperspektiven auf der Basis eigener Erfahrung in Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Wissensbeständen argumentativ zu entwickeln und zu artikulieren” (Leonhardt et al. 2010: 114).

Diese Definition unterliegt beispielsweise den videographischen Arbeiten von Abendroth-Timmer/Frevel (2013). Die Studie zur reflexiven Lehrer*innenbildung von Abendroth-Timmer (2011) rekurriert ebenfalls auf eine ähnliche Definition, in der nämlich das Verhältnis von Theorie und Praxis nicht als „naive[r] Transfer“ (Herzig et al. 2005: 51; zit. in Abendroth-Timmer 2011: 5) verstanden wird, sondern Reflexion das Ziel hat, „die Fähigkeit zu entwickeln, Wissenschaftswissen [...] zu spezifischen Lehr- und Lernsituationen sowie zu individuellen subjektiven Theorien in Beziehung zu setzen und in den ersten berufspraktischen Erfahrungen auszuwerten“ (Herzig et al. 2005: 51f.; zit. in Abendroth-Timmer 2011: 5). Raith (2011: 21) benutzt den Begriff „reflexive Handlungsfähigkeit“ und bezieht sich auf Dehnbostel (2007) und Gillen (2006). In der Definition von Dehnbostel (2007b: 182) spielt ebenfalls die Distanzierung vom Geschehen eine Rolle sowie die Fähigkeit, pädagogische Situationen im Nachhinein zu bewerten. Die Fähigkeit zur Planung zukünftiger Handlungen wird mit Gillen (2006) betont: Im Sinne eines emanzipatorischen Verständnisses von

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Reflexion dient diese auch der Entwicklung von Alternativen, was Dehnbostel mit dem Begriff der „Mündigkeit“ assoziiert. Die unterliegenden Grundannahmen zur hier entworfenen Arbeitsdefinition werden in den folgenden Abschnitten ausdifferenziert und begründet. Dabei werden die übergeordneten Parameter von Erfahrungsbasiertheit, Perspektivenvielfalt und Versprachlichung ex post (vgl. Abschnitt 3) neu kontextualisiert und weiter in Richtung der Operationalisierung für das Kategoriensystem der Inhaltsanalyse (vgl. Abschnitt 8) ausdifferenziert. 7.2.1 Reflexion ist subjektiv und kann nur erfahrungsbasiert rekonstruiert werden Die Probleme der oben skizzierten Forschungsansätze verdichten sich im Kontext der Erforschung von Praktika erneut: Es ist davon auszugehen, dass in Praktika einerseits reflexive Kompetenzen entstehen und auch beschreibbar gemacht werden können, dass diese aber andererseits zwangsläufig an subjektive Erfahrungen gebunden sind, sodass dieses Moment bei der empirischen Forschung zu Praktika – so problematisch es empirisch, beispielsweise im Kontext von Selbsteinschätzungen, auch sein mag – nicht ausgeklammert werden kann. Arbeiten, die sich im Bereich der Kompetenzforschung verorten (vgl. Terhart 2011; Baumert/Kunter 2006) grenzen sich häufig von Fallstudien ethnographischer Ausrichtung ab und werfen diesen vor, keine repräsentativen Aussagen über ‘tatsächliche’ Kompetenzen oder den Kompetenzzuwachs während der Ausbildung zu ermöglichen. Zwar ist tatsächlich ein Mangel entsprechender repräsentativer Studien, die auf validen Tests basieren, festzustellen. Dies ist aber vor dem Hintergrund der oben formulierten Annahmen auch damit zu erklären, dass kaum einheitliche Kompetenzmodelle für die Fremdsprachendidaktik bestehen, auf denen solche Messungen basieren könnten (vgl. Abschnitt 4). Darüber hinaus klammern Messungen personenunabhängiger Kompetenzaspekte jenen Teil von Professionalität aus, den beispielsweise Tsui als konstituierend für Expertise ansetzt, die Situierung von Professionalität in der persönlichen Geschichte sowie in praktischen Erfahrungen:

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Konzeptionell-theoretische Basis des Projekts „However, ethnographic case studies of teachers’ work and teachers’ lives show that the knowledge and skills teachers develop are closely bound up with the specific contexts in which they work and in their own personal histories. This distinctive knowledge held by teachers has been characterized as personal, practical, and situated“ (Tsui 2003: 3).

Bezogen auf Professionalisierungsprozesse betont Wahl in diesem Zusammenhang, „dass nur solche Aus- und Fortbildungskonzepte das pädagogische Handeln zu verändern mögen, die unmittelbar an den individuellen kognitivemotionalen Erfahrungen der Beteiligten anknüpfen“ (Wahl 1991: 193; zit. in Warneke 2006: 46). Professionelles Wissen entsteht auch nach Warneke an den Stellen, wo eine „Verbindung von detailreichem Erfahrungswissen und einer theoretisch-hierarchischen Organisation desselben“ (Warneke 2006: 37) ermöglicht wird. Ebenso basiert das Seminarkonzept von AbendrothTimmer (2011) auf der Annahme, dass Studierende Sensibilität und Neugierde für theoretische Wissensbereiche überhaupt nur dann entwickeln, wenn subjektive Erfahrungen entsprechende Lücken erkennbar machen. Dies wird durch diskursive, aushandelnde Lehr-/Lernsettings ermöglicht. Nölle (2002) beispielsweise assoziiert praxisgebundene Reflexion mit dem Begriff des episodischen Wissens. Erinnerungen an Praxiserfahrungen dienen dabei als Anker für theoretische Kategorien didaktischen Wissens. Im Erinnern und Erzählen konkreter Unterrichtssituationen wird das theoretische Wissen aufgerufen und verarbeitet. Das subjektive Moment entscheidet also über Professionalisierungsprozesse, weil die Reflexion von Lehr-/Lernsituationen unmittelbar an die Evozierung subjektiv erinnerter Erfahrung gekoppelt ist. Selbsteinschätzungen sind zwar forschungsmethodologisch problematisch (vgl. Abschnitt 3.7), jedoch unumgänglich, wenn es um die Beschreibung dessen, was Theorie-Praxis-Verbindungen ausmacht und deren mögliche Veränderbarkeit geht. Einerseits müssen externe Beurteilungskriterien an das professionelle Handeln angelegt werden, um Kompetenz nachweisen zu können, andererseits muss die Wertung und Wahrnehmung der Beteiligten rekonstruiert werden. Nur, wenn Studierende bestimmte Sichtweisen auf Unterricht als subjektiv relevant einschätzen, kann angenommen werden, dass die entsprechenden Handlungsoptionen in das eigene Repertoire

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aufgenommen werden. So ergibt sich das Dilemma, dass einerseits Kompetenzmessung jenseits der subjektiven Perspektive nicht möglich erscheint. Andererseits ist gerade an der Beschreibung der Kompetenzen, die in der Mobilisierung subjektiven Erfahrungswissens überhaupt erst sichtbar werden können, deren Flüchtigkeit und amorphe Gestalt problematisch, weil sie kaum Generalisierungen oder Typisierungen erlauben. Die vorliegende Studie geht von der Annahme aus, dass es zwar zentrale Themen und Gegenstände gibt, die so etwas wie einen „fachdidaktischen Kanon“ bilden, dass diese aber situativ im Kontext der Praktika grundsätzlich anders repräsentiert und mobilisiert werden, als es beispielsweise in testorientierten Modellierungen der Fall ist. Die oben formulierte Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz basiert entsprechend auf dieser Annahme: Die Situiertheit der Erfahrung und die mit dieser verbundene Variabilität und Idiosynkrasie der Bezugssysteme fachdidaktisch deklarativen Wissens lassen die Formulierung verallgemeinernder Kanndeskriptoren oder Skalierungen einzelner Kompetenzen problematisch erscheinen. Der Fokus des hier verfolgten Ansatzes soll demnach auf einer detaillierten Beschreibung realiter vollzogener Reflexionsprozesse liegen, aus denen wiederkehrende Muster fachbezogener Reflexivität abstrahiert werden können. 7.2.2 Reflexion braucht Anleitung und Diskurs So überzeugend die im letzten Abschnitt referierten Forderungen nach Rückkopplungen theoretischer und praktischer Wissensbestände auch klingen mögen: Oben wurde erläutert, dass die Integration verschiedener Wissensanteile über reflexive Prozesse sich entweder überhaupt nicht oder zumindest nicht von alleine einstellt: „Students do not automatically know what we mean by reflection“ (Ward/McCotter 2004: 255). In Rahmentexten sind Standards oder Kannbeschreibungen zum Theorie-Praxis-Verhältnis meist sehr vage formuliert, wie beispielsweise bei Terhart die „Verknüpfung von Studieninhalten und den Erfahrungen während der schulpraktischen Studien“ (Terhart 2002: 35) als einer von fünf Standards für schulpraktische Studien. Hier wird zwar der Begriff der ‘Anwendung’ vermieden, wie die angesprochene „Verknüpfung“ aber genau aussehen soll und woran man in

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welcher Art von Datenmaterial verlässliche Hinweise auf die Erfüllung des Standards erkennen kann, bleibt offen. Terhart benennt in diesem Zusammenhang das Problem, dass die Bezugnahme der verschiedenen Ausbildungsanteile aufeinander „der integrativen Kraft jedes einzelnen Studierenden überlassen [bleibt]“ (Terhart 2000: 79; zit. in Roters 2012: 273). Die angestrebte Integration stellt sich jedoch nicht von alleine ein. Im Versuch eines Abgleichs verschiedener Wissensarten entstehen gegebenenfalls „Diskrepanzerfahrungen“ (Roters 2012: 273), die sich nicht von alleine auflösen. Vielmehr ist anzunehmen, dass sie die Wahrnehmung eines praxisfernen Studiums weiter verstärken, also einen geradezu kontraproduktiven Effekt hervorrufen, welcher sich durch Abwesenheit von Reflexivität auszeichnet und das Handlungsrepertoire eher verengen als erweitern dürfte. Es reicht also nicht aus, die verschiedenen Ausbildungsanteile (unverbunden) parallel als Lehrangebot zu sichern. Vielmehr erscheinen solche Lehrformate notwendig zu sein, in denen die Studierenden die Möglichkeit erhalten, einen Abgleich verschiedener Wissensanteile und -arten diskursiv und fallbezogen herzustellen. Reflexive Kompetenz setzt nicht irgendwann ‘automatisch’ ein, wenn nur ausreichend deklaratives Wissen akkumuliert wurde; reflexive Theorie-Praxis-Verbindungen entstehen vielmehr selbst durch Reflexion, die geübt werden muss: „Teacher knowledge and teachers‘ specific contexts of work are dialectically related and are constantly being construed and reconstrued as teachers engage in reflection and reframing“ (Tusi 2003: 7). Für die Gestaltung hochschuldidaktischer Settings spielt das prozesshafte, kontinuierliche Handeln, das Erfahrungen diskursiv umwälzt, demnach eine mindestens ebenso tragende Rolle wie die Auswahl fachdidaktisch relevanter Inhalte und Lehrmaterialien. 7.2.3 Reflexion transformiert ex-ante modelliertes Wissen Reflexion wird in der Arbeitsdefinition als eine im Nachhinein rekonstruierte Handlungslogik verstanden. Da hier zwangsläufig individuelle, komplexe Fälle in den Blick genommen werden, lassen sich die Wissensaspekte, die im Einzelfall eine Rolle spielen, nur bedingt vorhersagen und kaum standardisieren.

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Demnach wird hier auch nicht der Anspruch verfolgt, ein umfassendes Kompetenzmodell oder einzelne Standards für fremdsprachendidaktische Wissensanteile zu entwickeln und in der Folge zu ‘überprüfen’. Trotzdem braucht eine empiriebasierte Beschreibung inhaltlich gebundener Reflexionsprozesse einen theoretischen Fluchtpunkt, der empirisch Forschende zumindest in die Lage versetzt, fachdidaktisches von anderen Wissensanteilen unterscheidbar zu machen oder mögliche Differenzlinien zu diskutieren. Die Etablierung eines solchen theoretischen Rahmens ist von mehreren Problemen bestimmt: Zunächst steht die Auswahl der Themen und Inhalte im Kontext eines punktuellen, zeitlich beschränkten Angebots konkreter universitärer Lehrveranstaltungen. Bei der Planung eines Praktikumsmoduls oder anderer fachdidaktischer Lehrveranstaltungen muss eine Auswahl getroffen werden, die – gerade vor dem Hintergrund der Komplexität und Widersprüchlichkeit, die bereits die Fachsystematik aufweist (vgl. Abschnitt 4) – nur eklektizistisch sein kann und dadurch immer dem möglichen Vorwurf einer ‘falschen’ oder zumindest ‘unvollständigen’ Auswahl ausgesetzt bleibt. Weiterhin problematisch für die Empirie ist ein zweiter Aspekt, der genuin mit der Betonung von Erfahrung verbunden ist: Erfahrungsbezogenheit macht die Themen, die in der Reflexion relevant werden können, unvorhersehbar, sowohl in ihrem Auftreten selbst, als auch in ihrer möglichen Verbindung zueinander. Es ist gerade das Merkmal von Praxis- und Erfahrungswissen, dass hier Elemente oder Zusammenhänge zwischen Elementen emergieren, für die im Vorhinein keine theoretischen Kategorien ‘angelegt’ wurden oder die unterschiedliche Kategorien in Kombinationen evozieren, die mit der Fachsystematik inkompatibel erscheinen. So können sie nicht unmittelbar (wieder-)erkannt werden, sondern werden als neuer Wissensaspekt erst prozesshaft hergestellt. Aus der Perspektive bezugstheoretischer Fachsystematiken können Verbindungen, Hierarchisierungen oder Priorisierungen von Wissenselementen, wie sie aus Reflexionen von Praxis emergieren, als problematisch erscheinen. Hier können Wissenselemente akzentuiert werden, die auf Fehlvorstellungen und lernunförderliche beliefs verweisen. Für die empirische Studie wird davon ausgegangen, dass diese Konstruktionen unumgänglich sind: Studierende arbeiten mit ihnen – unabhängig davon, ob Lehrpersonen sie als

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brauchbar oder nicht bewerten. Im Versuch, die Eigenlogik der Bedeutungsherstellung und Wissenskonstruktion von Erfahrungen zu verstehen, sind fachsystematische Bezugspunkte für den Verstehensprozess aufschlussreich. Sie enthalten aber zunächst keine Funktion als normative Evaluationskriterien. Aus diesem Grund erscheint es auch im Kontext der Erforschung von Praktika kaum oder gar nicht möglich, hypothesentestende Wirksamkeitsforschung zu betreiben oder Effekte von Interventionen zu untersuchen: Die Praxiserfahrung wird immer über das theoretische Modell hochschuldidaktischer Lerngelegenheiten, das sie rahmen soll, hinausgehen, weil dieses erst durch die Praxiserfahrung mitkonstituiert wird. Die vorliegende Studie interessiert sich daher primär für die Eigenarten der Wissenskonstruktion und stellt diese erst in einem zweiten Schritt in den Kontext übergeordneter fachdidaktischer Theorien und Standards der Lehrer*innenbildung. 7.2.4 Reflexion kann unterrichtliches Handeln verändern Einerseits sind also die Fallbezogenheit und Subjektivität von Reflexionen vor dem Anspruch der Kompetenzmessung problematisch. Andererseits sind sie besonders im Kontext von Praktika, deren spezifischer Mehrwert gerade an der Schnittstelle zwischen individueller Handlung und ihrer theoretisierenden Rahmung angesetzt wird, als zentrales Element anzuerkennen. Während beispielsweise bei TEDS-LT Wissensanteile auch mit gestuften kognitiven Operationen assoziiert werden (vgl. Blömeke 2013: 11; Jansing et al. 2013: 78), bleibt in Tests unbeantwortet, ob die Proband*innen in realen Praxissituationen ihrem Kompetenzstand entsprechend handeln würden. Diese Beobachtung berührt die Frage, ob Reflexion tatsächlich in der Lage erscheint, Handlungen und Praktiken zu verändern und woran dies überhaupt erkennbar wäre. Reflexionskompetenz lässt nicht zwangsläufig auf Handlungskompetenz in action schließen und reflexive Praktiker*innen handeln vielleicht in der konkreten Situation gar nicht ‘besser’ als ihre weniger reflexiven Kolleg*innen (vgl. Moon 1999: 58). Moon betont darüber hinaus bereits in den Überlegungen zur Funktion von Reflexion als Problemlöseprozess deutliche Einschränkungen, was eine Handlung als vermeintliches Ergebnis

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bewusst gesteuerter reflexiver Prozesse qualifiziert: „conclusions to complicated issues can just ‘pop up’ without our being conscious of there having been a reflective process” (Moon 1999: 4). Ähnlich betonen auch Leonhard et al., dass Reflexion weder „als notwendige noch als hinreichende Bedingung jeder Handlung einer Lehrkraft angesehen werden [kann]” (Leonhard et al. 2010: 112). Gerade das scheinbar unreflektierte, plötzlich emergierende Unterrichtshandeln, das sich unmittelbar ganzheitlich und habituell manifestiert, kann durch Ansätze wie die in dieser Studie verfolgten nur sehr bedingt empirisch eingeholt werden. Hier drängt sich die Frage auf, ob die Fähigkeit zur Explizierung impliziter Wissensanteile überhaupt ein verlässlicher Indikator für Professionswissen ist (vgl. Kolbe 2004: 207f.), und ob dieses Wissen überhaupt handlungsleitend wirken kann. Trotz der grundsätzlichen Bedenken wird für die vorliegende Arbeit davon ausgegangen, dass die Explizierung und Relativierung von Handlungen zu deren Bewusstmachung führt und damit neue Rahmungen herstellt, die auch alternative Handlungsoptionen ermöglichen. Während implizite Überzeugungen ebenso handlungssteuernd wie veränderungsresistent sind (vgl. Abschnitt 2), kann durch Reflexion eine Umperspektivierung stattfinden, die veränderte Handlungen auslösen kann. So formuliert Kolbe: „Reflexion und In-Frage-Stellen von Schemata professionellen Wissens und Könnens eröffnen gegenüber einer eingelebten Praxis Freiheitsgrade veränderten Handelns” (Kolbe 2004: 222). Auch Nold/Roters (2010: 43) schreiben der Reflexion dementsprechend ein zukunftsorientiertes Veränderungspotenzial zu: „Die reflexive Handlungsorientierung zeichnet sich aus durch: – theoriegeleitete Reflexion (zukünftiger) Handlungssituationen – Erschließung und kritisches Hinterfragen alternativer Handlungsoptionen” (Nold/Roters 2010: 43). Was das handlungsverändernde Potenzial reflexiver Prozesse angeht, scheint also über die verschiedenen Professionsverständnisse und Ansätze zu deren Erforschung hinaus ein hoher Konsens zu bestehen.

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7.3 Hochschuldidaktisches Setting: Lerngelegenheiten zur Entwicklung reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz Für hochschuldidaktische Planungsprozesse haben die oben diskutierten spezifischen Annahmen zum Theorie-Praxis-Verhältnis Konsequenzen: Wenn das Erfahrungselement für Professionalisierungsprozesse ernst genommen und als wesentlich für die Entwicklung von Professionswissen angenommen wird, muss ein Seminarangebot thematisch flexibel sein und auf verschiedene Erfahrungen mit entsprechenden Theorieangeboten zu deren Rahmung antworten können. Zwar ist es möglich, im Vorfeld wissenschaftliche Modelle zu erarbeiten sowie Theorien, Konzepte und Begriffe fachdidaktischen Wissens zu vermitteln oder den Studierenden aktuelle empirische Forschungsstände und -ergebnisse zu aus der Perspektive der Dozentin relevanten fachdidaktischen Inhalten zur Verfügung zu stellen. Zur Reflexion einer Praxiserfahrung wird dies jedoch in der Regel kaum ausreichen, weil die Seminarlektüren zur Beschränkung zwingen, die Handlungserfahrung aber komplex ist und ihre Reflexion kaum in den zuvor vermittelten Wissensbereichen ‘aufgeht’. Eher ist es wahrscheinlich, dass die Erarbeitung neuer, zuvor nicht ausgewählter Wissensbereiche notwendig werden, um eine Erfahrung angemessen beschreibbar zu machen. Dies macht die Auswahl relevanter Lektüren nicht willkürlich, es gibt – beispielsweise auf der Ebene curricularer und bildungsadministrativer Texte – plausible und weniger plausible, zentrale und periphäre Themen, die in verschiedene hochschuldidaktische Formate (Vorlesung, Seminar, Praktikumsmodul etc.) mehr oder weniger passend integrierbar sind. Trotzdem handelt es sich bei jeder Auswahl grundsätzlich nur um einen Teil des für Lehrkräfte relevanten Wissens. Das hier beschriebene Seminarkonzept des Praktikumsmoduls erhebt nicht den Anspruch, ein verbindliches Modell zu entwickeln. Es soll in erster Linie die hier realisierte Praxis im ihrem Kontext beschrieben werden: Welche Wissensanteile wurden akzentuiert und wie verhält sich diese Auswahl zu übergeordneten Kompetenzmodellen (beispielsweise der KMK-Standards und der MaVo des Landes Niedersachsen) auf der einen Seite, zu Verständnissen fremdsprachlicher Kompetenz des fachdidaktischen Diskurses (bei-

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spielsweise Texte des Europarates, maßgebliche Studien im Bereich der Forschung zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften) auf der anderen Seite? In den letzten Abschnitten wurde der Versuch unternommen, Reflexion und fachdidaktisches Wissen im Anschluss an den Forschungsstand zur Lehrer*innenbildung und zu den spezifischen Besonderheiten der Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften so zu systematisieren, dass Kriterien für die Modellierung fachdidaktischer Reflexionskompetenz entwickelt werden können. Dabei wurde deutlich, dass das, was als reflexive Kompetenz definiert wird, unmittelbar an die Verfahren gekoppelt ist, die diese hervorzubringen versprechen. Da kaum Wirksamkeitsstudien vorliegen, läuft die Nennung ‘reflexionsförderlicher’ Verfahren stets Gefahr, selbstbezüglich und evidenzfrei zu bleiben. Hatton/Smith machen auf dieses Problem aufmerksam, nennen jedoch Ansätze wie Aktionsforschungsprojekte, Fallstudien und ethnographisches Arbeiten oder Microteachings als gängige methodischdidaktische Ansätze, denen Wirksamkeit unterstellt wird. In den KMK-Standards werden ebenfalls das Arbeiten mit Beispielen, gegenseitige Hospitation sowie Unterrichtssimulationen (KMK 2004: 6) genannt. Hierzu zählt auch die Arbeit mit Fällen, wie in Microteachings oder anderen Simulationen realisiert, denen in Verbindung mit Reflexionsphasen eine Förderlichkeit für Professionalisierungsprozesse attribuiert wird, was auch in anderen Kontexten bestätigt wird (vgl. Bransford/Darling-Hammond/LePage 2005: 31). Fragen und Diskussionsimpulse, welche die Hypothesenbildung anregen sowie die Zusammenschau und Analyse von Texten fordern, um zu begründeten Urteilen unter einer spezifischen Fragestellung zu kommen (Bransford/ Darling-Hammond/LePage 2005: 28; Moon 1999: 208f.), werden ebenso als lernförderlich charakterisiert wie der Einsatz schwach strukturierten Materials, das Reflexions- und Konstruktionsprozesse für die komplexen Probleme der Unterrichtsrealität eher anregt als (scheinbar) passgenaue, stark vorstrukturierte Textangebote (vgl. Moon 1999: 212 und 175). Das im Folgenden präsentierte hochschuldidaktische Konzept, das inhaltliche Entscheidungen (welche Texte?) an die Konstruktion von Reflexionsgelegenheiten (welche Aufgaben?) koppelt, ist in einem spezifischen

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Kontext verankert, nämlich dem Praktikumsmodul eines lehramtsbezogenen Masterstudiengangs (vgl. GAU 2015: 9652). Es ist daher nicht verallgemeinerbar und versteht sich auch nicht als best practice-Modell. Das Ziel der vorliegenden empirischen Forschung besteht ausdrücklich nicht im Nachweis der Wirksamkeit des hier realisierten hochschuldidaktischen Konzepts im Vergleich zu anderen Konzepten (siehe auch Abschnitt 3.8). Dennoch kann die Explizierung des Konzepts zur Kontextualisierung und Validierung der empirischen Ergebnisse beitragen. Abschnitt 4 hat das Fehlen verbindlicher Text- und Materialkanones verdeutlicht und gleichzeitig aus den Kompetenzzielen verschiedener Rahmentexte Wissensbereiche benennbar gemacht, auf die die Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften abzielen sollte. Das im Rahmen dieser empirischen Arbeit realisierte Seminarkonzept stellt eine mögliche Konkretisierung dar, deren Explizierung notwendig erscheint, um die empirischen Daten kontextualisieren zu können. Für das hier entwickelte Modul stehen entsprechend den Rahmentexten für die Materialauswahl folgende Bereiche im Fokus: Kompetenzmodelle zum Sprachenlernen wie der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001), die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK 2003), die Kerncurricula für das Fach Französisch des Landes Niedersachsen (MK 2009) sowie das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA) (Newby et al. 2007). Inhaltlich wird das übergeordnete fremdsprachendidaktische Ziel „kommunikativer und interkultureller Sprach- und Handlungskompetenz“ (vgl. MaVo 2007: 560) ins Zentrum der Auseinandersetzung gerückt und das Prinzip der Aufgabenorientierung als spezifisch mit dem Paradigma der Kompetenzorientierung verbundener unterrichtsmethodischer Ansatz akzentuiert. Das Prinzip der Kompetenzorientierung kann in der Praxis nur in der gleichzeitigen Berücksichtigung von Materialauswahl und handlungsbezogenen Arbeitsformen realisiert werden, sodass im Seminarkonzept der Schwerpunkt nicht auf den behandelten Inhalten, sondern prioritär auf der Kon-

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struktion von Reflexionsgelegenheiten liegt, die über den handelnden Umgang mit fachdidaktischen und curricularen Texten Praxiserfahrungen rahmen und umperspektivieren können. Bevor die Auswahl konkreter Inhalte und Materialien und deren Einbettung in Szenarien, die Reflexion begünstigen sollen, beschrieben werden, seien zwei übergeordnete Antinomien ausgeführt, die sich auf übergeordnete Kompetenzziele der Lehrer*innenbildung – die in Praxisphasen besonders spürbar sind – beziehen und insgesamt einen Bezugspunkt für hochschuldidaktische Entscheidungen darstellen. 7.3.1 Antinomie 1: Kompetenzorientierung zwischen Normativität und Kritik Das Paradigma von Kompetenzorientierung wird im Modul einerseits als curricular bindend anerkannt. Es ist durch KMK-Standards und administrative Texte des Landes Niedersachsen bildungspolitisch ‘gesetzt’, und angehende Lehrkräfte müssen diese Setzung als eine solche erkennen können und mit begrifflichen Grundlagen des Konzepts vertraut gemacht werden. Es gibt jedoch im fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Diskurs starke und gut begründete Vorbehalte gegenüber dem Paradigma (vgl. Pölzleitner 2012; DGFF 2008). Der kritische Begleitdiskurs zum Kompetenzparadigma, der gerade in den geisteswissenschaftlichen Fächern und insbesondere in der Fremdsprachendidaktik deutlich präsent ist, sollte in lehrerbildenden Seminaren so thematisiert werden, dass die Studierenden die Chance erhalten, bildungspolitische Setzungen nicht als alternativlos zu rezipieren und die problematisierten Aspekte, wie beispielsweise Tendenzen einer zunehmenden Ökonomisierung des Bildungssystems (vgl. Weirer 2012: 245), zu erkennen. Die Dichotomie Bildung versus Kompetenz (z.B. Bredella 2005) spielt hierbei eine Rolle und ist – unabhängig davon, inwieweit man die Dichotomie als angemessen wahrnimmt – ein (potenziell auch handlungsleitendes) Wissenselement, mit dem Studierende vertraut sein sollten. Die Studierenden sollen Kompetenzorientierung einerseits als den für ihr späteres unterrichtliches Handeln verbindlichen politischen Rahmen kennenlernen, andererseits aber auch eine Außenperspektive entwickeln können, die die politi-

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sche Rahmung nicht als zwangsläufig alternativlos akzeptiert. Die antinomische Struktur ‘Kompetenzorientierung als normativ-bindendes Paradigma’ versus ‘kritische Distanz zu politischen Rahmungen des pädagogischen Handelns aus bildungspolitischer, fachdidaktischer und bildungswissenschaftlicher Perspektive’ bestimmt vor allem fachdidaktische Lehrveranstaltungen, die auch Anteile der Einübung in die Praxis vorsehen. 7.3.2 Antinomie 2: Fachdidaktik zwischen Erfahrungswissenschaft und Forderung nach Evidenz Wenn ein Ziel von Praktika darin besteht, professionelles Unterrichtshandeln durch die Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz zu begünstigen, stellt sich die Frage nach verbindlichen Bezugspunkten der Bewertung unterrichtlicher Handlungen. Welche methodisch-didaktischen Vorgehensweisen das Sprachenlernen begünstigen oder erschweren, ist zwar durch fachdidaktisches Erfahrungswissen der Praxis und im Rekurs auf einige grundlegende lehr-/lerntheoretische Prinzipien durchaus bewertbar. Dennoch gibt es kaum evidenzbasierte Aussagen, die beispielsweise bestimmte Methoden oder Aufgabentypen des Fremdsprachenunterrichts als per se wirksam oder nicht qualifizieren könnten. Die Frage, vor welchem Ziel fremdsprachendidaktisches Unterrichtshandeln hinsichtlich seiner Wirksamkeit beurteilt werden kann, erhält im Rahmen von Praktika eine Ambivalenz, die durch das verstehende Reflektieren konkreter Erfahrungen allein kaum gelöst werden kann. Es gibt einen in der Praxis durchaus verankerten Konsens über ‘gutes’ Unterrichtshandeln, der jedoch an vielen Stellen fragwürdig oder inkompatibel mit Ergebnissen empirischer Forschung erscheint10. Die Studierenden sollen im Praktikumsmodul auch für das Empirie-Defizit ihres Fachs sensibilisiert werden und Ansätze systematischer Evaluation und Diagnostik kennenlernen, die der Qualitätssicherung des eigenen Unterrichts dienen, gegebenenfalls auch, obwohl das tradierte Praxiswissen andere Handlungsweisen suggerieren würde. In der Antinomie ‘etablierte Praxis’ versus ‘mangelnde Evidenz’ wiederholt sich auf sehr konkreter hochschuldidaktischer Ebene das 10

Als Beispiel hierfür kann im Auswertungsteil der Abschnitt 9.2.3 zu den ‘sprachlichen Mitteln’ genannt werden.

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Problem der verschiedenen Wissensarten, die für Professionalisierungsprozesse relevant sind, sich jedoch untereinander durch starke Brüche auszeichnen können. Der Versuch einer Koordination der unterschiedlichen Perspektiven auf den Fremdsprachenunterricht führt dabei häufig zu Hierarchisierungs- oder Priorisierungsproblemen, die immer wieder neuer Aushandlungen bedürfen. Deren Komplexität ist jedoch gerade für Studierende schwer nachvollziehbar zu machen. Hier ist auch das Problem der „Deutungshoheit“ berührt, das Arnold (2010: 72; zit. in Weyland 2012: 58) hinsichtlich der Konkurrenz um die ‘richtige’ Sichtweise auf Schule und Unterricht thematisiert. 7.3.3 Modulstruktur und lerntheoretische Prinzipien Zusammenfassend kreieren die beiden skizzierten Antinomien Fluchtpunkte für reflexive Prozesse im Praktikumsmodul. Grundlegende Spannungsfelder, die für die Fremdsprachendidaktik als angewandte Wissenschaft kennzeichnend sind, werden in Praktika zur besonderen Herausforderung. Das Ziel der Praktikumsmodule ist, unterrichtliches Handeln im hochschuldidaktischen Kontext so zu gestalten, dass diese Antinomien nicht geglättet oder aufgehoben, sondern im Gegenteil ausdifferenzierend thematisiert werden und zum Anlass für Perspektivenwechsel werden können: Die Studierenden sollen dafür sensibilisiert werden, dass Antinomien grundlegend und unhintergehbar für Reflexionsprozesse sind und ihre Diskussion sich weniger auf eine Auflösung, sondern auf die weiterführende Herstellung von Mehrperspektivität bezieht. Die komplexen und widersprüchlichen Wissenskanones, die in Abschnitt 4 diskutiert wurden, machen die Auswahl der Inhalte, deren Vermittlung für Fachpraktika zentral sein sollte, schwierig. Dazu kommt das zeitliche Problem, dass der begrenzte Umfang der Begleitveranstaltungen zu einer exemplarischen Auswahl von Inhalten zwingt. Diese wird wiederum dadurch erschwert, dass die Erfahrungen der Studierenden im Praktikum mit theoretischen Wissensbeständen – die gegebenenfalls erst im Verlauf des Moduls aufkommen und verhandelt werden – abgeglichen werden sollen.

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In den folgenden Abschnitten werden die inhaltlichen Entscheidungen, die das hier realisierte Praktikumsmodul bestimmen, beschrieben.11 Es soll dabei verdeutlicht werden, wie einerseits eine Orientierung an grundlegenden Elementen fremdsprachendidaktischer Bezugstheorien konstruiert wird. Andererseits soll plausibel gemacht werden, dass die konkrete Auswahl der Materialien in Reaktion auf die Erfahrungen der Studierenden veränderlich ist und sich prozesshaft aus der Theorie-Praxis-Reflexion entwickelt, die sich über die verschiedenen Teilmodule der Begleitveranstaltungen zum Praktikum erstreckt. Diese Dynamik, die den Anspruch erhebt, während des Praktikums und im Anschluss daran mit einem wissenschaftlichen und fachdidaktischen ‘Theorieangebot’ zur Diskussion und zum Verstehen der Erfahrung durch die Studierenden beizutragen, bleibt in der thematischen Auswahl der Texte solange offen, bis die Studierenden über ihre Erfahrungen berichten. Dabei sprechen sie grundlegende Reflexionskategorien an, für deren Ausdifferenzierung (oder Kontrastierung) von der Lehrperson neue Texte ausgewählt werden, deren Relevanz sich für die Studierenden aus dieser unmittelbaren Verbindung zu den individuellen Erfahrungen im Praktikum ergeben soll. Dem Seminarkonzept unterliegt die Annahme, dass reflexive Handlungskompetenz durch Reflexion erworben wird. Reflexives Können entsteht nicht allein dadurch, dass zuvor deklaratives fachdidaktisches Wissen akkumuliert wird, das dann bei Planungs- oder reflection-on-action-Prozessen mobilisiert wird. Reflexive Prozesse entstehen vielmehr durch die Tätigkeit des Reflektierens selbst (vgl. Abschnitt 7.2.2). Ziel der folgenden Abschnitte ist, die von Roters/Trautmann (2014) angesprochenen Defizite bisheriger Arbeiten zum Ausgangspunkt der empirischen Studie zu machen und Szenarien zu entwerfen, bei denen „angemessenere Formen der wechselseitigen Bezugnahme von persönlichen Erfahrungen/Überzeugungen und wissenschaftlichem Wissen durch entsprechende universitäre Lerngelegenheiten“ (Roters/Trautmann 2014: 56) im Zentrum stehen. 11

Eine detaillierte inhaltliche und hochschuldidaktische Beschreibung einer ‚Vorstufe’ des Konzepts findet sich in Schädlich (2011).

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7.3.3.1 Modulstruktur: Das Praktikum und seine Rahmung durch Begleitveranstaltungen Die Struktur des fünfwöchigen Fachpraktikums im Master of Education der Universität Göttingen folgt einer dreigliedrigen Anlage. Im ersten Semester absolvieren die Studierenden eine Übung, die sich den „Grundlagen der Unterrichtsplanung“ widmet. Ein weiteres Seminar zur „Vorbereitung des Praktikums“ wird entweder parallel dazu oder aber im Folgesemester belegt. Während der vorlesungsfreien Zeit findet das fünfwöchige Blockpraktikum statt. Parallel zum Praktikum besuchen die Studierenden eine Begleitveranstaltung und nach Beendigung einen Nachbereitungskurs. Formal gibt es nur ein „Nachbereitungsseminar“, dessen Kontingent wird jedoch so aufgeteilt, dass die Begleitung der Studierenden während des Praktikums ermöglicht wird. Im Vorbereitungsseminar legen die Studierenden ein Portfolio an, das während der Praktikumszeit weiter bearbeitet und nach dem Praktikum beziehungsweise dem Seminar zur Nachbereitung endredigiert wird. Die chronologische Abfolge des Moduls wird in Abb.3 gezeigt.

Abb. 3: Anlage des Moduls zum Fachpraktikum: Teilmodule und Prüfungsleistung im Semesterverlauf (eigene Grafik).

Das Vorbereitungsseminar findet wöchentlich statt und sieht prioritär die Lektüre und handlungsorientierte Transformation fachdidaktischer Texte

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vor. Die erste Semesterhälfte widmet sich der gemeinsamen Lektüre und Diskussion, die zweite der Planung und Durchführung von Microteachings. Im Vorfeld oder parallel zum Vorbereitungskurs belegen die Studierenden eine Übung zu „Grundlagen der Unterrichtsplanung“. Diese vermittelt Einblick in grundlegende Ansätze und Probleme der Unterrichtsplanung. Es werden einzelne Unterrichtsphasen und umfangreichere Sequenzen gemeinsam entwickelt und reflektiert. Das dritte Teilmodul „Begleitung/Nachbereitung des Praktikums“ findet in mehreren Blocksitzungen während des Praktikums und im Anschluss an dieses statt. Es verfolgt einerseits das Ziel, die Praxiserfahrung an die Themen und Inhalte des Vorbereitungsseminars rückzubinden und dabei Möglichkeiten und Grenzen einer unterrichtlichen ‚Anwendbarkeit‘ der behandelten Themen und Inhalte zu problematisieren. Andererseits bietet die Veranstaltung einen Raum, in dem neue Fragen – die sich aus der Unterrichtsbeobachtung und ersten eigenen Unterrichtsversuchen ergeben haben und (noch) an keine explizite fachdidaktische Reflexion angebunden waren – einzubringen und zum Gegenstand theorieorientierter Auseinandersetzung zu machen. Der dritte Block widmet sich der Präsentation und Diskussion möglicher Inhalte und Strukturen der Portfolios. Ähnliche zyklische Strukturen unterliegen auch vergleichbaren Veranstaltungen (z.B. Abendroth-Timmer 2011; Mehlmauer-Larcher 2010; Roters 2012; von Felten 2005). Solchen chronologisch rückbezüglichen Settings wird unterstellt, dass sie reflexive Prozesse durch die Möglichkeit des Abgleichs von Vorannahmen, Erfahrungen und Lektüren – im Sinne Korthagens (2002) oder Kolbs (1984) (vgl. Abschnitt 3.4) – ermöglichen. Dabei ist der zyklische Charakter hier ausdrücklich als unterrichtliche Dramaturgie gemeint und nicht unbedingt als Abbild der Reflexionsprozesse (vgl. Moon 1999: 35), deren tatsächliche Realisierung „far from a neat sequence of discrete stages“ (Moon 1999: 35) erscheinen und chaotischer ablaufen dürfte, als es der Kolbsche Modellzyklus idealiter vorsieht: „it might be difficult to distinguish between raw experience and the already processed material of learning“ (Moon 1999: 160). Für die Lernprozesse im Modul wird davon ausgegangen, dass jede Erfahrung bereits theoretisch vorstrukturiert ist und dass die Explizitheit oder Implizitheit des Wissens, das der Erfahrung unterliegt, für

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die Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz eher relevant ist als die Unterscheidung zwischen ‚Theorie‘ und ‚Praxis‘. Das Oszillieren zwischen theoretischen Texten und individueller Praxiserfahrung wird im Modul so gestaltet, dass eine zunehmend wissenschaftlich explizierende Versprachlichung von Erfahrung und impliziten Wissensanteilen ermöglicht werden soll. 7.3.3.2 Anchored Instruction, Handlungsorientierung und Feedback als elementare Prinzipien des Seminars Der Versuch, theoretische Texte mit individueller Praxiserfahrung dialogisieren zu lassen sowie dabei Reflexionsprozesse zu initiieren und aufrecht zu erhalten, ist eng gekoppelt an das lerntheoretische Prinzip der Wissensverankerung. In der Charakterisierung des Praktikumsmodells einer Schweizer Hochschule erklärt Nölle (2002) das lerntheoretische Prinzip der Anchored Instruction zum entscheidenden Wirksamkeitsfaktor gelungener TheoriePraxis-Integration: Kompetenzschemata können nur dann verändert oder neu ausgebildet werden, wenn das sich verändernde Element in der bereits vorhandenen kognitiven Struktur verankert ist: „[…] dass sowohl der Wissenserwerb als auch der Erwerb professionellen Handelns bzw. das Umlernen von Handlungsschemata eines ‘Ankers’ bedarf, um neu zu erwerbende ‘Kompetenzschemata’ mit eigenen, bereits vorhandenen Schemata koppeln zu können“ (Nölle 2002: 56). Dabei sind solche Szenarien, die bildhafte oder episodische Elemente beinhalten (vgl. Nölle 2002: 56) vorteilhaft, ebenso Aufgaben, die mit Bezug auf konkrete Erfahrungen gelöst werden: „Lernende, die im Bezug auf konkrete Erfahrungen Aufgaben lösen mussten, bei denen Erfahrungselemente miteinander und mit Vorerfahrungen zu verbinden und daraus Schlüsse zu ziehen waren, erzielten signifikant bessere Lernergebnisse als die Vergleichsgruppen“ (Nölle 2002: 56). Dieselbe Beobachtung unterliegt zahlreichen Arbeiten zu Praktika (vgl. Abendroth-Timmer 2011; Warneke 2006; Schocker-von Ditfurth 2001), die Erfahrung ebenfalls zum Ausgangspunkt für die hochschuldidaktische Konzeption machen (vgl. auch Abschnitt 6.2). Das Seminarkonzept ermöglicht diese Art von Verankerung und Rückbezüglichkeit durch handlungsorientierte Aufgaben (z.B. Microteachings)

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und systematisches Feedback. Handlungswissen wird in didaktischen Szenarien erworben, die das Handeln selbst ermöglichen und unmittelbar mit explizierenden Reflexionsphasen verbunden werden. Es wurden hierfür Aufgaben mit problemlösendem Anspruch entwickelt, die fachdidaktische Literatur und konkretes didaktisches Handeln so eng wie möglich assoziieren und steuern (vgl. Abschnitt 7.2.2). Rückmeldungen werden im Begleitseminar zu verschiedenen Zeitpunkten und in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Sie können sich auf die thematische und methodisch-didaktische Realisierung der Begleitveranstaltung und/oder Praktikumsorganisation selbst beziehen oder aber auf die Lernprozesse der Studierenden.12 Die Frage, wie neues Wissen zur Verfügung gestellt – und zur Fallanalyse verfügbar gemacht – werden kann, ist über das Prinzip der Anchored Instruction allein nicht zu klären. Die Erfahrung, die die Studierenden im Praktikum sammeln, soll auch zur Generierung neuer Fragen und neuer Reflexionskategorien führen: Diese sind entweder im theoretischen Diskurs bereits erarbeitet und können ‘subsumptionslogisch’ als Interpretationskategorie für eine Erfahrung eingebracht werden. Oder aber die komplexe Erfahrung der Praxis erfordert neue, noch nicht existierende Kategorien, die in einem Aushandlungsprozess induktiv beziehungsweise abduktiv hervorgebracht werden. In beiden Varianten ist die Expertise der Lehrkraft und/ oder der dialogische Austausch mit anderen entscheidend für die Hervorbringung neuen Wissens: Neue Kategorien oder Reflexionsfoki emergieren nicht ‘einfach so’ aus empirischer Erfahrung. Abstraktionen müssen entweder zur Verfügung gestellt werden – beispielsweise durch neue Textangebote oder Hinweise der Lehrkraft –, oder aber es müssen diskursive Umgebungen bereitgestellt werden, in denen sie aushandelnd konstruiert werden können. Dieses Hervorbringen ist ein Prozess, der ‘kreative’ Momente mit bereits zur Verfügung stehenden Wissenselementen verbindet. Das ‘kreative’ Moment ist dabei im Sinne einer Schlusslogik nicht rational einholbar, und

12

Die Seminarbeschreibung wurde in leicht adaptierter Form aus Schädlich (2016: 83-85) übernommen.

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auch hochschuldidaktisch kaum planbar. Durch die Anlage der Nachbereitungsveranstaltung wird jedoch der Versuch unternommen, vorhandene Deutungskategorien zu hinterfragen und zu ergänzen sowie auch neue Kategorien Diskussion unterrichtlicher Erfahrung hervorzubringen: Hier initiiert die Lehrkraft aktiv Prozesse, die zu neuen Praxistheorien führen können, indem Theorieangebote zu erfahrungsbasierten neuen Kategorien gemacht werden und gleichzeitig Diskussionen darüber, wie neue theoretische Abstraktionen zustande kommen und benannt werden könnten, geführt werden. 7.3.4 Exemplarische Texte, Aufgaben, Diskussionsimpulse13 Kompetenzmodelle und Standards benennen zwar Wissensanteile, die vermittelt werden sollen, mit welchen Texten, Materialien und Arbeitsweisen die zugehörigen auszubildenden Kompetenzen gefördert werden können, wird jedoch – vor allem in den dominanten Listenmodellen (vgl. Abschnitt 4) – meist nicht präzisiert. Es zeigt sich gerade an der Gestaltung konkreter Lehrveranstaltungen, wie problematisch die Planung von Lehr-/Lernprozessen ist, die einerseits auf die Entwicklung hochkomplexer Kompetenzen zielen, andererseits in zeitlicher Knappheit diesen Zielen angemessene Materialien und Aufgaben bereitstellen müssen. Die Texte und Materialien, die in kompetenzorientierte Aufgaben integriert werden, erhalten im beschränkten Rahmen eines Moduls zwangsläufig exemplarischen und eklektizistischen Charakter. Erschwert wird die Text- und Materialauswahl auch dadurch, dass die Vorkenntnisse der Studierenden nicht einheitlich sind und somit auf sehr heterogene Bedarfe reagiert werden muss14, die im Vorfeld kaum antizipierbar sind. Zur Heterogenität der Gruppen tragen darüber hinaus auch die unterschiedliche Quantität und Qualität bisheriger Praxiserfahrungen oder die Kultur des Zweitfachs und seiner Didaktik bei. 13

14

Die folgenden Ausführungen sind leicht adaptierte Wiederaufnahmen der bereits an anderen Stellen beschriebenen Seminarinhalte (vgl. Schädlich 2011; 2015; 2016). Als Beispiel sei hier die Kenntnis der curricularen Rahmentexte genannt: In den Interviews zum Modul äußern einige Studierende, dass sie die intensive Diskussion der niedersächsischen Kerncurricula als „Wiederholung“ wahrgenommen haben, während anderen der Text bislang gänzlich unbekannt war (vgl. Schädlich 2015: 277).

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Für das Modul werden einerseits im Vorfeld Aufgaben und Lektüren ausgewählt und zur Vorbereitung der wöchentlichen Sitzungen zur Verfügung gestellt. Andererseits werden ausgehend von den Erfahrungen der Studierenden während des Praktikums neue Texte, die geeignet erscheinen, die Erfahrungen an fachdidaktische Theorien anzubinden, gesichtet und den Studierenden zugänglich gemacht. Die folgenden Abschnitte leisten einen exemplarischen Überblick zur hochschuldidaktischen Gestaltung (Textauswahl, Aufgaben, Arbeitsweisen), wobei diese an übergeordnete Kompetenzziele angebunden werden. 7.3.4.1 Lektüren Lektüren umfassen curriculare Rahmentexte, Ausschnitte aus fachdidaktischen Einführungswerken sowie exemplarisch konkretisierende Aufsätze zu einzelnen fachdidaktischen Konzepten oder Fragestellungen der (empirischen) Forschung. Vor allem die Lektüren in der Vorbereitungsveranstaltung sollen dazu beitragen, den Studierenden fachdidaktisch und curricular systematisch aufbereitetes Wissen zu präsentieren, das ihnen erste Wahrnehmungs- und Planungskriterien für Französischunterricht zur Verfügung stellt: „Eine grundsätzliche Annahme ist, dass auch Novizen Kategorien benötigen, um Unterrichtssituationen sinnvoll zu strukturieren. Dabei ist zu erwarten, dass denjenigen, die über ein differenziert vernetztes kategoriales System von Wissen über Unterricht verfügen, das zudem mit episodischen Elementen verknüpft ist, bessere Möglichkeiten des Wissenstransfers in die eigene pädagogische Praxis zu Gebote stehen als denjenigen, bei denen diese Bedingung nicht erfüllt ist“ (Nölle 2002: 64-65). Während im Vorbereitungskurs fachdidaktische Wissensbestände vorstrukturiert zur Verfügung gestellt werden, reagiert die Nachbereitungsveranstaltung auf die Erfahrungen der Studierenden während des Praktikums. Hier werden Texte zu Reflexionskategorien bereitgestellt, die den Studierenden erst im Verlauf der Reflexion ihrer Praxiserfahrungen bewusst werden und gegebenenfalls noch nicht an fachdidaktische Begriffe oder Konzepte angebunden werden können.

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7.3.4.1.1 Curriculare Rahmentexte Übergeordneter inhaltlicher Bezugspunkt des Moduls sind die Themen Kompetenz- und Aufgabenorientierung (vgl. Schädlich 2011). Die Arbeit mit den Kerncurricula des Landes Niedersachsen soll den Studierenden die Funktion dieser Texte und die Bedeutung vermitteln, die ihnen für die Planung, Durchführung und Bewertung fremdsprachlicher Lernprozesse zukommt. Die Texte werden in ihrer Struktur und hinsichtlich zentraler Begriffe im Plenum diskutiert und kontextualisiert. Fokussiert werden prioritär die einzelnen Kompetenzbereiche sprachlich-interkulturellen Lernens, die fertigkeitsbezogenen Kannbeschreibungen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2009: 15-24) sowie die Abschnitte zu Methodenkompetenzen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2009: 26-31). Darüber hinaus erhalten die Studierenden Aufgaben, die Auszüge exemplarisch in einer Unterrichtseinheit oder Aufgabe konkretisieren oder unterschiedliche Materialien zu einer Fragestellung synthetisieren. 7.3.4.1.2 Exemplarische fachdidaktische Literatur Neben den curricularen Rahmentexten werden Texte zu Kompetenz- und Aufgabenorientierung gelesen, Auszüge aus fachdidaktischen Einführungswerken oder Monographien sowie exemplarische Aufsätze aus fremdsprachendidaktischen Fachzeitschriften. Die Literatur hat die Funktion, Überblickswissen und exemplarisch fachdidaktische Vertiefungen zu vermitteln und auch widersprüchliche Ansätze, problematische empirische Verankerungen oder mangelnde Evidenz erkennbar werden zu lassen. Die Literatur soll den Studierenden helfen, Kategorien für die Beobachtung und Planung von Unterricht zu entwickeln sowie methodische Vorschläge und Alternativen begründen zu können. Durch die Auseinandersetzung mit fachdidaktischer Literatur, die ebenfalls an konkrete Aufgaben gekoppelt ist, sollen sie weiterhin dafür sensibilisiert werden, dass sich theoretische Texte oftmals einer unmittelbaren ‘Anwendung ‘ oder ‘Umsetzung’ in der Unterrichtsplanung entziehen, dass die Auseinandersetzung mit ihnen aber mittelbar die Beobachtung, Planung und Reflexion von Unterricht neu perspektivieren kann.

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7.3.4.2 Portfolioarbeit Mit „Connais-toi toi-même“ betiteln Canon et al. (2008) in Anlehnung an das Orakel von Delphi einen Aufsatz zur Reflexion mit Portfolios. Die selbstreflexive Arbeit mit Portfolios15 strukturiert das gesamte Praktikumsmodul und dient der Initiierung und Dokumentation reflexiver Prozesse. Es wird unterschieden zwischen einem Prozessportfolio, das einem Lerntagebuch gleicht, und einem Produktportfolio, das die Grundlage der Leistungsbewertung des Moduls darstellt (vgl. Becker 2012: 42-48). Außerdem kommt als weiteres Arbeitsmittel punktuell das EPOSA (Newby et al. 2007) zum Einsatz. 7.3.4.2.1 Prozess- und Produktportfolio Zu Beginn der Vorbereitungsveranstaltung legen die Studierenden ein Prozessportfolio an, in dem Bearbeitungen der im Seminar vorgeschlagenen Aufgaben, Unterrichtsbeobachtungen, Exzerpte sowie während des Praktikums Materialien und Unterrichtsprodukte gesammelt werden. Das Prozessportfolio dient – ähnlich einem Lerntagebuch16 – ausschließlich der Dokumentation und Selbstreflexion und verbleibt bei den Studierenden. Am Ende des Moduls verfassen die Studierenden ein Produktportfolio, in welchem unter einem selbst gewählten thematischen Fokus ausgewählte Elemente des Praktikums reflektiert werden. Dabei greifen sie auf die Aufzeichnungen des Prozessportfolios zurück, arrangieren diese neu und verbinden sie mit weiterer Literatur. Ziel ist eine erneute Distanzierung von den Reflexionsprozessen der unmittelbaren Erfahrungsebene sowie der ersten Niederschrift und damit eine weitere Abstraktion und Explizierung vor dem Horizont fremdsprachendidaktischer Theorien. Ausgehend von Winters (2005: 335) Beobachtung, dass Portfolios kein „Selbstläufer“ sind (vgl. Abschnitt 7.2.2), wurde das seminarbegleitende Prozessportfolio zum einen durch konkrete Aufgaben strukturiert, die zum 15

16

Auf die mittlerweile unüberblickbare Menge der Forschungsliteratur kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Primär beziehe ich mich bei den Entscheidungen zum Einsatz von Portfolios auf Becker (2012), Häcker (2008), Moon (1999) und Winter (2005). Moon (1999) widmet ein ganzes Kapitel ihres Bandes der Arbeit mit Lerntagebüchern. Sie ist vom Wert ihrer Lern- und Reflexionsförderlichkeit überzeugt, weist jedoch auch auf das massive Empiriedefizit hin, das bislang hier besteht (vgl. Moon 1999: 193).

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anderen in einem Tutorium bearbeitet und diskutiert werden konnten. Sowohl der Austausch der Studierenden untereinander als auch das hier angesetzte Modell der doppelten Repräsentation reflexiver Prozesse wird bei Moon (1999: 172) als förderlich beschrieben: „to use a combination of unfocused reflection, which is subject to no tutor review, and focused reflection, which is assessed in some way“ (Moon 1999: 172). Dabei unterstreicht auch Moon die Wichtigkeit einer genau definierten Trennung ‘privater’ und ‘öffentlicher’ Anteile der in Portfolios dokumentierten Reflexionen. 7.3.4.2.2 Das EPOSA Ein weiteres Instrument, das zur Initiierung selbstreflexiver Prozesse eingesetzt wird, ist das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (Newby et al. 2007), das mittlerweile in zahlreichen Lehramtsstudiengängen eingesetzt und auch in seiner Wirksamkeit empirisch erforscht wird (z.B. Mehlmauer-Larcher 2012). Das EPOSA enthält annähernd zweihundert Kann-Deskriptoren, die eine Auswahl fremdsprachendidaktisch relevanter Bereiche der Kompetenzentwicklung angehender Fremdsprachenlehrkräfte abdecken. Wie bereits in den Abschnitten 4.2.3 und 5.10 ausgeführt, bildet das EPOSA eines der wenigen konkreten Instrumente, denen eine umfassende Systematisierung fremdsprachendidaktischer Kompetenzbereiche unterliegt.17 Bei der Arbeit mit dem EPOSA werden die Studierenden zu verschiedenen Zeitpunkten der Begleitveranstaltungen aufgefordert, eigene Erfahrungen zu ausgewählten Deskriptoren narrativ auszuformulieren. Die Aufgabe, die eigene Kompetenz auf einer Skala einzuschätzen, kann bestimmte Anteile der jeweiligen Kompetenz überhaupt erst bewusst machen. Wenn die Studierenden bei der Diskussion der Deskriptoren aufgefordert werden, die Verortung auf der Skala mit Beispielen und Konkretisierungen anzureichern (Die Impulse hierzu lauten: „In welcher Unterrichtsstunde habe ich etwas in diesem Bereich ausprobiert oder gelernt?“, „Was habe ich hierzu im Unterricht erlebt?“, „Welche Lektüre oder welche Diskussion hat mich für diese (Teil-)kompetenz weitergebracht?“, „Was habe ich mir 17

Die Systematik und einige beispielhafte Deskriptoren finden sich im Anhang 3 („Fachdidaktische Systematik“).

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in diesem Bereich für die Zukunft vorgenommen?“), werden erneut TheoriePraxis-Verbindungen hergestellt und subjektive Erfahrungen fachdidaktisch expliziert. Während hierbei die Deskriptoren als eher handlungsleitendes Element und selbstdiagnostisches Instrument eingesetzt werden, finden an anderer Stelle punktuell auch kritische Analysen der EPOSA-Deskriptoren selbst statt. So wurden beispielsweise die im Anhang zitierten Kannbeschreibungen zu „Kultur“ hinsichtlich des ihnen unterliegenden Kulturbegriffs diskutiert. Hierbei standen beispielsweise die erkennbare Bezugnahme auf das Modell interkultureller kommunikativer Kompetenz von Byram (vgl. Byram 1997) sowie die Berücksichtigung der Ebenen deklarativen und prozeduralen Wissens sowie Einstellungen und Haltungen im Mittelpunkt. Gleichzeitig wurde aber auch eine Verengung des Kulturbegriffs auf die Dichotomie von „Eigenund Zielkultur“ problematisiert, die in vielen anderen kulturwissenschaftlich orientierten fachdidaktischen Texten kritisiert und differenziert wird (z.B. Sercu 2008; Hu/Byram 2009). Durch die Analyse der EPOSA-Deskriptoren sollen die Studierenden exemplarisch nachvollziehen, wie handlungs- und evaluationsbezogene Transformationen fachdidaktischen Wissens (wie beispielsweise im EPOSA in Form von Deskriptoren) sich zu anderen Texten und Theoretisierungen verhalten und dass hier nicht zwangsläufig Korrespondenzen bestehen. Auch Deskriptoren basieren auf einer inhaltlichen Auswahl, ihren Modellierungen unterliegen theoretische Bezugspunkte und Normen, die nicht alternativlos sind. In der Diskussion werden die Studierenden aufgefordert, ergänzend andere Deskriptoren zu formulieren, die weitere Aspekte (inter-)kulturellen Lernens akzentuieren, die aus der Kenntnis anderer Texte zum Thema resultieren könnten. Der Versuch einer Relativierung theoretischer Wissensbestände bietet die Möglichkeit, Erfahrungen in der Reflexion anders zu rahmen beziehungsweise bei Planungsprozessen alternative Schwerpunkte zu setzen, und im Sinne Neuwegs eine Orientierung am „Möglichen“ und nicht nur am „Vorfindlichen“ (vgl. Abschnitt 7.1) zu initiieren.

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7.3.4.3 Simulation von Französischunterricht: Microteaching und Unterrichtsentwürfe Microteaching ist eine Methode, die unterrichtliche Handlungssituationen simuliert. Der Ansatz ist ganzheitlich und handlungsorientiert und wird in der Literatur durchweg als geeignet beschrieben, reflexives Handlungswissen in besonderem Maße auszubilden (z.B. KMK 2004: 6; Moon 1999: 74), obwohl es wenig Evidenzen zur Wirksamkeit gibt (vgl. Klinzing 2002). Microteachings werden im Vorbereitungsseminar eingesetzt und haben die Funktion, ganzheitliches unterrichtliches Handeln zur Erfahrungsgrundlage reflexiver Prozesse zu machen. 7.3.4.3.1 Microteaching Die Studierenden realisieren im letzten Drittel des Semesters vier Microteachings, die unterschiedliche Schwerpunkte akzentuieren. Zwei fokussieren Themen, die für die Spracherwerbsphase (meist Lehrwerkarbeit) relevant sind, die beiden anderen textdidaktische Themen für die Sekundarstufe II (Literatur- und Dossierarbeit). Für die Vorbereitung sind jeweils zwei Seminarsitzungen vorgesehen, in denen Gruppen (à 3-6 Studierende) die Einheiten von je zwanzig Minuten entsprechend einer leitfragengestützten Aufgabenstellung vorbereiten.18 Für die Durchführung der Simulation wählt die Gruppe ein Mitglied für die Rolle der Lehrperson aus, die anderen Gruppenmitglieder übernehmen andere Aufgaben (z.B. das Verfassen und Präsentieren eines Kurzentwurfs, fachdidaktische Recherche, kritische Analyse und Aufbereitung von Materialien etc.). Die anschließende Diskussion folgt den Impulsen: „Wie haben Sie sich in der Rolle als Lehrperson/Schüler*in gefühlt?", „Was ist Ihnen aufgefallen?“, „Welche Fragen oder Lektürewünsche ergeben sich aus Ihren Beobachtungen?“, „Welche fachdidaktischen Konzepte (z.B. task cycle, Dimensionen interkultureller Kompetenz etc.) sahen Sie im Microteaching in welcher Form realisiert?“

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Ein exemplarisches Handout mit einer Aufgabe zum Microteaching findet sich im Anhang 4 („Handout für die Microteachings“).

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7.3.4.3.2 Unterrichtsentwürfe Das Verfassen von Unterrichtsentwürfen erhält im Kontext der Microteachings die Funktion, die Textsorte kennenzulernen und exemplarisch einzuüben. Dies geschieht sowohl in der Übung „Grundlagen der Unterrichtsplanung“ als auch im Vorbereitungsseminar. Problematisch an der Textsorte ist ihr Status als „graue Literatur“, die kaum wissenschaftlich systematisiert ist, aber mit dem Unterrichtshandeln vor allem in der zweiten Phase der Lehrer*innenbildung stark assoziiert ist. Unterrichtsentwürfe folgen sehr unterschiedlichen, den jeweiligen Fachkulturen der Studienseminare entsprechenden Mustern. Auch wenn sie damit stark kontextabhängig sind, lassen sich doch konstante Elemente (vgl. Winzer/Schramke 1995; EsslingerHinz/Wigbers 2013) ausmachen, deren Relevanz zur Herstellung planerischer Stimmigkeit in der Unterrichtsvorbereitung im Modul diskutiert wird. 7.3.4.4 Feedback und Austausch Rückmeldung und Austausch werden im Modul über Kleingruppendiskussionen, formelle und informelle Feedbackgespräche sowie die Möglichkeit zum Austausch in einem Tutorium ermöglicht. Feedback und Unterrichtsbesprechungen werden als wichtiges Element von Professionalisierungsprozessen angesetzt. Kollegiales Feedback und angeleitetes reframing gelten als wichtige Momente. Empirische Arbeiten zu Unterrichtsnachbesprechungen zeigen jedoch auch hier, dass in diesen Formaten nicht zwangsläufig Theorie-Praxis-Bezüge hergestellt werden: So konstatiert beispielsweise Schüpbach (2007: xii) bezogen auf ein Modell einphasiger Lehrer*innenbildung in der Schweiz: „Die – teilweise ernüchternden – Ergebnisse zeigen, dass die Unterrichtsnachbesprechung kaum die Bedeutung einer ‘Nahtstelle von Theorie und Praxis’ hat, sondern viel eher diejenige einer kurzen evaluativen Rückmeldung mit Hinweisen auf praktische Konsequenzen in der Form von didaktischen und pädagogischen Tipps und Anregungen; reflexive Theorie-Praxis-Bezüge kommen nur selten vor“. Feedback und Austausch scheinen also nicht per se zur Theorie-Praxis-Verbindung beizutragen. Aus diesem Grund wurden für das Modul Feedback-Verfahren konzipiert, die Bezugnahmen zur fachdidaktischen Theorie zum Gerüst des Gesprächs machen und

Arbeitsdefinition und Seminarkonzept

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explizit thematisieren, während didaktische Tipps und Anregungen zu Handlungsalternativen ein eher sekundärer Fokus der Feedbackgespräche sind. 7.3.4.4.1 Unterrichtsbesuch Während des Praktikums besteht das Angebot für die Studierenden, an den Schulen von der Dozentin besucht zu werden und zu einer von ihnen geplanten und durchgeführten Unterrichtseinheit eine Rückmeldung zu erhalten. Im Gegensatz zur kontinuierlichen (und verpflichtenden) Begleitung durch Angehörige der Studienseminare während des Referendariats geht es hier lediglich um eine Momentaufnahme, was auch die Inhalte und strukturelle Anlage der eingesetzten Feedbackmethoden bestimmt. Laut Elsner (2010) bemängeln Studierende bei Unterrichtsbesuchen während Praktika, dass bei einem einmaligen Besuch der Universitätslehrkräfte diese nicht in der Lage seien, die Entwicklung der Studierenden zu erfassen, sondern sie sich auf eine Momentaufnahme beschränken. Da dies gemäß der Anlage des Formats auch gar nicht anders möglich ist, ist die Struktur des Feedbackgesprächs entsprechend auf die Analyse einer einmaligen Erfahrungssituation zugeschnitten und unterscheidet sich damit wesentlich von den stärker prozessorientierten Rückmeldeverfahren während der zweiten Ausbildungsphase. Das Feedback zum Unterrichtsbesuch orientiert sich an Prinzipien der kollegialen Fallberatung und verfolgt zwei Ziele, die sich in einer Zweiteilung des Gesprächs widerspiegeln: Im ersten Teil wird den Studierenden Gelegenheit gegeben, selbst Themen auszuwählen, die sie in ihrer Unterrichtseinheit als ‘besprechenswert’ wahrgenommen haben. Im zweiten Teil wählt die Dozentin ein bis zwei Aspekte der Stunde aus, die erneut vor dem Hintergrund der im Seminar erarbeiteten curricularen Texte und Fragestellungen zu Kompetenz- und Aufgabenorientierung diskutiert werden. Diese doppelte Perspektive – induktiv aus der konkreten Situation Erfahrungen theoretisierend zu diskutieren und im zweiten Schritt deduktiv Wissen aus dem Vorbereitungsseminar mit der Erfahrung zu assoziieren – soll es ermöglichen, gesteuert unterrichtliche Beobachtungen und Entscheidungen an fachdidaktische Kriterien der Unterrichtsplanung anzubinden. Dabei werden einerseits unterrichtspraktische Realisierungsformen für theoretisch-konzeptionelle

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Konzeptionell-theoretische Basis des Projekts

Bereiche der Fachdidaktik ausgelotet, andererseits auch Brüche oder Probleme, die sich beim Versuch der ‘Anwendung’ theoretischer oder curricularer Inhalte ergeben, beschreibbar gemacht. 7.3.4.4.2 Informelle Arten von Austausch und Feedback Parallel zur strukturierten Rückmeldung bei Unterrichtsbesuchen finden Austausch- und Feedbackprozesse statt, die mehr oder weniger systematisch gestaltet sein können, wie das Feedback der betreuenden Lehrkräfte sowie der Mitpraktikant*innen. Ausgehend von der Annahme, dass im Praktikum das Lernen am Modell für die Studierenden in hohem Maße bedeutsam ist, wird dem Austausch mit den betreuenden Lehrkräften ein besonderes Potenzial für die Initiierung reflexiver Prozesse beigemessen. In der Regel sind die Studierenden zu zweit, in Ausnahmefällen auch zu dritt an den Praktikumsschulen, sodass sie häufig auch gemeinsam hospitieren oder Teamteaching planen und durchführen. Die Austauschprozesse, die hierbei stattfinden (gemeinsame Unterrichtsvorbereitung, informelle Gespräche über Beobachtungen von Französischunterricht), können ebenfalls zur Explizierung und Relativierung fachdidaktischen Wissens beitragen. Die Studierenden sollen die spezifischen Perspektiven von Feedback (Mentor*innen, Mitpraktikant*nnen, Universitätsdozentin) erkennen und auf ihren spezifischen Wert hin befragen lernen: Differenzbewusstsein zu unterschiedlichen Sichtweisen und Problemlösungen sollte nicht hierarchisierend, sondern als perspektivische Relativierung thematisiert werden. Weyland (2012: 57) spricht von der „Anerkennung der Differenz der unterschiedlichen Wissensbestände“, die sich jedoch nicht selbstverständlich einstellt: In der Praxis und in Reflexionsgesprächen während des Praktikums entsteht häufig eine Konkurrenz um die ‘richtige’ Sichtweise auf Schule und Unterricht, die die Beteiligten jeweils für sich beanspruchen. Die Mehrperspektivität, die sich durch die Involviertheit verschiedener Personen ergibt, kann Differenzwahrnehmungen und die Priorisierung einer spezifischen Sichtweise – beispielsweise die unhinterfragte Einübung in problematische Praktiken – auch verstärken, wenn sie nicht selbst Gegenstand der Reflexion wird. Ziel der Begleitseminare ist in diesem Sinne eine Stärkung der

Arbeitsdefinition und Seminarkonzept

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Beschreibungskompetenz der Studierenden, die eine Thematisierung der spezifischen Perspektivität mit einschließt. Dabei wird davon ausgegangen, dass Gespräche mit verschiedenen Akteur*innen zur Entwicklung unterschiedlicher Reflexionskategorien beitragen, die das reframing von Erfahrung komplexer werden lassen und die Studierenden dadurch weniger (schnell) wertend agieren bzw. in ihren Bewertungen entsprechende Kriterien und Bezugspunkte differenzierter explizieren können. 7.3.4.4.3 Tutorium Eine weitere Gelegenheit zum Austausch bietet das Tutorium, das als fakultatives Zusatzangebot in allen drei Durchgängen von studentischen Hilfskräften übernommen wurde, die im vorangegangenen Durchgang das Modul selbst absolviert haben. Im Unterschied zu den Feedbackgesprächen nach den Unterrichtsbesuchen verbleibt die Diskussion hier in der Gruppe der Studierenden selbst. Die Funktion des Tutoriums ist die Vertiefung und Konkretisierung der in den Vorbereitungskursen bearbeiteten Aufgaben. Hier haben die Studierenden die Gelegenheit, gemeinsam Texte zu lesen oder sich über die individuellen Bearbeitungen der Aufgaben und Einträge in das Prozessportfolio auszutauschen. Die Tutorinnen übernehmen dabei eine Mittlerfunktion: Sie können einerseits durch ihre Erfahrungen mit dem Modul als Modell oder direkte Ansprechpartnerin fungieren. Andererseits können sie Diskussionen aus dem Tutorium bündeln und wieder in die ‘reguläre’ Veranstaltung einbringen.

8

Empirischer Ansatz zur Erforschung reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz

Wie vor dem Hintergrund der Arbeitsdefinition (vgl. Abschnitt 7.2) im konkreten Szenario des Fachpraktikums Französisch (vgl. Abschnitt 7.3) reflexive fachdidaktische Handlungskompetenz empirisch beschreibbar gemacht werden kann, stellt das Interesse des nächsten Kapitels dar. Der forschungsmethodische Ansatz besteht primär darin, Indikatoren zu formulieren, die auf reflexive fachdidaktische Handlungskompetenz verweisen und diese als Kategorien einer qualitativen Inhaltsanalyse an die Interviews zum Fachpraktikum anzulegen. 8.1 Methodisches Vorgehen: Interviews und Qualitative Inhaltsanalyse Reflexion und reflexive Kompetenz sind nicht unmittelbar erkennbar, sondern können allenfalls aus Analysen von Praktiken, denen Reflexivität als unterliegende Handlung unterstellt wird, erschlossen werden. Gerade in den letzten Jahren sind plausible Ansätze zur Überprüfung von Professionskompetenzen entwickelt worden, die auch fachdidaktische Kompetenzen modellieren (vgl. Abschnitt 4.2). Im Gegensatz zu diesen Arbeiten mit überprüfendem Anspruch liegt das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie im Nachvollzug jener Elemente fachdidaktischen Wissens, die von den Studierenden selbst thematisiert werden. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass nur solche Wissensanteile handlungsrelevant sind, die mit biographisch verankerten Praxiserfahrungen verbunden sind (vgl. Abschnitt 7.2), geht es in der vorliegenden Studie nicht um die Überprüfung eines ex ante entwickelten Modells fachdidaktischer Kompetenz, sondern um den Nachvollzug von Elementen fachdidaktischer Reflexion, die von den Studierenden im Kontext eigener Erfahrungen im Praktikumsmodul als relevant versprachlicht werden. Diese thematischen Anteile werden hinsichtlich zweier Ausprägungen von Reflexivität kategorisiert, sodass Aussagen darüber möglich werden, welche Art der Reflexion Studierende mit welchen fachdidaktischen Themen verbinden.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_8

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Empirischer Ansatz

Zu diesem Zweck wird ein offenes Verfahren gewählt, das zwar einen diagnostischen Anspruch verfolgt – es sollen Elemente reflexiver Handlungskompetenz (auch mit quantitativen Tendenzen) identifiziert werden –, gleichzeitig aber die Möglichkeit bietet, offene Fragen und Probleme der Modellierung fremdsprachendidaktischer professioneller Kompetenz zu differenzieren und damit zu einer empiriebasierten Modellierung spezifisch fachdidaktischer Anteile studentischer Reflexion beitragen zu können. 8.1.1 Qualitative Inhaltsanalyse zur Identifikation fachdidaktischer reflexiver Kompetenz Der Zugang zu fachdidaktischen reflexiven Kompetenzen wird in der vorliegenden Studie über Interviews mit Studierenden gelegt. Für die Aufarbeitung der Interviewdaten sowohl in der ersten Phase (vgl. Schädlich 2015) als auch für die zweite Phase (vgl. Abschnitt 6 zur Kontextualisierung im Rahmen der Langzeitstudie), die Gegenstand des vorliegenden Bandes ist, wurden inhaltsanalytische Verfahren gewählt (vgl. Kuckartz 2012; Mayring 1993). Qualitative Inhaltsanalysen sind ein methodisch systematisches Vorgehen, aus Texten eine Struktur herauszuarbeiten, die Erkenntnisse hinsichtlich einer im Textmaterial bearbeiteten Fragestellung bereithält. Diese Struktur wird über ein Kategoriensystem repräsentiert, das eine Ordnung des Textmaterials hinsichtlich der Fragestellung erlaubt. Den Kategorien – die auf unterschiedliche Weise gesetzt oder hervorgebracht werden können – werden im Prozess der Auswertung Textstellen des empirischen Materials zugeordnet, die die Kategorien empirisch konkretisieren und ihre Verankerung ermöglichen. Dies geschieht regelgeleitet: Zunächst wird definiert, was eine Kategorie ausmacht, in einem zweiten Schritt werden Ankerbeispiele in den Texten des Datenkorpus ausgewählt, die exemplarisch die Passung zwischen Datenmaterial und Kategorie verdeutlichen. Weiterhin werden Regeln für den Codiervorgang formuliert (unter welchen Bedingungen wird eine Textstelle einer bestimmten Kategorie zugeordnet?), bevor das gesamte Material codiert wird. Als eines der wichtigsten Ziele Qualitativer Inhaltsanalysen nennt Kuckartz die Reduktion des Datenmaterials, in dem es um eine „fallzentrierte Reduktion der Informationsfülle“ (Kuckartz 2012: 37) geht.

Erforschung reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz

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Die Qualitative Inhaltsanalyse zielt ausdrücklich nicht allein – wie der Name der Methode suggerieren könnte – auf die Systematisierung inhaltsbezogener Oberflächenstrukturen; vielmehr hat sich bereits in den Anfängen der Methode während der 1940er Jahre die Kritik herauskristallisiert, subtilere Bedeutungen gingen bei dem Verfahren verloren. Die neuere Qualitative Inhaltsanalyse hat entsprechend dieser Kritik zum Ziel, auch latente Lesarten freizulegen, „auf die man sich intersubjektiv verständigen kann“ (Kuckartz 2012: 28), was die Methode in die Nähe hermeneutisch-rekonstruktiver Verfahren rückt.19 Die im Folgenden durchgeführte Inhaltsanalyse basiert auf Vorarbeiten, bei denen Interviewmaterial bereits unter der Fragestellung der Wahrnehmung des Moduls durch die Studierenden inhaltsanalytisch ausgewertet wurde (vgl. Schädlich 2015). Das zentrale Erkenntnisinteresse der ersten Auswertung bestand in einem Abgleich zwischen hochschuldidaktischer Intention und Wahrnehmung des Moduls durch die Studierenden. Bei der mehrmaligen Lektüre des empirischen Materials wurden bereits erste Indikatoren eruiert, die auf reflexive Handlungskompetenz verweisen können. Auch wenn es in diesem ersten Auswertungsschritt noch nicht ausdrücklich um die Identifikation reflexiver Handlungskompetenz ging, so verweisen einige der induktiv erarbeiteten Kategorien bereits auf das Konstrukt (vgl. Schädlich 2015: 123). Hier sind in den Interviewtexten beispielsweise Aspekte wie eher fragend-deskriptive versus wertende Beschreibung unterrichtlicher Situationen aufgefallen oder eher distanziert-abstrahierende versus stark involvierte Haltungen gegenüber der Erfahrung im Praktikum. Ein weiteres auffälliges Element ist die Beschreibung von Theorie-Praxis-Verbindungen, die entweder auf die Annahme unmittelbarer Theorieanwendung oder aber auf die Problematisierung mittelbarer Theorieanwendung verweisen. Diese Ergebnisse der ersten Auswertungsphase haben – neben der Aufarbeitung konzeptioneller und empirischer Arbeiten – zur Bildung des Kategoriensystems beigetragen, das in den nächsten Abschnitten beschrieben wird. 19

Vgl. den Überblick zur Geschichte der Methode – von Kracauer bis Mayring – bei Kuckartz (2012: 26f.).

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Empirischer Ansatz

Der hier realisierte Ansatz folgt den Zielen einer inhaltlich strukturierenden Qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Kuckartz 2012: 78), die das Material unter der Frage der reflexiven Handlungskompetenz neu strukturiert und Elemente identifizierbar macht, die auf das Vorhandensein reflexiver Handlungskompetenz in den Äußerungen der Interviewten verweisen. Der stark deduktiv geprägte Ansatz könnte auch das Vorgehen einer evaluativen Qualitativen Inhaltsanalyse nahelegen, wie sie zentral für die Arbeiten von Mayring sowie Hopf/Schmidt (vgl. Kuckartz 2012: 98) sind. Evaluative Inhaltsanalysen zielen auf eine wertend ordnende Differenzierung einzelner Kategorien des Materials ab, wofür das Material unter einer Kategorie meist nach Ausprägungen wie „wenig ausgeprägt“, „ausgeprägt“, „stark ausgeprägt“ gestuft wird.20 Ein solches Vorgehen kann Skalierungen hervorbringen, die anschlussfähig an testende Verfahren sind. Obwohl im Kategoriensystem der vorliegenden Studie durchaus skalierende Strukturierungen des Konstrukts reflexiver Handlungskompetenz angedeutet werden (siehe Abschnitt 8.2), wurde auch deren Problematik deutlich (vgl. den Überblick zu bisherigen empirischen Forschungsarbeiten ähnlichen Erkenntnisinteresses in Abschnitt 3.6), sodass auf ein solches Vorgehen verzichtet wird. Dennoch fließen Modelle, die mit Skalierungen arbeiten, in das Kategoriensystem ein, weil sie brauchbare Definitionen und Codierregeln bereithalten. Ein weiterer Grund, auf skalierende Kategorien zu verzichten, liegt in der Verbindung zwischen Reflexivität und fachdidaktischem Wissen, die hier erst erarbeitet werden soll: Die induktive Entwicklung von Kategorien für das Konstrukt „fachdidaktisches Wissen“ weist stark explorativen Charakter auf und eignet sich daher kaum für evaluative Inhaltsanalysen, die definitorisch eindeutigere und ihrerseits bereits empirisch validierte Bezugspunkte für die Subkategorien benötigen würden. Qualitative Inhaltsanalysen beziehen ihre Validität und Reliabilität häufig aus dem Abgleich der Codierungen, die mehrere Forscher*innen am gleichen

20

Ein Beispiel für inhaltsanalytisch ausgewertetes Interviewmaterial zur Differenzierung eines Kompetenzmodells findet sich bei Eberhardt (2013).

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Material vornehmen. Aus forschungsökonomischen und personellen Gründen musste für das hier vorgestellte Projekt auf die Einrichtung einer Arbeitsgruppe verzichtet werden, was hinsichtlich der Intercoderreliabilität problematisch ist (vgl. Kuckartz 2012: 83). Angesichts der Unsicherheiten, die im Codiervorgang entstanden sind, sollen in der folgenden Darstellung die Probleme daher detailliert und transparent dargelegt und diskutiert werden (vgl. v.a. die Abschnitte in 8.3), um den intersubjektiven Nachvollzug des methodischen Vorgehens durch die Leser*innen dieser Studie zu ermöglichen. 8.1.2 Empirisches Material: Interviews mit Studierenden zur Wahrnehmung des Moduls21 Dem forschungsmethodischen Ansatz des Projekts liegt die Annahme zugrunde, dass reflexive Handlungskompetenz in der universitären Phase der Lehrer*innenbildung nur mittelbar zugänglich ist (vgl. Abschnitt 7.2.1). Als Instrument, das Einblick in reflexive Prozesse ermöglicht, wurden Interviews gewählt. Primär wurden die Interviews zur Auswertung der Wahrnehmung und Bewertung des Moduls durch die Studierenden konzipiert (vgl. Schädlich 2015; 2016). Die Auswertung vor dem im Folgenden fokussierten Schwerpunkt der Identifikation reflexiver fachdidaktischer Kompetenz ist eine sekundäre Fragestellung, die sich zu einem Zeitpunkt ergeben hat, als das Datenmaterial bereits vorlag. Das eingesetzte Instrument ist ein stark strukturiertes Leitfadeninterview, bei dem die Studierenden einzelne Elemente des Moduls bewerten sollen, wobei die Bewertungen durch argumentative und narrative Anteile begründend ausgeführt werden. Das Interview kann deshalb als teilweise am episodischen Interview orientiertes Erhebungsinstrument bezeichnet werden: Friebertshäuser nennt dieses eine „modifizierte Variante des narrativen Interviews“ (Friebertshäuser 1997: 373). Es ist episodisch, weil es sich auf Erzählungen zu bestimmten Situationen bezieht und auf diese Weise „Erzählungen (Narrationen) mit dem Interesse an Wissensbeständen zu einem Gegenstandsbereich“ (Friebertshäuser 1997: 388) verbindet. 21

Die folgenden Abschnitte basieren auf leicht adaptierten Beschreibungen, die bereits an anderer Stelle ausgeführt wurden (vgl. Schädlich 2015; 2016).

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Empirischer Ansatz

Die Items, die das Interview strukturieren, entsprechen den Elementen des Moduls, die bei der Seminarplanung als besonders förderlich für die theoretische Reflexion von Praxiserfahrungen angesetzt worden waren (Portfolios, Microteachings, Feedbackverfahren; vgl. Abschnitt 7.3). Durch diese Interviewanlage sollte Vergleichbarkeit der Aussagen der Studierenden hergestellt werden. Die Bewertung wurde in diesem Sinne in Form einer RatingSkala vorgenommen. In den Interviews wurde den Teilnehmenden eine schriftliche Aufstellung der einzelnen Elemente des Moduls vorgelegt sowie die Bewertungsskala. Der Impuls lautete: „Wie beurteilen Sie die folgenden Ansätze und Methoden, die im Modul eine Rolle gespielt haben, vor der Zielsetzung reflexiver Handlungskompetenz? Setzen Sie die Förderlichkeit auf einer Skala von 1 (‘sehr förderlich’) bis 5 (‘überhaupt nicht förderlich’) fest und kommentieren Sie Ihre Angabe“.22 Die narrativen Anteile wurden durch Rückfragen im Anschluss an die Bewertungen der Modulelemente initiiert. Die Nachfragen (vgl. Nohl 32009: 22-23) bezogen sich dabei auf Konkretisierungen und Beispiele („Können Sie sich da noch konkret an einen Aspekt / einen Text / ein ‘Aha-Erlebnis’ erinnern?“, „Dafür würde mich ein Beispiel interessieren“, „Erzählen Sie dazu doch bitte noch etwas mehr!“, „Erinnern Sie sich dazu an einen konkreten Fall während des Praktikums – wie war das?“). Im Anschluss an die Bewertung der Elemente wurden die Studierenden aufgefordert, positive Aspekte und solche, die sie für weitere Durchgänge des Moduls verändern würden, zu benennen sowie die Relevanz des Moduls für ihre spätere Lehrtätigkeit zu kommentieren. 8.1.3 Transkription und computergestützte Analyse Für die Auswertung wurden alle Interviews mit Hilfe des Programms f4 vollständig wörtlich transkribiert, wobei die leicht adaptierten Regeln einfacher Transkripte (vgl. Kuckartz 2012: 135f.; Dresing/Pehl 2013: 19f.) angewendet wurden. Tippfehler in der Transkriptversion wurden für die Redaktion des vorliegenden Textes im Sinne besserer Lesbarkeit geglättet. Zur Erläuterung der im Folgenden zitierten Passagen aus den Interviews sei auf folgende Regeln verwiesen, die bei der Transkription angewendet wurden: 22

Der Gesprächsleitfaden kann im Anhang 1 („Evaluationsbogen“) eingesehen werden.

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(.) (..) (6) kennzeichnen eine kurze bzw. längere Pause, ggf. mit Angabe von Sekunden MAJUSKELN kennzeichnen eine stimmliche Betonung //...// kennzeichnen einen kurzen Einschub des/der Gesprächspartners/in [...] kennzeichnet eine Kürzung oder die Glättung syntaktischer Fehler, die für eine bessere Lesbarkeit vorgenommen wurden (unv.) kennzeichnet eine akustisch unverständliche Passage Um die so entstandenen Transkripte der inhaltsanalytischen Auswertung zugänglich zu machen, wurden sie in eine Software zur computergestützten qualitativen Datenanalyse (MAXQDA) eingespeist. Die Daten standen auf diese Weise für verschiedene Auswertungsschritte zur Verfügung.23 Für die Auswertung wurden die Namen der Studierenden anonymisiert und mit Zahlen umschrieben. Die Verweise auf die Interviewtexte werden mit dem Kürzel der Studierenden angegeben sowie mit der Referenzstelle im Interview, die der Absatznummer im Programm MAXQDA entspricht: So bezieht sich beispielsweise die Angabe „5:32“ auf das Interview mit Teilnehmerin 5 und eine Textstelle, die in MAXQDA unter Abschnitt 32 zu finden ist. 8.1.4 Beschreibung der Stichprobe Die Erhebung der Daten erfolgte in drei aufeinanderfolgenden Durchgängen des Moduls (Wintersemester 2011/12 und Sommersemester 2012, Wintersemester 2012/13 und Sommersemester 2013 sowie Wintersemester 2013/14 und Sommersemester 2014). Die Teilnahme an der Studie basierte auf Bereitwilligkeit und fand in allen drei Durchgängen nach Abschluss des Moduls statt. Die Studierenden wurden im Verlauf des Nachbereitungsseminars über das Projekt informiert und später per E-Mail erneut zur Teilnahme ermuntert. Im ersten Durchgang nahmen sechs Teilnehmerinnen an

23

In der ersten Auswertung wurden die Interviews mit dem Ziel ausgewertet, die Wahrnehmung des Moduls durch die Studierenden beschreibbar zu machen. Dazu wurden Fallzusammenfassungen erstellt und aus diesen Kategorien hergeleitet. Eine Beschreibung des Vorgehens sowie der Ergebnisse finden sich in Schädlich (2015).

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Empirischer Ansatz

den Interviews teil, im zweiten sieben und im dritten sechs Teilnehmerinnen und ein Teilnehmer, insgesamt ergibt dies eine Stichprobe von n=19 (18w, 1m)24. Die anfängliche Befürchtung, es würden sich nur Studierende zur Teilnahme melden, die das Modul mit überdurchschnittlich guten Noten abgeschlossen haben, hat sich nicht bewahrheitet: Obwohl die Teilnahme allein auf Bereitwilligkeit basierte, haben sich auch Studierende für das Projekt interessiert, die mit der Modulnote unter dem Durchschnitt lagen. Die Stichprobe verhält sich zur Gesamtanzahl der Studierenden in den drei Durchgängen hinsichtlich der Noten wie folgt: Im ersten Durchgang liegt der Notendurchschnitt der interviewten Studierenden bei 1,6, was dem Durchschnitt des Gesamtkurses exakt entspricht25. Im zweiten Durchgang liegt der Durchschnitt der interviewten Studierenden bei 2,4, der Durchschnitt des Gesamtkurses bei 2,026. Im dritten Durchgang liegt der Notendurchschnitt der interviewten Studierenden erneut bei 1,6, der des Gesamtkurses bei 1,727. Es ist also gewährleistet, dass die interviewten Studierenden die Bandbreite der Leistungen in den Praktikumsmodulen angemessen repräsentieren. Für den Nachvollzug reflexiver Handlungskompetenz versprechen diese Heterogenität und die Möglichkeit, Einzelfälle zu kontrastieren, das Zustandekommen differenzierter Ergebnisse.

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Das Interview mit einer Teilnehmerin konnte durch einen technischen Defekt des Aufnahmegeräts nur zu ungefähr einem Drittel transkribiert und in die Datenauswertung aufgenommen werden. Dies hat Konsequenzen für die quantitative Zuordnung einzelner Kategorien. An den entsprechenden Stellen wird bei der Auswertung darauf hingewiesen. Vergeben wurden an die Teilnehmenden der Interviewstudie eine 1,0, eine 1,3, zwei 1,7, eine 2,0 und eine 2,3. Vergeben wurden an die Teilnehmenden der Interviewstudie eine 1,0, eine 1,3, drei 2,0, eine 3,0 und eine 3,3. Vergeben wurden an die Teilnehmenden der Interviewstudie eine 1,0, eine 1,3, zwei 1,7, eine 2,0 und eine 2,3.

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8.2 Entwicklung eines inhaltsanalytischen Kategoriensystems zur Identifikation reflexiver fachdidaktischer Handlungskompetenz Im folgenden Kapitel wird das Kategoriensystem, das der Inhaltsanalyse unterliegt, im Detail vorgestellt. Zwei Kategorien bilden den übergeordneten Rahmen der Codierung: Reflexivität und fachdidaktisches Wissen. Beiden Kategorien sind jeweils Subkategorien zugeordnet: Reflexivität ist durch die Opposition „einperspektivisch-linear“ versus „mehrperspektivisch-zyklisch“ gekennzeichnet. Fachdidaktisches Wissen kann in drei Subkategorien codiert werden: „spontan“, „auf Nachfrage“, „abwesend“, je nach Kontext des Vorkommens beziehungsweise im Fall des Fehlens wissensbezogener Äußerungen. Die inhaltlichen Kategorien des fachdidaktischen Wissens lauten „Fertigkeiten/Kompetenzen“, „Unterrichtsgespräch/Interaktion“, „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“, „Schülerorientierung“, „Methodenkenntnis“, „Inhaltsorientierung/Material“, „Kompetenzorientierung“ und „Aufgabenorientierung“. In den folgenden Abschnitten werden die Kategorien und ihre Subkategorien im Rückgriff auf die theoretischen Überlegungen zu Reflexivität und fachdidaktischem Wissen genauer definiert und mit Ankerbeispielen veranschaulichend beschrieben. 8.2.1 Die Kategorie „Reflexivität“ Die Kategorie „Reflexivität“ gibt Aufschluss über die Art der Reflexion bei der Versprachlichung praktischer Erfahrungen im Praktikumsmodul. Für die Entwicklung der Kategorien wurden die oben vorgestellten konzeptionellen Überlegungen und Modelle zu Reflexion (vgl. Abschnitte 3 und 7) hinsichtlich jener Aspekte zusammengefasst, die für das hier verfolgte empirische Setting brauchbare Kategorien beizutragen versprechen. Obwohl auf Skalierungen verzichtet wird, unterliegt der Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz die Annahme, dass es im Kontext von Praktika reflexive Äußerungen gibt, die der oben entwickelten Definition (vgl. Abschnitt 7.2) mehr oder weniger entsprechen und damit auf das Vorhandensein oder die Abwesenheit reflexiver Kompetenz verweisen. Es unterliegt die Grundannahme, dass kompetente Reflexion immer an eine Distanzierung von der Praxissituation

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Empirischer Ansatz

und der ausschließlich eigenen, involvierten Perspektive auf das Geschehen gekoppelt ist. Dieses Unterscheidungsmerkmal wird hier isoliert, um eine handhabbare Kategorie für das vorliegende empirisches Material zu erhalten. Das spezifische Erkenntnisinteresse liegt hier nicht in der Überprüfung gradueller Ausprägungen von Reflexivität, sondern in der Verbindung von zwei Ausprägungen von Reflexivität mit fachdidaktischen Wissensbeständen. 8.2.1.1 Beschreibung der Kategorie „Reflexivität“ Die Kategorie „Reflexivität“ umfasst zwei dichotome Ausprägungen als Subkategorien, die sich auf die Perspektivität einerseits, sowie die Art der Transformation von Wissen andererseits beziehen. Fokussiert werden die Fragen: 1. Werden Perspektivenwechsel sichtbar, oder wird aus lediglich einer Perspektive heraus gesprochen? 2. Werden theoretische Wissensanteile mittelbar mit Praxiserfahrungen in Relation gesetzt, oder wird lediglich die unmittelbare Anwendung thematisiert? Reflexion wird „einperspektivisch-linear“ genannt, wenn eine Äußerung eine einzige Perspektive beinhaltet und wenn sie ein unmittelbar lineares Theorie-Praxis-Verhältnis formuliert. Reflexion wird hingegen „mehrperspektivisch-zyklisch“ genannt, wenn eine distanzierte, weitere Perspektiven offenbarende Äußerung getätigt wird, die ein mittelbares Theorie-PraxisVerhältnis thematisiert. Nach einem kurzen Exkurs zur Genese der Kategorie werden im folgenden Abschnitt die Subkategorien mit den theoretischen Vorüberlegungen kontextualisiert. 8.2.1.1.1 Exkurs zur Genese der Kategorie „Reflexivität“ Die Kategorien „Reflexivität“ und „fachdidaktisches Wissen“ sind in einem längeren Prozess entstanden, bei dem zunächst differenziertere Kategorien angesetzt und entsprechende Codierungen am Material erprobt wurden. In einem ersten Schritt der Codierung stellten die Kategorien „Transformation von Wissen“ mit den Subkategorien „linear“ versus „zyklisch“ sowie zweitens die Kategorie „Perspektivität“ mit den Subkategorien „einperspektivisch“

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versus „mehrperspektivisch“ die primären Bezugspunkte dar. Dabei ist während der ersten Codierungen bei einem Teil des Materials aufgefallen, dass erstens bei zahlreichen Textstellen sowohl „zyklisch“ als auch „mehrperspektivisch“ codiert wurde (sowie ebenfalls gleichzeitig „linear“ und „einperspektivisch“), sodass die Trennschärfe der übergeordneten Kategorien zu schwach gegeben schien. Parallel dazu fiel bei der Durchsicht der Interviews auf, dass die Aussagen sich grundsätzlich darin unterschieden, ob sie auf einer allgemeinen Ebene verblieben oder ob die Reflexion sich auf konkrete Wissensanteile bezog: So konnten beispielsweise zahlreiche Textstellen ausgemacht werden, die zwar als „lineare“ oder „zyklische“ Reflexion codiert wurden, in denen die Ausführungen aber abstrakt und ohne konkreten fachdidaktischen Bezugspunkt blieben. Vor diesem Hintergrund erschien die Codierung unter der Kategorie „Transformation von Wissen“ unangemessen, weil häufig kein Wissen (im oben angesetzten engeren Sinne deklarativen fachdidaktischen Wissens) erkennbar war. Diese beiden Auffälligkeiten führten zu einer Angleichung des Kategoriensystems erstens dahingehend, die Kategorien „Transformation“ und „Perspektivität“ unter „Reflexivität“ zusammenzufassen und dieser Kategorie die Unterkategorien „einperspektivisch-linear“ sowie „mehrperspektivisch-zyklisch“ zuzuordnen. Darüber hinaus wurde das fachdidaktische Wissen selbst als zweite übergeordnete Kategorie etabliert, mit den Subkategorien „anwesend“ versus „abwesend“. Die Subkategorie „fachdidaktisches Wissen anwesend“ wurde wiederum ausdifferenziert in „spontan“ und „auf Nachfrage“. Ob die Studierenden von sich aus – also spontan – Wissenselemente in das Gespräch einbringen oder diese Art der Spezifizierung auf Nachfrage, also reaktiv erfolgt, erschien als weiterer Indikator für die Reflexionsfähigkeit: Je spontaner und selbständiger die Studierenden fachdidaktisches Wissen in ihre Ausführungen einfließen lassen, als desto höher wird die reflexive Handlungskompetenz angenommen.

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8.2.1.2 Theoretische Anbindung der Kategorie „Reflexivität“ und ihrer Subkategorien „einperspektivisch-linear“ versus „mehrperspektivisch-zyklisch“ Mehrperspektivisch-zyklische Reflexion wird bei der Codierung der Interviews als Indikator für das Vorhandensein reflexiver Handlungskompetenz gewertet, einperspektivisch-lineare Reflexionen deuten hingegen auf die Abwesenheit reflexiver Handlungskompetenz hin. Diese Kategorisierung liegt in der Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz begründet, wie sie oben (vgl. Abschnitt 7.2) entworfen wurde. Einige wesentliche Elemente, die sich im nächsten Absatz auch in der Formulierung der Codierregeln konkretisieren, seien hier erneut zusammengefasst. Die Entwicklung von Kategorien und Indikatoren orientiert sich grob an den Reflexionstypen bei Hatton/Smith (1995), wobei deren „descriptive reflection“ sich weitestgehend mit der hier angesetzten einperspektivischlinearen Reflexion decken, die „dialogic reflection“ und „critical reflection“ mit mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion. Die Kategorien werden auf diese Weise einerseits vereinfacht, andererseits werden den hier angesetzten zwei Kategorien weitere – bei Hatton/Smith (1995) nicht ausdifferenzierte – Indikatoren zugeordnet. Mehrperspektivisch-zyklische Reflexion ist durch Perspektivenwechsel, zyklische Wissenstransformation sowie Kommentare über deskriptive und normative Ebenen des Unterrichts geprägt. Die folgenden Abschnitte führen dies genauer aus und erläutern umgekehrt auch für einperspektivisch-lineare Reflexionen, was Perspektivenverengung, ein statisch geprägter Blick sowie eine vorherrschend deskriptive Auseinandersetzung mit Unterricht ausmacht. 8.2.1.2.1 Perspektivenwechsel versus Perspektivenverengung Die Fähigkeit, Perspektivenwechsel vorzunehmen, also die Versprachlichung einer Erfahrung aktiv mehrperspektivisch zu gestalten, wird in der Forschungsliteratur durchgehend als Merkmal von Professionalisierung und Expertise angesetzt: Die Fähigkeit zur Dezentrierung (vgl. Surkamp 2010: 238) ermöglicht die Betrachtung eines Gegenstandes aus mehreren Blickwinkeln heraus, die von der eigenen „Betroffenheit“ abstrahiert. Hierfür ist der

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Vorgang „aktiver Distanzierung“ (vgl. Leonhard et al. 2010 sowie Abschnitt 7.1) vom Geschehen eine Bedingung. Perspektivenwechsel erlauben reframing als Perspektivierung von Erfahrungen, die eine Infragestellung von Schemata professionellen Wissens ermöglichen (vgl. Kolbe 2004: 222 und Abschnitt 7.2.4) und auch eigene Biographie des Lernens thematisieren. Die Fähigkeit zu mehrperspektivischer Darstellung von Erfahrung verweist darauf, dass die Studierenden sich selbst und erlebtes Unterrichtsgeschehen aus der „Vogelperspektive“ (vgl. Roters 2012: 269) betrachten können und sich von der Ebene unmittelbarer Involviertheit „Ich-bezogener“ Wahrnehmungen lösen, die in einer Perspektivenverengung verbleiben. Die Fähigkeit, Unterricht gewissermaßen mit den Augen der Lernenden zu sehen, wird als Bedingung für die wirksame Planung und Adaption des Unterrichtsgeschehens angesetzt (vgl. Abschnitt 7.1). 8.2.1.2.2 Transformation von Wissen als dynamisch-adaptives versus statisches Geschehen Die Transformation des Wissens als zyklisches Geschehen wird ebenfalls als Hinweis auf reflexive Handlungskompetenz angesetzt. Ihr werden Elemente des Reflexionsbegriffs zugeordnet, welche die Opposition von Differenz- und Integrationshypothese (vgl. Nölle 2002) dahingehend problematisieren, dass die Wissensformen in pädagogischer Disziplin und Profession zwar grundsätzlich als differierend angenommen werden, jedoch eine systematisch angeleitete Bezugnahme der Wissensbereiche aufeinander einen Einfluss auf die Ausbildung reflexiver Handlungskompetenz hat. Dabei wird mit Neuweg (2011b: 23) angenommen, dass die Relevanz theoretischen Wissens darin besteht, dass es den Wahrnehmungshorizont erweitert und dazu beitragen kann, Unterricht in differenzierten Kategorien wahrzunehmen und damit eine Bewegung der Orientierung des Handelns nicht nur am „Vorfindlichen“, sondern am „Möglichen“ anzustoßen (vgl. Neuweg 2011: 23). Zur zyklischen Transformation von Wissen gehört auch die Fähigkeit zur Adaptivität (vgl. Abschnitt 7.1) im Sinne einer situationsangemessenen Anpassung des Handelns und der Lerngelegenheiten. Die flexible und lernerorientierte Anpassung des Unterrichtsinhalts, gegebenenfalls sogar in der Unterrichtssituation selbst, ist ein Hinweis auf reflexive Handlungskompetenz, weil hier eine

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Empirischer Ansatz

Unterrichtsplanung und -durchführung aus dem spezifischen Kontext (einer bestimmten Lerngruppe) heraus geschieht. Ein lineares Vorgehen hingegen trägt vorbereitete Inhalte und Aufgaben in den Unterricht hinein, ohne sie im Moment der Realisierung selbst noch zu hinterfragen oder in Reaktion auf das Unterrichtsgeschehen und seine Dynamik hin zu verändern. Statische Unterrichtsplanung und -gestaltung bleibt linear, monodirektional und undialogisch. 8.2.1.2.3 Normativität versus Deskriptivität als reflexiver Fluchtpunkt Roters differenziert in ihrer Analyse der Reflexionskompetenz angehender Lehrkräfte normative und deskriptive Herangehensweisen (Roters 2012: 266). Ähnlich systematisiert Moon extrinsisch motivierte „common sense thinkers“, die sie von intrinsisch motivierten Studierenden unterscheidet. Ähnlich wie Roters werden bei Moon hinsichtlich der Frage, wie vertiefende Lernprozesse initiiert werden, Studierende, deren Handeln auf das Erfüllen nicht hinterfragter Normen abzielt, von anderen abgegrenzt, die ein tieferes Verstehen der Unterrichtssituation, in der sie sich bewegen, anstreben. Die Fähigkeit, die normative Ebene unterrichtlichen Handelns als solche zu erkennen und – durch Distanznahme – zu benennen, wird als Indikator für reflexive Handlungskompetenz angesetzt. Sie berührt die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, der notwendig ist, um Normativität als solche überhaupt wahrnehmbar zu machen. In der Seminarkonzeption (vgl. Abschnitt 7.3) wurde als ein übergeordneter Fluchtpunkt die diskursiv herzustellende Sensibilisierung für das Spannungsverhältnis der Fachdidaktik zwischen normativem Anspruch und seiner möglichen Relativierung ausgeführt. Dieser Aspekt findet sich als Hinweis auf reflexive Kompetenz an der Stelle wieder, wo Studierende die Antinomie selbst zum Gegenstand ihrer Reflexion machen und damit von der Bewertung einer Unterrichtssituation zu ihrer kriteriengeleiteten Beschreibung übergehen. In diesen Bereich gehört auch die Formulierung von Erwartungen an das Praktikum, die in einer normativen Ausrichtung stark auf Habitualisierung und die Aneignung ‘richtiger’ Unter-

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richtshandlungen zielt und in deskriptiver Ausrichtung stärker auf den Anspruch, beobachtetes und selbst gestaltetes Handeln fallbezogen zu verstehen. 8.2.1.3 Codierregeln zur Kategorie „Reflexivität“ und ihrer Subkategorien sowie Ankerbeispiele In den folgenden Abschnitten wird die Kategorie „Reflexivität“ weiter ausdifferenziert, wobei beschrieben wird, unter welchen Bedingungen eine Textpassage welcher Subkategorie – „einperspektivisch-linear“ oder „mehrperspektivisch-zyklisch“ – zugeordnet wird. 8.2.1.3.1 Die Subkategorie „einperspektivisch-linear“: Codierregeln und Ankerbeispiele Die Subkategorie „einperspektivisch-linear“ wird bei Textstellen vergeben, die das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis als unmittelbar und linear realisierbar – in einer als linear verstandenen Bewegung von der Theorie in die Praxis nämlich – ansetzen. Damit widersprechen sie dem in dieser Studie angesetzten Verständnis grundsätzlich nur mittelbar möglicher Transformation von Wissen. Einperspektivität bezieht sich darauf, dass die Ausführungen auf eine verengte Perspektive beschränkt bleiben und keine Distanzierung vom Unterrichtsgeschehen erkennen lassen. Das Sprechen über Unterricht bewegt sich in einem normativen Rahmen, es wird ein statisches Bild von Unterricht sichtbar, dessen Gestaltung sich affirmativ an äußeren Normen (curriculare Rahmentexte, Lehrwerk, Forderungen durch betreuende Lehrkraft, Prüfungen, Lehrproben etc.) orientiert, denen sich die Lehrpersonen anpassen (müssen). Typische Formulierungen, die auf ein solches normatives Verständnis hindeuten, sind Bewertungen unterrichtlichen Handelns als „richtig“ oder „falsch“, sowie Handlungsbeschreibungen, die über Konstruktionen mit „sollen“, „müssen“ oder „dürfen“ versprachlicht werden. Die Subkategorie „einperspektivisch-linear“ wird codiert, wenn... … unterrichtliches Handeln im Praktikum als Aneignung von Routine und Habitualisierung beschrieben wird.

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Empirischer Ansatz

Ankerbeispiel: „[…] den Teil von Frau X [gemeint ist das Teilmodul ‘Grundlagen der Unterrichtsplanung’] würde ich wahrscheinlich noch ausweiten, weil das finde ich extrem wichtig ist, dass man Unterricht plant, dass man Tafelbilder entwerfen kann und so, weil das ja letztendlich das ist, womit wir später arbeiten //mhm//. Was wir dann noch können und darin einbetten kann man ja auch das Kerncurriculum und die anderen Rahmentexte“ (10:54).

… Theorie und Praxis ohne Distanz zueinander beschrieben werden und dabei Ausdrücke wie „umsetzen“, „anwenden“, „einsetzen“, „durchführen“ nicht problematisierend verwendet werden. Ankerbeispiel: „[…] weil man das [das Kerncurriculum; Ergänzung von B.S.] danach auch noch direkt einsetzen konnte. Also, man hat es im Seminar getan und dann //mhh// für seinen eigenen Unterrichtsentwurf //mhh//, den man dann halt auch durchgeführt hat“ (19:12).

… isolierte, nicht kontextualisierte Wissensanteile oder Ablaufbeschreibungen formuliert werden, die keine Adaptivität erkennen lassen; hier wird Planung und Unterrichtshandeln als Geschehen beschrieben, bei dem „etwas Vorgefertigtes“ in die Lerngruppe „hereintragen“ wird. Ankerbeispiel: „[…] dass halt diese didaktischen Fragestellungen natürlich wichtig sind für die reflexive Arbeit quasi, dass man sich natürlich mit der Literatur, was gibt es didaktisch auf dem Markt, was, wie kann ich didaktisch eine Stunde aufbereiten?“ (11:15).

… unterrichtliches Handeln in Kategorien wie „richtig“ und „falsch“ bewertet wird, ohne dass Bezugspunkte für die Wertung expliziert oder diskutiert würden. Ankerbeispiel: „[…] und wirklich da, wo (..) Sachen gar nicht gingen, sage ich mal, //mhm// dass sie [die Mentorin; Erläuterung B.S.] das wirklich sagt, also, die richtig harten Fehler, wenn man nicht selbst darauf kommt erstmal, dann sollte sie vielleicht einen darauf hinweisen und (..). Das ist also wirklich das, worauf man hingewiesen werden sollte, (.) weil das ist eigentlich das, wozu ein Praktikum dient“ (1:54).

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… Professionalisierung als (abschließbarer) Aneignungsprozess eines Repertoires „guter Praktiken“ beschrieben wird. Ankerbeispiel: „[…] ich habe das ja schon erwähnt mit den zwei großen Ordnern. Für Englisch habe ich das jetzt auch und ich habe SO ein großes persönliches Feld eigentlich zu beackern, ähm, dass da irgendwie jetzt die Studienzeit am Ende nicht mehr reicht“ (15:51).

8.2.1.3.2 Die Subkategorie „mehrperspektivisch-zyklisch“: Codierregeln und Ankerbeispiele Die Subkategorie „mehrperspektivisch-zyklisch“ wird Textstellen zugewiesen, in denen eine relativierende oder zyklische Bezugnahme von Wissen und Praxiserfahrung erkennbar wird. Zyklisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Theorie und Praxis als dialogischer Prozess des Abgleichs verstanden wird. Über die Thematisierung der grundsätzlichen Problematik des Anwendungsbegriffs wird dies sichtbar. Mehrperspektivisch sind Äußerungen, die eine Sensibilität hinsichtlich der verschiedenen Perspektiven und Ebenen erkennen lassen, vor denen unterrichtliche Prozesse wahrgenommen und analysiert werden können. In mehrperspektivisch-zyklischen Reflexionen bewegt sich das Reden über Unterricht auf einer stärker beschreibend-analysierenden und weniger auf einer bewertenden Ebene. Das eigene Handeln wird situations- und kontextbezogen sowie als adaptiv und potenziell veränderbar beschrieben. Die Subkategorie „mehrperspektivisch-zyklisch“ wird codiert, wenn... … eine kritische Distanzierung von Erfahrungen sowie fachdidaktischen Begriffen und Konzepten sichtbar wird. Ankerbeispiel: „[…] wir machen etwas, sprechen darüber und hinterher, wenn wir wissen so ‘ah, da war der Knackpunkt’ //mhh mhh// ähm, was kann ich tun, wo kann ich nochmal lesen //mhh// was kann ich nochmal machen, ähm welcher Autor könnte mir eben noch mehr Infos geben?“ (15:11).

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… verschiedene Perspektiven (z.B. Mitpraktikant*innen, Unidozentin, Mentor*in) auf unterrichtliche Prozesse thematisiert werden. Ankerbeispiel: „[…] vor allem fand ich es deshalb auch so gewinnbringend, weil ich ja immer sie [gemeint ist eine Referendarin; Ergänzung B.S.] plus den Lehrer erlebt habe, mit dem Lehrer hinten saß //ja ja//. Er MIR viel währenddessen schon gespiegelt hat //mhm//. Also, was er sieht, was er (.) reflektiert und dann auch deren Gespräche zum TEIL mitbekommen habe“ (13:66).

… Schemata und lernerbiographisch bedingte Überzeugungen thematisiert werden. Ankerbeispiel: „[…] Themen […], die man sonst noch nicht so unbedingt hatte und ein bisschen darüber nachdenken musste, weil es eben nicht so dieses ‘Ja, das habe ich immer so gemacht, das mache ich jetzt wieder so’ //mhm//, sondern mal ja so ein bisschen hinterfragen auch (.), warum man was macht und //ja// ein bisschen darüber nachdenken und nicht einfach ja, ‘Das hat mein Lehrer so gemacht, das werde ich auch weiter so machen’“ (10:4).

… der Versuch mittelbarer Anwendung (z.B. mit Verben wie „ausprobieren“, „erproben“, „in Verbindung bringen“), auch mit Brüchen und der Veränderung, bzw. Reorganisation von Wissensanteilen beschrieben wird. Ankerbeispiel: „[…] eigentlich ging es ja schon immer erst ‘okay, welche Lerngruppe habe ich’ //mhh, okay//. Dann (.) ‘was möchte ich überhaupt vermitteln’ //mhh// und dann habe ich mir erst die Methoden rangezogen //ja//. Klar habe ich, also wir haben in der ‘Grundlagen der Unterrichtsplanung’ auch viele Methoden kennengelernt, wo ich dann auch gesagt habe: ‘Oh, die würde ich super gerne einmal ausprobieren!’ Aber an einigen Stellen haben die nicht gepasst //ja// und dann kann ich sie auch nicht ausprobieren //ne, genau//, weil es //mhh, mhh// auch einfach keinen Sinn macht //ja// für die Lerngruppe“ (18:27).

… Adaptivität mit dem Ziel der Ausrichtung des Unterrichts am Lernzuwachs der Schüler*innen (aus dem „Unterricht heraus mobilisiertes, kontextualisierte Wissen“) erkennbar ist.

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Ankerbeispiel: „[…] denke ich, manchmal wäre es sinnvoller (.) ja sich eher genauer überlegen, welche Lernschritte brauchen die Schüler, als sich immer schon zu überlegen, welche Schritte muss eine Stunde haben?“ (13:16).

8.2.1.4 Beispiele für Codierungen: Kontrastierende Codings mit kurzer Diskussion Ergänzend zu den Codierregeln und Ankerbeispielen sollen exemplarisch mit dem Ziel der Verdeutlichung der Trennschärfe der Subkategorien „einperspektivisch-linear“ und „mehrperspektivisch-zyklisch“ zwei Textstellen kontrastierend diskutiert werden. Dabei sollen die Entscheidungsprozesse nachvollziehbar gemacht werden, die zu den jeweiligen Codierungen geführt haben. Das erste Beispiel bezieht sich auf zwei Aussagen, die beide gleichermaßen die Arbeit mit dem Kerncurriculum bewerten (vgl. Abschnitt 7.3.4). Im ersten Interviewauszug wird die Lektüre als Wiederaufnahme eines bereits an anderen Stellen des Studiums thematisierten Inhalts und damit als „ein bisschen langweilig“ charakterisiert: „Das hatte ich in der Einführung schon gemacht //mmh//, und das war so ein bisschen schade für mich, weil ich das eben größtenteils schon kannte //dann doppelt//. Genau, und das war teilweise doppelt, also war das ja ‘weder noch’ [‘weder noch’ bezieht sich auf die Bewertung des Elements hinsichtlich seiner Förderlichkeit; Ergänzung B.S.] //mhm mhm//. Weil ja, es ist, es hat sich ja nichts verändert groß“ (10:16).

Im Gegensatz dazu steht die Bewertung der erneuten Beschäftigung mit dem Kerncurriculum als Rekontextualisierung eines im Prinzip bekannten Wissensbereichs, der jedoch im Praktikumsmodul um neue Perspektiven erweitert wird: „[…] dass ich zum Beispiel am Anfang (.) diese Kerncurriculumsachen erst ein bisschen langweilig fand, weil ich das schon HATTE, aber letztlich habe ich dann doch wieder gemerkt, dass es natürlich doch nochmal ein anderer Blick dann wurde“ (13:60).

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Die erstzitierte Passage (von TN10) wurde als „einperspektivisch-linear“ codiert, weil sie die Indikatoren „nicht-kontextualisierte, isolierte Wissensanteile“ und Professionalisierung als abschließbare Aneignung eines Repertoires ‘guter’ Praktiken enthält. Das einmal angeeignete Wissen wird als unveränderlich (im Zitat: „nichts verändert groß“) und damit gewissermaßen als „bekannt abgehakt“ (Formulierung B.S.) beschrieben. Die Passage von TN13 enthält im Gegensatz dazu Indikatoren für die Subkategorie „mehrperspektivisch-zyklisch“: Es wird ein offener Lernprozess beschrieben, bei dem die Transformation und Reorganisation von Wissensanteilen stattfindet. Hier findet durch den neuen Kontext (Thematisierung des Kerncurriculums in der BA-Einführungsveranstaltung versus Thematisierung im Kontext des Praktikums der Masterphase) ein Perspektivenwechsel statt, der auf den handelnden Umgang mit dem Kerncurriculum abzielt. Auf denselben Gegenstand – das Kerncurriculum –, der auch beiden Studentinnen vorher bereits bekannt war, entwickelt sich im Verlauf des Studiums ein „anderer Blick dann“, der den Gegenstand selbst rekontextualisiert und ihn damit der Langeweile einer (eben nur vermeintlichen) Wiederholung enthebt. Im Fall von TN10 wird der Gegenstand nicht rekontextualisiert. Das Wissen über das Kerncurriculum bleibt statisch und dialogisiert nicht – zumindest nicht mit einem wahrgenommenen Erkenntnisgewinn – mit dem Erfahrungswissen, das im Praktikum erworben wurde. Ein weiteres Beispiel stellt zwei Codings gegenüber, die beide keine reflexive Handlungskompetenz zeigen, weil in ihnen kein fachdidaktisches Wissen mobilisiert wird. An ihnen soll dennoch die Differenz der Subkategorien „mehrperspektivisch-zyklisch“ versus „einperspektivisch-linear“ erläutert werden: „Also, am Anfang war es mir nicht ganz bewusst, da habe ich es einfach gemacht und am Ende ist mir aufgefallen: Ohja, das ist wirklich so ein kleines Tagebuch, also das ist wirklich so eine Entwicklung //mh mh// auch an einem selbst da und es ist einfach sehr systematisch, also man weiß genau: Was konnte ich da, was konnte ich noch nicht und was will ich jetzt nochmal (unv.)“ (17:23).

Im Gegensatz dazu:

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„Das [Microteaching; Ergänzung B.S.] finde ich ‘sehr förderlich’ //mhm//, also es ist sowieso praxisbezogen, ist immer förderlich //mhm//. Und (räuspern) genau. Es war, ich glaube, es war nur ein bisschen schade, weil ja nicht jeder dran gekommen ist //ja//“ (9:3).

In beiden Fällen handelt es sich um abstrakte Wertungen der hochschuldidaktischen Elemente des Moduls (von TN17 wird das Portfolio kommentiert, von TN9 das Microteaching; vgl. Abschnitt 7.3), die mit Reflexion verbunden sind, sich aber nicht auf konkrete Erfahrungen des Praktikums oder spezifische fachdidaktische Wissensbereiche beziehen. Die Passage von TN17 wurde als „mehrperspektivisch-zyklisch“ codiert, weil sie die an sich selbst beobachtbare Veränderung von Wissen beschreibt, die rückblickend (zyklisch) erkannt wird, während sie zu Beginn des Prozesses unklar war. Die Passage von TN9 wurde als „einperspektivisch-linear“ codiert, weil der Wunsch, jeder Seminarteilnehmer solle die Möglichkeit haben, als Lehrperson im Rahmen eines Microteachings probezuhandeln, auf ein Verständnis des Professionalisierungsprozesses als allein habitualisierende Aneignung von Praktiken verweist. Die Bewertung des praktischen Handelns im Microteaching ist durch den Verweis auf das „Praxisbezogene“ tautologisch und es wird keine Distanzierung vom erlebten Geschehen (beispielsweise im Übertrag der Diskussion eines anderen Microteachings auf eigene Ideen und Probleme) erkennbar. 8.2.2 Die Kategorie „fachdidaktisches Wissen“ Die Systematisierung fachdidaktischen Wissens, die für die Erstellung inhaltsanalytischer Kategorien geeignet ist, ist aus zwei Ansätzen heraus entstanden: Zunächst wurden aus den Seminarinhalten (konkret: Einführungsveranstaltungen im Bachelor und Fachpraktikumsmodul im Master of Education) der Lehramtsstudiengänge in Göttingen übergeordnete Themen hergeleitet. Die Systematik bezieht sich also auf den curricular und bildungspolitisch bereits bestehenden Rahmen fachdidaktischer Lehrveranstaltungen. Dessen Berücksichtigung bei der Planung einer konkreten Lehrveranstaltung kann nur exemplarisch sein und dabei die Teile priorisieren, die im Rahmen dieser Lehrveranstaltung als primäre Zielsetzung gelten können.

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In Orientierung an die Masterverordnung Lehr sowie die Modulbeschreibungen der Veranstaltungen „Einführung in die Fachdidaktik Französisch“ sowie „Fachpraktikum Französisch“ werden einige paradigmatische Begriffe und Konzepte sowie grundlegende Elemente der Planung, Durchführung und Reflexion von Französischunterricht ausgeführt. Das „fachdidaktische Wissen“ entspricht dem in der oben ausgeführten Arbeitsdefinition von reflexiver Handlungskompetenz angesetzten Begriff von ‘Theorie’ (vgl. auch Abschnitt 7.2). Darüber hinaus wurden Wissenselemente, die die Studierenden in den Interviews versprachlichen, in die Systematisierung integriert und mit dieser abgeglichen. Hier wird also der Versuch unternommen, in erfahrungsbasierten Reflexionssituationen realiter mobilisiertes Wissen empirisch greifbar zu machen. 8.2.2.1 Beschreibung der Kategorie „fachdidaktisches Wissen“ Während die Kategorie „Reflexivität“ ausschließlich durch theoriebasierte, im Vorfeld etablierte Subkategorien gekennzeichnet ist, die deduktiv an das empirische Material angelegt werden, wurden die Subkategorien des fachdidaktischen Wissens induktiv erarbeitet und im Abgleich mit den theoretischen Vorannahmen abstrahierend systematisiert. Die Kategorie „fachdidaktisches Wissen“ gibt Aufschluss über das fachdidaktische Wissen, das die Studierenden in der Versprachlichung ihrer Erfahrungen im Praktikumsmodul thematisieren. Die Kategorie wurde entwickelt, weil bei den ersten Analysedurchgängen aufgefallen war, dass nicht alle Textstellen, in denen Reflexivität erkennbar ist, sich gleichzeitig auch explizit fachdidaktischen Problemen widmen. Die Reflexion der Studierenden bleibt häufig abstrakt – das heißt losgelöst von konkreten Vergegenwärtigungen des im Französischunterricht Erlebten – und beschränkt sich auf Wertungen oder die Formulierung von Alternativen bzw. Wünschen, wie das gesamte Modul anders gestaltet sein könnte oder sollte28.

28

Dies war auch der Fragefokus des Leitfadens, insofern ist diese Art von Ausführung stark an die Anlage des Erhebungsinstruments gekoppelt.

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Die Codierung zur Identifizierung fachdidaktischen Wissens nimmt eine Sortierung des Materials nach den Subkategorien „abwesend“ versus „anwesend“ vor, letzteres wiederum wird weiter differenziert in die Subkategorien „spontan“ versus „auf Nachfrage“. Innerhalb der Kategorien „spontan“ und „auf Nachfrage“ wurden in einem Codierdurchgang alle Äußerungen der Studierenden induktiv am Material entlang codiert. Dieses Vorgehen zielt gegenüber der Arbeit mit einem präetablierten – beispielsweise standardbasierten – Kategoriensystem auf die Möglichkeit, die fachdidaktischen Wissensbereiche zu untersuchen, die im Kontext reflexiver Prozesse zu Erfahrungssituationen thematisiert werden, und nicht normativ gesetzte, die gegebenenfalls für die Reflexion subjektiv relevanter Unterrichtserfahrungen irrelevant bleiben. Dabei entstanden 54 Codes (siehe Anhang 2: „54 Codes“), deren Auffälligkeit zum einen in der Unsystematik ihrer Abstraktion bestand (z.B. „Kompetenzorientierung“ als sehr abstrakter Begriff gegenüber „Einsatz der Methode Gruppenpuzzle“ als sehr konkreter Verweis auf fachdidaktisches Wissen im Sinne einer Unterrichtstechnik), zum anderen in Auffälligkeiten hinsichtlich der quantitativen Verteilung (z.B. eine Nennung zum Code „Stereotype“ versus 20 Textstellen zum Code „Stimmigkeit Unterrichtsentwurf“). Die spontan vergebenen Codes wurden für den definitiven Codierdurchgang stark reduziert und abstrahiert, sodass quantitative Tendenzen der Nennung in das Kategoriensystem eingeflossen sind. Laut Kuckartz ist das „spätere Zusammenfassen von Subkategorien [ist] unproblematisch, anders verhält es sich, wenn Kategorien ausdifferenziert werden sollen. In einem solchen Fall muss das bisher schon codierte Material erneut durchlaufen werden“ (Kuckartz 2012: 88). Die auf diese Weise entstandene Systematisierung ist insofern empiriebasiert, als sie sich ausschließlich auf tatsächlich thematisierte Elemente fachdidaktischen Wissens bezieht. Gleichzeitig wurden jedoch die Codes entsprechend der Systematik der Seminarlektüren und Kompetenzziele des Moduls geordnet und hierarchisiert, sodass sie auch Erwartungen, Prioritäten und Vorannahmen der Forscherin sowie die Standards für Lehrer*innenbildung und Fremdsprachendidaktik widerspiegeln. Es entstanden durch die

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Reduktion acht Kategorien, die übergeordnete Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts repräsentieren, wie sie in Rahmentexten (Bildungsstandards, Kerncurricula) und fachdidaktischer Grundlagenliteratur (siehe auch Abschnitt 4.2) modelliert werden. Diese Kategorien lauten: „Kompetenzbegriff“, „Aufgabenorientierung“, „Schülerorientierung“, „Unterrichtsgespräch/Interaktion“, „Inhaltsorientierung/Themenwahl“, „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“, „Fertigkeiten“ und „Methodenkenntnis“. 8.2.2.1.1 Exkurs zur Genese der Kategorie „Fachdidaktisches Wissen“ Der Schwerpunkt der empirischen Analyse liegt in der Beschreibung fachdidaktischer reflexiver Kompetenz. Es wird bewusst ein Aspekt von Professionalisierung isoliert, um über ihn differenziertere Aussagen treffen zu können, als dies in bisherigen Forschungsarbeiten zu reflexiven Prozessen angehender Fremdsprachenlehrkräfte der Fall ist. Die Abgrenzung spezifisch fachdidaktischer von anderen Wissensinhalten bleibt dabei problematisch. So sind im ersten Codierdurchgang zur Kategorie „Fachdidaktisches Wissen“ auch Textstellen aufgefallen, die zwar kein fachdidaktisches Wissen im engeren Sinne erkennen lassen, aber dennoch wichtige Aspekte von Professionalisierung berühren. Wenn diese in Kombination mit mehrperspektivisch-zyklischen Reflexionen auftreten, stellt sich die Frage, ob sie für die Inhaltsanalyse relevant gemacht werden sollen oder nicht. Dies sind dominant Aussagen, in denen es um Rollenverständnisse, das Unterrichtsklima, die Eignungsfrage, Körpersprache, Arbeit mit Jugendlichen, Lehrer*innengesundheit oder persönlichkeit geht. Die Entscheidung, diese Bereiche aus der Codierung auszuklammern, ist dadurch begründet, dass in der Inhaltsanalyse das Vorhandensein spezifisch fachdidaktischer Wissensanteile nachvollzogen werden soll und hierfür eine begriffliche Engführung notwendig erschien. Hinsichtlich des Nachweises von Reflexionskompetenz ist dies jedoch insofern problematisch, als fachdidaktisches von allgemein didaktischem Wissen und von Wissensanteilen über Professionalität nicht zu trennen ist, ebenso wie bereits der Gegenstand spezifisch fachdidaktischen Wissens je nach theoretischen Bezügen unterschiedlich eng oder weit gefasst werden kann. Die Stu-

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dierenden rekurrieren hier also durchaus auf Wissen, das für Professionalisierungsprozesse relevant ist. Der zunächst in einem Codierdurchgang erprobte Ansatz, eine Subkategorie („nicht-fachdidaktisches, aber relevantes Wissen“) zu etablieren, hat sich als nicht ergiebig erwiesen, sodass dieser Ansatz verworfen wurde. Eine solche Differenzierung hätte es zumindest möglich gemacht, Äußerungen, in denen keine Anteile deklarativen Wissens mobilisiert werden, quantitativ solchen gegenüber zu stellen, in denen dies der Fall ist – seien es nun spezifisch fachdidaktische im engeren Sinne oder eher übergeordnete allgemein didaktische Inhalte. Aus forschungsökonomischen Gründen wurde jedoch auf diese Differenzierung verzichtet. 8.2.2.2 Theoretische und hochschuldidaktische Anbindung der Kategorie „fachdidaktisches Wissen“ und ihrer Subkategorien Die Subkategorien, die durch die Abstraktion der 54 induktiven Codes etabliert wurden, werden in den folgenden Abschnitten auf ihre übergeordneten curricularen und fachdidaktischen Bezugspunkte hin dargestellt. Zunächst werden Kompetenzbegriff, Aufgabenorientierung, Curricula und Unterrichtsplanung als prioritäre Inhalte des Moduls beschrieben. In einem zweiten Schritt wird die empiriebasierte Ausdifferenzierung in Form der acht Subkategorien, die aus der induktiven Codierung abstrahiert wurden, erläutert. 8.2.2.2.1 Kompetenzbegriff Der Kompetenzbegriff unterliegt einerseits der Gestaltung des Moduls (die Studierenden sollen reflexive Handlungskompetenz erwerben), andererseits bildet er einen der inhaltlichen Schwerpunkte der spezifisch fachdidaktischen Wissensaneignung: Die Studierenden sollen das ‘Kompetenzparadigma’ als übergeordnete Rahmung schulischer Lehr-/Lernprozesse kennenlernen und reflektieren können (vgl. Abschnitt 7.3.1). Als wesentliche Elemente des Begriffs werden die aktuell dominanten Definition von Weinert (2001) sowie das Prinzip der Outputorientierung akzentuiert. Dabei wird eine Einbettung in fachunabhängige bildungspolitische Rahmungen – etwa die Entwicklung outputorientierter Bildungsstandards in Reaktion auf internationale Leis-

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tungsmessungsstudien wie PISA – einerseits, sowie in spezifisch fremdsprachendidaktische Entwicklungslinien andererseits vorgenommen: Die kommunikative und handlungsorientierte Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts seit den 1970er Jahren und der Versuch, Modelle sprachlichen Könnens hervorzubringen, die sich am „Output“ orientieren, ist nicht ausschließlich eine Reaktion auf den sogenannten „PISA-Schock“, sondern ein fremdsprachendidaktisch vorgängiges Phänomen. Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen des Europarates (2001) wurde vielmehr umgekehrt als eines der wenigen existierenden Modelle für die Entwicklung der KMK-Bildungsstandards genutzt. Ein weiterer Aspekt, der im Kontext der Kompetenzorientierung wichtig ist, ist die Diagnostik, die auch eine der zentralen Säulen der KMK-Standards (vgl. KMK 2004: 11) darstellt. Standards und Kannbeschreibungen zu sprachlichen Fertigkeiten ermöglichen nicht nur die Rahmung und Planung von Lehr-/Lernprozessen. Sie bilden auch Referenzsysteme für Evaluation und Diagnostik. Die Fähigkeit, lernersprachliche Phänomene in Anbindung an Standards genau beschreiben zu können und den Unterricht entsprechend adaptiv auszurichten, sind hierbei zentraler Inhalt der Seminardiskussion. Dazu werden im Modul exemplarische Texte und Textausschnitte zur terminologischen Einordnung des Kompetenzbegriffs bearbeitet (z.B. Weinert 2001; Klieme et al. 2007; Caspari 2009; KMK 2003). Seine Verbindung zu sprachenpolitischen Rahmentexten wie dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen des Europarates und den Kerncurricula des Landes Niedersachsen (Europarat 2001; Niedersächsisches Kultusministerium 2009 und 2011) wird erarbeitet, ebenso wie eine kritische Auseinandersetzung (z.B. DGFF 2008) angestoßen wird. 8.2.2.2.2 Aufgabenorientierung Aufgabenorientierung als Ansatz einer möglichen Konkretisierung von Kompetenzorientierung spielt in der Auseinandersetzung mit dem Konzept des task-based language learning eine Rolle für das Modul. Komplexe Lernaufgaben (vgl. Mertens 2010) können kommunikative Prozesse in der Zielsprache rahmen und steuern. Sie fokussieren stärker auf die Aushandlung

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bedeutsamer Inhalte durch die Lernenden als auf instruktives Handeln zu isolierten sprachlichen Formen. Fokussiert werden hier vor allem begriffliche Aspekte (vgl. Europarat 2001: 22; Willis 1988) sowie Beispiele für die Konstruktion von Lernaufgaben und ihrer Erforschung (z.B. Bechtel 2011; LISUM 2011). Die Konstruktion von Lernaufgaben und Beobachtungen unterrichtlicher Realisierungsmöglichkeiten stellen einen wesentlichen Aspekt des Praktikums dar, sowohl für die Microteachings als auch für den beobachteten und selbst erteilten Unterricht. 8.2.2.2.3 Curriculare Rahmentexte Zentral für die Entwicklung von Beobachtungs- und Planungskriterien für das Fachpraktikum ist die Auseinandersetzung mit den curricularen Rahmentexten (Niedersächsisches Kultusministerium 2009 und 2011; Europarat 2001). Als zentrale Inhalte können die Orientierung des Fremdsprachenunterrichts an Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität gelten sowie das Prinzip der Handlungsorientierung. Handlungsorientierung ist dabei gleichermaßen Ziel und Methode von Fremdsprachenunterricht: Über das Handeln in der Fremdsprache wird sprachliche Handlungsfähigkeit erworben (vgl. Bach/ Timm 2003: 1f.). Dabei zielt der schulische Fremdsprachenunterricht auf eine umfassende interkulturelle Handlungsfähigkeit im Sinne des Modells kommunikativer und interkultureller Kompetenz von Byram (1997), das sich sowohl im GER wiederfindet als auch den Niedersächsischen Kerncurricula, wenn auch stark verkürzt, unterliegt (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2009: 13-14). Im Modul werden die Fertigkeiten (mündliche und schriftliche Rezeption und Produktion, Interaktion) und Teilkompetenzen fremdsprachlichen Lernens in den Perspektiven von unterrichtlicher Gestaltung sowie Diagnostik akzentuiert und in aufgaben- und problemzentrierten Szenarien handlungsorientiert entwickelt. Interkulturelle Aspekte werden im Sinne einer Problematisierung der den Curricula unterliegenden Dichotomien von „Eigen- vs. Fremdkultur“ (vgl. Coste/Moore/Zarate 2009) thematisiert und durch ergänzende Texte ausdifferenziert.

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Ein weiterer Aspekt, der – aus der Problematisierung des Kompetenzparadigmas heraus – an der Schnittstelle zwischen curricularen Rahmentexten und Unterrichtsplanung liegt, ist die Frage nach Unterrichtsinhalten. Welche Texte und Medien im Französischunterricht in Verbindung mit welchen Kompetenzzielen eingesetzt werden, welche Ressourcen Lehrkräften zur Verfügung stehen, ist als Frage für die Unterrichtsdiskussion ebenso relevant wie die Anbindung einzelner Inhalte oder Texte an die philologischen und bildungswissenschaftlichen Bezugswissenschaften des Fremdsprachenunterrichts. Hier spielen prioritär literatur- und textdidaktische Fragen eine Rolle, beispielsweise bei der Arbeit mit den thematischen Dossiers für das Zentralabitur in Niedersachsen29 oder für die Auseinandersetzung mit den exemplarischen Lernaufgaben der Bildungsstandards (vgl. KMK 2004: 49f. und 2012: 244f.). 8.2.2.2.4 Unterrichtsplanung, -beobachtung und -gestaltung Der Aspekt der Unterrichtsplanung, der für das Fachpraktikum zentral ist, berücksichtigt Elemente wie Interaktion, die didaktische Transformation von Inhalten (Lehrwerkanalyse, Materialrecherche und -aufarbeitung) sowie die Frage nach einer angemessenen Strukturierung sprachlich-kultureller Lernprozesse. Für die Gestaltung der unterrichtlichen Interaktion spielen Aspekte der Lehrersprache eine Rolle, die Bereiche wie die Wahl der Unterrichtssprache(n), Feedback und den Umgang mit Fehlern berühren, aber auch übergeordnete Fragen der spezifischen Merkmale der Unterrichtsinteraktion und ihrer Unterscheidung von außerunterrichtlichen Kommunikationssituationen. Dem Bereich der Lehrersprache misst beispielsweise Wipperfürth (2009) in ihren Standards eine herausragende Bedeutung bei. Aspekte von Unterrichtsplanung werden mit der Entwicklung von Beobachtungskriterien und der möglichen Entwicklung von Handlungsalternativen verbunden. Unterrichtsplanung umfasst dabei einerseits die kohärente Integration methodischen Wissens für die Arbeit mit ausgewähltem Material. Dafür sind Ansätze (z.B. Dramapädagogik, Produktionsorientierter Literaturunterricht) und 29

Die Dossiers können unter der URL http://www.nibis.de/nibis.php?menid=8091 (letzter Zugriff am 28.3.2018) eingesehen werden.

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konkrete Unterrichtstechniken (z.B. Rollenspiele, Gruppenpuzzle etc.) Vermittlungsgegenstand. Andererseits gehen planerische Aspekte einher mit dem Prinzip der Problemantizipation: An welchen Stellen in der Unterrichtsdramaturgie könnten Probleme auftreten und wie kann im Vorfeld (durch die Vorbereitung von scaffoldings oder alternativen Aufgaben) und in der Handlungssituation selbst reagiert werden? Hier unterliegt das Prinzip der Schülerorientierung bzw. der Versuch, Unterricht „mit den Augen der Schüler“ (vgl. Abschnitt 7.1) zu sehen und das Lehrerhandeln bereits in der Planung entsprechend adaptiv zu gestalten (vgl. Tsui 2003: 271-272). 8.2.2.3 Codierregeln für die Kategorie „fachdidaktisches Wissen“ und ihrer Subkategorien sowie Ankerbeispiele In den folgenden Abschnitten wird die Kategorie „fachdidaktisches Wissen“ ausdifferenziert, und es wird beschrieben, welche Textpassagen welchen Subkategorien zugeordnet werden. Da die Subkategorien aus der Verschränkung zunächst induktiv vergebener Codes mit Kategorien, die deduktiv aus Rahmentexten und fachdidaktischer Literatur abgeleitet wurden, entstanden sind, stimmen die Subkategorien nicht deckungsgleich mit den oben ausgeführten Themen überein. Vielmehr zeigt sich in deren Ausdifferenzierung die Perspektivierung der fachdidaktischen Theorien aus dem empirischen Material heraus. In diesem Sinne wird jeweils auch die Entstehung der einzelnen Subkategorien kommentiert. 8.2.2.3.1 Die Subkategorie „Kompetenzbegriff“: Codierregeln und Ankerbeispiele Die Subkategorie „Kompetenzbegriff“ verweist auf die Kenntnis des Prinzips der Kompetenzorientierung und einiger grundlegender Elemente, die für einen kompetenzorientierten Französischunterricht relevant sind. Die Subkategorie unterscheidet sich von der ähnlichen Subkategorie „Fertigkeiten/ Kompetenzen“ durch ihre Metaperspektive: Während „Fertigkeiten/Kompetenzen“ bei Äußerungen zu konkreten Sprachlehr-/lernprozessen codiert wird, werden mit dem Code „Kompetenzbegriff“ Äußerungen zum Konzept selbst belegt.

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Empirischer Ansatz

Die Subkategorie „Kompetenzbegriff“ wird codiert, wenn...

… Begriffe wie „Kompetenzbegriff“ oder "Kompetenzorientierung“ als Fluchtpunkt von Französischunterricht thematisiert werden. Ankerbeispiel: „[…] und ich dementsprechend die Vorstellung eher vom Kerncurriculum hatte, dass es mir Themen gibt, die ich abarbeiten muss //ja//, aber ich wusste weniger, wie weit das nach so Kompetenz aufgegliedert ist //mh, okay// und was für Schwerpunkte da eher nicht thematisch, sondern eher //ja// kompetenzorientiert“ (16:13).

… einzelne Kompetenzbereiche, -skalierungen und Kannbeschreibungen thematisiert werden.

Ankerbeispiel: „[…] also NEU war auf jeden Fall für mich die Sprachmittlung, wie man die //ja// halt (..) beibringen kann //mhh//, weil bisher war halt mehr die Rede immer von den vier Kernkompetenzen //mhh, mhh// quasi, das hatten wir halt immer quasi beiläufig. Aber die Sprachmittlung, wie die halt einfließt und da dieses Wissen zur Sprachmittlung“ (11:11).

… diagnostische Probleme diskutiert werden. Ankerbeispiel: „Sie hatte mir das auch gezeigt und ‘ja, guck dir doch mal die Leistungsbewertung an’ //mhm mhm// und worauf die da achten als Lehrer und so weiter. Von daher war es für mich jetzt nichts NEUES, aber es war nochmal so eine intensive Auseinandersetzung //mhm// mit dem Kerncurriculum. (..) Ja, und man hatte da einfach die Chance, verschiedene Kompetenzen nochmal zu erläutern und AUCH im Hinblick wie man das in einem Unterrichtsentwurf //mhm// auch für das Referendariat dann mit einbauen könnte“ (8:18).

8.2.2.3.2 Die Subkategorie „Aufgabenorientierung“: Codierregeln und Ankerbeispiele Die Subkategorie „Aufgabenorientierung“ verweist auf Kenntnisse des Begriffs der Aufgabenorientierung und einiger grundlegender Elemente, die für einen aufgabenorientierten Französischunterricht relevant sind.

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Die Subkategorie „Aufgabenorientierung“ wird codiert, wenn... … der Begriff der Aufgabenorientierung explizit genannt oder beschreibend ausgeführt wird. Ankerbeispiel: „[…] quasi Arbeit mit Kompetenzrastern //ja, ja// und so an Schulen, dementsprechend fand ich da quasi, was ist eine komplexe Aufgabe und wie kreiere //ja// ich die authentisch //mhh//, was ist interessant“ (11:15).

… Elemente, die komplexen Lernaufgaben zugehörig sind, beschrieben oder diskutiert werden, wie z.B. (Teile des) task cycle, scaffolding-Maßnahmen, konkrete Arbeitsaufträge, Übungs- oder Reflexionsphasen sowie zu erstellende Texte/Produkte. Ankerbeispiel: „[…] wenn man das liest, denkt man ‘ja okay da sollen die Schüler das und das machen’, aber wenn man selber es simuliert, dann merkt man vielleicht auch ‘oh, die Aufgabe klappt nicht, (.) eine Hilfestellung wäre nötig gewesen’“ (13:6).

8.2.2.3.3 Die Subkategorie „Interaktion/Unterrichtsgespräch“: Codierregeln und Ankerbeispiele Die Subkategorie „Interaktion / Unterrichtsgespräch“ verweist auf Kenntnisse der Gestaltung eines fremdsprachlichen Unterrichtsdiskurses und berührt zahlreiche Elemente wie das generelle Prinzip der Handlungsorientierung vor dem Primat kommunikativer Ziele, den funktionalen Einsatz der Unterrichtssprache(n), Feedback sowie auch die Sprachkompetenz der Lehrkraft. Elemente von Körpersprache und Bewegung im Raum wurden ebenfalls in diese Subkategorie integriert, weil hier ein unmittelbarer Zusammenhang zu einem Verständnis von Kommunikation als ganzheitlich verstandenem sprachlichen Handeln angesetzt wird. Die Subkategorie „Interaktion/Unterrichtsgespräch“ wird codiert, wenn...

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Empirischer Ansatz

… das Prinzip der Handlungsorientierung genannt oder diskutiert wird und Elemente von Aktivierung beschrieben werden. Ankerbeispiel: „[…] wie soll man Grammatik jetzt wirklich kommunikativ beibringen //mhm mhm//. Und dann hatten wir auch ein Grammatikthema mit passé composé //mhm// und das, ja, wir haben das versucht sozusagen an den Kompetenzen ausgerichtet dann, hat die Gruppe das ja versucht umzusetzen“ (1:11).

… die Unterrichtssprache(n) bzw. das Prinzip der „funktionalen Einsprachigkeit“ thematisiert werden. Ankerbeispiel: „[…] kann ich das auch auf Französisch eine ganze Stunde Französisch gestalten //mhm//, was ja eigentlich Ziel sein sollte, //mhm mhm// die Einsprachigkeit zu fördern“ (8:14).

… die Sprachkompetenz der Lehrkraft, auch hinsichtlich Bewegung im Raum und Körpersprache thematisiert wird. Ankerbeispiel: „Zum Beispiel, da hatte ich eine Stunde im Anfangsunterricht und ich hatte mir das von vorne herein eigentlich auch vorgenommen, dass ich alles nicht nur verbal, sondern auch mit Gestik und Mimik //mhm// halt unterstreiche, und das merkt man dann eigentlich gar nicht, man macht es dann einfach nicht, wenn man noch nicht diese Routine hat, und da hat die Lehrerin mich dann halt auch darauf hingewiesen, (.) das kommt einfach mit der Zeit //ja// und die brauch[en] das einfach, die (.) Anfänger, also Sechstklässler waren das dann halt“ (1:56).

… Interaktionen im mündlichen Unterrichtsdiskurs wie Feedback und Korrekturverhalten thematisiert werden. Ankerbeispiel: „[…] es war halt konstant diese Fehlerkorrektur, ich weiß nicht warum, aber es war wirklich (.) die Interaktion ging so schnell, dass man einfach gar nicht hinterherkam quasi, abgesehen von den Bausteinen, die die Schüler (..) //ja, ja, ja// nur vorlesen mussten quasi, weil es ja eine Gerichtsverhandlung war, wo sie dann auf Französisch die Bausteine bekommen haben, die jede Partei //mhh// vorlesen muss, ging es halt SO schnell und die Ideen waren SO vielfältig,

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dass man einfach (...) wo setzt man jetzt den Schwerpunkt, also da waren wir halt insgesamt, als wir das diskutiert haben, so ‘wo setzt man den Schwerpunkt bei Korrekturen’? [...]“ (11:39).

8.2.2.3.4 Die Subkategorie „Inhalts- und Themenorientierung/Unterrichtsmaterial“: Codierregeln und Ankerbeispiele Die Subkategorie „Inhaltsorientierung, Themenorientierung und Unterrichtsmaterial“ verweist auf Kenntnisse der Inhalte und materiellen Ressourcen sowie Kriterien zu deren Auswahl. Die Subkategorie „Inhalts- und Themenorientierung / Unterrichtsmaterial“ wird codiert, wenn... … Beschaffung, Auswahl oder Transformation von Materialien beschrieben oder diskutiert, und ein Zusammenhang zu romanistischem Fachwissen (Literatur-, Sprach- und Landeswissenschaft) hergestellt wird. Ankerbeispiel: „Wenn es jetzt darum geht irgendwie Literaturarbeit, wir arbeiten heute zum Drama so und so, was ja eher in Sek II da ist. Da müsste ich schon schlucken //mhh//. Da würde mir nicht so schnell was einfallen //ja, ja//, weil da ich auch in der Uni bisher noch nicht viel zu gemacht habe“ (19:74).

8.2.2.3.5 Die Subkategorie „Schülerorientierung“: Codierregeln und Ankerbeispiele Die Subkategorie „Schülerorientierung“ verweist auf Kenntnisse des Prinzips der Schülerorientierung und die Fähigkeit, Unterricht aus der Perspektive der Lernenden zu betrachten. Die Subkategorie „Schülerorientierung“ wird codiert, wenn... … die Begriffe wie Schüleraktivität oder -orientierung aufgerufen oder diskutiert werden und dabei der Versuch formuliert wird, sich in die Schüler hineinzuversetzen.

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Empirischer Ansatz

Ankerbeispiel: „[…] das dann nochmal REFLEKTIERT und auch GUCKT, in welchem Stil und in welcher Gewissenhaftigkeit die Kinder arbeiten und bei uns geht Schreiben in der Fremdsprache ja fast automatisch //ja// und da [bei den Schüler*innen; B.S.] laufen ja unheimlich komplexe Prozesse ab //mhm//, die alle berücksichtigt werden müssen“ (7:32).

… Interaktionen beschrieben werden, die sich auf das Vorwissen der Schüler oder Feedback beziehen. Ankerbeispiel: „[…] damit habe ich mich dann viel befasst und das dann auch wirklich versucht, systematisch in dem Praktikum irgendwie //mh, mh// einzubinden, weil ich dann einfach die Schüler auch gefragt habe, ‘Was interessiert euch, was macht ihr in anderen Fächern?’“ (17:40).

8.2.2.3.6 Die Subkategorie „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“: Codierregeln und Ankerbeispiele Die Subkategorie „Stimmigkeit Unterrichtsplanung“ verweist auf Elemente von Unterrichtsplanung und -dramaturgie sowie Versuche von Problemantizipation. Die Subkategorie „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung wird codiert, wenn... … Elemente von Unterrichtsentwürfen und Probleme der Unterrichtsplanung und -dramaturgie genannt oder diskutiert werden, wie beispielsweise das Zeitmanagement, Gelenkstellen oder die Gestaltung von Materialien und Unterrichtsmedien. Ankerbeispiele: „Also ich fand das schon echt hilfreich, besonders halt auch diese Zeitvorgabe, wieviel Minuten man was macht, //ahja// weil das ja auch immer sehr wichtig ist“ (4:5).

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8.2.2.3.7 Die Subkategorie „Methodenkenntnis“: Codierregeln und Ankerbeispiele Die Subkategorie „Methodenkenntnis“ wird codiert, wenn der Einsatz unterrichtlicher Verfahren und Techniken, Methoden, Strategien oder Sozialformen beschrieben wird30. Die Subkategorie „Methodenkenntnis“ wird codiert, wenn… … konkrete Methoden, Sozialformen oder Aktivitäten zur Steuerung sprachlicher Lernprozesse genannt oder diskutiert werden (z.B. Stationenlernen, Gruppenpuzzle, dramapädagogische Verfahren). Ankerbeispiel: „[…] ja eben den Fokus auf den Schüler und wie dann die meinetwegen Aktivitäten durchgeführt werden können, da sind Beispiele, also beim Leseverstehen jetzt, wie pré-lecture und dann pendant und dann après“ (12:15).

8.2.2.3.8 Die Subkategorie „Fertigkeiten/Kompetenzen“: Codierregeln und Ankerbeispiele Die Subkategorie „Fertigkeiten und Kompetenzen“ verweist auf Kenntnisse und Diskussion der für sprachliches Lernen relevanten Kompetenzbereiche und Fertigkeiten. Die Subkategorie „Fertigkeiten/Kompetenzen“ wird codiert, wenn... … Kompetenzbereiche, sprachliche Fertigkeiten sowie die Vermittlung sprachlicher Mittel genannt und diskutiert werden. Ankerbeispiel: „Interkulturelle Kompetenz wurde natürlich ganz selten angewandt, //mhm// genauso wie (...) Sprachmittlung war auch eher weniger //ahja//, aber viel wurde natürlich Grammatikarbeit

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Tatsächlich gibt es Überschneidungen zwischen „Stimmigkeit“ und „Methodenkenntnis“, z.B. „Methodenwechsel“ als Element in „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ oder Sozialformen, die mal unter „Methodenkenntnis“, mal unter „Stimmigkeit“ codiert wurden.

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Empirischer Ansatz

gemacht, das ist ja auch ganz typisch, glaube ich. //mhm// Ja, das war so das und das Mündliche kam auch oft einfach zu wenig“ (5:19).

8.3 Durchführung und Probleme der Codierung für die Qualitative Inhaltsanalyse Die folgenden Abschnitte erläutern und problematisieren den Codiervorgang, der die Basis der Inhaltsanalyse bildet. Es wird zunächst der Codiervorgang in seinem Ablauf zusammengefasst, bevor auf Probleme wie die Trennschärfe einzelner Kategorien und die Gesprächsdynamik eingegangen wird. 8.3.1 Übersicht zu Kategoriensystem und Codiervorgang Das Kategoriensystem lässt sich zusammenfassen wie in Abb. 4 gezeigt: 1. Reflexivität mehrperspektiv-zyklische Reflexion VERSUS einperspektivisch-lineare Reflexion 2. Fachdidaktisches Wissen fachdidaktisches Wissen abwesend VERSUS fachdidaktisches Wissen anwesend 3. Anwesendes fachdidaktisches Wissen spontan VERSUS anwesendes fachdidaktisches Wissen auf Nachfrage Abb. 4: Kategoriensystem und Codierablauf

Die Codierung folgt für alle untersuchten Interviewpassagen einer Chronologie, welche die Identifikation reflexiver Handlungskompetenz über die Zuordnung voneinander zum Teil abhängiger Subkategorien ermöglicht: Im ersten Schritt wird für jede Codiereinheit (Textpassage im Interview) entschieden, ob in ihr mehrperspektivisch-zyklisch oder einperspektivisch-linear reflektiert wird. In einem zweiten Schritt wird entschieden, ob die Reflexion Anteile fachdidaktischen Wissens enthält. Wenn hier „anwesend“ codiert wird, wird erneut differenziert nach dem Modus der Mobilisierung des Wissens: „spontan“ oder „auf Nachfrage“. Diese Chronologie ermöglicht eine Identifikation der Aussagen, in denen reflexive Handlungskompetenz erkennbar ist. Hierfür muss gegeben sein: die Codierung als „mehrperspektivisch-

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zyklisch“ reflektierend sowie gleichzeitig die Codierung „fachdidaktisches Wissen anwesend“. Keinen Hinweis auf reflexive Handlungskompetenz beinhalten hingegen Textstellen, in denen zwar mehrperspektivisch-zyklisch reflektiert, aber kein fachdidaktisches Wissen mobilisiert wird, ebenso wie einperspektivisch-lineare Reflexionen. Unter diesem Vorgehen erhält jedes Coding (mindestens) zwei Zuordnungen: eine zur Reflexivität, sowie eine oder mehrere zum fachdidaktischen Wissen, wenn mehrere Aspekte fachdidaktischen Wissens erkennbar werden. Vor dieser Hierarchisierung findet eine deutliche Reduktion des Materials statt, sehr viele Passagen wurden überhaupt nicht codiert. 8.3.2 Probleme bei der Codierung: Kritische Reflexion der Trennschärfe einzelner Codes und der Gesprächsdynamik Im Codiervorgang entstanden einige Probleme, die an dieser Stelle offengelegt werden sollen. Erstens das Problem der genauen Trennschärfe der beiden Subkategorien von Reflexivität („einperspektivisch-linear“ versus „mehrperspektivisch-zyklisch“) sowie zweitens – unmittelbar zu diesem Problem beitragend – die Gesprächsdynamik der Interviews, und hierbei insbesondere die Nachfragetechnik. Für beide Probleme werden im Folgenden Beispiele angeführt und diskutiert. 8.3.2.1 Mangelnde Trennschärfe der Subkategorien von Reflexivität Ein auffälliges und sich wiederholendes Problem erschwerte die Codierung der Subkategorien von Reflexivität: Mehrperspektivität und zyklisches Reflektieren waren im Codiervorgang eindeutiger zu identifizieren als einperspektivisch-lineare Reflexionen. Dabei fiel auf, dass sich in den entsprechenden Textstellen häufig Hinweise fanden, die gegebenenfalls doch auf Mehrperspektivität verweisen könnten. Hierzu ist im Codiervorgang aufgefallen, dass an einigen Stellen zunächst als einperspektivisch-linear codierte Textpassagen im größeren Kontext relativiert und durch mehrperspektivische Reflexionen differenziert wurden. Demnach wurde die Zuordnung als stark gebunden an die der Analyse zugrunde liegenden Textausschnitte erkannt. In Reaktion auf dieses Problem wurden ausgewählte, längere Interviewpassagen in Ergänzung zur im Rückblick eher groben Systematisierung des empirischen

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Empirischer Ansatz

Materials Detailanalysen unterzogen, die sich ein Stückweit von den Kategorien lösen und somit weitere Interpretationen von Reflexivität vornehmen, die auch für Anschlussarbeiten relevant werden können (vgl. Abschnitte 9.3 und 12). Einige kommentierte Codings sollen das Problem exemplarisch verdeutlichen und Entscheidungen für die Codierungen nachvollziehbar machen. Im ersten Beispiel äußert sich TN15 über ihre Lernerbiographie und thematisiert dabei die Anpassung an sich veränderte äußere Anforderungen (durch Lehrpersonen oder Curricula): „Und es ist auch gut, wenn man, wenn man dann schon damit anfängt ‘ah, das sind die Vorgaben JETZT für dieses Modul’ //dieses eine, genau, genau// für diesen Dozenten, ähm und man lernt das einfach dann mal so zu machen //ja, ja// nach diesen Kriterien. Ähm, denn später, auch da muss man ja langfristig denken, man entwickelt so eine eigene Lehrerpersönlichkeit //mhh// finde ich, auch so einen eigenen Geschmack und man lernt auch, ‘wie kann ich dann damit gut umgehen, was ist denn da sinnvoll für mich’ //ja//. Und dann meinen eigenen Unterrichtsentwurf //mhh// schreibe ich immer nur das auf, was ich //ja// auch sinnvoll finde“ (15:17).

Die Textstelle sollte zunächst „einperspektivisch-linear“ codiert werden, weil die Ausrichtung des Handelns an formalen Vorgaben dominant ist („für diesen Dozenten“). Gleichzeitig verweisen die Formulierungen „eigene Lehrerpersönlichkeit“ und „was ist sinnvoll für mich?“ auf eine selektive Adaptivität, was wiederum als zyklisches, sich immer wieder veränderndes Vorgehen im Umgang mit den Rahmentexten oder anderen ‘Außenanforderungen’ interpretiert werden kann. In der Annahme, dass die Vorgaben durch Curricula und individuelle Schwerpunkte der Dozent*innen nicht unreflektiert „umgesetzt“, sondern mit den Kriterien eigenen „Sinnempfindens“ abgeglichen werden, wurde die Passage schließlich doch als „mehrperspektivisch-zyklisch“ codiert. Ein zweites Beispiel bezieht sich ebenfalls auf die mangelnde Trennschärfe der Subkategorien von Reflexivität. TN6 beschreibt ihren Umgang mit dem Feedback durch die betreuenden Lehrkräfte während des Praktikums:

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„Auch das finde ich ‘sehr förderlich’, weil ich bestimmt nicht immer mit allem einverstanden bin //ja//, aber, ja, dass auch für mich eine wichtige Erkenntnis war, dass, ja, dass ich Kritik bekomme, die ich aber nicht annehmen muss und die TROTZdem hilfreich sein kann //mhm//, weil ich begründe mein Vorhaben dann anders und so ist das für mich in Ordnung, und ich fand es aber trotzdem sehr hilfreich (.), Rückmeldung zu bekommen, auch ja eine andere Perspektive nochmal zu bekommen“ (6:41).

Auch hier ergibt sich eine Uneindeutigkeit, die aus dem mangelnden Kontext (um welche Situation ging es genau, welches Feedback genau wurde oder wird nicht angenommen?) resultiert: Wegen der Gegenüberstellung zweier unterschiedlicher Perspektiven wurde die Passage als mehrperspektivischzyklische Reflexion codiert. In dem Moment jedoch, wo die Ablehnung und Nicht-Übernahme der Perspektive der Lehrkraft gegebenenfalls dazu dient, biographisch eingeschliffene Routinen oder Fehlvorstellungen unkritisch aufrecht erhalten zu können, würde der Kommentar, Feedback nicht annehmen zu müssen, stärker auf eine einperspektivisch-lineare Reflexion verweisen. Da dies im übergeordneten Kontext des Interviews jedoch wenig plausibel erscheint, wurde die Codierung „mehrperspektivisch-zyklisch“ gewählt. Die Entscheidung, eine uneindeutige Passage im Kontext des Gesamttextes zu bewerten, verweist auf das Problem des Lektürehorizonts, welcher die Auswertung bestimmt, das weiter unten diskutiert wird. In der folgenden Passage tritt das Problem der Priorisierung gegenläufiger Indikatoren in einer Textpassage für die Codierung hervor. Im folgenden Beispiel wird die Arbeit mit dem Kerncurriculum ambivalent beschrieben: „Also ich fand es immer sehr sinnvoll, wenn wir (..) Unterrichtsbeispiele hatten oder ja, so einen Unterrichtsentwurf und dann das Kerncurriculum genommen haben und dann vielleicht auch etwas abgeglichen haben oder eben dann die Punkte gesucht haben, das habe ich bei meinen Hausarbeiten dann auch gemacht (.), immer eben auf die Seiten verwiesen, wo das steht und wo man nochmal nachlesen kann, wo vielleicht noch konkretere Punkte dazu sind //mhm//. Ja, um sich so selbst abzusichern als zukünftige Lehrkraft oder als Lehrkraft, dass man eben das so macht“ (12:17).

Hier sind Linearität im Sinne eines bruchlos angenommenen Anwendungsbegriffs und eine instrumentelle Orientierung (Hausarbeit) sowie ein stark

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Empirischer Ansatz

normatives Verständnis von Lehrerhandeln erkennbar. Es liegen also drei Indikatoren für die Codierung der Passage als einperspektivisch-linear reflektierend vor. Gleichzeigt lässt das Vorgehen jedoch eine Systematik erkennen, deren Ziel in der Fruchtbarmachung verschiedener Perspektiven bei der Begründung unterrichtlichen Handelns besteht. Hier ist insofern eine Grenze möglicher Eindeutigkeit bei der Codierung erreicht, als aus den Interviews selbst nicht hergeleitet werden kann, ob dieser Versuch gelungen ist (das Problem stellt sich ähnlich für den oben beschriebenen Fall der (nicht begründeten) Ablehnung von Feedback). Hier müssten interviewexterne Faktoren hinzugezogen werden, die aber aus forschungsökonomischen Gründen bewusst ausgespart bleiben. Eine andere Textstelle wurde als „mehrperspektivisch-zyklisch“ codiert, obwohl über das gesamte Interview hinweg eine deutlich wahrnehmbare Orientierung an Prüfungsanforderungen und „äußerer“ Motivation vorliegt. TN8 beschreibt den Wunsch nach mehr Einübung in die Praxis hinsichtlich der Erfordernisse des Referendariats, auf das man nicht unvorbereitet „losgelassen“ werden solle. Hier wird jedoch gleichzeitig das Reflexionskriterium der Reaktion auf die Lerngruppe genannt, dessen Berücksichtigung als prüfungsorientiertes „Müssen“ beschrieben wird und weniger als eigene überzeugte Entscheidung. Hier stellt sich die Frage, ob eine der fachdidaktischen Norm entsprechende Motivation – hier die Ausrichtung der Planung an der Reflexion zur Lerngruppe – allein durch ihre Verknüpfung mit der äußeren Anforderung zur einperspektivischen Reflexion wird: Wird der Entwurf aus der Überzeugung heraus an die Lerngruppe angepasst, dass auf diese Weise bessere Lernprozesse initiiert werden können oder aber aus dem Wissen, dass durch diese Art der Ausrichtung den Prüfungsanforderungen des Referendariats genügt wird? „[…] weil sonst wird man ja auf das Referendariat losgelassen und muss dann damit klarkommen //mhm mhm// und hat vorher keine Grundlagen erhalten. (.) Ich finde das sehr wichtig, weil es ja auch eine GROßE Rolle im Referendariat spielt, und man MUSS sich ja in dem Unterrichtsentwurf auch selber reflektieren und schauen, wie ist die Lerngruppe //mhm// und wie reagiere ich dann darauf, auf die äußeren Umstände zum Beispiel?“ (8:22).

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Die Passage wurde „mehrperspektivisch-zyklisch“ codiert, weil anzunehmen ist, dass TN8 Selbstreflexion im dialogischen Abgleich mit den Reaktionen der Schüler*innen und äußeren Umständen auch intrinsisch motiviert in ihr Handeln integriert. Unabhängig von der Frage nach der Motivation – deren Beantwortung mit dem hier gewählten methodischen Ansatz nicht möglich ist – ist dennoch das Begründungsschema aufschlussreich: TN8 beschreibt ein planerisches und reflexives Vorgehen vor dem Fluchtpunkt äußerer Anforderungen, und distanziert das Vorgehen damit von seiner ebenfalls möglichen unterrichtsimmanenten Begründung. Unabhängig von ihrer tatsächlichen Intention mag hier die Art der Versprachlichung allein bereits Hinweise zur Codierung geben. Eine Ausrichtung an als zwingend wahrgenommenen Anforderungen, die allerdings kritisiert wird, findet sich in einer Passage, in der die Studentin die Anforderungen des Referendariats mit ihrer Beurteilung der fachdidaktischen Inhalte des Universitätsstudiums abgleicht: „was man da schon alles können muss“. Auf meine Nachfrage hin, ob sie tatsächlich glaube, dass dies die Erwartungen im Referendariat seien, antwortet sie: „Ja, das frage ich mich auch. Also, ich hoffe eigentlich eher nicht, aber, wenn ich höre, dass ich von Anfang an eigenverantwortlichen Unterricht habe, dann müsste ich es auch schon von Anfang an kennen //mhm//. Also so ein bisschen zwiegespalten irgendwie“ (2:39).

Die Passage wurde als mehrperspektivsch-zyklisch reflektierend codiert, weil sie den Bruch beschreibt, der sich zwischen (unterstellten) äußeren Anforderungen, die eine lineare Orientierung notwendig machen, einerseits und der ‘eigentlichen’ eigenen Orientierung andererseits zeigt. Die Studierenden beschreiben sich an manchen Stellen als innovativer und experimentierfreudiger, als sie es dem, was in der Schulrealität (konkret im Referendariat) vermeintlich ‘verlangt’ wird, zuschreiben. Dies wird bei der oben zitierten TN2 besonders deutlich, wenn sie ihre positive Bewertung des Praktikums in Abgrenzung an die Anforderungen des Referendariats beschreibt: „[...] das ist mir auch nochmal klar geworden, dass das jetzt meine letzte Chance ist irgendwie erstmal noch etwas zu machen, auch wenn es falsch ist. Das ist dann nicht so schlimm“ (2:184).

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Empirischer Ansatz

In den geschilderten ambivalenten Fällen wurde auch der Kontext im Interview für die Codierentscheidung hinzugezogen, aus dem die ‘innere Plausibilität’ des Gesamteindrucks hergeleitet wurde. Hier wird allerdings auch deutlich, dass die angesetzten Indikatoren eine eindeutige Zuordnung in einigen Fällen nicht erlauben, beziehungsweise der Diskussion in einer Gruppe mehrerer Codierer*innen bedurft hätten (vgl. Abschnitt 8.1.1). 8.3.2.2 Nachfragetechnik: Probleme der Gesprächsdynamik Auch die Gesprächsdynamik wirft die Frage nach der Eindeutigkeit einzelner Codierentscheidungen auf. Dies betrifft vor allem das Nachfrageverhalten der Interviewerin. Eine typische Bewegung im Gesprächsverlauf ist ein Dreischritt, bei dem von einer Interviewpartner*in zunächst eine allgemein-wertende Aussage gemacht wird, die häufig als „einperspektivisch-linear“ codiert wird oder keine Anteile fachdidaktischen Wissens enthält. Auf Nachfrage hin konkretisiert sich diese Aussage jedoch so derart, dass „mehrperspektivschzyklische“ Reflexionen entstehen. Die Nachfrage hat also unmittelbaren Einfluss auf die Art der Reflexivität und ihre Hervorbringung. Vermutet wird hierbei ein Zusammenhang zwischen der Gesprächsanlage (vgl. Abschnitt 8.1.2 und Leitfaden in Anhang 1) im Ganzen, die primär auf Wertungen und Begründungen zielt und damit nicht unmittelbar Konkretisierungen einfordert, und der Erkennbarkeit von reflexiver Handlungskompetenz. Zwei Beispiele sollen dieses Problem illustrieren. Im einen Fall wird durch die Nachfrage ein Wechsel von „einperspektivisch-linear“ zu „mehrperspektivisch-zyklisch“ vollzogen, im anderen Fall wird eine vorher abstrakte Reflexion durch den Aufruf fachdidaktischen Wissens in Reaktion auf die Nachfrage konkretisiert: „TN18: [...] Ähm, aber ich finde eigentlich, dass man diese theoretischen Hintergründe erstmal (.) BRAUCHT, um selber dann auch (.) Unterricht planen zu können. Also, wenn ich jetzt keinen Text über die Aufgabenorientierung zum Beispiel gelesen hätte //mhh, mhh//, dann wüsste ich ja gar nicht, was ich in der Praxis umsetzen könnte //mhh, mhh//. Also finde ich das eigentlich schon wichtig, dass man erstmal (..) ja, theoretische didaktische Texte bekommt, um halt auch Anregungen zu bekommen //ja, ja, okay//.

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I: Können Sie sich da noch an irgendwas (.) erinnern, was (.), ja, Ihnen besonders viele Ideen gegeben hat, oder wo Sie besonders drüber nachgedacht haben, oder vielleicht was auch dann im Praktikum selbst noch (.) sozusagen wieder hochkam? TN18: (..) Jetzt zur Aufgabenorientierung haben wir Texte gelesen //mhh// und dann auch zum task-cycle //ja//. Ähm, da habe ich mir dann öfter Gedanken drüber gemacht, wie könnte ich das denn jetzt auch umsetzen //mhh, mhh//. Es war dann, also (..) da hatten wir öfter etwas, wie kann Unterricht aufgabenorientiert gestaltet werden. In der Praxis war das aber dann schwierig, dass jetzt so //ja// umzusetzen, weil ich dachte ‘okay, wie kommen wir jetzt aus diesem (..) sonst so schulischem Kontext //mhh// immer dieses gleiche Schema raus und sagen jetzt okay wir planen jetzt einen Kinoausflug //mhh, mhh// und dafür haben wir jetzt Realien und benötigen //ja, ja// das’. Also das war dann (.) schwierig, das so im Alltag dann doch so umzusetzen“ (18:29-30).

Hier wurde die erste Äußerung von TN18 als einperspektivisch-linear reflektierend codiert, der Begriff des „Umsetzens“ verweist auf die Annahme der bruchlosen Anwendung von Theorie auf die Praxissituation. Die Erzählung, die sich an meine Nachfrage anschließt, schildert aber einen konkreten Versuch der Umsetzung und entwickelt die Erkenntnis, dass (und warum) die Umsetzung „im Alltag“ doch problematisch ist, sodass die zweite Textstelle als „mehrperspektivisch-zyklisch“ codiert wurde. Im zweiten Beispiel äußert sich TN16 zum Microteaching. Die Passage zeigt, wie durch die Nachfrage fachdidaktisches Wissen aktiviert und versprachlicht wird, das in der abstrakten ersten Äußerung ungenannt bleibt. Als reflexiv handlungskompetent kann also erst die zweite Textstelle gelten, weil nur hier mehrperspektivisch-zyklisches Reflektieren in Kombination mit der Mobilisierung fachdidaktischen Wissens erkennbar ist: „TN16: [...] Also ich persönlich fand es ‘sehr förderlich’ //mhh// also denn einerseits wurde man auch wirklich damit konfrontiert, dass man den Unterrichtsentwurf einmal schreiben sollte. Und man hat natürlich dann auch in der (..) simulierten Praxis dann gemerkt, wo gewisse Haken sind, die man vielleicht nicht gemerkt hätte, wenn man es nur auf dem Papier reflektiert hätte //ja, ja//. Das waren dann einfach gewisse Konfliktpunkte, die einem dann erst innerhalb der Simulation dann aufgefallen sind. I: Mh, mh. Können Sie sich da noch an irgendeinen (.) Punkt erinnern, der da (.) praktisch diesen Mehrwert des Tuns (.) gezeigt hat?

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TN16: Ähm, so konkret, weiß ich jetzt nicht, also wir waren ja in der Grammatikgruppe (.) und ich glaube, aber das (.) ist dann aber wahrscheinlich eher aus der Nachbesprechung noch hervorgegangen, dass bei uns einmal an einer Stelle so ein Bruch drin war und //mhh// dass TN14, also die bei uns dann das (.) simuliert hat, dann an einer Stelle einmal da stand und dann gemerkt hat ‘okay, egal wie ich jetzt weitermache, ich mache jetzt hier einen Cut’ und das ist uns //ja// in der Reflexion auf dem Papier nicht aufgefallen“ (16:4-6).

Ein drittes Beispiel zeigt eine „verpasste Nachfrage“ wobei die Studentin in ihrer Äußerung Hinweise auf Konkretisierungen formuliert, die eine andere Interviewführung als Nachfrageanlass nutzen könnte: „Denn wenn ich ganz ehrlich bin, über das Praktikum sind ZWEI (.) von diesen richtig richtig großen Aktenordnern entstanden, ja, die, solche Riesendinger da //äh//. Die stehen jetzt bei mir zu Hause rum und //ja//, wenn ich das durchblättere, da hängen ganz viele Erinnerungen dran. Ich erinnere mich konkret noch an genaue Unterrichtssituationen //mhh, mhh// und auch an das, was Schüler gesagt haben und so weiter“ (19:23).

Die Ausführungen gehen in eine andere Richtung weiter und als Interviewerin komme ich am Ende der Äußerung nicht nochmal auf diese „Erinnerungen“ zu sprechen, sondern gehe direkt zur Bewertung des nächsten Elements über, statt die von der Interviewten selbst eingebrachte Erinnerung – die vermutlich reflexive Episoden enthalten würde – ausführen zu lassen. 8.3.2.3 Codiereinheiten als Problem Die Beispiele zur Trennschärfe der Subkategorien sowie zur Gesprächsdynamik verweisen auf zwei Probleme, die vor der Auswertung der Interviews nicht ausreichend bedacht wurden: Je isolierter und kürzer ein Coding ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, die Aussage als „einperspektivischlinear“ wahrzunehmen, während längere Passagen, die auch Reaktionen auf Rückfragen beinhalten, häufig relativierende, ausführende und konkretisierende Darstellungen beinhalten, die eine Codierung unter „mehrperspektivisch-zyklisch“ nahelegen. Das Problem, das hierdurch entsteht, berührt die Frage, was als Codiereinheit (als kleinster Textbestandteil, dem eine Kategorie zugeordnet werden kann) und was als Kontexteinheit, d.h. als maximaler Textbestandteil, dem eine Kategorie zugeordnet werden kann, gelten

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mag (vgl. Kuckartz 2012: 46f.): Verschiedene Codiereinheiten innerhalb einer Kontexteinheit können unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden, die nicht deckungsgleich mit der (übergeordneten) Kategorisierung der Kontexteinheit sein müssen. Hier wurde entschieden, dass eine Aussage zwischen zwei Beiträgen durch die Interviewerin als zu codierende Einheit angesetzt wird. Längere Gesprächsverläufe können sich also untergliedern in ungleich verteilte Codierungen als „einperspektivisch-linear“ und „mehrperspektivisch-zyklisch“, wie das Beispiel von TN18 gezeigt hat. Diese Beobachtung deckt sich mit den Kommentaren, die Hatton/Smith (1995) zu ihrem Material machen: Hier stellen sie auch Mischformen verschiedener Reflexionsebenen fest und beschreiben das Phänomen, dass längere deskriptive Passagen in dialogische Reflexionen münden (vgl. Hatton/ Smith 1995: 41), wobei hier nicht Interviews beschrieben werden, sondern schriftliche Texte der Studierenden: „Within the essays, students would often begin with a unit of descriptive reflection which then led on to dialogic reflection“ (Hatton / Smith 1995: 41). Die Differenz des Modus ist hier insofern interessant, als oben die Entstehung dialogischer – also mehrperspektivisch-zyklischer – Reflexion mit der Interaktionssituation und Gesprächsdynamik erklärt worden war, während sie bei den schriftlichen Texten im Datenkorpus von Hatton/Smith unabhängig von einer solchen Dynamik entsteht. Für die Quantifizierung der Codings erscheint die Entscheidung für kurze Codiereinheiten insofern vorteilhaft, als durch die auf diese Weise entstehende Menge von Codings eine höhere Validität der quantitativen Tendenzen, die aus dem Material hergeleitet werden sollen, entstehen kann. Gleichzeitig wird gerade in quantitativer Hinsicht ein anderer Aspekt problematisch: Das Nachfrageverhalten der Interviewerin ist nicht an allen Stellen gleichermaßen konsistent. Zwar wird in sehr vielen Fällen nachgefragt und um Beispiele und Konkretisierungen gebeten; dennoch ist dieses Nachfrageverhalten nicht formal zwingend im Leitfaden angesetzt, sodass es durchaus auch Passagen gibt, die Konkretisierungen vermuten lassen, bei denen aber keine Nachfrage formuliert wurde. Diese mangelnde Stringenz der Interviewführung gegenüber einem noch stärker standardisierten Interviewablauf, bei

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dem die konkretisierende Nachfrage zwingend eingebaut wäre, bedingt gegebenenfalls quantitative Verzerrungen. Hier gerät der Anspruch, eine möglichst natürliche Gesprächssituation entstehen zu lassen, mit einer stark auf Quantifizierung ausgerichteten, damit aber auch im Ablauf starren Interviewführung in Konflikt. Im Abschnitt 9.3 soll als Konsequenz aus dieser Problematik auf Passagen eingegangen werden, die mehrere Codiereinheiten umfassen und in ihrer Gesamtheit, gerade durch ihre besondere Entwicklung im Gespräch, einen Mehrwert für den Nachvollzug reflexiver Handlungskompetenz zu haben scheinen. Diese Passagen werden „narrativ“ genannt und zeichnen sich gerade durch die Verschränkung thematischer Codes in einer besonderen Art der Versprachlichung aus. Kohler-Riessmanns Ansatz der narrativen Analyse im Kontext ethnographischer Forschung (vgl. Kohler-Riessmann 1993) ist aus einer ähnlichen Beobachtung hervorgegangen: Bei der Arbeit mit inhaltsanalytischen Methoden ist ihr aufgefallen, dass die Isolierung thematischer Elemente zu Codierproblemen führt. Inhaltsanalysen fragmentieren den Text häufig in thematische Einheiten, die somit dekontextualisiert werden (Kohler-Riessmann 1993: 3). Damit ermöglichen sie einerseits kategoriengeleitete Systematisierungen und Quantifizierungen. Andererseits führen diese jedoch selbst wieder zu einer Vereinfachung der Interpretation, die der Komplexität prozeduraler Reflexionsprozesse nicht gerecht werden kann. Dabei wird durch die Trennung der Einheiten eine thematische Zuordnung erschwert: „[…] I searched the texts for common thematic elements. But some individuals knitted together several themes into long accounts that had coherence and sequence, defying easy categorization“ (Kohler-Riessmann 1993: vi). Ward/McCotter (2004) sprechen dieses Problem ebenfalls an: Auch weit voneinander entfernte Textstellen können Interdependenzen und rückbezügliche Wiederaufnahmen bereits erwähnter Ereignisse oder Situationen zeigen, die erst in ihrem Zusammenspiel, nicht aber isoliert für sich gesehen, eine kompetente Reflexion ausmachen, durch die inhaltsanalytische ‘Isolierung’ von Codiereinheiten jedoch nicht erkannt werden. Ward/McCotter bringen dies unmittelbar mit dem zyklischen Charakter zahlreicher Definitionen von Reflexion in Zusammenhang: „reflection is situated in practice, is

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cyclic in nature, and makes use of multiple perspectives“ (Ward/Cotter 2004: 245). Hier ist bereits impliziert, dass auch der Nachweis kompetenter Reflexion von der Identifizierung reflexiver Rückschlaufen, textinterner Bezüge und Kohärenzkonstruktionen abhängt. Ein alternativer methodischer Zugriff hätten hier stärker sequentiell (z.B. Nohl 32009) oder narrativ (z.B. Kohler-Riessmann 1993) orientierte Herangehensweisen sein können, die jedoch auch mit einem veränderten unterliegenden Erkenntnisinteresse einhergehen und mit dem Anspruch der Identifikation reflexiver Handlungskompetenz über ein deduktives Kategoriensystem nicht kompatibel sind (vgl. hierzu Abschnitt 12.3). 8.3.2.4 Probleme bei der Codierung fachdidaktischen Wissens Als problematisch wurden auch manche Codierungen von fachdidaktischen Wissensanteilen wahrgenommen. Dabei wurde im Codiervorgang beobachtet, dass die Art der Versprachlichung von Wissen, gerade weil dieses nicht unbedingt an Begriffen und explizierbarer Fachsystematik entlang geschieht, nicht immer als solches und in gleicher Weise erkennbar ist. Die Transformation des Wissens vor den Praxiserfahrungen zeigt verschiedene Ebenen der Explizitheit von Wissen (Was wird beispielsweise begrifflich benannt oder wo werden fachdidaktische Prinzipien in Handlungsbeschreibungen erkennbar, ohne dass diese explizit benannt werden?). Die Thematisierung der Wissensinhalte ist sehr heterogen und vollzieht sich in verschiedenen Arten der Systematisierung von Wissen: Auf der einen Seite finden sich episodische Passagen zu Unterrichtsbeobachtungen oder -handlungen, in denen einzelne Fertigkeiten ausführlich reflektiert werden (z.B. 2:112, die Passage wird in Abschnitt 9.3.2.3 kommentiert). Auf der anderen Seite beschränkt sich die Thematisierung von Fertigkeiten und Teilkompetenzen in zahlreichen Fällen – übrigens auch in Passagen, die als mehrperspektivisch-zyklisch reflektierend codiert wurden – auf die isolierte Nennung fachterminologischer Schlagwörter. In mehreren Passagen werden „verschiedene Kompetenzen“ angesprochen, die aber nicht näher spezifiziert oder kontextualisiert werden, sondern eher Aufzählungen gleichen: Einige Beispiele werden im Folgenden kurz kommentiert.

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„Ja, es gab halt für alle, für alle Bereiche, Methodik, also für Lesen, Schreiben, Hören (..) Reden, für Klassenführung, für UnterrichtsPLAnung auch, ja also ist natürlich nicht sehr KONKRET [...]“ (1:72). „Dass man das Kerncurriculum kennenlernt, die Rahmentexte oder auch die Kannbeschreibungen. Dass man wirklich über diese ganzen Kompetenzen, die es gibt, spricht und ich finde gerade, ich studiere noch Sport als zweites Fach (.) da ist das irgendwie so ein bisschen übersichtlicher oder einfacher, habe ich manchmal das Gefühl, alles noch, gerade mit den ganzen Kompetenzen, die es so gibt (lachen)“ (2:167).

Die Terminologie ist hier kaum transformiert, vielmehr verweisen Interviewpassagen wie die oben zitierten auf einen Aneignungsprozess deklarativer Wissensanteile, derer sich über ihre Nennung vergewissert wird, die aber nicht konkretisierend in die Beschreibung planerischer oder beobachtender Erfahrung im Praktikum eingehen. Andere Passagen hingegen sind terminologisch stark alltagssprachlich geprägt, lassen aber fachdidaktische Prinzipien erkennen, die einen Fluchtpunkt bei der Reflexion darstellen, ohne dass dieser explizit genannt würde (z.B. die Passage zu Schülerorientierung bei 13:38f; vgl. Abschnitt 9.3.2.2). Die Studierenden haben von zahlreichen Prinzipien gehört, manche Begriffe sind auch theoretisch ‘verfügbar’, das heißt, sie werden als Reaktion auf reflexive Fragen angesprochen. Sie bleiben aber – ganz im Sinne der Brommeschen Feststellung, dass Anfänger*innen viel wissen aber wenig können (vgl. Bromme 2004: 34) – entkoppelt von konkreten Erfahrungskontexten und erscheinen in den Interviews als lediglich „träges Wissen“ (vgl. Neuweg 2007 und Abschnitt 2.2). 8.3.2.5 Neue Kontexte, neue Codierungen? Probleme des hermeneutischen Prozesses Während des Auswertungsprozesses wurden einige Codierungen rückblickend in Frage gestellt. In Auswertungskontexten oder Detailanalysen, die eine Textpassage unter einem bestimmten Blickwinkel stärker isoliert bearbeiten, sind Details aufgefallen, die bei der ersten – auch vom Gesamteindruck eines Interviews abhängigen – Codierung nicht beachtet wurden. Die Codierungen wurden nachträglich jedoch nicht mehr ergänzt oder adaptiert,

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es handelt sich auch um so wenige Fälle, dass die grundsätzlichen quantitativen Tendenzen sich durch neue Codierungen nicht verändern würden. Einige Fälle seien hier dennoch exemplarisch beschrieben, um das unterliegende Problem nicht konstanter Textwahrnehmung beim Codieren nachvollziehbar zu machen. Das erste Beispiel wurde im ersten Codierdurchgang als einperspektivisch-linear reflektierend codiert. TN11 schildert hier das Feedback ihrer Mentorin, das sich auf den Umgang mit Notizen zur Unterrichtssteuerung bezieht: „Sie hat dann halt quasi mir wirklich gesagt, ähm, ‘mach das nächste Mal dieses, vielleicht arbeite mit (...) kleinen Karteikarten //mhh, mhh// anstatt mit großen Zetteln, die du vor dir hast’ //ja// quasi, die man sich so verteilt hat, die man auslegen möchte //aha, aha// quasi ‘mach dir kleine Karteikarten, damit du den Kontakt besser //ja// wahrst’“ (11:28).

Die Passage wurde im ersten Codierdurchgang als einperspektivisch-linear reflektierend codiert, weil sie dem Kriterium der „unhinterfragten Übernahme äußerer Anforderungen (z.B. von Mentorenfeedback)“ entspricht. Bei der Relektüre der Textstelle im Retrieval zur Kategorie „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ wurde die Zuordnung dadurch in Frage gestellt, dass der Zusatz „damit Du den Kontakt besser wahrst“ dem Kriterium der Explizierung des Bewertungskriteriums für eine unterrichtstechnische Entscheidung entspricht: (kleine) Karteikarten ermöglichen mehr Kontakt zu den Schülern als (große) Zettel. Es wird also ein Aspekt von Adaptivität und Schülerorientierung („aus dem Unterricht heraus“) als Bezugspunkt formuliert, sodass die Passage auch als mehrperspektivisch-zyklisch reflektierend hätte codiert werden können. Hier liegt auch ein grundsätzliches Problem inhaltsanalytischer Zugriffe: Nicht nur der Kontext einzelner Äußerungen, der bereits im Absatz zur Frage der Codier- bzw. Kontexteinheiten als problematisch diskutiert wurde, sondern auch das Kontextwissen der Codierer bestimmen die Wahrnehmung des Textes oder einzelner Textteile massiv. Kontextwissen ist nicht nur das Wissen über den Gegenstand, das den Erwartungshorizont während des ersten Kontakts mit dem Material bildet, es ist vielmehr auch dessen Veränderung

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Empirischer Ansatz

bei der Analyse und Relektüre des Materials, der diesen Erwartungshorizont und damit das Kontextwissen selbst verändert: Es ist kaum möglich, das Wissen über den Gesamteindruck, der nach der vollständigen Lektüre des Interviews entstanden ist, bei der Analyse einzelner Textstellen wieder ‘auszuschalten’, in denen dann gegebenenfalls etwas erkannt wird, das aus ihnen als isolierte Textstelle nicht lesbar wäre. Umgekehrt fallen bei Detailanalysen Differenzierungen und Widersprüche auf, gerade weil die Nahsicht auf das Isolierte den übergeordneten Erwartungshorizont abschwächt. Es erweist sich als problematisch, Interviewmaterial mit dem hermeneutischen Anspruch einer Teil-Ganzes-Entsprechung zu begegnen, auch wenn die Veränderung des Vorverständnisses als inhärentes Merkmal der Methode qualifiziert und mit dem Bild einer hermeneutischen Spirale beschrieben wird (vgl. Kuckartz 2012: 31-32). Vor diesen Überlegungen muss es erneut problematisch erscheinen, dass die Codierung – wie oben (Abschnitt 8.1) dargelegt – nicht durch mehrere Codierer*innen vorgenommen wurde. Das grundsätzliche Problem der Kontextabhängigkeit und inneren Dynamik des Bezugshorizonts der Codierung bliebe jedoch auch bei mehreren Codierern bestehen und berührt die grundsätzliche Schwierigkeit von Nähe und Distanz zum empirischen Material vor dem Anspruch einer Unterscheidung von Erkennen und Wiedererkennen. Sich im Forschungsprozess dem empirischen Material gegenüber (wieder) fremd zu machen, wird vor allem in ethnographischen Ansätzen methodologisch stärker thematisiert und auch systematisch angeleitet. Für weiterführende Arbeiten mit ähnlichem empirischen Material können Differenzierungen des Vorgehens in dieser Hinsicht vorgenommen werden, sowohl, was die Anlage der Interviews selbst, als auch deren Auswertung angeht (vgl. hierzu Abschnitt 12.3).

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Empirische Analysen: „Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“ als Elemente einer Interimsdidaktik

Die folgenden Abschnitte stellen die Ergebnisse der Auswertung für die beiden Kategorien „Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“ vor. Dabei werden quantitative Aspekte des Vorkommens beobachteter Phänomene einerseits, detailliertere Beschreibungen einzelner, besonders dichter Textstellen andererseits formuliert. Hinsichtlich der quantitativen Verteilung werden in erster Linie die Proportionen innerhalb der Stichprobe dargestellt: Eine Bewertung der absoluten Zahlen erscheint mangels Vergleichsgruppen und aufgrund des nicht ganz konsistenten Erhebungsverfahrens (vgl. Abschnitt 8.3.2.2) nicht ausreichend aussagekräftig. Das Ziel der Analyse ist die kategorienbasierte Abstraktion wiederkehrender Muster der Reflexion fachdidaktischer Inhalte im Praktikum, die hier Interimsdidaktik genannt werden soll: Die Interimsdidaktik bezeichnet dabei das Wissenssystem einer bestimmten Phase der Professionalisierungsbiographie (Praktikum), das einen bestimmten Inhalt fokussiert (fremdsprachendidaktisches Wissen) und handlungsbezogen modelliert ist (Art der Reflexivität). Die Interimsdidaktik gibt Aufschluss über die reflexiven Prozesse, die von den Studierenden aufgerufene Wissensbereiche integrieren und daher als subjektiv relevant und handlungsleitend gelten können. Als dynamisches Gefüge zeigt sie jedoch auch, dass dieses Wissenssystem von widersprüchlichen Repräsentationen und inkonsistenten Argumentationslinien geprägt ist. Die Ausdifferenzierung der Interimsdidaktik dient daher weniger einer wertenden Skalierung von ausgeprägter versus weniger ausgeprägter reflexiver Kompetenz. Sie zielt vielmehr auf eine fach- und inhaltsbezogene Beschreibung der Art, wie reflektiert wird, welche Muster dabei quantitativ überwiegen und welche Merkmale sie aufweisen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_9

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Empirische Analysen

9.1 Reflexive fachdidaktische Handlungskompetenz als mehrperspektivisch-zyklisch versprachlichte Reflexion fachdidaktischer Wissensinhalte Die folgende Darstellung der Ergebnisse orientiert sich am Kategoriensystem, das der Analyse zugrunde gelegt beziehungsweise in deren Verlauf entwickelt wurde (vgl. Abschnitt 8.2). Sie differenziert zunächst einen quantitativen Zugriff auf das Datenmaterial, der in einem zweiten Schritt durch qualitativinterpretative Analysen einzelner und Gruppen von Codings ergänzt wird. Dabei werden punktuell auch methodische Entscheidungen oder Probleme, die im Prozess aufgetreten sind, reflektiert, sodass die Genese der Ergebnisse nachvollziehbar gemacht wird. Die qualitative Inhaltsanalyse ist auf zwei Kategorien hin ausgerichtet, die im Zusammenspiel als Indikatoren für fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz gelten: a) der Rekurs auf theoretische, fachdidaktische Wissensbestände und b) eine mehrperspektivisch-zyklische Reflexion, bei der das Wissen mit der subjektiven Erfahrung während des Praktikumsmoduls assoziiert wird. Interviewpassagen, bei denen diese Art von Reflexion an nicht-fachdidaktisches Wissen gekoppelt ist oder solche, bei denen weder mehrperspektivisch-zyklisch reflektiert noch fachdidaktisches Wissen eingebracht wird, werden als „nicht reflexiv handlungskompetent“ kategorisiert (zur Problematisierung dieses stark einen Teilaspekt professioneller Kompetenz isolierenden Vorgehens vgl. Abschnitt 8.2.2.1.1). 9.1.1 Codings insgesamt: Verteilung nach Subkategorien zur Identifizierung fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz (RHK) Die Verteilung der Codings nach den Kategorien „Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“ mit ihren jeweiligen Subkategorien ist in der folgenden Abb. 5 dargestellt:

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

Reflexivität (321)

Mehrperspektivischzyklische Reflexion (195)

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Einperspektivisch-lineare Reflexion (126)

Fachdidaktisches Wissen (398) Spontan (75)

RHK vorhanden (36)

RHK nicht vorhanden (16)

Auf Nachfrage (167) Insg. 242 Abwesend (156)

RHK vorhanden (73) Insg. 109 RHK nicht vorhanden (84)

RHK nicht vorhanden (28) Insg. 44 RHK nicht vorhanden (73)

Abb. 5: Identifikation reflexiver Handlungskompetenz im Kategoriensystem der qualitativen Inhaltsanalyse mit Anzahl der Codings

Unter der Kategorie „Reflexivität“ wurden insgesamt 321 Textstellen codiert, davon in 195 Fällen die Subkategorie „mehrperspektivisch-zyklisch“ und in 126 Fällen die Subkategorie „einperspektivisch-linear“. Im Datenmaterial insgesamt überwiegen also mehrperspektivisch-zyklische Reflexionen. Die 321 als reflexiv codierten Passagen wurden in einem zweiten Schritt daraufhin gelesen, ob sie Anteile fachdidaktischen Wissens enthalten. Die Kategorie „fachdidaktisches Wissen“ wurde bei diesem Analyseschritt insgesamt 398 mal codiert. Die Differenz zur Gesamtzahl der Codings unter „Reflexivität“ resultiert aus der Möglichkeit der Mehrfachcodierung in der Kategorie des fachdidaktischen Wissens. In 156 Passagen ist fachdidaktisches Wissen abwesend, in 167 Passagen wird fachdidaktisches Wissen auf Nachfrage durch die Interviewerin hin formuliert, und in 75 Fällen bringen die Studierenden fachdidaktisches Wissen spontan in das Gespräch ein. Fachdidaktisches Wissen ist also insgesamt in den reflexiven Passagen häufiger vorhanden als nicht vorhanden. Zur Identifizierung reflexiver Handlungskompetenz wurden die Überschneidungen zwischen mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion und der Art der Formulierung fachdidaktischen Wissens gesucht: Wie viele der 195 als „mehrperspektivisch-zyklisch“ codierten Textstellen sind gleichzeitig mit „spontan“ hinsichtlich der Formulierung fachdidaktischen Wissens codiert?

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Empirische Analysen

Für die Feststellung der Übereinstimmung wurde in MAXQDA ein komplexes Retrieval abgerufen (vgl. VERBI 2014: 55f.), das 36 Belegstellen hervorbringt. Parallel wurde für die Kombination „mehrperspektivisch-zyklische“ Reflexion und „fachdidaktisches Wissen auf Nachfrage“ vorgegangen. Das zweite komplexe Retrieval stellt 73 Codings für diese Kombination zusammen. Insgesamt verweisen also im gesamten Datenmaterial 109 Textstellen auf das Vorhandensein fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz im oben definierten und operationalisierten Sinne (vgl. Abschnitt 7.2). Komplexe Retrievals wurden auch für alle weiteren Kombinationen abgerufen, die jedoch nicht auf das Vorhandensein reflexiver Handlungskompetenz verweisen: „fachdidaktisches Wissen abwesend“ und „mehrperspektivisch-zyklisch“ sowie alle Ausprägungen von „fachdidaktischem Wissen“ jeweils in Kombination mit der Kategorie „einperspektivisch-lineare Reflexion“ gehören ebenfalls zu dieser Kategorie. Was die Verteilung der Subkategorien für das fachdidaktische Wissen angeht, so ergeben sich folgende Häufigkeiten: Am häufigsten wird fachdidaktisches Wissen „auf Nachfrage“ geäußert, von insgesamt 398 codierten Textstellen entfallen 167 – also etwas weniger als die Hälfte der Gesamtzahl – auf diese Subkategorie. Dem gegenüber stehen 75 Codings mit „spontan“ mobilisiertem fachdidaktischen Wissen sowie 156 Textstellen, in denen fachdidaktisches Wissen abwesend ist. Die Verteilung differiert jedoch stark in den beiden Subkategorien von Reflexivität: Unter der Subkategorie „mehrperspektivisch-zyklisch“ wird spontanes fachdidaktisches Wissen in 36 Textstellen sichtbar, und in 73 Textstellen (also in ungefähr doppelt so vielen Fällen) wurde es „auf Nachfrage“ hin formuliert. In 84 Codings der mehrperspektivisch-zyklischen Reflexion ist fachdidaktisches Wissen abwesend. Insgesamt ist bei den Codings zur mehrperspektivisch-zyklischen Reflexion fachdidaktisches Wissen also häufiger vorhanden (nämlich insgesamt in 109 Codings) als nicht vorhanden (in 84 Codings). Unter der Subkategorie „einperspektivisch-linear“ ist die Verteilung genau entgegengesetzt: Hier ist fachdidaktisches Wissen häufiger abwesend – nämlich in 73 Codings – als vorhanden: Es wurde in 16 Fällen „spontan“

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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fachdidaktisches Wissen versprachlicht und in 28 Fällen „auf Nachfrage“. In der Summe sind dies also 44 Textstellen, die auf das Vorhandensein reflexiven Wissens hinweisen. Auffällig in beiden Subkategorien von Reflexivität bleibt die vergleichsweise hohe Anzahl der Codings, in denen überhaupt kein fachdidaktisches Wissen ins Gespräch eingebracht wird. Während jedoch das Verhältnis der Summe aus „spontan“ und „auf Nachfrage“ (109 Codings) zu „abwesend“ (84 Codings) in der Subkategorie „mehrperspektivisch-zyklisch“ als ansatzweise ausgewogen zu bezeichnen ist (109/84), klafft in der Subkategorie „einperspektivisch-linear" eine deutliche Lücke: Hier ist in 73 Codings das fachdidaktische Wissen abwesend und in 44 Textstellen (als Summe von 16 „spontanen“ und 28 „auf Nachfrage“ getätigten Äußerungen) vorhanden. Fachdidaktisches Wissen ist demnach in der Subkategorie „einperspektivisch-linear“ beinahe doppelt so häufig abwesend wie vorhanden. 9.1.2 Ergebnisse und Diskussion Zusammenfassend kann zur quantitativen Verteilung gesagt werden, dass im Codierprozess das Datenmaterial stark reduziert wurde. Das spezifische Erkenntnisinteresse – Textpassagen zu finden, die auf das Vorhandensein reflexiver Handlungskompetenz im oben (vgl. Abschnitt 7.2) definierten Sinne verweisen – lässt sich also nur in Teilen der Interviewtexte nachverfolgen. Grundsätzlich überwiegen mehrperspektivisch-zyklische gegenüber einperspektivisch-linearen Reflexionen. Dabei wird fachdidaktisches Wissen auffällig häufiger in mehrperspektivisch-zyklische Passagen als in einperspektivisch-lineare eingebracht. Gleichzeitig ist in circa der Hälfte aller reflexiven Passagen fachdidaktisches Wissen abwesend. Reflexive Handlungskompetenz im oben definierten Sinne kann in circa einem Drittel der Codings ausgemacht werden (109 von 321). Die übrigen zwei Drittel müssen vor der oben angesetzten Definition als Textstellen gelten, in denen keine reflexive Handlungskompetenz erkennbar ist. Die Tatsache, dass in der Subkategorie mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion auffällig häufiger fachdidaktisches Wissen mobilisiert wird, als dies in der Subkategorie einperspektivisch-linearer Reflexion der Fall ist, legt die

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Empirische Analysen

Vermutung nahe, dass die einperspektivisch-lineare Reflexion sehr viel stärker im Abstrakten verbleibt, während das mehrperspektivisch-zyklische Reflektieren an die Mobilisierung und Diskussion fachdidaktischer Wissensanteile gekoppelt ist. Diese Proportionen legen den Schluss nahe, dass mehrperspektivisch-zyklische Reflexion stärker fachbezogen und konkret ist, während einperspektivisch-lineare Reflexion häufiger ‘inhaltslos’ bleibt. Die Annahme, dass vertiefte Reflexionsprozesse an die subjektive Erfahrung mit konkreten Handlungssituationen gekoppelt sind, wird durch die quantitativ auffällige Kopplung von Wissen und Reflexion sowie durch die proportional stärkere Abwesenheit fachdidaktischer Wissensanteile bei einperspektivisch-linearer Reflexion gestützt. Mehrperspektivisch-zyklische Reflexion bewegt sich durch ihre Kopplung an fachdidaktische Wissensinhalte auf einer stärker deskriptiv-analytischen Ebene, während einperspektivisch-lineare Reflexionen abstrakt bleiben und deutlicher wertenden bzw. (unterstellt) normativen Charakter haben (vgl. Abschnitt 8.2). Die Anwendung des deduktiven Kategoriensystems zu „Reflexivität“ hat gezeigt, dass zwar mehrperspektivisch-zyklische Reflexionen überwiegen, diese jedoch verhältnismäßig häufig nicht mit fachdidaktischem Wissen verbunden werden: Circa zwei Drittel der Codings beinhalten fachdidaktisches Wissen (insgesamt 242, davon 75 spontan und 167 auf Nachfrage), denen gegenüber steht ungefähr ein weiteres Drittel (156), in dessen Codings kein fachdidaktisches Wissen nachvollzogen werden kann. In der Auswertung wurde dabei insbesondere die Tatsache, dass fachdidaktisches Wissen am häufigsten „auf Nachfrage“ thematisiert wird, bereits mit der Anlage des Erhebungsinstruments erklärt, das die Studierenden primär nach einer Bewertung der hochschuldidaktischen Elemente des Moduls fragt, deren Begründung nur sekundär weitere Ausführungen zu Erfahrungen beinhalten kann, aber qua Instrument nicht zwangsläufig muss. Die Dominanz der Subkategorie „auf Nachfrage“ hat sicherlich stark mit dieser spezifischen Art der Erhebung zu tun und erlaubt keine generellen Rückschlüsse auf die grundsätzliche Fähigkeit zur fachbezogenen Reflexion: Das Instrument verlangt Bewertungen einzelner Modulelemente und Begründungen, sodass die

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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naheliegenden Antwortmuster Bewertungen und Begründungen sind, die – wie die Interviews deutlich zeigen – meist zunächst abstrakt bleiben und dann auf Nachfrage narrativ konkretisiert werden (vgl. Abschnitt 8.3.2.2). Die Reflexion und ihre Konkretisierung werden hier nicht von den Interviewteilnehmenden selbst initiiert, sondern häufig in Reaktion auf Nachfragen oder die Bitte um Ausführungen, die von mir als Interviewerin ausgeht. Dies mag zum einen darauf verweisen, dass die Studierenden fachdidaktisch orientierte Reflexionen nicht in dem Maße gewohnt sind, wie es nach dem Besuch des Praktikumsmoduls naheliegend erscheinen könnte, was auch anderen Beobachtungen zu Reflexionsphasen in Theorie-Praxis-Kontexten entspricht (z.B. Lührmann 2002; Schüpbach 2007). Die Reflexion verbleibt in vielen Fällen oberflächlich, stark wertend und gerade nicht von den fachdidaktischen Kategorien bestimmt, auf deren Entwicklung die hochschuldidaktischen Lerngelegenheiten im Modul abzielten. Ein weiterer Erklärungsansatz wäre, dass Reflexion als Handlung stark interaktiv und dialogisch geprägt ist (vgl. Abschnitt 7.2.2), sodass die Dominanz der Subkategorie „auf Nachfrage“ weniger mit dem Erhebungsinstrument, sondern vielmehr mit dem Konstrukt der Reflexion selbst zu tun hat. In Abschnitt 7.2.2 wurde das dialogische Handeln – das sich auf einen Perspektivenabgleich oder aber auf den Dialog mit Mitpraktikantinnen, Unidozentin oder Mentorinnen beziehen kann – als typisches Merkmal von Reflexivität beschrieben, und die Studierenden schätzen auch selbst dialogische Verfahren und Feedback als besonders förderlich für die Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz ein (vgl. Schädlich 2015). Das Ergebnis bestätigt also die Annahme, dass Reflexivität jenseits bedeutungsaushandelnder Reflexionssituationen selbst nur schwer hervorzubringen und nachzuvollziehen ist. Diese Grundannahme hat jedoch zunächst auf reflexive Prozesse im Modul selbst fokussiert und die Interviewsituation selbst nicht ausreichend als weitere Reflexionssituation bedacht. In Anschlussstudien könnte daher das Interesse vom Nachvollzug reflexiver Handlungskompetenz in reflexiven Produkten von Studierenden – als welche letztlich auch die reflexiven Passagen der hier analysierten Interviews

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Empirische Analysen

verstanden wurden – hin zur Rekonstruktion der Interaktionen, die Reflexivität diskursiv und prozesshaft konstruieren, vertiefend ausdifferenziert werden (vgl. Abschnitt 12.3). 9.1.3 Codings nach Studierenden: Verteilung der Subkategorien bei den Interviewpartner*innen In einem weiteren Auswertungsschritt wurden die Studierenden einzeln betrachtet, wobei die quantitativen Verhältnisse der einzelnen Kategorien und Subkategorien ausgezählt wurden. Hinter diesem Auswertungsschritt steht die Beobachtung, dass in allen Interviews sowohl einperspektivischlinear als auch mehrperspektivisch-zyklisch reflektiert wird. Die Zusammenstellung der Kombinationen und Proportionen erfolgte ebenfalls über die Retrievalfunktion von MAXQDA (vgl. VERBI 2014: 49f.). Der besseren Orientierung halber wurde nur das Verhältnis von einperspektivisch-linearer und mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion ausgezählt. Die Kategorie „fachdidaktisches Wissen“ wird nur in der Überschneidung mit mehrperspektivischzyklischer Reflexion angegeben, weil nur diese Kombination als Hinweis auf reflexive Handlungskompetenz angesetzt wurde (vgl. Abschnitt 9.1). Insgesamt sind unter den 19 Interviewtexten 14 Texte auszumachen, in denen die Studierenden überwiegend mehrperspektivisch-zyklisch reflektieren. In 4 Texten ist einperspektivisch-lineare Reflexion dominant und in einem Interview ist das Verhältnis gleich verteilt.31 Zu erwähnen ist außerdem, dass das Interview mit TN4 wegen einer aufnahmetechnischen Panne nur unvollständig transkribiert wurde, sodass hier durch die Verkürzung das Verhältnis in einem anderen Zusammenhang zu begreifen ist als bei den anderen vollständig transkribierten Interviews (vgl. Abschnitt 8.1.4). Auffällig ist, dass in den Interviews, in denen einperspektivisch-lineare Reflexionen überwiegen, nur zwei Textstellen „spontan“ fachdidaktisches Wissen mobilisieren, während die Verteilung von spontanem und „auf Nach-

31

Eine genaue Aufschlüsselung der codierten Textstellen nach Kategorien und Subkategorien findet sich im Anhang 6 („Verteilung der Codings bei Studierenden“).

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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frage“ thematisierten Wissens in den mehrperspektivisch-zyklischen Reflexionen ausgewogener verteilt ist, wenngleich auch hier fachdidaktisches Wissen auf Nachfrage häufiger ins Gespräch eingebracht wird als spontan. Der Orientierung halber werden die proportionalen Verhältnisse der Reflexionen einzelner Studierender für die folgende Darstellung in drei Gruppen zusammengefasst: Die erste Gruppe stellt die Interviews mit den vier Studierenden dar, bei denen einperspektivisch-lineare Codierungen überwiegen. Die Texte weisen generell weniger reflexive Passagen auf, was sich in der Gesamtzahl der unter der Kategorie „Reflexivität“ codierten Textstellen zeigt: Hier reicht das Spektrum von insgesamt 11 Belegstellen (mit der Verteilung 9 einperspektivisch-lineare Codings gegenüber 2 mehrperspektivisch-zyklischen Codings) bis zu 20 Belegstellen (mit der Verteilung 16 einperspektivisch-linear codierten gegenüber 4 mehrperspektivisch-zyklisch codierten Textstellen). In den vier Interviews wird jeweils nur in einer oder zwei Textstellen fachdidaktisches Wissen mobilisiert. Die Verteilung zeigt in allen vier Fällen eine deutliche Dominanz der Codierung „einperspektivischlinear“, proportional ausgedrückt werden mindestens viermal so viele Textstellen mit „einperspektivisch-linear“ codiert als mit „mehrperspektivischzyklisch“. Die Differenz zwischen einperspektivisch-linearer und mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion ist bei den vier Studierenden, bei denen einperspektivisch-lineare Codierungen überwiegen, erkennbar deutlicher ausgeprägt als dies bei den 14 anderen Studierenden der Fall ist, die überwiegend mehrperspektivisch-zyklisch reflektieren. Hier ist ein grundsätzlich anderes proportionales Verhältnis der Codierungen beobachtbar: Zur zweiten und dritten Gruppe zählen die Interviews mit den 14 Studierenden, bei denen Codierungen im Bereich mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion überwiegen. Hier reicht das Spektrum von 5 Codings für Reflexivität (3 als mehrperspektivisch-zyklisch versus 2 als einperspektivisch-linear codierte Textstellen)32 bis zu 29 Codings (27 mehrperspektivisch-zyklische Codings

32

Hierher zählt auch das Interview, das aus aufnahmetechnischen Gründen nur unvollständig aufgezeichnet wurde, aber dennoch in die Auswertung eingegangen ist, weil die Wertungen der Elemente auf dem Leitfadenbogen abzulesen waren. Die sehr geringe Anzahl der

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Empirische Analysen

versus 2 einperspektivisch-lineare). Diese Gruppe stellt den Gegentyp zur oben beschriebenen ersten Gruppe dar: Hier liegt (konkret bei 9 Interviews) die Anzahl der Codings zur Subkategorie „mehrperspektivisch-zyklisch“ mindestens doppelt so hoch wie die Anzahl der als „einperspektivisch-linear“ codierten Textstellen. Die dritte Gruppe zeichnet sich hingegen durch eine eher ausgewogene Verteilung mehrperspektivisch-zyklischer und einperspektivisch-linearer Reflexion aus. Dies ist in 5 Interviews der Fall. Insgesamt weist die Gruppe, die überwiegend mehrperspektivisch-zyklisch reflektiert, eine größere Heterogenität in der Verteilung der Subkategorien auf, während die überwiegend einperspektivisch-linear reflektierenden Studierenden homogenere Verteilungen der Subkategorien zeigen: Sie reflektieren seltener mehrperspektivisch-zyklisch und rufen seltener fachdidaktisches Wissen auf. 9.1.4 Ergebnisse und Diskussion Die Analyse des vorangegangenen Abschnitts ermöglicht zwar eine grobe quantitative Orientierung, welche die Aussage erlaubt, dass ungefähr zwei Drittel der Studierenden reflexiv kompetent handeln, während ein Drittel weniger kompetent handelt. Eine Identifikation einzelner Studierenden als „reflexiv handlungsfähig“ versus „nicht reflexiv handlungsfähig“ ist vor dem Hintergrund dieser Beobachtung jedoch nicht möglich und stellt auch nicht das Interesse der Auswertung dar: Das Ziel der Inhaltsanalyse liegt weder im Bereich individueller Diagnostik, noch in der Quantifizierung personenbezogener Typen oder Gruppen. Die vorgenommenen Typisierungen erlauben auch keine Aussage über die generelle Eignung einzelner Studierender oder der Typen für den Lehrberuf. Sie beleuchten einen wichtigen, aber dennoch stark isolierten Aspekt professioneller Kompetenz, der aufgrund seiner Isoliertheit lediglich eine begrenzte Reichweite hinsichtlich Aussagen zu Professionalität insgesamt besitzt. Die beiden Subkategorien von Reflexivität können zusammenfassend als extreme Ausprägungen einer Skala betrachtet werden. Die Studierenden Codings erklärt sich also im Fall von TN 4 durch die aufnahmetechnisch bedingte Kürze des Interviewtextes.

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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zeigen Profile, die von Tendenzen geprägt sind und sie als mehr oder weniger reflexiv handlungskompetent charakterisieren, wobei die Kriterien für die Zuschreibung unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Die fünf Studierenden der ersten und die neun Studierenden der zweiten Gruppe stellen dabei tendenziell die Extrempunkte dar, die quantitativ überwiegend entweder einperspektivisch-linear oder mehrperspektivisch-zyklisch reflektieren. Die fünf Studierenden der dritten Gruppe zeigen ausgewogene Mischungsverhältnisse der beiden Subkategorien von Reflexivität. Zusammenfassend wurde beobachtet, dass mehrperspektivisch-zyklische Reflexion in einem anderen Interdependenzverhältnis zu einperspektivisch-linearer Reflexion steht, als dies umgekehrt der Fall ist: mehrperspektivisch-zyklisch Reflektierende stellen gleichzeitig auch häufig einperspektivisch-lineare Reflexionen an, während einperspektivisch-linear Reflektierende weitaus seltener mehrperspektivisch-zyklische Reflexionen in ihren Äußerungen erkennen lassen. Diese Beobachtung wurde weiter oben bereits als Trennschärfe-Problem bei der Codierung beschrieben (vgl. Abschnitt 8.3.2) und mag das quantitative Ergebnis entsprechend bedingen. Gleichzeitig könnte die Kopplung von mehrperspektivisch-zyklischer und einperspektivisch-linearer Reflexion, die im umgekehrten Fall nicht zu beobachten ist, auch ein Hinweis darauf sein, dass die einperspektivisch-linearen Passagen im Rahmen mehrperspektivisch-zyklischer Reflexionen die Funktion einnehmen, reflexive Prozesse im Sinne der Problematisierung des TheoriePraxis-Bezugs überhaupt erst anzustoßen. Sie stehen in einem funktionalen Verhältnis zu mehrperspektivisch-zyklischen Reflexionen, die sie ausdifferenzieren und in der Erfahrung verankern. Häufig bilden sie den narrativen Auslöser – sie umfassen die Beschreibung einer Unterrichtssituation oder werfen eine fachdidaktische Frage auf – für im Folgenden mehrperspektivisch-zyklische Differenzierungen. Hier ist die proportionale Ausgewogenheit gegebenenfalls ein Hinweis darauf, dass typische Reflexionsprozesse von Studierenden sich gerade dadurch auszeichnen, dass mehrperspektivischzyklische und einperspektivisch-lineare Reflexionen miteinander in Beziehung gestellt werden. Ausgehend von einem konkreten, in der Erfahrungssituation verankerten Handlungsproblem wird ein Prozess von Analyse und

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Empirische Analysen

Differenzierung in Gang gebracht, der insgesamt als mehrperspektivisch-zyklisch charakterisiert werden kann. In der Rückanbindung an die Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz und ihrer Operationalisierung im Kategoriensystem würde diese Interpretation bedeuten, dass die beobachteten proportionalen Verhältnisse der Reflexionsarten auf die konstruktive Auseinandersetzung mit inkompatiblen Wissensbereichen verweisen, für die das Oszillieren zwischen Theorie und Praxis (vgl. Abschnitte 2, 7.2 und 7.3) als entscheidend angesetzt wurde. Umgekehrt verbleiben einperspektivischlineare Reflexionen eher isoliert und verweisen in diesem Sinne nicht auf den dialogischen Abgleich verschiedener Wissensbereiche. Vielmehr verbleiben sie einseitig perspektiviert und vollziehen keinen Schritt ‘aus sich selbst heraus’. Zusammenfassend wird in den quantitativen Tendenzen deutlich, dass einperspektivisch-lineare Reflexionen auch bei den einzelnen Studierenden häufiger an die Subkategorie „fachdidaktisches Wissen abwesend“ gebunden ist als dies bei mehrperspektivisch-zyklischen Reflexionen der Fall ist. Weiterhin ist auffällig, dass auch die Mobilisierung fachdidaktischen Wissens in der Subkategorie „mehrperspektivisch-zyklisch“ bei den überwiegend einperspektivisch-linear reflektierenden Studierenden deutlich seltener geschieht als in den anderen beiden Gruppen. Diese Proportion kann zusammenfassend dahingehend interpretiert werden, dass die Differenz zwischen eher bewertenden und eher analytischen Reflexionen der Studierenden stark an die Verfügbarkeit von Wissenskategorien gebunden ist, was die Beobachtungen von Nölle (2002) bestätigt (vgl. Abschnitt 5.5). Reflexionen von Studierenden, die auf differenzierte Wissensbestände verweisen, sind seltener bewertend und häufiger beschreibend-analysierend charakterisiert. Die Wahrnehmung von Praxissituationen ist an Kategorien gebunden, die es erlauben, eine Erfahrungssituation differenziert und aus mehreren Perspektiven heraus zu beschreiben, neu zu rahmen und damit gegebenenfalls alternative Handlungsmöglichkeiten oder Bewertungskategorien für zukünftige Praxissituationen zu projektieren. Im Gegensatz dazu münden Reflexionen, die weniger wissensorientiert sind, schneller in wertende Urteile, und es gelingt seltener, eine Situation unter Explizierung möglicher Rahmungen neu zu

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

195

perspektivieren. Die Relevanz der Erfahrung verbleibt beim Einzelfall und dessen punktueller Bewertung, die kaum strukturelle Äquivalenzen zu ähnlichen Aspekten in anderen Lehr-/Lernsituationen auszumachen vermag. 9.2 Reflexive Handlungskompetenz als Mobilisierung fachdidaktischer Wissensanteile Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten die Kategorie „Reflexivität“ in quantitativer Hinsicht analysiert und die Ergebnisse hinsichtlich der Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz interpretiert wurden, stellt der folgende Abschnitt die Auswertungsergebnisse vor, die sich aus der inhaltsanalytischen Durchsicht des Materials vor der Frage ergeben haben, welches fachdidaktische Wissen von den Studierenden in Reflexionsprozessen aufgerufen wird. Dabei fällt zusammenfassend eine quantitative Hierarchisierung solcher Wissensbereiche auf, die stark an unterrichtsplanerische Aktivitäten gebunden sind, während abstraktere und stärker konzeptuell geprägte Wissensbereiche seltener zur Sprache kommen. 9.2.1 Subkategorien fachdidaktischen Wissens: Häufigkeiten und Diskussion In Abschnitt 8.2.2 wurde hinsichtlich der Genese des Kategoriensystems beschrieben, dass die Subkategorien des „fachdidaktischen Wissens“ im Gegensatz zur Kategorie „Reflexivität“ nicht deduktiv, sondern über ein zweischrittiges Verfahren induktiver Kategorienbildung und deren reduzierender Abstraktion hervorgebracht wurden. Die Subkategorien fachdidaktischen Wissens können also als empiriebasiertes Modell fachdidaktischen Wissens für den spezifischen Kontext des hier untersuchten Moduls zum Fachpraktikum gelten. Das Wissen ist hierbei nicht nur von den Lerngelegenheiten im Modul und der Textauswahl, die den Studierenden zur Verfügung stand, abhängig, sondern darüber hinaus auch von deren Vorwissen sowie schließlich auch von der Art der Erhebung: Das Interesse der Modellbildung besteht nicht darin, Wissenselemente kontextungebunden überprüfbar zu machen („Welches fachdidaktische Wissen haben Studierende zu einem bestimmten Zeitpunkt?“) (vgl. auch Abschnitt 7.2.1). Vielmehr soll durch den hier gewählten Ansatz herausgefunden werden, welches Wissen in authentischen

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Empirische Analysen

Situationen unterrichtlichen Handelns und seiner Reflexion von Studierenden kontextgebunden in welcher Art und Weise aufgerufen wird. Der Akzent des hier gewählten Ansatzes liegt auf dem Versuch, die Verbindung des Wissens zu subjektiv relevanten und erfahrungsgebundenen Handlungssituationen beschreibbar zu machen. Auch wenn hier die reflection on action fokussiert wird und die Daten keine Aussagen über professionelle Kompetenzen in konkreten pädagogischen Entscheidungssituationen zulassen, so kann aus dem Material und seiner Analyse doch abgeleitet werden, in welchen Erfahrungskontexten überhaupt und in welcher Form auf theoretische Wissensanteile rekurriert wird. Dies erscheint für Professionalisierungsprozesse vor allem hinsichtlich der Annahme bedeutsam, dass nur solches Wissen für zukünftige Unterrichtssituationen handlungsleitend sein kann, das an autobiographische Episoden geknüpft ist und dem Relevanz für das Verstehen komplexer Situationen zugeschrieben wird (vgl. Abschnitt 7.2.1). Während Hascher auf das Problem verweist, dass Praktika nur wenig „schulrelevantes Wissen[s], z.B. über das Curriculum“ (Hascher 2012: 114) verfügbar machen, kann dies aus den Daten der vorliegenden Studie zumindest teilweise relativiert werden: Die Studierenden verfügen über grundlegendes fachdidaktisches Wissen, das sie mehr oder weniger differenziert und explizierend zur Beschreibung und Analyse von Praxissituationen heranziehen. In den Auswertungen zur Verbindung von Reflexivität und Wissen (vgl. Abschnitt 9.1) wird die Frage nach dem „schulrelevanten Wissen“ dahingehend differenziert, dass nicht nur einzelne Anteile deklarativen Wissens identifiziert werden, sondern dass darüber hinaus auch ihre Verankerung in konkreten Erfahrungssituationen und der diesen Situationen eigenen Verarbeitung des Wissens beschreibbar wird. Die folgende Tabelle leistet eine Zusammenstellung der Codierungen mit quantitativen Verteilungen im Bereich des fachdidaktischen Wissens, entsprechend der Subkategorien „abwesend“, „auf Nachfrage“ und „spontan“. Die inhaltlichen Subkategorien, die auf Nachfrage oder spontan zur Verfügung stehen, sind aus dem induktiven Codierdurchgang hervorgegangen. Dabei wurden zunächst alle Elemente, die als fachdidaktisches Wissen gelten können, gesammelt und in einem zweiten Schritt leicht abstrahiert, sodass

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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acht Subkategorien entstanden sind (vgl. Abschnitt 8.2.2 und Anhang 2). Wie bereits weiter oben beschrieben, orientiert sich diese Zusammenfassung der eng am Text entstandenen Kategorien an übergeordneten Prinzipien und Kompetenzbeschreibungen für den Fremdsprachenunterricht und die Lehrer*innenbildung in den neusprachlichen Fächern. Gegenüber den insgesamt 321 Codierungen in den Kategorien von Reflexivität sind im Bereich des fachdidaktischen Wissens mehr Textstellen codiert worden, weil hier in einigen Codings mehrere Elemente fachdidaktischen Wissens gleichzeitig angesprochen wurden. Eine Textstelle zu „Reflexivität“ kann also in den Subkategorien zum fachdidaktischen Professionswissen mehreren Wissenselementen zugeordnet sein. Von den insgesamt 398 codierten Textpassagen entfallen 156 auf die Subkategorie „abwesend“, hier wird kein fachdidaktisches Wissen mobilisiert. „Auf Nachfrage“ wird in 167 Codings fachdidaktisches Wissen versprachlicht, und „spontan“ ist dies in 75 Interviewpassagen der Fall. Dies zeigt die Abbildung 6: Subkategorie „fachdidaktisches Wissen“ Abwesend Auf Nachfrage Spontan

Anzahl der Codings insgesamt: 398 156 167 75

Abb. 6: Verteilung der Codings zum fachdidaktischen Wissen

In der Tabelle wird das Verhältnis von abstrakten und fachdidaktisch angebundenen Reflexionen sichtbar: In circa einem Drittel (156 Passagen, in denen fachdidaktisches Wissen „abwesend“ ist, erste Zeile der Tabelle) wird abstrakt, also ohne dass fachdidaktische Inhalte thematisiert würden, reflektiert. Im Gegensatz dazu reflektieren circa zwei Drittel (242 Passagen, in denen Wissen „spontan“ oder „auf Nachfrage“ diskutiert wird, hier handelt es sich um die Summe der zweiten und dritten Zeile der Tabelle in Abbildung 6) inhaltlich gebunden und versprachlichen dabei fachdidaktische Wissensanteile. Das Verhältnis von spontan gegenüber auf Nachfrage eingebrachten Wissenselementen ist dabei deutlich unausgewogen. Nur bei einem knappen

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Empirische Analysen

Drittel der Textstellen, die fachdidaktisches Wissen integrieren (75 Codings), wird fachdidaktisches Wissen spontan ins Interview eingebracht. Auf Nachfrage ist dies gut doppelt so häufig (in 167 Codings) der Fall. Dies ist auch als Hinweis darauf zu bewerten, dass Reflexion kein Automatismus ist, sondern in Reaktion auf bestimmte Impulse oder diskursive Verläufe initiiert wird (vgl. Abschnitte 7.2.2 und 8.3.2). 9.2.2 Inhaltliche Subkategorien fachdidaktischen Wissens: Häufigkeiten und Diskussion Die folgende Tabelle (Abbildung 7) zeigt die quantitative Verteilung der Subkategorien zum fachdidaktischen Wissen. Aufgeführt wird in der ersten Spalte die Summe der Textstellen. In den Spalten rechts davon ist die Verteilung entsprechend der Kategorisierungen „auf Nachfrage“ und „spontan“ aufgelistet. Subkategorie fachdidaktischen Wissens Fertigkeiten/Kompetenzen Unterrichtsgespräch/Interaktion Stimmigkeit der Unterrichtsplanung Schülerorientierung Methodenkenntnis Inhaltsorientierung/Material Kompetenzbegriff Aufgabenorientierung

Codings insgesamt 49 43 40

davon „auf Nachfrage“ 34 36 23

davon „spontan“ 15 7 17

36 20 19 18 17

21 13 14 13 13

15 7 5 5 4

Abb. 7: Verteilung der Codings in den Subkategorien fachdidaktischen Wissens insgesamt und in den Subkateogrien „spontan“ und „auf Nachfrage“, angeordnet nach Häufigkeit insgesamt

Am häufigsten wird in den Interviews fachdidaktisches Wissen, das sich auf Fertigkeiten und die kommunikativ-funktionalen Kompetenzen bezieht, mobilisiert. Dies ist in 49 Codings der Fall. Dabei sprechen die Studierenden in 15 Textpassagen dieses Wissen von sich aus an, in 34 Fällen geschieht die Thematisierung auf Nachfrage. Die Subkategorie „Unterrichtsgespräch/Interaktion“ wird 43 Textpassagen zugeordnet, auffällig ist die hohe Differenz der

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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Subkategorien, die eine Verteilung von 36 Nennungen auf Nachfrage gegenüber lediglich 7 spontanen Nennungen aufzeigt. Die „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ wird in 40 Textpassagen angesprochen, in einer annähernd ausgewogenen Verteilung zwischen „spontan“ (17 Codings) und „auf Nachfrage“ (23 Codings). Diese Subkategorie ist damit die, die von den Studierenden am häufigsten spontan ins Gespräch eingebracht wird. Die 36 Textstellen zu „Schülerorientierung“ verteilen sich auf 21 („auf Nachfrage“) und 15 („spontan“). „Methodenkenntnis“ wird in insgesamt 20 Äußerungen sichtbar, davon in 13 Codings auf Nachfrage und in 7 spontan. Auch hier ist wieder eine deutliche Differenz zwischen den Subkategorien sichtbar. Dies ist auch der Fall bei der Kategorie „Inhaltsorientierung“, die insgesamt 19 Textstellen zugeordnet wurde, davon in 14 Äußerungen auf Nachfrage und in 5 Fällen spontan. Der „Kompetenzbegriff“ wird insgesamt in 18 Codings angesprochen, davon in 13 Textstellen auf Nachfrage und in 5 spontan. „Aufgabenorientierung“ thematisieren 17 Passagen mit der Verteilung 13 („auf Nachfrage“) zu 4 („spontan“). Die Häufigkeit der Nennungen einzelner Subkategorien gibt Aufschluss darüber, welche Bereiche fachdidaktischen Wissens die Studierenden in Schilderungen von Erfahrungen stärker mobilisieren und welche in weniger ausgeprägter Form zur Reflexion von Erfahrungen im Modul herangezogen werden. In der oben dargestellten Tabelle ist eine Verteilung erkennbar, die konkrete unterrichtsplanerische Bereiche gegenüber eher abstrakten fachdidaktischen Konzepten priorisiert: Es werden häufig unterrichtliches Handeln und seine Planung sowie unterrichtliche Interaktionen beschrieben. Die Dominanz der Kategorien „Fertigkeiten/Kompetenzen“, „Unterrichtsgespräch/Interaktion“ sowie „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ verweist darauf, dass die Studierenden primär an Kompetenzen entlang eine stimmige Planung thematisieren und dabei auch die Ebene des Unterrichtsdiskurses reflektieren. Auffällig ist die Überschneidung mit den Häufigkeiten im Bereich der spontanen Thematisierungen. Während die meisten Subkategorien weniger als zehnmal spontan angesprochen werden, mobilisieren die Studierenden

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Empirische Analysen

die Kategorien „Fertigkeiten/Kompetenzen“ „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ und „Schülerorientierung“ sehr viel häufiger spontan (nämlich in 15, 17 und 15 Fällen) als alle anderen Subkategorien. Diese Bereiche scheinen also stark verankert zu sein, sodass Erfahrungen unmittelbar an diese Kategorien angebunden werden, während andere Bereiche aus der Reflexion ausgeklammert bleiben und lediglich dann mit Erfahrungen assoziiert werden, wenn dies im Gespräch aktiv initiiert wird. Die konzeptionellen Fluchtpunkte für Französischunterricht, die dem Modul unterliegen – Prinzipien wie Aufgabenorientierung, Kompetenzbegriff etc. – bleiben gegenüber der unterrichtsplanerischen Ebene quantitativ weniger stark repräsentiert beziehungsweise scheinen für planerische Aspekte eine untergeordnete Rolle zu spielen. Im empirischen Material lässt sich eine Hierarchisierung fachdidaktischer Wissensinhalte beobachten, die das Unterrichtsplanerische (Fertigkeiten/Kompetenzen; Stimmigkeit der Planung) priorisiert gegenüber abstrakteren fachdidaktischen Prinzipien, die ihrerseits jedoch unter dem Aspekt der perspektivwechselnden Beschreibung und Analyse von Erfahrung oder für die Entwicklung von Interpretations- oder Handlungsalternativen aber bedeutsam wären. Eine Ausnahme bildet hier das Prinzip der Schülerorientierung, das ebenfalls dominant reflektiert wird. Hier fällt in den inhaltlichen Ausführungen auf, dass Schülerorientierung sich häufiger auf planerische Aspekte als auf adaptives Handeln in Unterrichtssituationen bezieht: Zwar erläutern die Studierenden, in der Planung schülerorientiert vorgehen zu wollen, Beschreibungen unterrichtlicher Prozesse beinhalten jedoch nur selten adaptive Prozesse, die sich aus der Interaktion mit den Schüler*innen ergeben. Die Unterrichtsplanung kann als Kernelement der Reflexion gelten, dem die anderen Bereiche beigeordnet werden: In der Planung wird versucht, Theorie und Praxis anzunähern („Anwendungslogik“), in der Beschreibung der Umsetzung von Planungen werden Theorie-Praxis-Brüche und inhaltliche Unsicherheiten oder Alternativszenarien deutlich. Die Fokussierung auf Unterrichtsplanerisches in den Interviewtexten mag dabei als zwangsläufiges Ergebnis von Datenmaterial, das im Kontext des Fachpraktikums erhoben wurde, verstanden werden. Da das Fachpraktikum

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der Ort – und in der universitären Phase häufig der einzige Ort – ist, an dem Theorie-Praxis-Verhältnisse systematisch thematisiert, handelnd erprobt und reflektiert werden, kommt dem Ergebnis trotz (oder wegen) seiner Kontextgebundenheit eine gewisse generalisierende Aussagekraft zu. Diese mag auch dadurch gestützt werden, dass Blockpraktika sehr häufig sehr ähnlichen Szenarien und Chronologien folgen. Auch arbeiten sie häufig mit ähnlichen Instrumenten, sodass die hier beschriebenen Beobachtungen gegebenenfalls in ähnlichen Kontexten vergleichbar ausfallen würden. Ausgehend von der Annahme, dass spontane Mobilisierungen fachdidaktischen Wissens stärker auf reflexive Handlungskompetenz verweisen als solche, die auf Nachfrage getätigt werden, wird bei der folgenden Analyse so vorgegangen, dass prioritär die drei Subkategorien detailliert besprochen werden, in denen am meisten spontane Äußerungen festgestellt wurden. 9.2.3 Qualitative Analyse der Kategorien fachdidaktischen Wissens: Auf dem Weg zu einer Interimsdidaktik reflexiver Handlungskompetenz Die folgenden Abschnitte kommentieren die einzelnen Bereiche fachdidaktischen Wissens ausgehend von den quantitativen Tendenzen stärker interpretierend. Dafür wurden in MAXQDA die Codings über die Retrievalfunktion zusammengestellt und mehrfach hinsichtlich quantitativer oder qualitativer Auffälligkeiten gelesen. Für einige Analysen wurden auch komplexe Retrievals aufgerufen, z.B. die Kombination mehrerer Subkategorien zum fachdidaktischen Wissen oder die Kombination einer Wissenskategorie mit der Art der Reflexion. Bei der Lektüre wurden Stichworte als handschriftliche Notizen zu den Retrievals angefertigt, von denen ausgehend die folgenden Systematisierungen und Analysen erstellt wurden. Das Vorgehen folgt auch hier den Prinzipien der strukturierenden Inhaltsanalyse, bei der thematische Motive abstrahiert und in ihrer Beziehung zueinander analysiert werden. Dabei interessieren die thematischen Inhalte auch in der Art ihrer Versprachlichung, die Hinweise auf die subjektiven Theorien der Studierenden enthalten sowie – im Kontext kanonisierten, curricular verankerten und zum Teil auch empirisch gesicherten fachdidaktischen Wissens – Fehlvorstellungen sichtbar machen. Zusammenfassend ist in zahlreichen Interviewpassagen beobachtbar, dass auf der Ebene der Reproduktion fachdidaktischer Wissenselemente

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Empirische Analysen

deutliche Bezüge zu Curricula und fachdidaktischer Literatur hergestellt werden. Auf der Ebene reflexiver Beschreibungen von Unterricht verweisen die Äußerungen jedoch auch auf Repräsentationen der Inhalte, die häufig mit den reproduzierten Wissensanteilen kollidieren: In zahlreichen Passagen folgt die Reflexion von Praxissituationen gerade nicht den von den Studierenden selbst formulierten curricularen oder begrifflichen Bezugspunkten. Die Spannungsfelder, die sich hier im Kontext reflexiver Handlungen ergeben, werden in den folgenden Unterkapiteln nachvollzogen und diskutiert. Ausgehend von der Annahme, dass spontane Mobilisierungen fachdidaktischen Wissens stärker auf reflexive Handlungskompetenz verweisen als solche auf Nachfrage, wird bei der Analyse so vorgegangen, dass drei Subkategorien detailliert besprochen werden, bei denen am häufigsten spontan reflektiert wird. Es sind dies „Fertigkeiten/Kompetenzen“, „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ und „Schülerorientierung“. Darüber hinaus erschien bei der Subkategorie „Unterrichtsgespräch/Interaktion“ zwar die niedrige Anzahl spontaner Äußerungen auffällig, die Gesamtanzahl der Codings macht jedoch eine Detailanalyse auch hier lohnend. In der folgenden Tabelle (Abbildung 8) sind die Subkategorien, zu denen Detailanalysen folgen, durch Fettdruck und Kursivierung hervorgehoben: Subkategorie „fachdidaktisches Wissen“ Fertigkeiten/Kompetenzen Unterrichtsgespräch/Interaktion Stimmigkeit der Unterrichtsplanung Schülerorientierung Methodenkenntnis Inhaltsorientierung/Material Kompetenzbegriff Aufgabenorientierung

Codings insgesamt 49 43

davon „auf Nachfrage“ 34 36

davon „spontan“ 15 7

40 36 20 19 18 17

23 21 13 14 13 13

17 15 7 5 5 4

Abb. 8: Hervorhebung der im Detail analysierten Subkategorien fachdidaktischen Wissens

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

203

Diese Auswahl stellt bereits ein Ergebnis der Datenanalyse dar: Es wird davon ausgegangen, dass sich in den spontanen Äußerungen reflexive Handlungskompetenz stärker zeigt als in Äußerungen, die auf Nachfrage getätigt werden. Die verbleibenden Subkategorien (Methodenkenntnis, Inhaltsorientierung/Material, Kompetenzbegriff, Aufgabenorientierung) werden aus forschungsökonomischen Gründen summarisch behandelt. Das bedeutet, dass aus dem Interviewmaterial nur exemplarische Textstellen ausgewählt werden, die für Einzelaspekte reflexiver Handlungskompetenz aussagekräftig erscheinen. Die Analysen haben zum Ziel, fachdidaktische Wissenselemente, die von Studierenden in reflexiven Interviewpassagen aufgerufen werden, so zu beschreiben, dass sie Aufschluss über die subjektive Bedeutung und Transformation fachdidaktischen Wissens für die Beobachtung, Planung und Durchführung von Französischunterricht geben. Dabei wird das Praktikum als typische Lerngelegenheit fokussiert. Die Ergebnisse werden am Ende des Abschnitts als Elemente der Interimsdidaktik zusammengefasst. 9.2.3.1 Subkategorie „Fertigkeiten/Kompetenzen“ Mit der Subkategorie „Fertigkeiten/Kompetenzen“ wurden Textstellen codiert, in denen die Studierenden sprachliche Mittel und Teilkompetenzen kommunikativen sprachlichen Handelns beschreiben und diskutieren. Ausgewertet wurden sowohl die spontanen als auch die auf Nachfrage vorgenommenen Äußerungen. Bei der Relektüre der entsprechend codierten Textpassagen fallen einige Besonderheiten auf: erstens die massive Präsenz der Thematisierung von „Grammatikunterricht“, zweitens die sehr disparate Tiefe der Auseinandersetzung und drittens die Dominanz der Figur der „Herangehensweise“. Die meisten Codings, in denen Fertigkeiten oder Teilkompetenzen genannt werden, verbinden die Nennung mit Formulierungen wie „Methoden zu... “ oder „Herangehen an...“. Sie betonen also das „Wie?“ der konkreten Unterrichtsgestaltung, meist bezogen auf Planungsprozesse. Im Kontext der Bewertung des EPOSA hebt beispielsweise TN11 dessen Kannbeschreibungen als hilfreich für die Frage „Wie gehe ich an die Grammatikarbeit heran quasi“

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Empirische Analysen

(11:15) hervor. TN17 nennt als Gewinn der Beschäftigung mit fachdidaktischer Einführungsliteratur Antworten auf die Fragen „Wie wird Literatur vermittelt, wie macht man Wortschatzarbeit?“ (17:19). Der Gewinn des Tutoriums besteht für TN3 darin, dass zu einem Kompetenzbereich verschiedene Methoden bereitgestellt werden: „Zum Leseverstehen haben wir einen [Text; B.S.] gelesen //ja// und (..) über verschiedene Methoden, ich weiß gar nicht mehr zu welchem Thema“ (3:19). Auch das Microteaching wird vor dieser Erwartungshaltung kommentiert: „wie kann ich jetzt an Wortschatzarbeit rangehen, wie kann ich jetzt an Textarbeit rangehen?“ (18:63). Zusammenfassend wird in der Thematisierung von Kompetenzen und Fertigkeiten vor dem Schlagwort ‘Herangehensweise’ die Erwartung deutlich, das Praktikum habe die Funktion, methodisches Handwerkszeug für die Planung von Unterricht bereitzustellen. Die Auffälligkeit des Motivs macht auch rückblickend die Trennung der Kategorie „Fertigkeiten/Kompetenzen“ von der ähnlichen, aber im Abstraktionsgrad verschiedenen Kategorie „Kompetenzorientierung“ plausibel. Es ist auffällig, dass nur selten die Funktionalität des „Wie?“ in einer konkreten Situation – hinsichtlich welchen inhaltlichen oder spracherwerblichen Ziels erscheint eine Herangehensweise geeigneter als eine andere? – reflektiert wird: Die Herangehensweise als solche erhält primäres Interesse. Es findet eine Modellierung als Inhalt statt, die dem fachdidaktisch-theoretischen Anspruch, Herangehensweisen und Methoden vor allem adaptiv und funktional hinsichtlich inhaltlicher Vermittlungsziele zu begreifen, widerspricht. Fachdidaktisches Wissen wird anwendungsorientiert und kaum problematisierend bezüglich konkreter Anwendungssituationen oder Adaptionsprobleme thematisiert. Fertigkeitsschulungen werden ex ante geplant aber weitaus seltener zum Gegenstand rückblickend-verstehender Reflexionen gemacht. Die Figur der Herangehensweise ist dominant beobachtbar in allgemein wertenden Kommentaren, die kaum aus der Beschreibung konkreter Erfahrungen im Praktikum hervorgehen, sie sind also häufig mit „einperspektivisch-linear“ codiert. In den Interviewtexten finden sich Aussagen zu allen kommunikativen Kompetenzen und sprachlichen Mitteln. Auffällig ist hierbei jedoch die Häufigkeitsverteilung. Hörverstehen (z.B. 16:34), Sprachmittlung (z.B. 11:11;

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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5:19), Lesekompetenz (z.B. 15:9; 15:11) und Leseförderung (z.B. 13:12; 13:14) oder speziell der Umgang mit Literatur (z.B. 17:28; 16:8) sowie Fragen der Schreibdidaktik (z.B. 7:32) werden zwar genannt, jedoch quantitativ marginal und meist nicht im Kontext längerer reflektierender Episoden. Quantitativ dominant und Bestandteil auch umfangreicherer Reflexionen sind hingegen Textstellen, die sich mit den sprachlichen Mitteln und hierbei wiederum beinahe ausschließlich mit „Grammatik“ beschäftigen. Die folgenden Detailanalysen konzentrieren sich daher auf diesen Bereich. Ihr Ziel besteht darin, unter Ausführung des Motivs der „Herangehensweise“ und des Versuchs einer Differenzierung der Verarbeitungstiefe bzw. Explizitheit des Theoriebezugs Elemente reflexiver Handlungskompetenz zum Grammatikunterricht nachzuzeichnen. Dieser erscheint als subjektiv hochgradig relevanter Wissensinhalt, der dominant im Kontext von Praktikumserfahrung reflektiert wird. 9.2.3.1.1 Grammatikunterricht und Wortschatzarbeit als „Thema“ im Französischunterricht Um die im Folgenden analysierten Interviewpassagen theoretisch rahmen zu können, seien kurz Texte und Probleme skizziert, die zu Wortschatz und Grammatik in den Begleitveranstaltungen diskutiert wurden. Die Bereiche Wortschatz und Grammatik gelten in den curricularen Rahmentexten als „sprachliche Mittel“, deren Verfügbarkeit allein noch keine kommunikative Kompetenz ausmacht, für deren Entwicklung jedoch Voraussetzung ist und gleichzeitig über die Kommunikation selbst ermöglicht wird. Im Vorbereitungsseminar wurde in diesem Sinne die Formulierung der „grundsätzlich dienende[n] Funktion der sprachlichen Mittel“ (vgl. KMK 2004: 14; Niedersächsisches Kultusministerium 2009: 12) erläutert und diskutiert. Darüber hinaus wurde – in der Absicht kritischer Erweiterung der curricularen Vorgaben – ein Text aus dem Einführungsband Fremdsprachendidaktik von DeckeCornill/Küster (2010: 163f.) diskutiert, der die in Curricula übliche Trennung von Wortschatz und Grammatik als problematisch thematisiert: Zum einen legen Theorien zum mentalen Lexikon nahe, dass sprachliche Strukturen

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Empirische Analysen

nicht in eindeutig voneinander getrennten Bereichen gespeichert und verarbeitet werden, zum anderen aktiviert der Aufruf der sprachlichen Mittel in kommunikativen Zusammenhängen immer beide Bereiche gleichermaßen. Die Komplexität der sprachlichen Verarbeitungsprozesse – vor allem hinsichtlich produktiver Kompetenzen – stellt die Annahme untergeordneter Funktionalität und den Begriff der „Verfügbarkeit“ stark in Frage, der auf das Verhältnis von Sprachwissen und Sprachkönnen verweist: Ebenfalls mit Decke-Cornill/Küster (2010: 174f.) wurden die Hauptpositionen des „Streits um die Bedeutung grammatischen Lernens“ diskutiert und mit Aspekten von Aufgabenorientierung – als Ansatz, Formfokussierung und implizite Regelanwendung aufeinander zu beziehen – assoziiert. Beispielhaft wurden hier eine Lernaufgabe von Bechtel (2011). In deren Beschreibung wird auch die Einbindung von Sprachreflexion in den task cycle („focus on language“-Phase im Willis‘schen Modell) akzentuiert. Darüber hinaus wurde eine kompetenzorientierte Grammatikaufgabe einer Handreichung des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM 2011) analysiert. Grammatik ist der dominante Inhalt in der Subkategorie „Fertigkeiten/ Kompetenzen“, 19 der insgesamt 49 codierten Textstellen thematisieren den „Grammatikunterricht“. Dabei fällt auf, dass die Studierenden die Vermittlung sprachlicher Strukturen eher als eigenes „Thema“ oder Unterrichtsinhalt auffassen, während die curricularen Rahmentexte den Bereich im Sinne der Kompetenzorientierung als „Verfügbarkeit sprachlicher Mittel“ (s.o.) unterrichtsmethodisch immer als anderen inhaltlich-kommunikativen Zielen untergeordnet beziehungsweise funktional auf diese bezogen ansetzen. Zwar kennen die Studierenden die Formulierung der „dienenden Funktion“ der sprachlichen Mittel, sie wird auch vielfach explizit in das Interview eingebracht. In den Ausführungen zu Unterrichtsbeobachtung oder -planung wird jedoch ein mit dieser Vorstellung massiv konkurrierendes Verständnis von Grammatik erkennbar, bei dem die sprachlichen Mittel gerade nicht als funktional hinsichtlich übergeordneter kommunikativer Ziele thematisiert werden, sondern als eigener – und dominanter – Unterrichtsinhalt. Dies zeigt sich in Formulierungen wie den Folgenden:

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„Wir hatten ja damals die Unterrichtseinheit zum Thema Grammatik gemacht“ (14:28; Kursivsetzung B.S.). „Naja, wir hatten ja das futur composé eingeführt“ (18:9). „[...] aber viel wurde natürlich Grammatikarbeit gemacht, das ist ja auch ganz typisch, glaube ich“ (5:19).

Parallel dazu wird auch die Wortschatzarbeit – ebenfalls keine Teilkompetenz im engeren Sinne – stark als Unterrichtsinhalt und weniger im Sinne der „dienenden Funktion sprachlicher Mittel“ thematisiert: „Dass ich (.) also so basics, ähm //mhh// inzwischen recht gut beherrsche in dem Sinne, dass wenn mir jetzt jemand sagt (..) ‘mach heute spontan eine Stunde zu (..) Vokabelarbeit’ oder so //mhh, mhh//, dann könnte ich, hätte ich schon im Kopf zwei oder drei Spiele, die man machen könnte //mhh, mhh// und könnte irgendwie innerhalb von einer halben Stunde oder so mir eine Stunde //ja// aus dem Hut zaubern“ (19:74). „Wir hatten eine Station mit Wörterbüchern //ahja//, da sollten sie, glaube ich, die Adjektive nachschlagen, ich weiß jetzt nicht mehr die genauen Aufgabenstellungen, bei dem einen hatten wir ein Puzzle, das sollten sie dann zusammenstellen“ (9:71).

Die Repräsentation von Wortschatzarbeit als Unterrichtsthema und die prioritäre Nennung isolierter Übungen (Puzzle, Spiele, Arbeit mit dem Wörterbuch) verweisen auf ein Verständnis von Wortschatzarbeit (und dessen Bestätigung in der beobachteten Praxis), das den curricularen Texten insofern widerspricht, als auch hier die Verfügbarkeit der sprachlichen Mittel als Ziel an sich modelliert wird, über das hinaus keine weiteren inhaltlichen Kontexte thematisiert werden, in denen die sprachlichen Mittel kommunikativ angewendet und tatsächlich „verfügbar“ für konkrete Mitteilungszwecke und kommunikative Aushandlungen in der Fremdsprache gemacht würden. Der Fokus liegt auf Einzellexemen, die gerade nicht kommunikativ kontextualisiert werden. Diese Art der Thematisierung von Wortschatz und Grammatik durch die Studierenden legt die Vermutung nahe, dass in der Unterrichtsgestaltung

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traditionelle und aus der Perspektive von Kompetenz- und Aufgabenorientierung subjektive Theorien bzw. Fehlvorstellungen von Wortschatzund Grammatikarbeit mobilisiert werden. Obwohl die Schlagworte von der „dienenden Funktion“ der sprachlichen Mittel vor authentischer Mitteilungsabsicht und vom Primat des Inhaltlichen gegenüber der Formfokussierung bei der Gestaltung von Lernaufgaben in den Interviews vorkommen – also als Elemente deklarativen Wissens bekannt sind und auch bindend formuliert werden –, ist die konkrete Beschreibung von Französischunterricht häufig an anderen normativen Fluchtpunkten ausgerichtet: Hier stehen die Betonung von Formfokussierung und metasprachlicher Reflexion als Unterrichtsgegenstände im Vordergrund. Sprachlernprozesse werden somit stark mit Regelwissen assoziiert, und entsprechende Praktiken zu dessen Vermittlung dominieren die Erfahrungen im Praktikum. Das Wissen zu den sprachlichen Mitteln wird also in den Interviews auf unterschiedlichen Ebenen thematisiert, wobei das deklarative Wissen über die Inhalte der Curricula der Beobachtung und Gestaltung von Handlungssituationen der Praxis widerspricht: Das implizite Wissen, das in der Beschreibung konkreter Erfahrungen erkennbar wird, ist stark entkoppelt von der expliziten Ebene der Reflexion: Das aufgerufene „fachdidaktische Wissen“ bezieht sich – auch deutlich erkennbar im Rückgriff auf die im Seminar diskutierten Texte – auf Schlagwörter wie „dienende Funktion“, „Inhaltsorientierung“ oder „Authentizität“. Die Praktiken hingegen, die aus dem Unterricht heraus beschrieben werden, widersprechen diesen Prinzipien jedoch. Dies gilt sowohl für beobachteten als auch für selbst gestalteten Unterricht. Der Bruch, der sich hier ergibt, wird nur selten als solcher wahrgenommen und thematisiert. Vielmehr scheinen die beiden Wissensbereiche unverbunden nebeneinander zu stehen, ohne dass überhaupt der Versuch einer Problematisierung unternommen würde. Eine solche würde beispielsweise reflektieren, inwieweit der beobachtete oder selbst entworfene Unterricht („Spiele aus dem Hut zaubern“) den an anderer Stelle referierten Prinzipien von „Inhaltsorientierung“ und „Authentizität“ überhaupt eine Realisierungsmöglichkeit entspricht. Obwohl im Vorbereitungskurs gerade dieser Bereich Gegenstand expliziter Auseinandersetzung war und durch umfangreiches

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Textmaterial begleitet wurde, reflektieren die Studierenden in vielen Fällen gleichsam am ‘Seminar-Input’ vorbei. Bezug zu den Texten oder Prinzipien wird allenfalls durch starke Lenkung im Gespräch hergestellt, spontane Reflexionen verbleiben auf andere Fluchtpunkte hin ausgerichtet, die kaum Berührungspunkte mit den Inhalten curricularer oder fachdidaktischer Texte aufweisen. 9.2.3.1.2 Explizierung und Verarbeitungstiefe: Ausprägungen reflexiver Handlungskompetenz Anhand einiger Codings zur Grammatikarbeit soll im Folgenden das Problem der Verarbeitungstiefe theoretischer Wissensinhalte diskutiert werden. Im Abschnitt 8.3.2.4 wurde bereits die Schwierigkeit beschrieben, die sich im Codiervorgang ergibt, wenn zwar fachdidaktisches Wissen erkennbar ist, dieses aber eher implizit bleibt. Anhand der folgenden Ausschnitte soll dieses Problem durch die Beschreibung verschiedener Ausprägungen von Explizierungen differenziert werden. Aus der Perspektive des eigenen Unterrichts schildert TN7 den „Druck“ der Mentorin, eine Grammatikeinheit zeitlich auszuweiten, was die Studentin und ihre Mitpraktikantin gerne anders entschieden hätten: „Ich meine, wir waren natürlich ein bisschen eingeschränkt, weil wir die Vorgaben hatten, WAS wir machen sollen und [da] zum Beispiel in der Stunde, die TN2 und ich gehalten haben, dieser Grammatikschwerpunkt passé composé Wiederholung einfach SEHR ausführlich sein sollte //ja ja//, der eigentlich, weil er ja schon bekannt war, knapper hätte ausfallen MÜSSEN“ (7:3).

Hier wird durch die Formulierung der Einschränkung auf mögliche Alternativen verwiesen, die jedoch nicht näher ausgeführt werden33. Eine mögliche Begründung für die von der TN7 für angemessen gehaltene Verknappung der Grammatikphase bleibt unausgeführt, ebenso wie eine Ausführung dazu, was statt einer Ausweitung der Grammatikübungen hätte passieren können (z.B. eine verlängerte Transfer- oder Anwendungsphase?). Deutlich wird in dieser 33

Die Interviewpassage bezieht sich auf die Stunde, bei der ich als Universitätsdozentin hospitiert habe. TN7 greift im Interview das Feedbackgespräch nach dem Unterrichtsbesuch wieder auf und betont die Wichtigkeit von Handlungsalternativen, die durch das Gespräch entstanden seien.

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Empirische Analysen

Passage vor allem eine quantitative Kategorisierung („Wie lang soll/darf eine Grammatikphase dauern?“) und der Fokus auf Erklärungen, denen kommunikative Phasen gegenübergestellt werden. Die implizit konstruierte Opposition bestätigt, dass Grammatik in erster Linie mit Sprachreflexion und dem Formulieren von Regeln und Strukturen – und weniger mit Anwendung und kontextgebundener Übung sprachlicher Strukturen – assoziiert wird. Diese Vorstellung schreibt TN7 allerdings der Lehrperson zu. TN7 würde anders handeln, wird aber durch die gängige Praxis – hier ‘personifiziert’ durch die betreuende Lehrkraft – davon abgehalten. TN7 reflektiert einen Bruch zwischen eigenem Handlungsanspruch und äußerer normativer Zielsetzung. Die Passage ist auch dahingehend interessant, dass sie Aufschluss darüber gibt, wie im Praktikum selbst Habits des Französischunterrichts perpetuiert werden, die den Studierenden selbst problematisch erscheinen. Im zweiten Beispiel wird das ‘Anwendungsproblem’ thematisiert, und zwar dahingehend, dass in der Beschreibung des Microteachings der Versuch unternommen wird, das passé composé kompetenzorientiert „umzusetzen“: „Wie soll man Grammatik jetzt wirklich kommunikativ beibringen //mhh, mhh//? Und dann hatten wir auch ein Grammatikthema mit passé composé //mhh// und das, ja, wir haben das versucht sozusagen an den Kompetenzen ausgerichtet dann, hat die Gruppe das ja versucht umzusetzen“ (1:11).

TN1 nimmt hier das in den Begleitveranstaltungen diskutierte Problem auf, dass Form- und Inhaltsfokussierung im Kontext kommunikativer Didaktiken in einem unterrichtsmethodisch nicht immer konfliktfrei zu lösenden Verhältnis stehen. Im Seminar wurde das Problem der Sprachreflexion an verschiedenen Stellen und mit verschiedenen Materialien diskutiert. TN1 problematisiert hier den Widerspruch, der sich für den traditionellen Grammatikunterricht ergibt, der den Erfordernissen einer kommunikativen Didaktik angepasst werden soll. Insofern spricht aus der Textstelle zunächst einmal die Reflexion der Anwendungsproblematik. Übergeordneter Bezugspunkt bleibt allerdings die Grammatik, die lediglich anders als sonst – nämlich „kommunikativ“ – unterrichtet werden soll: Kommunikationsorientierung erhält hier den Status einer Methode, mit der der – nach wie vor dominante – „Inhalt

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Grammatik“ angemessen vermittelt werden soll. Dass der Anspruch der Kommunikationsorientierung jedoch selbst mit der traditionellen Vorstellung von Grammatik als „Thema“ des Unterrichts kollidiert, bleibt hierbei unreflektiert. Genau wie TN7 beschreibt auch TN1 einen Bruch, der sich aus einer theoretisch-normativen Zielsetzung und der Erfahrung beim Versuch ihrer Realisierung einstellt. Im Gegensatz zu TN7 benennt TN1 mit „kommunikativ“ und „an den Kompetenzen ausgerichtet“ explizit wichtige Prinzipien des Französischunterrichts, was bei TN7 nicht der Fall ist. Diese Explizierung lässt die Passage zunächst reflexiv handlungskompetenter erscheinen als die Ausführung von TN7. Beiden Aussagen gemeinsam ist jedoch die unterliegende Vorstellung von Grammatik als „Lerninhalt“. Die Vermittlung von Sprachwissen als Lernziel bleibt als Selbstverständlichkeit, vor der sich die Reflexionen vollziehen, unangetastet, wenn auch in beiden Zitaten gleichzeitig das Bemühen um eine kommunikative Ausrichtung des Französischunterrichts formuliert wird. Die Vorstellung von Grammatik als explizit zu vermittelndem Inhalt, der gerade nicht „dienend“, sondern explizierend als metasprachlicher Wissensinhalt dominant bleibt, ist bei TN1 vor allem an den Formulierungen „beibringen“ und „Grammatikthema“ erkennbar: Kommunikation und Kompetenzorientierung werden hier weniger als Ziel („Im Unterricht soll echte Kommunikation stattfinden!“) beschrieben, sondern eher als Methode, die deklarative Wissensanteile („Grammatikthema“) anders vermitteln soll als dies ‘üblicherweise’ der Fall ist. Der im Kontext der Kompetenzorientierung angesetzte Nexus von Sprachwissen und Sprachkönnen – mit seiner deutlichen Fokussierung auf das Sprachkönnen und seiner Übung via bedeutungsaushandelnder Interaktion – wird hier nicht als Problem beschrieben. Die Art, wie Unterrichtsplanung und -gestaltung gerahmt werden, verweist ebenfalls auf einen Bruch zwischen dem theoretischen Anspruch kommunikativen Fremdsprachenunterrichts auf der einen und Grammatikunterricht auf der anderen Seite. Das „Kommunikative“, das aus fachdidaktischer Perspektive Grammatikunterricht als dominanten Inhalt von Französischunterricht problematisiert, wird in den hier vorgestellten Äußerungen

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Empirische Analysen

lediglich als methodischer Ansatz, im Grammatikunterricht etwas anders zu machen, gefasst, die grundsätzliche Ausrichtung am kommunikativen Prozess, der von Prinzipien wie „dienende Funktion der Grammatik“ und „authentische Kommunikation“ ausgeht, bleibt aber davon unberührt. Es werden mögliche Handlungsalternativen anvisiert, eine alternative Rahmung, die den Bereich, innerhalb dessen die Handlungsalternativen sich bewegen, umperspektivieren würden, ist jedoch in beiden Interviewpassagen nicht erkennbar. Hier findet eine Anpassung fachdidaktischer Konzepte an Unterrichtssituationen statt, deren Praktiken unhinterfragt weitertradiert und mit neuen Begriffen assoziiert werden, die ihrerseits als paradigmatisch veränderter Bezugspunkt von Fremdsprachenunterricht jedoch auch andere Praktiken nahelegen würden. Die Kollision des theoretischen Anspruchs mit der Praxis wird zwar bemerkt (in den Zitaten: „jetzt wirklich kommunikativ beibringen“, „hätte kürzer ausfallen MÜSSEN“), der Bezugspunkt für die Reflexion ist aber nicht das theoretische Konzept, das mit einer anderen Praxis assoziiert werden könnte, sondern eine Tradierung der Praxis („beibringen“) vor veränderten begrifflichen Bezugspunkten. Eine weitere Thematisierung von Grammatikunterricht findet sich im Interview mit TN16: Sie paraphrasiert in ihrer Reflexion zur Grammatik rückblickend deutlich erkennbar die Diskussion im Seminar, die zu verschiedenen Zeitpunkten (bei einem Microteaching, bei der Diskussion von Bechtel (2011) sowie einer Beispielaufgabe für kompetenzorientierten Grammatikunterricht des LISUM (2011)) vertieft wurde: „[…] wenn man jetzt Übungen macht, an welcher Stelle man die Grammatik sozusagen ins Spiel bringt //ja//, ob man die Schüler erstmal frei ausprobieren lässt //aha//, (..) um diesen Redefluss zu fördern und daNACH dann //mhh// über die grammatikalischen Strukturen (.) die reflektieren lässt, oder ob man die erst einführt und dann //mhh// anwenden lässt, also an welcher Stelle man das zum Beispiel //aha// reinbringt“ (16:19).

Die Reflexion von TN16 führt die oben diskutierte von TN1 formulierte Frage konkretisierend aus und beschreibt das Problem, im Sinne der Förderung

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authentischer kommunikativer Interaktion angemessen über die unterrichtliche Chronologie zu entscheiden: Welchen Elementen (unmittelbare Kommunikation, Metakommunikation/Sprachreflexion, Kognitivierung) wird zu welchem Zeitpunkt wieviel Raum gewährt? Die in den zuvor kommentierten Codings (TN7, TN1) implizit noch unterliegende Vorstellung von Grammatik als deklarativem Wissensinhalt wird hier durch die grundsätzliche Orientierung des Unterrichts an kommunikativen Zielen aufgebrochen. Hier ist ‘nur’ noch die Frage, an welcher Stelle die Reflexion der sprachlichen Strukturen stattfinden soll. Dass sie der Kommunikation funktional „dienend“ sein sollte, wird hier im Gegensatz zu den beiden anderen Textstellen in der Reflexion des eigenen Handelns deutlich. Diese Textstelle ist deshalb als in besonderem Maße reflexiv handlungskompetent zu charakterisieren, weil zunächst einmal ein Problem sehr genau beschrieben wird, was in den beiden ersten zitierten Passagen nicht der Fall ist. Auch wenn hier keine Fachtermini benutzt werden und nicht explizit auf übergeordnete Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts (in diesem Falle wäre dies konkret das Konzept der ‘Aufgabenorientierung’) verwiesen wird, zeugt die Passage von genauer Kenntnis der Prinzipien und möglichen Bezugspunkte (Primat der inhaltsbezogenen Kommunikation, Elemente des task cycle) für eine Diskussion des Problems. Die Bezugnahme auf die Texte von Bechtel (2011) und die Lernaufgabe des LISUM (2011), die im Seminar diskutiert wurden, bleibt hier zwar implizit, rahmt aber die Reflexion von TN16 deutlich erkennbar. Zusammenfassend lässt sich im Vergleich der drei Codings festhalten: Das reframing eines von allen drei Teilnehmerinnen ähnlich wahrgenommenen Bruchs geschieht in den drei Interviewauszügen in gesteigerter Differenzierung: Wenig differenziert und expliziert bei TN7, stärker terminologisch angebunden, aber in sich widersprüchlich im Rekurs auf fremdsprachendidaktische Prinzipien im Fall von TN1 und schließlich wieder stark implizit, was die fachterminologische Anbindung angeht, aber mit detaillierter Kenntnis möglicher Handlungsalternativen vor einem stringenten fachdidaktischen Theoriebezug bei TN16. Auffällig ist im Vergleich von TN1 und TN16 auch die

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Empirische Analysen

stark normative („knapper hätte ausfallen MÜSSEN“) Orientierung der Versprachlichung, die der fragenden Formulierung („ob“, „an welcher Stelle“ etc.) gegenübersteht. Eine weitere, längere Erzählung von TN13 könnte an dieser Stelle ergänzend angeführt werden. Die Studentin schildert ähnlich wie TN16 ein Problem durch genaue Beschreibung und Herstellung stringenter Bezüge zwischen konkreten unterrichtlichen Handlungsentscheidungen, deren Ausrichtung an übergeordneten Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts und Beobachtungen ihrer Wirkung im Unterricht. Die sehr lange Passage widmet sich dem Problem des so genannten induktiven Grammatikunterrichts und zeigt ebenfalls reflexiv handlungskompetent, wie hier ein Problem durch immer neue Differenzierungen umgewälzt wird. Die Passage wird in Abschnitt 9.3.2.2 eingehend analysiert und bleibt daher an dieser Stelle ausgespart. 9.2.3.1.3 Zwischenfazit Es können an dieser Stelle nicht im Detail die Repräsentationen von Grammatik und Grammatikunterricht der Studierenden rekonstruiert werden. Bei der vorgenommenen Analyse ist jedoch die Dominanz traditioneller Formfokussierung auffällig, die sowohl in den Praktika beobachtet wird (vgl. 5:19) als auch den im Praktikum gestalteten Unterricht bestimmt (vgl. 7:3; 13:4042; 18:9). Was die Vermittlung sprachlicher Strukturen und grammatischer Regeln angeht, ist ein Bruch zur allgemein postulierten Ausrichtung des Französischunterrichts an kommunikativ-inhaltlichen Zielen festzustellen, der – auch wenn dies hier nicht im Detail nachgezeichnet werden soll – auf eine geringe Verarbeitungstiefe der Rolle und Funktion von Grammatik und Sprachreflexion schließen lässt. Das eigene Experimentieren mit alternativen Ansätzen im Praktikum konnte bei Unterrichtsbesuchen ansatzweise beobachtet werden, in den meisten Fällen überwiegen auch hier traditionelle methodisch-didaktische Entscheidungen, die dem Present-Practice-ProducePrinzip folgen, das nicht immer kompatibel ist mit den Prinzipien kompetenzoder aufgabenorientierter Vermittlung und Einübung sprachlicher Strukturen. Die Problematisierung des Themas ist in den offenen Reflexionen erkennbar – wie beispielsweise in der rückblickenden Überlegung, die futur-

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composé-Einführung „aufgabenorientiert“ zu gestalten (18:9), in den Fragen, die bei TN1(1) („Grammatik kommunikativ beibringen“) und TN16 („an welcher Stelle man die Grammatik ins Spiel bringt“) oder bei der Beobachtung von Grammatiklastigkeit im Widerspruch zu den Curricula bei TN5. Auch der Nexus Grammatik und Schülerorientierung – festgemacht am so genannten „induktiven Grammatikunterricht“ – wird problematisiert, beispielsweise bei TN13. Man könnte daraus schlussfolgern, dass die theoriebezogene Reflexion entkoppelt bleibt von einer Wahrnehmung der Praxis, die gleichsam als naturgegeben angenommen und entsprechend handelnd reproduziert wird. Der ‘Sog der Praxis’ scheint stärker zu sein als der Versuch, Prinzipien wie Kompetenz- und Aufgabenorientierung durch Versuche alternativer Handlungsoptionen ‘mit Leben zu füllen’. Auffällig sind hier vor allem die Brüche, die sich zwischen der Explizierung fachdidaktisch-normativer Prinzipien einerseits und der Schilderung beobachteter und realisierter Praxis andererseits ergeben: Die Frage, welches unterrichtliche Handeln denn als kompetenz-, handlungs- oder aufgabenorientiert, als „induktiv“ und schülerorientiert gelten kann, wird kaum als Problem aufgeworfen. Die aus dem fachdidaktischen Diskurs übernommenen und als normativ scheinbar akzeptierten Prinzipien werden in der Reflexion von Unterricht mit der Beschreibung von Praktiken verbunden, die kaum kompatibel erscheinen, wobei auch das Problem der festzustellenden Kontingenz methodisch-didaktischer Entscheidungen nur sehr punktuell reflektiert wird. Hier ist allerdings kritisch anzumerken, dass bislang kaum empirische Befunde dafür vorliegen, dass ein nach den curricular propagierten Prinzipien gestalteter Fremdsprachenunterricht wirkungsvoller wäre als andere Formate. Es handelt sich hier um ein greifbares Beispiel für das in Abschnitt 7.3.2 erläuterte Problem, dass es in fachdidaktischen Kontexten für sehr viele unterrichtspraktische Fragen keine empirisch überzeugenden oder ‘eindeutigen’ Erkenntnisse hinsichtlich der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit bestimmter Methoden für bestimmte Lernziele gibt. Für die Diskussion der Codings zum Grammatikunterricht ist hier auch weniger bedeutsam, ob die Studierenden ‘richtig’ handeln, sondern vielmehr die Beobachtung in sich widersprüchlicher Argumentationen und Beschreibungen, die explizit und

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implizit auf nicht kompatible Konzepte rekurrieren, den Studierenden in ihrer Widersprüchlichkeit jedoch kaum bewusst zu sein scheinen. Es kann hinsichtlich des Versuchs, aus den Interviewtexten eine Interimsdidaktik zu rekonstruieren, festgehalten werden, dass im Kontext des hier untersuchten Moduls eine Hierarchisierung sprachlicher Fertigkeiten und Kompetenzen in der Wahrnehmung und Planung von Französischunterricht zu beobachten ist: Dominant sind Reflexionen zu den sprachlichen Mitteln Wortschatz und Grammatik, die an den meisten Stellen nur brüchig oder sogar basierend auf Fehlvorstellungen mit den kommunikativen Kompetenzen oder übergeordneten Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts assoziiert werden. Hinsichtlich der Identifikation reflexiver Handlungskompetenz ist hier zwar der Rekurs auf fachdidaktisches Wissen deutlich erkennbar, die Stimmigkeit der Schilderungen (in Abstraktionsgrad, Explizierung und fachlicher Stringenz) ist jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt. In inhaltlicher Hinsicht entsprechen die Ergebnisse denen, die Raith (2011) in seiner Arbeit zu professionellen Kompetenzen im Bereich der Aufgabenorientierung herausgearbeitet hat (vgl. Abschnitt 5.13). Hier lassen sich starke Parallelen bei der Repräsentation von Grammatikunterricht feststellen: Raith untersucht ebenfalls über eine Inhaltsanalyse, welche der Standards, die er der Kompetenz, aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht zu gestalten, von den beteiligten Referendar*innen wie häufig und in welcher qualitativen Ausprägung angesprochen werden. Er konstatiert „[f]ehlende Kompetenz für Bewusstmachung formaler Aspekte“: Die zugeordneten Textstellen aus seinen Interviews entsprechen beinahe ausschließlich einer Reflexion auf der untersten Kompetenzstufe: „Sie unterrichteten zwar formale Aspekte, betteten dies aber nicht in einen Aufgabenprozess ein, der den funktionalen Kontext der sprachlichen Form in den Vordergrund stellt“ (Raith 2011: 126). Ähnlich wurde auch im hier vorliegenden Interviewmaterial beobachtet, dass zwar das Konzept der Aufgabenorientierung bekannt ist, aber im Reden über unterrichtliches Handeln kaum mit den dazugehörigen Repräsentationen von „Grammatikunterricht“ verknüpft wird.

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9.2.3.2 Subkategorie „Interaktion/Unterrichtsgespräch“ Die Subkategorie „Interaktion/Unterrichtsgespräch“ deckt eine große Bandbreite fremdsprachendidaktischen Handelns ab, die vom (fremd-)sprachlich angemessenen Unterrichtsdiskurs über Handlungsorientierung und Schüleraktivierung bis hin zur Sprachkompetenz der Lehrkraft reicht. Diese Bandbreite mag auch die Quantität der codierten Textstellen erklären. Bei der späteren Analyse einzelner Textstellen (vgl. Abschnitt 9.3) ist zudem im Nachhinein bei zahlreichen Passagen aufgefallen, dass die Subkategorie „Interaktion/Unterrichtsgespräch“ ebenfalls hätte vergeben werden können. Sie berührt viele Einzelaspekte, die sich auf eher unterrichtstechnische Probleme (z.B. das Ausfüllen von Lücken auf einer OHP-Folie (11:39)) oder abstraktere Fragen der Strukturierung des Unterrichtsdiskurses (z.B. ‘Offenheit vs. Geschlossenheit’ in Grammatikphasen (vgl. 13:48)) beziehen können. Auffällig im Vergleich zu den anderen dominanten Subkategorien fachdidaktischen Wissens ist zudem die geringe Anzahl spontaner Nennungen durch die Interviewpartner*innen: In nur sieben Fällen sprechen die Studierenden Aspekte von Interaktion spontan an, gegenüber jeweils mehr als doppelt so vielen in den Subkategorien „Fertigkeiten“ (15 spontane Beiträge), „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ (17 spontane Beiträge) und „Schülerorientierung“ (15 spontane Beiträge). Reflexionen finden hier also stark gelenkt statt. Dies ist hinsichtlich der Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz insofern interessant, als die Kategorie „Interaktion“ offenbar bei der Planung – beispielsweise im Sinne von Problemantizipation – eine untergeordnete Rolle spielt, ebenso wie sie bei der Reflexion ex post sich nicht als unmittelbar aufschlussreicher Bereich für das Verstehen von Unterricht ‘aufdrängt’. Dennoch ist die Kategorie ergiebig in dem Sinne, als hier mehrperspektivisch-zyklische Reflexionen beobachtbar sind, die auf adaptives, schülerorientiertes Handeln hinweisen. Die folgenden Abschnitte diskutieren einige thematisch dominante Bereiche, die die Kategorie inhaltlich bestimmen. 9.2.3.2.1 Sprachkompetenz Die Studierenden setzen sich in den Interviews intensiv mit Fragen der Sprachkompetenz auseinander, die unterschiedliche Bereiche berührt und

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stark ausdifferenziert wird. Es finden sich einige Äußerungen zur zielsprachlichen Kompetenz und der Wahrnehmung „gelungenen“ Unterrichts hinsichtlich des eigenen Könnens in der Fremdsprache. In der Reflexion von Unterricht wird das curriculare Ziel der „Einsprachigkeit“ deutlich als normativer Bezugspunkt erkennbar. Gelungener Unterricht ist in diesem Sinne in erster Linie Unterricht, der in der Zielsprache stattfindet, die von der Lehrkraft „perfekt“ beherrscht und von den Schüler*innen idealerweise durchgängig benutzt werden soll. Im Bezug auf das Microteaching formuliert beispielsweise TN8 als Bezugspunkt der Reflexion die Selbstwahrnehmung der Lehrkraft beim fremdsprachlichen Handeln: „[…] und dann wirklich zu schauen, ‘ja wie fühle ich mich, kann ich das auch auf Französisch eine ganze Stunde Französisch gestalten’ //mhm//, was ja eigentlich Ziel sein sollte //mhm mhm//, die Einsprachigkeit zu fördern“ (8:14).

Auch wahrgenommene Defizite in der eigenen fremdsprachlichen Kompetenz werden thematisiert und mit berufsbiographischen Zukunftsplänen („nochmal ins Ausland gehen“ (10:52)) assoziiert. Andere Passagen schildern Beobachtungen zu sprachlichen Fehlern der Lehrkraft (z.B. 15:7). Wenn auch das Ziel der nativnahen Sprachkompetenz stark thematisiert wird und Beobachtungen und Reflexionen in diesem Bereich vorkommen, so ist doch darüber hinaus auffällig, wie sprachliches Können mit anderen Aspekten von Unterrichtsgestaltung assoziiert wird und dadurch eine definitorische Differenzierung erfährt. Als solche Differenzierungen sind bei der Durchsicht der Codings zur Kategorie „Unterrichtsgespräch/Interaktion“ vor allem die Bereiche Adaptivität, Körpersprache und Zeitmanagement aufgefallen. Diese sind eng mit der Sprachlichkeit verbunden, weisen aber weit über „fremdsprachliche Kompetenz“ im engeren Sinne hinaus. Sie erscheinen darüber hinaus stark interdependent, sodass ihre isolierte Darstellung in die Abschnitte „Adaptivität“, „Ganzheitliche Sprachlichkeit“ und „Zeitmanagement“ für die folgende Darstellung vor allem aus Transparenzgründen vorgenommen wurde. Auffällig in den Textstellen sind Reflexionen zu Versuchen,

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sich in der Interaktion auf die Schüler einzustellen, also das eigene sprachliche Handeln adaptiv so zu gestalten (oder zu verändern), dass eine Interaktion in der Zielsprache möglich wird. Zur Adaptivität tragen körpersprachliche Aspekte und die Art des Gebrauchs der Zielsprache (oder auch anderer Sprachen) bei. Ein weiterer Aspekt, der die Gestaltung des Unterrichtsdiskurses beeinflusst, ist das Zeitmanagement. 9.2.3.2.2 Adaptivität In insgesamt sieben Codings thematisieren die Studierenden Probleme der Anpassung des eigenen Handelns im Unterricht an die Gegebenheiten der Lerngruppe oder einzelne Schüler*innen. Dabei spielen Scaffoldings und mediatorisches sprachliches Handeln (z.B. Sprachwechsel, Umschreibungen, verschiedene Erklärungsansätze), Körpersprachliches oder auch die Planung vor einem bestimmten Ziel (z.B. Aktivierung der Schüler) eine Rolle. Ein Beispiel für die sprachliche Anpassung findet sich im Interview mit TN7, die bei einer nicht verstandenen Äußerung die Strategien „Wiederholung“ und „anders aufbereiten“ nennt, welche jedoch das Problem nicht lösen, ebenso wenig wie die Strategie „Erklärung durch eine andere Person“ (hier durch einen Mitschüler), die allenfalls eine „Ahnung“ verschafft: „[…] aber die Frage wurde nicht verstanden von dem Schüler, der letztendlich gefragt wurde //achso ja//. Und dann musste man das Ganze ja nochmal //mhm mhm// wiederholen beziehungsweise anders aufbereiten, und ich glaube, dass es dann letztendlich so gelöst wurde, dass dann nachdem der oder die Schüler/-in das dann nochmal erklärt hat, der Schüler so eine leichte, mehr Ahnung hatte als vorher, aber auch nicht so ganz erhellt war […]“ (7:30).

Die realisierten Handlungsalternativen bleiben erfolglos, bis das ‘Erklärparadigma’ an sich verlassen wird: TN7 schildert im Fortgang der Passage, dass der Schüler die Aufgabe in dem Moment zu verstehen scheint, wo ein Mitschüler einen Lösungsversuch äußert, die Interaktion also von der Umformulierung der Frage gelöst wird und stattdessen einen Beitrag, der das zu lösende Problem aus eben diesem Lösungsvorschlag heraus verständlich macht, in die Interaktion einbringt:

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„[…] und dann hat jemand anderes seine Lösung //ahja okay//, also seine Antwort auf die Frage gesagt und die war dann eben auch richtig und dann hat es bei allen wohl so ‘klick’ gemacht“ (7:30).

Die Passage zeigt einerseits den Versuch des Einsatzes adaptiver Strategien, die Verstehen in der Fremdsprache ermöglichen sollen. TN7 verfügt über diese Strategien, spielt sie in der konkreten Situation durch und reflektiert die Alternativen bewusst. Die ‘Überraschung’ der Praxissituation besteht jedoch darin, dass die Lösung des Problems in einem Bereich liegt, den TN7 planerisch nicht bedacht hat und als reflection in action auch nicht strategisch eingesetzt hat. Die für das Verstehen der Aufgabe „erhellende“ Präsentation einer Lösung liegt jenseits des Bereichs, in dem sämtliche Handlungsalternativen verortet sind (nämlich im Bereich variantenreicher Erklärungen durch die Lehrkraft). Erst die Praxis, die gerade keine Erklärung – wie adaptiv diese auch immer gestaltet sei – durch die Lehrkraft, sondern die Formulierung einer möglichen Lösung durch einen Mitschüler als funktionierende Alternative offenbart, erweitert hier den reflexiven Spielraum und führt zu einer alternativen Rahmung der gesamten Situation. Die funktionierende Praxis („dann hat es bei allein wohl so ‘klick’ gemacht“) kann in diesem Fall als Modell fungieren, in ähnlichen Situationen ebenfalls – diesmal als bewusste Strategie – übernommen zu werden. Ein weiteres Beispiel für die sprachliche Gestaltung des Unterrichtsdiskurses findet sich im Interview mit TN13, die sich mit dem Feedback der Mentorin zum Gebrauch einer Struktur, über die die Schüler aktiv noch nicht aktiv verfügen, auseinandersetzt: „Zum Beispiel hatte sie meine Sprache kritisiert und hat gesagt, ich hätte die Schüler ÜBERfordert, weil ich, das war eine achte Klasse, weil ich zum Beispiel ein conditionnel benutzt habe bei meinem eigenen Sprechen //mhm mhm//, den die vor mir nicht kennen können und deshalb es nicht verstehen könnten und ich kenne das ja eigentlich eher so, dass man sagt (.) naja das ist einfach der Input, ich meine ich bin auch keine Muttersprachlerin, aber so ist jetzt mein Sprachinput, den ich Ihnen gebe und ich hatte schon das Gefühl, dass immer klar wurde, was ich von ihnen MÖCHTE //ja ja//, also dass das Verständnis ja schon viel WEITER ist als diese analytische Fähigkeit, ‘ah, sie spricht jetzt im conditionnel’ //mhm mhm// und da war ich dann nicht ihrer Meinung, dass ich da meine Sprache hätte anpassen müssen //ja// auf dieses Niveau“ (13:8).

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Die Episode schildert den Konflikt verschiedener Bezugspunkte für die Gestaltung des sprachlichen Inputs, den die Lehrkraft gestaltet: TN13 zielt in ihrem sprachlichen Handeln auf Authentizität und pragmatisches Funktionieren hinsichtlich sprachlicher Interaktionen ab („dass immer klar wurde, was ich von ihnen MÖCHTE“), während die Mentorin den Unterrichtsdiskurs an der sprachsystematischen Progression der aktiven und analytischen Kompetenz der Schüler entlang gestaltet sehen möchte („conditionnel noch nicht kennen“). Hier wird in einer konkreten Situation die Frage verhandelt, wie ein konsequent schüler- und handlungsorientierter Unterrichtsdiskurs beschaffen sein sollte, wobei TN13 die Wahrnehmung, dass die Schüler sie verstehen (weil sie die Aufgaben bearbeiten können), zur Rechtfertigung der Beibehaltung möglichst authentischer – und eben auch entsprechend komplexer – Sprache heranzieht, während die Mentorin eine Anpassung des Inputs an den auch aktiven Sprachstand der Schüler fordert. Die Passage wurde auch mit der Kategorie „Schülerorientierung“ codiert, die hier von TN13 als etwas beschrieben wird, das in dem Moment, wo das Verstehen gefährdet ist, hergestellt werden muss und nicht als eine planerische Entscheidung, die sich vorweg an einem Könnensstand der Schüler*innen orientiert, den TN13 per se in seiner Gleichsetzung aktiver und rezeptiver Kompetenz kritisiert. Schülerorientierung bedeutet für sie nicht antizipierte Anpassung an eine mehr oder weniger formal (beispielsweise durch die Lehrwerkprogression) determinierte, unterstellte Kompetenz der Lernenden. Vielmehr geht es ihr, um eine Anpassung in der Kommunikationssituation selbst, deren sprachliche Gestaltung so authentisch (und komplex) wie möglich ist, und Schülerorientierung selbst als kommunikativen Prozess (adaptive Reaktion der Lehrkraft auf ausbleibendes Verstehen) integriert. 9.2.3.2.3 Körpersprache, Gestik, Mimik, Stimme Ein anderes Beispiel für die Umsetzung von scaffoldings thematisiert TN1, die sich bewusst die Unterstreichung verbaler Äußerungen durch Gestik und Mimik vornimmt, von deren Notwendigkeit sie im Anfängerunterricht überzeugt ist:

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„Zum Beispiel, da hatte ich eine Stunde im Anfangsunterricht und ich hatte mir das von vorne herein eigentlich auch vorgenommen, dass ich alles nicht nur verbal, sondern auch mit Gestik und Mimik //mhm// halt unterstreiche und das merkt man dann eigentlich gar nicht, man macht es dann einfach nicht, wenn man noch nicht diese Routine hat, und da hat die Lehrerin mich dann halt auch darauf hingewiesen, (.) das kommt einfach mit der Zeit //ja// und die brauch[en] das einfach die (.) Anfänger, also Sechstklässler waren das dann halt“ (1:56).

Hier wird ein Bruch zwischen dem Versuch der Steuerung des Sprachverhaltens im Unterricht und des eigenen – authentischen und verkörperlichten – Sprechmodus beschrieben: Obwohl ein Problem bewusst ist und in der Planung berücksichtigt wird („von vorne herein eigentlich auch vorgenommen“) wird in der Handlungssituation selbst anders agiert – „das merkt man dann eigentlich gar nicht“ – der Körper verharrt sozusagen im Automatismus spärlicher Gestik und Mimik, die außerhalb des Klassenzimmers für TN1 authentisch ist. TN1 betont hier die Notwendigkeit unmittelbaren Feedbacks durch die Mentorin, die „dann halt auch darauf hingewiesen“ hat. TN18 schildert den Gewinn von Rückmeldungen ähnlich, wobei sie den aktiven Part des Einholens von Feedback hervorhebt: „[…] gerade auch weil dann öfter mal Fragen aufkommen ‘sag mal spreche ich das irgendwie komisch aus?’ //Aha, aha//, oder (.) mir hat mal jemand gesagt, ich würde immer so LEISE sprechen“ (18:43).

In diesem Kontext ist es sicherlich kein Zufall, dass bei dem Item, bei dem die Förderlichkeit der Rückmeldungen von Lehrkräften und Mentor*innen beurteilt werden soll, mehrmals Beispiele aus dem Bereich des – im weitesten Sinne – Körpersprachlichen formuliert werden. Neben der Unmittelbarkeit der Rückmeldung, der ausgiebigen Zeit für Gespräche, die die Mentor*innen aufbringen, sowie der Modellfunktion der Lehrkräfte (vgl. Schädlich 2015: 272), thematisieren sieben Interviewpassagen Rückmeldungen zu Körpersprache und non-verbalem Handeln. So schildert TN10 eine Rückmeldung der Mentorin zu ihrer Körperhaltung:

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„Also, ich stand irgendwie immer ganz komisch da, und das hat mir mal eine Lehrerin dann gesagt //mhm mhm//, das liegt daran, dass meine Schulter immer wehtat und ich immer so stand, aber das sieht natürlich //achso// extrem verängstigt aus“ (10:12).

Interessant an dieser Textstelle ist die Deutung des körpersprachlichen Zeichens: TN10 ist einerseits dankbar für die Rückmeldung und ihre bewusstmachende Funktion („man ein paar Sachen einem bewusst gemacht wird, //ja// die man selber gar nicht bemerkt“ (10:12)). Andererseits ‘korrigiert’ sie die Deutung der Lehrkraft, die der Körperhaltung „Verängstigung“ attribuiert, während TN 10 selbst ihre Haltung auf Schmerzen in der Schulter zurückführt. Hier ist das Feedback insofern interessant, als eine mögliche Wirkung körpersprachlicher Zeichen thematisiert wird, die entkoppelt von der Ursache entstehen kann und die der Wirkung durch das Feedback dem Zeichen eine andere Ursache ‘unterschiebt’. Das Beispiel zeigt, wie sensibel und potenziell suggestiv bis verletzend Rückmeldungen sein können, die Annahmen versprachlichen und damit Zuschreibungen vornehmen, die von anderen Beteiligten anders interpretiert werden. Bei diesen Textstellen wird in hohem Maße erkennbar, wie stark sprachliches Handeln und das Gelingen von Kommunikation habitualisiert, körperlich verankert und praxisbestimmend ist, obwohl dieser Bereich als fachdidaktische Kategorie (beispielsweise in Einführungswerken oder in Kompetenzstandards) kaum präsent ist34. Auch im Begleitseminar wurde non-verbale Kommunikation nicht ausdrücklich thematisiert. Dieser Umstand wird auch in zwei Interviewtexten angesprochen: „Also so Sachen wie zum Beispiel (.) Schüler nicht, war mir jetzt nicht klar, Schüler zum Beispiel jetzt nicht von vorne begegnen, also, dass man sich in die Augen //mhm mhm// guckt und auf einer Ebene ist, sondern eher SO sich positionieren, dass man die ganze Klasse im Blick hat //ja//, weil sonst entgleitet einem die Klasse //ja//, wenn man sich mit einer Person beschäftigt //mhm mhm ja//. Also solche Sachen, das sind //mhm// also die Praxisanteile hier //ja ja// und 34

In den Kanndeskriptoren des GER oder der niedersächsischen Kerncurricula finden sich Ansätze, zumindest die Diktion näher zu beschreiben und an das Gelingen von Kommunikation zu koppeln. So beispielsweise in Formulierungen wie „wenn langsam und deutlich gesprochen und dabei Standardsprache verwendet wird“ (Niedersächsisches Kultusministerium 2009: 15).

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da soll jetzt aber auch nicht der Theoriepunkt, also unter Theorie will ich eben das fassen, was wir bei Ihnen gemacht haben //mhm//. Das soll jetzt nicht zu kurz kommen, das wird mir AUCH nützen in dem Sinne, dass ich HANDLUNGSwissen erworben habe in diesem Seminar //ja//. Das sind Sachen (..), die glaube ich auch erst einem bewusst werden, wenn man in diesem anderen Ausbildungsphasen beziehungsweise //mhm// letztendlich im Beruf //mhm mhm// steht“ (7:42).

TN7 differenziert in dieser Passage zwei Arten von „Theorie“, die sie unterschiedlichen Phasen der Ausbildung zuschreibt. Das Körpersprachliche schreibt TN7 hier der Praxis zu, als Thema einer theoretischen Auseinandersetzung bleibt das in der Praxis erfahrene Problem ausgeklammert. Die Praxis verbleibt hier in der Praxis und vergewissert sich ausschließlich aus dieser heraus. Die denkbare Reaktion, auch zu solchen Aspekten, die sich in der Praxis als relevante Bedingungen der Unterrichtsgestaltung herauskristallisiert haben, Lektüren anzuregen oder beobachtete Phänomen überhaupt abstrahierend beschreiben zu wollen, bleibt hier aus. Der Schritt aus der Praxis in die Theorie, in die Beschäftigung mit fachdidaktischen oder erziehungswissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit Positionierung im Raum, Blickkontakt und Aufmerksamkeitsfokussierung befassen, erscheint für TN7 nicht nötig. Es wird gerade nicht thematisiert, dass solche Texte in den Begleitseminaren wünschenswert gewesen wären, um entsprechende Praxissituationen besser zu verstehen und alternative Handlungen entwickeln zu können. Stattdessen findet eine Zuschreibung zur „Praxisausbildung“ statt. Ähnlich formuliert TN6: „Und auch so Kleinigkeiten wie im (.) Seminar vielleicht, ja die da überhaupt keine Rolle spielen //ja// (..) JA, so wie man sich verhält, so Kleinigkeiten, auch so Körpersprache //mhm mhm// und so weiter, //ja// da dann eine Rückmeldung zu bekommen“ (6:43).

Sie nimmt dabei eine wertende Hierarchisierung vor: „Kleinigkeiten“, die im Seminar „keine Rolle spielen“. „Wie man sich verhält“ und „Körpersprache“ – erhalten dadurch, dass sie im Seminar nicht thematisiert werden, eine untergeordnete Wichtigkeit, obwohl die Erfahrung der Rückmeldung in der Praxissituation als wertvoll geschildert wird.

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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9.2.3.2.4 Zeitmanagement und Unterrichtsökonomie In einigen Interviews wird die zeitliche Dimension unterrichtlichen Handelns thematisiert. Hier spielen einerseits wiederholte Äußerungen zu mangelnden Erfahrungswerten eine Rolle – „wir können ja selber noch gar nicht einschätzen, wie lange etwas dauert“ (18:45) –, andererseits werden in zahlreichen Passagen Wahrnehmungen von Zeitproblemen mit Reflexionen auf zwei Ebenen verbunden: Versuchen, das eigene Zeitempfinden zu erklären auf der einen Seite, und Überlegungen zum „Wert zeitlicher Investitionen“ für gelingende Interaktionen auf der anderen Seite. TN19 schildert beispielsweise ihre Ungeduld, die sie mit dem „Überlegen“ der Schüler*innen abgleicht und damit eine didaktische Notwendigkeit der „Stille“ konstruiert, die sie aber wiederum „unangenehm“ findet: „Also wenn diese, diese Stille, man […] gibt dann Aufgabenstellungen oder stellt eine Frage //mhh//, und es ist halt diese Stille da, die ja an sich nicht schlecht ist. Das heißt ja, irgendwer anscheinend überlegt gerade //ja//. Und die war mir immer sehr unangenehm und dann habe ich (.) zu schnell in das Geschehen eingegriffen“ (19:36).

Ähnlich – allerdings in den Beschreibungskategorien differenzierter – reflektiert TN7 die Bearbeitungsdauer bestimmter Aufgaben mit den „komplexen Prozessen“, die bei den Schüler*innen die fremdsprachliche Produktion verlangsamen: „Aber das war eben so ein Punkt, wo man darüber spricht [mit den Mitpraktikantinnen; B.S.], wie viel Zeit verwendet //ja// man auf was //mhm mhm//. Oder wäre die Aufgabe jetzt nicht besser, wenn man das mündlich machen lässt //ja mhm// anstatt schriftlich oder ja eben, dass man auch (.) Zeit abschätzen lernt //mhm ja//. Also, wenn man jetzt gerade irgendwie am Anfang von irgendeiner Aufgabe denkt, ‘zehn Minuten sind aber viel’, aber das dann nochmal REFLEKTIERT und auch GUCKT, in welchem Stil und in welcher Gewissenhaftigkeit die Kinder arbeiten, und bei uns geht Schreiben in der Fremdsprache ja fast automatisch //ja//, da [bei den Schülern; Ergänzung durch B.S.] laufen ja unheimlich komplexe Prozesse ab //mhm//, die alle berücksichtigt werden müssen“ (7:32).

Hier wird nicht nur die eigene Reaktion auf wahrgenommene Längen geschildert, sondern der Zeitfaktor wird zum Reflexionselement, vor dem Planungsentscheidungen getroffen werden: Die Frage, wieviel Zeit eine

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Empirische Analysen

Aufgabe oder Phase in Anspruch nehmen soll, wird mit vermuteter Effektivität assoziiert. Den planerischen Fluchtpunkt bildet das Ziel, Unterricht möglichst ökonomisch gestalten zu können. Die Reflexion über Zeitfaktoren wird von TN7 auch als wichtiger Aspekt des Austauschs mit der Mitpraktikantin und den betreuenden Lehrkräften geschildert, wo den zeitlichen „Investitionen“ unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben werden: „[…] wo glaube ich, wir unterschiedliche Ansichten darüber hatten, wie viel Zeit auch dazu jetzt angemessen war //ahja okay// oder auch nicht //mhm//. Also, ob wir, ob man das jetzt einfach schnell hätte lösen können //also diesem Verständnisproblem einfach so viel Raum zu gewähren? //. Genau, also, dass man //mhm mhm// eben das umformuliert, also, //mhm mhm// innerhalb dieser Sprache bleibt und es sich ja eigentlich völlig einfach machen könnte, indem man sagt ja jetzt ‘ich habe gerade dies und das gesagt’, //mhm// also einfach die Sprache wechseln“ (7:28).

Hier wird der zeitliche Aspekt mit „Raum gewähren“ assoziiert, Fluchtpunkt bleibt die Geschwindigkeit, mit der ein kommunikatives Problem gelöst werden kann, wobei das angewendete mediatorische Verfahren (die Frage umformulieren oder durch einen Mitschüler formulieren lassen, wie im Beispiel in Abschnitt 9.2.3.2.2 beschrieben) als langsames einem schnellen des Sprachenwechsels (die Frage wird von der Lehrkraft in deutscher Sprache wiederholt) gegenübergestellt wird. Der (schnelle) Sprachenwechsel wird dabei mit „es sich einfach machen“ assoziiert, während der genaue Gewinn des Verbleibens und Reformulierens in der Fremdsprache implizit bleibt. Hier unterliegt gegebenenfalls die Überzeugung, dass dem Handeln in der Fremdsprache per se ein größerer Lerneffekt zugeschrieben wird als einem mehrsprachigen Unterrichtsdiskurs. Durch das curricular festgelegte Postulat der „funktionalen Einsprachigkeit“ (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2009: 8) wird eine solche Überzeugung weiterhin plausibilisiert. Hier verweist die Diskussion eines von der Studentin als abweichend (aber zeitsparend) markierten Kommunikationsverhaltens auf das, was als Selbstverständlichkeit unterliegt und deshalb gar nicht mehr zur Sprache gebracht werden muss, obwohl es gegebenenfalls ebenso fragwürdig und kritisierbar wäre. Eine solche Kritik könnte theoriebasiert sowohl aus der

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Perspektive der funktionalen Einsprachigkeit selbst (vgl. Butzkamm 2003) formuliert werden, als auch aus der Perspektive didaktischer Ansätze, die Mehrsprachigkeit als „Voraussetzung und Ziel“ (vgl. Hu 2004) von Fremdsprachenunterricht ansetzen. Diese thematisieren zunehmend auch nach sprachmittelndes und mehrsprachiges Handeln und diskutieren dessen Gewinn für kommunikative Aushandlungen (z.B. im Sinne von translanguaging bei García (2009)). 9.2.3.2.5 Zwischenfazit Die Subkategorie „Interaktion/Unterrichtssprache“ wurde als offene Kategorie beschrieben, die sehr viele verschiedene Ansätze bei der Beschreibung und Reflexion von Unterricht einschließt. Als reflexiv handlungskompetent erscheinen dabei solche Interviewpassagen, in denen der sprachliche Lernprozess und das Bemühen um die Herstellung eines kommunikativ authentischen Unterrichtsdiskurses den Fluchtpunkt der Überlegungen darstellt. So sind beispielsweise die Äußerungen von TN1 zu Gestik und Mimik, von TN7 zu mediatorischen und sprachwechselnden Äußerungen oder zur Berücksichtigung der „komplexen Prozesse“ beim Schreiben reflexiv handlungskompetent, weil sie vom Verstehensprozess der Schüler*innen ausgehen und diesen nachzuvollziehen versuchen. Hier ist eine deutliche Überschneidung mit der Kategorie „Schülerorientierung“ (siehe Abschnitt 9.2.3.4) erkennbar. Als weniger reflexiv handlungskompetent werden Aussagen wie die stark normativen Aussagen von TN8 zum Ziel der Einsprachigkeit oder von TN15 zur Unterrichtsökonomie charakterisiert: Hier wird im einen Fall ein Bezugspunkt etabliert und unhinterfragt beibehalten, der gerade in stärker reflexiven Interviewtexten aus der eigenen Erfahrung und Unterrichtsbeobachtung heraus problematisiert wird. Die Reflexionen beispielsweise von TN7 oder TN13 zur Unterrichtssprache sind gerade deshalb reflexiv handlungskompetent, weil sie erstens beschreiben, was die Praktikantinnen an sich selbst in der Interaktion mit den Schülern in authentischen Unterrichtssituationen beobachten, wenn sie versuchen, die curriculare Vorgabe der „funktionalen Einsprachigkeit“ zu realisieren, und zweitens handelnd Alternativen oder Lösungsstrategien für die aufgetretenen Probleme entwickeln. Das Bemühen

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Empirische Analysen

um Adaptivität überlagert hier die Realisierung des Ziels der Einsprachigkeit und stellt eine gleichsam abstrakte und spracherwerblich fragwürdige curriculare Forderung aus der Praxis heraus in Frage. Ähnlich wie im Absatz zu den sprachlichen Mitteln lässt sich auch hier eine Priorisierung normativer Setzungen wahrnehmen, die ‘zu erfüllen’ sind, obwohl sie gegebenenfalls einen auf inhaltsbezogene Kommunikation gerichteten Französischunterricht erschweren: Die Herstellung und Beibehaltung von „Einsprachigkeit“, die als starker normativer Bezugspunkt deutlich wird, erhält mehr Gewicht als die Reflexion zur Gestaltung eines Unterrichtsdiskurses, der authentischen inhaltlichen Austausch ermöglicht und aufrecht erhält und dabei gegebenenfalls auch auf andere Sprachen zurückgreift. Die Passagen zur Unterrichtsökonomie lassen sich ähnlich analysieren: Während das Zeitmanagement bei TN7 deutlich an die Frage des Könnensstandes der Schüler gekoppelt ist, also lernerorientiert reflektiert wird, formuliert TN15 als Fluchtpunkt von Unterrichtsökonomie, die „Message an den Mann“ (15 27) zu bringen. Ökonomische Planung wird hier primär aus der Perspektive der Lehrperson verstanden: Diese muss sprachlich kompetent sein, um die Wissensvermittlung („Message“) möglichst ökonomisch und störungsfrei gewährleisten zu können. Unterrichtliche Ökonomie kann je nach Bezugspunkt eine unterschiedliche Bedeutung erhalten: Adaptives Lehrhandeln, das im Sinne der Herstellung oder Sicherung eines inhaltsbezogenen Unterrichtsdiskurses verschiedene Chronologien, Dauern und Hilfen reflektiert und mit diesen Elementen experimentiert, unterscheidet sich grundlegend von einer Unterrichtsplanung, die auf möglichst zeitsparende Vermittlung abzielt, bei der eher monodirektional („Message an den Mann bringen“) als interaktiv und adaptiv gehandelt wird. Adaptivität ist in den Interviewtexten stark mit der Reflexion der Sprachkompetenz der Studierenden verbunden. Die vorangegangenen Abschnitte haben deutlich gemacht, dass diese von den Studierenden nicht nur im Sinne einer nativnahen Sprachkompetenz verstanden wird. Gerade die zahlreichen Äußerungen zum Körpersprachlichen weisen darauf hin, dass Unterrichtskommunikation als ganzheitliches Geschehen wahrgenommen

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wird und die Studierenden dahingehend reflektieren, dieses Bewusstsein mit entsprechenden Handlungen zu verbinden. Sprachliche Adaptivität ist also nicht nur eine Anpassung an den kognitiven Wissens- und Könnensstand der Schüler*innen, sondern wird mit übergeordneten kommunikationsrelevanten Aspekten assoziiert. Haack (2018: 64) führt hinsichtlich der professionellen Identität von Fremdsprachenlehrkräften aus, dass sprachliche Sicherheit als wesentliches Element gelten kann. Die hohe Anzahl von Äußerungen, in denen das eigene sprachliche Handeln und die ‘Sicherheit’ in der Fremdsprache reflektiert werden, verweist darauf, dass die Studierenden auch im Kontext des hier analysierten Datenmaterials ein prioritäres Moment von Selbstreflexion ausbuchstabieren. Hinsichtlich des Theorie-Praxis-Verhältnisses ist bei der Subkategorie „Unterrichtsdiskurs/Interaktion“ aufgefallen, wie wenig theoretischen und begrifflichen „Input“ die Studierenden zu diesen Bereichen in den Begleitveranstaltungen und gegebenenfalls auch in anderen Lehrveranstaltungen erhalten haben. Die Breite und qualitative Differenz der Reflexionen mag auch damit zusammenhängen, dass hier im Vorfeld und begleitend kaum theoretisch-konzeptionelle Bezugspunkte verfügbar gemacht wurden. Hier fällt jedoch (rückblickend aus der Perspektive der Dozentin) auch auf, dass weder in Einführungswerken noch in curricularen Texten Aspekte des Unterrichtsdiskurses eingehend oder empiriebasiert behandelt würden: Schlagworte wie „Kommunikation“, „Inhaltsorientierung“ und „authentische Sprache“ werden kaum mit konkreten Beschreibungen von Praktiken assoziiert.35 Die Begriffe bleiben vage und inhaltsleer, und beim Versuch, sie mit 35

Fachdidaktisch relevante Arbeiten, beispielsweise empirische Studien zur Interaktionsoder Konversationsanalyse, die international den Diskurs zum Zweit- und Fremdsprachenerwerb sehr dominant bestimmen und minutiöse Rekonstruktionen unterrichtlichen Handelns zugänglich machen, bleiben in der deutschsprachigen Fachdidaktik – vor allem in Einführungswerken und Praxiszeitschriften – deutlich unterrepräsentiert, obwohl sie vorliegen und den Forschungsdiskurs auch durchaus bestimmen. Der Bereich DaF scheint hier mehr Anleihen und Rückgriffe zu realisieren als dies für die Fachdidaktiken Englisch, Französisch und Spanisch beobachtet werden kann (siehe hierzu jedoch die Arbeiten von García García (2016)).

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handlungspraktischem Leben zu füllen, ergeben sich zahlreiche Leerstellen und Widersprüche. Ebenfalls parallel zu den hier erarbeiteten Ergebnissen konstatiert auch Raith (2011) die fehlende Reflexion sprachlicher Interaktion: Unterrichtliche Prozesse, bei denen interaktive Bedeutungsaushandlungen beobachtet werden können, werden von den Referendar*innen kaum reflektiert. So spielen beispielsweise Beschreibungen von Hypothesenbildungsphasen oder -überprüfungen im Unterrichtsgespräch kaum eine Rolle in den Interviews: „Die Ergebnisse der Analyse legen den Schluss nahe, dass die Reflexion über die Unterstützung von Prozessen der sprachlichen Interaktion bewusst vorgenommen bzw. angeleitet werden muss“ (Raith 2011: 127). Auch in der hier vorliegenden Studie ist deutlich geworden, dass der Unterrichtsdiskurs von den Studierenden häufig nicht vor dem Ziel der Herstellung von Inhaltsorientierung und Bedeutungsaushandlung reflektiert wird, sondern vor allem vor Fragen „einzuhaltender“ Einsprachigkeit, hinsichtlich Fehlerkorrektur und zeitlicher Gestaltung von Aufgaben, die jedoch ihrerseits quasi funktionslos beschrieben werden. Es könnte hier vor der Frage der Aufgabenorientierung ein enger Zusammenhang zwischen dem kaum inhaltlich reflektierten Unterrichtsdiskurs und der nach wie vor stark isolierten Thematisierung grammatischer Inhalte vermutet werden: Ein inhaltlich bedeutungsaushandelndes Unterrichtsgespräch kann nur entstehen, wenn formale Aspekte auch entweder selbst als Inhalte fungieren oder aber funktional eng an kommunikativen Belangen festgemacht werden. Wenn auch die unmittelbare Ableitung von Veränderungen des Moduls aus dem empirischen Material nicht unproblematisch ist (vgl. Abschnitt 11), so können gerade aus solchen Kategorien, die undifferenziert und begrifflich wenig angebunden bleiben, Veränderungsmöglichkeiten reflektiert werden. Unterrichtsdiskurs und Interaktion sind zentrale Momente fremdsprachendidaktischer Reflexion, die in den Interviews stattfindet, ohne dass sie in den Begleitveranstaltungen textbasiert systematisch vermittelt wurde. Die Reflexionen machen deutlich, dass hier stark auf unterliegende, nicht bewusstgemachte Normen rekurriert wird, die in den Begleitseminaren relativiert

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werden könnten. Das EPOSA hält hier einige Reflexionskategorien bereit36, die in Kombination mit Grundlagenliteratur im Modul verstärkt berücksichtigt werden sollten. Lohnend erscheinen hier beispielsweise Texte zum Thema scaffolding oder zur Einsprachigkeit bzw. deren Problematisierung vor Aspekten von Mehrsprachigkeit. Hinsichtlich der Interimsdidaktik ist die Kategorie „Unterrichtsdiskurs/ Interaktion“ vor allem in Bezug auf das Verhältnis beschriebener Praxis und kaum systematisiertem Textangebot in den Begleitveranstaltungen interessant. Während weiter oben zur Kategorie „Fertigkeiten/Kompetenzen“ nachvollzogen werden konnte, ob und wie der theoretische „Input“ der Begleitveranstaltungen sich in den Reflexionen transformiert und konkrete Texte und Diskussionen expliziert werden konnten, ist dies für die Kategorie „Interaktion“ in nur sehr geringem Ausmaß möglich: Hier zeigt sich auch der spezifische Wert des inhaltsanalytisch offenen Vorgehens, das von den subjektiv relevanten Verankerungen reflexiver Handlungen in den Praxiserfahrungen ausgeht und über den Versuch ihres Nachvollzugs auch auf unterrepräsentierte Themen der Begleitveranstaltungen stößt. 9.2.3.3 Subkategorie „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ Die Kategorie „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ weist Überschneidungen mit der Kategorie „Interaktion/Unterrichtsdiskurs“ auf. Im Gegensatz zu letzterer werden unter „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ jedoch stärker planerische und antizipierende Aspekte thematisiert, während für „Interaktion“ Reflexionen in und nach der Handlungssituation dominant sind. Die Kategorie

36

Die Kategorie „Interaktion mit den SchülerInnen“ (vgl. Newby et al. 2007: 43) sieht beispielsweise Deskriptoren vor wie „Ich kann die Aufmerksamkeit der SchülerInnen während der Unterrichtsstunde aufrechterhalten und maximieren“, „Ich kann auf die Initiative und Interaktion von SchülerInnen reagieren“. Die Kategorie „Sprache im Klassenzimmer“ (vgl. Newby et al. 2007: 45) fokussiert das Problem der Einsprachigkeit und weitet es mit „Ich kann die SchülerInnen bestärken, die Zielsprache mit anderen Sprachen, die sie sprechen oder gelernt haben, in Beziehung zu setzen, wenn dies nützlich ist“ auf den Bereich eines potenziell mehrsprachigen Unterrichtsdiskurses aus. Die Orientierung an einem ‘engen’ Verständnis von Einsprachigkeit als Ziel des Fremdsprachenunterrichts wird hier stark relativiert.

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„Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ ist einerseits hinsichtlich der beobachtbaren Normativität, an der Planungen ausgerichtet werden, interessant, andererseits hinsichtlich der Reflexion von Planungskriterien, die sich aus den Praxiserfahrungen heraus ergeben und entsprechenden Versuchen, diese reflexiv neu zu rahmen. Die Stimmigkeit der Planung wird in den Interviews erkennbar mit methodisch-didaktischen Entscheidungen und der Textsorte des Unterrichtsentwurfs assoziiert. Innerhalb eines formalen Schemas (Entwurf) reflektieren die Studierenden Inhalte, Lernziele und Phasen zur Bearbeitung in der Lerngruppe, deren chronologische Abläufe sowie zeitlichen Proportionen. Es werden im Folgenden zwei Tendenzen kontrastiert, die auf reflexive Handlungskompetenz in gegensätzlicher Form hinweisen: Auf der einen Seite finden sich Äußerungen, die die Einübung in ein als verbindlich wahrgenommenes Unterrichtsschema als Ziel des Moduls ansetzen und ihre Erfahrungen entsprechend reflektieren. Dies sind eher einperspektivisch-lineare Reflexionen. Auf der anderen Seite stehen Äußerungen von Studierenden, die den verstehenden Nachvollzug des Schemas thematisieren und es aus den Praxiserfahrungen heraus differenzieren oder auch gänzlich in Frage stellen. Hier handelt es sich meist um mehrperspektivisch-zyklische Reflexionen. Eine dritte Gruppe von Äußerungen bezieht sich darauf, dass das Schema des Unterrichtsentwurfs bestimmte Planungselemente und -probleme überhaupt erst ins Bewusstsein ruft: durch den handelnden Umgang mit dem ‘Modell’ werden reflexive Prozesse initiiert, die ohne den modellhaften Bezugspunkt wahrscheinlich ausbleiben würden. 9.2.3.3.1 Die Arbeit mit Unterrichtsentwürfen als Einübung in die Praxis und Reflexionsinstrument TN4 beschreibt den Gewinn des Praktikums (konkret geht es in der Interviewpassage um die Beurteilung von Feedback) in zunehmender Sicherheit, was die zeitliche Planung von Unterricht angeht: „Also, ich fand das schon echt hilfreich, besonders halt auch diese Zeitvorgabe, wieviel Minuten man was macht //ahja//, weil das ja auch immer sehr wichtig ist“ (4:5).

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Als typische Probleme im Praktikum werden Zeitangaben und die Gestaltung von Gelenkstellen genannt: „[…] weil das ist immer das Hauptproblem, wenn man dann im Praktikum ist //mhm//, dass man ganz oft sich mit den Zeitangaben verschätzt oder //ja// die Übergänge im Unterricht nicht laufen wie man sich das vorgestellt hat //mhm//, aber das ist ja später das, was man im Unterricht, also was man jeden Tag macht, von daher würde ich so ein bisschen mehr PRAXIS //mhm// nicht schlecht finden“ (4:9).

Die Textstellen wurden als einperspektivisch-linear reflektierend codiert. TN4 diskutiert hier das Planungsproblem in erster Linie als eines, das durch Einübung in die Praxis gelöst werden kann. In der Passage finden sich keine fachdidaktischen Bezugspunkte oder konkrete Schilderungen aus der Praxis davon, wann genau die Zeit wofür nicht reichte (wie beispielsweise in der Reflexion von TN7 in Abschnitt 9.2.3.2.4). Die Reflexion besteht in der Forderung nach „mehr PRAXIS“, die auch suggeriert, es gäbe so etwas wie gültige Zeitvorgaben, deren Aneignung durch Übung zur späteren Unterrichtstätigkeit („was man jeden Tag macht“) qualifizieren würde. Eine ähnliche Passage findet sich im Interview mit TN10: „Ja, den Teil von Frau x [Dozentin des Kurses ‘Grundlagen der Unterrichtsplanung’] würde ich wahrscheinlich noch ausweiten, weil das finde ich extrem wichtig ist, dass man Unterricht plant, dass man Tafelbilder entwerfen kann und so, weil das ja letztendlich das ist, womit wir später arbeiten“ (10:54).

In beiden Codings wird die Unterstellung erkennbar, es gäbe per se geeignete Planungen und Medien (wie Tafelbilder), deren Aneignung durch umfangreiche Übung professionelles Handeln ausmacht. Es unterliegt die Überzeugung von Professionalisierung als Anwendung eines Repertoires, das unabhängig von Adaptivität und analytischem Wissen zur jeweils spezifischen, individuellen Konstellation im Unterricht verbindlich geltend sei. Beide Textstellen formulieren als Bezugspunkt das spätere Unterrichten, bei dem bestimmte Praktiken „beherrscht“ werden sollen. Diese werden erstens als durch Übung erreichbar und zweitens als unabhängig von Funk-

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tionen, vor denen unterrichtliche Entscheidungen getroffen werden, beschrieben. In den Texten werden zwar funktionale Bezüge erkennbar, diese werden jedoch nicht thematisiert, Bezugspunkt für den Wunsch nach Einübung bleibt eine inhaltlich nicht weiter ausdifferenzierte Ausrichtung professionalisierender Angebote an dem, was „wir später können müssen“. Während in den Interviewpassagen von TN4 und TN10 eine stark durch Außenanforderungen bestimmte Vorstellung von Unterrichtsgestaltung impliziert ist, an die sich Studierende durch Übung annähern wollen, wird in anderen Interviews stärker relational reflektiert. Das Zeitproblem beispielsweise tritt in diesen Fällen deutlicher als Funktion anderer Probleme auf, oder es wird in Verbindung mit konkreten Zielen des Unterrichts oder einzelner Phasen reflektiert. Im Interview mit TN14 wird an einer Stelle thematisiert, wie eine methodische Entscheidung (konkret der Einsatz eines Gruppenpuzzles), die in der Planung durch zeitökonomische Gründe motiviert war, in der Reflexion vor weiteren Begründungszusammenhängen neu gerahmt wird. „[…] da gab es da zum Beispiel ein bisschen das Problem mit dem Zeitmanagement, das haben wir ein bisschen unterschätzt, und trotz allem habe ich das erste Mal das Gruppenpuzzle aus unterschiedlichen Perspektiven sehen können, also (...) Sie haben da nochmal so eine (.) eine neue Perspektive reingebracht //mhh//, das fand ich //mhh// sehr hilfreich tatsächlich, weil sonst hat man halt über das Gruppenpuzzle immer gesagt, dass es halt gut ist, weil es kooperatives Lernen fördert //ja//, weil es (.) arbeitsteilig funktioniert, dementsprechend schafft man mehr in kürzerer Zeit //ja//, also diese ganzen pragmatischen Gründe //ja//, aber wir hatten vor allem auch darüber gesprochen, dass es eben auch diese Handlungskompetenz fördert, dass man //ja//, wir hatten ja teilweise mit Videos gearbeitet //mhh//, mit Texten gearbeitet //mhh//, verschiedene MEDIEN, dass auf diese Weise natürlich verschiedene Ebenen auch gefördert werden konnten und //mhh// das fand ich gut, dass man eine Methode einfach auch mal aus diesem (.) Blickwinkel //ja, ja// betrachten kann“ (14:20) 37.

TN14 stellt hier verschiedene Begründungszusammenhänge zum Einsatz eines Gruppenpuzzles in Beziehung zueinander. Der ursprünglich „pragmatischen“ Entscheidung einer Zeitersparnis assoziiert sie ein lerntheoretisches 37

Die Textstelle bezieht sich auf die Stunde, bei der ich hospitiert habe und das anschließende Feedbackgespräch.

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Motiv, das sie vorher durch „weil es kooperatives Lernen fördert“ auch schon selbst andeutet. Die Förderung von „Handlungskompetenz“ im Umgang mit Texten und Medien, die im Feedbackgespräch eingebracht wurde, ermöglicht ein reframing der Situation vor weiteren, in diesem Fall spezifisch fremdsprachendidaktischen Kategorien: Gruppenpuzzle sparen nicht nur Zeit, sondern sie können darüber hinaus auch die Kompetenzentwicklung in der Fremdsprache fördern. Der Umgang mit den verschiedenen Texten und Medien löst Aushandlungsprozesse aus, welche die Schüler*innen zu sprachlicher und inhaltlicher Interaktion auffordern. Diese mehrschichtige Begründung ist in dieser Textpassage besonders interessant, gerade weil TN14 die Erzählung zu ihrer Erfahrung mit dem Gruppenpuzzle mit der Schilderung eines Zeitproblems einleitet. Die ursprüngliche, zeitökonomisch motivierte Planung des Gruppenpuzzles hat sich in der Praxis als nicht realisierbar erwiesen („ein bisschen das Problem mit dem Zeitmanagement“). Die ergänzende Begründung – Gruppenpuzzle fördern die fremdsprachliche Handlungsfähigkeit – könnte in anderen Situationen den Einsatz der Methode neu begründen, auch wenn sie vielleicht sogar mehr Zeit erfordert (was die Erfahrung von TN14 war), und das Argument der Zeitersparnis nicht mehr greift, aber eine andere Begründung zur Verfügung steht. Bei TN14 wird die Stimmigkeit der Planung durch reflection on action im Nachhinein neu konstruiert: Das Problem des Zeitmanagements wird mit den Vorzügen der Handlungsorientierung abgeglichen, wodurch eine neue Sichtweise auf die zunächst als ‘misslungen’ wahrgenommene Situation ermöglicht wird. Was zunächst als Problem erscheint (mangelnde Zeit!), relativiert sich durch die neue Rahmung (Gewinn für die sprachliche Interaktion). Hier wird auch sichtbar – ähnlich wie bei der Passage 18:9 zur Aufgabenorientierung –, dass in der gemeinsamen Reflexion mit der Dozentin Kategorien angenommen und in die Reflexion integriert werden, die zu einer neuen Bewertung von Praxissituationen führen können. Was die Studentin selbst als defizitär wahrnimmt („Problem mit dem Zeitmanagement“), wird vor einer anderen Kategorie – Förderung der fremdsprachlichen Handlungsfähigkeit durch diversifiziertes

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Textangebot – positiv umgedeutet und kann als Reflexionskategorie gegebenenfalls in späteren Handlungen auch als Planungskategorie verankert werden. 9.2.3.3.2 Unterrichtsentwürfe zwischen Reflexionshilfe und -verhinderung Auch im Interview mit TN13 wird an verschiedenen Stellen auf das Problem der zeitlichen Angemessenheit unterrichtlicher Entscheidungen eingegangen. Im Gegensatz zu den Codings von TN4 und TN14 der vorangehenden Abschnitte werden die Probleme hier stärker fragend formuliert: „Also erstens erlebt man es ja natürlich, also (...4) ich weiß gar nicht genau, also ich glaube das Zeitempfinden auf jeden Fall //ja mhm// ist ein ganz anderes und die Klarheit der Arbeitsaufträge vielleicht. Also sonst, wenn man das liest, denkt man ‘ja okay da sollen die Schüler das und das machen’, aber wenn man selber es simuliert, dann merkt man vielleicht auch ‘oh, die Aufgabe klappt nicht, (.) eine Hilfestellung wäre nötig gewesen’ oder ja //ja// oder die Übergänge, die dann irgendwie nicht klappen“ (13:6).

Das Problem wird später im Interview erneut thematisiert und dahingehend ausgeführt, dass einerseits ein übergeordneter Plan entworfen werden soll, dieses andererseits mit einer realistischen Planung, die gegebenenfalls auch spontan adaptiv verändert wird, aber nicht mehr zusammenpasst. Die antizipierte Zeitplanung kann dabei mit einer Notwendigkeit kollidieren, die sich aber erst in der Handlungssituation offenbart. Die Genauigkeit der Planung wird dann auch als potenziell hinderlich beschrieben: „Das Problem finde ich manchmal, man denkt schon so innerhalb dieser Minutentafel //mhm//, also man weiß, ich habe fünfundvierzig oder fünfzig Minuten, man weiß, man braucht irgendwie einen Einstieg, man braucht irgendwie ein Ende und presst dann alles schon da rein und manchmal frage ich mich, ob es nicht sinnvoller wäre, ERST sich ein größeres Konzept zu überlegen. Also irgendwie ‘ich möchte eine Einheit zum Thema Leseförderung machen’ oder wie auch immer und sich ERST genauer überlegen, welche Schritte sind für diesen Lernweg nötig und das dann irgendwie in Stunden zu pressen. Also, dass es letztendlich nötig ist, ist klar, aber, weil wir jetzt ja in der Theorie noch NICHT eigentlich in diesem RAHMEN sind, dass wir das so einteilen MÜSSTEN //ja//, denke ich manchmal wäre es sinnvoller (.) ja sich eher genauer überlegen, welche Lernschritte brauchen die Schüler als sich immer schon zu überlegen, welche Schritte muss eine Stunde haben“ (13:16).

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TN13 bewegt sich mit dieser Reflexion radikal aus dem Schema von Unterricht heraus, das sie in der Textsorte des Unterrichtsentwurfs repräsentiert sieht. Das Problem wird als Konflikt zwischen formalen Vorgaben (Phasenschema) und konsequenter Schülerorientierung („welche Lernschritte brauchen die Schüler?“) beschrieben, wobei formuliert wird, dass es auch „größere Konzepte“ geben könnte, die dem üblichen Schema widersprechen oder nicht in diesem aufgehen könnten. Dieser Perspektivenwechsel, der die „Lernschrittee“ betont, deckt sich mit dem Prinzip der Outputorientierung und der „Planung vom Resultat her“ (vgl. Caspari 2009: 75) im Paradigma der Kompetenzorientierung. Obwohl in den Begleitveranstaltungen diese Prinzipien als Grundlagen der Unterrichtsplanung vorgestellt und diskutiert wurden und dabei Wert auf die Reflexion der Funktion einzelner methodischer Schritte für ein übergeordnetes sprachlich-kulturelles Lernziel gelegt wurde, scheint die Textsorte Unterrichtsentwurf für TN13 einen verbindlicheren ‘Planungszwang’ auszustrahlen als es die Diskussion zur inhaltlichen Zielorientierung im Begleitseminar erreichen konnte. Diesem Zwang will sich TN13 in ihrer Reflexion entziehen. Bei diesem Versuch realisiert sie aber diskursiv genau die normativen Prinzipien – kompetenz- und inhaltsorientierte Planung vom Ende her, Gestaltung von zielorientierten Aufgaben – die der fachdidaktischen Norm entsprechen, von TN13 aber offenbar nicht als solche wahrgenommen werden. Der in dieser Passage konstruierte Konflikt zwischen „fremdbestimmter“ Orientierung an der Textsorte „Entwurf“ versus „selbstbestimmter“ Orientierung an Prinzipien von Schüler- und Inhaltsorientierung ist hier ein scheinbarer, denn das, was TN13 als „selbstbestimmtes“, kritisches Korrektiv einer als gängelnd wahrgenommenen Praxis – minutengenaue Unterrichtsentwürfe! – einbringt, stimmt mit den curricularen und fachdidaktischen Prinzipien von Inhaltsorientierung und kompetenzorientierter Planung ungebrochen überein, ein Widerspruch, den TN13 selbst nicht erkennt. Eine phasierte Unterrichtsplanung wird einerseits als Notwendigkeit anerkannt, andererseits scheint das individuelle Vorgehen in der Wahrnehmung von TN13 stark vorbestimmt und eingeschränkt durch formale Strukturen, die durch die Phasierung („welche Schritte muss eine Stunde haben?“)

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einen nicht mehr verhandelbaren Rahmen setzen. TN13 entkoppelt in dieser Passage Überlegungen hinsichtlich eines „größeren Konzepts“ und der Frage „welche Lernschritte die Schüler brauchen“ vollends von der von vornherein pragmatischen Orientierung am zeitlichen Rahmen einer Schulstunde bzw. deren Phasierung. Diese Passage orientiert sich – in der Wortwahl von Neuweg – am „Möglichen“ (Neuweg 2011b: 23), das in der Idealvorstellung von TN13 zunächst unabhängig von vorgegebenen Rahmungen und einengenden Planungsschemata durchdacht werden sollte. Die Orientierung am „Vorfindlichen“ (vgl. Neuweg 2011b: 23) in Gestalt der Textsorte Unterrichtsentwurf wird als Zwang und kontraproduktiv hinsichtlich einer am Lernprozess entlang gestalteten Planung wahrgenommen. Schülerorientierung wird von TN13 hierarchisch als prioritäres Bezugsmoment der Unterrichtsplanung angesetzt, das sich sogar außerhalb institutionell vorgegebener Rahmungen bewegen kann und – in der Schärfe, mit der TN13 die Opposition formuliert – sogar muss. Diese Passage ist eine der wenigen Textstellen, in denen Studierende überhaupt eine kritische Haltung gegenüber den vermittelten Inhalten sowie den Praktiken, die ihnen in den Schulen begegnen, einnehmen. TN13 stellt hier gängige Forderungen (Phasierung einer Stunde, methodisches Vorgehen bei der Unterrichtsplanung entlang einer festgelegten Taktung) in Frage. Der Bezugspunkt ihrer Kritik ist das Ziel, Unterricht schülerorientiert zu planen und zu gestalten, wobei Schülerorientierung auch in der Handlungssituation den Fluchtpunkt für möglicherweise notwendige Adaptationen der Planung angesetzt wird. TN13 entwirft zwar keine direkt handhabbare Alternative. Sie zeigt aber ein abstraktes Bewusstsein darüber, dass es Alternativen geben könnte und dass die Praxis so wie sie ist, keineswegs als das lernförderlichste aller Modelle gelten muss. 9.2.3.3.3 Der Unterrichtsentwurf als Initiator selbstreflexiver Prozesse In den drei folgenden Interviewpassagen wird deutlich, wie die Arbeit an konkreten Planungen und mit Unterrichtsentwürfen einzelne methodisch-didaktische Prinzipien erst erkennbar macht, die damit zum Gegenstand reflexiver Handlungen werden. Das Problem der unterrichtlichen Stringenz, also der

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Interdependenz zwischen zeitlichen, methodischen sowie unterrichtstechnischen Planungskriterien und den fremdsprachlichen Zielen einer Phase, Stunde oder Sequenz, wird erst in dem Moment erkennbar, wo eine individuelle Planung realisiert wird: „[…] also ich hatte die Thematik über die Antillen //mhh//, das war die übergeordnete Thematik und dazu hat man sich dann EIN spezifischeres Thema //ja// ausgesucht //ja//. Und (.) dann hat man einen Sequenzplan erstellt und AUS diesem Sequenzplan EINEN Unterricht halt //ahja// ähm //mhh// entwickelt //mhh, mhh//. Und das fand ich schon gut, weil man dann genau auch sieht ‘okay, (.) die didaktische Analyse muss mit der methodischen Analyse übereinstimmen’ und dass das nicht einfach ‘ich mache jetzt diese Methode, weil sie mir jetzt gerade gut gefällt, ich mache eben gerne Expertenpuzzle’ //(lacht) ja//, sondern dass es halt auch, (.) dass man ja erst guckt ‘okay, was möchte ich didaktisch machen’ //ja, ja// und daraus entwickelt sich dann die //mhh// Methode //mhh//. Also deswegen fand ich das schon sehr sinnvoll //mhh//. Und auch gerade, ich finde, wenn man so einen Unterrichtsentwurf verschriftlicht, merkt man erst, wo (.) sind die Lücken im Unterricht oder wo sind die Lücken in der Planung //ahja, mhh//, weil (.) gerade wenn man es verschriftlicht, merkt man okay, wo sind die Übergänge noch nicht klar, warum ist vielleicht eine Methode (.) //mhh// jetzt gerade geeignet //mhh, mhh// oder warum auch nicht. Man macht sich halt mehr über bestimmte Merkmale des Unterrichts //ja// Gedanken“ (18:21).

TN18 leistet hier einen Nachvollzug dessen, was TN13 oben als Orientierung der Planung an den „Lernschritten der Schüler“ angesetzt hat. Es werden Hierarchisierungen und Deduktionsschritte reflektiert (was ist das Ziel? Welche methodisch-didaktischen Schritte folgen daraus und warum ist es nicht umgekehrt?). TN10 grenzt in einer ähnlichen Reflexion eine theoriegeleitete Planung, die auf innere Stringenz zielt, von einer willkürlichen ab: „[…] dass man sich da Gedanken macht, wie man das sinnvoll aufbauen kann, so ungefähr wusste man es //mhm//, aber dass man dann da auch ja ein bisschen Theorie hinter hat und das nicht nur auf gut Glück //ja// zusammenwürfelt“ (10:20).

Beide Auszüge betonen das intentionale Moment („sinnvoll aufbauen“), bei TN18 tritt der Aspekt der Schülerorientierung, welche dem eigenen „Gefallen an einer Methode“ (vgl. auch 18:27 im Abschnitt 9.2.3.4.2) gegenübergestellt wird, hinzu.

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Empirische Analysen

9.2.3.3.4 Zwischenfazit Zusammenfassend kann die Kategorie „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ als Auseinandersetzung mit Planungsschemata (konkret mit der Textsorte Unterrichtsentwurf) beschrieben werden. Reflexive Handlungskompetenz ist da besonders ausgeprägt, wo in Handlungen mit einem Planungsschema Reflexionskriterien entwickelt oder neu kontextualisiert werden. Hier löst der Umgang mit einem Modell Reflexionsprozesse aus, die das Modell kreativ ausgestalten und zum Teil auch kritisch kommentieren. Interviewpassagen, die das Planungsschema ohne differenzierenden Abgleich der Planungselemente als Element der Praxis beschreiben, erscheinen als reflexiv weniger handlungskompetent. Hier wird das Modell in erster Linie als formale, „zu erfüllende“ Struktur wahrgenommen. Die Zusammenschau der Codings zur Unterrichtsplanung zeigt, dass aus der Praxis heraus eine für den Französischunterricht typische – und damit als verbindlich wahrgenommene – Phasierung den Bezugspunkt für das planerische Handeln darstellt. Diese Phasierung, die der Unterrichtsplanung unterliegt, wird kaum infrage gestellt und ist eng mit der Textsorte des Unterrichtsentwurfs verbunden. Interessanterweise kollidieren hier die als starr wahrgenommenen Phasierungen und Chronologien mit dem von TN13 formulierten Anspruch, am Lernweg sowie den Wissens- und Könnensständen der Schüler entlang zu planen. Die Kritik, die hier an dem Praktikum unterliegenden Unterrichtsmodellen geübt wird, speist sich aus der Konstruktion eines Bruchs zwischen Einpassung in das Modell versus Realisierung von Schüler- und Kompetenzorientierung, die gegebenenfalls andere Modelle und Phasierungen nötig machen könnten. Auf diese Weise lässt TN13 zugespitzt den Widerspruch entstehen, wahrhaft schüler- und kompetenzorientiertes Unterrichten sei nur im Kontrast zur üblichen Praxis realisierbar. Die bei TN13 als Anspruch formulierten Prinzipien, die allesamt den auch normativ-curricular festgeschriebenen Prinzipien des Französischunterrichts entsprechen (Schülerorientierung, Kompetenzorientierung und Handlungsorientierung), geraten in Widerspruch mit dem, was als Handlung in der Praxis überhaupt möglich erscheint. Auch hier wird deutlich, dass die Studierenden die Praxis als weitaus zwingender und alternativloser wahrnehmen als dies

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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bei theoretischen Wissensbeständen (Curricula, fachdidaktische Texte) der Fall ist. Die ambivalenten Äußerungen der Studierenden unter dieser Kategorie sind für die Beantwortung der Frage relevant, welche Handlungen reflexive Kompetenzen fördern können: Die Codings zeigen einerseits, dass die Arbeit an konkreter Stundenplanung tiefere Reflexionen verhindert, weil sie als das wahrgenommen wird, was Praxis ausmacht und ebenso ‘naturgegeben’ wie alternativlos erscheint. Sie zeigen aber andererseits auch massive Konflikterfahrungen, die soweit reichen, dass Planungen mit der Textsorte des Unterrichtsentwurfs als Opposition zu einer kompetenz- und schülerorientierten Unterrichtsplanung reflektiert werden. Die dritte Gruppe von Codings bewegt sich in der Mitte dieser beiden Extrempositionen und verdeutlicht die Bedeutung der handelnden Auseinandersetzung mit Modellen, vor denen sowohl konkrete Probleme erst erfahrbar werden als auch methodischdidaktische Prinzipien mit Erfahrungen untermauert werden und dadurch ein tieferes Verständnis von Handlungssituationen ermöglicht wird. Die Frage, ob in Begleitveranstaltungen zu Praktika mit Unterrichtsentwürfen gearbeitet werden soll, erscheint daher ambivalent. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Arbeit mit Unterrichtsentwürfen die Haltung der Studierenden, die ‘rezeptologisch’ orientiert an die Praxis herangehen, eher verstärkt als dass sie zur Ausbildung differenzierter Reflexionskategorien beitragen würde. Andere hingegen profitieren von der Auseinandersetzung mit dem Modell, das in jeder konkreten Planung und Reflexion auch als Modell selbst diskutiert wird und in seiner Relativität erkennbar wird.38 Das Modell „Unterrichtsentwurf“ wird kaum – wie intendiert – als Arbeitsgrundlage, die gegebenenfalls unzureichend ist und kritisch revidiert werden kann, wahrgenommen. Der Sog der Praxis – bzw. dessen, was die 38

In den ersten Durchgängen des Moduls wurde bewusst auf die Arbeit mit Unterrichtsentwürfen verzichtet (vgl. Schädlich 2011: 22). Zu dieser Entscheidung hatte die Überlegung geführt, die Studierenden sollten zunächst jenseits „formaler Vorgaben“ lernzielorientiert genau die Reflexionen anstellen, die TN13 formuliert: „überlegen, welche Lernschritte brauchen die Schüler“ und dabei entsprechend sinnvoll erscheinende Didaktisierungen für den Unterricht entwickeln. Zeitliche Taktung und Phasierung sollten dabei zunächst – mangels Erfahrung – sekundär bleiben.

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Empirische Analysen

Studierenden als solche auffassen – nivelliert theoretische Elemente der Lehre, deren explizite Thematisierung kaum in Handlungen transformiert wird. Dies gilt vor allem da, wo die Praxis als konträr zu theoretischen Konzepten wahrgenommen wird, die in der Praxis kaum implementiert sind, wie es beispielsweise mit Ansätzen kompetenz- und aufgabenorientierter Unterrichtsgestaltung der Fall ist. 9.2.3.4 Subkategorie „Schülerorientierung“ Die Kategorie „Schülerorientierung“ wird häufig vergeben, insgesamt wird sie bei 40 Textstellen codiert. Dabei herrscht ein relatives Gleichgewicht zwischen der Thematisierung „auf Nachfrage“ (21 Codings) und spontaner Thematisierung (15 Codings). Dies kann als Hinweis darauf gedeutet werden, dass Schülerorientierung als Bezugspunkt für das unterrichtliche Handeln stark präsent ist, also einen spontanen Bezugspunkt in der Reflexion darstellt. Die Kategorie ist sehr ergiebig, sodass sie für die folgende Darstellung auf einige zentrale Aspekte reduziert wird. Bereits in den anderen Subkategorien wurden Adaptivität und Schülerorientierung als Indikatoren für reflexive Handlungskompetenz beschrieben. Schülerorientierung scheint hierarchisch über anderen Kategorien zu stehen, aus ihr ergeben sich unterrichtliche Entscheidungen und auf sie hin werden funktional Planungen vorgenommen, auch wenn dies nicht immer expliziert wird. Schülerorientierung ist also besonders erkennbar an die Art der Versprachlichung (implizit versus explizit) gebunden: Häufig wird das Prinzip nicht genannt, die Orientierung unterrichtlicher Entscheidungen – seien dies antizipierende in der Planung oder eher adaptive im unterrichtlichen Handeln selbst – am Ziel der Schülerorientierung unterliegt aber erkennbar den Reflexionen. Schülerorientierung und Unterrichtsplanung werden in den Passagen, die im Folgenden analysiert werden, von den Studierenden eng assoziiert. In der Darstellung soll es vor allem darum gehen, Schülerorientierung als ‘empirisch verankertes’ Konstrukt in den Äußerungen der Studierenden nachzuzeichnen, dessen Semantik aus den beschriebenen Handlungen heraus jedoch als uneinheitlich erscheint.

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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9.2.3.4.1 Schülerorientierung als Verstehen Textpassagen, in denen Unterricht aus der Perspektive der Schüler*innen heraus reflektiert wird, sind im Interviewmaterial vorhanden. Hier wird Schülerorientierung als Anspruch und Zielsetzung für die eigene Planung in vielen Fällen plausibel formuliert. Dies wird beispielsweise bei TN7 ausgeführt, die das Verstehen der Schüler als Fluchtpunkt für das Unterrichtshandeln der Lehrkraft ansetzt: „[…] weil man muss ja immer Schüler verstehen //mhm// und es ist ja eben für uns das, was wir beherrschen. Wir beherrschen die Sprache, wir WISSEN, warum jetzt da ein accord kommt und warum da nicht. Und für Schüler ist es eben nicht so und //ja//, WARUM das nicht so ist //mhm//, in diesen Denkprozess muss man sich irgendwie eindenken können“ (7:34).

Schülerorientierung ist hier an den Nachvollzug der „Denkprozesse“ gebunden, der vor allem durch Differenzen im Wissens- und Könnensstand zwischen Lehrkraft und Schüler*innen erschwert wird. Sie ist in diesem Sinne die Reflexion des vermeintlich Selbstverständlichen aus der Perspektive des nicht-Selbstverständlichen und berührt den Aspekt von Professionalität, Probleme im vordergründig Unproblematischen erkennen zu können (vgl. Abschnitt 7.1). Hier wird die Bewusstheit über die eigenen Fähigkeiten (intuitiv-prozeduralisierte Sprachkompetenz) als Horizont reflektiert, vor dem von diesen Bereichen abweichende Könnensaspekte der Schüler als Planungsgrundlage angesetzt werden. Verstehen bedeutet in dieser Textpassage den Versuch, sich in der Vorstellung in das lernersprachliche Niveau der Schüler hineinversetzen zu können und dadurch die Lernhandlungen der Schüler*innen nachzuvollziehen und angemessen zu unterstützen. 9.2.3.4.2 Ausgehen von der Lerngruppe als Grundlage schülerorientierter Unterrichtsplanung Das Ausrichten unterrichtlicher Entscheidungen an konkreten Lerngruppen oder das „Zuschneiden“ (7:8) von Methoden auf einzelne Gruppen wird in manchen Interviews als wichtiges Planungskriterium genannt. In diesem Sinne kontrastiert TN18 eine Planung, die von der Lerngruppe ausgeht, mit einem Verfahren, das eher Methodenvorlieben der Lehrkraft realisiert:

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Empirische Analysen

„Also eigentlich ging es ja schon immer erst ‘okay, welche Lerngruppe habe ich’ //mhh, okay//. Dann (.) ‘was möchte ich überhaupt vermitteln?’ //mhh// und dann habe ich mir erst die Methoden rangezogen //ja//. Klar habe ich, also wir haben in den ‘Grundlagen der Unterrichtsplanung’ auch viele Methoden kennengelernt, wo ich dann auch gesagt habe: ‘Oh, die würde ich super gerne einmal ausprobieren!’ Aber an einigen Stellen haben die nicht gepasst //ja// und dann kann ich sie auch nicht ausprobieren //ne, genau//, weil es //mhh, mhh// auch einfach keinen Sinn macht //ja// für die Lerngruppe“ (18:27).

Methodenwissen wird hier dahingehend relativiert, dass die Passung einer Methode für eine konkrete Lerngruppe als planerisches Entscheidungsmoment hierarchisch priorisiert wird. Vor der Zielsetzung eines schülerorientierten Unterrichts werden einzelne Vermittlungs- oder Arbeitsmethoden funktional dahingehend reflektiert, ob sie zu den Schüler*innen „passen“. In den nächsten Abschnitten wird anhand dreier Argumentationsmuster gezeigt, wie das Moment der Passung durch die Studierenden konstruiert und Schülerorientierung durch diese Konstruktionen modelliert wird. Dabei werden auch Hierarchisierungen von reflexiver Handlungskompetenz versucht. 9.2.3.4.2.1 Was Schüler wollen – Schülerorientierung als Unterstellung TN10 beschreibt eine Planung im Praktikum, die unter der Subkategorie „Schülerorientierung“ codiert wurde: „[…] wir haben zum Beispiel ja überlegt einen Film zu drehen //mhm// oder haben das auch durchgeführt, und sowas hätten meine Französischlehrer nie gemacht. Also wir hatten auch Jüngere, aber die waren immer sehr //mhm// nur am Buch langhangeln und wenn man dann mal ein Lied gehört hat //ja//, was außen vor war, dann war das schon etwas Besonderes. Und einfach zu überlegen, was könnte die Schüler interessieren //mhm mhm// und wo könnte man die auch mit fangen?“ (10:8).

TN10 begründet ihre Entscheidung für die Arbeit mit selbst gedrehten Filmen und das Interesse am Hören von Chansons aus ihrer eigenen Lernerbiographie heraus: „das hätten meine Französischlehrer nie gemacht“. Die positive Bewertung der Filmarbeit bezieht sie aus der Abgrenzung zu anderen unterrichtlichen Verfahren – „am Buch langhangeln“ – die für sie negativ konnotiert sind. Ihr Ziel ist die planerisch vorweggenommene Erstellung eines

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Angebots („Film drehen“), dessen primäre Funktion eine motivationale ist („die auch damit fangen“). Schülerorientierung wird hier konstruiert als etwas, das die Interessen der Schüler*innen aufnimmt und die Lerngruppe motiviert. Das Wissen darüber, was interessant und motivierend sei, beruht jedoch auf lernerbiographischen Erfahrungen der Praktikantin und den hier erinnerten Bewertungen bestimmter Unterrichtsverfahren (Arbeit mit dem Lehrwerk vs. „was Besonderes“). In der Passage wird nicht geschildert, was TN10 über die Interessen der Schüler*innen weiß oder wie sie dieses Wissen einholen würde. Die Annahme, dass die Schüler*innen mit Filmen zu „fangen“ seien, basiert auf einer Unterstellung. TN10 folgt in ihrer methodischen Entscheidung der impliziten Überzeugung, es gäbe ‘dialogunabhängige’ Motivationsfaktoren, deren Funktionieren sie – weil sie anders sind als der als langweilig erfahrene Unterricht der eigenen Schulzeit – als gegeben und gleichsam allgemeingültig formuliert. Die evozierte Schülerorientierung dieser Passage bleibt also letztlich doch „Lehrerorientierung“: Nach wie vor trifft die Lehrkraft die Entscheidungen aufgrund eigener Überlegungen, in diesem Falle im Rückgriff auf lernerbiographische Erfahrungen. Eine diagnostische Überprüfung, was die Schüler*innen bereits mit Erfolg und Motivation bearbeitet haben oder ein Gespräch über ihre Erfahrungen und Interessen findet nicht statt. 9.2.3.4.2.2 Was Schüler wollen – Schülerorientierung als empirischdialogischer Prozess Während die Äußerung von TN10 impliziert, Schülerorientierung sei über den Einsatz ‘objektiv’ interessanter Themen und Methoden – einen Film zu derhen ist besser als sich „am Buch langhangeln“ – herstellbar, wird in den Interviews mit TN17 und TN12 ein anderes Verständnis von Schülerorientierung konstruiert. Dieses kann als (mehr oder weniger systematisch) ‘empirisch’ gestützt bezeichnet werden. Im Gegensatz zum Ansatz von TN10 zeigen die im Folgenden besprochenen Passagen das Bemühen, Interessen aus der Lernerperspektive zugänglich zu machen. Während TN10 ausschließlich lehrerseitig auf beliebige Zielgruppen hin plant, zeigt sich in den Passagen von TN17 und TN12 der Versuch, Schülerorientierung dialogisch herzustellen:

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Empirische Analysen

„[…] weil ich dann einfach die Schüler auch gefragt habe, ‘Was interessiert euch, was macht ihr in anderen Fächern?’“ (17:40).

TN17 beschreibt dieses Vorgehen im Kontext der Bewertung des EPOSA, im Zuge derer von einer negativen Erfahrung mit Literaturarbeit im BA-Praktikum berichtet wird. Aus aktueller Perspektive führt TN17 diese darauf zurück, dass nicht an die „Erfahrungswerte“ der Schüler*innen (17:49) angeknüpft wurde. Im Fachpraktikum eruiert TN17 dialogisch Vorwissen und Interessen, die danach in die Themenwahl und Unterrichtsplanung einfließen. Ein ähnliches, auf Dialog und Feedback basierendes Verständnis von Schülerorientierung wird im Interview mit TN12 erkennbar, die an zwei Textstellen den Begriff des „Ankommens“ benutzt, der einmal lerntheoretisch und einmal motivational ausgeführt wird. In der folgenden Passage wird das Microteaching im Seminar kommentiert. „[…] also da fallen mir dann auch Sachen ein, die mich konkret interessieren, sowas wie Input gleich Output. Irgendwie ob der Lehrer das, was er dann auch erzählt hat, ob das bei den Schülern wohl auch angekommen ist“ (12:7).

Die Passage ist aufschlussreich hinsichtlich der Erwartungen, die TN12 an das Verstehen von Lernprozessen formuliert. Unterrichtliches Gelingen wird daran festgemacht, ob und wie das Vermittelte „ankommt“, was die Studentin mit den spracherwerblichen Termini von Input und Output zu umschreiben versucht. „Ankommen“ ist hier auf die lerntheoretisch-kognitive Ebene bezogen: Der Lerngegenstand (Input) wurde der Intention angemessen verarbeitet, sodass ein Aneignungsprozess erkennbar wird (Output). Eine zweite Textstelle (12:64) arbeitet ebenfalls mit dem Begriff des „Ankommens“, der hier jedoch eine andere Bedeutung erhält: „[…] aber wir haben viel, wir haben viel gesprochen auch über die (..), wie die Lehrer unterrichtet haben und wir haben das verglichen //mhm//, wie das bei den Schülern ankommt. Die Eine fanden wir alle total gut, weil die super tolle Methoden hatte und ganz, ganz gut umgegangen ist mit den Sechstklässlern, die hat, da waren die alle immer ganz begeistert“ (12:64).

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Hier ist der Bezugspunkt der Reflexion die Begeisterung der Schüler*innen, also ein „Ankommen“ im motivationalen Sinne der Methoden, die „gut ankommen“, also gefallen. Interessant an dieser Passage ist die Diskussion über das Beobachtete mit den Mitpraktikantinnen. TN12 formuliert auch in einer anderen Interviewpassage den Abgleich mehrerer Perspektiven auf Unterricht als Quelle für die Beurteilung unterrichtlicher Beobachtungen. Bewusstheit für die verschiedenen Perspektiven ist auch hier durch die konsequente Orientierung an der Schülerperspektive gegeben, darüber hinaus werden die Perspektiven der Mentorin (12:60) und der Mitpraktikantinnen für die gemeinsame Reflexion beobachteten Unterrichts (12:64) einbezogen. TN12 orientiert ihre Wahrnehmung und Bewertung unterrichtlichen Handelns stark an dem, was bei den „Schülern ankommt“ (im oben ausgeführten doppelten Wortsinn) und dem Prinzip der Aktivierung. Die beiden Ausprägungen von „Ankommen“ können einander bedingen, wenn man davon ausgeht, dass ein positives Klima Lernprozesse eher fördert als eines, in dem Methoden, die den Schüler*innen nicht gefallen, angewendet werden. Die Passagen offenbaren jedoch eine grundsätzlich verschiedene Sicht auf den Begriff der Schülerorientierung. Im ersten Fall impliziert das Interesse an dem, was „angekommen“ ist, eine diagnostische Überprüfung oder zumindest eine genaue Beobachtung oder Rückmeldung zum Gelernten, während der zweite Fall sich auf die Wahrnehmung von „Begeisterung“ beschränkt, die per se noch keine Aussagen darüber zulässt, was tatsächlich im lerntheoretischen Sinne „angekommen“ ist und wie es für die Kompetenzen in der Fremdsprache verarbeitet wurde. TN17 formuliert einen expliziten Austausch mit den Schüler*innen, TN12 einen eher beobachtenden Ansatz anhand der sprachlichen Produktion und emotionaler Reaktionen. 9.2.3.4.2.3 Was Schüler wollen – Schülerorientierung als Charaktereigenschaft der Lehrkraft Ein weiteres Muster, das Repräsentationen zum Begriff Schülerorientierung erkennbar macht, findet sich im Interview mit TN14. In der folgenden Passage

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Empirische Analysen

kommentiert sie das EPOSA. Am Beispiel der Deskriptoren zum Grammatikunterricht beschreibt sie den Wert unterschiedlicher Herangehensweisen an Grammatikerklärungen, für die das EPOSA sie sensibilisiert habe: „[…] ich bin aber auch sowieso (.) vom Typ her so, dass ich nicht sage, dass EINE ist gut oder das Andere ist //mhh, mhh// gut, also ich, ich finde immer, der Mittelweg ist ganz gut //ja//. Ich finde es heute immer noch wichtig, Grammatikregeln zu können //ja//, einfach auch, um jedem (.), um jedem Lerntyp zu entsprechen, dass man vielleicht den, der strukturierter denken möchte, der vielleicht dieses Schema braucht, um es //ja// vor Augen zu haben und dem gerecht zu werden, aber auch eben die kreative Seite, dass man Grammatik ERFÄHRT und nicht einfach nur auswendig lernt //mhh//. Also ich bin da glaube ich (.) so ein Mittelweg“ (14:31).

Schülerorientierung wird hier an die Beschreibung des Versuchs „jedem Lerntyp zu entsprechen“ gekoppelt, wobei TN14 ihren Unterricht methodisch so gestalten möchte, dass möglichst viele solcher Entsprechungen hergestellt werden können. Im Bezug auf die von ihr konstruierte Opposition „Abstraktion grammatischer Regeln“ versus. „kreatives Erfahren von Grammatik“ bezeichnet sie ihr Anliegen als eines der Mitte, welches beiden Ansprüchen genügt, also Lerngelegenheiten in beiden Ausprägungen anbietet. Schülerorientierung wird hier als gleichsam natürliches Merkmal eines professionellen Typus („vom Typ her“) konstruiert, zu dem TN14 sich selbst zählt. Während TN17 und TN12 (siehe oben) die Anpassung des eigenen Handelns aus der Interaktion heraus motiviert sehen, unterstellt TN14 – in diesem Punkt TN10 ähnlich (siehe oben) – eine antizipierende Passung, die sich daraus ergibt, dass in der Planung methodisch binnendifferenzierend vorgegangen wird. Die differenzierende Planung, die verschiedene Didaktisierungen bereithält (Präsentation von Regelwissen vs. kreatives Erfahren), wird hier nicht als Handlungsentscheidung in Reaktion auf eine konkrete Lerngruppe oder ein im Unterricht entstandenes Problem, sondern als Manifestation einer Charaktereigenschaft der Lehrkraft beschrieben: Der Grad der ‘Verinnerlichung’ dieser Art von Schülerorientierung ist als wesenhafte Identifikation zu verstehen: TN14 geht oder wählt den Mittelweg nicht, sie ist der Mittelweg.

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In der Passage 14:10 wird Schülerorientierung zwar angesprochen und über die Anpassung des Unterrichtsinhalts an verschiedene Lerntypen definiert. Fluchtpunkt bleiben jedoch die Rechtfertigung der lehrerseitigen Unterrichtsplanung und deren Differenzierung. Schülerorientierung bleibt direkt (und ausschließlich) an die Person TN14 gekoppelt. 9.2.3.4.3 Schülerorientierung als Überraschung: „Und dann kommen auf einmal die Schüler dazu“ Die kommentierten Interviewpassagen der vorigen Abschnitte haben Schülerorientierung stark an Planungsaspekte gekoppelt. Sichtbar wird hier die Überzeugung der Studierenden, dass Unterrichtsplanung im Abgleich mit dem Könnensstand, den Interessen und Erwartungen der Schüler an Qualität gewinnt und dass der spezifische Kontext einer konkreten Gruppe als Kriterium für die Wahl bestimmter Themen oder methodischer Herangehensweisen gelten sollte. Wenn auch die Verlässlichkeit des Wissens über die Schülerperspektive durch die unterschiedlichen Ansätze (Unterstellung bei TN10, „empirische Erhebung“ bei TN17, Charaktereigenschaft der Lehrkraft bei TN14; siehe oben) unterschiedlich ausgeprägt ist, so sind doch Graduierungen erkennbar. Gemeinsam ist den besprochenen Textstellen, dass sie sämtlich antizipierende Reflexionen thematisieren und dabei Unterrichtsplanungen anvisieren, die ‘funktionieren’ sollen. Je besser eine Lehrkraft die Lerngruppe kennt, desto wahrscheinlicher wird dies in den Vorstellungen der Studierenden. Im Gegensatz dazu beschreiben einige Interviewpassagen Prozesse von reflection in action, bei denen spontane Handlungen und Planungsabweichungen im Unterricht eine Rolle gespielt haben. Hier unterliegt zusätzlich zum dialogisch-erhebenden Ansatz der Schülerorientierung die Vorstellung, dass in der Handlungssituation selbst adaptiv gehandelt wird. Schülerorientierung wird hier als Moment der Praxis gedacht, das durch Planung nicht vollständig antizipiert werden kann. Erst in der Gegenüberstellung von Planung im Uniseminar versus Durchführung (sei es im Microteaching oder im Praktikum selbst) wird Schülerorientierung als adaptives Handeln in der Situation bewusst und von antizipierender Planung abgegrenzt:

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Empirische Analysen

„[…] man hat quasi immer geplant, Stunden geplant //ah, ah// ja die Methode kann ich anwenden, dies und dies //ja// und dann kommen auf einmal die Schüler dazu (lacht)“ (11:22).

Die Wahrnehmung eines „plötzlichen Erscheinens“ der Schüler*innen wird zwar in der Äußerung von TN11 humoristisch übertrieben. Dennoch verweist das Zitat auf die grundsätzliche Orientierung studentischer Reflexion an Planungsprozessen, die mit konkreten Gruppen oder lebenden Schüler*innen wenig zu tun haben und entsprechend ‘technokratisch’ bleiben. Ein Beispiel für eine adaptive Planungsänderung in der Handlungssituation während des Praktikums beschreibt TN12: „[…] ich erinnere mich noch, dass ich beim zweiten Mal, da habe ich eine Aufgabe rausgenommen ganz spontan, weil ich gesehen habe ‘okay, die arbeiten nicht so schnell und das macht auch Sinn, direkt in die Aufgabe zu gehen, weil das auch aneinander anknüpft’ //mhm//. Das hat sie [die Mentorin; B.S.] danach positiv kommentiert //ja//. Also, dass ich da so spontan reagiert habe“ (12:60).

Schülerorientierung wird hier als unmittelbare Reaktion auf eine Beobachtung im Unterricht selbst beschrieben. Die Beobachtung zur Zeitökonomie („die arbeiten nicht so schnell“) führt zu einer Abweichung vom Plan, die darin besteht, eine Aufgabe zu kürzen, gleichzeitig aber die grundsätzlich angesetzte Dramaturgie („weil das auch aneinander anknüpft“) weiterhin einhalten zu können. Eher abstrakt und im Kontext der Bewertung des Microteachings angesiedelt, ist die folgende Passage: „[…] weil wir erstens mal in der Gruppe natürlich viel unsere Ideen ausgetauscht haben und daher schon mal reflektieren mussten, warum machen wir es so, warum nicht so, weil man nicht alleine an einem Entwurf saß, sondern sich halt austauschen musste //mhm// und (.) ich fand das sehr gut, dass man nochmal WIRKLICH Unterricht simuliert und dann anschließend reflektiert, weil sonst redet man immer nur über Unterricht, aber manchmal ist gar nicht so klar, wenn man nur einen Verlaufsplan bespricht zum Beispiel, wie hätte das jetzt wirklich geWIRKT //ja mhm//, gut, das ist auch nur simuliert, wir sind keine Schüler, das war ja immer das Problem //ja ja//. Wären Sechstklässler jetzt so wie wir waren? Aber (.) doch das fand ich schon sehr gut mit der anschließenden Reflexion dann“ (13:4).

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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Hier wird Schülerorientierung als Prüfung der Planung durch ihre Realisierung kommentiert: Erst die Interaktion mit Schülern vermag überhaupt zu zeigen, was an der Planung reflexionswürdig sein könnte. TN13 spricht von der Wirkung der in der Gruppe erarbeiteten Planung. Sie fragt: „wie hätte das jetzt wirklich geWIRKT?“ und thematisiert dabei eine mögliche Differenz zwischen der Arbeit im Microteaching (im Vorbereitungsseminar) und einem authentischen Setting mit Schüler*innen. Die Authentizität der Situation wird dadurch problematisiert, dass TN13 fragt, ob sich die Gruppe der Kommiliton*innen überhaupt „Sechstklässlern“ vergleichbar verhalten hat. Schülerorientierung ist hier die reale Interaktion, die eine Planung mit Leben füllt und gleichzeitig über sie hinausgeht. 9.2.3.4.4 Zwischenfazit „Schülerorientierung“ ist eine dominante Subkategorie fachdidaktischen Wissens, die häufig spontan angesprochen wird und zahlreichen Reflexionen als impliziter oder expliziter Bezugspunkt unterliegt. Für das Konstrukt sind Elemente wie das Verstehen und Nachvollziehen der Lernprozesse konstituierend sowie darüber hinaus Annahmen der Studierenden, die sich auf die Herstellung von Schülerorientierung beziehen. Sie wird semantisch unterschiedlich ausdifferenziert, wobei eine prozesshaft-dialogische Annäherung des eigenen Handelns an beobachtete oder explizit erfragte Interessen und Lernstände der Schüler auf der einen Seite, ein Verständnis von Schülerorientierung als antizipierende Planung im Hinblick auf lediglich durch die Lehrkraft unterstellte Bedürfnisse auf der anderen Seite voneinander unterschieden werden können. Hier kann zusammenfassend die widersprüchliche Tendenz ausgemacht werden, dass manche Äußerungen, die unter der Kategorie zusammengefasst wurden, auf letztlich lehrerzentrierten Unterstellungen basieren, während andere Schülerorientierung als dialogisches Phänomen beschreiben.

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Empirische Analysen

9.2.3.5 Zusammenfassende Analyse der Subkategorien „Methodenkenntnis“, „Inhaltsorientierung und Material“, „Kompetenzbegriff“, „Aufgabenorientierung“ Weiter oben (siehe Abschnitt 9.2.3) wurde entschieden, dass das quantitative Vorkommen der Subkategorien fachdidaktischen Wissens als Indikator für reflexive Handlungskompetenz gewertet wird und nur solche Subkategorien detaillierter besprochen werden, die häufig codiert wurden beziehungsweise deren Codierungen einen hohen Anteil spontaner Äußerungen aufweisen. Die verbleibenden Subkategorien sollen daher nicht ausführlich, sondern zusammenfassend dargestellt werden. Dabei werden zum einen inhaltliche Beschreibungen vorgenommen, und zum anderen werden die Kategorien so relationiert, dass Prioritäten und Hierarchisierungen erkennbar werden können. Dies ist vor allem für den Versuch, aus den Interviews eine empiriebasierte Interimsdidaktik herzuleiten, ein wichtiger Schritt: Die Zusammenhänge zwischen den Kategorien fachdidaktischen Wissens tragen zum Verständnis der Repräsentation fachdidaktischen Wissens in den Interviewtexten der befragten Studierenden bei. 9.2.3.5.1 Methodenkenntnis Die Subkategorie „Methodenkenntnis“ wird in 14 Codings auf Nachfrage und in 7 Fällen spontan angesprochen. Wenn auch der Wunsch nach Methodenkenntnis und -einübung in ersten Durchsichten des Materials dominant erschien und auch in der ersten Auswertung (vgl. Schädlich 2015) als Element, das den Studierenden besonders wichtig ist, hervorgehoben wurde, so fällt hinsichtlich der Identifikation reflexiver Handlungskompetenz auf, dass Methoden zwar konkret benannt werden und vereinzelt auch ihr Einsatz beschrieben wird (z.B. 2:112). Andererseits bleiben die Verweise häufig unspezifisch. Dies fällt beispielsweise in verallgemeinernden Nennungen wie „Lesemethoden“ (3:19) auf. Methodische Elemente werden häufig schlagwortartig ins Interview eingebracht, oftmals in Kombination mit der Figur der „Herangehensweise“ (vgl. Abschnitt 9.2.3.1): Zwar verfügen die Studierenden hier über Wissen; sie kennen methodische Ansätze und Verfahren und benennen

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diese auch. Gleichzeitig erscheint das Wissen aber nur schwach prozeduralisiert. Es bleibt isoliert und wird nur punktuell mit längeren reflektierenden Ausführungen verbunden. Typisch sind Behälter- oder Arsenalmetaphern, in denen Methoden ‘gesammelt’ werden, um bei Bedarf ‘herausgeholt’ werden zu können – so beispielsweise der „Koffer“, der im Interview mit TN15 beschrieben wird. Hier wird die Vorstellung des Lernens auf Vorrat formuliert. Die Anlage eines „Methodenkoffers“ verweist auf die Vorstellung, aus einem Fundus an Methoden könnte für sich wiederholende Handlungssituationen – die ausschließlich thematisch bestimmt sind – das ‘Richtige’ ausgewählt werden: „[…] so einen kleinen KOFFER //mh, mh// mir zu erarbeiten für jedes Fach, wo ich später, wenn ich weiß ‘ah, jetzt unterrichtest du mal wieder das (.) passé simple, kommt da jetzt eine Einheit //ja, ja// Monsieur Ibrahim oder so’ Ähm, dann (..) nehme ich mir das raus und kann das immer wieder //mhm// verwenden“ (15:15).

In inhaltlicher Hinsicht werden häufig Ansätze genannt, die im weitesten Sinne als dramapädagogische Methoden oder Techniken bezeichnet werden können: Rollenspiel (7:40; 11:26), Standbild (10:44), Globale Simulation (8:53) oder allgemein zusammenfassend theaterpraktische Methoden (2:53). Gegenstand episodischer Passagen sind diese Verfahren allerdings an keiner Stelle im Interviewmaterial: Die Studierenden kennen die Methoden und unterstellen ihnen didaktische Sinnhaftigkeit, konkrete Erfahrungen aus Beobachtung oder eigenen Unterrichtsversuchen schildern sie in den Interviews hingegen nicht. Das Wissen verbleibt hier auf einer Ebene, die nicht relevant für die Reflexion konkreter Erfahrung ist. Arbeitsteilige oder kooperative Formen werden ebenfalls thematisiert, konkret Gruppenpuzzles (14:20) und Stationenlernen (9:71). Im Bereich der Textarbeit werden Verfahren, die den Textverarbeitungsprozess strukturieren oder begleiten, genannt. So beispielsweise der Einsatz von Beobachtungsaufträgen (16:28) oder Elemente der Vorentlastung (16:34), auch Blockund Sequenzverfahren (16:26) bei der Filmarbeit ebenso wie kreative und analytische Verfahren, die aber nicht spezifiziert werden (z.B. 17:40; 3:19; 16:26). Eine Ausnahme bildet hier die sehr detaillierte Beschreibung eines

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Jigsaw-Verfahrens (2:112), das jedoch nicht als solches benannt wird, also auf eine implizite, prozeduralisierte Methodenkenntnis verweist. 9.2.3.5.2 Inhaltsorientierung/Material Die Subkategorie „Inhaltsorientierung/Material“ wurde in 15 Codings auf Nachfrage und in 5 Fällen spontan angesprochen. Insgesamt sind die entsprechenden Textstellen sehr heterogen. Erkennbar wird Wissen über Lehrwerke und deren Anspruch der Realisierung von Kompetenzorientierung, wobei auch kritische Sichtweisen formuliert werden (z.B. 8:53; 3:3). Wenn die Arbeit mit dem Lehrwerk thematisiert wird (8:53; 9:15; 13:12), werden die Realisierung von Kompetenzorientierung (9:15) oder die grammatische Progression (18:13) problematisiert. Kommentiert wird auch die Wahrnehmung einer ‘Inhaltsleere’ kompetenzorientierter Curricula, denen keine verbindlichen Themen, „die ich abarbeiten muss“ (16:13) zugeordnet sind. Der Anspruch der Inhaltsorientierung verhält sich hier konträr zur mangelnden thematischen Verbindlichkeit der Curricula. Das Problem schwer auffindbarer Ressourcen und deren Didaktisierung wird an mehreren Stellen formuliert (18:31; 16; 13; 13:12; 15:15; 18:13). Als (zu) schwach ausgeprägt beschreiben einige Studierende ihr Wissen über Literatur und den Literaturunterricht. Konkret genannte Primärtexte sind Texte zur „Thematik der Antillen“ (im Kurs „Grundlagen der Unterrichtsplanung“), Schmitts Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran sowie Sartres Huis clos (Lektüren für das niedersächsische Zentralabitur, die während des Praktikums behandelt wurden). Die Repräsentation von Inhalten ist stark auf die Auseinandersetzung mit Lehrwerken beschränkt, die aber eine differenzierte Auseinandersetzung erkennen lässt. Literatur und ‘freie Ressourcen’ werden in der Praxis als unterrepräsentiert wahrgenommen. TN13 führt das Problem aus, was überhaupt geeignete Themen für den Französischunterricht sein können, wenn die curricularen Vorgaben eher vage bleiben (13:18), wobei sie ausgehend von der Frage der thematischen Einführung und Textauswahl auf diese übergeordnete Problematik zu sprechen kommt:

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„[…] auch Inhalte, also, dass man vielleicht //mhm// auch überlegt (.) ich weiß nicht, man möchte ein neues Thema einführen. Wie führt man dahin oder welche Themen überhaupt passen in einen Französischunterricht //mhm mhm// oder nicht?“ (13:18).

In diesem Zusammenhang spielt auch die Frage nach Ressourcen („wie finde ich Texte und/oder Realien?“ (18:31)) und deren Didaktisierung („wie bearbeite ich Material, wie gestalte ich Arbeitsblätter?“; vgl. 18:45; 18:61; 3:38; 15:15; 2:43) eine Rolle. Die kritischen Materialanalysen, die im Vorbereitungsseminar im Kontext des Microteachings durchgeführt wurden, werden hier als positive Erfahrung beschrieben (3:3). Als problematisch benennen zwei Teilnehmerinnen ihre Kenntnisse im Bereich der Arbeit mit literarischen Texten (2:26; 19:74), was mit Ängsten hinsichtlich der Gestaltung von Oberstufenunterricht verbunden wird. Hier ist zusammenfassend bemerkenswert, dass an keiner Stelle Transferversuche oder -probleme hinsichtlich literatur- oder landeswissenschaftlicher Inhalte der fachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen thematisiert werden. Die Studierenden scheinen diese Studienbereiche als losgelöst von schulischem Fremdsprachenunterricht wahrzunehmen. Obwohl konzeptionelle Rahmungen für die Lehrer*innenbildung und entsprechende Standards (vgl. Abschnitt 4) durchgängig auf der Vorstellung basieren, fachwissenschaftliches Wissen sei für Lehrerhandeln relevant und solle vor Fragen der Praxis transformiert werden, machen die Äußerungen der Studierenden hier allenfalls die Erfahrung unzureichender Kenntnis deutlich: Die Diskrepanzerfahrung, von der Roters (2012: 273) (vgl. Abschnitt 7.2.2) spricht, wird selbst als solche nicht formuliert. Hier wird durch die Aussparung relevanter Wissensanteile mehr als deutlich, dass die in den Standards angesetzte Integration verschiedener Wissensbereiche nicht stattfindet. Im Gegensatz zu anderen Fällen, die Brüche im Anwendungsgedanken ausformulieren und reflektieren, wird an dieser Stelle das, was transformiert werden könnte, gar nicht als relevanter Inhalt in die Reflexionen integriert. 9.2.3.5.3 Kompetenzbegriff Mit der Subkategorie „Kompetenzbegriff“ wurden 18 Textstellen codiert, davon thematisieren 13 den Kompetenzbegriff auf Nachfrage und 5 spontan.

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Bei der erneuten Durchsicht der Codings ist aufgefallen, dass die Trennschärfe zur Subkategorie „Kompetenzen/Fertigkeiten“ problematisch erscheint. Die Erstellung der Codes war von einer möglichen Trennung zwischen der Thematisierung konkreter Kompetenz- und Fertigkeitsbereiche und deren unterrichtlicher Konkretisierung einerseits und von Thematisierungen des Prinzips von Kompetenzorientierung andererseits motiviert. Diese Trennung ist im Material auch vorfindbar, allerdings in sehr unausgewogenen quantitativen Verhältnissen und meistens in Kombination miteinander, so beispielsweise im Coding 18:17: „genau auch zu gucken, welche Kompetenzen werden von den Schülern //ja// verlangt //ja//, auch nochmal durchzusprechen, was überhaupt der Kompetenzbegriff //mhh, mhh// besagt“. Auch dies ist rückblickend nicht verwunderlich, denn Ausgangspunkt der Äußerungen der Studierenden sind Bewertungen und Kommentierungen konkreter Unterrichtspraktiken, auf der abstrakten Ebene – beispielsweise im Sinne eines Kommentars zu Begriffen wie „Kompetenz- oder Aufgabenorientierung“ – wird im Interview nicht gefragt. Dennoch hatte ich erwartet, dass die Studierenden stärker auf die abstrakte Ebene eingehen, indem sie beispielsweise aus der Praxis heraus übergeordnete Konzepte infragestellen oder sich grundlegend kritisch äußern. Für die Auswertung der Daten bleibt die Trennung der Codes „Fertigkeiten/Kompetenzen“ und „Kompetenzbegriff“ wenig ergiebig. Die bei der Auswertung festgestellte Verwobenheit bei gleichzeitig quantitativ geringerem Vorkommen der abstrakteren Kategorie „Kompetenzbegriff“ ist jedoch hinsichtlich der Identifikation reflexiver Handlungskompetenz trotzdem aufschlussreich: Die Verteilung der Codes sowie die Kopplung (wenig Abstraktion, stärkerer Verbleib auf der instrumentell-funktionalen Ebene) beantwortet die Frage nach dem Vorhandensein reflexiver Handlungskompetenz insofern, als hier durch die seltene Abstraktion und den stärkeren Verbleib in der ‘Anwendungslogik’ Perspektivenwechsel kaum vorgenommen werden, sondern die übergeordneten Konzepte ‘unangetastet’ bleiben und damit alternativlos erscheinen. Es lassen sich in den Interviews zwar unterschiedliche Abstraktionsebenen im Reden über den Kompetenzbegriff feststellen, die Passagen, in denen der Kompetenzbegriff selbst (als bildungswissenschaftliches bzw.

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-politisches Konzept) thematisiert wird, sind jedoch rar, Kompetenzorientierung als übergeordneter Begriff und paradigmatischer Bezugspunkt von Französischunterricht spielt bei der Repräsentation fachdidaktischen Wissens eine untergeordnete Rolle. Lediglich in einem Interview wird in einer Aussage zwischen konkreten Kompetenzen und „was überhaupt der Kompetenzbegriff besagt“ (18:17) differenziert. Darüber hinaus wird bei TN13 eine kritische Distanzierung vom Konzept deutlich, wenn sie Kompetenzorientierung als eines der „STICHWORTE, die irgendwie aktuell in der Didaktik so hochgehalten werden“ (13:10) nennt. Auch TN17 bewegt sich insofern auf einer abstrakteren Ebene, als sie zeigt, dass das Prinzip der Kompetenzorientierung als übertragbares – „das Systematische“ (17:17) – erkannt wurde, das für alle Planungs- und Reflexionsprozesse relevant ist. Neben dieser quantitativ schwach ausgeprägten Ebene wird die Ebene einer unmittelbaren „Verwertung“ von Kompetenzmodellen für die Planung, Durchführung und vor allem Evaluation fremdsprachlicher Lehr-/Lernprozesse ausgeführt: Einige Codings thematisieren Fragen der Diagnostik und Prüfungssituationen (z.B. 8:43; 7:22), wobei das Prinzip der Outputorientierung sowohl hinsichtlich der Steuerung von Lernprozessen (z.B. 11:11; 1:11; 9:23) beschrieben wird, beispielsweise festgemacht an der Frage, wie im Unterricht einzelne Kannbeschreibungen sprachlichen Handelns konkretisiert werden können oder wie Aufgaben mit Operatoren formuliert werden (17:7). Insgesamt lässt sich in den Interviews eine kaum ausgeprägt reflektierende Thematisierung von einer stark ausgeprägten funktional-instrumentellen Reflexion unterscheiden. Kompetenzorientierung als Begriff ist in der Repräsentation von Wissen stark an diagnostische Fragen (z.B. Notensysteme, Evaluationen und Feedback im Unterricht) gekoppelt sowie an Begriffe wie Niveauanforderungen und Progression, Kannbeschreibungen und Operatoren. Die weiter oben angesetzte Antinomie (vgl. Abschnitt 7.3.1) bildet in den studentischen Äußerungen nur punktuell einen Referenzpunkt für die Reflexion von Französischunterricht.

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9.2.3.5.4 Aufgabenorientierung Die Subkategorie „Aufgabenorientierung“ wird insgesamt für 17 Textstellen vergeben, dabei wird sie in 4 Textstellen von den Studierenden spontan und in 13 auf Nachfrage angesprochen. Insgesamt lässt sich hier Ähnliches beobachten wie beim Begriff der Kompetenzorientierung: Die Studierenden reflektieren die konkret funktional-instrumentelle Ebene stärker als die abstrakt-begriffliche, selten werden die Ebenen – beispielsweise im Sinne einer grundsätzlichen Problematisierung des Aufgabenbegriffs – aufeinander bezogen. Der Begriff der Aufgabe bleibt semantisch weit und bezieht sich auf „Arbeitsaufträge“ (z.B. 17:7; 13:6), „Übungsphasen“ (13:44; 2:123) ebenso wie auf „komplexe Lernaufgaben“ im engeren Sinne (11:25; 7:16; 16:4). Während hier Aspekte von Aufgabenorientierung wie Authentizität (z.B. 11:25) oder Rückgriffe auf einen im Seminar gelesenen Text von Bechtel (2011) explizit gemacht werden (16:4), thematisieren andere Codings Aspekte von Aufgaben(orientierung) eher implizit (z.B. Filmproduktion (10:8); Scaffoldings (11:21)). Ein Transferproblem wird in Coding 18:31 beschrieben, wo der task cycle nach Willis – als eine mögliche Konkretion von Aufgabenorientierung – als Ansatz aus der Erfahrung heraus problematisiert wird. TN18 stellt hier das immer „gleiche Schema“ des Unterrichtsalltags als Erschwernis für die Realisierung aufgabenorientierten Unterrichts dar: „In der Praxis war das aber dann schwierig, das jetzt so //ja// umzusetzen, weil ich dachte ‘okay, wie kommen wir jetzt aus diesem (..) sonst so schulischen Kontext //mhh// immer dieses gleiche Schema raus und sagen jetzt okay, wir planen jetzt einen Kinoausflug //mhh, mhh// und dafür haben wir jetzt Realien und benötigen //ja, ja// das’. Also, das war dann (.) schwierig, das so im Alltag dann doch so umzusetzen“ (18:31).

Hier geht von der Praxis ein Zugzwang aus, der es erschwert, Ansätze, die von TN18 im Prinzip als innovativ und förderlich erkannt werden, zu erproben. Der Anspruch des Praktikums, möglichst vielfältige Methoden durchzuspielen und didaktisch zu ‘experimentieren’, wird durch solche Textstellen im Material in Frage gestellt.

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In anderen Codings werden Gütekriterien für Aufgaben formuliert (z.B. bei TN11 der Anspruch „komplexe Aufgaben authentisch zu konstruieren“). Reflektiert werden aber nicht nur Aufgaben, die im engeren Sinne den Prinzipien der Aufgabenorientierung genügen. Arbeitsaufträge werden nach Gütekriterien wie Klarheit (13:6; 17:7) reflektiert, das eigene Formulieren von Aufgaben wird vom Analysieren anderer Aufgaben abgegrenzt (17:7). In vielen Fällen verbleibt die Reflexion stark anwendungsbezogen in dem Sinne, als die Auseinandersetzung mit dem Konzept der komplexen Lernaufgabe oder Prinzipien des Task-based language learning kaum eine distanzierende Auseinandersetzung mit ‘gängiger’ Praxis – die häufig gerade nicht nach diesen Prinzipien organisiert ist – auszulösen scheint. Automatisierendes Üben (13:44) und Memorisieren (2:123) bleiben starke, auch in ihrer Sinnhaftigkeit kaum hinterfragte Bezugspunkte beim Sprechen über Aufgaben. Gleichzeitig scheint der Begriff der Aufgabe selbst als bedeutsam wahrgenommen worden zu sein, was sich beispielsweise in der Wortschöpfung „Aufgabenkompetenz“ von TN14 (14:10) spiegelt. Die Studierenden wissen, dass Aufgaben ein wichtiger theoretischer Bezugspunkt für den Fremdsprachenunterricht sind, bringen aber theoretisches Wissen und Beobachtung oder eigenes Handeln in der Praxis kaum mit den zugehörigen Prinzipien oder Praxisproblemen in Zusammenhang. 9.3 Detailanalysen: reflexive Handlungskompetenz in Clustern und episodischen Passagen Das gleichzeitige Vorkommen von mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion und dem Rekurs auf fachdidaktische Wissensanteile wurde für diese Studie als Hinweis auf reflexive Handlungskompetenz angesetzt (vgl. Abschnitt 9.1). Bei der Codierung sowie bei der genaueren Durchsicht des Materials wurde immer wieder deutlich, dass vor allem längere, entweder narrativ geprägte oder durch Interaktion mit der Interviewerin charakterisierte Passagen besonders differenzierte Reflexionen erkennen lassen. Deren Aussagekraft besteht darin, dass sie erstens an konkreten Erinnerungen und Problemen der Erfahrungssituationen im Praktikum festgemacht sind, und dass sie zweitens Denkbewegungen sichtbar machen, wie die Probleme in der Situation

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selbst gelöst wurden und wie diese Prozesse im Nachhinein – in der Interviewsituation – strukturiert und gegebenenfalls auch bewertet werden. Diese Textstellen sollen hier Cluster genannt werden: Es handelt sich dabei um Passagen von hoher reflexiver Dichte, die auffällige Codierungshäufungen aufweisen. Ein Cluster liegt dann vor, wenn mindestens zwei Codes, die auf fachdidaktisches Wissen verweisen (also den oben etablierten Subkategorien „Kompetenzbegriff“, „Schülerorientierung“, „Fertigkeiten und Kompetenzen“ etc. entsprechen), gleichzeitig einer reflektierenden Passage zugeordnet werden. Der überschneidende Rückgriff auf verschiedene Wissensanteile verweist auf die Herstellung von Zusammenhängen und die Verknüpfung verschiedener Wissensanteile vor konkreten Fragestellungen und Erfahrungen der Praxis. Es gibt Cluster sowohl in einperspektivisch-linear als auch in mehrperspektivisch-zyklisch reflektierenden Textstellen. In methodischer Hinsicht wurde weiter oben bereits das Problem der Trennschärfe einzelner Codes sowie die Unsicherheit bei der Festlegung der Codiereinheiten und ihrer Grenzen im Kontext des gesamten Interviewtextes (vgl. Abschnitt 8.3.2) beschrieben. Die folgenden Einzelanalysen haben in diesem Kontext auch die Funktion, exemplarisch längere Textabschnitte jenseits der Begrenzungen des Codiervorgangs im engeren Sinne zu analysieren und den dynamischen Charakter der Reflexionsprozesse stärker in den Vordergrund holen zu können. 9.3.1 Methodisches Vorgehen und quantitative Ordnung der Cluster Alle Interviews wurden in einem eigenen Codierdurchgang auf Cluster – die mindestens zwei Codierungen zu fachdidaktischem Wissen enthalten müssen – hin durchgesehen und mit einer eigenen Subkategorie („Cluster“) codiert, sodass sie für die Zusammenstellung mit der Retrievalfunktion (vgl. VERBI 2014: 49ff.) von MAXQDA abrufbar gemacht wurden. Insgesamt lassen sich im Datenmaterial 70 Cluster identifizieren. Von den insgesamt 70 Clustern sind 57 – also ein Anteil von über dreiviertel – in der Subkategorie „mehrperspektivisch-zyklisch“ codiert, 14 in der Subkategorie „einperspektivisch-linear“. Diese Proportion bestätigt erneut, dass in mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion rein quantitativ deutlich stärker auf

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fachdidaktisches Wissen zurückgegriffen wird als dies bei einperspektivischlinearen Reflexionen der Fall ist. Dies war bereits im Abschnitt 9.1.3 als Ergebnis herausgearbeitet worden: Bei den 14 Studierenden, bei denen mehrperspektivisch-zyklische Reflexionen überwiegen, lassen sich differenziertere Verteilungen zwischen den fachdidaktischen Subkategorien beobachten als dies bei den 5 Studierenden der Fall ist, bei denen einperspektivisch-lineare Reflexionen dominieren. Auffällig bei der Auszählung ist weiterhin, dass bei nur zweien der insgesamt 14 Cluster einperspektivisch-linearer Reflexion mehr als zwei Elemente fachdidaktischen Wissens codiert wurden. Die Häufigkeit der Cluster in den Subkategorien „einperspektivisch-linear“ und „mehrperspektivisch-zyklisch“ ist daher aufschlussreich für die Frage, bei welcher Art von Reflexion fachdidaktisches Wissen auf welche Wiese mobilisiert wird. Zwar ist ein Merkmal einperspektivisch-linearer Reflexion, dass Wissen isoliert versprachlicht wird, insofern widerspricht eine Codierregel für einperspektivisch-lineare Reflexion bereits der Möglichkeit des Entstehens von Clustern, dennoch ist auffällig, um wieviel häufiger im Fall mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion mehrere – und auch deutlich mehr als zwei – fachdidaktische Wissenselemente gemeinsam thematisiert und miteinander in Zusammenhang gebracht werden. Sämtliche einperspektivisch-linearen Cluster erfüllen demnach lediglich den ‘Minimalanspruch’ der Clusterdefinition, indem sie zwei Wissenskategorien integrieren. Im Gegensatz dazu sind bei den mehrperspektivisch-zyklischen Clustern oftmals Häufungen von mehr als zwei Codierungen fachdidaktischen Wissens beobachtbar. Dies wurde dahingehend interpretiert, dass bei der mehrperspektivisch-zyklischen Reflexion stärker der Versuch der Wissensintegration im Sinne eines ‘Zusammendenkens’ verschiedener Elemente, die unterrichtliches Handeln bestimmen können, sichtbar wird. Die Studierenden versprachlichen hier die Komplexität der Handlungssituation und deuten diese fallbezogen und situativ adaptierend. Dabei werden im Rückblick verschiedene, ad hoc assoziierte theoretische Bezüge mobilisiert. Der Transformationsprozess von theoretischen Wissensanteilen vor den Erfahrungen der Praxis kann hier im Detail beobachtet werden.

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In ungefähr einem Viertel der Fälle überwiegen einperspektivischlineare Cluster, oder das Verhältnis einperspektivisch-linearer und mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion ist ausgewogen. Das Gros der Studierenden reflektiert hingegen überwiegend in mehrperspektivisch-zyklischen Clustern. Dieses quantitative Ergebnis ist insofern interessant, als es in einigen Fällen dem Verhältnis von einperspektivisch-linearer und mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion proportional nicht entspricht: Es ist möglich – und beispielsweise bei TN3 und TN10 der Fall –, in der Summe überwiegend einperspektivisch-linear zu reflektieren, bei einigen Passagen aber dennoch mehrperspektivische Wissensintegrationen zu realisieren. Hier wird erneut die Komplexität quantifizierender und skalierender Zugriffe deutlich und insofern problematisiert, als auch Aspekte von Reflexionskompetenz erkennbar sind, wo auf den ersten Blick in quantitativer Hinsicht überwiegend einperspektivisch-linear reflektiert wird, also keine ausgeprägte Kompetenz erkennbar ist. Auffällig ist dennoch, dass die Interviews, in denen besonders viele Textstellen als mehrperspektivisch-zyklisch codiert wurden, auch meist deutlich mehr mehrperspektivisch-zyklische Cluster bzw. gar keine einperspektivisch-linearen Cluster aufweisen; dies ist beispielsweise bei TN12, TN13, TN14, TN16 und TN18 der Fall. 9.3.2 Detailanalysen – vier Cluster als Einzelfälle In den folgenden Abschnitten sollen einige Cluster als exemplarische Einzelfälle detailliert beschrieben werden. Es handelt sich um Textstellen, in denen reflexive Handlungskompetenz im Gesprächsverlauf nachvollzogen werden kann und in ihrer Prozesshaftigkeit anschaulich wird. Für die Darstellung in den folgenden Unterkapiteln wird das Augenmerk darauf gerichtet, welche Elemente fachdidaktischen Wissens eine Rolle spielen, wie sie versprachlicht und mit Praxiserfahrungen assoziiert werden. Die als Cluster markierten Textstellen werden für die Analyse in ihrem Kontext wiedergegeben, Rahmungen werden erläutert und Nachfragen durch die Interviewerin werden ebenfalls in die Analyse integriert. Dieses Vorgehen stellt eine Ergänzung zur stärker isolierenden Bearbeitung des Materials im eigentlichen Codiervorgang sowie zur bisherigen Repräsentation der Analysen dar. Während hierbei die Frage,

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was eher punktuell inhaltlich auf den Plan gerufen wird, fokussiert wurde, soll in den Detailanalysen der Wissensentstehungsprozess in der Interaktion nachvollziehbar gemacht werden. Die Codierung hat zur Auswahl der Textstellen dahingehend beigetragen, dass sie zunächst durch ihre Rahmung im Kategoriensystem vergleichend beschreibbar werden. Während für die Codierung des Materials mit dem Ziel der Formulierung allgemeiner Tendenzen Wissenselemente isoliert und quantifiziert wurden, wird bei der Detailanalyse synthetisiert und qualitativ interpretiert. Die Darstellung der Cluster konzentriert sich auf einen Nachvollzug der Prozesse, die im rückblickenden Sprechen über Erfahrungen sichtbar werden. Beschrieben wird, wie die Studierenden Probleme formulieren, welche fachdidaktischen theoretischen Wissensanteile sie mit dem Problem in Zusammenhang bringen und wie der Problemlöseprozess sprachlich strukturiert ist. 9.3.2.1 „Ich will das irgendwie so aktiver gestalten“: TN2 zwischen Differenzhypothese und theoriegeleiteter Unterrichtsplanung An der im Folgenden analysierten Passage aus dem Interview mit TN2 kann eine gegenläufige Bewegung nachgezeichnet werden, die für die Reflexion von Theorie-Praxis-Bezügen aufschlussreich ist. Die Bedeutsamkeit fachdidaktischen theoretischen Wissens für die konkrete Gestaltung von Unterricht wird von TN2 in ihren Kommentaren einerseits stark in Frage gestellt, andererseits realisiert sie diskursiv – in der erzählenden Rückschau auf ihr Handeln im Praktikum – genau das Gegenteil ihrer eigenen Bewertung (un-) möglicher Theorie-Praxis-Bezüge. Sie erzählt detailliert von der Planung einer Unterrichtseinheit, die rückbezügliche Phasen von theoretischen Lektüren und adaptiver Unterrichtsplanung enthält. Die Passage findet sich im ersten Drittel des Interviews, wo die Bedeutung fachdidaktischer Literatur für die Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz (vgl. Leitfaden im Anhang 1) bewertet werden soll. TN2 hat dem Item „Erarbeiten von Literatur zu didaktischen Fragestellungen“ auf der Skala die mittlere Bewertung „weder förderlich noch nicht förderlich für die Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz“ zugeordnet. Das Ende der Passage wird durch den Übergang zum nächsten zu bewertenden Element (Einschätzung der Förderlichkeit des

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Tutoriums) markiert. TN2 formuliert einerseits ein Statement für die so genannte „Differenzhypothese“ (vgl. Abschnitt 2.2): Ihrer Meinung nach haben Lektüren zu fachdidaktischen Themen keinen Einfluss auf das konkrete unterrichtliche Handeln. Andererseits wird im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen die Geschichte einer Unterrichtsplanung erzählt, die das Gegenteil schildert: TN2 erläutert, wie sie bei der Didaktisierung eines chansons vorgegangen ist und welche Rolle dabei auch die Auseinandersetzung mit fachdidaktischer Literatur gespielt hat. „I: Ja, gut (..). Dann haben wir ja nicht nur das Kerncurriculum bearbeitet, sondern auch Literatur noch zusätzlich zu didaktischen Fragestellungen gelesen, also aus den Einführungen oder mal andere Aufsätze. Wie förderlich ist das? (2:44) TN2: In Bezug auf meine Handlungskompetenz würde ich es jetzt eher, ja, weiß nicht, im Moment eher bei ‘weder noch’ einschätzen. Aber eigentlich ist das ja so die Grundlage, auf der man diskutiert oder auf der man aufbaut. Also, es ist eigentlich wichtig, aber es wird einem dann, glaube ich, erst später so ein bisschen bewusst //mhm//. Also, so, wenn ich jetzt erstmal nur auf meine Handlungskompetenzen sagen müsste, dann finde ich es erstmal eher nicht so förderlich, aber wenn, ich sage mal eher so etwas wie die Microteachings, wo man etwas produziert oder wo man was macht, weil durch dieses Lesen, da kann ich mich irgendwie nicht weiterentwickeln, denke ich mir, so immer manchmal so. (2:45) I: Und das hatte jetzt auch nicht so einen direkten (.) Einfluss auf zum Beispiel Ihr Microteaching? (2:46) TN2: (.) Ja, also man überprüft das ja schon immer, das, was man dann im Unterricht zum Beispiel macht, hin auch auf die fachdidaktische Literatur. Aber (.) Was wollte ich jetzt eigentlich sagen (lacht)? (2:47) I: Ob das tatsächlich Ihre eigene Planung //achso ja, genau// beeinflusst hat? (2:48) TN2: Ich glaube eigentlich nicht //mhm//. Also, ich weiß auch nicht. Ich bin ja aber eher so, ich lese das so, also, für mich als Input und verstehe auch sozusagen auch die Ansätze, die darin irgendwie erklärt werden oder, ja so, Prinzipien, denen man treu bleiben muss. Aber ich finde halt immer, man muss dann nochmal so für sich überlegen //ja// passt das zu MIR, zu MEINEM Unterricht oder für diese Stunde, oder. Also, man kann es halt einmal so generell sagen, aber wenn man dann den Unterrichtsgegenstand hat, dann muss man immer noch mal gucken, ist das jetzt wirklich so? (2:49)

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I: Ja. Und was könnte dann passen, und was passt dann manchmal doch nicht? (2:50) TN2: Genau, also, dass man das so daraufhin abwiegt irgendwie. (2:51) I: Was könnten das zum Beispiel für Bereiche sein, wo Sie sagen, ja, das habe ich dann doch übernommen, aber da musste ich selber ganz neu überlegen? (2:52) TN2: (...10) (lachen) Zum Beispiel (...5) Also, ich habe ja das mit dem, in meinem Praktikumsbericht, dieses chanson gehabt Tout le bonheur du monde //mhm// und war es halt schon so, dass ich gelesen habe, was wird zu chansons irgendwie gesagt. Was wird darüber geschrieben, wie man es verwenden soll. Und irgendwie habe ich mir dann gedacht so, nein, so will ich das nicht machen, ich will das irgendwie so aktiver gestalten //mhm//, und dann habe ich ja, oder dann haben wir uns ja für eine Stationsarbeit entschieden //ja// und ja genau, dann war das so dieses ‘Ich habe hier mal gelesen, da mal gelesen’ //mhm//, und dann habe ich das irgendwie so zu einem Ganzen zusammengefügt, also. Ich habe dann mal bei Stationsarbeit nachgelesen //ja (lachend)//, dann habe ich mal hier gelesen. Und das waren ja auch irgendwie so viele Sachen, also, und dann habe ich halt versucht, das irgendwie zusammenzufügen oder halt dann auch auf diesen Kontext irgendwie zu verwenden //ja//, was gesagt wurde //mhm, ja, gut//. (lachen).“ (2:53)

Der Gesprächsverlauf zeigt einen Übergang vom Allgemeinen ins Konkrete, der mit einer Bewegung von einer bewertenden zu einer deskriptiven Narration verbunden ist. Die abstrakt formulierte Meinung, dass fachdidaktische Literatur zunächst hinsichtlich der „Handlungskompetenz“ als weder förderlich noch als nicht förderlich bewertet wird, begründet TN2 durch die mangelnde Verbindung von Lektüren im Kontext eigener professioneller Entwicklung: „weil durch dieses Lesen, da kann ich mich irgendwie nicht weiterentwickeln“. Zwar bilden Lektüren „so die Grundlage, auf der man diskutiert oder auf der man aufbaut“, Handlungskompetenz wird hingegen da ausgebildet, „wo man etwas produziert oder wo man was macht“ – wie beispielsweise im Microteaching. Das eigene Handeln wird von der Lektüre abgegrenzt, die zwar eine Rolle spielt („Grundlage“) aber keine „Weiterentwicklung“ ermöglicht. Der Wert des Grundlagenwissens kann allenfalls rückblickend erkannt werden („aber es wird einem dann, glaube ich, erst später so ein bisschen bewusst“). Problematisch an der Gesprächsführung ist hier rückblickend, dass nicht gefragt wurde, ob TN2 „reflexive Handlungskompetenz“ anders definieren würde als „Handlungskompetenz“, den Begriff,

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den sie benutzt. Stattdessen wird in der Rückfrage das Moment der Verbindung von Lektüre und Microteaching thematisiert, was eine indirekte Erklärung des Begriffs der reflexiven Handlungskompetenz darstellt und insofern eine deutliche Lenkung durch die Interviewerin stattfindet. TN2 bestätigt im Folgenden einerseits erneut, dass Literatur eine Art Prüfinstanz für eine Planung darstellt: Wie bereits im ersten Redebeitrag wird ihr eine Funktion für die nachträgliche Reflexion einer Planung und ihrer Realisierung (reflection on action) zugeschrieben („erst später so ein bisschen bewusst“; „man überprüft das ja schon immer“), das Handeln selbst bleibt aber davon unbeeinflusst: „Ich glaube eigentlich nicht“. Im Anschluss daran eröffnet TN2 eine Erzählung zu einer Unterrichtsplanung, die sie mit der Opposition „Ansätze […], Prinzipien, denen man treu bleiben muss“ versus „so für sich selbst überlegen“ rahmt: Durch die fachdidaktische Literatur wird ein normativer Bezugspunkt („Prinzipien, denen man treu bleiben muss“) angesetzt, der aber von der Entscheidung, was „zu MIR, zu MEINEM Unterricht, für diese Stunde“ passt, entkoppelt wahrgenommen wird: Den normativen Prinzipien wird vor dem konkreten Fall hinsichtlich einer generellen Passung misstraut, weil ihre Konkretisierung individuell geschieht und das Übertragbare des „Prinzips“ in Frage stellt. Dem Einzelfall mit seinen spezifischen Besonderheiten („zu MIR, zu MEINEM Unterricht; für diese Stunde“) kann nur eine Prüfung und Transformation der Prinzipien am „Unterrichtsgegenstand“ gerecht werden: „dann muss man immer nochmal gucken, ist das jetzt wirklich so?“. Unterrichtsplanung wird als prozesshafter („nochmal gucken“) Abgleich zwischen allgemeinen „Prinzipien, denen man treu bleiben muss“ und dem konkreten, nicht verallgemeinerbaren „Unterrichtsgegenstand“ der spezifischen eigenen, singulären Situation („MEINEM Unterricht“) beschrieben. Literatur wird dafür als unbrauchbar („generell“ versus „Unterrichtsgegenstand“) qualifiziert, weil die Kriterien zur Planung des Einzelfalls sich gerade der generellen Ebene, die in fachdidaktischer Literatur häufig etabliert wird, entziehen und einen Übertrag auf das Konkrete daher verunmöglichen. Fallbezogen konkretisiert wird diese Ansicht durch eine Erzählung zur Arbeit mit einem chanson. Die fachdidaktischen Ansätze – „was wird zu chansons irgendwie gesagt. Was wird darüber geschrieben, wie man es verwenden

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soll?“ – beschreibt TN2 als unzureichend für ihr eigenes Ziel der Schüleraktivierung, die sie in den Texten zu chansons nicht ausreichend berücksichtigt findet: „nein, so will ich das nicht machen, ich will das irgendwie aktiver gestalten“. Auch hier wäre eine Nachfrage zur Motivation, warum eine stärkere Aktivierung notwendig erscheint, interessant gewesen: ist Aktivierung ein grundsätzliches Ziel jeder Unterrichtsplanung von TN2? Hat sie die konkrete Lerngruppe als besonders ‘passiv’ beobachtet? Als Methode zur Aktivierung wählt TN2 eine „Stationsarbeit“, liest sich in die entsprechende Literatur ein, und „versucht, das irgendwie zusammenzufügen oder halt dann auch auf diesen Kontext irgendwie zu verwenden.“ Im Gegensatz zur ersten Ausführung, bei der fachdidaktische Literatur („Grundlage; Prinzipien“) als weniger förderlich für das unterrichtliche Handeln charakterisiert wird, wird in der Erzählung zum chanson dem Rückgriff auf Literatur zur Methode „Stationsarbeit“ ein anderer, durchaus nutzbarer Wert beigemessen: Im ersten Absatz wird eine ‘Deduktionslogik’ im Sinne der Anwendung fachdidaktischer Literatur auf Situationen in der Praxis in Frage gestellt, was TN2 aus der Spezifik des Einzelfalls heraus begründet (problematische Passung „zu MEINEM Unterricht oder für diese Stunde“). Im zweiten Absatz dient die Lektüre der Lösung eines dem spezifischen Einzelfall zugehörigen Problems, der Frage, wie die Arbeit mit einem chanson „irgendwie so aktiver“ gestaltet werden kann. Die Passage repräsentiert einen Reflexionsprozess, welcher der oben etablierten Definition von reflexiver Handlungskompetenz entspricht: Unterrichtsplanung wird nicht am „Vorfindlichen“ („wie man es verwenden soll“), sondern am „Möglichen“ (vgl. Neuweg 2011b: 23) orientiert („irgendwie aktiver“). Elemente fachdidaktischen Wissens werden vor dem spezifischen Ziel eines Einzelfalls neu arrangiert, sodass es von einer allgemeinen Ebene „didaktisch transformiert“ (vgl. Steinbrügge 2008) und zur Lösung eines Problems neu konstruiert wird. Die diskursive Entwicklung der Passage – von der abstrakten Meinung („fachdidaktische Literatur ist nur bedingt förderlich für das Handeln“) zur konkreten Erfahrungsnarration („in meinem Praktikumsbericht dieses chanson“) – entspricht dem Reflexionsvorgang, der als Kompetenzziel für das

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untersuchte Modul angesetzt wurde. Offen bleibt jedoch die Frage, wie das Ziel der „stärkeren Aktivierung“ motiviert ist: Handelt es sich hier nicht auch um eine normative Vorgabe, die von TN2 unhinterfragt übernommen wird oder hat sie kontextbedingte Gründe, eine stärkere Aktivierung als für genau diese hier fokussierte Lerngruppe notwendige Entscheidung anzusetzen? Die Opposition zwischen „Prinzipien, denen man treu bleiben muss“ und der gegebenenfalls nur vermeintlich „eigenen“ Entscheidung zu mehr Aktivität wäre dann nur noch eine Scheinopposition, die gerade nicht durch die Vermittlung zwischen abstrakten fachdidaktischen Prinzipien und komplexer, spezifischer Planungssituation, bzw. Adaptation an eine solche entsteht, sondern aus der Übernahme zweier Prinzipien, die lediglich auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sind. Codiert wurde die Passage folgendermaßen: Der erste Teil (2:44-2:47) stellt eine einperspektivisch-lineare Reflexion dar, weil dem Anspruch der professionellen Entwicklung allein das unterrichtliche Handeln als förderlich zugeschrieben wird. Fachdidaktisches Wissen wird hier nicht mobilisiert. Der zweite Teil (2:48-2:51) wurde wegen der mehrperspektivischen, als Konflikt beschriebenen Sicht auf die Unterrichtsplanung (normative Prinzipien einerseits, konkreter eigener Unterricht und Vorstellungen dazu andererseits) als mehrperspektivisch-zyklisch codiert, für das jedoch weiterhin kein fachdidaktisches Wissen mobilisiert wird. Der dritte Abschnitt – der als Cluster codiert wurde (2:52-2:53) – stellt ebenfalls eine mehrperspektivisch-zyklische Reflexion dar, welcher zudem die fachdidaktischen Kategorien „Unterrichtsgespräch/Interaktion“ sowie „Methodenkenntnis“ zugeschrieben wurden. Mit der Nennung des chansons wird ein thematisch-inhaltlicher Bereich angesprochen, sodass die Passage Inhalt (chanson), Methode (Stationenlernen) und spezifische Zielsetzung (Aktivierung) integrierend aufeinander bezieht. Diese Passage kann auch als Beispiel dafür gelten, dass reflexive Episoden in der Interaktion hervorgebracht werden und sich nicht zwangsläufig ad hoc einstellen (vgl. Abschnitt 7.2.2). Auf meine Nachfrage hin reagiert TN2 zunächst mit Lachen und einer außergewöhnlich langen Pause (insgesamt ca. 15 Sekunden!), bevor sie die Planungsgeschichte zum chanson erzählt. Diese

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Pause wird dahingehend interpretiert, dass der reflexive Prozess im Moment des Interviews angestoßen wird. 9.3.2.2 „Dass sie das selber entwickeln und erkennen“: TN13 zwischen Anspruch und Wirklichkeit des Grammatikunterrichts In Abschnitt 9.2.3.1 wurde auf die massive Präsenz von Reflexionen, die sich auf Grammatikarbeit beziehen, hingewiesen. Dieses Thema spielt entsprechend auch in den Clustern eine prominente Rolle. Die im Folgenden analysierte Passage thematisiert die Vermittlung grammatischer Strukturen vor dem methodischen Vorgehen so genannter induktiver Grammatikvermittlung. TN13 nimmt in dieser sehr langen Passage eine zeitlich strukturierte Rahmung vor, die das Fachpraktikum im gesamten Studienverlauf verortet und mit Erfahrungen im allgemeinen Schulpraktikum der BA-Phase chronologisiert. Damit wird ein größerer berufsbiographischer Kontext konstruiert, der Reflexionsprozesse auf verschiedenen Ebenen sichtbar und Wissenskonstruktionsprozesse über längere Zeiträume hinweg nachvollziehbar macht39. Die Interviewpassage behandelt den Konflikt zwischen Anspruch und Wirklichkeit hinsichtlich der Vermittlung grammatischer Strukturen, der ausgehend von im Gesprächsverlauf aufgerufenen Erfahrungen ausdifferenziert wird. Darüber hinaus zeichnet sich die Passage durch massive Interventionen und starke Involviertheit der Interviewerin aus. Die Analyse soll diese interaktionale Ebene des Reflexionsprozesses nachvollziehbar machen und damit gleichzeitig die nicht an allen Stellen in der Studie gleichermaßen realisierte Interviewführung problematisieren. TN13 beschreibt den Konflikt, der sich aus dem eigenen – theoriebasierten – Anspruch, welcher der erfahrenen Wirklichkeit beim Versuch seiner Realisierung im Unterricht widerspricht, ergibt: Grammatikunterricht soll so gestaltet sein, dass die Schüler „das selber entwickeln und erkennen“ (13:42), also Regeln und Strukturen aus gegebenem sprachlichem Material

39

Eine ähnliche Chronologisierung findet sich bei TN17 (siehe Abschnitt 9.2.3.4.2), wo ebenfalls Erfahrungen im BA-Praktikum in die Reflexionen zu Handlungen im Fachpraktikum des Master of Education integriert werden.

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Empirische Analysen

heraus abstrahieren. Hier bezieht sich TN13 auf übliche, vor allem in fachdidaktischer Einführungsliteratur formulierte Techniken des Grammatikunterrichts (z.B. Fäcke 2010: 160), die unter dem Stichwort „induktiver Grammatikunterricht“ Prinzipien von Schülerorientierung, entdeckendem Lernen und Kognitivierung am Beispiel assoziieren. In der Passage referiert TN13 gleich mehrere Praxiskontexte, in denen dies jedoch „schwer funktionierte“ (13:40) und entwickelt Deutungsansätze für den wahrgenommenen Bruch. Die im Folgenden analysierte Passage ist im Kontext des Items zur Bewertung des Feedbacks durch Mitpraktikant*innen verortet. TN13 bewertet das Element als „förderlich“ für die Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz und begründet dies in erster Linie damit, dass sie selbst und ihre Mitpraktikantin durch den gemeinsamen Besuch der Begleitveranstaltungen zum Praktikum einen ähnlichen Wahrnehmungshorizont für die Planung und Reflexion von Unterricht entwickeln konnten. Dieser Horizont wird im Verlauf der Passage als Bezugspunkt sichtbar, auf den die Beobachtungen zum Grammatikunterricht hin ausgerichtet werden. In zwei chronologisch verwobenen Erzählungen ihrer Studienbiographie beleuchtet TN13 das Problem induktiver Grammatikvermittlung aus verschiedenen Perspektiven der Praxiserfahrung: „TN13: […] aber weil man mit seiner Mitpraktikantin ja den gleichen Kurs belegt hat und die gleichen Anforderungen hat und ja, eigentlich den gleichen Hintergrund so mehr oder weniger von den Theorien, von den Annahmen und so weiter, hat man irgendwie da teilweise eine (.) ähnliche Sicht vielleicht auf den Unterricht, den die Mitpraktikantin macht //mhm// oder (.) also, ich hatte das Gefühl, wir waren teilweise dann so Komplizen, dass wir uns Dinge sagen konnten, die die Mentorin gar nicht sagen KONNTE […]. (13:38) I: Können Sie sich da an irgendeine besondere Situation erinnern, wo die Mitpraktikantin eben für irgendetwas die Augen geöffnet hat? (13:39) TN13: (...9) So konkret jetzt nicht. Ich weiß, dass andersherum, als ich IHREN Unterricht gesehen habe und wir danach das zusammen reflektiert haben, da wusste ich GENAU, WARUM sie es so aufgebaut hat, wie sie es aufgebaut hat //ja//, und wir haben aber beide gesehen, es klappte nicht //aha?//. Also, sie hat versucht, rein alles von den Schülern entwickeln zu lassen //ja//. Es ging um den subjonctif und ich war mir KLAR, warum sie das so versucht //mhm//, dass sie nicht reinkommen möchte und den subjonctif einführen möchte und die Regel und die Form und so

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weiter, aber es war so offensichtlich, dass es schwer funktionierte und ich glaube, im anschließenden Reflexionsgespräch konnte ich irgendwie MEHR VERSTEHEN, warum sie das so aufgebaut hatte //ja//, als DIE Mentorin //aha//. (13:40) I: Und (.) was? Sie haben gesagt, Sie wussten eigentlich fast von Anfang an, dass das so nicht klappen kann. //nein// (13:41) TN13: Nein, so würde ich das nicht sagen, also, ich habe auch ihre Planung mitbekommen //ja// und habe ihr erzählt, dass in meinem Allgemeinen Schulpraktikum hatte ich AUCH eine Grammatikeinheit //mhm//, also, die hatte ich über Possessivpronomen und da hatte ich das auch versucht so ähnlich wie sie, dass sie das selber entwickeln und erkennen //ja// die Regelmäßigkeiten und so //ja//. Da hatte ich ihr davon erzählt, dass das SEHR schwierig war und dass ich das Gefühl hatte und auch der Mentor mir das da zurückgemeldet hat, dass ich das Problem größer gemacht habe als es eigentlich WAR //mhm mhm//. Und sie hat aber gesagt, sie möchte es gerne so ausprobieren und ich habe auch nicht unbedingt erwartet, dass dies (.) dass es gar nicht funktioniert oder so, das nicht, aber wir haben halt vorher schon darüber gesprochen und als wir dann danach darüber gesprochen haben, meinte sie ‘oh ja, jetzt weiß ich, was du meinst’ //ja mh//. Also es war ihr vorher auch nicht klar, glaube ich, //ja ja// und mir vor dieser anderen Erfahrung AUCH nicht. (..) Also ich würde nicht sagen, dass ich das schon irgendwie davor wusste, nur (.) wir hatten davor halt schon GENAU über diesen Punkt gesprochen //ja ja// und wussten trotzdem BEIDE, warum sie es ja trotzdem versucht hat //achso//, weil wir beide WOLLEN, dass es möglichst schülerorientiert //mhm mhm// wie man sagt. Also. (13:42) I: UND können Sie das noch genauer beschreiben, WAS der Punkt WAR, an dem WAS genau nicht geklappt hat? (13:43) TN13: (.) Ganz genau weiß ich es gar nicht mehr. Es war nur, es hat sich SEHR lang gezogen, es war so ein Gefühl von die Schüler FISCHEN, also sie haben geraten //mhm//, sie haben (.) und das Problem war dann, genau, ein Zeitliches, dass sie dann letztlich als dann quasi die Regel und die Form STANDEN, es überhaupt keine Übungsphase mehr geben KONNTE und gar keine Anwendung. Und dann hat man sich natürlich gefragt, was haben die Schüler jetzt wirklich GEMACHT //ja// in dieser Doppelstunde //mhm//. Eigentlich (.) nichts. Sie haben geraten und haben am Ende das Ergebnis an der Tafel, aber wie sehr sie das wahrgenommen haben, wie sehr sie das mitgenommen haben und das (..). Ja da waren wir uns dann beide nicht so, nicht so sicher //ja//. (13:44) I: Und glauben Sie denn, dass das (..) sozusagen typisches Merkmal oder (.) logische Konsequenz von induktiver Grammatikvermittlung ist oder (..) wird das Konzept induktive Grammatikvermittlung dann einfach SCHLECHT umgesetzt, wenn so etwas passiert? (13:45)

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Empirische Analysen

TN13: (...) Nein, ich würde nicht sagen, dass es generell (.) nicht funktionieren kann //mhm//. Also ich würde eher einschätzen, dass erstens würde ich sagen, kommt es sehr auf das Thema drauf an. Also, ich glaube, den subjonctif hätte ich NICHT so gemacht //ja//, weil ich glaube etwas, was mit so vielen Verbformen zum Beispiel zu tun hat und so ja doch auf so einer analytischen und abstrakten Ebene funktionieren MUSS irgendwie, weil wir da kein Sprachgefühl für HABEN //mhm mhm// für diese Form, da hätte ich das, glaube ich, nicht angewendet. Also, ich würde sagen, die erste Frage wäre immer, bei welchem Thema macht man das, wobei ich auch nicht sicher bin, dass ich jemals einschätzen kann, also, dass ich jemals einschätzen könnte, wann das geht und wann nicht. (.) Und (.) ich glaube, wenn man es induktiv macht, dann muss das MATERIAL HERVORRAGEND sein //mhm//. Also dann muss man wirklich sich SEHR genau überlegen, welches Material, welche Aufgabenstellung, damit die Schüler es ERKENNEN können in einer NICHT zu großen Zeit sozusagen //ja//, um es dann auch richtig üben zu können. (13:46) I: Das heißt in dem induktiven (.) Setting muss eigentlich schon eine (.) auch ja, eine Struktur drin sein, die dann eben nicht induktiv im Sinne von ‘aus dem Nichts’ //nein// (unv.) (13:47) TN13: Ich denke auch, es muss schon vorstrukturiert sein //mhm// irgendwie, dass sie im Prinzip geleitet werden //ja//, genau das zu finden, was man ja WILL, //will// dass sie, weil gerade bei Grammatik ist es ja nun mal ein ganz klares Ziel vorgegeben, also anders als jetzt vielleicht bei einer Textinterpretation, wo das ein bisschen offener sein KÖNNTE, aber wenn man auf genau die Verbform, die Artikel, die ich weiß nicht was //mhm mhm// hinaus möchte, dann ist das Ziel ja so eng, dass man die Schüler ja irgendwie befähigen muss, genau DAS zu finden //ja//. Und ja, das, denke ich, ist die Schwierigkeit dann. (13:48)

Die Passage beginnt mit einer Nachfrage (13:39) zu einem Beispiel der von TN13 thematisierten „Komplizenschaft“ zwischen den Mitpraktikantinnen und deren Erkenntnismehrwert für die Reflexion von Unterrichtserfahrungen: TN13 antwortet mit einer Erzählung zu einer Unterrichtseinheit der Mitpraktikantin, in der sie einen Konflikt auf zwei Ebenen reflektiert: Zunächst beschreibt sie ihre Beobachtung, dass die induktive Einführung des subjonctif durch die Mitpraktikantin nicht so funktioniert hat, wie sie der Planung nach hätte funktionieren sollen („und wir haben aber beide gesehen, es klappte nicht“). Die andere Ebene betrifft das Verstehen der Unterrichtssituation im Reflexionsgespräch mit der Mentorin, bei dem TN13 ihre Fähigkeit zu Deutung und Verstehen der Situation von denen der Mentorin abgrenzt („konnte ich irgendwie MEHR VERSTEHEN, warum sie das so aufgebaut hatte //ja// als DIE Mentorin“). Das Problem wird als Problem also

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nur vor einem bestimmten – hier dem gemeinsamen, durch das Begleitseminar angelegten – Horizont als solches überhaupt erst benennbar. Die Rückfrage (13:41) suggeriert die Vermutung, dass TN13 aus dieser Beobachtung das induktive Verfahren generell in Frage stellt. Diesen Ansatz (13:45) weist TN13 zurück und begründet dies mit einer „Geschichte in der Geschichte“. Die Reflexion der Subjonctif-Episode geschieht durch eine berufsbiographische Rückblende auf eine eigene Erfahrung im BA-Praktikum; die ‘Problemgeschichte’ der Mitpraktikantin wird durch eine Parallelgeschichte, die TN13 in der Vergangenheit selbst erlebt hat, interpretiert: „und habe ihr erzählt […] hatte ich AUCH eine Grammatikeinheit“. Die Rückblende fungiert hier durch die Erzählung eines Parallelfalls aus eigener Erfahrung als Wahrnehmungsfolie für die beobachtete Erfahrung der Mitpraktikantin. Die Parallele wird durch den gemeinsamen Anspruch induktiver Vermittlung durch die Formulierungen „sie hat versucht, rein alles von den Schülern entwickeln zu lassen“ (13:40) und „da hatte ich das auch versucht, so ähnlich wie sie, dass sie das selber entwickeln und erkennen“ (13:42) hergestellt. Die Planung der Mitpraktikantin wird jedoch durch die Erzählung zunächst nicht beeinflusst („Und sie hat aber gesagt, sie möchte es gerne so ausprobieren“) und erst im Moment der ähnlichen Erfahrung als relevant wahrgenommen: „und als wir dann danach darüber gesprochen haben, meinte sie ‘oh ja, jetzt weiß ich, was du meinst’“ (13:42). Die eigene Erfahrung (in diesem Fall der Mitpraktikantin) ist hier Voraussetzung für ein Verstehen, das ‘theoretisch’ die Planung bereits vorweg hätte beeinflussen können, aber keinen Anknüpfungspunkt findet, sodass der ‘gute Rat’, den die Erzählung aus dem BAPraktikum von TN13 beinhaltet, an der Mitpraktikantin ‘abprallt’. Den normativen, theoriegeleiteten Anspruch teilen beide weiterhin, in der Aussage „weil wir beide WOLLEN, dass es möglichst schülerorientiert […]“ (13:42) wird er ausformuliert. Hier wird nicht nur der gemeinsame Verstehenshorizont erneut thematisiert, sondern das Verfahren induktiver Grammatikvermittlung wird mit einem übergeordneten Prinzip des Fremdsprachenunterrichts, der Schülerorientierung nämlich, assoziiert. Das unterrichtsmethodische Vorgehen wird an ein Ziel gekoppelt, das beide teilen und welches die

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Empirische Analysen

Favorisierung des induktiven Vorgehens auf einer anderen Ebene rechtfertigt. Meine Bitte um Konkretisierung – „WAS der Punkt WAR, an dem WAS genau nicht geklappt hat“ (13:43) – wird von TN13 mit einer Beschreibung der Unterrichtssituation vor der Kategorie der Schülerorientierung ausgeführt, die ihrerseits wiederum mit dem Prinzip der Handlungsorientierung assoziiert wird: Die Schüler haben „geraten“, was so lange gedauert hat, dass keine Übungsphase zu den durch Raten hergeleiteten sprachlichen Strukturen mehr möglich war. Dies wird vor dem Prinzip Handlungsorientierung dahingehend problematisiert, dass die Schüler erstens die Regel gerade nicht durch metasprachliche Reflexion oder Hypothesenbildung, sondern durch „Raten“ entwickelt haben und dass zweitens keine Anwendung mehr möglich war, also keine produktive, kommunikative Aktivität in der Fremdsprache vorkam: die Schüler haben „eigentlich nichts“ gemacht. TN13 reflektiert hier vor dem Prinzip der Schülerorientierung auch hinsichtlich des Handelns der Lehrkraft: Sie versucht über einen angedeuteten Perspektivenwechsel, den Unterricht mit den Augen der Schüler zu sehen und stellt in Frage, ob das, was lehrerseitig intendiert war, auch von den Schüler*innen als Lerngelegenheit angenommen wurde: „wie sehr sie das mitgenommen haben […]. Ja, da waren wir uns dann beide nicht so, nicht so sicher.“ TN13 formuliert hier eine plausible Deutung für die Unterrichtssituation, problematisiert aber gleichzeitig deren Verlässlichkeit durch die Andeutung, nicht abschließend wissen zu können, wie die Schüler*innen die Situation wahrgenommen haben (so wäre beispielsweise denkbar, dass die Schüler das „Raten“ anders bewerten und das Fehlen einer Anwendungsphase vielleicht gar nicht bemängeln würden). Die nächste Rückfrage zielt erneut auf eine generelle Bewertung induktiver Verfahren, und verlangt von TN13 eine Entscheidung darüber, ob das beobachtete Phänomen auf ein generelles Problem des Konzepts verweist oder darauf, dass es „SCHLECHT umgesetzt“ (13:44) wurde. Die Antwort von TN13 führt das Problem unter Anbindung an verschiedene theoretische Bezugspunkte aus. Erstens wird thematisch differenziert: Nicht jeder grammatische Gegenstand eignet sich für induktive Vermittlungsverfahren. Es wird hier ein Vorgehen bei der Reflexion von Unterrichtsplanung deutlich,

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das die Analyse des Unterrichtsinhalts der methodischen Entscheidung voranschaltet. Zweitens muss TN13 zufolge das Material so aufbereitet sein – nämlich „HERVORRAGEND“ –, dass die zu vermittelnde, neue Struktur auch erkennbar ist, und das Erkennen in einer „NICHT zu großen Zeit“ stattfinden kann, damit das Verhältnis zur Übungszeit angemessen bleibt. Die Eignung des Materials wird hier mit „Sprachgefühl“ assoziiert, die thematische Eignung, bzw. nicht-Eignung des subjonctif für induktive Verfahren wird also sprachkontrastiv begründet. Es wird nicht klar, ob sich das Sprachgefühl auf die Formfülle, auf das Fehlen eines äquivalenten Modus bzw. seiner Funktionen im Deutschen oder beide Aspekte bezieht. Entscheidend ist für TN13 – wieder in Abhängigkeit vom übergeordneten Prinzip der Schülerorientierung –, ob das zu Vermittelnde überhaupt so im Material repräsentiert ist, dass es erkannt werden kann: Das Material muss das zu Entdeckende bereits nahelegen, aus – in der Schülerperspektive – willkürlichem sprachlichen Material heraus ist eine induktive Herleitung unmöglich. Hier wird implizit der Aspekt des noticing (vgl. Schmidt 1990) angesprochen. Die Eindeutigkeit des Ziels – „gerade bei Grammatik ist […] ja nun mal ein ganz klares Ziel vorgegeben“ (13:48) – grenzt TN13 im letzten Absatz wiederum von stärker bedeutungsoffenen Inhalten ab, wie beispielsweise der Textinterpretation. Ein Ergebnis, das von vornherein als unverhandelbar feststeht („genau die Verbform, die Artikel“) kollidiert mit dem Anspruch, in einem bedeutungsoffenen Gespräch („selber entwickeln und erkennen“) hervorgebracht werden zu können. Die zeitlichen Proportionen von Kognitivierung und Anwendung neuer sprachlicher Strukturen werden hier ebenfalls vor den Prinzipien von Schüler- und Handlungsorientierung reflektiert. Die Regel ist zwar „induktiv“ hergeleitet worden, allerdings so zeitaufwändig, dass für eine handelnde Anwendung und Übung im Französischen keine Zeit verblieb. Ob die Schüler die neue Struktur in Übungs- oder Transferkontexten anwenden können, kann im Rahmen dieser Stunde nicht mehr festgestellt werden. Auch stellt TN13 die kognitive Aktivierung durch das induktive Setting dahingehend in Frage, dass sie das Gespräch als Pseudo-Interaktion beschreibt: „ein Gefühl von die Schüler FISCHEN“ und „also sie haben geraten“ (13:44). Der kognitive

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Empirische Analysen

Prozess ist gerade nicht durch das intendierte induktive Folgern charakterisiert, sondern durch zähes, willkürliches Raten. Die Passage wurde folgendermaßen codiert: 13:40 stellt einen Cluster dar, in dem mehrperspektivisch-zyklisch die fachdidaktischen Subkategorien „Fertigkeiten“ und „Schülerorientierung“ aufgerufen werden. Dies geschieht als Schilderung eines Bruchs zwischen Theorie (im Sinne der normativen Forderung „induktiven Grammatikunterrichts“) und der erlebten Praxis. Die folgende Passage 13:42 stellt ebenfalls einen Cluster dar; hier wird durch die erzählende Rückblende dieselbe Erfahrung eines Bruchs neu kontextualisiert. Die Passage wurde ebenfalls als mehrperspektivisch-zyklisch reflektierend codiert, in den fachdidaktischen Subkategorien „Fertigkeiten“, „Kompetenzen“ sowie „Aufgabenorientierung“. Rückblickend fehlt hier die Codierung „Interaktion/Unterrichtsgespräch“, die erst bei 13:44 codiert wurde, in Kombination mit „Aufgabenorientierung“ und „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“. Auch hier liegt ein Cluster vor, in dem mehrperspektivisch-zyklisch reflektiert wird. Für die Passage 13:46, die ebenfalls mehrperspektivischzyklisch reflektiert und einen Cluster darstellt, wurden die fachdidaktischen Codes „Schülerorientierung“ „Inhalte/Themen“ vergeben, für die Passage 13:38 erneut die Codes „mehrperspektivisch-zyklisch", „Aufgabenorientierung“ sowie „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“. Zusammenfassend zeichnet sich die gesamte Passage also durch eine hohe Dichte aus, in der durchweg mehrperspektivisch-zyklisch reflektiert wird. Insgesamt ist die Passage narrativ charakterisiert. Dialogisch ist der Erzählstil dadurch, dass TN13 häufig Fragen formuliert und ihre Beschreibungen mit Problematisierungen und abwägenden Alternativen verbindet. Dicht ist die Passage auch hinsichtlich des mobilisierten fachdidaktischen Wissens. Es werden zahlreiche – insgesamt sechs – Wissenskategorien aufgerufen („Fertigkeiten/Kompetenzen“, „Schülerorientierung“, „Aufgabenorientierung“, „Unterrichtsgespräch/Interaktion“, „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“, „Inhalte/Themen/Material“), die ihrerseits auch zyklisch wieder aufgenommen werden und auf diese Weise der Passage eine hohe innere Stringenz verleihen.

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Diese Stringenz sowie die Tiefe der Reflexion werden auch durch die Rückfragen provoziert. In forschungsmethodischer Hinsicht wäre hier kritisch zu fragen, ob die Rückfragen gegebenenfalls zu stark die eigene Position der Interviewerin erkennen lassen und daher eine Reflexion suggerieren, die ohne die Rückfragen von TN13 allein in dieser Ausführlichkeit und narrativen Anordnung nicht angestellt würde. Es handelt sich hier um mehr als gesprächsverstärkende Impulse, die Passage ist als dialogisch-inhaltlicher Austausch zu charakterisieren, der dem grundsätzlichen Anspruch an inhaltliche Zurückhaltung der Interviewerin nicht mehr entspricht. Im Vergleich zu der Passage mit TN11 zeigt die Reflexion von TN13 eine stärkere Explizierung fachdidaktischer Bezugskategorien, Schülerorientierung wird ausdrücklich als Fluchtpunkt benannt, beobachtete Probleme werden geordneter und expliziter reflektiert als dies bei TN11 der Fall ist. Ein weiterer Unterschied besteht in der Beschreibung konkreten Unterrichtshandelns: Während sich TN11 ausschließlich auf die Planung bezieht, ist die Passage von TN13 durch einen mehrfachen Abgleich von Planungsanspruch und tatsächlicher Unterrichtserfahrung geprägt. Der Bruch zwischen theoretischem Anspruch und problematischer Unterrichtsrealität, bei der verschiedene Ansprüche kollidieren, wobei der eine (induktive Grammatikvermittlung als Realisierung von Schülerorientierung) nur auf Kosten des anderen (sprachliche Aktivierung der Schüler und Übung neuer sprachlicher Strukturen) „eingehalten“ werden kann, wird hier als immer wieder neu gerahmtes Problem für Planung und Unterrichtshandeln ausdifferenziert. TN13 konstruiert hier aus chronologisch verwobenen Unterrichtserfahrungen heraus ein fachdidaktisches Dilemma, das in seiner detaillierten Beschreibung Reflexionskategorien auch für neue Situationen der Praxis expliziert. 9.3.3.2 „Was eigentlich total sinnfrei war“: TN2 reflektiert Methoden zur Bedeutungsaushandlung TN2 reflektiert in der im Folgenden analysierten Passage eine Unterrichtseinheit in der Sekundarstufe I zu einer Übung im Cahier d'activités des Lehrwerks. Dabei macht sie anhand des methodischen Vorgehens fest, wie die Schüler der Übung einen „Sinn“ verleihen, obwohl es sich eigentlich um eine

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„Strafarbeit“ handelte, die sie und ihre Mitpraktikantin im Auftrag der Mentorin „überprüfen“ sollten. An der Passage wird zunächst gezeigt, wie TN2 das unterrichtliche Vorgehen erklärt und reflektiert. Auch in dieser Passage spielt die Involviertheit der Forscherin eine Rolle. Die hohe Dichte an Nachfragen trägt zum einen zur Hervorbringung der Episode und zum Nachvollzug dessen bei, was im Unterricht getan wurde. Die Interpretation des Falls wird also stark interaktional hervorgebracht. Zum anderen offenbaren sich in den Nachfragen auch Ansätze zu alternativen Deutungen der Situation. Die Passage steht im Kontext der Diskussion des Elements „Feedback durch Mitpraktikantin“ (vgl. Leitfaden im Anhang 1). Das Element wird von TN2 als „sehr förderlich“ bewertet. Sie begründet ihre Bewertung damit, dass offenes Feedback möglich war („dass wir uns einfach gut verstanden haben und wir haben es uns einfach so gesagt wie es ist“ (2:89)) und sich daraus ein Austausch und Kooperation bei Beobachtung, Planung und Reflexion des Unterrichts ergeben haben. „TN2: Also das wünsch ich mir für später eigentlich auch, dass man irgendjemanden hat, mit dem man gut zusammenarbeitet, weil es einfach viel produktiver ist //ja//. (2:102) I: Können Sie sich an irgendeine Stunde erinnern, //ja// die besonders, also, wo Sie besonders viel gelernt haben? (2:103) TN2: In Bezug auf? (2:104) I: In Bezug auf ja Ihre eigene Reflexion oder in Bezug auf etwas, was Sie sich vorgenommen hatten. (2:105) TN2: Ja, wir hatten mal, also unsere Mentorin hatte mal den Schülern sozusagen als kleine Strafe aufgegeben, dass die so Sätze auswendig lernen sollten //mhm// und die halt, was eigentlich total sinnfrei war, irgendwie. Und wir hatten dann die nächste Stunde (lachend) und dann mussten wir es halt irgendwie so sinnbringend, also wir wollten das dann nicht einfach so, ja, jeder muss es jetzt können und aufsagen. (2:106) I: Was waren das für Sätze? (2:107) TN2: Das waren aus dem Cahier so Sätze. Die einfach, (2:108)

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I: Also so Übungen? (2:109) TN2: Nein, die hatten schon mit der Geschichte auch zu tun //mhm//, die da in der in der Lektion sozusagen thematisiert wurde, vielleicht kennen Sie die ja: ‘Non à la Réunion!’ //Non// (durcheinander, lachen). Naja, und jedenfalls haben die Sätze, aber eigentlich an sich konnten sie eine Geschichte ergeben. (2:110) I: Ach so. (2:111) TN2: Aber im Cahier, so wie die die auswendig gelernt haben, haben die auch keinen Sinn ergeben //mhm//, die sollten ja dann erst irgendwie zugeordnet werden //genau, ja//. Ja, dann haben wir dann so eine Bildergeschichte gezeichnet und jeder hat so ein Bild gezogen, also, es waren zehn Sätze und zu jedem Bild hat ein Satz […] gehört //mhm mhm//, und dann musste jeder nur einen Satz halt vortragen und aber die haben das dann so präsentiert, dann haben wir uns halt, was eigentlich eine Strafe war, dann haben die das halt eigentlich als Belohnung empfunden. (2:112) I: Und Sie haben dann die Bilder gezeigt. (2:113) TN2: Nein, die haben das dann so präsentiert. Also, wir haben die so ausgeteilt, die mussten das dann ordnen //mhm//, die Bilder, dass die so eine sinnvolle Reihe ergeben //ahja//. Dann hatte halt jeder Schüler ein Bild und dann mussten sie das dann oder haben das dann präsentiert. (2:114) I: Und die mussten selber dann rausfinden, in welcher Reihenfolge die Geschichte //genau// ahja, also mussten praktisch ihren Satz //ja// mit den anderen abgleichen. (2:115) TN2: Ja, das war eigentlich voll schön, weil die (lachend) das dann so richtig süß präsentiert haben und die sind dann immer sehr, nach vorne gegangen //ja//, also, weiß ich nicht, erst dachten wir so ‘oh nee, jetzt hat die denen sowas aufgegeben und wir müssen das überprüfen’ und am Ende war das eigentlich das Beste an der ganzen Stunde. (2:116-117 40) I: Mhm. Ja. (2:118) TN2: Also, ja, das fand ich irgendwie gut, dass man so sogar Sachen, die erst irgendwie als sowas Negatives von den Schülern aufgefasst werden, dann sogar das Beste war, also, die wollten das

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Im Transkriptionsprogramm wurde hier versehentlich eine Zeile eingefügt; es liegt keine Kürzung im Transkript vor.

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dann in der nächsten Stunde gleich nochmal vortragen //ja//, weil es denen einfach so Spaß gemacht hat //ja, ist doch eigentlich eine ganz gute// ja. (2:119) I: Ja, Methode, WOFÜR, und warum ist das, warum hat das so gut geklappt? Wie können Sie sich das erklären? (2:120) TN2: Also ICH glaube, weil die einfach mal was zusammen vorstellen //mhm// sollten, also, das hat Ihnen glaube ich eh gefehlt, dass die mal was in der Gruppe erarbeiten konnten. Und ja, weil es einfach am Anfang ging es schon so, ‘oh hast du die Sätze gelernt’ ‘nee, oh jetzt kriegen wir wieder einen Strich oder sowas’, und dann am Ende waren irgendwie alle Teil von so einem Produkt, also, die sind so gemeinsam zu diesem Erfolg dann gekommen //ja// und dass es halt alle geschafft haben. (2:121) I: Und was? Genau, also dieses Gemeinsame //mhm// und was vielleicht noch? Also, was ist der Unterschied denn auch zwischen so (..) diesen auswendig gelernten Sätzen und dem, was SIE dann gemacht haben? (2: 122) TN2: Ja, (.) naja (.), beim Auswendiglernen da stellt man ja gar keinen, also da lernt man ja einfach nur stumpf, //mhm// und so haben die erstmal wieder so darüber reflektiert und die haben die Sätze auch immer wieder später verwendet, die sie //ahja//. Das war eigentlich voll Sinn bringend dann im Nachhinein //ja//, also, wenn, wo die sich dann, die konnten das dann einfach mit diesem Bild verknüpfen noch und dadurch haben die sich das dann noch besser gemerkt. //mhm// Und ehm ja, die haben das dann, also wir haben dadurch auch Redemittel, glaube ich, gewonnen //ja//. Das war eigentlich ganz gut (lachen). (2:123)

Die Passage beginnt mit der Erzählung („wir hatten mal […]“), die ein Problem formuliert: Die „Strafarbeit“ wird von TN2 als „sinnfrei“ charakterisiert, aber in der Planung durch sie und die Mitpraktikantin wird sie „irgendwie sinnbringend“ transformiert. TN2 erzählt das Vorgehen als angeleitete Konstruktion einer Geschichte durch die Schüler, die sie der isolierten Aneinanderreihung der Sätze „aus dem Cahier“ gegenüberstellt. Die Sätze beziehen sich auf den Lektionstext („die hatten schon mit der Geschichte auch zu tun //mhh//, die da in der Lektion sozusagen thematisiert wurde“), bleiben jedoch chronologisch isoliert, obwohl sie „eigentlich an sich […] eine Geschichte ergeben konnten“, was erneut durch „Aber im Cahier, so wie die die auswendig gelernt haben, haben die auch keinen Sinn ergeben“ verstärkt wird. Sinn entsteht also durch eine „sinnvolle Reihe“ (2:114), die wiederum die

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„Geschichte“ (2:115) ausmacht, zu der sich die isolierten Sätze zusammenfügen können. Um die Geschichte hervorbringen zu können, zeichnen die Praktikantinnen Bilder zu den Sätzen, die chronologisch zusammengesetzt werden können. Die Wahrnehmung der Sätze als Geschichte soll für die Schüler*innen über das visuelle Element hergestellt werden, der Bildergeschichte werden in einem zweiten Schritt die Versprachlichungen zugeordnet („und jeder hat so ein Bild gezogen, also es waren zehn Sätze und zu jedem Bild hat ein Satz von gehört //mhh mhh// und dann musste jeder nur einen Satz halt vortragen“). Die Schüler arbeiten an einer typischen JigsawReading-Aufgabe, durch deren Herstellung sie sich über den „Sinn“ und Zusammenhang von Einzelsätzen verständigen („die mussten das dann ordnen //mhh//, die Bilder, dass die so eine sinnvolle Reihe ergeben haben“). Die Erzählung von TN2 beschreibt die „Verwandlung“ einer „sinnfreien“ formbezogenen Aufgabe in eine „sinnhafte“ Geschichtenkonstruktion, von einer „Strafarbeit“ in eine für die Schüler subjektiv relevante Aufgabe: „die erst als sowas Negatives von den Schülern aufgefasst werden, dann sogar das Beste war, also die wollten das dann in der nächsten Stunde gleich nochmal vortragen //ja//, weil es denen einfach so Spaß gemacht hat“. Die Erzählung von TN2 beschreibt, was die beiden Praktikantinnen gemacht haben und wie die Schüler darauf reagiert haben und dass diese Reaktion der bei einer „Strafarbeit“ erwarteten nicht entspricht. Der methodische Fluchtpunkt der Veränderung der „Strafarbeit“ durch die Praktikanntinnen ist das unterliegende fachdidaktische Prinzip inhaltsbezogener Kommunikation, dem entsprechend den isolierten Sätzen Sinn verliehen werden soll. An weitere fachdidaktische Prinzipien wird nicht explizit angebunden. Meine Erwartung hinter den Nachfragen (2:120; 2:122) war, dass TN2 das Moment des Interaktionalen und das Erzählen von Geschichten als wesentlichen Anteil der Herstellung von Bedeutung und diese wiederum als Bedingung für das Lernen sprachlicher Strukturen in kommunikativen Kontexten beschreiben würde und das Gelingen der Stunde damit erklären, dass ihre Aufgabe genau dies ermöglicht hat (bedeutungsaushandelnde Konstruktion der Reihenfolge, gemeinsames Erzählen einer Geschichte bei der Präsenta-

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tion). TN2 expliziert jedoch zwei andere Gründe als Faktoren für das Gelingen: das Gruppenerlebnis („weil die einfach mal was zusammen vorstellen //mhh// sollten [...], dass die mal was in der Gruppe erarbeiten konnten“) und die höhere Memorisierbarkeit der Sätze durch die Verknüpfung mit den Bildern („die konnten das dann einfach mit diesem Bild verknüpfen noch und dadurch haben die sich das dann noch besser gemerkt“). Mit dem kollaborativen Moment ist die Ebene interaktionaler Bedeutungsaushandlung angedeutet, die Verknüpfung mit der Memorisierbarkeit deutet hingegen „zurück“ zu der ursprünglichen Funktion der „Strafarbeit“, nämlich die mehr oder weniger kontextlose Aneignung der sprachlichen Strukturen aus dem Cahier. Die Beschreibung, dass die Schüler*innen die Sätze auch später „immer wieder verwendet“ haben, spielt für die Erklärung keine Rolle, diese Beobachtung wird nicht mit dem „Sinn machen“ assoziiert. Es handelt sich bei den Interpretationen des Gelingens nicht um konträre oder widersprüchliche Ansätze. Vielmehr ist hier der Abstraktionsgrad der Reflexion interessant: TN2 benennt kein übergeordnetes Prinzip, in dem die Elemente „Kooperation“ und „Memorisierung“ aufgehen könnten, diese Erklärungsmuster für das „Gelingen“ sind zwar fachdidaktisch plausibel, erscheinen aber in der Reflexion erstens nur auf Nachfrage und zweitens bleiben sie isoliert voneinander. Der Nachvollzug dieser Interaktion zeigt deutlich die Involviertheit der Interviewerin: Während diese die Passage mit den Prinzipien von Bedeutungsaushandlung und Narrativität rahmen würde, etabliert TN2 andere Bezugspunkte. Hierbei erscheint für die Auswertung weniger die Frage relevant, welche Deutung angemessener erscheint, sondern vielmehr die parallele Entwicklung unterschiedlicher aber gleichsam plausibler Interpretationen aus zwei Perspektiven, die auf diese Weise das reflektierte Geschehen vielperspektivisch ausdifferenzieren. TN2 handelt intuitiv im Sinne der übergeordneten fachdidaktischen Prinzipien von Handlungsorientierung und Bedeutungsaushandlung (es entsteht mit der Bildergeschichte ein Produkt, das gemeinsam hergestellt wird) und narrativ geprägter, kommunikativer Didaktik, die Anbindung des Handelns an diese Prinzipien findet jedoch nur punktuell und kaum explizierend statt.

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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Die Codierung der Passage zeigt die Auffälligkeit, dass die langen beschreibenden Passagen nicht als reflexiv codiert wurden. Hinsichtlich der Identifikation reflexiver Handlungskompetenz ist hier also weniger (wie in der Analyse von TN11 gezeigt wurde) das Verhältnis einperspektivisch-linearer und mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion zueinander relevant, sondern die Proportionen beschreibender und reflektierender Passagen. Die Abschnitte 2:112, 2:121 und 2:123 wurden sämtlich als mehrperspektivischzyklisch reflektierend codiert, sie stellen alle Cluster dar41. Die mobilisierten fachdidaktischen Kategorien sind „Methodenkenntnis“ (2:112), „Unterrichtsgespräch/Interaktion“ (2:112 und 2:121), „Fertigkeiten/Kompetenzen“ (2:121), „Schülerorientierung“ (2:121 und 2:123) sowie „Aufgabenorientierung“ (2:123). Die Passage weist zahlreiche Codierungen aus dem ersten Auswertungsdurchgang auf, bei dem eng am Material fachdidaktische Codes entwickelt wurden, die in einem zweiten Schritt zu den Codes für das „fachdidaktische Wissen“ abstrahiert wurden (vgl. Abschnitt 8.2.2). Dies zeigt, dass das Interview mit TN2 stark deskriptiv und wenig fachterminologisch abstrahierend ist. Während in anderen Interviewtexten häufig(er) fachdidaktische Prinzipien genannt werden, wurde bei TN2 sehr viel stärker danach codiert, was implizit erkennbar war. Methodisch ist dies insofern problematisch, als die Identifikation reflexiver Handlungskompetenz über den Aspekt „Mobilisierung fachdidaktischen Wissens“ in unterschiedlichen Interviews unterschiedliche Abstraktionsgrade erkennen lässt, die bei der Auswertung nicht immer kompatibel mit den Codierregeln sind. Letztere beziehen die Differenzierung expliziter und impliziter Verweise zwar ein, für die Codierung des Textes von TN2 erscheint diese aber nicht trennscharf genug. Hier tritt das Problem des impliziten Wissens für die Beurteilung reflexiver Handlungskompetenz deutlich zutage: Im Vergleich zu TN11 (siehe nächster Abschnitt) beschreibt TN2 unterrichtliche Handlungen, die sie zwar explizierend nur ansatzweise an übergeordnete fachdidaktische Prinzipien anbinden kann, die

41

Aufgrund einer Unachtsamkeit im Codiervorgang wurde die Passage 2:123 nicht als Cluster codiert, obwohl mit den Codierungen „Aufgabenorientierung“ und „Schülerorientierung“ die Bedingung gegeben wäre.

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Empirische Analysen

aber normativ maßgeblichen Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts entsprechen. TN2 weiß – um mit Polanyi zu sprechen – mehr, als sie zu sagen weiß, sie handelt hier mit implizitem Wissen, das sie nur auf Nachfrage und partiell expliziert. Vor der Opposition „Implizitheit versus Explizitheit“ verhält sich diese Passage kontrastierend zur folgenden Passage von TN11: Diese benennt zwar fachdidaktische Prinzipien, assoziiert jedoch ihr Handeln kaum damit und beschreibt Handlungen, die nicht immer kompatibel mit den explizierten Prinzipien sind. 9.3.2.4 „Dann im Endeffekt im Portfolio für eine Rollenspielanalyse entschieden“: TN11 zwischen Prozess- und Produktorientierung TN11 reflektiert in der im Folgenden analysierten Passage das Problem der Fehlerkorrektur. Es wird zunächst nachvollzogen, wie TN11 Praktikumserfahrung und theoretische Kategorien zum Thema assoziiert. In einem zweiten Schritt wird gezeigt, welche Zuschreibung TN11 gegenüber reflexiven Prozessen selbst vornimmt: das offene, genaue Beschreiben von Problemen, wie sie es hinsichtlich der Fehlerkorrektur im Interview praktiziert, wird kontrastiert mit der Reflexion von Rollenspielen, deren Darstellung für das Portfolio ausgewählt wird, weil ihr mehr Erfahrung („das haben wir öfters gemacht“) zugeschrieben wird. Deutlich wird durch den Verlauf der Reflexion in der Passage zweierlei: erstens die Wahrnehmung von TN11, im Portfolio sollten Themen beschrieben werden, bei denen sich die Studierenden sicher und erfahren fühlen. Zweitens die konkrete Reflexion, die für den Bereich, den TN11 selbst als problematisch – weil „noch nicht so fortgeschritten“ – qualifiziert. Diese fällt in der Thematisierung des Theorie-Praxis-Verhältnisses weitaus differenzierter aus als das letztlich für das Portfolio gewählte Thema (Rollenspiel). Erfahrungen beschreibt TN11 für beide Bereiche, die „Handhabbarkeit“ für eine reflektierende Darstellung wird jedoch im Fall der Fehlerkorrektur anders bewertet als im Fall des Rollenspiels: Fehlerkorrektur wirft aus der Erfahrung heraus Fragen auf, hier werden Unsicherheiten formuliert, während dem Rollenspiel eine unproblematische Handlungsebene zugeschrieben wird, der von TN11 eine ebenso ‘glatte’ Möglichkeit der Darstellung im Portfolio attribuiert wird. Reflexion wird hier auf zwei Ebenen kommentiert: Die Diskussion der Fehlerkorrektur zeigt auf der diskursiven

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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Ebene, wie TN11 reflektiert, ihr Kommentar zur Themenauswahl für das Portfolio zeigt, wie sie Reflexion als Begriff selbst definiert und bewertet. An der ausgewählten Textstelle soll anschließend auch die forschungsmethodisch orientierte Frage diskutiert werden, was Narrationen über Unterricht strukturell auszeichnet und wie sich das Verhältnis von Narration und Reflexion beschreiben lassen könnte. „I: Können Sie sich da noch an irgendwas erinnern, was Sie so (...) während der ganzen Zeit irgendwie verfolgt hat und wo sich vielleicht Ihr Blick auf sich selbst dann erweitert oder verändert hat an irgendeinem bestimmten Punkt? (11:20) TN11: Ähm (...) vielleicht (..) es hat jetzt weniger was (...6) es war glaube ich die Fehlerkorrektur //ja// im Prinzip. Und zwar hatte ich die überhaupt nicht (...) vor dem (.) vor dem Praktikum hatte ich eher so quasi, wie man auftreten und quasi was unterrichte ich //mhh//. Und dann kamen auf einmal während des Praktikums so ganz neue Ideen quasi (..), die wir dann auch mit den anderen Praktikanten hatten (unv.) (11:21) und dann quasi immer in den Pausen so besprochen. Ja, mit der Fehlerkorrektur, das ist ja schon so irgendwie ziemlich kompliziert, weil man möchte ja die Schüler nicht unterbrechen und //ja// eigentlich möchte man es ja doch und wenn dann auf der Folie dann doch irgendwie relativ viel falsch steht, was mache ich denn dann, oh Gott, oh Gott // (lacht) //. Ähm, man möchte ja auch nicht frustrieren, weil ich ja froh bin, wenn da was steht und (.) //ja//, die haben sich ja auch Mühe gegeben und das will man auch honorieren //mhh, mhh//. Und dann ist da halt, also es kann man halt (..), man hat sich quasi vor dem Praktikum mehr mit SICH beschäftigt und dann quasi im Laufe des Praktikums (.) ging es halt doch (.) ‘wie helfe ich den Schülern auf positive Art und Weise’ //ja, ja//, weil man irgendwie damit doch nicht so, man halt quasi immer geplant, Stunden geplant //ah, ah// ja, die Methode kann ich anwenden, dies und dies //ja, und dann kommen auf einmal die Schüler dazu (lacht)//. Ja, genau //ja//. Man hat ja die Rolle quasi //mhh// nicht gelernt, man ist ja von der Schule //ja//, als Student ist man auch eigentlich nur immer auf der anderen Seite //ja// außer gelegentlich (11:22). I: Und haben Sie dann (..) für die, also ausgehend eben von dieser Feststellung //mh// oder Frage, haben Sie dann irgendwas, wie haben Sie darauf reagiert; also auf dieses (.) oweia, da ist ja was? (11:23) TN11: Also (..), da sind wir dann quasi sehr offensiv quasi dann auch mit der Lehrerin haben wir dann auch viel über //mhh// Gespräche im Nachhinein geführt, quasi wie sie das hätte, also an unserer Stelle, wie sie natürlich dann halt die Fehlerkorrektur vorgenommen //ja// hätte, oder wie man dort, also (..) herangeht an Fehlerkorrektur. Die haben uns dann auch unterschiedlich, also quasi (.) das Kollegium war spitze, also es war wirklich sehr hilfsbereit //mhh//, weil als wir

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Empirische Analysen

sofort gesagt haben, ja (.) Fehlerkorrektur: ‘Ja, für schriftlich haben wir hier das Raster //ja//, da benutzt man dieses und jenes //aha, aha// und dann für mündlich (.) kann ich dir den und den Tipp geben //ja//, dass du da einfach in die Richtung lenkst, wo, wo du halt weißt, das kannst du natürlich nur, wenn du die Klasse länger kennst’. Aber //ja, ja//, ich meine (...) es ist halt (..) das, das Lenken ist halt das //mhh, mhh// Wichtige und //okay//. Also es war halt dann quasi (.) ein guter Ansatzpunkt, wo man dann halt natürlich von den (.) Profis lernen konnte (lacht). (11:24) I: Und da haben Sie sich dann auch im Laufe des Praktikums versucht daran zu orientieren? (11:25) TN11: Genau! //Mhh//. Das war dann halt quasi, ich habe mich zwar dann im Endeffekt im Portfolio für eine Rollenspielanalyse quasi entschieden, aber die Fehlerkorrektur war halt quasi bei uns drei Praktikanten irgendwie sehr dominant, //okay//, weil wir uns eigentlich schon damit befassen //ah, ah// wollten, aber wir wussten jetzt nicht so ganz genau (...) ja, wir sind ja halt noch nicht so fortgeschritten //ja//, dass wir jetzt vielleicht das ganze Spektrum (..) //ja, ja//. Didaktisches Rollenspiel, das haben wir öfters gemacht (lacht) //ja, aha, aha, okay//. Also quasi die Sachen, die man wirklich (..) dann macht später //mhh// natürlich, weiterhelfen //ja// ja. (11:26)

Die Erzählung zur Fehlerkorrektur ist eingebettet in die Bewertung des Items „Arbeit mit dem Portfolio“ (vgl. Anhang 1), die TN11 als „sehr hilfreich“ (11:19) für die Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz bewertet. Meine Nachfrage zu konkreten Themen der Auseinandersetzung fokussiert mit „während der ganzen Zeit“ den Prozesscharakter der Reflexion während des Praktikums. TN11 benennt die Fehlerkorrektur ausdrücklich als ein Thema, das während des Praktikums ins Bewusstsein rückt und von Bereichen, mit denen sie sich vorher beschäftigt hatte („wie man auftreten und quasi was unterrichte ich“), als neu abgegrenzt wird. Im Praktikum wird sie also mit einem Problem konfrontiert, das vorher nicht als Inhalt von Reflexion präsent war. Die Auseinandersetzung mit dem Thema wird als interaktives Handeln beschrieben, die Reflexion erfolgt im Austausch mit den Mitpraktikantinnen: „und dann quasi immer in den Pausen so besprochen“ (11:22). Im zweiten Teil der Erzählung werden weitere Gesprächspartner benannt, TN11 beschreibt, wie die Mentorin und die anderen betreuenden Lehrkräfte zum Thema befragt werden. In diesem chronologischen Rahmen (Wahrnehmung des Problems, Austausch mit Mitpraktikantinnen, Austausch mit Lehrkräften)

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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sind zwei erläuternde Passagen eingebettet. In 11:22 reflektiert TN11 Faktoren, die die Fehlerkorrektur beeinflussen und die Unsicherheiten im Handeln provozieren. Als konkretes Beispiel wird die Unsicherheit im Umgang mit einer OHP-Folie beschrieben, auf der „dann doch irgendwie relativ viel falsch steht, was mache ich dann, oh Gott, oh Gott“. In 11:22 werden mögliche Bezugspunkte genannt, vor denen Fehlerkorrekturen reflektiert werden können. Hier zeigt TN11, dass sie ein wahrgenommenes Problem mehrperspektivisch differenziert: „Die Schüler nicht unterbrechen“, „nicht frustrieren“, „die Mühe honorieren“, „den Schülern auf positive Art und Weise helfen“ sind ihre reflexiven Bezugspunkte für Entscheidungen zur Fehlerkorrektur. Die Nachfrage, wie auf diese Feststellung „oweia, da ist ja was“ reagiert wurde, stellt den Übergang zum zweiten Teil der Antwort (Austausch mit den Lehrkräften) dar, wo konkrete Lösungen für die Handlungsebene entwickelt werden. Diese beziehen sich auf eine Unterscheidung von schriftlichen und mündlichen Korrekturen, wobei den Studierenden für die schriftliche Korrektur ein „Raster“ gezeigt und für die mündliche Korrektur der Tipp formuliert wird, „dass du da einfach in die Richtung lenkst, wo, wo du halt weißt, das kannst du natürlich nur, wenn du die Klasse länger kennst“ (11:24). Schülerorientierung wird hier an mehreren Stellen aus unterschiedlichen Perspektiven heraus thematisiert: auf der interaktionalen Ebene („man möchte ja die Schüler nicht unterbrechen“), auf der motivationalen Ebene („die haben sich ja auch Mühe gegeben“), auf der Ebene des scaffolding („wie helfe ich den Schülern auf positive Art und Weise?“) und auf der übergeordneten Handlungsebene der spontanen Reaktion, die im Praktikum gegenüber der alleinigen Beschäftigung mit Unterrichtsplanung im Studium bisher hinzutritt: Dass „auf einmal die Schüler dazu[kommen]“ wird von TN11 als Anlass für einen Rollenwechsel beschrieben, der neu und geradezu unerwartet („auf einmal“) eintritt. Die Beiträge von TN11 sind von Selbstunterbrechungen und unvollständigen Sätzen geprägt. Sie sind zwar mehrperspektivisch, aber nicht zyklisch in dem Sinne, dass ein einmal formuliertes Problem (beispielsweise die Fehler auf der OHP-Folie) mit verschiedenen Lösungsoptionen „durchgespielt“ würde. Unterliegende Bezugspunkte der Reflexion bleiben implizit

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Empirische Analysen

und heterogen. Auch werden widersprüchliche Aussagen unmittelbar nebeneinander gestellt: „man möchte die Schüler ja nicht unterbrechen und //ja// eigentlich möchte man es ja doch“ (11:22). Innerhalb einzelner Sätze werden verschiedene Stränge angesprochen, aber nicht zu Ende geführt: „dass du da einfach in die Richtung lenkst, wo du halt weißt, das kannst du natürlich nur, wenn du die Klasse länger kennst“. Hier bleibt unklar, was genau mit Lenkung gemeint ist und inwieweit welche Art von Lenkung einen Beitrag zur Fehlerkorrektur leisten würde. Bevor dieser Zusammenhang ausgeführt wird, wird die Einschränkung formuliert, dass das empfohlene Verfahren nur ‘greift’, wenn die Lehrkraft die Lerngruppe genauer kennt. Die Beiträge von TN11 sind von Perspektivwechseln geprägt, die eine Art ‘Bewusstseinsstrom’ entstehen lassen, in dem Erzählungen dessen, was TN11 gemacht und beobachtet hat (z.B. „und wenn dann auf der Folie dann doch irgendwie relativ viel falsch steht“), abwechseln mit Kommentaren („man möchte ja die Schüler nicht unterbrechen“), Fragen („wie helfe ich den Schülern auf eine positive Art und Weise?“), die auch in direkter Rede wiedergegeben werden, ebenso wie die Gesprächsbeiträge der Lehrkräfte, mit denen sich die Praktikantinnen ausgetauscht haben („Ja, für schriftlich haben wir hier das Raster [...]“). Die Erzählung endet mit einem abrupten Schwenk zurück zum Portfolio, dessen Bewertung den Impuls für die Ausführungen darstellt. Auf die Nachfrage, ob sich TN11 im Laufe des Praktikums versucht hat, an den Hilfen der Lehrkraft zur Fehlerkorrektur zu orientieren, splittet sich die Erzählung – für die Interviewerin recht überraschend – auf: Die Frage wird mit „genau“ bejaht, übergangslos wird dann direkt vom Vorgehen bei der Bearbeitung des Portfolios berichtet: „ich habe mich zwar dann im Endeffekt im Portfolio für eine Rollenspielanalyse quasi entschieden“. Durch die Struktur der Erzählung (Problem der Fehlerkorrektur feststellen, Diskussion mit Praktikantinnen, mit Lehrkräften, Beschreibung von Entscheidungsoptionen und -kriterien) war bei der Interviewerin die Erwartung entstanden, die nächste Interviewpassage müsste die Systematisierung der Erfahrungen und Diskussionen zur Fehlerkorrektur im Portfolio ausführen und eine Rückanbindung an das bis dahin behandelte Problem vornehmen. An dieser Stelle wird jedoch die

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Prozessebene der Reflexion verlassen und das Portfolio wird nur in seiner Ausprägung als Evaluationsportfolio kommentiert. Für dieses spielt das zunächst als drängend und das Praktikum permanent begleitende Thema „Fehler“ plötzlich keine Rolle mehr. Fehlerkorrektur wird zwar als dominant bearbeitetes Problem beschrieben („bei uns drei Praktikanten irgendwie sehr dominant, weil wir uns eigentlich schon damit befassen wollten“), für die Thematisierung im Portfolio allerdings als ungeeignet charakterisiert: „aber wir wussten jetzt nicht so ganz genau, ja, wir sind halt noch nicht so fortgeschritten“. Das Portfolio bildet den Bezugsrahmen der Erzählung, zu Beginn löst die Bewertung des Portfolios eine Erzählung zum Prozess einer thematischen Auseinandersetzung aus, am Ende wird wieder auf das Portfolio zurückgekommen und dieses wird als Evaluationsinstrument kommentiert. Die ‘Rahmenhandlung’ der Episode zur Fehlerkorrektur ist dem Portfolio gewidmet und dem Problem, welches Thema für das Produktportfolio (vgl. Abschnitt 7.3.4.2) gewählt wird. Die eigentliche Reflexion zur Fehlerkorrektur geschieht hier gleichsam ‘in Klammern’. Die Begründung, warum letztlich das Rollenspiel als Thema für die Verschriftlichung ausgewählt wurde, wird über Routine („das haben wir öfters gemacht“) und über den Aspekt der zu erwartenden Arbeitsrealität („die Sachen, die man wirklich (..) dann macht später“) entwickelt. Dies erscheint insofern widersprüchlich, als die Fehlerkorrektur im Einstieg der narrativen Passage als ebenso neues wie allgegenwärtiges Problem des Unterrichtsalltags beschrieben wird. In der Interaktion legt TN11 dar, welche Kriterien sie der Interviewerin hinsichtlich der ihrerseits vermutlich ‘erwünschten’ reflexiven Prozesse unterstellt. Unabhängig davon, was die Studentin tatsächlich stärker umgetrieben hat oder zu welchem Bereich sie tatsächlich „öfters“ etwas gemacht hat oder später machen wird, ist hier hinsichtlich der Reflexionshandlung aufschlussreich, welche Entscheidungen sie im und für den Gesprächsverlauf trifft und wie diese ausgeführt werden. In der Auseinandersetzung mit Fehlern – ein Problem, das in der Praxis als dominant wahrgenommen wird, aber keine fachdidaktischen Anknüpfungspunkte findet – findet die Problemlösung ausschließlich im Dialog mit den betreuenden Lehrkräften und Mitpraktikantinnen statt.

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Empirische Analysen

Der Blick in entsprechende fachdidaktische Literatur, die das Problem weiter abstrahiert – indem beispielsweise zunächst nach einer Definition von „Fehlern“, was prioritär von wem überhaupt als solcher wahrgenommen wird, gesucht wird, welche Techniken der Korrektur es gibt und welche empirischen Studien zu welchen Ergebnissen hinsichtlich der Wirksamkeit von Fehlerkorrektur gelangen – wird hier nicht als Handlungsoption reflektiert. Der Schritt aus der Praxis heraus in die Theorie bleibt aus, die unmittelbare ‘Lösung’ des Problems wird zwar als nur prozesshaft möglich erkannt (es gibt für das Problem der Fehlerkorrektur keine Passepartout-Lösung), Referenzpunkt bleibt jedoch der Austausch in der Praxis. Für einen wissenschaftlichen Text (Portfolio) erscheint das Thema daher ungeeignet. Themen, die von vornherein stärker aus theoretischen Texten heraus bekannt sind – im Fall von TN11 sind dies Rollenspiele – werden auch auf dieser Ebene behandelt: fachdidaktisch angebunden, aber aus der Praxis heraus nicht reflektiert oder problematisiert. Für den Reflexionsprozess sind hier in erster Linie Ort und Modus entscheidend, nicht das konkrete fachdidaktische Praxisproblem: Die Frage nach der Eignung eines Themas für das Portfolio überdeckt hier die an anderer Stelle plausibel geschilderte Auseinandersetzung mit einem fachdidaktischen Problem (Fehlerkorrektur). Hierzu kann zweierlei festgehalten werden: Reflexion ist einerseits stark an Ebenen und Orte des Handelns (Reflektiertes Handeln in der schulischen Praxis versus Reflektiertes Handeln im Begleitseminar) gekoppelt. Versuche, Verbindungen zwischen diesen Ebenen zu konstruieren, finden nur bedingt statt. Zweitens ist Reflexion hier instrumentalisiert und an bestimmte Modi und Textsorten gebunden, innerhalb derer die Offenheit reflexiver Prozesse unterschiedlich angemessen erscheint. Im Fall von TN11 führt der ‘Druck’ der Textsorte Portfolio dazu, dass sie das eigentlich Interessante und in der Praxis sicherlich dringlichere Thema (Fehlerkorrektur) ausspart und durch eines ersetzt, bei dem sich im Schreiben eine – im Verständnis der Studentin – stringentere Theorie-Praxis-Verbindung herstellen lässt (Rollenspiele). In der Analyse von TN11 wird das Problem sichtbar, das sich für die Identifikation reflexiver Handlungskompetenz in schriftlichen Texten – hier

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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das Evaluationsportfolio – ergibt: Die Studentin wählt für das Portfolio ein Thema, dem sie Sicherheit und Handlungskompetenz zuschreibt (Rollenspiel), während das eigentlich prozesshaft und fragend bearbeitete Thema (Fehlerkorrektur) ausgespart bleibt. Im mündlichen Text (während des Interviews) ‘erlaubt’ sich TN11 eine offene Reflexion, die einerseits den Kriterien von Prozesshaftigkeit, Erfahrungsbasiertheit und aktueller Unbeantwortbarkeit entspricht. Im Portfolio hingegen gibt sie die offene Reflexion auf und konstruiert einen zwar für den Leser stringenten Text, der hingegen vor den Kriterien reflexiver Handlungskompetenz wenig aussagekräftig bleibt. Dieses Vorgehen verweist nicht nur auf das Dilemma der Evaluation von Portfolios42, sondern wiederum generell darauf, woran und in welchen Textsorten reflexive Handlungskompetenz überhaupt erkennbar werden kann. Die Passage von TN11 macht in besonderem Maße deutlich, dass Reflexion kontext- und situationsabhängig und stark abhängig vom Ort (Interview versus Portfolio) ist. Die Situationsbedingtheit wird auch in den anderen Analysen in dem Moment deutlich, wo die narrativen Episoden immer in Reaktion auf die Nachfragen der Interviewerin eingebracht werden und Reflexivität dadurch als interaktional bedingt erkennbar wird. Dieses Vorgehen ist umso erstaunlicher, als das Thema „Fehlerkorrektur“ in Begleit- und Nachbereitungsseminar dominant diskutiert wurde und die Studierenden sich mit neuen fachdidaktischen Texten zum Thema auseinandergesetzt haben. Der Schritt einer theoretischen Abstraktion von Problemen, die in der Praxis als solche erkannt wurden, findet bei TN11 nicht statt. Für die Identifikation von reflexiver Handlungskompetenz ergeben sich im Kontext dieser Passage einige Probleme, weshalb die Passage als ‘Problemfall’ den anderen Analysen kontrastierend gegenübergestellt sei. In forschungsmethodischer Hinsicht verweist die Passage deutlich auf die Grenzen codierender Verfahren: Konkret berührt ist hier erstens das bereits oben (Abschnitt 8.3.2.3) beschriebene Problem der Codiereinheiten, das die Ab-

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Konflikte, die sich zwischen ‘echter’ Reflexion und vermeintlichem Zwang an die ‘Anpassung an das Evaluationsformat’ ergeben, werden auch in den Interviews mit TN19 (19:28) und TN16 (16:25) thematisiert.

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Empirische Analysen

grenzung der Reflexionskategorien „mehrperspektivisch-zyklisch“ und „einperspektivisch-linear“ berührt. Hier zeigt sich das Problem an der Rahmung der Passage durch die Kommentierung des Portfolios, die zwar eine erzählerische Klammer bildet (die Erzählung beginnt aus einem Kommentar zum Portfolio heraus und endet mit einem Kommentar zum Portfolio), aber zwei konträre Aspekte thematisiert, den Prozessaspekt und den Produktaspekt der Textsorte Portfolio. Hinsichtlich des Prozessaspekts wird mehrperspektivisch, aber nicht zyklisch reflektiert, der Produktaspekt verweist hingegen auf eine einperspektivisch-lineare Reflexion, die alleine den Prüfungsaspekt sowie das Kriterium von Handlungsroutine betont und dadurch die zuvor ausgeführte ergebnisoffene Reflexion konterkariert. Dies geschieht jedoch bei genauerem Hinsehen bereits in der mehrperspektivischen Reflexion selbst: Das Fehlen eines Bezugspunkts sowie der zyklischen Bezugnahme der angesprochenen Probleme und Reflexionskriterien aufeinander werfen die Frage auf, ob die Passage reflexive Handlungskompetenz zeigt oder nicht. Codiert wurde folgendermaßen: 11:22 wurde als mehrperspektivisch-zyklisch reflektierende Passage codiert, der im Bereich des fachdidaktischen Wissens die Codes „Unterrichtsgespräch/Interaktion“, „Schülerorientierung“ und „Aufgabenorientierung“ attribuiert wurden und die Passage als Cluster markieren. 11:24 wurde ebenso codiert. 11:26 hingegen wurde als einperspektivisch-lineare Reflexion codiert, hier liegt auch kein Cluster vor, weil im Bereich des fachdidaktischen Wissens lediglich „Methodenkenntnis“ (mit der Erwähnung des dramapädagogischen Verfahrens „Rollenspiel“) sichtbar ist. Im Gegensatz zu den vorweg analysierten Clustern von TN2 und TN13, die beide ein hohes Maß an reflexiver Stringenz aufweisen, wobei in einem Fall fachdidaktisch stärker expliziert wird und im anderen Fall das Wissen stark implizit bleibt, ist die Passage mit TN11 stärker von inneren Widersprüchen geprägt. Mein Unbehagen als Interviewerin der Passage gegenüber sowie der Eindruck, hier würde nicht kompetent reflektiert, resultiert rückblickend aus zwei Auffälligkeiten, die erstens inhaltlicher, zweitens diskursiver Natur sind: Zunächst fällt bei den evozierten theoretischen Elementen der Reflexion auf, dass sie sich nur an der Oberfläche mit sprachdidaktischen Fragen befassen

„Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“

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(Techniken der Fehlerkorrektur). Die zweite Auffälligkeit der Passage liegt darin, dass hier keine ‘geschlossene Geschichte’ erzählt wird, wie es in den anderen Clustern beobachtbar ist. Die Erzählung von TN11 ist von Reibungen und Inkongruenzen geprägt, die sich zwischen den Bezugskategorien ergeben, auf welche die sprunghaft eingebrachten Elemente der Reflexion sich beziehen. Im Gegensatz dazu sind in den anderen Clustererzählungen Rückkopplungen zwischen Problem und Lösungsansatz vor einer einmal angesetzten Kategorie (so beispielsweise beim Beispiel in der Erzählung von TN2 das Kriterium der Aktivierung und das „Sinnmachen“ sowie bei TN13 der Anspruch induktiven Grammatikunterrichts) erkennbar. So ergibt sich in diesen beiden Clustern eine – im hermeneutischen Sinne – plausible Teil-GanzesStruktur. Für mich als Leserin entsteht durch diese narrative Struktur der Eindruck gelungener Reflexion, weil der Prozess einer stimmigen Bedeutungskonstruktion, die durch Teil-Ganzes-Korrespondenzen und das Herstellen kohärenter Rückbezüge konstruiert wird, abgebildet wird. Das Fehlen einer solchen narrativen Stringenz im Text von TN11 wirft daher zwei Fragen auf: Erstens verweist es auf das Problem des Zusammenhangs von Erzählung und Reflexion: Ist die innere Schlüssigkeit der Geschichte eine notwendige Bedingung, um von reflexiver Handlungskompetenz sprechen zu können? Ist die Reflexion umso kompetenter, je ‘besser’ sie erzählt ist, und welche Kriterien zur Güte einer Narration wären dann anzusetzen? Gibt es – und hierfür könnte TN11 ein Beispielfall sein – reflexive Handlungskompetenz, die sich in anderen, eben nicht narrativ-stringenten Formen der Versprachlichung manifestiert? Die zweite Frage ergibt sich aus den Beobachtungen, die der ersten Frage unterliegen und bezieht sich auf meinen Wahrnehmungshorizont als Forscherin: Ob eine Erzählung als narrativ stringent wahrgenommen wird, ist gegebenenfalls weniger der Reflexion selbst geschuldet als den (narrativen) Schemata, die den eigenen Wahrnehmungs- und Bewertungshorizont darstellen und die ich bestätigt sehen möchte. Eine weitere Beobachtung im Vergleich der Erzählungen von TN2 und TN13 mit TN11 bezieht sich auf die Versprachlichung des komplexen Einzelfalls: TN2 bezieht zwar unterrichtsplanerische Entscheidungen und den

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Empirische Analysen

Umgang mit fachdidaktischer Theorie plausibel aufeinander, bleibt aber in ihrer Ausführung abstrakt: Was genau für eine Lerngruppe mit welchen Problemen und konkreten als Entscheidungsnotwendigkeit wahrgenommenen Schwierigkeiten hier den Bezugspunkt bildet, bleibt unklar. Im Gegensatz dazu ist die Erzählung von TN11 weniger ‘rund’, wird aber der Komplexität des erlebten Unterrichts gerade dadurch gerecht, dass sie die Eindrücke – was passiert? was beobachte ich? was irritiert mich? – und ihre spontanen fachdidaktischen Überlegungen dazu schildert, ohne diese im Erzählen fachdidaktisch zu ordnen. Implizit unterliegt den fachdidaktischen Reflexionen das Prinzip der Schülerorientierung, das hier auf unterschiedlichen Ebenen variiert wird, aber als Fluchtpunkt der Reflexion oder normatives fachdidaktisches Prinzip nicht expliziert wird. Die ungeordnete Konkretheit der Erzählung von TN11 steht der geordneten Abstraktion von TN2 gegenüber: Während TN11 nah an der Unterrichtsrealität entlang erzählt, der Sprung in die begriffliche Abstraktion (beispielsweise über einen rahmenden Bezugspunkt wie „Schülerorientierung“) aber ausbleibt, beschreibt TN2 zwar ein prozesshaft plausibles Vorgehen bei der Herstellung von Theorie-Praxisbezügen, verliert jedoch in der Erzählung die konkrete Ebene der unmittelbaren Unterrichtsbeschreibung.

10 Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz als Interimsdidaktik: Ergebnisse und Diskussion Die Inhaltsanalyse der Interviewtexte hatte dreierlei zum Ziel: Erstens sollten quantitative Tendenzen in der Art der Reflexivität, die die Studierenden in der Beurteilung des Moduls zum Fachpraktikum realisieren, nachvollzogen werden. Zweitens sollten thematische Bereiche fachdidaktischen Wissens abstrahiert werden, die in erfahrungsbasierten Reflexionen von Praktikant*innen eine Rolle spielen. Schließlich sollten über die Analyse ausgewählter fachbezogener Einzelfälle typische Muster fachdidaktischer Reflexion beschrieben werden, die sich in der Opposition einperspektivisch-linearer versus mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion (vgl. Abschnitt 8.2) bewegen und Aufschluss über die Reflexionskompetenz der Studierenden geben. Die Analyse trägt dazu bei, die im Professionalisierungsdiskurs gängigen Problematisierungen inkompatibler Wissensbereiche sowie die Opposition von Habitualisierung versus Reflexivität aus der Perspektive des Französischunterrichts heraus beschreiben zu können. Das Ziel der empirischen Studie bestand darin, nachvollziehbar zu machen, wie Erfahrungen (im Praktikum) mit dem Wissenserwerb in Lehrveranstaltungen verbunden werden (vgl. Hascher 2012: 113). Dafür wurde ein Kategoriensystem mit den Ausprägungen „Reflexivität“ und „Fachdidaktisches Wissen“ entwickelt und an das Interviewmaterial angelegt. Die folgenden Unterkapitel nehmen erneut die Vorüberlegungen, Probleme und Grundannahmen der zentralen Aspekte reflexiver Handlungskompetenz auf und ergänzen sie auf der Basis der Interviewanalysen. Zentrales Ergebnis ist die Beschreibung des fachdidaktischen reflexiven Handlungswissens als Interimsdidaktik: Mit dem Begriff ist – in Anlehnung an den spracherwerblichen Begriff der Lernersprache oder Interlanguage (vgl. Meißner 2010: 126; Selinker 1972) – ein transitorisches und idiosynkratisches Wissenssystem gemeint, das die Repräsentationen des Wissensgebiets der Fremdsprachendidaktik in praxisbezogenen Reflexionshandlungen darstellt. Dieses System verändert sich in Richtung einer Norm oder mehrerer – nicht immer klar umrissener und definierbarer – Normen, wobei permanente © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_10

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Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz als Interimsdidaktik

Abgleichprozesse von Spontanhypothesen und deren Überprüfung in (realen) kommunikativen Situationen, bzw. im Fall der hier angesetzten Übertragung des Konzepts, in Erfahrungssituationen unterrichtlichen Handelns stattfinden. Im Wissenssystem der Studierenden können regelhafte Elemente ausgemacht werden, die Art ihrer Entwicklung und Verarbeitung ist jedoch plurikausal und individuell. Eine solche Idiosynkrasie ist auch der hier beobachteten reflexiven Handlungskompetenz eigen: Diese ist als Kompetenz zwar identifizierbar und ihre Ausprägungen sind erkennbar, wie die Inhaltsanalyse zeigen konnte. Allerdings bleibt sie auf stark disparate fremdsprachendidaktische Normen hin fokussiert, wie aus den Detailanalysen deutlich wurde. Diese Normen sind selbst bereits ein in sich widersprüchliches Gefüge aus fachsystematischen Wissensbereichen, den ihnen unterliegenden fachdidaktischen Kompetenzmodellen und bildungsadministrativen Rahmungen einerseits und impliziten Theorien der Studierenden sowie deren Verbindung mit den erfahrenen Praktiken im Französischunterricht andererseits. Durch die Inhaltsanalyse sowie die punktuelle vertiefende Interpretation wurde versucht, eine möglichst genaue Beschreibung dieses Wissenssystems der beteiligten Studierenden hervorzubringen, das partiell sicherlich übertragbar auch auf ähnliche Kontexte ist. Tatsächlich bringen andere Studien sehr ähnliche Befunde hervor, sodass Generalisierungen in einem gewissen Rahmen möglich erscheinen, zumal die hochschuldidaktischen Kontexte, in denen empirische Arbeiten zu Reflexivität entstehen, häufig große strukturelle, thematische und methodisch-didaktische Ähnlichkeiten aufweisen – beispielsweise in der zyklischen Anlage der Praktikumsmodule oder aber in deren hochschuldidaktischer Ausgestaltung über Microteachings, Feedback, Fallberatung und Portfolios (vgl. Abschnitte 4 und 7.3). Die Interimsdidaktik macht es möglich, Oppositionen, die den Professionalisierungsdiskurs bestimmen, erstens empirisch nachzuvollziehen, sie aber zweitens aus genau diesem Nachvollzug heraus auch zu problematisieren. Sie kann Bewegungen innerhalb von Oppositionen wie „Theorie versus Praxis“, „Studentischer Pragmatismus versus akademische Reflexion“

Ergebnisse und Diskussion

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oder „Wissenskanon versus Subjektive Theorien“ nachzeichnen und Interdependenzen scheinbarer Ausschließlichkeiten aufzeigen. Zentral sind für die Interimsdidaktik vor allem die Infragestellung der Opposition „Reflexivität versus Habitualisierung“, die Situativität reflexiver Handlungen sowie drittens die Kontingenz fachdidaktischen Wissens. Bereits in den theoretischen Vorüberlegungen waren hierzu Annahmen formuliert worden (vgl. Abschnitte 2 und 7). Die Inhaltsanalyse bestätigt diese Annahmen, hat jedoch darüber hinaus den Wert, sie inhaltlich weiter auszudifferenzieren. Somit können neue Problemaspekte in den Professionalisierungsdiskurs eingebracht werden und dabei spezifisch fremdsprachendidaktische Aspekte ins Blickfeld rücken. Die Repräsentation fachdidaktischen Wissens als Interimsdidaktik wird in den drei folgenden Abschnitten genauer beschrieben. Dafür werden drei Dimensionen vorgeschlagen, die in sich antinomisch strukturiert sind: Die Dimension der Reflexivität ist geprägt von der Dichotomie „Habitualisierung versus Distanziertheit gegenüber Praxiserfahrungen“, die Dimension der Situativität von „Mittelbarkeit versus Unmittelbarkeit reflexiver Handlungen“ und die Dimension des kontingenten Wissens von der Dichotomie „fachsystematischer Aneignung versus impliziter Wissensmobilisierung“. 10.1 Dimension 1: Reflexion zwischen Distanzierung und Habitualisierung Der folgende Abschnitt erläutert als eine Dimension der Interimsdidaktik, dass die reflexiven Handlungen der analysierten Interviewtexte sich in der Opposition von Distanzierung und Habitualisierung verorten lassen. Die Gegenüberstellung von „Reflexivität versus Habitualisierung“, die den Professionsdiskurs prägt und anhand der Interviews im Sinne einer empirischen Verankerung nachgezeichnet werden sollte, wurde zum einen aus der Inkompatibilität verschiedener Wissensarten hergeleitet, zum anderen mit den divergierenden Wahrnehmungen und Erwartungen beteiligter Akteur*innen der Lehrer*innenbildung erläutert (vgl. Abschnitt 2). Ein zentrales Ergebnis der Inhaltsanalyse besteht darin, die Opposition als problematisch charakterisieren zu können: In den Reflexionen werden

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auch deutliche Interdependenzen von Reflexivität und Habitualisierung erkennbar. Distanznehmende Reflexionen im Sinne der oben entwickelten Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz (vgl. Abschnitt 7) sind hier gerade nicht als Opposition zum Wunsch nach Einübung in die Praxis erkennbar, sondern vor allem in den mehrperspektivisch-zyklisch reflektierenden Interviewpassagen eng mit dieser verbunden. In den folgenden Abschnitten wird diese Interdependenz genauer beschrieben. Dabei wird zunächst die Opposition von Habitualisierungswunsch versus distanzierende Reflexion hinterfragt. In einem zweiten Schritt werden Transferbewegungen mit besonderer Berücksichtigung ihrer Bewegungsrichtungen thematisiert, die stark auf die Inkompatibilität verschiedener Wissensarten verweisen. Schließlich wird über die Diskussion der Abwesenheit kritischer Reflexionsebenen im empirischen Material die Frage diskutiert, ob die typischen zyklischen Anlagen hochschuldidaktischer Formate zur Begleitung von Praktika kritische Reflexion vielleicht eher behindern als fördern. 10.1.1 Distanzierende Reflexion und Pragmatismus als interdependente Elemente der Interimsdidaktik In der Professionsforschung ist eine starke, auch wertend konnotierte Dichotomisierung der Wahrnehmung von Praxisphasen bei unterschiedlichen Akteur*innen erkennbar, die sich in der Opposition „studentischer Pragmatismus“ versus „Reflexivität“ festmacht (vgl. Abschnitt 2.7). Aus der akademischen Perspektive ist die Reflexionsfähigkeit als Fluchtpunkt dominant, aus der Perspektive der Studierenden ein starker Wunsch nach unterrichtspragmatischen ‘Lösungen’ und deren habitualisierender Einübung (vgl. Weyland 2012: 6; Elsner 2010). Auch die Kategorien, nach denen das empirische Material der vorliegenden Studie inhaltsanalytisch ausgewertet wurde, nehmen diese Dichotomie zum Bezugspunkt: Einperspektivisch-lineare Reflexionen sind solche, welche die unmittelbare Handlungsebene und unhinterfragte Habits fokussieren, ohne nach der Situationsangemessenheit unterrichtlicher Entscheidungen oder Alternativen zu fragen. Im Gegensatz dazu sind mehrperspektivisch-zyklische Reflexionen solche, die sich theoretisierend von der Ebene der unmittelbaren Handlung distanzieren, Handlungsschemata abstrahieren

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und fachdidaktisches Wissen durch diesen Akt der Interpretation adaptiv transferierbar machen (vgl. Abschnitt 8.2). Die Auswertung des Materials hat gezeigt, dass beide Reflexionsarten eine Rolle spielen, wobei mehrperspektivisch-zyklische Reflexionen quantitativ dominant sind. Durch den deskriptiven Ansatz der Inhaltsanalyse wird die Opposition jedoch auch relativiert: Einerseits formulieren die Studierenden ein starkes Bedürfnis nach unterrichtspraktischer ‘Rezeptologie’, sie wollen konkrete Handlungsoptionen kennenlernen und einüben, die qualitätvollen Französischunterricht ausmachen. Andererseits ist dieser Wunsch nicht zwangsläufig an mangelnde Reflektiertheit gebunden, wie die Formulierung des „unterrichtspragmatischen Anspruch[s] von Studierenden“ (Weyland 2012: 6) nahelegen könnte bzw. wie es sich als durchgehende – häufig implizite – Wertung in vielen Arbeiten des Professionalisierungsdiskurses erkennen lässt. Durch die Analysen der Interviews konnten Merkmale der spezifischen Art von Reflexivität eruiert werden, die sich im Kontext von Praktika typischerweise beobachten lassen. Diese erscheinen geeignet, sowohl den Begriff der Reflexivität als auch die wohl stark vereinfachende Vorstellung „pragmatischer Studierender“ weiter auszudifferenzieren und neue Oppositionen, die zur Beschreibung von Reflexionswissen in Praktika dienen, zu etablieren. Auf diese Weise können auch wertende Anteile des Diskurses – Reflexion wird ein positiver Mehrwert zugeschrieben, Einübung in die Praxis gilt als suspekt – hinterfragt werden. Ein wichtiger Aspekt der Interimsdidaktik besteht in der Beschreibung der interdependenten Verhältnisse von Habitualisierung und Distanzierung in Reflexionshandlungen. Die Analysen des Interviewmaterials und die ebenso differenzierten wie heterogenen Bilder, die sich von fachdidaktischen Reflexionsprozessen nachvollziehen lassen, verweisen darauf, dass pragmatische Handlungsfragen Reflektiertheit nicht ausschließen. Die Auseinandersetzung mit einem – temporär und als Arbeitsgrundlage als verbindlich angesetzten – Modell bedeutet nicht zwangsläufig dessen unhinterfragte Übernahme oder eine Einübung in die Praxis „blinder Routinen“ (Neuweg 2007). Sie kann im Gegenteil

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reflexive Prozesse auch auslösen und ihren Verlauf im Sinne des reframing strukturieren. Die Interviews zeigen, dass der Wunsch nach unterrichtspragmatischem Wissen auch in Passagen mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion erkennbar ist (vgl. das folgende Beispiel). Es wird verhandelt, welche Handlungsaspekte wie zu bewerten wären und dafür werden plausible, implizit unterliegende oder explizit versprachlichte fachdidaktisch relevante Bewertungskriterien formuliert. Der Wunsch nach ‘Rezeptologie’ erscheint im Kontext des hier analysierten Materials erst dann problematisch, wenn er mit dominant einperspektivisch-linearer Reflexion, impliziter Bewertung bei intransparenten Bezugskriterien für die Beurteilung von Französischunterricht verknüpft wird. Im quantitativ überwiegenden Teil des Datenmaterials ist dies jedoch nicht der Fall. Dies legt die Interpretation nahe, dass der beobachtbare studentische Wunsch nach Routine und Habitualisierung weder zwangsläufig ein Indiz für mangelnde Reflexivität darstellt, noch scheint er deren Ermöglichung zu verhindern. Die Verbindung von Routinewunsch und Reflexion von Erfahrung kann im Gegenteil auch als Hinweis darauf gedeutet werden, dass Erfahrung notwendig ist, um überhaupt eine Veranlassung zur Reflexion zu sehen, die das praktische Handeln verstehend neu rahmen oder zukünftige Handlungen beeinflussen kann. Vor diesem Hintergrund kann die starke Opposition, die den Professionalisierungsdiskurs kennzeichnet, durch die vorliegende Studie insofern ‘dekonstruiert’ werden, als reflexive Handlungskompetenz gerade in solchen Interviewpassagen erkennbar wird, in denen ein enges Oszillieren zwischen einer Handlung in der Praxis und abstrahierend deskriptiver Theoretisierung erkennbar wird. Die Explizierung kann sowohl den Rückgriff auf fachterminologische Anbindungen wie auch eher alltagssprachliche Versprachlichungen umfassen, die auf implizites fachdidaktisches Wissen schließen lassen. Bei der Analyse der Interviewtexte ging es um den Nachvollzug des dynamischen Abgleichs der dichotomen Ausprägungen, wie sie in den Kategorien „einperspektivisch-linear“ versus „mehrperspektivisch-zyklisch“ angesetzt wurden. Reflexive Handlungskompetenz ist somit als prozesshafte Fähigkeit zu verstehen, dieses Oszillieren aufrechterhalten zu können, was im Interview-

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material auch erkennbar ist. Es kommt für die Identifikation reflexiver Handlungskompetenz entsprechend weniger auf die quantitative Dominanz mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion und die weitestgehende Abwesenheit einperspektivisch-linearer Reflexion an, sondern auf die Fähigkeit, einperspektivisch-lineare Reflexionen und ‘rezeptologische Impulse’ mehr und mehr in mehrperspektivisch-zyklische Perspektivierungen einzubetten. Auch die quantitativen Proportionen, die in Abschnitt 9.1 beschrieben wurden, bestätigen dies: Während Studierende, die überwiegend mehrperspektivisch-zyklisch reflektieren, in ihren Interviews ein ausgewogenes Verhältnis von mehrperspektivisch-zyklischer und einperspektivisch-linearer Reflexion realisieren, dominieren bei den Studierenden, die überwiegend einperspektivisch-linear reflektieren, sowohl diese Reflexionsart als auch die starke Abwesenheit fachdidaktischer Konkretisierungen. 10.1.2 Beispiel: TN13 und die „passende Zeitschrift“ Als Beispiel für die Dichotomie unterrichtstechnischer und abstrahierender kritischer Reflexion sei hier auf eine Passage im Interview mit TN13 verwiesen, die Probleme bei der Unterrichtsplanung auch auf die schwierige Recherche bzw. den Zugriff auf Ressourcen zurückführt: „ich weiß zum Beispiel immer noch nicht, wie ich dann, wenn ich ein Thema habe, die passende Zeitschrift dazu finde“ (13:28). Die in diesem Satz implizit erkennbare Vorstellung, es müsste zu jedem Thema eine „passende Zeitschrift“ geben, kann als naiv – also einperspektivisch-linear reflektierend – charakterisiert werden. Im Gesamtkontext der umgebenden Passage sowie des gesamten Interviewtextes bleibt sie aber in mehrperspektivisch-zyklische Reflexionen eingebettet. Es entstehen im Text von TN13 Bewegungen von engerer oder weiterer Bezugnahme mehrperspektivisch-zyklischer und einperspektivisch-linearer Reflexion aufeinander, die eine rein quantitative Gegenüberstellung der beiden Reflexionsarten als Hinweis auf reflexive Handlungskompetenz obsolet machen. Rückkopplungen zwischen den Reflexionsarten können direkt oder nur indirekt erkennbar sein, was zuweilen auch den Eindruck von stärker ausgeprägter reflexiver Handlungskompetenz vermittelt – beispielsweise in den narrativ stringenten Clustern –, während andere Überlegungen diese Art

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von Stringenz und hermeneutischem Teil-Ganzes-Verhältnis vermissen lassen (vgl. Abschnitte 9.3.2.4 und 10.2.3). 10.1.3 Transferrichtungen: von der Theorie in die Praxis, aber nicht umgekehrt Wenn auch die dichotomische Struktur von Distanznahme und Habitualisierung aus dem Interviewmaterial heraus problematisiert werden konnte, so fällt trotz der erarbeiteten Interdependenz von Pragmatismus und reflexiver Distanznahme auf, dass die Bewegungsrichtungen von Prozessen der Wissenstransformation beinahe ausschließlich monodirektional verlaufen: Reflektiert werden ausschließlich Transformationen von Textwissen in die Praxis, während umgekehrt Erfahrungen in und mit der Praxis kaum als Anlass für die Formulierung theoretisierender Fragestellungen genutzt werden. Die Reflexionsrichtungen sind insofern interessant für die Frage der Transformation von Wissen, als sie erneut auf die unterliegende Vorstellung von ‘Anwendung’ verweisen: Hier bleibt die Vorstellung, dass sich Praxisbezug in der Richtung – „aus der Theorie in die Praxis“ – realisiert, stabil erkennbar. Diese Repräsentation von ‘Anwendung’ wiederum ist eng mit der Vorstellung verbunden, es gebe einen Wissensfundus, der per se zu bestimmten Praxissituationen passt und durch wiederholtes Üben zur Prozedur (vgl. Neuweg 2011b: 23) wird. Bewegungen von Wissenstransformation, die im Interviewmaterial versprachlicht werden, realisieren sich beinahe ausschließlich als Bewegungen aus der Theorie in die Praxis, kaum jedoch umgekehrt, obwohl integrative und reflexive Ansätze der Lehrer*innenbildung sich genau dies zum Ziel machen: „It is not just academics who produce results for teachers or student teachers who then, in turn, translate them into practice; it is also teachers who produce theory while reflecting upon the circumstances and rationales of their practice“ (Hüttner et al. 2012: xv). Obwohl die Anlage des Moduls genau diese Art der Rückkopplung ermöglichen sollte, thematisieren die Studierenden weder entsprechende Lernwege oder theoretisierende Abstraktionsversuche, noch schildern sie Probleme, die mit dem Versuch einer theoretischen Konzeptionalisierung von Praxiserfahrungen verbunden wären.

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Aus den Interviews lässt sich erkennen, dass die Praktikant*innen zwar den Versuch unternehmen, fachdidaktisches Wissen in die Praxis einzubringen und sich dabei durchaus sensibilisieren für die Unmöglichkeit unmittelbarer Anwendung (vgl. Abschnitt 7.2 oder Analyse des Clusters von TN2 zur Arbeit mit Chansons in Abschnitt 9.3), dieser Prozess selbst jedoch kaum mehr problematisiert wird. Die Praxis wird nicht als Feld wahrgenommen, aus dem heraus neue Fragen generiert und abstrahierend oder forschend bearbeitet werden. Lösungen für – streckenweise durchaus differenziert und komplex geschilderte – Probleme der Praxis werden so gut wie ausschließlich in der Praxis selbst gesucht, in Gesprächen mit betreuenden Lehrkräften oder den Mitpraktikant*innen. Als Beispiel hierfür kann die Reflexion zur Körpersprache (vgl. Abschnitt 9.2.3.2.3) von TN7 herangezogen werden: Die Passage erläutert plausibel die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit non-verbaler Kommunikation. Diese erscheint jedoch nur „in der Praxis“ möglich, sodass TN7 die Auseinandersetzung mit dem Thema nicht etwa als Wunsch an die Berücksichtigung in den Begleitseminaren formuliert, sondern direkt mit der zweiten und dritten Phase der Lehrer*innenbildung assoziiert: Etwas lernen kann man in diesem Bereich nur in der Praxis, eine (distanzierende) theoretische Auseinandersetzung bleibt in der Passage als ebenso ‘undenkbar’ wie unnötig charakterisiert. In Bezug auf das grundlegende Problem divergierender Wissensarten legt diese Beobachtung die Deutung nahe, dass trotz der beobachteten Transfers die verschiedenen Wissensarten insofern strikt voneinander getrennt bleiben, als Integrationsversuche ausschließlich im Bereich der Theorie-Anwendung stattfinden. Hier wird zwar das Problem erkannt, dass Transfer nur mittelbar möglich ist, die grundsätzliche Offenheit pädagogischer Erfahrungssituationen wird dabei jedoch weiterhin als ‘Problem’ behandelt, das irgendwie ‘gelöst’ werden muss. Die als problematisch wahrgenommene Praxiserfahrung mündet meist nicht in eine offene, Differenzierung der Probleme, vielmehr scheinen sie die vorgängige Repräsentation einer nicht ‘praxistauglichen’ fachdidaktischen Theorie zu bestätigen. Eine fragend-

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forschende Beschäftigung mit erfahrenen Problemen, die über die instrumentelle Ebene des „What works“ hinausginge, ist kaum beobachtbar. Im Kontext der Expertiseforschung verweist Tsui (2003: 4) auf die Arbeiten von Bereiter/Scardamalia (1993), die Expertise eher als Prozess denn als Zustand definieren. Wenn Expertise auch als Problemlösefähigkeit, bzw. die Bereitschaft, „at the edge of their competence“ (Bereiter/Scardamalia 1993: 34; zit. in Tsui 2003: 18) zu agieren und gerade dadurch kompetent zu werden, angesetzt wird, müssen Elemente der professionellen Entwicklung identifizierbar gemacht werden, in denen genau dies sichtbar wird. Unter diesem Aspekt ist beispielsweise die Entscheidung von TN11 in der oben analysierten Clusterpassage (vgl. Abschnitt 9.3.2.4) interessant: Ihre Entscheidung, sich im Portfolio auf Rollenspiele zu konzentrieren und gerade nicht in das von ihr als das interessantere, aber auch herausfordernder beschriebene Thema „Fehlerkorrektur“ einzusteigen, kann in diesem Sinne als typisch für das Verhalten einer Novizin gedeutet werden. Die Möglichkeiten, gleichermaßen gegensätzliche wie relevante Wissensformen professionellen Wissens zu integrieren, bleiben von einem gravierenden Ungleichgewicht geprägt. Ähnlich wie in der vorliegenden Studie wird das „reflektierte Handlungswissen“ auch bei Legutke/Schart (2016: 30) als Möglichkeit angesetzt, die Inkompatibilität der relevanten Wissensformen selbst zum Anlass von Reflexion und damit auch einer Integration werden zu lassen. Dieses „kann nur innerhalb der professionellen Gemeinschaft von den Lehrenden selbst generiert werden. Sie müssen dafür die Unterrichtspraxis zum Gegenstand einer kritischen Betrachtung machen und ihre Handlungsmuster und Routinen hinterfragen. Indem sie dabei sowohl die Perspektive von Kolleginnen und Kollegen einbeziehen als auch wissenschaftliche Erklärungsansätze, können sie das Reflexionsniveau erhöhen“ (Legutke/Schart 2016: 31). Der Ansatz, genau mit diesem Ziel neue Texte aktiv in Anbindung an die Praktikumserfahrung zu rezipieren und für die Seminargruppe aufzuarbeiten bzw. auch deren Erfahrungen in die Diskussion zu integrieren (vgl. Abschnitt 7.3.3.1 zur Nachbereitungsveranstaltung des Moduls), ist weit hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben. Die Referate zu Themen, die sich aus dem

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Reden über die Erfahrungen im Praktikum herauskristallisiert haben, wurden häufig gerade nicht auf die Analyse der Erfahrung hin erarbeitet, sondern eher mit dem Ziel einer Bereitstellung weiterer Methoden für den Französischunterricht, die bei nächster Gelegenheit ‘angewendet’ werden sollten.43 Die Anerkennung von Dilemmata und antinomischen Strukturen des Lehrer*innenhandelns (vgl. Helsper 1996; Bredella 2004) scheint für Studierende eine Herausforderung darzustellen. Das Bedürfnis, Unsicherheit zu minimieren, überwiegt die Möglichkeit, durch Mehrperspektivität Handlungsalternativen auch unter bislang unbeachteten Reflexionskategorien hervorbringen zu können. Bei der Rekonstruktion verschiedener Professionsverständnisse aus Selbstaussagen von Studierenden stellen Gasser/ Suter/Bühler (2014) ebenfalls fest, dass Lehramtsstudierende „Unsicherheit und Ungewissheit nicht als konstitutiv für ihre Rolle im Praktikum ansehen […] [und] die antinomische Struktur pädagogischen Handelns nicht erkennen oder nicht anerkennen“ (Gasser/Suter/Bühler 2014: 43). Diese Haltung entspricht in der vorliegenden Studie dem einperspektivisch-linearen Reflektieren, das auf Verfügbarkeit und Passgenauigkeit unterrichtlicher Lösungsansätze zielt und Unsicherheit nicht als grundlegendes Merkmal von Lehrerhandeln, sondern als (durch das Praktikum) zu überwindenden Status konstruiert. Behältermetaphern für lehrerbildende Veranstaltungen und die eigene Professionalisierungsbiographie (z.B. das „Packen eines Koffers“ (15:15)) verweisen auf dieses Verständnis (vgl. Abschnitt 9.2.3.5). Auch Hatton/Smith (1995) deuten die Ergebnisse ihrer Studien dahingehend, dass Reflexion nicht zwangsläufig mit der Arbeit als Lehrer*in assoziiert wird – „reflection is not generally associated with working as a teacher” (Hatton/Smith 1995: 36) –, die Überzeugung der Notwendigkeit technischer Fertigkeiten kollidiert dann mit der Forderung nach Reflexivität,

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Kurze Schilderungen der Gruppenarbeiten im Nachbereitungsseminar finden sich bei Schädlich (2011: 21-22). Die hochschuldidaktische Anlage, die hier unterliegt, weicht jedoch leicht von den untersuchten drei Moduldurchgängen ab. Das Handout zur Vorbereitung der Gruppenarbeiten der drei Durchgänge, zu denen die Interviews durchgeführt wurden, findet sich im Anhang 5 („Handout zur Nachbereitungsveranstaltung“).

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die als „esoterisch und nutzlos” (vgl. Hatton/Smith 1995: 36) wahrgenommen wird. 10.1.4 Beispiel: TN1 und Elemente von Körpersprache im Fremdsprachenunterricht Als Beispiel für dominante Transferrichtungen sei erneut auf die Reflexion zur Körpersprache bei TN1 (vgl. Abschnitt 9.2.3.2.3) eingegangen. Der Aspekt der Körpersprache wird ausschließlich vor dem Anspruch der Unterstützung und Vereinfachung kommunikativer Prozesse reflektiert. Die ‘Didaktisierung’ von Stimme, Gestik und Mimik wird von TN1 dahingehend problematisiert, dass sie trotz Planung nicht so ‘eingesetzt’ werden kann, wie sie es sich vorgenommen hatte. Die eigene Sprache wird hier kaum als leibliches, habitualisiertes Moment (vgl. Schwerdtfeger 2000; Busch 2013) wahrgenommen, sondern als zur bewussten Steuerung ‘verfügbar’. Dies ist insofern bemerkenswert, als die Studentin eine gegenteilige Erfahrung zum Ausgangspunkt ihrer Reflexion macht, bei der der Körper gerade nicht das tut, was die Unterrichtsplanung ihm ‘diktiert’. Die „leibliche Begründung“ (vgl. Busch 2013: 23) von Sprache sowie die Vorstellung eines in den Körper eingeschriebenen sprachlichen Habitus (vgl. Busch 2013: 24) unterliegt zwar Äußerungen, die sich auf das Problem beziehen, die eigene Körpersprache nicht didaktisch anpassen zu können. Äußerungen zur Körpersprache – wie die von TN1 – schreiben mögliche Veränderung des Habitualisierten ausschließlich in den Bereich der Praxis. Nur einübendes Handeln kann hier das Intendierte hervorbringen. Insofern berührt die Modellierung des Körpersprachlichen durch die Studierenden erneut die Frage, ob explizites Wissen implizite Dispositionen oder den sprachlichen Habitus verändern kann. Es ist interessant, dass das von TN1 erzählte Phänomen keine weiterführenden Fragen aufwirft, sondern wiederum lediglich als ‘zu lösendes’ Problem wahrgenommen wird. Eine Auseinandersetzung mit Begriffen wie Leiblichkeit und Habitus in ihrer Verbindung mit dem sprachlichen Erleben (vgl. Busch 2013) könnte gegebenenfalls anders für das geschilderte Problem der körpersprachlichen Adaptation sensibilisieren und es auf einer subjektbezogenen linguistischen Ebene neu rahmen helfen. Hier handelt es sich allerdings um einen thematischen Bereich, der in fachdi-

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daktischen Publikationen (Praxiszeitschriften, Einführungswerke) kaum thematisiert wird, aber für das Handeln in der Praxis von außerordentlicher Relevanz sein dürfte. Wissen darüber zu erlangen, wie das Phänomen begründet sein könnte, wird hier nicht als Option für lehrerbildende Prozesse angenommen oder als Wunsch an die thematische Ausrichtung der Begleitveranstaltungen formuliert. 10.1.5 Distanznahme und Kritik als unerreichte Kompetenz lehrerbildender Reflexionsideale Es werden im Datenmaterial der vorliegenden Studie Veränderungen in den Einstellungen und Bewertungen sowie punktuelle Handlungsalternativen und Reflexionen problematischer Praktiken, die die Studierenden beobachten, erkennbar. Mehrperspektivisch-zyklische Reflexionen sind quantitativ dominant gegenüber einperspektivisch-linear geprägten Textpassagen. Distanznehmende Beschreibungen und Analysen des eigenen Handelns sind in den Interviewtexten erkennbar. Obwohl auf der quantitativen Ebene also durchaus das Vorhandensein reflexiver Handlungskompetenz nachgewiesen werden kann, bleiben die Analysen ambivalent insofern, als die genauere Ausdifferenzierung der Art der Reflexion in Verbindung mit der fachdidaktischen Transformation von Wissen auch die mehrperspektivisch-zyklischen Reflexionen relativiert, wie der vorige Abschnitt am Phänomen der Transferrichtungen zeigen konnte. Damit ähneln die erarbeiteten Ergebnisse denen anderer Studien, von denen hier die Arbeit von Gasser/Suter/Bühler (2014) sowie die Arbeit von Roters (2012) als Beispiele genannt werden können. Die strukturtheoretisch verortete Typisierung von Professionsverständnissen, die bei Gasser/Suter/Bühler (2014) entwickelt wird, weist einige Parallelen mit den hier erhaltenen Analyseergebnissen auf. Die Dichotomie, die hier zwischen mehrperspektivisch-zyklischer und einperspektivisch-linearer Reflexion konstruiert und im Interviewmaterial nachvollzogen werden sollte, ähnelt den beiden bei Gasser/Suter/Bühler (2014) rekonstruierten Typen studentischer Professionsverständnisse: Während deren „reflexiv-professionalisierter“ Typus sich durch das auszeichnet, was hier als „mehrper-

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spektivisch-zyklisch reflektierend“ angesetzt wurde, entspricht die „soziotechnokratische Perfektionistin“ eher dem einperspektivisch-linear orientierten Reflexionsschema. Was die Quantifizierung angeht, so lassen sich auch Parallelen in der Verteilung der Typen feststellen. Bei Gasser/Suter/ Bühler sind ca. die Hälfte der 45 Fälle dem reflexiv-professionaliserten Typ zuzuzählen und circa ein Drittel dem Typ der soziotechnokratischen Perfektionistin44. Ähnliche quantitative Tendenzen sind auch bei der hier verfolgten Analyse zu beobachten. Mehrperspektivisch-zyklische Reflexion konnte ebenfalls als dominante Reflexionskategorie nachgewiesen werden. Die expertisetheoretisch geprägte Arbeit von Roters (2012) entwickelt eine Typologie fremdsprachendidaktischer Reflexion, die sich auf eine genaue Beschreibung reflexiver Prozesse von Noviz*innen konzentriert. Roters entwickelt hier sechs Typen, die sich auf einer Skala von „deskriptiv-pauschalisierend“ bis „reflexiv-forschend“ situieren lassen, wobei der Typus „reflexivforschend“ in ihrem empirischen Material nicht nachweisbar ist (vgl. Roters 2012: 264). Der „selbstfokussierte Novize“ zeichnet sich stark durch mangelnde Abstraktion von der eigenen Person und der Reflexion der „eigenen Rolle als angehende Lehrkraft“ (Roters 2012: 266) aus. Diese Tendenz ist im vorliegenden Material vor allem bei einperspektivisch-linearen Reflexionen nachvollziehbar, die sich – ebenfalls in Korrespondenz zu Roters‘ Ergebnissen – durch einen stark normativen Duktus in den Reflexionstexten auszeichnet. Ebenfalls parallel ist hier der Ansatz, unterrichtliche Planungen „in die Gruppe hinein“ zu tragen (vgl. Abschnitt 8.2) und sich nicht adaptiv an die Lernvoraussetzungen der Schüler*innen anzupassen. Der dritte Typus bei Roters („instrumentell-reflexiv“) findet sich im vorliegenden Material ebenfalls. Reflexionen dieser Art zeigen punktuelle Reflexionen, die jedoch insgesamt statisch bleiben. Die Typen „dialogisch-reflexiver Novize“, „transformativ-reflexiver Novize“ und „reflexiv-forschender Novize“ entsprechen im vorliegen-

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Studierende, die sich in der Studie von Gasser/Suter/Bühler (2014) als „charismatische Meister“ wahrnehmen, bleiben die Ausnahme. Im vorliegenden Material entspricht diesem Typ am ehesten die in Absatz 9.2.3.4.2.3 („Was Schüler brauchen“) analysierte Passage von TN14 („ich bin die Mitte“).

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den Material mehrperspektivisch-zyklisch reflektierenden Interviewpassagen. Hier sind vor allem Perspektivenwechsel und das Bemühen, den Unterricht mit den Augen der Schüler zu sehen, erkennbar: „Sie betrachten also Unterricht aus der Perspektive der Lerner, nicht nur ihrer eigenen“ (Roters 2012: 269). Die quantitativen Proportionen der vorliegenden Studie ähneln denen bei Roters: Während Extrempunkte nur vereinzelt oder gar nicht vertreten sind, lässt sich das Gros der Studierenden den mittleren Typen zuordnen. Als Merkmal der Interimsdidaktik kann dabei festgehalten werden, dass typische Themen, die mobilisiert werden, sich primär im Bereich der Unterrichtstechniken bewegen und abstraktere, auf paradigmatische Konzepte oder Begriffe bezogene kritische Reflexionen kaum einschließen. Hatton/Smith (1995) leiten aus einer Analyse umfangreicher Daten (Praktikumsberichte, Selbstevaluationen, Unterrichtsvideographien, Interviews) drei Arten von Reflexion ab: descriptive reflection, dialogic reflection und critical reflection. Im vorliegenden Datenmaterial konnten ähnliche Ausprägungen ebenfalls nachgewiesen werden. Kritische Reflexion, die im Sinne von van Manen und Habermas solche Reflexionen umfasst, die weitere historische, ethische, soziale und politische Ebenen miteinbeziehen45, sind ähnlich wie bei Hatton/Smith (1995) auch im hier analysierten Material quantitativ ebenfalls nur schwach ausgeprägt. Besonders plastisch tritt dies bei den hier erhobenen Daten aus der Differenz der fachdidaktischen Subkategorien „Fertigkeiten/Kompetenzen“ und „Kompetenzbegriff“ hervor (vgl. Abschnitt 9.2), die hier als anschauliche exemplarische Ausprägungen der unterrichtstechnischen versus der kritischen Ebene thematischer Reflexion gelten können. 10.1.6 Beispiel: TN13 und die Metaperspektive kritischer Reflexion TN13 reflektiert beinahe ausschließlich mehrperspektivisch-zyklisch, und ihr Interview enthält zahlreiche episodische Passagen, bis hin zu ausführlichen

45

Prominent beschrieben beispielsweise bei Hatton/Smith (1995: 45), als „seeing as problematic, according to ethical criteria, the goals and practices of one’s profession […] taking account of social, political and/or cultural forces“.

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und komplex strukturierten Narrationen (vgl. z.B. die Analyse zum Grammatikunterricht in Abschnitt 9.3.2.2). Sie benutzt wenige Fachtermini, führt aber fachdidaktische Prinzipien und Schlüsselbegriffe in ihren Reflexionen konkretisierend so aus, dass sie als verankerte und an Erfahrung gekoppelte Wissenselemente erkennbar werden. Thematisch ist in ihren Äußerungen die Kategorie „Schülerorientierung“ dominant erkennbar, die für TN13 ein grundlegendes Prinzip des Fremdsprachenunterrichts darstellt. Alle anderen Aspekte unterrichtlichen Handelns (Adaptivität, Planung und Unterrichtsdiskurs, Schilderung von Brüchen bei Transferversuchen, Perspektivenvielfalt) richtet sie stringent auf dieses Prinzip hin aus. Der Anspruch, Unterricht „mit den Augen der Schüler“ zu sehen, wird in den Texten von TN13 sehr konsequent – bis hin zu einer deutlichen Infragestellung gängiger Praktiken, die diesem Ansatz widersprechen – realisiert (vgl. Abschnitt 9.2.3.3.2 zur Problematisierung von Unterrichtsentwürfen). Hier ist die Ebene kritischer Reflexion erkennbar, die auch weitergehende politische und ethische Fragen aufwirft. TN13 reflektiert Erfahrungen durchweg mehrperspektivisch und entwickelt eine Metaebene, die dem entspricht, was Roters als „Vogelperspektive“ (vgl. Roters 2012: 269) bezeichnet; ein solcher Über-Blick ist in keinem anderen Interview erkennbar. 10.1.7 Zyklisches Reflektieren als Verhinderung von kritischer Reflexion? Die in verschiedenen empirischen Arbeiten festgestellte Abwesenheit kritisch-distanzierter Reflexion, die auch als Beleg für die Unwirksamkeit von Praktika angeführt wird, soll an dieser Stelle selbst problematisiert werden. Aus der Perspektive der Interimsdidaktik erscheint vor allem die Wertung problematisch, die mit Stufungen generell und den Charakteristika einzelner Progressionen einhergeht. Es stellt sich hier auch die Frage, in welchem Kontext welche Art von Reflexion überhaupt angemessen erscheint (vgl. auch Abschnitt 7.2.2). Ein Abwägen zwischen unterrichtlichen Handlungsalternativen muss dabei nicht per se reflexiv schwächer sein als ein kritisches Statement zu übergeordneten bildungspolitischen oder ethischen Problemen. Dass diese Ebene punktuell mitgedacht wird, aber quantitativ vielleicht nicht

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dominant ist in Kontexten, die sich der Reflexion von unterrichtlichen Erfahrungen widmen, erscheint dabei ebenso naheliegend, wie es plausibel erscheint, dass dort, wo es um konkrete Erfahrungen geht, deskriptive Passagen häufiger anzutreffen sind als begrifflich-abstrahierende. Hier bleibt fraglich, ob die gewählten hochschuldidaktischen Settings überhaupt die Reflexionen hervorzubringen in der Lage sind, die in Modellen wie dem von Hatton/Smith (1995) oder Ward/Mc Cotter (2004) als ‘höherstufige’ Reflexionsarten angesetzt werden. Ein Erklärungsansatz, warum gegebenenfalls gerade die reflexiven Formate von Praktikumsveranstaltungen dazu beitragen, dass die kritische Ebene unterrepräsentiert bleibt, findet sich bei Müller (2010): Seine begriffstheoretische Diskussion von Reflexivität fokussiert nicht auf Skalierungen, sondern auf Perspektivierungen und Handlungen, die Reflektierende vollziehen. Der Transfer seiner sozialphilosophisch begrifflichen Unterscheidung von „Reflex – Reflektion – Reflexion“ auf gängige Ansätze reflexiver Lehrer*innenbildung ist insofern überzeugend, als diese den spezifischen Beitrag zu möglicher Handlungsveränderung (und was dieser hinderlich sein könnte) plausibel nachvollziehbar macht. Müller problematisiert die „Zirkelmetapher“, die zahlreichen hochschuldidaktischen Formaten unterliegt (Müller bezieht sich konkret auf Altrichter), so auch jenem, das Gegenstand der vorliegenden Empirie ist (vgl. Abschnitt 7.3). Der prozesshafte Charakter eines zyklischen Bezugs von „Handlung – Reflexion – Handlungsveränderung“ wird zwar prinzipiell als förderlich zur Initiierung reflexiver Prozesse beschrieben. Letztlich jedoch wird er dahingehend als strukturell selbsterhaltend charakterisiert, als „objektiv vorgängige Momente, Strukturen und Verhältnisse, die der Förderung von Reflexivität entgegenstehen oder diese unterstützen, außen vor [bleiben]“ (Müller 2010: 40). Diejenigen Momente, die den Zirkel „hervorbringen und reproduzieren“ (Müller 2010: 40), bleiben gerade wegen des zyklischen Charakters aus der Reflexion ausgeklammert. Hier wird suggeriert, dass just der Ansatz, der unter dem Schlagwort ‘Reflexivität’ konsensuell in zahlreichen hochschuldidaktischen Formaten praktiziert wird, eventuell selbst dafür verantwortlich sein könnte, dass die kritische Ebene, die in den meisten Modellen als besonders wichtige Form der Reflexion als

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sozusagen ‘höchste’ anzustrebende Ebene angesetzt wird, gerade nicht erreicht werden kann: Das als besonders reflexionsförderlich angesetzte Szenario verhindert also vielleicht gerade das, was es hervorbringen soll. Die oben entwickelten Charakteristika der Interimsdidaktik legen genau diese Interpretation nahe: Die Studierenden reflektieren im Sinne der angesetzten Arbeitsdefinition kompetent und entwickeln mehrperspektivische Blicke auf Französischunterricht. Dabei verbleiben sie aber stark einer Vorstellung von Kritik verbunden, die sich innerhalb einer an sich nicht hinterfragten Annahme von Professionalisierung als übendes Anwenden theoretischer Wissensbestände bewegt. 10.2 Dimension 2: Situativität zwischen Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit Ein weiteres Element der Interimsdidaktik ist die Situativität reflexiver Handlungen. Diese bezieht sich zum einen auf die Spezifik der Reflexion für eine konkrete Erfahrungssituation und damit auf die Unmöglichkeit der Verallgemeinerung ‘praxistauglicher’ Handlungen. Zum anderen bezieht sie sich auf die Situativität der Reflexionssituationen selbst. Sie verweist drittens – wie im vorangegangenen Abschnitt diskutiert wurde – auf die Passung von Modellen reflexiver Kompetenz mit den didaktischen Settings, die es überhaupt erlauben, einzelne Elemente von Reflexion empirisch zugänglich zu machen. Da die Reflexionssituation selbst die Art der Reflexion mitkonstituiert, bezieht sich diese zwar auf unmittelbare Erfahrungen in und mit der Praxis, diese Erfahrung ist aber grundsätzlich nur mittelbar zugänglich (vgl. Neuweg 2011b und Abschnitt 7.1), was sowohl für die Reflexionsmomente im Praktikum selbst als auch für ihre Rekonstruktionen aus einer forschenden Perspektive heraus gilt. Dabei ist das diskursive Moment für die Hervorbringung und Ausgestaltung von Reflexion entscheidend. Ihre Situativität zeigt sich nicht nur im Sinne konkreter Fallbezogenheit (Situation, über die reflektiert wird), sondern vor allem in der Situation, in der reflektiert wird. Reflexion wird somit zu einem auch selbstbezüglichen System, das die Erfahrungssituation in einer Art ineinander geschachtelten reflection-on-action-Handlungen erst durch immer wieder neue Versprachlichungen hervorbringt.

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Bereits im Kontext der Entwicklung der Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz wurden einige Grundannahmen zu ihren Merkmalen formuliert, wobei Erfahrungsbasiertheit und Subjektivität eine entscheidende Rolle zukam (vgl. Abschnitt 7). Durch die Inhaltsanalyse konnten diese Aspekte weiter ausdifferenziert werden. Im Folgenden wird zunächst die didaktische Transformation als interimsdidaktische Konstruktion von Wissen am Einzelfall einer konkreten Erfahrung beschrieben. In einem zweiten Schritt wird die situative Einbettung reflexiver Handlungen nachvollzogen, wobei zwei Ebenen relevant werden: die Ebene des Praktikumsmoduls selbst sowie die Ebene der Interviewstudie als weitere Reflexionssituation. Auf beiden Ebenen spielen die Situationen und Textsorten, ‘in’ denen reflektiert wird, eine konstituierende Rolle für die Reflexionshandlungen. 10.2.1 Didaktische Transformationen am Einzelfall Ein grundlegendes Anliegen der vorliegenden Studie ergibt sich aus der Vagheit bildungsadminstrativer Rahmentexte, die Kompetenzbeschreibungen für Praktika formulieren. Die in Abschnitt 4 zitierte Kannbeschreibung der MaVo (2007: 499) – „Die Absolventinnen und Absolventen beurteilen die Notwendigkeit und Problematik didaktischer Transformationen oder Reduktionen und weisen erste Erfahrungen mit deren Umsetzung nach” – ist in den Interviews erkennbar und kann aus den Ergebnissen der Inhaltsanalyse heraus genauer beschrieben werden. Die Inhaltsanalyse hat verdeutlicht, dass reflexive Handlungskompetenz sich am Umgang mit komplexen Erfahrungssituationen zeigt, in denen „ein Fall niemals lediglich durch einen theoretischen Bezugspunkt allein greifbar wird“ (Schädlich 2015: 258). Diese Orientierung an der Singularität des Erlebten, das in verschiedene Richtungen theoretisch gerahmt werden kann, wird vor allem in den Clustern (vgl. Abschnitt 9.3) nachvollziehbar. Fachdidaktisches Wissen wird hier nicht unmittelbar auf einen Fall ‘angewendet’ oder ‘an ihm überprüft’. Vielmehr finden mittelbare Prozesse statt, bei denen verschiedene Wissensbestände in einem Prozess situativer Konstruktion relevant gemacht und bewertet werden. Es kann nachvollzogen werden, dass

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fachdidaktische Wissensanteile mehr oder weniger explizierend und mehr oder weniger stringent mit der Reflexion über unterrichtliches Handeln integriert werden. Zusammenfassend lässt sich in den Reflexionen erkennen, was Steinbrügge (2008) als „didaktische Transformation“ bezeichnet. Bausteine des Wissens werden vor den Gegebenheiten der Praxis neu arrangiert und tragen zur Herstellung von Bedeutung ansonsten unlesbarer Handlungen bei: „Didaktische Transformation bedeutet, die Bausteine des Wissens in schulpraktischer Perspektive neu zusammenzusetzen […]. Was in einer wissenschaftlichen Disziplin als grundlegend gilt, kann in der Unterrichtspraxis eine untergeordnete Rolle spielen. […] Was im akademischen Fach als besonders speziell gilt, kann im Unterricht zur elementaren Ausgangsfrage mutieren” (Steinbrügge 2008: 14).

Die Cluster (vgl. Abschnitt 9.3) zeigen in mehrperspektivischen Reflexionen, dass für ein Unterrichtsphänomen oder -problem verschiedene theoretische Wissensquellen (auch auf ganz unterschiedlichen Ebenen und Abstraktionsgraden) mobilisiert werden, die vor den Fragestellungen der Praxis neu zusammengesetzt und hierarchisiert werden. In den Clustern wird auch die „Verankerung” von Wissen (vgl. Nölle 2002) in der Erfahrung erkennbar, sei diese implizit oder explizit. Es kann nachvollzogen werden, welchem Wissen überhaupt eine Relevanz zugeschrieben wird und wie es für Probleme der Praxis (um-)gedeutet wird. Hier zeigt sich das meaning-making als Merkmal von Reflexion, die unsichere Situationen handhabbar macht: „an understanding that enables them to cope in situations of uncertain information” (Moon 1999: 7). In der Analyse mehrfach codierter Textstellen wird auch deutlich, dass die Interviewsituation selbst als reflection on action im Rückblick auf frühere Reflexionsprozesse sowie das gesamte Modul gelten kann. 10.2.2 Diskursive Räume und Textsortenprobleme Die in Abschnitt 7 formulierte Annahme, dass Reflexion Anleitung und eines diskursiven Raumes bedarf, kann aus den Interviews heraus bestätigt werden. Reflexion ist an bestimmte Textsorten und Modi der Versprachlichung gekoppelt und nur abhängig von diesen relational nachvollziehbar. Dass Studierende nicht zwangsläufig so reflektieren, wie es in Seminarkonzeptionen

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intendiert wird (vgl. Ward/McCotter 2004; Lührmann 2002), wird aus der Inhaltsanalyse heraus deutlich, ebenso wie die von Roters (2012: 273) beschriebenen „Diskrepanzerfahrungen” bei der Synthese verschiedener potenziell relevanter Wissensanteile sichtbar werden. Wie die Studierenden Erfahrungen reflexiv ausgestalten, wird diskursiv sehr heterogen realisiert, was am Begriff des Episodischen und der Problematisierung von Narrationen diskutiert wurde und hier erneut als Element der Interimsdidaktik aufgenommen sei. 10.2.3 Reflexion und Narration als Problem von Kompetenzmodellen In der Analyse der episodischen Passagen vor allem der Cluster (vgl. Abschnitt 9.3) fiel durchgehend auf, dass die Wahrnehmung von Reflektiertheit durch die Forscherin stark am Vorhandensein narrativer Elemente festgemacht wurde. Als episodisch wird in einem Interview eine Erinnerung an eine Situation im Modul bezeichnet, die persönliche Erlebnisse und Fälle schildert, ordnet und kommentierend ausgestaltet. Pohl (2007: 18f.) beschreibt das episodische Gedächtnis als biographisch verankertes, bildhaftes Erinnern konkreter Ereignisse des eigenen Lebens. Cluster (vgl. Abschnitt 9.3) sind in diesem Sinne Manifestationen episodischen Wissens. Es handelt sich um Erzählungen, die mit Anfang, Entwicklung bzw. Konflikt und Ende ausgeführt werden. Durchgehend auffällig sind im Interviewmaterial die Kontexte, in denen episodische Versprachlichungen auf den Plan treten: nämlich bei den Elementen des Moduls, die von den Studierenden als besonders förderlich für die Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz beurteilt wurden. Dies sind die Microteachings im Vorbereitungskurs und die Lehrversuche im Praktikum, zu denen sie Feedback durch die Dozentin erhalten haben. Es handelt sich bei diesen Elementen um Aufgaben oder Situationen, in denen die Studierenden ganzheitlich handeln, also in ihrem Tun über das hinausgehen, was vorweg geplant und in strukturierten Diskussionen reflexiv versprachlicht wird. Die Studierenden machen hier vor allem die Erfahrung, dass das eigene Handeln als reflection in action nicht mit dem in eins fällt, was in der Planung antizipiert wurde. In der Handlung wird deren ‘Unabhängigkeit’ von Planungen

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Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz als Interimsdidaktik

und Handlungsintentionen (vgl. z.B. das Bemühen um die Veränderung der Körpersprache von TN1 in Abschnitt 9.2.3.2.3 anschaulich nachvollziehbar. Die Situativität der – eben nur scheinbar – unmittelbaren Erfahrung geht dabei mit der Mittelbarkeit ihrer Hervorbringung im Reden über sie einher. Die Erfahrung ist nötig, um reflexive Prozesse zu ermöglichen, ist aber selbst immer schon sprachlich gebunden, sodass die Erfahrung substanziell nichts anderes ist als das Sprechen über sie. Weiter oben (vgl. Abschnitt 7.3.3.1) war dies bereits über die Unterscheidung von „raw experience and the already processed material of learning“ (Moon 1999: 160) diskutiert worden. Hier wirft das Handeln die Fragen auf, die nicht antizipiert wurden und die gegebenenfalls die Situation dominant bestimmen, aber erst ex post überhaupt benannt werden können. Die Frage jedoch, wie genau dieses Sprechen strukturiert ist, an welcher Art von Äußerungen sich mehr oder weniger reflexive Kompetenz erkennen lässt, stellt sich nach der Detailanalyse umso deutlicher. Das Episodische, das die meisten Cluster charakterisiert, ist als der Ort identifiziert worden, an dem reflexive Handlungskompetenz in engster Übereinstimmung mit der oben angesetzten Arbeitsdefinition nachvollzogen werden kann. Aus dieser Beobachtung könnte die Annahme abgeleitet werden, dass reflexive Handlungskompetenz überhaupt nur in einer solchen Art von Versprachlichung sichtbar werden kann, dass also auch die Fähigkeit, in einer bestimmten Art und Weise zu erzählen, als Merkmal reflexiver Handlungskompetenz gelten müsste. Unter den verschiedenen Sichtweisen auf die Integration von Theorie und Praxiswissen schreibt Tsui (2003) der Narrativierung von Erfahrung eine prominente Bedeutung zu. Bei Clandinin/Connelly (1987) wird Erfahrungswissen als grundsätzlich eingebettet in biographische Erzählungen gefasst. Das Wissen von Lehrkräften – in seiner spezifischen Verbindung von theoretischem und Handlungswissen – manifestiert sich daher per definitionem in Erzählungen: „Our best understanding of teacher knowledge is a narrative one… In this view of teachers’ knowledge, teachers know their lives in terms of stories. They live stories, tell stories of those lives, retell stories with changed possibilities, and relive the changed

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stories. In this narrative view of teachers’ knowledge, we mean more than teachers’ telling stories of specific children and events. We mean that their way of being in the classroom is storied: As teachers they are characters in their own stories of teaching, which they author“ (Connelly/Clandinin 1995: 12; zit. in Tsui 2003: 47).

Was hier als erzählerische Grundgegebenheit von Lehrerwissen beschrieben wird, geht über die Wiedergabe von Ereignissen („stories of specific children and events“) hinaus und ist auch keine Erzählung darüber, wie Wissen in der Praxis angewendet wurde. Vielmehr zeigt sich in der Erzählung selbst, welche Transformationsprozesse Wissensanteile durchlaufen und wie eine Handlungssituation das Wissen erst „ausformt“: „It is knowledge that reflects the individual’s prior knowledge and acknowledges the contextual nature of that teacher’s knowledge. It is a kind of knowledge carved out of, and shaped by, situations; knowledge that is constructed and reconstructed as we live out our stories and retell and relive them through processes of reflection“ (Clandinin 1992: 125; zit. in Tsui 2003: 48).

Tsui verweist auch darauf, dass Clandinin/Connelly sich hier bewusst von Schön abgrenzen, der die Situiertheit von Wissen weniger am Erzählen von Geschichten als am Reflektieren und dem reframing festmacht (vgl. Tsui 2003: 50). Hier stellt sich erneut die Frage, wie genau der Sprechakt des Erzählens sich von dem der neuen Rahmung einer Erfahrung unterscheiden würde und ob nicht zumindest ein episodischer Auslöser Voraussetzung für reframings sein müsste. Wenn dem Narrativen als Indikator für reflexive Kompetenz eine so prominente Bedeutung zugeschrieben wird, stellt sich die Frage, was genau das Narrative ausmacht und ob Schlüsse von Formen der Versprachlichung einer Reflexion auf die Art der Reflexivität angemessen erscheinen. 10.2.4 Beispiel: Assoziieren versus Erzählen bei TN11 und TN13 Als Beispiel für die Wahrnehmung narrativer Passagen durch die Forscherin bei der Inhaltsanalyse können die Texte von TN11 und TN13 kontrastiert werden. So wird beispielsweise das Muster einer dreischrittigen Bewegung (Anfang – Mitte – Ende), in deren Mitte die Darstellung eines Konflikts steht, der am Ende der Erzählung neu bewertet wird, als Struktur einer schlüssigen Erzählung wahrgenommen. Die Ausführungen von TN13, deren Narrationen

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Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz als Interimsdidaktik

sich durch eine solche Stringenz und hermeneutische Passung der Elemente – im Sinne eines permanenten Abgleichs übergeordneter Begriffe und Fragen mit Konkretisierungen in den Detail – auszeichnen, erscheinen im Prozess der Auswertung ‘kompetenter’ als die Äußerungen von TN11, deren Erzählstil sich durch Brüche, abrupte Assoziationen und eher additive Verweise auf Wissensanteile kennzeichnet, die vor ebenfalls stark diskontinuierlichen Formulierungen von Zielen des eigenen Unterrichtshandelns formuliert werden. Da beide Arten von Erzählung als charakteristisch für die Interimsdidaktik gelten können, stellt sich für weitere Modellierungen reflexiver Kompetenz die Frage, ob die Stringenz der Geschichte, in der die erfahrenen Brüche und Unsicherheiten narrativ geglättet angeordnet werden, ein höheres Maß an reflexiver Handlungskompetenz beinhaltet als eher assoziative ‘Bewusstseinsströme’, die die Brüchigkeit der Erfahrung auch diskursiv realisieren. 10.2.5 Reflexionsanlässe und Textsorten als interdependente Größen Ein weiteres Element der Interimsdidaktik stellt die Frage dar, wie sich Reflexionshandlungen zu den Situationen verhalten, in denen sie hervorgebracht werden. Das als handlungsrelevant konstruierte Wissen hängt davon ab, was überhaupt in welcher Textsorte und in welchem Modus von den Studierenden als ‘sagbar’ angenommen und entsprechend realisiert wird. Die Analysen zeigen, dass Reflexionen meist nicht stringent sind und ein variables Verhältnis von einperspektivisch-linearer und mehrperspektivischzyklischer Reflexion beobachtbar ist. Wie bereits weiter oben hinsichtlich der Probleme des Codiervorgangs thematisiert wurde, sind mehrperspektivischzyklische und stringente Reflexionen einfacher erkennbar und eindeutiger als „reflexiv handlungskompetent“ zu identifizieren, während Passagen, die als nicht reflexiv kompetent gelten können, sehr viel uneindeutiger zu kategorisieren sind, weil sowohl im Kleinen (einzelne Codiereinheiten) als auch im Verlauf des gesamten Interviews unterschiedliche Konstellationen von fachdidaktischem Wissen und Reflexivität erkennbar sind (vgl. Abschnitt 8.2). So scheint auch die Textsorte, in der reflektiert wird, von entscheidender Bedeutung dafür zu sein, wie (offen – und damit potenziell mehrperspek-

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tivisch-zyklisch) eine Reflexionshandlung ausfällt: So liegt offenbar der Rückgriff auf relativierende, personalisierende Sprachpatterns in mündlichen Kontexten – also beispielsweise bei Plenumsdiskussionen oder Gruppenarbeiten in den Begleitseminaren – näher als dies bei schriftlichen Textsorten der Fall ist. Letzteren werden (zumindest in der Repräsentation der Studierenden) Forderungen von Eindeutigkeit, wissenschaftlicher ‘Objektivität’ und Auflösung von Ambiguität sowie ein entpersönlichter Schreibstil zugeschrieben46: „The traditional academic genre is characterised by features that are in many ways the antithesis of the personal, tentative, exploratory, and at times indecisive style of writing which would be identified as reflective“ (Hatton/ Smith 1995: 42). Formeln hingegen wie „This was quite possibly due to… alternatively / The problem here, I believe […] / While it may be true that […]“ (vgl. Hatton/Smith 1995: 42) sind Ausdruck von und Verweis auf dialogische Reflexionen, die in manchen Textsorten verwendet werden und in anderen nicht, obwohl sie diesen nicht ‘wesenhaft’ zugehörig sein müssen. Besonders problematisch erscheint im Kontext dieser Überlegungen die Textsorte ‘Portfolio’, die im hier erforschten hochschuldidaktischen Setting widersprüchliche Reflexionshandlungen evoziert. Die Studierenden haben sowohl im Seminar als auch im Interview mit großer Offenheit differenzierte Problemlöse- und Entscheidungssituationen geschildert. Das Portfolio als Textsorte scheint jedoch von manchen Interviewpartner*innen gerade nicht als Möglichkeit wahrgenommen zu werden, Beobachtungen und Selbstversuche im Praktikum noch einmal aus einer distanzierten Perspektive weiter auszudifferenzieren, sondern – im Gegenteil – als Textsorte, die zur Herstellung von Eindeutigkeit zwingt (vgl. das Beispiel im folgenden Abschnitt 10.2.6).

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In den Begleitveranstaltungen wird in diesem Kontext beispielsweise immer wieder die Frage formuliert, ob „wir denn im Portfolio auch ‘ich’ sagen dürfen, weil dies doch eigentlich in wissenschaftlichen Texten nicht erlaubt ist“. Hier offenbaren sich auch unterliegende Wissenschaftsverständnisse der Studierenden, deren Rekonstruktion ein dringliches Forschungsdesiderat darstellt.

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Am Portfolio als Textsorte wird also nicht nur sichtbar, dass Reflexion selbst von den Modi, in denen sie sich vollzieht – oder vollziehen soll – abhängt. Es wird auch sichtbar, dass verschiedene Textsorten und Situationen gegebenenfalls Entscheidungen für die Art des reflexiven Handelns implizieren, die daher keine Rückschlüsse auf ein grundsätzliches Vorhandensein oder die Abwesenheit reflexiver Kompetenz erlauben. Vielmehr erscheint es so, dass der Begriff der Reflexion selbst je nach kommunikativem Kontext von den Akteur*innen auch immer mit modelliert wird und unabhängig von den kommunikativen Kontexten und Textsorten weder existiert noch einer – wie auch immer reflektierenden – Person individuell zugeschrieben werden kann. Gerade die Wahrnehmung der Textsorte ‘Portfolio’ führt bei dreien der 19 interviewten Studierenden zu ausdrücklicher – und reflexiv begründeter! – Reflexionsverweigerung, wie das folgende Beispiel zeigt. 10.2.6 Beispiel: Strategisch situative Reflexion im Portfolio bei TN19 Die erfahrungsbezogenen Reflexionen im Fachpraktikumsmodul werden durch Reflexionen auf anderen Ebenen als der unmittelbar fachdidaktischen berührt, die jedoch das spezifisch Fachdidaktische beeinflussen. Im folgenden Beispiel ist dies für Reflexionen zur Evaluationskultur der Universität der Fall. So wird bei TN2, TN11 und TN19 deutlich, dass sie sich im Portfolio bewusst gegen Reflexionen entscheiden, die ihre Unsicherheit und Ungewissheit offenbaren könnten, weil sie davon ausgehen, dass die Formulierung von Unsicherheiten und Lösungsversuchen im Kontext einer Evaluation weniger ‘gefragt’ sein könnte als die Präsentation einer schlüssigen Lösung. Der Reflexionsprozess wird hier an strategische Überlegungen geknüpft: „[…] weil, und da muss ich ganz ehrlich sein, weil es halt auf eine Note hinging //mhh// und man sich nicht traute, sehr selbstkritisch zu sein, was ich allerdings bei Portfolios sehr, sehr wichtig finde //mhh//. Aber (.) man wollte nicht zu viel von, von, von Kritik einfach preisgeben //mhh, mhh//, an sich selbst oder woran auch immer. Ähm (.) und (...4) ich fand das Portfolio, es hat das, was davor war, hat mir mehr gebracht und die Nachbereitung als das Portfolio an sich“ (19:28).

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TN19 trennt hier das Prozess- und das Produktportfolio voneinander und schreibt dem ersten einen Gewinn zu („hat mir mehr gebracht“), den sie an den Prozess und die Arbeit in der Nachbereitungsveranstaltung des Moduls knüpft. Im Gegensatz dazu bewertet sie das Produktportfolio als nicht förderlich. Einerseits charakterisiert sie Portfolioarbeit als Ort der Selbstkritik, die sie „sehr, sehr wichtig“ findet. Diese kollidiert jedoch andererseits mit dem Moment der Benotung („weil es halt auf eine Note hinging“). Paradoxerweise unterstellt TN19 hier dem Portfolio Evaluationskriterien, die geradezu konträr zu den tatsächlich formulierten – und auch im Kurs kommunizierten – sind (vgl. Abschnitt 7.3.4.2). Die unterliegende Repräsentation zu ‘studentischer Leistung’ ist bei TN19 so dominant, dass sie Entscheidungsprozesse bestimmt, obwohl für den Kurs ausdrücklich etwas anderes angesetzt worden war. Eine ähnliche Beobachtung findet sich auch bei Hatton/Smith (1995: 37) und wird dort mit der Furcht vor Verletzlichkeit und Zugabe von Schwächen assoziiert: „[…] reactions to demands for reflection require some attention. Responses on the part of students part might include feelings of vulnerability which follow from exposing one’s perceptions and beliefs to others […]“ (Hatton/Smith 1995: 37). Im hier zugrunde liegenden Seminarkonzept (vgl. Abschnitt 7.3.4.2) war genau aus diesem Grund zwischen Prozess- und Produktportfolio unterschieden worden. Bei Hatton/Smith wird das Problem der Verletzlichkeit durch den Ansatz der Tandemarbeit mit „critical friends“ (vgl. Hatton/Smith 1995: 40) gelöst. Das hochschuldidaktische Konzept des Moduls der vorliegende Studie integriert solche Ansätze zwar, geht aber darüber hinaus davon aus, dass durch sie auch die Tendenz zur Selbstbezüglichkeit gefördert werden könnte, die an anderer Stelle – dort nämlich, wo es um die Auseinandersetzung mit abstrahierenden Kategorien oder alternativen Deutungsansätzen geht – problematisiert wurde: In der hier beschriebenen Interviewstudie werden dialogische Momente gemeinsamer Reflexion durchweg als lernförderlich und bereichernd bewertet (vgl. Schädlich 2015: 272), wobei gerade auch die distanzierende – weil auf neue, ungewohnte Aspekte verweisende – Perspektive der Dozentin als besonders hilfreich

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hervorgehoben wird (siehe z.B. TN14 zum Einsatz eines Gruppenpuzzles in Abschnitt 9.2.3.3.1). Zu dem Ergebnis, dass bewusst gestaltete Reflexionsgelegenheiten und deren Begleitung durch Hochschullehrende die intendierten Prozesse eher anstoßen als Szenarien, in denen solche Gelegenheiten implizit bleiben oder der Eigenaktivität der Studierenden überlassen bleiben, kommt auch von Felten (2006). 10.2.7 Reflexion und Situation: von der Erfahrung zum Forschungsinterview Weiter oben wurde ausgeführt, dass Reflexionen zu Erfahrungen als selbstbezüglich zu bezeichnen sind. Die Erfahrung wird dabei durch sich immer weiter fortschreibende reflection-on-action-Handlungen sprachlich überhaupt erst hervorgebracht. Eine „rohe Erfahrung“ (vgl. Moon 1999: 160) ist also unabhängig von ihren Versprachlichungen in verschiedenen Kontexten nicht denkbar. Diese Selbstbezüglichkeit gilt nicht nur für bestimmte Textsorten, sondern auch für die Situation der Datenerhebung in den Interviews. Insofern findet durch das Interview ein erneut chronologisch nachgängiges reframing der Erfahrungen statt, das strukturell jenem ähnelt, welches die Studierenden während des Moduls im Praktikum sowie zwischen Praktikum und Nachbereitungsveranstaltung realisieren. Die Reflexionen, die hier stattfinden, sind geprägt von der Interviewsituation selbst, sie werden in der Interaktion hervorgebracht und erzeugen auch neue Sichtweisen, welche die Praxiserfahrungen rahmen. Als Element der Interimsdidaktik ist die Situativität insofern konstituierend, als ihre Analyse Zugang zu verschiedenen Arten von Reflexion ermöglichen kann. Die Beobachtung, dass Studierende im Reden über Praktikumserfahrungen kaum fachdidaktisch kategorial reflektieren und gerade keine spezifisch fachdidaktischen Kriterien zur Analyse beobachteten oder selbst erfahrenen Unterrichts mobilisieren, war ein Ausgangsinteresse für die vorliegende Studie (vgl. Lührmann 2002 in Legutke 2003). Die quantitativ dominante Kategorie der Mobilisierung fachdidaktischen Wissens auf Nachfrage (vgl. Abschnitt 9.1) hat diese Annahme bestätigt: aus dem ‘Nichts’ heraus finden die reflexiven Prozesse, die als förderlich

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für Professionalisierungsprozesse gelten, nicht statt. Dass sie jedoch in Interaktion – „auf Nachfrage” – durchaus entstehen, kann die Interpretation nahelegen, dass Austausch und Angebote zu kategorialer Reflexion dazu beitragen, reflexive Prozesse zu unterstützen, fachbezogen zuzuspitzen oder überhaupt erst zu initiieren. Für die Beschreibung der Interimsdidaktik rückt daher verstärkt das Interesse für die Situationen, in denen reflektiert wird, in den Vordergrund. In der Interviewsituation selbst finden erneute Distanzierungen von der Erfahrung im Praktikum und Umperspektivierungen statt, sodass auch hier Reflexion nicht von der Reflexionssituation unabhängig gedacht werden kann, wie die im Folgenden kommentierte Passage aus dem Interview mit TN16 zeigt. 10.2.8 Beispiel: TN16 thematisiert die Situativität von Reflexion im Interview TN16: „Also, da habe ich mich jetzt gerade daran erinnert, wenn man zum Beispiel jetzt Übungen macht, an welcher Stelle man die Grammatik sozusagen ins Spiel bringt“ (16:18-19; Hervorhebung durch B.S.).

TN16 erinnert sich im Moment des Interviews an das Problem der Wahl des angemessenen Zeitpunkts für die Thematisierung sprachreflexiver Inhalte. In Abschnitt 9.2.3.1.2 war diese Passage als ein Beispiel für die Integration fachdidaktischer Fragestellungen in das Handeln im Praktikum analysiert worden, als Textstelle, die in besonderem Maße der Arbeitsdefinition reflexiver Handlungskompetenz entspricht. Dabei wird die Reflexion im Verlaufe des Moduls unterschiedlich gerahmt und den einzelnen Situationen entsprechend versprachlicht, wodurch Erfahrungs- und Relfexionssituationen sich zunehmend explizieren. Insofern sind Ort und Modalität der Reflexion immer konstituierend für die Prozesse und die Art der Reflexivität, die daher grundsätzlich dialogisch gedacht werden muss – als Auseinandersetzung mit einer Textsorte (Portfolio, Unterrichtsentwurf) oder einer Reflexionssituation (Unterrichtsnachbesprechung, Gruppenarbeit oder Diskussion im Seminar) ebenso wie als Auseinandersetzung mit konkreten Gesprächspartner*innen (Dozierende, Mitpraktikant*in, betreuende Lehrkräfte).

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10.3 Dimension 3: Kontingentes Wissen zwischen fachsystematischer Explizierung und impliziter Wissensmobilisierung Dass kanonisiertes fachdidaktisches Wissen in Praxissituationen nicht im Sinne einer unmittelbaren Anwendung ‘abgerufen’, sondern mittelbar transformiert wird, wurde bereits in den Vorüberlegungen zum Theorie-Praxis-Verhältnis sowie bei den Grundannahmen zum Reflexionsbegriff ausgeführt. Auch diese Annahme kann aus dem Interviewmaterial heraus bestätigt und um einige Differenzierungen erweitert werden. Das Kategoriensystem der Inhaltsanalyse ermöglicht eine Beschreibung realiter mobilisierter deklarativer Wissensanteile sowie impliziter Referenzen, die in den folgenden Abschnitten als interimsdidaktisches Wissen der Studierenden beschrieben werden sollen. Aus der Perspektive des hier verfolgten Ansatzes interessiert vor allem die Frage, welche Anteile es genau sind, die für welche Erfahrung eine Rolle spielen und welche handlungsleitenden Wissenselemente gegebenenfalls typenhaft erkennbar sind. So wurde in der Analyse der Akzent weniger auf die quantifizierende oder skalierende Zuordnung des empirischen Materials zu einzelnen Kompetenzstufen gelegt. Vielmehr richtete sich das Interesse auf quantitative Tendenzen sowie den Nachvollzug der Vernetzung und Kombination einzelner Wissensbereiche untereinander. Die folgenden Abschnitte widmen sich der Darstellung entsprechender Wissenstransformationen. Dabei wird erläutert, welche Themen prioritär relevant bei der Versprachlichung studentischer Erfahrung sind und wie implizite und explizite Wissenselemente aufeinander bezogen werden. 10.3.1 Prioritäre Themen und Erfahrungsverankerung Der Ansatz, aus dem empirischen Material Elemente fachdidaktischen Professionswissens zu extrahieren, war durch zwei grundsätzliche Probleme der Lehrerbildungsforschung motiviert: Erstens wurde als Rahmen für die Empirie dieser Studie reflexive Handlungskompetenz als Kombination aus fachdidaktischem Textwissen und einer bestimmten Art von Reflexivität (vgl. Abschnitt 7.2) bestimmt, sodass dieses Element notwendigerweise inhaltlich definiert werden muss. Zweitens ist eine solche inhaltliche Differenzierung

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für den Bereich der Fremdsprachendidaktiken noch kaum vorgenommen worden47. Das Problem, wie mit unterrepräsentierten oder gar ausgesparten Themenbereichen umzugehen ist, gerade dann, wenn die Studierenden in der Praxis Erfahrungen machen, die auf diese Themenbereiche verweisen, ist also grundsätzlich nicht lösbar. Der hier gewählte Ansatz, in die Gestaltung des Moduls sowohl Ansätze für thematische Differenzierungen (z.B. Wipperführth 2009) in die Seminarplanung aufzunehmen als auch das produktiv aufzunehmen, was von den Studierenden im Kontext ihrer Praktikumserfahrung selbst thematisiert wird, versucht in diesem Sinne eine Bezüglichkeit normativer Rahmungen und subjektiv als relevant wahrgenommener Themen zu konstruieren. Fachdidaktisches Wissen wird auf diese Weise selbst situativ modelliert und im Zuge der Interviewauswertung analysiert. Vor diesem Hintergrund relativieren sich in fachdidaktisch-inhaltlicher Hinsicht auch Listenmodelle oder Kanones umso mehr: Sie bleiben in dem Paradox gefangen, einerseits notwendig zu sein, dienen sie doch der Verständigung darüber, was Fremdsprachenlehrkräfte wissen und reflektieren können sollten. Andererseits transformiert sich dieser Diskurs nicht in dem Ausmaß in Handlungen, wie es aus Kompetenzmodellen heraus vielleicht wünschenswert oder notwendig erschiene. Der Nachvollzug von Kompetenzen in Situationen der Praxis – seien dies unmittelbare Prozesse der reflection in action oder aber mittelbare der reflection on action – kann nicht allein von normativen Modellen und deren Reflex im Handeln ausgehen, sondern muss beim Nachvollzug auch kontingente, ‘interimsdidaktische’ Elemente mitberücksichtigen, um reflexives Handeln verstehen zu können. Mit dem hier realisierten Ansatz wurde versucht zu zeigen, dass auch diese Elemente nicht vollständig individuell sind, sondern abstrahierbare Muster aufweisen. Die inhaltsanalytische Herangehensweise mit der Entwicklung eines induktiven Kategoriensystems hat es ermöglicht, eine empiriebasierte Systematisierung fachdidaktischer Themen sichtbar zu machen. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass quantitativ prioritäre Themen, die speziell im Kontext 47

Vgl. auch Abschnitt 4 zu jüngeren Arbeiten, die jedoch erst nach der Durchführung der hier vorliegenden Empirie erschienen sind.

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des Praktikumsmoduls reflektiert werden, herausgearbeitet werden konnten. Es lässt sich dabei einerseits eine deutliche Dominanz eher ‘unterrichtstechnisch’ orientierter Themen ausmachen. Weitaus seltener werden andererseits Reflexionen mit begrifflich abstrakteren Gegenständen, die gegebenenfalls auch eine kritische Auseinandersetzung mit bildungspolitischen Entwicklungen beinhaltet, sichtbar. Auffällig ist die Thematisierung konkret handlungsbezogener Elemente fachdidaktischen Wissens, die sich stark an der vorfindlichen Praxis orientieren und diese auch als Ziel der Aneignung fassen, wie weiter oben bereits am Beispiel von Kompetenz als Begriff und eher unterrichtstechnisch verstandener Kompetenzorientierung (vgl. Abschnitt 9.2.3.5 und Abschnitt 10.1.3) nachvollzogen wurde. Auch im Bereich des fachdidaktischen Wissens fallen deutliche Übereinstimmungen der Ergebnisse mit anderen empirischen Arbeiten auf: So werden beispielsweise bei Warneke (2006) beinahe identische inhaltliche Aspekte wiederholt thematisiert. Dies sind Kategorien wie das Zeitmanagement, Grammatikarbeit sowie die Unterrichtssprache. Auch Schneider (2007) nennt ähnliche typische Bereiche und attribuiert ihnen ebenfalls zu den Ergebnissen dieser Studie parallele Reflexionsmuster: Es handelt sich um Themen, zu denen die „subjektiven Theorien der Lehramtsstudierenden über das Fremdsprachenlernen vielfach durch Erfahrungen in einem stark traditionellen Fremdsprachenunterricht geprägt [sind]“ (Schneider 2007: 146). Dies sind Aspekte wie die – in Schneiders Augen stark überschätzte – Bedeutung expliziten Lernens grammatischer Inhalte, der unhinterfragte Glaube an die Wirksamkeit von Fehlerkorrekturen sowie eine grundlegende Orientierung am Ideal der near-nativeness und der Überzeugung eines störenden Einflusses der Muttersprache auf den Lernprozess im Sinne der Einsprachigkeit als Bezugspunkt für unterrichtliches Handeln (Schneider 2007: 146). Solche Überzeugungen unterliegen auch zahlreichen Reflexionen der hier befragten Studierenden, wie exemplarisch für den Bereich des Grammatikunterrichts und der Unterrichtssprache ausgeführt wurde (vgl. Abschnitt 9.2).

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10.3.2 Alinearität und Kontingenz bei der Wissenstransformation Im Kontext der Interimsdidaktik stellt sich die Frage, inwieweit das thematische Textangebot und die methodischen Verfahren seiner Transformation die intendierten Reflexionsprozesse hervorbringen, unterstützen oder verändern können. Bedingt durch die empirische Anlage des Projekts können im Rahmen des hier verfolgten Ansatzes keine Aussagen darüber getroffen werden, ob das gewählte hochschuldidaktische Szenario (besonders) geeignet für die Unterstützung reflexiver Prozesse ist und wie sich diese Eignung im Vergleich zu anderen Herangehensweisen nachweisen ließe. Dennoch ist es möglich, Zusammenhänge zwischen den Themen und Arbeitsweisen der Begleitveranstaltungen und den reflexiven Prozessen der Studierenden beschreibbar zu machen. In den qualitativen Analysen wurden fachdidaktische Konzepte und Termini aus den Interviews mit den Studierenden empiriebasiert beschrieben. Dies erlaubt Einblicke in die impliziten Theorien und Repräsentationen der Studierenden zu fachdidaktischen Begriffen und Konzepten wie beispielsweise Handlungsorientierung, Schülerorientierung oder Grammatikunterricht etc. Die impliziten Theorien und deren Heterogenität lassen das Interesse dafür auf den Plan treten, wie sich die Theorien ausgebildet haben und wie sie an Praxiserfahrungen entlang weiter ausdifferenziert werden. Als Ansatz dieser Studie wurde davon ausgegangen, dass die Einflüsse auf die Entstehung von Repräsentationen fachdidaktischen Wissens so vielgestaltig sind, dass keine unmittelbaren oder gar kausalen Zusammenhänge zwischen der thematischen Ausrichtung der Begleitveranstaltungen und den Wissensständen der Studierenden bestehen, wie etwa entsprechend der Annahmen des so genannten Prozess-Produkt-Paradigmas (vgl. Gage 1963; Warneke 2006: 16) vermutet werden könnte. Andere Lehrveranstaltungen, welche die Studierenden besucht haben, weitere Praxiserfahrungen sowie heterogene Lernerbiographien verunmöglichen Aussagen darüber, was die Studierenden zu diesem Zeitpunkt im Studium wissen müssten und welche Anteile ihres Wissens auf den ‘Input’ in den Lehrveranstaltungen des Praktikumsmoduls rückführbar sind. Trotzdem sind in den Interviews an einigen Stellen deutliche Rückbezüge zum Begleitseminar erkennbar, ebenso wie

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auch Fehlvorstellungen sichtbar werden, die offensichtlich durch das Seminar nicht berührt, geschweige denn revidiert wurden. Als Beispiele für Rückbezüge auf das Seminar können die Passagen zur Aufgabenorientierung (TN18), zum induktiven Grammatikunterricht (TN13) und zum Task cycle (TN16) genannt werden. Beispiele für Fehlvorstellungen finden sich beispielsweise zur Wortschatzarbeit (TN19) sowie auch zur Funktion einzelner Elemente des Moduls. In ihrer Studie zur Rekonstruktion von Professionsverständnissen aus studentischen Selbstdeutungen heraus gelangen auch Gasser/Suter/Bühler (2014: 42) zu der Frage, ob das „rekonstruierte Professionsverständnis bei Studierenden bereits vorgängig bestand oder inwieweit es sich in der Ausbildung herausbildete“ (Gasser/Suter/Bühler 2014: 42). Diese Frage stellt sich für die hier vorgestellte Studie ebenfalls. Der Ansatz, den hochschuldidaktischen Kontext und die Ziele, die mit der Wahl konkreter Texte oder Arbeitsszenarien erreicht werden sollten, zu explizieren, kann dabei differenzierte Einflussfaktoren transparent machen, ohne dass damit Lernprozesse als vorhersehbar angenommen würden. Grundsätzlich geht die Anlage der Studie davon aus, dass die Wirksamkeit praxisorientierter Module oder Studienanteile nur dann gegeben ist, wenn Praxis „systematisch mit dem Wissenserwerb in einer Lehrveranstaltung verbunden“ wird (Hascher 2012: 113). Die eingehende Beschreibung des Kontexts der Lehrveranstaltungen erlaubt Aussagen darüber, wie mit fachdidaktischen Inhalten – seien es die vermittelten oder andere, die von den Studierenden aufgerufen werden – gearbeitet wird: Welches fachdidaktische Wissen wird mobilisiert, wie wird es in der Praxissituation verarbeitet, kommentiert und bewertet? Das thematische Gefüge gibt auch Hinweise darauf, welche Repräsentationen fachdidaktischen Wissens die Reflexionen der Studierenden bestimmen, die gerade nicht Inhalt des im Seminar thematisierten Textwissens waren. Die Interimsdidaktik erlaubt demnach den Umriss einer empirisch und in der Erfahrung der Akteur*innen verankerten Theoriebildung hinsichtlich des fachdidaktischen Wissens, das in Praxissituationen subjektive Bedeutung für die Studierenden erhält und damit als handlungsrelevant gelten kann. Die

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Interviewtexte zeigen, wie wissenschaftssystematische Elemente aus der Praxis heraus neu modelliert und an der Erfahrung entlang transformiert werden. Sie zeigen auch, wie dabei verschiedene Ebenen von Wissenschaftswissen (aus dem Seminar, aus der Lernerbiographie etc.) in Zusammenhang gebracht werden. Die Verarbeitung der im Seminar gewählten Themen und Texte sowie die Unterstützung reflexiver Prozesse durch die gewählten handlungsorientierten und feedbackgestützten Verfahren ist im Interviewmaterial deutlich erkennbar: Die Studierenden nehmen sowohl bei den Planungs- und Reflexionshandlungen im Praktikum als auch in der Interviewsituation auf das in den Seminaren Vermittelte Bezug. Im Seminar diskutierte fachdidaktische Fragestellungen und Begriffe werden mit Erfahrungen assoziiert und stehen als Elemente fachdidaktischen Wissens zur Verfügung. Gleichzeitig fallen jedoch auch zahlreiche Textpassagen auf, in denen andere Kategorien relevant werden und vom explizit vermittelten fachdidaktischen Grundlagenwissen abweichende Repräsentationen formuliert werden. Hier werden durch die Studierenden Überlegungen angestellt, die gerade keinen Reflex des Vermittelten erkennen lassen und bisweilen den Eindruck erwecken, die Begleitveranstaltungen und dort diskutierten Themen seien vollkommen ‘spurlos’ an den Praktikant*innen vorbeigegangen. Dies wird beispielsweise in den Analysen zu „Wortschatz und Grammatik als Themen des Französischunterrichts“ (vgl. Abschnitt 9.2.3.1.1) oder den Ausführungen zum Portfolio (vgl. Abschnitt 10.2.6) sichtbar. Ebenfalls bedeutsam in diesem Kontext scheinen emotionale Wertungen von Erfahrungen zu sein, die ihrerseits auch an die Frage gekoppelt erscheinen, ob sie aus vorgängigen Haltungen und grundsätzlichen Einstellungen hervorgehen oder im Professionalisierungsprozess entstehen bzw. verändert werden. Ein wichtiges Ergebnis der ersten Auswertungsphase (vgl. Schädlich 2015) war die Bedeutung von Emotionen für die Bewertung der einzelnen hochschuldidaktischen Elemente. Dabei ist deutlich geworden, dass ähnliche Situationen im Seminar emotional verschieden wahrgenommen und entsprechend unterschiedlich bewertet wurden. Beispiele waren hier der ‘Notendruck des Portfolios’ und die Wahrnehmung des EPOSA (vgl. Schädlich 2015: 275). Ein anderes Beispiel aus dem

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empirischen Material der vorliegenden Studie sind Selbstberichte, bei denen ähnliche Erfahrungen in der Versprachlichung durch die Studierenden mit Humor oder Stress verknüpft werden: So erzählt beispielsweise TN18 lachend, sie habe sich in einer ihrer gehaltenen Stunden während des Praktikums selbst gelangweilt. Die Distanznahme und rückblickende Beurteilung bestimmter methodischer Entscheidungen und das Feedback der Lehrkraft dazu wird als „das, wo man am meisten lernt” beschrieben. Die Erfahrung als Ausgangspunkt für theoretische Reflexion ist hier eng an emotionale ‘Auslöser’ gebunden: So werden beispielsweise laut Johnson (2013) reflexive Prozesse von Schilderungen „kognitiv-emotionaler Dissonanzen” ausgelöst: Reflexion findet nur da statt, wo „emotionaler Aufruhr” ist, eine Erfahrung berührend oder verstörend wirkt. Es kann zusammenfassend nicht von einer linearen Verarbeitung fachdidaktischer Texte oder einer umfassenden, Handlungsveränderungen bedingenden Übung in den Begleitseminaren ausgegangen werden. Die Lerngelegenheiten, die zur Stärkung fruchtbarer Theorie-Praxis-Transfers immer wieder gefordert werden (vgl. Roters/Trautmann 2014: 56), können zwar positive Effekte auslösen, einer unmittelbaren Wirkungskausalität entziehen sie sich jedoch. Lunkenbein (2012) problematisiert in seiner Arbeit zu Beobachtungsaufgaben und Reflexivität den Beitrag von Instrumenten wie Beobachtungsaufgaben, Feedback und Portfolios: Er bezieht sich auf Hatton/Smith (1995), die den berufsbiographischen Zeitpunkt untersuchen, an dem Reflexionen überhaupt erst entstehen können. Dabei zeichnet er ein Dilemma zwischen dem Ansatz, reflexive Kompetenz handlungsorientiert und prozesshaft anbahnen zu wollen – was zwangsläufig an eine frühe und regelmäßige reflexive Tätigkeit im Studienverlauf gekoppelt ist –, und andererseits der Beobachtung, dass reflexive Aufgaben für unerfahrene Studierende gegebenenfalls zu anspruchsvoll sind. Ein Fokus auf Reflexion kann sich als überfordernd gerade für Studierende erweisen, die am Anfang des Professionalisierungsprozesses stark mit Fragen ‘überlebenssichernder’ Unterrichtstechniken befasst sind: „An emphasis upon reflection too soon in their preparation may be alienating to neophytes. It can become difficult to sustain, for student teachers may see

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it as a rather esoteric and useless diversion from mastering the technical skills and content of teaching which they regard as essential, especially early in their training” (Hatton/Smith 1995: 36). Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt auch Roters, wenn sie fragt, ob professionsbiographisch zu frühe Reflexionsforderungen gegebenenfalls zu kognitiver Überforderung führen könnte – wozu sie die Frage aufwirft, ob und „inwieweit erste Unterrichtskompetenz vorhanden sein sollte, bevor Reflexion überhaupt möglich und sinnvoll ist?” (Roters 2012: 283). Mehlmauer-Larcher bestätigt aus der Perspektive der Studierenden dasselbe Problem, wenn die Studierenden den frühen Einsatz des EPOSA als Herausforderung bewerten, weil es ihnen an „field experience” fehle (vgl. Mehlmauer-Larcher 2012: 201). Es entsteht also die paradoxe Situation, dass genau die Praxis, die als erfahrungsbezogene Basis für Reflexion notwendig erscheint, selbst Reflexion auch verhindern kann, weil sie genau das, was den Studierenden wichtig erscheint, hergibt – oder herzugeben scheint – und Reflexion damit in den Augen mancher Studierender obsolet macht. Dies dürfte vor allem für Studierende gelten, die in der Reflexion eher einperspektivisch-linear orientiert sind, „die je schon an Handlungsanleitung und -sicherheit interessiert waren und sind. Ihnen geht es um das handwerkliche Können (‘knowing how’). Sie können mit theoretischem Wissen (‘knowing that’), das der Reflexion und der Erneuerung der künftigen Praxis – also der Steigerung von Unsicherheit – dienen soll, so lange nichts anfangen, wie ihnen die praktischen Erfahrungen und die Sicherheit im Umgang mit den Schülern fehlt“ (Radtke 2004: 108-109). 10.3.3 Beispiel: TN18 zur Notwendigkeit von Erfahrung für Reflexionshandlungen Auch in den vorliegenden Interviews sind Äußerungen zu diesem Problem erkennbar, die Frage nach Zeitpunkt und Quantität praktischer Erfahrung erscheint rückblickend bedeutsamer als zu Beginn der Arbeit und bei der Gestaltung der Lerngelegenheiten für das Modul vermutet wurde. In einer Textstelle des Interviews mit TN18 wird die Quantität von Erfahrungen mit der Quantität von Reflexion in Zusammenhang gebracht: „Also da sollte man ja immer beschreiben (.) inwiefern man jetzt etwas (.) ja, besser fachdidak-

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Fachdidaktische reflexive Handlungskompetenz als Interimsdidaktik

tisch umsetzen //mhh, mhh// kann oder nicht. Und (.) da war ich mir manchmal einfach wirklich gar nicht sicher, weil (..), ja, weil man dann SO viel Praxis dann doch auch noch nicht hatte” (18:49). TN18 verbindet die Entwicklung möglicher Handlungsalternativen mit der erinnernden Verfügbarkeit möglichst vieler Handlungssituationen. Hier wird einerseits das Phänomen bestätigt, dass für das Handeln nicht auf theoretische Wissenssystematiken zurückgegriffen wird, sondern auf Modelle der Praxis. Andererseits wird durch den Verweis auf die Quantifizierung („SO viel Praxis”) auch die Frage aufgeworfen, ob nicht eine bestimmte Menge an Praxismodellen notwendig ist, um überhaupt relativierend und mehrperspektivisch reflektieren zu können. Das Zitat aus dem Interview verweist erneut auf das Problem des Reflexion auslösenden Moments, das auch in anderen Arbeiten zu Praktika oder Praxisanteilen immer wieder betont wird: Die Auseinandersetzung mit theoretischen Wissensanteilen findet verstärkt da statt, wo diese mit eigenen Erfahrungen verknüpft werden oder als Fragestellung aus diesen heraus abstrahiert werden. 10.3.4 Implizites und explizites Wissen im Widerstreit Wenn hinsichtlich des impliziten Wissens in den Abschnitten 2.5 und 8.3.2.4 das Phänomen angesprochen wurde, dass Anfänger*innen häufig mehr wissen als sie können und Expert*innen umgekehrt häufig mehr können als sie wissen (vgl. Bromme 2004: 34), so zeigen die reflexiven Prozesse der vorliegenden Studie, dass auch hier beide Aspekte eine Rolle spielen: Manche Erzählungen von Unterricht kommen ohne theoretisierende Explizierung aus, andere explizieren zwar in fachdidaktischer Hinsicht, beschreiben jedoch Unterricht, den erfahrene Lehrkräfte vermutlich vor anderen Kategorien interpretieren würden. Es wurde in den Vorüberlegungen die Frage aufgeworfen, ob Reflexion und reflexive Kompetenz als notwendige Bedingung für kompetentes unterrichtliches Handeln angesetzt werden kann (vgl. Leonhardt et al. 2010: 112), und grundsätzlich – gerade für erfahrene Lehrkräfte – wurde dies verneint. Der hier vorgestellten Studie unterliegt dennoch die Überzeugung, dass die Explizierung theoretisierender Bezüge als Hinweis für Professiona-

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lisierungsprozesse gerade in der universitären Phase der Lehrer*innenbildung und speziell im Kontext von Praktika verstanden werden kann, weil hier die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit theoretischen Wissensbeständen chronologisch eng an die individuelle Erfahrung in Praxissituationen gekoppelt wird. Dies impliziert jedoch nicht, dass ‚gutes‘ professionelles Handeln vollständig in reflexiver Handlungskompetenz aufgeht. Vielmehr werden Verschiebungen im Professionalisierungsprozess vermutet, die durch zunehmende Prozeduralisierung im Laufe der Berufsbiographie gekennzeichnet sind. Das mobilisierte Wissen beinhaltet zwar explizit vermittelte Elemente, integriert jedoch auch andere Bereiche, die Widersprüche und Inkongruenzen produzieren und in genau dieser Kombination die reflexiven Handlungen bedingen. Hier wird erneut das Problem deutlich, dass Wissen, wie es in fachwissenschaftlichen Systematiken repräsentiert ist, in erfahrungsbasierten Äußerungen immer schon in transformierter Form auftaucht, sodass sowohl eine präzise Zuordnung, um welches Wissen es sich bei einer Aussage genau handelt, schwierig ist als auch eine Bewertung der Verarbeitungstiefe oder Nützlichkeit für Handlungssituationen. Hinsichtlich der didaktischen Transformation kann als Merkmal der Interimsdidaktik festgehalten werden, dass zwar explizite Nennungen fachdidaktischer Prinzipien und Konzepte beobachtbar sind, diese aber häufig gerade nicht an detaillierte Reflexionen von Praxiserfahrungen gekoppelt sind. Im Gegensatz dazu fallen häufig implizite Thematisierungen auf, die differenzierte Beschreibungen unterrichtlicher Probleme und dazugehöriger Interpretationsversuche beinhalten, aber dazugehörige didaktische Prinzipien oder Konzepte nicht nennen. Erzählungen oder detaillierte Berichte eigener Erfahrungen und Problemlöseprozesse, wie sie vor allem in den Clustern (vgl. Abschnitt 9.3) vorliegen, können hochgradig reflektiert sein, ohne zwangsläufig begrifflich zu explizieren. In den Interviews sind begriffliche Nennungen fachdidaktischer Wissenselemente allein kein verlässlicher Indikator für den handlungsrelevanten Rekurs auf das entsprechende Wissen. Andersherum werden auch dort fachdidaktisch differenzierte Reflexionen expliziert, die den Kriterien reflexiver

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Handlungskompetenz in hohem Maße entsprechen, ohne dass dies jedoch zwangsläufig an den Gebrauch von Fachtermini oder die Ausführung systematischen Wissens in dessen eigener Logik gekoppelt wäre. Dass in einzelnen Passagen – vor allem in den Clustern – Elemente fachdidaktischen Wissens transformiert und „in schulpraktischer Perspektive neu zusammen[gesetzt]“ werden (Steinbrügge 2008: 14), konnte im Interviewmaterial und seiner Analyse nachvollzogen werden. Kontrastierend angelegte Beispiele für fachdidaktische Reflexionen, die stärker explizit oder stärker implizit transformieren, wurden in den Analysen zu den Clustern (vgl. hier beispielsweise den Vergleich zwischen TN13 und TN2 in Abschnitt 9.3) diskutiert. Zusammenfassend bestätigt also die beobachtbare Art der Wissenstransformation die Unverbundenheit verschiedener Wissensarten für Professionalisierungsprozesse: Wissenschaftliches und implizites Wissen bleiben häufig unverbunden nebeneinander stehen und geraten in widersprüchliche Verhältnisse zueinander. Die Herangehensweise der Interviewanalyse hat es möglich gemacht, Aspekte von Wissensintegration trotz der grundsätzlichen Annahme einer Differenz der Wissensarten (vgl. Abschnitt 2) nachvollziehbar zu machen. Dabei wird deutlich, dass Reflexionen Problematik des Anwendungsbegriffs vor Situationen der Praxis fallbezogen diskutieren und unterrichtliche Handlungen oder Handlungsalternativen plausibilisieren, dabei aber nicht allein auf die „unhinterfragte Praxis“ (Hascher 2012: 122) verweisen. In Übereinstimmung mit Roters (2012) lautet ein wichtiges Ergebnis auch der vorliegenden Studie, dass es sich bei den Ausprägungen von Reflexivität um ein Kontinuum handelt, bei dem unterschiedliche Dimensionen veränderlich sind und sich überschneiden. In diesem Sinne relativiert beispielsweise Roters die von ihr entwickelte Typologie und bezeichnet die Ausprägungen von Reflexivität, die einzelnen Studierenden zugeordnet wurden, schließlich als ineinander übergehend: „Die Studierenden befinden sich in einer bestimmten Phase ihres Professionalisierungsprozesses. Dadurch sind die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen auf theoretischer Ebene als fließend zu betrachten“ (Roters 2012: 286). Ebenso konnte im vorliegenden Datenmaterial gezeigt werden, dass verschiedene Arten von Reflexion in einem Interview idiosynkratisch und situativ differenziert werden.

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Dennoch ist weiterhin die grundsätzliche Frage zu stellen, inwieweit Reflexion überhaupt erlernbar ist und ob es nicht auch Gründe geben könnte, reflexive Fähigkeiten als nicht zwingendes Merkmal professionellen Handelns anzunehmen. Bei Hatton/Smith (1995) wird auf ein Projekt verwiesen, bei dem die Studierenden zwar erfolgreich die Strategien der Reflexion angewendet haben, die unterliegenden Überzeugungen sich dadurch aber gerade nicht verändert haben: „but their deep positions reflected a fixed view of the nature of teaching which they had developed prior to entering the program” (Hatton/Smith 1995: 36). Dies wird auch in der vorliegenden Studie bestätigt: Obwohl didaktisch transformiert wird, obwohl eine Interdependenz von Pragmatismus und kritischer Distanzierung erkennbar ist, bleiben monodirektionale Transformationsrichtungen und implizite Wissensanteile für das interimsdidaktische Wissenssystem in hohem Maße bestimmend. 10.3.5 Beispiel: Das Phänomen „Transportverlust“ am Beispiel von Grammatik als Reflexionsinhalt Am Beispiel der Repräsentation und Reflexion von „Grammatik als Unterrichtsthema“ (vgl. Abschnitt 9.2.3) wurde exemplarisch verdeutlicht, dass fachdidaktisches Wissen im reflexiven Handeln vor widersprüchlichen unterliegenden Repräsentationen transformiert wird. Dabei birgt die Arbeit im Seminar offensichtlich ein nur geringes handlungssteuerndes Potenzial, das „‘richtige Wissen’ […] geht beim Transfer unterwegs zumindest teilweise verloren oder es wird bis zur Unkenntlichkeit trivialisiert […]“ (Radtke 2004: 117). Der Auseinandersetzung mit Grammatik wurde in den Begleitveranstaltungen auch deshalb verhältnismäßig viel Raum gewährt, weil der Französischunterricht generell als grammatiklastig und fehlerorientiert gilt (vgl. Caspari 2009: 73). Die Studierenden sollten durch die Begriffe von Kompetenz- und Aufgabenorientierung nicht nur für dieses Problem sensibilisiert werden, sondern über konkrete Materialien auch alternative Handlungsoptionen kennenlernen. Einzelne Studierende agieren und reflektieren auch entsprechend, quantitativ dominant sind hier jedoch massive Brüche zwischen theoretischem Angebot der Begleitveranstaltungen und seiner Diskussion vor normativ orientierten Reflexionen („Grammatikunterricht soll induktiv sein“, „Grammatik soll dienende Funktion haben“) einerseits und der

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deutlichen Schilderung traditioneller Unterrichtspraktiken und unterliegender Vorstellungen von der Dominanz deklarativen Sprachwissens und metasprachlicher Kognitivierung andererseits. Zwar reflektieren die Studierenden vor den übergeordneten normativen Forderungen nach kommunikativer Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts, die Reflexionen zu beobachtetem und selbst gestaltetem Grammatikunterricht verweisen aber auf Vorstellungen, die diesen Forderungen massiv zuwiderlaufen. Dieser Konflikt wird bei TN13 (vgl. Abschnitt 9.3) in einer längeren Reflexionsphase diskutiert. In anderen Interviews bleibt der Widerspruch hingegen als solcher unerkannt und wird nicht reflektiert, wie die Analysen zu den sprachlichen Mitteln (vgl. Abschnitt 9.2.3.1.1 zeigen konnten. Die curricularen Rahmentexte wurden mit dem Fokus der „dienenden Funktion“ der Grammatik thematisiert, bei den Microteachings wurden verschiedene Arten der Grammatikerklärung und metasprachlichen Thematisierung und ihrem Verhältnis zu Übungen – vor allem im Kontext komplexer Lernaufgaben – diskutiert und in die Planung der Lehreinheiten integriert. Auch das aus lerntheoretischer und spracherwerblicher Perspektive problematische Verhältnis von Wortschatz und Grammatik wurde über die Lektüre eines entsprechenden Kapitels einer Einführung (Decke-Cornill/Küster 2010: 163f.) thematisiert. Die Reflexionskriterien, die durch diese Problematisierung theoretisch bereitgestellt wurden, sind in sehr unterschiedlicher Ausprägung in den Studierendeninterviews wiederzuerkennen. Sie bilden nur eine mögliche Art von Spuren, die in den Reflexionen nachgezeichnet werden können, die sich vor der Konkretisierung in der Praxissituation mit anderen Motiven, Wissensbeständen und Erfahrungen amalgamieren.

11 Ausblick I: Hochschuldidaktische Konsequenzen aus der empirischen Analyse des Praktikumsmoduls Im folgenden Abschnitt werden mögliche hochschuldidaktische Konsequenzen der Analyse diskutiert. Diese bewegen sich in dem Dilemma, einerseits von einer ursächlichen Wirkung einzelner hochschuldidaktischer Entscheidungen nicht ausgehen zu können, andererseits jedoch empirische Arbeiten zu konkreten Formaten wie die vorliegende auch zum Anlass für formative Weiterentwicklungen von Praktikumsveranstaltungen nehmen zu können. Dabei ist ein direkter Transfer der Ergebnisse nicht möglich, vielmehr können sie auf kritische Momente verweisen, auf interne Widersprüche oder Brüche, die aus der Empirie heraus sichtbar werden. Die im Folgenden entwickelten hochschuldidaktischen Konsequenzen sind daher auch nicht stringent nach den Elementen der Interimsdidaktik abgeleitet, sondern transformieren diese bereits handlungsbezogen weiter. Diese Transformationen haben die Funktion, mittelbar nahezulegen, welche Aspekte in der Auswahl von Themen und Arbeitsweisen verstärkt reflektiert werden könnten und welche Antinomien hochschuldidaktischen Entscheidungen in diesen Bereichen gegebenenfalls unterliegen. Die Darstellungen können Hochschullehrenden Reflexionskategorien zur Verfügung stellen, die ihnen helfen, das eigene Handeln in Praktikumsmodulen neu zu rahmen und alternative Szenarien zu erproben. Für die Diskussion wurden auch neue Lektüren integriert, die zu Beginn des Forschungsprozesses noch nicht zur Kenntnis genommen worden waren. Sie erscheinen daher weniger als Alternative zum vorgestellten Modul (vgl. Abschnitt 7.3) denn als Ergänzung der Diskussion, welche die Ergebnisse der Inhaltsanalyse anstoßen. Obwohl die Inhaltsanalyse differenzierte Ergebnisse auf der deskriptiven Ebene zum Nachvollzug reflexiver Handlungskompetenz hervorgebracht hat, bleibt die Frage offen, durch welche Maßnahmen oder Aufgaben Reflexionskompetenz gestärkt werden kann: Die Wirkung einzelner curricularer oder hochschuldidaktischer Organisationsformen kann kaum valide in Abgrenzung zu anderen Formen nachgewiesen werden. Reflexive Handlungen der Inte-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_11

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Ausblick I

rimsdidaktik verweisen sowohl auf die Effektivität der realisierten Lerngelegenheiten als auch gleichzeitig auf die Persistenz handlungsleitender subjektiver Theorien in den studentischen Reflexionen. Grundsätzlich ist kaum auszumachen, ob die Identifikation reflexiver Kompetenzen ursächlich auf eine bestimmte Art der Organisation von Lehrer*innenbildung zurückzuführen ist. Es mag Studierende geben, die „gegen Reflexionslernen ‘resistent’ bleiben oder eine Abwehrhaltung gegenüber solchen Ansprüchen aufbauen“ (Gasser/Suter/Bühler 2014: 42), während Lerngelegenheiten und Textangebote bei anderen Praktikant*innen sichtbare Spuren im Reflexionshandeln hinterlassen. So legen die Ergebnisse der Analyse beispielsweise nahe, dass das Theorieangebot zu Grammatik und Mehrsprachigkeit sinnvollerweise gestärkt werden könnte (vgl. Abschnitte 9.2.3.1 und 9.2.3.2.1). Auf der anderen Seite hat die Studie auch deutlich gezeigt, dass Theorieangebote, und zwar auch solche, die direkt mit Erfahrungsphasen, Planungen und Analysen von Unterricht verknüpft wurden, auch nicht immer genutzt wurden: Die Auseinandersetzung mit dem Prinzip der Aufgabenorientierung beispielsweise ist für das Handeln im Praktikum vergleichsweise irrelevant geblieben (vgl. Abschnitt 9.2.3.5.4). Die Präsentation weiterer Themen und Texte in den Begleitseminaren wird allerdings nicht die ‘Lösung’ dieses Problems sein, gerade weil davon auszugehen ist, dass Textwissen allein nicht zu entsprechenden Handlungserweiterungen führt. Hinsichtlich der Aufgaben und Rahmungen von Reflexion erscheinen die Ergebnisse der Analyse bedenkenswert, die auf die Situativität und Arten der Versprachlichung von Reflexion hinweisen, sowie jene, die das ganzheitliche Handeln der Studierenden evozieren. Hier kann eine hochschuldidaktische Konsequenz aus der Analyse in einer weiteren Stärkung fallbezogener und simulierender Verfahren bestehen. 11.1 Kontingentes Wissen als hochschuldidaktisches Problem Ein grundsätzliches Problem kann für hochschuldidaktische Entscheidungen festgehalten werden. Die Wissenskanones der bildungspolitischen und -administrativen Rahmentexte liegen vornehmlich in Form von Listenmodellen

Hochschuldidaktische Konsequenzen aus der empirischen Analyse

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vor und integrieren das Theorie-Praxis-Problem meist nur in vagen Formulierungen. Den entsprechenden Standards (vgl. Abschnitt 4) unterliegt erkennbar die Annahme, fachwissenschaftliches Wissen sei die Grundlage fachdidaktischen Handelns und werde bei der Unterrichtstätigkeit in die ‘Praxis umgesetzt’. Insofern perpetuieren diese Texte ein Praxisverständnis, das im Rahmen der vorliegenden Arbeit sowohl theoretisch-konzeptionell kritisch beleuchtet als auch in der Auswertung der Interviews aus der Praxisperspektive deutlich problematisiert wurde. 11.1.1 Inhaltliche Restrukturierung der Begleitveranstaltungen Die Analysen vor allem der Elemente fachdidaktischen Wissens haben einige Aspekte hervortreten lassen, die in den Reflexionen der Studierenden zwar wiederholt thematisiert wurden, jedoch kaum theoretisch verankert oder in Verbindung mit fachdidaktischen Konzepten versprachlicht wurden. Während beispielsweise die Kenntnis der curricularen Rahmentexte und zentraler Aspekte von Kompetenz- und Aufgabenorientierung in den Reflexionen eine Rolle spielt, bleiben andere Bereiche nur sehr schwach repräsentiert. Dies konnte beispielsweise für die Bereiche der Unterrichtssprache und die Gestaltung des Unterrichtsdiskurses festgestellt werden (vgl. Abschnitt 9.2.3.2.1). Hier könnte eine Orientierung der Textauswahl an den Themenbereichen und Standards von Wipperfürth (2009) oder Egli Cuenat (2014) eine sinnvolle Ergänzung für die Gestaltung thematisch orientierter Lerngelegenheiten darstellen. Der Bereich „Lehrersprache“ ist beispielsweise im Modell von Wipperfürth plausibel modelliert. Sie diskutiert Sprachverwendung, Einsprachigkeit, Gestaltung eines comprehensible input, Methoden und Techniken des Scaffolding sowie Feedback und Evaluation als Fluchtpunkte des Unterrichtsdiskurses, die auch in den Interviewtexten häufig thematisiert werden, aber in der Reflexion kaum an fachsystematisches Wissen angebunden werden. 11.1.2 Veränderte Dramaturgie: Üben und ganzheitliches Handeln im reflexiven Rahmen Die Auswertungen der Interviews legen nahe, dass Lektüren und Unterrichtsbeobachtungen zwar reflexive Prozesse anstoßen können, dass sie aber das

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Ausblick I

eigene Handeln im Praktikum nicht in dem Maße beeinflussen, wie bei der Konzipierung des Moduls angenommen wurde. Insofern bestätigt die Inhaltsanalyse die strukturtheoretische Grundannahme weitestgehend unverbundener Wissensarten im Kontext von Praxisphasen. Dies wirft die Frage auf, ob durch Reflexion allein Veränderungen im Handeln begünstigt werden können. Es erscheint naheliegend, bei Überarbeitungen der hochschuldidaktischen Anlage den Fokus noch stärker auf das ganzheitliche Handeln und Üben zu legen und hierbei wiederum komplexe Lehr-/Lernsituationen zu konstruieren, von denen ausgehend fallbezogene Reflexionshandlungen initiiert werden. Die Bezugnahmen auf die Microteachings im Seminar, die sich in den Interviewtexten ausmachen lassen, bestätigen dies sowohl auf der Ebene der subjektiven Wahrnehmung der Studierenden, nach der das Microteaching als das förderlichste Element der Modulgestaltung qualifiziert wurde (vgl. Schädlich 2015: 269), als auch auf der Ebene der Identifikation reflexiver Handlungskompetenz der vorliegenden Arbeit: Viele Textstellen in den Interviews, in denen die mehrperspektivisch-zyklische Reflexion fachdidaktischer Wissenskategorien erkennbar ist, beziehen sich auf die Microteachings. Hascher (2011: 12) verweist hinsichtlich des Problems der Veränderungsresistenz subjektiver Theorien auf Studien, die davon ausgehen, dass die Lösung hier gerade nicht in verstärkter Reflexion liegt, sondern in Angeboten zum Einsatz handlungsbezogener Trainingsmethoden. Was auf den ersten Blick wie ein ‘Zurück zur Meisterlehre’ (vgl. das „craft model“ in der historischen Darstellung bei Wallace 1991) oder zu unhinterfragter Übernahme trainierbarer Routinen aussehen mag, bestätigt im Grunde die Plausibilität ganzheitlicher und auf verkörperlichte Praktiken zielender Formate der Lehrerinnenbildung, die eher an alternativen Habitualisierungen arbeiten als den Versuch unternehmen, über Reflexion allein kognitiv im Grunde nicht zugängliche Bereiche des Handelns zu verändern. Denkbar als Erweiterungen des hier beschriebenen Moduls sind in diesem Sinne weitere Aufgaben, die didaktische Handlungen evozieren und diese gleichzeitig metareflexiv diskutieren. Dabei erscheinen in besonderem

Hochschuldidaktische Konsequenzen aus der empirischen Analyse

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Maße dramapädagogische Verfahren geeignet48, die weit über Microteachings hinausgehen können. In seiner Arbeit über dramapädagogische Ansätze in der Lehrer*innenbildung akzentuiert Haack (2018) die Verbindung von adaptivem, flexiblem Handeln in realen Unterrichtssituationen und theaterpädagogischen Verfahren, die in der Lage erscheinen, hierfür Praktiken bereitzustellen und ganzheitlich einzuüben. Geht man davon aus, dass das ganzheitliche, nachahmende Handeln Professionalisierungsprozesse stärker prägt als theoretisches Wissen über mögliche, aber nicht erlebte Alternativen, können reflexive Praktika gegebenenfalls kontraproduktiv sein. Die Zementierung der Praxis im konkreten Unterrichtshandeln, die eigentlich durch reflexive Praktiken aufgebrochen werden soll, wird verstärkt. Hochschullehrende, die reflexive Ansätze unterrichtsdramaturgisch planen wollen, sehen sich dem Dilemma gegenübergestellt, entweder die Erfahrung der Studierenden so ernst zu nehmen, dass eine vollständig intuitive Erfahrung zugelassen wird, selbst auf die Gefahr hin, dass diese aus wissenschaftlicher Perspektive zur Veränderung stehende Handlungsweisen erst recht zementiert, oder aber durch striktere Vorgaben (beispielsweise als Aufgabe für das Praktikum: „gestalten Sie eine Sequenz Unterricht nach dem Prinzip der Aufgabenorientierung“) das implizit gesteuerte Handeln zwar umgehen zu können, den Studierenden jedoch genau 48

Ein Beispiel aus einer dramapädagogisch orientierten Lehrveranstaltung, in der unter anderem Aspekte von Professionalisierung diskutiert wurden, findet sich im Anhang. Die Studierenden haben über eine pantomimische Darstellung von Französischunterricht herausgearbeitet, dass ihre spontanen Darstellungen normativen Prinzipien von Fremdsprachenunterricht (z.B. Schüleraktivität, dialogische Kommunikation) gerade nicht ‘verkörpert’ haben: Dominant wurden hier Bilder inszeniert, die buchzentrierten Frontalunterricht mit ‘Drannehmen’, umfangreichen Tafelanschrieben und Lehrer-Schüler-Dialogen darstellten. In der Diskussion wurden diese Brüche thematisiert und von den Studierenden reflektiert. In einer weiteren Übung erhielten die Studierenden einen Textauszug aus dem Jugendroman Kamo l'idée du siècle (Pennac 1993), der in ironisch-übertriebener Darstellung Lehrertypen charakterisiert. Die Studierenden haben ausgehend von den Beschreibungen des Textes diese Typen wiederum szenisch dargestellt. Im Anschluss wurden die aufgerufenen Praktiken dahingehend diskutiert, inwiefern die Studierenden sie als passend oder typisch für die entworfenen Typen wahrnehmen und ob diese Wahrnehmungen in der Gruppe übereinstimmen oder wo Abweichungen bestehen. Im Anhang (Anhang 7 („Dramapädagogische Übung zum Lehrerhabitus“) findet sich das Material dieser Aufgabe.

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Ausblick I

damit auch einen erfahrungsbasierten Erkenntnisprozess über die eigenen subjektiven Theorien zu verwehren. Hier stellt sich die Frage, ob das Üben und Imitieren von Modellen diesen Bruch gegebenenfalls schmälern könnte. In diesem Sinne argumentieren beispielsweise Idel/Reh/Rabenstein (2014) für eine stärkere Akzentuierung des Übens in Kontexten der Lehrer*innenbildung: Ausgehend von einer praxistheoretischen Perspektive auf Fallarbeit in Professionalisierungskontexten betonen sie zunächst das Ziel, Studierende über Fallarbeit für die „präfigurierende Kraft ihres eigenen Tuns“ (Idel et al. 2014: 75) zu sensibilisieren. Die Rekonstruktion pädagogischer Ordnungen, die sich aus beobachtbaren Praktiken konfigurieren, wird als reflexives Ziel der Fallarbeit (in diesem Kontext mit Videos) angesetzt: „Diese reflexive Haltung gegenüber Praktiken und den Ordnungen, in die sie eingebettet sind, erfordert die Kompetenz zu einer differenzierten Beobachtung“ (Idel et al. 2014: 85). Im Ausblick des Beitrags problematisieren die Autoren jedoch den Nexus von Reflexion und Handlungsveränderung, wobei sie den Begriff der Übung (in Anlehnung an Brinkmann 2012) in ihre Überlegungen integrieren: Professionelle Praktiken werden durch körperliche Wiederholung angeeignet bzw. herausgebildet: „Man wird also dadurch praktisch kompetent, dass man mit dem Körper übt und dabei das eigene Erfahrungswissen im ‘Könnenlernen’ aufbaut“ (Idel et al. 2014: 86). Die Skepsis der reflexiven Lehrer*innenbildung gegenüber dem „Üben als technologische Imitation, bzw. als Training von Handlungsvollzügen“49 kontrastieren sie mit der bei Brinkmann entwickelten Vorstellung des Übens als „schöpferisch-kreatives Um- und Neulernen mit dem Körper“ (Idel et al. 2014: 86). Die Verbindung übender Phasen mit Verfahren der Fallreflexion schlagen sie als Ansatz vor, die reflexive Lehrer*innenbildung durch systematisches und variierendes Üben zu ergänzen. Eine solche Perspektive erscheint für die hochschuldidaktische Weiterentwicklung des Moduls fruchtbar.

49

Vgl. auch die Ausführungen bei Warneke (2006: 17f.) zum Einfluss behavioristischer Lerntheorien auf die Lehrer*innenbildung und die Unzulänglichkeit des Trainings von Verhaltensweisen für komplexe Situationen der Praxis.

Hochschuldidaktische Konsequenzen aus der empirischen Analyse

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11.1.3 Dauer von Praktika: Ausweitung von Reflexionsgelegenheiten statt Ausweitung der Praktikumsdauer Die im Kontext der vorliegenden Studie interviewten Studierenden haben mehrfach die (als zu kurz wahrgenommene) Dauer des Praktikums moniert. Auch in meiner eigenen Beobachtung erscheint der Anspruch, Handlungsalternativen nicht nur in der reflection on action zu reflektieren, sondern auch ganzheitlich handelnd umzusetzen, in fünfwöchigen Blockpraktika nur eingeschränkt realisierbar. Zyklische und rückbezügliche Szenarien von TheoriePraxis-Verbindungen wie bei Kolb oder Korthagen (vgl. Abschnitt 3.4) vorgeschlagen, können in dieser Zeit kaum mehrfach durchlaufen werden. Die von Warneke (2006) interviewten Studierenden, die ein Praxissemester absolviert haben, haben sich hingegen ausdrücklich positiv zu der langen Dauer geäußert, die sie mit der Möglichkeit verbinden, an Projekten in Szenarien von Aktionsforschung zu arbeiten. Inwieweit hier die subjektive Wahrnehmung der Studierenden mit der Gestaltung von Praxisphasen und dem Nachweis von Professionalisierungsprozessen zusammengeht oder kollidiert, wird kontrovers diskutiert; auch dieser Bereich verweist gegebenenfalls stärker auf den Wunsch nach stärkerer Praxisorientierung im Sinne der Habitualisierung als auf empirisch nachweisbare Effekte für die Professionalisierung. In der Literatur (v.a. Hascher 2012; Weyland 2012) wird deutliches Misstrauen gegenüber der Annahme geäußert, längere Praxisphasen hätten eine höhere Wirksamkeit. Dass die alleinige Möglichkeit, Praxiserfahrung zu sammeln, nicht zu vertieften Lernprozessen und erhöhter Reflexivität beiträgt, ist empirisch vielfach nachvollzogen worden, auch die Ergebnisse der vorliegenden Empirie legen diese Interpretation nahe. Das Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung hat 2015 ein Heft dem Thema „Praxissemester“ gewidmet. Hier finden sich Überblicke zu verschiedenen Formaten von Langzeitpraktika (Weyland/Wittmann 2015) in den Bundesländern sowie zu exemplarischen Konzepten (Hascher/de Zordo 2015). Einzelne empirische Studien werden zwar zitiert, diese stellen jedoch auch durchgehend fest, dass gerade die Wirksamkeit unterschiedlicher Formate (vgl. Hascher/de Zordo 2015) empirisch kaum belegbar ist. Hascher (2012: 116) verweist jedoch auf Befunde, die sogar eher negative Effekte einer Verlängerung offenbaren. Auch wären

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hier die notwendige personelle Ausstattung (die erheblich sein dürfte) sowie gegebenenfalls bildungspolitisch fragwürdige Hintergründe, welche die Einrichtung von Praxissemestern motivieren (vgl. Kötter 2015), zu bedenken. Dieck et al. (2010) haben beispielsweise eine verlängerte Praxisphase untersucht und konnten hinsichtlich der Kompetenzentwicklung von Lehramtsstudierenden keine statistisch signifikanten Unterschiede zur Vergleichsgruppe ohne Praxissemester feststellen. Die Qualität scheint von größerer Bedeutung zu sein als die Quantität: So ist für die Wirkung von Feedback weniger die Dauer des Praktikums entscheidend als die Art des Feedbacks und die Art, wie hier Theorie-Praxis-Verknüpfungen hergestellt werden (vgl. Dieck et al. 2010: 106). In diesem Zusammenhang macht auch Gröschner (2015) auf das Problem aufmerksam, dass beispielsweise die Praxissemester in Nordrhein-Westfalen so spät im Studienverlauf platziert sind, dass kaum noch Möglichkeiten bestehen, die Erfahrungen in anderen Studienkontexten zu thematisieren oder handelnd weiter zu bearbeiten. Die Erprobungsphase des Praxissemesters mündet mit einer kurzen Unterbrechung sehr bald in den Vorbereitungsdienst, sodass hier eine Kontinuität in den Praxisteilen etabliert wird, die unmittelbar ‘funktionierenden’ Unterricht zum Ziel hat. So bleibt gegebenenfalls die Chance weiterführender Reflexionen der Praxis ungenutzt (vgl. Gröschner 2015: 45). Die aktuell zu beobachtende Stärkung von Praxisanteilen ist vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Studie ambivalent zu beurteilen. Zwar konnte in den Interviews reflexive Handlungskompetenz identifiziert werden. Die bei Weyland (2012) aufgeworfene Frage der „Ziel-Mittel-Relation“ (vgl. Weyland 2012: 8) erhält hier durchaus eine Relevanz: Wenn im Datenmaterial der vorliegenden Studie beispielsweise deutlich wurde, dass Reflexion vor allem interaktional, fallbezogen und über Feedbackprozesse in konkreten Situationen hervorgebracht wird, so stellt sich die Frage der personellen Ausstattung, die notwendig wäre, solcherlei Prozessbegleitung in einer verlängerten Praxisphase auch zu gewährleisten und das Potenzial, das die Verlängerung quantitativ bergen kann, qualitativ auch angemessen zu begleiten. Hierfür sind Lehrkräfte notwendig, die in der Lage sind, neue Perspektiven einzuspielen, problematische Praktiken zu erkennen und systematisch – das

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heißt fachdidaktisch und bildungswissenschaftlich begründete – Alternativen zu entwickeln. Die Betreuung von Praktika als Tätigkeit von Professorinnen und Professoren wird jedoch ganz entgegen ihres komplexen Anspruchs nach wie vor als ‘einfache Praxis’ angesehen, die in systemischer Hinsicht kaum gewürdigt wird50, sodass Hochschullehrende häufig andere Tätigkeitsbereiche priorisieren (vgl. Loughran 2014: 273). Vor diesem Hintergrund können punktuelle, aber systematisch angeleitete und begleitete Theorie-Praxis-Reflexionen effektiver erscheinen als die Ermöglichung nur zeitlich ausgeweiteter Praxiserfahrung, die jedoch unreflektiert bleibt und bei der die Studierenden hinsichtlich der anspruchsvollen Aufgabe kritischer Theorie-Praxis-Integration weitestgehend sich selbst überlassen bleiben. Diskrepanzerfahrungen (Roters 2012: 273) werden hier gegebenenfalls eher verstärkt als konstruktiv bearbeitet. Das hier vorliegende Datenmaterial legt die Interpretation nahe, dass Vorerfahrungen, grundsätzliche Haltungen und Repräsentationen fachdidaktischen Wissens reflexives Handeln stärker bestimmen als die alleinige Dauer einer Praxisphase. Nicht unerheblich erscheint jedoch der Zeitfaktor in Verbindung mit inhaltlichen und hochschuldidaktischen Aspekten in anderer Hinsicht: Es kann vermutet werden, dass das Problem eines inkonsistenten Kanons und mangelnder Kooperation der an der Lehrer*innenbildung beteiligten Fächer die Integration von Wissen vor Praxissituationen erschwert, was auch mit Zeit- und Creditkontingenten zu tun hat, die bestimmten Anteilen der Studiengänge zugeschrieben werden. So kann durchaus die Frage gestellt werden, ob in Lehrveranstaltungen jenseits der Praktika ausreichend Gelegenheiten für die Studierenden entstehen, sich einen Wissensfundus anzueignen, der in reflexiven Prozessen handelnd transformiert werden kann. Dies bezieht sich nicht nur auf fachdidaktisches Wissen, sondern gerade auch auf sprach-, literatur- und landeswissenschaftliche Anteile der Romanistik sowie bildungswissenschaftliche Anteile lehrerbildender Studiengänge. Diese Frage sollte nicht nur als Plädoyer für ein alleiniges ‘Mehr’ systematischer 50

Erkennbar ist dies beispielsweise an der Anrechnung von Lehrstunden für die Praktikumsbetreuung lediglich mit einem Faktor von 0,67 (vgl. SCHURE o.J.: Anlage 2.1, im Internet einsehbar: http://www.schure.de/22210/lvvo.htm).

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Ausblick I

Wissensvermittlung und die quantitative Stärkung entsprechender Module verstanden werden, sondern vor allem als Hinweis darauf, dass zu jedem Zeitpunkt im Studium und in jedem Fach die Diskussion von Theorie-PraxisRelevanzen Raum finden kann und sollte. Die quantitative Ausweitung reflexiver Herangehensweisen, die Theorie-Praxis-Bezüge thematisieren, erscheint vor den Ergebnissen der Inhaltsanalyse dabei gewinnbringender als eine lediglich quantitative Verlängerung der Praxisphase oder die Ausweitung einzelner thematischer Bereiche der Fachwissenschaften. Eine solche quantitative Ausweitung könnte sich beispielsweise auf kooperative Phasen mit fachwissenschaftlichen Kursen des Master of Education beziehen, die in kurzen Phasen und fallbezogen Probleme der Praxis theoretisch fokussieren und mehrperspektivisch rahmen. Eine wichtige Grundannahme zum Reflexionsbegriff, die sich in den Interviews – und hier vor allem in den Clustern – deutlich bestätigt hat, liegt in der Diskursivität reflexiver Prozesse. Fachdidaktische Reflexion entsteht kaum aus der Beschäftigung mit Französischunterricht allein – sei diese beobachtend, planerisch oder in der konkreten Durchführung. Einen Wert scheinen reflexive Aufgaben erst dadurch zu erhalten, dass sie dialogisch – sei es unter peers oder unter Anleitung der Lehrkraft – umgewälzt und mit neuen Reflexionskategorien oder Abstraktionen kontextualisiert werden. Gleichzeitig legt die Analyse der reflexiven Prozesse der Studierenden die Annahme nahe, dass reframing-Prozesse ihrerseits modellhaften Handelns bedürfen und sich nicht einstellen, wenn die Studierenden mit ihren Reflexionsaufgaben sich selbst überlassen bleiben. Vor diesem Hintergrund erscheinen Gruppenarbeiten, Tutorien oder Phasen selbstorganisierten Lernens nur dann sinnvoll, wenn sie in kooperative Aushandlungsprozesse integriert werden, die von Lehrkräften mit Wissens- und Erfahrungsvorsprung begleitet werden. Die Herstellung von Verbindungen zwischen Wissensbereichen und die Frage alternativer Praktiken stellt sich nicht durch die alleinige Konfrontation mit fachdidaktischen Wissensinhalten ein. Dies wird in der vorliegenden Empirie an den Nachbereitungsveranstaltungen und dem Versuch, Beobachtungen des Praktikums theoretisch anzubinden deutlich

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sichtbar, der ohne die Steuerung durch die Dozentin ein Kreisen im ‘immer Gleichen’ bei den Studierenden offenbart hat. Lange Phasen selbstorganisierten Lernens laufen daher gerade in Praktikumskontexten Gefahr, die unerwünschten Effekte hervorzubringen oder zu verstärken, die sie eigentlich durch Reflexion verhindern sollen. Die Begleitung der Praktika durch Dozierende, die Perspektivenwechsel anstoßen und fruchtbar machen können, erscheint eines der wesentlichen Desiderate, das aus den Ergebnissen der Studie abgeleitet werden kann. Die Dozierenden sollten hier sowohl über Praxiserfahrung verfügen als auch über eine kritische Distanz zum Handlungsfeld, welche es ermöglicht, Alternativen auch auf abstrakteren Ebenen des „Möglichen” statt des „Vorfindlichen” (vgl. Neuweg 2011b: 23) zu entwerfen. 11.1.4 Reflexives Ziel: Fachdidaktisches Wissen erfahrungsorientiert systematisieren Vor den Ergebnissen der Inhaltsanalyse erscheint es sinnvoll, die Transformation abstrakter Ziele und relevanter Themen fachdidaktischer Reflexion erfahrungsorientiert zu konkretisieren. Listenmodelle und strukturelle Entscheidungen – beispielsweise hinsichtlich der Dauer von Praxisphasen – halten für dieses Problem kaum Lösungen bereit. Ihre Wirksamkeit ist zudem empirisch kaum einzuholen. Hier erscheint es für die Planung und Reflexion hochschuldidaktischer Settings sinnvoll, von den Erfahrungen und den reflexiven Transformationen von Wissen auszugehen, die in ihren Versprachlichungen durch die Studierenden erkennbar werden. Reflexionen und mögliche Handlungsveränderungen angehender Lehrkräfte scheinen vor allem an den Stellen möglich zu sein, wo wissenschaftssystematisch häufig abstrakte Themen und strukturelle Anlagen von Theorie-Praxis-Integration mit konkreten Fällen verbunden und mehrperspektivisch diskutiert werden. Hochschullehrende müssen einerseits Antworten auf die Frage finden, wie sie fachsystematisches Wissen als Wahrnehmungs- und Reflexionskategorie für Studierende verfügbar machen können. Sie müssen andererseits aber auch berücksichtigen, dass die Relevanz des Wissens für unterrichtliches Handeln im Praktikum sich den Studierenden nicht unmittelbar erschließt, sondern diskursiv hergestellt, erprobt und beobachtend evaluiert werden muss. In der

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Ausblick I

Relevanzdiskussion konkurrieren fachsystematische Wissensanteile und implizite Erfahrungen bzw. Handlungsroutinen, die auch von unterliegenden Erwartungen, vorgängigem Wissen und Wissenschaftsverständnissen der Studierenden geprägt sind. Praxisorientierung bedeutet vor dieser Annahme nicht die Anwendung theoretischer Wissensbestände in Erfahrungssituationen, sondern vielmehr ihre Diskussion im Abgleich mit unterliegenden Erwartungen und impliziten Handlungsroutinen. 11.2 Situativität reflexiver Prozesse als hochschuldidaktisches Problem Die Singularität und Situativität reflexiver Prozesse legt für die hochschuldidaktische Gestaltung von Praxisphasen nahe, dass diese selbst in der Reflexion thematisiert wird: Die Studierenden sollten dafür sensibilisiert werden, dass fachdidaktisches Wissen sich nicht ‘von alleine’ in angemessene Unterrichtshandlungen transformiert und dass das tatsächliche Handeln in einer Situation immer auf multiple potenzielle Reflexionskategorien verweist, die nur teilweise antizipierend systematisiert werden können. Für Reflexionen relevant werden vielmehr rückblickende Abgleiche zwischen Planung und beobachtbaren Unterrichtshandlungen. In diesem Sinne sei hier als hochschuldidaktische Konsequenz aus der Inhaltsanalyse für eine Stärkung von Fallarbeit plädiert sowie gleichzeitig für die Systematisierung von Feedback und Vernetzung verschiedener Versionen von Unterrichtsgeschichten. 11.2.1 Stärkung der Fallarbeit Das der Studie zugrunde liegende hochschuldidaktische Konzept basiert bereits stark auf der Arbeit mit biographisch verankerten Fällen und der Annahme, dass handlungsrelevantes Wissen sich nur dann ausbilden kann, wenn deklaratives Wissen in subjektiv relevanten Erfahrungen verankert wird (vgl. Abschnitte 7.2.1 und 8.2.2). Dabei wurden in erster Linie die Erfahrungen der Studierenden im Kontext von Microteachings und während des Praktikums einbezogen sowie darüber hinaus punktuelle Diskussionen zu Praxissituationen, die in fachdidaktischer Literatur dargestellt werden. Die im Rahmen dieser Studie ausgewerteten reflexiven Kompetenzen von Studierenden haben gezeigt, dass besonders vielschichtig reflektiert wird, wenn

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konkrete, in der eigenen Erfahrung verankerte Fälle mehrperspektivisch diskutiert werden. Eine Intensivierung dieses Ansatzes erscheint vor dem Hintergrund dieser Auswertungen sinnvoll. Zur Kontextualisierung werden Begründungen und Studien zur Fallarbeit skizziert und in einem zweiten Schritt mögliche Erweiterungen für das Praktikumsmodul diskutiert. Es wird vor allem eine Stärkung diskursiver Verfahren angesetzt, bei denen stark gesteuert Erfahrungen an theoretische Wissensbestände rückgekoppelt werden. In diesem Sinne waren im vorliegenden hochschuldidaktischen Konzept beispielsweise manche Aufgaben, bei denen die Studierenden aufgefordert waren, Erfahrungen mit den Kannbeschreibungen des EPOSA zu assoziieren und als Narration zu versprachlichen, im Bereich der individuellen Hausarbeit oder im Rahmen des Tutoriums verortet (vgl. Abschnitt 7.3.4.4). In informellen Feedbackrunden und den Evaluationsbögen der Universität wurde hierzu mehrfach der Wunsch nach „Diskussion dieser Aufgaben im Plenum” geäußert. Es liegt die Vermutung nahe, dass hier ohne die Impulse einer erfahrenen Lehrperson, die an beispielhaften Fällen quasi modellhaft Theorie-Praxis-Brüche reflektiert, die erwünschten reflexiven Prozesse nicht emergieren, und die Studierenden keinen Mehrwert dieser Aufgaben erkennen können (vgl. Schädlich 2015: 262). Grossman/Shulman (1994) haben bereits in den 1990er Jahren für eine Ausrichtung der Lehrer*innenbildung an der Arbeit mit Fällen plädiert. Dabei argumentieren sie nicht nur generell mit der Einzigartigkeit und Unvorhersehbarkeit pädagogischer Handlungssituationen, deren Interpretation die Integration unterschiedlicher Wissensbestände erfordert. Für die Ausbildung speziell von Fremdsprachenlehrkräften bedeutsam ist für sie darüber hinaus, dass gerade in den sprachlichen Domänen die Arbeit mit Fällen als gegebenenfalls einzige Möglichkeit erscheint, mit der mangelnden inhaltlichen Strukturierung der Domäne umzugehen (vgl. Abschnitt 4). In diesem Sinne halten sie die Arbeit mit Fällen für ausdrücklich geeignet, weil nur hier potenziell relevante Elemente des Gegenstands überhaupt in einen Bedeutungszusammenhang gebracht werden können, der zwar an mancher Stelle zwingend erscheinen mag, gleichzeitig aber immer auch auf die Möglichkeit

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Ausblick I

von Alternativen und die damit verbundenen Probleme der Verallgemeinerbarkeit verweist (Grossman/Shulman 1994: 10). Ummel (2010) plädiert in diesem Sinne ebenfalls für die Stärkung von Fallverstehen, vor allem in Abgrenzung zum Training von Routinen. Minutiöse und detailreiche Analysen des Nichtstandardisierbaren werden (so die Annahme) durch ihre Einübung selbst zu Routinen, die beibehalten werden, auch wenn die Lehrkräfte dem „Handlungsdruck der Praxis” (Ummel 2010: 45) ausgesetzt sind. Für die Herstellung solcher Routinen ist Übung notwendig (vgl. Abschnitt 11.1.2), und dabei könnte die Dauer von Praktika durchaus relevant werden (vgl. Abschnitt 11.1.3). Ähnlich akzentuiert Lüsebrink (2014) die Verbindung von biographischen Erfahrungen mit Fallarbeit. Während „biographische Einwürfe unter Verweis auf die Idee einer wissenschaftlichen Fallbearbeitung” (Lüsebrink 2014: 445) in kasuistischlehrerbildenden Seminaren häufig ausgeklammert bleiben, plädiert sie für eine konstruktive Nutzung der biographischen Erfahrungen. Dabei wird das Spektrum von Fallinterpretationen durch solche erweitert, die aus biographischen Erinnerungen hervorgehen, was (sachbezogene) Reflexivität um (biographisch verankerte) Selbstreflexivität zu ergänzen vermag. Die Beurteilung einer Beobachtung und der unterliegenden Norm verweist hierbei auf die Frage „Warum nehme ich das dargestellte Geschehen auf diese Weise wahr?” oder „Woher stammen meine normativen Überzeugungen?” (Lüsebrink 2014: 448). Dieser Ansatz ähnelt dem Verständnis von reflection on action bei Schön (vgl. Abschnitt 3.3). Die Reflexion führt in ihrer Verbindung mit dem biographischen Moment zu neuen Erfahrungen, die „mitgebrachte Einstellungen ändert”51 und damit eine Basis für die Realisierung von Handlungsalternativen darstellt. Auch Messmer argumentiert ähnlich und akzentuiert dabei den Nexus Fallarbeit und Narration. Er untersucht Einflüsse auf Handlungsveränderungen durch die Verkettung und das Wiedererzählen verschiedener Geschichten: „Wirkungen auf die Handlungsweise von Lehr-

51

Lüsebrink bezieht sich hier auf die Arbeiten zum ästhetischen Erfahrungsbegriff bei Seel (1997).

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personen sind dementsprechend weniger durch ein (einzel-)fallrekonstruktives Vorgehen als vielmehr im Gang von Geschichte zu Geschichte zu erwarten” (Lüsebrink/Messmer/Volkmann 2014: 22). Die Arbeit mit Fällen stellt also einen möglichen Ansatz dar, das Problem der nicht-Standardisierbarkeit des Lehrhandelns produktiv zu wenden, wobei die zitierten Ansätze die Art des Fallbezugs und vor allem deren Versprachlichung (einmalige Fallrekonstruktion bei Lüsebrink versus narrative Sequenzen bei Messmer) differenzierend in den Blick nehmen. Die Inhaltsanalyse hat auch gezeigt, wie die Studierenden Praxisfälle diskutieren und dass dabei häufig verkettete Narrationen entstehen. Diese Beobachtung kann in die Planung zukünftiger Veranstaltungen systematisch eingebracht werden. Fachdidaktische Prinzipien wie Schüler- oder Handlungsorientierung, ebenso wie das Paradigma der Kompetenzorientierung implizieren nur in sehr bedingtem Maße konkrete Praktiken des unterrichtlichen Handelns. Ähnliche Handlungsentscheidungen können gegebenenfalls auf verschiedene Prinzipien bezogen werden und einzelne Prinzipien können sich in sehr unterschiedlichen Praktiken realisieren lassen. Das beobachtbare unterrichtliche Tun bleibt also immer kontingent. Die Texte, die in den Begleitveranstaltungen gelesen wurden, wurden zwar vor der Zielsetzung ausgewählt, abstrakte Prinzipien mit Praxisvorschlägen (Handreichungen, Aufgaben etc.) zu verbinden. Dennoch erscheint rückblickend die Ebene der Analyse komplexer Unterrichtssituationen unterrepräsentiert. Diesem Problem könnte ebenfalls durch verstärkte Fallarbeit begegnet werden. So könnten aus Fallsammlungen52 Transkripte oder Vignetten von Französischunterricht zur Analyse bereitgestellt werden. Nicht zuletzt erscheinen auch Auszüge aus den Interviews der vorliegenden Studie geeignet, in die Begleitveranstaltungen zu den Praktika zukünftiger Jahrgänge zur Diskussion gestellt zu werden. Hier werden Unterrichtserfahrungen bereits rückblickend versprach-

52

Siehe beispielsweise das „Archiv für pädagogische Kausistik (ApaeK)“ der Universität Frankfurt oder das „online Fallarchiv Schulpädagogik“ der Universität Kassel. Für den Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen und Französischunterricht im Besonderen liegen allerdings auffällig wenige Datensätze vor.

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licht, was die Sensibilität der Studierenden für die Konstruiertheit und Kontextabhängigkeit reflexiver Prozesse stärken kann. Dabei können sowohl offene Zugriffe mit dem Ziel der Kategorienbildung (Unter welchen Aspekten kann man diesen Unterricht überhaupt diskutieren? Auf welche Vorstellung von gutem Unterreicht verweisen die beobachtbaren Praktiken?) wie auch kategorial vorstrukturierte Zugriffe (Auffälligkeiten z.B. zu Unterrichtssprache, Interkulturalität, Sprachreflexion in Anlehnung beispielsweise an das EPOSA oder die Standards von Wipperfürth (2009)) als Arbeitsimpulse alternieren. Eine Betonung offener, nicht von vornherein kriteriengeleiteter Beobachtungen von Unterrichtspraktiken erscheint angesichts der Ergebnisse der Inhaltsanalyse als Element, das gestärkt werden könnte: Eine Beobachtung an den reflexiven Prozessen der Studierenden bezog sich darauf, dass zwar Situationen der Praxis mehrperspektivisch reflektiert werden und Versuche von Theorietransfer unternommen und kritisch diskutiert werden, andererseits jedoch die Transferbewegung vor allem aus der Theorie in die Praxis verläuft und die Praxis selbst kaum kommentiert wird oder zur Generierung neuer Fragen genutzt wird (vgl. Abschnitt 10.1.3). Hier können offene Beobachtungen, die sich phänomenologisch auf die „Wucht des Gegebenen“ (Schwarz/Schratz 2014: 42) einlassen und gerade nicht mit einer von vornherein kategorial strukturierten Wahrnehmungsmatrix an Unterricht herangehen, sinnvoll sein. Handlungsalternativen werden hierbei nicht nur in einem bereits als selbstverständlich gesetzten Rahmen entwickelt, sondern es wird gegebenenfalls die vermeintliche Selbstverständlichkeit möglicher Rahmungen selbst reflektiert. Dieser Ansatz erscheint vor allem als mögliche Konsequenz der oben mit Müller (2010) aufgeworfenen Kritik an zyklischen Formaten der Praxismodule bedenkenswert (vgl. Abschnitt 10.1.7). 11.2.2 Feedback und kollegiale Fallberatung Feedback und Rückmeldung waren für die Konzeption des Moduls (vgl. Abschnitt 7.3.4.4) als konstituierende Bestandteile zur Ermöglichung reflexiver Handlungen angesetzt worden. Dahinter steht die Annahme, dass Rückmeldungen und diskursiver Austausch über Unterricht Mehrperspektivität

Hochschuldidaktische Konsequenzen aus der empirischen Analyse

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und Perspektivenwechsel ermöglichen können. Von den Studierenden wird dies auch so wahrgenommen und überwiegend positiv bewertet. Gleichzeitig kommentieren die Studierenden auch kritisch, welche Art von Feedback gegeben wird und wie es sich hinsichtlich der Kriterien verhält, die als lernförderlich angesetzt werden (vgl. Schädlich 2015: 272f.). Eine Systematisierung der Feedbackstrukturen und Ausweitung auf weitere Methoden erscheint auch hier sinnvoll. Kollegiale Fallberatung kann dabei als ein möglicher Ansatz für die Feedbackphasen systematisiert werden. Bei Hatton/Smith (1995) werden in diesem Sinne konkret die Arbeit in Tandems sowie die Aufzeichnung oder Niederschrift von Reflexionsgesprächen genannt. Sie gehen davon aus, dass Reflexion am besten gelingt, wenn mit einem „kritischen Freund“ in einer Dyade gearbeitet wird und wenn Aufzeichnungen später als Impulse für weitere Reflexionen genutzt werden (vgl. Hatton/Smith 1995: 41). Hier zeichnen sich Ähnlichkeiten zum oben skizzierten narrativen Ansatz (Lüsebrink/ Messmer/Volkmann 2014) ab, deren Wert vor allem in der vernetzenden Verbindung einzelner Geschichten über Unterricht und Reflexionen besteht. Für das oben beschriebene hochschuldidaktische Konzept (vgl. Abschnitt 7.3) haben diese Überlegungen noch keine Rolle gespielt, das empirische Material legt jedoch entsprechende Verfahren aus der Struktur der Reflexionshandlungen heraus nahe (vgl. z.B. die Grammatikerzählung in Abschnitt 9.3.2.2). Die Wiederaufnahme einer Erfahrung in unterschiedlichen Kontexten und das Wiedererzählen mit neuem Fokus erscheinen hierbei als wichtiger Beitrag zur Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz. Dabei kann für folgende Durchgänge die Arbeit mit Verschriftlichungen und Audio- oder Videoaufnahmen gestärkt werden. 11.2.3 Reflexives Ziel: Differenzbewusstsein stärken Fallorientierung und Feedback tragen zur mehrperspektivischen Reflexion von Unterricht bei und stellen daher förderliche Elemente der hochschuldidaktischen Organisation von Praxisphasen dar. Sie bewegen sich allerdings in dem Dilemma, gegebenenfalls nicht über die Schwelle der Bestätigung eigener Vorannahmen und Wahrnehmungskategorien hinauszugehen, wenn sie

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ausschließlich zwischen peers realisiert werden. Dies kann auch der Fall sein, wenn offen reflektiert wird, ohne dass neue oder außerhalb des Erwartungshorizonts der Studierenden liegende Kategorien eingespielt werden (vgl. Abschnitt 10.1.7). Insofern spielt für die Planung reflexiver Prozesse eine Rolle, welche Art von Perspektivität von wem als relevant angesetzt wird und welche Reflexionskriterien in diesen spezifischen Kontexten verstärkt in den Blick genommen werden sollten. Hier sind zwischen den beteiligten Akteur*innen Erwartungsdifferenzen beobachtbar, die selbst Element von Reflexion werden können. Die perspektivischen Differenzen vor allem zwischen den verschiedenen Phasen der Lehrer*innenbildung werden häufig priorisierend und wertend wahrgenommen und die Beteiligten konkurrieren um die ‘richtige’ Sichtweise auf Schule und Unterricht (vgl. Arnold 2010: 72). In Interviewpassagen, die erfahrungsbasierte Probleme schildern und die entsprechenden Narrationen mit Modellen oder Ratschlägen von Praktiker*innen reflexiv schließen, wird diese Hierarchisierung besonders deutlich. Die Befürchtung einer „Übernahme problematischer Praktiken“ ist hier gerechtfertigt. Die Anerkennung der „Differenz der unterschiedlichen Wissensbestände“ (Weyland 2012: 57) setzt hingegen bei der Annahme verschiedener, auch potenziell widersprüchlicher Wissensbereiche an und versucht, diese ihrerseits perspektivwechselnd fruchtbar zu machen. Warum blickt wer in einer bestimmten Art und Weise auf Unterricht? Für welche Frage ist diese Sichtweise hilfreich, für welche nicht? Lehrkräfte, die Praxisveranstaltungen durchführen, müssen sich hinsichtlich der Berechtigung verschiedener Perspektiven für spezifische Fragestellungen bewusst sein und den reflexiven Diskurs in der Lehrveranstaltung so steuern, dass die Studierenden Gelegenheit haben, sich jeweils die Sinnhaftigkeit, die Funktion und die Grenzen verschiedener Perspektiven zu eigen zu machen. Die Inkompatibilität verschiedener Konstruktionen von Wirklichkeit (vgl. Radtke 2004: 118 und Abschnitt 2.3) zu erkennen und anzuerkennen, kann dabei selbst als Ziel von Praktikumsveranstaltungen angesetzt werden, das die Diskussion um die Deutungshoheit durch verschiedene Akteur*innen (vgl. Arnold 2010: 72) thematisiert und relativiert.

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11.3 Evaluation als Problem – Überlegungen zu Reflexion und Selektion Reflexion als Anteil lehrerbildender Prozesse hat eine lerntheoretische und eine institutionell-formale Komponente, die in der Planung von Lehrveranstaltungen sowie bei der Entwicklung von Modellen zu professioneller Kompetenz berücksichtigt werden müssen. Auf der lerntheoretischen Ebene wird für das hier beschriebene Modul davon ausgegangen, dass die Möglichkeit, das eigene Handeln theoretisch zu reflektieren, Lernprozesse anstößt, die für Professionalisierungsprozesse förderlich sind. In den empirischen Analysen ist jedoch auch deutlich geworden, dass die Reflexionsprozesse heterogen und idiosynkratisch verlaufen, also ein Interimswissen zeigen, das kaum standardisierbar und damit nur schwer überprüfbar erscheint. Auf der institutionellen Ebene wirft dies durchaus Fragen für die Steuerung und Evaluation entsprechender Lernprozesse auf: Wieviel explizierende Reflexivität darf von Studierenden der ersten Phase ‘verlangt’ werden, und wie genau wären die Kriterien dafür zu bestimmen, oder noch konkreter gefragt: ist es legitim, evaluierte Reflexionen – wie hier im Fall des Portfolios – zum Selektionsmoment zu machen, das im extremsten Fall zum Ausschluss aus dem Studium führt? Die Frage wird umso heikler, wenn einzelne Studierende in unterschiedlichen Situationen beobachtet werden, beispielsweise beim Microteaching im Seminar und/oder Lehrversuchen während der Praktikumszeit. Hier können unterschiedliche Wahrnehmungen entstehen, die eine summative Evaluation umso problematischer erscheinen lassen. Dies wird weiterhin verstärkt durch den eigenen Rollenkonflikt, gleichzeitig als Forscherin und Dozentin im beforschten Modul tätig zu sein: Die Module und die Interaktionen mit den Studierenden habe ich als Dozentin ganzheitlich wahrgenommen, während das forschende Interesse im Kontext der Inhaltsanalyse sich auf einzelne, punktuelle Aspekte beschränkt. So konnte ich sowohl während der Microteachings im Vorbereitungsseminar als auch bei Unterrichtsbesuchen während des fünfwöchigen Blockpraktikums Anteile professionellen Handelns in konkreten Unterrichtssituationen beobachten. Eine Analyse dieser Beobachtungen sowie ihr Abgleich mit den

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Interviewdaten wurde hier erstens aus forschungsökonomischen Gründen ausgespart, zweitens aus dem Grund, dass das primäre Erkenntnisinteresse der Studie den engeren Fokus der Reflexion des Theorie-Praxis-Verhältnisses darstellt und nicht eine Evaluierung von Professionalität in der Handlungssituation selbst. Rückblickend konnte diesbezüglich jedoch beobachtet werden, dass während der Interviews und bei ihrer Auswertung die Handlungen der Studierenden (Microteachings, Unterrichtsbesuche) als lebendige Erinnerung gegenwärtig waren, sodass sich in meiner eigenen Wahrnehmung Korrespondenzen und Widersprüche zwischen beobachtetem Handeln und Reflexion ergeben haben. Diese Beobachtungen und Brüche werfen die Frage auf, was in der universitären Phase der Lehrer*innenbildung überhaupt Gegenstand der Evaluation sein sollte. Ist es legitim, Wahrnehmungen der Lehrpersonen (Unidozentin, Mentor*innen), die sich auf die Professionalität des Handelns im Praktikum selbst beziehen, in einem Kontext geltend zu machen, dessen prioritäre Funktion Reflexion und Wissenschaftsbezug ist? Inwieweit darf die Fähigkeit, den Unterricht des Praktikums theoriefokussiert erzählen zu können, als normatives Kriterium für die Planung lehrerbildender Seminare, Module oder Studienordnungen gelten, wenn doch auch beobachtbar ist, dass dies allenfalls eine Komponente unter anderen für professionelle Kompetenz ist? Wie wird damit umgegangen, wenn Studierende während des Praktikums Unterricht gestalten, der von ‘intuitiv’ förderlichen Praktiken im Sinne von Handlungs- und Schülerorientierung, im Sinne einer kommunikativen Ausrichtung und hoher Adaptivität geprägt ist, dies jedoch im Portfolio nicht plausibel begründet und theoretisiert wird? Dieser Frage kann man auf der formal-institutionellen Ebene mit dem Argument der Rechtfertigungspflicht begegnen: Lehrkräfte müssen in der Lage sein, ihr Handeln theoretisch zu begründen und bildungspolitisch, curricular und fachdidaktisch zu rechtfertigen: „Reflexivität als Bewusstheit über das eigene Tun wird (...) als Schlüsselkompetenz von Professionalität aufgefasst“ (Combe/Kolbe 2004: 835). Auf der Ebene der Lehrerpersönlichkeit und des Professionalisierungsprozesses ist die Selbstreflexion jedoch auf einer

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umfassenderen Ebene angesiedelt und Ansprüche, hier normativ zu wirken, können durchaus problematisch erscheinen.

12 Ausblick II: Methodologische Reflexion der qualitativen Inhaltsanalyse und Ausblick auf Anschlussstudien In den Analyse- und Auswertungskapiteln wurden zum einen die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse referiert und zum anderen wurde auf Grenzen der Methode sowie Fragen verwiesen, die durch den hier gewählten methodischen Ansatz offen bleiben mussten. Im Folgenden seien die wesentlichen Vorzüge und Probleme des gewählten Vorgehens zusammengefasst und Ausblicke für Anschlussarbeiten mit differenzierteren forschungsmethodischen Ansätzen entworfen. Mit den erhobenen Interviewdaten wurden im Projekt mehrere Erkenntnisinteressen verknüpft (vgl. Schädlich 2016): Im ersten Durchgang der Interviewanalysen bestand das Ziel in einer Systematisierung von Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien, welche die Perspektive der Studierenden auf das Modul repräsentieren sollten. Im zweiten Auswertungsdurchgang stand die Identifikation fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz im Mittelpunkt des Interesses. Die vorliegenden Interviewtexte enthalten ausreichende Daten, reflexive Prozesse im Sinne des angesetzten Verständnisses reflexiver Handlungskompetenz zu identifizieren und quantitative Tendenzen sichtbar zu machen. Rückblickend kann jedoch kritisch festgehalten werden, dass sowohl das empirische Material in der vorliegenden Struktur als auch der methodische Zugriff qualitativer Inhaltsanalysen für das erste Erkenntnisinteresse – die Bewertung des Moduls durch die Studierenden – geeigneter erscheint als für das zweite, das im vorliegenden Band ausgearbeitet wurde. Die starke Standardisierung des Instruments ermöglicht zwar auch die Identifikation quantitativer Tendenzen für Elemente fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz. Insgesamt zeigt sich jedoch beim zweiten Analysedurchgang, dass das Datenmaterial ergänzenswert erscheint: Hier fällt zunächst ins Gewicht, dass ergänzende Nachfragen oder Vertiefungen im Interviewleitfaden nicht systematisch verankert waren, sodass es Passagen gibt, die hinsichtlich des Erkenntnisinteresses wenig aussagekräftig bleiben. Dieses Problem wurde bereits oben (Abschnitt 8.3.2.2) beschrieben. Darüber hinaus sind auch die © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_12

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Versprachlichungen, in denen Reflexivität sichtbar wird, sehr unterschiedlich. Dies wurde bei der Analyse der Cluster (vgl. Abschnitt 9.3) und hinsichtlich narrativer Passagen (vgl. Abschnitt 10.2.4) problematisiert. Hier wären längere sprachliche Äußerungen aufschlussreich, Arten sprachlicher Realisierung von Reflexion stärker zu differenzieren und dadurch besser systematisieren zu können. Dies setzt allerdings eine veränderte Art der Interviewführung voraus, welche die Entstehung einer größeren Bandbreite unterschiedlicher Reflexionsarten überhaupt erst ermöglichen könnte. Einige weitere Aspekte, die sich im Forschungsprozess als problematisch herausgestellt haben, sollen in den folgenden Abschnitten im Sinne der Nachvollziehbarkeit des methodischen Vorgehens erläutert werden. Dabei soll das Augenmerk auf die Grenzen qualitativer Inhaltsanalysen für das Projekt einerseits gelegt werden sowie andererseits auf weiterführende Interessen, die sich aus der Inhaltsanalyse ergeben, aber andere methodische Herangehensweisen erfordern. 12.1 Gütekriterien qualitativer Forschung und Reichweite der Studie – Diskussion und Problematisierung Gütekriterien qualitativer Forschung variieren je nach epistemologischer Überzeugung und methodischem Ansatz (vgl. Flick/von Kardorff/Steinke 2 2003). Grundsätzlich orientieren sich das Vorgehen sowie die Repräsentation von Forschungsprozess und -ergebnissen dieser Studie an den Charakteristika qualitativer Forschungspraxis, die übergeordnete Aspekte von Güte implizieren: Einzelne Aspekte wie die Wahl einer (gegenstandsangemessenen) Methode, Subjektivität und ihre Reflexion durch die forschende Person sowie Aspekte von Perspektivität werden in den folgenden Unterkapiteln hinsichtlich der hier verfolgten Methodik reflektiert. Mit Bezug auf den „subtilen Realismus“ bei Seale/Hammersley formuliert Kuckartz drei Prämissen für die Entwicklung von Gütekriterien für qualitative Inhaltsanalysen: Er setzt zunächst an, dass die Gültigkeit von Wissen nicht mit Gewissheit bestimmbar ist, sondern nach Kriterien von Plausibilität und Glaubwürdigkeit hergestellt wird. Vor dieser Annahme erhalten ein

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systematisches methodisches Vorgehen und seine transparente, intersubjektiv nachvollziehbare Beschreibung elementare Bedeutung für die Validität des hervorgebrachten Wissens. In diesem Sinne haben die kontinuierlichen Kommentare und Problematisierungen des methodischen Vorgehens in der vorliegenden Studie vor allem die Funktion, methodische Entscheidungen intersubjektiv nachvollziehbar zu machen. Darüber hinaus wird angenommen, dass Phänomene unabhängig von unseren Annahmen über sie existieren, wobei die Annahmen mehr oder weniger angemessen sein können (vgl. Kuckartz 2012: 166). Hiermit richtet sich Kuckartz gegen radikalkonstruktivistische Annahmen der Untrennbarkeit und Unhintergehbarkeit diskursiver Konstruktionen sozialer Wirklichkeiten. Für die hier vorliegende Studie ist diese Annahme vor allem in Verbindung mit der Annahme relevant, dass Wirklichkeit über verschiedene Perspektiven auf Phänomene zugänglich ist und Forschung auf die Darstellung von Wirklichkeit statt „auf ihre Abbildung“ (Kuckartz 2012: 166) zielt: „Bei empirisch-qualitativer Forschung lautet die zentrale Frage, inwieweit die Konstruktionen des Forschers in den Konstruktionen der Beforschten begründet sind“ (Kuckartz 2012: 166). Diese Übereinstimmung unterliegt der Studie als heuristisches Programm, sie wird im Prozess erörtert und über Reibungen zwischen Vorannahmen und empirischem Material immer wieder neu ausgestaltet, so beispielsweise in der Reflexion und Schärfung des Kategoriensystems (vgl. Abschnitte 8.2.1.1.1 und 8.2.2.1.1). Ein Problem des methodischen Vorgehens dieser Arbeit besteht in der nur schwach gewährleisteten Codierreliabilität, die als eines der entscheidenden Gütekriterien zur Herstellung der Validität qualitativer Inhaltsanalysen gilt (vgl. Kuckartz 2012: 83 und Abschnitt 8.1.1). Es wurden in diesem Kontext zahlreiche unklare Textstellen und Schwierigkeiten bei der Codierung kommentiert (vgl. Abschnitt 8.3). Ziel dieser Kommentare ist es, eine möglichst vielperspektivische Diskussion zu problematischen Aspekten des Vorgehens zu ermöglichen, die sonst durch Gespräche in der Forschungsgruppe oder durch andere Arten kommunikativer Validierung hergestellt würde.

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12.2 Quantifizierung als Aspekt der Reichweite der Studie Das prioritäre Erkenntnisinteresse der Inhaltsanalyse liegt in einer qualitativ differenzierenden Exploration und Beschreibung fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz. Quantifizierungen spielen dafür eine Rolle und haben vor allem die Funktion, Tendenzen als Rahmen zu etablieren, innerhalb dessen die differenzierende Beschreibung der Interimsdidaktik vorgenommen wird (vgl. Abschnitte 9.1.1, 9.2.1, 9.3.1). Quantifizierungen zielen hier allerdings nicht auf die Herstellung statistisch signifikanter Werte. Kuckartz rät im Kontext qualitativer Inhaltsanalysen zum „count the countable“ (Kuckartz 2012: 24), wobei das Zählbare im Fall der vorliegenden Studie auf Häufigkeiten und deren Systematisierung in Zusammenhängen beschränkt bleibt, die für die Identifikation reflexiver Handlungskompetenz relevant erscheinen. Solche Tendenzen sind insofern aussagekräftig für die Identifikation reflexiver Handlungskompetenz, als sie über Einzelfalldarstellungen hinausgehen und mit Quantifizierungen anderer Studien validierend abgeglichen werden können, sodass die Verortung der hier erlangten Ergebnisse mit dem Forschungsdiskurs insgesamt assoziiert wird. Die genaue Beschreibung der hochschuldidaktischen Entscheidungen kann in Zusammenhang gebracht werden mit Studien, in denen ebenfalls – beispielsweise bei Roters (2012) oder Warneke (2006) – Beschreibungen vorliegen, die starke Ähnlichkeiten in den hochschuldidaktischen Anlagen und Arbeitsformen erkennen lassen (z.B. im Einsatz von Microteachings, Portfolioarbeit, Feedback). Die Ähnlichkeit der Anlagen mag die ökonomische Validität und Transferabilität der hier erarbeiteten Ergebnisse steigern. Es konnten aus der Inhaltsanalyse quantitative Tendenzen und Proportionen herausgearbeitet werden, die auf typen- oder musterhafte Aspekte reflexiver Handlungskompetenz und ihre Komponenten verweisen und diese in einem spezifischen Kontext zugänglich machen. Diese Tendenzen können Vorannahmen der Studie oder einzelne Interpretationsansätze stützen, wie beispielsweise die Vermutung eines Zusammenhangs von mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion mit einer gesteigerten Mobilisierung fachdidaktischen Wissens (vgl. Abschnitt 9.3). Die im Modul intendierte Bewegung von

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der Bewertung zur differenzierten Beschreibung unterrichtlicher Erfahrung kann durch die Quantifizierung fachdidaktisch orientierter Reflexion weiter ausdifferenziert werden. Die Ergebnisse der quantitativen Analysen legen nahe, dass die Fähigkeit zur Relativierung von Bewertungen durch genaue Beschreibung mit fachdidaktischem Wissen und dessen Ausformulierung in Reflexionssituationen zusammenhängt. Hinsichtlich der Aussagekraft bleiben die Quantifizierungen insofern problematisch, als gerade die hierfür notwendige Standardisierung der Items nicht an allen Stellen gleichermaßen realisiert wurde (vgl. Abschnitt 8.3.2.2). So wird beispielsweise nicht an allen Stellen gleichermaßen nach Konkretisierungen oder Beispielen gefragt, sodass die inhaltsanalytische Kategorie „auf Nachfrage“ nicht in allen Interviews gleichermaßen oft vergeben werden kann, weil die Gesprächsführung hier individuell abweicht. Insofern suggerieren manche Äußerungen, die abstrakt bleiben, dass die Studierenden in der Lage wären, konkrete Beispiele zu nennen, wenn entsprechende Nachfragen formuliert worden wären. Die Interviewtexte sind also trotz ihrer prinzipiell stark standardisierten Anlage nicht durchgehend vergleichbar, sodass quantitative Verzerrungen möglich sind, weil mögliche Aussagen in der Kategorie „fachdidaktisches Wissen“ ausgespart bleiben. Insgesamt beinhalten jedoch trotz des unsystematischen Nachfrageverhaltens mehr Textstellen Reflexionen „auf Nachfrage“ als „spontane Reflexionen“, sodass das quantitative Verhältnis der beiden Subkategorien – weniger spontanes, mehr reaktives Reflektieren – vom Problem des Nachfrageverhaltens unberührt bleibt. Es ist davon auszugehen, dass bei konsistenterem Nachfrageverhalten zwar die Anzahl reflexiver Passagen insgesamt angestiegen wäre. Die Feststellung, dass Reflexion kein ‘Automatismus’ ist und sich primär über interaktive Aushandlung einstellt, bleibt davon jedoch unberührt. Auch wird die Beobachtung, dass zahlreiche Textstellen uncodiert bleiben, rückblickend zwar einerseits als Schwäche des Interviewtyps gedeutet, andererseits – da durchaus analysierbare Textstellen vorhanden sind – dahingehend interpretiert, dass reflexive Äußerungen generell und fachdidaktisch fokussierte reflexive Äußerungen speziell weitaus seltener als vermutet getä-

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tigt werden. Dennoch sollten in Anschlussarbeiten andere Erhebungsinstrumente – insbesondere offenere Interviewformate – eingesetzt werden, um das hier vorliegende Datenmaterial zu ergänzen und auszudifferenzieren. Hierfür erscheinen vor allem Erzählimpulse wichtig, die geeignet erscheinen, episodisch Erinnertes zu evozieren und der Analyse zugänglich zu machen. In diesem Sinne können stärker erzählende Texte weiter vertiefende Zugriffe auf implizite Theorien der Studierenden erlauben, die in der hier geleisteten Analyse nur punktuell angedeutet wurden. 12.2.1 Isolierte Elemente von Professionalität als Aspekt der Reichweite der Studie Die vorliegende Studie fokussiert mit dem Konzept fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz einen isolierten Teilaspekt professioneller Kompetenz. Dieser wurde bewusst gewählt, um zu differenzierten Aussagen über einen bislang kaum fokussierten Aspekt von Praxisphasen gelangen zu können. In Abschnitt 6.1 wurde bereits auf die Probleme solcher Isolierungen hingewiesen. Zwar konnten über den Abgleich mit anderen Arbeiten (vgl. Abschnitt 10) die Ergebnisse in größere Kontexte eingebettet werden, und ihre Übereinstimmung mit den Ergebnissen ähnlich angelegter Arbeiten in vergleichbaren hochschuldidaktischen Kontexten verstärkt ihre Validität. Dennoch ist die Reichweite der Arbeit insofern beschränkt, als sie die Frage, welcher Zusammenhang zwischen Reflexivität und Professionalität im fremdsprachendidaktischen Kontext besteht und wie relevant dieser Zusammenhang beispielsweise für die Beantwortung der Eignungsfrage ist, nicht beantworten kann. Praktika wird auch die Funktion zugeschrieben, die Eignung für den Lehrberuf zu überprüfen bzw. für entsprechende Aspekte zu sensibilisieren. Unter dem Aspekt übergeordneter Persönlichkeitsmerkmale erscheint es fraglich, ob fachdidaktisch orientierter reflexiver Handlungskompetenz die Aussagekraft zukommt, die in dieser Arbeit für Professionalität angesetzt wird: Wenn man davon ausgeht, dass weite Teile der Lehramtsstudierenden psychologische Profile aufweisen, die beispielsweise mit Kriterien von „Lehrergesundheit“ kollidieren (vgl. Schaarschmidt 2004), stellt sich durchaus die Frage, inwieweit der hier untersuchte Teilbereich überhaupt

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relevant gesetzt werden kann. Auch in diesem Kontext wären Anschlussarbeiten denkbar, die den hier untersuchten Aspekt reflexiver Handlungskompetenz mit umfassenderen Modellen zu Lehrer*innenidentität, -persönlichkeit oder -rollen abgleichen. Die berufliche Identität von Fremdsprachenlehrkräften (vgl. z.B. Caspari 2003; Haack 2018; Valadez-Vazquez 2014) ist generell ganzheitlich zu verstehen. So theoretisiert auch das Zwiebelmodell von Korthagen (2009) Schichten von Professionalität, die in einer Repräsentation ‘von außen nach innen’ eher Oberflächen- bzw. eher tieferliegende Aspekte professioneller Identität ausdifferenzieren (vgl. Abschnitt 3.4). Man könnte die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit dahingehend kommentieren, dass die Fragen nach Beliefs, Identity und Mission (vgl. Meijer/Korthagen/Vaselos 2009: 299) ausgeklammert bleiben und daher das beschriebene Handeln bezuglos und gewissermaßen technokratisch bleibt. Auf Verbindungen zu anderen Ebenen professioneller Identität verweisen Textstellen in den Interviews, die mit dem Kategoriensystem zur fachdidaktischen Handlungskompetenz nicht immer belegt werden können. Sie wurden nicht in die Analyse einbezogen, weil sie nicht unmittelbar zum engeren Erkenntnisinteresse der fachdidaktisch orientierten Theorie-Praxis-Verbindung entsprechen, obwohl sie für Professionalisierungsprozesse und die subjektiven Theorien der Studierenden von erheblicher Relevanz sein dürften. Diese Textstellen sollten bei Anschlussstudien berücksichtigt und hinsichtlich der impliziten Überzeugungen zu Professionalisierungsprozessen ausgewertet werden. 12.2.2 Selbstbeobachtung der Forscherin: Rollenkonflikte und Wahrnehmungsveränderung als Aspekt der Reichweite der Studie Der hier gewählte methodische Ansatz erlaubt nicht nur den Einblick in die Reflexionen der Interviewten. Sowohl die Gespräche selbst als auch die distanzierte Bearbeitung der Transkripte ermöglichen ebenso Reflexionen – im Sinne von Perspektivenwechseln und Distanznahmen – der Forscherin selbst. Es stellt sich ein neuer, verfremdeter Blick auf die eigene Wahrnehmung ein, der punktuell auch die eigenen normativen Bezugspunkte bei der Datenauswertung bewusst macht. In einigen Fällen sind Wertungen im Nachhinein hin-

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terfragt worden, die die ersten Lektüren des empirischen Materials stark bestimmt hatten, in ihrer Perspektivität jedoch nicht expliziert wurden. Bereits in der ersten Auswertung war auf das Problem eigener „blinder Flecken“ hingewiesen worden (vgl. Schädlich 2015: 124). Der Versuch, möglichst genau und intersubjektiv nachvollziehbar auch die eigenen Reflexionsprozesse sowohl hinsichtlich inhaltlich-thematischer Aspekte als auch hinsichtlich der methodischen Entscheidungen im Text zu repräsentieren, hat punktuell zu reframings auch meiner eigenen Vorannahmen und impliziten Bewertungen geführt. Kuckartz schreibt der methodischen Stringenz qualitativer Inhaltsanalysen zu, diese würden vor der „Suggestion des Einzelfalls“ (Kuckartz 2012: 77) bewahren, weil das gesamte Material einbezogen wird und so Schlussfolgerungen, die eigentlich nur auf isolierten Einzelbeobachtungen beruhen, minimiert werden. Dies konnte im Prozess der Auswertung an mehreren Stellen bestätigend beobachtet werden. Sowohl die Arbeit mit quantitativen Tendenzen als auch Beobachtungen zu Zusammenhängen zwischen einzelnen inhaltlichen Aspekten sind davon betroffen. Als Beispiel mag die Darstellung und Thematisierung konkreter zeitlicher ‘Taktungen’ bei Unterrichtsplanungen und Beobachtungen dienen: Dieses Thema beschäftigt die Studierenden dominant, ich selbst habe es hingegen eher als untergeordnetes Problem gewertet. Das (noch fehlende) ‘Gespür für die Zeit’ stellte in meiner Wahrnehmung ein typisches ‘Anfängerproblem’ dar, das sich durch Erfahrungen mit länger begleiteten Lerngruppen nivelliert und als Reflexionsfokus für die Praktika eher nicht von Belang ist. Auch habe ich das mehrfach formulierte Bedürfnis von Studierenden nach zeitlichen ‘Vorgaben’ stark als Hinweis auf einperspektivisch-lineare Reflexion wahrgenommen, als ‘rezeptologischen’ Wunsch und Unfähigkeit, sich auf adaptiv orientierte zeitliche Flexibilität im Unterricht einzulassen. Im Prozess der Auswertung hat sich diese Vorstellung insofern differenziert, als einige Reflexionen in der Kategorie „Stimmigkeit der Unterrichtsplanung“ übergeordnete methodischdidaktische Probleme erkennen lassen (vgl. Abschnitt 9.2.3.3), sodass eine

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Diskussion, die sich (vordergründig) den zeitlichen Prioritäten widmet, gerade aufgrund des konkreten Problems geeignet erscheint, Reflexionsprozesse über grundlegende methodisch-didaktische Fragen anzustoßen. 12.3 Grenzen der Inhaltsanalyse und Ausblick auf Anschlussarbeiten: Narration, Interaktion, Situation Methodisch orientiert sich die vorliegende Studie am Verfahren der Qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Kuckartz 2012). Zwar konnten über die entwickelten Kategorien wichtige Elemente einer Interimsdidaktik rekonstruiert werden, die Aufschluss über reflexive Handlungskompetenz geben. Der inhaltsanalytische Zugriff hat auch dazu beigetragen, das Konstrukt zu modellieren und empirisch-qualitativ auszudifferenzieren. Damit ist vor allem für die romanistische Fremdsprachen- und Lehrer*innenforschung ein Beitrag geleistet worden, der auch darin besteht, Parallelen zu bereits vorliegenden Arbeiten auch aus anderen fachlichen Zusammenhängen festzustellen und diese auf diese Weise zu validieren. Problematisch bleiben jedoch einzelne Aspekte des methodischen Vorgehens, die im Vorfeld nicht ausreichend bedacht wurden, sodass sich im Forschungsprozess selbst Entscheidungssituationen oder ‘Überraschungen’ aus dem Material ergeben haben. Dabei erschien es sinnvoll, im Prozess wietere methodische Arbeitsschritte zu integrieren, die im Vorfeld nicht antizipiert wurden. Dies wird vor allem in den Analysen der Cluster deutlich. Hier spielen sequenz- und narrationsanalytische Zugriffe eine Rolle, die zunächst nicht geplant waren. Diese Entscheidungen bewegen sich im grundsätzlichen Dilemma qualitativer Forschung, sich einerseits unvoreingenommen auf das Material einzulassen, andererseits aber einem systematischen und ex ante explizierten methodischen Zugriff, der einen gegenstands- und datenangemessenen Erkenntnisgewinn verspricht, konsequent zu folgen. Das Verlassen des zunächst angesetzten methodischen Vorgehens der Inhaltsanalyse ist einer Reaktion auf das Material geschuldet, das Fragen aufwirft, die sich mit inhaltsanalytischen Zugriffen nicht beantworten lassen, die aber aussagekräftig hinsichtlich einer Ergänzung der übergeordneten Fragestellung erscheinen.

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In forschungsmethodischer Hinsicht erweist sich der Anspruch, reflexive Handlungskompetenz durch die Definition von Reflexivität sowie den Versuch der Modellierung deklarativer Wissensanteile identifizierbar zu machen, rückblickend als problematisch oder zumindest unzureichend. Vor allem die Differenzierung des Konstrukts reflexiver Handlungskompetenz als situatives und textsortenabhängiges Phänomen verweist kategoriale Herangehensweisen in deutliche Grenzen. Vor allem die Interpretationen des interaktionalen Prozesses (vgl. Abschnitt 9.3) haben diesen Aspekt sichtbar gemacht. Für weitere Arbeiten sollte dieses Problem dahingehend in methodologische Entscheidungen einfließen, dass Reflexivität als grundsätzlich nicht von einer Reflexionssituation unabhängige Kompetenz angesetzt wird. Vielmehr sollte sowohl in der Anlage der Datengewinnung als auch im methodischen Zugriff zur Analyse die Frage fokussiert werden, wie die Reflexionssituation selbst die Transformation des Wissens und die Reflexivität diskursiv hervorbringt. Hierfür können die inhaltsanalytischen Auswertungen der vorliegenden Arbeit als aussagekräftige Vorstrukturierung verstanden werden, die in der Analyse weiterer reflexiver Texte ausdifferenziert werden können. Das Augenmerk sollte dabei von vornherein auf die Prozesshaftigkeit der reflexiven Handlung und ihren Kontext (Wer reflektiert in Reaktion auf welche Situation oder Aufgabe in welcher Art und Weise?) gelegt werden. Hierfür sind zum einen offenere Gesprächskontexte, zum anderen stärker auf den Verlauf selbst ausgerichtete und sequentiell statt kategorial codierende Verfahren der Auswertung nötig. Obwohl das Forschungsinstrument (vgl. Abschnitt 8.1.2) so angelegt war, dass die Begründungsteile und Nachfragen episodische Passagen hervorbringen konnten, erscheint die Art von Interviews, die hier eingesetzt wurde, kaum geeignet, Fallerzählungen systematisch zu evozieren. Weitere Arbeiten sollten sich entsprechend mit stärker hermeneutischen oder diskursanalytischen Verfahren den spezifischen Modi der Versprachlichung reflexiver Prozesse zuwenden und für diese angemessene Erhebungsinstrumente einsetzen. In Folgeprojekten könnte die Annahme weiterverfolgt werden, dass Reflexion je nach Rahmung (beispielsweise im Uniseminar, während des

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Praktikums selbst, in informellen Kontexten oder bei Prüfungen) und Textsorte (beispielsweise in Klausuren, Portfolios, Lerntagebüchern, Diskussionen, Feedbackgesprächen) an verschiedene Modi der Versprachlichung und Bedeutungsaushandlung gebunden ist. Hier könnten beispielsweise eher monologische versus eher interaktionale Versprachlichungen untersucht werden, eher argumentative – z.B. Unterrichtsplanungen – oder eher erzählende – z.B. Problemlöseprozesse – rückblickend einander gegenübergestellt werden. In Abschnitt 9.3 hat sich herauskristallisiert, dass das Erzählen erlebter Episoden als Modus der Reflexion reflexive Handlungskompetenz entsprechend der oben skizzierten Definition am deutlichsten erkennen lässt. Über offene, erzählgenerierende Interviews mit Lehramtsstudierenden könnte ein Korpus an Reflexionserzählungen entstehen, das in der Auswertung nach spezifisch erzähltechnischen Kategorien analysiert wird. Denkbar wären hier beispielsweise Dilemmainterviews, Falldiskussionen, Aufzeichnungen der Feedbackgespräche nach den Unterrichtsbesuchen oder auch die Einbeziehung der Verschriftlichungen in den Portfolios. Auf diese Weise könnten die verschiedenen Elemente des Moduls mit den für sie spezifischen Arten von Reflexion assoziiert werden, woraus sich gegebenenfalls auch typisierende Merkmale von Reflexivität herleiten lassen. Geht man davon aus – und dies legt das hier analysierte Material durchaus nahe –, dass Narrationen über konkrete Fälle der Praxis der Ort sind, an dem reflexive Handlungskompetenz sich diskursiv entwickelt, ergeben sich für Anschlussstudien folgende Konsequenzen: Erstens sollte einer genaueren Bestimmung des Narrativen Aufmerksamkeit beikommen. Dabei können zunächst Aspekte, die den Nexus von Narration und Reflexion im Sinne der hier angesetzten Definition reflexiver Handlungskompetenz modellieren, eine Rolle spielen. Darüber hinaus werden Aspekte episodischen Wissens interessant, die auf implizite, der Reflexion nicht zugängliche Ebenen von Selbstaussagen verweisen. Es kann hier vermutet werden, dass narrative Passagen in besonderer Dichte sowohl explizierende Kompetenzen als auch unterliegende Orientierungen offenbaren, deren Widersprüche für den verstehenden Nachvollzug von Professionalisierungsprozessen – oder deren

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Stagnation – aufschlussreich sind. Methodisch könnten sich Anschlussarbeiten an solchen Verfahren orientieren, die es sich zum Ziel machen, implizite Wissensanteile oder latente Sinnstrukturen zu rekonstruieren, was im Rahmen der vorliegenden Studie zwar angedeutet, aber methodisch nicht systematisiert wurde. Arbeiten, die mit der Dokumentarischen Methode Wissenskonstruktionen von Communities of Practice (vgl. Bloh/Bloh 2016) oder Einstellungen zum forschenden Lernen bei Studierenden (vgl. Feindt/Broszio 2008) zugänglich machen, stellen hier vielversprechende Anknüpfungspunkte dar. 12.4 Selbstzeugnisse als Dilemma der Professionsforschung Die Feststellung, dass Reflexion sowie die Orte und Textsorten ihrer Versprachlichung interdependent sind, verweist zurück auf den eingangs formulierten Anspruch, dem Empiriedefizit der Professionsforschung nunmehr vor allem durch Arbeiten zu begegnen, die über Selbstberichte und -evaluationen hinausgehen (vgl. Hatton/Smith 1995; Cramer 2010: 85). Es stellt sich vor der Feststellung der Interdependenz zwischen Reflexion und Modus der Reflexion, die als Merkmal der Interimsdidaktik ausdifferenziert wurde (vgl. Abschnitt 10.2), durchaus die Frage, ob reflexive Kompetenz überhaupt unabhängig von Selbstzeugnissen erhoben werden kann oder ob diese nicht im Gegenteil der einzig denkbare Zugriff sind, wenn davon ausgegangen wird, dass biographisch verankerte Erfahrung Voraussetzung für Reflexionshandeln ist. Somit würde nicht die Art der Daten kritikwürdig, sondern allenfalls ein mehr oder weniger naiver Ansatz ihrer Auswertung. Das Problem ist hierbei weniger, was die Studierenden über ihre Reflexivität sagen und wie sie diese bewerten, sondern wie diese Aussagen im Prozess der Auswertung mit möglichen Bezugspunkten im Forschungsdiskurs zu Professionalisierungsprozessen in Zusammenhang gebracht werden. Versuche, hierbei latente Strukturen, subjektive Theorien oder Anteile konjunktiven Wissens nachvollziehbar zu machen, erscheinen als möglicher Ausweg aus dem Dilemma. Der Bruch zwischen studentischer Wahrnehmung und einer möglicherweise entgegenlaufenden wissenschaftlichen Bewertung studentischer Aussagen wurde bereits an anderer Stelle (Schädlich 2015) problematisiert. Dennoch stellt

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sich auch hier die Frage abschließender Bewertungen dieser Beobachtung: Die Identifikation unterliegender Strukturen, die als handlungsleitend gelten können, ist gegebenenfalls nicht in allen Situationen gleichermaßen regelhaft und dominant handlungsleitend. Die Inhaltsanalyse und vor allem die Clusterdiskussionen weisen punktuell auf solche unterliegenden Wissensanteile hin. Dies ist vor allem dort der Fall, wo die Studierenden Wahrnehmungen schildern, die auf fachdidaktische Fehlvorstellungen sowie deutliche Widersprüche zu dem, was im Seminar thematisiert wurde, verweisen. Dennoch sind auch diese Wissensanteile nicht als einziger Fluchtpunkt für Handlungen auszumachen, vor dem sich alles stringent synthetisieren ließe. Vielmehr sind sie selbst als situativ und idiosynkratisch zu bezeichnen, werfen also eher die weiterführende Frage ihrer Rekonstruktion in situativ spezifischen Kontexten auf. Wenn Selbstzeugnisse von Studierenden auch grundsätzlich kaum Rückschlüsse auf das tatsächliche Handeln in Praxissituationen zulassen, so liegen im Interviewmaterial doch Erzählungen darüber vor, wie Handlungsalternativen lernerbiographisch zwischen zwei Praktika (im BA und im M.Ed) reflektiert und realisiert werden. Die allzu pessimistische Einschätzung, die sich aus der Perspektive testender Verfahren hinsichtlich der Kompetenzstände und entwicklungen ergibt, kann durchaus relativiert werden. Unter der Prämisse, dass Wissenstransformationen nur dann handlungsleitend sind, wenn sie episodisch verarbeitet in individuelle, lerner- und berufsbiographische Erfahrungen eingebettet sind, können das vorliegende Datenmaterial sowie seine inhaltsanalytische Auswertung als aufschlussreich gelten. 12.5 Forschung zu Praktika stärken: Entwicklungs- und Aktionsforschung Der Widerspruch, dass Praktika von Studierenden scheinbar besser und als hilfreicher bewertet werden, als sie nachweislich sind (vgl. Hascher 2011), konnte auch im Datenmaterial der vorliegenden Studie nachgezeichnet werden: Die Interviews mit den Studierenden, die zwar reflexive Handlungskompetenz offenbaren, parallel dazu jedoch von widersprüchlichen Einstellungen und Wissensanteilen geprägt sind, lassen ein ambivalentes Bild entstehen. Zwar legen zahlreiche Passagen den Schluss nahe, dass Praktika

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durch systematisch gesteuerte Lerngelegenheiten, Feedback und Reflexionsaufgaben professionalisierend wirken können. Gleichzeitig jedoch geht aus den Interviews auch hervor, dass von einer unmittelbaren Wirksamkeit sowohl inhaltlicher Schwerpunkte als auch der handlungsbezogenen Arbeitsformen nicht ausgegangen werden kann (vgl. Abschnitt 10.3). Welche hochschuldidaktischen Konsequenzen aus dieser Ambivalenz gezogen werden könnten, wurde bereits oben (Abschnitt 11) ausgeführt. Für Forschungsarbeiten wurden ebenfalls Ansätze skizziert, die darauf abzielen, die hier konstatierte Ambivalenz noch detaillierter beschreibbar zu machen und dabei narrative, interaktionale und situative Bedingungsfaktoren von Reflexion stärker zu berücksichtigen (vgl. Abschnitt 12.2). Darüber hinaus erscheinen Forschungsansätze lohnenswert, die sich an der Schnittstelle von hochschuldidaktischer Praxis und empirischer Professionsforschung verorten. In den letzten Jahren wurden vermehrt Konzepte und Realisierungsformen von Praktikumsveranstaltungen implementiert, die auf die oben formulierten Probleme und Desiderate reagieren und reflexive Prozesse systematisch anzuleiten versuchen, beispielsweise durch neue Formate wie Praxissemester. Die Praktika in lehrerbildenden Studiengängen unterliegen somit selbst starken Veränderungsprozessen. Wenn Gabel (1997) in einer der ersten Studien zum „Lehren und Lernen im Fachpraktikum Englisch“ Mitte der 1990er Jahre zum ernüchternden Ergebnis eines eklatanten Bruchs zwischen „Wunsch und Wirklichkeit“ gelangt, so mag dies auch damit zu tun haben, dass die Praktika selbst vor zwei Jahrzehnten in Konzeption und personeller Ausstattung kaum so ausgefeilt realisiert wurden, wie dies heute an vielen Universitäten der Fall ist. Sowohl im hier geschilderten Modul als auch in anderen empirisch beforschten Konzepten werden Theorie-Praxis-Rückkopplungen stark fokussiert und deren Herstellung auch eingeübt. Notwendig erscheinen in diesem Kontext vor allem weiterhin präzise Beschreibungen hochschuldidaktischer Konzepte und Dramaturgien, die mit dem Nachvollzug der Kompetenzentwicklung rückgekoppelt werden, sowie universitär verankerte, hochschuldidaktische Aktionsforschungsprojekte. Als Beispiel für einen solchen Ansatz im Kontext der Fremdsprachendidaktik kann das

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„Bremer Schulbegleitforschungsprojekt Projekt zu Lernaufgaben im Französisch- und Spanischunterricht der Sekundarstufe I“ (Bechtel 2015) angeführt werden: Bechtel hat mit Studierenden des romanistischen Master of Education der Universität Bremen und Lehrkräften der Schulpraxis Szenarien kollaborativer Aktionsforschung entwickelt. Dabei wurde der Bereich der Aufgabenorientierung ins Zentrum gestellt, zu dem es bislang wenig empirische Arbeiten im deutschen Bildungssystem gibt. Das Projekt zielt sowohl auf die Entwicklung reflexiver Kompetenzen mit fremdsprachendidaktischem Fokus als auch auf die forschungsmethodische Qualifizierung der Studierenden, die Praxistheorien über systematische Datenerhebung generieren sollen. Während das bei Bechtel ausgearbeitete Szenario Entwicklungsforschung mit dem Ziel der Professionalisierung angehender Fremdsprachenlehrkräfte fokussiert, sind Evaluationsstudien im hochschuldidaktischen Kontext auf die Ebene der Lehr-/Lernprozesse im Uniseminar bezogen. Kuckartz et al. (2008) interessieren sich unter dem Schlagwort „Qualitative Evaluation“ für Formate, die universitäre Lehrveranstaltungen qualitativ erforschen – beispielsweise im Sinne einer differenzierenden Ergänzung der standardisierten quantitativen Verfahren von EvaSys53 oder ähnlichen Instrumenten. Im Sinne der Aufarbeitung des Rollenkonflikts zwischen Dozentin und Forscherin – der sicherlich als struktureller ‘Normalfall’ hochschuldidaktischer Aktionsforschung angenommen werden kann – sind Arbeiten wünschenswert, die sich der Frage der Professionalisierung und Professionsverständnissen derer zuwenden, die Lehrer*innenbildung gestalten und erforschen. 12.6 Berufsbiographische Entwicklung fachdidaktischer reflexiver Kompetenzen: Ausblick auf die dritte Phase des Projekts Das Projekt verfolgt drei Leitfragen, die zur Erforschung des Praktikumsmoduls über einen längeren Zeitraum hinweg fokussiert werden (vgl. Abschnitt 53

EvaSys ist ein automatisiertes Feedbacksystem für Prozesse von Qualitätsmanagement in Organisationen (nähere Informationen unter der URL https://www.evasys.de/start seite.html). Die Universität Göttingen nutzt das System zur Evaluation von Lehrveranstaltungen.

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6.1 sowie Schädlich 2016). Während die Binnensicht der Studierenden (Forschungsfrage 1) in einem umfangreichen Aufsatz zugänglich gemacht wurde und sich der vorliegende Band dem Nachvollzug reflexiver Handlungskompetenz (Forschungsfrage 2) widmet, beziehen sich Folgeinterviews und ihre Auswertung auf die Problematik der berufsbiographischen Entwicklung von Einstellungen zum Theorie-Praxis-Verhältnis (Forschungsfrage 3). Bereits die ersten Arbeiten aus den 1970er Jahren, die sich empirisch dem berufsbiographischen Nachvollzug von Professionalisierungsprozessen widmen, konstatieren Brüche zwischen den verschiedenen Phasen sowie Veränderungen in den Einstellungen und Bewertungen einzelner Ausbildungsabschnitte durch angehende und erfahrene Lehrkräfte. Das Phänomen der „Konstanzer Wanne“ (vgl. Wirtz 2014: 870) – als Praxisschock junger Lehrkräfte, die ihre im Studium aufgebauten Einstellungen und Ambitionen beim Einstieg in den Beruf aufgeben und erst nach längerer Zeit wieder ‘reaktivieren’ – wird auch in jüngeren Arbeiten immer wieder bestätigt; Hascher (2006) und Weyland (2012: 55) führen hierzu aus, dass auch universitäre Praxisphasen zu späteren biographischen Zeitpunkten anders wahrgenommen werden. Die Bedeutung, die Studierende diesen Phasen zuschreiben, scheint im biographischen Verlauf eher abzunehmen. Der in frühen Ausbildungsphasen zunächst als dringlich wahrgenommene Kontakt mit der Praxis wird in späteren Phasen relativiert. Die mögliche Veränderung der eigenen Wahrnehmung wird auch in den Interviewtexten der vorliegenden Studie thematisiert: Sie scheint nicht nur ein Muster langfristiger biographischer Entwicklungen zu sein, sondern lässt sich bereits ‘im Kleinen’ auch in den Interviewtexten dieser Studie erkennen. Bezogen auf reflexive Prozesse und Selbstveränderungen werden ‘VorherNachher’-Differenzen mehrfach formuliert, ex post werden einzelnen Elementen des Moduls veränderte Zuschreibungen assoziiert (vgl. auch Schädlich 2015: 275). Dabei reflektieren die Studierenden bereits im Praktikumsmodul die Möglichkeit, dass sich ihre Wahrnehmung mit der Zeit verändern kann. Hier reflektieren sie selbst die Situationsgebundenheit und spezifische Perspektivität ihrer Selbstwahrnehmung.

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Bereits in der – gesehen auf die gesamte Berufsbiographie – kurzen Phase des Praktikumsmoduls lassen sich Veränderungen von Einstellungen beobachten, was auch bei Warneke (2006) und Haack (2017) bestätigt wird. Wie jedoch längere Verläufe von Einstellungsveränderungen und TheoriePraxisreflexionen zu beschreiben wären, ist noch kaum erforscht, sodass Langzeitstudien wünschenswert erscheinen, welche die Einstellungen und deren Veränderung von Studierenden im berufsbiographischen Verlauf nachvollziehen. Als Anschlussprojekt mit der Gruppe der Studierenden, die für die hier vorliegende Studie interviewt wurden, kommen Stimulated-Recall-Interviews zum Einsatz, die ab 2017 durchgeführt werden. Die ehemaligen Studierenden – die zum Zeitpunkt des zweiten Interviews das Referendariat absolviert haben und über erste Jahre Erfahrung als Französischlehrkräfte verfügen – sollen einzelne Passagen des Interviews zum Fachpraktikum erneut anhören und rückblickend kommentieren. Gerahmt wird der stimulated recall durch eine biographische Narration, die den Werdegang über die verschiedenen Ausbildungsphasen hinweg versprachlicht.

13 Zusammenfassung Der „Mythos Praxis“ (vgl. Hascher 2011), die ernüchternden Ergebnisse zahlreicher empirischer Arbeiten zur Wirksamkeit von Praxisphasen (vgl. Gasser/ Suter/Bühler 2014; Weyland 2012; Gabel 1990; Lunkenbein 2012; Roters 2012; Schüpbach 2007) standen am Anfang der Auseinandersetzung mit den Fachpraktika des Fachs Französisch im Göttinger Master of Education. Die vorliegende Studie hat über Interviews mit Studierenden deren Wahrnehmung und Bewertung des Moduls zum Fachpraktikum erarbeitet (vgl. Schädlich 2015) sowie mit der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse die Identifikation und inhaltliche Ausdifferenzierung studentischer fachdidaktischer reflexiver Handlungskompetenz als Interimsdidaktik ermöglicht. In den einleitenden Kapiteln dieser Arbeit wurde das Theorie-PraxisVerhältnis dahingehend problematisiert, dass Praxis nicht als ‘Anwendung von Theorie’ gefasst werden kann, weil Theorie und Praxis unterschiedliche Wissenstypen berühren und daher prinzipiell inkompatibel bleiben müssen (vgl. Abschnitt 2). Dennoch wurde für die Gestaltung des Praktikumsmoduls und den methodischen Ansatz zur Identifikation reflexiver Handlungskompetenz davon ausgegangen, dass reflexive Bezugnahmen der Wissenstypen aufeinander Professionalisierungsprozesse begünstigen können (vgl. Abschnitt 3) und dass es aus diesem Grund lohnend ist, diese Bezugnahmen hochschuldidaktisch als Lerngelegenheit zu konstruieren und unter forschender Perspektive die Versprachlichung von Wissen sowie die Art ihrer reflexiven Verarbeitung zu beobachten (vgl. Abschnitt 7). Die auf Interviews basierende qualitative Inhaltsanalyse hat gezeigt, dass Reflexionen, die fachdidaktische deklarative Wissensbestände mehrperspektivisch-zyklisch mit eigenen Praxiserfahrungen assoziieren, differenzierte Beschreibungen unterrichtlicher Handlungssituationen sowie die Formulierung von Handlungsalternativen ermöglichen. Diese Fähigkeit wurde im Kontext der hier erarbeiteten Definition als Merkmal reflexiver Handlungskompetenz angesetzt (vgl. Abschnitt 7.2) und kann in den Interviewtexten nachvollzogen werden. Hier war sie als mehrperspektivisch-zyklische Reflexion von einperspektivisch-linearen Refle-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2_13

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Zusammenfassung

xionen abgegrenzt worden. Die Opposition basiert auf der Synthese verschiedener theoretisch-konzeptioneller sowie auch empirisch gestützter Annahmen zu Professionalisierungsprozessen. Diese wurden zudem mit den institutionellen Bedingungen und hochschuldidaktischen Verfahren, die im Kontext von Praktika relevant sind, zusammengebracht (vgl. Abschnitte 3, 4 und 7). Inwieweit reflexive Praktika wirksam sind, bleibt in diesem Ansatz mangels der Arbeit mit einer Vergleichsgruppe unbeantwortbar. Gezeigt werden konnte jedoch, dass Studierende in Interviews über Praxiserfahrungen reflexive Theoriebezüge herstellen (vgl. Abschnitte 8 und 9), welche die Vorstellung vom allein „unterrichtspragmatischen Anspruch von Studierenden“ (Weyland 2012: 6) stark relativieren. Gleichzeitig konnten jedoch parallel zu diesen Reflexionshandlungen Persistenzen konkurrierender subjektiver Theorien herausgearbeitet werden, die den Reflexionen konterkarierend entgegenstehen. Diese Ambivalenz, die im Begriff der Interimsdidaktik systematisiert wurde, ist aufschlussreich hinsichtlich des Nachvollzugs handlungsrelevanter Reflexionsprozesse in einer bislang kaum empirisch erschlossenen Domäne der Professionsforschung (vgl. Abschnitt 10), nämlich der Fremdsprachendidaktik und -forschung. Sowohl die Kompetenzen als auch die Widersprüche, die sich in den Reflexionen der Studierenden nachzeichnen lassen, tragen zur empirischen Ausdifferenzierung der häufig schlagwortartig verkürzten und polarisierend wertenden Dichotomie von universitärem Reflexionsanspruch versus studentischem Wunsch nach ‘Rezeptologie’ bei. Während standardorientierte und skalierende empirische Messungen den Studierenden häufig mangelnde Kompetenz bescheinigen und hier Lücken identifizieren, die professionalisierende Formate der universitären Lehrer*innenbildung füllen sollten, kann die vorliegende Studie zur genauen Beschreibung reflexiver Prozesse beitragen: Das methodische Vorgehen der Inhaltsanalyse mit der kategorialen Differenzierung in einperspektivisch-lineare und mehrperspektivisch-zyklische Reflexion, die an die Mobilisierung fachdidaktischer Wissensinhalte gebunden ist, ermöglicht es, handlungsleitende Repräsentationen domänenspezifischen Wissens nachzuvollziehen und Anteile von Kompetenz sowie hinderliche Elemente gleichermaßen und punktuell sogar in ihrer Interdependenz zugänglich zu machen.

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Das gewählte methodische Verfahren hat es durch den Gebrauch eines einfachen Kategoriensystems erlaubt, reflexive Handlungskompetenz zu identifizieren, erstens in quantitativer Hinsicht, was die Proportionen der Kategorien und Subkategorien angeht. Zweitens haben die Detailanalysen es ermöglicht, sowohl den Nexus von Reflexionsmodus und fachdidaktischem Wissen genauer zu beschreiben als auch die Art der Reflexion in einem bestimmten Kontext nachzuvollziehen. Die Analysen legen damit den Fokus auf eine deskriptive Ebene des Nachvollzugs von Kompetenz und nicht auf deren Bewertung oder Skalierung. Vielmehr sollten die Bereiche, in denen messende Verfahren häufig Defizite konstatieren – z.B. zu wenig kritische Reflexion oder zu personalisierende Praxiserzählungen – zugänglich gemacht werden und das Augenmerk auf das gelegt werden, was die Studierenden in ihren Reflexionen tun und nicht auf das, was sie nicht oder zu wenig tun. Durch die Inhaltsanalyse konnten differenzierte Schilderungen von theoretisch angebundenen Erfahrungen im Praktikum im Interviewmaterial nachvollzogen werden. Diese erlauben eine Differenzierung sowohl des Prozesses der Reflexion (vgl. Abschnitt 9.1) – wie werden Theorie-Praxis-Verbindungen von Studierenden im Praktikum hergestellt? – als auch der fachdidaktischen Themen, die hierbei eine Rolle spielen – worüber wird konkret fremdsprachendidaktisch reflektiert? – und auf unterliegende Repräsentationen des Fachs verweisen (vgl. Abschnitt 9.2 und 9.3). Dieser differenzierte Nachvollzug von Reflexionsstrategien hat die Abstraktion einer Interimsdidaktik ermöglicht, die reflexive Kompetenz von Studierenden im Praktikum nicht skalierend bewertet, sondern in ihrer Eigenart deskriptiv ausdifferenziert. Die Interimsdidaktik bestätigt und differenziert Grundannahmen zu reflexiven Prozessen und wird hier in antinomischen Strukturen beschrieben (vgl. Abschnitt 10), die sich auf die Opposition von Reflexion versus Habitualisierung, die Situativität der Wissensverarbeitung und deren mittelbaren Charakter sowie die Kontingenz fachdidaktischen Wissens beziehen. Die Interviewtexte geben zusammenfassend Aufschluss darüber, wie die Opposition „blinde Routinen“ versus „theoretische Reflexion“ zu differenzieren wäre, sodass sie sich bei näherer Betrachtung beinahe auflöst, und zwar

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dadurch, dass die Reflexionsmodi, die hier als oppositionell angesetzt wurden, als komplementär erscheinen. So lassen sich jeweils Anteile der vermeintlichen ‘Opposition’ in Aussagen erkennen, die als einperspektivischlinear oder mehrperspektivisch-zyklisch reflektierend codiert wurden (vgl. Abschnitt 10.1). Reflexive Handlungskompetenz bedeutet in diesem Sinne also nicht die Abwesenheit einperspektivisch-linearer Reflexion, sondern vielmehr die stringente Integration einperspektivischer Anteile in grundsätzlich zyklisch und perspektivwechselnd verfasste Reflexionsprozesse. „Blinde Routinen“ werden hingegen in solchen Textstellen deutlich, wo die Studierenden einen ausschließlichen Verbleib in einer Praxis schildern, welcher alternativlose Autorität zugeschrieben wird. Es ist in der Auswertung des Moduls sowohl aus der Binnensicht der Studierenden als auch beim Versuch der Identifikation reflexiver Handlungskompetenz deutlich geworden, dass sich fachdidaktische Reflexionen in der hier angesetzten hochschuldidaktischen Konzeption des Moduls nachweisen lassen. Dass sie nicht immer ‘automatisch’ auf den Plan treten, sondern stark an einen Dialog – sei es in der Seminaroder Feedbacksituation selbst, sei es auf einer anderen Ebene in einer Forschungssituation, wie hier im Kontext der Interviews – gebunden sind, ist ebenfalls deutlich geworden (vgl. Abschnitt 10.2). Trotz der Fokussierung auf spezifische Fragen und Beobachtungskriterien zum fremdsprachlichen Lehren und Lernen in der didaktischen Anlage des Praktikumsmoduls sind und bleiben die entsprechenden Reflexionsprozesse kein ‘Selbstläufer’. Sie ergeben sich nur bedingt aus den Aufgaben, die sie nahelegen oder explizit einfordern. Sie müssen in ihrem diskursiven Entstehen durch eine Lehrperson initiiert und begleitet werden. Was die Auswertung jedoch darüber hinaus auch deutlich gemacht hat, ist eine Problematisierung des Anspruchs, sozusagen wert- und emotionsfreie Reflexionsprozesse erzeugen oder empirisch nachweisen zu wollen. Die häufig als lediglich ‘Ich-bezogene’, subjektive Auseinandersetzung mit Erfahrungen im Praktikum (vgl. Lührmann 2002) als unzureichend zu qualifizieren, wurde in den Auswertungen dahingehend relativiert, dass emotionale Involviertheit auch als Auslöser reflexiver Prozesse beobachtbar wurde und

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subjektive Wertungen auch den Fluchtpunkt in Reflexionserzählungen und narrativen Selbstkonstruktionen der Studierenden darstellen. Paradoxerweise ist also das, was zu Beginn für mich als Problem und Motivation für die vorliegende empirische Arbeit an den Praktika stand, im Forschungsprozess umgewertet und sogar mit den spezifischen Zielen in Übereinstimmung gebracht worden. Bei aller Einschränkung, was sowohl die Repräsentativität als auch den Kausalzusammenhang zwischen hochschuldidaktischer Anlage und Kompetenzentwicklung betrifft, legen die Ergebnisse der Arbeit nahe, dass Praxisphasen, die durch starke Theoriebezüge und aufgabenbasierte, prozesshaft angelegte Reflexionen gerahmt werden, zur Professionalisierung beitragen können. Dies gilt nicht für alle Studierenden gleichermaßen, und nicht alle profitieren in gleicher Weise von diesem Angebot. Es ist in den Interviews deutlich geworden, dass Studierende in reflexiven Texten eine Vielzahl sich überschneidender Reflexionsmodi ‘anstimmen’, dass sehr disparate Wissensbereiche auf den Plan gerufen und in unterschiedlicher Tiefe verarbeitet werden. Die Analysen der Interviews haben dazu beigetragen, Theorie-Praxis-Relationen beschreibbar zu machen und zu zeigen, wie disparate Wissensbereiche diskursiv integriert werden, obwohl die Annahme der Unmöglichkeit der ‘Anwendung’ oder ‘Umsetzung’ von Theorien der Studie als Grundüberzeugung unterliegt. Es konnte in zahlreichen Passagen gezeigt werden, dass die Studierenden den Anwendungsbegriff durchaus problematisierend ausführen und dabei perspektivenwechselnd und distanzierend über ihre Erfahrungen im Unterricht sprechen. Gleichzeitig konnte auch herausgearbeitet werden, dass Transformationsbewegungen von Wissen eher den Versuch unternehmen, theoretisches Wissen in der Praxis ‘anzuwenden’ als umgekehrt Probleme der Praxis im Rückgriff auf fachdidaktische Theorien zu bearbeiten, also Praxissituationen aus sich heraus zu verstehen und zu theoretisieren (vgl. Abschnitt 10.3). Die Merkmale und typischen Antinomien der Interimsdidaktik können für die (Weiter-)Entwicklung hochschuldidaktischer Formate für Praktikumsmodule Arbeitsweisen nahelegen, die Fallbezug, Verfahren der diskursiven

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Aushandlung von Gegenstandsmodellierungen sowie die reflektierte Einübung ganzheitlicher Handlungen stärker akzentuieren (vgl. Abschnitt 11.1). Aus den Ergebnissen der Inhaltsanalyse ergeben sich für Anschlussarbeiten weiterführende Fragestellungen und Forschungsdesiderate (vgl. Abschnitt 11.2): Zunächst erscheint es wichtig, umfangreichere Aussagen, die über die Bewertung punktueller Elemente und Lerngelegenheiten des Praktikumsmoduls hinausgehen, zu generieren. Dies kann durch episodische Interviews oder schriftliche Reflexionsaufgaben geschehen. Da auch deutlich geworden ist, dass Reflexion immer nur in dem Kontext, in dem sie getätigt wird, beobachtbar – und letztlich auch skalier- oder bewertbar – ist, sollte ein größeres Augenmerk auf verschiedene Kontexte und die in diesen getätigten Reflexionen gelegt werden. Hierbei erscheinen die Inhalte und Themen fachdidaktischen Wissens sowie ihre Art der Verarbeitung als zu differenzierender Zugriff. Während in der vorliegenden Arbeit in erster Linie Kategorien gebildet und quantifiziert wurden, könnte es in weiteren Studien darum gehen, diese Verbindungen – beispielsweise ausgehend von den Detailanalysen (vgl. Abschnitt 9.3) – interpretativ genauer und systematischer anzusehen. Hierfür erscheinen vor allem induktive Kategoriensysteme oder Ansätze geeignet, die stärker auf atheoretisches Wissen fokussieren (vgl. Bonnet 2012). Sie können dazu beitragen, die im Rahmen dieser Studie geleisteten Vorarbeiten inhaltlich zu differenzieren und neue Kategorien zur Beschreibung spezifisch fremdsprachendidaktischer Reflexion hervorzubringen.

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Anhang Anhang 1: Evaluationsbogen für die Interviews Beispiel für einen Blankobogen zur Datenerhebung: Leitfaden für Studierendeninterviews – dritter Durchgang WS 13_14 und SS 14 Name: ________________________________________________________ Datum: ________________________________________________________ 1.

Wie beurteilen Sie die folgenden Ansätze und Methoden, die im Modul eine Rolle gespielt haben, vor der Zielsetzung der Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz? Setzen Sie auf einer Skala von 1 bis 5 fest, wie förderlich Ihnen die Ansätze erschienen und kommentieren Sie Ihre Angabe.

Skala: sehr förderlich

eher förderlich

weder noch

1

2

3

a) b) c) d) e) f) g) h) i) j)

eher nicht förderlich 4

überhaupt nicht förderlich 5

Micro-Teaching im Seminar (Vorbereitung in der Gruppe, Feedback) Feedbackgespräch nach Unterrichtsbesuch KC-Arbeit Erstellen von Unterrichtsentwürfen Erarbeiten von Literatur zu didaktischen Fragestellungen (KC, FD-Einführungen, vertiefende Studien) Tutorium Portfolio-Arbeit Feedback der Mentoren während des Praktikums Feedback / Austausch mit MitpraktikantInnen während Praktikum Arbeit mit dem EPOSA

Freier Teil: a) Was fanden Sie gut am Praktikums-Modul und was würden Sie sich für die KommilitonInnen der kommenden Masterkohorten wünschen? b) Wie schätzen Sie die Relevanz des Erlernten für das Referendariat und die Tätigkeit als Lehrkraft ein? c) Haben Sie Ergänzungen oder weitere Kommentare?

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Schädlich, Fremdsprachendidaktische Reflexion als Interimsdidaktik, Literatur-, Kultur- und Sprachvermittlung: LiKuS, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04987-2

398

Anhang

Anhang 2: 54 Codes fachdidaktischen Wissens Hier werden die induktiv ermittelten Codes zum fachdidaktischen Wissen aufgelistet. Diese Codes haben sich aus dem ersten Analysedurchgang ergeben und wurden für die endgültige Analyse abstrahierend zusammengefasst und neu kategorisiert (vgl. Abschnitt 8.2.2.1). Die Liste wurde der besseren Lesbarkeit halber alphabetisch angeordnet und basiert auf einer handschriftlichen Notiz, die während des Lesens der Interviewtexte angefertigt wurde.

− − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − −

activités avant/pendant/après (la lecture, l'écoute, le visionnement) Arbeitsaufträge Aufgabenorientierung Binnendifferenzierung Chansons Dramapädagogik Einsprachigkeit Ergebnissicherung Expertenpuzzle Feedback / Lob Fehlerkorrektur Fertigkeiten Filmarbeit Gelenkstellen Gender-Aspekte der GER Grammatische Strukturen Gruppenarbeit Handlungsorientierung In die Schüler hineinversetzen Inhaltsorientierung / Themenauswahl Interkulturalität Kerncurriculum Kompetenzstufung Lehrwerkarbeit Leistungsbewertung Lerneffekt

− − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − −

Literarische Texte Materialauswahl Memorisierung Methodenkenntnis Methodenwechsel Mündlichkeit Operatoren Realia Scaffolding Schreibdidaktik Schülerorientierung Spontane Unterrichtsänderun Sprachkompetenz der Lehrkraft Sprachmittlung Standbild Stationenlernen Stereotype Stimmigkeit der Planung Tafelbild / Folien task cycle Textarbeit Unterrichtsgespräch Unterrichtsstörung Vorwissen / Interessen der Schüler Wortschatzarbeit Zeitmanagement Zielgruppenorientierung

Anhang

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Anhang 3: Fachdidaktische Systematik und exemplarische Kanndeskriptoren des EPOSA

Fachdidaktische Systematik des EPOSA (Newby et al. 2007: 6)

400

Beispielhafte Kanndeskriptoren des EPOSA (Newby et al. 2007: 30)

Anhang

Anhang

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Anhang 4: Handout für die Microteachings Das Handout wurde für die vorliegende Publikation formal leicht überarbeitet. Sek II Gruppe 3: Boulot – carrière – famille (vgl. KMK 2012: 167f.) Leitfragen für die Textanalyse von Je vais bien, ne t‘en fais pas (O. Adam 1999) (KMK 2012: 180) • Welche Inhalte werden in der Aufgabe der Bildungsstandards fokussiert? • Wie verortet sich der Textauszug von Adam? • Welche Kompetenzen stehen im Mittelpunkt? Entwicklung einer Unterrichtseinheit (zwei Sitzungen in Kleingruppenarbeit): • Inhaltlicher Schwerpunkt: Boulot – carrière – famille • Fachdidaktischer Schwerpunkt: Les stéréotypes • Stellen Sie Ziele und den Ablauf knapp in tabellarischer Form dar Verfassen Sie eine Begründung (ca. 2 Seiten), die folgende Bereiche behandelt: • Das Thema aus pädagogischer und fachdidaktischer Sicht • Kritische Analyse des Materials • Kompetenzbezug (Kerncurriculum, fachdidaktische Literatur zum Thema „Interkulturalität/Stereotype“) • Stundenziel als Kannbeschreibung • Beschreibung der Aufgaben und Übungen, Antizipation möglicher Probleme • Bringen Sie Ihre Skizze mit in den Kurs Planung des Microteachings: • Diskussion der verschiedenen Entwürfe, Einigung auf die wichtigsten, interessantesten Punkte • Wer unterrichtet? • Wer erstellt (welches) Material? • Wer bringt welche Materialien/Hilfsmittel mit? • Wer bereitet die Präsentation/Diskussion im Anschluss vor und leitet sie? Präsentation: • Microteaching (20 min.) • Rückmeldungen der „Lehrkraft“ und der „SchülerInnen“ • Diskussion: Kurze Vorstellung des Begründungszusammenhangs (Kurzfassung des Entwurfs) auf Folie oder Handout • Reflexion der fachdidaktischen Schwerpunkte (Text, Thema, Stereotype, Aufgaben)

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Anhang 5: Handout zur Nachbereitungsveranstaltung Georg-August-Universität Göttingen, Seminar für Romanische Philologie Jun.-Prof. Dr. Birgit Schädlich, SoSe 2013 „Unterrichten mit den Kerncurricula Französisch“ Nachbereitungs- und Begleitseminar zum 5-wöchigen Fachpraktikum ⇒ Organisatorisches ⇒ Material in StudIP-Gruppe zur Vorbereitung ⇒ Plenumsdiskussion − Erfahrungsaustausch − Herleitung neuer Fragen / Themen für die weiteren Sitzungen / Konstituierung der Gruppen PAUSE ⇒ „Ad hoc-Hilfen“ zu aktuellen Themen ⇒ Entwicklung von Beobachtungsaufgaben und Planungshilfen ⇒ Vorarbeiten an den neuen Themen Leitfaden Für die Unterrichtsbesuche Bis 16h des Vortages per E-mail: − Genauer Treffpunkt und Zeit (mindestens 10 Minuten vor Unterrichtsbeginn) − Verlaufsskizze Feedbackgespräch im Anschluss an die Stunde − Wenn möglich mit Mentor(in) oder betreuender Lehrkaft sowie Mitpraktikant(in). − Themen: 1. Eigene Belange und 2. Bezug zum Vorbereitungsseminar Leitfaden zur Bearbeitung der neuen Themen (2. und 3. Sitzung)

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Berichten Sie konkrete Erfahrungen zu den Themen (Was habe ich gemacht / beobachtet?) Bringen Sie Material mit (Arbeitsblätter, Texte, Schülerarbeiten) Formulieren Sie Ihre Fragen „entlang“ der Praktikumserfahrung Lesen Sie die Kerncurricula bzw. die recherchierte Literatur und kommentieren Sie Ihre Erfahrungen vor deren Hintergrund. Welche theoretischen Prämissen können Sie in Ihrem Handeln (wieder-)erkennen? Welche neuen Einsichten oder Fragen ergeben sich aus der Lektüre (Kerncurricula und fachdidaktische Literatur)? Welche möglichen Handlungsalternativen ergeben sich aus der Lektüre?

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Anhang 6: Verteilung der Codings bei Studierenden 14 Interviews mit überwiegend mehrperspektivisch-zyklischer Reflexion TN2 15 m-z 10 e-l 5 Nf 1 sp TN5 11 m-z 3 e-l 4 Nf 0 sp TN6 11 m-z 2 e-l 3 Nf 0 sp TN7 14 m-z 8 e-l 3 Nf 8 sp TN9 6 m-z 3 e-l 4 Nf 0 sp TN11 15 m-z 11 e-l 8 Nf 1 sp TN12 13 m-z 6 e-l 4 Nf 1 sp TN13 27 m-z 2 e-l 15 Nf 2 sp TN14 11 m-z 5 e-l 3 Nf 2 sp TN15 9 m-z 8 e-l 0 Nf 3 sp TN16 15 m-z 0 e-l 6 Nf 5 sp TN17 11 m-z 4 e-l 5 Nf 3 sp TN18 16 m-z 4 e-l 6 Nf 5 sp Sonderfall TN4: Interview unvollständig aufgezeichnet: TN4 3 m-z 2 e-l 0 Nf 3 sp 4 Interviews mit überwiegend einperspektivisch-linearer Reflexion TN3 2 m-z 12 e-l 0 Nf 1 sp TN10 4 m-z 16 e-l 2 Nf 0 sp TN8 2 m-z 9 e-l 1 Nf 1 sp TN19 3 m-z 13 e-l 1 Nf 0 sp Sonderfall TN1 TN1 8 m-z 8 e-l 4 Nf 0 sp m-z: e-l: Nf: sp:

mehrperspektivisch-zyklisch einperspektivisch-linear auf Nachfrage spontan

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Anhang 7: Dramapädagogische Übung zum Lehrerhabitus Pantomime – Improvisation 1 : Mettez en scène un cours de français typique sous la forme d’une pantomime. Jouez la scène avec les autres membres du groupe qui réagiront (également en pantomime) spontanément à vos interventions en tant qu‘élèves. Discussion Comment avez-vous perçu cette situation ? (enseignant(e)s et élèves) Décrivez la situation – qu’avez-vous fait, comment avez-vous agi ? Dans quelle mesure les actions correspondent-elles aux principes didactiques que vous considérez comme importants pour un cours de langue ? Pantomime – Improvisation 2 : Lisez l’extrait du roman de jeunesse Kamo l’idée du siècle (Daniel Pennac, 1993) et préparez à deux une mise en scène de M. Margerelle (p. 39-41), M. Crastaing (p. 42-45) et M. Simon (p. 45-53). Jouez la scène avec les autres membres du groupe qui réagiront (également en pantomime) spontanément à vos interventions en tant qu’élèves. Discussion Comment avez-vous perçu cette situation ? (enseignant(e)s et élèves) Décrivez la situation – qu’avez-vous fait, comment avez-vous agi ? Comment les actions correspondent-elles aux principes didactiques que vous considérez comme importants pour un cours de langue ?