Freizeichnung von Schadensersatzansprüchen im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen: Ein Beitrag zur Bedeutung der Organisationspflichten im Zivilrecht [1 ed.] 9783428450909, 9783428050901

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Freizeichnung von Schadensersatzansprüchen im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen: Ein Beitrag zur Bedeutung der Organisationspflichten im Zivilrecht [1 ed.]
 9783428450909, 9783428050901

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KLEANTHIS

ROUSSOS

Freizeichnung von Schadensersatzansprüchen i m Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Berliner

Juristische

Abhandlungen

unter Mitwirkung von

Walter G. Becker, Hermann Blei, A r w e d Blomeyer, Erich Genzmer, Ernst Heinitz, Ernst E. Hirsch, Hermann Jahrreiß, E m i l Kießling, Wolfgang K u n k e l , Richard Lange, Walter Meder, Dietrich Oehler, Werner Ogris, L u d w i g Schnorr von Carolsfeld, E r w i n Seidl, K a r l Sieg, Klaus Stern, W i l h e l m Wengler, Franz Wieacker, Hans Julius W o l f f (Freiburg i. Br.)

herausgegeben von

Ulrich von Lübtow

Band 31

Freizeichnung von Schadensersatzansprüchen i m Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ein Beitrag zur Bedeutung der Organisationspflichten i m Zivilrecht

Von

Dr. Kleanthis Roussos

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1982 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1982 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in GermanyISBN 3 428 05090 8

Αφιερώνεται ατούς γονείς μου

Vorwort Das neue AGB-Gesetz verschärft die Haftung des AGB-Verwenders unter anderem dadurch, daß es seine Möglichkeit der Freizeichnung von der Verschuldenshaftung beträchtlich einschränkt (§11 Nr. 7 AGBG). Allerdings erscheint die grundsätzliche Aufrechterhaltung der Haftungsprivilegien beim Vorliegen leichter Fahrlässigkeit als wenig zufriedenstellend, wie auch die hierzu unternommenen Korrekturversuche zeigen. Die wichtigsten dieser Versuche — immer i m Bereich der Verschuldenshaftung — stellen die „Kardinalpflicht"lehre sowie eine entsprechende Auslegung § 11 Nr. 8 A G B G von einem Teil des Schrifttums dar. Nach dieser Vorschrift soll ein Ausschluß der Haftung für leichte Fahrlässigkeit unzulässig sein, wenn die Vertragsverletzung i m Verzug oder i n der Leistungsunmöglichkeit besteht. Eine zentrale Stellung i n dieser Arbeit nimmt das Problem der sog. D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln ein. Wenn der abhängige Gehilfe dem Kunden einen Schaden zufügt und ein Freizeichnungsverbot des Verwenders nicht i n Betracht kommt, fragt es sich, ob es rechtens ist, den Gehilfen (Arbeitnehmer) ausschließlich und allein haften zu lassen. W i r d dies verneint, so ist noch nicht darüber entschieden, ob dahinter Billigkeitsmotive stehen. Denn es handelt sich um das Eingreifen arbeitsrechtlicher Grundsätze, die den Arbeitnehmer über einen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber vor der Endhaftung entlasten. Dadurch läuft jedoch das Haftungsprivileg des Verwenders leer. I m Hinblick darauf stellt man die Überlegung an, ob man nicht auch den Beschäftigten i n den Haftungsausschluß seines Arbeitgebers einbeziehen sollte. Dabei tauchen aber wiederum Zweifel auf, ob und inwieweit die Richtigkeit dieser Lösung aus dogmatischer Sicht zu bejahen ist. A u f der anderen Seite w i r d hier eine deutliche Entscheidung gegen die Kunden-(Verbraucher)-interessen gefällt. „Eine glättende, technische Vereinfachung" dieses Rechtszustands sowie eine befriedigende Auflösung der komplizierten Interessenverzahnung bieten Hanau und Egon Lorenz an, die dem Arbeitgeber eine direkte und unabdingbare Haftung auferlegen wollen. Die Auffindung der positiv-rechtlichen Grundlage dieser These i m Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen bildet ein Hauptanliegen der vorliegenden Untersuchung. Die wichtigsten Ansätze hierfür bieten die Feststellung, daß das Unternehmen eine Organisationseinheit darstellt, sowie eine entsprechende Auslegung des

8

Vorwort

§ 9 I I Nr. 2 A G B G dadurch, daß die „Kardinalpflichten" als Organisationspflichten identifiziert werden. Die vorliegende Arbeit entspricht nach geringfügigen Änderungen meiner Dissertation, die i m Juni 1981 von dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin angenommen wurde. Herrn Prof. Dr. Georg Thielmann, der die Arbeit betreut hat, bin ich zu aufrichtigem Dank verpflichtet. Er hat m i r immer m i t großer Bereitschaft, fördernder K r i t i k und unermüdlichem Rat nicht zuletzt auch bei sprachbedingten Schwierigkeiten viel geholfen. Herrn Prof. Dr. Dr. FranzJürgen Säcker bin ich ebenfalls für seine K r i t i k sowie für seine wertvollen Ratschläge sehr dankbar. Dankbarkeit möchte ich ferner gegenüber Herrn Prof. Dr. Apostolos Georgiades (Athen) für seine vielfältige Unterstützung zum Ausdruck bringen. Herrn Prof. Dr. Ulrich von Lübtow möchte ich für die Aufnahme der Arbeit i n die „Berliner Juristische Abhandlungen" danken, Herrn Prof. Dr. Johannes Broermann für die Einbeziehung i n sein Verlagsprogramm. Dank gebührt auch der Friedrich-Ebert-Stiftung, welche die Erstellung der Arbeit durch ein großzügiges Stipendium gefördert hat. Schließlich möchte ich meinem Freund und Kollegen Gerd Lukoschik für manchen stilistischen Rat sowie Frau Athinais Papadopoulou für ihre Hilfe bei der Ubersetzung mancher italienischen Literatur danken. Rechtsprechung und Literatur wurden nach Möglichkeit bis Ende Dezember 1981 berücksichtigt. Berlin, Dezember 1981 Der Verfasser

Paragraphen oder allgemeine Vorschriften ohne Gesetzesangabe sind solche des AGB-Gesetzes.

Inhaltsverzeichnis Kapitel

I

Freizeichnungsverbot für leichte Fahrlässigkeit und § 11 A G B G § 1. Freizeichnungsverbot

für

leichte Fahrlässigkeit

u n d § 11 Nr. 8

AGBG

17

I. Selbständiger Rechtssatz oder Auslegungsregel I I . Die Abgrenzung des § 11 Nr. 7 v o m § 11 Nr. 8 A G B G 1. Allgemein zur Vertragsverletzung nach § 11 Nr. 7 A G B G 2. Unmöglichkeit u n d Verzug

17 18 18 19

I I I . Der Anwendungsbereich der Nr. 8

27

I V . Rechtspolitische Aspekte

28

§ 2. Freizeichnungsverbot für leichte Fahrlässigkeit und Mangelfolgeschäden I. Kaufvertrag

29 30

1. Schadensersatzanspruch wegen zugesicherter Eigenschaften (§ 463 Satz 1 u n d § 480 Abs. 2 BGB)

30

2. Schadensersatzanspruch wegen eines arglistig verschwiegenen Mangels oder einer arglistig vorgespiegelten Eigenschaft, § 463 Satz 2 u n d § 480 Abs. 2 B G B

33

I I . Werkvertrag

34

I I I . Mietvertrag

35

1. Mängel beim Vertragsschluß

35

2. Mängel nach dem Vertragsschluß

36

Zusammenfassung

des Kapitels

I

38

10

Inhaltsverzeichnis Kapitel

II

„Kardinalpflicht"lehre und Haftung für Organisationsmängel § 3. Die sog. „Kardinalpflichten" i n der Rechtsprechung

40

I. „Kardinalpflichten" u n d Freizeichnungsgrenze

40

I I . Die seehandels- u n d binnenschiffahrtsrechtliche chung

Rechtspre-

41

1. Schlepptrossenfall

41

2. Autoblechfall

46

3. Kenterfall I

46

4. Kenterfall I I oder Papierrollenfall

49

5. Sojabohnenfall oder Regenablauf rinnenfall

50

6. Rundkornreisfall

52

7. Falschauslieferungsfall

53

8. Rohkaffeefall

54

I I I . Die Rechtsprechung aus anderen Rechtsgebieten

55

1. Frostschädenfall

55

2. Heizölfall

57

3. Pelzmäntelfall

60

4. Ablieferungsinspektionsfall

62

5. Kunststoff-Folienfall

63

6. Sägemaschinefall

66

7. Tankzugfall

67

8. Wagendiebstahlfall

70

9. Filmauslieferungsfall

71

10. F a l l der falschen Gutschrift 11. Auskunfteifälle

73 76

a) A u s k u n f t e i f a i i i

76

b) Auskunfteifall I I

78

c) Auskunfteifall I I I

80

§ 4. Die H a f t u n g f ü r Organisationspflichtverletzungen I. Die H a f t u n g des Verwenders für die Verletzung von „ K a r d i nalpflichten"

81

81

Inhaltsverzeichnis 1. Die Forderung nach einer strengen Haftung

81

2. K r i t i k an Schlossers Standpunkt

82

3. Der Standpunkt von Löwe

84

I I . Die Begründung einer strengen Haftung des Verwenders für die Verletzung von „Kardinalpflichten"

85

1. Die Unterscheidung zwischen „wesentlichen" u n d einfachen Pflichten

85

2. Die Unhaltbarkeit Hauptpflichten

einer

Abstufung

der

86

3. Die Unhaltbarkeit Schutzpflichten

einer

Abstufung

der Neben-

vertraglichen oder

4. Die Elastizität des Schuldrechts als G r u n d f ü r eine „ K a r dinalpflicht" lehre I I I . Abschied von den „Kardinalpflichten" 1. Eine Gesamtbetrachtung der chung. Organisationspflichten

87 89 90

Rechtsprechungsuntersu-

90

2. Die Unterscheidung der Betriebs- von der Vertragsorganisation

93

3. Die „Wesentlichkeit" der Organisationspflichten

95

4. Die Unterscheidung der Organisationspflichten von dem Leistungserfolg

97

5. Eine Parallele zur Anwendung des § 31 B G B u n d zur Haftung des Warenherstellers

98

I V . Unabdingbare Haftung f ü r die Verletzung von Organisationspflichten de lege lata

101

1. Keine A n w e n d u n g des § 11 Nr. 7 A G B G

101

2. Unabdingbare Haftung nach § 9 I I Nr. 2 A G B G

102

§ 5. Aspekte des Organisationsmangels i m römischen Hecht

104

I. Z u r Verschuldenshaftung i n der klassischen Zeit I I . Die imperitia-Haftung i n den Rechtsquellen

104 106

1. Die imperitia als F a l l der culpa

106

2. Der I n h a l t u n d die Freizeichnung von der imperitia-Haftung

107

Zusammenfassung

des Kapitels

II

111

12

Inhaltsverzeichnis Kapitel

III

Die sog. Drittwirkung von Haftungsausschlüssen § 6. Auswirkungen einer grundsätzlichen Zulässigkeit der Freizeichnung von leichter Fahrlässigkeit I. Die Problematik i m allgemeinen

113 113

I I . Der Freistellungsanspruch u n d die sog. gefahrgeneigte Tätigkeit

113

§ 7. Die Rechtsprechung zu der sog. D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln

117

I. Die seeschiffahrtsrechtliche Rechtsprechung 1. Die Stellung des I I . Senats zu der sog. D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln

117 118

a) Eisenwändefall

118

b) Blechfall

118

c) Rohtabakfall

118

2. Die Begründung der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln

119

3. Der K o n f l i k t zwischen objektiver u n d restriktiver Auslegung

121

4. Das K r i t e r i u m der Übung

126

5. Der Einfluß des Verschuldensgrads des Schädigers auf die Stellung des Geschädigten

127

a) Bei Verneinimg der D r i t t w i r k u n g

129

b) Bei Bejahung der D r i t t w i r k u n g

129

I I . Die Rechtsprechung aus anderen Rechtsgebieten 1. Die D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln i n M i e t w a genfällen

130 130

a) Mietwagenfall I

130

b) Mietwagenfall I I

130

2. Die Interessenlage

131

3. Der Monteur- oder Holztrocknungsanlagefall

133

4. Der Wachmannfall

135

I I I . Ergebnis der Rechtsprechungsuntersuchung

138

Inhaltsverzeichnis § 8. Die Nachteile der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln aus dogmatischer Sicht

141

I. Abgrenzung von der Frage der Zulässigkeit I I . Die Rechtsnatur des Haftungsausschlusses

141 141

1. Ausschluß der Rechtswidrigkeit

141

2. Verminderung der Sorgfaltspflicht

143

3. Pactum de non petendo oder Erlaß

143

4. Enthaftungsvertrag I I I . Z u r dogmatischen Begründung der D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

145 146

1. Direkte A n w e n d u n g der §§ 328 ff. B G B und pactum de non petendo

146

2. D r i t t w i r k u n g e n bei Gesamtschuldverhältnissen

148

3. Hei wigs u n d Silbers Stellvertretungstheorie

150

4. L. Raisers Vorschlag

152

5. Verträge m i t Schutzwirkung auf D r i t t e

154

6. Stetige D r i t t w i r k u n g und rechtsethisches Prinzip

155

a) Die Ansicht von Schnorr von Carolsfeld

155

b) Das rechtsethische Prinzip v o n Gernhuber

157

7. Begründung durch Analogie

160

8. Die Ablehnung der D r i t t w i r k u n g

162

a) Kötzs Ansicht

163

b) Schmidt-Salzers Ansicht

163

9. Die Lösungsvorschläge von Hanau u n d E. Lorenz Zusammenfassung

des Kapitels

III

Kapitel

166 168

IV

Organisationshaftung § 9. Das Unternehmen als Organisationseinheit I. Allgemein I I . Handelsrechtliche Ansätze 1. Die Erkenntnis des wirtschaftlichen Strukturwandels

170 170 170 170

14

Inhaltsverzeichnis 2. Das Unternehmen u n d die I n d i v i d u a l i t ä t seiner Teile nach v. Ohmeyer u n d Pisko

172

3. Die Ansicht von Isay

173

4. Oppikofers Unternehmensauffassung

174

5. Die Wirtschaftseinheit von Julius v. Gierke 6. Der Unternehmensbegriff Ballerstedts u n d seine schadensersatzrechtlichen Folgen

175

7. Die sozialrechtliche Einheit Fechners

178

176

8. Der organisationssoziologische Unternehmensbegriff

178

9. Gesamtwürdigung der Untersuchungen zum mensbegriff

180

Unterneh-

§10. Organisationshaftung u n d schadensersatzrechtliche Dogmatik . . . . I. Allgemein

181 181

1. Der Begriff „Organisation"

181

2. Kleines Unternehmen u n d Organisation

182

3. Begründung der Organisationshaftung

183

I I . Die schadensersatzrechtliche Dogmatik

186

1. Die „geschlossene Einheit" von Otto v. Gierke

186

2. Das Unternehmen als Organisation bei Steinbach: G r u n d f ü r eine erweiterte H a f t u n g

188

3. Gründe f ü r eine Einstandspflicht des Unternehmens bei Müller-Erzbach

189

4. A . Merkels Stellungsnahme

192

5. Die volkswirtschaftlichen Gesichtspunkte Matajas

193

6. Die Theorie des „ a k t i v e n Interesses"

194

7. Die Zurechnungslehre von Larenz

197

8. Die Erkenntnis eines Organisationsversagens bei Bienenfeld

199

9. Die sozial gerechte Schadens Verteilung i m Sinne Essers . .

202

I I I . Schlußfolgerungen aus der dargelegten schadensersatzrechtlichen Lehre

203

1. Einstandspflicht des Unternehmens

203

2. Entlastung des abhängigen Gehilfen

205

a) Auswirkungen der Werkzeugtheorie

205

b) Die Werkzeugtheorie bei Steinhoff

208

Inhaltsverzeichnis I V . Die positivrechtliche Begründung der Organisationshaftung ..

210

1. Der Übergang zu einer verschuldensunabhängigen Haftung

210

2. Der Grundgedanke des § 9 I I Nr. 2 A G B G

211

3. Die Unhaltbarkeit der Differenzierung zwischen organisierenden u n d ausführenden Gliedern

212

4. Das Ineinandergreifen von Organisations- u n d Ausführungstätigkeit

213

5. Das K r i t e r i u m der „Wesentlichkeit"

214

6. Die Unternehmenseinheit nach § 831 B G B

215

7. Äquivalenzfunktion der HaftungsVerschärfung

217

8. Die H a f t u n g des abhängigen Gehilfen gegenüber dem Geschädigten

217

9. Organisationshaftung und Interessenabwägung

220

10. Organisationshaftung u n d § 11 Nr. 7 A G B G

§11. Konkurrenzfragen I. Die Problematik i m allgemeinen I I . Dogmatische Aspekte der Anspruchskonkurrenzlehre

221

222 222 224

1. Anspruchskonkurrenz

225

2. Anspruchsnormenkonkurrenz

225

3. Die Normenfunktion u n d ihre A b w ä g u n g

226

I I I . Die Lösung der Konkurrenzfragen von der A G B - D o g m a t i k ..

228

1. Die Ausdehnung des gesetzlichen FreizeichnungsVerbots auf Deliktsansprüche

228

2. Die Ausdehnung einer Freizeichnungsklausel auf Deliktsansprüche

230

§ 12. Ergebnisse

231

Literaturverzeichnis

234

Kapitel

I

Freizeichnungsverbot für leichte Fahrlässigkeit und § 11 AGBG § 1. Freizeichnungsverbot für leichte Fahrlässigkeit und §11 Nr. 8 AGBG § 11 Nr. 7 AGB-Gesetz (künftig auch: Nr. 7) ordnet an, daß derjenige, der seinen Verträgen A G B zugrunde legt (AGB-Verwender oder Verwender), seine Haftung für den Schaden, den seine Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder grob fahrlässig dem Vertragspartner zugefügt haben, i n A G B weder ausschließen noch einschränken kann. M i t Rücksicht auf § 24 Nr. 1 A G B G ergibt sich, daß diese Vorschrift nur für den nichtkaufmännischen Vertragspartner gilt. So w i r d i m Bereich der Haftung für Handlungen dritter Personen ein Freizeichnungsverbot eingeführt, und zugleich werden dessen Grenzen abgesteckt. Oder anders ausgedrückt, es werden die bisher bestehenden Freizeichnungsmöglichkeiten (§ 278 Satz 2 BGB) eingeschränkt. I . Selbständiger Rechtssatz oder Auslegungsregel

Anders als die §§ 276, 278 BGB, die als Auslegungsregeln 1 lediglich etwas darüber besagen, „ i n welchem Sinne das Gesetz den i m Tatbestand verschiedener Normen . . . gebrauchten Ausdruck ,ein vom Schuldner zu vertretener Umstand 4 verstanden wissen w i l l " 2 , ist der § 11 Nr. 7 keine Auslegungsregel 3 , und zwar aus drei Gründen: a) Es handelt sich um einen selbständigen Rechtssatz: E r knüpft nämlich an einen bestimmten Tatbestand (Freizeichnung von der Haftung für die Herbeiführung eines auf vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Vertragsverletzung beruhenden Schadens) eine bestimmte Rechtsfolge, 1 Das ist nunmehr unbestritten: Larenz, Schuldr. I , § 24 I, S. 300 (mwN); derselbe, Methodenlehre, S. 240; Kopeke, Typen der positiven Vertragsverletzung, S. 133; B G H v. 13. 11. 1953 (I ZR 140/52, Hamburg) Β G H Z 11, 80 (83). Anders hatte das RG v. 29. 11. 1922 (V ZS 271/22, Düsseldorf) RGZ 106, 22 (25) entschieden, das versucht hatte, die Schadensersatzpflicht wegen posVV auf § 276 B G B zu begründen. 2 Larenz, Schuldr. I, § 24 I, S. 300. 3 Anders Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltj en / Graba, A G B G , § 11 Nr. 7, Rdnr. 19, S. 456.

2 Roussos

18

Kap. I : Freizeichnungsverbot f ü r leichte Fahrlässigkeit

indem der beschriebenen Freizeichnung stets die Wirksamkeit verweigert wird 4 . b) Durch Nr. 7 w i r d nicht der Haftungsmaßstab des AGB-Verwenders bestimmt. Dieser Maßstab befindet sich schon i n den allgemeinen Vorschriften. Nr. 7 begrenzt die Freizeichnungsmöglichkeit des Verwenders. Nach dem i n den allgemeinen Vorschriften befindlichen Haftungsmaßstab haftet er für Vorsatz und jede Fahrlässigkeit. Beabsichtigte die Nr. 7 nur, diesen Maßstab zu bestimmen, dann würde der AGB-Verwender immer nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften. Aber i m Prinzip haftet er nach den Maßstäben der §§ 276, 278 BGB. Die Nr. 7 betrifft nur die Freizeichnungsgrenzen. Sie greift nur beim Vorliegen einer Freizeichnung und insoweit ein, als sich der Verwender oberhalb der leichten Fahrlässigkeit freigezeichnet hat. Hätte ferner der Gesetzgeber nur den Haftungsmaßstab bestimmen wollen, dann würde die Vorschrift ungefähr wie folgend gefaßt werden müssen: „Der AGB-Verwender hat stets sowohl eigene grobe Fahrlässigkeit wie auch Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen Vertreter zu vertreten." Dann brauchte sie auch nicht dem Verbotskatalog eingeordnet zu werden. c) Die Natur der Vorschrift als selbständigen Rechtssatzes w i r d nicht dadurch beeinflußt, daß sie nicht direkt die Rechtsfolgen der Vertragsverletzung regelt. Ihre Aufgabe besteht nur darin, bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Freizeichnungsklausel einzugreifen und insofern den Eintritt der jeweils angeordneten Vertragsverletzungsfolgen von i h r abhängig zu machen 5 . I I . Die Abgrenzung des § 11 Nr. 7 vom § 11 Nr. 8 A G B G

1. Allgemein

zur Vertragsverletzung

nach §11 Nr. 7 AGBG

Entsprechend der unter der Herrschaft des § 278 BGB entwickelten herrschenden Meinung 6 hat sich das neue AGB-Gesetz dafür ausgesprochen, daß der Verwender das Verschulden seiner Leute i n gleichem Umfange zu vertreten hat wie eigenes. Der Haftungsumfang für die Handlungen der Hilfspersonen oder der gesetzlichen Vertreter kann 4

Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 232 ff. Vgl. Anfechtung und Nichtigkeit. 6 Vgl. Larenz, Schuldr. I, § 20 V I I I , S. 250 „Der Schuldner hat das Verschulden seiner Hilfspersonen jedoch n u r ,in gleichem Umfange' zu vertreten wie eigenes"; Enneccer us ! Lehmann, Schuldverhältnisse, § 44 I I 7, S. 198; Alff i n B G B - R G R K , § 278 Rdnr. 46, S. 90; Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 2, § 27 I, S. 55; Erman ! Battes, § 278 Rdnr. 43, S. 672; Staudinger I Löwisch, § 278 Rdnr. 29, S. 72; vgl. ferner B G H v. 15. 12. 1959 ( V I ZR 222/58, Celle) B G H Z 31, 358 (366 f.). 5

§ . Freizeichnungsverbot u n d

19

einerseits nicht weiter sein als der Umfang der Haftung für die von dem Verwender selbst begangenen Handlungen (Vertragsverletzungen) 7 , w e i l die Haftung des Verwenders für dritte Personen nicht über das hinausgehen kann, was er selbst zu verantworten hat. Andererseits kann der Bereich der von Hilfspersonen begangenen Vertragsverletzungen, die den Verwender haftbar machen, nicht enger sein, w e i l derselbe Begriff („Vertragsverletzung") i m Text derselben Vorschrift einheitliche Bedeutungen hat. A u f diesem Grunde beruht die folgende Untersuchung der unter Nr. 7 fallenden Vertragsverletzungen. 2. Unmöglichkeit

und Verzug

Der Gesetzgeber hat zur Bezeichnimg der Fälle, die dem Freizeichnungsverbot unterliegen, den Ausdruck „Vertragsverletzung" benutzt. Da dieses Wort i n der Wissenschaft m i t dem A d j e k t i v „positiv" verbunden zu werden pflegt und da die Gesetzesmaterialien insofern unklar sind, hat das Wort Zweifel dahin ausgelöst, ob darunter auch die Unmöglichkeit der Leistung oder der Verzug des Schuldners als Fälle der Vertragsverletzung zu verstehen sind. Diese Frage w i r d zwar fast einhellig von der Lehre bejaht 8 , aber die Meinungen gehen darüber auseinander, ob der Verschuldenshaftungsmaßstab der Unmöglichkeit und des Verzugs nur in § 11 Nr. 7 9 oder auch i n § 11 Nr. 8 1 0 geregelt ist, 7 Vgl. ebenso hinsichtlich des § 278: Oertmann, Schuldverhältnisse, l . A b t . , § 278, A n m . 4, S. 171; Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 2, § 27 I, S. 55 („Die Gehilfenhandlung muß folglich den Tatbestand erfüllen, der den Schuldner selbst als Täter haftbar machen würde") ; Palandt / Heinrichs, § 278 A n m . 7, S. 305; Alff, i n B G B - R G R K , § 278 Rdnr. 46, S. 90; Soergel / Schmidt, § 278 Rdnr. 24, S. 309. 8 Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltj en / Graba, A G B G , § 11 Nr. 7 Rdnr. 20, S. 456; Koch / Stübing, A G B Komm. § 11 Nr. 7 Rdnr. 2, S. 297; Graf von Westphalen i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 11 Nr. 7 Rdnr. 9, S. 302; Schmitz, Gesetz über A G B , § 11 Nr. 7, S. 70; Dittmann / Stahl, A G B Komm., § 11 Nr. 7 Rdnr. 425, S. 180; Rebmann i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, § 11 Nr. 7 Rdnr. 2, S. 127; Stein, Gesetz der A G B , § 11 Nr. 7 Bern. 50, S. 160; Hagele, A G B nach neuem Recht, § 11 Nr. 7, S. 62; Palandt / Heinrichs, A G B G § 11 Nr. 7 Anm. 7b, S. 2261; Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm. § 11 Nr. 7 Rdnr. 16, S. 323; anderer Ansicht: derselbe, i n der Vorauflage, § 11 Nr. 7, Rdnr. 15, S. 267; Kötz, M ü K o , A G B G § 11 Nr. 7 Rdnr. 55, S. 1500. 9 Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 11 Nr. 8 Rdnrn. 13, 19, S. 484, 486; Dittmann / Stahl, A G B Komm., §11 Nr. 8 Rdnrn. 443 f., S. 188; Stein, Gesetz der AGB, § 11 Nr. 8 Bern. 66, S. 166; Schlosser, Haftungsgrund, Haftungsmaßstab u n d AGB-Gesetz, W M 1978, 562 (566ff.); derselbe, A G B G , § 11 Nr. 8 Rdnr. 6, S. 294 f.; jetzt auch Erman I Battes, § 325 Rdnr. 40, S. 790. 10 Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum AGBG, § 11 Nr. 8 Rdnrn. 5 ff., S. 309 f.; Hensen i n Ulmer / Brandner / Hensen, A G B K o m m . §11 Nr. 8 Rdnrn. 13 f., S. 335 f.; Dietlein i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, § 11 Nr. 8 Rdnrn. 3 f., S. 132 f.; Koch / Stübing, A G B , § 11 Nr. 8 Rdnrn. 13 f., S. 315 f.; Schmitz, Gesetz über A G B , § 11 Nr. 8, S. 74; Schwappach, A G B Ge-

2*

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Kap. I : Freizeichnungsverbot f ü r leichte Fahrlässigkeit

weil i n Nr. 7 allgemein von Vertragsverletzungen und Verschuldenshaftungsgrenzen die Rede ist, während Nr. 8 speziell von Verzug und Unmöglichkeit spricht. Neben dieser Vorschrift gibt es noch die der Nr. 9, welche die Unwirksamkeit des Ausschlusses des Schadensersatzanspruchs oder des Rücktrittsrechts des Kunden bei Teilverzug oder Teilunmöglichkeit der vom Verwender zu erbringenden Leistung ankündigt. Da es sich dabei und besonders i m Hinblick auf den Haftungsmaßstab um eine Ergänzungsvorschrift zu § 11 Nr. 8 handelt 11 , muß man davon ausgehen, daß beide Normen einheitlich zu behandeln sind. Denn die Anwendung anderer Grundsätze auf die Fälle des Teilverzugs oder der Teilunmöglichkeit als auf die des Verzugs und der Unmöglichkeit läßt sich nicht rechtfertigen, und insoweit bildet zu Recht den Schwerpunkt der Auseinandersetzung i m Schrifttum das Verhältnis zwischen Nr. 7 und Nr. 8 12 . Demzufolge erscheint i n den nächsten Ausführungen der Verzicht auf einen besonderen Vergleich zwischen Nr. 7 und Nr. 9 als gerechtfertigt. Wenn man die Nr. 7 als die allgemeinere und die einzige Vorschrift betrachtet, i n der die Verschuldenshaftungsgrenzen von Verzug und Unmöglichkeit geregelt sind, dann bedeutet dies, daß sich der A G B Verwender angesichts dieser Vertragsverletzungen von eigener leichter Fahrlässigkeit oder von der seiner Leute freizeichnen kann. Sieht man i n Nr. 8 das Verschulden mitgeregelt, so liegt es nahe, dem AGB-Verwender für die von Nr. 8 (und Nr. 9) erfaßten Fälle die Freizeichnung von leichter Fahrlässigkeit zu verweigern 13 . Obwohl die letztere Lösung günstiger für den Kunden (Verbraucher) zu sein scheint, hat man aus vielen Gründen anders zu entscheiden 133 . a) Zuerst sind die beiden Vorschriften nach ihrer Funktion zu unterscheiden. Der Ansicht 14 , Nr. 7 beziehe sich nicht auf Verzug und Unmöglichkeit, weil diese beiden i n § 11 Nr. 8 und 9 geregelt seien, kann nicht setz, § 11 Nr. 8, S. 39; Palandt / Heinrichs, A G B G § 11 Nr. 8 A n m . 8a, bb, S. 2262; jetzt auch Locher, Das Recht der A G B , S. 87; M. Wolf, Freizeichnungsverbote für leichte Fahrlässigkeit i n A G B , N J W 1980, 2433 ff. 11 Siehe z.B.: Stein, Gesetz der A G B , § 11 Nr. 9 Bern. 72, S. 168; Dittmann / Stahl, A G B Komm., § 11 Nr. 9 Rdnr. 454, S. 192; Löwe i n L ö w e / G r a f von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum AGBG, § 11 Nr. 9, Rdnr. 3, S. 313; Hensen i n Ulmer / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 9 Rdnr. 1, S. 388; Schlosser, A G B G , § 11 Nr. 9 Rdnr. 2, S. 298 f.; Locher, Das Recht der A G B , S. 87. 12 Vgl. neuerdings M. Wolf, N J W 1980, 2433 ff. 13 So Regierungsentwurf, BR-Drucks. 360/75 oder BT-Drucks. 7/3919. Begründung zu § 9 Nr. 8, S. 32; Teilbericht I , Begründung zu § 8 Nr. 7, S. 72; daf ü r auch ein erheblicher T e i l des Schrifttums: siehe Fußn. 10. i3a übrigens ist eine Einschränkung der Haftung f ü r leichte Fahrlässigkeit zulässig ( § 1 1 Nr. 8b). Der völlige Haftungsausschluß bei leichter Schuld ist jedoch verboten. Anschaulich dazu: Hensen i n Ulmer / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 8 Rdnr. 14, S. 336. 14 So Hensen n u r i n Vorauflage, siehe Fußn. 8 am Ende.

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gefolgt werden. Ebenso kann nicht der Ansicht 1 5 gefolgt werden, Nr. 7 umfasse zwar die Fälle des Verzugs und der Unmöglichkeit, aber darüber hinaus habe auch die Nr. 8 den Verschuldensmaßstab dieser Vertragsverletzungsfälle regeln wollen, so daß dem Verwender die Freizeichnung von leichter Fahrlässigkeit durch Nr. 8 verboten werde. Diese Vorschrift betrifft indessen nur die aus dem Verzug oder aus der Unmöglichkeit resultierenden Rechtsfolgen (Rücktritt — Schadensersatz) 16. Aus den Begründungen der Gesetzesentwürfe 17 geht klar der Zweck hervor, den Vertragspartner des AGB-Verwenders davor zu schützen, daß ihm insbesondere der Schadensersatzanspruch w i l l k ü r l i c h und einseitig entzogen und er dadurch rechtlos gestellt wird. So funktionieren die Nr. 7 einerseits und die Nr. 8 sowie die Nr. 9 andererseits ganz unterschiedlich. Nr. 7 verbietet dem Verwender, seine Verschuldenshaftung, d. h. den Rechtsgrund des Schadensersatzes, auszuschließen oder einzuschränken. Nr. 8 und Nr. 9 sprechen von dem, was die Haftung des Verwenders auslöst, nämlich von dem Auswahlrecht des Vertragspartners, ob und welche Rechte er geltend machen w i l l , und untersagt dem Verwender, i n dieses Auswahlrecht i n einer bestimmten Weise einzugreifen und es zunichte zu machen. So ist es unvorstellbar, daß diejenigen Vorschriften, die sich nur auf die Rechte des Vertragspartners und deren Aufrechterhaltung beziehen, auch die sie auslösenden Vertragsverletzungen als solche (Verwenderhaftung begründende Tatbestände), nämlich das Unmöglichwerden und die Verzögerung der Leistung, abdekken. W i l l man ferner den Verschuldensmaßstab i n Nr. 8 geregelt sehen, dann muß man konsequenterweise mindestens darauf verzichten, Verzug und Unmöglichkeit in Nr. 7 einzubeziehen 18 . Sonst erlangt Nr. 7 notwendigerweise die Stellung einer allgemeinen, die Verschuldensgrenzen für alle Vertragsverletzungsfälle regelnden Vorschrift, so daß jeder Versuch vergeblich wäre, die Verschuldensgrenzen bei Verzug und Unmöglichkeit noch einmal i n einer anderen Vorschrift geregelt zu sehen 19 . b) Es bestand für den Gesetzgeber kein Anlaß, das gleiche Problem zweimal, und zwar unterschiedlich zu regeln. Ebensowenig besteht ein Grund, den Verkäufer für Begleitschäden (§ 463 BGB) 2 0 , soweit sie außerhalb der Gewährleistungshaftung liegen, anders haften zu lassen 15

Siehe Fußn. 10. So auch Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltj en / Graba, A G B G , § 11 Nr. 8 Rdnr. 8, S. 483; Schlosser, W M 1978, 562 (568). 17 Siehe Fußn. 13. 18 Darauf k a n n aber nicht verzichtet werden, w i e unten unter e angezeigt w i r d . Übrigens werden diese Fälle fast einhellig i n Nr. 7 einbezogen; siehe Fußn. 8. 19 I n diesem Sinne auch Schlosser, A G B G , § 11 Nr. 8, Rdnr. 6, S. 295. 20 Vgl. auch W e r k - u n d Mietverträge. 16

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Kap. I : Freizeichnungsverbot für leichte Fahrlässigkeit

als für Rechtsmängel oder Unmöglichkeit oder Verzögerung der Leistung. Auch dogmatisch gesehen können Unmöglichkeit, Verzug und Schlechterfüllung (Schlechtleistung) nicht unterschiedlich behandelt werden, weil sie alle ihren Grund in der vom Schuldner geschuldeten Leistung haben, einerlei ob man m i t Larenz die Schlechtleistung auf die Leistungshandlung bezieht 21 oder weil sie sich auf das Erfüllungsinteresse des Gläubigers (Verbrauchers) richten 22 . Deswegen werden die Fälle der Schlechtleistung und allgemein die der positiven Vertrags- oder Forderungsverletzung analog zu der Unmöglichkeit und dem Verzug behandelt, so daß kein Grund besteht, diese Lage hinsichtlich der A G B und des AGBGesetzes zu ändern. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß ein Teil der Lehre entweder annimmt 2 3 , es liege hinsichtlich der sogenannten positiven Vertragsverletzungen keine Gesetzeslücke vor und sie würden vielmehr von den Vorschriften über Teilunmöglichkeit erfaßt, oder die Auffassung vert r i t t 2 4 , daß verschiedene als positive Vertragsverletzung klassifizierte Fälle der Unmöglichkeitshaftung zu unterwerfen seien. Zusätzlich weisen diese Abgrenzungsschwierigkeiten darauf hin, daß es notwendig und von entscheidender Bedeutung ist, alle Vertragsverletzungen hinsichtlich des Haftungsmaßstabes einheitlich zu behandeln, wie dies auch schon i m BGB der Fall ist. c) Schwierigkeiten bereitet allerdings der Vorbehalt des § 11 Nr. 8b, nach dem das Schadensersatzrecht des anderen Vertragsteils nicht „entgegen Nr. 7" eingeschränkt werden kann. Zunächst ist zu sagen, daß die Formulierung der Vorschrift nicht ganz korrekt ist, weil Nr. 7 sich nur auf die Haftung und nicht auf den Schadensersatz bezieht. Der Schadensersatz als solcher ist nur eine Folge, die m i t der sie begründenden Haftung i n keiner anderen Beziehung steht als der, daß sie ihren Rechtsgrund darin hat. M i t den für die Haftung geltenden Maßstäben kann 21

Larenz, Schuldr. I, § 24 I a, S. 297 f. Fikentscher, Schuldrecht, § 47 I I I 1, S. 235 ( „ . . . Es ist der ursprüngliche Leistungsanspruch m i t verändertem I n h a l t . . . " ) ; Esser, Schuldr. I, § 52 V I I , S. 387; Soergel / Schmidt, V o r § 275 Rdnrn. 39, 32, S. 265, 263: „Die Schlechterfüllung b e t r i f f t . . . auch das weitere Leistungsinteresse des anderen Teils". 23 Himmelschein, Z u r Frage der Haftung f ü r fehlerhafte Leistung, AcP 158 (1959/60), S. 273; i h m folgend Wicher, Z u r Frage der Haftung f ü r fehlerhafte Leistung, A c P 158 (1959/60), S. 297; siehe auch Emmerich, Leistungsstörungen, insbesondere § 2 I V , S. 12 ff., §§ 20 ff., S. 146 ff. 24 Lehmann, Unterlassungspflicht, §§ 19 ff., S. 229 ff. insbesondere § 21, 5 S. 243 ff.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 21 A I I 1 b, S. 151 f. („bei schuldhafter Herbeiführung eines Mangels nach Vertragsschluß" beruft er sich auf §§ 325, 326 BGB), § 21 I I 2, S. 154, § 21 I I I , S. 157; Kopeke, T y p e n der positiven Vertragsverletzung, S. 131 ( „ . . . jedes (positive) Zuwiderhandeln gegen eine solche erzwingbare Unterlassungspflicht ist eben ein Nichtleisten; . . . man w i r d also die Regeln über Teilunmöglichkeit anwenden"). 22

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man nicht den Schadensersatz messen. A u f der anderen Seite ist es auch inkonsequent, daß die Nr. 9, wo ebenso vom Schadensersatz wegen Teilunmöglichkeit die Rede ist, eines solchen Vorbehalts entbehrt. Trotzdem w i l l Kötz 25 die Anwendung des Freizeichnungsverbots (Nr. 7) auf Verzug und Unmöglichkeit aus dem Vorbehalt „entgegen Nr. 7" herleiten. Da alle Gründe dafür sprechen, die Einbeziehung der Vertragsverletzungsfälle Unmöglichkeit und Verzug i n Nr. 7 zu bejahen, und es eine überflüssige Doppelregelung wäre, wenn beide Vorschriften den Haftungsmaßstab festlegen, w i r f t sich die Frage auf, welchem Zweck die Hereinnahme der Worte „entgegen Nr. 7" dient. Sie läßt sich durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes beantworten. Entgegen der von der Minderheit der Arbeitsgruppe beim Bundesministerium der Justiz vertretenen Auffassung, die Befreiung von der Schadensersatzpflicht wegen Verzugs und Unmöglichkeit i m Rahmen „der allgemeiner gefaßten Bestimmung des §8 Nr. 11" zuzulassen, hat die Mehrheit die Ansicht vertreten, der Ausschluß der Schadensersatzpflicht sollte überhaupt nicht zulässig sein, „ u m den Lieferanten zur Leistung anzuhalten" 26 . Wenn man dagegen einwendet, diese Begründung habe im Wortlaut des Gesetzes keinen Ausdruck gefunden 27 , kann man aber wenigstens nicht behaupten, sie sei durch die Einführung irgendeines Ausdruckes ähnlich wie i m heutigen A G B G „entgegen Nr. 11" weiter i n einen Widerspruch zum Gesetzestext geraten. Das kann man aber wohl gegen den Regierungsentwurf einwenden, wo trotz der weitgehend identischen Begründung, die beeinflußt vom Arbeitsgruppenentwurf ist, erst der Vorbehalt „entgegen Nr. 7" eingeführt wurde. Dem ist der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, daß er m i t diesem Vorbehalt, i m Gegensatz zu dem Arbeitsgruppenentwurf, klar zum Ausdruck bringen wollte, für die eine Schadensersatzpflicht auslösende Unmöglichkeit und den Verzug hätten auf jeden Fall, in Ubereinstimmung m i t der Minderheit der Arbeitsgruppe, die Freizeichnungsgrenzen der Nr. 7 zu gelten. Anders als die hier vertretene Interpretation lautet die Begründung des Regierungsentwurfes: „ F ü r Fälle, i n denen die Unmöglichkeit bzw. der Verzug vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt werden, ist nach Nr. 7 auch die Einschränkung des Schadensersatzanspruchs unwirksam" 2 8 . Dazu aber bedarf es nicht der Verweisung auf Nr. 7. Sie umfaßt auch die Fälle der Unmöglichkeit und des Verzugs. Soweit es 25

M ü K o , A G B G § 11 Nr. 7, Rdnr. 55, S. 1500. Teilbericht I, Begründung zu § 8 Nr. 7, S. 22. 27 Vgl. Dittmann / Stahl, A G B Komm., § 11 Nr. 8 Rdnr. 444, S. 188. 28 Regierungsentwurf, BR-Drucks. 360/75 oder BT-Drucks. 7/3919, Begründung zu § 9 Nr. 8 am Ende. 26

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sich nicht u m den Ausschluß oder die Beschränkung des Verschuldensgrades handelt, sondern lediglich um die Beschränkung des Schadensersatzanspruchs als solchen (ζ. B. Höhe des Schadens), greift das Verbot der Nr. 8b ohnehin ein, wenn die Schadensersatzpflicht auf vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführte Leistungsunmöglichkeit zurückzuführen ist. Wenn das Gesetz anordnet, die Schadensersatzpflicht könne nicht eingeschränkt werden, ist es selbstverständlich, daß diejenige Schadensersatzpflicht nicht eingeschränkt werden kann, die ihren Rechtsgrund i n dem nach Nr. 7 unzulässigen Verschuldensgrad hat. Aus den dargelegten Gründen sind die Worte „entgegen Nr. 7" als bloße Wiederholung des i n Nr. 7 zum Ausdruck gebrachten Verbots anzusehen. d) M i t Rücksicht auf das Prinzip des Verbraucherschutzes könnte man einwenden, die Freizeichnungsmöglichkeit des Verwenders bei leichter Fahrlässigkeit sei wenig verbraucherfreundlich. Man muß aber auch den Willen des Gesetzgebers berücksichtigen, der es für zweckmäßig erachtet hat, den Verbraucher insoweit zu schützen, als er dem Verwender die Freizeichnung von eigener groben Fahrlässigkeit und von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit seiner Leute versagt hat. I n Nr. 7 hat der Gesetzgeber freilich seinen Willen zum Ausdruck gebracht, daß der Verwender das Verschulden seiner Leute i n gleichem Umfange zu vertreten hat wie eigenes, weil das Freizeichnungsverbot sonst zu eng wäre 2 9 . W i l l man jetzt aus Gründen des Verbraucherschutzes den Verschuldensmaßstab für Verzug und Unmöglichkeit i n Nr. 8 mitgeregelt sehen, dann fragt es sich, wie sich der Verbraucherschutzgedanke verwirklichen läßt, ohne daß man die Haftung des Verwenders für leichte Fahrlässigkeit auch auf die Handlungen seiner Hilfspersonen ausdehnt. Eine derartige Ausdehnung aber läßt sich i n Nr. 8 nicht erkennen. Wollte der Gesetzgeber den Verschuldensmaßstab i n Nr. 8 regeln, dann hätte er sich über die Haftung für Erfüllungsgehilfen und gesetzliche Vertreter ausgesprochen. Die Unvereinbarkeit des Verbraucherschutzzwecks m i t der Nichthaftung für Hilfspersonen liegt auf der Hand. Die Annahme ferner, der Verschuldensmaßstab sei i n Nr. 8 nicht geregelt, erscheint hinsichtlich des Rücktrittsrechts (Nr. 8a) nur auf den ersten Blick anstößig 30 . Nach §§ 282, 284 BGB w i r d das Verschulden des Schuldners vermutet, solange er nicht beweisen kann, daß der Verzug nicht auf eigene grobe Fahrlässigkeit oder auf grobe Fahrlässigkeit seiner Hilfspersonen zurückzuführen ist. Gelingt dem Verwender dieser Beweis nicht, so hat er sofort zu leisten, weil er keine leichte Fahr29 Siehe auch Regierungsentwurf, 3919, Begründung zu § 9 Nr. 7, S. 31. 30 Schlosser, W M 1978, 562 (568).

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lässigkeit mehr behaupten kann. So läuft es darauf hinaus, daß dem AGB-Verwender nur ein zeitlicher Vorteil eingeräumt wird, der keineswegs die Interessen des Verbrauchers beeinträchtigt. Hinsichtlich der Leistungsunmöglichkeit und des sich daraus ergebenden Rücktrittsrechts ist folgendes zu sagen: Wenn der Verwender die Unmöglichkeit zu vertreten hat, weil i h m die Freizeichnung von leichter Fahrlässigkeit verwehrt ist, so hat der Kunde nach Nr. 8a das Rücktrittsrecht. Wenn der Verwender sie nicht zu vertreten hat, weil ihm die Freizeichnung von leichter Fahrlässigkeit gestattet wird, dann hat der Kunde die Rechte des § 323 BGB, die „zu ganz ähnlichen Ergebnissen" führen wie ein Rücktritt 3 1 . Bei der Gattungsschuld schließlich gilt die verschuldensunabhängige Haftung nach § 279 BGB. e) Richtet man den Blick auf den Wortlaut der Vorschrift (Nr. 7), so stellt sich heraus, daß er für die hier vertretene Interpretation spricht. Wer die Pflicht übernommen hat, eine Leistung zu erbringen, und durch sein schuldhaftes Verhalten die Leistung unmöglich macht oder deren Erbringung verzögert, verletzt den Vertrag ebenso wie derjenige, der zwar geleistet hat, dessen Leistung aber nur schlecht den getroffenen Vereinbarungen oder dem Vertragszweck entspricht. I n diesem Sinne stellt jede Leistungsunmöglichkeit und jede LeistungsVerzögerung eine Vertragsverletzung 32 i m Sinne der Nr. 7 oder eine Leistungsstörung 3 3 dar. So ergibt sich vom Wortlaut der Nr. 7 her gesehen kein Zweifel, daß sie auch Verzug und Unmöglichkeit umfaßt. Wenn Hensen ohne nähere Begründung meinte 34 , Vertragsverletzung i m Sinne der Nr. 7 sei jede Leistungsstörung, die nicht i n Verzug oder Unmöglichkeit bestehe, so war dies widersprüchlich, weil man nicht von Vertragsverletzung oder Leistungsstörung sprechen kann, ohne daran den Verzug und die Unmöglichkeit einzuschließen; denn sie sind deren Bestandteile. Auch könnte die Absicht des Gesetzgebers schlecht dahingehen, daß er durch das Wort Vertragsverletzung nur die sogenannte positive Vertrags· oder Forderungsverletzung andeuten wollte, weil diese Begriffe dem Gesetzeswortlaut sonst unbekannt sind und als Schöpfungen der Wissenschaft 35 nicht dem Gesetz zugerechnet werden können, zumal wenn man daran denkt, daß man immer noch über Inhalt und Grenzen 31

Schlosser, wie Fußn. 30. Blomeyer, A l l g . Schuldr., § 28, S. 147; Kopeke, Typen der positiven V e r tragsverletzung, S. 12 f. 33 Dieser Begriff w i r d von vielen Autoren statt des der Vertragsverletzung benutzt. Ζ. B. Fikentscher, Schuldrecht, §§ 41 ff., S. 182 ff.; Emmerich i n A t h e näum-Zivilrecht I, § 10, S. 354 ff. 34 Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., Vorauflage, § 11 Nr. 7, Rdnr. 15, S. 267. 35 Staub g i l t m i t seinem W e r k „Die positiven Vertragsverletzungen", 1904 (Neudruck 1969), als Entdecker dieses Begriffs. 32

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derartiger Verletzungstatbestände streitet 36 . Aber auch die Richtigkeit des Ausdruckes „positive" Vertragsverletzung ist schon einhellig i n der Wissenschaft widerlegt worden 3 7 , so daß nicht nur unbekannte, sondern auch unrichtige Begriffe dem positiven Recht unterlegt würden. Wenn man nun annimmt 3 8 , Nr. 7 stecke die Verschuldenshaftungsgrenzen für alle Vertragsverletzungen ab, dann könnte man nicht verhindern, daß ihr die Bedeutung einer allgemeineren Bestimmung zukommt. f) Weiter ist auf das von Stein vorgebrachte Argument der Voranstellung hinzuweisen. Tatsächlich könnte die Stellung der Vorschrift der Nr. 7 sowohl in dem Entwurf der Arbeitsgruppe beim Bundesministerium der Justiz 39 als auch i n dem Referentenentwurf 0 zu dem irrigen Schluß führen, die Vorschrift beziehe sich nicht auf Unmöglichkeit und Verzug oder sie wäre keine allgemeine Bestimmung, zumal wenn man darauf achtet, daß sich die Verzug und Unmöglichkeit regelnde vorangestellte Norm nur auf Kauf- und Werkverträge bezog. I m Gegenteil hat die Vorschrift i m Entwurf des Bundesarbeitskreises 41 und i m Regierungsentwurf 42 ihre richtige Stellung eingenommen, so daß sich daraus der Verfasserwille herleiten läßt, Unmöglichkeit und Verzug i n das Freizeichnungsverbot einzubeziehen und die für sie geltenden Verschuldenshaftungsgrenzen endgültig abzustecken. Sofern es sich um den aus den Begründungen der Entwürfe hervorgehenden Willen der Gesetzesverfasser handelt, darf man nicht außer acht lassen 43 , daß die Begründung des Regierungsentwurfs (zu § 9 Nr. 7, S. 30) eine Modifizierung zum Arbeitsgruppenentwurf 4 4 einführend so formuliert: 36 U . a . : Larenz, Schuldr. I, §24 I, S. 297 ff.; Stoll, Abschied von der Lehre der p o s W , A c P 136 (1932), S. 257; Thiele, Leistungsstörung u n d Schutzpflichtverletzung, J Z 1967, 649; Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 2, § 29 I I I , S. 103 ff.; Kopeke, Typen der positiven Vertragsverletzung, S. 30 ff., der eine Typisierung der p o s W versucht; B G H (o. Fußn. 1) Β G H Z 11, 80. 37 Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 55 I, S. 236 f.; Zitelmann, Nichterfüllung u n d Schlechterfüllung, Festgabe für P. K r ü g e r (1911), S. 265 ff.; Larenz, Schuldr. I, § 24 I, S. 301; Stoll, wie Fußn. 36; Fikentscher, Schuldrecht, § 47, S. 228 ff.; Brox, A l l g . Schuldr., § 22, Rdnr. 291, S. 158. 38 Die Lehre t u t dies fast einhellig; siehe Fußn. 8. 39 Teilbericht I , § 8 Nr. 7, betreffend n u r K a u f - u n d Werkverträge, entspricht dem heutigen § 11 Nr. 8 A G B G u n d § 8 Nr. 11 entspricht dem heutigen § 11 Nr. 7. 40 Referentenentwurf, § 8 Nr. 11, i n D B 1974 I I , Beü. 18/74. 41 Entwurf des Bundesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen, B B 1974 I I , Beil. 9/74 (§ 13: Haftung f ü r den Erfüllungsgehilfen, § 17: V e r zug u n d Unmöglichkeit); so auch Vogel, Thürk usw., BT-Drucks. 7/3200. 42 Regierungsentwurf, BR-Drucks. 360/75, BT-Drucks. 7/3919, § 9 Nr. 7; so auch Gesetzesentwurf der Abgeordneten Vogel, Thürk usw., BT-Drucks. 7/ 3200; Antrag des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 7/5412. 43 Obgleich Stein, Gesetz der A G B , § 11 Nr. 7 Bern. 50, S. 160, die w e i t gehende Identität der E n t w ü r f e zuzugeben ist. 44 Wo sich keine Anhaltspunkte i n bezug auf den W i l l e n der Gesetzesverfasser befinden.

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„Nummer 7 befaßt sich m i t Schadensersatzansprüchen bei grob schuldhaften Vertragsverletzungen aller A r t " 4 5 . Den letzten Worten ist noch eine Andeutung darüber zu entnehmen, i n welche Richtung der Wille des Gesetzgebers ging. Gilt das Freizeichnungsverbot für Vertragsverletzungen aller A r t , dann ist kein Grund einzusehen, u m das von Nr. 7 resultierende Ergebnis wieder durch Nr. 8 aufheben zu lassen 46 . I I I . Der Anwendungsbereich der Nr. 8

Nach der Nr. 7 eingeräumten Bedeutung bedarf eine letzte Frage der Beantwortung, nämlich ob und welcher Anwendungsbereich für Nr. 8 verbleibt. Die Frage ist hier insoweit zu beantworten, als sich zeigen läßt, daß es Nr. 8 an einem Anwendungsbereich auch dann nicht fehlt, wenn die Verschuldenshaftungsgrenzen schon i n Nr. 7 als geregelt anzusehen sind. a) Die wichtigste Aufgabe der Vorschrift besteht darin, dem A G B Verwender zu verbieten, beide Rechte des Kunden oder eins von den beiden und insbesondere den Schadensersatzanspruch auszuschließen47. Zwar kann die Haftung des Verwenders gemäß Nr. 7 begründet sein, aber er hätte die Möglichkeit, die Folgen seiner Haftung darauf einzuschränken, daß er dem Kunden beispielsweise nur ein Rücktrittsrecht einräumen könnte. Diese Möglichkeit ist nun ausgeschlossen, und es muß dem Kunden das Wahlrecht zwischen Rücktritt und Schadensersatz bleiben. b) Ferner w i r d der Anwendungsbereich des § 11 Nr. 8 darin gesehen, daß er dann eingreift, wenn der Verwender seine Haftung nicht beschränkt hat oder nicht wirksam beschränken konnte 48 , sofern es sich 45

Vgl. jetzt auch M. Wolf, N J W 1980, 2433 (2434 u n d Anm. 8). Ebenso Schlosser, W M 1978, 562 (568). 47 Die Begründung des Regierungsentwurfs (BR-Drucks. 360/75) zu § 9 Nr. 8 (S. 32) f ü h r t aus: „ . . . Der i n der Praxis hingegen häufige Ausschluß von Schadensersatzansprüchen ist, soweit ersichtlich, von der Rechtsprechung nicht grundsätzlich beanstandet worden." Ζ. B. B G H v. 17. 5. 60 ( V I I I ZR 61/59, Frankfurt/M.) N J W 1960, 1661; B G H v. 27. 11. 1963 ( V I I I ZR 51/62, München) M D R 1964, 228 (Allg. L i e f erb. von Maschinen). U n d weiter w i r d ausgeführt: „ . . . Darüber hinaus hält der E n t w u r f aber auch die Sanktionen der Schadensersatzpflicht für grundsätzlich unerläßlich, u m den Klauselanwender zur vertragsmäßigen Leistung anzuhalten. Droht dem Lieferanten lediglich ein Rückt r i t t des Kunden, so läuft dies nahezu auf dasselbe hinaus w i e ein einseitiges Rücktrittsrecht des Lieferanten. K a n n dieser die i h m obliegende Leistung wegen eines von i h m zu vertretenden Umstandes nicht oder nicht fristgemäß erbringen, so bliebe diese Verletzung der Leistungspflicht ohne Sanktion, gleichgültig, ob die Rücktrittserklärung von i h m oder dem K u n d e n abgegeben w i r d . . . " . Ebenso Teilbericht I, S. 72 f.; Referentenentwurf, D B 1974 I I , Beil. 18/74, Begründung zu §8 Nr. 7, S. 15; Dietlein i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, § 11 Nr. 8 Rdnr. 1, S. 131. 48 Hierzu i m einzelnen Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltj en / Graba, A G B G , § 11 Nr. 7 Rdnrn. 60 ff., S. 469 ff. 46

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um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt. Den hierfür wichtigsten Fall stellt § 279 BGB dar 49 . Die Haftung für das subjektive Unvermögen oder die Verzögerung bei einer Gattungsschuld kann nicht ausgeschlossen, „sondern nur umfangmäßig begrenzt werden." 50 . I V . Rechtspolitische Aspekte

Von besonderem Interesse ist schließlich die Auseinandersetzung über die Auslegung des § 11 Nr. 8 unter ihrem rechtspolitischen Aspekt. Diejenigen, die m i t Hilfe der Nr. 8 ein Freizeichnungsverbot für leichte Fahrlässigkeit bezüglich bestimmter Vertragsverletzungen befürworten, erwecken i n der Tat den Anschein einer verbraucherfreundlichen Lösung. I n Wirklichkeit handelt es sich jedoch hier nicht um eine Lösung, sondern u m eine Tendenz, die sich zu Recht von den herkömmlichen Prinzipien des bürgerlichen Gesetzbuchs sowie von dem an diese angelehnten AGB-Gesetz bedrängt sieht und dann versucht, i m Wege der Auslegung dem Kunden m i t Halblösungen zu Hilfe zu kommen. Denn es geht nicht nur darum, daß Vertragsverletzungstatbestände ohne ersichtlichen Grund eingestuft werden 51 . Darüber hinaus macht man weitere Unterscheidungen, wobei i n den Fällen des Verzugs und der Leistungsunmöglichkeit nicht ein völliger Haftungsausschluß, aber doch eine Haftungseinschränkung beim Vorliegen leichter Fahrlässigkeit zugelassen wird 5 2 . Dadurch w i r d also der zunächst ausgesprochene verbraucherfreundliche Gedanke dermaßen eingeschränkt, daß nun eine neue Gefahr entsteht, daß nämlich „Schadensersatzansprüche des K u n den auf eine ,winzige Summe' beschränkt werden", auch wenn der Rückgriff auf § 9 A G B G i n diesem Fall eine Bekämpfungsmöglichkeit bietet. Darauf weist neuerdings Locher hin 5 3 . Neuerdings w i l l Manfred Wolf m i t einer neuen Begründung dem § 11 Nr. 8b ein Freizeichnungsverbot für leichte Fahrlässigkeit entnehmen. §11 Nr. 11 soll die Einhaltung der Zusicherung seitens des Verwenders durch ein umfassendes Freizeichnungsverbot gewährleisten; §11 Nr. 8 49 So Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 11 Nr. 8 Rdnrn. 11, 13, 19, S. 483 f., 486; Schlosser, W M 1978, 562 (568); jetzt jedoch anders derselbe, A G B G , § 11 Nr. 8 Rdnr. 6, S. 295, der i n bezug auf Nr. 8 b diesen Anwendungsbereich f ü r künstlich hält. 50 Schlosser, W M 1978, 562 (568); vgl. auch Löwisch, Arbeitskampfklauseln i n A G B , B B 1974, 1493 (1497). 51 Siehe oben bei Fußn. 20 ff. u n d 32 ff. 52 Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 8 Rdnrn. 9, 13 f., S. 333 f., 335 f.; Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 11 Nr. 8, Rdnr. 7, S. 309 f.; Koch ! Stübing, A G B , § 11 Nr. 8, Rdnrn. 13 f., S. 315 f.; Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, § 11 Nr. 8, Rndrn. 3 f., S. 132 f.; Palandt / Heinrichs, A G B G § 11 Nr. 8 A n m . 8 a, bb, S. 2262. 53 Locher, Das Recht der A G B , S. 87.

§ 2. Freizeichnungsverbot u n d Mangelfolgeschäden

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soll die Erbringung der vertragsgemäßen Leistung sichern. Daraus w i r d die Gleichheit der Zweckrichtung beider Vorschriften abgeleitet und der Schluß gezogen, das Freizeichnungsverbot für leichte Fahrlässigkeit solle grundsätzlich auch für § 11 Nr. 8b gelten 54 . Das Ergebnis dieses Zweckvergleichs ist jedoch zu unbestimmt, um die Erweiterung des Geltungsbereichs dieses Freizeichnungsverbots zu tragen. Die Nr. 11 betrifft nur bestimmte Vertragstypen und bezweckt, die schon i m Bürgerlichen Gesetzbuch für diese Typen verankerte strenge Haftung gegen eine formularmäßige Abbedingung zu sichern 55 . Insoweit sind für die Ausdehnung des Geltungsbereichs des strengen Haftungsmaßstabs noch mehrere Gründe als die bloße Feststellung einer unbestimmten Zweckgemeinsamkeit anzuführen, die übrigens i n der von Wolf formulierten Weise bei vielen Normen des AGB-Gesetzes zutreffen wird. Hinzu kommt, daß die Unwirksamkeit einer von der Haftung für leichte Fahrlässigkeit befreienden Klausel an das Bestehen eines „besonderen Vertrauenstatbestandes" geknüpft wird. Dies w i r d m i t dem Vertrauensschutz begründet, welcher der strengen Haftung des § 11 Nr. 11 zugrunde liegen soll. Wolf w i l l demnach ein Freizeichnungsverbot für leichtes Verschulden überall dort einführen, wo ein ausdrückliches oder konkludentes vertragliches Versprechen vorliegt, das bei dem Kunden ein schutzwürdiges Vertrauen begründet 56 . M i t anderen Worten w i r d man hier Zeuge eines Versuchs, die Haftungsregelung über zugesicherte Eigenschaften auf alle Vertragstypen auszudehnen. Es ist aber sehr fraglich, inwieweit eine dahingehende Auslegung vom Sinn und Wortlaut des § 11 Nr. 8 gedeckt wird, der sich ausdrücklich auf Verzug und Unmöglichkeit bezieht. Außerdem werden die von Wolf der Nr. 8b zugeordneten Fälle — wie die der vertraglichen Hauptleistungspflichten — schon von der geltenden Kardinalpflichtenlehre erfaßt 57 .

§ 2. Freizeichnungsverbot für leichte Fahrlässigkeit und Mangelfolgeschäden Das Freizeichnungsverbot der Vorschrift der Nr. 7 umfaßt nach alledem die sogenannten positiven Vertrags- oder Forderungsverletzungen, anders ausgedrückt, auch diejenigen Fälle von Vertragsverletzungen, die weder als Unmöglichkeit der Leistung noch als Verzug des Verwen54

M . Wolf, N J W 1980, 2433 (2435 re. Sp.). Vgl. Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 11, Rdnrn. 2, 14, 19, S. 370, 373 f., 375; Coester-Waltjen i n Schlosser / CoesterW a l t j e n / Graba, A G B G , § 11 Nr. 11, Rdnr. 11, S. 523; Schlosser, A G B G , § 11 Nr. 11, Rdnrn. 1, 4, S. 341 f. 56 M. Wolf, N J W 1980, 2433 (2435 ff.). 57 Siehe unten § 4. 55

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Kap. I : Freizeichnungsverbot f ü r leichte Fahrlässigkeit

ders (Schuldners) bezeichnet werden können 58 . A u f den Streit über den für diese Verletzungen zu verwendenden Ausdruck 59 , dessen Inhaltsbestimmung und besonders über die Vorschriften, denen sie subsumiert werden, ist hier insoweit nicht einzugehen, als es dabei um die Zurechnung dieser „sonstigen" Verletzungen der schon i m Gesetz geregelten Teilunmöglichkeit 6 0 oder der als nicht geregelt betrachteten positiven Vertragsverletzung geht. Er ist insofern für die hier behandelte Frage nicht von Bedeutung, als i n beiden Fällen auf das Verschuldensprinzip abgestellt wird, so daß i m Hinblick auf die Unterwerfung solcher Verletzungen unter das Freizeichnungsverbot der Nr. 7 kein Problem auftaucht. Besonders schwierig hat sich aber die Untersuchung des Problems der sogenannten „Begleitschäden" 61 bzw. „Mangelfolgeschäden" 62 gezeigt. Die folgenden Ausführungen sollen einen kurzen Überblick über den Meinungsstand zu dieser Frage verschaffen, ob sie nämlich getrennt von der Gewährleistungshaftung unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung betrachtet werden müssen und ob sie demzufolge i m Rahmen der Verträge, denen A G B zugrunde liegen, dem Freizeichnungsverbot der Nr. 7 zu unterwerfen sind. Denn die Gewährleistungsansprüche der §§ 462, 463, 480 Abs. 2, 634, 635 BGB können gemäß dem § 11 Nr. 10a formularmäßig nicht mehr ausgeschlossen werden. Ein Ausschluß- und Einschränkungsverbot 63 w i r d ferner von der Sondervorschrift des § 11 Nr. 11 für das Fehlen zugesicherter Eigenschaften vorgesehen. I. Kaufvertrag

1. Schadensersatzanspruch wegen zugesicherter Eigenschaften (§ 463 Satz 1 und § 480 Abs. 2 BGB) Ein beträchtlicher Teil der Literatur 6 4 geht von dem Ausdruck „Schadensersatz wegen Nichterfüllung" i m § 463 BGB aus und nimmt an, dieser „Garantieschadensersatzanspruch" beziehe sich jedenfalls auf 58

Vgl. auch Kopeke, Typen der positiven Vertragsverletzung, S. 12 f. Vgl. oben bei Fußn. 37. 60 Siehe oben bei Fußn. 23 f. 61 Leonhard, A l l g . Schuldr., § 281, S. 540 ff. (Begleitschädigung) u n d dem folgend Todt, Die Schadensersatzansprüche, S. 72. «2 Larenz, Schuldr. I I , § 41 I I S. 56, § 48 I I I , S. 198 ff., § 53 I I S. 287; die Mangelfolgeschäden werden den „Mangelschäden" u n d dem Fehlen zugesicherter Eigenschaften (Schlechterfüllung) entgegengesetzt, die entsprechend i n §§ 459 ff. (Kauf-), § 537 (Miet-), und §§ 633 f. (Werkvertrag) B G B unabhängig von irgendeinem Verschulden (Gewährleistungshaftung) geregelt sind. 63 Kritisch i n Bezug auf das Einschränkungsverbot Weitnauer, Einige Fragen zum Verhältnis V O B u n d AGBG, BauR 1978, 73 (78 f.). 64 Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 108, S. 437; Heck, Grundriß, § 87, S. 274 (d); BGB / Motive I I , § 385, S. 228 „ I n der Zusicherung . . . k a n n . . . 59

§ 2. Freizeichnungsverbot u n d Mangelfolgeschäden

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„den durch Nichterfüllung des ganzen Vertrages entstandenen Schaden" oder darauf, „so gestellt zu werden, als ob gehörig erfüllt worden wäre" 6 5 . Nach dieser Ansicht nämlich schließt der Schadensersatzanspruch des § 463 BGB auch die Begleitschäden ein. Gibt der Verkäufer eine Eigenschaftszusicherung ab, so hat er nicht nur für das Fehlen der Eigenschaft, sondern auch für jeden daraus entstehenden weiteren Schaden (Begleitschaden) einzustehen. Dieser Ansicht ist die neuere Rechtsprechung** und ein Teil des Schrifttums 67 entgegengetreten. Sie haben die Auffassung vertreten, es sei auf den mittels Auslegung sich ergebenden Zweck der vom Verkäufer abgegebenen Eigenschaftszusicherung abzustellen. Da die Haftung des Verkäufers / AGB-Verwenders ihre Grundlage i m Kaufvertrage habe, sei die Tragweite der Zusicherung mittels Auslegung des einzelnen Kaufvertrages abzuleiten 68 . Soweit die Begleitschäden von der Tragweite der Zusicherung gedeckt werden, hat der Verkäufer für sie unabhängig von irgendeinem Verschulden einzustehen 69 . Für die von der Zusicherung nicht gedeckten Schäden hat er nur nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung aufzukommen. Auch i m Rahmen des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen hat sich diese Auffassung durchgesetzt 70 , und der geschuldete Schadensnicht Anderes als . . . das Versprechen gefunden werden, f ü r alle Folgen einstehen zu wollen, w e n n die Eigenschaft fehlte"; Planck, § 463 A n m . 4, S. 709; Brox, Bes. Schuldr., Rdnr. 91, S. 44; Soergel / Ballerstedt, § 463, Rdnr. 11, S. 654 f. (mwN) ; Mezger i n B G B - R G R K , § 463, Rdnr. 13, S. 187. 65 Enneccerus / Lehmann, wie Fußn. 64. B G H v. 25. 3. 1958 ( V I I I ZR 48/57, Stuttgart) L M § 459 Abs. 1 B G B Nr. 5; B G H V. 21. 2. 1962 ( V I I I ZR 4/61, Hamm) N J W 1962, 908 (909); B G H v. 25. 9. 1975 ( V I I ZR 179/73, Karlsruhe/Freiburg) N J W 1976, 43 (re. Sp.) = B G H Z 65, 107; O L G K ö l n v. 9. 12. 1963 (10 U 44/62) VersR 1964, 541; O L G Celle v. 4. 3. 1966 (8 U 49/65) D B 1966, 457 f. 67 Larenz, Schuldr. I I , § 41 I I , S. 56 ff.; Fikentscher, Schuldrecht, § 70 I I I 2 d, S. 390; Diederichsen, „Schadensersatz wegen Nichterfüllung" u n d Ersatz von Mangelfolgeschäden, AcP 165 (1965), S. 150; Lüderitz, StudK BGB, § 463 A n m . 3 b aa, S. 294. 68 Diederichsen, AcP 165 (1965), S. 150 (158 ff.). 69 U m den „Schutzzweck" der Zusicherung festzustellen, hat der Bundesgerichtshof danach unterschieden, ob die Zusicherung dem Käufer n u r den ungestörten Genuß der Kaufsache verschaffen oder i h n auch gegen Mangelfolgeschäden absichern soll: B G H v. 29. 5. 1968 ( V I I I ZR 77/66. Celle) B G H Z 50, 200 (204 ff.) = N J W 1968, 1622 (Deckenplattenfall); O L G Karlsruhe v. 16. 6. 1971 (1 U 163/70) B B 1971, 1336 (1337) (Prozeßkosten) ; siehe auch Schmidt / Salzer, A G B , Rdnr. F. 118, S. 226. 70 Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 11 Rdnr. 15 ff., S. 374 f.; Schlosser, A G B G , § 11 Nr. 11, Rdnrn. 1, 14, 16, S. 341 (345 f.); Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltj en / Graba, A G B G , § 11 Nr. 11, Rdnrn. 2, 13, 17, S. 521, 524 f., 526 f.; Graf von Westphalen i n L ö w e / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 11 Nr. 11, Rdnrn. 3, 9 ff., S. 9 ff., S. 365, 368 ff.; Schwenzer, Die Freizeichnung des Verkäufers, S. 132 ff.; Schmidt-Salzer, A G B , Rdnrn. F. 117 ff., S. 225 ff.; Koch / Stübing, AGB, § 11

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Kap. I : Freizeichnungsverbot f ü r leichte Fahrlässigkeit

ersatz wegen Nichterfüllung soll nur dann Mangelfolgeschäden umfassen, wenn die vom Verwender übernommene Garantiehaftung gerade das Ziel verfolgt, den Kunden auch gegen derartige Schäden zu schützen 71 . Insoweit können nun Schadensersatzansprüche nach § 11 Nr. 11 weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Abgesehen von diesen Fällen werden also die Mangelfolgeschäden als positive Vertragsverletzung vom § 11 Nr. 7 erfaßt 72 , und insoweit ist eine Freizeichnung von leichter Fahrlässigkeit nicht verboten. Es ist hier nicht auf die Frage einzugehen, wie sich das Ziel der abgegebenen Zusicherung feststellen läßt 7 3 . Es sei lediglich auf die Ausführungen Hensens verwiesen 74 , der für die Ermittlung des Absicherungszwecks darauf abstellt, ob der Verwender i n Kenntnis des Verwendungszwecks von Kaufsache oder Werkleistung die Zusicherung abgegeben habe und wisse, daß der Vertragspartner Vertrauen i n das Vorhandensein der garantierten Eigenschaft bei der Verwendung von Kaufsache oder Werkleistung setze. Hensen warnt ferner vor einem Abstellen auf die Tragweite der Zusicherung, weil damit nur voraussehbare Schäden von dem Schadensersatzanspruch gedeckt werden. Die Einstandspflicht des Verwenders soll aber ohne Rücksicht auf die Voraussehbarkeit des Schadens eintreten 75 . Es spielt keine Rolle, ob die auf ein schuldhaftes Verhalten des Verkäufers oder seiner Hilfspersonen oder seiner gesetzlichen Vertreter zurückzuführenden Begleitschäden i n der Phase der Vertragsdurchführung (positive Vertragsverletzung) oder des Vertragsschlusses (culpa in contrahendo) herbeigeführt werden. Dies ergibt sich schon aus der ausdrücklichen Regelung des § 11 Nr. 7 Satz 2, soweit es sich um die „Verletzung von Pflichten bei den Vertragsverhandlungen" handelt7®. Nr. 11, Rdnrn. 5 ff., S. 368 ff.; Dittmann / Stahl, A G B Komm., § 11 Nr. 11, Rdnrn. 542 f., S. 221; Rebmann i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, § 11 Nr. 11 Rdnr. 2, S. 145 f.; vgl. auch Regierungsentwurf, BR-Drucks. 360/75, Begründung zu § 9 Nr. 11, S. 36; kritisch Stein, Gesetz der A G B , § 11 Nr. 11, Bern. 102, S. 178. 71 Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 11, Rdnr. 15, S. 374. 72 D i r e k t zu Abgrenzungsproblematik siehe noch Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, AGBG, § 11 Nr. 7, Rdnrn. 77 f., S. 476 f.; Dittmann / Stahl, A G B Komm., § 11 Nr. 11, Rdnr. 544, S. 221 f. 73 K r i t i k hierzu siehe Thamm, Haftungsbeschränkungen i n Lieferbedingungen usw., N J W 1976, 225 f.; Hiddemann, Die Rechtsprechung des B G H zum Kaufrecht, W M 1977, 1242 (1254 re. Sp.). 74 Hensen i n U l m e r / Brndner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 11, Rdnr. 17, S. 374. 75 Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., Rdnr. 18, S. 374 f. 76 Vgl. Mezger i n B G B - R G R K , § 463 Rdnr. 10, S. 186, über die Haftung des Verkäufers f ü r die A r g l i s t der Erfüllungsgehilfen u n d der gesetzlichen Vertreter; u n d § 463 Rdnr. 2, S. 183, über die entsprechende A n w e n d u n g des § 463 B G B auf die bei der Vertragserfüllung zugesicherten Eigenschaften.

§ 2. Freizeichnungsverbot u n d Mangelfolgeschäden

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Heftige Diskussionen hat das K r i t e r i u m ausgelöst, nach dem die Begleitschäden von den anderen Schäden zu unterscheiden sind. Diese Schwierigkeit w i r d aber leicht und praktikabel überwunden, wenn man der von Larenz 77 vorgeschlagenen Abgrenzung folgt, nämlich der, ob der Käufer an der Sache selbst oder an seinen „sonstigen Rechtsgütern" Schäden erlitten hat 7 8 . 2. Schadensersatzanspruch wegen eines arglistig verschwiegenen Mangels oder einer arglistig vorgespiegelten Eigenschaft, § 463 Satz 2 und § 480 Abs. 2 BGB Was diesen Schadensersatzanspruch anlangt, geht die Vorschrift des § 463 Satz 2 BGB vom Verschuldensprinzip aus. Der bei arglistigem Verschweigen eines Mangels oder arglistigem Vorspiegeln einer Eigenschaft erforderte Verschuldensgrad steht i m Einklang m i t dem vom § 276 Abs. 2 BGB vorgesehenen Mindestgrad des Verschuldens, den der Schuldner zu vertreten hat. Die Arglist (§.463 Satz 2 BGB) deckt sich inhaltlich mit dem Vorsatz einschließlich dolus eventualis, so daß nicht verlangt wird, „daß die Täuschung bezweckt w a r " 7 9 , während Fahrlässigkeit nicht genügt 80 . I m Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen und angesichts des §11 Nr. 7, wo die Mindestgrenze für die Freizeichnung von der Verschuldenshaftung höher als i m § 276 Abs. 2 BGB angesetzt wird, liegt es nahe, den § 463 Satz 2 BGB den neuen AGB-Verschuldenshaftungsgrenzen anzugleichen. Denn der Gesetzgeber hat i n dieser Vorschrift seinen Willen zum Ausdruck gebracht, den Schuldner nur bis zur Grenze des unabdingbaren Verschuldens haften zu lassen. Hat sich nun diese Grenze verschoben, so spricht dies dafür, daß man anstelle des Vorsatzes i m § 463 Satz 2 BGB Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit liest, soweit es sich u m die Anwendung dieser Vorschrift auf AGB-Kaufverträge handelt 8 0 a . 77

Schuldr. I I , § 41 I I , S. 56. Ebenso Heck, Grundriß, § 87, S. 274 (d); Beuthien, StudK B G B § 635 A n m . 3, S. 344 f.; Schlosser, A G B G , § 11 Nr. 11, Rdnr. 14, S. 345; B G H v. 18. 12. 1964 (V ZR 68/63, Schleswig) N J W 1965, 532 (533); vgl. ferner Glanzmann, i n B G B RGRK, § 635 Rdnrn. 50 ff., S. 46 f.; Staudinger / Honsell, § 463 Rdnr. 36, S. 365; Hiddemann, W M 1977, 1242 (1251 Ii. Sp.); O L G K ö l n (o. Fußn. 66) VersR 1964, 541 (542); O L G Celle (o. Fußn. 66) D B 1966, 457. Anders: RG v. 10. 7. 1906 ( V I I ZS 551/05, Breslau) RGZ 64, 41 (43); RG v. 14. 12. 1926 ( V I ZS 342/26, Berlin) RGZ 115, 122 (125); B G H v. 18. 1. 1965 ( I I ZR 135/62, Düsseldorf) B G H Z 43, 88 (90); Todt, Die Schadensersatzansprüche, S. 132 ff., versucht eine Typisierung (mwN). 79 Mezger i n B G B - R G R K , § 463 Rdnr. 5, S. 184. 80 Mezger, wie Fußn. 79; Palandt ί Putzo, § 463 Anm. 3 b aa, S. 457; Erman / Weitnauer, § 463 Rdnr. 5, S. 1063; Staudinger / Honsell, § 463 Rdnr. 26, S. 361 mwN. ®°a Diese Frage soll i n einer anderen Abhandlung näher erörtert werden. A n dieser Stelle ist jedoch schon darauf hinzuweisen, daß der B G H v. 16. 3. 78

3 Roussos

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Kap. I : Freizeichnungsverbot f ü r leichte Fahrlässigkeit

Was die Begleitschäden angeht, die ihren Grund i n einem arglistig verschwiegenen Mangel oder i n einer arglistig vorgespiegelten Eigenschaft haben, nimmt ein Teil der Lehre an 81 , daß deren Ersatz immer an die Voraussetzungen des § 463 Satz 2 BGB gebunden sei. Hat der Verkäufer arglistig einen Mangel verschwiegen oder eine Eigenschaft vorgespiegelt, so habe er für alle daraus entstehenden Begleitschäden Ersatz zu leisten, weil der Käufer i n seinem Vertrauen geschützt werden müsse, und weil i m § 463 Satz 2 BGB eine gesetzliche Garantie vorliege. Trotzdem herrscht auch hier die Ansicht 82 , der Ersatz von Begleitschäden habe nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zu erfolgen, weil sie auf das negative Interesse gerichtet sind und w e i l jeder Anhaltspunkt dafür fehlt, „daß die Zubilligung des Erfüllungsinteresses i n § 463 BGB zugleich die Anerkennung des Anspruchs auf das Vertrauensinteresse bedeuten soll" 8 3 . Demzufolge werden diese Begleitschäden von Nr. 7 erfaßt 84 . I I . Werkvertrag

Die dem § 463 BGB entsprechende Vorschrift i m Werkvertragsrecht ist die des § 635 BGB, wonach der Schadensersatzanspruch des Werkbestellers von einer schuldhaften Schadensverursachung seitens des Werkherstellers bzw. seiner Hilfspersonen abhängt. Obwohl es sich hier um eine Verschuldenshaftung handelt, kommt bei AGB-Werkverträgen nicht die Anwendung des § 11 Nr. 7, sondern die des noch weitergehenden § 11 Nr. 10 i n Betracht. Danach (Nr. 10, 1. Alternative) darf die auf § 635 BGB begründete Haftung des Verwenders nicht ausgeschlossen werden. Insoweit kommt eine große Bedeutung der Beantwortung der 1977 ( V I I I ZR 283/75, München) N J W 1977, 1055 f. den vertraglichen Gewährleistungsausschluß eines Gebrauchtwagenhändlers wegen A r g l i s t gemäß § 476 B G B für u n w i r k s a m hielt, w e n n der Händler die Mangelfreiheit „ins Blaue" hinein behauptete. I m gleichen Sinne B G H v. 21. 1. 1975 ( V I I I ZR 101/73, Düsseldorf) B G H Z 63, 382 (388); a. A . L G Oldenburg v. 11. 7. 1978 (1 S 535/77) N J W 1979, 432. 81 Soergel / Ballerstedt, § 463, Rdnr. 11, S. 655; Larenz, Schuldr. I I , § 41 I I , S. 57; Staudinger / Honseil, § 463 Rdnr. 40, S. 367; Fikentscher, Schuldrecht, § 70 I I I 2 d, S. 390 f.; Mezger, i n B G B - R G R K § 463 Rdnr. 15, S. 188. 82 Enneccer us l Lehmann, Schuldverhältnisse, § 112 I 3, S. 453; Erman / Weitnauer, Vor § 459 Rdnrn. 47 ff., S. 1045 f. u n d § 463 Rdnr. 13, S. 1064 f.; Todt, Die Schadensersatzansprüche, S. 158 ff. (mwN). Ferner bei arglistiger Vorspiegelung einer Eigenschaft hafte der Verkäufer „dann auf den Ersatz des Begleitschadens, w e n n der Schutzzweck der vorgespiegelten Eigenschaft auch den Schutz vor diesen Schäden erfaßt" (Todt, S. 163). 83 Diederichsen, AcP 165 (1965) S. 150 (161) vertrat die Auffassung, für den Umfang der H a f t u n g des Verkäufers sei entscheidend, „ w i e w e i t der Verkäufer den E i n t r i t t eines Mangelfolgeschadens auf G r u n d der arglistig verschwiegenen Fehler oder auf G r u n d der arglistig vorgespiegelten Eigenschaft v o r aussehen konnte u n d mußte." 84 Vgl. ferner oben bei Fußn. 70 ff.

§ 2. Freizeichnungsverbot u n d Mangelfolgeschäden

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Frage zu, ob sich die Anspruchsgrundlage der Begleitschäden i m § 635 BGB findet 85 oder ob diese wiederum einen Fall der positiven Vertragsverletzung darstellen. I m ersten Fall lassen sie sich nicht der Nr. 7, sondern nur dem strengeren Freizeichnungsverbot der Nr. 10 unterordnen. Man kann jedoch hier von einer deutlichen Mehrheit sprechen, die sich für die Behandlung der Mangelfolgeschäden unter dem Aspekt der positiven Vertragsverletzung ausgesprochen hat 8 6 , so daß es nahe liegt, eine Freizeichnung des Verwenders von derartigen Schäden nur nach den Grenzen der Nr. 7 zu beurteilen. Soweit es jedoch um das Fehlen zugesicherter Eigenschaften geht und infolgedessen § 11 Nr. 11 eingreift, muß der Verwender ein Ausschluß- und Einschränkungsverbot auch i n bezug auf Mangelfolgeschäden hinnehmen, sofern diese nach den obigen Darlegungen von dem Zweck der Zusicherung abgedeckt werden 87 . I I I . Mietvertrag

I m Mietrecht gewährt § 538 Abs. 1 BGB dem Mieter einen Schadensersatzanspruch, wobei der Haftungsgrund unterschiedlich ausgestaltet ist, je nachdem, ob ein Mangel bei oder nach dem Vertragsschluß eingetreten ist. 1. Mängel beim Vertragsschluß Für die beim Abschluß des Mietvertrags vorhandenen Mängel steht dem Mieter ein „Garantieschadensersatzanspruch" zu. Wenn nun dieser Anspruch nach Anwendung des § 11 Nr. 10 auf Mietverträge formularmäßig nicht mehr ausschließbar ist 88 , dann erlangt eine erhebliche Bedeutung der Streit darüber, ob der „Garantieschadensersatzanspruch" auch die Begleitschäden umfaßt 8 9 oder ob diese vom Aspekt der culpa 85 Soergel / Ballerstedt, § 635 Rdnrn. 9 ff., S. 286 ff.; Beuthien, StudK BGB, § 635 Anm. 3, S. 395; Soergel / Mühl, § 635 Rdnrn. 13 ff., S. 717 ff., unterscheidet zwischen „engeren" u n d „entfernteren" Mangelfolgeschäden. N u r die letzte Gruppe soll unter den Begriff der positiven Vertragsverletzung fallen. 86 RG v. 14. 5. 1909 ( V I I ZS 345/08, Hamburg) RGZ 71, 173 (175); RG v. 14.12. 1926 ( V I ZS 342/26, Berlin) RGZ 115, 122 (125); B G H v. 27. 4. 1961 ( V I I ZR 9/ 60, Berlin) B G H Z 35, 130 (132); B G H v. 9. 7. 1962 ( V I I ZR 98/61, Bamberg) B G H Z 37, 341 (343 ff.); B G H v. 28.11.1966 ( V I I Z R 79/65, Frankfurt) B G H Z 46, 238; B G H v. 13. 4. 1972 ( V I I ZR 4/71, Berlin) B G H Z 58, 305; Staudinger I Riedel, § 635 Rdnr. 8, S. 1727 u n d § 638 Rdnr. 3, S. 1733 f.; Glanzmann i n B G B RGRK, § 635 Rdnrn. 28 ff., S. 92 ff.; Planck, § 635 Anm. 2 a, S. 1048. 87 I m übrigen vgl. oben bei Fußn. 64 ff. 88 Dazu siehe unten bei Fußn. 95. 89 So die Rechtsprechung: RG v. 19. 9. 1902 ( I I I ZS 125/02, Stuttgart) RGZ 52, 172 (173); RG v. 30. 3. 1942 (V ZS 120/41, Celle) RGZ 169, 84 (92); B G H (o. Fußn. 66) N J W 1962, 908 f.; B G H v. 22. 1. 1968 ( V I I I ZR 195/65, Hamm) N J W 1968, 885 (886 f.) = B G H Z 49, 350; O L G Düsseldorf v. 4. 4. 1974 (8 U 15/74) VersR 1974, 1113; u n d der größte T e i l des Schrifttums, u . a . : Palandt / Putzo, § 538 A n m . 5 b, S. 503; Erman/ Schop, § 538 Rdnr. 20, S. 1189; Medicus, S t u d K

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Kap. I : Freizeichnungsverbot f ü r leichte Fahrlässigkeit

i n contrahendo oder der positiven Vertragsverletzung zu beurteilen sind 90 . Man kann vorerst davon ausgehen, daß Rechtsklarheitsgründe für die Einbettung der Mangelfolgeschäden i n die positive Vertragsverletzung sprechen 01. Damit vermeidet man das anstößige Ergebnis, den Vermieter wegen eines anfänglichen Schadens strenger haften zu lassen als wegen eines später entstandenen 92 . Daß aber eine derartige Lösung dem Schutzinteresse des Mieters wenig entspricht 03 , muß man der Gegenmeinung zugeben, die übrigens als die herrschende angesehen werden kann; insoweit ist darin gleichzeitig ein Aspekt des Bedürfnisses für eine einheitliche strenge Haftung des AGB-Verwenders zu erblicken. 2. Mängel nach dem Vertragsschluß Wenn der Mangel später als der Abschluß des Vertrags eintritt oder der Vermieter m i t der Beseitigung des Mangels i n Verzug kommt, dann w i r d er schadensersatzpflichtig, sofern der Schaden auf sein schuldhaftes Verhalten zurückzuführen ist (§ 538 Abs. 1, 2. und 3. Alternative BGB). Dies läßt sich i m ersten Fall unmittelbar dem Gesetzestext entnehmen, während es sich i m zweiten Fall mittelbar daraus ergibt, daß der Verzug zu vertreten sein muß (§ 285 BGB). I m Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen hätte man diese Verschuldenshaftungsfälle ohne Bedenken dem § 11 Nr. 7 zuordnen können. Die Anwendbarkeit des (beschränkten) Freizeichnungsverbots der Nr. 7 hängt jedoch davon ab, ob man das Freizeichnungsverbot der Nr. 10 auf die Miet-, Pacht- und sonstige Gebrauchsüberlassungsverträge anwendet. Die Meinungen hierüber sind geteilt. Einige Autoren führen den weit gefaßten Wortlaut des Einleitungssatzes des § 11 Nr. 10 auf ein Redaktionsversehen zurück und schließen somit eine Anwendung auf diese Vertragstypen aus 94 . Dieser BGB, § 538 A n m . 2, S. 317; Esser ! Weyers, Schuldr. I I , Teilbd. 1, § 15 I, 6 c, S. 148 f.; Staudinger / Emmerich, § 538 Rdnrn. 27 ff., S. 750 f. (mwN). 90 So Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 128 I I I 2, S. 518; Siber, Grundriß-Schuldrecht, § 56, S. 284; Oertmann, Schuldverhältnisse, 2. Abt., §538 A n m . 1, S. 753; Todt, Die Schadensersatzansprüche, S. 163 ff. (mwN). 91 Dem Verschuldensprinzip nähert sich (trotz Verneinung von Larenz) auch die v o n Larenz, Schuld. I I , § 48 I I I , S. 199; Fikentscher, Schuldrecht, § 74 I I 6, S. 440; Diederichsen, AcP 165 (1965), S. 150 (168) vorgeschlagene Lösung der „äußersten Sorgfalt". Siehe auch die von Heck, Grundriß, § 99, S. 307 empfohlene doppelte Möglichkeit. 92 Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 128 I I I 2, S. 518; Siber, Grundriß-Schuldrecht, § 56, S. 284. 93 Vgl. Staudinger / Emmerich, § 538 Rdnr. 3, S. 746. 94 So Schlosser, AGBG, § 11 Nr. 10 Rdnr. 11, S. 309; Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 10, Rdnr. 3, S. 343 f.; Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 11 Nr. 10, Rdnr. 25, S. 501; Rebmann i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, § 11 Nr. 10 Rdnr. 2, S. 139; Koch / Stübing, A G B , § 11 Nr. 10, Rdnr. 13, S. 336; offengelassen von B G H v. 23. 2. 1977 ( V I I I Z R 124/75, Köln) N J W 1977, 848 (849 re. Sp.); jetzt auch O L G H a m m v. 4. 12. 1979 (4 U 244/79) O L G Z 1980, 364 (370 f.).

§ 2. Freizeichnungsverbot u n d Mangelfolgeschäden

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Ansicht zufolge muß man eine Haftungsbefreiung des Verwenders von leichter Fahrlässigkeit in den vom § 538 Abs. 1 BGB geregelten Fällen für zulässig erachten (§11 Nr. 7). Die gegenteilige Ansicht zögert indessen nicht, die Nr. 10 auch auf die Gebrauchsüberlassungsverträge auszudehnen 95 . Unter Berücksichtigung dieses Standpunktes entsteht nun die Frage, wie Begleitschäden zu behandeln sind. Hier stößt man nämlich wieder auf das Problem, ob die Anspruchsgrundlage für Mangelfolgeschäden i n § 538 Abs. 1 BGB zu erblicken ist 96 . W i r d diese Frage verneint (restriktive Auslegung) und werden derartige Schäden als positive Vertragsverletzung qualifiziert, so ist es ohne weiteres deutlich, daß man bei haftungsbefreienden Klauseln i n A G B nur die von Nr. 7 gesetzten Grenzen zu beachten hat. T r i f f t es aber zu, daß sich eine herrschende Meinung abzeichnet, welche die Grundlage für die Geltendmachung von Begleitschäden i m § 538 Abs. 1 BGB erblickt (extensive Auslegung) und kombiniert man dies m i t der Anwendung des Freizeichnungsverbots der Nr. 10 auf Mietverträge, so gelangt man zu der Unzulässigkeit der Haftungsentlastung von leichter Fahrlässigkeit auch bezüglich der Haftung für Begleitschäden. Verbindet man aber die extensive Auslegung des § 538 Abs. 1 BGB m i t der Ablehnung einer Ausdehnung der Nr. 10 auf Mietverträge 97 , so kommt man hinsichtlich der Freizeichnungsgrenze zum gleichen Resultat, zu dem auch die enge Auslegung des § 538 Abs. 1 BGB führt. I n beiden Fällen läßt sich nämlich der Haftungsmaßstab für Begleitschäden nach der Nr. 7 beurteilen. Aus der Sicht des Schutzes der Mieterinteressen ist jedoch diese Lösung fraglich. Noch fraglicher ist aber die Tendenz, dem Kunden einerseits durch Hereinnahme der Begleitschäden i n den § 538 Abs. 1 BGB Schutz zu gewähren und andererseits durch eine Ausschaltung des weitgehenden Freizeichnungsverbots der Nr. 10 das mieterfreundliche Ergebnis wieder rückgängig zu machen. Denn es fragt sich, ob es i h m etwas nutzt, einen vom Umfang her weiten Schadensersatzanspruch nur theoretisch zu haben, weil ja der Verwender bekanntlich i n seinen Bedingungen von den i h m gesetzlich angebotenen (Freizeichnungs)Möglichkeiten i n der Regel Gebrauch machen wird. Der Bereich der allgemeinen Geschäftsbedingungen ist demnach gerade das Feld, wo die Effektivität einer strengen Haftung i n ihrer Unabdingbarkeit liegt. 95 So Palandt/Heinrichs, A G B G , § 11 Nr. 10 A n m . 10, S. 2262; Graf von Westphalen i n L ö w e / G r a f von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 11 Nr. 10 Rdnr. 4, S. 315; Stein, Gesetz der A G B , § 11 Nr. 10, Bern. 75, S. 169; Dittmann / Stahl, A G B Komm., § 11 Nr. 10 Rdnr. 467, S. 197 f.; Locher, Das Recht der AGB, S. 66; Schwappach, A G B Gesetz, § 11 Nr. 10, S. 41; Kötz, M ü K o , A G B G § 11 Nr. 10 Rdnr. 78, S. 1509; vgl. auch Helm, A u s w i r k u n g e n des AGB-Gesetzes usw., VersR 1978, 1 (3). M Hierzu siehe Fußn. 89, 90. 97 Vgl. Staudinger / Emmerich, § 538 Rdnrn. 29 u n d 43, S. 751, 753.

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Kap. I : Freizeichnungsverbot f ü r leichte Fahrlässigkeit

U m sich ein klares B i l d über diese recht komplizierte Behandlung der Frage der Tragweite des § 538 Abs. 1 BGB sowie dessen Abbedingungsmöglichkeit zu verschaffen, kann man wie folgt zusammenfassen: Man darf diejenige Meinung als herrschende ansehen, die unter den § 538 Abs. 1 BGB auch die Haftungsregelung für Mangelfolgeschäden subsumiert. Danach gilt § 11 Nr. 7 für diese nicht. Insofern verschiebt sich der Schwerpunkt der ganzen Problematik dahin, daß man eine klare Entscheidung darüber vermißt, ob die sich aus dem § 538 Abs. 1 BGB ergebende Haftung nach § 11 Nr. 10 i m Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen ausschließbar ist oder nicht. Sollte die Entscheidung zugunsten der Mieterinteressen fallen, so wäre dies mindestens noch ein Indiz für eine Tendenz zu verbraucherfreundlichen Lösungen i m Wege einer strengen Verwenderhaftung. Sollte man sich gegen die erweiterte Anwendung des Freizeichnungsverbots der Nr. 10 aussprechen, so wäre dies als Aufforderung zu Erforschung von Mitteln und Wegen aufzufassen, welche die Annahme einer strikten und unabdingbaren Verwenderhaftung ermöglichen. Diese Ausführungen gelten entsprechend auch für den Fall des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft 98 . Hier w i r d ebenfalls ein Streit darüber ausgetragen, ob § 11 Nr. 11 analog auf die Mietverträge anzuwenden ist 99 . Zusammenfassung des Kapitels I Die bisherigen Ausführungen lassen den Schluß zu, daß der mittels § 11 Nr. 7 verbesserte Verbraucherschutz durch Einschränkimg der Freizeichnungsmöglichkeit des Verwenders immerhin als ungenügend empfunden wird. Dies ergibt sich aus den Versuchen der Korrektur der Nr. 7, die auf eine weitere Einengung der Freizeichnungsgrenze abzielen. Die Schwäche dieser Korrekturen besteht vor allem darin, daß sie nur Teillösungen darstellen und von der Entscheidung einer Reihe von einzelnen Streitfragen abhängen, wie sich am Beispiel der Haftung für Mangelfolgeschäden zeigt. Ferner ist eine Erweiterung des Haftungsmaßstabs des Verwenders m i t Hilfe der Nr. 8 i n den Fällen des Verzugs und der 98

I m übrigen siehe oben bei Fußn. 64 ff. Die Frage w i r d bejaht von: Hensen i n Ulmer / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 11 Rdnr. 2, S. 370; Stein, Gesetz der A G B , § 11 Nr. 11 Bern. 105, S. 179. Dagegen: Schlosser, AGBG, § 11 Nr. 11 Rdnr. 5, S. 342; Koch / Stübing, AGB, § 11 Nr. 11 Rdnr. 2, S. 367; Locher, Das Recht der A G B , S. 89; Dittmann / Stahl, A G B Komm., § 11 Nr. 11 Rdnr. 540, S. 220; Rebmann i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, § 11 Nr. 11 Rdnr. 2, S. 145; ähnlich CoesterWaltjen i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 11 Nr. 11, Rdnr. 11, S. 523; Kötz, M ü K o , A G B G §11 Nr. 11 Rdnr. 119, S. 1526, der allerdings m i t diesem Ergebnis de lege ferenda nicht zufrieden zu sein scheint, obwohl er meint, die Zusicherung v o n Eigenschaften i n M i e t - u n d Pachtverträgen spiele i n der Praxis keine wesentliche Rolle. 99

Zusammenfassung des Kapitels I

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Leistungsunmöglichkeit positiv-rechtlich nicht zu begründen. Dies geht aus der unterschiedlichen Funktion der Nrn. 7 und 8, aus dogmatischen Gesichtspunkten sowie aus den Gesetzesmaterialien hervor.

Kapitel

II

,Kardinalpflicht"lehre und Haftung für Organisationsmängel § 3. Die sog. „Kardinalpflichten" in der Rechtsprechung I . „Kardinalpflichten" und Freizeichnungsgrenze

Es w i r d behauptet, über den Haftungsmaßstab des § 11 Nr. 7 A G B G hinaus komme auch eine Haftung für leichte Fahrlässigkeit trotz Freizeichnung i n Betracht. Das sei besonders der Fall, wenn Verletzungen der sog. „Kardinalpflichten" vorliegen 1 — abgesehen von der strengeren Haftung, die unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach § 9 Abs. 1 AGBG „unter besonderen Voraussetzungen" bejaht werden kann 2 . Die Grundlage dieser strengen Haftung für „ Kardinalpflicht" Verletzungen befinde sich i m § 9 I I Nr. 2 AGBG 3 , obgleich diese Vorschrift über die Einschränkung von „wesentlichen" Pflichten als solchen spricht. Wie sich aber m i t den folgenden Ausführungen zeigen läßt, kann man hier nicht die Pflichten von der Haftung getrennt betrachten. Dies hat auch bis heute weder die Rechtsprechung noch die Literatur getan 4 . Die Haftung des AGB-Verwenders w i r d erst m i t der Verletzung und nicht schon m i t der Freizeichnung von den „wesentlichen", sich „aus 1 Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 7 Rdnr. 31, S. 327; Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 11 Nr. 7, Rdnr. 64, S. 470; Hagele, A G B nach neuem Recht, S. 62; Dittmann / Stahl, A G B Komm., § 11 Nr. 7, Rdnr. 422, S. 179 f.; Koch / S tubing, A G B , § 11 Nr. 7, Rdnr. 17, S. 305; Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 9, Rdnr. 30, S. 163; Ρalandt / Heinrichs, A G B G § 9, Rdnr. 4, S. 2249; siehe auch: Kötz, M ü K o , A G B G § 11 Nr. 7, Rdnr. 53, S. 1500; Stein, Gesetz der A G B , § 11 Nr. 7, Bern. 55, S. 162. 2 Stein, Gesetz der A G B , § 11 Nr. 7, Bern. 59, S. 164; Kötz, M ü K o , A G B G §11 Nr. 7, Rdnr. 63, S. 1503; Brandner i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 9 Rdnr. 34, S. 203; Graba i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, AGBG, § 9 Rdnr. 3, S. 203 f.; Koch / Stübing, A G B , § 9 Rdnr. 6, S. 147; Dietlein i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, §9 Rdnr. 5, S. 70; a. A. Schmidt / Salzer, A G B , Rdnr. F. 14, S. 169. 8 Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 7 Rdnr. 31, S. 327; dazu siehe neuerdings Schmidt-Salzer i n Hermann / Recknagel / Schmidt-Salzer, A V B V - K o m m e n t a r , V o r § 6 Rdnrn. 144 ff., 168 ff., S. 250 f., 262 f. u n d § 6 Rdnrn. 118 ff., S. 324 f.; Erman / Hefermehl, § 9 A G B G Rdnr. 15, S. 2475. 4 Siehe auch Schlosser, W M 1978, 562; derselbe, A G B G , § 9 Rdnr. 15, S. 139.

§ 3. Die Rechtsprechung

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der Natur des Vertrages" ergebenden Pflichten begründet. Dies läuft darauf hinaus, daß Pflicht- und Haftungseinschränkung i n diesem Fall auf denselben Nenner gebracht werden. Der ersteren w i r d dann praktische Bedeutung beigemessen, wenn ein haftungsbegründender Tatbestand eingetreten ist. Das ist aber erst bei ihrer Verletzung und nicht schon bei Freizeichnung der Fall. Erst i n zweiter Linie fragt es sich, an welchen Maßstäben diese Haftung zu messen ist. Insoweit w i r d die Pflichtverletzung von dem Haftungsmaßstab deutlich unterschieden, so daß die K r i t i k von M. Wolf i n diesem Punkt nicht als berechtigt erscheint, der sich gegen die Anhänger eines FreizeichnungsVerbots für leichte Fahrlässigkeit bei „Kardinalpflicht ^"Verletzungen wendet und meint, die Unterscheidung zwischen Pflicht und Haftungsmaßstab werde nicht genügend beachtet 6 . Denn die „Wesentlichkeit" einer Pflicht entscheidet auch über die Stringenz der Haftung, die durch ihre Verletzung ausgelöst wird. Andernfalls wäre die Bezeichnung „wesentlich" sinnlos. Zunächst aber bedarf es einer Inhaltsbestimmung und näherer Präzisierung dieser „kardinalen" Pflichten. Sie kann also den Ausschlag dafür geben, ob sich ein strengerer Haftungsmaßstab für die „Kardinal"pflichten rechtfertigen läßt. Z u diesem Zweck muß eine Darstellung und kritische Würdigung der von der Rechtsprechung und Literatur gewonnenen Ergebnisse vorgenommen werden. Der erste Teil dieser Darstellung soll die seehandelsund binnenschiffahrtsrechtlichen Fälle umfassen, während sich der zweite Teil auf die anderen rechtlichen Gebiete m i t besonderer Berücksichtigung der auskunftsrechtlichen Fälle beziehen soll, wo die Gerichte m i t ähnlichen Formulierungen wie i m Seehandels- und Binnenschifffahrtsrecht gearbeitet haben, immer i n bezug auf die „Kardinalpflichten" 7 . I I . Die seehandels- und binnenschiffahrtsrechtliche Rechtsprechung

1. Schlepptrossenfall

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A u f einem Transport brach die Schleppverbindung zwischen dem Schleppdampfer der beauftragten Reederei u n d einem unbemannt fahrenden Hebeschiff. Wegen mangelhafter Ausrüstung 9 konnte der Schleppdampfer die Ver5

N J W 1980, 2433 (2434 Ii. Sp.). I n diesem Sinne auch Schlosser, AGBG, § 9 Rdnr. 28, S. 147. 7 Diese Untersuchung berücksichtigt hauptsächlich die Rechtsprechung, auf die i m Schrifttum hinsichtlich der „Kardinalpflichten" verwiesen w i r d . 8 B G H v. 16. 3. 1956 (I ZR 132/54, Oldenburg) B B 1956, 577 (mit Sachverhalt) = W M 1956, 826. Dieselbe Entscheidung m i t D a t u m v. 13. 3. 1956 auch i n : N J W 1956, 1065 = L M zu § 138 (Cc) B G B Nr. 1. 9 Sie lag an dem Fehlen eines Draggens, bei dessen Vorhandensein der Schleppdampfer selbst das Hebeschiff wieder i n Schlepp hätte nehmen k ö n 6

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

bindung nicht wieder herstellen 1 0 . Soweit der Versicherer den daraus entstandenen Schaden der Eigentümerin des Hebeschiffs gedeckt hat, nahm er die Reederei i n Anspruch. Diese berief sich auf ihre „Allgemeinen Schleppbedingungen", wonach ihre Haftung f ü r irgendwelche Unfälle u n d Beschädigungen der geschleppten Schiffe ohne Rücksicht auf die Ursache des Schadens ausgeschlossen sei.

Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts 11 durfte sich die beklagte Reederei nicht von der Verpflichtung befreien, ein in seetüchtigem Zustand befindliches, gehörig eingerichtetes, ausgerüstetes und bemanntes Schiff zu stellen. Sonst werde den Auftraggebern ein unbilliges und unverhältnismäßig großes Opfer aufgebürdet 12 , da diese Verpflichtung (§611 BGB i n Verbindung m i t §559 HGB) Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrages sei. Indessen kann es auf das K r i t e r i u m des unbilligen und unverhältnismäßig großen Opfers nicht ankommen 13 . Wirtschaftliche Kriterien haben allein für rechtliche Beurteilungen keine Bedeutung. Darüber hinaus sind sie von subjektiven Umständen gekennzeichnet, so daß ihre Heranziehung von Fall zu Fall zu unterschiedlichen Bewertungen der einseitigen Wahrnehmung der Interessen durch den AGB-Verwender führen kann. Die Zulässigkeit der Freizeichnung kann nicht etwa deshalb bejaht werden, weil der Kunde wirtschaftlich stark ist und ihm somit kein großes Opfer aufbürdet. Vielmehr darf diesem K r i t e r i u m keine Relevanz für die Unterscheidung von „Kardinalpflichten" zuerkannt werden 14 . Liegt die Verletzung von „Kardinalpflichten" hauptsächlich darin, nen, so daß keine Bergekosten entstanden wären. Der B G H hatte das Bestehen dieses Kausalzusammenhangs als unzureichend geprüft angesehen u n d die Sache deshalb zurückverwiesen. 10 Vgl. auch O L G H a m b u r g v. 25. 1. 1939 (25 Ο 40/38) HansRGZ 1939 Β Nr. 93, Sp. 271 ff.: Verneinung der Freizeichnung v o n der Seeuntüchtigkeit. Sie lag darin, daß eine F a h r t unternommen wurde, ohne daß es einen zweiten A n k e r an Bord gab. 11 Sie befinden sich i n der BGH-Entscheidung (siehe Fußn. 8); immer, w e n n ohne Zitatenangabe auf Ausführungen eines Berufungsgerichts verwiesen w i r d , sind die i n der jeweiligen BGH-Entscheidung enthaltenen Ausführungen gemeint. 12 Vgl. B G H v. 2. 4. 1962 ( I I ZR 80/60, Bremen) L M zu § 276 (Db) B G B Nr. 4 Bl. 2 unter 2 a = N J W 1962, 1195. 13 Vgl. die innerhalb der Lehre des Unmöglichwerdens der Leistung v e r tretene Theorie der sog. „Opfergrenze": Kleineidam, Unmöglichkeit u n d U n vermögen, §2, S. 14 ff.; Brecht, System der Vertragshaftung, JherJb Bd. 53 (Neudruck 1968), S. 213 ff.; Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 46 I 2, S. 201; dagegen die h. M. vertreten u. a. von Larenz, Schuldr. I, § 21 I, S. 263 f.; Fikentscher, Schuldrecht, § 27 I I , 3 b S. 120. 14 Dieses K r i t e r i u m ist schon längst i n der Lehre der Inhaltskontrolle der A G B auf K r i t i k gestoßen, siehe ζ. B. Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Verhandlungen Bd. 1, S. A 1 ff. (29, 51), wo die „Unzumutbarkeit" als Leerformel bezeichnet w i r d ; L. Raiser, Vertragsfreiheit heute, JZ 1958, 1 (7); Grunsky, A G B u n d Wettbewerbswirtschaft, B B 1971, 1115.

§ 3. Die Rechtsprechung

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daß der V e r t r a g s z w e c k g e f ä h r d e t (§ 9 I I N r . 2) oder v o n V e r e i t e l u n g 1 5 b e d r o h t ist, d a n n k a n n diese G e f ä h r d u n g n a c h t r ä g l i c h n i c h t g e b i l l i g t w e r d e n , w e n n festgestellt w i r d , daß t r o t z V e r t r a g s z w e c k g e f ä h r d u n g d e m K u n d e n k e i n großes O p f e r a u f e r l e g t w i r d . M a n m u ß auch d a r a n d e n k e n , daß die V e r l e t z u n g v o n „ K a r d i n a l p f l i c h t e n " eine unangemessene Be~ n a c h t e i l i g u n g 1 6 v e r m u t e n läßt, sie ist v i e l m e h r als e i n w i r t s c h a f t l i c h e s Opfer 17. Gegen d i e e i n g e b ü r g e r t e F o r m e l „ V o r a u s s e t z u n g f ü r d i e o r d n u n g s gemäße E r f ü l l u n g des V e r t r a g e s " 1 8 ist e i n z u w e n d e n , daß sie k e i n e U n t e r s c h e i d u n g zwischen „ k a r d i n a l e n " u n d n i c h t „ k a r d i n a l e n " P f l i c h t e n s t ü t z t , w e i l d i e V e r l e t z u n g auch d e r u n b e d e u t e n d s t e n P f l i c h t e n gegeben e n f a l l s eine ordnungsgemäße E r f ü l l u n g v e r h i n d e r n kann. Deswegen ist i h r e E i n h a l t u n g u n d d i e U n z u l ä s s i g k e i t d e r F r e i z e i c h n u n g v o n i h r die Voraussetzung f ü r die ordnungsgemäße E r f ü l l u n g . D a r ü b e r hinaus w ü r d e das A b s t e l l e n a u f e i n solches K r i t e r i u m bedeuten, daß d i e E r f ü l l u n g v o n N e b e n p f l i c h t e n k e i n e V o r a u s s e t z u n g f ü r die ordnungsgemäße V e r t r a g s e r f ü l l u n g ist, s o w e i t d i e A n s i c h t v e r t r e t e n w i r d 1 9 , die „ K a r d i n a l p f l i c h t e n " seien H a u p t p f l i c h t e n . F e r n e r w e i s t das W o r t „ o r d n u n g s g e 15

Graba i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 9 Rdnr. 36, S. 223. Über diesen Ausdruck siehe u. a. : Kötz, M ü K o , A G B G , § 9 Rdnrn. 2 ff., S. 1448 ff.; Schmidt-Salzer, A G B , Rdnrn. F. 32 ff., S. 183 ff. 17 Vgl. auch die Auseinandersetzungen über den persönlichen Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes, wobei sich der größte T e i l der Lehre f ü r eine E i n beziehung auch der Kaufleute i n den Schutzbereich der Vorschriften über die Inhaltskontrolle ausgesprochen hat; vgl. Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäftsbedingungen, N J W 1971, 1010 (1014); Stötter, Richterliche Kontrolle usw., B B 1974, 434 f.; Brandner, Wege und Zielvorstellungen auf dem Gebiet der A G B , JZ 1973, 613 (615 f.); Bastian / Böhm, Schutz der Kaufleute vor A G B , B B 1974, 110 ( l l l f . ) ; Pinger, Die rechtspolitische Diskussion über eine K o n trolle der AGB, M D R 1974, 705 (707 ff.); Eith, Z u m Schutzbedürfnis gegenüber A G B , N J W 1974, 16 ff. 18 I n diesem Sinne auch: O L G K ö l n v. 8. 6. 1973 (3 U 190/72) O L G Z 1973, 345 (351): „unverzichtbare essentielle Voraussetzung f ü r die Durchführung des Frachtvertrages"; B G H v. 25. 6. 1973 ( I I ZR 72/71, Hamburg) VersR 1973, 1060 (Sojabohnenfall); B G H v. 21. 4. 1975 ( I I ZR 164/73, Hamburg) D B 1975, 2126: Die Pflicht zur Gestellung eines fahrtüchtigen Schiffes sei von überragender Bedeutung f ü r die ordnungsgemäße Vertragserfüllung. Sie sei die wesentlichste Pflicht (Papierrollenfall) ; Graba i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 9 Rdnr. 32, S. 222; Schmidt-Salzer, A G B , Rdnrn. E. 20, 22 f., S. 132 f., 136 f.; allerdings unter dem Gesichtspunkt der Vorrangigkeit der I n d i v i d u a l abreden. 19 Emmerich, Die Problematik der A G B , JuS 1972, 361 (368); Ρalandt / Heinrichs, A G B G § 9 A n m . 4, S. 2249; B G H v. 17. 1. 1974 ( I I ZR 103/72, Düsseldorf) VersR 1974, 590 (591) u n d Trappe i n A n m e r k u n g zu dieser Entscheidung; Ulmer, Referat zum 50. DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. H. 8 ff. (12); Hagele, A G B nach neuem Recht, S. 47; ähnlich Koch / Stübing, A G B , § 9 Rdnr. 31, S. 159; vgl. auch S chaps / Abraham, Seerecht, l . T e i l , § 559, Einleitung, S. 491; Liesecke i n Schlegelberger / Liesecke, Seehandelsrecht, § 559 Rdnr. 2, S. 212, die die „Kardinalpflicht" zur Gestellung eines seetüchtigen Schiffs als H a u p t pflicht behandeln. 16

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

mäß" darauf hin, daß das Gericht nicht verkennt, die Stellung eines Schiffs sei schon Vertragserfüllung 20 , was auch bei allen gerichtlichen Entscheidungen der Fall ist, die von ähnlichen Formulierungen Gebrauch machen. Die Gestellung eines Schiffs ist zwar Vertragserfüllung, aber nicht die gehörige, falls das Schiff seeuntüchtig ist. Den Ausführungen des Berufungsgerichts zustimmend führte der B G H aus, die Parteien könnten niemals grundlegende und wesentliche Bestimmungen des Vertragstypus, dem der abgeschlossene Schleppvertrag nach seiner Rechtsnatur zuzurechnen sei, ausschließen. Z u diesen Bestimmungen — so der B G H — gehören beim Frachtvertrag aber die Vorschriften über die See- und Ladungstüchtigkeit des Schiffs. Unter Berücksichtigung des Arguments der Sittenwidrigkeit und der Monopolstellung 2 1 nahm das Gericht an, die Lieferung eines i n jeder Beziehung seetüchtigen Schiffs stelle eine „Kardinalpflicht" dar. Die Vertragserfüllung, d. h. die ordnungsgemäße Ausführung der beabsichtigten Reise, könne i n der Regel 22 nur gelingen, wenn bei Beginn der Reise ein seetüchtiges Schiff gestellt werde. Dem ist zu entnehmen: Wie die Erfüllung der „Kardinalpflicht" (Gestellung eines seetüchtigen Schiffs) nur eine „ i n der Regel" erfolgreiche Erfüllung bedeutet, so macht deren Nichterfüllung (Gestellung eines seeuntüchtigen Schiffs) i n der Regel nur „die eigentliche Transportleistung" unmöglich. Sie schließt sie nämlich nicht von vornherein aus 23 . Wenn aber der negative Aspekt dieses Gedankens richtig ist, kann seinem positiven Ausdruck nicht zugestimmt werden. Ist die Pflicht zur Gestellung eines seetüchtigen Schiffs so wichtig, so kann ihre Erfüllung nicht lediglich darauf abzielen, die Vertragserfüllung nur bei regelmäßigen Gefahren abzusichern, sofern auch unregelmäßige, ungewöhnliche Gefahren vorauszusehen sind 24 . 20 Gegenteilige Interpretation von Schlosser, W M 1978, 562 (563), der das W o r t „ordnungsgemäß" übersieht. 21 Sie sind als Maßstäbe f ü r die Inhaltskontrolle schon längst überholt. Siehe u. a.: L. Raiser , A G B , § 27 insbesondere S. 283 ff.; Hildebrandt, Zulässigk e i t u n d W i r k u n g von A G B , JR 1955, 325 (326); Fischer, Die allgemeinen Geschäfts- u n d Lieferungsbedingungen, B B 1957, 481 (486); L. Raiser , J Z 1958, 1 (7); Pinger, M D R 1974, 705 (706); i n diesem Sinne auch: B G H v. 29. 9. 1960 ( I I ZR 25/29, Hamburg) Β G H Z 33, 216 (218); B G H (o. Fußn. 12) L M zu § 276 (Db) B G B Nr. 4, Bl. 2 unter 2 a; B G H v. 29. 10. 1962 ( I I ZR 31/61, Hamburg) L M zu § 276 (Db) B G B Nr. 5 m i t A n m e r k u n g von Liesecke = N J W 1963, 99 = M D R 1963, 110 = B B 1962, 1392. 22 Vgl. Vortisch / Zschucke, Binnenschiffahrts- u n d Flößereirecht, BSchG § 8 A n m . 2, S. 54. 23 Sofern ist doch Übereinstimmung m i t Schlosser, W M 1978, 562 (563) festzustellen. 24 Ä h n l i c h S chaps / Abraham, Seerecht, 1. Teil, § 513 Rdnr. 2 unter 1 a: „sow e i t sie (die Gefahren) nicht ganz außergewöhnlicher A r t sind".

§ 3. Die Rechtsprechung

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Ferner stellt die Entscheidung auf den Zeitpunkt des Beginns der Reise ab. Wann die Reise beginnt, ist eine hier nicht zu erörternde Frage 25 . Aber der Reisebeginn ist sicherlich der Zeitpunkt, an dem die Durchführung der Hauptleistung, wenn nicht der Vertragserfüllung überhaupt, anfängt, nämlich die Beförderung des Gutes nach dem Bestimmungsort. I n Wahrheit w i r d die Erfüllung der „Kardinalpflicht", nämlich der Pflicht zur Gestellung eines seetüchtigen Schiffs, von einem früheren Zeitpunkt abhängig gemacht, an dem die Erfüllung der Transportleistung noch nicht begonnen hat. Die weiteren Ausführungen des B G H machen es deutlich: Bei der notwendigen Abwägung der beiderseitigen Interessen sei ferner zu beachten, daß der Verfrachter ohne Schwierigkeiten vor A n t r i t t der Reise 26 i m Heimathafen kontrollieren und prüfen könne, ob das Schiff für die vorgesehene Fahrt geeignet und ausreichend ausgerüstet und eingerichtet sei 27 . Eine Prüfung ist zuerst nötig hinsichtlich jeder Fahrt, die das Schiff innerhalb einer bestimmten Zeit machen wird. Abgesehen aber davon erkennt der B G H i m vorliegenden Fall noch eine weitere Prüfungspflicht an, die i m Hinblick auf die konkret vorgesehene Fahrt vorgenommen werden soll. Für die Freizeichnung von der Haftung für verschuldete Seeuntüchtigkeit könne daher, w i r d weiter ausgeführt, ein berechtigter Grund nicht anerkannt werden 28 . Diese Grundsätze gelten auch für den Schleppvertrag i n der Rechtsfigur des Dienstvertrags, wenn die m i t der Dienstleistung verbundene Beschaffung der Fahrzeuge und Geräte dem Dienstverpflichteten obliege und der Dienstberechtigte keinen Einfluß auf die Beschaffung und Ausrüstung des Schiffs nehmen könne. Soweit die Beklagte sich von ihrem eigenen Verschulden, dem ihrer Organe und dem ihrer leitenden Angestellten freigestellt habe, seien die Geschäftsbedingungen daher unwirksam 2 9 . 25

Siehe S chaps / Abraham, Seerecht, 1. T e i l § 559 Rdnr. 3, S. 493. Siehe auch S chaps / Abraham, Seerecht, 1. Teil, § 513 Rdnrn. 7, 11, S. 344 f.; vgl. auch Vortisch / Zschucke, Binnenschiffahrts- u. Flößereirecht, BSchG § 8, A n m . 2 b, S. 55. 27 Vgl. RG v. 8. 7. 1931 (I ZS 5/1931, HansOLG) HansRGZ 1931 B, Nr. 163, Sp. 499 (502 f.), wo es sich u m Geruchsschäden einer Tabakladung wegen Unzulänglichkeit der Laderäume handelte. Die Freizeichnungsklausel wurde v o m Gericht dahin ausgelegt, daß sie i n zeitlicher Betrachtung auch die Fehler decke, die schon vor u n d noch bei Beginn der Reise vorhanden wären, während aber ein Verschulden der Beklagten verneint wurde. ( M i t weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung hauptsächlich des Anfangs unseres Jahrhunderts.) 28 So auch B G H v. 23. 6. 1966 ( I I Z R 81/63, RhSchOG Köln) VersR 1966, 871 ff., wo unter Annahme einer verschuldeten Seeuntüchtigkeit (Undichtigkeit der zwischen den einzelnen Laderäumen vorhandenen Schotten) die Freizeichnungsklausel i n den Konnossementsbedingungen (§ 18 Nr. 3 K B ) abgelehnt wurde. 29 Kritisch dazu Helm, Haftung, S. 68 Anm. 319 u. S. 171, der ein Freizeichnungsverbot bei leichter Fahrlässigkeit leitender Angestellter i n Frage stellt. 26

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Kap. I I : „ K a r d i n a l p f licht"lehre u n d Organisationsmängel

Und schließlich wählt das Gericht hinsichtlich der Bezeichnung der „Kardinalpflichten" einen wenig geglückten 30 Ausdruck: Es könne nicht als m i t Treu und Glauben vereinbar angesehen werden, wenn die Beklagte sich gerade von solchen Verpflichtungen freizeichnet, deren Beachtung überhaupt erst die Voraussetzungen für die Erfüllung des Schleppvertrages schaffe. 2.

Autoblechfall

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A u f dem Transport einer Partie v o n Autoblechen m i t einem Rheinschiff w a r Wasser i n die Laderäume eingedrungen, da deren L u k e n undicht gewesen waren. Bei A n k u n f t an dem Bestimmungsort w u r d e n Nässe- und Rostschäden an der Ladung festgestellt. So hatte sich das Schiff entgegen der Vereinbar u n g i n dem formularmäßig ausgefüllten Chartervertrag als ungeeignet für die „Beförderung von Gütern aller A r t " 3 2 erwiesen.

Den in den Konossementsbedingungen enthaltenen Haftungsausschluß lehnte der B G H ab 33 , weil er wegen Fahruntüchtigkeit des Schiffs gegenüber Ansprüchen aus § 8 I V Binnenschiffahrtsgesetz unwirksam sei. Unter die Fahruntüchtigkeit falle auch die Ladungsuntüchtigkeit. Ebensowenig könne die Haftung des Schiffsführers für diese „Kardinalpflichten" ausgeschlossen werden 3 3 3 . Die Ansicht, der Beklagte hafte, weil die Laderäume des Schiffs zur Aufnahme der Autobieche ohne besondere Vorkehrungen ungeeignet wären, zieht die Frage nach sich, ob „Kardinalpflicht"Verletzungen tatsächlich nur dann vorliegen, wenn nicht „besondere Vorkehrungen" getroffen wurden. Die Bejahung der Frage würde selbst der Bezeichnung dieser Pflichten als „kardinalen" widersprechen. I m Hinblick auf die vorliegende Entscheidung ist auch darauf hinzuweisen, daß bei ihr eine nähere Bezeichnung der „Kardinalpflichten" sowie der Bezug auf das Verschulden fehlt. 3. Kenterfall

I34

Vor dem Abschluß des Beladungsvorgangs kenterte ein Schiff an seinem Liegeplatz, so daß ein T e i l der an Deck gestauten Ladungsgüter ins Wasser rutschte u n d verlorenging. Der Unglücksfall, so w u r d e bei der Untersuchung festgestellt, sei entweder auf mangelhafte Stauung der Ladung oder auf den 30

Vgl. oben bei Fußn. 18—20. B G H v. 29. 1. 1968 ( I I ZR 18/65, Düsseldorf) N J W 1968, 1567 (1568) = B G H Z 49, 356 (359) = B B 1968, 482 = D B 1968, 886 = VersR 1968, 468. 32 So lautete der unterzeichnete Chartervertrag. 33 Ebenso das Berufungsgericht, siehe Fußn. 31. 33a Vgl. auch B G H v. 20. 3. 1978 ( I I ZR 19/76, Düsseldorf) B B 1978, 829 (830) = N J W 1978, 1314 = B G H Z 71, 167. 34 O L G H a m b u r g v. 25. 2. 1971 (6 U 126/70) VersR 1972, 761 ff. 31

§ 3. Die Rechtsprechung

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niedrigen Wasserstand zurückzuführen. Die i n den Konnossementsbedingungen enthaltene Freizeichnung v o n der H a f t u n g hat das Berufungsgericht sow i e das Landesgericht abgelehnt. Das O L G n a h m Reiseuntüchtigkeit an u n d führte aus, gemäß dem Sinn u n d Zweck des § 559 H G B i n Verbindung m i t den §§ 513, 514 H G B sei der Mangel der Reisetüchtigkeit, der während des Zeitraums des Beiadens eintrete, nach denselben Grundsätzen zu beurteilen w i e die Seetüchtigkeit i m engeren Sinne bei der Lieferung des Schiffs. Die Überprüfung des Liegeplatzes dahin, ob er ein sicheres Liegen des Schiffs während des Beiadens gestatte, wobei die jeweiligen besonderen Umstände w i e Wetter- u n d Wasserstand zu beachten seien, stelle eine Maßnahme dar, welche vorwiegend i m Interesse des Schiffs zu treffen sei, denn sie diene dazu, die See- u n d Reisetüchtigkeit des Schiffs bis zum A n t r i t t der Reise zu erhalten 3 5 . Die Freizeichnung des Verfrachters von der Verpflichtung, ein seetüchtiges bzw. ladungstüchtiges Schiff zu stellen, verstoße gegen § 242 BGB. Denn dieser „ K a r d i n a l p f l i c h t " könne sich der Verfrachter nicht entziehen, ohne den wesentlichen I n h a l t der v o n i h m durch den Frachtvertrag übernommenen Vertragspflichten ganz entscheidend auszuhöhlen. Der Verfrachter könne auch die Seetüchtigkeit bis zum Reiseantritt ausreichend i m Heimathafen prüfen lassen 36 , während der Befrachter überhaupt keine Einwirkungsmöglichkeit auf Reise- u n d Ladungstüchtigkeit des Schiffs habe. H i e r m u ß i m v o r a u s b e t o n t w e r d e n , daß die A n n a h m e d e r V e r l e t z u n g einer „ K a r d i n a l p f l i c h t " (Seeuntüchtigkeit) i m vorliegenden Falle keine N e u i g k e i t d a r s t e l l t u n d daß sie e i n e r a l l g e m e i n e n M e i n u n g i m Seehandelsrecht e n t s p r i c h t 3 7 . D e s h a l b k a n n diesen G e d a n k e n des G e r i c h t s aus seerechtlichen G r ü n d e n n i c h t e n t g e g e n g e t r e t e n w e r d e n , z u m a l dies auch n i c h t i n d e n A b s i c h t e n dieser U n t e r s u c h u n g l i e g t . W o h l aber lassen sich v o m G e s i c h t s p u n k t der L e h r e d e r „ K a r d i n a l p f l i c h t e n " , d i e aus d e m Seerecht s t a m m t 3 8 u n d a u f das Recht d e r a l l g e m e i n e n Geschäftsbeding u n g e n ü b e r t r a g e n w u r d e 3 9 , zunächst B e d e n k e n h i n s i c h t l i c h des h i e r z u u n t e r s u c h e n d e n Gegenstands erheben. I n diesem R a h m e n k ö n n t e m a n gegen d i e B e g r ü n d u n g d e r a n g e f ü h r t e n E n t s c h e i d u n g folgendes 35 Vgl. B G H (o. Fußn. 18) D B 1975, 2126, zu einem ähnlichen F a l l des B i n nenschiff ahrtsrechts: „ . . . daß es . . . der Frachtführer u n d der Schiffseigner . . . i n der Hand haben, durch entsprechende Anordnungen u n d deren sorgsame Überwachung zu verhindern, daß ein Schiff bei Beginn der Frachtreise nicht (mehr) fahruntüchtig ist." 36 So auch B G H (o. Fußn. 8) als „Schlepptrossenfall" unter Nr. 1 aufgeführt; O L G Hamburg v. 27. 5. 1971 (6 U 18/71) VersR 1972, 366 als Sojabohnenfall unten (Nr. 5) aufgeführt. 37 Schaps ! Abraham, Seerecht, 1. Teil, § 513 Rdnr. 4, S. 342; Liesecke i n Schlegelberger / Liesecke, Seehandelsrecht, § 559 Rdnrn. 4, 6, S. 212 f.; Prüssmann, Seehandelsrecht, § 513 A n m . G 1 b, S. 220 m i t zahlreichen Nachweisen der Rechtsprechung. 38 Wüstendörfer, Studien, Bd. I, S. 581 f. (grundlegend), der als Entdecker des Begriffs „ K a r d i n a l p f l i c h t " gilt. 39 Siehe auch Regierungsentwurf, BR-Drucks. 360/75 oder BT-Drucks. 7/ 3919, Begründung zu § 7 Abs. 2, S. 23; Teilbericht I , Begründung zu § 6 Abs. 2, S. 55 f.

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

einwenden: Erstens sollte besonders berücksichtigt werden, daß sich die „Kardinalpflicht" auf das Fahrenkönnen des Schiffs i n dem oben dargelegten Sinne 40 bezieht und zweitens, daß der Reisebeginn der entscheidende Zeitpunkt ist, an dem die Seetüchtigkeit vorhanden sein muß 41 . Aber i m vorliegenden Fall ist dieser Zeitpunkt noch nicht eingetreten, die Reise hat noch nicht begonnen, so daß der Unternehmer seiner Pflicht zur Gestellung eines seetüchtigen Schiffs noch nachkommen kann. Deshalb scheint die Annahme einer „Kardinalpflicht"Verletzung fraglich, solange der entscheidende Moment aussteht, es sei denn, daß die zu treffenden Maßnahmen (Prüfung des Liegeplatzes, des Wetterstandes usw.) als Inhalt von „Kardinalpflichten" bezeichnet werden. Dies tut das Gericht indirekt insoweit, als es diese Maßnahmen einer dem Verfrachter zur Last fallenden Erhaltungspflicht der Seetüchtigkeit unterwirft. Damit aber ist noch nicht begründet, warum „die ausbedungene allgemeine Freizeichnung" nicht „ f ü r einen Ausschluß der Haftung des Verfrachters für ein Verschulden . . . bei der Lieferung . . . und der Erhaltung der See- und Ladungstüchtigkeit bis zum A n t r i t t der Reise" genügt 42 . Eine Erhaltungspflicht als „Kardinalpflicht" besteht auch während der Reise fort, so daß kein Grund einzusehen ist, soweit es sich genau um dieselben Pflichtverletzungen handelt, sie einmal als „kardinale" (vor dem Reisebeginn), zum anderen als nicht „kardinale" (danach) zu bezeichnen. A l l e die i m untersuchten Fall genannten Maßnahmen (Prüfung des Wasser- und Wetterstandes, richtige Stauung der Waren) deuten darauf hin, daß es sich dabei u m solche Mängel handelt, die darauf abzielen, den Boden für eine reibungslose, ordnungsgemäße Vertragsdurchführung vorzubereiten. Ferner weist die Möglichkeit der Prüfung der Seetüchtigkeit schon i m Heimathafen, von der der Verfrachter keinen Gebrauch machte, deutlich auf Organisationsmängel hin, die aber i n der richterlichen Begründung nicht genügend berücksichtigt wurden. Hier ist indessen noch nicht der Platz, diese Punkte näher zu erörtern. I m Hinblick auf das Verschulden hat das Gericht ein Haftenmüssen für eigenes sowie für Verschulden der Hilfspersonen angenommen, allerdings nicht vom Blickwinkel der Inhaltskontrolle her. Die ausbedungene allgemeine Freizeichnung von Nachlässigkeit der Schiffsbesatzung und sonstiger Hilfspersonen (Negligence-Klausel) genüge für einen Ausschluß der Verfrachterhaftung, für ein Verschulden der Erfüllungsgehilfen bei der Lieferung eines see- und ladungstüchtigen Schiffs und der Erhaltung der See- und Ladungstüchtigkeit bis zum A n t r i t t der 40

Vgl. oben bei Fußn. 23—27, 33. Wüstendörfer, Studien, Bd. I, S. 581 f. 42 „ . . . w e i l dieser T e i l der Klausel n u r Handlungen während der Reise bet r i f f t " , fuhr das Gericht fort. 41

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§ 3. Die Rechtsprechung

Reise nicht, weil dieser Teil der Klausel nur Handlungen während der Reise betreffe, sich jedenfalls nicht eindeutig genug auch auf die Haftung für die Seeuntüchtigkeit beziehe. Diese Unklarheiten gehen zu Lasten des Verfrachters 43 . Wenn aber die Klausel nicht inhaltlich kontrolliert wird, dann braucht man auch nicht zwischen grobem und leichtem Verschulden zu differenzieren. Soweit die Freizeichnungsklausel einen bestimmten Bereich nicht erfaßt, ist es auch belanglos zu prüfen, ob sie nur hinsichtlich grober oder aber auch leichter Fahrlässigkeit unzulässig ist. Die weiteren Ausführungen des Gerichts legen dennoch die Annahme eines eigenen leichten Verschuldens sowie eines solchen der leitenden Angestellten nahe: Der Unfall beruhe auf einem fahrlässigen Verhalten des Schiffsführers, für das der Verfrachter einzustehen habe. Diese Umstände (Beschaffenheit des Liegeplatzes) hätte aber der Schiffsführer bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt entdecken müssen 43 * Schließlich w i r d am Ende dieser Ausführungen der Haftungsgrund unklar. Der Kapitän des Schiffs habe sich gemäß den §§ 511, 512 I, 513 HGB einer Verletzung seiner Sorgfaltspflicht schuldig gemacht. Demzufolge fragt es sich, ob die Haftung auf die Verletzung lediglich einer Sorgfaltspflicht begründet ist oder ob es hier um die Verletzung einer „kardinalen" Sorgfaltspflicht geht, sofern sie zur Seeuntüchtigkeit führte. Wenn letzteres der Fall ist, dann bleibt die Frage der Gründe für die Verwerfung der Freizeichnung offen. 4. Kenterfall

II oder Papierrollenfall

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Die Beklagte sollte eine Partie v o n Kraftpapierrollen aus einem Seeschiff i n Schuten übernehmen u n d weiterbefördern. Während der Beladung der Schute durch den angestellten Ewerführer u n d einen weiteren Bediensteten k a m es zu einer leichten Schlagseite. Trotz des vorgenommenen Ausgleichs kenterte u n d sank die Schute w e n i g später, u n d zwar noch vor ihrem Ablegen von dem Seeschiff. Es könne dahingestellt bleiben — so das Gericht —, ob das Unglück darauf zurückzuführen war, daß sich i n der Schute zu v i e l Wasser befunden habe oder daß sie falsch beladen worden sei. Sowohl das Berufungs- als auch das Revisionsgericht haben Fahruntüchtigkeit angenommen, nämlich „ K a r d i n a l pflicht"verletzung, u m der Freizeichnungsklausel die W i r k s a m k e i t zu v e r sagen. Nach Ansicht des B G H fehlt es an Fahrtüchtigkeit, w e n n ein Schiff 43 Über die Nachteile, die eine Inhaltskontrolle mittels Auslegung m i t sich bringt, siehe u.a.: Stoldt, Streitgespräch auf dem 41.DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. E 12 ff. (15); Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. A 7 ff. (49) ; L . Raiser , Generalreferat i n Arbeiten zur Rechtsvergleichung 41, S. 123 (133); Rehbinder, A G B u n d die K o n t r o l l e ihres Inhalts, S. 24. ^ a Allerdings hatte das O L G H a m b u r g v. 28. 4. 1966 (6 U 187/65) VersR 1968, 552 i n einem ähnlichen Sachverhalt grobe Fahrlässigkeit angenommen. 44 O L G H a m b u r g v. 8. 11. 1973 (6 U 43/72) VersR 1974, 645; Revisionsentscheidung zu demselben F a l l : B G H (o. Fußn. 18) VersR 1975, 1117 f. = D B 1975, 2126 = B B 1976, 15 = Z f B 1975, 449.

4 Roussos

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

instabil ist, somit leicht k e n t e r n kann. Da nicht n u r Mängel i n der Beschaffenheit des Schiffskörpers, sondern auch eine fehlerhafte Verteilung der Ladung die Stabilität des Schiffs zu beeinträchtigen vermögen, könne es auch aus dem zweiten Grunde instabil u n d damit fahruntüchtig sein. U n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g d e r oben z u m F a l l 3 e n t w i c k e l t e n G e d a n k e n k a n n h i e r d a h i n g e s t e l l t b l e i b e n , ob d e r nach den R e g e l n der L o g i k r i c h t i g erscheinende G e d a n k e n g a n g des G e r i c h t s auch i n W i r k l i c h k e i t r i c h t i g ist. Es ist j e d o c h auch h i e r d a r a n festzuhalten, daß d e r V e r f r a c h t e r seiner P f l i c h t z u r G e s t e l l u n g eines seetüchtigen Schiffs z w a r nachgek o m m e n ist, aber die Reise so schlecht v o r b e r e i t e t h a t , daß es z u Schäden k a m 4 5 . Beide Instanzen nehmen darüber hinaus auf Organisationsm ä n g e l Bezug, auch w e n n sie w e d e r als solche g e n a n n t noch als d i r e k t e r u n d e i n z i g e r G r u n d d e r U n w i r k s a m k e i t der F r e i z e i c h n u n g a n e r k a n n t w e r d e n . I m ü b r i g e n k ö n n e , f ü h r t e das O L G aus, b i s z u m A n t r i t t d e r Reise (nicht n u r bis z u m B e g i n n des Beiadens) d e r Reeder b z w . Schiffse i g n e r sich noch d u r c h I n s p e k t i o n v o n d e r S e e t ü c h t i g k e i t des Schiffes überzeugen. 5. Sojabohnenfall

oder

Regenablaufrinnenfall

46

A u f dem Transport einer Partie von Sojabohnen zu deren Verarbeitungsw e r k verdarb ein T e i l durch Nässeeinwirkung, die auf die Verstopfung einer Regenablaufrinne des den Transport durchführenden Schiffs zurückzuführen sei. D e r Haftungsausschluß w u r d e n i c h t a n e r k a n n t , d a es sich h i e r u m die F r e i z e i c h n u n g v o n der V e r a n t w o r t l i c h k e i t f ü r v o n A n f a n g a n bestehende M ä n g e l ( F a h r - oder L a d u n g s u n t ü c h t i g k e i t ) 4 7 handele, die eine o r d n u n g s gemäße E r f ü l l u n g des F r a c h t v e r t r a g s v o n A n f a n g a n 4 8 ausschlössen.

45 Vgl. auch O L G K ö l n (o. Fußn. 18) O L G Z 1973, 345 (350): „ . . . Der Umstand aber, daß (Luken)abdeckungen zwar vorhanden waren, die L u k e n aber nicht geschlossen wurden, ändert nichts an der Fahr- und Ladungstüchtigkeit. Denn das ist k e i n Umstand, der m i t der Beschaffenheit des Schiffes zusammenhängt." M i t dieser Begründung erkannte dieses Gericht die Freizeichnungsklausel an. 46 B G H (o. Fußn. 18) VersR 1973, 1060 (mit Sachverhalt) = N J W 1973, 1878; Revisionsentscheidung zu dem i n VersR 1972, 365 abgedruckten U r t e i l des O L G Hamburg (o. Fußn. 36). 47 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (OLG H a m b u r g v. 27. 5. 1971 (6 U 18/71) VersR 1972, 365) w a r die Ladungsuntüchtigkeit auf Organisationsfehler zurückzuführen, u n d zwar darauf, daß die Schute vor der Übernahme der Ladung nicht gründlich gereinigt worden war. I n diesem P u n k t wurde jedoch die Berufungsentscheidung aufgehoben, w e i l diese Feststellung m i t Verfahrensfehlern behaftet war. 48 So auch B G H v. 8. 12. 1975 ( I I ZR 64/74) D B 1976, 426 = B G H Z 65, 364 (367) = B B 1976, 159 f.: „Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist jede i n allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgende Freizeichnung . . . von der Haftung f ü r die anfängliche Fahrtüchtigkeit des Schiffes grundsätzlich unwirksam."

§ 3. Die Rechtsprechung

51

Indessen ist hierin kein Charakteristikum von „Kardinalpflichten" zu sehen. Die Verletzung einer „Kardinalpflicht" schließt nicht immer und von vornherein eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung aus 49 . Deshalb unterscheidet man auch nicht zwischen Pflicht- und Haftungsausschluß, weil es durchaus möglich ist, daß trotz Pflichtverletzung (ζ. B. Gestellung eines seeuntüchtigen Schiffs wegen Fehlens eines zweiten Ankers an Bord 50 ) keine schlechte Vertragserfüllung, keine Haftung ausgelöst wird. Das ist auch öfter Ausgangspunkt des Unternehmers, dessen Nachlässigkeiten die Hoffnung oder sogar der Glaube zugrunde liegt, es werde zu keinerlei Schäden kommen. Ferner meint der BGH, der Frachtführer könne sich auch i n AGB von seiner Haftung freizeichnen, sofern die Freizeichnung m i t den Grundsätzen von Treu und Glauben i n Einklang stehe. Letzteres sei zu verneinen für den Haftungsausschluß wegen (anfänglicher) Fahr- oder Ladungsuntüchtigkeit des von dem Frachtführer zu stellenden Schiffs, und zwar auch dann, wenn der Mangel nur auf einem leichten Verschulden seiner Leute beruhe 51 . I n dieser Entscheidung geht die Inhaltskontrolle zum erstenmal soweit, daß die Freizeichnung von leichter Fahrlässigkeit der Erfüllungsgehilfen ausdrücklich als unzulässig erklärt wird. Anders hatte das RG entschieden, das die Freizeichnung als wirksam angesehen hat, wenn die Seeuntüchtigkeit lediglich infolge leichter Fahrlässigkeit der Hilfspersonen nicht entdeckt 52 oder durch nicht ordentliche Reinigung eines Laderaums durch Besatzungsmitglieder herbeigeführt worden war 5 3 . Ferner lassen die Ausführungen des B G H die Deutung zu, daß das Gericht von der herrschenden Lehre zum anfänglichen Unvermögen 54 des Schuldners beeinflußt wurde 5 5 , wenn es als Schwerpunkt des Haf49

Vgl. bei Fußn. 23. Siehe Fußn. 10. 51 Wenig später (November 1973) hat sich das O L G H a m b u r g dieser A u s w e i t u n g der Inhaltskontrolle angeschlossen, Z i t a t siehe Fußn. 44. Dagegen König, A u s w i r k u n g e n des AGB-Gesetzes usw., ZfBinnSchF u. Wasserstraßen 1978, 343 (348 ff., 356). RG v. 21. 1. 1928 (I ZS 133/27, Kiel) RGZ 120, 42 (44 ff.). 53 RG (o. Fußn. 27) HansRGZ 1931 B, Nr. 163, Sp. 499. 54 Die herrschende Meinung n i m m t hier eine Garantiehaftung an: B G H v. 16. 1. 1963 ( V I I I ZR 158/61, Neustadt a. d. W.) M D R 1963, 404; B G H v. 5. 1. 1960 ( V I I I ZR 1/59, Hamburg) N J W 1960, 720; Enneccer us ! Lehmann, Schuldverhältnisse, § 29 I I 2, S. 133 f.; eine bis zur Grenze der höheren Gewalt reichende Garantiehaftung vertreten: Larenz, Schuldr. I, § 8 I I , S. 86 ff., u n d Fikentscher, Schuldrecht, § 43 I I I 4, S. 195 f.; Esser, Schuldr. I, § 33 I I 2, S. 206 f. stellt auf den Vertragsinhalt u n d die Einzelfallumstände ab; ähnlich Biomeyer, Allg. Schuldr., § 28 I 2, S. 148; über den Meinungsstand i m einzelnen siehe: Diederichsen / Marburger, Klausurprobleme — Schuldr., A l l g . Teil, S. 48 ff. 55 Ebenso Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / T r i n k n e r , K o m m , zum 50

4*

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

t u n g s g r u n d s d i e a n f ä n g l i c h e F a h r u n t ü c h t i g k e i t ansieht, a n die er den strengeren Haftungsmaßstab k n ü p f t . 6.

Rundkornreisfall

56

Das Ergebnis, zu dem der Bundesgerichtshof i m Sojabohnenfall gelangt, w i r d neuerdings durch noch eine einschlägige Entscheidung des obersten Zivilgerichts bestätigt. Dabei ging es u m den Anspruch der K l ä g e r i n 5 7 auf Ersatz von Schäden, die i h r aus der Einlagerung von Rundkornreis i n Schuten u n d Kähnen des beklagten Speditionsunternehmens entstanden waren. Die K l ä g e r i n machte geltend, sie seien darauf zurückzuführen, daß die Schuten überladen gewesen u n d n u r mangelhaft belüftet worden seien. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erkannte der B G H weder den Ausschluß noch die Beschränkung der Haftung des Beklagten nach den §§ 57 Nr. 5, 51, 54 ADSp an. Z u r Begründung dieser Ansicht berief sich das Gericht zunächst sowohl auf den § 9 I I Nr. 2 A G B G als auch auf die ständige Rechtsprechung zum Freizeichnungsverbot bei anfänglicher Fahr- oder L a dungsuntüchtigkeit des Schiffs 58 . Dann f u h r es fort: I n gleicher Weise sei derjenige, der einlagere, unabdingbar dafür verantwortlich, daß dies, mag es auf dem Lande sein oder auf einem Schiff, i n einem jedenfalls i m Zeitpunkt der Einlagerung f ü r diesen Zweck geeigneten Raum geschehe. Dabei komme es nicht darauf an, w e r nach der internen Organisation f ü r die Einlagerung verantwortlich sei. Die A u s w a h l des Lagerplatzes als vertragstragende H a u p t pflicht 5 9 obliege dem Unternehmer, der sich insoweit auch für eine F a h r lässigkeit eines nicht leitenden Angestellten nicht freizeichnen könne. Diese A u s f ü h r u n g e n s i n d i n m e h r f a c h e r H i n s i c h t interessant. Sie b e s t ä t i g e n zunächst d e n v o m I I . Senat i m S o j a b o h n e n f a l l v e r t r e t e n e n S t a n d p u n k t insofern, als e i n e r F r e i z e i c h n u n g auch f ü r leichte F a h r l ä s s i g k e i t eines n i c h t l e i t e n d e n A n g e s t e l l t e n die W i r k s a m k e i t a u s d r ü c k l i c h abgesprochen w i r d . D i e A n k n ü p f u n g des F r e i z e i c h n u n g s v e r b o t s a n e i n e n O r g a n i s a t i o n s m a n g e l s t e l l t den w e i t e r e n sehr b e m e r k e n s w e r t e n S c h r i t t i m v o r l i e g e n d e n F a l l dar. Indessen v e r d i e n t B e a c h t u n g n i c h t n u r die bloße F e s t s t e l l u n g e i n e r i n der E i n l a g e r u n g i n u n g e e i g n e t e n R ä u m e n bestehenden O r g a n i s a t i o n s l ü c k e , s o n d e r n auch d e r e n zentrale B e d e u t u n g bei der B e g r ü n d u n g der gerichtlichen Auffassimg. W e i t e r h i n k o m m t der v o r l i e g e n d e n E n t s c h e i d i m g eine g r u n d s ä t z l i c h e G e l t u n g i n s o w e i t zu, als es d e r R i c h t e r n i c h t a l l e i n i n d e r B i n n e n s c h i f f a h r t m i t e i n e m w e i t g e h e n d e n F r e i z e i c h n u n g s v e r b o t b e w e n d e n läßt, s o n d e r n e r e r w e i t e r t das schon A G B G , § 9 Rdnr. 30, S. 163, der die Parallele zu dem anfänglichen Unvermögen des Schuldners zieht u n d f ü r „Kardinalpflicht"verletzungen auch eine Garantiehaftung annimmt. 56 B G H v. 1. 6. 1979 (I ZR 103/78, Hamburg) VersR 1979, 901 (insbesondere 902 re. Sp.) = M D R 1979, 908. 57 Diese w a r Versicherer der geschädigten Firma. 58 B G H (o. Fußn. 31) B G H Z 49, 356 (363) = N J W 1968, 1567 = B B 1968, 482 = D B 1968, 886 = VersR 1968, 468; B G H (o. Fußn. 48) B G H Z 65, 364 (367) = D B 1976, 426 = B B 1976, 159. 59 Anders vgl. bei Fußn. 202 ff.

§ 3. Die Rechtsprechung

53

vom II. Senat anerkannte Verbot dahin, daß er es allgemein auf Lagergeschäfte erstreckt. Diese Erweiterung bietet zweifellos Anhaltspunkte für ein über das See- und Binnenschiffahrtsrecht hinausgehendes striktes Freizeichnungsverbot 60 . 7. Falschauslieferungsfall

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Nach Eintreffen i m Bestimmungshafen lieferte der K a p i t ä n der Beklagten einer F i r m a die L a d u n g (Stahlerzeugnisse) aus, ohne daß dieser oder dem K a p i t ä n das Konnossement vorlag. Die Aushändigung der Güter an einen nicht durch das Konnossement Legitimierten stellt nach Ansicht des Berufungsgerichts® 2 einen Verlust der Güter dar. Die Wirksamkeit der Freizeichn u n g von der H a f t u n g f ü r den Verlust der Güter w u r d e von beiden Instanzen abgelehnt. Der B G H führte dazu aus: Die Freizeichnung des Verfrachters sei nicht wirksam. Seine Verpflichtung, die Güter i m Bestimmungshafen gegen Rückgabe mindestens einer Ausfertigung des Konnossements (§§ 648 I I , 653 HGB) an dessen Inhaber abzuliefern, sei eine Hauptpflicht. Die Freizeichnung würde, w e n n sie auf diese Pflicht erstreckt worden sei, m i t dem Hauptzweck des Vertrags, die Güter an den legitimierten Konnossementsinhaber gelangen zu lassen, i n unlösbaren Widerspruch treten. Die Freizeichnung finde ihre selbstverständliche Grenze bei den grundlegenden Verpflichtungen des V e r frachters. Eine Berufung auf sie sei dann i m Hinblick auf § 242 B G B unzulässig. E i n solcher F a l l liege bei der Freizeichnung von den Folgen der schuldhaften Verletzung der Pflicht zur Auslieferung der Güter an den legitimierten Konossementsinhaber vor.

Infolge der benutzten Formulierungen (Widerspruch zu dem Hauptzweck des Vertrages, grundlegende Verpflichtungen) w i r d auch diese Entscheidung als Beispiel i n der Lehre der „Kardinalpflichten" ange^ führt 6 3 . Hier erfährt man als Neues, daß „Kardinalpflichten" nicht nur Sorgfalts-, sondern auch Hauptpflichten sind* 4 . Beim vorliegenden Fall handelt es sich i m Grunde um eine organisatorische Pflicht, die das Wie der Vertragsdurchführung betrifft, indem der Verfrachter auch gesetzlich dazu verpflichtet wird, die Güter nur gegen Rückgabe einer Konnossementsausfertigung auszuliefern (§ 653 HGB). Da die ordnungsgemäße Auslieferung wichtige Bedeutung für den Konnossementsinhaber besitzt, w i r d sie von der Literatur ebenfalls als unabdingbare Hauptverpflichtung anerkannt 65 . Insoweit braucht man sich des Instrumentariums der „Kardinalpflichten" nicht zu bedienen. 60

Entgegen Schlosser, W M 1978, 562 (563 Ii. Sp., 564 re. Sp.); derselbe, A G B G , § 9 Rdnr. 15, S. 139 u n d § 11 Nr. 7 Rdnr. 36, S. 284. 61 B G H (o. Fußn. 19) VersR 1974, 590. 62 O L G Düsseldorf v. 8. 6. 1972 (18 U 123/71) VersR 1973, 50. 63 Palandt ί Heinrichs, A G B G §9 A n m . 4, S. 2249; Trappe, A n m e r k u n g zu B G H v. 17. 1. 1974, VersR 1974, 593. w Siehe auch Fußn. 19. 65 Schaps ! Abraham, Seerecht, 1. T e i l § 653, Rdnr. 3, S. 810; Liesecke i n Schlegelberger / Liesecke, Seehandelsrecht, § 653 Rdnr. 3, S. 392.

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

8. Rohkaffeefall

6

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Der B G H führte zu diesem F a l l aus: Das O L G sehe als grobes Organisationsverschulden an, daß die Beklagte ihrer Pflicht zur ständigen Bewachung nicht nachgekommen sei, sondern sich m i t der v ö l l i g unzureichenden fliegenden Bewachung 6 7 begnügt habe. Dem könne angesichts der „Kardinalpflicht" des Frachtführers, das i n seine Obhut zur Beförderung übergebene Gut dem Empfänger unversehrt auszuliefern, aus Rechtsgründen nicht entgegengetreten werden. Es handele sich weder u m eine undurchführbare noch u m eine wirtschaftlich unmögliche Maßnahme.

I m Ergebnis ist zwar dem B G H zuzustimmen, aber die Begründung kann nicht befriedigen, weil der Haftungsgrund sich aus ihr nicht deutlich herleiten läßt. Es wurde nicht genügend klar zum Ausdruck gebracht, ob er in der Organisations- oder i n der „Kardinalpflicht"verletzung zu erblicken ist. Es fragt sich nämlich, ob das grobe Organisationsverschulden oder die darauf zurückzuführende Verletzung einer vertraglichen „Kardinalpflicht" (zur ständigen Bewachung) zur Haftung des Schuldners führt. W i r d eins von beiden und nicht beide zusammen als Haftungsgrund angesehen, dann soll das Organisationsverschulden immer i m Zusammenhang m i t einer „Kardinalpflicht"Verletzung betrachtet werden. Demgegenüber hatte das Hanseatische Oberlandesgericht i m Schwefelfall 6 8 ausgeführt: Die Verantwortlichkeit des Beklagten hänge davon ab, ob er seinen Leuten solche Anweisungen gegeben habe, deren Befolgung es unmöglich gemacht hätte, daß die Schute „Wilhelm" i n der Nacht vom 15. zum 16. 2. 1936 von 2 Uhr morgens ohne Bewachung blieb 6 9 . Der Haftung für diesen ähnlichen Fall wurde nämlich k l a r ein Organisationsverschulden zugrunde gelegt, ohne daß i m übrigen die Unterlassung der ständigen Bewachung als grobes Verschulden angesehen wurde 7 0 .

66 B G H v. 13. 3. 1969 ( I I ZR 58/67, Hamburg) M D R 1969, 557 (ohne Sachverhalt); vgl. auch O L G H a m b u r g v. 6. 5. 1965 (6 U 275/64) VersR 1965, 955 f. zu einem ähnlichen Kaffeebewachungsfall. 67 So auch viele Entscheidungen, die n u r eine Bewachung bei Tag u n d Nacht für ausreichend gehalten haben. Aber sie haben sich weder unbedingt f ü r das Vorliegen eines groben Verschuldens ausgesprochen noch i n der unzureichenden Bewachung grobe Fahrlässigkeit erblickt: HansOLG v. 30. 4. 1913 HansGZ 1913, Hauptblatt, Nr. 104, S. 215 f.; HansOLG v. 22. 7. 1937 (2 U 323/36) HansRGZ 1937 B, Nr. 137, Sp. 355 (358 f.) (Schwefelfall) m i t zahlreichen Nachweisen; HansOLG v. 21. 10. 1941 (2 U 307/39) HansRGZ 1942 B, Nr. 8, Sp. 33 (35 ff., Bewachung von gesalzenen Häuten); vgl. auch B G H (o. Fußn. 21) B G H Z 33, 216 ff. = N J W 1961, 212 = M D R 1961, 115 = B B 1960, 1364 = L M zu § 67 W G , Nr. 16. 68 HansOLG (o. Fußn. 67) HansRGZ 1937 B, S. 137, Sp. 355. 69 Demzufolge sank die Schute m i t der wertvollen Schwefelladung. 70 Vgl. auch B G H (o. Fußn. 21) B G H Z 33, 216 (222).

§ 3. Die Rechtsprechung

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E b e n s o w e n i g e r ö r t e r t e d e r B G H , welche G r ü n d e d a z u z w i n g e n , die Obhutspflicht z u r u n v e r s e h r t e n A u s l i e f e r u n g des b e f ö r d e r t e n Gutes z u r „ K a r d i n a l p f l i c h t " z u e r k l ä r e n . H i e r z u w u r d e n n i c h t e i n m a l die schon b e k a n n t e n F o r m u l i e r u n g e n d e r Rechtsprechung e r w ä h n t , w i e die F o r m e l d e r „ u n e r l ä ß l i c h e n V o r a u s s e t z u n g " , der „ G e f ä h r d u n g des V e r t r a g s zweckes", d e r „ w e s e n t l i c h e n u n d g r u n d l e g e n d e n P f l i c h t e n " . I m H i n b l i c k a u f das V e r s c h u l d e n d e r E r f ü l l u n g s g e h i l f e n w u r d e die Freizeichnung davon anerkannt71. I I I . Die Rechtsprechung aus anderen Rechtsgebieten 1.

FrostschädenfalV

2

Das Nichtabiassen des Wassers eines i n einer bewachten Garage abgestellten Wagens führte zu Frostschäden an dessen Motor. A u f den diesbezüglichen Haftungsausschluß des Garagenbetriebs antwortete das Gericht, niemand v e r möge einzusehen, daß es einem f ü r den Verkehr so wichtigen Berufszweig erlaubt sein sollte, sich fast von jedem Risiko freizuzeichnen, sogar bei stärkstem Grad von Fahrlässigkeit u n d bei Vorsatz der Erfüllungsgehilfen. Das Verfahren möge erträglich sein, w e n n verschließbare Einzelboxen vermietet u n d keine Nebenleistungen ausbedungen werden — dann sei die Gefahr, von Angehörigen des Betriebs geschädigt zu werden, f ü r den K u n d e n wenigstens einigermaßen gering. Diese Erwägung treffe jedoch i n der Regel nicht zu bei Sammelgaragen, zu denen der Unternehmer u n d seine Leute Z u t r i t t haben. Ebensowenig lasse sie sich halten f ü r jede A r t von Wagenpflege, die i m Zusammenhang m i t der Unterstellung des Wagens übernommen werde u n d die man, w e i l die beiden Aufträge wirtschaftlich eine Einheit bilden, nicht von der Verwahrungspflicht trennen dürfe. Der Verzicht auf den Haftungsausschluß sei ferner den Garagenunternehmern zumutbar, w e i l es keine ungewöhnlichen u n d unübersehbaren Gefahren seien, denen sich der Garagenbetrieb gegenübersehe. Wenn der Garagenunternehmer, was die Wagenpflege angehe, seinen ungelernten K r ä f t e n nicht traue, möge er bessere einstellen oder die Wagenpflege nicht übernehmen. Jedenfalls könne er sich nicht zu derartigen Arbeiten anbieten u n d sich nachträglich darauf berufen, der T a n k w a r t sei n u r gelernter Verkäufer von Molkereimaschinen (!). Das E r g e b n i s d e r E n t s c h e i d u n g v e r m a g k e i n e E i n w ä n d e auszulösen. I m f o l g e n d e n ist l e d i g l i c h a u f die B e g r ü n d u n g einzugehen. Das A b s t e l l e n a u f die W i c h t i g k e i t des b e t r o f f e n e n B e r u f s z w e i g s f ü r d e n V e r k e h r i s t abzulehnen, sofern sie i h r e n G r u n d i n d e m schon ü b e r h o l t e n K r i t e r i u m der Monopolstellung73 hat74. Die W i r k s a m k e i t einer Freizeichnung 71 So auch O L G H a m b u r g (o. Fußn. 66) VersR 1965, 955 (956); B G H wie Fußn. 70. 72 L G Göttingen v. 1. 12. 1955 (1 S 37/55) N J W 1956, 592 (593). 73 U n d Monopolähnlichkeit, worauf die Entscheidung sich berief. 74 Dagegen auch v. Brunn, A n m e r k u n g zu der angeführten Entscheidung, N J W 1956, 592; weitere Nachweise siehe Fußn. 21; ferner siehe auch L. Raiser , Die Kontrolle der A G B durch die Gerichte, Karlsruher F o r u m 1965, 3 (5 ff.).

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

w i r d nicht mehr daran, sondern an der Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben gemessen75, wie das alles schon i n der Generalklausel (§ 9) des AGB-Gesetzes festgelegt ist. Das Abstellen darauf, daß der Unternehmer und seine Leute bei Sammelgaragen tatsächlich oder möglicherweise stärker i n Berührung m i t dem Vertragsgegenstand kommen, muß man dahingehend verstehen, daß je intensiver die Berührung mit dem Gegenstand ist, desto leichter eine strengere Haftung bejaht werden kann. Dies läßt sich darauf begründen, daß einerseits mehr Vorsicht gefordert w i r d und andererseits der Unternehmer und seine Leute diejenigen sind, die am besten eventuelle Gefahrenquellen voraussehen und ausschalten können. Aber daraus ergibt sich noch kein Kennzeichen der „Kardinalpflicht" und demgemäß kein Grund für strengere Haftung. Vielmehr liegt der entscheidende Grund für die Freizeichnungsverwerfung darin, daß der Garagenunternehmer nicht die geeigneten Leute eingestellt hat. Dies lief darauf hinaus, daß er Pflichten übernommen hatte, die er gar nicht hätte übernehmen sollen. M i t anderen Worten hat sich hier der AGB-Verwender der Verletzung einer grundsätzlichen Organisationspflicht schuldig gemacht. Insoweit ist das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen unerheblich für seine Haftung. Letzteres ist i m konkreten Fall von sehr erheblicher Bedeutung, weil die Annahme eines groben Verschuldens der Erfüllungsgehilfen eher zweifelhaft ist, wenn man davon ausgeht, daß den persönlichen Umständen bei der Beurteilung der Frage der groben Fahrlässigkeit noch eine entscheidende Bedeutung zukommt 7 6 . Infolgedessen erscheint es bedenklich, den Erfüllungsgehilfen den stärksten Grad von Fahrlässigkeit vorzuwerfen, w e i l man von Molkereimaschinenverkäufern keine Kenntnisse von Wagenpflege verlangen kann und darf.

75 Siehe u. a.: Krause, A G B u n d das Prinzip des sozialen Rechtsstaates, B B 1955, 265 (268); Fischer, B B 1957, 481 (485); Brandner, JZ 1973, 613 (615); Bastian / Böhm, B B 1974, 110 (111); Schmidt-Salzer, A G B , Rdnrn. F. 33 ff., S. 184 ff.; Deutsch, Freizeichnung von der Berufshaftung, VersR 1974, 301 (306 f.). 7β Dies betrifft j a nicht die Beurteilung des fahrlässigen Verhaltens allgemein, die sich nach objektiven K r i t e r i e n richtet, was auch der durchaus herrschenden Meinung entspricht: Palandt / Heinrichs, § 276 Anm. 4 b, S. 289; Hanau, M ü K o , § 276 Rdnrn. 84 ff., S. 565 ff.; i m einzelnen siehe Diederichsen / Marburger, Klausurprobleme — Schuldr., A l l g . Teil, S. 75 ff. Die Berücksichtigung persönlicher Umstände bei der Frage der groben Fahrlässigkeit entspricht ebenfalls der durchaus herrschenden Meinung: Palandt / Heinrichs, § 277 A n m . 2, S. 301; Hanau, M ü K o , § 277 Rdnrn. 2 ff., S. 605 f.; Staudingerl Löwisch, §276 Rdnr. 53, S. 54 f.; Er man ! Battes, §276 Rdnr. 61, S, 639; Alff i n B G B - R G R K , § 277 Rdnr. 4, S. 79; Blomeyer, Allg. Schuldr. § 24 I I 4 a, S. 125; Larenz, Schuldr. I, § 20 V, S. 239 f.

§ 3. Die Rechtsprechung

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Schließlich führt v. Brunn 77 i n seiner Anmerkung aus: Für einen A u f trag (§§ 662 ff. BGB) zum Ablassen des Wassers wegen Frostgefahr könne sie (die Freizeichnungsklausel) nicht gelten. Auch als unentgeltliche Kundendienstleistung könne eine solche Verpflichtung nicht m i t der Maßgabe übernommen werden, daß für sorgfältige Ausführung nicht gehaftet werde. Gerade diese Leistung sei ohne sorgfältige Ausführung vollkommen wertlos, da die durch den Frost drohenden Schäden, vor denen der Kunde geschützt werden wolle, nur bei sorgfältiger Ausführung der Arbeit zu verhüten seien. Man könne nicht eine Verpflichtung eingehen und gleichzeitig ihren charakteristischen Inhalt nicht übernehmen wollen 7 8 . Der Begründung der Entscheidung kann nicht m i t Sicherheit entnommen werden, ob die Pflicht zum Wasserablassen überhaupt ausgeführt wurde, so daß man überhaupt von der Pflicht zur sorgfältigen Ausführung sprechen könnte. Aber auch wenn man annimmt, der Ausgangspunkt von Brunns sei richtig, muß i h m entgegengehalten werden, daß nicht „gerade diese Leistung", sondern jede Leistung einer sorgfältigen Ausführung bedarf. Die unsorgfältige Ausführung ist für den Kunden nicht „vollkommen wertlos". Sie kann i h m Schäden zufügen. Aber weder diese potentiellle Schädigung noch ihr Ergebnis (wertlose Leistung) können vorweggenommen werden. Ist die Leistung andererseits wirklich wertlos, so ist das Wort „wertlos" zu eng, um die W i r k lichkeit wiederzugeben. Damit werden die Verluste gemeint, die über eine bloße Wertlosigkeit der Leistung hinausgehen. Ferner ist es äußerst schwierig, jeweils zu bestimmen, welcher der charakteristische Inhalt einer Pflicht ist, so daß man sich bei dessen Verletzung auf die Unwirksamkeit von Freizeichnungen berufen kann. Es ist durchaus möglich, daß eine Pflicht so viele „charakteristische Inhalte" hat, daß von Charakteristik nicht mehr die Rede sein kann. Erinnert sei wieder an die seerechtlichen Fälle. Die Frage ist, ob das Prüfenlassen des Schiffs i m Heimathafen oder das richtige Beladen oder die richtige Stauung oder die Prüfung des Wetter- und Wasserstandes den charakteristischen Inhalt der Pflicht zur Gestellung eines seetüchtigen Wasserfahrzeugs darstellen. 2. Heizölfall

70

Nach Beobachtung des Anzeigers seiner T a n k ö l u h r bestellte der Käufer eine bestimmte Menge Heizöl bei dem Verkäufer. Bei der ö l l i e f e r u n g u n d 77

N J W 1956, 592. Vgl. auch bei Fußn. 34 ff. die Ausführungen zu „ K e n t e r f a l l I " ; SchmidtSalzer, A G B , Rdnrn. E. 20, 21, S. 132 ff. 79 B G H v. 24. 2. 1971 ( V I I I ZR 22/70, Hamm) N J W 1971, 1036 m i t A n m e r k u n g von Schmidt-Salzer. 78

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

während des ganzen Umfüllvorganges betrat der Tankwagenführer des Verkäufers den Tankkeller des K u n d e n nicht, u m den L a u f des Umfüllens zu kontrollieren. Da die T a n k ö l u h r defekt war, wie sich später herausstellte, w a r das ö l übergelaufen u n d zum T e i l versickert. Daraus entstanden dem Käufer erhebliche Säuberungskosten, abgesehen von dem Verlust i m W e r t des ausgelaufenen Öls. Die i n den Allgemeinen Verkaufs- u n d Lieferungsbedingungen (AVL) enthaltene Freizeichnungsklausel des Verkäufers wurde v o m B G H nicht anerkannt. Er meinte, die Verpflichtung zur Überwachung des U m f ü l l vorgangs v o n Anfang bis zum Ende sei deshalb v o n besonderer Wichtigkeit, w e i l eine sorgfältige Überwachung des Umfüllvorgangs schlechthin diejenige Vorsichtsmaßnahme bilde, m i t der alle Schäden verhütet werden können.

Zunächst ist festzustellen, daß diese Formel genauso zweifelhaft und leer ist, wie die der „ordnungsgemäßen Vertragserfüllung" 8 0 . Auch wenn die Erfüllung einer Pflicht auf die „Verhütung aller Schäden" hinauslaufen würde, könnte ihre „besondere Wichtigkeit" i n dieser A r t und Weise nicht hervorgehoben werden. I n diesem Sinne sind alle Pflichten ebenso wichtig und essentiell, weil eines deren immanenter Ziele darin besteht, daß ihre Erfüllung eventuellen Schäden, Verlusten, überhaupt Nachteilen vorzubeugen hat. Bleibt man bei dieser Begründung, so ist der Verkäufer sicherlich nicht überzeugt. Er hat immer noch einen Anspruch auf Geltung seiner vorformulierten Klausel. Dies verkannte das Gericht offenkundig nicht und versuchte, sich anders zu helfen. Dabei berief es sich auf Organisationsmängel 81 . Nach seiner Ansicht erforderte der Verkehr, daß diese Verpflichtung (Überwachung des Öltanks) von dem geschulten Personal des Lieferanten wahrgenommen wurde, von dem erwartet werden konnte, daß es über die m i t der Befüllung von Öltanks verbundenen Gefahren unterrichtet und m i t den entsprechenden Weisungen des Lieferanten ausgestattet w a r 8 1 a . Diese Überlegungen bedürfen nur noch einer Bemerkung, nämlich daß der Verkehr nicht von dem Personal, sondern von dem Lieferanten erwartet, er werde seine Leute m i t den entsprechenden Anweisungen ausstatten. Die Kehrseite dieses Gedankens bedeutet, der Unternehmer ist i n erster Linie dazu verpflichtet, die Forderungen des Verkehrs ständig i m Auge zu behalten. A u f ihn direkt bezogen sich die weiteren Ausführungen des Gerichts, indem es ausführte: A u f solche Fehler (technische Mängel des Tanks, falsch anzeigende ö l u h r ) müsse der Lieferant gefaßt sein, w e i l er bei dem Durchschnittskäufer nicht die erforderliche technische Sachkunde voraussetzen könne. Die Bedeutung seiner Verpflichtung, den Einfüllvorgang v o n Anfang bis Ende zu überwachen, müsse i h m daher vor Augen stehen 82 . Der öllieferant könne sich auf 80 81

Vgl. bei Fußn. 18—20. Hierzu vgl. auch B G H v. 6. 6. 1978 ( V I ZR 156/76, Karlsruhe) N J W 1978,

1576. 81 a So auch B G H v. 15. 10. 1971 (I ZR 27/70, Celle) N J W 1972, 42. 82 Der B G H (wie Fußn. 81) hat n u n diese strengen Anforderungen an den Verkäufer etwas gelockert. I m wesentlichen blieb aber die Rüge des Organi-

§ 3. Die Rechtsprechung

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die Freizeichnung i n seinen A V L nicht berufen. Er hafte vielmehr für ein Verschulden seines Erfüllungsgehilfen, soweit es für den eingetretenen Schaden ursächlich gewesen sei. Eine Überwachung i m K e l l e r sei unerläßlich, w e i l n u r auf diese Weise gewährleistet sei, daß ein Überlaufen sofort erkannt w e r den könne. Die Verletzung dieser Überwachungspflicht durch den Erfüllungsgehilfen stelle eine positive Vertragsverletzung dar.

Das Gericht hat hier über den Grad des Verschuldens des Erfüllungsgehilfen nicht entschieden, weil die i h m vorgelegte Freizeichnungsklausel sich lediglich darauf bezog, daß die Haftung für die auf Fassungsvermögen des Öltanks, auf dessen mangelhafte Bewachung u. dgl. zurückzuführenden Schäden ausgeschlossen sein sollte. Aber die Ausführungen des B G H schließen keineswegs die Annahme lediglich leichter Fahrlässigkeit aus 83 , während man m i t guten Gründen glauben darf 8 4 , das Vorliegen grober Fahrlässigkeit würde zur Verstärkung der negativen Stellungnahme des Gerichts der Freizeichnung gegenüber geführt haben. Ferner könnte hier ebenso erfolgreich 85 vorgebracht werden, es handele sich um Nachlässigkeiten, wie sie bei Angestellten oder Arbeitern auch eines ordnungsmäßigen Betriebs nicht auszuschließen seien. Diese Umstände drängen auf eine feste und überzeugende Begründung für die Verwerfung von Freizeichnungsklauseln selbst dann, wenn sie sich an die Verschuldenshaftungsgrenzen des heutigen § 11 Nr. 7 A G B Gesetzes halten. Schmidt-Salzer 88 kommentiert i n seiner Anmerkung die Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der Vorrangigkeit der Individualvereinbarungen und meint: Wenn es individuell festgelegt werde, könne der Schuldner rechtswirksam auch die Haftung für die Erfüllung der „Kardinalpflichten" ablehnen; der Gläubiger wisse dann, daß er sich insoweit nicht auf den Schuldner verlassen könne und daß er gegebenenfalls selbst Vorsorge treffen müsse (in der obigen Entscheidung: Kontrolle des Öltanks). Erfolge dagegen kein individueller Hinweis, könne sich der Gläubiger nach dem Inhalt der Individualvereinbarungen darauf verlassen, daß der Schuldner jene Vertragspflicht erfülle. Indessen sind diese Überlegungen nicht dahin zu verstehen, daß jede nicht individuell festgelegte Pflicht als „Kardinalpflicht" bezeichnet sationsmangels unverändert. I n erster L i n i e habe also der Verkäufer — so der B G H — die Kontrollgeräte an seinem Tankwagen i m Auge zu behalten. Darüber hinaus werde er sich davon überzeugen müssen, ob der Öltank nicht etwa übergelaufen sei. Ohne besonderen A n h a l t s p u n k t w i r d dafür aber ein gelegentlicher Blick während des Abfüllvorgangs u n d eine K o n t r o l l e nach dessen Beendigung ausreichen. 83 So auch M. Wolf, N J W 1980, 2433 (2436 re. Sp.). «* Vgl. L G Göttingen (o. Fußn. 72) N J W 1956, 592; B G H v. 22. 5. 1968 ( V I I I ZR 133/66, Stuttgart) N J W 1968, 1718; B G H (o. Fußn. 66) M D R 1969, 557; B G H v. 6. 2. 1974 ( V I I I ZR 12/73, Düsseldorf) N J W 1974, 901. 85 Wie B G H (o. Fußn. 21) B G H Z 33, 216 (222). 86 N J W 1971, 1036.

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werden soll. Die Inhaltskontrolle zielt gerade darauf ab, zwischen den verschiedensten nicht individuell abgesprochenen Pflichten diejenigen auszusuchen, die unabdingbar einerseits dem Unternehmer, andererseits dem Kunden zur Last fallen. I m konkreten Fall ist nicht abgehandelt, wer zur Bewachung des Öltanks bzw. zur Prüfung dessen Fassungsvermögens verpflichtet ist. Daraus aber ergibt sich noch nicht, daß der Kunde sich hinsichtlich dieser Verpflichtung auf den Lieferanten verlassen könnte. M i t der gleichen Uberzeugungskraft könnte das Gegenteil behauptet werden, zumal der Kunde zeitlich und räumlich betrachtet viel besser steht als der Unternehmer. Vor der ölbestellung kann er i n aller Ruhe das Fassungsvermögen seines Öltanks sorgfältig prüfen 87 . Darüber hinaus kennt er sich i n seinem Tankkeller viel besser aus als jeder andere. Diesen Umständen müssen jedoch andere gegenübergestellt werden, die auf der Seite des Unternehmers liegen, nämlich die technische Sachkunde des Lieferanten, dessen Pflicht zur Unterrichtung seines Personals 88 . Sie haben nach Abwägung des Richters den Ausschlag dafür gegeben, daß angenommen wurde, es handele sich hier um eine unabdingbare, den Unternehmer belastende „Kardinalpflicht". 3. Pelzmäntelfall

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Aus einem auf dem bewachten Parkplatz der Beklagten abgestellten Wagen w u r d e n Pelzmäntel gestohlen. Nach den Vertragsinhalt gewordenen A G B der Beklagten w a r deren H a f t u n g für den Verlust von Handelsware aus abgestellten Fahrzeugen beschränkt, u n d zwar bis zum Betrag v o n 500 D M .

Das Berufungsgericht hatte angenommen, dem Schadensersatzanspruch des Klägers steht nicht die Freizeichnung i n A G B entgegen, weil die Auslegung der Vertragsbedingungen ergebe, daß sie alle die Fälle nicht umfaßt hätten, bei denen trotz des Bewachungsvertrags die Beklagte die Bewachung des Parkplatzes vorsätzlich unterlasse oder bei denen das Bewachungspersonal seine Pflichten in so grober Weise vernachlässige90, daß eine Bewachung des Parkplatzes i n „Tat und Wahrheit" nicht mehr vorliege. Obgleich das Revisionsgericht dieser Auslegung nicht zustimmte, gab es trotzdem zu, die Gefahr eines Diebstahls der abgestellten Fahrzeuge oder ihres Inhalts sei bei ordnungsgemäßer Bewachung verhältnismäßig gering. 87 Hierzu hat das Gericht auf die Möglichkeit der Bedienung einer Kette oder eines Peilstabes hingewiesen; siehe jetzt aber B G H (o. Fußn. 81) N J W 1978, 1576 (re. Sp.). 88 Vgl. auch M. Wolf, N J W 1980, 2433 (2436 re. Sp.). 89 B G H (o. Fußn. 84) N J W 1968, 1718 ff. = B B 1968, 852 f. 90 Betrunkener u n d schlafender Parkwächter.

§ 3. Die Rechtsprechung

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Der E i n t r i t t v o n Schäden durch Diebstahl sei also v o r allem dann zu befürchten, w e n n der Parkwächter seinen Pflichten nicht ausreichend nachkomme. Dennoch erkannte das Gericht die Wirksamkeit der Freizeichnung an u n d f u h r fort: Die Bewachungsunternehmen hätten immer m i t einem V e r sagen ihres Wachpersonals zu rechnen u n d derartiges Personal sei angesichts der Verfassung des Arbeitsmarkts i n der hier i n Frage stehenden Zeit n u r schwer zu bekommen, so daß notgedrungen auch nicht v o l l f ü r diese Tätigkeit geeignete Leute 9 1 beschäftigt werden müßten 9 2 . Die Unternehmer wären ein sehr hohes Risiko eingegangen, w e n n sie bereit gewesen wären, gerade bei grober Vernachlässigung der Pflichten durch das Wachpersonal die Haftung zu übernehmen. Der hier zu entscheidende Sachverhalt rechtfertige die Beurteilung, daß der Ausschluß der H a f t u n g für den Verlust v o n Handelswaren selbst dann durchgreife, w e n n er auf grobes Verschulden der m i t der Bewachung betrauten Parkwächter zurückzuführen sei. Bedenken könnte es allerdings unterliegen, w e n n die Parkwachen u n d Garagenunternehmer jeden Ersatz f ü r Schäden durch den Verlust abgestellter Wagen oder deren I n h a l t auch bei grobem Verschulden des Bewachungspersonals i n den A G B v ö l l i g ausschließen würden. Hier handele es sich jedoch nicht u m einen völligen Ausschluß, sondern n u r u m eine gegenständliche Beschränkung der Haftung i n den A G B , die jedenfalls insoweit nicht zu beanstanden sei, als es sich u m Handelsware handele, die i n den geparkten Wagen zurückgelassen waren. Selbst bewachte Parkplätze seien k e i n geeigneter Aufbewahrungsort f ü r H a n delsware. Das gelte auch dann, w e n n die Waren sich i n den Fahrzeugen befinden u n d diese verschlossen seien. Müßte der Unternehmer f ü r den Verlust derartiger Ware haften, so würde i h m ein unübersehbares Risiko aufgebürdet. I s t i m H i n b l i c k a u f das h e u t e geltende A G B - G e s e t z das E r g e b n i s d i e ser E n t s c h e i d u n g u n h a l t b a r 9 3 , so lassen sich doch d a v o n abgesehen auch E i n w e n d u n g e n gegen i h r e B e g r ü n d u n g erheben. W e n n d i e U n t e r n e h m e r m i t e i n e m V e r s a g e n i h r e s Wachpersonals rechnen k ö n n e n , d a n n i s t es e i n A r g u m e n t gegen u n d n i c h t f ü r sie. W e r d a m i t rechnen k a n n , m u ß auch d i e entsprechenden M a ß n a h m e n t r e f f e n , u m j e d e G e f a h r e n q u e l l e auszuschalten, sofern es a u f i h n a n k o m m t . E i n e solche M a ß n a h m e ist auch die E i n s t e l l u n g des geeigneten Personals. D i e u n g ü n s t i g e n A r b e i t s m a r k t v e r h ä l t n i s s e , w i e sie b e i j e d e m W i r t s c h a f t s z w e i g insbesondere i n b e s t i m m t e n Z e i t e n ü b l i c h sein k ö n n e n , s t e l l e n k e i n e n E n t l a s t u n g s g r u n d f ü r d e n A G B - V e r w e n d e r dar, da sie e i n n o r m a l e s ( k e i n hohes) R i s i k o 9 4 sind, das n i c h t a u f d e n K u n d e n f o r m u l a r m ä ß i g ü b e r w ä l z t w e r d e n d a r f 9 5 , 91

Anders L G Göttingen (o. Fußn. 72) N J W 1956, 592 (Frostschädenfall). Hier ist schon ein Widerspruch zu den darauf folgenden Ausführungen derselben Entscheidung insoweit festzustellen, als dort eine mangelhafte O r ganisation ausdrücklich verneint w i r d (NJW 1968, 1720 Ii. Sp.). 93 Siehe auch Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 9 Rdnr. 69, S. 189 f.; kritisch ferner Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. A 7 (71, A n m . 155). 94 Vgl. Kliege, Rechtsprobleme der A G B i n wirtschaftswissenschaftlicher Analyse, § 3, 3 b aa, S. 38; Schmidt-Salzer, D r i t t w i r k u n g v o n Freizeichnungsklauseln?, B B 1969, 297 (298 re. Sp.). 95 Anders Schmidt-Salzer, B B 1969, 297 (299), der n u r i n den Fällen der sogenannten schadensgeneigten A r b e i t ein dem Unternehmer zur Last fallendes Betriebsrisiko anerkennt. 92

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

z u m a l er g a r n i c h t i m s t a n d e ist, a u f diese V e r h ä l t n i s s e i r g e n d w i e E i n f l u ß zu n e h m e n . F e r n e r ist z w a r d e m B G H zuzugeben, b e w a c h t e P a r k p l ä t z e seien k e i n geeigneter A u f b e w a h r u n g s o r t f ü r H a n d e l s w a r e , a b e r d e r eigene W a g e n i s t doch d a f ü r geeignet u n d insbesondere d a n n , w e n n er n i c h t b l o ß a u f der Straße a b g e s t e l l t ist. D e r K u n d e k a n n sich d a n n b e r e c h t i g t e r w e i s e a u f die E r f a h r u n g , K e n n t n i s , O r g a n i s a t i o n seines V e r t r a g s p a r t n e r s e i n lassen. Diese O r g a n i s a t i o n h a t sich j e d o c h h i e r i n s o w e i t als u n z u l ä n g l i c h erwiesen, als sie das B e t r e t e n u n d d i e T ä t i g k e i t des Diebes a u f e i n e m „bewachten" Parkplatz nicht verhindern konnte96. 4.

Ablieferungsinspektionsfall

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Vor der Übergabe eines neugekauften Wagens an den Käufer ließ die beklagte F i r m a durch ihren Kraftfahrzeugmeister eine Ablieferungsinspektion durchführen. Danach wurde der Wagen auf Wunsch des Klägers zu einem nahegelegenen Autohaus gebracht, das i h n einer Rostschutzbehandlung unterzog. Einige Tage später bei einer Fahrt auf der A u t o b a h n geriet das A u t o ins Schleudern u n d verursachte einen Unfall. Nach den Feststellungen des Gerichts w a r das Schleudern auf eine schon bei der Ubergabe des Wagens v o r handene Eindellung der Felge an der Innenseite des Rades zurückzuführen, die auch von einem L e h r l i n g des Autohauses bei der Rostschutzbehandlung bemerkt worden war. Z u der Frage, ob die Ansprüche des Klägers durch die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ausgeschlossen sind, führte das Gericht aus: i n den Geschäftsbedingungen selbst sei von einer Ablieferungsinspektion u n d daraus abzuleitenden Ansprüchen nicht die Rede. Durch die Ablieferungsinspektion solle sein Vertrauen darauf gestärkt werden, daß er einen mangelfreien Wagen, der verkehrssicher ist, übergeben erhält. Eine solche Sonderinspektion nehme i h m zugleich eine entsprechende Prüfung des gekauften Fahrzeugs weitgehend ab. Daß sich die Beklagte f ü r die sorgfältige E r f ü l l u n g dieser Vertragspflicht freigezeichnet habe, sei den Geschäftsbedingungen f ü r den Verkauf von neuen Kraftfahrzeugen schon deshalb nicht zu entnehmen, w e i l hierüber dort nichts gesagt sei. Die Ablieferungsinspektion hätte auch für den Käufer keinen Sinn, w e n n er sich nicht darauf verlassen könnte, daß sie von dem Ford-Händler m i t äußerster Sorgfalt durchgeführt werde. Es ist daher keineswegs selbstverständlich, daß ein Vertragshändler für Kraftfahrzeuge sich auch v o n Ansprüchen wegen schuldhafter Verletzung dieser Verpflichtung freizeichnen wolle. Wenn das beabsichtigt wäre, so hätte dies durch eine klare, unmißverständliche Bestimmung dem Kläger gegenüber zum Ausdruck gebracht werden müssen. Deshalb müsse jedenfalls i n diesem Rechtszuge davon ausgegangen werden, daß die Beklagte f ü r ein Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen bei Durchführung der Ablieferungsinspektion einzustehen habe. D i e obige E n t s c h e i d u n g w i r d z w a r ö f t e r als B e i s p i e l i n d e r L e h r e d e r „ K a r d i n a l p f l i c h t e n " e r w ä h n t 9 8 , aber die V e r l e t z u n g e i n e r „ k a r d i n a l e n " M Vgl. jedoch B G H v. 15. 11. 1971 ( V I I I ZR 62/70, Hamm) N J W 1972, 150, obwohl dabei auf die Frage der Wirksamkeit eines Haftungsausschlusses nicht eingegangen wurde. 97 B G H V. 18. 6. 1969 ( V I I I ZR 148/67, Hamm) N J W 1969, 1708 (1710).

§ . Die Rechtsprechung

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Pflicht oder überhaupt die Haftung des Unternehmers ist vom B G H mittels restriktiver Auslegung wenig überzeugend begründet, indem ein Haftungsausschluß wegen „unsorgfältig" geführter Ablieferungsinspektion nicht mißbilligt wurde. I m Gegenteil enthält die Entscheidung Anhaltspunkte dafür, daß eine Freizeichnung von der Haftung für die auf fehlgeschlagene Inspektion zurückzuführenden Schäden dann genehmigt werden müßte, wenn sie klar zum Ausdruck gebracht worden wäre. Dieses Ergebnis läßt sich insoweit m i t dem von demselben Gericht ausgesprochenen Gedanken der Sinnlosigkeit einer unsorgfältig durchgeführten Inspektion nicht vereinbaren, als diese unabhängig von der Fassung der Klausel i n den A G B ist. Entweder entbehrt die Inspektion für den Kunden jeden Sinns durch die Freizeichnungsklausel oder nicht. Ihre Fassung steht damit i n keinerlei Beziehung. Aber darin ist schon ein Orientierungspunkt für die Inhaltskontrolle zu sehen; indessen kann er allein keine Bedeutung angesichts einer überzeugenden Inhaltskontrolle erlangen und deshalb scheitert er von vornherein an seiner Unbestimmtheit. Zunächst sei an die seerechtlichen Fälle erinnert, wo nicht lediglich die Feststellung der Seeuntüchtigkeit des Schiffs, sondern auch deren Verbindung m i t Organisationsmängeln (Unterlassung einer Prüfung der Seetüchtigkeit i m Heimathafen) eine unabdingbare Haftung des A G B Verwenders begründet hatte. Ebenso i m untersuchten Sachverhalt hätte das Gericht von der Tatsache der Ablieferung eines fahruntüchtigen Wagens ausgehen und noch prüfen können, ob die Fahruntüchtigkeit auf mangelnde oder fehlerhafte Organisation des Betriebs und insbesondere der Inspektionsdurchführung zurückzuführen war, ob beispielsweise die Räder abgenommen und m i t jeder Vorsicht geprüft wurden. Durch eine dahingehende Untersuchung wäre die Haftung des Unternehmers sicherlich zu bejahen, wenn man auch daran denkt, daß es sich dabei um eine nicht unbeachtliche Einzelheit handelt, sofern selbst ein Lehrling die Fahruntüchtigkeit des Wagens hatte bemerken können. 5. Kunststoff-Folienfall

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Der Kläger ließ sich von der Erfüllungsgehilfin (Firma R.) der Beklagten u n d deren Mitarbeiter darüber beraten, ob die v o n der Beklagten hergestellten Kunststoff-Folien zur Ausbesserung der undichten Stellen seines Dachs geeignet seien. Nachdem i h m die Brauchbarkeit der Folien f ü r den genannten Zweck erklärt u n d von der Beklagten selbst garantiert worden war, ließ er sein Dach m i t den Folien der obigen Firma abdecken, die sich aber i n kurzer 98 Graba i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 9 Rdnr. 37, S. 224; Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 9 Rdnr. 30, S. 163; Kötz, M ü K o , A G B G § 9 Rdnr. 13, S. 1455; Stein, Gesetz der A G B , § 9 Bern. 29, S. 119; Ρalandt / Heinrichs, A G B G § 9 A n m . 4, S. 2249. 99 B G H v. 16. 11. 1970 ( V I I I ZR 227/68, Stuttgart) W M 1971, 74 (75 f.).

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

Zeit u n d entgegen der Bestätigung der Beklagten u n d ihrer Leute ungeeignet erwiesen, das Dach dicht zu halten. Die Beratung sei, so stellte das Berufungsgericht fest, o b j e k t i v unrichtig u n d zudem unvollständig gewesen, w e i l die Folie f ü r den vorgesehenen Zweck v ö l l i g ungeeignet sei. Außerdem hätten die Beklagte u n d ihre Leute dem Kläger verschwiegen, daß sie, die Beklagte, keinerlei praktische Erfahrung m i t der Verwendung der Folie zu dem hier i n Rede stehenden Zweck besessen habe. Gerade diese A u f k l ä r u n g hätte den Kläger v o n der Verwendung der Folie abgehalten, w e i l i h m dann das Risiko zu hoch gewesen wäre. Die u n richtige u n d unvollständige Beratung gereiche der Beklagten zum Verschulden; denn es sei zumindest i n hohem Maße fahrlässig, die unbedingte Eignung der Folie zu dem vorgesehenen Zweck zu versichern, obwohl keine einschlägige Erfahrung vorlag u n d die Beklagte nicht wissen konnte, w i e sich die Folie auf dem Dach unter W i n d u n d Wetter verhalten werde. Unzureichende Kenntnisse der Erfüllungsgehilfen gehen zu Lasten dessen, der sich eines Erfüllungsgehilfen bediene 1 0 0 , hielt der B G H der v o n der Beklagten vorgebrachten Einwendung des Fehlens technischer Kenntnisse bei den Angestellten der F i r m a R. entgegen. Es sei auch i m kaufmännischen Leben nicht ungewöhnlich, f u h r das Gericht fort, daß ein K a u f m a n n größere Risiken übernehme, w e n n er hoffe, so i n aussichtsreiche Geschäftsverbindungen m i t einem Großkunden treten zu können. Gerade daß die F i r m a R. nicht wußte, w i e sich die Folie auf dem Dach unter W i n d u n d Wetter verhalten werde, u n d trotzdem die Eignung der Folie versicherte, gereiche i h r nach der rechtsirrtumsfreien W ü r d i g u n g des Berufungsgerichts zum Verschulden. A u f jeden F a l l dürfte es das Berufungsgericht als schuldhaft ansehen, daß die Firma R. den Kläger nicht über ihre mangelnde praktische Erfahrung m i t der Folie aufgeklärt habe, obwohl sie erkennen mußte, daß er von der Verwendung der Folie absehen werde, w e n n sie i h n über das Fehlen praktischer Erfahrung aufkläre. Schließlich w i r d die Berufung der Revision auf ein M i t verschulden des Klägers m i t folgendem Gedanken zurückgewiesen: I m ü b r i gen könne i n der Regel derjenige, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger A u s k u n f t verletzt habe, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten nach Treu u n d Glauben nicht geltend machen, diesen treffe u m desw i l l e n ein Mitverschulden, w e i l er der A u s k u n f t vertraut u n d dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe. I m v o r l i e g e n d e n F a l l l i e g t d e r ausschlaggebende G r u n d f ü r die B e j a h u n g der U n t e r n e h m e r h a f t u n g w i e d e r u m d a r i n , daß e r n i c h t a l l e n o t w e n d i g e n organisatorischen M a ß n a h m e n g e t r o f f e n h a t t e , u m seinen P f l i c h t e n n a c h k o m m e n z u k ö n n e n . W ä h r e n d er selbst ü b e r k e i n e r l e i p r a k tische E r f a h r u n g a u f d e m h i e r i n F r a g e k o m m e n d e n G e b i e t v e r f ü g t e , h a t t e er v e r s ä u m t , die d a z u geeigneten u n d e r f a h r e n e n L e u t e a n z u s t e l l e n u n d d a r ü b e r h i n a u s noch den K u n d e n ü b e r seine organisatorische U n z u l ä n g l i c h k e i t z u i n f o r m i e r e n . Diese U m s t ä n d e w u r d e n v o n b e i d e n G e r i c h t e n e r k a n n t u n d b i l d e t e n die Basis der r i c h t e r l i c h e n Ü b e r l e g u n gen. T r o t z d e r E i n s t i m m i g k e i t i m E r g e b n i s i s t e i n e r h e b l i c h e r U n t e r schied i n d e r B e g r ü n d u n g d e r E n t s c h e i d u n g e n h e r v o r z u h e b e n , u n d z w a r angesichts des h a f t u n g s b e g r ü n d e n d e n Verschuldensgrads. W ä h r e n d das 100 V

g l

;

L G

Göttingen (o. Fußn. 72) N J W 1956, 592.

§ . Die Rechtsprechung

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Berufungsgericht ausdrücklich i n der Übernahme einer Pflicht ohne die dazu erforderliche Fähigkeit oder Vorbereitung ein hoch (grob) fahrlässiges Verhalten sieht, zieht der B G H es vor, sich über eine Differenzierung des Fahrlässigkeitsgrads hinwegzusetzen. Zwar könnte man der zustimmenden Verweisung des obersten Zivilgerichts auf die Ausführungen des OLGs entnehmen, es wolle auch bezüglich dieses Punktes jenem zustimmen. Indessen w i r f t sich die Frage auf, weshalb der B G H von einer anderen Formulierung, nämlich der des bloß „schuldhaften" und nicht grob schuldhaften Verhaltens zur Begründung der Haftung Gebrauch machte. Die A n t w o r t darauf läßt sich den Ausführungen des Gerichts selbst entnehmen. Die Übernahme einer Pflicht (hier: Abdekkung des Dachs) trotz Fehlens der dazu erforderlichen Erfahrung und Kenntnis betrachtet es als ein Risiko, das der Kaufmann zu tragen hat, und zwar unabhängig davon, ob er sich grob fahrlässig verhalten hat 1 0 1 . N i m m t man als Grundlage der Haftung die grobe Fahrlässigkeit an, so w i r d der Weg zur Haftungsbejahung ohne Grund erschwert, zumal man auch persönliche Umstände™2 berücksichtigen muß 1 0 3 . Andererseits w i r d die Annahme grober Fahrlässigkeit zusätzlich noch dadurch verhindert, daß die Übernahme solcher Risiken i m kaufmännischen Leben nicht ungewöhnlich ist 1 0 4 , wie das Gericht i n seinen Ausführungen bestätigte 105 . Deshalb kommt es — nach der Auffassung des B G H — nicht auf die Schwere des Fahrlässigkeitsgrades, sondern lediglich darauf an, daß der Unternehmer insoweit schuldhaft gehandelt hat, als er Tätigkeiten übernommen hat, die den von i h m getroffenen Vorkehrungen nicht entsprochen haben (Risikoübernahme). Demzufolge waren sie i m Rahmen der gegebenen Organisation undurchführbar. 101 Hierzu vgl. schon Jhering, Das Schuldmoment, S. 46, der zur Begründung der römischen Haftung i m F a l l der Mora anführt: „Niemand soll eine Leistung übernehmen, der er nicht gewachsen ist. Jeder muss das Mass seiner K r ä f t e u n d Leistungsfähigkeit kennen, bevor er contrahirt, eine Überschätzung derselben ist ein Versehen, unter dessen nachteiligen Folgen er selber, nicht sein Gegner zu leiden hat." 102 Es w i r d jedoch schon angenommen, daß diese Umstände dann nicht berücksichtigt werden, w e n n es sich u m die Beurteilung grober Fahrlässigkeit bei Fehlleistungen nicht natürlicher Personen, sondern großer Unternehmen oder überhaupt von Organisationen handelt, die auf Organisationsmängel zurückzuführen sind; Röhl, Z u r Abgrenzung der groben von der einfachen Fahrlässigkeit, J Z 1974, 521 (526) unter b) m w N ; Staudinger / Löwisch, § 276 Rdnr. 53, S. 55; Hanau, M ü K o , § 277 Rdnr. 3, S. 606. 103 Vgl. bei Fußn. 76. 104 Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, w e n n die i m Verkehr erforderliche Sorgfalt i n ungewöhnlich großem Maße verletzt u n d das nicht beachtet w i r d , was i m gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen; Alff i n B G B - R G R K , § 277 Rdnr. 4, S. 79; Erman ! Battes, § 276 Rdnr. 61, S. 639; Ρalandt / Heinrichs, § 277 A n m . 2, S. 301; RG v. 21. 3. 1940 (V ZS 4/40, Berlin) RGZ 163, 104 (106); B G H v. 11. 5. 1953 (IV ZR 170/52, Hamburg) B G H Z 10, 14 (16); B G H v. 19. 1. 1959 ( I I I ZR 194/57, Düsseldorf) L M zu § 277 B G B Nr. 1, Bl. 1. los W M 1 9 7 1 | 74 (7 6 ).

5 Roussos

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel 6.

Sägemaschinenfall

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Der Käufer (Beklagte) w o l l t e eine Sägemaschine bestellen, die i n seinem Betrieb am Platze der alten Maschine aufgestellt werden sollte. Daraufhin hatte der Angestellte M. der Verkäuferin den Platz ausgemessen u n d f ü r ausreichend erklärt. Die letzten Bedenken der Beklagten w u r d e n v o n M. zerstreut, indem er erklärte, der Platz reiche auf alle Fälle aus. Später stellte sich heraus, daß die Erklärungen des Angestellten nicht stimmten u n d die Maschine für den vorgesehenen Platz zu groß war. Das Berufungsgericht hatte die E r k l ä r u n g des Angestellten M. als Ratserteilung angesehen, i n der die Übernahme einer selbständigen Nebenverpflichtung aus dem Kaufvertrag zu erblicken sei und bei deren schuldhaften Verletzung eine Schadensersatzverpflichtung des Verkäufers entstehen könne. Der B G H hat die Haftung der Verkäuferin ebenfalls bejaht, indem er deren allgemeinen Lieferungsbedingungen eng ausgelegt hat. Sie regelten n u r die eigentlichen Hauptverpflichtungen des Kaufvertrags. A n keiner Stelle sei von der hier i n Betracht kommenden Beratung vor Erteilung einer Bestellung die Rede. M i t einer solchen beratenden Tätigkeit des Vermittlungsvertreters müsse eine Lieferfirma immer rechnen; das liege i n der N a t u r der Sache 107 . Z w a r möge der Lieferer auch insoweit ein Interesse daran haben, vor zu weitgehenden Erklärungen seiner Vertreter geschützt zu werden. Wenn er dieses Ziel aber erreichen wolle, so habe er es i n der Hand, die von i h m dem Geschäft zugrunde gelegten Lieferungsbedingungen auch insoweit k l a r u n d eindeutig zu fassen. O b w o h l eine b e r a t e n d e T ä t i g k e i t des A n g e s t e l l t e n des A G B - V e r w e n ders „ i n der N a t u r der Sache" läge, h a t diese gerichtliche F e s t s t e l l u n g z u r B e g r ü n d u n g d e r H a f t u n g n i c h t gelangen k ö n n e n . Das G e r i c h t h a t h i e r w i e d e r u m v o n der A l t e r n a t i v e der r e s t r i k t i v e n A u s l e g u n g Geb r a u c h gemacht. A u f g r u n d d e r schon b e t o n t e n 1 0 8 U n z u l ä n g l i c h k e i t der I n h a l t s k o n t r o l l e m i t t e l s A u s l e g u n g sollte m a n nach a n d e r e n K r i t e r i e n suchen, die d e m A G B - V e r w e n d e r die F r e i z e i c h n u n g v o n d e r aus der b e r a t e n d e n T ä t i g k e i t seiner L e u t e sich ergebenden H a f t u n g e n d g ü l t i g z u v e r b i e t e n v e r m ö g e n . D a f ü r g e w ä h r t die E n t s c h e i d u n g selbst A n h a l t s p u n k t e . V o r a l l e m soll d e r z e n t r a l e A u s d r u c k i n d e n o b i g e n A u s f ü h r u n gen, d i e „ N a t u r der Sache" i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e r ü b e r n o m m e n e n N e b e n v e r p f l i c h t u n g d e r R a t s e r t e i l u n g e r ö r t e r t w e r d e n . S o f e r n die ber a t e n d e T ä t i g k e i t des A n g e s t e l l t e n i n d e r N a t u r der Sache l i e g t , h a t e i n U n t e r n e h m e r i m m e r d a m i t z u rechnen u n d die daraus entstehenden F o l gen z u tragen. M a g dieser G e d a n k e so a l l g e m e i n ausgedrückt ü b e r die H a f t u n g des U n t e r n e h m e r s n i c h t überzeugen, so m u ß die R a t s e r t e i l u n g i n V e r b i n d u n g m i t e i n e m k o n k r e t e n V e r t r a g gesehen w e r d e n . D a m i t i s t 106 B G H v. 31. 1. 1962 ( V I I ZR 120/60, München), N J W 1962, 1196 ff. = L M zu § 276 (H) BGB, Nr. 5. 107 K r i t i k an der „ N a t u r des Vertrages" siehe bei Leonardy, Das A G B - G e setz — kodifizierte Rechtsprechung oder verbesserter Verbraucherschutz?, D R i Z 1976, 108 (110). 108 Siehe oben Fußn. 43.

§ 3. Die Rechtsprechung

67

die Beratung als Folge der Organisation der Abwicklung eines Vertrags 109 gemeint. I m vorliegenden Sachverhalt sollte eine solche Maschine aufgebaut werden, die nach dem Wunsch des Bestellers geeignet wäre, an einem bestimmten Platz aufgestellt zu werden. Wegen einer falschen Kalkulation wurde eine andere Maschine fertiggestellt, die zur A u f stellung an dem vorgesehenen sowie an jedem anderen Platz i n dem Betrieb inadäquat war, so daß man m i t ihr nichts anfangen könnte. Aus der schlechten Vertragsorganisation also läßt sich die Haftung des Unternehmers herleiten und insoweit kann die Ratserteilung als Folge dieser Organisation betrachtet werden. Der Angestellte hätte bestimmt richtig geraten, wenn er richtig kalkuliert und geplant hätte. Inwieweit jedoch die Möglichkeit einer korrekten Kalkulation gegeben war, kann sicherlich nicht beantwortet werden, weil das Gericht nicht darauf eingegangen ist, ob die falsche Kalkulation auf mangelnde Kenntnisse oder unzureichende Erfahrung zurückzuführen war 1 1 0 . Eine ganz andere Frage ist es, wenn der Angestellte auch dann (bei korrekter Planung) von einer richtigen Auskunft abgewichen wäre. Berücksichtigt man diese Umstände, so ist es wenig praktikabel, die Ratserteilung hier deshalb als „Kardinalpflicht" anzusehen, weil der Verkäufer die zur conditio sine qua non des Vertragsschlusses gewordene Übernahme der den Kaufvertrag ergänzenden Verpflichtung ihres Inhalts entleeren würde 1 1 1 . Eine leichtfertige Organisation der Vertragserfüllung und eine daraufh i n folgende Beratung geht weit über eine bloße Sinnlosigkeit des Rates als solchen hinaus und betrifft den ganzen Vertrag. Für den Käufer ist nicht nur die Beratung, sondern der ganze Vertrag sinnlos, inhaltsleer und zudem noch schadenträchtig. Der Grund dafür findet sich vor allem i n der mangelhaften Vertragsorganisation, von der letzten Endes die Ratserteilung abhängt. Deshalb ist diese letztere eine normale Vertragspflicht, deren Unterscheidung von anderen Pflichten zum Zweck der Begründung einer strengeren Haftung kaum durchführbar ist 1 1 2 . 7. Tankzugfall

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Die Klägerin, die unter anderem Fahrzeuge herstellte, bot dem Beklagten, einem Transportunternehmer, die Lieferung eines Tankaufbaues auf einen dem Beklagten gehörigen Lastkraftwagen u n d eines vollständigen T a n k 109 M a n unterscheidet zwischen der Pflicht zur Betriebsorganisation u n d der zur Organisation des betreffenden Vertrages zwecks seiner „ordnungsgemäßen Durchführung"; Schmidt-Salzer, A G B , Rdnrn. F. 208 ff., S. 269 ff. m w N aus der Rechtsprechung. 110 Vgl. B G H (o. Fußn. 79) W M 1971, 74 (Kunststoff-Folienfall). 111 So aber Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. E. 21, S. 135 f. unter Nr. 10. 112 Vgl. auch Stein, Gesetz der A G B , § 9 Bern. 29, S. 119: Selbst w e n n die falsche Beratung f ü r den Vertragsschluß kausal wurde, sei k e i n wesentliches Recht eingeschränkt, das sich aus der N a t u r des Vertrages ergebe. 113 B G H v. 28. 4. 1971 ( V I I I ZR 258/69, Braunschweig) N J W 1971, 1795 ff.



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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

anhängers zum Transport von chemischen Flüssigkeiten an. Der Beklagte n a h m das Angebot an. Da aber der Tankzug fehlerhaft gebaut u n d nicht betriebssicher war, w i e sich später herausstellte, verweigerte der Beklagte die E r f ü l l u n g seiner Zahlungspflicht. Der Tankaufbau w a r i m Verhältnis zum zulässigen Gesamtgewicht des Lastkraftwagens zu groß. B e i m Transport von Flüssigkeiten des handelsüblichen chemischen Gewichts konnte der T a n k aufbau nicht voll, sondern allenfalls zu 3 Λ seines Fassungsvermögens gefüiJt werden. Das führte aber dazu, daß sich die flüssige Ladung beim Bremsen u n d i n K u r v e n staute u n d Schwallbewegungen machte, durch die die Betriebssicherheit des Tankzugs beeinträchtigt wurde. Hierüber hätten i h n (den Beklagten) die Klägerin u n d der Inhaber einer F i r m a L., der m i t der K l ä g e r i n zusammenarbeitete, arglistig getäuscht. S i e h t m a n v o n d e r h i e r n i c h t interessierenden F r a g e der a r g l i s t i g e n T ä u s c h u n g ab, beschäftigte sich das G e r i c h t zunächst m i t der Frage, ob d e r T a n k z u g e i n e n F e h l e r a u f weise, d e r seine T a u g l i c h k e i t z u d e m gew ö h n l i c h e n oder nach d e m V e r t r a g e vorausgesetzten G e b r a u c h b e e i n t r ä c h t i g t . E n t g e g e n d e r A u f f a s s u n g des B e r u f u n g s g e r i c h t s , das eine generelle V e r k e h r s t a u g l i c h k e i t u n d V e r w e n d b a r k e i t des T a n k z u g s z u m T r a n s p o r t v o n chemischen F l ü s s i g k e i t e n als gegeben betrachtet, m e i n t d e r B G H : D e m B e k l a g t e n k o m m e es n i c h t d a r a u f an, m i t d e m T a n k z u g , w e n n auch n u r u n t e r b e s t i m m t e n Voraussetzungen, f a h r e n z u k ö n n e n , s o n d e r n d a r a u f , d e n T a n k z u g so z u b e n u t z e n , w i e e i n T a n k z u g g e m e i n h i n gebraucht w e r d e , d. h. also m i t i h m F l ü s s i g k e i t e n v o n h a n d e l s ü b l i c h e m spezifischem G e w i c h t i n v o l l s t ä n d i g g e f ü l l t e n T a n k s z u b e f ö r d e r n 1 1 4 . Es müsse d a v o n ausgegangen w e r d e n , daß d e r B e k l a g t e den T a n k z u g f ü r die B e f ö r d e r u n g a l l e r h a n d e l s ü b l i c h e n chemischen F l ü s s i g k e i t e n e r w e r b e n w o l l t e . E i n T a n k z u g e r f ü l l e deshalb n u r d a n n seinen Z w e c k , w e n n er b e i w i r t s c h a f t l i c h s i n n v o l l e r N u t z u n g v e r k e h r s s i c h e r eingesetzt w e r d e n k ö n n e . E i n solcher Einsatz sei b e i d e m v o n der K l ä g e r i n g e l i e f e r t e n T a n k z u g aber i n f o l g e seiner B a u a r t ausgeschlossen. So b e t r a c h t e t sei d e r T a n k z u g als F e h l k o n s t r u k t i o n anzusehen. I m Hinblick auf die Frage, w e r von den beiden Vertragspartnern m i t der Pflicht belastet ist, sich nach dem oben v o m B G H festgelegten Vertragszweck zu orientieren, hat das O L G w i e folgt Stellung genommen: Es sei Sache des Beklagten (Käufers) gewesen, sich zu überlegen, ob bei Beachtung des zulässigen Gesamtgewichts Motorwagen u n d Anhänger für die von i h m beabsichtigten Transporte m i t chemischen Flüssigkeiten i n wirtschaftlich sinnvoller u n d verkehrstechnisch sicherer Weise ausgenutzt werden könnten. Daß es sich bei der K l ä g e r i n (Verkäuferin) u m ein i n der Herstellung von Fahrzeugen u n d Tankbehältern erfahrenes W e r k handele, mache es für den Beklagten nicht überflüssig, für sich selber die beiden Angebote der K l ä g e r i n auf tatsächliche Verwendbarkeit i n wirtschaftlicher u n d Verkehrs technischer Hinsicht f ü r den i n Betracht kommenden Verwendungszweck zu prüfen. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, sich nach den Art-Gewichten handelsüblicher chemischer Flüssigkeiten zu erkundigen, u m danach die Herstellung der Fahrzeuge 114 Vgl. B G H (o. Fußn. 8) W M 1956, 826 = B B 1956, 577; B G H (o. Fußn. 18) VersR 1973, 1060; B G H (o. Fußn. 18) D B 1975, 2126.

§ . Die Rechtsprechung

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115

auszurichten . Zutreffend hält der B G H diesen Ausführungen entgegen, die Meinung des Berufungsgerichts stehe i m Widerspruch zu den i n der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die Pflichten des Verkäufers 1 1 6 . Es sei selbstverständlich, daß ein Fuhrunternehmer, der einen Tankzug f ü r chemische Flüssigkeiten kaufe, w e n n nichts Besonderes vereinbart sei, i h n zur Beförderung handelsüblicher Flüssigkeiten erwerben wolle. N u r das könnte der gewöhnliche u n d nach dem Vertrage vorausgesetzte Gebrauch des T a n k zugs sein. Eines ausdrücklichen Hinweises über die Beförderung von solchen Flüssigkeiten bedürfe es deshalb nicht. Es sei daher nicht richtig, daß die K l ä g e r i n als Verkäuferin sich u m den Verwendungszweck nicht zu k ü m m e r n bräuchte. Sei der Tankzug nach der Vorstellung der K l ä g e r i n zu diesem Zweck ungeeignet, so sei es umgekehrt ihre Pflicht, den Beklagten darauf hinzuweisen. Sei nämlich Gegenstand des Vertrags ein Tankzug für handelsübliche Flüssigkeiten u n d habe die K l ä g e r i n wenigstens Zweifel, ob der T a n k zug f ü r die Beförderung solcher Flüssigkeiten v o l l geeignet sei, so dürfte sie darüber nicht schweigen. Sie müßte sich sagen, f ü r den Beklagten sei die uneingeschränkte Eignung Voraussetzung f ü r den Vertragsschluß u n d er v e r traue 1 1 7 auf die Brauchbarkeit. I m übrigen überspanne das Berufungsgericht die Anforderungen, die an die Prüfungspflicht eines Käufers zu stellen seien 1 1 8 . Es sei nicht einzusehen, daß der Beklagte über größere technische Einsichten verfügen müßte als der Gutachter u n d die Konstrukteure der K l ä g e r i n u n d daß er schon aus dem bloßen Aufmaß u n d der Beschreibung des Tankzugs den Schluß hätte ziehen können, der Tankzug sei für übliche Flüssigkeiten n u r beschränkt verwendungsfähig. Diese A u s f ü h r u n g e n , denen v o l l z u z u s t i m m e n ist, b r i n g e n z w e i d e m U n t e r n e h m e r z u r L a s t f a l l e n d e O r g a n i s a t i o n s p f l i c h t e n , f ü r deren V e r l e t z u n g e r a u f z u k o m m e n h a t , k l a r z u m A u s d r u c k . Z u e r s t sollen er oder seine spezialisierten A n g e s t e l l t e n ü b e r die e r f o r d e r l i c h e n technischen E i n s i c h t e n v e r f ü g e n , d i e i m k o n k r e t e n F a l l d a r i n bestanden, ü b e r die A r t - G e w i c h t e h a n d e l s ü b l i c h e r chemischer F l ü s s i g k e i t e n i n f o r m i e r t z u sein. W e i t e r ist d e r U n t e r n e h m e r d a z u v e r p f l i c h t e t , d e n K u n d e n u n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g des V e r t r a g s z w e c k s ü b e r die aus diesem Z w e c k sich ergebenden n ö t i g e n F r a g e n z u i n f o r m i e r e n . D i e U n t e r l a s s u n g dieser A u f k l ä r u n g s p f l i c h t ist i m E r g e b n i s m i t d e m F e h l e n d e r n o t w e n d i g e n S a c h k u n d e gleichzusetzen, sofern die l e t z t e r e i n der oben beschriebenen Weise den Interessen des j e w e i l i g e n K u n d e n z u d i e n e n b e s t i m m t ist. B e s t e h t m a n a u f d e m B e g r i f f „ K a r d i n a l p f l i c h t " , so k ö n n t e n die o b i g e n P f l i c h t e n als solche bezeichnet w e r d e n . I m G e g e n t e i l s t e l l t aber d e r Haftungsausschluß w e g e n K o n s t r u k t i o n s f e h l e r , deren B e h e b u n g auch d u r c h N a c h b e s s e r u n g 1 1 9 n i c h t m e h r m ö g l i c h ist, k e i n e „ K a r d i n a l p f l i c h t Verletzung d a r 1 2 0 . E r steht n u r i m Gegensatz zu der gesetzlichen L e i t 115 F ü r das gegenteilige Ergebnis vgl. L G Göttingen (o. Fußn. 72) N J W 1956, 593; B G H (o. Fußn. 99) W M 1971, 74 (76). 116 Vgl. B G H (o. Fußn. 79) N J W 1971, 1036. 117 Vgl. Schmidt-Salzer, A n m e r k u n g zu B G H (o. Fußn. 79) N J W 1971, 1036. 118 Vgl. B G H (o. Fußn. 79) N J W 1971, 1036 (1037 f.). 110 Z u r Nachbesserung siehe Thielmann, Probleme der Nachbesserungsklausel beim Kauf, Festgabe für U. v. L ü b t o w (1970), S. 701 ff.

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Kap. I I : „ K a r d i n a l p f licht"lehre u n d Organisationsmängel

bildfunktion 1 2 1 des § 9 I I Nr. 1 AGBG, die ihren konkreten Ausdruck hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche i m § 11 Nr. 10 a, b A G B G gefunden hat 1 2 2 . 8. Wagendiebstahlfall

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Bei diesem Fall 1 * 4 ging es um den Diebstahl durch das Personal der Beklagten eines i n ihrer Garage abgestellten Fahrzeugs. Sie hatte in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen ihre Haftung auf eigenen Vorsatz beschränkt. Das Berufungsgericht sprach der Klausel die Wirksamkeit wiederum m i t Hilfe der restriktiven Auslegung ab. Von entscheidender Bedeutung ist jedoch die Hilfsbegründung, wonach die Beklagte wegen eigener grober Fahrlässigkeit für den entstandenen Schaden aufzukommen habe. Daß diese Begründung der rechtlichen Nachprüfung standhält, bestätigte auch der B G H und führte weiter aus: Hierzu stelle das Berufungsgericht unter Hinweis auf die wiederholten, i n den Jahren 1965/66 begangenen Autoeinbrüche u n d Diebstähle bei der Beklagten rechtlich einwandfrei fest, daß auch i m vorliegenden Fall jemand von den Leuten der Beklagten den Kraftwagen des Kaufmanns L. gestohlen habe. Dem Personal der Beklagten seien auch während des Nachtdienstes die W a genschlüssel zu den eingestellten Gästefahrzeugen ohne weiteres zugänglich gewesen. Die Beklagte hätte unstreitig keine Vorkehrungen gegen einen M i ß brauch der Schlüssel getroffen. Dies stelle nach den rechtlich unbedenklichen Ausführungen des Berufungsgerichts eine eigene grobe Fahrlässigkeit der Beklagten i n der Gestaltung ihrer Betriebsorganisation dar, f ü r die sie sich nicht freizeichnen könne.

Diesen Ausführungen ist lediglich hinzuzufügen, daß eine mangelnde Betriebsorganisation ebenfalls darin zu sehen ist, daß der AGB-Verwender nicht über die geeigneten Leute verfügte, denen man ohne Bedenken die Bewachung von Fahrzeugen anvertrauen konnte. Der Unternehmer hat das gleiche Risiko des Fehlens eines solchen Personals zu tragen 125 . Dies sollte i m entschiedenen Fall auch dann gelten, wenn er selbst mit seinem Verhalten (keine Vorkehrungen gegen Wagenschlüsselmißbrauch) den Diebstahl nicht erleichtert hätte. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die aufgeführte Entscheidung sich an frühere Entscheidungen des BGH 1 2 6 anschließt, von denen der Kakao120

Anders aber Palandt / Heinrichs, A G B G § 9 Anm. 4, S. 2249. Dazu siehe zuletzt: Weick, Die Idee des Leitbildes u n d die Typisierung i m gegenwärtigen Vertragsrecht, N J W 1978, 11 ff. 122 Siehe auch Giesen, A n m e r k u n g zu der obigen Entscheidung, N J W 1971, 1795 f. 123 B G H (o. Fußn. 84) N J W 1974, 901. m Der Sachverhalt w i r d i n der veröffentlichten Entscheidung nicht geschildert u n d ist aus den Gründen erschlossen. 125 Anders B G H (o. Fußn. 84) N J W 1968, 1718 ff. = B B 1968, 852 f. u n d K r i t i k dazu oben bei Fußn. 93—95. 121

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§ . Die Rechtsprechung

pulver-Fall 1 2 7 besonders interessant ist. Es ging dabei um den Ersatz des Schadens, der dadurch entstanden war, daß bei der Beförderung einer Partie Kakaopulver nach West-Berlin ohne den Warenbegleitschein die Ware an der Zonengrenze beschlagnahmt wurde 1 2 8 . Nach A n sicht des Gerichts müsse der Versender einer Ware sich darauf verlassen können 129 , daß ein i m interzonalen Verkehr tätiger Spediteur die Abfertigung des Beförderungslastzugs nicht unter Verletzung von Grundregeln 130 eines geordneten Betriebs vornehmen werde. Nicht nur der Angestellte K. der Beklagten, sondern auch der leitende Angestellte K r . hätten die Beschlagnahme der streitigen Ware verursacht. Letzterer hätte dem kaufmännisch unzureichend ausgebildeten K., einem gelernten Installateur 1 3 1 , der keine kaufmännische Lehre durchgemacht hätte, die unbeaufsichtigte Abfertigung des Lastzugs überlassen. Wenn das Berufungsgericht i n diesem Verhalten des leitenden Angestellten K r . einen gröblichen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten eines Spediteurs erblickt habe, so sei das rechtlich nicht angreifbar. Die Aushändigung der Warenbegleitpapiere an den Fernfahrer sei nicht sorgfältig vorbereitet gewesen, da der Warenbegleitschein fehlte und K. nicht richtig dahin unterrichtet sei, daß die Papiere einzeln dem Fernfahrer auszuhändigen und m i t diesem durchgesehen werden müßten. Außerdem habe K r . gegen die einfachste Sorgfaltspflicht, wie sie ein geordneter Betrieb erfordere, dadurch verstoßen, daß er die Warenbegleitpapiere vor ihrer Bereitlegung für K. zur Aushändigung an den Fernfahrer nicht auf ihre Vollzähligkeit nachgeprüft habe. 9. Filmauslieferungsfall

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Der Kläger übersandte einen Filmstreifen durch Luftfracht der beklagten Speditionsfirma m i t dem besonderen Hinweis, diese sollte vor der Ausliefer u n g des Filmnegativs an zwei weitere F i r m e n dafür sorgen, daß sie eine beigefügte Urkunde unterzeichneten. Nachdem die Beklagte es unterlassen hatte, v o r der Auslieferung die Unterschriften der beiden F i r m e n unter die 126 B G H (o. Fußn. 12) L M zu § 276 (Db) BGB, Nr. 4 = L M zu § 242 (Bd) BGB, Nr. 11; B G H (o. Fußn. 21), B G H Z 38, 184 = N J W 1963, 99 = M D R 1963, 110 = B B 1962, 1392 m i t A n m e r k u n g von Liesecke i n L M zu § 276 (Db) BGB, Nr. 5. 127 B G H v. 6. 3. 1956 (I ZR 154/54, Hamburg) B G H Z 20, 164 (168 f.) = N J W 1956, 908. 128 Vgl. auch O L G München v. 16. 6. 1955 (6 U 1848/54) N J W 1955, 1319 f. 129 Hierüber vgl. Schmidt-Salzer, A n m e r k u n g zu B G H (o. Fußn. 79), N J W 1971, 1036; derselbe, A G B , Rdnr. E. 20, E. 21 unter 1, S. 132 f. 130 Vgl. B G H (o. Fußn. 8), W M 1956, 826 (828) = B B 1956, 577 = N J W 1956, 1065; B G H (o. Fußn. 18) D B 1975, 2126 = B B 1976, 15 = VersR 1975, 1117; B G H (o. Fußn. 79), N J W 1971, 1036. 131 Vgl. L G Göttingen (o. Fußn. 72) N J W 1956, 592; B G H (o. Fußn. 99) W M 1971, 74 (75). 132 B G H v. 13. 7. 1973 (I ZR 72/72, Düsseldorf) N J W 1973, 2154 ff.

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Kap. I I : „ K a r d i n a l p f licht"lehre u n d Organisationsmängel

Urkunde setzen zu lassen, verweigerte sie unter Berufung auf die ADSp, den daraus entstandenen Schaden des Klägers zu ersetzen. Z u dem tatsächlichen A b l a u f habe das Berufungsgericht festgestellt — so der B G H —, der Beklagten bzw. ihrem Angestellten Fl. sei bei der Behandl u n g dieses Speditionsauftrags eine besonders grobe Fahrlässigkeit unterlaufen. I m Anschluß an die frühere Rechtsprechung 133 führte das Gericht w e i ter aus: Es bedürfe i m Streitfall keiner Entscheidung, ob der Angestellte Fl. als leitender Angestellter behandelt werden könnte, etwa w e i l i h m allein u n d verantwortlich der Gesamtdienst am Auslieferungstag übertragen war. Denn jedenfalls sei die Organisation des Dienstbetriebs der Beklagten i n besonderem Maße mangelhaft u n d dem Inhaber oder dem verantwortlichen leitenden Angestellten sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, w e i l f ü r speditionelle Geschäfte der hier vorliegenden A r t keine Anweisungen 1 3 4 bestanden. Wenn ein Speditionsbetrieb Aufträge unüblicher oder einmaliger A r t zur Erledigung übernehme, dazu noch ohne vorherige Absprache lediglich aufgrund der A n weisung auf einem Begleitpapier, dann stelle es eine Verletzung von G r u n d pflichten d a r 1 3 5 , die überhaupt erst die Voraussetzungen f ü r die Vertragserfüllung schüfen 1 3 6 , die Angestellten hinsichtlich dieser Aufträge ohne entsprechende Weisungen zu lassen. Angesichts des schwerwiegenden Organisationsmangels sei es demnach dem Beklagten verwehrt, sich auf die Haftungsbeschränkung des § 54 Buchst, a Nr. 2 ADSp. zu berufen 1 3 7 . I n dieser E n t s c h e i d u n g i s t b e m e r k e n s w e r t , daß die zuerst v o n der seer e c h t l i c h e n Rechtsprechung a n g e w a n d t e n F o r m u l i e r u n g e n z u r B e k ä m p f u n g der F r e i z e i c h n u n g v o n „ K a r d i n a l p f l i c h t e n " a d o p t i e r t w u r d e n . Dies i s t jedoch o h n e eine E r w ä h n u n g des B e g r i f f s „ K a r d i n a l p f l i c h t " gescheh e n 1 3 8 , a n dessen S t e l l e d e r d e r O r g a n i s a t i o n s p f l i c h t zutage k o m m t . A l l e r d i n g s s o l l t e i n diesem Z u s a m m e n h a n g b e t o n t w e r d e n , daß die H e r vorhebung der W i c h t i g k e i t der hier verletzten Pflichten der B e g r ü n d u n g eines schwerwiegenden O r g a n i s a t i o n s m a n g e l s d i e n t , w ä h r e n d i n der seerechtlichen Rechtsprechung die „ W i c h t i g k e i t " e i n e r P f l i c h t , i h r e Eigenschaft als „ V o r a u s s e t z u n g f ü r die ordnungsgemäße V e r t r a g s e r f ü l l u n g " 1 3 9 genügte, d a m i t m a n z u e i n e r H a f t u n g des A G B - V e r w e n d e r s g e l a n g t , o b w o h l n u r eine b l o ß „ v e r s c h u l d e t e S e e u n t ü c h t i g k e i t " 1 4 0 oder sogar eine n u r leichte F a h r l ä s s i g k e i t v o n E r f ü l l u n g s g e h i l f e n 1 4 1 v o r l a g . 133

Siehe oben Fußn. 126. Vgl. HansOLG (o. Fußn. 67) HansRGZ 1937 B, Nr. 137 Sp. 355 (359); B G H (o. Fußn. 79), N J W 1971, 1036 (1038); Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. F. 208, S. 270 mwN. 135 Siehe auch oben Fußn. 130. is« Y g i dazu die einschlägige seerechtliche Rechtsprechung, oben unter I I . ia4

137

Vgl. auch O L G F r a n k f u r t a. M. v. 16. 3. 1976 (5 U 211/75) B B 1976, 1387. Siehe auch Schlosser, W M 1978, 562 (563). 139 Einwände gegen diese Formel als K r i t e r i u m zur Unterscheidung z w i schen „kardinalen" u n d „nichtkardinalen" Pflichten siehe oben bei Fußn. 18 ff. 140 B G H (o. Fußn. 8) W M 1956, 826 (828) = B B 1956, 577 = N J W 1956, 1065; B G H (o. Fußn. 28) VersR 1966, 871 (873). 141 B G H (o. Fußn. 18) VersR 1973, 1060 = N J W 1973, 1878. 138

§ . Die Rechtsprechung

10. Fall der falschen Gutschrift

73 142

Der Kläger erteilte seiner B a n k den Auftrag, 1000 D M an T. zu überweisen. Während er i n dem Uberweisungsträger den Zahlungsempfänger zutreffend bezeichnete, gab er i r r t ü m l i c h die Beklagte als Bank an, bei der T. k e i n Konto unterhielt. Da aber die v o m Kläger angegebene Kontonummer einer — wenig später i n K o n k u r s gefallenen F i r m a gehörte, w u r d e der überwiesene Betrag aufgrund der bei der beklagten Bank lediglich nach Kontonummern durchgeführten elektronischen Datenverarbeitung i h r (der Firma) gutgeschrieben.

Die Berufung der Beklagten auf ihre AGB, wonach sie bei Überweisungsaufträgen die angegebene Kontonummer des Zahlungsempfängers sowie die Bankleitzahl als maßgeblich ansehen darf, hatte keinen Erfolg. I n seiner Begründung geht das Gericht von dem i n der Bundesrepublik geltenden System der Namens- und nicht der Nummernkonten aus 143 . Hauptpflicht der Empfängerbank i m Überweisungsverkehr sei daher die Gutschrift des Überweisungsbetrags auf dem Konto des Überweisungsempfängers. Unter Berücksichtigung der Rationalisierungs- und Kostenersparniseffekte der EDV-Anlagen führte das Gericht weiter aus: Wenn die Beklagte Kontogutschriften i n der Weise ausführe, daß sie einer Buchungsmaschine lediglich die auf dem Uberweisungsträger angegebene Kontonummer, den Buchungsbetrag, den „Überweisungsvorgang" sowie das Datum eingebe und der so gefertigte Lochstreifen i n der Zentralcomputeranlage der Beklagten verarbeitet werde, ohne daß der Name des Überweisungsempfängers irgendwie berücksichtigt werde, könne dies nicht als pflichtgemäße Ausführung eines Uberweisungsauftrags angesehen werden. Dabei genüge die Beklagte insbesondere auch dadurch nicht der i h r dem Auftraggeber gegenüber obliegenden Sorgfaltspflicht, daß sie ihre Buchungsmaschinen m i t einer Prüfzifferautomatik ausstatte, die rechnerisch unmögliche Kontonummern ausscheide, indem sie die Buchungsmaschine blockiere. Darüber hinaus müßte die Beklagte sicherstellen, daß Buchungen auf ihren Kundenkonten nur vorgenommen werden, wenn Kontoinhaber und Kontonummer übereinstimmen. Wie dies zu verwirklichen ist, w i l l die Entscheidung unentschieden lassen. Sollte beispielsweise eine den Kontoinhaber mitberücksichtigende Programmierung der EDV-Anlage technisch noch nicht möglich sein, wäre die von der Beklagten gewählte computermäßige Buchung und Kontenführung zur Gewährleistung der ihr D r i t ten gegenüber obliegenden Sorgfaltspflicht bei der Ausführung von Überweisungsaufträgen ungenügend und dürfte von ihr daher nicht angewandt werden 1 4 4 . Den insoweit vorliegenden Mangel müsse sich die 142 L G Freiburg v. 2. 2. 1978 (3 S 216/77) B B 1978, 474 f. = N J W 1978, 1862 m i t A n m e r k u n g von Heiermeier = W M 1978, 262 (mit Redaktionsanmerkung). 143 Hierzu vgl. auch Canaris, Bankvertragsrecht, Anm. 235, S. 692 f. 144 Vgl. L G Göttingen (o. Fußn. 72) N J W 1956, 592 (593); B G H (o. Fußn. 84) N J W 1968, 1718 (1719 f.) = B B 1968, 852.

74

Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

Beklagte als Schuldvorwurf anrechnen lassen. Die A G B der Beklagten legte das Gericht dahingehend aus, daß sie ihre Haftung für die Verletzung der ihr aus Uberweisungsaufträgen obliegenden Hauptpflicht ausgeschlossen habe, nämlich den Uberweisungsbetrag dem Konto des Uberweisungsempfängers gutzuschreiben. Eine derartige Regelung erfülle die Unwirksamkeitsklausel des § 9 I I Nr. 2 AGBG, welcher das Prinzip zugrunde liegt, daß eine formularmäßige Freizeichnung von Vertragspflichten, deren Beachtung überhaupt erst die Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung von vertraglichen Hauptpflichten schüfe, gegen Treu und Glauben verstoße und somit unwirksam sei 145 . Da durch die A G B der Beklagten der m i t dieser abgeschlossene Girovertrag weitgehend ausgehöhlt, seine Hauptpflichten relativiert und eine angemessene Risikoverteilung empfindlich gestört würde, könne sich die Beklagte nicht m i t Erfolg auf ihre AGB-Klauseln berufen. Wenn auch der Entscheidung i m Ergebnis voll zuzustimmen ist, lassen sich Bedenken gegen die Begründung erheben. Zunächst ist festzustellen, daß den A G B der beklagten Bank erst eine Freizeichnung von ihrer Hauptpflicht entnommen wird, während der Schlußgedanke der Entscheidung sich auf eine unzulässige Freizeichnung von Vertragspflichten bezieht, deren Beachtung überhaupt erst die Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung von vertraglichen Hauptpflichten schüfe. Aus diesem Gedanken geht hervor, daß eine unzulässige Freizeichnung nicht von Hauptpflichten, sondern von den deren ordnungsgemäße Erfüllung vorbereitenden Vertragspflichten vorliegt. Letztere unterscheiden sich von den Hauptpflichten und sind, wie das Gericht selbst feststellte, organisatorische Pflichten 146 . Wenn i n den AGB der Empfängerbank bei der Bearbeitung von Überweisungsaufträgen die vom Überweisenden angegebene Kontonummer als maßgeblich bestimmt wird, so verweigert die Bank damit nicht die Erfüllung ihrer Hauptflicht, den Uberweisungsbetrag dem Konto des Überweisungsempfängers gutzuschreiben, weil die vom Kläger angegebene Kontonummer dem Konto des Überweisungsempfängers entspricht bzw. entsprechen muß und die Bank davon ausgeht. Demzufolge liegt eine Freizeichnung davon 145 A n dieser Stelle schließt sich das Gericht einer binnenschiffahrtsrechtlichen Entscheidung des B G H (o. Fußn. 18) N J W 1973, 1878 = VersR 1973, 1060 (Regenablaufrinnenfall) an. Dies muß als noch ein Beweis dafür angesehen werden, daß die „Kardinalpflicht"lehre m i t denselben Formeln auf verschiedene Rechtsgebiete übertragen worden ist w i e sie i m Seerecht entstanden ist. Schlosser, W M 1978, 562 (563) ist zwar nach w i e vor zuzugeben, daß der Begriff „ K a r d i n a l p f l i c h t " als solcher außerhalb des See- u n d Binnenschiffahrtsrechts gar nicht auftaucht, aber das ist n u r auf die Vorsicht zurückzuführen, m i t der die Rechtsprechung hinsichtlich neuer Begriffe umgeht u n d auch u m gehen soll; jetzt vgl. auch B G H (o. Fußn. 56) VersR 1979, 901 = M D R 1979, 908. 146 Insoweit vgl. auch Heiermeier, A n m e r k u n g zu L G Freiburg (o. Fußn. 142), N J W 1978, 1864.

§ . Die Rechtsprechung

75

insoweit und entgegen der gerichtlichen Auffassung nicht vor. Die Bank ist also bereit, ihre Hauptpflicht zu erfüllen. Indessen zeichnet sie sich von einer anderen wichtigen Pflicht frei, die man nur fictione iuris als Hauptpflicht i m Sinne des vertraglichen Synallagmas bezeichnen könnte, nämlich von der Pflicht, die Ubereinstimmung der vom Auftraggeber angegebenen Nummer m i t dem von ihr unter dieser Nummer eingetragenen Namen zu prüfen. Wer aber sich über eine Prüfungspflicht hinwegsetzt, sei es wegen Fehlens einer entsprechenden Programmierung seiner EDV-Anlagen, sei es wegen Nichtausnutzung der dafür vorhandenen Möglichkeiten 147 , verletzt eine organisatorische Pflicht 1 4 8 , welche die Voraussetzung für jede gehörige Vertragserfüllung darstellt. Ferner ist es deutlich, daß es sich dabei um eine der Bank zur Last fallende (Organisations)Pflicht handelt 1 4 9 , nicht nur weil sie m i t großer Erfahrung und Sachkunde ausgestattet ist, sondern weil ihr auch die Entscheidung über das Geschehen in ihrer Einwirkungssphäre verbleibt, wie das L G selbst vorgebracht hat 1 5 0 . Darüber hinaus hat Liesecke 151 zutreffend auf die große Gefahr eines Verschreibens seitens des Kunden hingewiesen, die ihren Grund i n den infolge der Automation langen Nummern hat, deren Benutzung in erster Linie den Interessen der Bank dient 1 5 2 , während der Kunde darauf auch verzichten könnte 1 5 3 . Obwohl Schlosser die vorliegende Entscheidung bezüglich ihres Ergebnisses positiv kommentiert 1 5 4 , sind Bedenken gegen die von ihm angeführte Begründung zu erheben 155 . Schlosser vertritt nämlich die Auffassung, die Pflicht der Bank, nicht nur auf die Kontonummer, sondern auch auf den Namen des Empfängers zu achten, stelle eine erfolgsbezogene Sorgfaltspflicht dar. Seiner Ansicht nach können derartige Pflichten nicht abbedungen werden, solange ein Erfolg geschuldet sei, der i m konkreten Fall i n der Banküberweisung bestehe 156 . I n diesen 147

Vgl. oben bei Fußn. 158 ff. Siehe: Liesecke, Die Haftungsausschlüsse der Kreditinstitute nach den A G B i n der Praxis, W M 1970, 502 (505 unter Β 2); derselbe, Das B a n k g u t haben i n Gesetzgebung u n d Rechtsprechung, W M 1975, 214 (224 unter D); Schönle, B a n k - u n d Börsenrecht, § 32 I, S. 364. 149 Anders Kümpel, Z u r Neufassung der A G B der Banken, W M 1976, Sonderbeil. Nr. 1, S. 3 (14 f.), obwohl die Bank alle zumutbaren Maßnahmen treffen werde, u m Fehlbuchungen zu vermeiden. 150 B B 1978, 475; vgl. auch Berger, Schadensverteilung bei Bankbetriebsstörungen, S. 4 f. 151 W M 1975, 214 (223). 152 Schönle, B a n k - u n d Börsenrecht, § 32 I I , S. 364 auch i n diesem Sinne; ferner Liesecke, W M 1970, 502 (504). 153 Liesecke, W M 1970, 502 (505); derselbe, W M 1975, 214 (223). 154 Schlosser, A G B G , § 11 Nr. 7 Rdnr. 10, S. 275. 155 Hierzu vgl. auch unten bei Fußn. 259 ff. is« w i e F u ß n > 1 5 3 . 148

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

Ausführungen ist insoweit ein Widerspruch festzustellen, als einerseits die Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs (Banküberweisung) nicht bestritten wird, während er andererseits mittelbar als nicht eingetreten angesehen wird. Letzteres läßt sich aus dem Bezug auf „die erfolgsbezogenen Sorgfaltspflichten" schließen. Denn die Verletzung einer derartigen Pflicht bedeutet, daß der Erfolg ganz oder mindestens teilweise ausbleibt. Ferner ging das Gericht i m vorliegenden Fall davon aus, in der Bundesrepublik gelte das Namen- und nicht das Nummernkontosystem, was nicht unstreitig ist 1 5 7 . Abgesehen von der obigen Feststellung, daß die Bank jedenfalls ihrer Hauptleistungspflicht (Uberweisung) nachgekommen ist, fragt es sich, wie der gleiche Sachverhalt zu beurteilen wäre, falls man von dem Nummernkontosystem ausgehen würde. I n einem solchen Fall würde wohl niemand die Herbeiführung des Erfolgs bestreiten. Die Verletzung einer Organisationspflicht bleibt jedoch nach wie vor bestehen. Man kann sich sogar den vorliegenden Lebensvorgang theoretisch folgendermaßen vorstellen: Nicht nur die Kontonummer, sondern auch der Empfängername könnte zufällig m i t dem Namen desjenigen übereinstimmen, zu dessen Gunsten irrtümlich der überwiesene Betrag gutgeschrieben wurde. Hier kann die Bank nicht dadurch entlastet werden, daß etwa der geschuldete Erfolg eingetreten ist; denn der Betrag wurde nach wie vor an einen Nichtberechtigten überwiesen. Sie kann jedoch jeden V o r w u r f erfolgreich zurückweisen, weil sie auch unter Einhaltung der sie belastenden Organisationspflichten den Fehler nicht hätte entdecken können. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß der Grad des Verschuldens der Beklagten i n der Entscheidung unberücksichtigt bleibt, während das Vorliegen organisatorischer Mängel über deren Haftung entscheidet. 11. Auskunfteifälle a) Auskunfteifall I 1 5 8 A u f g r u n d eines Schreibfehlers (101.500 statt 11.500 RM) erteilte die Ausk u n f t e i der K l ä g e r i n i r r t ü m l i c h Angaben über die Höhe des Kapitals einer Genossenschaft, die daraufhin v o n der K l ä g e r i n einen K r e d i t erhielt, den sie sonst nicht erhalten hätte. D e m geltend gemachten Schadensersatzanspruch trat die beklagte Auskunftei durch Berufung auf ihre Geschäftsbedingungen entgegen, wonach eine H a f t u n g „ f ü r Nachteile, die sich auf Versehen oder Verschulden v o n Hilfspersonen zurückführen lassen", ausgeschlossen sei. Das Reichsgericht erkannte die Wirksamkeit der Freizeichnungsklausel an u n d begründete sein U r t e i l m i t dem Argument, daß weder eine Monopol157 Vgl. etwa Heiermeier, A n m e r k u n g zu L G Freiburg (o. Fußn. 142), N J W 1978, 1864; Redaktionsanmerkung i n W M 1978, 264. 158 RG v. 10. 6. 1931 (V ZS V 291/30, Kassel) SeuffA Bd. 85 N r . 172, S. 323 (325 f.).

§ . Die Rechtsprechung

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Stellung der Beklagten noch eine Sittenwidrigkeit ihrer Freizeichnung i n Betracht komme. Anders wäre es zu beurteilen, w e n n die Auskunftei durch die Fahrlässigkeit der ihre Geschäftsführung bestimmenden Personen, sei es des Inhabers, sei es der i n diesem Sinne leitenden Angestellten, überhaupt nicht die Einrichtungen hätte, die der Betrieb des Geschäfts erfordere, u m die E r teilung einer richtigen A u s k u n f t zu führen. Das Berufungsgericht nehme auch an, daß hier k e i n Organisationsfehler dargetan sei. Die K l ä g e r i n vermisse insoweit die Anordnung der Beklagten, die i n den Auskünften vorkommenden Zahlen auch m i t Buchstaben auszuschreiben. Dieses Verfahren sei aber i m Geschäftsverkehr nicht so üblich 1 5 9 , daß der Mangel einer solchen Weisung ausreichte. E i n Organisationsfehler liege auch nicht vor, w e i l der Berichtende die vorgeschriebene Zeichnung der Urschrift als Auskunft, als w o h l auch ihre Durchsicht unterlassen habe u n d w e i l dies bei Abgang v o n der sogenannten Kontrollstelle auch v o m Leiter der K.er Niederlassung bei der a m nächsten Tage erfolgten allgemeinen Durchsicht der Auskünfte übersehen worden sei. Soweit einen leitenden Angestellten nicht der V o r w u r f treffe, die allgemeine Einrichtung des Geschäfts vernachlässigt zu haben, sondern nur, w i e hier, daß er den Mangel einer einzelnen A u s k u n f t oder die A r t ihrer Erledigung übersehen habe, greifen die Erwägungen durch, aus denen es zuvor grundsätzlich f ü r zulässig erachtet worden sei, daß die Auskunfteien ihre H a f t u n g f ü r das Versehen ihrer Angestellten ausschließen.

Auch wenn der Entscheidung i m Ergebnis nicht zuzustimmen ist, muß dem Ausgangspunkt ihrer Begründung insoweit beigepflichtet werden, als dort einen zentralen Platz die Frage einnimmt, ob sich die unrichtige Auskunft auf einen Organisationsfehler zurückführen läßt und somit die Haftung der Auskunftei davon abhängig gemacht wird. Ob die Beklagte ferner dazu verpflichtet ist, die i n den Auskünften vorkommenden Zahlen auch m i t Buchstaben auszuschreiben, stellt eine weitere Frage dar, deren Bejahung in concreto zur Annahme eines Organisationsmangels führt. Sofern diese Ausschreibung diejenige grundsätzliche Vorkehrung bildet, deren Beachtung den Erwartungen des Kunden entspricht, ist keineswegs einsichtig, ihre Unterlassung den Organisationsmängeln nicht zuzuordnen 160 . Die den Erwartungen des Kunden entsprechende Zuverlässigkeit einer Auskunft w i r d nur dann gewährleistet, wenn die Organisation des Unternehmens zur Vollkommenheit tendiert 1 6 1 , während eine solche Tendenz i m entschiedenen Falle noch nicht i n der Anwendung der erwähnten Maßnahmen erblickt werden kann. Gleichwohl soll nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß der Ublichkeit der zu treffenden organisatorischen Maßnahmen entgegen der Gerichtsauffassung keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden darf 1 6 2 , erstens weil die Grenzen zwischen dem Üblichen 159

Anders vgl. L G Freiburg (o. Fußn. 142) B B 1978, 474 (475). I n diesem Sinne vgl. L G Freiburg (o. Fußn. 142) B B 1978, 475. 161 Vgl. schon Müller-Erzbach, Gefährdungshaftung u n d Gefahrtragung, AcP 106 (1910), S. 309 (397): „ V o n dem Unternehmer verlangt . . . das Recht den Besitz einer vollkommenen Sachkunde u n d Umsicht." 162 Vgl. Brandner i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 9 Rdnr. 55, S. 213; Löwe i n L ö w e / G r a f von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , 160

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

u n d U n ü b l i c h e n oft f l ü s s i g u n d deshalb n i c h t überschaubar s i n d u n d zweitens, w e i l das G e b o t der o r d n u n g s g e m ä ß e n V e r t r a g s d u r c h f ü h r u n g n i c h t d a r a n scheitern d a r f , daß z w a r u n g e h ö r i g e , a b e r ü b l i c h e V e r t r a g s ausführungsmethoden angewendet werden. b) A u s k u n f t e i f a l l

II1W

A u f g r u n d eines Auskunftsvertrags m i t der Beklagten erbat die Klägerin von i h r eine A u s k u n f t über den einzigen persönlich haftenden Gesellschafter einer Firma, m i t der die K l ä g e r i n i n Geschäftsverbindung zu treten vorhatte. Bei der Erteilung der A u s k u n f t verschwieg die Auskunftei entscheidende T a t sachen, die sich auf die Bestrafung des genannten Gesellschafters wegen Betrugs u n d schwerer Urkundenfälschung bezogen 164 . Das Reichsgericht h a t d i e i n d e n a l l g e m e i n e n B e d i n g u n g e n d e r A u s k u n f t e i e n t h a l t e n e F r e i z e i c h n u n g s k l a u s e l d a h i n ausgelegt, daß d i e V o r s c h r i f t des § 278 B G B j e d e n f a l l s i n v o l l e m U m f a n g e ausgeschaltet w e r d e n sollte. I m H i n b l i c k a u f die d a m a l s noch entscheidende B e d e u t u n g d e r M o n o p o l s t e l l u n g f ü h r t e das G e r i c h t i n e i n e r P a r a l l e l e z u m S p e d i t i o n s g e w e r b e aus: O h n e I n a n s p r u c h n a h m e d e r S p e d i t e u r e k ö n n e d e r H a n d e l n i c h t l e b e n ; n i e m a n d sei a b e r i n gleicher Weise g e z w u n g e n , m i t A u s k u n f t e i e n i n vertragliche Beziehungen zu treten. Der bedungene H a f t u n g s a u s s c h l u ß bestehe sonach gemäß § 276 I I u n d § 278 Satz 2 B G B z u Recht, da i m v o r l i e g e n d e n F a l l n u r e i n V e r s c h u l d e n v o n A n g e s t e l l t e n der A u s k u n f t e i i n Betracht k o m m e . 1 6 4 a Dagegen wendete sich Heinsheimer 165. Was die Parallele zu den Spediteuren angeht, meint er, sie zeichnen sich von gesetzlichen Nebenhaftungen frei, die keineswegs den I n h a l t ihrer Hauptleistung bilden. Wenn der Spediteur für das Gut hafte, das unterwegs gestohlen werde, so liege das keineswegs innerhalb der v o n i h m vertragswidrig übernommenen Leistungspflicht an sich, sondern bilde eine sekundäre, akzessorische u n d eben deshalb i m Gesetz besonders ausgeprochene H a f t u n g (§§ 407 I I , 390 HGB). Sie könnte fehlen, ohne daß dadurch die eigentliche Spediteurspflicht (die Güterversendung zu besorgen) irgendwie gemindert würde. Ganz anders der Auskunftsvertrag. Die Auskunftei habe nicht f ü r die objektive Richtigkeit der A u s k ü n f t e 1 6 6 , w o h l § 9 Rdnr. 13, S. 156; Schmidt-Salzer, Das Recht der A G B und Versicherungsbedingungen, S. 245; derselbe, A G B , Rdnr. F. 206, S. 269; G. Raiser , Die gerichtliche Kontrolle, S. 20 (hier hinsichtlich der Methoden verdeckter richterlicher Kontrolle) und S. 156 ff.; B G H v. 28. 2. 1973 (IV ZR 34/71, F r a n k f u r t a. M./Darmstadt) N J W 1973, 991 hinsichtlich der Rolle der Üblichkeit bei der Unangemessenheitskontrolle. 163 RG (o. § 2 Fußn. 78) RGZ 115, 122 (127 f.) = JW 1927, 668. 1M I n der Folgezeit unterschlug er die i h m von der K l ä g e r i n i n Pfand gegebenen Wertpapiere. 1C4 a Anders vgl. schon B G H v. 6. 3. 1972 ( I I ZR 100/69, Frankfurt/M.) N J W 1972, 1200 (1202). 165 A n m e r k u n g zu der angeführten Entscheidung i n J W 1927, 1088. 166 Anders B G H v. 29. 11. 1967 (I b ZR 165/65, Braunschweig) N J W 1968, 588 = B G H Z 49, 167.

§ . Die Rechtsprechung

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aber dafür einzustehen, daß sie bei ihrer Vorbereitung u n d Ü b e r m i t t l u n g subjektiv m i t der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verfahre. Hierzu gehöre mindestens, daß sie alles „Wesentliche" von dem mitteile, was sie erkundet habe. Zeichnet sie sich hiervon frei, so behalte sie sich vor, gerade diejenige Leistung, f ü r die sie ihre Gebühr erhalte, nicht richtig b e w i r ken zu müssen 1 6 7 . Sie zeichne sich also von ihrer vertragsmäßigen Verpflicht i m g selbst frei, nicht bloß von einer sekundären Nebenhaftung ex lege. N u n werde man gewiß nicht sagen können, daß eine solche Freizeichnung überhaupt unzulässig wäre: Die Grenze des „Wesentlichen" sei flüssig, die V e r wendung zahlreicher Hilfskräfte unumgänglich. A b e r w e n n danach eine Freizeichnung innerhalb des von §§ 276, 278 B G B bezeichneten Rahmens auch hier an sich möglich sei, so müsse sie doch ihre Grenze da finden, wo eine Berufung auf sie gegen Treu u n d Glauben verstoßen würde; eine „Freizeichnung schlechthin" sei unerträglich. Über die hiernach zulässige Grenze greife aber die vorliegende Freizeichnung hinaus, w e n n sie die Nichtverantwortung f ü r das Verschweigen der i n concreto zweifelsfrei wesentlichen Tatsache einbegreifen wolle.

Der Heinsheimerschen Unterscheidung zwischen „Haupt"- und „Nebenhaftung" ist i n diesem Zusammenhang nicht zu folgen. Die Bezeichnung der Haftung als sekundär für den Diebstahl des zu befördernden Gutes t r i f f t nicht zu, obwohl die Vorsorge gegen Diebstahl nicht zu der eigentlichen Hauptleistungspflicht gehören mag; denn „die eigentliche Spediteurspflicht (die Güterversendung zu besorgen)" w i r d durch die Freistellung von dieser Haftung nicht bloß gemindert, sondern viel mehr vereitelt. Infolgedessen ist eine Freizeichnung hiervon unzulässig, sofern der Spediteur seine Pflicht vernachlässigt hat, alle diejenigen (organisatorischen) Maßnahmen zu treffen, deren Beachtung ohnehin einen Diebstahl abwenden kann 1 6 8 . I n dieser Hinsicht ist hier eine den vertraglichen Pflichten entsprechende Teilung fehl am Platze. Hinsichtlich des Auskunftsvertrags muß davon ausgegangen werden, daß die Auskunftei sich tatsächlich zu einer sorgfältigen Vorbereitung und Überm i t t l u n g der Auskunft verpflichtet, w o r i n ihre formularmäßig unabdingbare Haftung zu sehen ist. Wenn man aber diese Pflicht i n das vertragliche Synallagma einbeziehen und als Hauptpflicht bezeichnen w i l l , so erweist sich diese These dogmatisch bedenklich sowie leicht anfechtbar. Man kann ohne weiteres nachweisen, daß es sich dabei nicht u m die Verletzung einer Hauptpflicht handelt, da die Hauptpflicht der Auskunftei ausschließlich darin besteht, die erbetene Auskunft zu erteilen, d. h. der Auskunftsunternehmer schuldet diesen Leistungserfolg 1 6 9 .

167

Vgl. v. Brunn, A n m e r k u n g zu L G Göttingen (o. Fußn. 72) N J W 1956, 592. Vgl. B G H (o. Fußn. 84) N J W 1974, 901 (Wagendiebstahlfall); O L G F r a n k f u r t (o. Fußn. 137) B B 1976, 1387. 169 Vgl. Schlosser, W M 1978, 562 (565). 168

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Kap. I I :

Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel c) A u s k u n f t e i f a l l

III170

I m Rahmen der zwischen zwei K r e d i t i n s t i t u t e n bestehenden Geschäftsverbindung bestätigt der Angestellte M. der Beklagten der anfragenden Klägerin, daß die bei i h r von der K u n d i n der Beklagten eingereichten Schecks i n Ordnung gingen. Diese A u s k u n f t wurde ohne Rücksicht darauf erteilt, daß erhebliche Bedenken gegen die Einlösung der Schecks bestanden, die sich aus der Pflicht zur Einlösung bereits vorliegender Wechsel ergaben, welche das Konto der erwähnten K u n d i n erschöpften. Das Gericht hat den vorliegenden Sachverhalt w i e folgt entschieden: Aus der laufenden Geschäftsverbindung der Parteien u n d dem durch sie begründeten Vertrauensverhältnis 1 7 1 könne jedenfalls die Nebenverpflichtung erwachsen, eine richtige u n d vollständige A u s k u n f t zu erteilen 1 7 2 . Eine Scheckauskunft sei nicht stets dann objektiv richtig, w e n n sie der letzten Eintragung auf dem Kontoblatt entspreche. Abzustellen sei vielmehr auf den Zweck der Anfrage. Der Anfragende könne erwarten u n d verlangen, daß der Befragte bei der von i h m erteilten Auskunft, der Scheck gehe i n Ordnung, alle v e r fügbaren geschäftlichen Unterlagen berücksichtige. Dazu gehöre bei einem kritischen Kontostand auch die Berücksichtigung ernsthaft i n Betracht zu ziehender Bedenken gegen die Einlösung des Schecks, die sich aus der Pflicht zur Einlösung bereits vorliegender Wechsel ergeben. Da diese Wechsel noch am Tage der Anfrage einzulösen seien, sei es unerheblich, daß sie wegen des Buchungsschnitts erst am folgenden Werktage verbucht wurden. Sie dürften jedenfalls ebenso w i e die Kontobewegungen der Vortage f ü r die Auskunft nicht außer Betracht bleiben. Der B G H hat auch eine Befreiung der Beklagten von ihrer Haftung durch die i n Nr. 7 A G B der Sparkassen enthaltene Freizeichnungsklausel nicht anerkannt. Beide Teile könnten i m Rahmen wechselseitiger Scheckanfragen n u r ein Interesse daran haben, zuverlässige Auskünfte zu geben u n d zu erhalten. Die nötige Zuverlässigkeit sei aber n u r dann gewährleistet, w e n n beide Seiten gewillt seien, erforderlichenfalls f ü r die Richtigkeit u n d Vollständigkeit der gemachten Angaben einzustehen. Es müsse daher angenommen werden, daß sich die Kreditinstitute i m Verkehr untereinander von der H a f t u n g f ü r fernmündliche Scheckbestätigungen gerade nicht freizeichnen wollen; andernfalls sei das Verfahren der fernmündlichen Scheckbestätigung wertlos 1 7 8 . D e r S c h w e r p u n k t l i e g t h i e r ebenfalls d a r i n , daß die U n r i c h t i g k e i t d e r A u s k u n f t a u f O r g a n i s a t i o n s m ä n g e l z u r ü c k z u f ü h r e n ist. D a ß n i c h t a l l e v e r f ü g b a r e n geschäftlichen U n t e r l a g e n b e r ü c k s i c h t i g t w u r d e n , ehe d i e E i n l ö s u n g s m ö g l i c h k e i t des Schecks b e s t ä t i g t w u r d e , d e u t e t a u f eine m a n g e l h a f t e O r g a n i s a t i o n d e r A u s f ü h r u n g m i n d e s t e n s des k o n k r e t e n A u f trags h i n , sofern A n g e s t e l l t e u n d andere H i l f s k r ä f t e d a r ü b e r h ä t t e n u n t e r r i c h t e t sein sollen, daß sie auch a m T a g e d e r A n f r a g e u n v e r b u c h t e U n t e r l a g e n p r ü f e n m ü ß t e n . Ä h n l i c h l a g es b e i e i n e m a n d e r e n w i e d e r 170 171

(1194). 172

B G H (o. Fußn. 166) N J W 1968, 588 = B G H Z 49, 167. So auch B G H v. 28. 4. 1954 ( I I ZR 279/53, Hamburg) N J W 1954, 1193

Siehe auch oben Fußn. 166. Vgl. v. Brunn, A n m e r k u n g zu L G Göttingen (o. Fußn. 72) N J W 1956, 592 u n d K r i t i k darüber oben bei Fußn. 78. 173

§4. Die Haftung für Organisationspflichtverletzungen

81

vom B G H entschiedenen Fall 1 7 4 , wo eine Bank es unterlassen hatte, vor der Ausführung eines Uberweisungsauftrags sich m i t einer Gesetzesänderung vertraut zu machen. Die Nichtbeachtung dieser Änderung hatte zur Folge, daß der Kläger einen Beitrag als Steuern an das Finanzamt zahlen mußte, der i h m erspart geblieben wäre, falls die Uberweisung nicht stattgefunden hätte. Dem Zweck des steuerbegünstigten Sparvertrags entnahm das Gericht die Pflicht des Bankunternehmens, über Gesetzesänderungen informiert zu sein und darüber hinaus auch den Kunden zu unterrichten. M i t Nachdruck muß hier darauf hingewiesen werden, daß der B G H ein grobes Verschulden der Bank oder ihrer leitenden Angestellten nicht annehmen konnte 1 7 5 . Deshalb hat er sich wiederum m i t der Unklarheitenregel geholfen und der Freizeichnungsklausel die W i r k u n g abgesagt §4. Die Haftung für Organisationspfiichtverletzungen I. Die Haftung des Verwenders für die Verletzung von „Kardinalpflichten"

1. Die Forderung

nach einer strengen Haftung

Einstimmigkeit herrscht i n der Literatur darüber, daß die Haftung des AGB-Verwenders für die Verletzung „wesentlicher Pflichten" an strengeren Maßstäben zu messen ist als seine Haftung für Vertragsverletzungen nach § 11 Nr. 7 AGBG 1 7 6 . Ein Teil des Schrifttums konkretisiert sie, indem er ausdrücklich für eine Haftung über die Freizeichnungsgrenze des § 11 Nr. 7 hinaus und bis zur Grenze der leichten Fahrlässigkeit eintritt 1 7 7 oder sogar eine garantiemäßige Haftung befürwortet 1 7 8 . Zuerst soll untersucht werden, ob tatsächlich eine Notwendigkeit zur Erweiterung des Verschuldenshaftungsmaßstabs besteht unter Berücksichtigung auch der sich aus der dargestellten gerichtlichen Praxis ergebenden Schlüsse. Ist die Frage zu bejahen, so soll dies dogmatisch abgesichert werden. 174

B G H v. 16. 4. 1964 ( V I I Z R 221/62, Düsseldorf) L M zu § 675 B G B Nr. 31 = N J W 1964, 2058 = B B 1964, 619. 175 Dazu vgl. unten bei Fußn. 181 ff. 176 So auch Regierungsentwurf, BR-Drucks. 360/75 oder BT-Drucks. 7/3919, Begründung zu § 7 Abs. 2, S. 23; Teilbericht I, Begründung zu § 6 Abs. 2, S. 55 f.; Referentenentwurf, Begründung zu § 6 Abs. 2, i n D B 1974 I I , Beil. 18, S. 10. 177 Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B - K o m m . , § 11 Nr. 7, Rdnr. 31, S. 327; Koch/Stübing, A G B , § 11 Nr. 7, Rdnr. 17, S. 305; Coester-Waltjen in Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, AGBG, § 11 Nr. 7, Rdnrn. 9 u. 64, S. 450 u. 470; Graba i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 9 Rdnr. 33, S. 222; Dittmann / Stahl, A G B Komm., § 11 Nr. 7, Rdnr. 422, S. 180. 178 Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 9 Rdnr. 30, S. 163. 6 Roussos

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

2. Kritik

an Schlossers Standpunkt

Das Bedürfnis nach einer erweiterten unabdingbaren Verschuldenshaftung verneint Schlosser 179, obwohl er eine unabdingbare Haftung für „Kardinalpflichtverletzungen" bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit strengeren Anforderungen gegenübergestellt sehen w i l l . I n bezug auf die „Kardinalpflichten" als Neben- oder Schutzpflichten führt er aus: Das Gewicht der unerfüllten Schutzpflicht u n d der Grad der Fahrlässigkeit des Verletzenden liefen parallel. N u r ausnahmsweise könnten besondere, i n der Person des Handelnden liegende Umstände das V e r d i k t der groben Fahrlässigkeit verhindern, w e n n zentrale Sorgfaltsanforderungen u n e r f ü l l t geblieben seien. Je gewichtiger die mißachtete Sorgfaltspflicht sei, u m so gewichtiger müßten normalerweise auch die persönlichen Sonderumstände sein, die die Annahme grober Fahrlässigkeit verhindern sollen. Entscheidend sei aber dies: F ü r die wenigen u n d nicht manipulierbaren Ausnahmefälle n u r leichter Fahrlässigkeit trotz Verletzung fundamentaler Sorgfaltsanforderungen ein Freizeichnungsverbot zu haben, sei inhaltlich ohne politisches I n t e r esse. Ganz i m Gegenteil. Müßte i m Zusammenhang m i t jeder Freizeichnungsklausel für leichte Fahrlässigkeit eine Ausnahme i m Hinblick auf die Verletzung inhaltlich näher zu beschreibender (wie?), besonders fundamentaler Sorgfaltsanforderungen gemacht werden, so trüge dies Verkomplizierungen i n die Kautelpraxis, die zu dem erstrebten rechtspolitischen Anliegen i n keinem hinnehmbaren Verhältnis stünden 1 8 0 .

Diesen Ausführungen kann zunächst darin nicht gefolgt werden, daß die Fälle leichter Fahrlässigkeit nur unmanipulierbare Ausnahmen darstellen und insofern ein Freizeichnungsverbot hiervon rechtspolitisch uninteressant ist. Die Darlegung der Judikatur hat gezeigt, daß die Gerichte öfter nur ein bloß schuldhaftes Verhalten des Verwenders oder seiner leitenden Angestellten feststellen 181 und demzufolge Freizeichnungsklauseln von einer „Kardinalpflicht"verletzung m i t Hilfe anderer M i t t e l (Restriktionsprinzip 182 , Unklarheitenregel 183 ) ablehnen konnten. Demgegenüber hat es wenige Fälle gegeben, wo sie das Vorliegen grober Fahrlässigkeit ausdrücklich bejaht haben. Dieser Gegensatz zwischen einfachem Verschulden und grober Fahrlässigkeit kann nicht als Zufall angesehen werden, sondern er soll schon mindestens ein Indiz dafür sein, daß die Einzelfallumstände die Gerichte am meisten daran gehindert haben, dem AGB-Verwender eine grobe Fahrlässigkeit zuzu179 W M 1 9 7 8 ) 5 6 2 (564); derselbe, A G B G , § 11 Nr. 7, Rdnr. 36, S. 284. 180 v g l auch i n diesem Sinne Helm, Haftung, S. 171. 181 Ζ. B.: B G H (o. Fußn. 8) B B 1956, 577 = W M 1956, 826 = N J W 1956, 1065 = L M zu § 138 (Cc) B G B Nr. 1; B G H (o. Fußn. 28) VersR 1966, 871; O L G Hamburg (o. Fußn. 34) VersR 1972, 761 u n d oben bei Fußn. 42—44. 182 Vgl. „Ablieferungsinspektionsfall" bei Graba i n Schlosser / CoesterW a l t j e n / Graba, AGBG, § 9 Rdnr. 37, S. 224. 183 Markantes Beispiel f ü r die ausdrückliche Ablehnung der groben Fahrlässigkeit: B G H (o. Fußn. 174) L M zu § 675 BGB, Nr. 31 = N J W 1964, 2058 (2059 unter 3) = B B 1964, 619.

§ 4. Die Haftung für Organisationspflichtverletzungen

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schieben und i n dieser Weise leichter zu seiner Haftung zu gelangen. Selbst die Annahme grober Fahrlässigkeit erschien nicht immer als gerechtfertigt. A n dieser Stelle sei besonders der Frostschädenfall zu erwähnen, wo der Unternehmerhaftung eine zweifelhafte grobe Fahrlässigkeit seines Erfüllungsgehilfen zugrunde lag 1 8 4 . Hier hat man das Gefühl, das Gericht wolle eine grobe Fahrlässigkeit des Garagenunternehmers wegen Einstellung eines Molkereimaschinenverkäufers nicht annehmen. Dann soll es aber die Möglichkeit haben, i h n auch wegen leichter Fahrlässigkeit haftbar zu machen. Dieser Lösung ist wohl auch aus Billigkeitsgründen zu folgen, sofern der V o r w u r f der groben Fahrlässigkeit für den Arbeitnehmer-Erfüllungsgehilfen besonders ungünstig ist 1 8 5 . Stellt man bei dem AGB-Gesetz auf die schwächere Position des Kunden und demzufolge auf sein Schutzbedürfnis ab18®, so sollte man diesen Schutz nicht auf Kosten anderer, nicht weniger Unterlegenerer bieten. Verzichtet man ferner auf eine Differenzierung zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit zugunsten eines einheitlichen Fahrlässigkeitsbegriffs, so werden sonst unvermeidliche Unsicherheiten und Abgrenzungsschwierigkeiten beseitigt, die m i t dieser Unterscheidung verbunden sind 187 . Dies gilt angesichts der „Kardinalpflichten" u m so mehr, als man noch i m Verlauf des Verfahrens zur Haftungsannahme die Grenze zwischen „wichtigen", „wesentlichen" und sonstigen Pflichten abzustecken hat. Darüber hinaus verkennt ein Abstellen auf die persönlichen Umstände des Handelnden als Unterscheidungskriterium zwischen den beiden Fahrlässigkeitsgraden, daß es sich bei der „Person des Handelnden" meistens u m große Unternehmensorganisationen handelt, bei denen es an jenen persönlichen Momenten fehlt 1 8 8 , die bezüglich des als Einzelnen Handelnden denselben Tatbestand jeweils unterschiedlich beurteilen lassen 180 . Sofern aber auch persönliche Umstände mitberücksichtigt werden können, darf die Unternehmerhaftung den daraus folgenden Unsicherheiten nicht unterliegen, solange „wichtige" Pflichtverletzungen vorliegen. Die rechtspolitische Bedeutung der Einengung der Freizeichnungsgrenzen hat sich noch i n dem bekannten Regenablaufrinnenfall 1 9 0 gezeigt, wo ohne Zögerungen der Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit der Erfüllungsgehilfen nicht anerkannt wurde. Abgesehen von den Auswirkungen dieser Entscheidung, die noch nicht 184

Siehe oben bei Fußn. 76. Siehe auch Canaris , Risikohaftung bei schadensgeneigter Tätigkeit i n fremdem Interesse, R d A 1966, 41 (47), nach dem der Arbeitnehmer bei grober Fahrlässigkeit u n d bei Vorsatz den Schaden meist v o l l ersetzen müsse. 186 Siehe zuletzt v. Hippel, Verbraucherschutz, § 1 I, S. 3 f. 187 Röhl, JZ 1974, 521 u n d die dort angeführten Beispiele aus der Judikatur. 188 Siehe auch oben Fußn. 102. 189 Röhl, JZ 1974, 521. 190 B G H (o. Fußn. 18) VersR 1973, 1060 = N J W 1973, 1878. 185

6*

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zu übersehen sind, ist i n ihr deutlich die Tendenz der Ausweitung des durch A G B unabdingbaren Verschuldensmaßstabs erkennbar 191 , die das Gebot der Verwenderhaftung mindestens bis zur Grenze der leichten Fahrlässigkeit für „Kardinalpflicht "Verletzungen dringlich macht Schließlich muß sich das Einstehenmüssen für leichtes Verschulden immer dort durchsetzen, wo es nötig und möglich erscheint, wie bei den behandelten Pflichtverletzungen, wenn man daran denkt, daß i n vielen europäischen Rechtsordnungen schon i n den Zivilgesetzbüchern die Unabdingbarkeit der Verschuldenshaftung bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit verankert ist 1 9 2 . 3. Der Standpunkt

von Löwe

Löwe 193 vertritt die Auffassung, der Schuldner könne sich von seiner Leistungsfähigkeit bei Begründung des Schuldverhältnisses nicht freizeichnen. Es handele sich dabei u m eine „Kardinalpflicht". Dem Vergleich einer „Kardinalpflicht"Verletzung m i t dem anfänglichen Unvermögen des Schuldners, welches nach herrschender Meinung eine garantiemäßige Haftung zur Folge hat 1 9 4 , kann nicht beigepflichtet werden. Wenn bei anfänglichem Unvermögen der Schuldner nicht imstande ist 1 * 5 , seine Leistung zu erbringen, ist dies bei „Kardinalpflicht"Verletzungen keineswegs der Fall. Die „Kardinalpflicht" steht nur i n einer mittelbaren Beziehung m i t der zu bewirkenden Leistung, so daß der Schuldner (AGB-Verwender) unbedenklich i n der Lage ist, seiner Leistungspflicht selbst nach einer „Kardinalpflicht"verletzung nachzukommen. Sie mag zu einer mangelhaften Erfüllung (Schlechterfüllung) oder i n extremen Fällen zu einer Leistimgsunmöglichkeit führen; darin liegt offenkundig aber noch keine dem Unvermögen zur Leistungsbewirkung gleichzusetzende Lage. Der Ausdruck „anfängliche Fahr- oder Ladungsuntüchtigkeit" darf nicht zu dieser irrigen Annahme verleiten 1 9 6 . Wenn manche Lukenabdeckungen undicht, die Regenablaufrinne verstopft, die 191 Diese Tendenz w i r d neuerdings v o m B G H (o. Fußn. 56) VersR 1979, 901 = M D R 1979, 908 noch einmal bestätigt. 102 A r t . 1229 Abs. 1 des italienischen Codice civile; A r t . 100 des schweizerischen Zivilgesetzbuchs, wonach darüber hinaus auch der Erlaß der Haftung f ü r leichtes Verschulden verboten werden kann, w e n n der Geschädigte i m Dienst des anderen Teils steht oder w e n n die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes folgt; ähnlich das griechische Zivilgesetzbuch i n A r t . 332; siehe auch Neumayer, Länderbericht Frankreich i n Arbeiten zur Rechtsvergleichung 41, S. 20 (25); derselbe, L ä n derbericht I t a l i e n i n Arbeiten zur Rechtsvergleichung 41, S. 52 (65); Merz, Länderbericht Schweiz i n Arbeiten zur Rechtsvergleichung 41, S. 67 (95 f.). 193 I n Löwe / G r a f v o n Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 9 Rdnr. 30, S. 163. 194 Siehe oben Fußn. 54. 195 Larenz, Schuldr. I, § 8 I, S. 85 f. 196 Vgl. oben bei Fußn. 23.

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Bewachung der Schute nicht ständig, der Wagenschlüsssel dem Personal zugänglich ist, u m nur einige Beispiele aus der erwähnten Rechtsprechung zu nennen, liegt es auf der Hand, daß die Durchführung der eigentlichen Leistung, nämlich der Transport des Gutes oder die Bewachung des abgegebenen Gegenstands dem Schuldner ohnehin möglich ist. Außerdem kann man schlecht behaupten, der Heizöllieferant könne das schon ausgelieferte ö l nicht mehr ausliefern. I I . Die Begründung einer strengen Haftung des Verwenders für die Verletzung von „Kardinalpflichten"

1. Die Unterscheidung zwischen „wesentlichen" und einfachen Pflichten Z u r Begründung einer strengeren Haftung 1 9 7 für „ Kardinalpflicht" Verletzungen geht die Literatur von einer Unterscheidung zwischen „wesentlichen", „wichtigen", „kardinalen" und einfachen, nicht „wesentlichen" Pflichten aus. Diese Differenzierung vermeidet selbst Schlosser 198 nicht, obwohl er sie für unmöglich hält. Bei i h m dient sie der Ermessung des Verschuldensgrads, bei den anderen Autoren der Begründung der „Kardinalpflicht"haftung. Diese Pflichten müssen zuerst näher beschrieben (oder) und danach von den übrigen unterschieden werden. Je präziser ihre Beschreibung erfolgt, desto weniger ist ein Unterscheidungskriterium zwischen diesen und jenen vonnöten. Die Entwürfe zum AGB-Gesetz 199 haben die Beschreibung von „kardinalen Pflichten" i m § 9 I I Nr. 2 A G B G sehen wollen, der die bisherige Rechtsprechung konsolidieren soll. Nach dieser Vorschrift sind die „Kardinalpflichten" durch drei Merkmale gekennzeichnet: sie sind wesentliche, sich aus der Natur des Vertrages ergebende Pflichten, deren Einschränkung den Vertragszweck gefährdet. Daß sie sich aus der Natur des Vertrags ergeben und ihre Einschränkung bzw. Verletzung den Vertragszweck gefährden kann, ist nicht zu bestreiten 200 ; indessen w i r d damit noch keine strenge 197 Sie ist nicht lediglich i n einer erweiterten Verschuldenshaftung zu sehen; beispielsweise stellen strengere Anforderungen an die Ablehnung eines bestimmten Verschuldensgrades (grober Fahrlässigkeit) ebenso eine striktere Haftung dar. 198 W M 1 9 7 8 > 5g2 (564); derselbe, A G B G , § 11 Nr. 7, Rdnr. 36, S. 284. 199 Regierungsentwurf, BR-Drucks. 360/75 oder BT-Drucks. 7/3919, Begründung zu § 7 Abs. 2, S. 23; Teilbericht I, Begründung zu § 6 Abs. 2 Nr. 2, S. 55 f. 200 Anderer Ansicht n u r Koch f Stübing, A G B , § 9 Rdnr. 31, S. 159 f.: ein Verstoß gegen „Kardinalpflichten" lasse sich nicht aus der N a t u r des Vertrags ablesen, sondern aus einem sinnvollen Verständnis der Hauptleistungsverpflichtungen der Parteien i m gesetzlich geregelten wie i m gesetzlich nicht geregelten Vertragstyp. Dieser Kontrollmaßstab entspreche dem generellen Gesichtspunkt, daß durch A G B nicht das von den Parteien individualvertraglich vereinbarte Äquivalenzverhältnis verschoben werden dürfe. Aus den

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Kap. I I : „ K a r d i n a l p f licht"lehre u n d Organisationsmängel

Haftung begründet, solange Vertragszweck und -natur für die Bestimmung jeder Pflicht 2 0 1 herangezogen werden können. Entscheidend kommt es auf den Ausdruck „wesentliche Pflichten" und auf die Beantwortung der Frage an, um welche Pflichten es geht. Darüber sind die Meinungen geteilt. 2. Die Unhaltbarkeit der vertraglichen

einer Abstufung Hauptpflichten

Ein Teil des Schrifttums 2 0 2 betrachtet sie ausschließlich als Hauptpflichten. Die Unhaltbarkeit dieser Auffassung läßt sich anhand der aufgeführten Fälle zeigen, wo die Gerichte die Gestellung eines fahrund ladungstüchtigen Schiffes als „Kardinalpflicht" bezeichneten 203 . Die geschuldete Leistung ist jedoch offenbar nicht ein seetüchtiges Schiff oder die Gestellung eines solchen. Ebensowenig besteht sie darin, den Wasserstand am Liegeplatz zu prüfen oder die Lukenabdeckungen i n gutem Zustand zu erhalten. Vorbehaltlich des dem jeweiligen konkreten Vertrag zu entnehmenden Inhalts der Hauptpflicht w i r d er i m normalen Fall darin liegen, daß das Gut nach dem Bestimmungsort befördert wird. Dasselbe gilt für die Pflicht zur Feststellung des Fassungsvermögens des Öltanks oder zur Unterlassung von Maßnahmen gegen einen Wagenschlüsselmißbrauch, die nicht als Hauptpflichten angesehen werden können. Besteht man dennoch auf der Identifizierung von „ K a r dinal«" und Hauptpflichten, so fragt es sich, ob es sich nicht u m eine neue A r t von Pflichten, nämlich „kardinale Hauptpflichten" handelt. Eine solche Annahme setzt, wie Schlosser 204, zutreffend hervorhebt, ein Unterscheidungskriterium zwischen „kardinalen" und einfachen vertraglichen Hauptpflichten voraus. Indessen fehlt es daran. Das A t t r i b u t „Haupt" bringt schon ausreichend die „Wesentlichkeit" der Pflicht zum Ausdruck, so daß „keine Steigerung an vertraglicher Pflichtintensität mehr denkbar" ist. W i l l man in diesem Zusammenhang den „Kardinalpflichten" eine überragende Bedeutung zukommen lassen, dann muß eine Herabstufung der vertraglichen Hauptpflichten auf Pflichten zweitrangiger, sekundärer (!) Bedeutung hinnehmen.

weiteren Ausführungen i m T e x t geht die Unhaltbarkeit dieser Auffassung hervor. Ferner interessiert eine den Individualabreden mittelbar oder u n m i t telbar widerstreitende Äquivalenzstörung i n der Phase der Inhaltskontrolle nicht. 201 Vgl. auch oben bei Fußn. 14—17. 202 Siehe oben Fußn. 19; vgl. auch Koller, Probleme des Haftungsausschlusses i n AGB, VersR 1980, 1 (2 re. Sp.). 203 N o c h einmal B G H (o. Fußn. 56) M D R 1979, 908 (909). 204 W M 1978, 562 (565); derselbe, AGBG, § 9 Rdnr. 15, S. 139 u. § 11 Nr. 7 Rdnr. 36, S. 284.

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3. Die Unhaltbarkeit einer Abstufung der Neben- oder Schutzpflichten Einige Autoren 2 0 5 lehnen es ausdrücklich ab, zwischen „wesentlichen" und „unwesentlichen" Hauptpflichten zu unterscheiden. Demnach betrachten sie die „Kardinalpflichten" als elementare Neben- oder Schutzpflichten. Es fehlt auch nicht an denjenigen Stimmen 2 0 8 , die sowohl die Haupt- als auch die Neben- oder Schutzpflichten i n „kardinale" und einfache teilen. Hier bedarf es also ebenfalls einer klaren Abgrenzung zwischen „kardinalen" und anderen Neben- oder Schutzpflichten. Daran haben sich auch die Versuche der Rechtspraxis orientiert, die gewissen Einflusses auf die Theorie nicht entbehren. Erinnert sei an die schon bei der Rechtsprechungsdarstellung untersuchten Kriterien: Die „ K a r dinalpflicht" sei Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags oder sie sei eine Verpflichtung, deren Beachtung überhaupt erst die Voraussetzungen für die Erfüllung des Vertrags schaffe 207 . I n dieser zweiten Formel erweckt die Weglassung des Adjektivs „ordnungsgemäß" den Eindruck, bei Nichtbeachtung von „Kardinalpflichten" sei die Vertragserfüllung überhaupt nicht möglich 208 . Eine neue Entscheidung 209 spricht von Vertragspflichten, deren Beachtung überhaupt erst die Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung von vertraglichen Hauptpflichten schaffe. Dieses K r i t e r i u m kann sich wahrscheinlich nur noch dafür eignen, Neben- von Hauptpflichten zu unterscheiden, aber keinesfalls die Grenze zwischen „kardinalen" und einfachen Pflichten zu ziehen. Es setzt voraus, daß „Kardinalpflichten" ausschließlich Nebenpflichten sind, was nicht nur i m Widerspruch zu dem überwiegenden Teil der Literatur und der Rechtsprechung steht, wie schon von den obigen Ausführungen hervorgeht, sondern es gelingt i h m auch nicht, die Abgrenzung innerhalb der Nebenpflichten vorzunehmen. Andere Formulierungen lauten: Gerade diese Pflicht sei ohne sorgfältige Ausführung vollkommen wertlos 2 1 0 , man könne nicht eine Verpflichtung 205 Schlosser, w i e Fußn. 204; Graba i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 9 Rdnr. 32, S. 222. 206 So Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 9 Rdnr. 32, S. 221 f.; Brandner i n U l m e r / B r a n d n e r / Hensen, A G B Komm., § 9 Rdnr. 62, S. 215 f.; Ditmann / Stahl, A G B Komm., §9 Rdnr. 282, S. 120; Kötz, M ü K o , A G B G § 9 Rdnr. 13, S. 1454 f.; i n diesem Sinne auch: Dietlein i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, § 9 Rdnr. 19, S. 80 f.; jetzt auch Erman / Hefermehl, § 9 A G B G Rdnr. 13, S. 2474. 207 Ebenso Graba i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 9 Rdnr. 32, S. 222; K r i t i k hiergegen siehe oben bei Fußn. 18—20. 208 Vgl. auch oben bei Fußn. 49 f. u n d 193—196. 209 LGr Freiburg (o. Fußn. 142) B B 1978, 474 f. K r i t i k siehe oben bei Fußn. 146 fï. 210 So v. Brunn, A n m e r k u n g zu L G Göttingen (o. Fußn. 72), N J W 1956, 592; B G H (o. Fußn. 166) N J W 1968, 588 = B G H Z 49, 167; nähere K r i t i k siehe oben bei Fußn. 78—79.

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

übernehmen und gleichzeitig nicht ihren charakteristischen Inhalt übernehmen wollen 2 1 1 . Der „Kardinalpflicht" könne sich der Schuldner nicht entziehen, ohne den wesentlichen Inhalt der von i h m durch den Vertrag übernommenen Vertragspflichten ganz entscheidend auszuhöhlen 212 . Hier w i r d ebenso ein unbestimmter Begriff („Kardinalpflicht") durch weitere unbestimmte Ausdrücke ersetzt 213 , die keineswegs die „wesentliche" Pflicht konkretisieren. Es ist nicht überschaubar, wann die Vertragspflichten ganz entscheidend ausgehöhlt werden 2 1 4 . Schließlich w i r d versucht, die „Wesentlichkeit" der verletzten Pflicht aus dem Vertragszweck abzuleiten 215 . Durch den Vertragszweck läßt sich zwar die Zahl und der Inhalt der übernommenen Pflichten bestimmen, aber das Ermessen ihrer Wesentlichkeit daran setzt wiederum eine A b grenzung zwischen wesentlichem 218 und unwesentlichem Vertragszweck voraus 217 . Damit w i r d nur noch einmal festgestellt, daß es auf den Ausdruck „wesentlich" ankommt, dessen Konkretisierung auf alle diese dargelegten Schwierigkeiten stößt, die unüberwindlich erscheinen, solange man die Kardinalpflichten in das vertragliche Synallagma einbeziehen und sie von irgendwelchen „unwesentlichen" Pflichten unterscheiden w i l l .

211 v. Brunn, A n m e r k u n g zu L G Göttingen (o. Fußn. 72), N J W 1956, 592; i h m folgend Graba i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, AGBG, § 9 Rdnrn. 34 u. 37, S. 222 u n d 224; K r i t i k hierüber siehe bei Fußn. 78. Die A n w e n d u n g dieses K r i t e r i u m s setzt noch eine weitere Abgrenzung zwischen dem einfachen u n d dem charakteristischen I n h a l t der übernommenen Verpflichtung voraus. Selbst die übernommene Verpflichtung ist nicht ohne weiteres feststellbar. 212 Ebenso oder ganz ähnlich: Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / T r i n k ner, K o m m , zum A G B G , §9 Rdnr. 31, S. 164; Dietlein i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, §9 Rdnr. 19, S. 80; Brandner i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., §9 Rdnr. 62, S. 215; Hägele, A G B nach neuem Recht, S. 47; Bleutge, A G B , S. 36; Schmitz, Gesetz über A G B , §9 S. 36; Regierungsentwurf, BR-Drucks. 360/75 oder BT-Drucks. 7/3919, Begründung zu § 7 Abs. 2 S. 23; Teilbericht I, Begründung zu § 6 A n m . 2, S. 55 f. 213 Siehe oben Fußn. 211; Schlosser, A G B G , §11 Nr. 7 Rdnr. 36, S. 284. 214 Siehe auch Fußn. 211. 215 Graba i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 9 Rdnr. 32, S. 222; Löwe i n L ö w e / G r a f v o n Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 9 Rdnr. 32, S. 164; Brandner i n U l m e r Brandner / Hensen, A G B Komm., §9 Rdnr. 62, S. 215 f. 216 Vgl. dazu Dietlein i n Dietlein/Rebmann, A G B aktuell, §9 Rdnr. 19, S. 80 f. 217 I n diesem Sinne auch Schlosser, A G B G , § 9 Rdnr. 27, S. 146; vgl. allerdings bei L G Düsseldorf v. 1. 8. 1979 (12 0 90/79) B B 1979, 1632 f., die Begründung der H a f t u n g einer Autowaschanlage f ü r Lackschäden.

§ 4. Die Haftung f ü r Organisationspflichtverletzungen

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4. Die Elastizität des Schuldrechts als Grund für eine „Kardinal ,pflicht"lehre Die m i t der Anwendung des Begriffs „kardinale" oder „wesentliche" Pflicht verbundenen Nachteile müssen i m Zusammenhang m i t der dargelegten see- und nichtseerechtlichen Rechtsprechung gesehen werden. Daraus könnten typische „Kardinalpflicht"Verletzungsfälle abgeleitet werden. Indessen geht aus der Verschiedenheit besonders der nichtseerechtlichen Fälle hervor, daß eine Typisierung große Schwierigkeiten bereitet, da die Überschaubarkeit der von den Gerichten behandelten Fälle anhand ihrer Variation verloren gehen würde. Der Typisierung ist ferner entgegenzutreten, insofern sie zu der Erstarrung des Schuldrechts beiträgt. Schmidt-Salzer 218 hat sich auf die Flexibilität des Schuldrechts berufen, um die Existenz der „Kardinalpflichten" zu begründen. Er meint, ihre Unbestimmbarkeit sei der Preis für die Erhaltung dieser Flexibilität. Nach der Darlegung der m i t der „wesentlichen" Pflicht zusammenhängenden Unsicherheiten, dogmatischen Bedenken sowie Abgrenzungsschwierigkeiten ist dieser Ansicht wohl nicht zu folgen. Dies bedeutet jedoch keineswegs eine zwangsläufige Befürwortung der sonst abgelehnten Typisierung, als ob sie die einzig verbleibende Alternative wäre. A u f der anderen Seite soll die Erhaltung der schuldrechtlichen Elastizität nicht einen so hohen Preis verlangen, daß man Rechtssicherheit und -dogmatik aufopfert. Diese Auffassung ist abzulehnen, genauso wie eine „mechanistische Alles-oder-Nichts-Formel" 2 1 9 . Die Prägung eines neuen Begriffs, den man den schon zahlreich vorhandenen schuldrechtlichen Begriffen hinzufügt 2 2 0 , erscheint wenig sinnvoll, wenn er nicht von einer genauen Bezeichnung seines Inhalts begleitet wird. Diese Bezeichnung soll deutlich die Merkmale des betreffenden Ausdrucks („Kardinalpflicht") hervorheben, so daß eine Unterscheidung von anderen vertraglichen Pflichten ermöglicht wird, welche die Notwendigkeit der Schaffung des neuen Begriffs als gerechtfertigt erscheinen läßt. Darauf haben auch die bisherigen Versuche der Rechtsprechung und Literatur abgezielt, allerdings erfolglos, wie die obigen kritischen Ausführungen dazu zeigen sollten. Solange aber die „Kardinalpflichten" einer klaren Definition nicht unterliegen, ist m i t einem schlichten unbestimmbaren Begriff eher der Verwirrung als der Anpassungsfähigkeit des Schuldrechts gedient. Damit w i r d dennoch die Notwendigkeit einer strengen Haftung für bestimmte Pflichtverletzungen nicht verkannt 2 2 1 . 218 219 220 221

A n m e r k u n g zu B G H (o. Fußn. 79) N J W 1971, 1036 (1037). Schmidt-Salzer, w i e Fußn. 218. Siehe auch Schlosser, W M 1978, 562 (563). Siehe oben bei Fußn. 176 ff.

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

Deshalb soll i m folgenden untersucht werden, wie man dieses Ziel anders als durch die Anwendung eines so gut wie inhaltsleeren Terminus erreichen kann. Ferner ist interessant zu prüfen, ob die „Kardinalpflicht"lehre den Anlaß dazu geben kann, außer dem Verschuldenshaftungsmaßstab auch den Haftungsgrund des AGB-Verwenders zu erweitern. I I I . Abschied von den „Kardinalpfiichten"

1. Eine Gesamtbetrachtung der Rechtsprechungsuntersuchung. Organisationspflichten Die Darstellung der Judikatur hat gezeigt, daß die Gerichte die „wesentliche" Pflicht als eine vertragliche Pflicht von überragender Bedeutung verstanden wissen wollen. Es ist wieder an die seerechtliche Rechtsprechung zu erinnern, wobei i n der Fahr- und Ladungsuntüchtigkeit (Seeuntüchtigkeit) des Schiffskörpers eine „Kardinalpflicht"Verletzung gesehen wurde. I n diesem Rahmen haben die Gerichte wohl alle A n strengungen unternommen, u m unterschiedliche Tatbestände der Seeuntüchtigkeit unterzuordnen 222 und somit eine Haftung wegen „ K a r d i nalpflicht" Verletzung zu begründen. W i l l man sich genauer ausdrücken, so ist nicht die Seetüchtigkeit an sich, sondern die Gestellung eines seetüchtigen Schiffs die wichtige Pflicht gewesen, während die Gestellung eines nicht seetüchtigen Wasserfahrzeugs ihre Verletzung dargestellt hat. Spricht man von der Gestellung eines seetüchtigen Schiffs, so w i r d die „Kardinalpflicht" als Teil der Vertragserfüllung, m i t anderen Worten, als eine vertragliche Pflicht betrachtet 223 . Die Folgen dieser Betrachtung wurden schon oben kritisch dargelegt 224 . I n bezug darauf ist hier lediglich auf das Schrifttum zu verweisen 225 , das auch diejenigen Fälle der „Kardinalpflicht"lehre zuordnet, bei denen die Gerichte ausdrücklich die Haftung des AGB-Verwenders auf einen Organisationsmangel gestützt haben 226 . Es ist aber ziemlich einleuchtend, daß die organisatorischen Mängel eines Betriebs keine Verletzung der jeweils übernommenen Vertragspflichten darstellen, auch wenn sie zu einer oder viel222

Vgl. hierzu den Kenterfall I, oben bei Fußn. 34 fï. Vgl. Schlosser, W M 1978, 562 (563) u n d oben bei Fußn. 20. 224 Oben bei Fußn. 202 ff. 225 Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , §9 Rdnr. 30, S. 163; Palandt / Heinrichs, A G B G , §9 Rdnr. 4, S. 2249 (sie sprechen allerdings von grundlegenden Organisationspflichten); Stein, Gesetz der A G B , § 9 Bern. 29, S. 119; Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. E. 21, S. 135 unter Nr. 6; Hagele, A G B nach neuem Recht, S. 47. 226 Ζ. B. B G H (o. Fußn. 132) N J W 1973, 2154 (Filmauslieferungsfall); B G H (o. Fußn. 84) N J W 1974, 901 (Wagendiebstahl). Ergänzend vgl. noch B G H v. 19. 4. 1978 ( V I I I Z R 39/77, Braunschweig) B B 1978, 827 (828) = N J W 1978, 1430 = B G H Z 71, 226 = VersR 1978, 737. 223

§ 4. Die Haftung für Organisationspflichtverletzungen

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leicht zu mehreren Vertragsverletzungen führen. Die ordnungsgemäße Bewachung des Wagens ist die Vertragspflicht und nicht die zu ihrer Durchführung getroffenen Maßnahmen, wie beispielsweise die Bewahrung der Wagenschlüssel vor dem Bewachungspersonal. Infolgedessen steht man vor der Entscheidung, die „kardinalen" Pflichten entweder als vertragliche oder als nichtvertragliche Pflichten zu bezeichnen. Die hier aufgeworfene Frage ist nämlich folgende: ob man unter „Kardinalpflicht" Verletzungen wichtige, relevante, wesentliche oder wie man sie sonst nennt, oder andere Vertragsverletzungen, die sich auf Organisationsmängel zurückführen lassen, oder Organisationspflichtverletzungen an sich versteht. Die erste Möglichkeit ist schon ausgeschlossen, wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt und auch aus der tatsächlichen Feststellung, daß es sich dabei nicht oder zumindest nicht nur um vertragliche Pflichten handelt. Angesichts der zwei anderen Lösungsmöglichkeiten gilt es festzustellen, daß sie sich insoweit identifizieren, als Organisationsfehler nur dann die Unternehmerhaftung auslösen, wenn sie die Ursache einer Vertragsverletzung geworden sind. Demzufolge ist statt von „Kardinal-" lediglich von Organisationspflichtverletzungen zu sprechen. Diese Auffassung läßt sich auch i n den Ausführungen der dargelegten Judikatur zeigen, und zwar nicht nur in den Fällen, wo die Unternehmerhaftung allein und ausdrücklich 227 oder zum Teil auf Organisationsfehler begründet wurde. Die kritische Würdigung der Rechtsprechung sollte zeigen, daß die Gerichte auch i n den anderen behandelten Fällen diese Haftung auf schon festgestellte 228 oder noch festzustellende* 29 Organisationsfehler hätten zurückführen können 230 . I n den seerechtlichen Fällen haben die Gerichte erkannt, daß die Gestellung eines seeuntüchtigen Schiffs i n der Unterlassung einer „Prüfung i m Heimathafen" ihren Grund hatte. I h r lag also ein Organisationsfehler zugrunde 231 , denn die unterlassene Maßnahme betraf zunächst nicht den konkret auszuführenden Beförderungsvertrag, sondern eine Vielzahl von Aufträgen, die innerhalb einer von zwei verschiedenen Zeitpunkten 227 Z . B . : HansOLG (o. Fußn. 67) HansRGZ 1942 B, Nr. 8, Sp. 33 (35 ff.); B G H (o. Fußn. 99) W M 1971, 74; siehe auch Fußn. 226. 228 E t w a B G H (o. Fußn. 79) N J W 1971, 1036 (Heizölfall). 229 B G H (o. Fußn. 18) VersR 1973, 1060 = N J W 1973, 1878; B G H (o. Fußn. 19) VersR 1974, 590 f. 230 Der i m Schrifttum (ζ. B. Löwe i n Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, K o m m , zum AGBG, § 9 Rdnr. 30, S. 163) zitierte u n d vom L G München I v. 26. 2. 1976 (34 0 818/74) B B 1976, 1002 f. entschiedene Reiseveranstaltungsvertragsfall hat m i t „ K a r d i n a l " - oder Organisationspflichten nichts zu tun, w e i l es sich dabei u m die unzulässige Haftungsbeschränkung i n A G B wegen „ u r sprünglichen Unvermögens" handelte. 231 I n diesem Sinne auch v. Nottbeck, Über die Grenzen der Freizeichnung i n Allgemeinen Lieferungsbedingungen, S. 57 unter Nr. 3.

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

stattfindenden Kontrollen nach technischer Erfahrung und Kenntnis festgelegten Zeit durchgeführt werden. Es ist möglich, daß eine Reihe von innerhalb dieser Zeit übernommenen und m i t dem ungeprüften Schiffskörper ausgeführten Verpflichtungen nur mangelhaft oder i n extremen Fällen überhaupt nicht verwirklicht werden können, auch wenn der Unternehmer damit nicht rechnet und seine bestmögliche Ausrüstung versäumt. Bei den behandelten Seefrachtvertragsfällen ging es also i n erster Linie u m Organisationsfehler. Ähnlich lagen die Dinge bei der Bewachung von Schuten 232 , wobei es darauf ankam, ob der Unternehmer der Notwendigkeit einer ständigen Bewachung Rechnung getragen und die entsprechenden Anweisungen getroffen hat. Ist die Betriebsorganisation und -einrichtung auf eine ständige Bewachung ausgerichtet, so müssen die Ursachen einer nicht gehörig stattgefundenen Bewachung i n einem menschlichen oder einem anderen Versagen bei der konkreten Vertragserfüllung gesucht werden. Entscheidend ist ferner nicht, ob das Wasser des Wagenmotors 233 i n einem bestimmten Fall nicht abgelassen wurde, sondern ob die betriebliche Organisation auch dieser Forderung entsprechen kann und tatsächlich i n der Regel entspricht. Dazu muß das geeignete Personal eingestellt 2 3 4 oder der unqualifizierte Arbeitnehmer darüber unterrichtet werden, dessen Einstellung für eine Notlösung wegen der am Arbeitsmarkt herrschenden ungünstigen Verhältnisse gehalten wird. I n dem Heizölfall kommt es darauf an, daß dem Personal keinerlei Anordnungen hinsichtlich der ölauslieferung zugegangen sind, nämlich i n bezug auf die sorgfältige Bewachung des Umfüllvorgangs. Gemäß den gerichtlichen Ausführungen erwartet man, daß der Verkäufer m i t den m i t der öllieferung verbundenen Gefahren vertraut ist oder zumindest sein muß, so daß seine betriebliche Organisation sie nicht einmal entstehen läßt. Ausschlaggebend ist weiter, daß der AGB-Verwender alles getan hat, damit eine vollkommene Autoinspektion 2 3 5 gewährleistet ist und nicht, daß er die konkrete Inspektion aus anderen Gründen nicht ordnungsgemäß ausgeführt hat. Eine sehr große, Bedeutung kommt heutzutage dem Bereich der Käuferberatung zu. I n diesem Zusammenhang ist der Kunststoff-Folienfall zu erwähnen 236 . Dem Schutzbedürfnis des Kunden ist hier nicht Genüge getan, wenn die Haftung des AGB-Verwenders und die Unwirksamkeit seiner Freizeichnungsklausel davon abhängen, ob der Vertragsinhalt durch die falsche Beratung ausgehöhlt 232

68 ff.

233

B G H (o. Fußn. 66) M D R 1969, 557 u n d weitere Nachweise oben bei Fußn.

L G Göttingen (o. Fußn. 72) N J W 1956, 592. Vgl. schon Mataja, Das Recht des Schadensersatzes, S. 41. 235 B G H (o. Fußn. 97) N J W 1969, 1708. 236 Siehe oben bei Fußn. 99 ff.; ferner B G H (o. Fußn. 106) N J W 1962, 1196 = L M zu § 276 (H) BGB, Nr. 5. 234

§ 4. Die H a f t u n g f ü r Organisationspflichtverletzungen

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wird 2 3 7 , während die Entscheidung darüber noch aussteht, wann eine Vertragsaushöhlung vorliegt. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Unternehmer über die Erfahrung und Kenntnis verfügt, die für eine richtige Beratung unverzichtbar ist 2 3 8 . Ein seinen Aufgaben gewachsenes Unternehmen verfügt über sie sowie ihre Anwendungsweise, die über die Beantwortung der Kundenfragen hinaus darauf ausgerichtet sind, an den Kunden Fragen zu stellen 239 . 2. Die Unterscheidung

der Betriebs- von der Vertragsorganisation

Wenn von organisatorischen Mängeln die Rede ist, so werden Fehler gemeint, die sich lediglich auf die Betriebsorganisation beziehen. Diese Bemerkung ist wichtig, insofern die Ansicht vertreten w i r d 2 4 0 , daß es über die Betriebsorganisation hinaus organisatorische Maßnahmen gibt, die es hinsichtlich eines bestimmten Vertrags zu treffen g i l t Dieser Meinung ist nicht beizupflichten, weil die Organisation eines konkreten Vertrags nicht anders als die Vertragserfüllung selbst aufgefaßt werden kann. Wenn ein bestimmter Vertrag vorliegt, dann könnten die zu seiner Erfüllung, Organisierung oder Vorbereitung getroffenen Maßnahmen nicht unterschieden werden. Bei den von Schmidt-Salzer angeführten Beispielen aus der Judikatur handelt es sich u m Vorkehrungen, die keinen konkreten Vertrag betreffen, sondern typisch für eine Vielzahl von Verträgen sind. Die zu treffenden Anordnungen hinsichtlich der Frage, wie eine Bewachung nachts gehandhabt werden soll 2 4 1 , oder die Unterrichtung des m i t der Vorbereitung eines Transports durch die DDR beauftragten Angestellten über die zu erfüllenden Formalitäten 2 4 2 oder die Aufstellung von Brandwachen bei Schweißarbeiten 243 sind Vorkehrungen, die die Grundlage für die Durchführung einer Vielzahl von ähnlichen Aufträgen darstellen 244 . Darin ist auch ein Unterschied zwischen Betriebsorganisation und konkreter Vertragsdurchführung zu 237

So aber Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. E. 21, S. 135 f.; K r i t i k dazu siehe oben bei Fußn. 111 f. 238 Hierüber siehe das Ergebnis einer Untersuchung der Stiftung Warentest i n „ M e t a l l " , Zeitung der Industriegewerkschaft Metall, Nr. 23, Jahrgang 31, 22. Nov. 1979, S. 20 f. unter dem sensationellen T i t e l : „Kundenberater beim K a u f von Stereoanlagen — Fachberater hat oft keine Ahnung". 239 Wie Fußn. 238. 240 Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. F. 209, S. 270 f. 241 O L G Hamburg (o. Fußn. 67) HansRGZ 1942 B, Nr. 8, Sp. 33 (36). 242 B G H (o. Fußn. 127) B G H Z 20, 164 (168 f.) = N J W 1956, 908. 243 B G H (o. Fußn. 12) N J W 1962, 1195 = L M zu § 276 (Db) BGB, Nr. 4. 244 Ä h n l i c h sind auch die anderen von Schmidt-Salzer, w i e Fußn. 240, zitierten Fälle zu beurteilen: O L G München (o. Fußn. 128) N J W 1955, 1319 f.; RG v. 26. 10. 1921 (I ZS 123/21, Karlsruhe) RGZ 103, 82 ff.; RG v. 18. 3. 1925 (I ZS 243/24) SeuffA Bd. 79, Nr. 101, S. 165 f.; R G v. 6. 1. 1937 (I ZS 133/36, Düsseldorf) SeuffA Bd. 91; Nr. 85, S. 190 ff.

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sehen. Die erste umfaßt nämlich eine Reihe von Mitteln, Maßnahmen, Kenntnissen und Erfahrungen, die unter normalen Umständen wie eine solide Basis die ordnungsgemäße Erfüllung aller i n den Bereich des betreffenden Unternehmens fallenden Verträge gewährleisten. Hierzu können auch spezielle Vorkehrungen gehören 245 , sofern sie als typisch für die Abwicklung einer bestimmten Vertragsart betrachtet werden, selbst wenn diese nicht den von dem verantwortlichen Unternehmen in der Regel übernommenen Aufgaben zugezählt wird. Die ständige Bewachung einer m i t wertvoller Ladung (Kaffee) beladenen Schute ist jedenfalls unerläßliche Voraussetzung für die Verwirklichung eines Bewachungsvertrags 248 , auch wenn die beklagte Firma diesen Auftrag nur ausnahmsweise übernommen hatte, etwa weil sie sonst immer solche Waren bewacht, die keiner ständigen Bewachung bedürfen. I m Gegensatz zu den Organisationsfehlern stellen sich die Ausführungsfehler darauf ein, daß bei einer konkreten Vertragserfüllung m i t einem konkreten Vertragspartner Fehlleistungen unterlaufen, die man angesichts der vorausgegangenen einwandfreien Betriebsorganisation nicht erwartet hat. Demzufolge w i r d der Ausführungsfehler 247 nur i m Einzelfall zu Schaden führen, während der Organisationsmangel die Ursache für mehrere Vertragsverletzungen darstellt, solange er nicht beseitigt wird 2 4 8 . Das Vorliegen eines Organisationsfehlers läßt sich nachträglich nach der Verneinung folgenden Fragetyps bejahen: Ist der Betrieb i n einem von jeder Verbindlichkeit unabhängigen Zeitpunkt so gut organisiert, daß die ordnungsgemäße Abwicklung aller Vertragstypen gewährleistet ist, zu deren Ausführung er eingerichtet wurde? Für die Annahme eines Ausführungsfehlers soll folgende Frage entscheiden: Läßt sich die Vertragsverletzung trotz einwandfreier Betriebsorganisation auf bei der Vertragsdurchführung und unerwarteterweise begangene Fehler zurückführen? Schließlich ist eine Differenzierung zwischen Betriebs- und Vertragsorganisation ohne praktischen Belang, sofern in beiden Fällen die Freizeichnungsgrenze des § 11 Nr. 7 A G B G für entscheidend gehalten w i r d 2 4 9 . Die Betrachtung der „Kardinalpflicht"Verletzungen als Organisationsmängel in dem oben beschriebenen Sinne entspricht auch der von der Rechtsprechung geprägten Formel, die „Kardinalpflicht"erfüllung sei 245

Vgl. B G H (o, Fußn. 31) N J W 1968, 1567 = B G H Z 49, 356 = B B 1968, 886 = VersR 1968, 468 u n d K r i t i k dazu oben bei Fußn. 33. 246 B G H (o. Fußn. 66) M D R 1969, 557. Andere ähnliche Entscheidungen siehe oben Fußn. 67, 68. 247 Soweit ersichtlich, erwähnt den Gegensatz zwischen Organisations- u n d Ausführungsfehler zuerst L. Raiser , A G B , § 29 I I , S. 308 ff. 248 Vgl. B G H (o. Fußn. 84) N J W 1974, 901 (Wagendiebstahlfall). 249 Schmidt-Salzer, A G B , Rdnrn. F. 207 ff., S. 269 ff.; derselbe, N J W 1969, 289 (291).

§ 4. Die Haftung f ü r Organisationspflichtverletzungen

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Voraussetzung für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung. Das Wort „Voraussetzung" deutet schon an, daß es sich dabei u m solche Pflichten handelt, deren Erfüllung dem vertraglichen Synallagma vorausgeschickt wird. Der Überwindung der aus der Verwendung des Begriffs „ K a r d i nalpflicht" sich ergebenden Schwierigkeiten ist jedoch nicht Genüge getan, wenn Organisations- und „Kardinal"pflichten in einem solchen Zusammenhang gebracht werden, daß der Eindruck entstehen kann, die erfolgten Versuche der Differenzierung zwischen wichtigen und einfachen Pflichten seien von den vertraglichen auf die Organisationspflichten übertragen. M i t anderen Worten soll Ziel der darauf folgenden Untersuchung der Nachweis sein, daß man von einer Unterscheidung zwischen „wesentlichen", „kardinalen" und anderen Organisationspflichten absehen kann; denn eine Steigerung an Bedeutung ist dabei nicht mehr denkbar, weil alle Organisationspflichten wichtig und wesentlich sind. Ist aber ihre Relevanz gegeben, so scheint die Geltendmachung der oben dargelegten Notwendigkeit für eine Erweiterung des Verschuldenshaftungsmaßstabs für ihre Verletzungen sinnvoll und gerechtfertigt 250 . Schwierigkeiten w i r d jedoch die Suche nach der gesetzlichen Grundlage dieser strengen Haftimg bereiten. 3. Die „Wesentlichkeit"

der Organisationspflichten

Bei der Unterscheidung der Organisations- von den Ausführungsfehlern wurde schon die enorme Bedeutung der Organisationspflicht dahin betont, daß ihre Einhaltung der gehörigen Erfüllung einer unbestimmten Zahl von Verträgen dient und nicht nur auf die Interessen des einzelnen Vertragspartners bezüglich eines konkreten Vertrags ausgerichtet ist. Die Betriebsorganisation ist darauf angelegt, die Grundlage für die reibungslose Abwicklung einer Vielzahl von Verträgen zu schaffen. A u f der Kehrseite der Forderung nach einem ordnungsgemäß funktionierenden Betrieb stehen die Erwartungen der gegenwärtigen und künftigen Vertragspartner, die sich darauf einlassen, daß der Verwender keine Tätigkeiten unternimmt, auf die er sich nicht vorbereitet hat 2 5 1 . Kommt er diesen Erwartungen entgegen, so verstärken sie sich zu einem Vertrauen auf die Zuverlässigkeit, m i t der er arbeitet und arbeiten muß. Wie besonders wichtig es für das wirtschaftliche und soziale Leben ist 2 5 2 , dieses Vertrauen nicht zu erschüttern, liegt auf der Hand. M i t anderen Worten: ein öffentliches Interesse an der Betriebsorganisation 253 250 L. Raiser , A G B , § 29 I I , S. 308 f. hat sich schon f r ü h dafür ausgesprochen. Dem folgend so auch G. Raiser , Die gerichtliche Kontrolle, S. 143 f. 251 Vgl. L . Raiser, A G B , § 29 I I , S. 309. 252 v g l . v. Hippel, Verbraucherschutz, § 1 I I I S. 22 ff., der von einem Zusammenschluß der Verbraucher nach dem V o r b i l d der Arbeitnehmer spricht; vgl. ferner Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren i m Zivilrecht, S. 18.

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ist kaum zu verbergen 254 . Das Erfordernis des Vertrauensschutzes wurde schon erkannt, allerdings i m Zusammenhang m i t der Erfüllung der vertraglichen Pflicht 2 5 5 . Indessen geht man einen Vertrag m i t jemandem nicht ein, bevor man sich vergewissert hat, daß der Vertragsgegner tatsächlich jede Gewähr für die reibungslose Vertragsabwicklung bietet. Insoweit ist die Anerkennung und der Schutz dieser Erwartung wichtiger als der des Vertrauens darauf, alles werde nach der Eingehung der Verbindlichkeit gut ablaufen, weil jeder damit rechnen kann, daß trotz optimaler Aussichten etwas zu versagen vermag. Alle diese Gedanken sprechen für die wesentliche Bedeutung der Organisationspflichten, und zwar einerlei, ob die Vertragsverletzungen, zu denen sie führen, als wichtig oder unwichtig bezeichnet werden. Da die Wichtigkeit der obigen Pflichten gegeben ist, entbehrt eine übrigens undurchführbare Differenzierung zwischen „kardinalen" und einfachen Vertragsverletzungen jeden Interesses, und damit entfällt bei Organisationspflichten die ebenso unüberwindliche Schwierigkeit ihrer Teilung i n wesentliche und nicht wesentliche. Ist ihre Wesentlichkeit angenommen, so ist eine weitere Steigerung an Pflichtintensität nicht mehr vorstellbar. I n diesem Zusammenhang sei auch auf die Ausführungen von Hans Stoll hingewiesen, der ebenfalls die Bedeutung der Organisationspflichten hervorgehoben hat. Obwohl er i n seiner kurzen Stellungnahme nicht zu dem hier vertretenen Standpunkt gelangt, nämlich die „Kardinal-" durch die Organisationspflichtverletzungen zu ersetzen 256 , betont er ausdrücklich, das „Organisationsverschulden" sei „ein Verstoß gegen eine Kardinalpflicht, von der sich der Unternehmer nicht freizeichnen kann" 2 5 7 . Knüpft man dieses Ergebnis an die schon dargelegte Notwendigkeit der Erweiterung des Verschuldenshaftungsmaßstabs zumindest für wichtige Pflichtverletzungen an, so liegt es nahe, diese Erweiterung für jedwede Organisationspflichtverletzung vorzuschlagen. Dafür spricht noch ein nicht unerheblicher Grund, nämlich daß die Betriebsorganisation dem ganz engen und kontrollierbaren Geschäftsbereich des A G B Verwenders angehört 258 . Die räumliche, zeitliche und sonstige Möglich253 Hierzu siehe auch Steindorff, Repräsentanten- u n d Gehilfenversagen usw., AcP 170 (1970), S. 93 (114). 254 Vgl. die Rolle der „public policy" i m Vertragsrecht des amerikanischen Rechts: G. Raiser , Die gerichtliche Kontrolle, S. 56 ff. u n d 61 ff. 2M Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. E. 20, S. 133; derselbe, N J W 1971, 1036; Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 9 Rdnr. 29 f., S. 162 f.; Brandner i n Ulmer / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 9 Rdnr. 62, S. 215 f.; vgl. auch die erörterte Rechtsprechung (ζ. B. Heizölfall, oben bei Fußn. 79 ff.). 256 Vgl. oben bei Fußn. 226 f. 257 Stoll, Haftungsausschließende oder haftungsbeschränkende Klauseln, i n I X . Internationaler Kongreß für Rechtsvergleichung (1974), S. 1 (19); vgl. auch Koller, VersR 1980, 1 (2 ff.).

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keit für die Einrichtung und Kontrolle des Betriebs ist oft viel günstiger als die der Ausführungskontrolle. 4. Die Unterscheidung der Organisationspflichten von dem Leistungserfolg I n diesem Zusammenhang sei auf die Ausführungen Schlossers hingewiesen. I n seiner berechtigten K r i t i k an dem Differenzierungsversuch zwischen wesentlichen und einfachen Hauptpflichten 2 5 9 gelangt er zu Folgerungen, die zu weit gehen und deshalb zu mißbilligen sind. Schlosser begreift die Hauptleistungspflicht als Einheit, die am Leistungserfolg oder an einem eine gewisse Zeit andauernden Leistungsverhalten orientiert ist. Er meint, wolle man dem spezifischen Anliegen, dem der Begriff der „Kardinalpflicht" dienen solle, auch dann noch Rechnung tragen, so müsse man schon ganz allgemein jene Verhaltensweise als Erfüllung einer „Kardinalpflicht" besonders betonen, die ein Schuldner zu Beginn oder zur Vorbereitung seines „eigentlichen" Leistungsverhaltens an den Tag zu legen habe. Man müßte dann die „Pflicht" eines Werkunternehmers zur Verwendung einwandfreien Materials oder die „Pflicht" eines Wartungsunternehmens zur Unterhaltung eines leistungsfähigen Wartungsdienstes als „Kardinalpflichten" ansprechen. Jedoch stünde dem entgegen, daß der Schuldner nach dem BGB gerade i n den genannten Fällen i m allgemeinen nur den Leistungserfolg, nicht aber ein bestimmtes Leistungsverhalten schulde 280 . Diese Überlegungen führen dazu, die Begründung einer strengen Haftung für Verletzungen organisatorischer Pflichten als entbehrlich erscheinen zu lassen. Man begnügt sich hier m i t der Haftung, welche die Annahme des Nichteintritts des geschuldeten Leistungserfolgs auslöst. Schlosser selbst sieht sich jedoch gezwungen, eine besondere Gruppe von Pflichten, die „erfolgsbezogenen Sorgfaltspflichten" 261 , auszusondern und sie für unabdingbar zu erklären. Dadurch w i r d nicht nur der Grund der Haftung des Verwenders eingeschränkt, sondern gleichzeitig auch die Bejahung der Verwenderhaftung i n doppelter Hinsicht erschwert. Man hat zuerst die schwierige Frage des herbeizuführenden Erfolgs 262 und dann noch die der Umschreibung der „erfolgsbezogenen Sorgfaltspflichten" zu beantworten 2 6 3 . Dieser Untersuchung liegt es daran, unabhängig von der Her258 Siehe auch v. Nottbeck, Über die Grenzen der Freizeichnung i n allgemeinen Lieferungsbedingungen, S. 113 ff. 259 Dazu siehe oben bei Fußn. 202 ff. 260 Schlosser, W M 1978, 562 (565 re. Sp.). 261 Wie Fußn. 260; Schlosser, A G B G , § 11 Nr. 7 Rdnrn. 10, 14, S. 275, 277. 262 Hierzu siehe etwa Brandner, Schranken der Inhaltskontrolle, FS f ü r F. Hauß (1978), S. 1 ff., der die Problematik der Leistungsbeschreibung i n a l l gemeinen Geschäftsbedingungen u n d ihrer Kontrolle abhandelt. 263 Ergänzend hierzu siehe oben bei Fußn. 154 ff.

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beiführung des Leistungserfolgs diejenigen Pflichten herauszugreifen und näher zu präzisieren, die dem Gesetzgeber als wichtig erscheinen, so daß er an ihre Verletzung eine strenge, unabdingbare Haftung knüpft. Demnach werden hier die „Vorbereitungspflichten" und ihre Verletzung unabhängig von dem Eintritt oder Nichteintritt des jeweiligen Leistungserfolgs betrachtet. I m Gegensatz zum Erfolg, dessen Ausgestaltung und Grenze i n dem jeweiligen Vertrag festgelegt oder ihm entnommen wird, sind die „wesentlichen Pflichten" gesetzlich i m voraus bestimmt, so daß ihre Funktion, eine strenge Haftung auszulösen, nicht dadurch vernichtet werden darf, daß der Verwender ihre Übernahme oder ihren Bezug auf den Leistungserfolg verweigert. 5. Eine Parallele zur Anwendung des § 31 BGB und zur Haftung des Warenherstellers a) Abgesehen vom Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen zeichnet sich schon längst eine Tendenz auch in anderen Rechtsgebieten ab, an das Vorliegen eines Organisationsmangels eine unabdingbare Haftung zu knüpfen. Besonders kennzeichnend dafür ist die Rechtsprechung 264 zu der Einstandspflicht juristischer Personen 265 . U m zu einer Anwendung des § 31 BGB zu gelangen, w i r d hier eine strenge Haftung für Organisationsmängel darin gesehen, daß eine m i t dem Treffen bestimmter, schadensabwehrender Vorkehrungen beauftragte Person nicht zum verfassungsmäßig berufenen Vertreter bestellt wurde 2 6 6 . b) Eine gewichtige Rolle spielt der Organisationsmangel vor allem i m Bereich der Warenherstellerhaftung, wo er Anhaltspunkte für eine Verschärfung der Herstellerhaftung besonders beim Vorliegen der sogenannten Konstruktions- und Instruktionsfehler 2 6 7 bietet. „Trotz der Ein264 RG v. 19. 12. 1935 ( V I ZS 324/35, Köln) J W 1936, 915 (Nr. 1); RG v. 10. 10. 1932 ( V I ZS 268/32, Stettin) J W 1932, 3702 (Nr. 1); RG v. 25. 10. 1943 ( I I I ZS 58/43, —) D R 1944, 287 (Nr. 9); B G H v. 10. 5. 1957 (I ZR 234/55, Köln) B G H Z 24, 200 (212 ff.); B G H v. 12. 7. 1977 ( V I ZR 159/75, KG) N J W 1977, 2259 (2260); vgl. noch RG v. 28. 11. 1913 ( I I I ZS 194/13, Darmstadt) Warn. 7 (1914), 50 (51 ff.); RG v. 27. 11. 1916 ( V I ZS 275/16, Darmstadt) RGZ 89, 136; R G v. 1. 4. 1931 ( V I ZS 487/30, Hamm) J W 1932, 2076 (Nr. 9); dazu K r i t i k i m einzelnen Landwehr, Die Haftung der juristischen Person für körperschaftliche Organisationsmängel, AcP 164 (1964), S. 482 (484 ff.) m w N . 265 Landwehr, AcP 164 (1964), S. 482 (insbesondere 499 ff.) hat sich jedoch kritisch dazu geäußert. Er wendet sich gegen die von der Rechtsprechung den juristischen Personen auferlegte Verpflichtung, bestimmte Personen zu Organen zu bestellen u n d dadurch die Haftung nach § 31 B G B zur A n w e n d u n g kommen zu lassen. I m Zusammenhang damit gelten Landwehrs A u s f ü h r u n gen zum großen T e i l der Erbringung des Nachweises, daß die Vorschrift des § 31 B G B auf Verrichtungsgehilfen nicht angewendet werden kann. 266 Siehe ferner Soergel / Zeuner, § 823 Rdnr. 128, S. 898; Reuter, M ü K o , § 31 Rdnrn. 2 f., S. 343 f. 267 Hierzu siehe neuerdings v. Hippel, Verbraucherschutz, § 2 A , S. 39 ff.; Kullmann i n Garthe / K u l l m a n n / Pfister / Seelig, Produzentenhaftung, K Z

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bindung der Produktionshaftpflicht ins Deliktsrecht . . . hat die Warenherstellerhaftung sehr schnell eine eigene Dogmatik entwickelt", stellt Diederichsen zutreffend fest 268 . Diese dogmatische Eigenart der verschärften Produzentenhaftung besteht vordergründig 2 6 9 i n einer Beweislastumkehr, indem entgegen § 823 BGB der Produzent dazu aufgefordert wird, den Nachweis zu seiner Schuldlosigkeit an dem Warenfehler zu erbringen 270 . Grundlegende Bedeutung hierzu besitzt eine Entscheidung des VI. Senats, die i n der Literatur als „Hühnerpestfall" bekannt geworden ist. I n diesem Fall wurde eine Organisationspflichtverletzung angenommen, weil dem Betriebsinhaber der Beweis des Fehlens eines „Organisationsverschuldens" nicht gelang. I h m wurde die Beweislast mit der Begründung auferlegt, er sei „näher daran", „den Sachverhalt aufzuklären und die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen" 2 7 1 . Ferner ist die Möglichkeit einer Freizeichnung von der Produzentenhaftung gegenüber dem verletzten Verbraucher ausgeschlossen272. c) Graf von Westphalen w i l l neuerdings die Grundsätze über die Produzentenhaftung auf die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Hersteller und seinem Kontrahenten erstrecken 273 . Den dogmatischen Weg zu diesem Ergebnis bietet auch hier die „wesentliche Pflicht" des § 9 I I Nr. 2 AGBG. Wie Hans Stoll 27i i n den sechziger Jahren, betrachtet auch Graf von Westphalen die Organisationspflichten als „Kardinalpflichten" — jetzt i m Sinne des § 9 I I Nr. 2 275 . Diese Erkenntnis führt weiterhin dazu, eine strenge Herstellerhaftung nicht nur i m Verhältnis zu dem Geschädigten-Verbraucher, sondern auch zu dem Vertragspartner zu 1520, F I I I , S. 24 ff.; ferner Palandt / Thomas, § 823 A n m . 16 De, dd, S. 843; Mertens, M ü K o , § 823 Rdnrn. 292 ff., S. 1238 ff. 268 Diederichsen, W o h i n treibt die Produzentenhaftung?, N J W 1978, 1281 (1283 Ii. Sp.). 269 Ansonsten siehe Diederichsen, N J W 1978, 1281 (1287 f.). 270 Z . B . : Palandt / Thomas, § 823 A n m . 16 De, ff, S. 844; Mertens, M ü K o , § 823 Rdnrn. 286, 301 f., 309, S. 1236, 1240 f., 1243; Simitis, Gutachten zum 47. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. C 1 ff. (92 ff.). Zuletzt dazu B G H v. 17. 3. 1981 ( V I ZR 191/79, Celle) N J W 1981, 1603 (1605). 271 B G H v. 26. 11. 1968 ( V I ZR 212/66, Düsseldorf) N J W 1969, 269 (275) m i t A n m e r k i m g von Diederichsen = B G H Z 51, 91 = W M 1969, 38; B G H v. 28. 9. 1970 ( V I I I ZR 166/68, Stuttgart) J Z 1971, 29 (30) = W M 1970, 1418; B G H v. 3. 6. 1975 ( V I ZR 192/73, Stuttgart) N J W 1975, 1827 (1828 f.); B G H v. 24. 11. 1976 ( V I I I ZR 137/75, Stuttgart) W M 1977, 79 (81) = B G H Z 67, 359. 272 U. a.: S. Simitis, Gutachten zum 47. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. C 1 ff. (87 ff.); Palandt / Thomas, §823 A n m . 16 De, ee, S. 843; Mertens, Müko, §823 Rdnr. 312, S. 1243; Giesen, Die Haftung des Warenherstellers, N J W 1969, 582 (586); anders n u r Weitnauer, Die Haftung des Warenherstellers, N J W 1968, 1593 (1599 f.). 273 Graf von Westphalen, N J W 1979, 838 (841 ff.). 274 Wie Fußn. 257. 275 Allerdings bezieht er sich lediglich auf die deliktischen Organisationspflichten. *

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begründen. Das tragende Argument für diese personell erweiterte Haftungsverschärfung liefert eine schon vom Bundesgerichtshof i n Betracht gezogene Erwägung: Es sei nicht einzusehen, warum der Vertragspartner besser als ein Dritter gestellt werden solle, obwohl er größere Pflichten als jeder andere Dritte gegenüber dem Besteller habe 276 . M i t diesem Argument a minore ad maius kommt man also zu dem Resultat, daß die Prinzipien der Produzentenhaftung auch zu Lasten desjenigen Herstellers gelten, der m i t dem Geschädigten i n Vertragsbeziehungen steht. Graf von Westphalen geht sogar unter Berufung auf § 9 I I Nr. 2 soweit, daß er dem Verwender/Verkäufer/Werkunternehmer die Freizeichnungsmöglichkeit von dieser Haftung abschneiden w i l l 2 7 7 . Unklar ist es nur, ob er die Anwendung dieser strikten deliktischen Haftungsgrundsätze nur auf den Hersteller-Verwender beschränken oder auf jeden Verwender erstrecken w i l l . Gegen diese letzte Annahme spricht jedoch die Tatsache, daß die von i h m angeführten Gründe zur Rechtfertigung einer so weitgehenden Auslegung des § 9 I I Nr. 2 als unzureichend anzusehen wären. Jedenfalls ist aber das Verdienst von Graf von Westphalen darin zu sehen, daß er angesichts des § 9 I I Nr. 2 die positivrechtliche Begründung einer unabdingbaren Haftimg für Organisationspflichtverletzungen zeigt. Indessen w i r d von der Rechtsprechung, auf die er sich beruft, die Freizeichnungsmöglichkeit von dieser Haftung nicht verneint 2 7 8 , während die Literatur 2 7 9 eine vertragliche Haftungserleichterung zugunsten des Produzenten und zu Lasten seines Vertragspartners durchaus anerkennt 280 .

27β B G H v. 24. 3. 1977 ( V I I Z R 319/75, KG) N J W 1977, 1819 (re. Sp.); zustimmend Schlechtriem, A n m e r k u n g zu dieser Entscheidung, N J W 1977, 1819; siehe ferner B G H (o. Fußn. 271) N J W 1977, 379 (380) = W M 1977, 79 = B G H Z 67, 359. 277 Graf von Westphalen, N J W 1979, 838 (843 f.). 278 Siehe Fußn. 276; vgl. ferner B G H v. 5. 7. 1978 ( V I I I ZR 172/77, Bamberg) N J W 1978, 2241 (2243). Wie hier bewertet auch Schwenzer, Die Freizeichnung des Verkäufers, S. 136 die Rechtsprechung zu der Freizeichnungsmöglichkeit des Produzenten. 279 Wie Fußn. 272. S. Simitis, Gutachten zum 47. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. C 1 (88) hatte schon klargestellt: „Solange es u m die Ansprüche seiner u n mittelbaren Vertragspartner geht, sind (haftungsbefreiende Vereinbarungen) des Herstellers rechtlich begründet. Die Freizeichnung ist dann, soweit sie sich innerhalb der f ü r allgemeine Geschäftsbedingungen bestehenden Grenzen bewegt, ein durchaus legitimes A b w e h r m i t t e l . " 280 I m Hinblick auf den § 11 Nr. 15 u n d i m Rahmen seiner Geltung w i r d dies n u n jedoch i n Abrede gestellt. Hierzu siehe Koch ! Stübing, A G B , § 11 Nr. 15 Rdnr. 8, S. 398; Brandner i n Ulmer / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 15 Rdnr. 11, S. 395 f.; Graf von Westphalen i n L ö w e / G r a f von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 11 Nr. 15 Rdnr. 6, S. 387 f.

§4. Die H a f t u n g f ü r Organisationspflichtverletzungen

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I V . Unabdingbare Haftung für die Verletzung von Organisationspflichten de lege lata

1. Keine Anwendung

des §11 Nr. 7 AGBG

Als wichtigster Anwendungsfall des Freizeichnungsverbots des § 11 Nr. 7 bezüglich der eigenen Haftung des AGB-Verwenders oder seiner leitenden Angestellten w i r d das sogenannte Organisationsverschulden betrachtet 281 . Hält man daran fest, so erscheint eine Freistellung des Verwenders von leicht fahrlässig verursachten Organisationspflichtverletzungen zulässig 282 . Zur Begründung der Unternehmerhaftung in diesem Falle w i r d die Heranziehung der Generalklausel (§ 9 I) insoweit problematisch sein, als die Meinungen darüber geteilt sind, ob der § 11 die Anwendung der Generalklausel ausschließt 283 , abgesehen davon, daß man nicht voraussehen kann, ob und inwieweit im Einzelfall die A n nahme unangemessener Benachteiligung bei leicht fahrlässigen Verletzungen zu bejahen sein wird. Betrachtet man das Freizeichnungsverbot der Nr. 7 näher, so w i r d die Auffassung i n Abrede gestellt, daß es eine Haftung für die Betriebsorganisation mitumfaßt. Große Betriebe werden selbstverständlich nicht allein von dem Unternehmer, sondern auch von einer Reihe von Angestellten, den sogenannten leitenden A n gestellten organisiert. Außerdem können sie aber auch bei der Vertragserfüllung tätig werden; in diesem Falle funktionieren sie als Erfüllungsgehilfen 284 . Diese Funktion der leitenden Angestellten hat das Gesetz berücksichtigt, indem es die Haftung des Verwenders für die Erfüllungsgehilfen geregelt hat. Hätte der Gesetzgeber ihre organisatorische Funktion mitregeln wollen, so hätte er es zum Ausdruck gebracht und neben dem Verwender auch die leitenden Angestellten erwähnt. Daraus läßt sich schließen, daß der AGB-Verwender i m Gesetz nicht als Organisator eines Betriebs, sondern als Vertragspartner seines Kunden angesehen wird. Man kann ferner die leitenden Angestellten i n ihrer organisatorischen Funktion m i t dem Verwender nicht identifizieren und daraus den Schluß ziehen, hinter dem Begriff „Verwender" stecken auch die leiten281 Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. F. 207, S. 269; Stein, Gesetz der A G B , § 11 Nr. 7, Bern. 58, S. 163; Rebmann i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, §11 Nr. 7, Rdnr. 2, S. 128. 282 Siehe Fußn. 249. 283 Die Frage verneinen: Brandner i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 9 Rdnr. 34, S. 203; Dietlein i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, § 9, Rdnr. 5, S. 70; Koch / Stübing f A G B , § 9, Rdnr. 6, S. 147; Löwe i n L ö w e / G r a f von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , Vor §§ 8—»11, Rdnrn. 17 f., S. 130f.; Stein, Gesetz der A G B , § 9 Bern. 9, S. 111; Graba i n Schlosser/ Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 9 Rdnr. 3, S. 203 f.; anderer Ansicht: Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. F. 14, S. 169. 284 Siehe auch: B G H v. 6. 7. 1967 ( I I ZR 31/66, Hamburg) VersR 1967, 1066 (1067, re. Sp. Mitte).

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den Angestellten, da sich ihre Funktion m i t der des Unternehmers kreuzt 2 8 5 . Wenn angenommen wird, daß sie dem Ausdruck „Erfüllungsgehilfe" untergeordnet werden, dann geschieht dies aus dem einfachen Grund, daß sie tatsächlich Gehilfen sind, ohne daß sie sich m i t dem Verwender insoweit identifizieren. Andernfalls sollte man unter dem Begriff „Verwender" oder sogar „Schuldner" immer auch die Erfüllungsgehilfen verstehen, sofern der Verwender an der Vertragserfüllung so intensiv wie diese teilnehmen kann. Für die hier vertretene Auffassung spricht gleichfalls das Wort „Vertragsverletzung" i m Gesetzestext. Aber die Organisationsfehler sind keine Vertragsverletzungen; sie können lediglich dazu führen, ohne m i t einem konkreten Vertrag oder seiner Verletzung in einer weiteren Beziehung zu stehen. Diese Betrachtungsweise läuft nicht darauf hinaus, daß der erste Satz der betreffenden Vorschrift gegenstandslos bleibt. Die Beteiligung selbst an der Vertragserfüllung ist immer noch denkbar; sie könnte freilich von dem Gesetz bei der einheitlichen Regelung der Verschuldenshaftungsgrenzen des Verwenders und seiner Erfüllungsgehilfen nicht unberücksichtigt bleiben. 2. Unabdingbare Haftung nach §911 Nr. 2 AGBG Nach diesen Ausführungen drängt sich die Frage auf, wo die gesetzliche Grundlage der Folgen von Organisationspflichtverletzungen zu suchen ist. Wie auch i n den Entwürfen zum AGB-Gesetz klargestellt w i r d 2 8 6 , soll der § 9 I I Nr. 2 die über die „Kardinalpflichten" ergangene Rechtsprechung konsolidieren. Nachdem die Versuche zu ihrer präzisen Bestimmung und Abgrenzung von den übrigen vertraglichen Pflichten nicht gelungen sind, hat die Darlegung der Judikatur einen Weg zur Lösung des Problems weisen können. Ihre kritische Würdigung sollte zeigen, daß es sich bei den „Kardinalpflicht"Verletzungen nur um solche der Betriebsorganisation handelte. Daß die Organisationspflichten unter die „wesentlichen Pflichten" des § 9 I I Nr. 2 fallen, hängt m i t der Feststellung zusammen, daß sie i n der Tat wesentlich für die Vertragsdurchführung sind. Der Zweck und die „Natur" der vom Unternehmer zu übernehmenden Verträge können dem Richter insoweit behilflich sein, als er m i t ihrer Hilfe die jeweils zu erfüllenden organisatorischen Pflichten sowie ihren präzisen Inhalt bestimmen kann. Was die Frage des 285 Anders vgl. Hans Stoll , I X . Internationaler Kongreß f ü r Rechtsvergleichung (1974), S. 1 (19 f.), der allerdings die Identifizierung vom Aspekt der Zurechnung des Angestelltenverschuldens an den Unternehmer bejaht. 286 Regierungsentwurf, BR-Drucks. 360/75 oder BT-Drucks. 7/3919, Begründung zu § 7 Abs. 2, S. 23; Teilbericht I, Begründung zu § 6 Abs. 2, S. 55 f.; siehe ferner Helm, Z u r Inhaltskontrolle von A G B usw., B B 1977, 1109 (1111); Hanau, MüKo, § 276 Rdnr. 192, S. 601.

§ 4. Die Haftung f ü r Organisationspflichtverletzungen

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Verschuldensgrads angeht, muß man einsehen, daß die Vermutung der unangemessenen Benachteiligung und der Verschuldensgrad insoweit gekoppelt sind, als dem AGB-Verwender ihre Widerlegung auch dann verwehrt sein soll, wenn er sich auf die eigene Fahrlässigkeit oder auf die seiner leitenden Angestellten 287 beruft 2 8 8 . Diese Auffassung läßt sich m i t folgendem Gedankengang begründen. Der dargelegten Rechtsprechung 289 ist die Zurückweisung der Freizeichnung von der Haftung für „wesentliche" Pflichtverletzungen selbst beim Vorliegen leichter Fahrlässigkeit 290 entnommen worden. Wenn nun die „wesentlichen Pflichten" Organisationspflichten sind, dann hat die Judikatur nichts anderes erreicht, als daß sie die Freizeichnungsgrenze hinsichtlich der Organisationspflichtverletzungen festgelegt hat. Dieses Ergebnis kann durch die Berufung auf eine Reihe anderer Entscheidungen, die auch Organisationsmängel betreffen, nicht deshalb rückgängig gemacht werden, weil diese i n der „Kardinalpflicht"lehre nicht erwähnt werden, obgleich die „Kardinalpflicht" sich nicht von dem unterscheidet, was dort Organisationspflicht genannt wird. Es sei wieder an die sich m i t der Bewachung von Schuten befaßte Rechtsprechung zu erinnern, die ein grobes Organisationsverschulden darin gesehen hat, daß die Bewachung nicht ständig durchgeführt wurde. I m Gegensatz dazu ist eine andere BGH-Entscheidung 291 ergangen, wobei es sich ebenso um die Bewachung einer — diesmal m i t Rohreis — beladenen Schute gehandelt hat, die infolge einer vorausgegangenen Leckage am Bewachungsplatz gesunken war. Das Gericht hat hier in der Verletzung der Pflicht zur ständigen Bewachung der Schute eine leichte Fahrlässigkeit des leitenden Angestellten gesehen und die Wirksamkeit der darauf bezogenen Freizeichnungsklausel anerkannt. Dieses Ergebnis bringt noch einmal deutlich zum Ausdruck erstens die m i t der „Kardinalpflicht"lehre verbundenen Unsicherheiten, wobei ein und derselbe Sachverhalt einmal als „kardinale" und einmal nicht als solche Pflicht beurteilt wird, und zweitens die Notwendigkeit der strengen Verschuldenshaftung für wichtige Pflichtverletzungen (Verletzung von Organisationspflichten), so daß einerseits widersprüchliche Entscheidungen ver287 F ü r sie hat er ebenfalls einzustehen, w e i l es nach § 9 I I Nr. 2 auf die unangemessene Benachteiligung wegen wesentlicher Pflichtverletzung ankommt. 288 Vgl. auch G. Raiser , Die gerichtliche Kontrolle, S. 85 unter c über den Einfluß der Zulässigkeit der Freizeichnung überhaupt auf die pflichtgemäße „Sorgfalt bei Einrichtung seines (des Unternehmers) gesamten Betriebes". 289 Vgl. auch oben bei Fußn. 181 ff. 290 So auch: Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., §11 Nr. 7, Rdnr. 31, S. 327; Koch / Stübing, A G B , § 11 Nr. 7, Rdnr. 17, S. 305; Graba i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, AGBG, § 9 Rdnr. 33, S. 222. 291 B G H (o. Fußn. 284) VersR 1967, 1066 f.

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

mieden werden und andererseits der Freizeichnung von den Folgen der Organisationsmängel jedenfalls die Wirksamkeit versagt wird. Wenn ferner der Beweis grober Fahrlässigkeit bei der Betriebsorganisation die Ausnahme darstellt 2 9 2 , so muß man auf die Bekämpfung des Regelfalls, nämlich des leicht verschuldeten Organisationsfehlers, vorbereitet sein. Daran ändert sich nichts, wenn die Gerichte 293 ansonsten versucht haben, die Verwerfung von Freizeichnungsklauseln bezüglich Organisationsmängeln auf das Vorliegen grober Fahrlässigkeit zu begründen. Diese Haltung des obersten Zivilgerichts verwundert um so mehr, wenn man die Rechtsprechung des Reichsgerichts heranzieht 294 , wo bei Organisationsmängeln zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit kaum unterschieden wurde. Nach alledem haftet der Verwender gemäß § 9 I I Nr. 2 für jede fahrlässige Verletzung von Organisationspflichten ohne die Möglichkeit, sich von dieser Haftung freizeichnen zu können 295 .

§ 5. Aspekte des Organisationsmangels im römischen Recht I . Zur Verschuldenshaftung in der klassischen Zeit

Die Kenntnis, Erfahrung, überhaupt die Sachkunde, wie sie besonders deutlich i m „Kunststoff-Folienfall" 2 9 6 zum Ausdruck kommen, stellen Aspekte einer Unternehmensorganisation dar, die i n dieser besonderen Form schon der römischen Jurisprudenz bekannt waren, insofern als es 292

So Wodrich, A n m e r k u n g zu B G H (o. Fußn. 284) VersR 1967, 1067 (1068). B G H (o. Fußn. 12) N J W 1962, 1195 = L M zu § 276 (Db) BGB, Nr. 4; O L G München v. 13. 3. 1969 (1 U 2281/68) W M 1969, 510 f. (Die Bank hätte anordnen sollen, daß zur Einlösung eingereichte u n d auf andere F i r m e n oder auf Behörden ausgestellte Schecks erst dem Abteilungsleiter vorzulegen wären); O L G F r a n k f u r t a. M. (o. Fußn. 137) B B 1976, 1387 (unzureichender Personalbestand); siehe auch B G H v. 5. 7. 1965 ( I I ZR 35/63, Hamburg) VersR 1965, 973 (974f.); HansOLG v. 9. 2. 1967 (6 U 136/66) VersR 1967, 1048 (Leitsatz) = M D R 1967, 771 f. 294 RG (o. Fußn. 244) RGZ 103, 82 ff. (Die beklagte F i r m a hätte dem Fahrer einen Begleiter zur Mitbeaufsichtigung der Fracht mitgeben sollen); RG (o. Fußn. 244) SeuffA Bd. 79, Nr. 101, S. 165 f. (ungenügende Bewachungsmaßnahmen); RG (o. Fußn.. 244) SeuffA Bd. 91, Nr. 85, S. 190 (191 f.) (Das Berufungsgericht hatte das A u f k o m m e n f ü r die Einstellung eines gehörig geschulten u n d unterrichteten Personals vorbehaltlos bejaht, während das RG der Freizeichnungsklausel m i t H i l f e restriktiver Auslegung die W i r k s a m k e i t absagte); siehe auch RG v. 8. 7. 1931 (V ZS 84/31, Hamburg) SeuffA Bd. 85, Nr. 171, S. 321 (322); RG v. 15. 1. 1935 ( V I I ZS 159/34, Hamburg) SeuffA Bd. 89, Nr. 122, S. 257 (259); RG v. 1. 10. 1921 (I ZS 135/21, Köln) RGZ 102, 396f. 295 Insoweit k a n n man den § 9 I I Nr. 2 als Ergänzung von § 276 B G B ansehen. Ä h n l i c h schon L. Raiser , A G B , § 29 I I , S. 308, der sogar eine dahingehende Ergänzung des § 276 B G B vorschlug, „daß ein genereller Ausschluß der Haftung f ü r eigene Fahrlässigkeit unzulässig ist, außer wo der Schuldner damit ungewöhnliche Gefahren übernimmt". 296 Siehe oben bei Fußn. 99 ff. 293

§ 5. Aspekte des Organisationsmangels i m römischen Recht

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dort die sogenannte imperitia-Haftung gab. Imperitia bedeutet Unkenntnis, Unerfahrenheit, Unfähigkeit. W i r d dem Gläubiger ein Schaden zugefügt, der auf der Unerfahrenheit des Schuldners beruht, so trat die strenge imperitia-Haftung ein, die man nach den heute geltenden Haftungsbegriffen als Garantie-, jedenfalls als verschuldensunabhängige Haftung bezeichnen würde 2 9 7 . I m klassischen römischen Recht w a r eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Verschuldensgraden i n der heutigen Form nicht bekannt. Das Haftungssystem zeichnete sich durch eine tatbestandsbezogene Ausgestaltung der Haftung aus 298 . Zwar vergleicht man die römischen Schuldformen dolus und culpa m i t den heutigen Begriffen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit, doch dabei w i r d zugleich die Mehrdeutigkeit der römischen Begriffe sowie „ihre enge Bindung an die Tat" hervorgehoben 299 . Neben der tatbestandsmäßigen Haftungsausgestaltung w i r d das klassische Recht von den bonae fidei iudicia bestimmt, die zu einer vielfältigen, am Einzelfall orientierten Abstufung der Haftungsmaßstäbe beitragen und somit eine Annäherung an eine individuelle Haftungsordnung herbeiführen, wobei die Berücksichtigung persönlicher Umstände der Haftungsbejahung vorangeht 800 . Über die Verschuldenshaftung hinaus gab es i m römischen Recht aber auch Fälle der Garantiehaftung. Den wichtigsten hiervon stellt die sogenannte custodia-Haftung dar. Hier hat der Schuldner Sachen des Gläubigers zu bewachen und für ihr Abhandenkommen oder ihre Schädigung verschuldensunabhängig einzustehen 301 . M i t Blick auf diesen Hintergrund seien die für die imperitia-Haftung geltenden Grundsätze untersucht, über die vor allem die folgenden Stellen der Rechtsquellen Auskünfte liefern.

297 Käser, Das römische Privatrecht I, § 118 I I I 2, S. 509 u n d § 132 V 2, S. 571; derselbe, Römisches Privatrecht (Lehrbuch), § 36 I I I 3, S. 150; Jörs ! Kunkel I Wenger, Römisches Privatrecht, § 109, 2b, S. 177; Nörr, Die Fahrlässigkeit i m byzantinischen Vertragsrecht, § 9, S. 69 f. 298 Jörs / Kunkel / Wenger, Römisches Privatrecht, §109, S. 173 ff.; Käser, Das römische Privatrecht I u n d I I , §118, S. 501 ff. u n d §258, S. 346 ff.; derselbe, Römisches Privatrecht (Lehrbuch), § 36, S. 146 ff.; vgl. ferner v. Lübtow, Untersuchungen, § 7 I I I , S. 105. 299 Käser, Das römische Privatrecht I u n d I I , § 118 I I 4, S. 505 u n d § 258 I V , S. 348 ff. Näheres über die dolus-Haftung sowie über die Entwicklung von einer ausdehnenden Auslegung des dolus-Begriffs zum Auftreten der culpa neben dem dolus bei Käser, Das römische Privatrecht I, § 118 I I I 4a, S. 511 f. 300 Jörs ! Kunkel ! Wenger, Römisches Privatrecht, § 109, 2b, S. 177; Käser, Das römische Privatrecht I, § 118 I I I 3, S. 509 f. 301 Käser, Das römische Privatrecht I, § 118 I I I 2, S. 506 ff.; derselbe, Römisches Privatrecht (Lehrbuch), § 36 I I I 3, S. 149 f.

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel I I . Die Imperitia-Haftung in den Rechtsquellen 2. Die imperitia

als Fall der

culpa

O b w o h l die i m p e r i t i a i n d e n Q u e l l e n als s u b j e k t i v e s K r i t e r i u m e r scheint, das sich u n t e r d e n O b e r b e g r i f f c u l p a s u b s u m i e r e n l ä ß t 3 0 2 , s t r e i t e t m a n d a r ü b e r , ob dies d e r M e i n u n g d e r klassischen J u r i s p r u d e n z e n t spricht. I m ü b e r l i e f e r t e n G a i u s t e x t 3 0 3 h e i ß t es a u s d r ü c k l i c h : I m p e r i t i a c u l p a e 3 0 4 a d n u m e r a t u r 3 0 5 . A l s m a ß g e b l i c h f ü r die E n t s c h e i d u n g d e r F r a g e k a n n j e d o c h folgende Digestenstelle angesehen w e r d e n . D. 19. 2. 9. 5 (Ulp. 32 ad ed.): Celsus etiam i m p e r i t i a m culpae adnumerandam libro octavo digestorum scripsit: si quis vitulos pascendos vel sarciendum quid poliendumve conduxit, culpam eum praestare debere et quod imperitia peccavit, culpam esse: quippe u t artifex, inquit, conduxit 3 0 ·. O b w o h l d i e i m p e r i t i a i n diesem T e x t a u s d r ü c k l i c h i n die c u l p a e i n bezogen u n d s o m i t i h r e Q u a l i f i z i e r u n g z u r G a r a n t i e h a f t u n g 3 0 7 i n A b r e d e g e s t e l l t w i r d , w e r d e n d i e W o r t e : „ e t i a m i m p e r i t i a m culpae a d n u m e r a n d a m " s o w i e „ c u l p a m " 3 0 8 u n d „ c u l p a m esse" v o n e i n e m großen T e i l des S c h r i f t t u m s gestrichen, da sie d e n S a t z b a u s t ö r e n 3 0 9 . I m Gegensatz dazu 302 Arangio-Ruiz, Responsabilità contrattuale, S. 195: nachklassisch. 303 D. 50. 17. 132 (Gaius ad ed. prov.); vgl. ferner D. 9. 2. 8. 1 (Gaius 7 ad ed. prov.) u n d Just, Inst. 4.3.8, w o es u m die Tötung eines fremden Sklaven geht, w e i l ein Maultiertreiber durch Ungeschick die Herrschaft über seine Tiere verlor. Hierzu siehe: Mayer-Maly, Locatio Conductio, S. 158 f.; v. Lübtow, Untersuchungen, § 7 I I I , S. 104 f. 304 Die Echtheit dieser Stelle bestreitet Beseler, Beiträge I V , S. 211. 305 Dieser Satz soll allerdings i n den Zusammenhang der Stellen D. 9.2.7.8 (Ulp. 18 ad ed.) u n d D. 9.2.8 (Gaius 7 ad ed. prov.) gehören: v. Lübtow, Untersuchungen, § 7 I I I , S. 103. Dazu siehe auch Mayer-Maly, Locatio conductio, S. 159. 306 „Celsus schreibt i m achten Buche seiner Digesten: auch Unerfahrenheit ist der Schuld beizuzählen; w e r Kälber zu weiden oder etwas auszubessern u n d zu reinigen i n Verdingung genommen hat, der muss Verschuldung vertreten, und was er aus Unerfahrenheit versehen hat, ist Schuld, w e i l er als ein Kunstverständiger i n Verdingung genommen hat." Otto / Schilling / Sintenis t Corpus juris civilis in's Deutsche übersetzt, 2. Bd., S. 433. 307 Siehe oben Fußn. 297. 308 Ob „culpam" durch das W o r t custodiam ersetzt werden soll, k a n n hier dahinstehen. Dafür hat sich Beseler, Beiträge I V , S. 210 ausgesprochen; i h m folgt Wieacker, Haftungsformen des römischen Gesellschaftsrechts, SZ 54, 35 (47, 49). Dagegen überzeugend v. Lübtow, Catos leges i n Lymbolae Taubenschlag I I I , S. 227 (364); Arangio-Ruiz, Responsabilità contrattuale, S. 196; Pflüger, Z u r Lehre v o n der Haftung des Schuldners nach römischem Recht, SZ 65, 120 (196); Mayer-Maly, Locatio Conductio, S. 159, A n m . 28; Cannata, Studio della responsabilità, S. 249. 309 v. Lübtow, Catos leges i n Symbolae Taubenschlag I I I , S. 227 (364 f.); Beseler, Beiträge I V , S. 210; Arangio-Ruiz, Responsabilità contrattuale, S. 196; Pflüger, SZ 65, 120 (196); vgl. auch Käser, Das römische Privatrecht I, § 118, S. 511, A n m . 65.

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beruft sich Cannata 310 auf die 1. 9 § 5, wo er die Bestätigung seiner A n sicht sieht, daß es den Begriff culpa-imperitia sowohl i m Delikts- als auch i m Vertragsrecht gegeben hat. Dieses Ergebnis w i r d aus einer Analyse zweier unten angeführten Stellen, nämlich der D. 9. 2. 27. 29 und D. 19. 2. 13. 5 abgeleitet. Wenn sich die 1. 27 § 29 auf die aquilische Haftung bezieht, dann bedeutet dies, daß die imperitia einen Fall der iniuria ausmacht. Da aber die römischen Juristen zwischen damnum iniuria datum und damnum culpa datum nicht unterschieden haben, muß man die imperitia i m Rahmen der lex Aquilia i m Sinne eines damnum culpa datum ansehen. Demnach beinhaltet auch die 1. 13 § 5 eine culpa-imperitia, nämlich vertragliche, die nach dem Vorbild der außervertraglichen (aquilischen) culpa-imperitia konzipiert ist. Diesen Standpunkt sieht Cannata i n der 1. 9 § 5 bestätigt, wo die culpa der Hirten und der Werkunternehmer i m Sinne von imperitia konkretisiert ist 8 1 1 . Ferner ist es nicht zuletzt wegen des Celsus-Zitats unangebracht, gegen die Echtheit des D. 19. 2. 9. 5 Einwände zu erheben. Wenn erst Nachklassiker imperitia unter culpa eingereiht hätten, dann wäre dies kaum unter dem Namen des Celsus geschehen. Nach alledem kann man die imperitia-Haftung als einen Fall der culpa betrachten. 2. Der Inhalt und die Freizeichnung von der imperitia-Haftung Anhand der Bearbeitung eines Glasbechers (diatretum) und eines Edelsteins (gemma) werden i n den folgenden Texten die m i t der imperitia zusammenhängenden rechtlichen Probleme angeschnitten. D. 9. 2. 27. 29 (Ulp. 18 ad ed.): Si calicem diatretum faciendum dedisti, si quidem imperitia fregit, damni i n i u r i a tenehitur: si vero non imperitia fregit, sed rimas habebat vitiosas, potest esse excusatus: et ideo plerumque artifices convenire soient, cum eiusmodi materiae dantur, non periculo suo se facere, quae res ex locato t o l l i t actionem et A q u i l i a e . 3 1 2 D. 19. 2. 13. 5 (Ulp. 32 ad ed.): Si vitio Huic tunc 310

gemma includenda aut insculpenda data sit eaque fracta sit, si quidem materiae factum sit, non erit ex locato actio, si imperitia facientis, erit. sententiae addendum est, nisi periculum quoque i n se artifex receperat: enim etsi v i t i o materiae i d evenit, erit ex locato actio. 3 1 3

Studio della responsabilità, S. 248 ff. Cannata , Studio della responsabilità, S. 245 ff. 312 „ W e n n du Jemandem einen Becher auszudrehen gegeben hast, u n d i h n derselbe aus Unerfahrenheit zerbrochen hat, so haftet er wegen widerrechtlichen Schadens; w e n n aber nicht Unerfahrenheit daran Schuld gewesen ist, sondern derselbe fehlerhafte Stellen gehabt hat, so k a n n sich jener damit entschuldigen; darum pflegen auch die Künstler meistenteils auszubedingen, w e n n ihnen Stoffe derart gegeben werden, daß sie die A r b e i t nicht auf ihre Gefahr übernehmen; dieser Umstand wendet alsdann sowohl die Klage aus dem M i e t k o n t r a k t als die Aquilische ab": Otto ! Schilling ! Sintenis, Corpus juris civilis in's Deutsche übersetzt, 1. Bd., S. 777. 311

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

I n diesen beiden Stellen ist eines klar, daß sie nämlich die imperitia den Materialfehlern gegenüberstellen und sie unterschiedlich regeln. Über eine Reihe von Einzelfragen sind jedoch die Meinungen geteilt, mag dies an der Textfassung oder an der Großzügigkeit liegen, mit der man Interpolationsannahmen bejaht hat. Zum besseren Verständnis der Texte muß man m i t Cannata 314 zwei Problembereiche unterscheiden: a) Zunächst geht es u m die Frage der Abgrenzung zwischen Vitium materiae und imperitia, insofern als die Annahme einer imperitia-Haftung auch dann nahe liegt, wenn der Werkunternehmer aus Ungeschicklichkeit die Materialfehler nicht hat entdecken können. I n bezug darauf äußert Haymann 315 starke* Zweifel an der Echtheit sowohl der 1. 27 § 29 (si quidem . . . excusatus) 316 als auch der 1. 13 § 5 (data sit eaque . . . imperitia facientis). Er zieht daraus' den Schluß, daß der Jurist der klassischen Zeit den Handwerker auch für den Schaden einstehen lassen w i l l , der auf die Fehler des i h m überlassenen Materials zurückzuführen ist, „da ja an sich der Handwerker als Fachmann verpflichtet erscheint, die Arbeit an ungeeignetem Material abzulehnen f oder wenigstens einzustellen, solange nicht der von ihm über das Risiko belehrte Kunde trotzdem bei der Bearbeitung beharrt" 3 1 7 . Auch Berneker erkennt eine den Unternehmer belastende Verpflichtung zur Materialprüfung an, ohne daß er jedoch seine Ansicht auf Interpolationsannahmen stützt 3 1 8 . Wenn mangelnde Sachkenntnis und Kunstfertigkeit ausgeschlossen sei, so Berneker* 19, und der Untergang bzw. die Beschädigung des Bechers lediglich auf Fehler des übergebenen Materials zurückzuführen sei, „kann der Unternehmer entschuldigt sein". Hier werde also das Risiko dem Kunden (Besteller) aufgebürdet. Unter Berufung auf das „potest" des D. 9. 2. 27. 29 zeigt Berneker dann, daß diese Risikozuteilung nicht unbedingt, und zwar dann nicht erfolgt, wenn dem diatretarius Schuld 313 „ W e n n ein J u w e l zu fassen oder zu stechen gegeben u n d derselbe zerbrochen worden ist, so findet, w e n n es durch einen Fehler am Steine geschehen, die Klage aus der Verdingung nicht statt, w o h l aber w e n n durch U n erfahrenheit des Arbeiters. Dieser Meinung ist noch hinzuzufügen: außer w e n n der Künstler auch die Gefahr auf sich genommen hatte; denn dann findet die Klage aus der Verdingung auch statt, wenn es an einem Fehler des Steines gelegen": Otto / Schilling / Sintenis, Corpus j u r i s civilis in's Deutsche übersetzt, 2. Bd., S. 435 f. 314 Studio della responsabilità, S. 242 ff. 315 Textkritische Studien I, SZ 40, 167 (190 ff.). 316 Vgl. auch v. Lübtow, Untersuchungen, § 7 I I I , S. 100 ff. 317 Haymann, SZ 40, 167 (191); derselbe, Textkritische Studien I I , SZ 41, 44 (158, A n m . 1); i m Anschluß daran siehe v. Lübtow, Untersuchungen, § 7 I I I , S. 101. 318 F ü r die Echtheit vor allem des „potest esse excusatus" i n der 1. 27 § 29 auch Mayer-Maly, Locatio conductio, S. 194. 319 Die Vertragsklauseln usw., Eranion Maridakis, Bd. I, S. 123 (125 f.).

§ 5. Aspekte des Organisationsmangels i m römischen Recht

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oder imperitia bei der Materialprüfung zur Last fällt 3 2 0 . Dieses Ergebnis w i r d dennoch von Berneker selbst wieder rückgängig gemacht, weil er es als zu hart für den Glasbearbeiter empfindet. So nimmt er schließlich an, daß der diatretarius durch Vereinbarung auch seine imperitia-Haftung, also auch die Folgen seiner Ungeschicklichkeit bei der Materialprüfung ausschließen konnte. Dieses der klaren Fassung des lateinischen Textes widersprechende Ergebnis w i r d weiterhin m i t der spekulativen Annahme der starken Marktposition der diatretarii begründet 321 . I m Gegensatz zu Kaymann und Berneker vertritt Cannata die Auffassung, die Frage der Verpflichtung des Handwerkers zur Ablehnung oder Einstellung der Arbeit an fehlerhaftem Material bestehe zwar, aber sie werde i n D. 9. 2. 27. 29 und D. 19. 2. 13. 5 nicht angeschnitten 322 . Nur der erste Teil der Bernekersc hen Gedanken scheint jedoch der richtigen Auslegung zu entsprechen^ und dies aus zweierlei Gründen: Erstens erfordert sie keine Interpolationsannahmen, und zweitens läuft sie auf ein ähnliches Ergebnis hinaus, zu dem Haymann gelangt, wenn man vom Handwerker nicht erkannte Materialfehler der imperitia-Haftung zuordnet; denn in diesem Fall w i r d eine unbedingte Haftung für jedes schuldhafte Versäumnis des „Künstlers" bei der Materialprüfimg begründet. b) Der zweite Problembereich betrifft die Vereinbarung über den Haftungsausschluß von den Folgen der Unfähigkeit des Unternehmers. Während der „Künstler" in D. 9. 2. 27. 29 eine Haftungserleichterung m i t seinen Kunden zu vereinbaren und sich damit sowohl von der vertraglichen als auch von der deliktischen Haftung zu befreien pflegt, geht D. 19.2. 1 3 . 5 i n die entgegengesetzte Richtung. Hier besteht nämlich die Vereinbarung nicht i n einem Haftungsausschluß, sondern i n einer Haftungsübernahme, indem der artifex die Gefahr auf sich nimmt, auch dann Schadenersatz zu leisten, wenn der Schaden lediglich durch einen Materialfehler entsteht. Nicht zuletzt wegen dieser differenzierten Regelung in den beiden Texten hält Haymann 323 den Schlußsatz des D. 19. 2. 13. 5 für unecht 324 . Demgegenüber geht Arangio-Ruiz zutreffend von der Echtheit beider Texte aus und begründet die unterschiedliche Regelung damit, daß die Risse des Glasbechers i m Gegensatz zu denen des Edelsteins nicht immer kontrollierbar seien 325 . Diese These w i r d durch Bernekers Standpunkt ergänzt. Er leitet seine Begründung aus der an320

Dazu siehe auch Cannata, Studio della responsabûità, S. 243 f. Hierzu siehe auch unten bei Fußn. 326. 322 Cannata, Studio della responsabilità, S. 244. 323 SZ 40, 167 (192). 324 So auch Eise le, Beiträge zur Erkenntnis der Digesteninterpolationen, SZ 10, 296 (311); i h m folgend Mayer-Maly, Locatio conductio, S. 193. 325 Arangio-Ruiz, Responsabilità contrattuale, S. 195. 321

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Kap. I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

geblich stärkeren Marktposition des diatretarius i m Vergleich zu der des Edelsteinbearbeiters ab 3 2 6 . A u f den Wertunterschied zwischen Glas und Edelstein weist Cannata hin, der darin den Grund für das Verhalten der Glasbearbeiter sieht, ihre Haftung auszubedingen 327 . Diese Überlegung ist indessen reichlich spekulativ, und man kann sie keineswegs verifizieren, wie auch Cannata 328 selbst zugibt. Insoweit sollte eine Erklärung oder eine Auflösung des Widerspruchs der beiden Stellen erspart bleiben. Es geht hier vielmehr darum, die Gemeinsamkeiten der angeführten Stellen hervorzuheben, weil diese wertvolle Auskünfte über die imperitia-Haftung liefern. Sowohl der 1. 27 § 29 als auch der 1. 13 § 5 ist zweifellos zu entnehmen, daß die Römer die Haftung für Fehlen der erforderlichen Sachkunde und Erfahrung zur Vertragsausführung als unabdingbar erklärten. I n der 1. 27 § 29 w i r d eine Freizeichnung nur von der Haftung für die Fehler des angegebenen Materials vorgesehen. Eine Befreiung von der imperitia-Haftung ist also eindeutig ausgeschlossen. Hingegen haftet der Edelsteinbearbeiter i n der 1. 13 § 5 für die Materialfehler überhaupt nicht. Eine solche Verantwortung w i r d erst durch Vereinbarung begründet. Demgegenüber bleibt die imperitia-Haftung auch hier aufrechterhalten, und diese Tatsache stellt die erste Gemeinsamkeit zwischen den beiden leges dar. Die zweite besteht darin, daß i n beiden Texten eine Regelung der imperitia-Haftung durch Parteiabreden gar nicht in Betracht kommt. Denn i m diatretumFall kann sie nicht ausgeschlossen werden und i m gemma-Fall ist ihre Übernahme so gut wie überflüssig. Damit stellt man nicht nur fest, daß Aspekte der Organisationspflichtverletzung (Fehlen der erforderlichen Kenntnis, Sachkunde, Erfahrung) den Römern schon bekannt waren, sondern darüber hinaus, daß sie die diesbezügliche Haftung für unabdingbar erklärten 3 2 9 . Die imperitia-Haftung w i r d von Celsus damit begründet 330 , daß der Unternehmer sich zu der Herstellung eines Werks als Fachmann (artifex) verpflichtet hat, der diei dazu erforderliche Kunstfertigkeit und Erfahrung besitzt oder besitzen muß 3 3 1 . Möge er sonst für culpa haften oder nicht, er haftet jedenfalls dafür, daß er diese Kunstfertigkeit und 326

Berneker, Eranion Maridakis, Bd. I, S. 123 (127, 131). Cannata , Studio della responsabilità, S. 245. 328 Studio della responsabilità, S. 244 f. 329 Vgl. auch Mayer-Maly, Locatio conductio, S. 194; v. Lübtow, U n t e r suchungen, § 7 I I I , S. 101. 330 D. 17.2.52.2 (Ulp. 31 ad ed.); Pflüger, SZ 65, 120 (189 f.). 331 Vgl. auch D. 9.2.7.8. (Ulp. 18 ad ed.): Proculus ait, si medicus servum i m perite secuerit, vel ex locato vel ex lege A q u i l i a competere actionem — u n d D. 9.2.8 (Gaius 7, ad ed. prov.); siehe dazu Cannata, Studio della responsabilità, S. 255 f.; v. Lübtow, Untersuchungen, § 7 I I I , S. 103 f.; vgl. ferner D. 9.2.27.34 (Ulp. 18 ad ed.) u n d siehe dazu Cannata, ebenda, S. 252 ff. 327

Zusammenfassung des Kapitels I I

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Erfahrung hat und damit für jeden Schaden, den er aus imperitia und gegen die Regeln seiner*Kunst anrichtet 332 . Das Wort artifex darf schließlich nicht wortgetreu übersetzt werden, denn die römischen Juristen haben darunter einen weiten Kreis von Personen verstanden 333 . Dazu gehören unter anderem^ der Walker, der Schneider, der Viehmeister, der Wäscher, der Baumeister, die mehr oder weniger auch „Künstler" sind 334 . Zusammenfassung des Kapitels I I Die Bedeutung der i m Recht der/allgemeinen Geschäftsbedingungen entwickelten Lehre der „Kardinalpflichten" geht über die bloße Feststellung einer schon längst vorherrschenden Tendenz zur Erweiterung der Haftungsgrenzen· des Verwenders hinaus. Sie dient dazu, einen entscheidenden Schritt i n die Richtung der weiteren Einschränkung seiner Freizeichnungsmöglichkeiten zu machen. Die „Kardinalpflicht"lehre stammt aus der seerechtlichen Rechtsprechung. Die Pflicht z u r . Gestellung eines fahr- und ladungstüchtigen Schiffs w i r d dort als „kardinal" bezeichnet, was bedeuten soll, daß ihre Einhaltung die unerläßliche Voraussetzung für die Vertragserfüllung darstellt. Deshalb w i r d ; s i e als unabdingbar erklärt, auch wenn ihre Verletzung nur auf ein leichtes Verschulden der Hilfspersonen zurückzuführen ist. Diese Grundsätze haben bald i m ganzen Bereich des A G B Rechts Anklang [gefunden, wo man sich ähnlicher Formulierungen bedient, um Haftungsausschlüssen die Wirksamkeit abzusprechen. Die Untersuchung und nähere Analyse der Judikaturfälle zeigt jedoch, daß sich keine „Kardinalpflichten", schon.gar nicht Verwendung von Leerformeln („unerläßliche Voraussetzung für die Vertragserfüllung") nachweisen lassen. I n der Tat geht es dabei u m Organisationspflichten, was die Gerichte bald ausdrücklich anerkannt, bald angedeutet und bald nicht genügend berücksichtigt haben. Sie haben auch nicht gezögert, die Verletzung solcher Pflichten ganz streng — sogar bis zur Ablehnung einer Freizeichnung von der Haftung für leichte Fahrlässigkeit der Bediensteten — zu beurteilen. 332 v. Liibtow, Catos leges i n Symbolae Taubenschlag I I I , S. 227 (364 f.); Pflüger, SZ 65, 120 (196 f.); siehe auch Nörr, Die Fahrlässigkeit i m byzantinischen Vertragsrecht, § 9, S. 69. 333 D. 46.3.31 (7, Disputât): interartifices longa differentia est et ingenii et naturae et doctrinae et insti t u tionis; vgl. v. Lübtow, Catos leges i n Symbolae Taubenschlag I I I , S. 227 (365). 334 Arangio-Ruiz, Responsabilità contrattuale, S. 196: „ L a responsabilità per imperizia e criterio tipicamente applicabile agli artigiane e — i n u n certo senso — anche i l pastore e i l lavendaio e i l rammendatore sono, chi p i ù chi meno, artigiani"; nach Beseler , Beiträge I V , S. 211 ist der H i r t e kein artifex i n dem obigen Sinne.

1 1 2 K a p . I I : „Kardinalpflicht"lehre u n d Organisationsmängel

Vor diesem Hintergrund w i r d der wahre Sinn des § 9 I I Nr. 2 aufgedeckt, der als Norm zur Konsolidierung der vorbekannten Rechtsprechung i n das AGB-Gesetz aufgenommen wurde. Danach kann man von den undurchführbaren Versuchen der Differenzierung zwischen „kardinalen" und einfachen Haupt- oder (und) Nebenpflichten Abschied nehmen, denn die „wesentliche Pflicht" des § 9 I I Nr. 2 erlangt einen konkreten Inhalt: sie bedeutet die Organisationspflicht, deren Wesentlichkeit ein weitergehendes Freizeichnungsverbot als das der Nr. 7 rechtfertigt. Diese Regelung findet Parallelen nicht nur i m modernen Recht — dort vor allem i m Bereich der Warenherstellerhaftung. Interessanterweise kannte auch schon das römische Recht die wichtigsten Aspekte der Organisationspflicht i n der Form der imperitia-Haftung. Ihrer Bedeutung für die Vertragserfüllung wurde damals ' dadurch Ausdruck verliehen, daß die imperitia-Haftung ebenfalls als eine unabdingbare ausgestaltet war.

Kapitel

III

Die sog. DrittWirkung von Haftungsausschlüssen § 6. Auswirkungen einer grundsätzlichen Zulässigkeit der Freizeichnung von leichter Fahrlässigkeit I. Die Problematik im allgemeinen

I m letzten Kapitel wurde festgestellt, daß eine Freizeichnung des Verwenders bei Organisationspflichtverletzungen nicht i n Frage kommt, auch wenn ihm oder seinen Leuten nur leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt. Obgleich damit dem Verwender eine strenge Haftung auferlegt wird, die ein weites Feld abdeckt, bleibt die grundsätzliche Möglichkeit der Befreiung von der Haftung für leicht fahrlässiges Handeln weiterhin offen 1 . Daraus ergibt sich zunächst eine nachteilige Situation für den abhängigen Gehilfen, der den Kunden leicht fahrlässig geschädigt hat und dazu aufgefordert wird, den entstandenen Schaden allein zu tragen. Indessen bleibt auch der Verwender von einer mindestens mittelbaren Inanspruchnahme nicht verschont, die ihren Grund i n arbeitsrechtlichen Grundsätzen hat. Insoweit läuft seine zivilrechtliche Freizeichnung ins Leere. Diesen Divergenzen versucht man, m i t der eigens hierfür entwickelten Theorie zur D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln zu begegnen. Sie soll i n den folgenden Ausführungen näher erläutert und kritisch gewürdigt werden. Danach w i r d untersucht, ob und inwieweit man durch einen Ausbau des i m zweiten Kapitel gewonnenen Ergebnisses eine noch weitergehende unabdingbare Haftung des Verwenders positivrechtlich begründen kann. I I . Der Freistellungsanspruch und die sog. gefahrgeneigte Tätigkeit

Geht man also von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Freizeichnung von leichter Fahrlässigkeit aus, so w i r d sie sich i n der Regel als illusorisch erweisen, nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer des Verwenders dem Kunden einen Schaden zufügt und sich dadurch schadensersatzpflichtig macht. Bei dieser Sachlage steht ihm nach arbeitsrechtlichen 1 Vgl. z.B. Kötz, M ü K o , A G B G § 11 Nr. 7, Rdnr. 63, S. 1503; Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 7 Rdnr. 31, S. 327; Schlosser, AGBG, § 11 Nr. 7 Rdnrn. 35 ff., S. 284 ff.

8 Roussos

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

Grundsätzen ein Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber zu, so daß letzten Endes dieser zur Deckung eines Schadens verpflichtet wird, vor dessen Regulierung er sich durch Freizeichnung geschützt glaubte. Es geht aber nicht nur um die Aushöhlung der Freizeichnung des AGBAufstellers 2 . Auch wenn der Arbeitnehmer i m Endeffekt wahrscheinlich nicht selbst den Schaden zu tragen hat, dürfen die Nachteile und die Gefahren nicht unterschätzt werden, die dem wirtschaftlich und sozial abhängigen Erfüllungsgehilfen dadurch entstehen, daß er einem Schadensersatzanspruch ausgesetzt ist. Diesen Ungereimtheiten des geltenden Rechtssystems versucht man, grundsätzlich durch zwei Alternativen zu begegnen. Man w i l l entweder die Freizeichnung des Verwenders auch dem Arbeitnehmer zugute kommen lassen (sog. D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln) oder auf anderen Wegen 3 die zu Tage tretenden Divergenzen möglichst beseitigen 4 . Wann dem Arbeitnehmer ein Freistellungsanspruch zusteht, ist eine Frage, deren Beantwortung das Arbeitsrecht schuldet. Hier ist das Problem nur in sehr groben Umrissen darzustellen, nämlich soweit dies erforderlich für die Thematik dieser Arbeit ist. Man ist zuerst von der sogenannten gefahr- oder schadensgeneigten Arbeit ausgegangen. Der B G H hat den Freistellungsanspruch i n vollem Umfange dann bejaht, wenn eine leicht fahrlässige 5 Schadenszufügung bei der Durchführung einer solchen Arbeit vorgelegen hat 6 , während eine nur begrenzte Freistellung bei grob fahrlässigen Verletzungen je nach dem Einzelfall nicht ausgeschlossen worden ist 7 . Das B A G hat demgegenüber eine weitere Differenzierung der leichten Fahrlässigkeit i n mittlerer und leichtester vorgenommen, wobei nur die leichteste Fahrlässigkeit eine völlige Befreiung des Arbeitnehmers zur Folge hat 8 . Indessen sind die m i t einem 2 Hierzu siehe insbesondere Helm, Der arbeitsrechtliche Freistellungsanspruch, AcP 160 (1961), S. 134 (139 f.); Gerhardt, Der Befreiungsanspruch, §7, S. 119 ff. 3 Z u m Beispiel durch die Annahme eines Pfändungs- oder Abtretungsverbots des Freistellungsanspruchs an den geschädigten Dritten. Vgl. unten bei Fußn. 276—278. 4 Eine Darstellung dieser Problematik unter anderem bei Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr F. 214, S. 273 f.; derselbe, B B 1969, 297; Helm, AcP 160 (1961), S. 134 ff.; derselbe, Haftung, S. 329 ff. 5 B G H v. 10. 1. 1955 ( I I I Z R 153/53, Frankfurt) B G H Z 16, 111 (120) = A P Nr. 1 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers; B G H v. 8. 12. 1971 ( V I ZR 102/70, Bamberg) A P Nr. 68 (682) zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers; B G H v. 27. 2. 1964 ( I I ZR 179/62, Köln) B G H Z 41, 203 (204); ebenso hatte das R A G v. 18. 12. 1940 (—, 49/40, Tübingen) A r b R S a m m l 41, 55 (61) entschieden. 6 Vgl. auch L A G Bremen v. 23. 1. 1952 (Sa 85/51, Bremen) A P Bd. 1 (1953), Nr. 44 m i t A n m e r k u n g von Dersch; L A G Stuttgart v. 17. 9. 1954 ( I I Sa 141/54, Ulm) A P Nr. 2 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers; L A G F r a n k f u r t a. Μ . v. 4. 1. 1956 ( I I L A 451/55, rechtskräftig) B B 1956, 499. 7 B G H (o. Fußn. 3) B G H Z 16, 111 (120) = A P Nr. 1 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers.

§6. A u s w i r k u n g e n einer zulässigen Freizeichnung

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so u n b e s t i m m t e n A u s d r u c k 9 w i e der d e r g e f a h r g e n e i g t e n A r b e i t v e r b u n d e n e n u n ü b e r w i n d l i c h e n S c h w i e r i g k e i t e n offensichtlich. E i n e k o n k r e t e u n d p r a k t i k a b l e D e f i n i t i o n der schadensgeneigten A r b e i t i s t noch n i c h t g e l u n g e n 1 0 , so daß auch v o n e i n e m V e r z i c h t a u f diesen „ ü b e r flüssigen B e g r i f f " 1 1 d i e Rede ist. D a v o n g e h t d i e A r b e i t Dörings 12 aus, d e r gezeigt hat, daß es i m m e r d o r t u m F ä l l e g r o b f a h r l ä s s i g e r Schadensz u f ü g u n g ging, w o d i e Rechtsprechung d i e A n n a h m e schadensträchtiger A r b e i t a u s d r ü c k l i c h v e r n e i n t h a t , w ä h r e n d es sich b e i i h r e r B e j a h u n g u m l e i c h t fahrlässige V e r l e t z u n g e n h a n d e l t e . I n d e r S c h w i e r i g k e i t d e r D e f i n i e r u n g d e r g e f a h r b e h a f t e t e n A r b e i t m a g auch e i n G r u n d d a f ü r liegen, daß sich h e u t e die S t i m m e n 1 3 f ü r die A n e r k e n n u n g e i n e r a l l g e m e i n e n B e s c h r ä n k u n g d e r H a f t u n g des A r b e i t n e h m e r s a u f V o r s a t z u n d grobe F a h r l ä s s i g k e i t m e h r e n 1 4 , ohne daß M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n 8 Ζ. B.: B A G ν. 19. 3. 1959 (2 A Z R 402/55, Hamm) A P Nr. 8 (84) zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers; B A G ν. 29. 6. 1964 (1 A Z R 434/63, Hamburg) A P Nr. 33 (331) zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers, m i t kritischer A n m e r k u n g von Mayer-Maly; B A G ν. 7. 7. 1970 (1 A Z R 505/69, Hamm) A P Nr. 58 (58e, 7 ) zu § 611 B G B H a f t u n g des Arbeitnehmers; B A G ν. 18. 12. 1970 (1 A Z R 177/70, Baden-Württemberg) A P Nr. 63 (632) zu § 611 B G B Haftung des A r beitnehmers; u n d neuerdings L A G Bremen v. 31. 1. 1979 (2 Sa 194 + 203/78, nicht rechtskräftig) VersR 1980, 1182; siehe auch: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 52 V I 3, S. 221 ff.; Zöllner, Arbeitsrecht, § 19 I I , S. 167 ff. Bedenken gegen eine Dreiteilung des Fahrlässigkeitsbegriffs haben schon Hueck / Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts I, § 35, S. 234, A n m . 43 erhoben. 9 Vgl. auch Heim, AcP 160 (1961), S. 134 (137). 10 Gamillscheg / Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 5, S. 52 u n d § 9, S. 122; Steindorff, Fahrlässigkeit der Arbeitnehmer, JZ 1959, 1 (6); Bringezu, Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung, § 9, S. 66; selbst Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 52 V I 3, S. 221 meint: „es gibt keine gefahrgeneigten A r b e i ten an sich"; vgl. auch Koller, Die Risikozurechnung, S. 408 f. 11 Döring, Arbeitnehmerhaftung u n d Verschulden, § 2 I I I 3, S. 37; vgl. auch Hanau, A n m e r k u n g zu B A G ν. 13. 5. 1970, A P Nr. 56 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers: Der Begriff der gefahrgeneigten A r b e i t könne unter bestimmten Voraussetzungen „ m i t Dank f ü r wertvolle Dienste verabschiedet werden". 12 Arbeitnehmerhaftung u n d Verschulden, § 2 I I I , S. 29 ff. 13 Gamillscheg / Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 9, S. 122 ff.; Bobrowski / Gaul, Das Arbeitsrecht i m Betrieb, Bd. I I , G I I I , Rdnr. 24, S. 45 f.; Bringezu, Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung, § 20, S. 120 ff. u n d besonders § 21, S. 128 ff.; Denecke, Die Frage der Beschränkung der H a f t u n g des A r b e i t nehmers, RdA 1952, 209 ff., der seine Ansicht auch auf § 34 GG zu stützen versucht; L A G Stuttgart (o. Fußn. 4) A P Nr. 2 zu § 611 B G B H a f t u n g des Arbeitnehmers; DGB-Entwurf zum Arbeitsverhältnisrecht, RdA 1977, 166 (169) = Der Betriebsrat 1977 H. 11/12, S. 424 i n § 29 Abs. 1, 3. Gemäß § 29 Abs. 3 haftet immer n u r der Arbeitgeber gegenüber einem D r i t t e n bei Schadenszufügung seitens des Arbeitnehmers außer i m Falle des Vorsatzes; Hanau, A n m e r k u n g zu B A G ν. 13. 5. 1970, A P Nr. 56 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers. 14 Dagegen: Dersch, A n m e r k u n g zu L A G Bremen v. 22. 6. 1949, R d A 1951, 78; derselbe, Arbeitnehmerhaftung bei gefahrbehafteter Arbeit, B B 1956, 501 ff.; Canaris, RdA 1966, 41 ff. Allerdings scheinen diese zeitlich etwas zurückliegenden Ansichten der heutigen Tendenz nicht zu entsprechen. 8*

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

darüber fehlen, wie diese allgemeine Haftungsbeschränkung zu verstehen und dogmatisch zu begründen ist 1 5 . Zuletzt hat Reinhardt 16 i n seiner Monographie den Versuch unternommen, eine allgemeine Enthaltung des Arbeitnehmers für leicht fahrlässige Verletzungen dogmatisch zu begründen. Nach seiner Ansicht entspricht der herkömmliche zivilrechtliche Verschuldensmaßstab der abweichenden Struktur des Arbeitsverhältnisses nicht; denn er setzt das freie Handeln des Schädigers voraus. Diese Voraussetzung entfällt i m Arbeitsverhältnis durch „die ständige auf vielerlei Wege sich auswirkende Einflußnahme des Arbeitgebers auf seinen Vertragspartner" 1 7 . Denck i n seiner neuestens erschienenen Habilitationsschrift befürwortet sogar eine Ausscheidung des Freistellungsanspruchs erst bei vorsätzlicher Herbeiführung der Schadenszufügung. Er stützt seine Ansicht auf die Haftpflichtversicherungsfunktion des Freistellungsanspruchs, indem dieser einen Ersatz für die vom A r beitgeber nicht genommene Haftpflichtversicherung darstellen soll 18 . Diese Feststellung führt dann zu einer analogen Anwendung der §§ 152 V V G und 4 I I 1 AHB, wonach der Versicherer für den vom Versicherungsnehmer verursachten Schaden nur dann nicht haftet, wenn der Versicherte vorsätzlich gehandelt hat. I n der gleichen Weise w i l l Denck den Freistellungsanspruch nur bei vorsätzlichem Handeln des Schädigers-Arbeitnehmers nicht eintreten lassen 19 . Damit läßt sich der Schluß ziehen, daß man heute dazu neigt, eine Befreiung des Arbeitnehmers von seiner Haftung wenigstens dann zu bejahen, wenn er leicht fahrlässig gehandelt hat. Die i n dem Freistellungsanspruch begründete Aushöhlung der Freizeichnung des A G B Verwenders kann daher nicht mehr als sich auf die „Ausnahmefälle" der gefahrgeneigten Tätigkeit beschränkend angesehen werden. Demzufolge scheint die Argumentation von Schmidt-Salzer nicht zuzutreffen, daß nur beim Vorliegen einer solchen Arbeit und somit nur ausnahms15 Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, § 8, S. 304 f., meint: E i n gewisses geringeres Maß schädlichen Verhaltens müsse haftungsfrei bleiben, w e n n ein solches dem durchschnittlichen menschlichen Verhalten entspreche, ohne daß er diesen Grundsatz n u r auf Fälle gefahrgeneigter A r b e i t beschränkt (S. 305, A n m . 1); Scheuerle, Der arbeitsrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff u n d das Problem des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, RdA 1958, 247 ff. (insbesondere 251 ff.) vertrat den Standpunkt, daß die Grundsätze über gefahrgeneigte Betriebe eine sehr weite Geltung beanspruchen sollten. F ü r die Gefahrneigung sollte eine allgemeine Vermutung sprechen, die sich n u r i n Ausnahmefällen entkräften lasse. F ü r einen arbeitsrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff auch Steindorff, J Z 1959, 1 (4 ff.). Nach seiner Ansicht hängt die Haftung des Arbeitnehmers ausschließlich davon ab, ob sich die Schadenstiftung als t y p i sche A b i r r u n g einer Dienstleistung erweist. 16 Die dogmatische Begründung, insbesondere § 12, S. 165 ff. 17 Reinhardt, Die dogmatische Begründung, § 14, S. 210. 18 Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 256 ff. 19 Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers v o r der Außenhaftung, S. 265.

§ 7. Die Rechtsprechung

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weise i m konkreten Einzelfall eine D r i t t w i r k u n g gerechtfertigt wäre 2 0 . A n dieser Stelle kann man aber wohl eine allgemeine Bemerkung wagen, die später näher zu erörtern und zu begründen ist. Wenn man nämlich die Frage der Anerkennung oder der Ablehnung der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln stellt, dann zeichnet sich schon darin eine eher einseitige Orientierung zur Lösung des Problems ab. Die Einseitigkeit ist darin zu sehen, daß man zuerst grundsätzlich von einem Schutz der Interessen des AGB-Verwenders ausgeht, und zwar insofern, als man die Reichweite seiner Freizeichnung nicht einengen w i l l . Dieses Ziel läßt sich dann entweder zu Lasten der Kundeninteressen 21 (Zubilligung der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln) oder zu Lasten der A r beitnehmerinteressen (Ablehnung der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln) erreichen. Ob und inwieweit i m letzten Fall ein Freistellungsoder Erstattungsanspruch gegen den AGB-Verwender/Arbeitgeber besteht, ist eine nach dem oben Gesagten vom Arbeitsrecht zu entscheidende Frage. I n den folgenden Ausführungen soll zunächst untersucht werden, ob und inwieweit der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der D r i t t w i r k u n g eine angemessene und zugleich dogmatisch akzeptable Lösung dieses Interessenkonflikts gelungen ist. § 7. D i e Rechtsprechung zu der sog. D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln I . Die seeschiffahrtsrechtliche Rechtsprechung

Den Anlaß zur Auseinandersetzung der Rechtsprechung m i t der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln haben bisher hauptsächlich das Seeschiffahrtsrecht und das Recht der Wagenvermietung geliefert. Darüber hinaus können als Einzelfälle noch die bekannten und viel diskutierten Monteur- und Wachmanfälle angesehen werden. Zunächst wenden w i r uns der seeschiffahrtsrechtlichen Rechtsprechung zu. Eine grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist am Anfang der sechziger Jahre ergangen. Sie ist als Schiffsführerfall 22 bekannt geworden. Darauf folgten andere höchstrichterliche Entscheidungen, wobei es sich stets u m die Ausdehnung einer Freizeichnungsklausel auf den Schiffsführer (gegebenenfalls auch auf den Unterfrachtführer) handelte. Aus diesem Grund w i r d diese Entscheidung hier nicht als Schiffsführer-, sondern als Eisenwändefall behandelt. 20

Schmidt-Salzer, B B 1969, 297 (298). Daß nach den Grundprinzipien des AGB-Rechts die Kundenseite m i t besonderem Nachdruck zu berücksichtigen ist, braucht hier k a u m hervorgehoben zu werden. 22 Siehe Helm, Die Ausdehnung des Schutzbereichs A G B auf die Haftung der Arbeitnehmer, AcP 161 (1962), S. 516 (527). 21

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen 1. Die Stellung des II. Senats zu der sog. Drittwirkung von Freizeichnungsklauseln a) E i s e n w ä n d e f a l l 2 3

Die F i r m a P. beauftragte die F i r m a X . m i t dem Transport von Eisenkonstruktions-Großteilen (eisernen Bunkerwänden). Der Transport sollte von der Beklagten als Unterfrachtführerin durchgeführt werden. A u f g r u n d einer fehlerhaften Stauung der schweren u n d gefährlichen Ladung kenterte u n d sank das Schiff. Die K l ä g e r i n als Transportversicherer nahm die Beklagte u n d dessen Schiffsführer i n Anspruch. Diese haben sich auf den Ausschluß ihrer H a f t u n g gemäß § 20 der Konnossementsbedingungen (KB) berufen. b) B l e c h f a l l 2 4 Dem beklagten Schiffsführer wurde vorgeworfen, während des Transports einer nässeempfindlichen Partie Bleche die L u k e n i m strömenden Gewitterregen geöffnet u n d die L a d u n g beschädigt zu haben. Der Beklagte berief sich auf die Bedingungen eines „Connaissement", wonach unter anderem jede Haft u n g des Reeders f ü r solche Schäden ausgeschlossen war. c) R o h t a b a k f a l l 2 5 Der transportierte Tabak e r l i t t Geruchsschäden. Der Verfrachter, der Schiffseigner-Unterfrachtführer u n d der Schiffsführer w u r d e n von dem geschädigten Unternehmen i n Anspruch genommen. Obwohl es i n diesem F a l l u m die Ausdehnung einer Verjährungsklausel ging, entbehrt er auch i m Rahmen der Verschuldensfreizeichnungsklauseln nicht des Interesses. Dies läßt sich schon an der Fassung des Leitsatzes erkennen 2 6 . I n a l l e n d r e i F ä l l e n h a t t e n sich d i e G e r i c h t e m i t d e r F r a g e der E r streckung der Freizeichnungsklausel auf den Schiffsführer (teilweise auch a u f d e n U n t e r f r a c h t f ü h r e r ) auseinandergesetzt, obgleich diese i n k e i n e r l e i B e z i e h u n g e n z u m Geschädigten standen. H i n s i c h t l i c h d e r A n t w o r t a u f diese F r a g e s o l l schon j e t z t d a r a u f h i n g e w i e s e n w e r d e n , daß sich k e i n e e i n h e i t l i c h e L i n i e i n d e r Rechtsprechung e r k e n n e n l ä ß t ; d e n n d i e B e r u f u n g d e r i n A n s p r u c h G e n o m m e n e n a u f eine s u b j e k t i v e r w e i terte Freizeichnungsklausel hat manchmal Z u b i l l i g u n g gefunden u n d ist m a n c h m a l a u f A b l e h n u n g gestoßen. Z u n ä c h s t w u r d e sie v o n der z w e i t e n I n s t a n z i m B l e c h f a l l zurückgewiesen, ohne daß die B e g r ü n d u n g h i e r f ü r i n der die gegenteilige A u f f a s s u n g v e r t r e t e n d e n u n d v e r ö f f e n t l i c h t e n B G H - E n t s c h e i d u n g n ä h e r d a r g e l e g t w u r d e . D a n a c h h a t d i e erste R e v i 23 B G H v. 7. 7. 1960 ( I I Z R 209/58, RhSchOG Köln) VersR 1960, 727 ff. = M D R 1960, 907 f. 24 B G H v. 21. 1. 1971 ( I I ZR 147/68, SchOG Hamm) VersR 1971, 412 f. 25 B G H v. 28. 4. 1977 ( I I ZR 26/76, Karlsruhe — 2. Revisionsentscheidung) VersR 1977, 717 f. 26 „ Z u r A n w e n d u n g von Haftungserleichterungsklauseln des Frachtführers zugunsten des Unterfrachtführers u n d des Schiffers".

§ 7. Die Rechtsprechung

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sionsentscheidung zum Rohtabakfall 2 7 der betreffenden Klausel die Ausweitung verweigert 2 8 , ansonsten wurde die D r i t t w i r k u n g bejaht. 2. Die Begründung der Drittwirkung von Freizeichnungsklauseln I m Eisenwändefall haben sowohl das Berufungsgericht als auch der B G H versucht, ihre positive Stellungnahme zu dem Problem dogmatisch durch die Konstruktion eines pactum de non petendo zu rechtfertigen. Der Gläubiger könne sich gegenüber dem Schuldner verpflichten, einen (auch künftig erst entstehenden) Anspruch nicht geltend zu machen, und durch Vertrag zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB) könne auch bedungen werden, daß dem Dritten ein unmittelbarer Unterlassungsanspruch gegen den Gläubiger auf Nichtgeltendmachung des Haftungsanspruchs zustehen soll. Dadurch wurde für den Dritten eine Einrede begründet, die der Geltendmachung des Haftungsanspruchs entgegensteht. Ob das i m Einzelfall gewollt sei — so das Berufungsgericht —, müsse durch Auslegung ermittelt werden. A u f die hier angeschnittene Frage der dogmatischen Grundlage der Annahme einer erweiterten Freizeichnungsklausel ist später i m einzelnen einzugehen. I n diesem Zusammenhang braucht nur darauf hingewiesen zu werden, daß die Gerichte sich zur Begründung der D r i t t w i r k u n g ausdrücklich auf das pactum de non petendo berufen haben, bis auf den Blechfall, wo es zwar an einer ausdrücklichen Berufung darauf fehlt, aber sie läßt sich vermuten. Zu der Auslegung der jeweils streitigen Freizeichnungsklauseln gilt es zu sagen, daß die Gerichte darin einig waren, daß Wortlaut und Zweck der Vereinbarung sowie die Interessenlage dafür sprechen, auch den Unterfrachtführer und den Schiffsführer in die Freizeichnung einzubeziehen. Diese Auslegung sei in den beteiligten Wirtschaftskreisen anerkannt und üblich 29 . Diese Rechtsprechung wurde neuerdings vom zweiten Senat noch einmal bestätigt 30 . Dabei ging es wiederum um die Ausdehnung einer Haftungsbeschränkung auf den Schiffsführer. Seine Berufung auf die haftungsbefreiende Klausel, die zugunsten des Reeders vereinbart worden war, wurde anerkannt. Der Vertragszweck sowie die Interessenlage gebiete es auch hier — so der B G H —, die Klauseln Dritten zugute kommen zu lassen 31 . Dieses Ergebnis w i r d hier vor allem hergeleitet aus 27

B H G V. 21. 10. 1971 ( I I ZR 157/69, Karlsruhe) VersR 1972, 40 f. Hierzu vgl. noch König, ZfBinnSchF u. Wasserstraßen 1978, 343 (352, A n m . 79). 29 Es ist allerdings i n der Rechtsprechung streitig, ob u n d i n w i e w e i t eine derartige Übung besteht u n d zu berücksichtigen ist. Näher dazu unten bei Fußn. 75 ff. 30 B G H v. 26. 11. 1979 ( I I ZR 191/78, Köln) VersR 1980, 572 (573). 31 Daß der Reeder u n d der K a p i t ä n i m vorliegenden F a l l zufällig dieselbe Person war, ändert daran nichts. 28

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

der beschränkten finanziellen Leistungskraft des Besatzungsmitglieds sowie aus dem Mißverhältnis zwischen seinem Entgelt und den m i t seiner Tätigkeit zusammenhängenden Risiken 32 . Man merkt schon, daß hier alles (Wortlaut, Sinn und Zweck der Klausel, Übung in der Rheinschifffahrt) eilig und ohne nähere Begründung zur Rechtfertigung einer Auffassung herangezogen worden ist. Zunächst gilt es jedoch zu sagen, daß der Wortlaut der Freizeichnung keine Anhaltspunkte 3 3 für die Annahme einer Ausdehnung bietet 34 . I m Gegenteil gelangt man zu anderen Ergebnissen, wenn man vom Wortlaut des § 20 K B ausgeht. Zunächst ist nirgendwo die Rede von einer Geltung des Haftungsausschlusses für den Unterfracht- oder für den Schiffsführer 35 . Bezüglich des letzteren ist sogar auf folgende Stelle der Klausel hinzuweisen: „Vorstehender Haftungsausschluß erstreckt sich auch auf ein etwaiges Verschulden der Angestellten der Reederei, denen die Einteilung der Schiffe zur Beladung und die Zusammenstellung der Schleppzüge obliegt." M i t einem argumenta a contrario kann man daraus schließen, daß der Haftungsausschluß sich nicht auf die Schiffsführer erstrecken soll, zumal wenn es sich u m Schiffsführer des Unterfrachtführers handelt. Aber dann kommen die Worte des BGH: Nicht der Wortlaut der Freizeichnung, sondern nur ihr Sinn und Zweck können entscheidend sein 36 ; dieser Auslegungsgrundsatz könne auch bei der an sich gebotenen einschränkenden Auslegung von Freizeichnungsklauseln nicht unbeachtet bleiben. Die A u f fassung des Berufungsgerichts werde schon von seiner getroffenen Feststellung getragen, daß Freizeichnungsklauseln für die Reederei nach allgemeiner Auffassung und Übung i n der Rheinschiffahrt auch zugunsten der Schiffsführer gelten. Einen dahingehenden allgemeinen Grundsatz, daß der Wortlaut für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht entscheidend ist, gibt es nicht. U m den wirklichen Willen der Partei herauszufinden, muß man als Ansatzpunkt den Wortlaut der betreffenden Klausel nehmen 37 . Daran ändert sich nichts, wenn er „vom Sinn her korrigiert werden" 3 8 soll. Dies bedeutet, daß eine Berufung auf den Sinn und Zweck einer Klausel nicht erlaubt ist, solange die Unklar32 Hierzu vgl. Hanau, A n m e r k u n g zu B A G ν. 3. 2. 1970, A P Nr. 533 zu § 611 B G B H a f t u n g des Arbeitnehmers; Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 19 f. 33 So auch Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (517). 34 Dies gilt auch f ü r den A r t . 16 der i n französischer Sprache gefaßten Konossementsbedingungen i m Blechfall; vgl. ferner O L G Düsseldorf v. 24. 11. 1966 (18 U 48/66) VersR 1968, 551 (552). 35 Diese Bemerkung betrifft auch die Verlade- u n d Transportbedingungen einer Reederei (insbesondere §§ 19, 20), die i n VersR 1957, 774 abgedruckt sind. 36 Vgl. hierzu Brandner, Die Umstände des Einzelfalles bei der Auslegung u n d Beurteilung v o n AGB, AcP 162 (1963), S. 237 (239). 37 Siehe Schmidt-Salzer, Geschäfts- und Versicherungsbedingungen, S. 161 ff. u n d 188 ff. 38 Schmidt-Salzer, AGB, Rdnr. E. 40, S. 148.

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§ 7. Die Rechtsprechung

heit, die Zwei- oder Vieldeutigkeit ihres Wortlauts nicht nachgewiesen wird 3 9 . Ergibt sich aus ihrer Fassung eine unzweifelhaft klare Bedeutung, so darf sie m i t Hilfe irgendeines wirtschaftlichen Sinns und Zwecks nicht beseitigt werden 40 , wenn man sich nicht dem Vorwurf aussetzen w i l l 4 1 , die Auslegung dafür mißbraucht zu haben, den wirklichen i n einen gewünschten Willen zu verwandeln. 3. Der Konflikt

zwischen objektiver

und restriktiver

Auslegung

Auch wenn der Wortlaut der Freizeichnungsklausel i m Hinblick auf Sinn und Zweck hätte ergänzt werden müssen, würde ein nach Ansicht des Gerichts bestehender Konflikt zwischen objektiver Ergänzung und dem Prinzip der restriktiven Auslegung wenigstens theoretisch kaum anzunehmen sein. A u f die grundlegende Arbeit von L. Raiser 42 geht der noch heute anerkannte Grundsatz zurück, daß der Unklarheitenregel 43 gegenüber der objektiven Auslegung (Ergänzung) subsidiäre Funktion zukommt. Aber restriktive Auslegung bedeutet hier Ablehnung der Drittwirkung, und somit läuft sie auf eine für den Unternehmer ungünstige Auslegung hinaus. Damit zeigt sich, daß in diesem Zusammenhang Restriktionsprinzip und Unklarheitenregel zum gleichen Ergebnis führen 4 4 und demzufolge beiden die Subsidiaritätsfunktion 45 zukommt 4 6 . Nach diesen Feststellungen scheint die Überlegung des Gerichts auf den ersten Blick fragwürdig, daß eine Interpretation nach Sinn und Zweck trotz der „an sich gebotenen einschränkenden Auslegung von Freizeichnungsklauseln" nicht unbeachtet bleiben kann. Nach der anerkannten Subsidiaritätsregel ist also hier eine enge Auslegung nicht geboten, so39 Siehe u. a.: L. Raiser , A G B , § 24, S. 254, 258; Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. E. 41, S. 148 f.; Kötz, M ü K o , A G B G , § 5 Rdnr. 5, S. 1429. 40 Vgl. Helm, Haftung, S. 334. 41 Vgl. hierzu: L . Raiser , AGB, §24, S. 251, 265ff.; derselbe, Generalreferat i n Arbeiten zur Rechtsvergleichung 41, S. 123 (132 f.); Löwe i n L ö w e / G r a f von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 5 Rdnr. 6, S. 111 f.; Schlosser i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 5 Rdnr. 5, S. 154; Ulmer i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 5 Rdnrn. 2, 3, 19, S. 142 f., 150; Kötz, M ü K o , A G B G § 5 Rdnr. 7, S. 1429 f.; Brandner, AcP 162 (1963), S. 237 (246). 42 A G B , § 24, S. 265. 43 Sie besagt: Unklarheiten i n A G B gehen zu Lasten des Verwenders (§ 5 AGBG). 44 So auch Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (523). 45 Siehe auch Stein, Gesetz der A G B , § 5 Bern. 16, S. 94. 46 Hier braucht nicht auf den Streit darüber eingegangen zu werden, i n welchem Verhältnis i m allgemeinen Restriktions- u n d Unklarheitenregel zueinander stehen, sowie ob sie selbständige Auslegungsgrundsätze bilden; hierüber siehe u. a.: Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. E. 51, S. 58f.; Ulmer i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 5, Rdnr. 12, S. 147; Koch / Stübing, A G B , § 5 Rdnr. 6, S. 118. Dazu siehe jetzt Sambuc, Unklarheitenregel u n d enge Auslegung v o n AGB, N J W 1981, 313.

122

Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g v o n Haftungsausschlüssen

fern ein eindeutiger Sinn 4 7 aus der objektiven Auslegung 48 (Ergänzung) gewonnen wird. Gleichzeitig darf aber nicht vergessen werden, daß der Ermittlung des Sinns und Zwecks einer Klausel eine angemessene Berücksichtigung der beiderseitigen Belange 49 zugrunde liegt. Das heißt also, einen angemessenen Interessenausgleich als Ziel der Auslegung zu setzen. Diese Zielsetzung führt dazu, daß man von der Seite des AGBVerwenders her gesehen nach dem wirtschaftlichen Sinn und Zweck der Klausel sucht, während die Kundenseite die Forderung nach einer Einschränkung desselben stellt 5 0 . Hier taucht also schon das Restriktionsprinzip auf, so daß seine Bezeichnung als subsidiäre Regel sich als theoretische Nuancierung erweist 51 . Ein zweiter Gesichtspunkt dazu ist sogleich hervorzuheben. Wenn strenge Auslegung bedeutet, sich streng an den Wortlaut zu halten 5 2 , so w i r f t sich die Frage auf, ob sie (die restriktive Auslegung) infolge der obigen Ausführungen über den Wortlaut 5 3 nicht als erste für die Auslegung der betreffenden Klausel i n Betracht kommt. Berechtigt ist deshalb die Frage von Helm 54, wann die Regel der objektiven Auslegung und wann die subsidiären Regeln zur Anwendung kommen sollen. Dem Problem ist nicht Genüge getan, wenn man sich auf den Satz beschränkt, der Sinn und Zweck der Klausel müsse trotz der gebotenen engen Auslegung nicht unberücksichtigt bleiben. Dazu führte der B G H (im Eisenwändefall) aus: Der in § 20 K B enthaltene Haftungsausschluß wäre ohne weiteres zum Zuge gekommen, wenn die Firma X. den Transport m i t ihrem eigenen Schiff durchgeführt hätte. Die Interessenlage habe sich nicht dadurch geändert, daß für den Transport ein Schiff der Beklagten verwendet worden sei. Denn für die Firma P. könne es gleichgültig sein, wem das Schiff gehörte. Wenn die 47 Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 5, Rdnr. 8, S. 113; Schmidt-Salzer, Geschäfts- u n d Versicherungsbedingungen, S. 197 ff. (insbesondere S. 202 f., 212); Schlosser, AGBG, § 5 Rdnr. 17, S. 103; siehe auch Fußn. 39; anderer Ansicht allerdings Ulmer i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 5 Rdnr. 12, S. 147. 48 Kritisch zu dem Grundsatz der objektiven Auslegung: Brandner, AcP 162 (1963), S. 237 ff.; Emmerich, JuS 1972, 361 (365 f.). 49 Schmidt-Salzer, A G B , Rdnrn. E. 46 ff., S. 153 ff.; Ulmer i n U l m e r / B r a n d ner /Hensen, A G B Komm., § 5, Rdnrn. 6, 9, S. 145, 146; Fehl, Systematik des Rechts der A G B , § 4, S. 100 f. 50 Schmidt-Salzer, A G B , Rdnrn. E. 47 f., S. 154 ff. 51 Hierzu siehe Sambuc, N J W 1981, 313 (insbesondere 315 f.), der nicht zu Unrecht vorschlägt, das Restriktionsprinzip von AGB-Freizeichnungsklauseln oder gar von A G B allgemein fallen zu lassen, insofern es mehr als die U n klarheitenregel besagen solle. Denn insoweit greife die Inhaltskontrolle ein, die einen effektiveren Kundenschutz biete. Vgl. ferner Fehl, Systematik des Rechts der A G B , § 4, S. 101; Löwe, Das Gesetz zur Regelung des Rechts der A G B , JuS 1977, 421 (424 Ii. Sp.). 52 So Weber, A G B , Rdnr. Ν 331, S. 364. 53 Siehe oben bei Fußn. 33—36. 54 AcP 161 (1962), S. 516 (524).

§ 7. Die Rechtsprechung

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Firma P. den Haftungsausschluß für den Transport vereinbare und sogar wisse, daß ein Lahnschiff für ihn verwendet wurde, so müsse nach vernünftiger Betrachtungsweise der Wille der Vertragsschließenden dahin angenommen werden, daß der Haftungsausschluß nicht nur der Firma X., sondern auch der Beklagten als der „Reederei" zugute kommen solle 55 . Daraus schließt Helm 5* offensichtlich, daß die Entscheidung darüber, wann objektive und wann restriktive Auslegung anzuwenden ist, davon abhängt, ob der Zweck und Sinn der zu interpretierenden Klausel dem Vertragspartner erkennbar 57 gewesen ist. Nach seiner A n sicht verbürgt die Formel der Erkennbarkeit, daß die Interessen des Vertragspartners berücksichtigt werden können. Sinn und Zweck allgemeiner Geschäftsbedingungen sei es regelmäßig, den zu schützen, der sie aufstelle. Die Auslegung könne sich an diesem einseitigen Zweck nur orientieren, wenn der Vertragsgegner wenigstens wisse, worauf er sich einzustellen habe. Die Einseitigkeit dieser Betrachtungsweise liegt indessen auf der Hand 5 8 . Der Schutz des AGB-Verwenders durch seine Geschäftsbedingungen entspricht sicherlich seinen Absichten. Es kann jedoch nicht den wirtschaftlichen Sinn und Zweck der allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellen, auch wenn man auf das „Wissen" des Vertragspartners abstellt. Die „Erkennbarkeit" erweist sich dann insoweit als Leerformel, als jeder durchschnittliche Vertragspartner weiß, daß der Zweck der allgemeinen Geschäftsbedingungen eine einseitige Interessen ver folgung zugunsten des Aufstellers ist. Daß er den Vertrag m i t dem Verwender trotzdem eingeht, liegt bekanntlich an anderen Gründen wie etwa daran, daß er entweder nur an eine normale Vertragsabwicklung denkt oder i m Notfall m i t Hilfe des Gesetzes oder des Richters rechnet 59 . Übrigens versteht man unter Sinn und Zweck lediglich den objektiven, wirtschaftlichen 60 , und nicht den Zweck, den der AGB-Verwender bei der Aufstellung seiner Bedingungen vor Augen hatte 61 , nämlich i m allgemeinen die Verfolgung seiner eigenen Inter55

774. 56

Ebenso L G Duisburg (RhSchG) v. 15. 3. 1957 (3 C 3/56, BSch) VersR 1957,

A c P 161 (1962), S. 516 (524, 533 ff.). L . Raiser , A G B , § 24, S. 254; Schmidt-Salzer, Geschäfts- u n d Versicherungsbedingungen, S. 188 ff. 58 Ebenso Schmidt-Salzer, Geschäfts- u n d Versicherungsbedingungen, S. 193. 59 Vgl. Schmidt-Salzer, N J W 1971, 1010; Brandner, AcP 162 (1963), S. 237 (251). eo Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum AGBG, § 5 Rdnr. 5, S. 111; Schmidt-Salzer, Geschäfts- u n d Versicherungsbedingungen, S. 191 ff.; derselbe, A G B , Rdnrn. E. 40 ff., S. 148 ff.; Soergel / Hefermehl, § 133 Rdnr. 28, S. 608; Kötz, M ü K o , A G B G , § 5 Rdnr. 2, S. 1427; vgl. auch L. Raiser , AGB, § 24, S. 252 f.; Pinger, M D R 1974, 705 (707). β1 Schmidt-Salzer, Geschäfts- u n d Versicherungsbedingungen, S. 192 f., hat schon zutreffend davor gewarnt, daß die Auslegung einer A G B - K l a u s e l nach ihrem wirtschaftlichen Sinn u n d Zweck keineswegs eine Berücksichtigung des 57

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

essen62. Dies würde auch der Rechtsnatur der allgemeinen Geschäftsbedingungen und dem sich daraus ergebenden Grundsatz der Nichtanwendung der für die Gesetze geltenden Auslegungsregeln 63 nicht entsprechen. Die unzulässige Abweichung von diesem Grundsatz würde dann darin bestehen, daß man den vom Aufsteller verfolgten Zweck berücksichtigen würde 6 4 . Nur bei Heranziehung dieser Gesichtspunkte kann das K r i t e r i u m der „Erkennbarkeit" Bedeutung erlangen 65 . Abgesehen davon bezieht sich das Wissen des Vertragspartners i m vorliegenden Fall nicht auf den objektiven Sinn und Zweck der Klausel. Er wußte lediglich, daß ein anderes Schiff als das seines Beauftragten für den Transport verwendet wurde. Es ist nun sehr zweifelhaft, ob er damit auch dem Unterfrachtführer und sogar dessen Schiffsführer einen Haftungsausschluß einräumen wollte oder ob ihm ein solcher erkennbar war®6. Die Annahme eines dahingehenden Willens entbehrt nicht der Willkür. I m Gegenteil würde man das Auftreten mehrerer Personen für die Durchführung des Auftrags als eine zusätzliche Garantie für den Vertragspartner auffassen können, i n dem Sinne, daß, wenn der eine nicht haftet, dann w i r d wohl der andere haften. Wenn aber m i t der Erkennbarkeitsformel nicht geholfen werden kann, ist es zu prüfen, ob dem Gericht die Bestimmung des wirtschaftlichen Sinns und Zwecks der Freizeichnungsklausel gelungen ist, so daß man nach Abwägung des nach Einschränkung drängenden Kundeninteresses und des zur Ausweitung tendierten Verwenderinteresses einen angemessenen Ausgleich erreicht. I m Hinblick auf diese Frage muß nur wiederholt werden, daß der Wortlaut der in der Diskussion stehenden Klausel keine Anhaltspunkte für eine Zweck- und Sinnauslegung bot 6 7 . Übrigens hat sich der B G H zwar auf eine derartige Interpretation berufen, sie aber nicht eingehend begründet. Man muß sogar m i t Heim 6 8 als interessant bezeichnen, daß der B G H auf einige vom Berufungsgericht aufgegriffene allgemeine Gedanken nicht zurückgekommen ist. Sie bezogen sich auf arbeitsrechtliche Gesichtspunkte, deren Heranziehung der Rechtfertitypischerweise von einem Unternehmer des betreffenden Wirtschaftszweiges m i t derartigen Klauseln verfolgten wirtschaftlichen Zweck bedeute. « 2 Vgl. Brandner, AcP 162 (1963), S. 237 (253); Emmerich, JuS 1972, 361 (363). 63 Insbesondere der Nichtberücksichtigung der „Beweggründe des U n t e r nehmers"; Schmidt-Salzer, Geschäfts- u n d Versicherungsbedingungen, S. 159, 170; derselbe, A G B , Rdnr. E. 50, S. 157 f.; Schlosser i n Schlosser / CoesterW a l t j e n / Graba, A G B G , § 5 Rdnr. 16, S. 161: Soergel / Hefermehl, § 133 BGB, Rdnr. 28, S. 608; Brandner, A c P 162 (1963), S. 237 (238); Emmerich, JuS 1972, 361 (365 f.). 64 Siehe auch: Brandner, A c P 162 (1963), S. 237 (253 ff.). 65 Vgl. auch Ostrovrìcz, Vertragshaftimg u n d Drittschutz, S. 100 ff. 66 Vgl. Fikentscher, Sind die ADSp abdingbar?, B B 1961, 297 (298). 67 Siehe oben bei Fußn. 33—36. 68 AcP 161 (1962), S. 516 (528).

§ 7. Die Rechtsprechung

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g u n g e i n e r e x t e n s i v e n A u s l e g u n g der f r a g l i c h e n K l a u s e l d i e n e n s o l l 6 9 . A r b e i t s r e c h t l i c h e U m s t ä n d e h a t d e r B G H auch i m B l e c h f a l l 7 0 m i t t e l b a r erwogen. Sie s i n d später i n e i n e m a n d e r e n Z u s a m m e n h a n g z u e r ö r t e r n . E i n weiterer Gesichtspunkt w i r d zur Rechtfertigung der extensiven A u s l e g u n g i n B e t r a c h t gezogen, n ä m l i c h daß d i e H a f t u n g d e r S c h i f f s f ü h r e r sich u n m i t t e l b a r k o s t e n - u n d d a m i t f r a c h t e r h ö h e n d a u s w i r k e 7 1 . Das ist doch w o h l eine Entscheidung, d i e d e m A G B - V e r w e n d e r überlassen b l e i b t u n d i h m n i c h t g e n o m m e n w e r d e n d a r f 7 2 . W e n n aber die V e r a n t w o r t u n g seines S c h i f f s f ü h r e r s eine F r a c h t e n e r h ö h u n g n a h e l e g t u n d sie n i c h t e r f o l g t ist, k a n n m a n f r e i l i c h daraus gerade d e n u m g e k e h r t e n Schluß a b l e i t e n , daß d a r i n d e r W i l l e des V e r f r a c h t e r s z u m A u s d r u c k g e k o m m e n ist, seinen S c h i f f s f ü h r e r v o n dessen H a f t u n g d e m K u n d e n gegenüber n i c h t z u befreien. D a r ü b e r h i n a u s s t e l l t sich noch die Frage, ob d e r B u n d e s g e r i c h t s h o f m i t d e r E r h e b u n g d e r z u z a h l e n d e n F r a c h t zu einem den Haftungsumfang u n d -maßstab bestimmenden F a k t o r n i c h t e t w a i n W i d e r s p r u c h z u d e r eigenen Rechtsprechung g e r ä t 7 3 , w o nach die H a f t u n g s g e s t a l t u n g v o n d e m P r e i s f a k t o r verschont b l e i b e n soll74. 69 70 71

fall).

Allerdings vgl. jetzt B G H (o. Fußn. 30) VersR 1980, 572 (573). Siehe oben Fußn. 24. I n diesem Sinne auch B G H (o. Fußn. 25) VersR 1977, 717 (718) (Rohtabak-

72 Hierzu vgl. auch Kliege, Rechtsprobleme der A G B i n wirtschaftswissenschaftlicher Analyse, § 5 I I I , S. 72, der die Gerichte vor der Betreibung einer volkswirtschaftlich bedenklichen Quasi-Subventionspolitik w a r n t . 73 B G H v. 29. 10. 1956 ( I I ZR 79/55, Hamm) B G H Z 22, 90 (98); B G H (o. § 3 Fußn. 21) B G H Z 33, 216 (219) = VersR 1960, 1133 = N J W 1961, 212; B G H v. 28. 3. 1973 (I ZR 41/72) B B 1973, 773 (774 a. E.); dies entspricht grundsätzlich auch der herrschenden Meinung i n der Literatur, die dem Preisargument höchstens eine begrenzte Geltung zuerkennt. Siehe u. a. : L. Raiser , A G B , § 27, S. 289 f. u n d § 29, S. 310 ff.; derselbe, Karlsruher F o r u m 1965, 3 (9); Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. F. 205, S. 268 f.; derselbe, Formularmäßige Haftungsfreizeichnungen usw., N J W 1969, 289 (290f.); Weber, Z u r gesetzlichen Regelung der A G B , D B 1974, 1801 (1803); Rebe, Privatrechtsgestaltung durch Wettbewerb?, B B 1972, 889 (890f.); Brandner i n U l m e r / B r a n d n e r / Hensen, A G B Komm., § 9 Rdnrn. 71 ff., S. 219 ff.; Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 9 Rdnr. 17, S. 158; Graba i n Schlosser/ Coester-Waltjen / Graba, § 9 Rdnr. 54, S. 235 ff.; Fischer, B B 1957, 481 (485); Mroch, Z u m K a m p f gegen die unlauteren Geschäftsbedingungen, S. 67; G. Raiser , Die gerichtliche Kontrolle, S. 149 ff. Anderer Ansicht: v. Brunn, Z u r Schadensersatzpflicht i m modernen Industrierecht, N J W 1951, 103; derselbe, Die formularmäßigen Vertragsbedingungen, S. 34 f.; derselbe, Uber unlautere Geschäftsbedingungen, A c P 159 (1960), S. 547 (551); Grunsky, B B 1971, 1113 (1116); Eberstein, A G B u n d Kaufleute, B B 1974, 1185 (re. Sp.). 74 Vgl. auch Ostrowicz, Vertragshaftung u n d Drittschutz, S. 112 f., w o gezeigt w i r d , daß die Höhe des Entgelts i n der Problematik des Vertrags m i t Schutzwirkung f ü r D r i t t e nicht den Ausschlag dafür geben kann, ob D r i t t e i n den Vertragsschluß einbezogen werden. Lebensnah scheine allein die A n nahme — so Ostrowicz —, daß jedes „Vertragsrisiko" pauschal durch das vereinbarte Entgelt abgegolten werde.

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

4. Das Kriterium

der Übung

Schließlich soll zur Ermittlung des Vertragszwecks eine i n der Rheinschiffahrt „nach allgemeiner Auffassung" bestehende Übung 7 5 herangezogen werden. Obwohl das Bestehen einer solchen Übung nicht näher kommentiert und nachgewiesen wird 7 6 , wurde i n ihr ein tragender Grund für die Annahme der D r i t t w i r k u n g der Freizeichnungsklausel gesehen. Eine Übung mag darin liegen, daß das wirtschaftliche Interesse an der Inanspruchnahme des am wenigsten vermögenden Schiffsführers gering ist, denn eine Vollstreckung gegen i h n w i r d sich oft als vergeblicher Versuch erweisen. Damit ist jedoch eine Annahme dahin noch nicht berechtigt, daß sich eine Übung zur Erstreckung von Freizeichnungsklauseln auf die Schiffsführer gebildet hat 7 7 . Eine solche These würde darüber hinaus die Identifizierung von Haftung und ihrer Geltendmachung voraussetzen. I m Blechfall hat der B G H ebenfalls einen wichtigen Grund für die Einbeziehung der Schiffsführer i n die Freizeichnungsklausel darin gesehen, daß seit längerer Zeit eine entsprechende Übung i n der Rheinschiffahrt bestehe 78 . Das Nichtbestehen eines derartigen Brauchs ist aber nunmehr selbst von dem zweiten Senat bestätigt worden. Die zweite Revisionsentscheidung 79 zum Rohtabakfall hat namentlich ihre Ausführungen m i t folgendem Satz beendet: Es komme auf die vom Berufungsgericht bejahte Frage, ob die sich aus den A G B eines Hauptfrachtführers ergebende Haftungslage kraft Handelsbrauchs auch für den Unterfrachtführer und dessen Schiffer gelte, und die berechtigten Bedenken der Revision hiergegen nicht mehr an 80 . Damit ist nun endgültig ein Grund entfallen, der eine extensive Auslegung der Freizeichnungsklauseln speziell i m Seeschiffahrtsrecht 81 rechtfertigen könnte 82 .

75

Darüber siehe auch oben § 3, Fußn. 162. Ebenso Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (532 f.). 77 Vgl. Brandner, AcP 162 (1963), S. 237 (255); Fikentscher, B B 1961, 297 (298); Möller, Die A D S p u n d die dazu gehörigen Versicherungsregelungen, B B 1962, 394 (396 f.). 78 B G H (o. Fußn. 24) VersR 1971, 412 (413). 79 B G H (o. Fußn. 25) VersR 1977, 717 (718). 80 Vgl. Emmerich, JuS 1972, 361 (363), der eine „Erstarkung" der A G B zur Verkehrssitte als seltenen F a l l betrachtet, w e i l ansonsten wegen der einseitigen Orientierung der A G B die Gefahr bestehe, i m Ergebnis eine E n t rechtung weiter Verkehrskreise gerade durch die Verkehrssitte anzuerkennen; Schmidt-Salzer, N J W 1971, 1010 (1012). 81 Vgl. Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (531). 82 Vgl. auch B G H (o. Fußn. 30) VersR 1980, 572 (573). 76

§ 7. Die Rechtsprechung

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5. Der Einfluß des Verschuldensgrads des Schädigers auf die Stellung des Geschädigten I m Gegensatz zu den bisher erörterten Fällen steht ein anderer gleichfalls aus dem Schiffahrtsrecht stammender Fall, der als Fall des Schiffszusammenstoßes83 bezeichnet sei. Seinen bei einem Schiffszusammenstoß entstandenen Schaden machte der Kläger gegen den Schiffseigner und den Schiffsführer des schuldigen Schiffs geltend. Die Eigenart dieses Sachverhalts lag darin, daß die Haftung des Schiffseigners gesetzlich ( § 4 1 Nr. 3 BinnSchG) auf Schiff und Fracht beschränkt ist. Diese Einschränkung führt dazu, daß über einen bestimmten Betrag hinaus der Schiffsführer allein die Verantwortung zu tragen hat; dies läuft wiederum darauf hinaus, daß über den Umweg eines eventuell bestehenden Freistellungsanspruchs die Haftungsbeschränkung des Schiffseigners aufgehoben wird. Allerdings hat das Gericht das Problem unter einem anderen Gesichtspunkt untersucht, und i m Vordergrund seiner Ausführungen stand die hier nicht interessierende und vom B G H abgelehnte Frage der Abtretbarkeit oder Pfändbarkeit des Freistellungsanspruchs des Arbeitnehmers-Schiffsführers 84 . Der Verneinung oder sogar der Aufwerfung dieser Frage w i r d als logisches prius die Verweigerung der Erstreckung der Haftungsbeschränkung auf den Schiffsführer vorausgeschickt. I n der Tat hat das Gericht entgegen der Ansicht der Beklagten eine so weitgehende Wirkung der Haftungsbeschränkung ausdrücklich verneint, ohne indessen diese These näher zu erläutern 85 . Insoweit geriet der B G H i n Widerspruch zu seiner eigenen seeschifffahrtsrechtlichen Rechtsprechung. Er hat dann m i t der zweiten Revisionsentscheidung zum Rohtabakfall 8 6 eine einheitliche Linie hinsichtlich der Drittwirkungsfrage wiederhergestellt, die aber i m vorliegenden Fall noch einmal unterbrochen wird. Aus den ganzen Ausführungen des Gerichts ist seinem Abschlußgedanken, obwohl er i n einem anderen Zusammenhang angeführt wird, besondere Aufmerksamkeit zu schenken, und zwar i m Hinblick darauf, ob i h m allgemeine Bedeutung verliehen werden kann. Aus dem vom B G H vertretenen Verbot der Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Kunden hebt er das folgende, 83

B G H (o. Fußn. 5) B G H Z 41, 203 ff. I m einzelnen hierüber siehe: Gerhardt, Der Befreiungsanspruch, S. 116 ff. (insbesondere S. 128 ff.); derselbe, Z u r Einbeziehung D r i t t e r i n Haftungsbeschränkungen, VersR 1971, 381 ff.; E. Lorenz i n Probleme des Binnenschifffahrtsrechts, S. 49 ff. (insbesondere S. 56 ff.). 85 Das Gericht hat sich darauf beschränkt, die §§ 3, 4, 114 BSchG, woraus sich eine beschränkte Haftung des Schiffseigners ergibt, als haftungsbegründende u n d nicht als haftungserleichternde Normen zu erklären (BGHZ 41, 203 [204]). Vgl. ferner E. Lorenz i n Probleme des Binnenschiffahrtsrechts, S. 49 (55, 58 f.). 86 Siehe oben bei Fußn. 25 ff. 84

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nach seiner Ansicht billige Ergebnis hervor, das an die Vermögenslage 87 des freistellungsberechtigten Schiffsführers a n k n ü p f t Bei der vom Senat vertretenen Rechtsansicht werde das in sich widerspruchsvolle und unvertretbare Ergebnis vermieden, daß der Dritte (Kunde) i m Fall grober Fahrlässigkeit des Schiffsführers schlechter stehen würde, als wenn diesem nur leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werde. Denn bei grober Fahrlässigkeit sei i n der Regel kein Freistellungsanspruch gegeben. Obwohl darin i n Ubereinstimmung m i t dem Gericht eine Benachteiligung des Geschädigten zweifellos nicht zu verkennen ist, kann dem vom B G H als „richtig" empfundenen Verhältnis zwischen Verschuldensgrad des Schädigers und Ersatzanspruch des Geschädigten nicht zugestimmt werden. Damit w i r d weder beabsichtigt, die Problematik des „Alles-oder-Nichts"-Prinzips aufzurollen 88 , noch i m konkreten Fall Gründe für seine Befürwortung zu suchen. Hier muß nur hervorgehoben werden, daß die vom B G H geforderte Proportionalität zwischen der Schwere des Verschuldensgrads und der Entschädigung des Verletzten nicht zwingend ist. Die vom II. Senat festgestellte Ungereimtheit ergibt sich zunächst aus der berechtigten Durchbrechung des „Alles-oder-Nichts"-Prinzips i m Arbeitsrecht 89 , wonach bei leichter Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers ein Dritter (der Arbeitgeber) zur Schadenstragung aufgerufen wird. Dies geschieht ja ohne Rücksicht auf die Interessen des Geschädigten, dem es jeweils nur darum geht, seinen Schaden ersetzt zu bekommen 90 . Für i h n ist es nur ein glücklicher Zufall, wenn er bei leicht fahrlässigem Handeln des Arbeitnehmers über den Umweg des Freistellungsanspruchs Zugang zu einem zahlungskräftigen Schuldner hat. Das hängt aber nicht m i t der Funktion des Freistellungsanspruchs zusammen 91 . Übrigens darf die Relativität des Verschuldens nicht außer acht gelassen werden 92 , welche dieselbe Hand87 Dazu kritisch: Gerhardt, Der Befrieungsanspruch, S. 135 ff.; derselbe, VersR 1971, 381 (383); E. Lorenz i n Probleme des Binnenschiffahrtsrechts, S. 56 ff.; anders vgl. S chaps / Abraham, Seerecht, 1. Teil, § 485 Rdnr. 22, S. 124 f. 88 Hierzu i m einzelnen: Hermann Lange, Gutachten zum 43. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. 5 ff.; derselbe, Schadensersatz, Einl. V 1, S. 12 f. (mwN); Wilburg, Referat zum 43. DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. C 3 ff.; Hauß, Referat zum 43. DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. C 23 ff. 89 Vgl. Hermann Lange, Gutachten zum 43. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. 5 (16 f.). 90 Auch i m Rahmen der K r i t i k gegen das „Alles-oder-Nichts"-Prinzip wurde die Berücksichtigung der Schwere des Verschuldens i m Zusammenhang m i t einer nach b i l l i g e m Ermessen nötigen Entlastung des Ersatzpflichtigen und nicht m i t einer auf-jeden-Fall-Belastung des Ersatzberechtigten gefordert. Siehe Hermann Lange, Gutachten zum 43. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. 5 (33 f.); Deutsch, Haftungsrecht I, § 20 I V , S. 334 ff. 91 Z u r F u n k t i o n des Freistellungsanspruchs Denck, Der Schutz des A r b e i t nehmers vor der Außenhaftung, S. 254 ff.

§ 7. Die Rechtsprechung

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lung bald als grob fahrlässig (zivilrechtliches Verschulden) und bald als leicht fahrlässig (arbeitsrechtliches Verschulden) erscheinen lassen kann. Diese Erkenntnis trägt entscheidend zur Aufhebung des obigen Mißverhältnisses zwischen Verschuldensgrad und Schadensersatzanspruch bei. Wenn man die Bejahung oder Verneinung der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln i n Zusammenhang m i t dem EinfLuß des Verschuldensgrads des Schädigers auf die Stellung des Kunden sieht, dann ergibt sich i m Hinblick auf das AGB-Gesetz folgendes Bild: a) Bei Verneinung der D r i t t w i r k u n g Handelt der Arbeitnehmer leicht fahrlässig, so kann der Kunde nur ihn direkt i n Anspruch nehmen, weil sich der Verwender-Arbeitgeber grundsätzlich freizeichnen kann (§11 Nr. 7). Soll auch der Arbeitgeber i n Anspruch genommen werden, so muß erst der Freistellungsanspruch abgetreten werden können 93 . Bei grob fahrlässigem Handeln des A r beitnehmers kann der Kunde nach Nr. 7 direkt auch gegen den Verwender-Arbeitgeber vorgehen und insoweit steht er besser als i m Fall leichten Verschuldens 94 . Hier entsteht also von Gesetzes wegen die vom B G H geforderte Proportionalität, ohne daß dies von der Verneinung der D r i t t w i r k u n g oder von dem Abtretungsverbot des Freistellungsanspruchs abhängt. b) Bei Bejahung der D r i t t w i r k u n g Handelt der Arbeitnehmer leicht fahrlässig, so kann der Kunde weder ihm noch seinem Arbeitgeber gegenüber einen Schadensersatzanspruch geltend machen, denn der grundsätzlich wirksame Haftungsausschluß des Verwenders w i r d auf seine Arbeitnehmer ausgedehnt. Bei grob fahrlässigem Handeln des Arbeitnehmers kann der Geschädigte sowohl ihn als auch seinen Arbeitgeber nach Nr. 7 i n Anspruch nehmen. Auch bei Annahme der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln entsteht also eine günstige Lage für den Kunden, wenn sein Schädiger grob fahrlässig und nicht leicht fahrlässig gehandelt hat. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß eine Benachteiligung der Kundeninteressen deutlich zutage tritt, und zwar besonders bei der Bejahung der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln. Dies gilt trotz 92 Hierzu Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 263 ff. 93 Dazu siehe unten bei Fußn. 276—278. 94 Vgl. jedoch Kötz, M ü K o , A G B G § 11 Nr. 7 Rdnr. 58, S. 1501; dazu auch unten bei Fußn. 271—273.

9 Roussos

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g v o n Haftungsausschlüssen

der A u f r e c h t e r h a l t u n g d e r v o m I I . Senat a n g e n o m m e n e n P r o p o r t i o n a l i t ä t . E n t s c h e i d e n d k o m m t es also n u r a u f eine d e n Interessen der B e t e i l i g t e n gerecht w e r d e n d e L ö s u n g u n d n i c h t a u f die S c h a f f u n g i r g e n d w e l c h e r „ r i c h t i g e n " P r o p o r t i o n a l i t ä t s v e r h ä l t n i s s e zwischen d e m V e r schuldensgrad des Schädigers u n d d e r S t e l l u n g des Geschädigten an. I I . Die Rechtsprechung aus anderen Rechtsgebieten 1. Die Drittwirkung

von Freizeichnungsklauseln

in

Mietwagenfällen

a) M i e t w a g e n f a l l I 9 5 Κ mietete einen Wagen v o n der K l ä g e r i n (Vermieterin), den er von seinem Fahrer (Beklagten) fahren ließ. A u f der Autobahn verunglückte der Beklagte, u n d das A u t o e r l i t t schwere Schäden. Der Senat hat sich hauptsächlich m i t zwei Fragen auseinandergesetzt, zunächst damit, ob ein Ausschluß der Haftung f ü r leichte Fahrlässigkeit zugunsten des Mieters darin zu sehen ist, daß er einen Versicherungsbeitrag der Vermieterin gezahlt hat. Nachdem diese Frage bejaht wurde, untersuchte das Gericht, ob die vereinbarte Haftungsbeschränkung auch zugunsten des beklagten Fahrers 9 6 ihre W i r k u n g entfalten kann. b) M i e t w a g e n f a l l I I 9 7 Die K l ä g e r i n (Vermieterin) vermietete der beklagten Firma ein K r a f t f a h r zeug. I n dem Mietvertrag w u r d e als Fahrer der Beklagte angegeben. Den M i e t - u n d Vertragsbedingungen (MVB) gemäß sollte die Haftung des Mieters bei zusätzlicher Zahlung eines bestimmten Betrags pro Tag (Ziff. 10 M V B ) entfallen. B e i m Vorliegen grober Fahrlässigkeit w a r jedoch dem Mieter die Haftungsbefreiung entzogen 98 (Ziff. 11 MVB). Die zentrale Frage i n diesem Falle ging ebenfalls dahin, ob die Haftungsbefreiung des Mieters auch auf den beklagten Fahrer auszudehnen war. D i e G e r i c h t e h a b e n i n b e i d e n F ä l l e n d i e E r s t r e c k u n g der Freizeichn u n g s k l a u s e l a u f d e n F a h r e r b e j a h t . I m ersten F a l l e b i l d e t e die dogmatische G r u n d l a g e s o w o h l d e r E n t s c h e i d u n g des B e r u f u n g s g e r i c h t s 95 B G H (o. Fußn. 73) B G H Z 22, 109 ff. (insbesondere 120 ff.) = N J W 1957, 17 = VersR 1956, 725 = B B 1956, 1123 = L M zu § 67 W G Nr. 8 (Leitsatz) m i t A n m e r k u n g von Haidinger. 96 Aus den Ausführungen des B G H geht zwar hervor, daß der Fahrer k e i n Arbeitnehmer des Mieters gewesen ist u n d i h m m i t der Fahrt n u r eine Gefälligkeit erwiesen hat. Der F a l l betrifft aber trotzdem das Problem der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln i m Verhältnis Geschädigter—Arbeitnehmer—Arbeitgeber, w e i l das Gericht die Aushöhlung der Freizeichnung des Mieters auch unter dem Aspekt des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zwischen Fahrer u n d Mieter prüft. Insofern erscheint die K r i t i k Kümmels, Haftungsausschluß, § 7, S. 59, A n m . 17 gegen Heim, AcP 161 (1962), S. 516 ff. als unberechtigt. 97 B G H v. 13. 5. 1974 ( V I I I Z R 32/73, Nürnberg) W M 1974, 695 f. 98 So hat der B G H i m Gegensatz zum Berufungsgericht die Mietbedingungen ausgelegt.

§ 7. Die Rechtsprechung

131

als auch der des B G H den echten Vertrag zugunsten Dritter i m Sinne des § 328 BGB. Dieser Annahme lag die Untersuchung des Sinns und Zwecks der betreffenden Klausel zugrunde, der darin bestehen soll, daß der Mieter am Ausschluß der Haftung seines Fahrers dasselbe Interesse habe wie am Ausschluß seiner eigenen Haftung. Das Bestehen dieses Interesses w i r d aber vom B G H auf diejenigen Fälle beschränkt, wo es nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen einen Freistellungsanspruch des Fahrers gegen den Mieter gibt und somit die Haftungsbefreiung des letzteren ausgehöhlt würde. I m zweiten Mietwagenfall führte der B G H ebenfalls aus: Die Annahme einer erweiterten W i r k u n g der Freizeichnungsklausel liege schon deshalb nahe, weil die Beklagte als A r beitgeber des Beklagten diesen wegen des bei einer sogenannten „gefahrgeneigten Tätigkeit" verursachten Schadens von etwaigen Ansprüchen der Klägerin freistellen müßte, die vereinbarte Haftungsfreistellung für sie also i m Ergebnis wertlos wäre, wenn i h r Fahrer der K l ä gerin gegenüber haften würde". Bei dieser auch der Klägerin erkennbaren 1 0 0 Lage sei es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht davon ausgehe, die Haftimgsbefreiung gelte nicht nur für die Beklagte, sondern auch für den Beklagten. 2. Die Interessenlage I n diesen Mietwagenfällen ist die Interessenlage sicherlich anders, indem es sich um eine Freizeichnung des Kunden und nicht des A G B Verwenders handelt. I n einem anderen Zusammenhang hat der B G H 1 0 1 diese Lage nach den herkömmlichen Wechselbegriffen Schuldner-Gläubiger wie folgt beschrieben: Es handele sich hier nicht u m den Versuch der Haftungsfreizeichnung eines Schuldners. Vielmehr gehe es um die Erleichterung der Durchsetzung von Ansprüchen eines Gläubigers. Trotz dieser umgekehrten Interessenkonstellation enthalten die gerichtlichen Ausführungen Gedanken allgemeinen Interesses für die Frage der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln. Sonach ist es bemerkenswert, daß die Erweiterung des i n die Freizeichnung einbezogenen Personenkreises eng an das Bestehen eines Freistellungsanspruchs geknüpft und nur i n diesem Umfang bejaht wird 1 0 2 . I n diesem Rahmen hat das Gericht nach Abwägung der beiderseitigen Interessen und Ermittlung des Sinns und Zwecks der Klausel eine extensive Auslegung vorgenommen. Hier taucht jedoch der Konflikt zwischen Restriktionsprinzip und 99 Vgl. auch B G H v. 7. 2. 1968 ( V I I I ZR 179/65, Bamberg) VersR 1968, 476 (477) = B G H Z 49, 278; B G H v. 19. 9. 1973 ( V I I ZR 175/72, Koblenz) B G H Z 61, 227 (234) = W M 1973, 1244. 100 So auch B G H (o. Fußn. 73) B G H Z 22, 109 (122); siehe auch Fußn. 99. 101 (o. Fußn. 97) W M 1974, 695 (696) (Mietwagenfall II). 102 Siehe auch: Heim, AcP 161 (1962), S. 516 (526, 530). 9*

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

objektiver Auslegung nicht auf, denn eine von der Kundenseite gesehen ausdehnende Auslegung stellt sich für die Unternehmerseite als restriktive dar, wenn man daran denkt, daß die Anwendung des Restriktionsgrundsatzes auf die Freizeichnungsklauseln zu einem für den A G B Aufsteller ungünstigen Ergebnis führt 1 0 3 . Der Nachteil für ihn liegt i m vorliegenden Falle darin, daß die Interpretation der von ihm vorformulierten Klausel zu einer Einschränkung der Möglichkeiten der Durchsetzung seiner Ansprüche führt, indem i h m ein Schuldner (der Fahrer) entzogen wird 1 0 4 . Ferner ist hier einer Sinn- und Zweckauslegung auch insoweit nicht zu widersprechen, als der Mieter seine Haftungsbefreiung durch die Zahlung des nach den Mietbedingungen vorgeshenen Beitrags erkauft hatte 1 0 5 . Damit wäre es aber unvereinbar, wenn er nachträglich feststellen müßte, daß er den Schaden trotz allem doch zu tragen hat. Hiergegen w i r d eingewandt, Anhaltspunkte für eine auch die Haftung des Fahrers erfassende Freizeichnung seien i m Verhältnis zwischen Mieter und Fahrer zu suchen. Das w i r d damit begründet, der Vermieter habe keinen Einblick i n diese Beziehungen 106 . Der Bundesgerichtshof hat jedoch auch diesen Punkt insoweit nicht außer acht gelassen, als er seine Auffassung an die Erkennbarkeit der die Beziehungen zwischen Mieter und Fahrer bestimmenden Lage seitens des Verwenders geknüpft hat. Die Erkennbarkeit ergibt sich aus den Verbindungen zwischen dem Unternehmer und dem Kunden. Nun hat sich aber das Gericht nicht m i t der Frage auseinandergesetzt, wann und unter welchen Umständen sie dem Vertragspartner zuzurechnen ist. I m zweiten Mietwagenfall kann man indessen annehmen, daß der Sachverhalt die Bejahung der Erkennbarkeit zuläßt, insofern der Beklagte selbst in dem Mietvertrag als Fahrer angegeben worden war 1 0 7 . Der Vermieter war also damit einverstanden, daß der gemietete Wagen nicht von dem Mieter selbst gefahren wird. Daraus leitet man seine Zustimmung für die Ausdehnung des vereinbarten Haftungsausschlusses auch auf den Fahrer ab 108 . I m übrigen muß man i n Übereinstimmung mit den anderen K r i t i k e r n der Rechtsprechung über die Mietwagenfälle das Ergebnis der Ausdehnung der Freizeichnungsklausel auf den Fahrer billigen 1 0 9 . 103

Siehe auch oben bei Fußn. 43. Vgl. Kümmel, Haftungsausschluß, § 7, S. 61. 105 Vgl. Haidinger, A n m e r k u n g zu B G H (o. Fußn. 73) L M zu § 67 V V G Nr. 8. 106 Pröls, A n m e r k u n g zu B G H (o. Fußn. 73) VersR 1957, 124 f.; Kümmel, Haftungsausschluß, § 7, S. 59. 107 Ebenso i n O L G Nürnberg v. 21. 10. 1969 (3 U 77/69) VersR 1971, 259; K G , 12. ZS, V. 20. 5. 1974 (12 U 2639/73) O L G Z 1975, 8. 108 Kümmel, Haftungsausschluß, § 7, S. 60. 109 Gamillscheg, Außenwirkungen von Haftungsbeschränkungen, A, VersR 1967, 513 (514 re. Sp.); Haidinger, A n m e r k u n g zu B G H (o. Fußn. 73), W M zu § 67 W G , Nr. 8 (unter 2); Kümmel, Haftungsausschluß, § 7, S. 60; Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (530). 104

133

§ 7. Die Rechtsprechung

3. Der Monteur-

oder

Holztrocknungsanlagefall

110

Der Monteur der Lieferfirma baute die bestellte Holztrocknungsanlage bei der Firma L. (Bestellerin) ein. Wegen der mangelhaften Ausführung der Einbauarbeiten entstand ein Brand i m Betrieb der Bestellerin. Aufgrund des dadurch entstandenen Schadens verweigerte sie zunächst die volle Zahlung des Kaufpreises, und mittels einer Widerklage verlangte sie die Verurteilung sowohl der Lieferfirma als auch des Monteurs zur Zahlung eines Schadensersatzes. Da die Schadensersatzpflicht der Firma durch ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen war, warf sich die Frage auf, ob dieser Haftungsausschluß auch den leicht fahrlässig handelnden Monteur zugute kommen sollte. Interessanterweise haben hier das Berufungsgericht sowie der B G H einstimmig der Freizeichnungsklausel i m Ergebnis einen erweiterten personellen Geltungsbereich versagt und sich somit in Widerspruch zu der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Seeschiffahrtsrechts gesetzt, wenn man von den Mietwagenfällen absieht, wo sich die der Freizeichnung verliehene breite W i r k u n g dort m i t der andersartigen Gestaltung der Interessenlage rechtfertigen ließ. I n diesem Monteurfall haben die Gerichte den Wortlaut der Befreiungsklausel respektiert und eindeutig anerkannt, daß er keine Anhaltspunkte für eine ausdehnende Auslegung bot. A u f eine entsprechend Sinn und Zweck der betreffenden Klausel objektive Auslegung nach dem Vorbild der schiffahrtsrechtlichen Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof verzichtet. Dabei wurde ihm von einem Zufall geholfen, nämlich daß die Schadensgeneigtheit der Monteurarbeit nicht i n der Tatsacheninstanz geltend gemacht worden war. Denn i m Revisionsrechtszug könne sie (die Revision) — so der B G H — m i t dieser (neuen) Behauptung nicht gehört werden. Damit hatte das Gericht die Barriere der Aushöhlung der Freizeichnung über den Umweg des dem Monteur gegen seinen Arbeitgeber zustehenden Freistellungsanspruchs vorläufig überwunden. Nach Ansicht von Helm 111 war damit festgelegt, daß die extensive Auslegung der Klausel nur für den Fall des Bestehens eines arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruchs aus gefahrgeneigter Arbeit überhaupt in Frage kommen sollte 112 . I m Hinblick auf die obigen Ausführungen 1 1 3 über die sich heute abzeichnende Tendenz der Ausweitung des Freistellungsanspruchs über die Fälle der gefährlichen Arbeit hinaus muß man dieser Ansicht m i t der Erwägung begegnen, daß die Begründung eines Befreiungsanspruchs überhaupt und nicht der unfeststellbare Gefährlichkeitsgrad der jeweiligen Arbeit eine weite Auslegung rechtfertigen würde. 110 111 112 113

B G H v. 17. 9. 1959 ( V I I ZR 60/58, Stuttgart) VersR 1959, 1000 ff. (1002). A c P 161 (1962), S. 516 (526). Vgl. auch Schmidt-Salzer, B B 1969, 297 (298). Siehe oben bei Fußn. 9 ff.

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

I n seinen weiteren Ausführungen hat der Bundesgerichtshof indessen nicht gezögert, auch i m Falle des Bestehens einer Freistellungspflicht des Verwenders-Arbeitgebers die Erstreckung der Haftungseinschränkung auf dessen Arbeitnehmer abzulehnen. Dieser Umstand rechtfertige es nicht, heißt es i n der Entscheidung, die Montagebedingungen zu Lasten der Bestellerin ausdehnend dahin auszulegen, daß der A G B Aufsteller nicht nur sich selbst von Ansprüchen seiner Kunden freigezeichnet hätte, sondern auch seine Leute. Es möge sein, daß er durch seine Montagebedingungen nicht vor jeder (auch mittelbaren) Inanspruchnahme geschützt sei. Das liege dann daran, daß er den Haftungsausschluß seiner Montagebedingungen nicht umfassend genug formuliert habe, um auch solche Fälle einzubeziehen. Haftungsbegrenzungen i n allgemeinen Lieferungsbedingungen seien eng auszulegen. Hier wurden also vor der objektiven Auslegung das Restriktionsprinzip und die Unklarheitenregel angewendet. Dies geschieht allerdings ohne nähere Begründung 1 1 4 und vor allem ohne die erwartete Auseinandersetzung m i t den schon früher vom B G H anders entschiedenen Fällen. I n diesem Zusammenhang verdient Beachtung eine Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts 115 , wo es sich u m den Schadensersatzanspruch eines Geschädigten gegen seinen bei gefahrgeneigter Arbeit (Pkw-Fahren) leicht fahrlässig handelnden Schädiger-Arbeitskameraden handelte. Die Schadensersatzforderung hat das B A G abgelehnt; i m Vordergrund seiner Begründung stand zwar „das Gemeinschaftsverhältnis der Arbeitnehmer untereinander", aber andere Gesichtspunkte wurden auch herangezogen, u m vor allem den A r beitgeber vor einer Inanspruchnahme zu schützen. Es wurde auf Sinn und Zweck seiner gesetzlichen Haftungsbefreiung (damals § 898 RVO) l l f l hingewiesen, die nach den weiteren Ausführungen des B A G über den Umweg der Freistellungspflicht des Arbeitgebers gegenüber seinem A r beitnehmer (Schädiger) nicht vereitelt werden darf. Der B G H hat sich über diese Erwägungen hinweggesetzt und auf den Satz beschränkt, daß Ansprüche außenstehender Dritter m i t den vom B A G getroffenen Erwägungen nicht ausgeschlossen werden können, wie dieses auch ausdrücklich hervorhebe. Dies t r i f f t aber für den vorliegenden Fall insoweit nicht zu, als das B A G die Möglichkeit der Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung m i t dem Dritten gar nicht erwogen hat und i n dem entschiedenen Falle auch nicht zu erwägen brauchte.

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So auch Helm, A c P 161 (1962), S. 516 (532). B A G (GS 4/56, GS 5/56) v. 25. 9. 1957 (1 A Z R 576/55, 1 A Z R 577/55, Kiel) B A G Bd. 5, 1 ff. = B B 1958, 80 ff. 116 Jetzt § 636 (Abs. 1, Satz 1) RVO i. d. F. des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes v. 30. 4. 1963. 115

§ 7. Die Rechtsprechung

4. Der

Wachmannfall

135

117

Der beklagte Wächter wurde v o n dem Wachdienst, bei dem er tätig war, m i t der Bewachung zweier Mannschafts- u n d Gerätewagen der K u n d i n des Dienstes beauftragt. A l s er eines Abends f ü r kurze Zeit den Wagen verließ, wo er sich regelmäßig aufhielt, fingen einige über einem Ofen aufgehängte Kleidungsstücke Feuer, u n d daraufhin brannte der Wagen ab. Dem von dem Versicherer der K u n d i n geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus u n erlaubter Handlung hatte der Beklagte seinen Haftungsausschluß gemäß den Geschäftsbedingungen des Wachdienstes entgegengehalten. Diese lauteten unter anderem: „Der Wachdienst haftet für Schäden, welche durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit seiner Angestellten i n Ausübung ihres Dienstes entstehen. . . . Ausgeschlossen v o n der Haftung sind Schäden, die bei der Bedienung u n d Bewachung von Maschinen, Öfen, Kesseln u n d He izungsVorrichtungen entstehen".

Die Berufung des Beklagten auf diese Bedingungen hatte sowohl vor dem Berufungsgericht als auch vor dem Bundesgerichtshof Erfolg, i n dem beide Gerichte i n die obige Freizeichnungsklausel auch den Wächter einbezogen wissen wollten. Der B G H hat sich zur Begründung seiner Auffassung wiederum der objektiven Auslegung bedient; hier allerdings nicht auf der dogmatischen Grundlage des Vertrags zugunsten eines Dritten, sondern eher i n der Form eines Vertrags mit Schutzw i r k u n g für Dritte 1 1 8 . Maßgebend sei nicht die enge Auslegung oder sogar der Wortlaut der Freizeichnung, sondern ihr dem Vertragsgegner erkennbarer Sinn und Zweck. Bestehen insoweit keine Zweifel, so sei eine entsprechende Ergänzung nicht nur zulässig, sondern auch geboten 119 . Bei der Ermittlung der Erkennbarkeit des Klauselzwecks stellt das Gericht darauf ab, daß die K u n d i n selbst Arbeitgeberin sei, und infolgedessen lägen für sie wie für alle anderen i n ähnlicher Lage befindlichen Auftraggeber des Wachdienstes jene Erwägungen auf der Hand, die den Wachdienst dazu veranlaßt haben sollen, auch seine A n gestellten i n den Schutz der von ihm aufgestellten Freizeichnungsklausel einzubeziehen. Hierzu hat Gernhuber 120 schon zutreffend darauf hingewiesen, daß die Erkennbarkeit an einen reinen Zufall angeknüpft wird, der i n der Eigenschaft der K u n d i n als Arbeitgeberin bestand. Man muß i h m darin folgen, daß eine i n dieser Weise begründete Erkennbarkeit nur vorläufigen Charakter zu haben vermag 121 . Ferner würde 117 B G H v. 7. 12. 1961 ( V I I ZR 134/60, Düsseldorf) N J W 1962, 388 f. = VersR 1962, 141. 118 Siehe auch: Gernhuber, Gläubiger, Schuldner u n d Dritte, JZ 1962, 553 re. Sp. 119 Insoweit werden die Worte des zweiten Senats i m Eisenwändefall (BGH o. Fußn. 23) VersR 1960, 727 ff. = M D R 1960, 907 f. = L M zu A G B , Nr. 11 w i e derholt, worauf auch das Gericht selbst verweist. 120 J Z 1962, 553 (556 re. Sp.). 121 I n diesem Sinne auch Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (539).

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

sich nicht einmal ein Arbeitgeber m i t der Freizeichnungsklausel so gründlich und sachlich auseinandersetzen, um ihren weitreichenden Inhalt wenigstens zu vermuten, wenn er sie überhaupt gelesen hat. Auch wenn er selbst seinen Vertragspartnern gegenüber ähnliche Klauseln zu verwenden pflegt, deren Tragweite er sich auch bewußt ist, hätte man daraus nicht ohne weiteres ableiten dürfen, daß er mit gleichartigen Klauseln seiner Kontrahenten rechnen müßte. Es ist sodann augenscheinlich, daß das Gericht i m vorliegenden Fall wohl mehr fiktiv gearbeitet hat und daher seine Entscheidung i n der Literatur einstimmig auf K r i t i k gestoßen ist 1 2 2 . Es bleiben noch „jene Erwägungen" zu erörtern, die der K u n d i n hätten angeblich erkennbar sein und sie zum Verständnis der tatsächlichen Reichweite der betreffenden Freizeichnungsklausel führen sollen. Sie können aber nicht vereinzelt betrachtet werden, weil sie für die Annahme eines erweiterten personellen Geltungsbereichs der Klausel zusammengewirkt haben. Die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht des Unternehmers einerseits und die Schadensgeneigtheit der vom Wächter übernommenen Tätigkeit andererseits sind hier gemeint. Der durch die Fassung der gerichtlichen Begründimg eventuell entstehende Eindruck darf nicht zu der irrigen Vorstellung verleiten, das Gericht habe diese Gesichtspunkte getrennt, unabhängig voneinander zur Stützung seines Urteils herangezogen 123 . Eine solche Betrachtungsweise würde darauf hinauslaufen, dem B G H die Auffassung zuzuschieben, aus dem Fürsorgegedanken eine allgemeine Freistellungspflicht des Arbeitgebers seinen Arbeitnehmern gegenüber herleiten zu wollen 1 2 4 . Die Unrichtigkeit eines derartigen Schlusses ergibt sich zunächst daraus, daß wenigstens die Rechtsprechung des B G H 1 2 5 noch niemals eine so allgemeine Haftungsbeschränkung des A r beitnehmers anerkannt und dessen Haftungseinschränkung über die Fälle der „gefahrgeneigten Tätigkeit" hinaus immer abgelehnt hat 1 2 6 . Selbst i m Schrifttum ist die Befürwortung einer allgemeinen Haftungserleichterung des Arbeitnehmers für leicht fahrlässige Handlungen erst i n den siebziger Jahren verstärkt zum Ausdruck gekommen 127 . Ferner mag ein Vergleich m i t dem schon erwähnten Monteurfall für die hier vertretene Ansicht sprechen. I m vorliegenden Fall hat der B G H nicht wie dort die Annahme gefahrgeneigter Tätigkeit als Tatsachenfeststellung verweigert, obwohl sich die Gefahrneigung der fraglichen Arbeit 122 Gernhuber, J Z 1962, 553 (556); Gerhardt, VersR 1971, 381 (388); Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (538 f.); Kümmel, Haftungsausschluß, § 7, S. 62. 123 So aber Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (534 ff.). 124 Wie es auch Helm, w i e Fußn. 123, anschließend tut. 125 Anders L A G Stuttgart (o. Fußn. 6) A P Nr. 2 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers. 128 Vgl. oben bei Fußn. 5—8. 127 Siehe oben Fußn. 13.

§ 7. Die Rechtsprechung

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nicht zweifellos bejahen ließ 128 . Hätte das Gericht weiter eine unbeschränkte Freistellungspflicht des Wachdienstes annehmen wollen, so hätte es nebenbei auch die Irrelevanz der A r t der Arbeit für die Begründung einer Freistellungsforderung hervorgehoben. I m übrigen ist hier zwar nicht der Platz, auf den Streit über die Begründung der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber einzugehen, es muß aber betont werden, daß der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers i n bezug auf die Haftung seiner Arbeitnehmer keine Bedeutung beigemessen werden darf 1 2 9 . Dies gilt um so mehr, als man i m vorliegenden Fall m i t der Fürsorgepflicht auch die ausdehnende Auslegung von Freizeichnungsklauseln zu rechtfertigen versucht hat. Schon Gamillscheg 130 hat sich überzeugend gegen die Begründung der beschränkten Arbeitnehmerhaftung m i t der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gewandt 131 . Er hat unter anderem zutreffend auf die Gefahr hingewiesen, „den Arbeitgeber ganz gegen seinen Willen i n die Rolle eines bonus pater familias" 1 3 2 zu drängen. Außerdem kann man den Kunden hinsichtlich der Kürzung seiner Rechte m i t der Fürsorgepflicht kaum überzeugen. Er w i r d sich m i t Recht fragen, warum soll er dem Unternehmer bei der Erfüllung seiner Pflichten helfen? Niemand könnte ernstlich behaupten, daß zugleich m i t dem Haftungsausschluß eine dahingehende Pflicht des Kunden begründet wird, gemeinsam m i t dem Arbeitgeber auf dessen Fürsorgepflichten i n bestimmten Fällen Bedacht zu nehmen und bei ihrer Erfüllung mitzuwirken 1 3 3 . 128

Vgl. Heim, A c P 161 (1962), S. 516 (537 f.). Anders: Hueck / Nipper dey , Lehrbuch des Arbeitsrechts I, § 35, I I 4, S. 233 f.; Nikisch, Arbeitsrecht I, § 27 V 4, S. 304 f.; Erman / Küchenhoff, §611 Rdnr. 166, S. 1507; B G H (o. Fußn. 5) A P Nr. 1 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers = B G H Z 16, 111 = VersR 1955, 149; B A G (ο. Fußn. 115) Bd. 5, 1 ff. (8) = B B 1958, 80; Gumpert, W a n n muß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von Schadensersatzpflichten gegenüber D r i t t e n freistellen? B B 1955, 480 (482); Zöllner, Arbeitsrecht, § 19 I I , 3 d, S. 169 f.; Soergel / Schmidt, § 276 Rdnr. 64, S. 297; Achterberg, Rechtsgrund der Haftungsbeschränkung bei schadensgeneigter Arbeit, AcP 164 (1964), S. 14 (32 f.). 130 I n Gamillscheg / Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 4, 3, S. 44 ff.; derselbe, Referat zum 45. DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. C 7 (23 ff.). 131 Dagegen auch: Kaskel / Dersch, Arbeitsrecht, § 24 I 6, S. 145; Larenz, Schuldr. I I , § 52 I I d, S. 267 f.; Staudinger / Mohnen / Neumann, § 611 Rdnr. 148, S. 1299; Esser ! Weyers, Schuldr. I I , Teilbd. 1, § 29 I I I 1, S. 239 f.; Herschel, Das Unternehmerwagnis i n Arbeits- u n d Wirtschaftsrecht, JherJb, Bd. 90 (1942), S. 145 (168); Isele, Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem A r b e i t geber, N J W 1964, 1441 (1446 re. Sp.); Canaris, R d A 1966, 41 (44 f.); Koller, Die Risikozurechnung, S. 398 f.; vgl. ferner B A G ν. 11. 9. 1975 (3 A Z R 561/74, Berlin) A P Nr. 78 zu § 611 B G B H a f t u n g des Arbeitnehmers, m i t A n m e r k u n g von Mühl. E i n T e i l der L i t e r a t u r f ü h r t sowohl das Betriebsrisiko als auch die Fürsorgepflicht als Gründe f ü r die Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers an: Jauernig / Schlechtriem, § 611 A n m . I I I 1, S. 606; Soergel / Kraft, § 611 Rdnrn. 68 f., S. 502. 132 Vgl. auch E. Wolf, Schuldr. I I , § 15 A I I I , S. 181 ff. 133 Vgl. auch B G H v. 14. 11. 1978 ( V I ZR 133/77, Bamberg) VersR 1979, 278 129

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

Aus der Fürsorgepflicht leitet das Gericht ferner den Schluß ab, es wäre nicht zu verstehen, wenn der AGB-Verwender das von i h m erkannte Risiko zwar von seinen Schultern hätte abwälzen, dagegen seine Angestellten damit hätte belasten wollen. Das steht aber schon i m Widerspruch zu der vom B G H angenommenen Fürsorgepflicht; denn sie gebietet gerade dem Unternehmer, „das von ihm erkannte Risiko" nicht auf die Angestellten abzuwälzen, m i t anderen Worten, ihnen einen Freistellungsanspruch zu gewähren. Wenn nach Ansicht des Gerichts die Einräumung dieses Anspruchs dem Sinn und Zweck der Freizeichnungsklausel widerspricht, so bedeutet das nichts anderes, als daß eine Befreiung des Unternehmers von seiner Fürsorgepflicht, und zwar zu Lasten des Kunden, stattfinden soll. Infolge der obigen gerichtlichen Ausführungen w i r d also der Arbeitgeber i n erster Linie eine Fürsorge für sich selbst treffen müssen 134 . I I I . Ergebnis der Rechtsprechungsuntersuchung

Die Untersuchung dieser Fälle aus der Praxis soll gezeigt haben, daß die Auslegung nicht das geeignete M i t t e l für die Erweiterung des personellen Geltungsbereichs von Freizeichnungsklauseln darstellt. Davon sollen die Mietwagenfälle ausgenommen werden, weil die Interessenlage dort anders ausgestaltet ist, so daß die Einbeziehung des Fahrers i n die Haftungseinschränkung für ausreichend begründet erachtet werden kann. I m übrigen haben sich die Gerichte m i t allen Mitteln darum bemüht, die Erstreckung der für den AGB-Verwender bestehenden Freizeichnung auf dessen Arbeitnehmer nachzuweisen. Ihre Bemühungen sind jedoch erfolglos geblieben und sind i n der Literatur auf K r i t i k gestoßen 135 . Insoweit muß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wie schon dargelegt 136 , sich den Vorwurf gefallen lassen, alles getan zu haben, um ein erwünschtes und nicht ein rechtlich einwandfrei begründetes Ergebnis zu erreichen 137 . I n erster Linie wurde der Wortlaut der behandelten Freizeichnungsklauseln preisgegeben. Gleichzeitig wurde bewußt das i n allgemeinen Geschäftsbedingungen unverrückbare Prin(279 re. Sp.), wonach der Rechtsgedanke der gefahrgeneigten Tätigkeit gegenüber D r i t t e n keine A n w e n d u n g finde. 134 Vgl. Gamillscheg / Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 4, S. 45, A n m . 146. 135 Helm, AcP 161 (1962), S. 516 ff.; Kümmel, Haftungsausschluß, § 7 , S. 57 ff.; Gerhardt, VersR 1971, 381 (insbesondere 388); Gernhuber, JZ 1962, 553 ff.; zustimmend allerdings: Schlosser, AGBG, § 11 Nr. 7 Rdnr. 17, S. 278 u n d i m Bereich des Schiffahrtsrechts: König, ZfBinnSchF u. Wasserstraßen 1978, 343 (352); Prüssmann, Seehandelsrecht, § 663 A n m . D 2b, S. 803. 136 Siehe oben bei Fußn. 29 ff. 137 Vgl. Gernhuber, D r i t t w i r k u n g e n i m Schuldverhältnis k r a f t Leistungsnähe, FS f ü r A. Nikisch (1958), S. 249 ff. (insbesondere S. 260 f.).

§ 7. Die Rechtsprechung

139

zip der restriktiven Auslegung von Freizeichnungsklauseln beiseite geschoben. Auch die Berufung der Gerichte auf die jeweilige Interessenlage hat nicht überzeugen können, weil die herangezogenen Argumente immer wieder eine Kehrseite aufwiesen, die für die Interessen des anderen Vertragsteils sprach. Es ist jedoch verfehlt, die tragenden Gründe dieser Rechtsprechung i n sozialen Billigkeitserwägungen zu sehen 138 , auch wenn sie nicht völlig ausgeschlossen werden können. Dem Bundesgerichtshof schwebte vor allem die Gefahr der Aushöhlung der vereinbarten Haftungsbeschränkungsklauseln vor 1 3 9 . I n allen Entscheidungen ist von dem Sinn und Zweck des Haftungsausschlusses die Rede, der nicht vereitelt werden dürfe. Nur i m Wachmannfall ist der Schutz des „wirtschaftlich Schwächeren" eindeutig zum Ausdruck gelangt, der aber letzten Endes dem Arbeitgeber zugute kommt, wenn man die Sache näher betrachtet 140 . Übrigens war die sozialwirtschaftliche Lage des Wachmanns nicht der einzige Grund, auf den der B G H sein Urteil gestützt hat. Auch von diesem Aspekt her setzt sich also die Ansicht einer Billigkeitsrechtsprechung nicht durch. I m Eisenwändefall wurde ebenfalls nur sekundär auf die wirtschaftliche Lage des Schiffsführers abgestellt, abgesehen davon, daß dort auch die Haftung des Unterfrachtführers als von der Freizeichnungsklausel gedeckt angesehen wurde. Insoweit kann selbstverständlich keine Billigkeitsjudikatur angenommen werden 1 4 1 . Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof freilich den dem Arbeitnehmer gegen seinen Dienstherrn zustehenden Befreiungsanspruch nicht übersehen, so daß er ihn als bestes Instrument für eine billige Entscheidung hätte einsetzen können. Dies ließe sich leicht auf der Grundlage der schadensträchtigen Arbeit und der Annahme nur leichter Fahrlässigkeit des Schädigers verwirklichen, weil dann i m Endergebnis lediglich der Arbeitgeber belastet werden würde 1 4 2 . Es ist daher kein Zufall, daß das oberste Zivilgericht diesen Weg nicht eingeschlagen hat. I h m lag es hauptsächlich daran, den Haftungsausschluß aufrechtzuerhalten 143 , wenn man von dem Monteurfall absieht, wo aber das Vorliegen gefahrgeneigter Arbeit mittelbar abgelehnt wurde. Die 138

So aber Helm, A c P 161 (1962), S. 516 (540ff.); Gernhuber, J Z 1962, 553 (556 re. Sp.); Gottwald, M ü K o , § 328 Rdnr. 95, S. 928. 139 D a r i n sieht auch Prüssmann, Seehandelsrecht, § 663 A n m . D 2 a, S. 802, den einzigen G r u n d f ü r eine Freizeichnung zugunsten von Hilfspersonen. 140 Vgl. oben bei Fußn. 129 ff.; vgl. auch Gamillscheg, VersR 1967, 513 (514). 141 Anders Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers v o r der Außenhaftung, S. 131. 142 Dies w i r d auch von Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (541) zugegeben. 143 I n eine ähnliche Richtung gehen Gamillschegs, VersR 1967, 513 ff., Überlegungen; erstaunlicherweise plädiert auch Hanau, MüKo, § 276 Rdnr. 181, S. 598, f ü r eine Aufrechterhaltung des Haftungsausschlusses, obwohl er an anderer Stelle (dazu siehe unten bei Fußn. 288) für eine unbedingte Haftung des Arbeitgebers eintritt.

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts 144 hat ferner den hier vertretenen Standpunkt bestätigt. Dabei ging es um den Schadensersatzanspruch eines geschädigten Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitskameraden. Billigkeitserwägungen vermögen hier nicht einzugreifen, da beide Parteien (Schädiger und Geschädigte) in der gleichen Weise schutzbedürftig sind. I n diesem Falle blieb dem Gericht kein anderer Weg als die strikte Anwendung der geltenden Haftimgsgrundsätze. Der Große Senat ist trotzdem anders verfahren und hat die A n sprüche des Geschädigten gegen seine Arbeitskameraden abgeschnitten, weil es ihm nicht recht schien, die gesetzliche Haftungseinschränkung des Arbeitgebers über den Umweg eines Freistellungsanspruchs zugunsten des Schädigers vereiteln zu lassen 145 . Diese höchstrichterliche Entscheidung zeigt am deutlichsten, welche Motive die Rechtsprechung dazu veranlaßt haben, die Wirkung von Freizeichnungsklauseln für den D r i t ten (Arbeitnehmer) zu erstrecken. Unbegründet ist demnach auch die Befürchtung, daß dem Arbeitgeber die Verpflichtung auferlegt werde, von seinen Bediensteten noch den letzten Druck (!) zu sorgfältiger Arbeit zu entfernen 146 . I n der Tat w i r d er von einer Verpflichtung entlastet. Abgesehen davon übersieht aber diese Argumentation, daß „moralisierende und strafrechtliche Gesichtspunkte" i m Schadensersatzrecht keinen Platz haben 147 . Andererseits würden eventuelle negative Auswirkungen der Haftungsbefreiung des Arbeitnehmers durch die i m A r beitsrecht geltenden disziplinären und anderen Maßnahmen ohnehin ausgeschaltet 148 . Sonach treten nur die positiven Folgen seiner Haftungserleichterung zutage, die man m i t Scheuerle ii 9 darin zu sehen hat, daß die Beseitigung der Fehlerangst die Leistungen steigert.

144 B A G (ο. Fußn. 115) B A G Bd. 5, 1 ff. = B B 1958, 80; dazu siehe auch Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 89 ff. 145 Gamillscheg, VersR 1967, 513 (514 Ii. Sp.), sieht den entscheidenden Grund der Entlastung des Arbeitgebers darin, daß er durch die Zahlung der Beiträge an die Berufsgenossenschaft den Geschädigten (zum Teil) entschädigt hatte; vgl. auch Hanau, Hinkende Gesamtschulden, VersR 1967, 516 (517 re. Sp.). 14β Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (535). 147 BGBl Motive II, § 218, S. 17 f.; Rother, Haftungsbeschränkung, S. 274; Hermann Lange, Schadensersatz, Einl. I I I , 2 d, S. 8 f. 148 Vgl. Rother, Haftungsbeschränkung, S. 274; Denck, Der Schutz des A r beitnehmers vor der Außenhaftung, S. 48 ff. Aus der jüngsten Rechtsprechung vgl. den Sachverhalt des Urteils des L A G Bremen (o. Fußn. 8) VersR 1980, 1182: 8 Tage nach seiner Einstellung w u r d e ein K r a f t f a h r e r offensichtlich aufgrund des angerichteten Schadens entlassen. 149 RdA 1958, 247 (253 Ii. Sp.).

§ 8. Die Nachteile aus dogmatischer Sicht

141

§ 8. Die Nachteile der Drittwirkung von Freizeichnungsklauseln aus dogmatischer Sicht I. Abgrenzung von der Frage der Zulässigkeit

Wenn sich Außenwirkungen von Freizeichnungsklauseln mittels Auslegung nicht gewinnen lassen, dann läßt dies noch keine endgültigen Schlußfolgerungen über die Zulässigkeit einer erweiterten Wirkung von Haftungseinschränkungen sowie über ihre Begründung i m positiven Recht zu. Aufgrund der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie scheint zunächst wenigstens bei Individualvereinbarungen nicht die Zulässigkeit an sich, sondern die dogmatische Grundlage der Außenwirkungen von Haftungsbeschränkungen problematisch zu sein. I m Rahmen der allgemeinen Geschäftsbedingungen w i r d man aber auch die Zulässigkeit so weitgehender Klauseln i n Frage stellen können, w e i l anstelle beiderseitiger Privatautonomie dort das einseitige Diktat solcher Klauseln auftritt. Indessen w i r d uns der Gesichtspunkt der einseitigen Aufstellung in diesem Zusammhang nicht interessieren. Auch nicht die Zulässigkeit, sondern überhaupt das Bestehen des Problems der D r i t t wirkungen von Freizeichnungsklauseln wenigstens i m Rahmen der allgemeinen Geschäftsbedingungen w i r d den Gegenstand dieser Untersuchung darstellen, und insoweit sei ihr Ergebnis vorweggenommen. Vorher ist es aber vonnöten zu prüfen, ob und inwieweit die Versuche der Begründung von Außenwirkungen der Haftungsbeschränkungen haltbar und infolgedessen auch auf das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen übertragbar sind. Die Gerichte haben sich, wie schon dargelegt, hauptsächlich der Form des Vertrags zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB) oder des pactum de non petendo bedient, um solche Auswirkungen zu begründen. W i r d aber durch den Vertrag zugunsten Dritter eine Leistung an einen Dritten bedungen und durch das pactum de non petendo demselben eine Einrede gewährt, so bedarf es zuerst der Aufklärung der Rechtsnatur des Haftungsausschlusses, welche die unerläßliche Voraussetzung für seine Subsumtion unter der Leistung i m Sinne des § 328 BGB oder der Einrede des Einforderungsverzichts darstellt. Zunächst ist also kurz auf die Frage der Rechtsnatur der Haftungseinschränkung einzugehen 150 . I I . Die Rechtsnatur des Haftungsausschlusses

1. Ausschluß der Rechtswidrigkeit Zunächst scheint es möglich, den Ausschluß der (Verschuldens-)Haftung dahingehend aufzufassen, daß er auf einen Ausschluß der Rechts150 Insoweit w i r d hier Kümmel, Haftungsausschluß, § 3, S. 16 ff., u n d Jahn, Außenwirkungen, § 2, S. 27 ff., gefolgt.

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

Widrigkeit der begangenen Handlung hinausläuft. I n diesem Falle könnte von einer Einwilligung 1 5 1 , von einer „Gestattung oder Ermächtigung" des Kunden (Geschädigten) „zur Vornahme tatsächlicher Handlungen" gesprochen werden, „die i n den Rechtskreis des Gestattenden eingreifen" 1 5 2 . Daß es sich bei dem Haftungsausschluß nicht um einen Rechtfertigungsgrund handelt, liegt aber auf der Hand 1 5 3 . Die Rechtswidrigkeit ist erst nur ein Merkmal 1 5 4 , das Erfolgsunrecht 155 einer schädigenden Handlung, sie „bedeutet noch nicht Schuld"15®. Erklärt man sich sodann m i t dem Ausschluß der Verschuldenshaftung einverstanden, so ergibt sich daraus keineswegs die Rechtmäßigkeit der schädigenden Handlung, weil auch beim Fehlen eines Verschuldens die Rechtswidrigkeit nicht aufgehoben wird. I n tatsächlicher Hinsicht ist der Geschädigte (Kunde) m i t keinerlei Eingreifen in seine Rechtsgüter, also m i t keinerlei Schädigungen, einverstanden 157 , auch wenn sie nur auf den vertraglich ausgeschlossenen Verschuldensgrad zurückzuführen sind. I n diesem Fall w i r d aber der Schädiger entschuldigt 158 , und infolgedessen entsteht gegen ihn keine Schadensersatzforderung. Noch anschaulicher w i r d dies am folgenden Beispiel: Die Einwilligung des Patienten heißt Einverständnis m i t dem Eingreifen (Operation) i n seine körperliche Integrität 1 5 9 . Die von dem Kunden zugebilligte Freizeichnung i m Wachmannfall läßt jedoch seine Zustimmung zu der Inbrandsetzung seines Wagens gar nicht erkennen! Hier hat also der Geschädigte auf seine „sächliche Integrität" 1 6 0 nicht verzichtet 161 . 151 „ H i e r w i r d der ,an sich' gegebene Unrechtsgehalt des Verhaltens aus besonderem Anlaß ausgeschlossen" : Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 2, § 25 I V , S. 19. 152 Larenz, Schuldr. I I , § 71 I, S. 594. 153 Siehe auch: Hermann Lange, Schadensersatz, § 10 X V I 1, S. 407; K ü m mel, Haftungsausschluß, § 3, S. 18 f.; Jahn, Außenwirkungen, § 2, S. 33 f. 154 Vgl. u. a.: Larenz, Schuldr. I, § 20 I V , S. 237 ff.; derselbe, Schuldr. I I , § 71 I d, S. 595; Hans Stoll, Z u m Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen V e r haltens, JZ 1958, 137 ff. (insbesondere 139 ff.); E. Wolf, Schuldr. I, § 3 C I I , S. 113 f.; Hanau, MüKo, § 276 Rdnrn. 27 ff., S. 550 ff.; Enneccerus / Nipperdey, A l l g . T e i l I I , § 209 I, S. 1277 f.; anderer Ansicht: Blomeyer, Allg. Schuldr., § 24 I I 1 b, S. 120. 155 So die herrschende Meinung, ζ. B. Jauernig / Teichmann, § 823 A n m . I V 1, S. 863 f.; Ermanl Drees, § 823 Rdnr. 46, S. 2136 f.; Palandt / Thomas, § 823 A n m . 7 A, S. 818. Eine neuere Lehre sieht i n der Rechtswidrigkeit ein Handlungsunrecht. So u.a.: Enneccerus / Nipperdey, A l l g . T e i l I I , § 209 I V , S. 1279 ff.; Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 2, § 25 I V , S. 13 f.; Esser/ Weyers, Schuldr. I I , Teilbd. 2, § 55 I I 3, S. 150 ff.; Nipperdey, Rechtswidrigkeit usw. i m Zivilrecht, N J W 1957, 1777. 156 Fikentscher, Schuldrecht, § 49 I I I 4 b, S. 253. 157 So auch: Hans Stoll, Handeln auf eigene Gefahr, § 23 I I I , S. 341; Soergel! Schmidt, § 276 Rdnr. 63, S. 296; Kümmel, Haftungsausschluß, § 3, S. 18; Jahn, Außenwirkungen, § 2, S. 33 f. 158 Vgl. Gerhardt i n Athenäum-Zivürecht I, § 4, 3 b, S. 745. 159 Vgl. Larenz, Schuldr. I I , § 71 I, S. 594 f.; Esser / Schmidt, Schuldr. I, T e i l bd. 2, § 25 I V , S. 14 u n d 21; Erman / Drees, § 823 Rdnrn. 13 ff., S. 2127 f.

§ 8. Die Nachteile aus dogmatischer Sicht

2. Verminderung

143

der Sorgfaltspflicht

Ebensowenig überzeugend kann behauptet werden, der Haftungsausschluß sei Verminderung der Sorgfaltspflicht 162 . Eine Freizeichnimg zielt nicht darauf ab, den Tatbestand des Fahrlässigkeitsbegriffs einzuschränken 1 6 3 , indem sie dem Begünstigten das Privileg einräumen würden, bei einer Vertragsdurchführung sich etwa beliebig zu verhalten, ohne die Einhaltung der jeweils erforderlichen Sorgfalt zu beachten 164 . Diese Konstruktion entspricht m i t Sicherheit nicht dem Parteiwillen 1 6 5 . Übrigens könnte sich der Schuldner auch dem Vorwurf des Vorsatzes entziehen, wenn er sein vorsätzlich gleichgültiges und leichtsinniges Verhalten damit rechtfertigen wollte, daß er zur Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nicht verpflichtet sei. Hinsichtlich der neuen Lehre 1 6 6 , die i n der Rechtswidrigkeit die Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt sieht, würde die Konstruktion der verminderten Sorgfaltspflicht dazu führen, daß der Haftungsausschluß die Behebung der Rechtswidrigkeit zur Folge hätte, was aber schon verneint wurde. 3. Pactum de non petendo oder Erlaß Ferner hält die Bezeichnung des Haftungsausschlusses als pactum de non petendo 167 der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Diese Institution des römischen Rechts gewährte bekanntlich dem Schuldner eine Einrede, die er der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs seitens des Gläubigers entgegenhalten konnte 1 6 8 . Die Existenz einer solchen i m BGB nicht geregelten Einrede ist jedoch zunächst nicht unzweifelhaft 1 6 9 . Abgesehen aber davon w i r d der Subsumtion des Haftungsaus160

Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 2, § 25 I V , S. 19. Siehe ferner bei Kümmel, Haftungsausschluß, § 3, S. 19, die Ungereimtheiten, zu denen die Ansehung des Haftungsausschlusses als E i n w i l l i g u n g bei der A n w e n d u n g der §§ 276 Abs. 2 u n d 278 Satz 2 B G B führen würde. 1β2 Staub / Gadow, § 384 HGB, A n m . 9a, S. 513. 163 Vgl. auch Kümmel, Haftungsausschluß, § 3, S. 19 f. 164 V g l Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 1, § 6 I I 2, S. 62 f.; Hans Stoll, Handeln auf eigene Gefahr, § 23 I I I , S. 342. 165 v g l oben die Ausführungen über die Ansehung des Haftungsausschlusses als Einwilligung. 161

168

Siehe oben Fußn. 155. Oder „Einforderungsverzicht" nach Reichel, JherJb, Bd. 85, S. 1 ff. (2 f.). 168 Siehe z. B.: Larenz, Schuldr. I, § 19 I, S. 221 f.; Erman / Westermann, § 397 Rdnr. 3, S. 890; Planck / Siber, § 397 Anm. b, S. 543; Soergel / Schmidt, § 397 Rdnr. 10, S. 493 f. 169 Gegen das pactum de non petendo E. Wolf, Schuldr. I, § 8 H I I g, S. 419, der statt dessen entweder eine Stundung oder einen Erlaßvertrag annimmt. Manche Autoren behandeln diese Einrede gar nicht, w i e Fikentscher, § 39 I V , S. 173; Kress, Lehrbuch des allg. Schuldr., § 20, 6, S. 465 ff.; Leonhard, Allg. Schuldr., § 327, S. 633 ff.; Larenz, Schuldr. I, § 19 I, S. 222, meint ferner, das pactum de non petendo komme entweder einer Stundung oder einem Erlaß167

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

schlusses unter das pactum de non petendo zutreffend m i t dem Argument begegnet, dies entspreche nicht dem Parteiwillen 1 7 0 . Und i n der Tat zielt eine vereinbarte Haftungserleichterung darauf ab, die Geltendmachung der Schadensersatzforderung des Geschädigten zu verhindern, also i h m jegliche Ansprüche endgültig und unmittelbar abzuschneiden. Demgemäß wäre die Annahme eines bloßen Einspruchsrechts ein überflüssiger, den Parteiabsichten fremder Umweg. Insoweit erscheint es auf den ersten Blick richtiger, die Haftungserleichterung als Erlaß anzusehen 171 . Auch gegen diese Ansicht bestehen jedoch entscheidende Einwände, die sich zunächst aus dem Streit über die Zulässigkeit des Erlasses künftiger Forderungen ergeben. Hierzu muß man feststellen, daß die herrschende Meinung einen solchen Erlaß als begrifflich unmöglich ablehnt 1 7 2 , denn hier stellt sich die berechtigte Frage, wie man jemanden von einer nicht bestehenden Verpflichtimg entbinden kann. Obwohl die gegenteilige Ansicht 1 7 3 diese begriffliche Barriere nicht unzutreffend m i t dem Argument überwindet, daß nur der A b schluß des Erlaßvertrags und nicht die Entfaltung seiner Wirkungen vor dem Entstehen des Anspruchs erfolgt, werden auch rechtspolitische Überlegungen i n Betracht gezogen, die wenigstens gegen eine allgemeine Anerkennung des Erlasses künftiger Forderungen sprechen 174 . vertrag „sehr nahe". I n diesem Sinne auch: Heck, Grundriß, § 58 I, S. 173; Blomeyer, A l l g . Schuldr., § 37 I 4, S. 221. 170 Kümmel, Haftungsausschluß, § 3, S. 20; Jahn, Außenwirkungen, § 2, S. 34 f.; vgl. auch Heck, Grundriß, § 58 I, S. 173. 171 So L. Raiser , A G B , § 19 I I , S. 218; i h m folgend Hildebrandt, A c P 143 (1937, Nachdruck 1978), S. 326 (341); Böhmer, Welchen Einfluß hat der Haftungsverzicht usw., N J W 1956, 1018; Geigei, A n m e r k u n g zu B G H v. 3. 2. 1954, J Z 1954, 505 (507 f.); Reichel, Freizeichnung u n d Erfüllungsgehilfschaft, Das Recht 1924, 155 (157); v. Tuhr, Allg. T e i l I I , 2. Hälfte, § 88, S. 467, A n m . 81. Anders Weitnauer, N J W 1968, 1593 (1600 Ii. Sp.), der den Haftungsausschluß f ü r pactum de non petendo h ä l t ; so auch: Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 11 Nr. 7, Rdnr. 41, S. 463; Prüssmann, Seehandelsrecht, § 663 A n m . D 2 d, S. 804; S chaps / Abraham, Seerecht, 2. Teil, Anh. I I § 663 b, Rdnr. 67, S. 893; B G H (o. Fußn. 23) VersR 1960, 727 (728 f.); B G H (o. Fußn. 25) VersR 1977, 717 f.; B G H (o. Fußn. 73) B G H Z 22, 109 (121). 172 Palandt / Heinrichs, § 397 A n m . 1 b, S. 399; v. Feldmann, M ü K o , § 397 Rdnr. 5 b, S. 1103; Erman / Westermann, § 397 Rdnr. 4, S. 891; Weber i n B G B RGRK, § 397 Rdnr. 18, S. 115; Soergel / Schmidt, § 397 Rdnr. 7, S. 492; Staudinger / Kaduk, § 397 Rdnrn. 3 u n d 58 f., S. 500 und 506; Planck / Siber, § 397 A n m . b, S. 543; Walsmann, Der Verzicht, § 7, S. 233 f.; Blomeyer, Allg. Schuldrecht, § 37 I 3, S. 220; E. Wolf, Schuldr. I, § 8 I I b, S. 418; Eccius, Wesen der Verfügung des BGB, GruchB. Bd. 48, S. 465 (466 f.); i m einzelnen noch Dreyfus, Die Verfügung, §§ 39, 40, S. 94 ff. 173 B G H v. 28. 11. 1963 ( I I ZR 41/62, Hamburg) B G H Z 40, 326 (330 f.); Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 1, § 21 I, S. 234 f.; Gerhardt i n A t h e n ä u m - Z i v i l recht I, § 4, 3a, S. 744; Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 74 I 5, S. 296; Reichel, Das Recht 1924, Sp. 155 (157); Kötz / Eith / Müller-Gindullis, § 397 A n m . 1, S. 118; Geigei, J Z 1954, 507 ff. 174 Vgl. Larenz, Schuldr. I, § 19 I a, S. 220; Blomeyer, A l l g . Schuldr., § 37 I 3, S. 220.

§ 8. Die Nachteile aus dogmatischer Sicht

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Solche rechtspolitischen Bedenken würden ebenso hinsichtlich des Haftungserlass es durch allgemeine Geschäftsbedingungen zutage treten, so daß man jegliche selbst gesetzlich anerkannte Haftungserleichterungen in diesem Bereich i n Abrede stellen sollte. Aber auch bei Annahme der Zulässigkeit des Erlasses künftiger Forderungen w i r d zu Recht hervorgehoben 175 , daß der Parteiwille i n diesem Falle m i t der Konstruktion eines Erlasses ebensowenig vereinbar zu sein scheint wie m i t der des Einforderungsverzichts. Die Vertragsbeteiligten wollen einen Ersatzanspruch völlig und drastisch ausschließen. Die Fiktion, daß eine Forderung sofort nach ihrem Entstehen erlischt, ist ihnen wenigstens unvorstellbar. 4. Enthaftungsv ertrag Deshalb w i r d von der ganz überwiegenden Meinung 1 7 6 zu Recht angenommen, daß beim Haftungsausschluß eine Forderung gar nicht zur Entstehung gelangt 177 . Die Haftungseinschränkung ist also kein Erlaß, sondern eine Vereinbarung, welche die geltenden gesetzlichen dispositiven Haftungsnormen ändert 1 7 8 und die Entstehung eines Schadensersatzanspruchs verhindert. Nur ein nachträglicher Haftungsausschluß kann als Erlaß angesehen werden 1 7 9 . Sowohl dieser als auch die anfängliche Haftungsausschlußvereinbarung werden als Rechtsgeschäft m i t verfügendem Charakter angesehen 180 . Dies w i r d von Kümmel näher begründet; danach w i r d der Verfügungscharakter des Haftungsausschlus175

Kümmel, Haftungsausschluß, § 3, S. 22. Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 74, I 5, S. 296 u n d § 231 I I , S. 930 (er spricht v o m Enthaftungsvertrag) ; Soergel / Schmidt, § 276 Rdnr. 63, S. 296; Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 1, § 21 I, S. 235 u n d § 6 I I 2, S. 63; Köbler, Schuldrecht, § 1, S. 23; Walsmann, Der Verzicht, § 7, S. 233; Kümmel, Haftungsausschluß, § 3, S. 22; Jahn, Außenwirkungen, § 2, S. 36 f.; Gerhardt i n Athenäum-Zivilrecht I, § 4, 3 b, S. 744 f.; Jauernig / Vollkommer, § 276 A n m . I V 5, S. 253 f.; Hermann Lange, Schadensersatz, § 10 X V I 1, S. 407; v. Feldmann, M ü K o , § 397 Rdnr. 5, S. 110; Gernhuber, JZ 1962, 553 (554 Ii. Sp. u n d 556 Ii. Sp.); Hans Stoll, Handeln auf eigene Gefahr, § 23 I I I , S. 341 f. 177 Vgl. auch Planck / Siber, § 397 A n m . 1 b, S. 543; Erman / Westermann, § 397 Rdnr. 4, S. 891; Palandt / Heinrichs, § 397 Anm. 1 b, S. 399; Staudinger/ Kaduk, § 397 Rdnr. 61, S. 506; Blomeyer, Allg. Schuldr., § 37, I 3, S. 220; Leonhard, Schuldrecht, § 327, S. 634; Jauernig / S türner, § 397 Rdnr. 2, S. 386; RG V. 5. 7. 1935 ( I I ZS 340/34, Berlin) RGZ 148, 257 (262). 178 Walsmann, Der Verzicht, § 7, S. 233; Alff i n B G B - R G R K , § 276 Rdnrn. 88 f., S. 67 f. 179 Vgl. Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 1, § 6 I I 2, S. 63: „Gangbar ist lediglich der Weg über einen nachträglich vereinbarten Haftungserlaß. Es steht dem Gläubiger frei, auf den einmal entstandenen Ersatzanspruch zu »verzichten 4 ." 180 Planck / Siber, § 276 Anm. 4, S. 223; Kümmel, Haftungsausschluß, § 3, S. 24; Palandt / Heinrichs, § 276 A n m . 5 Ba, cc, S. 292; Jahn, Außenwirkungen, §2, S. 36 f.; Soergel J Schmidt, §276 Rdnr. 63, S. 296; Gerhardt i n AthenäumZivilrecht I, § 4, 3 b, S. 745 f.; Reichel, Das Recht 1924, Sp. 155 (157); Hans Stoll, I X . Internationaler Kongreß f ü r Rechtsvergleichung (1974), S. 1 (1 f.). 176

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ses nicht dadurch beeinflußt, daß dieser „gleichzeitig m i t der Begründung des Schuldverhältnisses vereinbart" wird. Denn der gesetzliche Haftungsmaßstab, der sonst zwischen den Parteien gilt, w i r d mittels Freizeichnung geändert; „diese Abbedingung der Haftungsnormen verändert die Rechtsbeziehungen unmittelbar. Der Enthaftungsvertrag ist deshalb ein schuldrechtliches Verfügungsgeschäft" 181 . I I I . Zur dogmatischen Begründung der Drittwirkung von Haftungsausschlüssen

Die Festlegung der Rechtsnatur des Haftungsausschlusses kann als Ausgangspunkt und Grundlage dazu dienen, die Fragwürdigkeit der Annahme einer Erstreckung der Freizeichnung auf Dritte aus dogmatischer Sicht zu zeigen, obgleich diese fast einhellig anerkannt w i r d 1 8 2 . Auch diejenigen, die gegenüber einer derartigen Lösung unserer Frage kritisch eingestellt sind, verwerfen grundsätzlich nicht die Möglichkeit einer Personen außerhalb des Vertrages ergreifenden Freizeichnung 183 . Die folgenden Ausführungen sollen demnach vor allem die dogmatische Verworrenheit zeigen, welche sich aus dem Versuch der Begründung von Haftungsausschlüssen zugunsten Dritter ergeben hat, und zugleich ersichtlich werden lassen, daß die bisherigen Vorschläge dem Interessenkonflikt i n dem Dreiecksverhältnis: freigezeichneter Verwender — Kunde (Geschädigter) — abhängiger Erfüllungsgehilfe (Schädiger) nicht gerecht werden können, so daß schon daran die Notwendigkeit neuer Wege zu einem befriedigenden Ergebnis zu erkennen ist. 1. Direkte Anwendung der §§ 328 ff. BGB und pactum de non petendo Zunächst ist allgemein anerkannt, daß nur Verpflichtungs- und keine Verfügungsgeschäfte zugunsten Dritter von den Vorschriften der §§ 328 ff. BGB erfaßt sind. Ihre direkte Anwendung auf Verfügungen und demzufolge auch auf Haftungsausschlüsse scheidet von vornherein aus. Besonders hinsichtlich der Haftungsbefreiung mag ein weiterer Grund dafür sprechen, die §§ 328 ff. BGB von der Regelung der Frei181

Kümmel, Haftungsausschluß, § 3, S. 23 f. Siehe u.a.: Brox, A l l g . Schuldr., § 28 V I , Rdnr. 380, S. 216; Palandt/ Heinrichs, § 276, A n m . 5 B a, cc, S. 292; Ballhaus i n B G B - R G R K , § 328 Rdnr. 106, S. 31 f.; Esser, Schuldr. I, § 54 I I , S. 399 f. u n d Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 2, § 36 V, S. 243 bejahen zwar zunächst die D r i t t w i r k u n g v o m Haftungsausschluß, verneinen sie dennoch bei der deliktischen Haftung des A r beitnehmers, was praktisch auf eine Ablehnung hinausläuft. 183 So Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (521 f.); Schmidt-Salzer, B B 1969, 297 (300) erkennt diese Möglichkeit jedoch n u r bei i n d i v i d u e l l ausgehandelten Vertragsbestimmungen an. Verneinend auch Riedel, Energieversorgung, S. 56 ff. (insbesondere S. 69 a. E.). 182

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Zeichnung zugunsten Dritter auszuschließen. Eine vertragliche Haftungserleichterung kann nämlich unmöglich als Leistung an einen Dritten i m Sinne des § 328 BGB aufgefaßt werden. Zwar vermag eine Leistung gemäß dieser Vorschrift auch i n einer Unterlassung zu bestehen 184 , welche hier darin zu erblicken wäre, daß der Versprecher (Geschädigte) dem Versprechensempfänger (Verwender) gegenüber die Nichtgeltendmachung seines Schadensersatzanspruchs gegen den Schädiger (Arbeitnehmer) versprechen würde. Indessen erweist sich die Annahme einer derartigen Versprechung als gegenstandslos 185 , wenn man den Standpunkt vertreten hat, durch den Haftungsausschluß werde die Entstehung einer Ersatzforderung überhaupt verhindert. Es ist also begrifflich nicht möglich, die Nichtgeltendmachung eines nie entstehenden Anspruchs zu versprechen. Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen, fällt auch die Betrachtung des Haftungsausschlusses zugunsten eines Dritten als pactum de non petendo 186 aus. Gegen die Heranziehung dieser Rechtsfigur zur Rechtfertigung drittwirkender Haftungserleichterungen gibt es noch weitere entscheidende Einwände. Wenn nämlich das pactum de non petendo auf die „Zwangsbefriedigungsmacht" lediglich des materiellrechtlichen Teils eines Anspruchs einwirkt 1 8 7 , dann folgt daraus, daß der Geschädigte-Kunde jederzeit auf den Ersatz seines Schadens klagen kann, während dem Schädiger nur die Möglichkeit der Berufung auf die Einrede übrig bleibt, welche sich aus dem pactum ergibt. A n anderer Stelle wurde aber schon gesagt 188 , die Einräumung nur einer Einrede entspreche nicht dem Parteiwillen, da die Vertragspartner beabsichtigen und zu Recht glauben, m i t der vereinbarten Freizeichnung unmittelbar und endgültig auf eventuelle Schadensersatzansprüche eingew i r k t zu haben. Schließlich ergeben sich Schwierigkeiten daraus, daß die Frage umstritten ist, ob es bei dem pactum de non petendo um ein Verpflichtungs- oder um ein Verfügungsgeschäft (Nichteinforderungsverzicht) 189 geht. Und damit w i r d wiederum das allgemeine Problem der

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Gottwald, M ü K o , § 328 Rdnr. 16, S. 901; Ballhaus i n B G B - R G R K , § 328 Rdnr. 14, S. 6; Staudinger / Kaduk, § 328 Rdnr. 20, S. 48; E. Wolf, Schuldr. I I , § 18 I I I c, S. 343; Kümmel, Haftungsausschluß, § 4, S. 26. 185 Z u dieser irrigen Annahme gelangt jedoch die Rechtsprechung, w e i l sie sich über die Untersuchung der Rechtsnatur des Haftungsausschlusses h i n weggesetzt hat. Siehe auch Kümmel, Haftungsausschluß, § 2, S. 10. 186 Anders Erman / Westermann, § 328 Rdnr. 15, S. 820; Coester-Waltjen in Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, A G B G , § 11 Nr. 7 Rdnr. 40 f., S. 462 f.; siehe auch oben bei Fußn. 28—29. 187 Cremer, Das pactum de non petendo, S. 9 f., 66 ff. u. 89 ff.; vgl. auch Reichel, JherJb Bd. 85 (1935), S. 1 u. 5 f.; Kümmel, Haftungsausschluß, § 4, S. 26 ff. 188 Siehe oben bei Fußn. 169—171. 189 So Cremer, Das pactum de non petendo, S. 39 ff. (insbesondere S. 51 ff.); Reichel, JhreJb Bd. 85 (1935), S. 1 ff. 10*

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

Zulässigkeit von Verfügungen zugunsten Dritter angesprochen, das immer noch streitig ist. 2. Drittwirkungen

bei Gesamtschuldverhältnissen

Die sogenannten Außenwirkungen von Haftungsbeschränkungen 190 bei Gesamtschuldverhältnissen sollen von dem vorliegenden Untersuchungsgegenstand abgegrenzt und ausgeklammert werden. Den Anlaß für diese Abgrenzung bietet vor allem ein Aufsatz von BoecJc191, welcher das Ergebnis und die Begründung eines vom B G H entschiedenen Falls 1 9 2 ablehnt, wobei eine gesetzliche kurze Verjährungseinrede (§ 606 oder § 558 BGB) zugunsten des Vertragspartners (Entleihers oder Mieters) auch auf seinen schadensersatzpflichtigen Erfüllungsgehilfen (Fahrer) erstreckt wurde, und zwar m i t der Begründimg, daß der Fahrer i n die Schutzwirkung des Miet- oder Leihvertrags einbezogen werden soll (Verträge m i t Schutzwirkung für Dritte). Boeck wendet sich sodann sowohl gegen die Ausdehnung der Haftungserleichterung als auch gegen die dazu herangezogene Konstruktion der Verträge m i t Schutzwirkung für Dritte. Seine Alternative lautet: § 425 BGB. Er nimmt also das Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses an, was auf die Anwendung des § 425 BGB hinausläuft, wonach die Verjährungseinrede lediglich für (oder gegen) denjenigen Gesamtschuldner w i r k t , i n dessen Person sie eintritt. Er beschränkt sich jedoch nicht auf diese spezielle Vorschrift, die unter anderem auch die Wirkung der Verjährung unter Gesamtschuldnern regelt, sondern er zieht darüber hinaus den die Ausgleichungspflicht unter Gesamtschuldnern vorschreibenden § 426 BGB i n Betracht, woraus sich ergeben soll, daß der Gesetzgeber den freigezeichneten Gesamtschuldner nicht für schutzwürdig erachtet, wenn seine Freizeichnung über die Ausgleichungspflicht gegenüber dem anderen Gesamtschuldner (Erfüllungsgehilfen) leerläuft 1 9 3 . Damit soll der Standpunkt des B G H widerlegt werden, die Ausdehnung der Haftungserleichterung auf den Erfüllungsgehilfen sei deshalb geboten, weil sie andernfalls über den Freistellungsanspruch des Fahrers nach den Grundsätzen der gefahrgeneigten Arbeit gegen den Mieter oder Entleiher-Arbeitgeber ausgehöhlt würde. Die Berufung jedoch auf den § 426 BGB und die daraufhin vorgenommene Verbindung des obigen Falls m i t den so190 Diese Bezeichnung w i r d hier aus Gründen der besseren Unterscheidung zu unserem Problem vorgezogen. 191 Haftungsbeschränkung zugunsten Dritter, N J W 1969, 1469 ff. Vgl. auch Medicus, Haftungsbefreiung u. Gesamtschuldnerausgleich, JZ 1967, 398 (401 Ii. Sp.). 192 B G H (o. Fußn. 99) B G H Z 49, 278 = VersR 1968, 476 = N J W 1968, 694. 193 Vgl. auch schon Hanau, VersR 1967, 516 ff., der zeigt, daß das Innengegenüber dem Außenverhältnis dominierend ist.

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genannten Außenwirkungen von Haftungsbeschränkungen muß aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage als unzutreffend bezeichnet werden. Die Problematik der dazu gehörigen Fälle ist eine andere, weil sie an Verkehrsunfällen orientiert ist 1 9 4 , an denen mindestens zwei Schädiger beteiligt sind, von denen der eine vertraglich oder gesetzlich freigestellt ist. Man w i l l nun in diesen Fällen einerseits zugunsten des Erstschädigers die Wirkungen der Freizeichnung m i t dem Argument pacta sunt servanda 195 unbedingt aufrechterhalten und andererseits den Zweitschädiger nicht für den gesamten, sondern nur für denjenigen Teil des Schadens haften lassen, den er verursacht und gegebenenfalls 196 auch verschuldet hat 1 9 7 . Dieser zweite Gesichtspunkt steht sogar i m Vordergrund der ganzen Problematik, denn die Stellung des Zweitschädigers ist am stärksten bedroht, und zwar aus folgenden Gründen. Wegen des geltenden Haftungsausschlusses erscheint das Zustandekommen eines Gesamtschuldverhältnisses sehr zweifelhaft 1 9 8 , weil er, wie dargelegt, die Entstehung einer Forderung verhindert, so daß eine Schadensersatzpflicht des Erstschädigers gegenüber dem Geschädigten nie entstanden ist. So w i r d die Anwendung des § 426 BGB und somit der Ausgleichsanspruch des Zweitschädigers ausgeschaltet. Der Haftungsausschluß w i r k t also störend, wie man sagt 199 , auf das Gesamtschuld Verhältnis. Zur Beseitigung dieser Störung bieten sich hauptsächlich zwei Möglichkeiten: entweder Einräumung eines Ausgleichsanspruchs an den Zweitschädiger trotz Fehlens eines Gesamtschuldverhältnisses 200 und daraufhin Inanspruchnahme des Geschädigten von dem Erstschädiger aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Haftungsvereinbarung 201 oder Haftung des Zweitschädigers gegenüber dem Geschädigten von Anfang an bis zu der Höhe seines Schadensanteils 202 . 194

Medicus, JZ 1967, 398 Ii. Sp.; Jahn, Außen Wirkungen, § 3, S. 39. Böhmer, Haftungsverzicht zum Nachteile Dritter?, M D R 1968, 13. 196 Vgl. § 18 StVG. 197 Das Vorliegen eines Verschuldens w i r d bei Verkehrsunfällen i n der Regel keine Rolle spielen, vgl. §§ 7, 17 StVG. iss prölss, Haftungsausschluß u n d Schadensausgleich, JuS 1966, 400 (402 re. Sp.); Wacke, Der Erlaß oder Vergleich m i t einem Gesamtschuldner, AcP 170 (1970), S. 42 (67); Böhmer, M D R 1968, 13; Jahn, Außenwirkungen, § 9, S. 148; vgl. auch Geigei, J Z 1954, 507 ff. 195

199 Medicus, JZ 1967, 398 Ii. Sp.; Thiele, Gesamtschuld u n d Gesamtschuldnerausgleich, JuS 1968, 149 (156 re. Sp.). 200 Referentenentwurf zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, Bd. I, S. 6 (§ 840 Abs. 2) u n d Bd. I I , S. 137; B G H v. 3. 2. 1954 ( V I Z R 153/52, Düsseldorf) B G H Z 12, 213 (215 ff.) = JZ 1954, 505; B G H v. 27. 6. 1961 ( V I ZR 205/60, Hamm) B G H Z 35, 317 (323) = JuS 1961, 402 = N J W 1961, 1966 = M D R 1961, 1009. 201 Referentenentwurf zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, Bd. I I , S. 138. 202 Medicus, JZ 1967, 398 ff., der auch schwerwiegende K r i t i k gegen den Referentenentwurf ü b t ; Thiele, JuS 1968, 149 (157); Prölss, JuS 1966, 400

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I m Gegensatz dazu stellt sich die Problematik der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln i n dem Dreiecksverhältnis Verwender (Arbeitgeber) — Erfüllungsgehilfe (Alleinschädiger - Arbeitnehmer) — Kunde anders dar. Die Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses scheint zwar hier zweifelhaft aus dem oben erwähnten Grunde; jedoch bedarf diese Frage hier keiner weiteren Untersuchung. Denn der Ausgleichsanspruch des nun einzigen Schädigers gegen seinen Arbeitgeber ist keinerlei Bedrohungen ausgesetzt, weil er direkt und ausschließlich auf arbeitsrechtlichen Grundsätzen beruht. Aus der Existenz einer zwischen den Vertragsbeteiligten geltenden Haftungserleichterung an sich erwachsen dem Schädiger keine zusätzlichen Nachteile. Er müßte zunächst haften. Dies gilt u m so mehr angesichts seines arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruchs. Hier geht es also schlechthin u m die Erhaltung der Haftungsvereinbarung und nicht u m die Beseitigung irgendwelcher aus ihr zu Lasten oder zugunsten eines Dritten stammenden Störungen. Daher erscheint auch die Bezeichnung „ D r i t t w i r k u n g des Haftungsausschlusses" zutreffender als die des Haftungsausschlusses zugunsten Dritter 2 0 3 . Dieser letzteren, die sich inzwischen eingebürgert hat, ist allerdings insoweit zuzustimmen, als man eine Begünstigung des Dritten bei Bejahung der D r i t t w i r k u n g nicht völlig ausschließen kann, die darin besteht, daß er vor jeder Inanspruchnahme seitens des Geschädigten geschützt ist. Zusammenfassend kann man also sagen, die Interessenlage ist i n beiden Problembereichen recht verschieden, so daß ihre Abgrenzung und unterschiedliche Behandlung zweckentsprechend erscheint 204 . Übrigens kommt i m Rahmen der allgemeinen Geschäftsbedingungen noch der Aspekt der Schutzwürdigkeit der Kundeninteressen i n Betracht, der dazu beiträgt, die Geltung der Haftungsvereinbarung i n A b rede zu stellen, wie noch zu zeigen sein wird. Besonders unter Berücksichtigung dieses letzten Gesichtspunkts erweisen sich auch eventuell bestehende Gemeinsamkeiten der beiden Bereiche, die Lösungsübertragungen von dem einen auf den anderen zur Folge hätten, als gleichgültig. 3. Helwigs und Sibers Stellvertretungstheorie Das von den Anhängern der Zulässigkeit von Verfügungen zugunsten Dritter angenommene Verkehrsbedürfnis 205 bezog sich vornehmlich 2 0 8 (402 f.); Böhmer, M D R 1968, 13 (14); Wache, A c P 170 (1970), S. 42 (68); ähnlich Hanau, VersR 1967, 516 (524 re. Sp.). 203 I m Gegensatz dazu w i r d bei den Außenwirkungen v o n Haftungsbeschränkungen überwiegend v o m Haftungsausschluß zu Lasten D r i t t e r gesprochen; vgl. die Zitate i n Fußn. 202. Anders Jahn, Außenwirkungen, § 11, S. 167 ff. 204 Vgl. auch Palandt / Heinrichs, § 276, A n m . 5 B a, cc, S. 292. 205 Hierzu siehe auch unten bei Fußn. 260 ff. 206 Vgl. Rosenberg, Verträge zugunsten D r i t t e r i m Sachenrecht, D J Z 1921,

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auf die sachenrechtlichen 207 Verträge. Speziell Haftungsfreizeichnungen standen zwar, soweit ersichtlich, kaum i n der Diskussion 208 . Hellwig 209 hat aber i n seinen kategorischen Ausführungen gegen eine Ausdehnung des Leistungsinhalts nach den §§ 328 ff. BGB davor gewarnt, „liberatorische" Verträge unter die Grundsätze über Verträge auf Leistung an Dritte zu subsumieren. Er hat die in den §§ 267, 414, 423 BGB schuldbefreienden Verfügungen ausdrücklich als „Spezialvorschriften" angesehen. Die aus dem Bedürfnis, Verfügungen zugunsten eines Dritten zuzulassen, entstehenden Probleme hat Hellwig geglaubt, m i t der Rechtsfigur der Stellvertretung lösen zu können. Diese Ansicht wurde auch von Siber 210 vertreten, der sich allerdings gezwungen sieht, seine Theorie i n zwei Fällen zu beschränken. Erstens erkennt er die Notwendigkeit der Verfügung zu fremdem Recht an, wenn der Versprechensempfänger bei einem Schuldvertrage zu fremdem Recht dingliche Sicherungsrechte für den Anspruch des Dritten bestellen läßt 2 1 1 . Der zweite Fall 2 1 2 betrifft die Bestellung eines dinglichen Rechts für einen Dritten durch eine dem Typus des Schuld Vertrags zu fremdem Recht nachgebildete Vereinbarung 213 . W i l l man nun die Anwendbarkeit der Stellvertretungstheorie auf die Haftungsfreizeichnungen prüfen, so sollte man vorerst von der Unterscheidung zwischen alteri stipulari und Stellvertretung ausgehen. Siber sieht das Unterscheidungskriterium i n den Vertragswirkungen, die er von den Vertragsfolgen differenziert 214 . Demgemäß sollen bei der Stellvertretung alle Wirkungen des Rechtsgeschäfts einen Dritten betreffen, während beim Vertrag zugunsten eines Dritten i h n eine einzelne Wirkung treffen soll 2 1 5 . Infolgedessen erscheint die Haftungsausschlußvereinbarung auf den ersten Blick unter die Verträge zugunsten Dritter 541 ff.; Kluckhohn, Verfügungen zugunsten Dritter, § 15, S. 190 ff. 207 Kluckhohn, Verfügungen zugunsten Dritter, insbesondere §§ 7 ff., S. 74 ff., hat sich allerdings allgemein m i t Verfügungen (auch schuldrechtlichen) zugunsten D r i t t e r befaßt u n d sie v ö l l i g bejaht. Hierzu siehe auch Kümmel, Haftungsausschluß, § 4, S. 35. 208 Abgesehen von der A r b e i t von Kümmel, Haftungsausschluß. 209 Verträge auf Leistung an Dritte, § 8, S. 53 f. 210 Die Frage der Verfügungsgeschäfte zu fremdem Recht, Festgabe f ü r R. Sohm (1915); vgl. auch Blomeyer, Der unbestimmte Gläubiger, FS f ü r E. Rabel (1954), Bd. 1, S. 307 (insbesondere 326 ff.); Prüssmann, Seehandelsrecht, § 663 Anm. D 2 c, S. 803; S chaps / Abraham, Seerecht, 2. Teil, Anh. I I § 663 b Rdnr. 66, S. 892 f. 211 Siber, Festgabe f ü r R. Sohm (1915), S. 49 ff. 212 Siber, Festgabe f ü r R. Sohm (1915), S. 52 f. 213 So auch Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter, § 10, S. 132, der i n diesen Beschränkungen Siber folgt. 214 Siber, Festgabe f ü r R. Sohm (1915), S. 12. 215 Siber, Festgabe f ü r R. Sohm (1915), S. 7, 10, 13.

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zu gehören, weil ihre Wirkungen auf den Verwender und den Dritten auseinanderfallen. Denn der Kunde verpflichtet sich, i m Falle der Entstehung eines Schadens von einem Anspruch beiden gegenüber abzusehen. Da er sich aber dazu nicht nur verpflichtet, sondern er auch verzichtet, kehrt man zu der Frage zurück, ob Verfügungen zugunsten Dritter von den §§ 328 ff. BGB i n analoger Anwendung erfaßt werden; und dies w i r d ja von Siber verneint. Man muß daher Kümmel 2 1 6 folgen, welche die Ubertragbarkeit der Stellvertretungstheorie auf das hier interessierende Problem schon untersucht und den haftungsbefreienden Vertrag i n zwei Teile gespalten hat: den Vertrag zwischen dem AGBVerwender und dem Kunden anhand der Abbedingung der Haftung des ersteren und den Vertrag, wo der Verwender als Vertreter seines A r beitnehmers den Ausschluß dessen Haftung m i t dem Kunden vereinbart. Zugunsten dieser Konstruktion ist zunächst Hellwig und Siber darin beizupflichten, daß es nicht darauf ankommt, ob jemand „ i m eigenen" oder „ i m fremden Namen" handelt; dies seien „ w i l l k ü r l i c h gewählte Kunstausdrücke" 217 . Vielmehr ergibt sich die Stellvertretung aus den jeweiligen Umständen, und sie soll gleichzeitig dem Vertragsgegner klar erkennbar gewesen sein, das heißt der Kunde soll die Erstreckung einer Haftungserleichterung auf dritte Personen (Arbeitnehmer) erkannt haben. Bei der Untersuchung der Fälle, welche die Praxis beschäftigt haben, hat sich jedoch gezeigt, wie schwierig es ist, diese Erkennbarkeit festzustellen und wie w i l l k ü r l i c h und f i k t i v ihre A n nahme seitens der Gerichte war 2 1 5 . A u f der anderen Seite muß man auch einen Vertreterwillen des Verwenders fingieren 219 , denn nur aus der Vereinbarung einer Haftungserleichterung geht keineswegs der Wille hervor, auch dritte Personen darin einzubeziehen. Bei der Anwendung der Stellvertretungstheorie muß man sich also wiederum der Auslegung bedienen, u m auf ein Resultat zu kommen, welches dem Parteiwillen meistens Gewalt antut. 4. L. Raisers Vorschlag I m Hinblick auf die i m Transportrecht auftauchenden Drittwirkungsprobleme wurde von L. Raiser 220 ein dahingehender Vorschlag entwikkelt, daß man nicht mehr von Haftungseinschränkungen zugunsten, sondern zu Lasten Dritter spricht 221 . Der m i t dieser Konstruktion zu lösende 216

Haftungsausschluß, § 4, S. 29. Siber, Festgabe für R. Sohm (1915), S. 33. 218 Hierzu sei noch einmal besonders auf Gernhubers K r i t i k verwiesen, J Z 1962, 553 (555 f.). 219 So auch Kümmel, Haftungsausschluß, § 4, S. 29 f.; Gernhuber, JZ 1962, 553 (556). 220 AGB, § 19 I I , S. 215 ff. (218 f.); i h m folgend Hildebrandt, AcP 143 (1937/ 1978), S. 326 (341); Helm, Haftung, S. 326 f. 217

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Tatbestand t r i t t etwa wie folgt i n Erscheinung: Die von dem Versender (Eigentümer) dem Spediteur übergebenen Güter werden einem Frachtführer weitergegeben, der letzten Endes die Beförderung durchführt. Dabei entsteht das Problem, ob sich der Versender die i n den A G B des Frachtführers enthaltenen Freizeichnungen entgegenhalten lassen muß, obwohl er selbst an dem zwischen Spediteur und Frachtführer abgeschlossenen Vertrag nicht beteiligt ist. Raisers Vorschlag beruht auf den i m BGB geregelten Verfügungen zu Lasten Dritter (§ 185 BGB) 2 2 2 , so daß er einen zu Lasten des Eigentümers abgeschlossenen Vertrag annimmt und somit die Haftungsfreizeichnung auch gegen ihn gelten läßt, vorausgesetzt, daß sich seine Zustimmung zu der betreffenden Klausel nachweisen läßt. Diese w i r d nun regelmäßig i n der Veranlassung des Transports gesehen. Der entscheidende Einwand gegen diese Konstruktion besteht darin, daß sie darauf angelegt ist, lediglich Fälle aus dem Transportrecht zu lösen, wobei noch zu beachten ist, daß man sich auch i n diesem Rechtsgebiet wieder von der Auslegung abhängig macht, und zwar i n doppelter Weise, indem zuerst Anhaltspunkte i n der zwischen den Vertragsbeteiligten geltenden Klausel für ihre Geltung zu Lasten des an dem Vertrag Unbeteiligten gefunden und dann noch die Zustimmung des Letzteren dazu ebenfalls durch Auslegung ermittelt werden soll 223 . I m Hinblick auf die Haftung des Unternehmers gegenüber dem Kunden für den von dem Arbeitnehmer angerichteten Schaden erscheint es lebensfremd und sogar unmöglich anzunehmen, der Arbeitgeber habe m i t seinem Personal eine Haftungsfreizeichnung zu Lasten seiner Kunden vereinbart 2 2 4 . I n diesem Zusammenhang kann man sich auf den von Helm 225 bei anderer Gelegenheit geäußerten Gedanken berufen, der Unternehmer nehme lieber das Risiko einer Haftung auf sich, als seine Kunden einer derart ungünstigen Position auszusetzen 226 . Ferner verweist Kümmel 227 zutreffend auf die i n der Rechtslehre fast ein-

221 Allgemein zur Frage der Zulässigkeit u n d Begründung einer „isolierten" Haftungsbeschränkung zu Lasten D r i t t e r siehe bei Ostrowicz, Vertragshaftung u n d Drittschutz, S. 27 ff. u n d 122 ff. 222 Wohlgemerkt allerdings, daß L. Raiser , A G B , § 19 I I , S. 216 ff., den Eigentümer-Versender nicht als D r i t t e n bezeichnet; ebenso Kessler, Die Fahrlässigkeit, S. 107, A n m . 3. 233 Vgl. ferner: Isaac, Das Recht des Spediteurs, § 69, S. 510 f.; Müller-Erzbach, Reichsgericht u n d Interessenjurisprudenz, Festgabe zum 50jährigen Bestehen des RG, Bd. I I (1929), S. 161 ff. 224 Vgl. auch Gottwald, MüKo, § 328 Rdnr. 78, S. 921. 225 AcP 161 (1962), S. 516 (534). 226 Helm, w i e Fußn. 225, k a n n dennoch nicht darin zugestimmt werden, daß andernfalls die Arbeitnehmer zu unsorgfältiger A r b e i t ermuntert werden. Das gleiche ist auch gegen Schmidt-Salzer, B B 1969, 297 (300 re. Sp.) einzuwenden. Vgl. auch oben bei Fußn. 146. 227 Haftungsausschluß, § 4, S. 33.

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hellig 2 2 8 widerlegten Versuche, die Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers bei schadensgeneigter Tätigkeit aus einer stillschweigenden Vereinbarung zwischen i h m und dem Arbeitgeber abzuleiten 229 . Es ginge sonach zu weit, i n dem Arbeitsvertrag eine noch weiter reichende Haftungserleichterung zu fingieren, die sich auch auf die Schadensersatzansprüche des Kunden auswirken würde. 5. Verträge mit Schutzwirkung

für Dritte

Aufgrund einer Andeutung des B G H i m Wachmannfall 230 , die Ausdehnung der Freizeichnung auf den Wächter durch den Gedanken des Vertrags m i t Schutzwirkung für Dritte zu rechtfertigen 231 , soll nur am Rande dieser Untersuchung eines betont werden, was jedem einleuchtet, nämlich daß sich die D r i t t w i r k u n g damit nicht rechtfertigen läßt 2 3 2 . Wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Institutionen betreffen die Ausgestaltung der Interessenlage, so daß nirgendwo in der Literatur ein die Andeutimg des B G H annähernder Standpunkt zu finden ist. I m Gegenteil w i r d ständig darauf hingewiesen, der vertragliche Haftungsausschluß m i t Wirkung für Dritte stelle ein Gegenstück zu den Verträgen mit Schutzwirkung für Dritte dar 2 3 3 . Bei diesen Verträgen geht es u m die Ausdehnung der Pflicht des Schuldners (Unternehmers) zur Beobachtung der vertraglichen Schutzpflichten auch gegenüber dritten Personen, die bei Verletzung dieser Pflicht zum Schadensersatz berechtigt sind und auf der Seite des Vertragsgläubigers (-geschädigten) stehen. Hier handelt es sich also weder um die erweiterte Wirkung irgendwelcher haftungsbefreienden Vereinbarungen noch um ihre Erstreckung 228 Hueck / Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts I, § 35 I I 4, S. 233; Huppert, Haftung des Arbeitnehmers, § 4, S. 28 f.; Hueck, A n m e r k u n g zu R A G (o. Fußn. 5) A r b R S a m m l 41, 64 (65); Frey, Die unzureichende Arbeitsleistung usw., B B 1960, 411 (412 re. Sp.); Herschel, Der Schadensersatzanspruch des Unternehmers usw., J W 1939, 454 f.; Isele, Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, N J W 1964, 1441 (1443); abweichend Gamillscheg/ Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3, S. 37. 229 So hatte auch das R A G v. 23. 11. 1938 (—, 71/38, Münster) A r b R S a m m l 34, 357 (360) entschieden. Vgl. auch R A G v. 8. 11. 1939 (—, 60/39, Königsberg) A r b R S a m m l 37, 269 (271); R A G v. 12. 6. 1937 (—, 297/36, Königsberg/Pr.) A r b R S a m m l 30, 3 (6 ff.). 230 B G H (o. Fußn. 117) N J W 1962, 388 (389 Ii. Sp.) = VersR 1962, 141 = J Z 1962, 570. 231 Die darauf bezogene K r i t i k von Boeck, N J W 1969, 1469 (1471) gegen B G H (o. Fußn. 99) VersR 1968, 476 (477) = N J W 1968, 694 = B G H Z 49, 278 erscheint insoweit gegenstandslos, als das Gericht die Verträge m i t Schutzw i r k u n g f ü r D r i t t e von dem Haftungsausschluß zugunsten D r i t t e r deutlich unterschieden hat. 232 Siehe i m einzelnen Boeck, N J W 1969, 1469 (1471). 233 Larenz, Schuldr. I, § 17 I I , S. 189; Jauernig / Vollkommen § 328 A n m . I I I 1, S. 341 f.; Blomeyer, A l l g . Schuldr., § 42 I V 4, S. 259; Staudinger / Kaduk, § 328, Rdnr. 68, S. 61.

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auf Schädiger, sondern um die von der Verletzung bestimmter vertraglicher Schutzpflichten Betroffenen. Betrachtet man nun alle die bis jetzt erörterten Lösungsversuche, so scheinen sie allzu abhängig von der Auslegung des Parteiwillens zu sein, ohne daß dies dahingehend verstanden werden dürfte, man hätte damit Empfindlichkeit und Respekt vor dem Willen der Vertragsbeteiligten aufgebracht. I m Gegenteil machte sich die Tendenz bemerkbar, sich alle möglichen juristischen Konstruktionen einfallen zu lassen, um den Parteiwillen i m Sinne eines gewünschten Ergebnisses zu bevormunden. Insoweit sind Schnorr von Carolsfeld und Gernhuber pragmatischer gewesen 234 ; ihnen geht es nicht darum, ein Prokrustesbett für den Parteiwillen bereitzustellen, sondern vielmehr darum, eine überzeugende Begründung für eine weitreichende Wirkung einer Haftungserleichterung zu finden, die unmittelbar und ohne Berücksichtigung dessen herbeigeführt werden soll, was die Vertragspartner gewollt hätten. 6. Stetige Drittwirkung

und rechtsethisches Prinzip

a) Die Ansicht von Schnorr von Carolsfeld Schnorr v. Carolsfeld 235 hat die Ansicht vertreten, die vertragliche Haftungsminderung des Arbeitgebers solle stets zugunsten des Arbeitnehmers wirken. Er w i l l dieses Ergebnis m i t dem „Treugesichtspunkt" 236 und der Notwendigkeit von dessen Weiterwirken zur Vereinheitlichung des gleichen Lebens ta tbestandes" begründen. Es gibt wohl keinen Grundsatz, der dazu zwingt, einen Lebenstatbestand auch rechtlich einheitlich zu behandeln 237 , es sei denn, daß die einheitliche Behandlung auf eine dafür bestehende Notwendigkeit zurückgeführt wird. Diese soll sich aus den vorangehenden Ausführungen des Autors ergeben, der sie zunächst aus einer Interessenabwägung abzuleiten versucht 238 . Der Vertragspartner des Arbeitgebers brauche nicht um deswillen besser gestellt zu sein, weil der Arbeitnehmer die vom Unternehmer zu erledigende Verpflichtung erfülle. Außerdem gehe es nicht an, den „Mitarbeiter" des Arbeitgebers nach außen schlechter zu stellen als jenen selbst. 234 Siehe unten bei Fußn. 235 ff. u n d 244 ff. 235 Arbeitsrecht, § 8 I I I , S. 306. 236 v g l oben bei Fußn. 129 ff. die K r i t i k der Begründung der D r i t t w i r k u n g m i t dem Fürsorgegedanken, welcher übrigens den Geschädigten nichts angeht. Hierzu Kümmel, Haftungsausschluß, § 8, S. 65f. (mwN); Gamillscheg, Die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Dritten, FS f ü r M. Rheinstein, Bd. I I (1969), S. 1043 (1044 a. E.). 237 Vgl. etwa die Differenzierung zwischen Verpflichtungs- u n d Verfügungsgeschäften. 238 Schnorr v. Carolsfeld, Arbeitsrecht, § 7 V I I , S. 295.

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Vorerst gilt es zu sagen, daß dieser Ansicht nicht mit dem formalen Argument begegnet werden kann, das Gesetz gehe von der selbständigen Haftung jedes einzelnen nach seinem Verschulden aus 239 . I m Hinblick auf die i m Arbeitsrecht entwickelten und geltenden Grundsätze und nicht zuletzt auf die veränderten und sich verändernden Lebensverhältnisse 240 sollen herkömmliche Prinzipien auf ihre Richtigkeit vor allem auf ihre ausnahmslose Anwendbarkeit auf diese Verhältnisse hin untersucht werden. Abgesehen davon ist der Grundsatz „jeder hat für seine eigene Handlung einzustehen" i n bezug auf die hier interessierende Problematik sehr auslegungsbedürftig, so daß es sich nicht ohne weiteres ergibt, ob und inwieweit die schädigende Handlung dem Schädiger zuzurechnen ist. Aber hier ist noch nicht die Stelle, auf diese A n deutungen ausführlicher einzugehen. Man sollte sich zuerst auf eine kritische Würdigung der von Schnorr v. Carolsfeld i n die Waagschale geworfenen Erwägungen beschränken. Aus ihnen ist nicht ersichtlich, i m Vergleich zu wem der Kunde seine rechtliche Lage verbessern würde, falls der Schädiger-Arbeitnehmer als Alleinverantwortlicher i h m gegenüberstehen würde. Seine Stellung dem Unternehmer gegenüber ist ohnehin nachteilig wegen des vereinbarten oder meistens auferlegten Haftungsausschlusses. Seine Besserstellung kann freilich nicht darin bestehen, daß er einen Schadensersatzanspruch gegen einen in der Regel finanziell schwachen Schädiger hat, an dessen Fähigkeit zur Wiedergutmachung des dem Kunden entstandenen Schadens ernste Zweifel geäußert werden müssen. Schnorr v. Carolsfeld ist nur darin beizupflichten, daß der Mitarbeiter schlechter als sein Arbeitgeber steht. Also nicht i m Vergleich zu dem Geschädigten, sondern zu dem Unternehmer muß die Lage des Schädigers als ungünstiger eingeschätzt und damit schlicht der Standpunkt verifiziert werden, daß keine Besserstellung des K u n den, sondern des Unternehmers vorliegt, und zwar i m Vergleich zu seinem Arbeitnehmer. Die Konsequenzen aus dessen ungünstigerer Lage sollen später gezogen werden. Allerdings muß schon hier festgestellt werden, daß die schlechtere Arbeitnehmerstellung nicht unbedingt m i t der Freizeichnung des Unternehmers zusammenhängt, sondern erstens m i t der Tatsache, daß er einer direkten Inanspruchnahme seitens des Geschädigten ausgesetzt ist, und zweitens mit den Voraussetzungen, an welche die Rechtsprechung seinen Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber knüpft 2 4 1 . Diese Nachteile bestehen jedoch auch beim Fehlen einer Freizeichnung. I n diesem Fall w i r d man nur nicht mehr von Freistellung, sondern vom Regreßanspruch des Unternehmers gegen seinen Gehilfen sprechen, dessen Scheitern wiederum an dieselben Vor239 So aber Kümmel, Haftungsausschluß, § 8, S. 65; Riedel, Energieversorgung, S. 68; vgl. auch Helm, AcP 161 (1962), S. 516 (537). 240 Vgl. Zeidler, Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, S. 14 f. 241 Vgl. oben bei Fußn. 5—8.

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aussetzungen zu knüpfen ist. Trotzdem w i r d bei Haftung des Verwenders die Gehilfenposition dadurch verstärkt, daß sich die obigen Nachteile gegen den Arbeitnehmer i n sehr erheblichem Maße verringern, ja sie sogar i n der Regel verschwinden 242 , weil i n erster Linie der normalerweise zahlungskräftige Arbeitgeber i n Anspruch genommen wird. Wenn es also jemanden gibt, der Nachteile infolge der Ablehnung der D r i t t w i r k u n g hinnehmen muß, dann ist das lediglich der Vertragspartner des Kunden, der Unternehmer. Darin scheint auch der tiefere Grund der Anerkennung weitreichender Wirkungen der jeweiligen Freizeichnungsklauseln zu liegen, den übrigens Schnorr v. Carolsfeld 248 keineswegs verbergen w i l l : Der Ausgleich zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber, der nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen stattzufinden habe, könnte stets zu unangemessenen Ergebnissen führen, wenn der Arbeitgeber seine Haftung dem Kunden gegenüber so weit wie möglich abbedungen oder vermindert habe. b) Das rechtsethische Prinzip von Gernhuber Gernhuber 244 gelangt zu demselben Ergebnis wie v. Carolsfeld, indem er ebenfalls die Auffassung vertritt, daß die zwischen dem Unternehmer und dem Kunden vereinbarte Haftungsfreistellung ihre Wirkung auch auf den Arbeitnehmer, „den sozial abhängigen Erfüllungsgehilfen" 2 4 5 entfaltet 2 4 6 . Bei der Begründung dieses Ergebnisses kommt die Parallele zu der Lehre von den Verträgen m i t Schutzwirkung für Dritte deutlich zum Ausdruck. Besonders klar t r i t t dabei der Einfluß seiner Theorie über die Abgrenzung des von dieser Lehre begünstigten Personenkreises 247 zutage. Die Intensität, m i t welcher ein Dritter m i t der Leistung in Berührung kommt oder ihren Gefahren ausgesetzt ist, soll darüber entscheiden, ob er i n die Schutzwirkung des grundsätzlich zweipoligen Rechtsverhältnisses einbezogen werden soll oder nicht 2 4 3 . Ähnlich läßt sich nach Ansicht von Gernhuber die Einbeziehung des Erfüllungsgehilfen i n die vertragliche Haftungsminderung erklären, indem eine intensive Berührung der Erfüllungsgehilfen m i t dem Rechtsgüterkreis 242

Vgl. auch Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung,

S. 260. 248

Arbeitsrecht, § 8 I I I , S. 306. J Z 1962, 553 ff. 245 Gernhuber, J Z 1962, 553 (558 Ii. Sp.). 246 I m Anschluß an Gernhuber u n d sein rechtsethisches Prinzip, so auch: Larenz, Schuldr. I, § 17 I I , S. 189; Blomeyer, A l l g . Schuldr., § 42 I V 4, S. 259; Staudinger / Kaduk, § 328 Rdnr. 68, S. 61; Hanau, VersR 1967, 516 (523); Erman / Westermann, § 328 Rdnr. 15, S. 820. 247 Gernhuber, FS f ü r A . Nikisch (1958), S. 249 (insbesondere 269 ff.). 248 Uber die Reichweite des geschützten Personenkreises siehe neuerdings i m einzelnen Ostrowicz, Vertragshaftung u n d Drittschutz, S. 95 ff. 244

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des Gläubigers festzustellen sei, die ihren Grund i n dem Schuldverhältnis habe und ohne es nicht denkbar sei. Wenn aber der Dritte vom Schuldverhältnis „ergriffen" werde — meint Gernhuber weiter —, erscheine die ausschließliche Belastung des Geschädigten sachlich richtig, w e i l er sich m i t dem Haftungsausschluß einverstanden erklärt habe. Die Leistungsnähe w i r d also bei Verträgen m i t Schutzwirkung für Dritte zur Einschränkung, hier dagegen zur Erweiterung eines Personenkreises gebraucht. Damit w i r d eine scharfsinnige Konstruktion angeboten, die sich aber der K r i t i k nicht entziehen kann. Sie gibt nämlich nicht an, welche Gründe dafür sprechen, daß speziell Haftungsausschlußklauseln eine Erstreckung auf dritte Personen zu erfahren haben. Wenn das Schuldverhältnis dritte Personen ergreifen soll, dann ist es nur folgerichtig, daraus die Konsequenz zu ziehen, daß zunächst auch andere zwischen den Vertragsbeteiligten vereinbarte Klauseln (ζ. B. eine Gerichtsbarkeitsklausel) auf „ergriffene" Dritte ausgedehnt werden, während man danach freilich darüber zu entscheiden hat, ob nun lediglich für den Dritten günstigen oder auch ungünstigen Vereinbarungen eine so weitgehende Wirkung zuzuerkennen ist. Somit w i r d man dann zu weiteren Fragekomplexen geführt, auf die hier nicht einzugehen ist. Angesichts der AGB-Problematik müssen nun ferner entscheidende Bedenken hinsichtlich des angenommenen Einverständnisses des K u n den m i t der Haftungsbefreiung geäußert werden 2 4 9 . Man darf sich nicht darüber hinwegtäuschen lassen, daß die Anforderungen, die an die A n nahme einer Einverständniserklärung des Kunden mit der Einbeziehung von A G B i n den Vertrag geknüpft werden, eher formellen Charakter haben 250 . Hat der AGB-Verwender beim Vertragsabschluß auf seine Bedingungen ausdrücklich hingewiesen 251 und dem Kunden nur die Möglichkeit verschafft, von ihnen Kenntnis zu nehmen (§ 2 AGBG), so ist die Zustimmung des Kunden zu der Einbeziehung fast gegeben, weil man hier auch eine konkludente Annahme, praktisch also einen Nichtwiderspruch, genügen läßt 2 5 2 . Darüber hinaus muß noch daran erinnert werden, daß weder eine Einzelaufzählung der i n AGB enthaltenen 249 Vgl. Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. D. 26, S. 71, der darauf hingewiesen hat, daß der Nichtwiderspruch des K u n d e n gegen die A G B nicht als i n h a l t liche B i l l i g u n g der Einzelklauseln gewertet werden kann. 250 Vgl. Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. D. 27, S. 71; Fehl, Systematik des Rechts der A G B , § 4, S. 96, A n m . 12. 251 Selbst der ausdrückliche Hinweis entfällt, w e n n er „ n u r unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist" (§ 2 AGBG). 252 Ulmer i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 2 Rdnr. 49, S. 84; Dietlein i n Dietlein / Rebmann, A G B aktuell, § 2 Rdnr. 8, S. 43; Stein, Gesetz der AGB, § 2 Bern. 27, S. 75; Schlosser i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, AGBG, § 2 Rdnr. 64, S. 90; Dittmann / Stahl, A G B Komm., § 2 Rdnr. 96, S. 39 f.

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Klauseln noch eine Beifügung ihres Wortlauts für erforderlich erachtet wird 2 5 3 . Unter diesen Umständen leuchtet es ein, daß man einer derartigen fingierten Zustimmung des Kunden keine weiteren Wirkungen als die der bloßen Einbeziehung der A G B (des Haftungsausschlusses) i n den Vertrag verleihen darf. Was darüber hinausgeht, kann sich ein für allemal für den Vertragspartner verhängnisvoll erweisen. Andernfalls hätte sein Einvernehmen m i t den A G B unter den genannten Voraussetzungen schon i n der Phase der Einbeziehung i n Abrede gestellt werden müssen. Weiterhin muß der Theorie des „Vertragsergreif ens" entgegengehalten werden, die Bestimmung der von dem Schuldverhältnis ergriffenen Personen führe ins Uferlose. Dieser Nachteil wurde jedoch von ihrem Vertreter nicht verkannt. Er hat daher „eine sinnvolle Begrenzung der Drittbegünstigung" 2 5 4 vorgeschlagen, welche gemäß einem rechtsethischen Prinzip stattzufinden habe, das einerseits verbiete, die Haftungserleichterung auf alle Erfüllungsgehilfen zu erstrecken, und andererseits gebiete, sie auf alle sozial abhängigen Gehilfen des Schuldners auszudehnen. Die Berufung auf die Rechtsethik, die über anderen herkömmlichen Prinzipien (selbständige Haftung jedes einzelnen) stehen soll, kann nur begrüßt werden, besonders wenn man an das immer vorkommende Beharren auf starren Grundsätzen denkt 2 5 5 . I n unserem Zusammenhang bleibt man jedoch die Beantwortung der Frage schuldig, ob die Ausdehnung des Haftungsausschlusses auf dritte, außerhalb des Schuldverhältnisses stehende Personen und seine daraufhin folgende Einschränkung auf die sozial, wirtschaftlich Abhängigen in der Tat dem Gebot eines höheren rechtsmoralischen Prinzips dient. I m Hinblick auf die früheren Ausführungen dieser Arbeit liegt die Verneinung dieser Frage auf der Hand 2 5 6 . Nicht dem Schwachen, sondern dem Starken w i r d mit der Anerkennung der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln Hilfe geleistet 257 . Berücksichtigt man vor allem die Entlastung des A r beitgebers von seiner Freistellungspflicht dem Arbeitnehmer gegenüber, zu der die Annahme einer erweiterten Wirkung von Haftungsausschlüssen führt, so verwandelt sich das rechtsethische Prinzip i n sein Gegenteil. Dies muß festgestellt werden, ohne den guten Willen seiner Einführung zu bestreiten. Es w i r d nämlich der Eindruck eines sonderbaren 253 Ulmer i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 2 Rdnr. 22, S. 72; Schlosser i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, AGBG, §2 Rdnr. 31, S. 70 f.; Koch I Stübing, A G B , §2 Rdnr. 33, S. 95; Stein, Gesetz der A G B , § 2 Bern. 11, S. 69; Löwe i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum AGBG, § 2 Rdnrn. 7 u. 14, S. 45 u. 47; Schuler, G r u n d u n d Grenzen, § 12, S. 65. 254 Gernhuber, J Z 1962, 553 (558 Ii. Sp.). 255 V g L F u ß n # 239. 256 257

Vgl. oben bei Fußn. 138 ff. So auch richtig Kümmel, Haftungsausschluß, § 8, S. 67 f.

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Moralismus erweckt, der nur erst dann das Rechtsempfinden zum Schutz des „sozial Abhängigen" i n Bewegung setzt, wenn auch „der Starke" schon geschützt ist. M i t anderen Worten ist hier ein Widerspruch zu erkennen, der darauf hinausläuft, daß trotz des rechtsethischen Prinzips sich eine Differenz zwischen der Rechtslage des Erfüllungsgehilfen und des Unternehmers zugunsten des Letzteren nicht vermeiden läßt. Man w i l l nämlich bei Aufrechterhaltung der Haftung des Arbeitgebers seinen Hilfspersonen keinen Schutz mehr gewähren 258 , was auf eine Anwendimg des Gleichheitsgrundsatzes i n seiner absoluten Form hinausläuft. Dann muß man sich entweder für einen absoluten Gleichheitsoder für einen rechtsethischen Grundsatz entscheiden. Fällt die Entscheidung zu Lasten einer derartigen Gleichheit, so ist es nur folgerichtig, den Schutzbedürftigen immer zu schützen, ohne daß dies i n irgendeiner Weise m i t der Position seines Arbeitgebers i n Zusammenhang gebracht wird. Wer einmal den Satz ausgesprochen hat, rechtsethische Gründe geböten, dem sozial abhängigen Erfüllungsgehilfen zu Hilfe zu kommen, muß ihn dann zu Ende führen 2 5 9 . 7. Begründung

durch Analogie

Eine andere dogmatische Möglichkeit für die Begründung der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln bietet sich dadurch, daß man die §§ 328 ff. BGB analog anwendet. Dies setzt aber gleichzeitig voraus, daß man den Standpunkt vertritt, durch eine Analogie zu diesen Vorschriften werden alle Verfügungen zugunsten Dritter zugelassen 260 . M i t einem argumentum a maiore ad minus schließt man sodann daraus, daß auch Haftungsausschlüsse zugunsten Dritter gesetzlich begründet sind 2 6 1 . Ein anderer Vorschlag 262 geht dahin, mittels einer Analogie zu den §§ 267, 414, 423 BGB auf die Zulässigkeit aller schuldbefreienden Verfügungen zugunsten Dritter und somit auch von derartigen Haftungsbefreiungen zu schließen, die ebenfalls als den Schuldner befreiende Verfügungen angesehen werden. Da von diesen Vorschriften nur solche Verfügungen erfaßt werden, schließt man ausdrücklich die allgemeine Zulässigkeit von schuldrechtlichen Verfügungen aus 263 . 258

So Gernhuber, JZ 1962, 553 (558 re. Sp.). I n diesem Sinne auch E. Lorenz i n Probleme des Binnenschiffahrtsrechts, S. 49 (65). 260 Vgl. jedoch v. Tuhr, A l l g . T e i l I I , 1. Hälfte, § 53, S. 227, der zwar die Verfügungen zugunsten D r i t t e r ablehnt, meint aber zugleich: Die Aufhebung einer fremden Schuld durch Erlaßvertrag m i t dem Gläubiger müsse als a l l gemein zulässig betrachtet werden. 261 So Grunsky i n Athenäum-Zivilrecht I, § 1 I I 2, S. 631. 262 Kümmel, Haftungsausschluß, § 4, S. 37 ff. (insbesondere 45 ff.); i h r folgend so auch Gottwald, M ü K o , § 328 Rdnr. 95, S. 927 f. Vgl. auch Heck, Grundriß, § 50, 1, S. 148; Fikentscher, Schuldrecht, § 37 I I I 2, S. 152; Palandt / Heinrichs, § 276 A n m . 5 B a cc, S. 292 u. Einf. § 328 A n m . 5 b, S. 363. 259

§ 8. Die Nachteile aus dogmatischer Sicht

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M i t diesen L ö s u n g s v o r s c h l ä g e n i s t a l l e r d i n g s u n s e r e m P r o b l e m n i c h t G e n ü g e getan, w e i l sie sich zunächst d e n V o r w u r f g e f a l l e n lassen m ü s sen, daß sie a u f s c h w a n k e n d e m B o d e n stehen. W e d e r h a t sich bis h e u t e d i e a l l g e m e i n e Z u l ä s s i g k e i t , sei es d e r d i n g l i c h e n , sei es d e r schuldrechtl i c h e n V e r f ü g u n g e n entschieden 2 6 4 , noch k a n n m a n b e h a u p t e n , daß sich i r g e n d e i n e T e n d e n z z u i h r e r A n e r k e n n u n g abzeichnet 2 1 6 5 , i n d e m die Rechtsprechung sie e i n h e l l i g ablehnt 2 1 6 6 . E i n e A n n a h m e t r o t z V e r n e i n u n g der Verfügungen zugunsten D r i t t e r der D r i t t w i r k u n g v o n Haftungsp r i v i l e g i e n b e d ü r f t e e i n e r besonderen u n d überzeugenden B e g r ü n d u n g . D a r a n f e h l t es jedoch, w i e sich besonders aus d e r K r i t i k gegen das rechtsethische P r i n z i p ergeben h a t . A u c h w e n n m a n a l l e oder n u r die l i b e r a t o r i s c h e n V e r f ü g u n g e n u n d s o m i t die Haftungsausschlüsse z u gunsten D r i t t e r anerkennen würde, w ä r e n d a m i t praktische Schwierig263 Z u diesem Ergebnis k o m m t auch Kluckhohn, Verfügungen zugunsten Dritter, §§ 5 f., S. 39 ff., aus der Untersuchung der §§ 267, 414, 423 BGB. 264 Dies w i r d auch v o n Kümmel, Haftungsausschluß, § 4, S. 34 und 42 anerkannt. 265 E i n beträchtlicher Teil der L i t e r a t u r bejaht zwar die Verfügungen zugunsten Dritter, aber oft i n unterschiedlichem Umfang, so daß sich unterschiedliche Einstellungen zu einzelnen Problemen bilden u n d man den Uberblick verliert. Allgemein bejahen sie: Kluckhohn, Verfügungen zugunsten D r i t t e r ; Esser / Schmidt, Schuldr. I, Teilbd. 2, § 36 IV, S. 241 f.; Grunsky i n Athenäum-Zivilrecht I, § 1, S. 629 ff.; Erman / Westermann, § 328 Rdnrn. 2 ff., S. 816 f.; Heck, Grundriß, § 50, S. 148 f.; Staudinger / Kaduk, Vor § 328 Rdnrn. 67 ff., S. 24 ff. und § 328 Rdnrn. 6 ff., S. 42 ff.; Lüderitz, StudK BGB, § 328 A n m . I I 3 b, S. 225. Grundsätzlich oder beschränkt bejahen sie: Fikentscher, Schuldrecht, § 37 I I I 2, S. 150 f.; Gottwald, M ü K o , § 328 Rdnrn. 104 ff., S. 931 ff.; Larenz, Schuldr. I, § 17 I V , S. 109 f., behandelt n u r den Fall, wo der Versprechensempfänger dingliche Sicherungsrechte f ü r den Anspruch des D r i t t e n bestellen läßt; Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 34 V I , S. 148 f.; Soergel I Schmidt, V o r § 328 Rdnrn. 3 f., S. 401 f., der allerdings meint: Der Gläubiger könne nicht durch Vertrag m i t einem D r i t t e n über die Schuld seines Schuldners verfügen und sie zum Erlöschen bringen. Dies f ü h r t p r a k tisch zu der Ablehnung der Haftungsausschlüsse zugunsten Dritter. Ausschließlich sachenrechtliche Verfügungen zugunsten D r i t t e r behandeln u n d bejahen: Rosenberg, D J Z 1912, 541 ff.; Westermann, Sachenrecht, § 3 I I 4, S. 18 f., der die Bedingung aufstellt, das Vollziehungsmoment, welches nicht n u r i n einer Einigung bestehe, soll auch i n der Person des Erwerbers (Dritten) eintreten. 26 « RG v. 8. 5. 1929 ( V I ZS 405/28, Königsberg i. Pr.) RGZ 124, 217 (221 f.); RG (o. Fußn. 177) RGZ 148, 257 (262 f.); B G H (o. Fußn. 23) VersR 1960, 727 (729 Ii. Sp.); B G H v. 29. 1. 1964 (V ZR 209/61, Celle) B G H Z 41, 95 f. (mwN); B G H v. 16. 2. 1965 (V ZR 264/62, München) JZ 1965, 361 f.; B G H v. 10. 2. 1977 ( I I ZR 120/75, Düsseldorf) B G H Z 68, 225 (231); K G v. 5. 4. 1977 (4. ZS., 4 U 2866/ 76) O L G Z 1978, 67 (71). Ablehnend auch: Palandt / Heinrichs, Einf. § 328 Anm. 5 b, S. 363; Jauernig / Vollkommer, § 328 A n m . I 3 b, S. 339; E. Wolf, Schuldr. I I , § 18 I I I K , S. 348 ff.; Kress, Lehrbuch des allg. Schuldr., § 25, S. 630; Ballhaus i n BGB—RGRK, § 328 Rdnrn. 6 f. u. 12, S. 4 f.; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, § 6a, S. 40 f. u. § 8, S. 53 f.; Helm, AcP 160 (1961), S. 134 (155). Grundsätzlich ablehnend: Siber, Festgabe f ü r R. Sohm (1915); v. Tuhr (wie Fußn. 260); Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter, § 10, S. 131 ff.; Wolff / Raiser, Sachenrecht, § 38 I I 3, S. 120 f.; Esser, Schuldr. I, § 53 I I I , S. 395 f.

11 Roussos

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

keiten kaum überwunden. Das Vorliegen solcher muß naturgemäß einer vorausgegangenen Vereinbarung entnommen werden können. Aber gerade dagegen richtet sich die K r i t i k gegen die Rechtsprechung 267 , die i n den Wachmann-, Monteur-, Eisenwändefällen herangezogen worden war. Die Lösung über den Weg der Zulässigkeit von allen oder von den liberatorischen Verfügungen zugunsten Dritter weist also die gleiche Gefahr der Auslegungswillkür auf und kann ebensowenig für handhabbar gehalten werden. Der entscheidende Einwand richtet sich jedoch i n unserem Zusammenhang gegen die Annahme einer Gesetzeslücke, welche natürlich die Voraussetzung einer Analogie ist. Ein Zitat von Engisch mag diesen Einwand verdeutlichen: „Von einer Lücke i m (positiven) Recht kann nämlich nicht schon dann gesprochen werden, wenn innerhalb des Rechtes eine Regelung, deren Vorhandensein w i r uns vorstellen, nicht vorhanden ist. W i r dürfen eine Regelung nicht bloß vermuten, w i r müssen sie vermissen, falls ihr Nichtvorhandensein sich als „Lücke" darstellen soll" 2 6 8 . Demnach gehört zu der Aufgabe der späteren Ausführungen, den Nachweis zu erbringen, daß w i r mindestens i m Rahmen der A G B keine Regel vermissen, welche Drittwirkungen von Haftungsbeschränkungen oder -ausschlüssen zum Gegenstand haben sollte. Der vorliegenden Untersuchung liegt nämlich die Überzeugung zugrunde, daß das AGB-Gesetz die gesetzliche Grundlage für eine direkte Inanspruchnahme des Verwenders bietet, und zwar unter Ausschluß der Möglichkeit, gegen den Arbeitnehmer oder Angestellten (Schädiger) für den entstandenen Schaden vorzugehen. 8. Die Ablehnung

der Drittwirkung

Z u einem anderen Ergebnis gelangt ein Teil der Literatur, der die Ausdehnung der Freizeichnung auf den Dritten (Arbeitnehmer) grundsätzlich ablehnt, es sei denn, daß eine ausdrückliche Klausel i n allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die Einbeziehung des Dritten i n die Haftungserleichterung hinweist 2 6 9 . Die bisherigen Auslegungsergebnisse der Rechtsprechung 270 werden also mißbilligt. 267 Nicht zuletzt Kümmel, Haftungsausschluß, § 7, S. 57 ff., hat sich dagegen gewandt. 268 Engisch, Einführung i n das juristische Denken, K a p i t e l V I I , S. 141 f.; vgl. auch Larenz, Methodenlehre, S. 388; Kluckhohn, Verfügungen zugunsten Dritter, § 8 a, S. 99. 269 So Helm, AcP 161 (1962), S. 516 ff. (insbesondere 521 f.); derselbe, AcP 160 (1961), S. 134 (153 ff.); Graf von Westphalen i n Löwe / G r a f von Westphalen/ Trinkner, Komm, zum AGBG, § 11 Nr. 7, Rdnr. 23, S. 307; siehe auch oben bei Fußn. 113—114 die Ausführungen des B G H zum Monteurfall. 270 v g l . oben bei Fußn. 23 ff.

§ 8. Die Nachteile aus dogmatischer Sicht

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a) Kötzs Ansicht 271

Kötz lehnt einen Haftungsausschluß zugunsten Dritter grundsätzlich ab, aber sein Lösungsmodell weist Unklarheiten auf. Denn er bejaht die Ausdehnung eines praktisch unwirksamen Haftungsausschlusses auf den Arbeitnehmer, wenn er die nach § 11 Nr. 7 unwirksame Freizeichnung des Verwenders von grober Fahrlässigkeit zugunsten der „sozial abhängigen Hilfspersonen" gelten lassen w i l l . Dieses ziemlich paradoxe Ergebnis läßt sich weder m i t dem Willen des Verwenders 272 noch m i t der Tatsache vereinbaren, daß eine Übertretung des Freizeichnungsverbots der Nr. 7 die ganze Freizeichnungsklausel zu Fall bringt 2 7 3 . Übrigens ist nicht einzusehen, warum der Arbeitnehmer bei grober Fahrlässigkeit vor einer Inanspruchnahme verschont bleiben soll, während er bei einfacher Fahrlässigkeit verklagt werden kann. Denn i n letzterem Fall lehnt Kötz die D r i t t w i r k u n g einer Haftungserleichterung ab, damit die Entlastung des Verwenders i m Endergebnis vermieden wird. Gleichzeit i g erkennt er jedoch die D r i t t w i r k u n g an, soweit die Freistellung des Arbeitnehmers „auf altruistischen Erwägungen" beruhe. Dann fehle es an der Interessenlage, die § 11 Nr. 7 vor Augen habe. b) Schmidt-Salzers Ansicht A m weitesten geht aber insoweit Schmidt-Salzer 274, der eine auch die Haftung des Arbeitnehmers erfassende formularmäßige Freizeichnungsklausel stets für unwirksam hält. Dagegen werden von ihm nur individuell ausgehandelte Klauseln anerkannt. Riedel 275 lehnt ebenfalls kategorisch eine D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen ab. Seine Ausführungen beziehen sich jedoch lediglich auf die allgemeinen Bedingungen der Energieversorgungsunternehmen. Die Vorteile dieses Standpunkts 271

MüKo, A G B G § 11 Nr. 7, Rdnr. 58, S. 1501. Er ist k e i n bonus pater familias (vgl. oben bei Fußn. 129 ff.), der eine Freizeichnung zugunsten seiner Arbeitnehmer vereinbart, ohne selbst daran ein Interesse zu haben. Übrigens hat der Schutz der Hilfspersonen durch die konstruierte Ausdehnung einer Freizeichnung k a u m praktische Bedeutung, w e n n der A G B - V e r w e n d e r auf jeden F a l l ersatzpflichtig ist. 273 Hensen u n d Ulmer i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 7 Rdnr. 30, S. 327 u n d § 6 Rdnr. 20, S. 160; Löwe i n L ö w e / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum A G B G , § 6 Rdnrn. 2, 9, S. 116 f., 119 f.; Stein, Gesetz der AGB, § 6 Bern. 12 f., S. 100; Koch / Stübing, A G B , § 11 Nr. 7 Rdnr. 18, S. 306, u. § 9 Rdnr. 36, S. 163; Schlosser i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, § 6 Rdnr. 9, S. 171 f.; derselbe, A G B G , § 6 Rdnrn. 15 ff., S. 114 ff.; Löwe, JuS 1977, 421 (424 re. Sp.); L G Düsseldorf (o. § 4 Fußn. 217) B B 1979, 1632 (1633). Anders Kötz, M ü K o , A G B G § 11 Rdnr. 62, S. 150, u. § 6 Rdnrn. 8 ff., S. 1434 ff.; Schmidt-Salzer, A G B , Rdnr. F. 56 ff., S. 197 ff.; Ebel, AGB-Gesetz-konforme Auslegung usw., D B 1979, 1973 (1973 f.). 274 B B 1969, 297 (300); derselbe, A G B , Rdnr. F. 214, S. 273; vgl. auch Soergel / Schmidt, Vor § 328 Rdnrn. 3 f., S. 401 f. 275 Energieversorgung, S. 51 ff. (insbesondere 56 ff.). 272

11*

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

kann man darin erblicken, daß damit die oben dargelegten dogmatischen Schwierigkeiten mindestens i m Rahmen der formularmäßigen Klauseln vermieden werden, während ferner an dem Grundsatz festgehalten wird, jedwede vertragliche Vereinbarung könne nur gegenüber den Vertragsbeteiligten Geltung beanspruchen. Dagegen sind indessen erhebliche Bedenken zu erheben. Diese Auffassung scheint zunächst insoweit i n sich widersprüchlich zu sein, als sie einerseits die zwischen den Vertragsbeteiligten vereinbarte Haftungserleichterung gelten lassen w i l l , während sie diese andererseits über den Umweg des Freistellungsanspruchs leerlaufen läßt. Über diesen Widerspruch w i l l sich Riedel zum Teil hinwegsetzen, indem er ein A b tretungs- und Pfändungsverbot des Freistellungsanspruchs an den K u n den nach den §§ 398, 399 BGB und 829 ZPO annimmt. Hiergegen läßt sich aber einwenden, daß dieses Verbot nicht unbestritten ist 2 7 6 ; gewichtige Argumente sprechen sogar für die Zulassung einer Abtretung oder Pfändung, wie sie i m einzelnen von Gerhardt 277 dargelegt worden sind. Der Schwerpunkt seiner Argumentation richtet sich überzeugend gegen die Abhängigkeit des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten von dem Vermögenszustand 278 des Schädigers-Arbeitnehmers, wozu das A b tretungsverbot führt. Ungeachtet jedoch des i n dieser Frage vorzuziehenden Weges soll noch der Behauptung der Drittwirkungsgegner widersprochen werden, die Einstandspflicht des Arbeitgebers für die i n Ausführung schadensgeneigter Arbeit eingetretenen Schäden bedeute, daß ihn insoweit eine eigene organisatonsrechtliche Verantwortung treffe. I m Verhältnis zum Arbeitnehmer realisiere sich diese Verantwortung i n dem Freistellungsanspruch. I m Verhältnis zum Kunden wirke sie sich insoweit aus, daß der Unternehmer das Betriebsrisiko nicht ohne weiteres dem Kunden aufbürden dürfe 2 7 9 . Damit aber w i r d der oben aufgedeckte Widerspruch nicht aufgehoben, denn diese Argumente 27« Dagegen die herrschende Meinung: Gerhardt, Der Befreiungsanspruch, § 4, S. 40 ff., und § 7, S. 116 ff.; Gamillscheg, FS f ü r M. Rheinstein Bd. I I (1969), S. 1042 (1051); Helm, AcP 160 (1961), S. 134 (138 u. 150); Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 266 ff.; ferner für die A b t r e t u n g eines Befreiungsanspruchs allgemein an den Gläubiger: Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 78 I V 1 b, S. 314; Prüssmann, Seehandelsrecht, § 485 Anm. F 2, S. 108 f., w i l l die A b t r e t u n g n u r bei vertraglichen Haftungseinschränkungen zulassen; RG v. 18. 6. 1928 ( V I ZS 518/27, Braunschweig) RGZ 121, 303 (305); RG v. 27. 5. 1938 ( V I I ZS 16/38, Celle) RGZ 158, 6 (11 f.); B G H v. 22. 1. 1954 (I ZR 34/53, Berlin) B G H Z 12, 136 (Leitsatz u n d S. 141); B G H v. 29. 6. 1972 ( I I ZR 123/71, Düsseldorf) VersR 1972, 1051 f. 277

Der Befreiungsanspruch, § 7, S. 116 ff. (insbesondere 132 ff.). Siehe auch Gamillscheg, FS für M. Rheinstein, Bd. I I (1969), S. 1043 (1051 f.); Gamillscheg / Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 7, S. 92. 279 Schmidt-Salzer, B B 1969, 297 (299 re. Sp.); i h m folgend Riedel, Energieversorgung, S. 64. Vgl. auch B G H (o. Fußn. 110) VersR 1959, 1000 (1002); B G H (o. Fußn. 5) B G H Z 41, 203 (207). 278

§ 8. Die Nachteile aus dogmatischer Sicht

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ändern nichts an dem Kern der Sache, wonach nicht zu übersehen ist, daß der Unternehmer letztlich für das einzustehen hat, von dem er sich befreit zu haben glaubt, einerlei, auf welchen Grundsätzen diese unvermutete Belastung beruht, zumal es hier um ein Problem geht, wo arbeits- und zivilrechtliche Prinzipien ineinandergreifen 280 . Demzufolge kann ihre Trennung nur zum Zweck der Rechtfertigung der Aushöhlung eines vorher anerkannten Haftungsausschlusses nicht überzeugen. Betrachtet man nun die Verneinung der erweiterten Wirkung von Freizeichnungen aus der Sicht der Interessenabwägung, so muß man erhebliche Ungereimtheiten feststellen. Der Arbeitnehmer ist zunächst einer Inanspruchnahme seitens des Geschädigten völlig ausgesetzt 281 , und sein Schutz hängt weitgehend von dem Erfolg des Freistellungs- oder Erstattungsanspruchs gegen den Arbeitgeber ab 282 . Die von der überwiegenden Meinung i n Judikatur und Schrifttum hervorgehobene Schutzbedürftigkeit des sozial abhängigen Erfüllungsgehilfen w i r d also zumindest teilweise außer Betracht gelassen. Dadurch w i r d aber auch der Geschädigte nicht weniger benachteiligt, indem ihm eine doppelte Last über den erlittenen Schaden hinaus auferlegt wird. Erstens muß er den konkreten Schädiger ermitteln, obwohl i h m in der Regel nur der Unternehmer bekannt ist 2 8 3 . Zweitens muß er sich entweder m i t dem Schaden abfinden — i m Normalfall nämlich des vermögenslosen Schädigers — oder den Ausgang des Streits über den Freistellungsanspruch abwarten 2 8 4 . Geht man i n diesem letzten Fall von der Zulässigkeit der Abtretung oder Pfändung des Freistellungsanspruchs aus, so müssen dem Zessionar (Geschädigten) die Schwierigkeiten der Feststellung des Umfangs des zedierten Rechts 285 aufgebürdet werden 2 8 6 . Entstehen also m i t der Anerkennung der D r i t t w i r k u n g Nachteile nur zu Lasten des K u n 280

Dies w i r d auch von Schmidt-Salzer, B B 1969, 297 (299 re. Sp.) zugegeben. Seine Vermögenslosigkeit k a n n diesen Nachteil nicht positiv beeinflussen, sofern seine Passiva erhöht werden. Vgl. hierzu B G H (o. Fußn. 276) VersR 1972, 1051 (1052 Ii. Sp.). 282 v g L o b e n bei Fußn. 5 ff. u n d 241. 281

283 Siehe auch Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 12, 74, 173; vgl. ferner v. Caemmerer, Wandlungen, S. 49 (63, 119). 284 Dazu vgl. Gamillscheg, VersR 1967, 513 (516 re. Sp.); Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 164 u n d 282 ff. 285 Hierzu vgl. auch Gerhardt, Der Befreiungsanspruch, § 7, S. 129 a. E. 28β I n diesem Sinne auch Gamillscheg / Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 7 Nr. 2, S. 91, die meinen: Die neue, v o m Arbeitsrecht ausgehende Risiko- u n d Haftungsverteilung bringe den Geschädigten i n eine m e r k w ü r dige Zwickmühle. Bei einer Klage gegen einen Arbeitnehmer, aber auch schon gegen dessen Arbeitgeber, müsse er sich bemühen, das Verschulden des Arbeitnehmers als gering hinzustellen, da ein voller Freistellungsanspruch n u r bei leichtester Fahrlässigkeit gegeben sei. Dadurch könne sich der Geschädigte u m jeden Anspruch bringen, w e i l ein Verschulden des Arbeitnehmers überhaupt verneint werde.

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

den, so hat bei ihrer Ablehnung jeder von den an dem Dreiecksverhältnis Beteiligten Gründe, sich zu beklagen. Schließlich bedarf noch ein Gesichtspunkt der Erwähnung. W i r d die D r i t t w i r k u n g wegen einer engen Formulierung der Freizeichnung abgelehnt, so liegt es in der Hand des Unternehmers, durch Hinzuziehung seiner juristischen Berater dem Kunden endgültig seinen Schadensersatzanspruch abzuschneiden 287 . Umgekehrt können sich wirkungsvolle und zugleich befriedigende Ergebnisse aus der Einführung und Begründung eines weiteren als des bisherigen Freizeichnungsverbots ergeben. Darauf w i l l diese Untersuchung hinaus. 9. Die Lösungsvorschläge von Hanau und E. Lorenz I n den siebziger Jahren wurde zuerst von Hanau und dann von Egon Lorenz die Forderung gestellt, eine unbedingte Haftung des Arbeitgebers gegenüber Dritten für die schädigenden Handlungen seiner Arbeitnehmer einzuführen. I m Zusammenhang m i t dem Abschied von der Lehre der gefahrgeneigten Arbeit hat Hanau eine gegenüber dem Geschädigten unbedingte Haftung des Arbeitgebers für jede Fahrlässigkeit seiner Beschäftigten erwogen. Gleichzeitig hat er jedoch zu Recht Zweifel an der positivrechtlichen Begründung dieser Ansicht erhoben 288 . Lorenz hat wenig später den einmal aufgegriffenen Gedanken weiterführen wollen. Er stellt zwei Grundsätze auf, von denen der erste die Haftung des Arbeitgebers i n Betriebsrisikofällen betrifft. Dabei soll der Arbeitgeber dem Geschädigten für das schädigende Verhalten seines Arbeitnehmers genauso haften, wie wenn es i h m selbst unterlaufen wäre. Der zweite Grundsatz gebiete — so Lorenz — die Entlastung des Arbeitnehmers von einer Haftung i n Betriebsrisikofällen sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Geschädigten gegenüber 289 . Die beiden Grundsätze sollen nun dazu dienen, „die bereits gegen das Gesetz durchgesetzte und allgemein anerkannte moderne arbeitsrechtliche Haftungslehre als neues rechtliches Material m i t dem übrigen Material durch Rechtsfortbildung zu harmonisieren". Die Rechtsfortbildung w i r d für nötig erachtet, um „entstandene Verwerfungen des schadensersatzrechtlichen Gefüges zu beseitigen und dadurch die Autorität der rechtlichen Regelung zu sichern" 290 . Denck hat neuerdings gezeigt, daß sich die A n nahme einer Rechtsfortbildung weder aus verfassungsrechtlichen noch 287

Vgl. dazu E. Lorenz i n Probleme des Binnenschiffahrtsrechts, S. 49 (62 f.). Hanau, A n m e r k u n g zu B A G ν. 3. 2. 1970, A P Nr. 533 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers; derselbe, A k t u e l l e Probleme des Schadensausgleichs i m Arbeitsunfallrecht, Z f A 1970, 431 (433). 289 E. Lorenz i n Probleme des Binnenschiff ahrtsrechts, S. 49 (66). 290 E. Lorenz i n Probleme des Binnenschiff ahrtsrechts, S. 49 (69). 288

§ 8. Die Nachteile aus dogmatischer Sicht

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aus sozialstaatlichen Gründen rechtfertigen läßt2®1. Dies gelte vor allem — so Denck — für die Außenhaftung des Beschäftigten. Die direkte Haftung des Arbeitgebers mache die Außenhaftung des Arbeitnehmers noch nicht zu einer ungerechtfertigten, die der Richter von Rechts wegen aufheben müßte 2 9 2 . Denck erkennt jedoch die Vorteile an, die sich aus der von E. Lorenz vorgeschlagenen Enthaftung des Arbeitnehmers ergeben, womit man in der Tat „eine glättende, technische Vereinfachung des bestehenden Rechtszustandes" 293 erreicht. I m Gegensatz dazu w i l l Denck zu einer arbeitnehmerfreundlichen Lösung durch einen Ausbau des vorhandenen Rechtsmaterials gelangen. Dadurch soll ein weitgehender Schutz des Schädigers-Arbeitnehmers vor einer Inanspruchnahme seitens des geschädigten Dritten entstehen, vorausgesetzt, daß man die i n bezug auf einzelne Rechtsfragen von Denck entwickelten Verbesserungsvorschläge annimmt, denen das Bestreben des A r beitnehmerschutzes vor einer Außenhaftung zugrunde liegt2®4. Dieser Schutz w i r d weiterhin dadurch ausgebaut, daß eine Beschränkung des Rückgriffs eines öffentlichen oder privaten kollektiven Schadensträgers gegen die Arbeitnehmer auf die Fälle seines vorsätzlichen Handelns vorgeschlagen wird 2 9 5 . Schließlich w i r d für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers empfohlen, daß der Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers in den Deckungsbereich der Konkursausfallversicherung nach den §§ 141 a ArbFördG aufgenommen wird 2 9 6 . A u f diese Vorschläge i m einzelnen einzugehen, würde den Rahmen dieser Untersuchung nicht zuletzt auch deshalb sprengen, weil das Problem der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln, und zwar i m Rahmen des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen, hier i m Vordergrund steht. Insoweit bleibt eine zivilrechtliche, von arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten weitgehend unabhängige Lösung vordringlich. Außerdem trägt das von Denck entwickelte Konzept zusätzliche Verkomplizierungen des schon ziemlich unübersichtlichen Rechtszustands i n sich. Seine zweite allgemeine Schwäche besteht darin, daß seiner Argumentation Voraussetzungen zugrunde liegen, die von der durchaus herrschenden Meinung nicht anerkannt werden 3 9 7 . Daher erscheint es als zweckmäßig und zugleich geboten, den 291

Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 301 ff. Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 303. 293 E. Lorenz i n Probleme des Binnenschiffahrtsrechts, S. 49 (66); so auch Hanau, Z f A 1970, 431 (433). 294 Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, insbesondere unter C, S. 54 ff., E, S. 130 ff., F, S. 148 ff. 295 Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers v o r der Außenhaftung, S. 310 ff. 296 Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers v o r der Außenhaftung, S. 318 ff. 297 Als Beispiel dazu diene der Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers, der i n Fällen grob fahrlässigen Handelns dem Arbeitnehmer grundsätzlich verwehrt w i r d . Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 265, schlägt hier eine dahingehende Erweiterung vor, daß der Freistel292

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Kap. I I I : D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen

Versuch zu unternehmen, eine direkte, unabdingbare Haftung des Verwenders-Arbeitgebers i m positiven Recht m i t Hilfe des neuen AGBGesetzes zu begründen. Die dogmatische Grundlage dafür soll vor allem i m Bereich der schadensersatzrechtlichen Lehre gesucht werden. Dadurch w i r d gleichzeitig dazu beigetragen, daß der Weg zu einer Verallgemeinerung der hier zu vertretenden Rechtsansicht offen bleibt. Zusammenfassung des Kapitels I I I

Trotz der i m letzten Kapitel angenommenen HaftungsVerschärfung des Verwenders bleibt i h m die Möglichkeit offen, sich grundsätzlich von der Haftung für leichte Fahrlässigkeit zu befreien. Dies w i r k t sich zunächst auf den Arbeitnehmer negativ aus, wenn dieser dem Kunden einen Schaden zufügt. Der Kunde muß wiederum das Insolvenzrisiko eines i n der Regel finanzschwachen Schädigers auf sich nehmen oder sich den arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch des Beschäftigten gegen seinen Arbeitgeber abtreten lassen. I n diesem letzten Fall sieht man sich jedoch gezwungen, eine Aushöhlung der „zulässigen" Haftungsbefreiung in Kauf zu nehmen. Diesen komplizierten Interessenkonflikt versucht man grundsätzlich dadurch aufzulösen, daß man den Haftungsausschluß des Verwenders auf seinen Arbeitnehmer ausdehnt (sog. D r i t t w i r k u n g von Haftungsausschlüssen). Dieser Lösung schließt sich grundsätzlich auch die Rechtsprechung an. Ihre Untersuchung zeigt jedoch, daß dies entgegen dem klaren Wortlaut der jeweiligen Freizeichnungsklauseln geschieht. Ferner gibt hier der Konflikt zwischen restriktiver und objektiver Auslegung weiteren Anlaß für Bedenken. Die trotz allem von den Gerichten vertretene D r i t t w i r k u n g läßt sich kaum auf Billigkeitserwägungen zurückführen; ausschlaggebend erscheint vielmehr die Gefahr der Aushöhlung des Haftungsprivilegs des Verwenders. Dogmatische Einwände, die sich vor allem der Rechtsnatur des Haftungsausschlusses als eines Verfügungsgeschäfts entnehmen lassen, kommen hinzu, um eine ausdehnende Wirkung von Haftungsprivilegien in Zweifel zu ziehen. Eine Heranziehung der §§ 328 ff. BGB zur Begründung der D r i t t w i r k u n g scheitert an der grundsätzlichen Unzulässigkeit der Verfügungen zugunsten Dritter; dieses Verbot gilt um so mehr für libera torische Verträge. Eine Analogie ist gleichfalls abzulehnen. Die Uberwindung der dogmatischen Barriere durch Berufung auf die Stellvertretungstheorie lungsanspruch n u r beim vorsätzlichen Handeln unterbleibt. Diese Ansicht widerspricht nicht n u r der i n Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r überwiegend vertretenen Meinung (vgl. oben bei Fußn. 5 ff.), sondern sie erfordert eine U m s t r u k t u r i e r u n g a u d i anderer Bereiche des Haftungsrechts (dazu selbst Denck, z.B. S. 310ff.). Somit erscheinen die P r a k t i k a b i l i t ä t u n d die Durchsetzbarkeit des Denckschen Konzepts fraglich.

Zusammenfassung des Kapitels I I I

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ist als unrealistisch zurückzuweisen. Man müßte sich den Verwender als Vertreter seines Arbeitnehmers vorstellen, der für diesen mit dem Kunden einen Haftungsausschluß vereinbart. Rechtsethische Grundsätze können ebensowenig die D r i t t w i r k u n g von Haftimgserleichterungen tragen, denn sie sind i n sich widersprüchlich, sofern sie über den oder neben dem angeblich rechtsethisch gebotenen Arbeitnehmerschutz dazu dienen, der Aushöhlung der Verwenderfreizeichnung vorzubeugen. Demgegenüber fehlt es auch nicht an Stimmen, die sich generell gegen eine D r i t t w i r k u n g von formularmäßigen Freizeichnungen aussprechen und eine Vereitelung des Haftungsausschlusses über arbeitsrechtliche Grundsätze i n Kauf nehmen. Abgesehen von anderen Bedenken stellt sich diese Lösung auch aus der Sicht der Interessenwertung als unbefriedigend dar. Hanau und E. Lorenz stellen schließlich die Forderung nach einer direkten und unabdingbaren Haftung des Verwenders-Arbeitgebers. Dieser Vorschlag ist nicht nur an Praktikabilität sondern auch insofern überlegen, als er dem Interessenkonflikt i n dem Dreiecksverhältnis (Verwender—Geschädigter—Schädiger) am besten gerecht wird. Die Suche nach einer positivrechtlichen Grundlage dafür erscheint zunächst als schwierig. Darüber aber i m nächsten Kapitel.

Kapitel

IV

Organisationshaftung § 9. Das Unternehmen als Organisationseinheit I. Allgemein

Die Auffassung, die das Unternehmen als organisatorische Einheit begreift, soll dazu beitragen, den i m letzten Kapitel gesetzten Zweck zu erreichen. Gleichzeitig soll gezeigt werden, wie bei dieser Betrachtungsweise die Organisation als solche i n den Vordergrund t r i t t und die dahinterstehenden Personen als Individuen i n den Schatten stellt. Der Schädiger, der Arbeitnehmer, ist dann möglicherweise gar nicht Schädiger! Damit w i r d ein Gedanke aufgegriffen, der dem Augenmerk von E. Lorenz nicht entgangen ist. A m Rande der Begründung seines zweiten Grundsatzes 1 , nämlich des Haftungsausschlusses des Arbeitnehmers gegenüber dem Geschädigten, beruft er sich auf die Feststellung, „daß der Betrieb in den Jahrzehnten seit dem Inkrafttreten des BGB zu einer Organisationseinheit geworden ist, die auch i m Haftungsrecht wirkungsvoller zur Kenntnis genommen werden sollte.. ." 2 . Diese Randbemerkung soll nach Lorenz i n Zukunft mehr i n die Mitte gerückt werden. Diese Ansicht verdient nur Beifall. I I . Handelsrechtliche Ansätze

1. Die Erkenntnis

des wirtschaftlichen

Strukturwandels

I m Bereich des Handelsrechts hat sich die Rechtswissenschaft m i t dem Begriff „Unternehmen" als einer sich aus der wirtschaftlichen Realität ergebenden Alternative zu dem herkömmlichen Begriff des Kaufmanns, Unternehmers auseinandergesetzt. A m Anfang dieses Jahrhunderts hatten die Juristen bereits erkannt, daß sie an dem Wandel der wirtschaftlichen Struktur nicht vorbeigehen konnten, auf den auch Isay* hingewiesen hatte: Heute schließen sich die Individuen zu Gruppen zusammen, zu höheren Wirtschaftseinheiten, welche die wirtschaftliche Tätig1 2 3

Siehe oben § 8 bei Fußn. 288—290. E. Lorenz i n Probleme des Binnenschiffahrtsrechts, S. 49 (68 f.). Das Recht am Unternehmen, § 1, S. 1.

§ 9. Das Unternehmen als Organisationseinheit

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keit des einzelnen i n sich aufnehmen 4 . Indessen richtet sich der Versuch, das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit aufzufassen, hauptsächlich auf zweierlei, einerseits nämlich auf die Übertragung und andererseits auf den Schutz des Unternehmens gegen Wettbewerbshandlungen 5 . Erst Gieseke 6 äußerte sich kritisch zu dieser engen Betrachtung und befürwortete die Behandlung der Stellung des Unternehmens i n der Gesamtwirtschaft „ohne Rücksicht auf eine Trennung von Disziplinen" 7 . Demnach bezweckten seine Ausführungen vor allem zweierlei. Erstens sollten sie zeigen, daß die Anerkennung des Unternehmens als Einheit bereits auf vielen Gebieten der Rechtsprechung erfolgt sei und diese Gebiete zahlreicher und umfangreicher seien als diejenigen, auf denen diese Anerkennung fehle 8 . Der zweite Hauptzweck seiner Untersuchung liege darin zu zeigen, daß es überhaupt unrichtig sei, eine Begriffsbestimmung des Unternehmens vorzunehmen 9 . Es gebe keinen geschlossenen Rechtsbegriff „Unternehmen". Wenn die Rechtswissenschaft einen einheitlichen Begriff des Unternehmens konstruiere, setze sie sich m i t ihren eigenen Ergebnissen i n Widerspruch 10 . Ihre Aufgabe sei, die verschiedenen rechtlichen Betrachtungsweisen des Unternehmens, die sich aus den gesetzlichen Bestimmungen ergeben, darzustellen, kritisch zu würdigen, miteinander i n Verbindung zu setzen und daraus Folgerungen zu ziehen 11 . I m Rahmen dieser Bestrebungen hat sich Gieseke auch m i t solchen Vorschriften befaßt, i n denen Unternehmen und Betrieb i n mancherlei Richtung als Zusammenfassungen der i n ihnen beschäftigten Personen eine Rolle spielen. A n erster Stelle sei zu erwähnen, führt der Verfasser aus, das Unternehmen werde manchmal insofern als Einheit behandelt, als Handlungen der darin tätigen Personen dem Unternehmen als solchen zugerechnet werden. Ohne nähere Begründung 4 Siehe auch Oppikofer, Das Unternehmensrecht, § 1, S. 1 f. („das heutige Unternehmen ist eine Schöpfung der Neuzeit"); Ratsch, Geschichtliche Voraussetzungen, S. 119 u. 179. 5 Vgl. auch Ratsch, Geschichtliche Voraussetzungen, S. 131; kritisch zu dieser engen Betrachtung auch Fechner, Die Treubindungen des Aktionärs, S. 63 f. β Die rechtliche Bedeutung des Unternehmens, FS für E. Heymann, Bd. I I (1940), S. 112 ff. 7 Gieseke, FS f ü r E. Heymann, Bd. I I (1940), S. 112 (113). 8 Gleichzeitig betont aber Gieseke, FS f ü r E. Heymann, Bd. I I (1940), S. 112 (125): „Es ist . . . keine Übertreibung, wenn man sagt, daß K a u f m a n n und Unternehmen die Zentralbegriffe des Handelsrechts sind; auf beiden zugleich liegt das Schwergewicht. Von diesem Standpunkt aus ist verwunderlich, daß neuerdings wieder erörtert w i r d , ob ein künftiges Handelsrecht das U n t e r nehmen i n den M i t t e l p u n k t stellen solle." Hierzu vgl. auch Ballerstedt, Was ist Unternehmensrecht?, FS f ü r K . Duden (1977), S. 14 (20); anders vgl. T. Raiser, Das Unternehmen, insbesondere S. 65 ff., 133 ff. 9 I h m folgt auch Ratsch, Geschichtliche Voraussetzungen, S. 120. 10 Dagegen vgl. Fechner, Das wirtschaftliche Unternehmen, S. 5. 11 Gieseke, FS für E. Heymann, Bd. I I (1940), S. 112 (130).

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Kap. I V : Organisationshaftung

schränkt Gieseke dennoch seine Aussage ein: Dabei sei nicht an die Bestimmungen der §§31, 278, 831 BGB zu denken 12 . Eine K r i t i k dieser Vorschriften weicht jedoch von dem vorliegenden Untersuchungsgegenstand ab, der sich auf das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beschränken und i n diesem Rahmen die positivrechtliche Anerkennung und Übernahme des Unternehmensbegriffs als einer Organisationseinheit i n das Haftungsrecht zu finden hat. 2. Das Unternehmen und die Individualität seiner Teile nach v. Ohmeyer und Pisko Der Bildung eines Unternehmensbegriffs legt v. Ohmeyer 13 die darüber i n der wirtschaftlichen Lehre gewonnenen Ergebnisse zugrunde. Die Unternehmung bezeichne eine zur Erreichung eines wirtschaftlichen Zwecks organisierte Vereinigung von Gütern und Vermögenswerten Beziehungen, eine Zusammenfassung bestimmter Vermögensmassen und imponderabler Vermögenswerte zwecks Erreichung eines gemeinsamen wirtschaftlichen Erfolgs. Aus dieser Wirtschaftseinheit, zu der die verschiedenartigsten Dinge, materielle und immaterielle Güter gehören, hebt der A u t o r die Organisation m i t besonderem Nachdruck hervor 1 4 : Was das Unternehmen wirtschaftlich von der Summe seiner Teile unterscheide, sei die Organisation, welche über diesen Teilen stehe, sie zusammenfasse und erst zu der Erfüllung des wirtschaftlichen Zwecks, welchem sie einheitlich dienen sollen, geeignet mache 15 . Von diesen w i r t schaftlichen Prämissen ausgehend erkennt v. Ohmeyer als erster die auch i m juristischen Sinne wesentliche Bedeutung der Einheit des Unternehmensbetriebs. „Auch i m juristischen Sinne stellt das Unternehmen eine durch den wirtschaftlichen Zweck geschaffene und getragene Einheit dar." 1 6 Ferner sei hier auf noch einen Ohmeyersehen Gedanken hingewiesen, der schwerwiegende Bedeutung für die vorliegende Unsuchung besitzt. Gegenüber dem einheitlichen Zweck der i m Unternehmen vereinigten Bestandteile trete nämlich die Individualität dieser Teile zurück 17 . Auch Pisko 18 hat die Bedeutung des Unternehmens als Organisation hervorgehoben. Den Ansatzpunkt seiner Ausführungen bildet jedoch ebenfalls die Untersuchung der Frage, w o r i n die Gegenleistung für den 12

Gieseke, FS für E. Heymann, Bd. I I (1940), S. 112 (130). Das Unternehmen, § 1, S. 8 ff. 14 Vgl. auch Pisko, Das Unternehmen, § 1, S. 10; Isay, Das Recht am Unternehmen, § 2, S. 37. 15 V. Ohmeyer, Das Unternehmen, § 1, S. 10. 18 V. Ohmeyer, Das Unternehmen, § 1, S. 20. 17 V. Ohmeyer, Das Unternehmen, § 1, S. 23. 18 Das Unternehmen, §§ 1, 2, S. 5 ff. 13

§ 9. Das Unternehmen als Organisationseinheit

173

bei Übertragung eines Unternehmens bezahlten Kaufpreis oder Pachtzins besteht. Seine Analysen münden i n die folgende Bedeutung der Unternehmung ein: „Das Unternehmen i m objektiven Sinne bildet eine den Erfolg einer Erwerbstätigkeit sichernde oder fördernde Organisation der Produktionsmittel oder gesicherte Absatzgelegenheit, die der Gewerbetreibende entweder durch eigene Arbeit oder durch Überlassung an einen Dritten zum Zwecke der Förderung seiner gleichartigen Erwerbstätigkeit verwerten kann." 1 9 Hier und besonders unter Berücksichtigung schadensersatzrechtlicher Erwägungen erscheint es indessen sehr bedenklich, die „gesicherte A b satzgelegenheit" als Zweck des Unternehmens anzunehmen, weil ihr allein oder überwiegend die Vorstellungen und Ziele des Unternehmers zugrunde liegen. I m Gegenteil erfordert die Festlegung dieses Zwecks die Berücksichtigung der Interessen der Kunden, denen gegenüber sich das Unternehmen um die optimale Befriedigung ihrer Bedürfnisse 20 zu bemühen hat 2 1 . 3. Die Ansicht von Isay Isay sieht in dem Unternehmensbegriff zwei Seiten. Die erste stellt einen zweckmäßig organisierten Begriff von Personen und wirtschaftlichen Gütern dar, eine „Vereinigung verschiedener produktiver Kräfte", während sich andererseits i m Unternehmen ein durch die Arbeit des Unternehmers und seiner Organe geschaffenes Immaterialgut verkörpere, genau so, wie sie in der Maschine eine Erfindungsidee, i n der Statue ein künstlerischer Gedanke verkörpere. Jenes Immaterialgut bestehe i n der inneren Organisation des Unternehmens, i n der darin angesammelten Geschäftserfahrung sowie i n den Beziehungen des Unternehmens zu Lieferanten und Kunden 2 2 . Dieser Dreiteilung des als immateriell bezeichneten Gutes kann jedoch nicht zugestimmt werden. Vor allem Geschäftserfahrung und Kenntnisse lassen sich von der Organisation nicht trennen. Der BGH 2 3 bezieht eindeutig Kenntnis und Er19

Pisko, Das Unternehmen, § 2, S. 19; derselbe, Das kaufmännische Unternehmen, i n V. Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, Bd. 2, § 20, S. 200. 20 Hierzu vgl. Mauczka, Rechtsgrund des Schadensersatzes, I I I , S. 21 ff. u n d besonders die Voraussetzungen, an welche die Bedürfnisbefriedigung geknüpft wird. 21 Schäffle, Die Anwendbarkeit der verschiedenen Unternehmungsformen, ZgStW Bd. 25 (1869), S. 261 (262), u n d Ratsch, Geschichtliche Voraussetzungen, S. 182, der i n der Bedürfnisbefriedigung ein notwendiges M e r k m a l des Unternehmensbegriffs sieht. Siehe auch dort (S. 162 f.) seine Ausführungen über das italienische Handelsrecht. 22 Isay, Das Recht am Unternehmen, § 2, S. 31. 23 Vgl. oben § 3 bei Fußn. 99 ff. 24 Vgl. auch L. Raiser , A G B , § 29 I I , S. 309.

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Kap. I V : Organisationshaftung

fahrung i n die Merkmale der Organisation ein 24 . Denn die Organisation erfolgt gemäß den vorhandenen Kenntnissen, so daß diese sich sowohl i n jene einschließen als auch sie eine ihrer Voraussetzung darstellen. Übrigens verkennt Isay 25 selbst nicht, daß sie sich von der Organisation nicht durchweg scharf scheiden lassen 26 . Ob sich ferner auch die Beziehungen zu Lieferanten und zur Kundschaft der Unternehmensorganisation einfügen lassen, kann hier dahingestellt bleiben 27 . Bemerkenswert sind noch die folgenden Ausführungen von Isay 28, welche einen interessanten Vergleich zu dem Standpunkt v. Ohmeyers über die Überschattung jeder Individualität durch die Organisation bieten: Eins verdiene hervorgehoben zu werden: Träger der obigen Immaterialgüter sei das Unternehmen, nicht das einzelne zum Unternehmen gehörige Individuum. Es handele sich hier nicht etwa bloß um rein persönliche Kenntnisse des Inhabers oder der einzelnen Angestellten, sondern zum allergrößten Teil haben sie ihren gegenständlichen Ausdruck gefunden i n Büchern, Apparaten usw., so daß jeder Sachkundige, der i n den Betrieb Einblick erhalte, sie sich ohne Schwierigkeiten aneignen könne. 4. Oppikofers

Unternehmensauffassung

I m Gegensatz zur Isayschen Auffassung erblickt Oppikofer 29 das Wesen des Unternehmens nicht allein i n einer geistigen selbständigen Organisation, sondern er zieht die wirtschaftliche Realität des Unternehmens mit besonderem Nachdruck i n Betracht. Für den Juristen könne sich nur jene Auffassung als brauchbar erweisen, die das Unternehmen i n wirtschaftlichem Sinne als eine Zusammenordnung gegenständlicher, nicht bloß ideeller A r t und i n diesem Sinne als Organisation von A r beitskräften und Wirtschaftsgütern betrachte. Gleichzeitig bringt er die Bedeutung der Unternehmerpersönlichkeit für den Bestand des Unternehmens zum Ausdruck, ohne jedoch zu unterlassen, von einem unpersönlichen Element zu sprechen, welches zum Merkmal des Unternehmens und weiterhin zum Organisationswert erhoben wird. Ähnlich drückt sich Müller-Erzbach 30 aus, der den Unternehmensbegriff nicht als allgemeingültig bestimmbaren betrachtet, sondern eine Besonderheit des Unternehmens darin sieht, daß es Werte entstehen lasse, deren Vorhandensein ganz an seine Existenz als geschlossene Organisation 25

Das Recht am Unternehmen, § 2, S. 31. Vgl. auch Oppikofer, Das Unternehmensrecht, § 1, S. 7. 27 Vgl. allerdings Oppikofer, Das Unternehmensrecht, S. 119 f.: „ N u r ein Ausschnitt aus der Absatzorganisation ist das, was w i r m i t Kundschaft, richtiger m i t Beziehungen zur Kundschaft zu bezeichnen pflegen." 28 Das Recht am Unternehmen, § 2, S. 31. 29 Das Unternehmensrecht, § 1, S. 7 ff. 30 Handelsrecht, Kap. 18, S. 73. 29

§ 9. Das Unternehmen als Organisationseinheit

175

und an das Aufrechterhalten des Betriebs gebunden sei (Organisationswerte). Der Bezug auf das unpersönliche Element i n diesen Ausführungen soll dahin verstanden werden, daß es keinerlei Verbundenheit des geschaffenen „Organisationswertes" m i t bestimmten Personen gibt. Nicht der Unternehmer allein oder m i t seinen Leitern, sondern die ganze Zahl der Arbeitskräfte trägt zum Organisationswert bei, so daß man m i t Oppikofer 31 von einer Gesamtleistung des Unternehmens sprechen kann 3 2 . Nach Ansicht desselben Autors ist das Übergewicht des unpersönlichen Elements festzustellen, je größer die Zahl der Arbeitskräfte eines Unternehmens ist 33 , desto kleiner also die Leistung des Unternehmers i m Verhältnis zu den Gesamtleistungen des Unternehmens 34 . 5. Die Wirtschaftseinheit

von Julius v. Gierke

Auch Julius v. Gierke 35 hat i n einer berühmt gewordenen Abhandlung die Eigenschaft des Unternehmens als Wirtschaftseinheit betont 3 6 und sie seiner Definition zugrunde gelegt. Er unterscheidet zwischen dem Unternehmen i m weiteren und dem i m engeren Sinne. Das letztere, das als der gegenständliche Niederschlag der Betriebstätigkeit m i t allem verstanden wird, was i h m gegenständlich gewidmet ist, interessiert hier nicht. Das Unternehmen i m weiteren Sinne faßt J. v. Gierke als Inbegriff von Tätigkeiten auf, die eine Wirtschaftseinheit bilden 3 7 . Weiterhin unterscheidet er drei selbständige rechtliche Ausstrahlungen der Wirtschaftseinheit, und zwar die Betriebstätigkeit, den durch die Betriebstätigkeit geschaffenen Tätigkeitsbereich (Unternehmen i m engeren Sinne) und die personenrechtliche Betriebsgemeinschaft. I n der Betriebstätigkeit w i r d die subjektive Seite des Unternehmens gesehen. Das Unternehmen als Ganzes weist also eine subjektive Seite auf, die i n einer Tätigkeit besteht. Die darin gesehene Subjektivität führt notwendig zu der Überlegung, daß es auch eine objektive Seite aufweisen muß, die sich i n dem Resultat der Betriebstätigkeit widerspiegeln muß. Sollte 31

Das Unternehmensrecht, § 1, S. 10. Anders Jessen, Unternehmen u. Unternehmensrecht, Z H R Bd. 96 (1931), S. 37 (58), der sich jedoch n u r darauf beschränkt, diese These als übertrieben zu bezeichnen. 33 Anders Jacobi, Betrieb u. Unternehmen, § 1, S. 3, dessen Ansicht nach die Worte „betreiben", „unternehmen" die auf Dauer gerichtete Betätigung eines Menschen zur Verfolgung eines über die Tätigkeit hinausgehenden Zwecks bezeichnen. 34 Dazu vgl. die Ausführungen Ballerstedts, FS f ü r K . Duden (1977), S. 15 (18 f.) über das Unbehagen, welches das W o r t „Unternehmensrecht" auslöst. 35 Das Handelsunternehmen, Z H R Bd. 111 (1948), S. 1 (6 ff.). 36 Siehe auch Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, S. 183 ff. 37 Vgl. auch Jessen, Z H R Bd. 96 (1931), S. 37 (46 ff.). 32

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Kap. I V : Organisationshaftung

man danach als Ergänzung zu der subjektiven seine objektive Seite bestimmen, so bestünde sie i n dem Ergebnis der der Öffentlichkeit zunächst unsichtbaren Betriebstätigkeit. Dies kann also nichts anderes als das vom Unternehmen Geleistete, nämlich das von i h m hergestellte Produkt oder die geleisteten Dienste sein 38 . Und dahinter steckt eine Gesamttätigkeit, die aus den Beiträgen der daran Beteiligten besteht. Diese einzelnen Tätigkeiten stellen für sich allein keinen Wert dar, sondern sie erhalten ihren Sinn nur als Beiträge vom Ganzen her 39 . 6. Der Unternehmensbegriff Ballerstedts und seine schadensersatzrechtlichen Folgen Anders als i n den bisher dargelegten Pionierarbeiten 40 zum Unternehmensrecht sucht man vor allem i n der Nachkriegszeit den Unternehmensbegriff gesamtwirtschaftlich zu erfassen und ihn inhaltlich zu präzisieren. Als sehr fruchtbar erweisen sich i n dieser Hinsicht die Untersuchungen von Ballerstedt, der „das Unternehmen als eine i n der heutigen Sozial- und Wirtschaftsverfassung notwendige Einheit" begreift 41 . Der Unternehmensbegriff kann nach Ballerstedt systematisch nicht i m bürgerlichen, Handels-, Steuer- oder Arbeitsrecht beheimatet sein. Er w i r d vielmehr i n das Wirtschaftsrecht eingeordnet und als dessen Institut betrachtet 42 , das es „aus einer geläuterten Eigentumsauffassung heraus zu entwickeln" gilt 4 3 . I n der Tat sieht Ballerstedt in dem unternehmerischen Einsatz seitens des Eigentümers die Vollziehung eines 38 Vgl. auch Rittner, Die werdende juristische Person, S. 282, wonach „die Unternehmen als grundsätzlich autonome Leistungseinheiten" fungieren. 39 T. Raiser, Das Unternehmen, S. 104 (unter Nr. 3). Vgl. auch Fechner, Die Treubindungen des Aktionärs, S. 66: „Da das Unternehmen seiner Realität nach i n dem regelmäßigen Ineinandergreifen vieler Tätigkeiten u n d Verrichtungen besteht . . . ist die Unternehmensordnung Kernstück des realen Unternehmensbestandes selbst, so w i e die Ordnung der Teile eines Uhrwerks die Realität der U h r wesentlich mitkonstruiert; denn die unverbunden nebeneinander liegenden Teile sind etwas anderes als das geordnete Ganze." I m Bereich der Soziologie vgl. statt vieler Barnard, Die F ü h r u n g großer Organisationen, S. 74 f. 40 So T. Raiser, Die Z u k u n f t des Unternehmensrechts, FS für R. Fischer (1979), S. 561 A n m . 2. 41 Ballerstedt, Unternehmen u n d Wirtschaftsverfassung, JZ 1951, 486 re. Sp. 42 Vgl. auch Ballerstedt, FS für K . Duden (1977), S. 15 (22); derselbe, G m b H Reform, Mitbestimmung, Unternehmensrecht, Z H R Bd. 135 (1971), S. 479 (484): „Unternehmensrecht i s t . . . der Inbegriff der Rechtsnormen, die das U n t e r nehmen als sozialen Verband der i n i h m durch Kapitalbeiträge oder personale Leistungen kooperierenden Rechtssubjekte u n d als Institution der Wirtschaftsverfassung betreffen"; Köhler, „Betrieb" u n d „Unternehmen" i n wirtschaftsverfassungsrechtlicher Sicht, J Z 1953, 713 (716); derselbe, Rechtsf o r m u n d Unternehmensverfassung, ZgStW Bd. 115 (1959), S. 716 (721, 726); Rittner, Die werdende juristische Person, S. 282 ff.; H. Wiedemann, Grundfragen der Unternehmensverfassung, ZGR 1975, 385 (401 ff., insbesondere 404). 43 Ballerstedt, J Z 1951, 486 (487 f.).

§ 9. Das Unternehmen als Organisationseinheit

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Akts der Veränderung von dessen Eigentum, indem dieser es aus der bisherigen Privat- i n die öffentliche Sphäre überführt. Somit erfährt das Eigentum m i t der Investition eine rechtliche Veränderung, die darauf beruht, „daß der m i t der Investitionsentscheidung eingeleitete Eigentumsgebrauch nicht ohne Inanspruchnahme von Wirtschaftskräften der Gesamtheit möglich ist". Das Eigentum büßt danach seine Ausschließlichkeit ein und ist nunmehr ein Recht und eine Pflicht, die wirtschaftsverfassungsmäßig gebunden sind. Damit zeigt Ballerstedt vor allem die Verbindung zwischen Eigentumsrecht und -pflicht i n der Wirtschaftsverfassung 44 . Schließlich legt er dar, wie die Gestaltung des Eigentums durch unternehmerischen Einsatz der Eigentumsobjekte begrifflich und wesensnotwendig m i t der Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen, also m i t der Begründung von Rechten aus Arbeit, verbunden ist 45 . Ballerstedt beschränkt sich nicht nur auf die inhaltliche Präzisierung des Unternehmensbegriffs, sondern er versucht darüberhinaus, seine Überlegungen für einzelne Rechtsgebiete fruchtbar zu machen. Besonderes Interesse für die vorliegende Untersuchung weisen die Auswirkungen des Unternehmensbegriffs auf das Schadensersatzrecht auf. Unter dem Aspekt „einer unternehmensrechtlichen Ordnung" treten die Ungereimtheiten i m Bereich der Haftung des Unternehmers (Verwenders) für die Delikte seines Personals besonders deutlich zutage. Bei Anwendung der §§ 823, 831 BGB entscheidet die Deliktsfähigkeit des Geschäftsherrn für seine Haftung, was m i t der Auffassung eines einheitlich auftretenden Unternehmens und vor allem mit seiner öffentlichen, sozialen Funktion und Verantwortlichkeit nicht i n Einklang zu bringen ist. Ferner w i r d die Haftung eines Unternehmers nach § 31 BGB von seiner Rechtsform abhängig gemacht. Dies läuft auf eine ungerechtfertigte Privilegierung desjenigen Unternehmens hinaus, dessen Haftung vom Gesichtspunkt seiner Größe und Organisation nach den für die Haftung juristischer Personen geltenden Grundsätzen erfolgen sollte 46 . Dies ist aber nur deshalb nicht der Fall, weil es an der Rechtsform der juristischen Person fehlt 4 7 .

44 I n diesem Sinne auch Köhler, ZgStW Bd. 115 (1959), S. 716 (720 f.), der das Unternehmen als „pluralistisch orientierte Wertschöpfungsveranstaltung u n d volkswirtschaftliche Leistungseinheit" auffaßt, die nicht mehr n u r einem einzelnen Interesse exklusiv, sondern vor allem a m Unternehmen konkret beteiligten Gruppen diene. Darüber hinaus sei — so Köhler — die Verfassung u n d die A r t u n d Weise der Unternehmensführung auch nicht mehr n u r eine Privatsache der beteiligten Gruppen allein, sondern eine Angelegenheit der ganzen Öffentlichkeit. Vgl. auch Bericht der Studienkommission des 39. DJT, Untersuchungen zur Reform des Unternehmensrechts, T e i l I, S. 15 ff., 18 ff. 45 Ballerstedt, JZ 1951, 486 (490 f.). «· Vgl. oben § 4 bei Fußn. 264—266. 47 Ballerstedt, JZ 1951, 486 (492).

12 Roussos

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Kap. I V : Organisationshaftung

7. Die sozialrechtliche

Einheit Fechners

Das Unternehmen w i r d von Fechner zunächst als tatsächliche Einheit empfunden. Dieses „vorwissenschaftliche Empfinden" w i r d dann durch die wissenschaftliche Betrachtung bestätigt 48 . Seine Analysen münden dann i n eine an die wirtschaftswissenschaftlichen Ergebnisse angelehnte Definition, der aber das Unternehmen vor allem als eine „sozialrechtliche Einheit eines Personenverbandes" 40 zugrunde liegt, „der m i t Hilfe von sachlichen und immateriellen Erzeugungsmitteln unter dem Gesichtspunkt der Kostendeckung oder Gewinnerzielung der produktiven Bereitstellung von Gütern bzw. Leistungen i m Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtplanung zu dienen bestimmt ist". 5 0 8. Der organisationssoziologische

Unternehmensbegriff

T. Raiser hat sich i n einer Monographie m i t dem Unternehmensbegriff befaßt 51 . Wenngleich er von einem Oberbegriff des Unternehmens i m Rahmen des Handelsrechts spricht 52 , besitzen seine Gedanken allgemeine Gültigkeit und insoweit sind sie auch hier und hinsichtlich der oben festgelegten Untersuchungsziele 53 zu berücksichtigen. I n A n lehnung an die soziologischen Untersuchungen über die Organisation erbringt Raiser den Nachweis, daß es sich bei allen Unternehmen um Organisationen handelt. Darauf beruht dann die Feststellung „gemeinsamer Charaktermerkmale", welche die Annahme eines Oberbegriffs rechtfertigt. I n diesem Zusammenhang erweist sich als interessant die Ausscheidung der kleinen Unternehmen aus diesem Genusbegriff, nämlich derjenigen, die den i n der Soziologie sogenannten small groups 54 48 Fechner, Das wirtschaftliche Unternehmen, S. 3; derselbe, Die T r e u b i n dung des Aktionärs, S. 63. 49 Vgl. auch Bericht der Studienkommission des 39. DJT, Untersuchungen zur Reform des Unternehmensrechts, T e i l I, S. 18 ff.; Bericht der Mitbestimmung skommis s ion, BT-Drucks. VI/334, T e i l IV, S. 56 ff.; Kunze, Unternehmensverband u n d Unternehmensrecht, FS f ü r K . Duden (1977), S. 201 ff. (203 f., 222, 225 ff.). 50 Fechner, Das wirtschaftliche Unternehmen, S. 16; derselbe, Die T r e u b i n dungen des Aktionärs, S. 62 ff. 51 T. Raiser, Das Unternehmen, insbesondere 2. Teil, S. 93 ff. 52 T. Raiser , Das Unternehmen, S. 133. Der Streit über das Unternehmensrecht der i m Handels- u n d Mitbestimmungsrecht ausgetragen w i r d , u n d die dazu gehörigen Einzelfragen interessieren hier nicht. Dazu i m einzelnen: Kunze, Z u m Stand der E n t w i c k l u n g des Unternehmensrechts, Z H R Bd. 144 (1980), S. 100 ff.; T. Raiser, FS f ü r R. Fischer (1979), S. 561 ff.; derselbe, Theorie u n d Aufgaben des Unternehmensrechts i n der Marktwirtschaft, ZRP 1981, 30 (32 f.); Duden, E n t w i c k l u n g des Gesellschaftsrechts usw., FS f ü r W. Shill i n g (1973), S. 309 ff. (insbesondere 314 ff.). 53 Siehe oben bei Fußn. 1. 54 Hierzu T. Raiser, Das Unternehmen, S. 102, Anm. 15.

§ 9. Das Unternehmen als Organisationseinheit

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zuzuordnen sind. Was darunter genau zu verstehen ist und wie die ausgeschiedenen small groups aufzufassen sind, läßt sich erst m i t Hilfe des Raiserschen Ausgangspunkts erklären. Diesen bildet eine den Ausführungen von Parsons 55 nachgebildete Definition der Organisation: Eine Organisation stelle ein abgrenzbares, spezielles System von Handlungen dar, deren Eigenart darin liege, auf ein Ziel ausgerichtet zu sein, das m i t rationalen Mitteln verwirklicht werden solle 56 . Darauf baut T. Raiser eine eigene ähnliche Definition, deren Besonderheit jedoch darin besteht, die Organisation von dem Blickwinkel der inneren Ordnung her zu erfassen. Demnach sieht er sie als ein soziales System m i t einer rationalen, auf bestimmte Ziele ausgerichteten inneren Ordnung an, das gegenüber seinen Mitgliedern ein ausgeprägtes Eigenleben führe und eine Vielzahl generell festgelegter Verhaltenserwartungen an sie stelle, denen sich diese ein- und unterordnen müssen 57 . Diese Betrachtungsweise trägt entscheidend zu der Aufdeckung struktureller Differenzen zwischen Organisation und kleiner Gruppe bei. Diese bilde keine durchrationalisierte, ein für allemal geltende Ordnung aus, sondern werde von der individuellen Kommunikation unter den Mitgliedern getragen und disponiere von Fall zu Fall. Bei ihr überwiege i m Innern und nach außen ein vom Persönlichen geprägtes Fluidum 5 8 . Aus diesem letzten Satz kann man mittels einer A r t argumentum a contrario den Merkmalen der Organisation eindeutig noch eines hinzufügen, nämlich das unpersönliche Element 59 , und darin eine Wiederholung und Übereinstimmung m i t Oppikofers These erblicken, der das Vorhandensein eines Unternehmens nur dort für zweifellos hält, „wo i n einer Organisation das unpersönliche Element gegenüber dem persönlichen überwiegt". 6 0 Oppikofer geht jedoch insofern zu weit, als die kleinen Unternehmen gemäß seinem Standpunkt gar nicht als solche zu bezeichnen wären. Neuerdings betrachtet auch Kunze 01 das Unternehmen als Organisation: Zunächst w i r d es von ihm als Wertschöpfungsveranstaltung aufgefaßt, wobei das Wort „Veranstaltung" darauf hinweisen soll, „daß es eine Veranstaltung von Menschen ist". Die Wertschöpfung stellt dann den Zweck der Veranstaltung dar, und sie grenzt zugleich das Unter55 Suggestions I u n d Suggestions I I i n Administrative Science Quarterly, Vol. I, S. 63 ff. u n d 225 ff.; derselbe, Structure and Process, S. 16 ff. 56 T. Raiser , Das Unternehmen, S. 94. 57 Hierzu vgl. auch Ott, Recht u n d Realität der Unternehmenskorporation, insbesondere S. 36 ff. 58 T. Raiser , Das Unternehmen, S. 117. 59 Vgl. auch Ott, Recht u n d Realität der Unternehmenskorporation, S. 19, 53, 88 ff. 60 Oppikofer, Das Unternehmensrecht, § 1, S. 10. 61 Z H R Bd. 144 (1980), S. 100 ff. 12*

180

Kap. I V : Organisationshaftung

nehmen gegenüber „anderen sozialen Phänomenen" ab 62 . I m Anschluß an T. Raiser begreift dann Kunze das Unternehmen als Organisation 63 , um daraus Fälle auszuschließen, „ i n denen an der Wertschöpfung nur ein einziger Mensch 64 beteüigt ist". 6 5 9. Gesamtwürdigung

der Untersuchungen zum Unternehmensbegriff

Aus dem Anfang dieses Jahrhunderts stammen die Versuche, die Realität des Unternehmens juristisch zu erfassen. A l l e n Ansätzen liegt ausnahmslos der Gedanke zugrunde, daß das Unternehmen eine sich von dem Unternehmer und nicht zuletzt von jedem Individuum unterscheidende Einheit darstellt. Der notwendigen Konsequenz dieser Betrachtungsweise, nämlich des Zurücktretens jeder Individualität hinter der Organisation des Unternehmens, wurde besonders in den Pionierarbeiten Isays, v. Ohmeyers, Oppikofers, Piskos Nachdruck verliehen. Diese beschränken sich zwar auf eine enge Betrachtung und sie setzen sich überwiegend m i t den speziellen Fragen der Übertragung und des Schutzes des Unternehmens auseinander. Allerdings besitzen ihre Ausführungen über die Einheitlichkeit des Unternehmens und über das unpersönliche Element der Unternehmensorganisation allgemeine Bedeutung. Dies zeigt sich vor allem i n den Nachkriegsuntersuchungen, die nunmehr das Unternehmen gesamtwirtschaftlich zu erfassen suchen. Einerlei, ob man die wirtschaftliche oder die soziale Realität des Unternehmens i n den Vordergrund stellt, werden alle Untersuchungen von dem Gedanken durchzogen, daß es sich beim Unternehmen u m eine Einheit, eine Organisation handelt, welche jede Individualität, jede Tätigkeit des einzelnen i n sich aufnimmt. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Ausführungen Ballerstedts™, da er aus der Betrachtung des Unternehmens als Einheit auf gesamtwirtschaftlicher Ebene und nicht zuletzt aus seiner sozialen Funktion Folgerungen für das Schadensersatzrecht zieht. I n seinen Überlegungen siedelt sich eine tiefgreifende K r i t i k gegen das herkömmliche zivilrechtliche Prinzip der individuellen Haftung.

62

Kunze, Z H R Bd. 144 (1980), S. 100 (102 f.). Eine weitere Differenzierung von anderen Organisationen bietet die Bezeichnung des Unternehmens als „Unternehmensverband", der aus Anteilseigner- u n d dem Arbeitnehmerverband bestehen soll: Kunze, Bd. 144 (1980), S. 100 (104 f.). Weitere Nachweise dazu bei H. Wiedemann , 1975, 385 (402 A n m . 46). 64 Dazu vgl. auch unten bei Fußn. 69 ff. 65 Kunze, Z H R Bd. 144 (1980), S. 100 (103). 66 Siehe oben bei Fußn. 40 ff. 63

dann dem ZHR ZGR

§ 10. Schadensersatzrechtliche Dogmatik

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§ 10. Organisationshaftung und schadensersatzrechtliche Dogmatik I . Allgemein

Aus dieser zusammenfassenden Darstellung der unternehmensrechtlichen Theorien hat sich ergeben, daß sich die Jurisprudenz die Ansicht zu eigen gemacht hat, die das Unternehmen als Ganzes, als Organisation begreift, hinter der sogar die Individualität seiner Teile (Arbeiter, A n gestellter) zurücktritt. Nun bleibt zu untersuchen, wie diese Ergebnisse bezüglich unseres Untersuchungsgegenstands zu verwerten sind. 1. Der Begriff

„Organisation"

Zunächst muß die Bedeutung des Begriffs „Organisation" geklärt werden. Darunter kann man sowohl das Organisieren als Tätigkeit als auch das Organisât als Produkt des Organisierens verstehen 67 . Spricht man danach von Organisation i n Zusammenhang m i t einem Unternehmen, so vermag damit zweierlei gemeint zu sein. Einerseits w i r d auf die Tätigkeit des Organisierens des Unternehmens hingewiesen, während andererseits dieses als Organisation, als Ganzes angesprochen wird. Knüpft man diese Erkenntnis an die oben vertretene unabdingbare Haftung des Unternehmers-Verwenders für Organisationsmängel 68 , so kommt man nun zu der Schlußfolgerung, daß es sich dabei um eine Organisationshaftung im engeren Sinne handelte. Denn die Organisationshaftung i m weiteren Sinne kann nach der hier gemachten Differenzierung sowohl eine Haftung für die Tätigkeit des Organisierens (Organisationsmängel) als auch eine Haftung für die Organisation als solche umfassen. Die Verwendung desselben Begriffs für die Erfassung des gleichen Lebenstatbestands, wenn auch i n seinen verschiedenen Aspekten, kann jedoch nicht ohne Folgen bleiben. Diese begriffliche und tatsächliche Verzahnung kann nicht ignoriert werden, und insoweit erscheint es berechtigt, von Organisationshaftung zu sprechen, um damit einen Haftungsumfang zu bezeichnen, der dem Inhalt des Organisationsbegriffs entspricht. Die folgenden Ausführungen widmen sich der A u f gabe, die Frage aufzuklären, was man unter Organisationshaftung genauer zu verstehen hat, sofern damit eine strenge unabdingbare Haftung für das Unternehmen als Organisation gemeint ist. 67 Vgl. Türk, Soziologie der Organisation, S. 2; sehr anschaulich Kieserl Kubicek, Organisation, Einleitung S. 2: „Die Unternehmung ist eine Organisation, w e i l sie eine Organisation h a t ! " ; vgl. ferner Parsons, Structure and Process, S. 27; derselbe, Suggestions I i n Administrative Science Quarterly, Vol. I, S. 63 (73). 68 Siehe oben § 4.

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Kap. I V : Organisationshaftung

2. Kleines Unternehmen

und Organisation

Vorher muß aber nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß dieser Haftung das Unternehmen als Organisation zugrunde liegt, woraus kleine Unternehmen, die keine Organisationen darstellen, auszuschließen sind 69 . Der Versuch, das Unternehmen als unpersönliche Einheit aufzufassen, hat oben 70 zu der von T. Raiser vorgenommenen Unterscheidung zwischen Organisation und kleiner Gruppe (small groups) geführt. Z u diesen small groups sind auch die kleinen Unternehmen zu zählen, die über keine rationalisierte Ordnung verfügen und im Inneren sowie nach außen von einem starken persönlichen Element geprägt sind. Auf sie soll sich daher die Organisationshaftung nicht beziehen 71 . Was nun unter kleinen Unternehmen konkret zu verstehen ist, läßt sich i m voraus nicht genau bestimmen, ohne daß damit etwa Tür und Tor zu Unsicherheiten geöffnet würden 7 2 . T. Raiser kann freilich darin beigepflichtet werden, die Organisation habe sich nicht lediglich auf w i r t schaftliche Mammutgebilde zu beschränken 73 , „denn die Objektivierung der Kooperationsbeziehungen setzt schon bei einem Kreis von vielleicht zehn oder zwanzig Mitarbeitern ein. Auszuscheiden haben nur die kleinen Einmann- und Familienbetriebe sowie die Krämer und Handwerker, die nicht mehr als eine handvoll Angestellte oder Gesellen beschäftigen 74 . Die Zahl der Beschäftigten vermag nun sicherlich nicht als Merkmal der Organisation angesehen zu werden, obwohl ihre Bedeutung insoweit nicht verleugnet werden darf, als sie einen wichtigen, die Unternehmensstruktur beeinflussenden Faktor ausmacht 75 . Die Unterscheidung zwischen großen und kleinen Unternehmen und die Ausnahme der letzten von der Organisationshaftung w i r d auch von dem neuerdings von Schilcher vorgeschlagenen Prinzip der sozialen Verantwortlichkeit bestätigt 76 . Ob und inwieweit man Schilchers Aus* 9 Hierzu vgl. auch R. Merkel, Kollisionen, S. 180 f. Bei Fußn. 54—60. 71 „ I n der rechtlichen Regelung der wirtschaftlichen Unternehmen" h ä l t auch Ballerstedt, FS für K . Duden (1977), S. 15 (27) eine Unterscheidung z w i schen groß u n d k l e i n für notwendig. 72 Dazu vgl. auch Ballerstedt, J Z 1951, 486 (492 re. Sp.); vgl. ferner Bericht der Studienkommission des 39. DJT, Untersuchungen zur Reform des U n t e r nehmensrechts, T e i l I, S. 28 f.; Köhler, ZgStW Bd. 115 (1959), S. 716 (734). 73 Vgl. die neue Theorie des sog. situativen Ansatzes i n der Organisationssoziologie, die unter anderem die Größe u n d deren Einfluß auf die Organisationsstruktur berücksichtigt bei Kieser / Kubicek, Organisation, S. 178 ff., 220 ff.; dieselben, Organisationstheorien I I , S. 105 ff. (insbesondere S. 121 ff.). 74 T. Raiser, Das Unternehmen, S. 117 f. Z u r Frage des Unterscheidungskriteriums siehe auch Ballerstedt, FS für K . Duden (1977), S. 15 (28). 75 Kieser ! Kubicek, Organisation, S. 221; dieselben, Organisationstheorien I I , S. 108. 76 Schilcher, Theorie der sozialen Schadensverteilung, S. 222 ff. 70

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gangspunkt zustimmen kann, der allgemein die Schadenersatzpflicht des Schuldners von seiner Leistungsfähigkeit abhängen wissen w i l l 7 7 , kann hier dahinstehen. Seine Operationalisierung m i t dem Begriff der sozialen Verantwortlichkeit im Bereich der Unternehmenshaftung läuft jedoch auf den hier vertretenen Standpunkt der Differenzierung zwischen Haftungssubjekten hinaus: „Je größer das Unternehmen 78 , je verteilungswirksamer seine Position und je finanzkräftiger, desto größer seine soziale Verantwortlichkeit." 7 9 3. Begründung

der Organisationshaftung

Daß die Organisationshaftung mehr als die bloße Haftung für die Tätigkeit des Organisierens bedeutet, wurde schon gesagt. Dieses Mehr besteht nun darin, eine Verantwortung für das Auftreten des Unternehmens i n der Außenwelt als Ganzheit zu begründen. Betrachtet man dieses von innen her, so ist dort kein Ganzes, keine organisatorische Einheit sichtbar, sondern es sind nur Teile, die sich wiederum aus anderen Teilen zusammensetzen und i n tunlichst rationeller Kooperation an der Erreichung eines Ziels zusammenarbeiten 80 , diese bestehen aus kleineren Einheiten 8 1 und diese wiederum aus Maschinen, Gebäuden, Arbeitskräften usw. Das gemeinsame Ziel hält diese Teile i n der Gestalt der Koexistenz-Kooperation zusammen. Betrachtet man nun das Unternehmen von dem Blickwinkel seiner Erscheinung in der Öffentlichkeit her, so ist seine innere Struktur nicht mehr sichtbar, und sie weist auch kein Interesse für den Kunden auf, der eine ganze Einheit vor sich sieht, welche sich in einem Namen, i n einem Symbol oder nicht zuletzt auch i n der erbrachten Leistung verkörpert 8 2 . Die Adressaten der Leistung küm77

Schilcher, Theorie der sozialen Schadens Verteilung, S. 226. Vgl. auch Pfahl, Haftung ohne Verschulden, S. 98. 79 Schilcher, Theorie der sozialen Schadensverteilung, S. 227 a. E. 80 Z u r S t r u k t u r der Organisation aus soziologischer Sicht vgl. statt aller Parsons i n Administrative Science Quarterly, Vol. I, S. 63 ff. u n d 225 ff.; derselbe, Structure and Process, S. 16 ff. Die Relevanz soziologischer U n t e r suchungen zu dem sozialen Phänomen Unternehmen-Organisation f ü r die Jurisprudenz vgl. zuletzt bei Kunze, Z H R Bd. 144 (1980), S. 100 (102 ff.). 81 Über die Unterscheidung zwischen Betrieb und Unternehmen siehe Jacobi, Betrieb u. Unternehmen, S. 23, der den Betrieb als technisch-organisatorische Einheit u n d das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit auffaßt. E i n Unternehmen könne mehrere technisch-organisatorische Einheiten umfassen. Dazu siehe ferner Köhler, J Z 1953, 713 ff.; Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drucks. VI/334, T e i l I V , S. 60 f.; Kunze, Z H R Bd. 144 (1980), S. 100 (103). 82 Vgl. Barnard, Die F ü h r u n g großer Organisationen, S. 66: „ . . . Deswegen hört m a n so oft den Satz: ,Die Anlage k a n n so u n d so v i e l produzieren.' D a m i t meint man sowohl die physikalische Anlage als auch die Menschen, die an i h r arbeiten, sowie die Tätigkeiten oder K r ä f t e von beiden. Sofern man sich m i t einem spezifischen Unternehmen beschäftigt, muß man die Gesamtsituation . . . als das erste Bezugssystem heranziehen. Diesem System k a n n 78

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mern sich nicht darum, welche oder wie viele Arbeiten oder (und) Geräte an ihrer Erbringung teilgenommen haben; für sie liegt eine X Leistung des Y-Unternehmens und nicht dieser Arbeiter oder jener Maschinen vor. Diese Betrachtungsweise steht sowohl m i t den soziologischen als auch m i t den unternehmensrechtlichen Erkenntnissen i n Einklang. Denn es ist nicht einzusehen, warum die Organisationseigenschaft des Unternehmens nur i n bestimmten Hinsichten (ζ. B. Übertragung) berücksichtigt werden soll. Seine Einheitlichkeit ist eine soziale Wirklichkeit, eine Tatsache 83 , wie auch soziologische Analysen bestätigen 84 . Hat man dies angenommen, so t r i t t die Organisation nicht nur bei Leistungserbringung, sondern auch bei Schadenszufügung i n den Vordergrund. Ein Schaden entsteht deshalb, weil die auf die Erreichung ihres Zwecks hin arbeitende Organisation an einer Stelle versagt hat; die bis dahin reibungslose Kooperation ihrer Mitglieder wurde an einem Punkt unterbrochen, so daß der erstrebte Zweck ganz oder teilweise ausgefallen und ein Schaden (etwa die Zerstörung des bewachten Wagens i m Wachmannfall) entstanden ist. Dieser erscheint also als Versagen eines ganzen Systems, einer ganzen Organisation, was auch der Betrachtungsweise der Kunden entspricht. Sie interessieren sich nicht dafür, ob ein ihnen entstandener Nachteil i n dem Versagen der X-Maschine oder der Y-Fachkraft seine Ursache hat. I n ihren Augen hat das Unternehmen einen Schaden verursacht und sie i n ihren Erwartungen enttäuscht. Infolgedessen kommt dem Begriff Organisationshaftung ein breiter Umfang zu, der über die Haftung für die Tätigkeit des Organisierens (Organisationsmängel) hinaus ebenfalls die Einstandspflicht für alle Schäden andeutet, die sich als solche des Unternehmens, der Organisation darstellen und tatsächlich ihren Grund darin haben, daß ein Glied oder mehrere Glieder der unternehmerischen Einheit mangelhaft oder überhaupt nicht funktioniert haben 85 . Dazu muß noch dem Umstand Rechnung getragen werden, daß dem Geschädigten gegenüber das ganze System als Schadensverursacher auftritt, was die logische und notwendige Folge seiner einheitlichen Erscheinung i n der Öffentlichkeit ist. man den Namen »Organisation' geben." Vgl. auch Presthus, I n d i v i d u u m u n d Organisation, S. 163. 83 H. Wiedemann , ZGR 1975, 385 (400), bezeichnet das Unternehmen als „sozialen Wirklichkeitsausschnitt"; vgl. auch Kunze, Z H R Bd. 144 (1980), S. 100

(106).

84 Großen Einfluß i n der Organisationssoziologie hat der sog. systemtheoretische Ansatz gewonnen, der das Unternehmen-Organisation als Ganzes, als „Wholism" (Litterer, Organizations, Vol. I I , S. 4 ff.) betrachtet. Vgl. dazu i m einzelnen die Darstellungen bei Türk, Soziologie der Organisation, S. 25 ff. 85 „ Z u den Betriebsgefahren . . . ist auch die Gefahr eines mangelhaften Funktionierens der Betriebsangestellten zu zählen", f ü h r t M. Rümelin, Schadensersatz, S. 27, an.

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Man könnte dagegen einwenden, es handele sich bei einer Schadensverursachung nicht um einen „Gesamtschaden", weil nicht die ganze Organisation, sondern eins ihrer Glieder den Schaden angerichtet habe, so daß man hier nicht wie bei der Gesamtleistung von einem gesamten Schaden sprechen könne. Dies scheint zunächst richtig zu sein, denn die Schadenszufügung läßt sich — anders als die Leistungserbringung — nicht etwa in die „Schadensbeiträge" der einzelnen Glieder auflösen, und man kann nicht sagen, am Ende sei ein anderer, quantitativ und qualitativ von den einzelnen „Schadensbeiträgen" differenzierender Schaden entstanden 86 . Darauf kommt es jedoch nicht an. Die A r t und Weise, in der eine Leistung zustande kommt, kann nur als ein anschauliches Beispiel dafür aufgefaßt werden, daß es bei dem Unternehmen um ein Ganzes, um eine Organisation geht, dessen einheitliche Erfassung zweifellos dem sozialen Realismus entspricht und darüber hinaus noch dazu dient, sich Klarheit über die Rolle des abhängigen Glieds (Arbeiters) i n dieser Ganzheit zu verschaffen. Die Zurechnung eines Schadens an die Organisation beruht lediglich auf der Realität des einheitlichen Auftretens sowie auf der Berücksichtigung der Anschauung des Geschädigten, der ebenfalls davon ausgeht, daß i h m gegenüber das Unternehmen als Einheit steht 87 . Daher braucht man sich nicht darum zu bemühen, die Entstehung eines „gesamten" aus mehreren Beiträgen bestehenden Schadens zu begründen. Es w i r d nicht übersehen, daß i m Wachmannfall der Wächter, i m Monteurfall der Monteur, i m Eisenwändefall der Schiffsführer einen Schaden angerichtet haben. Dies ist jedoch i n ihrer Eigenschaft als (Mit-)Glieder einer Organisation geschehen, nämlich der Wach-, Liefer- oder Seetransportfirma 88 . Für den Außenstehenden liegt eine Fehlleistung, ein Versagen dieser Einheiten vor. Wenn die aus einzelnen unpersönlichen Beiträgen entstehende Leistung als eine solche der Organisation i n der Außenwelt zutage tritt, so ist es konsequent, auch eine Fehlleistung und damit ein Versagen der Kooperationskette der Organisation zuzurechnen. Aus der Einheitlichkeit des 86

Vgl. oben bei Fußn. 39. Hierzu vgl. auch O. v. Gierke , Genossenschaftstheorie, S. 803, A n m . 1: Er meint ebenfalls, es komme nach dem geltenden Recht i n den meisten F ä l len zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs beispielsweise gegen eine Eisenbahngesellschaft gar nicht darauf an, ob das Verschulden einem Gesellschaftsorgan u n d somit der Gesellschaft selbst oder ob es n u r einem einfachen Lohnarbeiter der Gesellschaft zur Last falle: „das körperschaftliche Rechtsobjekt t r i t t i n dieser Hinsicht ganz hinter dem sehr viel umfassenderen V e r bände von K r ä f t e n u n d M i t t e l n zurück, den man kurz ,die Eisenbahn' zu nennen pflegt." 88 Vgl. hierzu Barnard, Die F ü h r u n g großer Organisationen, S. 73, der zeigt, daß innerhalb einer Organisation „die Handlung nicht persönlich ist, obgleich Personen Träger der Handlungen sind. Ihre Beschaffenheit w i r d durch die Erfordernisse des Systems oder die das System sonst beherrschenden K r ä f t e bestimmt." e7

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Unternehmens muß man nun eine weitere Konsequenz ziehen, die eine völlige Befreiung des eigentlichen Schädigers von einer Inanspruchnahme seitens der Geschädigten nahe legt. Ist zugegeben worden, daß der Einblick und das Interesse des Geschädigten nicht bis in die innere Struktur der Organisation hinreicht 80 , sondern sich auf ihre äußere einheitliche Erscheinung beschränkt, so wäre es widersprüchlich, ihm dennoch das Recht einzuräumen, i n die innere Ordnung des Systems einzugreifen. Darauf soll jedoch später noch einmal eingegangen werden. Zunächst soll geprüft werden, ob und inwieweit die hier aufgestellten Thesen m i t der schadensersatzrechtlichen Dogmatik i m Einklang stehen. I I . Die schadensersatzrechtliche Dogmatik

1. Die „geschlossene Einheit"

von Otto v. Gierke

Die Auffassung des Unternehmens als Einheit und die sich daraus ergebenden Folgen für das Schadensersatzrecht sind nicht so neu, wie man vielleicht hätte meinen können. Darauf hat vielmehr schon Otto v. Gierke i n seiner scharfen K r i t i k des Entwurfs des bürgerlichen Gesetzbuchs hingewiesen 90 . Er tadelt den Entwurf, weil er keine „Haftung aus dem Eigentum an einer schädigenden Sache . . . einer schädigenden Anlage, einem schädigenden Betrieb" vorsehe. Man könne alle Vorteile aus einem die Mitmenschen gefährdenden Eigentum ziehen, ohne irgendein Risiko einzugehen. Er richtet danach seine K r i t i k gegen die Vorschriften, welche die Haftung des Hausherrn für seine Hausangehörigen und des Geschäftsherrn für seine Leute regeln 91 : „Zwischen den organischen Gemeinschaften des Hausstandes und des geschäftlichen Unternehmens einerseits, welche Dritten als geschlossene Einheiten gegenübertreten, und beliebigen Verhältnissen der Aufsichtsführung oder der ,Bestellung eines anderen zu Verrichtung einer oder mehrerer Handlungen' andererseits w i r d nicht der leiseste Unterschied gemacht" 92 . Der zu machende Unterschied w i r d von O. v. Gierke nicht näher erörtert. Davon aber abgesehen kann man an diesem Zitat die Forderung nach einer auf dem einheitlichen Auftreten des Unternehmens beruhenden Haftung deutlich erkennen. I n diesem Zusammenhang kann man ferner 89 Statt vieler: Mataja, Recht des Schadensersatzes, S. 43 u. 80; Enneccerus, Diskussionisbeitrag zum 18. DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. 91; Edlbacher, Gedanken zur Vereinheitlichung des Haftungsrechts f ü r Betriebsgefahren, Z V R 1956, 2 (re. Sp.); vgl. auch unten bei Fußn. 241. 90 O. v. Gierke, Entwurf, Abschn. V, S. 260 f.; so auch später Oertmann, Die Verantwortlichkeit f ü r den eigenen Geschäftskreis, Das Recht 1922, Sp. 5 (7). 91 §§ 710—712 des Entwurfs. 92 O. v. Gierke, Entwurf, Abschn. V, S. 261.

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einem Vergleich m i t den „genialen" 9 3 Gierkesàien Ausführungen über die Haftung juristischer Personen für fremdes Verschulden kaum widerstehen. „Der Ursprung aller Haftung für fremdes Verschulden liegt i n der ehemaligen Einheit des häuslichen Verbands, den der Hausherr als Träger dieser Einheit nach innen zu beherrschen und nach außen zu vertreten hatte 94 . Immer aber ist bei allen Verzweigungen des Phänomens der eigentliche Grund der Haftung ein Herrschaftsverhältnis geblieben, vermöge dessen in einem bestimmten Bereich die Persönlichkeit durch eine ihrer Willensbetätigung als Werkzeug dienende fremde Persönlichkeit erweitert w i r d 9 5 und m i t dem Zuwachs an Willensmacht nun auch eine entsprechende Verantwortlichkeit für Willensfehler i n dieser Sphäre übernehmen soll" 9 6 . Diese von anderer Seite 97 Werkzeugtheorie genannten Gedanken wurden später sowohl von Juristen als auch von Soziologen 98 bestätigt. Besonders nahe dazu stehen auch die folgenden vorzüglichen Ausführungen O. v. Gierkes, die von dem Versuch geprägt sind, die Gründe der Haftung für dritte Personen darzulegen: „ U n d zuletzt lehnt sich i n der Tat der Gedanke, auf welchem diese Haftung eines Kaufmanns aus dem betrügerischen Geschäftsgebahren seines Prokuristen oder eines Fabrikanten aus den leichtsinnigen Anordnungen seines Werkführers beruht, an die dem Körperschaftsdelikt zugrunde liegende Vorstellung eines fehlerhaft funktionierenden Organismus an" 9 9 . I m Anschluß daran führt v. Gierke einige Beispiele an, die charakteristisch für die herrschende Lebensanschauung sind. Man spricht — so v. Gierke 100 — von der Schuld eines Schiffs (besonders beim Zusammenstoß von Schiffen), einer Fabrik, einer Eisenbahn; ferner erscheinen diejenigen Großbetriebe, auf welche sich die moderne Haftpflichtgesetzgebung beziehe, nicht nur tatsächlich als machtvolle Organismen, und obwohl sie vom Privatrecht immer noch als bloße Komplexe von Individuen gelten, wurden sie doch vom öffentlichen Recht 93 So Ostheim, Organisation, Organschaft u n d Machthaberschaft, GedS f ü r F. Gschnitzer (1969), S. 317 (320). 94 Steinbach, Ersatz v o n Vermögensschäden, S. 57 f., äußert sich kritisch zu diesem Vergleich der Herrschaftsverhältnisse, die einerseits i n der häuslichen Gemeinschaft u n d andererseits i n dem Unternehmen bestehen. 95 Die Bezeichnung „Werkzeug" findet sich schon i n einer von Steinbach, Ersatz u n d Vermögensschäden, S. 46, aufgeführten Entscheidung des Oberappellationsgerichts zu Darmstadt v o m A p r i l 1846, SeuffA Bd. 7, Nr. 150, S. 179. Kritisch zu dieser Betrachtung schon M. Wilburg, Haftung f ü r Gehilfen, Zbl. j u r . Praxis Bd. 48 (1930), S. 641 (642). 96 O. v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 803. 97 Statt anderer: Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), S. 309 (342). 98 Vgl. z. B. Ackoff, Systems, Organizations and Interdisciplinary Research, i n : Litterer, Organizations, Vol. I I , S. 120 (121 f.); Barnard, Die Führung großer Organisationen, S. 70 ff.; siehe auch unten bei Fußn. 162. 99 O. v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 804. 100 Genossenschaftstheorie, S. 804, A n m . 1.

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mehr und mehr als Verbandseinheiten gewürdigt. Diese auf sozialen Gegebenheiten beruhenden Gedanken provozieren die Frage, wie lange der Jurist noch berechtigt ist, sich dagegen zu wehren, eine Einstandspflicht der Organisation für das anzunehmen, was als ihr Versagen erscheint. Die K r i t i k Müller-Erzbachs 101 gegenüber dem Gierke sehen Standpunkt beschränkt sich darauf, ihn als „übertreibende und nichtssagende Wendungen" zu bezeichnen 102 . Außer den Ansichten Gierkes, die am besten die Angemessenheit der hier angenommenen Organisationshaftung nachweisen, sei noch auf eine Reihe namhafter Juristen verwiesen, i n deren Versuchen zur Begründung der Schadens- sowie der Gefährdungshaftimg Gedankengänge zu erkennen sind, die wichtige Elemente zur Gründung und Begründung einer Organisationshaftung enthalten. 2. Das Unternehmen als Organisation bei Steinbach: Grund für eine erweiterte Haftung I n bezug auf die Haftung der Unternehmer für Schäden, die sie oder ihre Leute Dritten zufügen, stellte Steinbach schon seinerzeit eine Tendenz der Rechtsentwicklung dahin fest, sowohl den Grundsatz „ q u i suo iure utitur neminem laedit" als auch die Verschuldenshaftung selbst i n Abrede zu stellen 103 , wie diese von Jhering in dem Satz zusammengefaßt wurde: „Nicht der Schaden verpflichtet zum Schadensersatz, sondern die Schuld." 104 Steinbach selbst t r i t t auch für eine „Haftpflicht des Unternehmers" ein, und er sucht die dogmatische Grundlage dafür. Diese findet er zunächst „ i n dem Wesen der Unternehmung als wirtschaftlicher Persönlichkeit und i n der Berechtigung des Unternehmers zum Bezüge des Unternehmergewinnes." 105 Die angeführte Begründung reicht jedoch noch nicht aus, um die Haftung des großen Unternehmens zu erfassen, die i m Recht „ i n viel weitgehenderem Maße" zur Geltung komme — so Steinbach —, als dies bei den kleinen Unternehmen der Fall sei. U m die erweiterte Haftung der Großunternehmung zu rechtfertigen, führt dann Steinbach aus: „Die moderne Großunternehmung m i t ihren zahlreichen Angestellten . . . m i t ihrer weitgetriebenen A r beitsteilung und ihrer dadurch bedingten genauen, festgeschlossenen und selbst gleich einer Maschine funktionierenden Organisation ist derart beschaffen, daß der Einzelne diesem Organismus gegenüber mehr 101

AcP 106 (1910), S. 309 (342). M. Rümeling, Gründe, S. 59, wendet sich auch i n ähnlicher Weise dagegen: „ M i t derartigen . . . Vergleichen, w i e sie namentlich m i t Hilfe des Begriffs Organismus immer u n d immer wieder versucht werden, läßt sich . . . i n der Jurisprudenz nichts beweisen u n d nichts erklären." 103 Steinbach, Ersatz v o n Vermögensschäden, S. 5 ff. (insbesondere 18, 27). 104 Jhering, Das Schuldmoment, S. 40. 105 Steinbach, Ersatz von Vermögensschäden, S. 62 f. 102

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oder weniger die Selbständigkeit verliert. Das gilt nicht blos von jenen Personen, welche einen Theil dieses Organismus bilden, welche i n demselben beschäftigt sind und durch die wachsende Arbeitstheilung stets mehr und mehr in die Stellung bloßer Werkzeuge gelangen; das gilt vielfach auch von den Personen, welche m i t einer solchen Unternehmung contrahiren und sich dabei den i m voraus bestehenden Vertragsbedingungen unterwerfen." 1 0 6 Damit zeigt sich, daß die Anerkennung des Unternehmens als Organisation schon ganz frühzeitig i m Schadensersatzrecht erfolgt ist 1 0 7 , ehe sich das heutige Unternehmensrecht diese Erkenntnis zu eigen gemacht hat 1 0 8 . Steinbach beschränkt sich jedoch nicht nur auf diese Einsicht, sondern er zieht auch die Konsequenzen daraus. Sie bestehen vor allem i n der Feststellung, daß der Einzelne der Organisation gegenüber seine Selbständigkeit verliert und i n die Stellung eines quasi Werkzeugs gerät. Die Betrachtung des Unternehmens als Organisation trägt ferner dazu bei, das Machtgefälle zwischen Unternehmung und Kunden zu erklären, das sich dann auch i n der Unterwerfung des Kunden unter einseitig aufgestellte Vertragsbedingungen ausdrückt. Unter diesem Aspekt erscheint eine erweiterte Haftung des Unternehmens im Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen noch aus dem zusätzlichen Grund gerechtfertigt, daß sie einen Ausgleichsfaktor gegen eine einseitige Machtkonzentration darstellt. 3. Gründe für eine Einstandspflicht des Unternehmens bei Müller-Erzbach Müller-Erzbach 109 hat sich m i t Problemen der Schadenszurechnung insbesondere i m Bereich der Unternehmenshaftung auseinandergesetzt und gegen das „Verschuldensprinzip" gewandt. Er stellt zunächst auf den vor der Entstehung des Schadens vorhandenen Zustand, den Gefährdungszustand ab. Dieser könne entweder von dem Gefährdenden selbst, indem er sich zu einseitiger Gefährdung fremder Interessen begebe, oder von dem Gefährdeten und zwar insoweit hervorgerufen werden, als er selbst seine Interessen i n den Kreis jener Gefährdung gezogen habe (Interessenexponierung, Gefahrtragung) 110 . Die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung w i r d zunächst an den höchst 106

Steinbach, Ersatz von Vermögensschäden, S. 63 f. Steinbach, Ersatz v o n Vermögensschäden, S. 62, sprach sogar von „Personification der Unternehmung" u n d „Loslösung derselben von der Person des Unternehmers ". 108 Vgl. oben bei Fußn. 51 ff. 109 AcP 106 (1910), S. 309 ff. 110 Vgl. auch Hermann Lange, Gutachten zum 43. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. 5 (17). 107

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,flüssigen 4 Begriff 1 1 1 der Gefahr geknüpft. Es sei dies ein Zustand, der eine gewisse Wahrscheinlichkeit i n sich trage, einen nachteiligen Erfolg zu entwickeln. Der Grad der Wahrscheinlichkeit könne offenbar verschieden sein. Selbst Müller-Erzbach scheint nicht daran zu glauben, m i t dieser Begriffsbestimmung die Geltung einer strengen Haftung nur auf einen (kleinen) Teil der Unternehmungen beschränkt zu haben. Vielmehr stellt die Gefahr das Mittel dar, m i t dessen Hüfe man zu einer allgemeingültigen verschuldensunabhängigen Haftung der Unternehmen zu gelangen sucht. „ U n d gerade in der Rechtswissenschaft ist es von Vorteil, ja unentbehrlich, daß die allgemeinsten Sätze auch die schmiegsamsten sind, damit sie sich all' den mannigfachen LebensVerhältnissen anpassen . . . So w i r d man m i t den Begriffen ,Interesse' und ,Gefahr 4 am weitesten kommen." 1 1 2 A n dieser Stelle erscheint ein Vergleich zu der Begründung der Unternehmenshaftung von W. Wilburg angebracht. Dieser wendet sich zunächst gegen jede Annahme, welche die schadensersatzrechtliche Haftung allgemein m i t einem einheitlichen und einzigen Prinzip" zu rechtfertigen sucht 113 . Statt dessen führt er mehrere Elemente an 1 1 4 , auf ihr bewegliches Zusammenspiel soll sich die Haftung zurückführen lassen 115 . Indessen scheint diese Flexibüität i n bezug auf die Unternehmenshaftung nicht genügend berücksichtigt worden zu sein. W. Wilburg bekennt sich zwar ausdrücklich dazu, i n der Gefährlichkeit keinen starren Haftungsgrund, sondern ein Element zu sehen, „welches je nach seiner Stärke i m Zusammenhang m i t anderen wirksam w i r d . " 1 1 6 I n seinen Ausführungen zur Unternehmenshaftung erlangt jedoch die Gefährlichkeit eine zentrale Bedeutung. Dem richterlichen Ermessen w i r d nur noch das Urteil darüber überlassen, ob ein Unternehmen „gefährlich" oder „erhöht gefährlich" oder „besonders gefährlich" ist 1 1 7 . Unterscheidet man ferner zwischen „gefährlichen" und „ungefährlichen" Unternehmen, so bleibt man die Beantwortung einer weiteren Frage schuldig, nämlich warum denn überhaupt „gefährliche" Betriebe zugelassen werden. Hierzu beruft man sich dann auf das überwiegende Interesse 118 , welches an der Durchführung „gefährlicher" Unternehmun111 Die Relativität dieses Begriffs w i r d selbst von Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), S. 309 (361) nicht verleugnet. 112 Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), S. 309 (361). us w > Wilburg, Elemente, S. 1 ff. 114 Hierzu siehe zuletzt Berger, Schadensverteilung bei Bankbetriebsstörungen, S. 91 ff. us w. Wilburg, Elemente, S. 26 ff.; derselbe, Zusammenspiel der Kräfte usw., AcP 163 (1963), S. 346 ff. ne Wilburg, Elemente, S. 38. in Wilburg, Elemente, insbesondere S. 101 f., 187 ff. 118 Siehe hierzu Mauczka, Rechtsgrund des Schadensersatzes, S. 50 ff.; A. u. R. Merkel, Juristische Enzyklopädie, §§ 699, 708, S. 302 f., 311; Leonhard, G u t achten zum 17. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. 337 (389); R. Merkel, Kollision, insbesondere S. 49 ff.

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gen bestehe. Wie wenig auch damit an Abgrenzungssicherheit gewonnen wird 1 1 9 , zeigt sich i m folgenden Satz: „Ist aber der Grund und Boden mit wertvollen Anlagen . . . bedeckt, so sind die Interessen des Bergbaus nicht mehr so überlegen" 120 . Weiterhin w i r d ein allgemeiner Haftungsgrundsatz aufgestellt, der aus der Verbindung des Interesses m i t dem Gefahrzustand hervorgeht. Derjenige soll haften, der i m eigenen Interesse Gefährdungszustände hervorruft 1 2 1 . Besondere Aufmerksamkeit gilt ferner den Ausführungen Müller-Erzbachs über die Haftung für Erfüllungsgehilfen. Hier steht auch der Begriff „Interesse" i m Vordergrund, indem diese Haftung darauf zurückgeführt wird, daß der Gehilfe i m fremden Interesse tätig wird. Darüber hinaus ist noch sehr bemerkenswert, daß eine Begründung auch aus der Sicht der Risikobeherrschung gegeben wird, wobei man eine Übereinstimmung m i t dem GierJceschen Standpunkt 1 2 2 spürt, die sich i m folgenden Satz zuspitzt: „Es laufen . . . alle Fäden, die den Organismus i n Gang halten, i n der Hand des Interessenten und Unternehmers zusammen." 123 Indessen erweise sich bei der Prüfung der Frage der eigenen Haftung der Hilfsperson gegenüber dem Geschädigten der Gedanke der Einflußsphäre als unbrauchbar, wie man beispielsweise an dem Fall eines schaltenden und waltenden Direktors einer Aktiengesellschaft anzuerkennen habe. Die durchgreifende A n t wort auf die Frage nach dem Grund der Befreiung des Angestellten lasse sich dann nur der Interessenlage entnehmen. Es sei die Unlöslichkeit der Verbindung des Unternehmensgewinns m i t der Unternehmerhaftung, welche schließlich diese Haftung eines bloßen Angestellten ausschließe 124 . Zunächst, was das angeführte Beispiel angeht, kann man ihm zustimmen und die Frage dahinstehen lassen, ob es i n der Praxis einen so einflußreichen Angestellten, sei es auch leitenden, gibt; denn die hier vertretene Ansicht geht nicht von der Herrschaftstheorie, sondern nur von der Tatsache des einheitlichen und unpersönlichen A u f t r i t t s einer Organisation i n der Öffentlichkeit aus, die jeden Durchgriff gegen den dahinterstehenden Arbeitnehmer oder Angestellten vermeiden will. Bei der Erzbachschen Rechtfertigung der Angestelltenentlastung fällt jedoch insoweit ein mittelbarer Widerspruch auf, als derselbe Autor an anderer Stelle seiner Abhandlung 1 2 5 den Rechtsgrund der Unternehmerhaftung 119 Vgl. auch Mauczka, Rechtsgrund des Schadensersatzes, S. 194 ff., der unter anderem meint (S. 195): ein objektives Merkmal, welches Interesse das höhere sei, existiere nicht. Die Aufstellung eines solchen scheitere daran, daß kein Einzelner dafür zuständig sei, sondern jeweils die herrschende Klasse. 120 Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), S. 309 (365). 121 Müller-Erzbach, A c P 106 (1910), S. 309 (366). 122 Siehe oben bei Fußn. 93 ff. 123 Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), S. 309 (385). 124 Müller-Erzbach, A c P (1910), S. 309 (387, 393). 125 Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), S. 309 (339).

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für seine Angestellten nicht darin zu sehen können meint, daß der Unternehmer meist wohlhabender als sein Angestellter sei 126 . Dies darf jedoch keineswegs das große Verdienst von Müller-Erzbach schmälern, welches i n diesem Zusammenhang darin gesehen werden soll, daß er eine Inanspruchnahme des abhängigen Gehilfen seitens des Geschädigten bei leichter Fahrlässigkeit ausdrücklich ablehnt. Wollte man — so Müller-Erzbach 127 — den Gehilfen für jedes leichte Verschulden einstehen lassen, so würde i h m damit doch ein großer Teil des eigentlichen Unternehmerrisikos aufgebürdet, da ein kleines Versehen manchmal unvermeidbar sei 128 . 4. A. Merkels

Stellungnahme

Adolf Merkel t r i t t ebenfalls für eine strenge Haftung der Unternehmen ein, deren Betrieb m i t Gefahren verbunden zu sein pflegt 129 . Als solche werden Fabriken, Bergwerke und andere industrielle Unternehmungen genannt. Man w i r d hier Zeuge einer derart breitgefaßten Formulierung, daß es naheliegt, eine strenge Haftung für jede A r t von Unternehmen anzunehmen. Diese Ansicht findet ihre Bestätigung i n den allgemeinen Ausführungen von Merkel über die Verpflichtung zum Schadensersatz. Dort w i r d eine Verursachungshaftung befürwortet, die dann eintreten könne, wenn „die Unternehmung, welche die Schädigung herbeiführte, seine (des Unternehmers) Unternehmung war, deren Kosten . . . i m Ergebnis büligerweise auf seine Rechnung zu setzen sind" 1 3 0 . A n diesem Satz kommt ganz deutlich der Gedanke der Einheitlichkeit des Unternehmens zum Ausdruck. Denn die Schadensfolgen werden zwar dem Inhaber zugerechnet, die Schädigung w i r d jedoch von der „Unternehmung" herbeigeführt 131 . Insbesondere sei dies häufig der Fall — so Merkel 132 — wo eine fahrlässige Handlung eines Angestellten die nächste Ursache des Schadens gebildet habe. Dazu sind noch die Ausführungen über die Stellung des Arbeiters i m Betrieb hinzuzufügen. Er erscheine als abhängiges Glied eines großen Ganzen, fast nur als ein Teü einer Maschine 133 . 126 Z u dem Gesichtspunkt der Gewinn- bzw. der Nutzungsziehung als Z u rechnungskriterium siehe zuletzt Berger, Schadensverteilung bei Bankbetriebsstörungen, S. 40 ff. 127 AcP 106 (1910), S. 309 (388). 128 Darüber hinaus erkennt Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), S. 309 (387, 453) unbedenklich an, daß es i h m u m eine gesunde Rechtspolitik gehe, m i t der sich eine Haftung des Angestellten nicht vereinbaren lasse. 129 A. u. R. Merkel, Juristische Enzyklopädie, § 702, S. 304. 130 A. u. R. Merkel, Juristische Enzyklopädie, § 692, S. 299. 131 Vgl. auch A. u. R. Merkel, Juristische Enzyklopädie, § 705, S. 308. m w i e Fußn. 129. 133

A. u. R. Merkel, Juristische Enzyklopädie, § 705, S. 309.

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§10. Schadensersatzrechtliche Dogmatik

5. Die volkswirtschaftlichen

Gesichtspunkte

Matajas

Mataja hat sich m i t dem Schadensersatzrecht aus der Sicht der Volkswirtschaft befaßt. Besondere Beachtung i m Hinblick auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand verdienen seine Ausführungen über die Begründung des Schadensersatzanspruchs. Zunächst spricht er sich für eine angemessene Schadensverteilung bei zufälligen Schäden aus, welche an die Stelle des Grundsatzes casum sentit dominus gesetzt werden soll, weil das Recht davon ausgehe, den gleichwohl eingetretenen Schaden jenen Personen anzulasten, die nach den Forderungen der Gerechtigkeit und der volkswirtschaftlichen Interessen als die geeignetsten Trägerinnen der Last erscheinen 134 . Nachdem dann das „Alles-oderNichts"-Prinzip kritisiert wird, wendet sich der Verfasser der Haftung für Angestellte 135 zu. Hier dürfe man nicht als entscheidend den Grundsatz ansehen, daß jedem nur die Folgen seiner eigenen Handlungen aufgebürdet werden sollen. Weder der Schädiger-Gehilfe noch der Geschädigte, sondern der Betrieb sei derjenige, der bei einer Schadensentstehung den Schaden auf sich nehmen müsse. I m Grunde genommen sei es für den Unternehmer ganz dasselbe, ob ein Schaden auf eine trotz aller Sorgfalt und Kontrolle eingetretene Kesselexplosion zurückgeführt werde oder darauf, ob dies wegen einer Nachlässigkeit seiner Leute geschehe, deren Auswahl immerhin m i t tunlichster Aufmerksamkeit geschehen sein möge. I n beiden Fällen sei die Forderung nicht abzuwehren, daß wer das Unternehmen i n Betrieb setze auch dessen schädliche Seiten in Kauf nehmen müsse 126 . Auch Mataja kommt also um die soziale Realität der Arbeiterrolle i m Betrieb nicht herum, wie sich an dem Vergleich zwischen der Kesselexplosion und dem Personal versa gen erkennen läßt. Seinen Standpunkt begründet er einerseits m i t der dem Schadensersatzrecht zufallenden vorbeugenden Wirkung, welche bezüglich der Unternehmenshaftung eine wichtige Rolle zu spielen angelegt ist, andererseits m i t der ebenfalls früher erwähnten 1 3 7 Überlegung des unzureichenden Einblicks des Geschädigten in das Unternehmen. Der komplizierte ausgedehnte Mechanismus des Unternehmens — so Mataja 1 3 8 — gestattet dem Fremden keinen rechten Einblick i n den Geschäftsgang, und man müsse sich dort m i t der Haftung desjenigen begnügen, der augenscheinlich Anlaß zum Unfall gegeben habe, ohne weiter i n die Tiefe eindringen zu können, wo man vielleicht noch andere Schuldige gefunden hätte. Ferner sei hier auf die an anderer Stelle 134 Mataja, Das Recht des Schadensersatzes, S. 19 ff. u. 120 ff.; vgl. auch oben bei Fußn. 76 ff. 135 Mataja, Das Recht des Schadensersatzes, S. 38 ff. 136 Mataja, Das Recht des Schadensersatzes, S. 41. 137 Vgl. oben bei Fußn. 89. 138 Das Recht des Schadensersatzes, S. 43.

13 Roussos

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Kap. I V : Organisationshaftung

und angesichts der Vertragshaftung geltend gemachten Überlegungen von M ata ja hingewiesen: Bei großen Unternehmungen, „namentlich den kolossalen Anstalten der Neuzeit", komme es nicht auf die selbständigen Leistungen einzelner an, sondern alles beruhe auf dem Ineinandergreifen vieler Kräfte. Treffe eine verfrachtete Ware verspätet ein, so frage es sich, ob die Haftung bei einem so komplizierten Unternehmen von einer zu Last irgend jemandes fallenden culpa abhängig sein soll, „wenn das Räderwerk einmal nicht klappt. Ist nicht regelmäßig die ganze Organisation, der Geist, welcher das Unternehmen und seine Glieder durchdringt, das Ausschlaggebende und, wenn es nicht zusammengeht, auch Träger der Schuld, nicht aber die aus dem Zusammenhang gerissenen Handlungen einzelner, welche gewöhnlich allein der Lupe des Richters unterstellt werden können?" 1 3 9 6. Die Theorie des „aktiven

Interesses"

I n seiner K r i t i k gegenüber der Herrschaft des Verschuldensprinzips beruft sich Rudolf Merkel 140 unter anderem auf Jhering, der von einer „Menge von Fällen" spricht, i n denen die römischen Juristen eine culpa angenommen hätten, wo i n Wahrheit aber „Bestimmungen objektiver A r t gewaltsam i n die subjektive Form gezwängt" seien, welche „erst die fortschreitende Wissenschaft von dieser engen Form ablösen w i r d . " 1 4 1 Demzufolge befürwortet R. Merkel „eine gerechtere Würdigung" der gesetzlich schon geregelten Fälle verschuldensunabhängiger Haftung (ζ. B. das preußische Eisenbahngesetz von 1838) und ihre „Ausdehnung auf gleichgelagerte Fälle" 1 4 2 . Diese Folgerung entspricht dem schon etwas früher auch von Unger 1 4 3 vertretenen Standpunkt. Ausgehend von dem deutschen Reichshaftpflichtgesetz v o m 7. 6. 1871 begründet Unger die Haftpflicht der Eisenbahnunternehmen m i t dem Gedank e n des Handelns auf eigene Gefahr 1 4 4 . Daraus entwickelt er die Auffassung, „daß der Unternehmer f ü r alle Betriebsunfälle zu haften hat, welche aus der eigenen Schuld des Betriebs entstehen." 1 4 5 A m Ende seiner Abhandlung äußert er schließlich den Wunsch, „das f ü r Eisenbahnunternehmungen geltende strenge Haftpflichtrecht . . . i n entsprechender A n w e n d u n g auf be139

Mata ja, Das Recht des Schadensersatzes, S. 79; vgl. auch ebenda, S. 85. Kollision, S. 102 ff. 141 Jhering, Das Schuldmoment, S. 38. 142 R. Merkel, Kollision, S. 130; ebenso Mayer, Gutachten zum 17. DJT, V e r handlungen Bd. I, S. 125 (135). 143 Handeln auf eigene Gefahr, JherJb Bd. 30 (1891), S. 363 (409 ff.) = Handeln auf eigene Gefahr, 3. Auflage, S. 83 ff. 144 Dazu siehe auch Unger, JherJb Bd. 30 (1891), S. 363 (384 ff.) = Handeln auf eigene Gefahr, 3. Auflage, S. 53 ff.; vgl. derselbe, Handeln auf fremde Gefahr, JherJb Bd. 33 (1894), S. 299 ff. 145 Unger, JherJb Bd. 30 (1891), S. 363 (413) = Handeln auf eigene Gefahr, 3. Auflage, S. 87. 140

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stimmte andere gemeingefährliche Gewerbebetriebe dem bürgerlichen Gesetzbuche f ü r das deutsche Reich einzuverleiben" 1 4 6 . Das B e d ü r f n i s nach e i n e r E r w e i t e r u n g d e r s t r e n g e n H a f t u n g , u n d z w a r auch i n b e z u g a u f d i e V e r a n t w o r t u n g

für

die

Verrichtungsgehilfen,

w u r d e schon a u f d e m 18. Deutschen J u r i s t e n t a g u n t e r s t r i c h e n . Petersen 147 hat dort sowohl die Verschuldenshaftung als auch die Beschränk u n g der Haftpflicht auf „gefährliche" Gewerbe angegriffen. Noch niemand habe vermocht, so Petersen 149, bezüglich der darunter zu begreifenden Gewerbe eine richtige Grenze zu finden, oder den Begriff des gefährlichen oder des besonders gefährlichen Gewerbes zu definieren. A u f der anderen Seite gebe es k a u m ein Gewerbe, bei welchem gar keine Gefahr für D r i t t e möglich wäre; gäbe es solche, so w ü r d e n sie durch die Haftpflicht nicht benachteiligt, denn wo kein Schaden eintrete, könne auch keine Schadensersatzpflicht i n Frage kommen. Daraufhin schlägt Petersen 149 vor, die Haftpflicht der Gewerbe f ü r die „Diligenz der Arbeiter" m i t einem allgemeinen Grundsatz zu erreichen. Seine Ansicht hat er ferner dadurch zu verstärken versucht, daß er das ständig auftauchende Bedürfnis nach Erweiterung von den geltenden Haftpflichtgesetzen feststellte: K a u m sei das Haftpflichtgesetz i n K r a f t , so zeige es sich, daß die Grenze unrichtig gezogen sei. Es trete nicht n u r das Streben nach einer Erweiterung des Haftpflichtgesetzes hervor, sondern man habe statistisch nachgewiesen, daß viele Gewerbe, welche die meisten Unfälle aufzuweisen hätten, nicht unter das Gesetz fielen, dagegen andere durch das Gesetz betroffen würden, bei welchen Unfälle n u r selten vorkämen 1 5 0 . Diese Ansichten bestätigen sich fast ein Jahrhundert später i n v. Caemmerers K r i t i k gegen den Referentenentwurf zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften 1 5 1 . Dieser wendet sich gegen die kasuistische Haftpflichtregelung des Entwurfs, die drei Jahre nach dessen Veröffentlichung als überholt angesehen w i r d 1 5 2 . K e h r e n w i r n u n w i e d e r z u d e n Merkeischen A u s f ü h r u n g e n zurück, u m z u sehen, w i e er sich eine a l l g e m e i n geltende strenge H a f t u n g des U n t e r n e h m e n s gedacht hat. D a m i t sei w e d e r eine o b j e k t i v e Rechtsw i d r i g k e i t noch eine r e i n äußerliche K a u s a l i t ä t als g e n ü g e n d z u r B e g r ü n d u n g e i n e r Ersatzpflicht g e m e i n t . I n W a h r h e i t h a n d e l e es sich u m die V e r t e i l u n g des Schadens, d e r aus r e c h t m ä ß i g e n H a n d l u n g e n , aus rechtmäßigen Willensbetätigungen bestimmten Charakters f ü r einen 146 Unger, JherJb Bd. 30 (1891), S. 363 (421) = Handeln auf eigene Gefahr, 3. Auflage, S. 95 f.; vgl. auch Weitnauer, A k t u e l l e Fragen des Haftungsrechts, VersR 1970, 585 (598). 147 Referat zum 18. DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. 67 ff. 148 Referat zum 18. DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. 73. 149 Referat zum 18. DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. 78 f.; derselbe, Gutachten zum 18. DJT, Bd. I, S. 275 ff. (insbesondere S. 295 ff.); übereinstimmend: Heinsheimer, Jacques, Sherer, ebenda, Bd. I I , S. 84 f., 92 ff., 97 f.; anders Enneccerus, ebenda, Bd. I I , S. 86 ff. u. 99 ff. 150 Petersen, Referat zum 18. DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. 74. 151 des Bundesjustizministeriums, Januar 1967, Bd. I (Wortlaut), S. 9 ff. 152 v. Caemmerer, Reform der Gefährdungshaftung, S. 17; jetzt vgl. auch Deutsch, Gefährdungshaftung: Tatbestand u n d Schutzbereich, JuS 1981, 317 (325), der für eine analoge Ausdehnung der Gefährdungshaftung eintritt. 1 *

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Kap. I V : Organisationshaftung

anderen erwachsen sei 153 . Das schädliche Ereignis lasse sich auf eine freie Willensbetätigung zurückführen, es sei gewollt und vorhersehbar 154 gewesen und findet seine Begründung nicht i m Interesse des Geschädigten, sondern in dem des Handelnden oder eines Dritten bzw. der Gesamtheit, für welche jener handelt. Der Geschädigte könne sich an denjenigen halten, durch dessen Wille und in dessen Interesse die ihn schädigenden Kräfte i n Bewegung gesetzt worden seien 155 . Soweit die W i l lenskausalität gegeben sei, könne man von einem Prinzip des aktiven Interesses sprechen, „ i n dem Sinne, daß derjenige, welcher sein Interesse zum Nachteil oder unter Gefährdung eines legitimen fremden Interesses geltend macht, der ,aktiv' wird, der handelt zur Wahrung seines . . . Interesses, auch wenn seine Handlung . . . als rechtmäßig sich darstellt" 1 5 6 . Eine Anwendung dieser Gedanken sieht Merkel i n der Verantwortlichkeit für die aus der Natur des Unternehmens hervorgehenden Schäden. Weiterhin w i r d das Prinzip des aktiven Interesses „einem Gesichtspunkt von allgemeinerer Tragweite subsumiert", daß nämlich derjenige die Gefahr tragen solle, i n dessen Wirkungs- und Interessengebiet ein Schaden eingetreten sei. „Soweit die Wirkungen . . . meines Unternehmens reichen, bin ich auch (allein) i n der Lage, . . . auf die Gestaltung dieser Wirkung Einfluß zu üben" 1 5 7 . M i t Hilfe derselben Prinzipien w i r d schließlich die Haftung für die Gehilfenhandlungen begründet. Für die Ersatzpflicht bedeute es keinen Unterschied, ob jemand unmittelbar „oder durch seine Maschinen oder durch den A r m anderer als seiner Werkzeuge" 158 tätig ist 1 5 9 . Diesen Ausführungen liegt ziemlich deutlich der Gedanke des Unternehmens als Ganzheit, als Organisation zugrunde, obwohl nur i m Falle der Haftung des Gastwirts ausdrücklich von einem „Organismus" 1 0 0 gesprochen wird. Beeindruckend w i r k t die Erwähnung der Arbeiter neben den Maschinen, die nicht nur an v. Gierke 161, sondern auch an die neuesten soziologischen Erkenntnisse 153

R. Merkel, Kollision, S. 145. Die Vorhersehbarkeit des schädlichen Ereignisses w i r d hier nicht als V o r w u r f minderer Sorgfalt gemeint. Vielmehr bedeutet sie, daß der Schaden zwar allgemein voraussehbar, aber seine Vorbeugung wirtschaftlich nicht möglich war. Der Schaden geht also aus einem Fabrikbetrieb hervor, ohne daß daher dem Unternehmer ein V o r w u r f gemacht werden kann: R. Merkel, Kollision, S. 151, A n m . 1. 155 R. Merkel, Kollision, S. 151, Anm. 1. 156 R. Merkel, Kollision, S. 151 f. 157 R. Merkel, Kollision, S. 165 f. 158 R. Merkel, Kollision, S. 184 u. 195 f. 159 So auch Mayer, Gutachten zum 17. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. 125 (134 f.); Jacques, Diskussionsbeitrag zum 18. DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. 98 (der Arbeiter sei die verlängerte Hand des Arbeitgebers). 160 R. Merkel, Kollision, S. 169. 161 Genossenschaftstheorie, S. 803. 154

§ 10. Schadensersatzrechtliche Dogmatik

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k n ü p f t , w o m a n v o n e i n e m m a n - m a c h i n e - S y s t e m spricht, u n t e r dessen K o m p o n e n t e m a n auch „ h u m a n b e i n g s " e i n o r d n e t 1 6 2 . 7. Die Zurechnungslehre

von

Larenz

Larenz 163 h a t a u f eine Stelle d e r Hegeischen P h i l o s o p h i e v e r w i e s e n , die eine g r u n d l e g e n d e B e d e u t u n g auch f ü r unser P r o b l e m zu besitzen scheint: „ M e i n e eigene T a t ist es z w a r n i c h t , w e n n D i n g e , d e r e n E i g e n t ü m e r ich b i n u n d die als äußerliche i n m a n n i g f a l t i g e m Z u s a m m e n h a n g e stehen u n d w e r d e n ( w i e es auch m i t m i r selbst als mechanischen K ö r p e r oder als L e b e n d i g e m der F a l l sein k a n n ) , a n d e r n d a d u r c h Schaden v e r ursachen. Dieser f ä l l t m i r aber m e h r oder w e n i g e r z u r L a s t , w e i l j e n e D i n g e ü b e r h a u p t d i e m e i n i g e n , jedoch auch nach i h r e r e i g e n t ü m l i c h e n N a t u r n u r m e h r oder w e n i g e r m e i n e r H e r r s c h a f t , A u f m e r k s a m k e i t usf. u n t e r w o r f e n s i n d " 1 0 4 . Diese G r u n d s ä t z e l i e g e n d e n Larenzschen Ausführungen zugrunde, w o derjenige F a l l der o b j e k t i v e n Zurechnung zugewiesen w i r d , d e n Larenz als Z u r e c h n u n g eines Ereignisses betrachtet, „das die V e r w i r k l i c h u n g e i n e r besonderen Sach- oder B e t r i e b s g e f a h r b i l d e t " 1 * 5 . I h r w e r d e n also die F ä l l e d e r sogenannten G e f ä h r d u n g s h a f t u n g d e r Eisenbahn, des B e r g w e r k b e s i t z e r s , des F a h r z e u g f a h r e r s eingeordnet. I n allen diesen Fällen aber hafte der Haftpflichtige nicht f ü r seine eigene Tat, sondern f ü r Schäden, die, sei es m i t oder ohne sein persönliches Zutun, anderen aus den E i n w i r k u n g e n seines Betriebs oder seiner Sache erwachsen. Diese Haftung f ü r Sach- u n d Betriebsgefahren habe nichts m i t „Kausalhaftung" zu tun, w i e es denn eine solche überhaupt weder gebe noch geben könne, da sie gleichbedeutend m i t einer Haftung für das Zufällige, also sinnlos w ä r e 1 6 6 . W i r nennen — so fährt Larenz fort — die hier vorliegende Z u rechnung eine Zurechnung zum Willensbereich, da sie auf der Fähigkeit des AVillens beruhe, sich nicht n u r in der Tat, sondern auch i n der Herrschaft über Sachen u n d Sachengesamtheiten zu objektivieren, sich einen Herrschaftsbereich zu schaffen 187 . Besonderes Interesse weisen weiterhin die sich spez'ell auf die „Betriebshaftung" bezogenen Ausführungen auf: Nicht n u r über einzelne Sachen könne sich die Herrschaft des Willens erstrecken, sondern auch u n d vor allem über zweckvoll geordnete Sachgesamtheiten u n d über Arbeitskräfte, die menschlicher oder sachlicher N a t u r sein können. Beherrschung sei Einordnung i n ein Ganzes; der W i l l e beherrsche Sachen u n d Kräfte, indem er sie seinem Zwecke dienstbar mache. E i n Ganzes menschlicher und sachlicher 162 Ackoff i n Litterer, Organizations, Vol. I I , S. 120 (121 f.). Z u der systemtheoretischen Konzeption der Organisation u n d K r i t i k bei: Türk, Soziologie der Organisation, S. 23 ff.; Kieser / Kübicek, Organisationstheorien I I , S. 77 ff. m Zurechnungslehre, § 6, S. 55 f. 164 Hegel, Philosophie des Rechts, § 116, S. 109; vgl. auch bei Steinbach, Ersatz von Vermögensschäden, S. 28. 1β5 Larenz, Zurechnungslehre, § 12 I I , S. 103. 166 Vgl. auch Larenz, Zurechnungslehre, § 7 I, S. 61. 167 Larenz, Zurechnungslehre, § 12 I I , S. 103 f.

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Kap. I V : Organisationshaftung

Arbeitskräfte, die zu seiner bestimmten zweckvollen Betätigung vereinigt seien, sei ein Betrieb. Der Begriff des Betriebs sei so n u r teleologisch u n d nicht ontologisch zu verstehen, indem er eine Beziehung auf den W i l l e n ausdrücke. Als Herr des Betriebs werde der Mensch vom Recht verantwortlich gemacht für die Schäden, die als Folge einer besonderen Betriebsgefahr eintreten u n d als solche ihrer allgemeinen N a t u r nach objektiv voraussehbar seien 1 6 8 . Die Zurechnung beruhe also auf einem teleologischen Zusammenhang: auf der Herrschaft des Willens über den Betrieb. Die Abgrenzung v o m zufälligen Geschehen erfolge nach dem teleologischen Moment der Voraussehbarkeit, der Gefährlichkeit des Unternehmens 1 6 9 . Diesen A u s f ü h r u n g e n m u ß indessen e n t g e g e n g e h a l t e n w e r d e n , daß k e i n e s i n n v o l l e A b g r e n z u n g oder B e g r e n z u n g d e r E i n s t a n d s p f l i c h t des U n t e r n e h m e n s i n seiner „ G e f ä h r l i c h k e i t " 1 7 0 gesehen w e r d e n k a n n 1 7 1 . Besonders d u r c h die H e r a n z i e h u n g der „ v o r a u s s e h b a r e n G e f ä h r l i c h k e i t " w i d e r s p r i c h t m a n d e r o b j e k t i v e n Z u r e c h n u n g , i n d e m sie u n t e r d e m V o r w a n d der A b g r e n z u n g w i e d e r u m v o n s u b j e k t i v e n W e r t u n g e n a b h ä n g i g gemacht w i r d 1 7 2 . D i e B e r e c h t i g u n g dieser K r i t i k w i r d auch a n e i n e r S t e l l e d e r A u s f ü h r u n g e n v o n A. Merkel d e u t l i c h , d e r m e i n t , es sei n i c h t d a r a u f zu achten, „ o b i m einzelnen F a l l e d i e S c h ä d i g u n g des a n d e r e n vorhergesehen u n d a b g e w e n d e t w e r d e n k o n n t e , s o n d e r n d a r a u f , ob sie aus dem Unternehmen h e r v o r g i n g , u n d d a r a u f , i n w i e w e i t das U n t e r nehmen durch u n d f ü r die betreffende Person existiert". Gegen die Gefährdung als G r u n d oder Grenze der verschuldensunabhängigen Haftung hat sich auch Bienenfeld überzeugend gewandt. Seiner Ansicht nach k a n n der Begriff der Gefahr als haftungsbegründendes Tatbestandsmoment n u r bei den Haftungen aus unzweckmäßigem M i t t e l Verwendung finden. Der Begriff der Gefahr als eine erhöhte Möglichkeit der Entstehung von rechtsrelevanten Störungen könne bei dem normalen Betrieb eines Bergwerks, einer Eisenbahn nicht angewendet werden, w e i l so verschiedenartige, normale u n d i n gleichem Maße lebensnotwendige Betätigungen nicht m i t e i n ander verglichen werden dürfen. Das U r t e i l über eine gegenüber dem Normalen erhöhte Schadensneigung setze aber einen solchen Vergleich voraus, so daß die normale Anlage sehr w o h l m i t der fehlerhaften verglichen u n d die eine ungefährlich, die andere gefährlich u n d Grundlage einer Gefährdungshaftung genannt werde 1 7 3 . Demzufolge w i r d die strenge Haftung der Eisenbahn, des Bergwerks oder anderer Betriebe denjenigen Haftungen zugeordnet, i n denen die Rechtsordnung ein bestimmtes Glied der Zweckreihe zum 168 Ygi a u c h Rümelin, Gründe, S. 56, der auch schon einen Zusammenhang zwischen Gefährdungshaftung und Herrschaftsbereich gesehen hatte. 169 Larenz, Zurechnungslehre, § 12 I I , S. 104. 170 So auch Larenz, Z u m heutigen Stand usw., FS f ü r R. M. Honig (1970), S. 79 (85). 171 Vgl. oben bei Fußn. 147—151. 172 Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), S. 309 (369 ff.), stellt auch auf die V o r hersehbarkeit ab, indem er sich gleichzeitig der Gefahr einer Rückkehr zum Verschuldensprinzip bewußt ist. Allerdings können seine Ausführungen über die Ausschaltung dieser Gefahr trotz des Abstellens auf das K r i t e r i u m der Vorhersehbarkeit nicht als überzeugend bewertet werden. 173 Bienenfeld, Haftungen, S. 250.

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tatbestandlichen Zweck erhebt und es positiv bewertet, so daß die Haftung überall eintritt, auch w e n n der verursachende Tatbestand als richtiges M i t t e l zu diesem Zweck, als zweckmäßig bewertet w i r d 1 7 4 . Übrigens w i r d durch A n führung statistischer Angaben am Beispiel der Eisenbahn nachgewiesen 175 , daß sie keine größere Gefahr als andere auf den gleichen Beförderungszweck gerichteten Betriebe verursacht. Scheidet danach das G e f a h r m e r k m a l aus, so b l e i b t die g r u n d s ä t z l i c h e B e d e u t u n g der a u f die U n t e r n e h m e n s h a f t u n g bezogenen Larenzschen A u s f ü h r u n g e n u n g e k ü r z t a u f r e c h t e r h a l t e n . Sie besteht d a r i n , daß die U n t e r n e h m u n g als V e r e i n i g u n g menschlicher u n d sachlicher K r ä f t e , als Ganzes a n e r k a n n t w i r d , w o r i n l e t z t l i c h d i e o b j e k t i v e Z u r e c h n u n g i h r e n G r u n d hat. Larenz w i l l z w a r d e m W i l l e n als H e r r s c h e r ü b e r die G e s a m t h e i t d e n Schaden zurechnen. S o m i t scheidet aber d i e Z u r e c h n u n g des Schadens e i n e r j u r i s t i s c h e n Person aus, d e n n sie h a t k e i n e n eigenen W i l l e n . D a h e r ist der G r u n d der strengen H a f t u n g eines U n t e r n e h m e n s f ü r die v o n i h m ausgehenden Schäden d a r i n z u sehen, daß es als E i n h e i t i n der A u ß e n w e l t a u f t r i t t u n d als solche auch v o n d e m Geschädigten e m p f u n d e n w i r d . Ihr ist der Schaden zuzurechnen, w e i l sie versagt, sie i h n h e r v o r g e r u f e n hat. Dies b e d e u t e t n i c h t , daß e t w a die O r g a n i s a t i o n d e n Schaden v e r u r s a c h t h a t , s o n d e r n daß er i h r l e d i g l i c h zugerechnet wird. 8. Die Erkenntnis

eines Organisationsversagens

bei

Bienenfeld

Bienenfeld h a t i n seinem h e r v o r r a g e n d e n Versuch, die F ä l l e der v e r s c h u l d e n s u n a b h ä n g i g e n H a f t u n g z u systematisieren, e i n i g e G e d a n k e n a u f g e g r i f f e n , die sich i n u n s e r e m Z u s a m m e n h a n g als besonders w e r t v o l l erweisen. Neben den Handlungshaftungen erkennt er das Bestehen wichtiger H a f t u n gen aus Zweckobjekten an, „deren objektiver verursachender Tatbestand i n einem — n u r als zielgerichtet deutbaren — Tatsachenkomplex . . . besteht u n d die daher sämtlich Tatbestände nicht n u r ohne Verschulden, sondern auch ohne Verursachung sind" 1 7 6 . Z u diesen (Haftungen) zählt er „die Haftungen aus den Haftpflichtgesetzen betreffend die Eisenbahnen, Automobile, L u f t fahrzeuge, Dampfschiffe u n d die Post, aus Berg- und Wasserwerken, dem Forstbetriebe u n d der Holztrift, aus genehmigten, besonders aus Elektrizitätsanlagen sowie aus Anlagen überhaupt, aus Gebäuden u n d sonstigen Werken, aus Grundstücken, aus Schäden durch Luxustiere, die durch Vieh und durch W i l d , vor allem aber die Haftungen aus den Arbeitsunfallversicherungsgesetzen 177 . Überall k a n n — nach Bienenfeld — zwar auch hier eine Handlung den haftungsbegründenden verursachenden Tatbestand bilden; „aber schon der Sprung einer Schiene, das Versagen der mangelhaften Automobilbremse, der Absturz des Flugzeuges, die Explosion des fehlerhaften Dampfschiff174

Bienenfeld, Haftungen, S. 236. Bienenfeld, Haftungen, S. 260. 176 Bienenfeld, Haftungen, S. 224. 177 W i e Fußn. 176. 175

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Kap. I V : Organisationshaftung

kessels, das Reißen eines elektrischen Drahtes, die Existenz eines fehlerhaften Leiterhakens an einem Gebäude, das Loch i n der Straße, die Senkung des Grundes durch die Hohlräume eines Bergwerks, die von einem Grundstücke ausgehenden Dünste genügen als haftungsbegründender verursachender T a t bestand, ohne daß die Handlungen, die dazu führten, rechtlich relevant wären" 176. Entscheidend sei nur, ob die Handlung oder die Tatsache anderer A r t , durch welche der schädliche Erfolg verursacht werde, als ein zweckgerichtetes Kausalglied i n jenem eigenartigen Tatsachenkomplex aufzufassen sei, welcher das Wesen eines Eisenbahn-, K r a f t - oder Luftfahrzeugbetriebs, eines Berg- oder Wasserwerks, einer Anlage, eines Gebäudes oder Werks, der E i n w i r k u n g e n eines Grundstücks, eines Luxustiers oder des Wildes ausmache. Dieses Wesen bestehe i n diesen Fällen immer i n der Organisation, i n der Richtung des Tatsachenkomplexes, der ebensowohl Handlungen wie Einrichtungen oder andere Tatsachen umfassen könne, auf einen bestimmten Zweck. I m Eisenbahn-, K r a f t - und Luftfahrzeug- sowie i m Arbeitsunfallversicherungsrecht ist der Betrieb die teleologische Einheit, i n dem die schadensverursachende Tatsache eines der Kausalglieder sei 1 7 9 .

Die Parallele zu den früheren Ausführungen über den Unternehmensbegriff kann man hier deutlich erkennen. Das Unternehmen t r i t t als eine zweckgerichtete Einheit hervor. Der Zweck der Eisenbahn-, des K r a f t - und Luftfahrzeugbetriebs zum Beispiel w i r d i n der Beförderung von Personen und Lasten, des Betriebs i m Sinne der Sozialversicherungsgesetze in der Erreichung eines gestatteten wirtschaftlichen Produktions- oder Verteidigungszwecks gesehen180. Die Begründung der Haftung beim Schadenseintritt w i r d also nicht in einer Handlung gesucht, sondern sie beruht auf der Verfehlung des verfolgenden Zwecks, auf dem Versagen eines ganzen Unternehmens oder, nach Bienenfeld, eines Zweckobjekts. Ein solches Objekt ist auch der „Tatsachenkomplex", die unternehmerische, organisatorische Einheit. I n der Existenz von Haftungen aus Zweckobjekten sieht Bienenfeld den Beleg dafür, daß der Zweck nicht von der Feststellung einer individuellen Willensbeziehung abhängt. Er meint danach, der Zweck der Beförderung von Personen und Lasten, auf welchen der Betrieb einer Eisenbahn nach der allgemeinen Anschauung des Verkehrs hinziele, müsse dem individuellen Willensakt, dem subjektiven Zweck des Unternehmers nicht entsprechen 181 . Die Unternehmer werden also letztlich von ihren individuellen Eigenschaften abstrahiert und als Sozialsubjekte vorgestellt. Eine weitere wichtige Folge der Annahme von Haftungen aus Zweckobjekten besteht i n der Bewertung des Zweckmoments durch 178

Wie Fußn. 176. Bienenfeld, Haftungen, S. 225. 180 Bienenfeld, Haftungen, S. 226. 181 Bienenfeld, Haftungen, S. 231: „Eine Eisenbahn . . . ein Gebäude enthalten immer denselben objektiven Zweck, mag auch ausnahmsweise ein orientalischer Despot eine Bahn n u r aus Lust am Pfeifen der Züge, ein Gebäude n u r wegen des schönen Anblicks erbauen lassen." 179

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die Rechtsordnung und die darauf beruhende Bildung von Haftungstypen. Die Billigung oder Mißbilligung vorhandener Ziele und M i t t e l durch den Staat gebe den Einteilungsgrund der Haftungstypen für die einzelnen Fälle der Handlungs- und Objekthaftungen an. Somit unterscheidet Bienenfeld Haftungen aus gebilligtem Ziel und Mittel, aus mißbilligtem M i t t e l und gebilligtem Ziel und aus mißbilligtem Ziel 1 8 2 . Dem ersten Haftungstypus w i r d unter anderem der Tatbestand der Eisenbahnhaftpflichtgesetze untergeordnet. M i t Hilfe dieses Typus versucht Bienenfeld einerseits, die Eisenbahnhaftung zu begründen, und andererseits „die sonst uferlose reine Verursachungshaftung irgendwie zu begrenzen". Dieses Ziel müsse aus der auch hier anwendbaren Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang abgeleitet werden und aus der Interpretation des Begriffs „Betrieb" sowie aus seiner Erfassung als Zweckbegriff, als Mittel zu dem von der Eisenbahnunternehmung verfolgten objektiven Zweck der Beförderung von Personen und Lasten 183 . Schließlich ist einigen Ausführungen aus dem Bergrecht Aufmerksamkeit zu schenken. Die Haftung aus dem Bergbaubetrieb ist nach Bienenfeld keine Verursachungshaftung, sondern eine Haftung ohne Verursachung, eine Haftung aus einem Zweckobjekt, nicht aus einer Handlung; denn es w i r d nur gefordert, daß zwischen dem Bergwerksbetrieb oder der Bergwerksanlage und dem Schaden Kausalzusammenhang besteht, keineswegs aber ein solcher zwischen dem Verhalten des Bergwerkseigentümers und dem Schaden. Ist nachgewiesen, daß der Schaden durch das Bergwerk entstand, dann haftet, wer Eigentümer oder Besitzer ist, nicht, wer eine Handlung vornehmen kann und soll 184 . I n diesen Ausführungen hat Bienenfeld zwar eine dogmatische Grundlage nur für die gesetzlich geregelten Fälle der verschuldensunabhängigen Haftung geliefert. Ihnen kommt aber in mancher Hinsicht unvermeidlich eine allgemeine Bedeutung zu, die sich dem hier erstrebten Nachweis dienlich erweisen. Grundsätzliche Bedeutung ist dem Ausdruck der zweckgerichteten Einheit zu verleihen, welche sich nicht nur auf die Eisenbahn- oder Bergwerksunternehmen zu beschränken hat, obwohl sie allein das sind, die von der Rechtsordnung nach einem Wertungspro'zeß 185 zu haftungsbegründenden Tatbeständen erhoben wurden. Die Hervorhebung der unternehmerischen Einheit entbehrt nicht der praktischen Bedeutung, sofern ihr ein entstandener Schaden zugerechnet w i r d ; denn er w i r d nicht als Versagen etwa einer einzelnen Maschine, sondern als Verfehlung des Betriebszwecks aufgefaßt.

182 183 184 185

Bienenfeld, Haftungen, S. 235 ff. Bienenfeld, Haftungen, S. 261. Bienenfeld, Haftungen, S. 284. Vgl. auch Bienenfeld, Haftungen, S. 349 ff., 402 f.

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Kap. I V : Organisationshaftung

9. Die sozial gerechte Schadensverteilung

im Sinne Essers

Essers Ausführungen, die grundsätzlich die Gefährdungshaftung zu begründen suchen, bieten auch Anhaltspunkte dafür, eine allgemeine Einstandspflicht der Unternehmen anzunehmen. Was zunächst auf dem 18. Deutschen Juristentag hervorgehoben 186 und durch v. Caemmerer 187 fast ein Jahrhundert später wiederholt wurde, ist auch Esser nicht verborgen geblieben, nämlich die kritische, kasuistische und deshalb lückenhafte Regelung einiger Tatbestände der verschuldensunabhängigen Haftung i n speziellen Haftpflichtgesetzen 188 . Für ihn ist die sozial gerechte Schadensverteilung der tragende Grund, der zu der Annahme einer strengen Haftung führt 1 8 9 . Esser hat nachgewiesen, „daß die Gefährdungshaftung als solche auf der Überholtheit" des Axioms der Kausalhaftung beruhe „und nicht Spezialausnahme eines vermeintlich notwendigen Dauergrundsatzes — i m Sinne eines Verzichtes auf sozial gerechte Schadenverteilung — ist, sondern ein Teilbereich der Fortbildung dieser früheren Schadenverteilungsgrundlage. Nicht das Gefahrenpotential für sich allein, das bei jedem Rasiermesser oder Streichholz i n Ansatz gebracht werden müßte, sondern der soziale Zwang zur Gefahrenhinnahme für jeden ist Anlaß des Abgehens von jenem Axiom. Und wenn die Eigenart der Verkehrsgefahr i n der UnVerhältnismäßigkeit der Schadensfolgen zu den Ursachen gesehen wird, so kommt da nichts anderes zum Ausdruck, als die von uns betonte Notwendigkeit eines von der subjektiven Zurechnung absehenden, also nach rein distributiven Gesichtspunkten verfahrenden Schadenverteilungsrechts" 190 . Danach kann man die Geltung dieser Sätze für alle diejenigen Fälle nicht verneinen, wo der Schaden seinen Grund i n einer Organisation i n dem dargelegten Sinne hat. Wenn die gerechte Schadensverteilung die Einstandspflicht der Eisenbahn oder des Bergwerks erfordert, so ist nicht einzusehen, warum dies nicht für die Wach- oder Monteurfirma oder andere Organisationen zutreffen soll. Insoweit kann man i n den Essersehen Gedanken nichts anderes als die Forderung sehen, die unabdingbare Haftung auf alle Unternehmensorganisationen zu erstrecken 191 . Der Grund dieser objektiven Zurechnung darf nach Essers Ansicht weder i n der Ursächlichkeit, noch i m Handlungsbegriff, noch i m Bestehen eines Willensmangels erblickt werden 1 9 2 . Der Wille umfaßt also — so Esser 193 186 187 188 189 190 191 192 193

Vgl. oben bei Fußn. 147—150. Reform der Gefährdungshaftung, S. 17. Esser, Grundlagen u n d Entwicklung, Vorbem. S. 1 ff. Esser, Grundlagen u n d Entwicklung, insbesondere §§ 7, 10, S. 69 ff., 84 ff. Esser, Grundlagen u n d Entwicklung, § 12, S. 103. Vgl. auch M. Wilburg, Zbl. jur. Praxis Bd. 48 (1930), S. 641, 721 (745 ff.). Esser, Grundlagen u n d Entwicklung, § 11, S. 93 ff. Grundlagen u n d Entwicklung, § 11, S. 95 f.

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— nicht unmittelbar den schädlichen Erfolg, sondern nur seine entfernte Möglichkeit. Der Gefahrenbringer habe aber doch damit seine, wenn auch bedauernde Hinnahme der mehr oder weniger wahrscheinlichen Schadensfolgen zu erkennen gegeben, und es sei eine reine Begriffsfrage, ob man diese Haltung als Schuld „qualifiziere". Der K e r n der Zurechnungsfrage liege jedoch nicht i m subjektiven Tatbestand selbst, sondern darin, daß man den Schaden i m sozialen Gemeininteresse für unvermeidbar halte. Insoweit kann man eine Parallelität zu den Bienen/eldschen Ansichten dahingehend herstellen, daß beide Autoren für die Einstandspflicht der Unternehmen eintreten oder für diese Annahme genügende Anhaltspunkte bieten. Während aber Esser den tragenden Grund für eine derartige Haftung i m Anschluß an v. Gierke 194 i n der sozial gerechten Schadensverteilung sieht, geht Bienenfeld von der Theorie des einheitlichen Zweckobjekts aus. Diesem mag i n erster Linie die Erfindung eines theoretisch-dogmatischen, jenem eines rechtspolitisch zutreffenden Wegs vorgeschwebt haben, eine Annäherung beider Standpunkte vollzieht sich jedenfalls insoweit, als sie von einer objektiven Zurechnung des Schadens an das Unternehmen ausgehen. Diese betrifft auch die Einstandspflicht für den durch den Gehilfen angerichteten Schaden. Sie schließt nach Esser alles ein 1 9 5 , was i n dem Betrieb i n Kauf genommen werden müsse, auch wenn es nicht dem Betriebskreis entstamme. Die letzteren „betriebsinternen" Gefahrenquellen aber seien bei aller Unabwendbarkeit niemals „höhere Gewalt", so namentlich nicht das Versagen von Betriebseinrichtungen. Dazu gehören auch Fehler des Betriebspersonals. Diese Ausführungen laufen darauf hinaus, das Versagen einer Einrichtung und eines Arbeiters oder Angestellten unter denselben Nenner zu bringen. Dieser kann nicht anders als Betriebs· oder besser Organisationsversagen heißen 196 . I I I . Schlußfolgerungen aus der dargelegten schadensersatzrechtlichen Lehre

1. Einstandspflicht

des Unternehmens

Faßt man nun die dargelegten schadensersatzrechtlichen Erkenntnisse zusammen, so muß man feststellen, daß sie m i t den hier vertretenen Standpunkten völlig oder weitgehend übereinstimmen. Der erste Punkt betrifft die Einheitlichkeit des Unternehmens, das als Ganzes, als einheitliche Organisation i n der Außenwelt auftritt. Darin w i l l die vorliegende Untersuchung den Grund für eine Einstandspflicht, d. h. für eine 194

Die soziale Aufgabe, S. 25 f. So Esser, Grundlagen und Entwicklung, § 13, S. 114 f. 196 Vgl. noch Esser, Grundlagen u n d Entwicklung, § 13, S. 111; Bienenfeld, Haftungen, S. 224. 195

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Kap. I V : Organisationshaftung

verschuldensunabhängige Haftung des Unternehmens für den seitens der abhängigen Gehilfen angerichteten Schaden sehen 197 . Über den Einfluß der Unternehmenseinheit auf die eigene Haftung der Gehilfen gegenüber Dritten w i r d unten noch die Rede sein. Zunächst beschränken w i r uns auf die Einstandspflicht des Unternehmens, deren Verwirklichung als eine alte Forderung der schadensersatzrechtlichen Dogmatik erscheint. Darin kann der zweite Punkt ihrer Übereinstimmung m i t den hier aufgestellten Thesen erblickt werden. Wie sich bei der kritischen Würdigung der einzelnen Theorien zur Gefährdungshaftung gezeigt haben sollte, sind sie in ihrer Allgemeinheit durchaus geeignet, die Einstandspflicht jedweden Unternehmens zu begründen, und es erscheint müßig, diese durch Berufung auf die „Gefährlichkeit" oder „außergewöhnliche Gefährlichkeit" 1 9 8 eines Betriebes gegenständlich begrenzen zu wollen. Außer der obigen K r i t i k hierzu sei noch auf den von Koziol 199 unternommenen Versuch hingewiesen, selbst innerhalb des „Gefährlichkeits"begriffs zu nuancieren und damit ungewollt ein markantes Beispiel der darüber herrschenden Verwirrung zu liefern. Eine „geringe Gefährlichkeit" — so Koziol 200 — vermag zwar keine verschuldensunabhängige Haftung zu begründen, wohl aber eine Umkehr der Beweislast. Eine „etwas höhere Gefährlichkeit" soll zwar noch keine Loslösung vom Verschulden bewirken, immerhin aber eine Ausdehnung der Haftimg für fremdes Verschulden über § 1315 A B G B hinaus. Schließlich ist eine „noch stärkere Gefahr" nach Koziol ausreichend, um eine verschuldensunabhängige Haftung zu begründen. Abgesehen von den m i t dem Begriff der Gefahr zusammenhängenden Abgrenzungsschwierigkeiten darf man freilich nicht außer acht lassen, daß selbst der Einsatz von Gehilfen zur Erreichung des Unternehmenszwecks ebenfalls als Gefahr bewertet w i r d 2 0 1 , und insoweit ließe sich eine Einstandspflicht aller Unternehmensorganisationen ohnehin annehmen. Dies bestätigt sich ferner durch die Arbeiten von Bienenfeld und Esser, wobei jener die Zweckeinheit, den Tatsachenkomplex für den entstandenen Schaden verantwortlich machen w i l l , auch wenn er auf das Versagen eines Gliedes zurückzuführen ist, während es diesem um eine sozial gerechte Schadens Verteilung geht 202 . „Die Haftung des Geschäftsherrn für seine 197 Dies gilt sicherlich auch für den Unternehmer. Angesichts der Organisationsstruktur — wie sie auch schon von Steinbach, Ersatz von Vermögensschäden, S. 63, hervorgehoben wurde — w i r d allerdings eine Haftung des Unternehmers selbst k a u m praktische Bedeutung haben. 198 Vgl. M. Rümelin, Schadensersatz, S. 31. 199 Umfassende Gefährdungshaftung durch Analogie?, FS f ü r W. W i l b u r g (1975), S. 173 ff. 200 FS für W. W i l b u r g (1975), S. 173 (185). 201 Statt vieler: Strohal, Gutachten, S. 156; M. Rümelin, Schadensersatz, S. 27; Oertmann, Das Recht 1922, Sp. 5 (6f.); Weitnauer, VersR 1970, 585 (593 re. Sp.). Anders allerdings ν . Caemmerer, Wandlungen, S. 117.

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Leute ist keine normale Durchbrechung der Rechtsidee, sondern ein Postulat sozialer Gerechtigkeit", meinte auch O. v. Gierke 203. Die Herrschafts- und die Sphärentheorie 204 , der Gedanke des Interesses 205 und der Nutzziehung 206 sind weitere Gesichtspunkte, worauf sich die A n nahme einer verschuldensunabhängigen Unternehmenshaftung zurückführen läßt. Gleichzeitig kommt man zu der Erkenntnis, daß diese sich dafür eignen, eine allgemeine und über die gesetzlich geregelten Gefährdungshaftungsfälle hinausgehende, verschuldensunabhängige Unternehmenshaftung zu begründen 207 , wie sich dies vor allem aus den Ausführungen Steinbachs und Müller-Erzbachs ergibt 2 0 8 . Entscheidend kommt es jedoch auf den Gedanken der Organisation an. Denn ihre Struktur und ihre dadurch bedingte einheitliche Erscheinung in der Außenwelt gibt den Ausschlag dafür, daß man das Handeln des i m Unternehmen tätigen einzelnen hinter der Organisation zurücktreten läßt. Der entstandene Schaden w i r d somit der Organisation zugerechnet 209 . Dies war auch der Aspekt, der die dargelegte schadensersatzrechtliche Dogmatik durchzog, wobei er i n den Ausführungen O. v. Gierkes, Steinbachs, Matajas und auch Bienenfelds besonders klar zum Ausdruck kam 2 1 0 . 2. Entlastung

des abhängigen Gehilfen

a) Auswirkungen der Werkzeugtheorie Ein weiterer Gesichtspunkt, der sich als Forderung aus einem Teil der schadensersatzrechtlichen Lehre ergibt, betrifft die Befreiung der abhängigen Gehüfen von einer Inanspruchnahme seitens des Geschädigten für einen auf ihr Fehlverhalten zurückgeführten Schaden. Diese Ansicht stellt die notwendige Folge sowohl der neuesten soziologischen 202 Vgl. auch Deutsch, Methode u n d Konzepte der Gefährdungshaftung, VersR 1971, 1 (5). 203 Die soziale Aufgabe, S. 26. 204 Vgl. oben bei Fußn. 94 ff., 157, 167 f. 2αδ Vgl. oben bei Fußn. 109 ff., 154 ff. 206 Vgl. oben bei Fußn. 105, 126. 207 Hierzu vgl. auch Loening, Die Haftung des Staats, S. 89: „Die großartige Entwicklung der Industrie hatte zahlreiche Unternehmungen hervorgerufen, deren Betrieb m i t Gefahren verbunden ist, . . . die . . . auch bei A n w e n d u n g der größten Vorsicht nicht vollständig vermieden werden . . . I n allen diesen Fällen n u r dann eine Ersatzpflicht für den durch solche Unfälle verursachten Schaden anzunehmen, w e n n eine Verschuldung nachgewiesen werden kann, und die Ersatzpflicht auf diejenige Person zu beschränken, der die Verschuldung zur Last fällt, muß als Ungerechtigkeit erscheinen." 208 Vgl. oben bei Fußn. 105 ff., 112. 209 Vgl. oben bei Fußn. 80 ff. 210 Vgl. oben vor allem bei Fußn. 99, 106, 137 ff., 178 ff.; vgl. auch Oertmann, Das Recht 1922, Sp. 5 (7).

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Kap. I V : Organisationshaftung

Erkenntnisse 211 als auch der ältesten juristischen Bekenntnisse dar, daß nämlich der Arbeitnehmer oder Angestellte nur ein abhängiges Glied, ein Werkzeug, ein Rädchen i n der Organisationseinheit ist, wobei die entstehenden Schäden seinem Einfluß, seiner Kontrolle und nicht zuletzt seiner betrieblichen und sozialen Lage entzogen sind. Hierzu sei ein Zitat von Max Weber angeführt, das diesen Standpunkt am anschaulichsten wiedergibt: „ I n den Privatbetrieben der Großindustrie sowohl wie i n allen modern organisierten Wirtschaftsbetrieben überhaupt reicht die ,Rechenhaftigkeit', der rationale K a l k ü l heute schon bis auf den Boden herunter. Es w i r d von ihm jeder einzelne Arbeiter zu einem Rädchen i n dieser Maschine und innerlich zunehmend darauf abgestimmt, sich als ein solches zu fühlen und sich nur zu fragen, ob er nicht von diesem kleinen Rädchen zu einem größeren werden kann." 2 1 2 Man kann jedoch keineswegs behaupten, diese oder ähnliche Ansichten hätten sich in der Jurisprudenz durchgesetzt, wenngleich sie der Rechtswissenschaft schon aus der Zeit der scharfen K r i t i k gegenüber den liberalistischen Prinzipien des BGB bekannt sind. Seit jener Zeit hat man sich kaum solche Äußerungen (Arbeitnehmer = Werkzeug) erlaubt 2 1 3 . Starre juristische Grundsätze haben sich durchgesetzt, und ihre Existenz durfte anscheinend m i t „kühnen" Annahmen nicht i n Frage gestellt werden. Vor allem ging es dabei u m die Aufrechterhaltung des Prinzips der selbständigen Haftung für die eigenen Handlungen 2 1 4 um jeden Preis. Während die Notwendigkeit einer Reform des die Haftung für rechtswidrige Handlungen der Verrichtungsgehilfen regelnden § 831 BGB seit langem erkannt wurde 2 1 5 und man von einer herrschenden Tendenz zur Verschärfung derselben Haftung mindestens bezüglich der Großbetriebe sprechen kann 21 *, ist die Frage der Haftungsentlastung des abhängigen Gehilfen selbst nur vereinzelt behandelt worden 2 1 7 . Somit 211

Vgl. oben bei Fußn. 162. 212 m . Weber, Gesammelte Aufsätze, S. 413; das Z i t a t siehe auch bei Kieser ! Kubicek, Organisationstheorien I, S. 83. 213 Vgl. jedoch unten bei Fußn. 222 ff. 214 Dazu vgl. die kritischen Andeutungen von Bühnemann, Gedanken zum Alles- oder Nichts-Prinzip usw., Festgabe für H. Möller (1972), S. 135 (153). 215 Statt vieler Unger , JherJb Bd. 30 (1891), S. 363 (396); Oertmann, Das Recht 1922, Sp. 5 (6 f.); Soergel / Zeuner, § 823 Rdnr. 129, S. 898 f.; v. Caemmerer, Wandlungen, S. 115 ff.; Landwehr, AcP 164 (1964), S. 482 (516); Erdsiek, Die Problematik des § 831 B G B usw., JurJb Bd. 8 (1967/1968), S. 36; Diede richsen, Z u m Entlastungsbeweis f ü r Verrichtungsgehilfen, ZRP 1968/69, S. 60 f.; siehe auch Seiler, Die deliktische Gehilfenhaftung i n historischer Sicht, JZ 1967, 525 ff. Zunächst dagegen Helm, Rechtsfortbildung u n d Reform usw., AcP 166 (1966), S. 389 (401 ff.). Auch die Rechtsprechung zur sog. Produzentenhaftung entspricht dieser Tendenz. Vgl. oben § 4 bei Fußn. 271. 216 Vgl. indessen n u n Steindorff, AcP 170 (1970), S. 93 (107), der eine Anpassung nicht des § 831 dem § 278, sondern allenfalls dieses dem § 831 erfordert! 217 Vgl. oben bei Fußn. 127 f. Müller-Erzbachs Stellungnahme dazu, der eine Inanspruchnahme des Gehilfen seitens des Geschädigten dann ablehnt, wenn jener n u r leicht fahrlässig gehandelt hat.

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hat die damit zusammenhängende Berücksichtigung der Interessen des sozial Schwächeren wenig befriedigende Beachtung gefunden. I n Verbindung mit der Behandlung der Frage der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln wurde oben 218 festgestellt, daß dem Versuch des Schutzes der Interessen des sozial Abhängigen eine unternehmerfreundliche Motivation zugrunde lag, die auch bisher den einzigen Anlaß zur Verwirklichung dieses Schutzes geboten hat. Man sollte aber diesen schon behandelten Gesichtspunkt hier beiseite lassen und sich den Auswirkungen zuwenden, welche aus der Werkzeugtheorie i n bezug auf die Haftungserleichterung zugunsten des abhängigen Gliedes resultieren. Sie sollen dann i m Zusammenhang m i t der positivrechtlichen Begründung des hier vertretenen Standpunkts weiterentwickelt werden. Man pflegt heutzutage von Massengesellschaft, Anonymität, Unpersönlichkeit zu sprechen. Diese Bezeichnungen bestätigen sich konkret i n der Rolle des Arbeiters, des Angestellten i n einer Organisation, i n der seine Persönlichkeit, seine Individualität aufgeht 219 . Wenn es zutrifft, daß sich die Jurisprudenz um optimale Lösungen für die Regelung der Lebensverhältnisse bemühen muß, dann kann sie die Berücksichtigung der tatsächlich herrschenden Verhältnisse nicht von der Hand weisen 220 . Andernfalls muß sie sich den Vorwurf gefallen lassen, wirklichkeitsfremde Lösungen zu bevorzugen. Das ist der Grund, weshalb man primär der Stellung des abhängigen Arbeitnehmers i n dem Unternehmen Aufmerksamkeit schenken sollte, bevor man bestimmte Vorschläge zur Regelung seiner Verhältnisse, seiner Haftung vorlegt. Daß dieser von der Feststellung der Abhängigkeit und Unpersönlichkeit des Schädigers-Erfüllungsgehilfen i n einer Organisation beeinflußt wird, kann keinem Zweifel unterliegen. Denn die Haftung des Individuums setzt nach den herkömmlichen Grundsätzen sein freies und selbständiges Handeln voraus, während dies bei dem Organisationsglied mindestens i n seiner Erscheinung dem Geschädigten gegenüber nicht der Fall ist. Damit w i r d die Einheitlichkeit der Organisation m i t der Unpersönlichkeit des einzelnen Gliedes i n Verbindung gesetzt. W i r wollen es nicht i n eine res umwandeln und ihm jede Individualität absprechen. Die Unpersönlichkeit soll aber bei ihm insoweit zutreffen, als sie sich aus der Einheitlichkeit des Unternehmens ergibt. Dies bedeutet, die ganze Sache von der Seite des Geschädigten zu betrachten. Was hier gemeint ist, läßt sich noch i n folgenden Sätzen verdeutlichen: Der Geschädigte hat einen Schaden erlitten. I h m gegenüber t r i t t die Organisation als Einheit auf, so daß der Schaden von ihr ausgegangen ist. Nicht das persönliche Handeln eines 218

Bei Fußn. 135 ff. u. 235 ff. Vgl. auch Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 12, 74, 173. 220 Hierzu vgl. i m einzelnen Schilcher, Theorie der sozialen Schadensverteilung, S. 63 ff. 219

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Kap. I V :

rganisationshaftung

konkreten Schädigers, sondern das Versagen einer Ganzheit liegt vor, deren einzelne Glieder nicht i n der Außenwelt erscheinen und insoweit entpersönlicht werden. Dadurch erlangt die Betrachtung des Arbeitnehmers als Rädchen ihre praktisch Bedeutung. Er ist also ein solches, weil er dem Außenstehenden unbekannt, unzugänglich und nicht zuletzt uninteressant ist. Wie er innerbetrieblich angesehen wird, ist eine arbeitsrechtliche Frage, die sich mit der des Haftungsmaßstabes des A r beitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber verbindet 2 2 1 . b) Die Werkzeugtheorie bei Steindorff Anhand der von Steindorff aufgestellten Gedanken läßt sich erneut zeigen 222 , daß die Werkzeugtheorie für den Arbeitnehmer haftungsbefreiend angesichts seiner Verantwortlichkeit gegenüber den Geschädigten w i r k t . I h m geht es jedoch i n erster Linie darum, und dies sei hier vorweggenommen, die Haftung der Unternehmen (für i h r Gehilfenversagen) einzuschränken. Insoweit t r i f f t Weitnauers 223 K r i t i k zu, die These Steindorffs möge manchem Unternehmer wie ein neues Evangel i u m klingen. Steindorff schlägt neben der vorhandenen Qualitätskontrolle der hergestellten Produkte die Einrichtung einer Qualitätsregelung vor. Darunter w i r d eine Regelung verstanden, die auf eine von Anfang an qualitativ einwandfreie Erzeugung hinzielt und hierdurch auch den einzelnen Arbeitnehmer zu einwandfreier Arbeit und Selbstkontrolle anregt. Dies läßt sich insbesondere m i t Anreizen ganz unterschiedlicher A r t erreichen, die teilweise dem Bereich angewandter Psychologie zuzurechnen sind 224 . Die Funktion und Vorteile dieses Systems werden darin gesehen, daß sich dadurch Fehler beherrschen lassen, i n dem Fehlerwahrscheinlichkeiten ermittelt werden und man i n der Lage ist zu entscheiden, ob es bei dem oder jenem Fehlerprozentsatz belassen oder ob man auf einen geringeren Prozentsatz oder gar auf Ausschließung von Fehlern hinzielen soll. Das menschliche Versagen w i r d damit von unerwartetem und mißbilligtem Verhalten zum Gegenstand der Kalkulation. Dies heißt aber nichts anderes, als daß auch der versagende Arbeitnehmer „nach Plan" arbeitet. Er ordnet sich i n einen planmäßig organisierten kollektiven Arbeitsprozeß ein. Wo er dies tut, muß er sich die Frage stellen, ob solches Versagen rechtswidrig sein kann 2 2 5 . Zusammenfassend stellt Steindorff fest, daß der i n einer plan221 Dazu siehe Reinhardt, Die dogmatische Begründung, insbesondere §§ 5 ff., S. 99 ff. u. § 12, S. 165 ff. 222 Steindorff, AcP 170 (1970), S. 93 ff., allerdings i m Zusammenhang m i t der Produzentenhaftung; siehe auch den Bericht von Beuthien, JZ 1970, 76, darüber. 223 VersR 1970, 585 (587 Ii. Sp.). 224 Steindorff, AcP 170 (1970), S. 93 (109). 225 Steindorff, AcP 170 (1970), S. 93 (110 ff.).

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geführten Organisation planmäßig arbeitende Arbeitnehmer weder rechtswidrig noch schuldhaft gegenüber dem Geschädigten handelt und das Tun oder Unterlassen des Gehilfen dem Geschäftsherrn zugerechnet wird, „ w i e dies ähnlich m i t dem Handeln des Werkzeugs bei mittelbarer Täterschaft geschieht". 226 Die Grundlage dafür w i r d darin gesehen, daß das T u n oder Unterlassen des einzelnen seinen sozialen Sinn erst i m Zusammenwirken m i t unzähligen anderen Vorgängen erhält. Die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Produktionsvorgang könne — so Steindorff — Wirkungen nach außen nur i n der Weise entfalten, wie sich dies aus dem Zusammenwirken m i t vielen anderen Teilen des Produktionsprozesses ergebe. Ob es als Versagen relevant werde, hänge von der vom einzelnen unbeeinflußbaren Steuerung des Gesamtunternehmens ab. Erfahre aber das Verhalten der Mitarbeiter seine Tatbestandswirkung nur i m Rahmen des Unternehmensprozesses, so könne es nicht selbständig und individuell tatbestandsmäßig sein, sei es als unerlaubte Handlung, sei es als Vertragsverletzung gegenüber Dritten 2 2 7 . Steindorff kann jedoch nicht zugestimmt werden 2 2 8 , wenn er selbst die Rechtswidrigkeit des Handelns des Schädigers-Arbeitsnehmers ablehnt. Er ist offensichtlich gezwungen, zu dieser Auffassung zu gelangen, da er die Haftung des Unternehmens bei Vorhandensein der genannten Kontrollbedingungen verneint und es somit anstößig erschiene, zwar das Unternehmen zu entlasten, aber dem Gehilfen die Verantwortung für ein mangelhaftes Produkt aufzubürden. I m Gegenteil braucht man bei Zurechnung des Schadens an das Unternehmen die Frage des Handelns der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht zu entscheiden 229 , denn die Organisation hat dem Geschädigten gegenüber versagt. Für i h n ist ferner die schädigende Einzelhandlung i n der Regel schwer feststellbar 230 , und andererseits entbehrt sie jeglichen schadensrestituierenden und damit auch rechtspolitischen Interesses. Wenn ferner Steindorff die Abhängigkeit des Organisationsgliedes nur i m Rahmen eines die Qualitätsregelung eingeführten Unternehmens anerkennen w i l l , dann zeigt sich darin wiederum die zögernde Bereitschaft, dem sozial Schwachen nur i n Verbindung m i t der Privilegienvermehrung seines Arbeitsgebers zu helfen. Denn das Vorhandensein und das Funktionieren eines derartigen qualitätsgeregelten Systems führt nach Steindorff zur Entlastung des Unternehmens von der Schadenersatzpflicht. Darüber hinaus muß man 226

Steindorff, AcP 170 (1970), S. 93 (113). Steindorff, AcP 170 (1970), S. 93 (122 f.). 228 Ebenso Weitnauer, VersR 1970, 585 (597 Ii. Sp.), der diese Auffassung f ü r unvereinbar m i t den allgemeinen Haftungsprinzipien hält. K r i t i k vgl. jetzt auch Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 72 ff. 229 Dazu noch unten bei Fußn. 265 ff. 230 Vgl. auch Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, S. 74. 227

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ROUSSOS

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folgendes einsehen. Das System und die Eingliederung i n dieses bestehen nach wie vor und unabhängig von irgendwelchen nachträglichen oder auch anfänglichen Regelungen, die sich innerhalb des bestehenden Organismus entwickeln. Es ist demnach verfehlt, die Abhängigkeit und Unpersönlichkeit des (Mit-)Glieds erst m i t der Übernahme leistungsmotivierter Kontrollsysteme zuzugestehen, einerlei ob sie „Qualitätsregelung" oder irgendwelche anderen neutralen Namen erhalten. I V . Die positivrechtliche Begründung der Organisationshaftung

1. Der Übergang zu einer verschuldensunabhängigen

Haftung

Die folgenden Ausführungen sind von dem Versuch geprägt, die positivrechtliche Verankerung einer verschuldensunabhängigen Organisationshaftung nachzuweisen. Die Analyse der Rechtsprechung zu den „Kardinalpflichten" sowie eine dementsprechende Auslegung des § 9 I I Nr. 2 A G B G haben oben zu der Ansicht geführt 2 3 1 , daß sich eine unabdingbare, aber immerhin auf Verschulden beruhende Haftung des Verwenders für Organisationspflichtverletzungen positivrechtlich durchaus begründen läßt. Hinsichtlich des Festhaltens an der Verschuldenshaftung bedarf es jedoch noch folgender Bemerkung, u m den Übergang zu der Annahme einer verschuldensunabhängigen Haftung zu erleichtern: Dort wurde die „Wichtigkeit" des Organisationsfehlers hervorgehoben und der nicht zuletzt dadurch bedingte Standpunkt vertreten, der Unternehmer-Verwender habe für eine reibungslos funktionierende, die fehlerfreie Leistungserbringung gewährleistende Betriebsorganisation einzustehen 232 . Damit w i r d dem Verwender deutlich ein angespannter Sorgfaltsmaßstab auferlegt, den neuerdings Β er g er sogar als Zufallshaftung i m weiteren Sinne bezeichnet 238 . W i r d aber nunmehr von einer Unternehmenshaftung gesprochen, der das Unternehmen als Organisation zugrunde liegt, so ist es m i t dieser Auffassung unvereinbar, weiterhin an der Verschuldenshaftung festzuhalten. Der Schaden w i r d einer unpersönlichen Einheit zugerechnet, wo er auch seinen Ursprung hat. Danach wäre es verfehlt, nach einem „schuldhaften Handeln" der Organisation zu suchen 234 . Das Verschulden bleibt trotz des „objektivierten Fahrlässigkeitsmaßstabs" ein persön231

Siehe oben § 4. Vgl. oben § 3 bei Fußn. 161; § 4 bei Fußn. 222 ff., 244—249, 251 ff. 233 Berger, Schadensverteilung bei Bankbetriebsstörungen, S. 26 ff. 234 y gi a u c h v. Caemmerer, Reform der Gefährdungshaftung, S. 12: „Eine v o m Auswahl-, Einsatz- oder Überwachungsverschulden unabhängige Haftung (für das Verschulden der Leute) des Unternehmens ist gewiß eine objektive Haftung des Geschäftsherrn." 232

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licher SchuldvorwurP 5 . Übrigens wäre die Suche nach der „schuldigen Organisation" ein krasser Widerspruch zu der dargelegten schadensersatzrechtlichen Dogmatik. Dort war die Haftung des Unternehmens i n einer selbstverständlichen Weise als verschuldensunabhängig, als „Haftpflicht" 2 ® 6 vorgestellt. Es ist auch kein Zufall, daß immer die Rede von dem Schaden war, der „aus dem Unternehmen" entsteht 237 . Loening hatte ferner die Verknüpfung der Unternehmenshaftung für die von diesem verursachten Schäden m i t einer Verschuldung nicht nur als Ungerechtigkeit empfunden, sondern auch zugleich betont: „ I n dem Betrieb selbst liegt keine Verschuldung." 238 2. Der Grundgedanke

des § 9 71 Nr. 2 AGBG

Es bleibt zu untersuchen, wie eine derart weitgehende Haftung vom § 9 I I Nr. 2 A G B G erfaßt werden kann. Dies soll nicht dahin verstanden werden, als ob i n dieser Vorschrift die Regelung der Verwenderhaftung für seine Gehilfen enthalten wäre, sondern dahin, daß dieser Vorschrift eine strenge Verantwortung für die Folgen dessen entnommen werden soll, was sich nicht nur als Übertretung einer einzelnen organisatorischen Pflicht, sondern als Versagen einer ganzen Unternehmensorganisation darstellt. Dies entspricht vor allem einer angemessenen Interessenabwägung 239 . Davon aber abgesehen sollte man zunächst die von § 9 I I Nr. 2 angebotenen Auslegungsmöglichkeiten untersuchen. Hat man die organisatorische als „wesentliche" Pflicht anerkannt, so hat man zugleich angenommen, daß mindestens ein Teil der Organisationshaftung i n jener Vorschrift enthalten ist. Denn man versteht darunter auch die Haftung für das Organisieren des Unternehmens 240 . Nach der hier zugrunde gelegten Einheitlichkeit des Unternehmens erscheint es jedoch nicht mehr sinnvoll, i m Schadensersatzrecht zwischen Organisieren als Tätigkeit (Organisationsmangel) und Versagen der Organisation als Ganzes zu differenzieren. Denn der Fehler an der Betriebsorganisation stellt nur den entfernten Grund für den entstandenen Schaden dar und ist primär für die Qualitätsregelung des Unternehmens von Bedeutung. I n der Außenwelt t r i t t ein Schaden auf, der von der Organisation als Ganzes ausgeht. Wenn allegemein anerkannt wird, daß dem Kunden235 Larenz, Schuldr. I, § 20 I u. I I I , S. 227 u. 232 ff.; vgl. ferner v. Caemmerer, Reform der Gefährdungshaftung, S. 14; derselbe, Die absoluten Rechte usw., Karlsruher F o r u m 1961, 19 (25 ff.). 236 Steinbach, Ersatz von Vermögensschäden, S. 63. 237 Vgl. oben bei Fußn. 130 f., 145, 156, 176 ff. 238 Loening, Die Haftung des Staats, S. 90; vgl. auch Weyl, System, § 76, S. 591; v.Caemmerer, Reform der Gefährdungshaftung, S. 21; vgl. ferner Schilcher, Theorie der sozialen Schadensverteilung, S. 179 f. 239 Dazu noch unten bei Fußn. 270 ff. 240 Vgl. oben bei Fußn. 67 f. 14*

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Geschädigten der Einblick i n die Betriebseinheit fehlt 2 4 1 , dann ist es nur folgerichtig anzunehmen, daß es i h m nur auf den seitens der Organisation herbeigeführten Schaden ankommt, einerlei ob dieser sich auf mangelhafte Vorbereitimg oder Durchführung der geschuldeten Leistung zurückführen läßt. Ist nun i m § 9 I I Nr. 2 die Sanktionierung der Folgen einer Fehlhandlung auf organisatorischer Ebene zu sehen, so führt dies zu der Einsicht, daß dieser Vorschrift insoweit der Gedanke des Unternehmens als Organisation zugrunde liegt, als der Schadensstifter nach den obigen Ausführungen nicht als „kleines Unternehmen" zu qualifizieren ist 2 4 2 . Da aber auch Ausführungsfehler als Organisationsversagen zutage treten 2 4 3 , liegt es nahe, Organisations- und Ausführungsfehler unter den gemeinsamen Nenner des Organisationsversagens zu bringen und damit dem § 9 I I Nr. 2 den gebotenen breiten Umfang zuzuerkennen. Diese Gedanken sind noch i n folgenden Ausführungen weiter zu verdeutlichen. 3. Die Unhaltbarkeit der Differenzierung zwischen organisierenden und ausführenden Gliedern Zunächst gilt es festzustellen, daß nicht der Unternehmer-Verwender (allein) sein Unternehmen organisiert, sondern andere dafür hinzuzieht. Dies ist hier insoweit relevant, als es bei diesen „anderen" u m i n das Unternehmenssystem eingegliederte abhängige Gehilfen geht 244 . Damit w i r d klargestellt, daß sowohl die Organisation des Unternehmens als auch die ausführenden Arbeiten Gehilfen überlassen sind. Dabei hat man keine Bedeutung dem Umstand beizumessen, wonach es sich i m ersten Fall i n der Regel u m sogenannte leitende Angestellte 2 4 5 handelt, während es i m zweiten Fall um einfache Arbeiter oder Angestellte gehen wird. Danach t r i f f t die Eingliederung i n das System für beide A r beitnehmergruppen zu, aus deren Zusammenwirken eine gemeinsame Leistung oder aus deren Versagen ein Schaden entsteht, der i n der 241 Weitnauer, VersR 1970, 585 (594 f.); v.Caemmerer, Wandlungen, S. 63; weitere Nachweise oben Fußn. 89. 242 Vgl. oben bei Fußn. 69 ff. 243 Vgl. auch oben bei Fußn. 80 ff. 244 Die Differenzierung zwischen leitenden u n d einfachen Angestellten gehört zu den Aufgaben des Arbeitsrechts (dazu siehe auch unten bei Fußn. 279 ff.), wo jedoch nicht verleugnet w i r d , daß die leitenden Angestellten auch Arbeitnehmer sind: Galperin, Die Stellung der leitenden Angestellten usw., R d A 1977, 65, meint, sie seien Arbeitnehmer i m allgemeinen Rechtssinne u n d nach ihrer soziologischen Einordnung; vgl. auch Wiegand, Der leitende Angestellte als Arbeitnehmer, insbesondere S. 13 ff., 44 ff.; Fitting / Auf far th / Kaiser, B e r t r V G Handkomm., § 5 Rdnrn. 1 f., 19 ff., S. 145 f., 156 ff.; Galperin / Löwisch, K o m m zum BetrVG, § 5 Rdnr. 18, S. 162. 245 Die hinsichtlich organisatorischer Aufgaben eventuell beauftragten selbständigen Unternehmer bzw. Freiberufler interessieren hier nicht.

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Außenwelt weder als Schaden der „Organisatoren" noch der Ausführungsglieder, sondern als solcher der einheitlichen Organisation auftritt. Demzufolge erscheint eine auf der Unterscheidung zwischen organisierenden und ausführenden Gliedern beruhende differenzierte Unternehmenshaftung als nicht mehr haltbar. Ihre Annahme w i r d weiterhin von Zufällen abhängig sein, wie es sich beispielsweise an dem Fall eines Gehilfen zeigen läßt, der innerhalb desselben Unternehmens bald organisatorische und bald ausführende Tätigkeiten wahrnimmt. Übrigens ist dem Kunden weder der Nachweis darüber, i n welcher A r t von Tätigkeit die Schadensursache liegt, noch die Widerlegung des darauf bezogenen Vorbringens des Verwenders zuzumuten 246 . 4. Das Ineinandergreifen von Organisations und Ausführungstätigkeit Ein weiterer Gesichtspunkt soll die Unhaltbarkeit der Differenzierung zwischen Organisations- und Ausführungsfehler stärker verdeutlichen. Jede Arbeit, m i t deren Ausführung ein Betriebsglied beauftragt wird, weist auch organisatorischen Inhalt auf, so daß die Grenze zwischen Organisations- und Ausführungstätigkeit verschwommen wird. Denn die Durchführung eines Auftrags setzt die Beachtung und Vornahme organisatorischer Maßnahmen seitens des Arbeitnehmers voraus, die er allein i n der Lage ist zu treffen. Sie weichen der Kontrollmöglichkeit der „Organisatoren" weitgehend aus. Der abhängige Gehilfe ist imstande, die m i t seinem engen Tätigkeitsbereich zusammenhängenden Risiken am besten zu beherrschen. Damit w i r d an das Beherrschbarkeitsprinzip geknüpft, wie dieses zuletzt von Koller ausgeprägt wurde. Bei der Untersuchung der Gründe, die i n einem Arbeitsverhältnis die Zurechnung des Schadens an den Arbeitgeber gebieten, vergleicht Koller die Beherrschungsmöglichkeiten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers hinsichtlich des Risikos, welches zu einem Schaden führt 2 4 7 . Der Vergleich fällt dann zugunsten des Arbeitgebers aus. I h m kann nur die Programmierung des allgemeinen Arbeitsablaufs und die Bestimmung des Arbeitstempos zugeschrieben werden. Hinzu kommt, daß er dabei weitgehend auf unsichere Prognosen über die Wahrscheinlichkeit von Schadensvorfällen 246 angewiesen ist. Demgegenüber geht die Risikobeherrschungsmöglichkeit des Arbeitnehmers viel weiter. Obwohl die abstrakte Beherrschbarkeit seines Arbeitgebers zu einer allgemeinen Einschränkung seines „Spielraumes zur selbstverantwortlichen Entschei246

v. Caemmerer, Wandlungen, S. 63, 118 f. Koller, Die Risikozurechnung, S. 383 ff. 248 Hierzu vgl. auch Steindorff, AcP 170 (1970), S. 93 ff. u n d oben bei Fußn. 224. 247

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Kap. I V : Organisationshaftung

dung" 2 4 9 führt, bleibt dem abhängigen Gehilfen ein sehr erheblicher Entscheidungsspielraum i n seinem ganz konkreten Aufgabenkreis erhalten 2 5 0 . Demgemäß hat er nicht bloß auszuführen, sondern die Ausführung zu organisieren, so daß Schäden vorgebeugt wird. Hätte beispielsweise der Wächter i n seinem Aufgabenkreis die Arbeit besser organisiert, indem er sich über die schädlichen Folgen des Verlassens des bewachten Wagens Gedanken gemacht und den Wagen überhaupt nicht oder nur nach Vornahme aller erforderlichen Vorkehrungen verlassen hätte, so wäre der Brand nicht entstanden. Der m i t der Bedienung einer Maschine beauftragte Arbeiter hat ebenfalls i m Rahmen dieser Aufgabe bestimmte als organisatorische zu bezeichnende Maßnahmen zu treffen, welche die Korrektheit und die Sicherheit der Arbeit gewährleisten und deren Vornahme lediglich i h m obliegen, ohne daß irgendwelche Anordnugen „von oben" praktisch möglich oder erforderlich sind 251 . Trotzdem pflegt man alle diese Tätigkeiten als ausführende und nicht als organisatorische zu bezeichnen. Aber genauso können die sonst als organisatorische bezeichneten Tätigkeiten als ausführende angesehen werden. Der Leiter führt eine ihm übertragene Aufgabe aus und somit ist jeder i n einem Unternehmen ein ausführendes Glied, einerlei ob es u m die Durchführung oder der Überwachung anderer Glieder oder um die Bedienung einer Maschine geht. 5. Das Kriterium

der „Wesentlichkeit"

Die Untersuchung der Rechtsprechung zu der „kardinalen" Pflicht hat ergeben, daß es sich dabei u m Organisationspflichten handelt, deren Bedeutimg für die reibungslose Vertragsabwicklung i m Fall ihrer Verletzung eine unabdingbare Haftung des Verwenders rechtfertigt. Sie ist i m § 9 I I Nr. 2 verankert, der die frühere Judikatur konsolidiert. W i r d jedoch nun von dem Unternehmen als Organisationseinheit ausgegangen, so lassen sich die Organisationsmängel von den Ausführungsfehlern gemäß den obigen Darlegungen nicht absondern, schon gar nicht nach dem K r i t e r i u m der „Wesentlichkeit". Demzufolge würde vielleicht 249

Koller, Die Risikozurechnung, S. 385. Bei Heranziehung dieses Gesichtspunkts läßt sich außerdem erklären, w a r u m der Arbeitnehmer auch bei Annahme der Werkzeugtheorie nicht als res betrachtet werden k a n n (vgl. oben bei Fußn. 221). Er ist ein „denkendes Werkzeug". 251 Hierzu vgl. ζ. B. O L G H a m m v. 24. 11. 1977 (22 U 133/75) VersR 1979, 1063. Das Gericht hat eine unzureichende Überwachung des Betriebsaufsehers darin gesehen, daß die beklagte F i r m a i h m keine Anweisungen darüber erteilt habe, w i e er Packmaterial i m Freien abzubrennen habe, nämlich daß er das Feuer vor dem Verlassen m i t Wasser löschen müsse. Hier w i r d also eine A n weisung verlangt, die auch einem kleinen K i n d einleuchten würde. I m Grunde geht es aber n u r u m die Begründung einer Einstandspflicht des Unternehmens f ü r sein Versagen u m jeden Preis. 250

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selbst bei der Haftung des Unternehmers-Verwenders eine strengere Verantwortung nur für Pflichtverletzungen auf organisatorischer Ebene als etwas bedenklich erscheinen. Wenn dennoch der Gesetzgeber unter Fortführung der Rechtsprechungsgrundsätze dieser Differenzierung folgt, muß man ihr zunächst lediglich aus diesem Grunde Rechnung tragen. Darüber hinaus entspricht dies der hier vorgenommenen Unterscheidung zwischen kleinem Unternehmen und Organisation; darin schlagen sich wiederum rechtspolitische Aspekte nieder, wie sie ihren Ausdruck i m Prinzip der sozialen Schadensverteilung finden 252. 6. Die Unternehmenseinheit

nach § 831 BGB

Die schon i m Bereich des BGB entwickelte Lehre zur Haftung für Organisationspflichtverletzungen bietet auch einige Anhaltspunkte, welche die hier vertretene Ansicht verstärken. Es ist indessen hier nicht der Ort, die Lehre des Organisationsmangels aufzurollen und i n ihren Einzelheiten zu analysieren. Die unzulässigen Vorteile, die sich aus der Anwendung des sogenannten „dezentralisierten Entlastungsbeweises" 253 für die Großunternehmen ergeben 254 , wurden bereits erkannt 2 5 5 . Danach wurde den Unternehmen unter dem Deckmantel der Organisationspflichtverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB) eine strenge Haftung 2 5 6 dafür auferlegt, daß die ordnungsgemäß ausgewählten und überwachten Aufsichtspersonen ihren Auswahl- und Uberwachungspflichten nicht i n gehöriger Weise nachgekommen sind 2 5 7 . 252 Dazu siehe Schilcher, Theorie der sozialen Schadensverteilung, S. 222 ff.; vgl. ferner M. Wilburg, Zbl. j u r . Praxis Bd. 48 (1930), S. 641, 721 (743 ff.). 253 Demnach k a n n sich der Unternehmer dadurch entlasten, daß er die sorgfältige A u s w a h l u n d Überwachung einer Zwischenperson nachweist, die nicht selbst, sondern durch eine i h r nachgeordnete Person (Verri chtungsgehilfe) den Schaden herbeigeführt hat: RG v. 14. 12. 1911 ( V I ZS 75/11, K G Berlin) RGZ 78, 107 (108 f.); RG v. 2. 6. 1913 ( V I ZS 194/13) Warn. 6 (1913), 430 f.; B G H v. 25. 10. 1951 ( I I I ZR 95/50, Köln) B G H Z 4, 1 (2 ff.); B G H v. 8. 11. 1963 ( V I ZR 257/62, Düsseldorf) VersR 1964, 297 allerdings m i t erheblichen Einschränkungen. 254 Helm, AcP 166 (1966), S. 389 (397) k a n n jedoch nicht darin den G r u n d der Unhaltbarkeit der dezentralisierten Entlastung sehen. 255 M < Wilburg, Zbl. jur. Praxis Bd. 48 (1930), S. 641, 721 (743 ff.); Soergel / Zeuner, § 831 Rdnr. 40 f., S. 1057. Vgl. ferner oben Fußn. 215. 256 So auch Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 241 I I I 1 c, S. 982 f.; Esser ! Weyers, Schuldr. I I , Teilbd. 2, § 58 I 2, S. 184; Larenz, Schuldr. I I , § 73 V I , S. 651; Soergel ! Zeuner, § 823, Rdnrn. 125 ff., S. 897 f. u n d § 831, Rdnrn. 3 ff., S. 1049 f. 257 So O L G Stuttgart v. 20. 5. 1976 (10 U 200/75) VersR 1977, 846 (re. Sp.); K G V. 26. 6. 1978 (12 U 541/78) VRS Bd. 56 (1979), S. 276 (278); Helm, AcP 166 (1966), S. 389 (395 ff.); Larenz, Schuldr. I I , § 73 V I , S. 650 f. (nur de lege ferenda); Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 241 I I I 1 c, S. 982; vgl. auch B G H V. 17. 10. 1967 ( V I ZR 70/66, Düsseldorf) N J W 1968, 247 (248 re. Sp.); B G H v. 19. 6. 1973 (VI ZR 178/71, Hamm) N J W 1973, 1602 = VersR 1973, 862 = D B 1973, 1645; B G H v. 30. 5. 1978 ( V I ZR 113/77) D B 1978, 1830 f.

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Kap. I V : O r g a n i s a t i o n s h a f t g

Zunächst w i r d damit mittelbar die Bedeutung der Organisationspflicbten hervorgehoben. Hier ist aber ein anderer Gesichtspunkt vom besonderen Interesse. Es w i r d kein Wert darauf gelegt, ob diese vom Unternehmer selbst oder von seinen dazu beauftragten Gehilfen 2 5 8 zu erfüllen sind. Hierin kann man schon die Anerkennung der Einheitlichkeit des Unternehmens und die daraus gezogenen Folgen sehen. Sie bestehen namentlich darin, daß ein Gehilfenversagen als solches des Unternehmens angesehen wird, auch wenn man diese Auffassung über das organisatorische Versagen hinaus nicht hat erstrecken können 259 . I m Zusammenhang damit ist weiterhin der Regelung des § 831 BGB Rechnung zu tragen. Gelingt danach dem Unternehmer der Nachweis, daß er keine organisatorischen Pflichten verletzt hat, so hat er für den von seinem Gehilfen angerichteten Schaden nicht einzustehen. Umgekehrt heißt das: Bei einem Gehilfenversagen w i r d Organisationspflichtverletzung vermutet und insoweit die These bestätigt, daß die Schadenszufügung seitens der einzelnen Betriebsperson auch von dem jetzigen § 831 BGB als Organisationsversagen aufgefaßt wird. Allerdings geht es hier um die Beschränkung auf einen Teil der Organisationshaftung, weil das Gesetz ausdrücklich die Auswahl-, Ausrichtungs- und Überwachungspflicht 260 des Unternehmers hervorhebt. Diese Einschränkung läßt sich zwar m i t der Einheitlichkeit des Unternehmens nach den obigen Ausführungen nicht vereinbaren. Man hat jedoch nach wie vor festzustellen, daß hier das Unternehmen als Organisation insoweit erfaßt w i r d 2 6 1 , als das Versagen auf eine organisatorische Tätigkeit zurückgeführt w i r d 2 6 2 . Der eigentliche Schädiger ist also auch hier der abhängige Arbeitnehmer, der Schaden w i r d aber der unternehmerischen Einheit zugerechnet, w e i l 258 Vgl. hierzu B G H (o. Fußn. 257) N J W 1968, 247 (248 f.); u n d den berühmten „Hühnerpestfall", der v o m B G H (o. § 4 Fußn. 271) N J W 1969, 269 = B G H Z 51, 91 = W M 1969, 38 entschieden wurde. Dem Gericht ging es dabei darum, daß eine Organisation versagt hatte, w e i l weder ein konkreter Schädiger, noch die Schuld, noch die Schuldlosigkeit des Herstellers m i t Sicherheit bewiesen werden konnte. Danach hat der B G H unter Verzicht auf die Suche nach dem Fehlverhalten irgendwelcher Hilfspersonen praktisch eine Einstandspflicht (vgl. Diederichsen, A n m e r k u n g zum „Hühnerpestfall", N J W 1969, 269 f.) der schädigenden Herstellerfirma m i t Hilfe des Organisationsmangels angenommen, die i n der Unterlassung zusätzlicher Sicherungsmaßnahmen bestehen sollte, wenngleich das Gericht gleichzeitig zugibt: Es sei n u r wahrscheinlich, daß solche Maßnahmen den Schaden verhütet hätten. 259 Dazu vgl. Hermann Lange, Gutachten zum 43. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. 5 (9), der die sich manchmal „praktisch bis zur Grenze der Gefährdungshaftung" steigernde Verantwortlichkeit des Unternehmens f ü r zu w e i t gehend hält. 260 obgleich die Überwachungspflicht i m Gesetz nicht erwähnt, w i r d sie nach heute allgemein herrschender Ansicht von i h m erfaßt; RG (o. Fußn. 253) RGZ 78, 107 (109); B G H v. 18. 12. 1952 ( V I ZR 54/52, Hamm) B G H Z 8, 239 (243); Soergel / Zeuner, § 831 Rdnr. 38, S. 1057 m i t zahlreichen Nachweisen. 261 Vgl. auch Oertmann, 062 v g l . a u c h b e i F u ß n

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Das Recht 1922, Sp. 5 (7). 257—259.

§ 10. Schadensersatzrechtliche Dogmatik

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darin ihr Versagen vermutet wird. Eine Vermutung m i t guten Gründen, der augenscheinlich die Vorstellung zugrunde liegt, von welcher der Geschädigte ausgeht, nämlich daß ihm gegenüber ein Organisationsversagen, eine Zweckverfehlung des unternehmerischen Ganzen vorliegt. Dies t r i f f t dann viel mehr beim § 9 I I Nr. 2 A G B G zu, der die unabdingbare Einhaltung „wesentlicher Pflichten" gebietet, statt Organisationspflichten einzeln aufzuzählen. Unter Berücksichtigung der Struktur und der Erscheinung der Unternehmenseinheit i n der Außenwelt liegt es demnach nahe, statt die „wesentlichen" lediglich als organisatorische Pflichten aufzufassen, eine unabdingbare, verschuldensunabhängige Haft i m g der Unternehmer-Organisationen anzunehmen. Denn unter dem Aspekt „Unternehmen = Organisation" wurden bereits Organisationsund Ausführungsfehler auf die gleiche Ebene gestellt. 7. Äquivalenzfunktion

der Haftungsverschärfung

Die Annahme einer dahingehenden nach Umfang und Maßstab erweiterten Haftung entspricht auch den i m Geschäftsverkehr der allgemeinen Geschäftsbedingungen herrschenden Verhältnissen. Ihrem unpersönlichen und Massencharakter und den damit verbundenen Nachteilen für den Vertragspartner entspricht am besten eine i n möglichst vielen Gebieten strenge, vom Verhalten eines konkreten Individuums abgelöste Haftung der Organisation, welche die A G B aufgestellt hat 2 6 3 . Wenn Rationalisierungsgründe zur Durchsetzung der massiven Vertragsschließung und -abwicklung geführt haben, dann müssen dieselben Gründe eine unpersönliche und schnelle Schadensrestitution zur Folge haben. Der Verwender muß dadurch den Preis für die Vorteile zahlen, welche i h m die Aufstellung von einseitig vorformulierten Bedingungen anschafft. Somit werden auch wirtschaftsökonomische Gründe angedeutet, worauf schon Kliege hingewiesen hat. „Eine möglichst vollständige Haftung" ist nach Kliege ein wichtiger wert- und preisbildender Faktor und damit Voraussetzung „ f ü r ein zufriedenstellendes Funktionieren des Marktes als eines volkswirtschaftlichen Lenkungsmechanismus. Die Freizeichnungen der A G B beeinträchtigen diese Funktion." 2 6 4 8. Die Haftung des abhängigen Gehilfen gegenüber dem Geschädigten Nach den bisherigen Ausführungen kann man zusammenfassend feststellen, daß der AGB-Verwender für das Versagen seiner Organisation 263 Den gleichen Gedanken vgl. schon bei Mataja, Das Recht des Schadensersatzes, S. 80 f.; Steinbach, Ersatz von Vermögensschäden, S. 64. 264 Kliege, Rechtsprobleme der A G B i n wirtschaftswissenschaftlicher A n a lyse, § 8 I 3, S. 124 f.

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Kap. I V : Organisationshaftung

nach § 9 I I Nr. 2 A G B G verschuldensunabhängig und unabdingbar einzustehen hat, einerlei ob dies auf mangelhafte Organisierung oder auf ein schadenverursachendes Verhalten der abhängigen Erfüllungsgehilfen zurückzuführen ist. Für die Frage der D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungen von der Verschuldenshaftung bedeutet dieser Schluß, daß sie mindestens i m Rahmen der allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Pseudoproblem ist. Damit fehlt automatisch die Voraussetzung für jegliche juristischen Konstruktionen, m i t denen die Ausdehnung einer Freizeichnungsklausel gerechtfertigt oder abgelehnt w i r d ; jede Freizeichnung ist somit grundsätzlich unzulässig. W i r sagen grundsätzlich, weil der Wortlaut des § 9 I I Nr. 2 nicht erlaubt, ein absolutes und endgültiges Freizeichnungsverbot anzunehmen, weil er die Worte „ i m Zweifel" einschließt. Ein derartiges Verbot w i r d jedoch von den Verbrauchern stets geltend gemacht werden können. Glaubt man sonach, die unbedingte Haftung des Verwenders für seine Organisation oder für sein Organisationsversagen begründet zu haben, so ist dennoch die Frage noch nicht beantwortet worden, was m i t der Haftung des abhängigen Erfüllungsgehilfen gegenüber dem Geschädigten geschieht. Zuerst muß man hierzu sagen, daß sie geringe praktische Bedeutung besitzt, sofern die Einstandspflicht des Unternehmens i n Betracht kommt. Ist indessen das Unternehmen etwa zahlungsunfähig, so stellt sich wiederum die Frage, ob der Schutz des Arbeitnehmers oder des Geschädigten i m Falle der Zahlungsunfähigkeit des Verwenders nicht erfordert, dem einen durch die Annahme einer D r i t t w i r k u n g von Freizeichnungsklauseln oder dem anderen (Geschädigten) dadurch zur Hilfe zu kommen, daß man i h m mindestens einen Anspruch gegen den „natürlichen" Schädiger an die Hand gibt. Es kommt jedoch weder die eine noch die andere Lösung i n Frage. Denn w i r gingen von der Einheitlichkeit des Unternehmens aus, und zwar unter Berücksichtigung der Kundenvorstellungen. Dies bedeutet also einheitliches Auftreten i n der Außenwelt und dabei Zurückstehen jeder Individualität, was vor allem dem Geschädigten gegenüber gilt und ihm insofern zugute kommt, als i h m nicht zugemutet wird, sich Einblick in den „komplizierten Mechanismus" 265 der Organisation zu verschaffen und den konkreten Schädiger ausfindig zu machen. Man soll danach an dieser Vorstellung auf jeden Fall festhalten. Dies läuft darauf hinaus, dem Geschädigten seinen Anspruch gegen den Arbeitnehmer abzuschneiden. Würde man i h m diesen Anspruch einräumen, so würde der Grundsatz der Einheitlichkeit des Unternehmens ausgehöhlt. Es würde heißen, einerseits von einem Ganzen, von Einheit zu sprechen und andererseits sie durch Ausein265

Mataja, Das Recht des Schadenersatzes, S. 43.

§ 10. Schadensersatzrechtliche Dogmatik

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anderreißen ihrer Teile wieder aufzuheben. Die strenge Organisationshaftung des Verwenders muß also als genügend für den Schutz der Interessen des Geschädigten betrachtet werden und die Grundsätze, welche sie stützen, dürfen aufgrund weniger Ausnahmefälle (etwa Zahlungsunfähigkeit der haftenden Organisation) nicht wieder rückgängig gemacht werden. Man könnte dagegen einwenden, der konkrete Arbeitnehmer habe gehandelt und dem Kunden einen Schaden zugefügt. Die Zurechnung des Schadens an das Unternehmen biete keine ausreichenden Gründe für die Abweichung von den allgemeinen Haftungsgrundsätzen, es sei denn, daß man m i t Steindorff 86 die Rechtswidrigkeit und sogar die Tatbestandsmäßigkeit des Gehilfenhandelns leugnet. Dieser Steindorffsche Standpunkt wurde indessen oben 267 abgelehnt, und zwar nicht w e i l er etwa rechtspolitisch verfehlt ist, sondern deshalb, weil das liberalistische bürgerliche Gesetzbuch eine solche Annahme m i t seinen Prinzipien schwer vereinbaren läßt. Der Grund der Anspruchskürzung des Geschädigten muß daher i m Rahmen des AGB-Gesetzes, und zwar i m § 9 I I Nr. 2 gesucht werden. Dieser stellt die gesetzliche Grundlage für die Annahme einer verschuldensunabhängigen Haftimg des Verwenders für sein Organisationsversagen dar, wozu auch das Gehilfenversagen zu zählen ist. Aufgrund dieser Regelung muß das Vorgehen gegen das Personal des Verwenders dem Geschädigten versagt bleiben, weil dann die sich aus dem Einheitlichkeitsprinzip ergebende Einstandspflicht einen Teil ihres Zwecks verfehlen müßte. Ferner muß i m Recht der A G B der Grund des Zurücktretens der selbständigen Haftung des ausführenden Individuums zugunsten der Organisationshaftung noch darin gesehen werden, daß es i m BGB an einer entsprechenden Vorschrift fehlt, welche die individuelle durch eine Organisationshaftung ersetzt. Demzufolge gebietet nicht (oder nicht nur) der Spezialitätsgrundsatz, sondern (auch) die Eigenart des § 9 I I Nr. 2, jeden Anspruch des Geschädigten gegen das Individuum abzulehnen. Wenn nun der Geschädigte ein Verbraucher ist, dann hat § 9 I I Nr. 2 für ihn nur bei leicht fahrlässigem Handeln des abhängigen Gehilfen eine praktische Bedeutung, weil der AGB-Verwender nach § 11 Nr. 7 für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit seiner Leute unbedingt einzustehen hat 2 8 8 . Wenn es aber die speziell für Verbraucher geltende und die Haftung für fremdes Verschulden i n leicht vom BGB abweichender Weise regelnde Vorschrift des § 11 Nr. 7 gibt, dann liegt es nahe anzunehmen, daß der Gesetzgeber in diesem Fall eine grundsätzlich den BGB-Prinzipien entsprechende Regelung getroffen hat, die sich von ihnen nur noch nach dem Haftungs266

AcP 170 (1970), S. 93 (109 ff.). Siehe oben bei Fußn. 228. 268 Angesichts dieser Regelung entsteht hier auch nicht die Frage der D r i t t w i r k u n g e n von Freizeichnungsklauseln. 267

220

Kap. I V : Organisationshaftung

maßstab unterscheidet. M i t anderen Worten kehrt man hier wiederum zu dem Grundsatz der Individualhaftung zurück. Dies führt dazu, beim Vorliegen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handelns des Arbeitnehmers ihn persönlich neben der Organisation nach den allgemeinen Vorschriften haften zu lassen 209 . I m Gegensatz dazu unterliegt die Anwendung des § 9 I I Nr. 2 gegenüber Kaufleuten keiner Einschränkung. Ihnen gegenüber muß man ihn i n seiner ganzen Breite gelten lassen, indem das abhängige Organisationsglied ihrem Zugriff auf jeden Fall nicht unterworfen ist. 9. Organisationshaftung

und

Interessenabwägung

Die hier vertretene Lösung hält der Prüfung auch aus der Sicht der Interessenabwägung i n dem Dreiecksverhältnis Verwender — Kunde (Geschädigter) — abhängiger Erfüllungsgehilfe (Schädiger) stand. Der Geschädigte erhält durch die unabdingbare Haftung des Verwenders einen i n der Regel zahlungsfähigen Schuldner. Diese für den Verwender ungünstige Regelung erscheint durchaus gerechtfertigt und angemessen, denn die sich aus der Aufstellung und Verwendung einseitiger Geschäftsbedingungen für ihn ergebenden Vorteile werden i n gewisser Hinsicht ausgeglichen 270 . Dies t r i f f t besonders unter Berücksichtigung der lockeren Voraussetzungen zu, die für die Einbeziehung der allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag genügen 271 . Die Nichtanerkennung eines Anspruchs gegen den Schädiger kann ferner für den Geschädigten nicht als nachteilig empfunden werden, sofern die meistens anzutreffende Zahlungsunfähigkeit des abhängigen Gehilfen als gegeben erachtet werden darf 2 7 2 . I m Gegenteil sind erhebliche Vorteile durch diese „Deckung" des Gehilfen hinter der Organisation gewonnen worden, die i n der richtigen und konsequenten Anwendung des von anderer Seite eingeführten rechtsethischen Prinzips bestehen 273 . Diese Lösung ist weiterhin eine rein zivilrechtliche, die vom Eingreifen arbeitsrechtlicher Grundsätze verschont bleibt, indem eine Freizeichnung des Unternehmens und die Gefahr ihrer Aushöhlung über den Umweg eines arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruchs beseitigt wird. Der Schutz des Gehilfen vor einer Inanspruchnahme bedeutet keineswegs, daß i h m andererseits jede Individualität und Anerkennung seiner 209 v g l . auch etwa Coester-Waltjen A G B G , § 11 Nr. 7, Rdnr. 41, S. 463.

i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba,

270 Hierzu vgl. auch Weitnauer, VersR 1970, 585 (597 A n m . 109), der gezeigt hat, daß die wirtschaftliche Bedeutung einer Haftungseinschränkung für den Haftpflichtigen (Verwender) u n d seinen Versicherer m i n i m a l ist, mindestens unter normalen Umständen. I m Gegensatz dazu ist der Ersatz des Schadens f ü r den Geschädigten v o n erheblicher Bedeutung. 271 Siehe oben § 8 bei Fußn. 249—253. 272 Vgl. auch oben § 8 bei Fußn. 282 ff. 273 Siehe oben § 8 bei Fußn. 244 ff.

§ 10. Schadensersatzrechtliche Dogmatik

221

Persönlichkeit abgesprochen 274 oder daß er hinsichtlich des angerichteten Schadens freigesprochen wird. Seine Verantwortlichkeit gilt jedoch nur gegenüber dem Arbeitgeber. Der innerbetriebliche Ausgleich ist der richtige Ort für die Austragung des Streits zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unter gleichzeitiger Anwendung der arbeitsrechtlichen Prinzipien 2 7 5 . Dieser Umstand zeigt deutlich, daß die tragenden Gründe des hier vertretenen Standpunkts nicht oder nicht nur i n Billigkeitserwägungen i m abwertenden Sinne M. Rümelins™ bestehen. Hier geht es i n erster Linie darum, eine der wirtschaftlichen und sozialen Realität entsprechende Lösung zu zeigen. Wenn dies als Billigkeit empfunden wird, dann muß sie doch berücksichtigt werden. 10. Organisationshaftung

und §11 Nr. 7 AGBG

Nachdem die Begründung einer verschuldensunabhängigen Organisationshaftung durch den § 9 I I Nr. 2 angenommen worden ist, stellt sich nun die Frage, ob und welche Bedeutung dem Freizeichnungsverbot des § 1 1 Nr. 7 zukommt, wenn man von ihrer oben beschriebenen Funktion absieht 277 , nach der ein entsprechend den allgemeinen Haftungsprinzipien gewährter direkter Anspruch des Geschädigten-Verbrauchers gegen den vorsätzlich oder grob fahrlässig handelnden Arbeitnehmer ermöglicht wird. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den beiden Rechtsnormen besteht darin, daß bei Anwendung des § 9 I I Nr. 2 dem Richter immer die Möglichkeit offen bleibt, die Angemessenheit einer Klausel zu ermessen, indem der Verwender eine Chance hat, die Vermutung der Unangemessenheit seiner Klausel zu widerlegen. Diese w i r d bei einer Befreiung von der Organisationshaftung stets dann gegeben sein, wenn es sich um nichtkaufmännische Kunden handelt. Somit w i r d der Differenzierung zwischen Kauf- und Nichtkaufleuten 2 7 8 im AGB-Gesetz Rechnung getragen. I m Gegensatz dazu sind i m § 11 Nr. 7 die Angemessenheitskriterien einer AGB-Klausel fest vorgeschrieben, so daß dort kein Spielraum für Wertungen bleibt. Ferner sieht § 11 Nr. 7 eine Haftung des AGB-Verwenders für Erfüllungsgehilfen vor, was freilich auch die unabhängigen selbständigen Gehilfen einschließt. I m Gegensatz dazu bezieht sich die erweiterte 274 Diese Befürchtung ist von Gegnern der sog. Werkzeugtheorie geäußert worden: Leonhard, Gutachten zum 17. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. 337 (383); Enneccerus, Diskussionsbeitrag zum 18. DJT, Verhandlungen Bd. I I , S. 101 f.; Weitnauer, VersR 1970, 585 (597). 275 Vgl. auch oben § 8 bei Fußn. 284 ff. 27β Schadensersatz, S. 63 ff. Dagegen neuerdings Schilcher, Theorie der sozialen Schadensverteilung, S. 181. 277 Siehe oben bei Fußn. 268 f. 27β Hier ist nicht der Ort, auf die Zweckmäßigkeit dieser Unterscheidung einzugehen. Kritisch dazu ζ. B. Eith, N J W 1974, 16 ff.

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Kap. I V : Organisationshaftung

Organisationshaftung lediglich auf die abhängigen Hilfspersonen und dies aus gutem Grunde, da sie nämlich von der Organisationsstruktur und der einheitlichen Erscheinung des Unternehmens erfaßt werden. Ein Unterschied zwischen den sogenannten leitenden Angestellten einerseits und nicht leitenden Angestellten sowie Arbeitnehmern andererseits ist nicht zu machen 279 . Es ist nicht einzusehen, warum das Gesagte über die Rolle der einfachen Angestellten und anderen Gehilfen der unternehmerischen Organisation nicht auch für die leitenden Angestellten Geltung haben soll 280 . Gegen diese Unterscheidung spricht auch der Umstand, daß es sich dabei um eine arbeitsrechtliche Frage mit besonderer Bedeutung i m Hinblick auf das Betriebsverfassungsgesetz 281 handelt, die auch i m Arbeitsrecht keine befriedigende A n t w o r t findet, w e ü die Grenzziehung zwischen Arbeitnehmer und leitenden Angestellten äußerst schwer fällt 2 8 2 . Ferner kann man aus reiner Billigkeit, nämlich aus den vielleicht besseren wirtschaftlichen Verhältnissen des leitenden Arbeitnehmers i m Vergleich zum einfachen eine derartige Grenzziehung nicht wagen. Sie wäre in der vorliegenden Haftungsproblematik fehl am Platz. Die Gründe dafür sind leicht einzusehen. Vermögensdifferenzen entsprechenden Ausmaßes lassen sich weder sicher ermitteln noch bieten sie genügende Anhaltspunkte für eine differenzierte Haftung 2 8 3 . § 11. Konkurrenzfragen I. Die Problematik im allgemeinen

Eine hier noch kurz zu behandelnde Frage ist die der Anspruchskonkurrenz. Es geht dabei lediglich um einen Aspekt dieser sonst sehr komplexen Frage, nämlich um den Übergriff des von den §§ 9 I I Nr. 2 279 Vgl. auch oben bei Fußn. 244; Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), S. 309 (386). Gegen eine Differenzierung zwischen Arbeitern u n d Angestellten jetzt auch Koller, Die Risikozurechnung, S. 409 f. 280 Vgl. Leonhard, Gutachten zum 17. DJT, Verhandlungen Bd. I, S. 337 (350): „Auch der Inspektor ist n u r ein abhängiger Arbeiter des Herrn". 281 § 5 B e t r V G 1972. 282 Galperin, RdA 1977, 65 ff.; Hromadka, Das Recht der leitenden Anges t e l l t e n , ^ . 4 f. u n d 256 ff.; Fitting / Auffarth / Kaiser, B e t r V G Handkomm., § 5 Rdnr. 19 ff., S. 156 ff.; Galperin ! Löwisch, Komm, zum BetrVG, § 5 Rdnr. 21, S. 163 f.; vgl. ferner B A G ν. 5. 3. 1974 (1 A B R 19/73, F r a n k f u r t a. M.) D B 1974, 826 (insbesondere 827 f.) = A P Nr. 1 zu § 5 B e t r V G 1972; B A G ν. 9. 12. 1975 (1 A B R 80/73, F r a n k f u r t a. M.) D B 1976, 631 f. = A P Nr. 11 zu § 5 B e t r V G 1972; B A G ν. 27. 10. 1978 (1 A B R 27/77, Mannheim) A P Nr. 19 (unter I I 2) zu § 5 B e t r V G 1972 = D B 1979, 700. Vgl. auch Zander, Arbeiter = Angestellte, insbesondere S. 34 ff. 283 Vgl. noch Hromadka, Das Recht der leitenden Angestellten, S. 241 ff., wo er das Problem der Schutzbedürftigkeit der leitenden Angestellten behandelt, allerdings, v o m arbeitsrechtlichen Aspekt wie Kündigungsschutz u. dgl.; siehe dazu auch Fitting / Auffarth / Kaiser, B e t r V G Handkomm., § 5 Rdnr. 19b, S. 157.

§11. Kohkurrenzfragen

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und 11 Nr. 7 vorgesehenen Freizeichnungsverbots auf die deliktische Haftung. Aus den bisherigen Darlegungen ist hervorgegangen, daß neben dem § 11 Nr. 7 noch der § 9 I I Nr. 2 steht, welcher eine Freizeichnung vom Verschulden i n weiterem Umfang als der § 11 Nr. 7 verbietet, wenn es sich um eine Organisationspflichtverletzung (oben § 4) zurückzuführende Schadenszufügung handelt. Nach derselben Vorschrift t r i t t sogar eine verschuldensunabhängige und zugleich unabdingbare Haftung ein, wenn es um das Versagen einer Organisation nach dem oben (§ 10) dargelegten Sinn geht. Den nächsten Ausführungen fällt nun die Aufgabe zu, das Problem zu klären, ob das Freizeichnungsverbot, sei es das des § 9 I I Nr. 2, sei es das des § 11 Nr. 7, auch für Deliktsansprüche gelten soll, die ihren Grund darin haben, daß eine Vertragsverletzung zugleich den Tatbestand eines Delikts erfüllt. W i l l man dies verneinen, so bedeutet das für den AGB-Verwender, daß er sich bis zur nach den allgemeinen Vorschriften zulässigen Grenze des Vorsatzes freizeichnen kann; denn die Deliktshaftung hat ja dispositiven Charakter 2 8 4 . Die Kollision zwischen Vertrags- und Deliktsnormen besitzt jedoch i n unserem Zusammenhang geringe praktische Bedeutung. Kann sich der Verwender von seiner Vertragshaftung nicht freizeichnen oder hat er sie beim Vorliegen eines Organisationsversagens sogar verschuldensunabhängig zu vertreten, wie dies bei dem hier angenommenen Sinn des § 9 I I Nr. 2 der Fall ist, so kommt der Frage der Befreiung von dem deliktischen Verschulden kaum praktische Bedeutung zu. Dies w i r d besonders deutlich, wenn man die Gleichheit des Haftungsgrunds (Vorliegen eines Verschuldens) und der Haftungsfolgen (Schadensersatzanspruch) i n Betracht zieht. Wenn also dieser Haftungsgrund wegen einer sich auf die Vertragsverletzung beziehenden Rechtsnorm nicht abbedungen werden darf, dann gelangt der Geschädigte ohnehin zum Ersatz seines Schadens, ohne daß die Berufung auf die angeblich zulässige Befreiung von der Deliktshaftung dem Verwender etwas nutzen kann. Diese Überlegungen treffen sicherlich insoweit zu, als man von anderen Differenzierungen zwischen Vertrags- und Deliktsrecht absieht, wie beispielsweise von unterschiedlichen Verjährungsfristen oder von dem Schmerzensgeldanspruch. Unbeschadet ferner der Relevanz der Konkurrenzfrage bei Anwendung des § 11 Nr. 7 2 8 5 erlangt sie auch dann eine Bedeutung, wenn es u m Verträge zwischen Kaufleuten geht. Hält nämlich i n diesem Fall eine Freizeichnung der Prüfung durch § 9 I I Nr. 2 stand 286 und w i r d demnach die Haftungsbefrei284 Vgl. hierzu Helm, Haftung, S. 308. 285 Wenn etwa dem K u n d e n von einem unabhängigen Erfüllungsgehilfen des Verwenders ein Schaden zugefügt w i r d . 286 Ist der Vertragspartner des Verwenders ein Verbraucher, so k a n n davon ausgegangen werden, daß eine Freizeichnung von der Verschuldenshaftung überhaupt der Prüfung des § 9 I I Nr. 2 nicht standhält. (Noch weitergehend vgl. oben § 10 IV).

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Kap. I V : Organisationshaftung

ung des Verwenders bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit (seiner Leute) 2 8 7 anerkannt 2 8 8 , so fragt es sich, ob und i n welchem Umfang dem Geschädigten-Kaufmann deliktische Schadensersatzansprüche zustehen. Sofern also die Konkurrenzfrage i n unserem Zusammenhang eine praktische Relevanz besitzt 289 , ist sie i n zwei Bedingungssätzen wie folgt zu stellen: a) Ist die Freizeichnung von der vertraglichen Verschuldenshaftung i m AGB-Gesetz (bis zu einem gewissen Grad) verboten, so stellt sich die Frage, ob auch die Freizeichnung von der Deliktshaftung (in demselben Umfang) verboten ist. b) Ist die Freizeichnung von der vertraglichen Verschuldenshaftung bis zu einem gewissen Grad zulässig, so stellt sich die Frage, ob die Entlastung von der Deliktshaftung i n demselben Umfang zugelassen werden kann. I I . Dogmatische Aspekte der Anspruchskonkurrenzlehre

Bevor man sich zu diesen Fragen äußert, erscheint es zweckmäßig, einige dogmatische Aspekte der Anspruchskonkurrenzlehre herauszugreifen und gleichzeitig zu untersuchen, ob eine erweiterte Wirkung des Freizeichnungsverbots, wie sie schon fast einhellig von der Literatur befürwortet wird 2 9 0 , m i t dieser Lehre i m Einklang steht. Die Verfolgung der ganzen Entwicklung der Anspruchskonkurrenzlehre ist also in diesem Zusammenhang nicht beabsichtigt 291 .

287 Es ist heute allgemein anerkannt, daß der Verwender für die eigene u n d die grobe Fahrlässigkeit seiner Angestellten i m kaufmännischen Geschäftsverkehr einzustehen hat. Siehe Fußn. 288. 288 Es ist umstritten, ob die eng gezogene Freizeichnungsgrenze des § 11 Nr. 7, u n d zwar i n bezug auf die H a f t i m g f ü r Erfüllungsgehilfen über den § 9 I I Nr. 2 auf Verträge zwischen Kaufleuten übegreift. Dafür: Koch / Stübing, A G B , § 11 Nr. 7, Rdnr. 20, S. 306 f.; Graf von Westphalen i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum AGBG, § 11 Nr. 7, Rdnr. 17, S. 304 f.; Stein, Gesetz der AGB, § 11 Nr. 7, Bern. 61, S. 164; einschränkend bejahend: Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, AGBG, § 11 Nr. 7, Rdnr. 84, S. 479; Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 7, Rdnrn. 34 ff., S. 328 ff.; Schwenzer, Die Freizeichnimg des Verkäufers, S. 134 f.; Kötz, MüKo, A G B G § 11 Nr. 7, Rdnrn. 64 ff., S. 1503 ff.; Schlosser, A G B G , § 11 Nr. 7, Rdnrn. 51 ff., S. 289 f.; Erman / Battes, § 276 Rdnr. 81, S. 652; dagegen: Palandt / Heinrichs, A G B G § 11 Nr. 7, A n m . 7 c, S. 2261; Schmidt! Salzer, AGB, Rdnr. F. 201, S. 266 f.; Dittmann / Stahl, A G B - K o m m . , § 11 Nr. 7, Rdnrn. 435 f., S. 184 f.; Helm, B B 1977, 1109 (1111); derselbe, VersR 1978, 1 (2 f.); eher dagegen: Locher, Das Recht der A G B , S. 85; ohne Stellungnahme, Hagele, A G B nach neuem Recht, S. 63. Nach dem hier gemachten Vorschlag der auf § 9 I I Nr. 2 beruhenden verschuldensunabhängigen Organisationshaftung hat die Frage grundsätzlich keine praktische Bedeutung. 289

Vgl. auch oben bei Fußn. 277 ff. den i m Verhältnis zu § 9 I I Nr. 2 v o m § 1 1 Nr. 7 erfaßten Anwendungsbereich. 290 Dazu siehe unten bei Fußn. 305 f. 291 Z u dieser E n t w i c k l u n g i m einzelnen siehe Georgiades, Die Anspruchskonkurrenz, insbesondere §§ 2—10, S. 11 ff.

§11. K o k u r r e n z f r a g e n

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1. Anspruchskonkurrenz Zunächst sei von der Theorie Dietz 9 ausgegangen, der untersucht hat, ob zwischen den Tatbeständen der Vertragsverletzung und des Delikts, also zwischen den Vertrags- und den Deliktsrechtsnormen ein Verhältnis besteht, das auf den Vorrang des einen Gesetzes schließen läßt (Spezialität) oder ob aus dem Geltungswillen des einen (des vortretenden) oder des anderen (des zurücktretenden) Gesetzes ein Rangverhältnis zwischen den Normen über die Vertragsverletzung und das Delikt abzuleiten ist (Subsidiarität) 292 . Nachdem Dietz das Vorliegen sowohl eines Spezialitäts- als auch eines Subsidiaritätsverhältnisses ablehnt 2 9 3 , nimmt er die Entstehung zweier Ansprüche an, die nebeneinandertreten, dadurch miteinander in Beziehung stehen und, soweit sie sich decken, auf das Gleiche gehen 294 . Vertragliche und deliktische Ansprüche seien i n ihrer Entstehung selbständig, so Dietz, so daß sich jeder Anspruch nach seinen eigenen Regeln bestimmt 2 9 5 . A u f die spezielle Frage der Konkurrenz der Haftungsmaßstäbe angewandt, führt diese Theorie dazu, daß die gesetzlich vorgesehene mildere Vertragshaftung auf den deliktischen Haftungsmaßstab nicht übergreift 2 9 6 . Dietz kann i m Ergebnis beigepflichtet werden, weil man damit i n unserem Zusammenhang zu einer Haftungsverschärfung zu Lasten des AGB-Verwenders gelangt. Man muß jedoch danach auf eine folgerichtige Durchführung der Dietzschen Grundsätze insoweit verzichten, als sie zu einer begrenzten Geltung der gegebenenfalls strengeren Vertragshaftung (etwa wegen Freizeichnungsverbots) führen würde. Es erscheint daher zweckmäßig, der Beseitigung von Normenkollisionen zunächst die von Georgiades und Helm entwickelten Grundsätze zugrunde zu legen. 2.

Anspruchsnormenkonkurrenz

Georgiades beschränkt sich nicht nur auf die Kollision zwischen Vertrags· und Deliktsnormen, sondern er unternimmt die Systematisierung aller möglichen Konkurrenzfälle. Er steht auf dem Standpunkt, daß es sich bei der sogenannten Anspruchskonkurrenz um einen einzigen A n spruch handelt, der auf verschiedenen Gesetzesnormen beruht, so daß man statt von Anspruchskonkurrenz richtiger von Anspruchsnormen292 Dietz, Das Problem der Konkurrenz von Schadensersatzansprüchen bei Vertragsverletzung u n d Delikt, Deutsche Landesreferate 1962, S. 181 (184); derselbe, Anspruchskonkurrenz, § 8, S. 72 ff., § 9, S. 93 ff. 293 Dietz, Deutsche Landesreferate 1962, S. 181 (184 ff.). 294 Dietz, Deutsche Landesreferate 1962, S. 181 (190 ff.); derselbe, Anspruchskonkurrenz, § 11, S. 125 ff. 295 Dietz, Deutsche Landesreferate 1962, S. 181 (197 ff.); derselbe, Anspruchskonkurrenz, § 12, S. 130 ff. 296 I m einzelnen dazu Dietz, Anspruchskonkurrenz, § 17, S. 237 ff.

15 Roussos

Kap. I V : Organisationshaftung

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konkurrenz zu sprechen hat 2 9 7 . Man muß danach unterschiedliche Rechtsnormen, die zur Begründung eines einzigen Anspruchs in Frage kommen, einander angleichen. Der Harmonisierung der in Betracht kommenden Anspruchsnormen liegt das Prinzip zugrunde, „daß der Gläubiger nicht dadurch schlechter gestellt sein darf, daß i h m das Gesetz einen bestimmten Anspruch nicht aus einem, sondern aus mehreren Gründen gewährt". Seine Stellung soll sogar dadurch verbessert werden, daß ihm mehrere Gesetzesnormen zur Hilfe kommen. Er müsse — so Georgiades — i n der Lage sein, sämtliche Rechtswirkungen geltend zu machen, die sich aus dem einen oder anderen Rechtsgrund ergeben. Der Richter habe demnach den Sachvortrag der Parteien unter jedem nur möglichen rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen; treffen mehrere Gesichtspunkte zu, so müssen dem Kläger alle Vorteile zuerkannt werden, die er unter dem einen oder dem anderen Gesichtspunkt beanspruchen könne 298 . Für unsere Frage bedeutet dieser Grundsatz, daß einerseits das Freizeichnungsverbot auch bei der Deliktshaftung aufrechterhalten bleiben soll und andererseits sich die Möglichkeit der Freizeichnung vom Verschulden — soweit sie gesetzlich zulässig ist — zunächst auf das Vertragsrecht zu beschränken hat, sofern die auszulegende AGB-Klausel keine Anhaltspunkte für den Ausschluß auch der Deliktshaftung bietet. Das Prinzip der Gläubigerbegünstigung erfährt jedoch bei Georgiades gleich eine bedeutsame Änderung oder sogar Einschränkung. Denn die Anwendung der günstigeren Norm soll nur dann zum Zuge kommen, wenn der Zweck einer anderen Norm dadurch nicht vereitelt wird. Es soll demnach entscheidend auf den Vergleich der rechtspolitischen Zwecksetzung der konkurrierenden Normen ankommen 299 . Der einheitliche Anspruch, der weder vertraglich noch deliktisch, sondern vertraglich und deliktisch ist 3 0 0 , ergibt sich also aus der Abwägung des von den betreffenden Normen verfolgten Zwecks. 3. Die Normenfunktionen

und ihre

Abwägung

A u f einen Vergleich der Zwecksetzung der kollidierenden Normen läuft auch die These Helms hinaus. I n seiner Schrift über die frachtvertragliche Haftung hat er sich eingehend m i t Fragen der Anspruchskonkurrenz befaßt. Seiner Ansicht nach läßt sich keine generelle Lösung der Normenkollision vertreten, welche die i n allen Rechtsbereichen auftretenden Konkurrenzfragen erfassen würde. Demzufolge sollen die 297 298 299 300

Georgiades, Georgiades, Georgiades, Georgiades,

Die Die Die Die

Anspruchskonkurrenz, Anspruchskonkurrenz, Anspruchskonkurrenz, Anspruchskonkurrenz,

§ 16, S. 142 ff. (164). § 17 I, S. 167 f. § 17 I, S. 168. § 17 I I , S. 172.

§11. Konkurrenzfragen

227

Maßstäbe für die Beurteilung der Normenkollision auf der Grundlage der lnteressenjurisprudenz gesucht werden 3 0 1 . Indessen soll der Interessenabwägung i m Einzelfall die Aufstellung allgemeiner Grundsätze vorausgeschickt werden, auf welchen die Abwägung beruht 3 0 2 . Diese werden aus der Funktion, aus dem Zweck abgeleitet, der einer Rechtsnorm i m Rahmen der Rechtsordnung zukommt. Man kann daher die Heirasche Theorie als „Funktionskollision" bzw. ,,-konkurrenz" bezeichnen. Wenn eine Norm — so Helm — die andere an der Erfüllung ihrer Funktion ganz oder teilweise verhindere, dann müsse man Anhaltspunkte haben, wonach sich die Entscheidung für die eine oder für die andere Norm bestimmen lasse. Diese Anhaltspunkte biete die Wichtigkeit der Funktion einer Norm oder die Dringlichkeit der Anwendung einer bestimmten Norm nach Ausscheidung anderer, falls sich die Funktionswichtigkeit nicht feststellen lasse. Weiterhin unternimmt Helm einen Vergleich der Funktionen der Vertrags- und Deliktsnormen. Beiden steht zunächst die gemeinsame Funktion der Sanktions- und Folgenregelung zu, wenn ein Verstoß jeweils gegen Vertrags- oder allgemeine, jedermann obliegende Rechtspflichten vorliegt. Sie differenzieren sich aber i n ihrer zweiten Funktion, die bei Vertragsnormen darin besteht, das Risiko i m wirtschaftlichen Sinne abzugrenzen. Demnach haben die gesetzlichen Haftungsausschlüsse den Zweck, das Vertragsrisiko zu begrenzen. I m Gegensatz dazu w i r d die zweite Funktion der Deliktsnormen i m Rechtsgüterschutz gesehen. Nun ergibt sich aus der Abwägung dieser Funktionen folgendes Bild: Innerhalb eines Frachtvertrages erreiche der Vertragsschließende — so Helm — für die durch den Vertrag berührten Rechtsgüter (Eigentum oder sonstige Rechte) i n der Regel einen besonderen Schutz, soweit jedenfalls der Vertrag die Risikoabgrenzung für die betreffenden Rechtsgüter vornehme. Dem daneben angewandten Deliktsrecht könnte die Aufgabe zufallen, einen festen Mindestschutz zu gewähren oder das vertragliche Schutzsystem zu verstärken. Den Mindestschutz verweigert Helm aus zwei Gründen. Erstens ist der Umfang des Mindestschutzes i n den frachtvertraglichen Normen vom Gesetzgeber festgelegt worden und zweitens würde eine Garantiefunktion des Deliktsrechts einen festen (unabdingbaren) Grundtatbestand voraussetzen. Somit kann die Zulassung der Deliktshaftung allenfalls eine Verstärkung der frachtvertraglichen Haftung bewirken. Auch diese Verstärkung würde aber nur sporadisch und systemlos eingreifen und nur, wenn keine Freizeichnung des Beförderers vorliegt 3 0 3 . 301 Helm, Haftung, S. 7. Dieser Auffassung folgt auch Schlechtriem, Vertragsordnung u n d außervertragliche Haftung, S. 60 u n d 289 ff., der verschiedene Fallgruppen unterscheidet u n d i m Wege der Interessenabwägung zu Einzellösungen der Konkurrenzfragen gelangt. 302 Helm, Haftung, S. 301. 15*

228

Kap. I V : Organisationshaftung

Geht man von der Helmschen Vertragsnormenfunktion aus, das Vertragsrisiko abzugrenzen, so ist diese Risikoabgrenzung i m AGB-Gesetz i m Sinne einer Risikoerweiterung des AGB-Verwenders verwirklicht worden, wenn man besonders an die hier interessierende Freizeichnungsgrenze denkt, die enger als die der §§ 276 I I und 278 Satz 2 BGB festgelegt worden ist. Darin ist schon ein Mindest-, ein Garantieschutz zu sehen, an den der Gesetzgeber tatsächlich gedacht hat und der nicht auf irgendeine Weise durchbrochen werden kann. Dies würde dann der Fall sein, wenn dem Verwender erlaubt sein sollte, sich auf seine Befreiung von deliktischen Ansprüchen zu berufen. Der vertragliche M i n destschutz soll i m Endeffekt und auf jeden Fall aufrechterhalten bleiben. I I I . Die Lösung der Konkurrenzfragen von der AGB-Dogmatik

1. Die Ausdehnung des gesetzlichen Freizeichnungsverbots auf Deliktsansprüche Dieses Ergebnis entspricht übrigens der überwiegenden Meinung i n der Literatur 3 0 4 , wo das Freizeichnungsverbot entweder direkt 3 0 5 oder analog 306 auf die deliktischen Ansprüche ausgedehnt wird. Anhaltspunkte für eine derartige Auffassung bietet der von der Rechtsprechung angewandte Grundsatz, daß es bei einer gesetzlichen Begrenzung der Vertragshaftung auf bestimmte Schuldformen nicht angehe, wegen derselben Handlung nach Deliktsrecht eine strengere Haftung eintreten zu lassen 307 . Daraus w i r d der Umkehrschluß gezogen, bei gesetzlicher Er303

Helm, Haftung, S. 305 ff. Dagegen: Kaiser, Die Bedeutung des AGB-Gesetzes usw. i m Architektenvertrag, BauR 1977, 313 (317 Ii. Sp.), der meint, § 11 Nr. 7 erfasse nicht die außervertraglichen Ansprüche insgesamt; Stein, Gesetz der AGB, §11 Nr. 7, Bern. 54, S. 161; Helm, VersR 1978, 1 (2, A n m . 10) äußert Zweifel darüber, ob der Gesetzgeber die A n w e n d u n g des § 11 Nr. 7 auf Deliktsansprüche gewollt habe, wenn er zwar die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluß, nicht aber aus unerlaubter Handlung erwähne. 305 Graf von Westphalen i n Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner, K o m m , zum AGBG, § 11 Nr. 7, Rdnr. 11, S. 302 f. 306 Hensen i n U l m e r / Brandner / Hensen, A G B Komm., § 11 Nr. 7, Rdnr. 20, S. 325; Coester-Waltjen i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, AGBG, § 11 Nr. 7, Rdnr. 37, S. 461 f.; Dittmann / Stahl, A G B Komm., § 11 Nr. 7, Rdnr. 433, S. 183 f.; Koch/Stübing, A G B , § 11 Nr. 7, Rdnr. 5, S. 299; Locher, Das Recht der AGB, S. 84 f.; Schlosser, A G B G , § 11 Nr. 7, Rdnr. 16, S. 277, ohne daß er sich aber k l a r f ü r eine direkte oder analoge A n w e n d u n g ausspricht; Kötz, MüKo, A G B G § 11 Nr. 7, Rdnr. 57, S. 1500 f.; Palandt / Heinrichs, A G B G § 11 Nr. 7, Anm. 7, S. 2261. 307 RG v. 19. 6. 1916 (VI ZS 143/16, Hamm) RGZ 88, 317 (318); B G H v. 20. 12. 1966 ( V I ZR 53/65, Hamm) B G H Z 46, 313 (316) = N J W 1967, 558; B G H v. 4. 6. 1975 ( V I I I ZR 55/74, Hamm) N J W 1975, 1512 (1513 Ii. Sp.) = B G H Z 64, 355; vgl. auch RG v. 8. 10. 1907 ( I I I ZS 86/07, Hamm) RGZ 66, 363 (364 f.), w o die kürzere Verjährungsfrist der §§ 558, 606 B G B auch auf die Deliktsansprüche angewandt w i r d . 304

§11. K o k u r r e n z f r a g e n

229

Weiterung der Haftung für Vertragsverletzungen könne auch der Maßstab für die konkurrierende Deliktshaftung nicht weiter herabgesetzt werden und somit sei § 11 Nr. 7 auf formularmäßige Beschränkungen deliktischer Schadensersatzansprüche analog anzuwenden 308 . Parallel zu dem obigen Grundsatz hat jedoch die Rechtsprechung versucht, eine Verschärfung der Haftung des Schuldners zu erreichen 309 . Sie hat daher die Frage der Ausdehnung einer vertraglichen Haftungsminderung auf die Deliktshaftung nicht pauschal, sondern dahin beantwortet, daß es auf die jeweilige Auslegung und Abwägung der die Haftungsminderung vorsehenden Gesetzes- (oder Vertragsbestimmung) ankomme 310 . Insoweit bietet die Berufung auf die Rechtsprechung keine feste Grundlage für den Umkehrschluß und die damit begründete deliktische Erweiterung des Freizeichnungsverbots. Ein weiteres Argument für diese Erweiterung w i r d von Kötz 311 vorgebracht. Ein Dritter, der durch das Verhalten des Verwenders zu Schaden komme, könne — so Kötz — seine deliktischen Ansprüche ohne jede Beschränkung geltend machen; es bestehe kein vernünftiger Anlaß, dem Kunden solche Ansprüche nur deshalb zu versagen, weil er zu dem Verwender i n Vertragsbeziehungen gestanden habe. Hinzu kommt der schon vom Reichsgericht ausgesprochene Gedanke, daß durch den Vertrag das allgemeine Verbot der Verletzung eines absoluten Rechts individualisiert und verstärkt w i r d 3 1 2 . Diese und rechtspolitische Gründe, die sich aus dem Zweck des normierten Freizeichnungsverbots ergeben, sprechen also für seinen Übergriff auf die deliktischen Ansprüche. Denn nur dadurch läßt sich die gesetzlich erstrebte Risikoerweiterung zu Lasten des Verwenders ohne Hindernisse verwirklichen 3 1 3 . Dieser Standpunkt wurde neuerdings und i m Hinblick auf das AGB-Gesetz vom Bundesgerichtshof bestätigt 314 . Das oberste 308

So Koch / Stübing, A G B , § 11 Nr. 7, Rdnr. 5, S. 299. Hierzu vgl. auch Helm, Frachtrecht, § 429 A n m . 89 ff., S. D 97 ff.; siehe ferner: B G H v. 24. 5. 1976 ( V I I I ZR 10/74, Hamm) B G H Z 66, 315 (318 ff. m w N ) = B B 1976, 902; B G H v. 12. 7. 1973 ( V I I ZR 177/72) B B 1973, 1094; B G H (o. § 4 Fußn. 271) N J W 1977, 379 = B G H Z 67, 359; B G H v. 28. 4. 1953 (I ZR 47/52, Berlin) B G H Z 9, 301 = N J W 1953, 1180 m w N darüber, daß die V e r j ä h r u n g jeden Anspruches (aus Vertragsversetzung oder Delikt) seinen eigenen Bestimmungen folgt. 310 RG V. 13. 10. 1916 ( I I I ZS 145/16, Berlin) RGZ 88, 433 (436 f.); siehe auch RG ν. 28. 1. 1913 ( V I ZS 336/12, Köln) JW 1913, 376 (Nr. 7); RG (o. Fußn. 307) RGZ 88, 317 (318 f.); RG v. 28. 4. 1908 ( V I I ZS 324/07, Colmar) JW 1908, 432 f. (Nr. 7); vgl. noch B G H (o. Fußn. 307) B G H Z 46, 313 (318) m w N , wonach beim Begehen einer unerlaubten Handlung i m Straßenverkehr die Haftungserleichterung nach § 708 B G B nicht i n Betracht komme. 311 MüKo, A G B G § 11 Nr. 7, Rdnr. 57, S. 1501. 312 RG (o. Fußn. 310) RGZ 88, 433 (435); dazu siehe auch Georgiades, Die Anspruchskonkurrenz, § 18 IV, S. 205 m w N . 313 Vgl. oben bei Fußn. 303. 314 B G H v. 7. 2. 1979 ( V I I I ZR 305/77, Stuttgart) N J W 1979, 2148 f. = M D R 1979, 435. 309

230

Kap. I V : Organisationshaftung

Zivilgericht hat nämlich klargestellt, daß eine Freizeichnung bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit auch hinsichtlich einer unerlaubten Handlung nach § 11 Nr. 7 unzulässig ist. 2. Die Ausdehnung einer Freizeichnungsklausel

auf Deliktsansprüche

Da die Befreiung von der Haftung für leichte Fahrlässigkeit vom § 11 Nr. 7 zunächst als erlaubt erscheint, stellt sich die Frage, ob eine dahingehende Klausel auch deliktische Ansprüche erfaßt, und insoweit muß man i m Anschluß an Schlosser 315 diese Frage von der des Übergriffs des gesetzlichen Freizeichnungsverbots auf deliktische Ansprüche trennen. Hier geht es nämlich lediglich um die Ausdehnbarkeit einer Befreiungsklausel, was sicherlich eine Auslegungsfrage darstellt. Schlosser w i l l einer formularmäßigen Haftungsbegrenzung immer einen weitreichenden, die Deliktshaftung umfassenden Inhalt zuerkennen, ohne daß dies ausdrücklich festgehalten werden müßte 316 . Hierzu beruft er sich auf die bereits erwähnte neue BGH-Entscheidung 317 , welcher er grundsätzliche Bedeutung beimißt. I n der Tat w i r d i n dieser Entscheidimg auf eine ausdrückliche Einbziehung deliktischer Ansprüche i n die Freizeichnung verzichtet, ohne daß jedoch damit ohne weiteres eine extensive Auslegung bejaht wird. I m Gegenteil stellt das Gericht eine Reihe von Forderungen auf, an denen die hinreichende Deutlichkeit der betreffenden Klausel gemessen wird, wie etwa die systematische Einordnung der Haftungsfreizeichnung in die AGB, ihre Formulierung, die Zusammenschau aller derjenigen Klauseln, m i t denen sich der Verwender von seiner Schadensersatzpflicht freizeichnet. Unter Berücksichtigung der früheren Rechtsprechung, welche die Erfassung der Deliktsansprüche von einer formularmäßigen Haftungsbefreiung bald bejaht 3 1 8 und bald verneint 3 1 9 hat, muß man ferner auf die Auslegung der jeweiligen Klausel i m Einzelfall abstellen 320 , wobei aber als Mindestvoraussetzung für eine Umgehung des Restriktionsprinzips die hinreichende Deutlichkeit der aus315 A G B G , § 11 Nr. 7, Rdnr. 16, S. 277; vgl. ferner bereits Dietz, Anspruchskonkurrenz, § 12, S. 139. 316 Schlosser, AGBG, § 5 Rdnr. 12, S. 102. Anders Graf von Westphalen, N J W 1979, 838 (839 f.), der sich f ü r den Grundsatz der Anspruchskonkurrenz bei Vertrags- und Deliktshaftung ausspricht. 317 Wie Fußn. 314. 318 B G H (o. Fußn. 307) N J W 1975, 1512 (1513) - B G H Z 64, 355 allerdings m i t der Hauptbegründung, die auszulegende Haftungsausschlußklausel stehe i m Rang einer i m Verordnungsweg erlassenen Rechtsnorm; B G H (o. § 7 Fußn. 117) N J W 1962, 388 (389); B G H (o. Fußn. 309) B G H Z 9, 301 (306) = N J W 1953, 1180 verlangt jedoch eine ausdrückliche Abrede. 319 B G H (o. § 4 Fußn. 271) N J W 1977, 379 (381) - B G H Z 67, 359; B G H v. 23. 4. 1970 ( V I I ZR 150/68, Karlsruhe) VersR 1970, 677 (678 Ii. Sp.) = B B 1970, 898; B G H v. 24. 4. 1975 ( V I I ZR 114/73, Celle) N J W 1975, 1315 (1316). 320 Vgl. B G H (o. § 4 Fußn. 271) N J W 1977, 379 (381 Ii. Sp.) = B G H Z 67, 359.

§12. Ergebnisse

231

zulegenden Freizeichnung zu fordern ist 3 2 1 . Der Frage der Auslegung einer Freizeichnungsklausel w i r d dennoch i n der Regel keine praktische Bedeutung zukommen, sofern man von dem hier vertretenen Standpunkt ausgeht. Danach w i r d m i t Hilfe des § 9 I I Nr. 2 eine verschärfte, unabdingbare Verantwortlichkeit des Verwenders angenommen, die als Haftung für das Organisationsversagen sogar auf eine Einstandspflicht für alle schädigenden Handlungen der abhängigen Gehilfen hinausläuft. § 12. Ergebnisse

1. § 11 Nr. 7 stellt einen selbständigen Rechtssatz dar, der die Freizeichnungsgrenze des AGB-Verwenders i n beträchtlichem Umfang einengt. Die Statuierung eines Freizeichnungsverbots auch von der Haftung für die grob fahrlässigen Handlungen der Hilfspersonen bildet eine wichtige Neuerung. 2. Allerdings haben auch diese Haftungsverschärfungen die Diskussion um den Haftungsgrund und -maßstab des Verwenders nicht zur Ruhe gebracht. Durch eine entsprechende Auslegung des § 11 Nr. 8 w i l l man eine Erweiterung des Freizeichnungsverbots bis zur Grenze der leichten Fahrlässigkeit herbeiführen, wenn eine Vertragsverletzung i n Form von Leistungsunmöglichkeit oder Verzug vorliegt. Dieser Ansicht stehen jedoch vielerlei Gründe, vor allem aber die unterschiedliche Funktion der Nrn. 7 und 8 sowie dogmatische Bedenken entgegen. Auch i m Bereich der Mangelfolgeschäden sind Versuche zu verzeichnen, das Anwendungsgebiet der Nr. 7 zugunsten von Gewährleistungshaftung zu schmälern oder aber auch umgekehrt. Ein weiteres Zeugnis für den Willen, außerhalb der Nr. 7 zu einer Haftungssteigerung des Verwenders zu gelangen, bietet die „Kardinalpflicht"lehre. 3. Diese hat sich für das Anliegen dieser Arbeit besonders dienstlich erwiesen. Die Untersuchung der Rechtsprechung zeigt, daß es sich bei den „Kardinal-" u m Organisationspflichten handelt, deren Verletzung streng sanktioniert wird. Auch einer Freizeichnung des Verwenders von der Haftung für leicht fahrlässige Verstöße der Gehilfen w i r d die W i r k samkeit versagt. Angesichts der Konsolidierung dieser Judikatur durch § 9 I I Nr. 2 liegt es mehr als nahe, in dieser Vorschrift eine unabdingbare, bis zur Grenze der leichten Fahrlässigkeit hinunterreichende Verwenderhaftung für Organisationspflichtverletzungen verankert zu sehen. Dieser Standpunkt w i r d verstärkt durch eine Parallele zu der Warenherstellerhaftung sowie zu der imperitia-Haftung des römischen Rechts. 321

Vgl. auch Kötz, M ü K o , A G B G § 11 Nr. 7, Rdnr. 57, S. 1500 f.; CoesterWaltjen i n Schlosser / Coester-Waltjen / Graba, AGBG, § 11 Nr. 7, Rdnr. 37, S. 461 f.; vgl. ferner Dietz, Anspruchskonkurrenz, § 17 I I , S. 260 f.

232

Kap. I V : Organisationshaftung

4. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Entlastung von leichter Fahrlässigkeit bleibt indessen weiterhin bestehen. Die Probleme verschärfen sich insbesondere dann, wenn der abhängige Gehilfe des zulässig freigezeichneten Verwenders dem Vertragspartner einen Schaden zufügt. I n diesem Fall hieß das Dilemma bis jetzt: entweder den Arbeitnehmer einem Schadensersatzanspruch aussetzen oder das Haftungsprivileg auch auf ihn ausdehnen. Die erste Möglichkeit läuft auf eine Aushöhlung der zunächst anerkannten Freizeichnung des Arbeitgebers über den arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch des Beschäftigten gegen ihn hinaus. Außerdem w i r d damit der Interessenkonflikt sehr unbefriedigend gelöst. Die Alternative einer Erstreckung des Haftungsausschlusses auf den Arbeitnehmer läßt sich einerseits durch Auslegung der betreffenden Klauseln nicht gewinnen, während sie andererseits auf unüberwindliche dogmatische Bedenken sowie auf eine einseitige Benachteiligung des Geschädigten stößt. Die Lösung ist danach und i m Anschluß an Hanau und Egon Lorenz i n einem direkten Anspruch gegen den streng, unabdingbar haftenden Verwender zu suchen. Die Erscheinung des Unternehmens i n der Außenwelt als Organisationseinheit sowie die oben gewonnene Auslegung des § 9 I I Nr. 2 sollen hier die nötige Hilfe leisten. 5. I m Handelsrecht setzt man sich besonders intensiv m i t dem Unternehmensbegriff auseinander. Den Ansatzpunkt hierfür bildeten zunächst die Fragen der Übertragung und des Schutzes des Unternehmens, u m dieses später gesamtwirtschaftlich zu erfassen. Unabhängig davon, daß man bald die wirtschaftliche und bald die soziale Realität des Unternehmens i n den Vordergrund stellt, werden alle Untersuchungen von dem Gedanken durchzogen, daß es sich beim Unternehmen um eine Einheit, eine Organisation handelt, die jede Individualität, jede Tätigkeit des einzelnen i n sich aufnimmt. Diese Erkenntnis kann i m Bereich des Schadensersatzrechts zu der Begründung einer Organisationshaftung beitragen. 6. Danach soll die Organisation für einen von ihr ausgehenden Schaden aufkommen und zugleich das einzelne Organisationsglied (Schädiger-Arbeitnehmer) von einem Zugriff verschont bleiben. Aus dieser Haftung, die infolge der angenommenen Einheitlichkeit des Unternehmens verschuldensunabhängig zu sein hat, sollen nur ganz kleine Unternehmen ausgenommen werden, die keine Organisationen darstellen und i m Anschluß an T. Raiser den sog. small groups zuzuzählen sind. Einer Zurechnung des Schadens an das Unternehmen als Ganzheit stehen aus dogmatischer Sicht keinerlei Einwände entgegen, wie sich vor allem aus den dargelegten Ausführungen v. Gierkes, Matajas, Steinbachs, Bienenfelds ergibt. I n der Neuzeit schlägt Steindorff den Ersatz der individuellen durch die Unternehmenshaftung vor. Seinen Vorschlag beschränkt er allerdings auf Betriebe, die neben einer Qualitätskontrolle

§12. Ergebnisse

233

über eine Qualitätsregelung verfügen. Schließlich bietet die Dogmatik der Gefährdungshaftung Anhaltspunkte für den hier vertretenen Standpunkt. Insbesondere Müller-Erzbach sah i n dem Begriff des „gefährlichen Betriebs" das Mittel, womit man zu einer allgemeingültigen verschuldensunabhängigen Haftung der Unternehmen gelangen kann. 7. Die positivrechtliche Begründung der Organisationshaftung bereitet keine Schwierigkeiten, wenn man sich neben den dargelegten dogmatischen Gesichtspunkten noch die i m zweiten Kapitel gewonnene Erkenntnis vor Augen führt, daß sich eine strenge Haftung für Organisationspflichtverletzungen auf § 9 I I Nr. 2 stützen läßt. Hat man die organisatorische als „wesentliche" Pflicht anerkannt, so hat man zugleich angenommen, daß i n jener Vorschrift ein Teil der Organisationshaftung enthalten ist. Denn diese erfaßt auch die Haftung für das Organisieren des Unternehmens. Angesichts der angenommenen Einheitlichkeit des Unternehmens läßt sich jedoch eine Differenzierung zwischen Organisieren als Tätigkeit (Organisationsmangel) und Versagen der Organisation als Ganzes nicht mehr aufrechterhalten. Das Auftreten des Unternehmens als Organisation läuft auf eine Zurechnung der entstehenden Schäden an diese hinaus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sich die Schadensursache auf Organisations- oder Ausführungsfehler oder ob sie sich auf das Verhalten der organisierenden bzw. der ausführenden Glieder zurückführen läßt. Ausführungs- und Organisationsfehler werden also unter den gemeinsamen Nenner des Organisationsversagens gebracht. Durch diese Erweiterung w i r d die Haftung für Organisationsversagen von der Vorschrift des § 9 I I Nr. 2 erfaßt. 8. Was die persönliche Haftung des schädigenden Gehilfen angeht, muß man jedes Vorgehen gegen ihn verhindern, einerseits weil dies nur konsequent i m Sinne der hier vertretenen Einheitlichkeit des Unternehmens ist, und andererseits, weil § 9 I I Nr. 2 abweichend von den BGBGrundsätzen die individuelle durch eine Organisationshaftung ersetzt. Wenn es aber u m den Schadensersatzanspruch eines Verbrauchers geht, dann kann man eine individuelle Haftung des abhängigen Gehilfen für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht verneinen. Denn hier gibt es den § 11 Nr. 7, der anders als der § 9 I I Nr. 2 auf die Grundsätze der individuellen Haftimg baut. 9. Sofern Konkurrenzfragen eine praktische Bedeutung zukommt, muß man zweierlei feststellen: Das Freizeichnungsverbot des Verwenders greift auf Deliktsansprüche über. I m übrigen ist die Ausdehnung einer eventuell zulässigen Freizeichnung auf Deliktsansprüche eine Auslegungsfrage.

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Kurz-Lehr-