Freiräume(n): Entwerfen als Landschaftsarchitektur [2. Aufl.] 9783035626315, 9783035626179

"What does the landscape architect actually do as a designer?" The authors of this book investigate this quest

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Freiräume(n): Entwerfen als Landschaftsarchitektur [2. Aufl.]
 9783035626315, 9783035626179

Table of contents :
Inhalt
Von der ungebrochenen Aktualität des Entwerfens
Über Entwürfe reden – ein paar Einleitungen
In Gestalt von Landschaft
[1] Gestalt und Gestaltung
[2] Entwerfen und Entwurf
[3] Raum - Ort - Weg
[4] Gestaltqualitäten
Literatur
Autoren

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Freiräumen

Birkhäuser – Verlag für Architektur Basel

Korr_dt.indd 2



Berlin



Boston

25.11.13 14:10

Hans Loidl_Stefan Bernard

Freiräumen reiräumen Entwerfen als Landschaftsarchitektur ..

Uberarbeitete und erweiterte Neuausgabe

14:10

[1] Gestalt und Gestaltung

[ 2 ] E n t we r f e n u n d E n t w u r f

[ 3 ] R a u m - O r t - We g

VI     

Von der ungebrochenen Aktualität des Entwerfens Vorwort zur überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe

6 8 12 14 14 16 17 18 18 20 21 22 23 26 29 29 31 31 33 33 34 35 36 37 39 40 44 46 48 48 49 55 56 58 62 62 64 65 66 68 70 76 77 80 82 85 90 91 94 96 97

Ü b e r E nt wü r f e re de n – e i n p a a r E i n l e i t u nge n I n G e st a l t vo n La nd sc h a f t P u n kt - Li n ie - F l ä c he - K ö r p e r O rd nu ng F o r m u nd G e st a l t Zu s a m m en h a n g u n d Vo r er fa h r u n g G e st a l t S u p er i er u n g G e st a l t ko m p o ne nt e n Induktion G e st a l t u ng Zu s a m m en h a n g l a n d s ch a f t s a r ch i t ek t o n i s ch er O b j ek t e

Inhalt

Zwi sc he n Ko pf u nd Ha nd E nt we r f e n D e r E nt wu r f I n t er s u b j ek t i v i t ä t I nt e nt io n K re a t i vi t ä t B i f u r ka t i o n D er ü b l i ch e E n t w u r fs w eg A r b ei t s m o d el l zu m E n t w u r fs p r o zes s ( D a r ke, L a w s en ) We g u nd Zie l R a h me n b e d i ng u nge n Ze iche n u nd I n h a l t 3.1 Raumbildung („Raum”) Raum La nd sc h a f t sa rc h i t e kt o n i sc he R ä u me 4 S ä t z e de r l a nd sc h a f t sa rc h i t e kt o n i sc he n R a u m b i l du ng D e r „re i ne ” R a u m D ie Ze r - S t ö r u ng de s „re i ne n ” R a u me s R a u ma nde u t u nge n R a u m fo l ge n - R a u ma b st u f u nge n Vo n ge sc h l o sse ne n z u of f e ne n R ä u me n R a u mg re n z e n F l ä c he ne i n he i t l ic h ke i t R a u m g r ö ß e i n A b h ä n g i g kei t vo n m en s ch l i ch er N ä h e R a u m u nd R a u mwi r ku ng D a s m en s ch l i ch e S eh f el d R a u m w i r k u n g u n d P f l a n zen R a u m b i l du ng du rc h H ö he nu nt e r sc h ie de H ö he nu nt e r sc h ie de u nd R a u mwi r ku ng P f l a n z u ng zu r o p t i sc he n R e l ie f ä nde r u ng D e r Ha i n 3.2 Schwerpunktsetzung („Ort”) S c h we r p u n kt B e so nde re La ge D i e G er a d e u n d d er r ech t e Wi n kel B e t o nt e ( ge st a l t e r i sc he ) S c h we r p u n kt e

3.3 Bewegung und Erschließung („Weg”) B e we g u ng – Mo t i v u nd R e a kt io n Vo ra u ssc h a u e nde O r ie nt ie r u ng D e r „ u na u f me r ksa me ” Au f t r i t t „Tr a m p el pfa d ” – d er A r ch et y p d es Weg es Po si t i ve Le n ku ng Ä u ß e re u nd i n ne re E r sc h l ie ß u ng Aufg a b e n /Zie l e de r i n ne re n E r sc h l ie ß u ng We g u nd Zie l We g ve r l a u f u nd S ic ht b e zie hu nge n We g z e ic he n u nd We g ma r ke n B ä u me a l s We g ma r ke n Ko l o n n a d en u n d A r ka d en We g ge l e n ke D ie ( S i t z- ) B a n k – A r ch et y p d es Ver - h a l t en s We gene t z We g f ü h r u ng u nd F l ä c he n nu t zu ng We g f ü h r u ng u nd R a u m fo r m We g u nd R a u m fo l ge n 4.1 Grundlagen guter Gestalt G e st a l t u nd Zu sa m me n h a ng E i n he i t l ic h ke i t du rc h G e me i nsa m ke i t G e me i nsa m ke i t de r La ge G e me i nsa m ke i t i m E r sc he i nu ng sb i l d Ide e l l /t he ma t i sc he G e me i nsa m ke i t Unt e r sc h ie d l ic h ke i t R eic h h altig ke i t – D ie S t ö r u ng de r E i n he i t l ic h ke i t 4.2 Merkmale guter Gestalt A n re g u ng /Unsic he r he i t S p a n nu ng G e wic ht ig ke i t /Au sge wo ge n he i t Ha r mo n ie Ve r b i nde nde Ide e /The ma /Ko n ze p t D e u t l ic h ke i t E i n fa c h he i t 4.3 Werkzeug Wiederholung W ie de r ho l u ng Struktur Mu st e r R a st e r Va r ia t io n Tra nsfo r ma t io n R hyt h mu s P ro p o r t io n Ma ß s t ä b l i ch kei t Ze ic he n

102 103 103 104 109 110 111 111 114 118 120 122 124 126 132 134 134 136 140 144 146 147 147 148 150 150 152 154 158 159 161 164 165 166 168 168 172 173 176 176 177 178 179 181 181 182 183

Li t e ra t u r Au t o re n

188 190

[4] Gestaltqualitäten

Von der ungebrochenen Aktualität des Entwerfens Vorwort zur überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe

Entwerfen ist eine besondere Handlungskompetenz. Als „Kulturtechnik des konkreten Machens“ liegt die Besonderheit von Entwerfen darin, aus einer hochkomplexen Gemengelage von ortsspezifischen Rahmenbedingungen, Anforderungen und Handlungsbedarfen hilfreiche, schlüssige und wertige (Gesamt-)Lösungen zu entwickeln. Hierzu wenden Entwerfer*innen (praktisches) Handlungswissen an, greifen auf Bewährtes und Erprobtes zurück, nutzen ihr umfangreiches Wissensarchiv an Vorbildern und bewerten deren „Passung“, also die konkrete Eignung für eine gesamtheitliche Lösungsfindung. Freiräume(n) als Grundlagenwerk beschreibt und vermittelt dieses Handlungswissen, dient nicht zuletzt dazu, entwurflich-handwerkliche FehVI

ler zu reduzieren. Freiräume(n) – dies sei an dieser Stelle betont – ist allem voran das Vermächtnis des bedeutend zu früh verstorbenen Landschaftsarchitekten und Hochschullehrers Hans Loidl. Nach Abschluss eines Forstwirtschaftsstudiums

wechselte er in die Landschaftsarchitektur, beschäftigte sich mit städtebaulichen und geisteswissenschaftlichen Fragestellungen, entwickelte Projekte im Sinne der von ihm geliebten „Stadtökologie“ und experimentierte früh mit Pflanzenverwendungen und Regenwassermanagement im urbanen Kontext. In den frühen 1980er Jahren – in etwa zur Zeit seiner Berufung zum Professor für Landschaftsarchitektur an der TU Berlin – begann Loidl mit ersten Skizzen für die vorlesungsbegleitenden „Materialien zu einer Morphologie des Freiraumentwurfes“ (besser bekannt als „Loidl-Skript“), der inhaltlichen Blaupause des vorliegenden Buches. Und legte – in leidenschaftlicher Opposition zum vorherrschenden Zeitgeist – den Fokus auf konkrete Werkzeuge und Handlungsempfehlungen für das Entwerfen qualitätsvoller Freiräume. Denn die Landschaftsarchitektur hatte sich zu ebenjener Zeit weitestgehend von ihrer gewachsenen Berufstradition als gestaltende Disziplin verabschiedet und sich den Fängen zweier Wissenschaftszweige ergeben: der Ökologie und der Soziologie [1]. In den Folgejahren der 1960er Revolten prägte zunächst die Ökologie die Profession, man kämpfte für

[1] Vgl. zu nachfolgendem auch: Bernard, S., „Nicht Ökologie, nicht Kunst – Gedanken zum Wesen der Landschaftsarchitektur“, in: Stadt & Grün, 01.2005, 7 ff.

mehr „Natur“ und gegen eine als eintönig empfundene, technologieorientierte städtische Realität. Ökologisch wurde mit „Natur“ gleichgesetzt und dies versprach allumfassende Qualität. Slogans wie „Zurück zur Natur“ und programmatische Schriften wie Louis Le Roys Natur ausschalten – Natur ein-

VII

schalten trafen den Nerv der Zeit: „Man soll wachsen lassen, was wächst und menschliche Eingriffe auf das Allernotwendigste beschränken – die Na[2] Roy, L. G. le, Natur ausschalten – Natur einschalten, Klett-Cotta, Stuttgart, 1978, Klappentext. [3] Ebda.

tur ordnet sich schon selbst.“ [2] Vor diesem Hintergrund hatte Gestaltung als Ausdruck menschlichen Schaffens einen schweren Stand, galt als undemokratisch und un-„natürlich“. Vielmehr ge-

fiel sich die Landschaftsplanung in der Rolle der Naturforscher: „Planung bedeutet, sich selbst und andere festzulegen, und das steht im Widerspruch zu meinen Ideen“, so Le Roy [3]. Natur ist gut, Entwerfen schlecht. Parallel dazu war auch ein Teil der Kunstwelt auf der Suche nach neuen Ansätzen, um auf veränderte gesellschaftliche Bedingungen zu reagieren. Es wurde nach Möglichkeiten gesucht, die nichts weniger als die Gestaltung sämtlicher gesellschaftlicher Formen und Zusammenhänge zum Ziel hatten. Der „erweiterte Kunstbegriff“ war geboren, dessen ideale Konsequenz ja mit darin bestand, dass jeder Mensch sich plötzlich mit seiner neuen Rolle als Künstler auseinandersetzen sollte. Oder eben mit jener als Freiraumplaner. VIII

Eine im Grunde sympathische, verlockende Vorstellung: Alles offen, jeder darf mitreden, keine Hierarchien. Geballte Kompetenz allenthalben. Womit die Stunde der Soziologie in der Landschaftsarchitektur eingeläutet war. Im Gegensatz zur Naturwissenschaft Ökologie, deren Forschungsgegen-

stand die Wechselwirkung zwischen Lebewesen und Umwelt ist, beschäftigt die Gesellschaftswissenschaft Soziologie die Frage nach den Beziehungen der Lebewesen untereinander, deren Gesellschaftsformen und Verhaltensmuster. Gewahr der Tatsache, dass eine zunehmend ideologischer agierende Ökologiebewegung ihr Versprechen, sämtliche planerischen Probleme zu lösen, doch nicht erfüllen konnte, wurden soziologische Ansätze von den Landschaftsarchitekt*innen dankbar aufgenommen: Aus Naturbetrachter*innen wurden Menschenbeobachter*innen und -begleiter*innen, die Profession begab sich auf die Suche nach ultimativer Nutzerkonformität und wissenschaftlich orientierter Objektivität, gefiel sich in der moderierenden Vermittlerrolle zwischen den Partikularinteressen der Planungsbeteiligten. Und entfernte sich weiter vom Anspruch, Fachdisziplin für die (konkrete) Gestaltung von Freiräumen zu sein. Nicht zuletzt an den Hochschulen genossen die vorgenannten Einflüsse großen Zuspruch, während Entwurfslehrstühle wie etwa jener von Hermann Mattern an der TU Berlin nach dessen Emeritierung zunächst unbesetzt blieben. Erst die „Landschaftsarchitekturrevolte“ (maßgeblich vorangetrieben in den 1980er Jahren durch die Professoren Loidl, Hallmann, Weckwerth und Wenzel) mit ihrer Abwendung von den Wissenschaften und Hinwendung zur Stadt sowie einer Orientierung an der Architektur leitete einen Paradigmenwechsel ein.

IX

Freiräume(n) ist mithin ein Kind seiner Zeit. Und gleichzeitig ihr geballter Gegenentwurf: Einem gestaltungsfeindlichen, durch Dogmen, schlechte Laune und viel Larmoyanz („... die bösen Architekten hören nie auf uns tolle Landschaftsplaner ...“) geprägten Hochschulwesen wird mittels eines anregenden Werks des konkreten Machens begegnet, vermeintlich quantitativ messbaren „Wahrheiten“ wird der Aspekt der „Gestaltqualität“ entgegengesetzt und durch Bezüge in die (Gestalt-)Psychologie und die Systemtheorie inhaltlich verankert. Hinter all dem steht eine aufklärerische Grundüberzeugung: Große, vermeintlich allgemeingültige Ideen und Haltungen bieten keine hinreichenden Antworten auf die einen konkreten Ort prägenden Kräfte aus spezifischen Eigenheiten, Handlungsbedarfen und beteiligten Planungsakteuren. Denn große Ideen sind zwangsläufig unspezifisch und stoßen spätestens dann an ihre Grenzen, wenn in der konkreten Gestaltung von Freiräumen handwerklich-kompositorische Fehler gemacht werden. Oder um es mit Hans Loidl X

auszudrücken: Generalrezepte helfen eher gegen die Unruhe im Kopf als [4] Loidl, H., „Arbeitsthesen zu Stadt und Ökologie“ für einen Vortrag im Rahmen der „International Convention of Bioarchitettura“, Padua, 1992, unveröffentlicht

gegen die „Unwirtlichkeit“ der Stadt [4]. Insofern versteht sich Freiräume(n) allem voran als entwurfsbegleitender „Werkzeugkas-

ten“, aus dem sich die Entwerfenden nach Bedarf und Dafürhalten bedienen können und diesen mit eigenen Gedanken, Ansätzen und Ergänzungen an-

reichern sollen: eine Sammlung von Handlungswissen zum Zwecke der Umsetzung der jeweils eigenen Haltung und Entwurfsidee. Heute, gut 20 Jahre nach Erstveröffentlichung von Freiräume(n), hat sich die Landschaftsarchitektur (zumal in Deutschland) als geschätzter Akteur für Stadt-Gestaltung etabliert. Bauvorhaben ohne die aktive Beteiligung von Landschaftsarchitekt*innen sind heute kaum mehr denkbar. Großen Anteil daran hatten nicht zuletzt die Entwicklungen in den 1990er Jahren mit ihrer Abwendung von den Wissenschaften und dem Wiedererstarken des konkreten Entwerfens (und Bauens). Diskussionen verlagerten sich von sektoralen Behauptungen hin zu einer gesamtheitlichen (kritischen) Reflexion konkreter Projekte und Entwürfe. Ausgehend von den gerne besuchten und intensiv diskutierten Freiraumvorbildern aus Barcelona, Frankreich und den Niederlanden wurde in Anlehnung an die Arbeitsweise der Architekten weniger geredet als vielmehr getestet, ausprobiert. Und wieder verworfen. Der iterative Entwurfsprozess als gewinnbringende Methode der Erkenntnis wurde auch für die Landschaftsarchitektur wiederentdeckt, die zuvor allgegenwärtigen Problemanalysen wurden durch das optimistische Ausloten von Handlungsmöglichkeiten ersetzt. Auch dieses Werk, Freiräume(n), hat unzweifelhaft einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Wertschätzung der Landschaftsarchitektur in der aktuel-

XI

len Planungswelt geleistet. Und schlussendlich – gemeinsam mit den vielen wunderbaren, entwurfsbegabten Landschaftsarchitekten*innen – dazu beigetragen, dass die Profession ihre verloren geglaubte gestalterische Kompetenz und Würde zurückerlangen konnte. Heute prägen erneut große Ideen und Schlagworte die Planungsdebatten, wieder sind es nicht zuletzt die Hochschulen, die viele dieser Ideen auf den Altar der ultimativen Messlatte für Qualität hieven möchten. Genannt seien etwa Begriffe wie Nachhaltigkeit, Klimawandel, Resilienz, Cradle to Cradle, Alltagstauglichkeit, Bürgerbeteiligung, Animal Aided Design, Schwammstadt, Design for all etc. Aspekte also, zu denen sich zeitgenössische Entwerfer*innen ohne Zweifel zu verhalten haben. Und dies auch tun. Aspekte jedoch, die zunächst nicht mehr sind als zusätzliche Rahmenbedingungen und Aspekte, die wir Gestalter*innen in unseren entwurflichen Abwägungen und Entscheidungen mit zu berücksichtigen haben.

XII

Und so sei an dieser Stelle leidenschaftlich und mit Nachdruck all jenen widersprochen, die Ihre jeweiligen sektoralen Steckenpferde als primären Maßstab für eine Qualitätsdiskussion von Freiraumentwürfen ins Feld führen wollen: So funktioniert Entwerfen nicht, so entstehen keine qualitätsvollen, zukunftsweisenden Stadträume.

Denn: Entwerfen ist eine besondere Handlungskompetenz. Kein Aneinanderreihen von Einzelbedarfen und -aspekten. Als „Kulturtechnik des konkreten Machens“ liegt die Besonderheit des Entwerfens darin, aus einer hochkomplexen Gemengelage von ortsspezifischen Rahmenbedingungen, Anforderungen und Handlungsbedarfen hilfreiche, schlüssige und wertige (Gesamt-)Lösungen zu entwickeln [5].

[5] Wer jemals damit konfrontiert war, zwischen dem Erhalt eines Bestandbaumes (Stichwort „Klimaschutz“) und der stolperfreien Erschließung für ältere Menschen (Unebenheiten durch Wurzelbildung, Stichwort „Design for all“) abzuwägen, wird schnell gewahr, dass nur durch entwurfliche Kompetenz (und nicht durch Festklammern an einer vorgefertigten Grundhaltung) eine gute Lösung gefunden werden kann.

In diesem Sinne bleibt dieses Buch unabdingbar, wenn wir gute Freiräume schaffen möchten. Denn: Haltung wird erst durch die kompetente Handlung der Entwerfer*innen zu räumlicher Qualität. Die dafür erforderlichen handwerklichen Grundlagen haben wir in diesem Buch dargelegt. Sie haben Ihre Gültigkeit und Aktualität nicht verloren. [Stefan Bernard, Juni 2022]

XIII

Über Entwürfe reden – ein paar Einleitungen

Kann man(n) über Entwürfe reden, sich über ihre Qualitäten und Mängel in Worten austauschen, oder sollte frau möglichst viele Entwürfe und ihr Entstehen (Vorskizzen, Gestaltbausteine) zeigen? Kann es überhaupt eine Verbalisierung von Entwurf geben, die mehr ist als die umgangssprachliche Umsetzung dessen, was der Entwurf längst klarer und eindeutiger aussagt? Und damit nicht genug: Woran sollen wir ein solches Sprechen – wenn wir es denn für möglich halten – messen? Wissen wir doch nur allzu genau, dass Entwürfe in hohem Maße ambivalent, in vielen Details verschlossen oder notwendig ungenau sind, oder dass auch Informationen, welche für eine Verwirklichung essenziell sind, dem Betrachter geradezu vorenthalten werden. Müsste man(n) nicht schnellstmöglich vom toten Konstrukt, in das der analysierende Zugriff die Entwürfe nur allzu rasch verwandelt, zum lebenden Werk, oder wenigstens zu möglichst wirklichkeitsnahen Bildern, zum Reden über das Konkrete weit eher als über das (gezeichnete) Abstrakte kommen? Die Tatsache des unausgesetzten, historisch ebenso verbürgten wie gegenwärtigen Redens über Entwürfe – in Jurys und Fachzeitschriften, in Präsentationen oder innerhalb der Entwurfsgruppen selbst – legt die Möglichkeit eines leistungsfähigen Zusammenhangs zwischen Wort und Entwurf jedenfalls nahe. 6

Ein Grund könnte darin liegen, dass die Zeichen-Sprache und die Wort-Sprache sehr verschiedene Kodierungen sind. Eine (wechselweise) Übersetzung erscheint daher hilfreich und notwenig, um eine spätere Wirklichkeit von der „Verführung” durch die Entwurfspräsentation zu unterscheiden. Also Sprache verwendet als wirksames Korrektiv gegen die Unschärfen und Täuschungen durch Farben und grafische Spielereien, wider die rührenden „Images”, die „schönen Bilder”. Das wäre ein „aufklärerisches” Argument. Es reicht natürlich nicht.

Der zweite Grund steckt ebenfalls in den Kodierungen. Der Übersetzungsdruck vom grafischen Zeichen in ein Sprachzeichen, von Bildern in Wörter, ist immer ein Abstraktionsschub, eine sprachliche Reduktion auf das Wesentliche im Bild. Durch diese verbale Transformation werden „automatisch” Prinzipien klarer oder erst entdeckt, Themen ersichtlich, Zusammenhänge erkennbar. Wenn wir nicht über Entwürfe reden (können), vergeben wir eine ebenso einfache wie wichtige Chance einer Qualifizierung von Entwürfen. Die Gegenrichtung, die Übersetzung sprachlicher Abstraktionen z.B. in ihre grafischen Entsprechungen (Pictogramme) ist ebenso wichtig und eine der schwierigsten und aufreibendsten Tätigkeiten der Entwurfsvermittlung überhaupt (jeder, der selbst schmerzlich und endlos über die richtige pictogrammatische Darstellung eines gesprächsweise schon völlig klaren Prinzips grübelte, weiß das nur allzu gut).

Der dritte Grund – und wichtig für das Entstehen dieses Buches – fällt vom bisherigen Argumentebaum wie ein reifer Apfel: Reden kann ich sinnvoll und ergiebig über etwas nur, wenn meine Gesprächspartner „die gleiche Sprache sprechen”, mich verstehen und ich sie, d.h. wenn das Bedeutungsfeld meines Wortes/Begriffes mit dem der Gesprächspartner weitgehend übereinstimmt. Und hier kommt der Haken: Was für die exakteren Wissenschaften selbstverständliche Anforderung ist, für viele geradezu konstitutiv, nämlich ein grundsätzliches Einverständnis über gewisse Begrifflichkeiten, ist für die Landschaftsarchitektur, Architektur und ähnliche entwerfende Disziplinen (leider?) nicht der Fall. Hier herrscht ein Begriffs-Babel, das es abenteuerlich macht, sich überhaupt an Entwurfs-”beschreibungen” zu wagen. Und solange wir nicht (einigermaßen) verstehen, was wir einander sagen wollen, ist es ein müßiges (aber oft gespieltes) Spiel, miteinander über Entwürfe zu reden. Können wir nicht darüber reden, Qualitäten und Mängel nicht präzise benennen, geht eine wesentliche Chance zu ihrer Verbesserung verloren [1]. Dieses Buch versucht also – ist vielmehr dazu gezwungen – genauere Begrifflichkeiten über Entwurfsinhalte, -komponenten und -qualitäten zu verwenden, in der Hoffnung, dass dadurch nicht nur der Inhalt selbst lesbar verständlich wird, sondern es vielleicht ein Angebot sein könnte, das Sprach-Babel der Landschaftsarchitektur etwas zu vermindern.

[Hans Loidl, Juni 2002]

[1] „Man soll immer sagen, was man sieht. Und vor allem – und das ist noch schwerer – soll man sehen, was man sieht.” (Le Corbusier)

7

In Gestalt von Landschaft

Auf einer medizinischen Tagung im Jahr 1837 referierte der französische Arzt Marc Dax über Untersuchungen von [1] Aphasie: Als Folge von Hirnerkrankung auftretende Unfähigkeit zu sprechen bzw. Gesprochenes zu verstehen. Schwierigkeit, rechtshemisphärisch, intuitiv Erfasstes linkshemisphärisch, logisch zu verarbeiten.

Menschen mit Aphasie [1]: Er hatte beobachtet, dass diese Patienten durchwegs eine Schädigung der linken Hirnhälfte aufwiesen, wohingegen die rechte unversehrt schien. Dax schloss daraus, dass unsere beiden Hirnhälften jeweils unterschiedliche Funktionen steuern, und die linke Hemisphäre

für unsere Sprachfähigkeit verantwortlich ist. Entgegen dem damaligen Unverständnis für Dax’ Thesen gehört die „Zweihirn-” oder „Hemisphärentheorie” heute mit zu den Grundfesten moderner Hirnforschung: Ihr zufolge basiert menschliche Wahrnehmung und Informationsverarbeitung auf einer Interaktion zwischen der intuitiven, auf rasches Erkennen und Begreifen von Zusammenhängen, von Gestalt und Raum spezialisierten rechten Hirnhälfte und der logischen (verbalen), analytisch und sequenzierend (linear) arbeitenden linken Hirnhälfte. Für die vorliegende Publikation, die sich mit Entwerfen, mit Gestaltung (landschaftsarchitektoni[2] Abstraktion i.S.v. Reduzierung von Vielfalt: Das Ausblenden von (Detail-) Informationen mit dem Ziel, Wesentliches (klarer) sehen zu können.

scher Objekte) beschäftigt, sind die genannten Erkenntnisse von entscheidender Bedeutung: Gestaltwahrnehmung (also auch Landschafts-, Raum- oder Naturwahrnehmung) ist eine rechtshemis-

phärische Tat; die Vielzahl von auf uns einwirkenden Einzelinformationen wird von unserem Gehirn zu „einfachen”, 8

handhabbaren Zusammenhängen (Gestalten) abstrahiert [2]. Ernüchternd für alle Entwerfenden: Tatsächlich spielt für die Gestaltwahrnehmung landschaftsarchitektonischer Objekte die „eigentliche” Gestaltung, also das von den Entwerfenden Erdachte und Realiserte, nur eine begrenzte Rolle. (Mit-) Entscheidend dafür ist vielmehr eine weitere Anzahl von Paramentern, von situativen Variablen, die kaum im Einflussbereich der Gestaltenden liegen. Hierzu gehören das Wetter (Regen, Sonne, dunkle Wolken, aufgelockerte Bewölkung, Hitze, Kälte, Sturm, leichte Brisen etc.) ebenso wie die Jahreszeiten, die Tageszeiten (das

unglaubliche Farbspiel bei Sonnenaufgang, die harten Schatten um die Mittagszeit, das weiche Licht der Dämmerung etc.), die Anzahl der Mitnutzer (die fröhliche Schulklasse auf dem Hauptweg, das verliebte Paar am Waldrand etc.), aber auch das im Gebüsch singende Rotkehlchen bzw. der pöbelnde Betrunkene auf der Bank nebenan etc. Die Aufzählung ließe sich beliebig erweitern. All diese Parameter sind „einfach da”, sind mehr oder weniger gleichzeitig wirksam, nur eben in unterschiedlichen Ausprägungen, in unterschiedlichen Kräfteverhältnissen zueinander. Landschaftsarchitektonische Objekte müssen diese Faktoren schlicht und einfach „über sich ergehen lassen”, „erdulden”, manchmal auch „erleiden”. Häufig jedoch sind es genau diese Unvorhersehbarkeiten, die im Zusammenspiel mit gestalteter Landschaft Augenblicke von intensiver Harmonie erst möglich machen.

Gestaltwahrnehmung (von Landschaftsarchitektur) als rechtshemisphärische Erfahrung ist somit immer mehr, ist viel komplexer, vielschichtiger als das, was tatsächlich durch die Entwerfenden beinflussbar ist. Worin aber besteht nun die entwurfliche Tat der Landschaftsarchitekten? Die – zugegebenermaßen materialistische – Antwort muss lauten: Landschaftsarchitekten verteilen körperhafte Dinge auf einer topografisch/strukturell bearbeiteten Fläche; sie entwerfen Anknüpfungspunkte, Indizien, mit dem Ziel, die Gestaltbildung (Raumbildung) durch die Nutzer (sanft) zu be- und geleiten.

Vor dem Hintergrund der Vielschichtigkeit von Gestaltwahrnehmung haben wir uns in diesem Buch auf das „Machbare”, das linkshemisphärisch Sagbare beschränkt, haben das Phänomen „Landschaftsarchitektur” vor allem auf das „Be-greifbare”, „Fassbare”, also auf das Morphologische reduziert

Wir hoffen, dass dieses erkennbar wird.

[Stefan Bernard, April 2003]

9

Dich im Unendlichen zu finden, musst unterscheiden – und dann verbinden. J.W. Goethe

[1Gestalt ] und Gestaltung 12

Gestaltung sucht Gestalt. Gestalt ist Zusammenhang, ist Einheit. Gestaltung ist Reaktion auf und Schaffen von Beziehungen. Im Zentrum stehen immer wir

. Ohne uns gäbe es

weder Gestalt noch Gestaltung. Deshalb beschäftigt sich dieser erste Abschnitt mit dem Phänomen der Gestalt und deren Perzeption durch den Menschen. Wir werden zeigen, wie unser Kopf aus einer

ein

macht, und warum aus Form Ge-

stalt werden kann. Wir werden sehen, dass wir selten das sehen, was wir zu sehen glauben

und warum Gestalt das mentale

Resultat unserer subjektiven Vorerfahrung ist. Wir werden zei13

gen, dass wir ein

immer als ein

sehen, auch wenn es

unterschiedlich aussieht. Schließlich werden wir sagen, was das alles mit Freiraum und dessen Gestaltung zu tun hat.

Punkt-Linie-Fläche-Körper Der

Punkt ist dimensionslos und ungerichtet; er ist ohne räumliche Ausdehnung und damit für den Menschen weder vor- noch

darstellbar. Punkte können in der zeichnerischen Darstellung nur über kleine, rundliche Flächen

angenähert werden. Die

Linie, als eindimensionales Phänomen ist eine Weiterentwicklung des Punktes, sozusagen eine gerichtete Punktfolge [1] Ideen, im Sinne Platons, sind Phänomene, die in unserem Bewusstsein existieren, obgleich sie niemals von unseren Sinnen (unserer Vorerfahrung) erfasst worden sind.

Fläche

. Die

. Daraus folgt, daß auch die Linie eine Idee [1] ist, die sich unserer Vorstellung entzieht. Als Annäherung bedienen wir uns in der zeichnerischen Darstellung einer langgezogenen

Fläche besitzt zweidimensionale Ausdehnung. Auch sie existiert nur als Idee, da jede noch so dünne Flä-

che eine Dicke, also eine Ausdehnung in der dritten Dimension besitzt (und damit zum Körper wird). Zeichnerisch können Flächen über Umrisslinien (die Kontur)

und/oder über den Flächeninhalt

dargestellt werden. Zur

Darstellung des Flächeninhaltes stehen uns Punktgefüge (Texturen) oder Farben zur Verfügung.

, Abfolgen von Linien (Strukturen)

Körper sind dreidimensional, und bilden somit die „realen” Bestandteile der

uns umgebenden und mit unseren Sinnen wahrnehmbaren Umwelt. Dennoch bedarf ihre zeichnerische Vermittlung des Rückgriffs auf die Darstellungsweisen der ersten und zweiten Dimension (Punkt, Linie, Fläche).

Ordnung Wird ein Körper zeichnerisch durch seine Konturlinien dargestellt [2] Vorausgesetzt eine entsprechende Seh-Vorerfahrung (vgl. S. 17: „Zusammenhang und Vorerfahrung”).

, sehen wir ihn [2] als dreidimensional, körperhaft.

Wird zur Darstellung eines Körpers seine Oberfläche (z.B. durch eine Schraffur) gewählt

darf es zum Verständnis („Aha, ein Körper!”) mehrerer, unterschiedlicher Ordnungen der gewählten Struktur 14

, be. Der Begriff

Ordnung meint die Regelhaftigkeit im Nebeneinander (in der An-Ordnung) von Einzeldingen (hier: Linien). Die Linie selbst ist wiederum der Ordnungsbegriff (der Zusammenhang) für die regelmäßige Abfolge von Punkten

(siehe oben). Eine Fläche

ist Ordnungsbegriff für die flächige (zweidimensionale) Anordnung mehrerer umgebender Einzellinien (Umrisslinien) auch der Zusammenhang einer punkte bildet hier den Umriss der Fläche.

oder mehrerer Strukturen (Liniengefüge)

; sie kann

sein. Die ideelle Linie entlang der End-

Strukturen (Liniengefüge) und Texturen (Punktgefüge) werden über ihre An-Ordnung flächig wirksam. Je gleichartiger, einheitlicher sie sind, je deutlicher sie sich als etwas Gemeinsames von ihrer Umgebung unterscheiden, desto präziser zeichnet sich die Umriss-Form der Fläche ab, desto deutlicher wird deren Eigenständigkeit im Kontext.

15

> Flächen durch Strukturen und Texturen

Die gleichzeitige Darstellung von Körpern oder Flächen durch Umrisslinien (Kontur) und Flächencharakter (Struktur, Textur, Farbe) ist meist wenig empfehlenswert. Wenn aber doch, so gilt: je schwächer eine Fläche durch die Kontur bezeichnet ist, desto deutlicher (einheitlicher im Kontrast zur Umgebung) sollte der Flächeninhalt sein. Und umgekehrt.

Form und Gestalt Umrisslinien, Strukturen, Texturen, Farben und Helligkeitsunterschiede sind unsere (begrenzten) Mittel, um Flächen und Körper zeichnerisch darzustellen; gleichermaßen sind sie die Voraussetzung, um Körper, also die gesamte uns umgebende dreidimensionale Welt, überhaupt sehen [3] zu können. [3] Was wir „sehen”, ist ein zweidimensionales Abbild der dreidimensionalen Welt auf unserer Netzhaut.

Für die komplexen Handlungsbedürfnisse des menschlichen Daseins genügt es jedoch nicht, Körper nur

zu erkennen; es ist vielmehr notwendig, einzelne Körpertypen voneinander unterscheiden zu können. Dazu „geben” wir Ihnen Gestalt, indem wir verschiedenartige Körper zu Einheiten zusammenfassen, um unserere Umwelt schneller erkennbar zu machen. Gestalt ist also ein Begriff für typische (An-)Ordnungen unterschiedlicher Eigenschaften, die es uns aufgrund unserer Vorerfahrung 16

ermöglichen, zwischen sichtbaren Eigenschaftengefügen (Körpern) zu unterscheiden, indem wir charakteristische Kombinationen solcher Eigenschaften zu größeren Einheiten zusammen sehen. Solche für unsere Erfahrung typischen, sich deutlich vom Umgebenden (Kontext) abhebende Gebilde aus visuellen Einzelinformationen nennen wir Gestalt. Die Begriffe Form und Gestalt können für (zweidimensionale) Liniengefüge analog verwendet werden. Bei Körpern ist „Form” jedoch eine Vorstufe zur „Gestalt”: ihre (Umriss-)Linien bilden Formen, die sich zu Gestalten zusammenfassen lassen.

> Zusammenhang und Vorerfahrung Die Suche nach Zusammenhängen, nach charakteristischen Einheiten, ist ein essenzieller Teil unserer Umwelterfassung und geschieht in jedem Sekundenbruchteil, mit jedem Blick. Aus einer Vielzahl von Einzelinformationen und Sinneseindrücken suchen wir „automatisch” unentwegt Einheiten, die wir aufgrund unserer Vorerfahrung erkennen und in der Regel auch benennen können (Fenster, Haus, Wolken, Leiter etc.). Eine beliebige Zeichenmenge eines Augenblicks wäre zu einer Unzahl verschiedener Zusammenhänge (Gestalten) kombinierbar; wir entscheiden uns jedoch augenblicklich für die wahrscheinlichste Gestalt, nämlich jene, die wir am häufigsten in einem bestimmten Zusammenhang erlebt haben. Das in der Gestaltpsychologie entwickelte Prägnanzprinzip (oder „Gesetz der guten Gestalt”) besagt, dass unter allen Möglichkeiten des Zusammenschlusses von Teilen eines Ganzen diejenige bevorzugt wird, die die vertrauteste und deutlichste Gestalt darstellt. Gestalt steht für das Schaffen bzw. Herausarbeiten von Zusammenhängen und orientiert sich (bewusst oder unbewusst) an Vorbildern: Gestaltwahrnehmung ist nicht Zufall, sondern Vorurteil.

17

> Eine Linie, eine Fläche, eine Form. Eine Einheit. Eine Gestalt?

Gestalt Durch Gestalt „geben” reduzieren wir die riesige Menge von Einzelinformationen unseres Blickfeldes und haben somit „den Kopf [4] Gestalt geben ist wie Namen geben.

frei” für die Aufnahme zusätzlicher Informationen [4].

> Superierung Das Bündeln einer Menge (eines „Haufens”) von Einzelinformationen zu einem Bedeutungszusammenhang (Gestalt) nennt die Informationsästhetik „Superierung von Einzelzeichen zu einem Superzeichen”. Der Sinn dieses mentalen Vorganges liegt in der sehr begrenzten, bewussten Aufnahmekapazität unseres Gehirns; erst die Reduzierung der Informationsmenge durch Superierung (Gestaltbildung) gibt uns die Möglichkeit, zusätzliche, in der wahrgenommenen Zeichenmenge bereits enthaltene Informationen zu verarbeiten. Diese „Schwäche” unseres Gehirns war die Wiege des Denkens.

18





Die Textur kann auf recht unterschiedliche Weise zu Einheiten (Flächen) zusammengefasst erkannt werden. Die Bilder und zeigen Möglichkeiten der Zusammenfassung, die jedoch die Vielfalt der Information nur wenig verringern bzw. nur beschränkt bekannte Gestaltmerkmale in sich tragen. Landschaftsarchitekten sehen, aufgrund ihrer Vorerfahrung der Grundrissdarstellung „automatisch” neun gleich große Bäume mit Körperschatten, also Einheiten (Gestalten) sehr charakteristischer Ordnung. Die Reduktion der Informationsmenge auf die Gestalt „Baum” ermöglicht es, die Aufmerksamkeit auf weitere mögliche Informationen zu richten: Die Bäume stehen in einem strengen Raster, es handelt sich also um einen strengen Hain. Der gesamte

„Punkthaufen”, die verschiedenen möglichen Formen (aufgrund der in den Punktgefügen enthaltenen Möglichkeiten von Gemeinsamkeit) wurden zu einer einzigen Gestalt zusammengefasst: Die Superierung der Einzelzeichen führte zu einem Superzeichen (Baumhain).

Gestaltwahrnehmung ist die Zusammenfassung (Superierung) von visuellen Einzelinformationen mithilfe unserer Vorerfahrung. Sie bezieht sich immer auf subjektives „schon Kennen”, auf Geschichte und Geschichten. Haben wir eine Gestalt in uns aufgenommen (sozusagen ein „inneres Bild” davon gespeichert) werden wir immer zuerst auf dieses Bild zurückgreifen, bevor wir nach anderen, weniger bekannten Möglichkeiten der Deutung suchen. Wir können gar nicht anders.

19

Die mentale Umwandlung von Form zu Gestalt beschränkt sich nicht nur auf „einfache” Zusammenhänge (ein Ball, ein Tisch, ein Auto etc.), sondern bestimmt auch die Gestaltwahrnehmung komplexerer Zusammenhänge. So ergibt sich aus der Ufer-Form eines Gewässers die See-Gestalt, aus Hügel-Formen in Schnitten die Hügel-Gestalt, aus charakteristischer Vegetation und Geländeform die Feuchtbiotop-Gestalt.

> Hügel und See

> Hügel

Gestaltkomponenten Teileinheiten einer Gestalt nennen wir Gestaltkomponenten. Ihre Identifizierung als Bestandteile einer Gestalt gelingt nur, wenn uns diese bereits vertraut ist.

> Gestalt: Messer

> Gestaltkomponenten: Nieten, Griffe, Klinge

20

> Messer

> Messer

> Messer

Unabhängig von individuellen Ausprägungen abstrahieren wir zur Gestalt („Messer”). Für unseren Alltag genügt dies auch. Erst wenn wir ein weitergehendes Interesse an Messern haben, beispielsweise weil wir sie bewerten wollen, werden die Gestaltkomponenten bedeutsam. Ist die Klinge im Verhältnis zum Griff zu kurz? Sind die Nieten überdimensioniert? Sollte man anstatt des Holzgriffes nicht besser Perlmutt nehmen? Dieser Prozess der Bewertung spielt sich immer vor dem Hintergrund der erkannten Gestalt „Messer” ab; aus dem Messer wird dabei kein Kochlöffel oder Stuhl.

> Induktion Wenn einige Äste über einer Mauer hervorragen, „sehen” wir bereits einen Baum. Natürlich sehen wir den Baum nicht vollständig, erkennen weder seinen Stammansatz noch seine Borke, dennoch zweifeln wir nicht einen Augenblick daran, dass jenseits der Mauer ein Baum steht. Die Wahrnehmung wichtiger Gestaltkomponenten (z.B. Äste) innerhalb eines spezifischen Umfelds [5] erlaubt also einen direkten Rückschluss auf eine bestimmte Gestalt; wir „sehen” sofort einen Baum. Dieses Phänomen, sofort das Ganze zu denken,

[5]Gestalten/Gestaltkomponenten, die innerhalb eines ungewohnten Kontextes auftauchen, führen zu Irritationen (die beispielsweise in der Bildenden Kunst bewusst eingesetzt werden). [6] Die aktuellen Forschungen aus der Neurologie (Gehirnforschung) bestärken die Vermutung, dass „Sehen” und „Denken” das Gleiche sind.

obwohl nur Teile davon sichtbar sind, wird Induktion genannt [6]. Im täglichen Leben ziehen wir andauernd induktive Schlüsse, wenn wir – auf der Basis unserer Vorerfahrung – im Geiste vervollständigen, was nur unvollständig auf unserer Netzhaut „abgebildet” wird. Induktion ist unser ganz selbstverständliches, rechtshemisphärisches Mittel, um schnelle Orientierung in einer fragmentarischen Welt zu gewährleisten.

Ba m

21

Gestaltkomponenten sind Bestandteile einer Gestalt höherer Superierungsstufe (z.B. Schaukel auf einem Spielplatz): Sie dienen uns als Anhaltspunkte zur raschen Identifizierung von Gestalt. Gleichzeitig sind Gestaltkomponenten selbst Gestalten, selbst das Ergebnis einer vorhergehenden Superierungsstufe (z.B. die Schaukel bestehend aus Stützen, Seilen, Sitz etc.).

Gestaltung Gestaltung schafft Gestalt, formuliert Beziehungen. Gestaltung liegt implizit die Regel zugrunde, jede Gestaltungskomponente auf ihre Tauglichkeit für weitere Superierungsschritte zu prüfen. Es ist der Zusammenhang, vor dessen ideellem Hintergrund Gestaltung spielt. Dies gilt idealerweise bis zur Sitzbank in der hintersten Ecke und deren Verschraubungen. Gleichzeitig ist das Gestaltobjekt, beispielsweise ein Garten, gewollt oder ungewollt selbst wieder Gestaltkomponente innerhalb eines größeren Zusammenhangs (Viertel, Stadt, Lebensumwelt etc.) und sollte sich dazu verhalten. Die „Superierungsleiter” von den kleinsten Einheiten zu Gestalten immer höherer Komplexität, d.h. von Stufen durch Ordnungsbeziehungen gebundener Vielfältigkeit, bildet die konzeptionelle Grundlage jeder gestalterischen Tätigkeit. Gerade auch in der landschaftsarchitektonischen Objektplanung ist sie ein essenzielles Qualitätskriterium.

22

> Zusammenhang landschaftsarchitektonischer Objekte

Bestand, Kontext

Reaktion auf

Objekt

Schaffen von

ZUSAMMENHANG

Gestaltkomponenten 1. Ordnung Wiese

Baumhain

Sandkiste

Weg

Pflanzbeet

Beziehung zwischen Gestaltkomponenten gleicher Ordnungsebene

23

Gestaltkomponenten 2. Ordnung

Stahlband

Gras

Baum

Holzrahmen

Kantensteine

Winkelsteine

Spielsand

Tennenfläche

Rosen

bemerkungen

ideen 24

zitate

skizzen

fragen

25

ergänzungen

[2Entwerfen ] und Entwurf 26

Entwerfen ist Gestaltung, ist schöpferische Tätigkeit mit dem Ziel, Gestalt (Zusammenhang) zu entwickeln. Im Unterschied zu den zumeist überschaubaren, also unmittelbar (1:1) bearbeitbaren Objekten der Bildenden Kunst (z.B. Bildhauerei), erfordern die Größenordnungen (landschafts-) architektonischer Aufgabenstellungen grund27

sätzlich den realisierungsvorbereitenden Zwischenschritt einer Symboldarstellung (eines zeichenhaften Entwurfs) als Abstraktion zukünftiger Wirklichkeit.

Man hat mich immer als einen vom Glück besonders Begünstigten gepriesen: Auch will ich mich nicht beklagen und den Gang meines Lebens nicht schelten. Allein im Grunde ist es nichts als Mühe und Arbeit gewesen, und ich kann wohl sagen, dass ich in meinen 75 Jahren keine 4 Wochen eigentliches Behagen gehabt. Es war das ewige Wälzen eines Steines, der immer von neuem gehoben sein wollte. J. W. Goethe

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Zwischen Kopf und Hand Entwerfen ist ein dynamischer Prozess, charakterisiert durch ein stetes Pendeln zwischen unserem Kopf und unserer Hand, zwischen Gedanke und Zeichen. Mit jedem Strich, jedem Punkt, den wir auf einem Blatt (oder am Computer) setzen, suchen wir die Beziehung zu einer Idee im Kopf, jedes Anlegen einer Fläche zwingt uns zur Überprüfung ihres Potenzials, Bestandteil einer bestimmten, sich eben entwickelnden Gestalt (Zusammenhang) zu werden [7]. Entwerfen ist eine Endlosschleife zwischen den gleichzeitig ablaufenden Prozessen zeichnerischer Entwicklung und gestalterischer Entscheidung.

Zeichnen

ENTWERFEN

[7] Gleichzeitig trägt jedes visualisierte Element, jeder zufällig verrutschte Bleistiftstrich die Möglichkeit in sich, zu einem neuen Ausgangspunkt, gleichsam die Basis für eine neue Entwurfs(Gestalt)idee zu werden.

Entscheiden

Entwerfen Entwerfen ist keine „gottgegebene” Fähigkeit, wir werden nicht (mehr) von den Musen geküsst [8]. Im Gegenteil: Entwerfen ist nicht endende Lehrzeit, ist beobachten, versuchen und darüber nachdenken. Entwerfen ist (schöpferisches) Handwerk: Auch für die entwurfliche Arbeit gelten gewisse, auf einem allgemein anerkannten Wissens- bzw. Erfahrungsstand basierende Entscheidungskriterien („objektive” Kriterien der Gestaltbildung) [9]. Im Entwurfsprozess werden diese „objektiven” Kriterien zu richtungsweisenden Handlungsan-

[8] Die Musen, Töchter des Zeus, waren laut griech. Mythologie die Überbringer des Schöpferischen, „Göttlichen”, der Inspiration. [9] Im Tischlerhandwerk gelten z.B. Regeln zur Holzverarbeitung (Trocknung, Verleimung, Schnittrichtungen etc.). Für das Entwerfen: Kriterien zur Raumbildung, Schwerpunktsetzung Proportion etc. (vgl. hierzu alle folgenden Abschnitte dieses Buches).

29

leitungen, sie bedingen, dass gewisse entwurfliche Entscheidungen wahrscheinlicher werden als andere. Dennoch ist Entwerfen aufgrund einer Vielzahl situationsabhängiger Faktoren [10] kein (gänzlich) objektivierbarer Prozess: Individuelle Vorerfahrung und Vorlieben des Entwerfenden ebenso wie kultureller und fachspezifischer Hintergrund, die Tagesverfassung oder eine „zufällig” aufge[10] ... von denen immer zu wenige und meist die unbedeutenderen verfügbar sind ...

schlagene Fachzeitschrift, die Wahl des Zeichenmediums oder gegebenenfalls die Partner im Entwurfsteam:

All diese Faktoren fließen in den Entwurfsprozess ein, beeinflussen das Ergebnis. Entwerfen ist also trotz richtungsweisender, „objektiver” Gestaltfindungskriterien ein Prozess, dessen Entwicklung und Ergebnis, also dessen genaue Herleitung nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar gemacht werden können.

30

Es war einmal ein Bildhauer, der sich über einen riesigen Granitblock beugte. Jeden Tag hieb und hackte er an dem formlosen Stein herum, und eines Tages besuchte ihn ein kleiner Junge. ‘Was suchst du denn?’ fragte der Junge. ‘Abwarten’, sagte der Bildhauer. Nach einigen Tagen kam der Junge wieder, und nun hatte der Bildhauer ein schönes Pferd aus dem Granitblock herausgemeißelt. Der Junge starrte das Pferd sprachlos an. Dann drehte er sich zum Bildhauer um und fragte: ‘Woher hast du denn gewusst, dass das drin steckte ?’. aus: J. Gaarder, „Sofies Welt”

Der Entwurf Ziel des Entwurfsprozesses ist das Entwurfsergebnis (der Entwurf). Der Entwurf ist die zeichenhafte Vermittlungsebene künftiger Gestalt; mit ihm suchen Entwerfende die Kommunikation der Entwurfsidee. Nachvollziehbarkeit für Dritte (Intersubjektivität) ist somit eine notwendige Qualität von Entwürfen. Dies gilt sowohl in Hinblick auf die Beurteilung durch Auftraggeber oder Fachjurys als auch für die Phase der Realisierung: Da Landschaftsarchitekten nicht selbst bauen, ist der Entwurf und seine weitere Detaillierung schließlich die Anleitung für die bauliche Verwirklichung.

> Intersubjektivität Entwerfen (die Tätigkeit) und Entwurf (das Ergebnis) erfordern die Kenntnis und die gezielte Anwendung kommunizierbarer und nachvollziehbarer Gestaltbildungskriterien. Diese machen Entwürfe verständlich, somit sinnvoll diskutierbar. Der Begriff Intersubjektivität kommt aus der Wissenschaftstheorie. Tatsächlich besitzt die Tätigkeit des Entwerfens zunächst Ähnlichkeiten mit wissenschaftlichen Arbeitsweisen: Analog zu diesen ist Entwerfen (auch) ein empirischer Prozess, also Tätigkeit, die durch Beobachtung und Experiment auf eine Erkenntnis zielt; sowohl die Wissenschaft als auch das Entwerfen benötigen Intersubjektivität zur Vermittlung ihrer Erkenntnisse. Der Unterschied zwischen einer aus wissenschaftlicher Arbeit erzielten Erkenntnis und einem Entwurf besteht in der Art und Weise der Nachvollziehbarkeit des Weges, der zum Ergebnis führt: Wissenschaftliche Aussagen kennzeichnet die Tatsache, dass (theoretisch) sämtliche das Ergebnis bedingenden Umstände genau bestimmt und offengelegt werden (müssen). Sie sind somit (prinzipiell) für Dritte überprüfbar und exakt nachvollziehbar, d.h. jeder, der den dargestellten Schritten folgt, „muss” zum selben Ergebnis kommen. Dies ist für einen Entwurf nicht möglich: Der Entwurfsprozess hat immer viel weniger „objektive” Gestaltbildungskriterien, zu viele kaum kommunizierbare, nicht darstellbare Variablen („subjektive” Gestaltbildungskriterien), als dass er von Dritten „genau so, und nicht anders” nachvollzogen werden könnte. Die Kommunikation, die Vermittlung von Entwürfen muss sich also auf schlichte Verständlichkeit beschränken.

31

32

Intention Wir Menschen bewegen uns immer innerhalb von Zusammenhängen; wir suchen und benötigen sie. Dies gilt für die Superierung von Einzelzeichen zu Gestalt ebenso wie für abstraktere Phänomene unseres Daseins: Wir bewegen uns ständig in gesellschaftlichen, familiären, fachöffentlichen etc. Zusammenhängen und Wertungen. Das „in-der-Welt-sein, als nicht-mehr-in-der-Mutter-sein” [11] zwingt uns, andere Bezugssysteme zu suchen, neue Verbindungen einzugehen, es nötigt uns – willent-

[11] Vgl. Sloterdijk,P. „Kosmische Quartiere”,in: Lettre46/II99.

lich oder nicht – Teil dieser Zusammenhänge zu werden. Intention ist die Bedeutung, der Sinn, die Auffassung, die hinter einer Entwurfsentscheidung steht: Welche Werthaltung hat sie in einem – dem Entwerfenden wichtigen – Zusammenhang (formal, historisch, philosophisch, künstlerisch, sozial etc.)? Was will damit erreicht, was zum Ausdruck gebracht werden? Landschaftsarchitektur ist schöpferische Tätigkeit, die (örtliche) Veränderung von Wirklichkeit will. Sie bezieht somit „automatisch” eine wahrnehmbare Position, einen (gestalterischen) Standpunkt innerhalb eines spezifischen Zusammenhangs: sie ist (selbstverständlich) ein Beitrag innerhalb eines kulturellen Diskurses. Die Gestaltbildung [12] ist die Vermittlungsebene zwischen der Intention des Entwerfenden und der Interpretation durch die Rezipienten (Nutzer, Kritiker); so gesehen ist sie eine subtile Form von Kommunikation, die metaphorisch [13], zeichenhaft auf Zusammenhänge verweist.

[12] Eigentlich: das Anbieten körperhafter Interventionen, von situativen Chancen für die Gestaltbildung durch die Nutzer. Der Einfachheit halber verwenden wir den Begriff der „Gestaltbildung” weiterhin auch für die Tätigkeit des Landschaftsarchitekten (vgl. auch: „Raumbildung” S. 46 ff.). [13] Metaphorisch i.S.v. uneigentlich, übertragen im Gegensatz zur direkten, eigentlichen Bezeichnung eines Gegenstandes oder Themas. Ähnliches gilt für fast jede Form der künstlerischen Äußerung(Dichtung,Malerei,Musik,Filmetc.).

33

Kreativität Entwerfen bewegt sich zwischen den auf intersubjektiven Erkenntnissen beruhenden Entscheidungen und den subjektiven (individuellen) Intentionen und Intuitionen [14] der Entwerfenden, zwischen „objektiven” und „subjektiven” Gestaltbildungskriterien.

[14] Intuition: Fähigkeit, Phänomene in einem spezifischen Zusammenhang als wesentlich zu interpretieren, ohne dass der Grund dafür evident gemacht werden könnte.

Entwerfen ist immer dann notwendig, wenn wir viel zu wenig wissen (können), um stringent (d.h. in „wenn-dann”-Schlüssen) von Anforderungen zur Lösung zu kommen, also wenn funktionale Intelligenz [15] nicht mehr ausreicht. Kreative Intelligenz ist der [15] Funktionale Intelligenz: Fähigkeit aus einem unübersichtlichen Gefüge an Informationen so lange Komponenten auszuscheiden, bis die verbleibenden gesetzmäßig bestimmbar sind. Die Verringerung von Vielfalt führt zur Erkenntnis.

funktionalen Intelligenz nahezu komplementär. Für kreatives Denken ist eine (zeitweilige) Erhöhung von Komplexität typisch (und notwendig): Immer neue Informationen werden hinzugefügt, immer neue Möglichkeiten der Bezüge zwischen den einzelnen Informationen untersucht und entwickelt. Kreativität bedeu-

tet die Suche nach potenziellen, nach noch unentdeckten Beziehungen, die sich aus einer Neuorganisation, einem Neubündeln von Informationen ergeben. Der Entwurfsprozess wird durch funktionale und kreative Intelligenz bestimmt, durch stringentes und komplexes, durch links- und rechtshemisphärisches Denken; er pulsiert zwischen Multiplikation (Erhöhung der Komplexität) und Reduktion (Verringerung der Komplexität, Suche nach Beziehungen).

> Bifurkation Entwerfen ist die Suche nach Zusammenhang mit komplexologischen („chaotischen”) Mitteln: Auf dem Weg zur Gestalt wird die Reichhaltigkeit so lange erhöht, bis ein neuer Superierungsschritt eintreten „muss”, bis sich Teile des Gemenges „plötzlich” zu einem neuen Zusammenhang (einer Gestalt) verdichten. Die nichtlineare Dynamik ist eine jüngere Wissenschaft, die Systeme in ihrem Verhalten zu den sie beinflussenden Parametern (Kräften) untersucht. Bifurkationen (lat. Gabelung) [16] sind Phänomene, die dann auftreten, wenn – durch Änderung gewisser 34

[16]Vgl.www.nld.physik.uni-mainz.de [17] Dies alles gilt nur für „hochenergetische Systeme weitab des Gleichgewichts”(IlyaPrigogine). Nichtsanderes sind wir.

konstituierender Parameter – Systeme plötzlich von einem Zustand in einen anderen wechseln. Die Zustände vor und nach der Bifurkation sind nicht eindeutig voneinander ableitbar. Für den Entwurfs-

prozess bedeutet Bifurkation den Punkt der „Erlösung”, des „Aha!”, das Erkennen von Zusammenhang und Gestalt [17].

> Der übliche Entwurfsweg

Denken

Lesen

Musik hören

Skizzieren Rauchen

Fahrrad fahren

> Entwurfsaufgabe, Rahmenbedingungen, Konzept, Ziele

> 1. Multiplikationsschritt – Erhöhung der Komplexität

Fachvorträge hören

Bilder und andere Entwürfe schauen

Modell bauen

> 1. Reduktionsschritt – Suche nach Zusammenhängen, Beziehungen, Ordnungen

Schlafen/Träumen Skribbeln und Skizzieren Reden/Diskutieren

> 2. Reduktionsschritt – Rückschlüsse auf Rahmenbedingungen und Anforderungen. Aufgabe von vorher wichtigen Anforderungen

> 2. Multiplikationsschritt – neuerliche Erhöhung der Komplexität

> 1. Lösungschritt – Erste Verdichtungen, Erahnen von Zusammenhängen

35

> Weitere Verdichtung der Zusammenhänge

> Unzufriedenheit, Zweifel, Wegwerfen wollen

> Entscheidung, Hinnahme der Restzweifel

> Arbeitsmodell zum Entwurfsprozess (Darke, Lawson) In einem Feldversuch wurden Mitte der 70er Jahre eine Reihe von anerkannten Entwerfern während eines Entwurfsprozesses beob[18]Vgl. Darke, J.,„The primary generator and the design process”, in: Rogers/ Ittelsson (Hrsg.): „New directions in environmental design research”, Washington, EDRA 1978.

achtet. Es zeigte sich, dass es einen sehr engen „wahrscheinlich untrennbaren Konnex zwischen Analyse- und Synthesestufe” [18] im Arbeitsablauf des Entwurfes gibt: Einzelne Problemaspekte (An-

forderungen) und in direkter Reaktion darauf entstehende, konkrete Lösungsmöglichkeiten bilden bei erfahrenen Entwerfern die tatsächlichen Einzel-Arbeitsschritte, die „Moleküle” des Gestaltungsprozesses.

Anforderung [A]

gestalterische Entsprechung [G]

> Einzelaspekt einer Lösung

[A]

[A]

[A]

[G]

[G]

[G]

[A]

[A]

[A]

[G]

[G]

[G]

[A]

[A]

[A]

[G]

[G]

[G]

> Lösung (Gestalt) insgesamt

Aufbauend auf der Studie von Darke entwickelte B. Lawson [19] ein Arbeitsmodell für architektonische Entwurfsprozesse. Dabei 36

[19] Vgl. Lawson, B., „Science, legislation and architecture”, in: Evans/Powel/ Talbot (Hrsg.): „Changing design”, New York, J. Wiley, 1980.

unterscheidet er zwischen drei Dimensionen von Anforderungen:

Lageanforderung: Wechselwirkung zwischen Teilen des zu gestaltenden Objekts; Externe Lageanfor-

derung: Wechselwirkung mit dem Kontext); Gesetzgeber);

Lageanforderungen (Interne

Verursacher von Anforderungen (Entwerfender selbst, Auftraggeber, Nutzer,

Bedeutung (Sinn, Grund) der Anforderungen (Radikal: Werthaltung des Entwerfers bzw. der Nutzer; Praktisch:

baulich-konstruktive Normen, Erhaltung, Nutzung; Formal: Form, Gestaltgesetze und -qualitäten; Symbolisch: Vorbild, Idee, Stimmung, Thema etc.).

Entwerfer Auftraggeber

Verursacher

symb

Nutzer

fo r ma

Gesetzgeber

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L

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g

al

> Arbeitsmodell für Gestaltungsprozesse (nach Lawson)

Weg und Ziel Landschaftsarchitektonisches Entwerfen ist das Vordenken, Herausarbeiten und Präzisieren künftiger Gestalt. Wegen der geradezu konstitutiven Unsicherheit des Entwurfsweges ist es sehr unwahrscheinlich, dass eine Aufgabenstellung ausschließlich durch eine Lösung erfüllbar ist. Vielmehr können verschiedene Entwurfswege und -intentionen zu (vielleicht formal unterschiedlichen, jedoch in Bezug auf eine gestellte Anforderung ähnlich) überzeugenden Entwurfslösungen führen. Ein Entwurf ist deshalb niemals „richtig”, sondern er ist mehr oder weniger „gut” im Hinblick auf seine spezifischen Anforderungen. „Richtig” hieße: Entwurfsaufbau aus ein-deutigen, alle anderen Lösungen ausschließenden, stringenten Zusammenhängen („wenndann”-Schlüssen) [20], wohingegen „gut” die intersubjektive Verständlichkeit und Glaubhaftigkeit der Gestaltbildungsentscheidungen ausdrückt. Ein guter Entwurf überzeugt. Selten gibt es nur einen, den „besten” Entwurf, nur einen,

[20] „Richtig” ist nur: 2 kg Äpfel sind schwerer als 1 kg Birnen.

den „besten” Weg, sondern zumeist mehrere gute Lösungen, die ein spezifisches Anforderungsbündel (Zielvorgaben) zufriedenstellend lösen können.

37

38

Ein Physikprofessor, ein Bauingenieur und ein Maler stehen vor einem Kirchturm und versuchen seine Höhe zu schätzen. Ein örtlicher Kaufmann, der vorbeigeht, schlägt ihnen einen Wettbewerb vor: Er hat eben eine Lieferung neuer, teurer Barometer erhalten und um für diese zu werben, setzt er einen Preis aus für denjenigen, der mithilfe eines seiner Barometer die Höhe des Turms am genauesten bestimmen könnte. Alle drei stimmen zu: Der Physikprofessor misst den barometrischen Druck am Fuß des Kirchturms durch gemittelte Mehrfachablesung möglichst genau, steigt dann auf die Turmspitze und liest ebenso genau ab; aus der Differenz errechnet er die Turmhöhe. Der Bauingenieur spottet über diesen Aufwand; er ersteigt den Turm, lässt das Barometer fallen und misst die Fallzeit mit seiner Stoppuhr, woraus er rasch die Höhe errechnet. Zu beider Überraschung ist es der Maler, der die exakteste Höhenangabe machen kann. Er geht einfach in den angrenzenden Pfarrhof und bietet dem Messner das Barometer als Geschenk an, wenn dieser ihm die Baupläne der Kirche in der Bibliothek heraussucht; der Messner tut das gerne und unser Maler liest dort einfach die genaue Höhenkotierung des Turmes ab. aus: E. De Bono, „Teach thinking”

Rahmenbedingungen Die gestalterische Freiheit landschaftsarchitektonischer Arbeit ist zumeist schon sehr früh durch definierte Ziele und Rahmenbedingungen eingeschränkt: Dazu gehören konkrete Wünsche der Planungsinitiierenden und der künftigen Nutzer ebenso wie spezielle Eigenheiten des Kontexts (z.B. Grundwasserstand, Lokalklima, Charakter umgebender Bebauung, Gebäudenutzung etc.) und gesetzliche Bestimmungen (z.B. Naturschutz, Denkmalschutz, Feuerwehr etc.) Nach-Denken und gegebenfalls Neu-Bewerten solcher Anforderungen sind erster, oft schon entscheidender Schritt der Entwurfsarbeit: die schöpferische Aufdeckung tatsächlicher Ansprüche hinter vermeintlich unabdingbaren Entwurfsanforderungen (Rahmenbedingungen) ermöglicht erst die persönliche Herausarbeitung der eigentlichen Entwurfsaufgaben.

Entwerfen ist Notwendig-Machen von Möglichkeiten. Ein gedankliches Fischernetz, geknüpft aus Anforderungen der Planungsinitiierenden, aus Nutzungsvorurteilen und aus den Geschichten des Ortes holt aus dem See der Möglichkeiten erstes Stückwerk: Ideen, Gestalt(arche)typen und Vorbilder. Einige passen gut zusammen, bilden das erste Gefüge, benötigen einander. Daran anzulagern, zu ergänzen, erweitern, verringern, verbinden, vertiefen und detaillieren, bis daraus eine ideell und formal möglichst konsistente Gesamtgestalt erwächst, ein immer dichterer und konkreterer Zusammenhang aller Teile mit dem Ganzen, das ist Notwendig-Machen von Möglichkeiten. Von der Freiheit in die Gebundenheit, das ist Entwerfen (und Leben).

39

Ein guter Entwurf zeichnet sich auch dadurch aus, dass er die „Notwendigkeit” einer bestimmten Gestalt für einen spezifischen Ort (intersubjektiv) nachvollziehbar macht, d.h. überzeugend kommunizieren kann. So, als wäre (fast) keine andere Lösung an diesem Ort möglich.

Zeichen und Inhalt Entwerfen ist der Weg des Er-Findens von Gestalt, der Entwurf ein Gestalt-Stenogramm zukünftiger Wirklichkeit. Entwerfen ist Vordenken dreidimensionaler Lösungen mit den eingeschränkten Darstellungsmitteln der zweiten Dimension [21]. Endziel der Arbeit ist [21] Auch Modelle als dreidimensionale abstrahierte Miniaturen sind eine Möglichkeit zur Gestaltfindung. In der Landschaftsarchitektur werden sie jedoch zumeist nur als erste Raumanalysen oder ergänzende Kontrolle verwendet, da die Komplexität des menschlichen Maßstabs in der Miniaturisierung schwer vermittelbar ist.

nicht das Bild (der Entwurf), sondern eine veränderte örtliche Wirklichkeit. Entwerfen erfordert deshalb die Fähigkeit, zweidimensionale Punkte, Linien und Flächen körperhaft zu „sehen”, also deren dreidimensionale Wirkung sofort mitzudenken.

Jede Linie, die wir im Entwurf zeichnen, steht für eine dreidimensionale, räumlich/körperhafte Wirklichkeit.

> Dieser Grundriss ...

40

... kann dies alles bedeuten (und vermutlich noch einiges mehr):

> Bogen

> Mauerscheibe

> Wanne

41

> Rohr

> Schacht

> Sitzmauer

bemerkungen

ideen 42

zitate

skizzen

fragen

43

ergänzungen

[3Raum ] - Ort - Weg 44

3.1 Raumbildung („Raum”)

3 . 2 S c h we r p u n k t s e t z u n g ( „ O r t ” ) 45

3 . 3 B ewe g u n g u n d E rs c h l i e ß u n g ( „ We g ” )

3.1 Raumbildung („Raum”)

Raumbildung ist eine für uns Menschen selbstverständliche, vorbewusste Tat der Lagebestimmung innerhalb unserer Umgebung. Landschaftsarchitektur, die sich mit der Veränderung solcher Umgebungen befasst, definiert sich in Reaktion auf dieses Phänomen: Die Tat der Land46

schaftsarchitekten besteht darin, Dinge so zueinander in Beziehung zu setzen, dass diese räumlich wirksam, zu Anknüpfungspunkten mentaler Superierungsprozesse (Gestalt-Raum) werden können. Landschaftsarchitektur antizipiert Raumbildung.

Es gibt nicht den Menschen und außerdem Raum. O. F. Bollnow

47

Raum Raum ist Gestalt. Die Kriterien zur Generierung von Gestalt durch den Menschen (Suchen und Erkennen von Zusammenhang mithilfe der Vorerfahrung) gelten auch für das Phänomen Raum. Raumbildung ist etwas ganz Selbstverständliches für uns Menschen, ist eine [22] Die menschliche Evolution basiert maßgeblich auf einer schnellen RaumDistanzwahrnehmung (Was sehe ich? Gefahr! Wo? Wie weit weg? Welche Reaktionsmöglichkeit?).

essenzielle Tat des sich Verortens [22]. In seiner Wirkung und Wahrnehmung bezieht sich Raum – im Gegensatz zum genereller verwendbaren Begriff der Gestalt – auf das Innen: Raum ist Territorium, ist Ab-

grenzung des „Ich” gegenüber dem „Du”, des „Wir” gegenüber den „Anderen”. Die Wahrnehmung von Raum, seine Deutung als „Innen”, als Inklusion braucht (und erzeugt) ein „Außen”, eine Exklusion. Dazwischen liegt das Entscheidende: die Grenze.

Landschaftsarchitektonische Räume Im Gegensatz zu architektonischen Räumen kennzeichnet landschaftsarchitektonische Räume das Fehlen einer Abdeckung, eines [23] Ausnahme: dichter Baumhain. Vgl. hierzu S. 85 ff.: „Der Hain“.

Daches [23]. Landschaftsarchitektonische Objekte, also Gärten, Parks, Höfe, Straßen etc., eint – unab-

hängig von Dimension oder Erscheinungsbild – die Präsenz des Himmels als ständigem Begleiter. Landschaftsarchitektonische Raumbildung spielt zwischen Fläche, vertikaler Grenze und der Weite des Himmels.

48

> Der architektonische Raum

> Der landschaftsarchitektonische Raum

4 Sätze der landschaftsarchitektonischen Raumbildung

> 1. Satz: Raum ist Flächeneinheit und dreidimensionale Grenze

+ > Flächeneinheit

= > Grenze

> Raum

49

Flächeneinheit und Raumgrenze stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander: Je „schwächer” die Raumgrenze ist, je undeutlicher sie als raumbildendes Kriterium wirksam wird, desto „stärker”, deutlicher muss sich die Flächeneinheit vermitteln (und umgekehrt). Die Kriterien „schwächer” und „stärker” bzw. „deutlicher” beziehen sich jeweils auf den Grad der Einheitlichkeit von Fläche und Grenze bzw. deren Grad an Unterschiedlichkeit zur Umgebung.

> 2. Satz: Je schwächer die Grenze, desto stärker die Fläche (und umgekehrt)

















50









Menschen benötigen Flächen und körperhafte Grenzzeichen, um Räume bilden zu können . Eine einheitliche Fläche allein bildet keinen Raum , sie definiert nur einen Bereich (Areal). Körperhafte Setzungen an den Grenzen einer Flächeneinheit werden zunehmend räumlich wirksam . Dabei ist noch sehr undeutlich, erst „schafft“ Raumandeutung, erst deutlichen Raum. Dieser wird sofort wieder undeutlich, wenn die Flächeneinheit verschwindet . Die Verstärkung einer Grenze durch eine durchgängige Grenzwand hilft nur etwas. Gemeinsam mit der Wiedereinführung der Flächeneinheit wird der Raumeindruck plötzlich wieder sehr deutlich , selbst nach Entnahme einer der Säulen bleibt er wirksam , jedoch nicht ohne die Flächeneinheit . Die Verstärkung der Flächeneinheit durch weitere, durchgängige Wände an ihren Grenzen verstärkt den Raumeindruck sehr , sodass er selbst ohne Flächeneinheitscharakter noch wirksam bleibt (wenn auch „schwächer”). Ein Entfernen des letzten Grenz-Einzelkörpers führt zu einer Raumandeutung (Nische) , die durch Flächeneinheitlichkeit sehr verstärkt wird . Die Schließung einer dritten Seite durch eine Wand, ergibt bereits eine sehr deutliche räumliche Situation, auch ohne Flächeneinheit ; die eigenständige Flächeneinheit verstärkt diese noch zusätzlich . Die komplette Schließung durch Grenzwände ergibt den eigenständigsten, jedoch auch isoliertesten Raum , der keinen Flächenunterschied zur Umgebung mehr benötigt, da diese nicht mehr einbeziehbar ist .

51

Mensch und Raum sind untrennbar miteinander verbunden. Räume wirken wenig auf Grund ihrer absoluten, messbaren Größen; vielmehr ist die Art des Raumgefühls (eng/weit, geschützt/offen usw.) einerseits abhängig von der räumlichen Distanz des Betrachters zu den grenzbildenden Körpern und andererseits vom Höhenunterschied zwischen Augenhöhe des Betrachtenden und Höhe der Körper. Raumgefühl ist ein Verhältnisphänomen, sein Vergleichswert das menschliche Maß.

> 3. Satz: Raum ist Proportionserleben (nicht Maßerleben)

12:1

8:1

4:1

2:1

> Abhängigkeit der Raumwirkung von der Distanz zwischen betrachtendem Subjekt und betrachteten Objekt

52

> Abhängigkeit der Raumwirkung vom Verhältnis zwischen Augenpunkt des Subjekts und Höhe des Objekts

1:1

Raumerfassung, also die Einordnung von Größe und Entfernung von Objekten ist abhängig von unseren (Seh-) Vorerfahrungen, also einer gewohnheitsmäßigen Beziehung zwischen der Entfernung eines Körpers und der Größe des „Bildes” dieses Körpers auf unserer Netzhaut.

Je kleiner wir ein in seiner „wirklichen” Größe bekanntes Objekt sehen, desto weiter entfernt ist es von uns.

Linien in Blickrichtung bewegen sich mit zunehmender Entfernung aufeinander zu.

Parallele

Parallele Linien quer zu unserer Blickrichtung

verdichten sich nach hinten (nur bei regelmäßigem Abstand, ansonsten optische Täuschung).

Texturen und Strukturen verdichten

sich mit zunehmender Distanz (Texturgradient).

> 4. Satz: Raumerfassung ist Vorerfahrung

> Strukturen und (Seh-)Vorerfahrung

53

> Irritation der Vorerfahrung

Der Mensch spannt seinen Raum von der Mitte, in der er steht, jeweils im Rahmen eines begrenzenden und einheitsbildenden Horizonts auf, und dass der Mensch seinen Horizont nie erreicht, sondern dieser mit ihm fortwandert, zeigt nur, dass der Horizont untrennbar zum Menschen gehört und der Mensch jeweils die Mitte seines vom Horizont umschlossenen Raumes bleibt. O. F. Bollnow

54

Der „reine” Raum Raum ist – vor allem anderen – eine Orientierungskategorie: „Beim Durchwandern der Welt” ist er unser ständiger Begleiter, dient der Standortbestimmung und -versicherung. Raum ist ohne den Menschen nicht existent, weil wir ihn (in jedem Augen-Blick unseres Daseins) selbst schaffen, neu „erarbeiten”. Denn obgleich sich die uns umgebende Welt beinahe mit je-

[24] Man denke z.B. nur an den Weg zur Arbeit: Wie viele unterschiedliche Räume schaffen wir da?

dem unserer Schritte verändert [24], ist es immer wieder „Raum”, den wir suchen (und finden), durch den wir uns bewegen, der uns umgibt. Raum ist somit die höchste Stufe der Abstraktion: er ist das Ergebnis eines mentalen (rechtshemisphärischen) Prozesses, der durch Reduktion von Vielfalt zum Wesentlichen gelangt: Wo bin ich? Hier! Der „reine” Raum stellt den Versuch dar, das (gedankliche) Konstrukt menschlicher Raumbildung bildlich darzustellen: Raum als ein autarkes, nach innen gerichtetes Gebilde, gekennzeichnet durch gleiche, durchgängig geschlossene Grenzwände und einer einheitlichen, ebenen Fläche. Raum als Einheit. Und wir befinden uns mittendrin.

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> Der „reine” Raum

Die Zer-Störung des „reinen” Raumes Landschaftsarchitektur verändert (räumliche) Wirklichkeiten; sie ist das Angebot örtlicher morphologischer Eigenschaften als Ansatzpunkte mentaler Superierungsprozesse (von Vielheit zu Einheit, vom Baum zum Raum). Vor dem Hintergrund, dass es ausreichender Anhaltspunkte bedarf, um Raum bilden zu können, ist Landschaftsarchitektur die Arbeit an den Grenzen, den Flächen und den Körpern einer zu entwickelnden räumlichen Situation: Die Auflösung bzw. Verformung der geschlossenen Grenzwand des „reinen” Raumes sucht vielfältige Beziehungen zwischen „Innen” (Raum) und „Außen” (Kontext) aufzudecken und anzubieten,

die Modellierung, als morphologische Störung der einheitlichen, ebe-

nen Fläche, schafft Differenzierungen und bietet situative Chancen des Verhaltens.

> Auflösen der Ecken

> Auflösen der Grenzen

> Verformen der Grenzen

> Punktuelle Modellierung

> Lineare Modellierung

> „Weiche” Modellierung

56

Je stärker der „reine” Raum zer-stört wird, je mehr Beziehungen zum Kontext angeboten werden, je plastischer die Fläche wird, desto schwächer wird der Raum als zusammenhängende, eigenständige Einheit wahrnehmbar. Die Dekonstruktion des „reinen” Raumes erreicht dort ihren Bifurkationspunkt [25], wo sich die Grenze zwischen Innen und Außen, zwischen „Ich” und „Denen” auflöst, wo Grenzkörper und Flächeinheit aufhören raumbildend für einen definierten Ort zu sein

[25] Bifurkation als Punkt, an dem Phänomene „plötzlich” von einem Zustand in einen anderen wechseln. Vgl. S. 34.: „Bifurkation”.

und „plötzlich” zu Bestandteilen eines anderen (gestalterisch vielleicht gar nicht beabsichtigten) Zusammenhangs werden.

57

> Drei Räume werden an den Grenzen sukzessive bearbeitet. Ab wann sind nur noch zwei Räume, wann nur noch ein Raum zu erkennen? Ab wann geht die räumliche Eigenständigkeit völlig verloren, wann werden die Grenzwände Teil anderer Zusammenhänge?

Raumandeutungen Raumbildung ist die mentale Vervollständigung von unvollständig wahrnehmbaren Komponenten [26]. Entscheidend für die Raum[26] Vgl. hierzu Kap. „Gestalt und Gestaltung“, S. 21 „Induktion”.

bildung ist die Lage (die Beziehung) der Grenzkörper zueinander, deren Potenzial, ideell zu „Raum” zusam-

menfassbar zu sein. Je vertrauter die Grundrissform der Flächeneinheit (z.B. einfache Regelformen wie Quadrat, Kreis), desto „schwächer” kann die Markierung der Grenzen bzw. der Ecken sein; ungewohnte, z.B. unregelmäßige oder zusammengesetzte Grundrissformen bedürfen deutlicher, „starker” Grenzmarkierungen.

> Raumdefinition durch (körperhafte) Markierung der Ecken oder Grenzwände

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> Raum-”bildung” durch Markierung der Grenzwände – Je kürzer die Grenzwände werden, desto „schwächer” wird die ursprünglich angestrebte räumliche Situation, desto „stärker” wird die Beziehung nach außen ( und ). Ab einem gewissen Moment „pendelt” die Raumbildung zwischen der Waagerechten und einer 45° Drehung, zwischen Interpretation der Grenzkörper als Grenzwand oder als Eckpunkt. Bei ist der Raum vollständig“gekippt”, aus Grenzwänden sind Eckpunkte geworden.

Raumandeutungen sind räumliche Phänomene, denen an entscheidenden Stellen die deutliche, körperhafte Grenze zum Raumschluss fehlt. Raumandeutungen (Ecken, Nischen o.ä.) „schaffen” kein deutliches Innen und Außen. Im Gegenteil: Die Gleichzeitigkeit von Innen und Außen, von Vertrautheit und Ausgesetztheit, von Gefangensein und Freiheit gehört zum charakteristischen Reiz von Raumandeutungen.

The corner is a sort of half-box, partly walls, floor, ceiling, and partly door. It manifests the dialectic of inside and outside. Martino Gamper

59

> Raumandeutung – mit zunehmender Entfernung nimmt die räumliche Wirkung ab

Die Einführung einer einheitlichen Flächenqualität oder die körperhafte Markierung „fehlender” Raumgrenzen verstärkt die räumli[27] Vgl. auch S. 50 f.: „Je schwächer die Grenze, desto stärker die Fläche (und umgekehrt)”.

che Wirkung. Beides zusammen erzeugt über die Andeutung hinaus eine deutliche Räumlichkeit [27].

> Raumandeutung – „Stärkung” durch Flächeneinheitlichkeit

> Raum – durch Markierung der „fehlenden” Ecke

> Deutlicher Raum – Markierung der „fehlenden” Ecke und Flächeneinheitlichkeit



60

> Es sind immer die dem Betrachter abgewandten Ecken oder Nischen, die als „Innen” wahrgenommen werden. und schaffen relativ deutliche räumliche Situationen. und sind weniger deutlich, damit aber offener für die Umgebung.

> Zwei Bäume – unterschiedliche Räume Situation: Gebäuderücksprung an einer baumbestandenen Straße, ein Ausgang. Ziel: Bildung eines Vorplatzes. Instrument: Zwei Bäume.

> Vorgabe, Situation

> Zwei kleine Vorräume bis zur Straße

> Zwei Vorräume bis zur Gebäudekante

> Winziger (fast privater) Vorraum und größerer, öffentlicher, Raum

> Trennung in öffentliche und halbprivate Zone (ohne Eingangsbetonung)

> Großer, einladender, eher öffentlicher Vorraum ohne Eingangsbetonung

61

> Starke, öffentliche Eingangsbetonung – einladend

> Vorraum zur Straße hin, verschlossene, private Pforte am Eingang. Eingangsbetonung ohne Einladung.

> Zusammenhängender Vorraum mit Markierung des Eingangs

Raumfolgen - Raumabstufungen Raumfolgen sind Abfolgen von eigenständigen räumlichen Situationen, die durch eine verbindende Erschließung aufeinander verweisen; es ist jeweils nur ein Raum erlebbar. Im Gegensatz dazu sind

Raumabstufungen ineinander verschachtelte räumliche Situa-

tionen. Für den Betrachter sind meist mehrere Raumgrenzen (unterschiedlicher Art/Stärke) gleichzeitig erkennbar. Die Bedeutung der Erschließung als Raum-Leseanleitung ist gering.

> Raumfolgen

> Raumabstufungen

Von geschlossenen zu offenen Räumen Landschaftsarchitektur sucht Beziehungen zwischen „Innen” (Raum) und „Außen” (Kontext) aufzudecken und anzubieten. Die Bear62

beitung der Grenzen ist das Hauptinstrument dafür.

Geschlossene Räume mit durchgängigen Grenzenwänden verschließen sich je

nach Höhe und Dichte immer mehr ihrer Umgebung. Sie genügen sich selbst, suchen keine Beziehung nach außen.

Grenzöffnun-

gen schaffen gebundene, mehr oder weniger deutlich gerichtete Beziehungen zur Umgebung; sie bündeln Bewegungen und Sichtbeziehungen.

Transparente Raumgrenzen ermöglichen eine freie, jedoch beliebige (ungerichtete) Beziehung zur Umgebung. Sie las-

sen Räume größer erscheinen, sind jedoch inhaltlich sehr kontextabhängig.

Offene Raumgrenzen werden durch einzelne Körper

entlang der Grenze der Flächeneinheit gebildet. Ihre Kraft, raumbildend wirksam zu werden, hängt vom Abstand der einzelnen Körper untereinander und dem Grad der Flächeneinheitlichkeit ab. Offene Raumgrenzen schaffen freie Verbindungszonen, die Bündelung von Außenbeziehungen erfolgt über die Größe der „Lücke” und/oder die Besonderheit der Körper (z.B. Pforten).

> Geschlossene/dichte Raumgrenze (Grenzwand)

> Grenzöffnung

63

> Transparente Raumgrenze

> Offene Raumgrenze

Raumgrenzen Raumgrenzen können durch sehr unterschiedliche Mittel gebildet werden.

Einheitliche, körperhafte Grenzwände sind u.a. durch Ge-

bäude, Mauern, Zäune, Hecken, Höhenunterschiede (Modellierung, Terrassierung) zu erzielen.

Zusammengesetzte Grenzen entstehen

durch die Anordnungen unterschiedlicher Elemente entlang einer Grenzlinie: Einzelbäume, Solitärsträucher, Rankkonstruktionen, Einrichtungsgegenstände (Bänke, Lampen, Feuerwehrpoller), Steine, Mauerscheiben, Einzelhügel u.v.a.m.

64

Flächeneinheitlichkeit Die Wirksamkeit von Flächen für die räumliche Wahrnehmung ist abhängig von ihrer Einheitlichkeit (Ähnlichkeit) und deren Unterscheidbarkeit von der Umgebung: Je höher die Einheitlichkeit und je stärker der Kontrast zur Umgebung, desto eindeutiger wird ein Bereich als zusammenhängend wahrgenommen. Flächeneinheitlichkeit ist erzielbar durch – alles: Langgraswiesen, Bodendecker, Blumenrabatten o.ä.); etc.);

Flächige Grünstrukturen (Rasen,

„harte” Oberflächenbeläge (Pflaster, Platten, Asphalt, Beton, Stahlscheiben

„weiche” Oberflächenbeläge (Tennenbelag, Sand, Kunststoffplatten, Wasser etc.).

65

Unterschiedlichkeit zur Umgebung ergibt sich aus

Farbunterschieden,

Helligkeitsunterschieden (helle neben dunklen Materia-

lien, aber auch: sonnige neben schattigen Flächen am Tag, beleuchtete neben dunklen Bereichen bei Nacht; Vollschatten unter Kastanie neben Halbschatten unter Robinie etc.);

Struktur- bzw. Texturunterschieden (feinkörniger Sand neben grobem Splitt,

Wiese neben Sand, feiner Kies (rundkörnig) neben grobem (eckigem) Schotter, Mosaikpflaster neben großformatigen Platten etc.).

> Raumgröße in Abhängigkeit von menschlicher Nähe Die Sozialpsychologie beschäftigt das Phänomen „Raum” in seinem Zusammenhang mit menschlicher Nähe. E.T. Hall unter[28] Hall, E.T.,“The hidden dimension”.

scheidet vier Kategorien von sozialer Distanz [28]: Die

Intim-Distanz umfasst einen zwischen-

menschlichen Abstand von unter 0,5 Metern. Innerhalb dieser Entfernung werden nur sehr vertraute Personen spannungsfrei ertragen, taktile (Tastsinn) und olfaktorische (Geruchssinn) Informationen überwiegen den Sehsinn. Die

Personal-Distanz umfasst einen zwischenmenschlichen Abstand von 0,5 bis 1 Metern. Sie entspricht in etwa dem instink-

tiven Schutz-Umkreis eines Menschen. Personen können über peripheres Sehen (150° Sehwinkel) wahrgenommen, ihre Bewegungen erfasst werden. Olfaktorische und taktile Informationen spielen eine Rolle, jedoch dominiert bereits die optische Wahrnehmung. Innerhalb der Personaldistanz werden fremde Menschen durch instinktives Abrücken auf spannungsfreie Entfernung gehalten; ist dies nicht möglich, sind ein Erstarren von Kommunikation und Gefühle wie Unsicherheit bis Angst, Anspannung oder Wehrlosigkeit die Folge. Beispiele: Fahren in einem bereits besetzten Aufzug oder in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln, Fremde im Restaurant am selben (kleinen) Tisch oder auf einer Bank im Park. Innerhalb der

Sozial-Distanz erfolgen die meisten Sozialkontakte mit anderen Menschen. Sie bewegt sich zwischen einem

Abstand von 1 bis 2,5 Metern (engere Sozialdistanz) und 2,5 bis 5 Metern (weitere Sozialdistanz). Innerhalb der Sozialdistanz kann eine Person in ihrer ganzen Motorik beobachtet werden; die Wahrnehmung erfolgt fast ausschließlich visuell und akustisch. Beim Entwerfen von Räumen, in denen einander fremde Menschen in Interaktion treten sollen, ist bei der Anordnung von Einzelpositionen (Bänke, Tischbreiten, Spielpositionen etc.) die Einhaltung (insbesondere der weiteren) Sozialdistanz hilfreich. Lie[29] Die Sozialdistanz ist von einem starken Kommunikationsdrang geprägt, bei unkommunikative Tätigkeiten (z.B. Lesen) kommt es zu einem Gefühl des Unbehagens, mensch tendiert instinktiv dazu, die Entfernung zu Fremden zu vergrößern.

66

Die

gen die Distanzen darunter, sind Spannung, Aggression oder Unruhe, aber auch - positiv - ein hoher Kommunikationsdruck die Folge. Über der weiteren Sozialdistanz nimmt der Kommunikationsdruck deutlich ab [29].

öffentliche Distanz liegt im Bereich von 5 bis 7 (10) Metern, wobei die Obergrenze je nach kultureller, sozialer oder per-

sönlicher Prägung unterschiedlich sein kann. Zur Kontaktaufnahme mit bekannten Menschen wird entweder der Abstand verringert oder aber spezielle Zeichen (Winken, Rufen etc.) eingesetzt. Die Einhaltung der öffentlichen Distanz zu Fremden ist ein deutliches Zeichen gegen eine spontane Kommunikation.

Beispiel: Eine Liegewiese, umgeben von niedrigen Grenzen (hohes Gras, Sträucher, niedrige Mauer o.ä.) wird allmählich von Menschen belegt. Es ist früher Nachmittag, nicht sehr heiß, am südwestlichen Rand steht ein Baum. Wie werden sich die Menschen verteilen? Die Ziffern 1-15 zeigen die wahrscheinlichsten Belegungsorte.

2

1

2

3

1

1 4

4

> Höchste Attraktivität durch den Baum (Schutz, Dach, Schwerpunkt).

> Die Grenzflächen werden als nächste besetzt. Nischenandeutungen wirken dabei als „Kondensationskerne”.

2

2

3

1

6 4

> Alle nachfolgend ankommenden Menschen müssen sich mit der weiteren Sozialdistanz abfinden.

11

10

7

> Um die öffentliche Distanz zu halten, wird die normalerweise unattraktive Mitte (vgl. Verteilung der Menschen in Restaurants oder Kaffees) besetzt.

2

3

7

5

3

5

5

12 6

1 8

4

9

7 5

12

13

6

1 8

11

10

15

13

3 14

9

4

> Und so weiter…

67

Weitere Verdichtung (unter der engeren Sozialdistanz) ist höchst unwahrscheinlich und wird im Normalfall gemieden. Sollte sie dennoch eintreten, beispielsweise an einem heißen Tag am Strand, so kommt es zu Verhaltensänderungen und zu einer deutlichen Abgrenzung des eigenen Territoriums (durch Handtuch, Strandkörbe, Zuwendung des Rückens o.ä.).

Raum und Raumwirkung Räume sind Träger von Assoziationen, sie evozieren Stimmungen und Befindlichkeiten. Es gibt viele Bedingungen, die bewirken, [30] So wie jede andere Gestalt, jedes andere „Zeichen” stehen Räume nicht „für sich selbst”, sondern werden im Zusammenhang mit der Vorerfahrung gedeutet.

welche Stimmung durch eine spezifische räumliche Einheit in uns hervorgerufen wird. Eine Vielzahl davon liegen jedoch nicht bzw. nur mittelbar im Einflussbereich der Landschaftsarchitekten: Klassische

„Stimmungsmacher” wie das Wetter sowie Jahres- und Tageszeiten gehören ebenso dazu wie temporäre Ereignisse (z.B. ein tief fliegendes Flugzeug über einem See, ein am Waldrand äsendes Reh usw.) oder aber die subjektive Befindlichkeit des Betrachters [30]. Diesen (noch?) nicht beinflussbaren Bedingungen stehen die beschränkten Möglichkeiten der Landschaftsarchitektur gegenüber, Stimmungen zu beinflussen; neben der Stofflichkeit, also der Art und Eigenschaft der verwendeten Materialien, ist dies vor allem das Spiel mit der Proportion, also dem Verhältnis zwischen der Entfernung der Betrachter zu einer Raumgrenze und jenem zwischen [31] Vgl. S. 52: „Raum ist Proportionserleben (nicht Maßerleben)”.

Augenpunkt und Höhe der Grenze [31].

x

68

18°

3x

> Verhältnis 3:1 (x = Höhe des Objektes minus Augenhöhe des Betrachtenden)

Daraus ergibt sich ein weiteres, für die Wirkung von landschaftsarchitektonischen Objekten mit entscheidendes Verhältnis: Jenes zwischen der Höhe der Raumgrenze und dem darüber sichtbaren Ausschnitt des Himmels.

Himmel

Himmel

Grenzkörper

Grenzkörper

> Verhältnis 3:1

> Verhältnis 2:1

Je größer die Differenz zwischen Distanz und Höhe wird (z.B. Verhältnis 8:1), desto stärker dominiert der Himmel die landschaftsarchitektonische Situation. Und umgekehrt.

69 Himmel Grenzkörper Grenzkörper

> Verhältnis 1:1 – kein Himmel sichtbar

> Verhältnis 3:1 – Himmel dominiert leicht

> Verhältnis 8:1

> Das menschliche Sehfeld Die menschliche Fähigkeit, Dinge zu sehen, d.h. zu er-kennen, ist physiologisch begrenzt. Mit unbewegtem Auge können wir nur innerhalb eines engen Rahmens von ca. 1° detailgenau sehen. Innerhalb eines Bereiches von ca. 30° bis 36° sind Gestalten noch relativ scharf erkennbar, bis zu einem Winkel von ca. 120° werden sie immer unschärfer. Darüber hinaus können wir nur noch Bewegungen erkennen (sog. „peripheres Sehen”). 75° 30°

60°

18° 12-15° 1°



12-15° 18°

60° 30° 75°

> Horizontales Blickfeld

> Vertikales Blickfeld

70

Alte Baumeister (z.B. Vitruvius) rechneten mit einem Mittelwert des horizontalen Gesichtsfeldes von 30° bis 35°. Für eine Distanz von 10 m bedeutet dies eine Breite von 6 m oder eine Proportion von 5:3 (oder 0,6: die harmonische Proportion der Großen Sext). Die Raumproportion, also das Verhältnis von Länge zu Breite, vieler alter Plätze entspricht dem.

In der europäischen Tradition der Bildhauerei mündeten die Erfahrungswerte über das menschliche Blickfeld in Regeln zum besten Betrachtungsstandpunkt einer Statue. Dabei wurde unterschieden zwischen dem

architektonisch-

malerischen Standpunkt (Proportion 3:1, entsprechend einem Blickwinkel von ca. 18°), dem architektonischen Standpunkt (Proportion 2:1, Blickwinkel ca. 27°) und dem

streng

Detailbetrachtungs-

[32] Um zu vermeiden, dass die Betrachter den Detailbetrachtungspunkt unbedacht überschreiten konnten (Verzerrung der Formen), wurde bei vielen alten Monumenten in dieser Distanz eine Hecke, eine Umfriedung, eine Kette oder eine hohe Stufe angeordnet.

standpunkt (Proportion 1:1, Blickwinkel 45°) [32].

18°

> Architektonisch-malerischer Standpunkt

27°

> Streng architektonischer Standpunkt

Für öffentliche Freiräume ist ein Verhältnis von

45°

> Detailbetrachtungsstandpunkt

1:1 zwischen Betrachter und Raumgrenze im allgemeinen nicht empfehlenswert.

Da fast kein Himmel mehr sichtbar ist, dominiert der Eindruck eines unüberwindbaren Raumes (Gefühl der Beengung). Im Gegensatz dazu kann dasselbe Verhältnis im privaten Bereich positive Assoziationen wie Geschützheit und Sicherheit evozieren. Dies kann, etwa bei kleinen privaten Freiräumen (Atriumhöfe, Wintergärten o.ä), ein wünschenswerter Effekt sein.

71

45°

> Verhältnis 1:1 (Enge/Sicherheit)

Das Verhältnis von 1:1 sollte nur dort eingesetzt werden, wo die Stimmung der Enge und Abgeschlossenheit ausdrücklich unterstützt werden soll. Ist eine solche räumliche Situation, etwa durch gegebene Bebauung, alte Bäume etc., nicht vermeidbar, kann die beenSchwächung der Dominanz der Raumgrenze (Minderung des Farb- bzw. Helligkeitskontras-

gende Wirkung gemindert werden durch tes zur Umgebung; Extrem: Spiegel) Baumschirm vor der Grenzwand)

Verdeckung des oberen Abschlusses der Grenzwand (z.B. Besatz mit lichtem, niedrigem

Vermittelnde Zwischenhöhe (z.B. durch Pergola)

grenze (z.B. durch „laute” Bepflanzung, Skulpturen etc.)

Blickfänge im unteren Drittel der Raum-

Stärkung der Fläche, d.h. Verlagerung der Aufmerksamkeit der Betrach-

ter auf die Fläche (Erhöhung der Vielfalt der Fläche z.B. durch Blumenrabatten, verschieden farbige Oberflächenbeläge etc.).

> Verhältnis 1:1

> Schwächung der Raumgrenze – Raum wirkt „weiter”

> Stärkung der Raumgrenze – Raum wirkt „enger”

> Stärkung der Basis bzw. Schwächung des oberen Randes der Grenze – Raum wirkt „weiter”

> Vermittelnde Zwischenhöhe – Pergola als Blickfang im mittleren Bereich der Grenzwand

> Hervorhebung des oberen Abschlusses – Raum wirkt „enger”

72

> Stärkung der Fläche (Aufmerksamkeit auf Fläche lenken)

> Niedrige, „laute” (besondere) Objekte

> Erweiterung des Raumes

Raum wird häufig nicht vom Rand, sondern annähernd aus der Flächenmitte erlebt. Dies erzeugt, selbst bei einem Raumverhältnis von 2:1 mittig stehend einen beengenden Raumeindruck von 1:1. Ist dies unerwünscht und der Raum nicht wenigstens auf 3:1 erweiterbar, empfehlen sich randseitige Schwerpunkte mit höherem Aufenthaltswert ( z.B. ein kleiner Platz, eine Bank) zumindest jedoch ein Weg durch den Raum.

> Verhältnis 1:1 mittig

Das Verhältnis von

> Randseitiger Weg mit starkem Zielpunkt (Tor) – durch Verlagerung des Standpunktes: Verhältnis 2:1

> Randseitige Bank – Verhältnis 2:1

2:1 ist dort empfehlenswert, wo ein gewisses Maß an Geborgenheit und/oder Geschütztheit ohne Beengtheit

gewünscht wird. Wichtig dabei: Um die Geborgenheit zu gewährleisten, müssen die Raumgrenzen bis zum Boden hin dicht sein (undurchsichtige, geschlossene Grenzwand).

73

Das Verhältnis 2:1 empfiehlt sich nicht für undifferenzierte, deutlich mittebetonte Freiräume, da sich die Raumwahrnehmung aus der Mitte in das in Freiräumen in der Regel als beengend empfundene Verhältnis 1:1 verkehrt.

27°

> Verhältnis 2:1 (Geborgenheit)

Das Verhältnis

3:1 ist das alte Maß für Wiesenräume in englischen Landschaftsgärten. Wiesen von 100-120 m wurden durch Bäume

erster Größe (Bäume, die im erwachsenen Zustand ca. 35-40 m hoch werden, wie z.B. Buchen, Linden, Ahorn, Eiche, Eschen o.ä.) begrenzt. Der Himmel wird zum deutlichen Teil des Sehfeldes, der Raum wirkt von den Rändern her offen und weit, von der Mitte aus schützend und geschlossen.

18° 74

> Verhältnis 3:1 (Beginn der Offenheit)

Die Verhältnisse

4:1 bis 6:1 schaffen zunehmend weitere, offenere Raummitten und sehr weite, über den hohen Himmelanteil in

die Ferne weisende Randsituationen.

> Verhältnis 4:1 (zunehmende Weite)

Bei richtiger Anordnung der Hauptaufenthaltsorte (Wege, Plätze u.a.) in Beziehung zur Haupterstreckung des Raumes und der Erschließung ist auch auf relativ kleiner Grundfläche „Weite” erzielbar.

> Schmaler langer Raum – durch Verortung von Hauptaufenthaltsbereichen an den Schmalseiten kann dem Gefühl der Enge entgegnet werden. 75

Alle Verhältnisse, die darüber hinausgehen, also

größer als 6:1 sind, wirken zunehmend weiter und offener, das Gefühl der Um-

schlossenheit, der sicheren Räumlichkeit der Grenze nimmt stark ab; dies kann zum Gefühl der „Verlorenheit unter riesigem Himmel” führen, aber auch Freiheit und Leichtigkeit bedeuten.

Ab einem Verhältnis von 6:1 werden deutliche Anhaltspunkte, situative Potenziale in der Flächeneinheit immer wichtiger und not[33] Vgl. S. 73: „Verhältnis 2:1”.

wendiger [33]; die mittelbare Leitfunktion von Öffnungen, Toren etc. in den Grenzwänden nimmt ab, die

Leitung durch Erschließung (Wege, Pfade, Zwischenziele usw.) wird wichtig.

> Verhältnis 10:1 „Verlorenheit”, „Abheben”, aber auch „Weite”, „Freiheit”

> Raumwirkung und Pflanzen Pflanzen als Raumgrenze wandeln sich mit der Zeit, sie wachsen; in Einzelstellung verändert sich auch ihr Habitus. So kann etwa ein in den ersten Jahren nach der Pflanzung weiter, offener Garten sich nach 20-30 Jahren in eine unbehagliche, beengende „Zwing-Burg” verwandeln. Daher ist es beim Bau von Baum-Räumen nötig, die artspezifische Zielhöhe und den zu erwartenden Habitus im Wandel der Zeit bzw. in Abhängigkeit der Stellung (Solitär oder enge Baumgruppe) zu kennen.

76

Raumbildung durch Höhenunterschiede Höhenunterschiede haben stark raumbildendes Potenzial. Der Höhensprung, also der Übergang zwischen unterschiedlichen Niveaus, bildet dabei die Raumgrenze. Höhenunterschiede können über einen deutlichen Höhensprung ausgebildet sein (Terrassierung), oder aber als allmählicher Übergang ohne eigenständigen, klar definierten Übergangsbereich (Modellierung). Die Grundrissdarstellung von Terrassierungen erfolgt durch Böschungslinien

, wohingegen modelliertes Gelände durch Höhenlinien

darstellbar wird. Terrassierungen sind charakterisiert durch eine deutliche Trennung zwischen nahezu waagerechten Bereichen (Terrassenräume) und eigenständigen, mehr oder weniger stark geneigten Flächen (Terrassenböschungen; im Extremfall: Terrassenmauern).

> Terrassierte, „strenge” Mulde

> Terrassiertes, „strenges” Plateau

77

> Terrassierte, „freie” Mulde

> Terrassiertes, „freies” Plateau

Je undeutlicher und flacher der Übergang zwischen Ebenen unterschiedlicher Höhe ist, desto wichtiger wird für die Raumbildung [34] Vgl.S.50: „Je schwächer die Grenze, desto stärker die Fläche (und umgekehrt)”.

eine deutliche Ausprägung der Flächeneinheit [34].

> Terrassenmauer – kein eigenständiger Grenzbereich, jedoch deutliche Raumkante

> Steile Terrassenkante – schmaler Grenzbereich, deutliche Raumkante

> Flache Terrassenkante – breiter Bereich mit Nutzungsqualität, jedoch schwache räumliche Wirkung.

In Hanglagen erfolgt Terrassierung durch Einschnitt in das Gelände, durch einen Materialauftrag oder beides.

> Terrasse (als Einschnitt)

> Terrasse (als Auftrag)

> Terrasse (Kombination)

Falls die sich von der Schräge der Umgebung unterscheidende Fläche nicht mehr oder weniger waagerecht ist, sondern nur deutlich 78

flacher als der Hang, sprechen wir nicht von Terrasse sondern von einer Hangschulter.

> Terrassen – waagrechte Ebene im Hang

> Hangschulter – verflachte Ebene im steileren Hang

Im Unterschied zur Terrassierung bedeutet Modellierung eine „weiche”, gerundete Formung des Höhenunterschiedes. Charakteristisch für die Modellierung ist: Geländeteilen;

Das Fehlen einer eindeutigen Grenzlinie zwischen flachen und steilen

die Form einer Sinus-Kurve im Schnitt

und einem steilen Mittelstück [35];

, also einem flachen Anfang bzw. Ende

[35] Fast alle uns vertrauten Geländeformen des „natürlichen” Mesoreliefs sind solche Formen, durch Strömungen von Wasser und/oder Wind „modelliert”.

eine sich ständig ändernde Neigung.

> Steile Böschung > Flache Böschung

> Böschungshügel (Grundriss)

> Böschungshügel (Schnitt)

79

Höhenunterschiede und Raumwirkung Die Deutlichkeit der Raumwirkung von Höhenunterschieden ist abhängig vom Zusammenspiel zwischen der Höhe des Geländesprunges und dem Stand- und Blickpunkt der Betrachter („menschlicher Maßstab”).

Die Anhebung eines Bereiches gegenüber der Umgebung „erhöht” dessen Bedeutung. Bis zu einer Höhe von ca. 150 cm (für Erwachsene bequem überblickbar) vermittelt die Anhebung Extrovertiertheit, relative Zugehörigkeit und Offenheit. Erhöhungen von mehr als 150 cm kehren die Wirkung allmählich in Abgeschlossenheit und Privatheit um. Bereits

Erhöhungen von 30-50 cm geben Bereichen räumliche Eigenständigkeit, weisen auf ein unterscheidendes, anderes Nut-

zungspotenzial hin; das Verbindende, Zugehörige zur Umgebung überwiegt jedoch stark.

80

> Niveauanhebung um 30-50 cm

Anhebungen um 70 cm (bis 150 cm) führen – insbesondere bei materieller, stofflicher Ähnlichkeit oder Gleichheit der Oberflächen – zu einem (labilen) Gleichgewicht zwischen trennendem und verbindendem Eindruck. Der angehobene Bereich erhält eine, mit dem Höhenunterschied wechselnde, deutliche räumliche Eigenständigkeit, ohne jedoch (jedenfalls für einen erwachsenen, stehenden Menschen) von der Umgebung isoliert zu wirken. Für Kinder, aber auch für sitzende Menschen besteht bereits starke Trennwirkung.

> Niveauanhebung um 70-150 cm

Weitere Anhebung erzeugt starke räumliche Trennung (geschlossene Grenzwand von unten, geringer Kontaktbedarf von oben). In beiden „Räumen” sind sehr unterschiedliche Nutzungen ohne gegenseitige Bezugnahme möglich.

81

> Niveauanhebung über 150-160 cm

Abgesenkte Bereiche bilden tendenziell abgeschiedenere Räume; sie können auch gewisse Schutzbedürftigkeit der Nutzungspotenziale andeuten (Kinderspiel, Prachtstaudenbeet etc.). Absenkungen bis ca. 100 (max. 150) cm vermitteln Geborgenheit, das Verbindende zwischen oben und unten bleibt aber in der Regel bestimmend. Bei

Absenkungen von über 150 cm nimmt die Verbindung zwischen oberer und unterer Einheit rasch ab. Aus dem Gefühl der Gebor-

genheit wird zunehmend Unbehaglichkeit, Eingesperrtheit, bei freiem Blickkontakt bis zu schutzloser Ausgesetztheit.

> Absenkung deutlich über 150 cm – das Trennende überwiegt trotz freiem Blickkontakt

> Absenkung um 30-50 cm (Verbindendes überwiegt)

Pflanzung zur optischen Reliefänderung Klein- und Mesoreliefgegebenheiten sind über ergänzenden Pflanzungen in ihrer räumlichen Wahrnehmung veränderbar. Böschungen können durch gestufte Pflanzung (mittels habituell geeigneter Arten) optisch überhöht oder verflacht werden.

82

> vorhandene Böschung

> Überhöhung der Böschung

> Abflachen der Böschung

Für

Hügel gilt ähnliches: Durch Bepflanzung kann die Reliefgestalt betont oder geschwächt werden.

Ein Besatz mit Hoch- oder Halbstammbäumen auf der Hügelkuppe lassen den Hügel bewegter, „luftiger” erscheinen; der Durchblick unter den Bäumen erhält die eigentliche Reliefform. Geschlossene, der Hügelform folgende Gruppen von Vegetation hingegen (z.B. mehrschichtig aus Bäumen und Sträuchern) überhöhen das Relief insgesamt, verschmelzen mit diesem und lassen den Hügel „höher” und „schwerer” erscheinen. Die eigentliche Reliefform des Hügels ist dabei jedoch kaum noch wahrnehmbar.

> Überhöhung – Relief des Hügels bleibt spürbar

> Überhöhung – Relief des Hügels undeutlich

Bepflanzung von Hügelhängen behindert die Lesbarkeit des Reliefs, Bepflanzungen vor dem Hügel verflachen des Relief. Der Hügel selbst wird dadurch unbedeutend.

83

> Bepflanzung des Hügelhanges – weder Betonung noch Schwächung, unklares Relief

> Bepflanzung vor dem Hügel – optische Verflachung des Hügels

Flache Senken sind durch randseitige, höhengestufte Bepflanzung an den Rändern verstärkbar. Durch die Überhöhung erhält die Senke eine deutliche, sehr eigenständige räumliche Fassung.

> Leichte Senke

> Überhöhung der Ränder – Stärkung der Senke

Steile Gartenhänge werden optisch flacher, indem talseitig höhere (bodennah durchsichtige) und bergseitig niedrigere (dichte) Pflanzen angeordnet werden. Sind die höheren Elemente bergseitig, kehrt sich der Effekt um, der Hang „wird” steiler.

84

> Hangsituation – durch Bepflanzung optisch flacher

> Hangsituation – durch Bepflanzung optisch steiler

Der Hain Der Hain, die im Verhältnis zur Umgebung dichte Gruppierung von Bäumen, ist ein eigenständiger Raumtyp. Haine sind „Häuser”: Flächeneinheitlichkeit und Grenzkörper entstehen gleichsam als Umkehrung üblicher landschaftsarchi-

[36] Vgl. S. 48: „Landschaftsarchitektonische Räume”.

tektonischer Räume [36]. Das Kronendach der Bäume schafft einen dunkleren, überdeckten und geschützteren Raum im Vergleich zur hellen, offenen Umgebung, die für den Hain konstitutiv ist.

> Raum – vertikale Raumgrenzen, Himmel offen

> Hain – geschlossen (Dach)

85

Haine haben unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Stimmungen. Dies hängt vor allem von der Wahl der Baumart (lichte, lichtdurchlässige bis schattige, dunkle Bäume; hellgrüne, sonnenfleckige bis „schwere”, dunkelgrüne Schatten; glänzendes oder mattes Laub etc.) ab, jedoch auch von der Dichte der Baumstellung und der Pflanzstruktur (strenger/formaler oder freier/unregelmäßiger Hain).

> strenger Hain – präzise, verlässlich, „ordentlich”, ruhig, „steif”

> freier Hain – spielerisch, Freiheit versprechend, unruhig, „paradiesisch”; mit zunehmender Auflösung vermischt sich die einheitliche Raumwirkung.

Strenge Haine bilden ein regelmäßiges Baumdach, damit (ortsabhängig) dunklere, schattigere (geheimnisvolle) Bereiche definierend; sie können locker geschlossen sein, schattig-behaglich wirken (wandernde Sonnenflecken am Boden) oder, mit in lockerem Abstand gesetzten Bäumen, hell, leicht und einladend durchlässig wirken.

86

> Hain, dicht geschlossen

> Hain, locker geschlossen

> Hain, locker

Gruppenweise Auflockerung strenger Haine schafft neue räumliche Situationen innerhalb des Haines (Lichtungen). Die Auflockerungen können streng und regelmäßig sein oder aber durch unregelmäßige Aussparungen und Gruppierungen reizvolle Kontraste zur Regelmäßigkeit des Hainrasters bilden.

> regelmäßige, strenge Lichtungen im strengen Raster

> freie Lichtungen im strengen Raster

> richtungsbetonende, freiere Lichtung

Freien, „naturhaften” Hainen liegt im Gegensatz zu strengen Hainen kein regelmäßiges Raster zugrunde. Die Baumabstände, die Abfolgen von hellen und schattigen Bereichen sind unregelmäßig, große Lücken wechseln sich mit kleinen, dichten und dunklen Bereichen ab. Das Stimmungsbild freier Haine ist insofern sehr breit gefächert: Je nach gewählten Baumarten entstehen arkadische bis melancholische Stimmungsbilder.

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ideen 88

zitate

skizzen

fragen

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ergänzungen

3 . 2 S c h we r p u n k t s e t z u n g ( „ O r t ” ) Jede gestalterische Intervention tritt in einen Dialog mit dem Vorhandenen: Der Punkt auf einem weißen Blatt Papier zieht Aufmerksamkeit auf sich, ist Schwerpunkt im Kontext: Als Betrachter werden wir die Lage dieses Punktes unwillkürlich in Beziehung zu den Blattkanten setzen. In Bezug auf den Freiraum gilt dasselbe: Jeder be90

sondere Punkt, jede Intervention kann nur im Zusammenhang mit den räumlichen Gegebenheiten gelesen und eingeordnet werden. Schwerpunkte entstehen aufgrund ihrer besonderen Lage oder ihres besonderen Charakters im Kontext.

Schwerpunkt Die Tatsache, dass Menschen in jedem Augenblick Zusammenhänge suchen, Phänomene einordnen, „in Beziehung” setzen, ist auch für Schwerpunkte wichtig: Schwerpunkte bezeichnen besondere, außer-gewöhnliche Bereiche innerhalb eines bestimmten räumlichen Umfelds. Im Unterschied zu Raum als eigenständigem (notfalls sich selbst genügendem) Phänomen sind Schwerpunkte nicht ohne Kontext verständlich. Ihre Wirkung, ihr Charakter, ihr „Schicksal” ist untrennbar an die umgebenden räumlichen Eigenheiten gekoppelt. Jedoch: Sie beinflussen diese auch.

> Raum – „introvertiert” (autonom)

> Schwerpunkt – „extrovertiert”, benötigt externe Bezugspunkte (oder erschafft eine vom Punkt weg langsam ausdünnende „Raumglocke” selbst)

> Raum und Schwerpunkt

91

Schwerpunkte stärken, verändern oder bilden räumliche Situationen. Sie be-zeichnen Bereiche, verdichten Bedeutungen, ziehen Aufmerksamkeit auf sich, sind „Attraktoren” [37]. Schwerpunkte sind Halte- und Orientierungspunkte für unsere Bewegung, unsere Blicke, unser Verhalten. Gleichzeitig verweisen sie auf (neue) Zusammenhänge, motivieren und reflektieren Beziehungen zwischen unterschiedlichen Gestalten im Raum.

[37] Der Begriff Attraktor stammt aus der Nichtlinearen Dynamik: Er meint Gestalten, „die den Bewegungszustand des Systems gleichsam anzuziehen scheinen, die attraktiv sind.” Vgl. www.nld.physik.uni-mainz.de

92

Räume empfangen ihr Wesen aus Orten.

Martin Heidegger

Schwerpunkte kennzeichnet, dass sie komparativ beschrieben werden können: Sie sind größer, kleiner, heller, dunkler, runder, eckiger, blauer, grüner, feuchter, weicher, interessanter, spannender, langweiliger, länger, voller, gerader, eckiger, extravaganter, schriller, friedlicher, unangenehmer, deutlicher, leerer, überfüllter etc. als die Umgebung.

> Einige Schwerpunkt-Beispiele

> Dichte in der Leere

> Leere in der Dichte

> Unordnung in der Ordnung

> Textur in der Struktur

93

> Rundungen im Eckigen

> Beginn/Ende von Richtungen

> Unterbrechung des Durchgängigen

> Öffnung des Geschlossenen

Besondere Lage Schwerpunkte sind außergewöhnlich in Bezug auf ihr nahes Umfeld. Ihre Besonderheit kann sich dabei „automatisch” (aufgrund einfacher geometrischer Lagebezüge) aus der Raumform oder den Raumgrenzen ergeben (z.B. der Mittelpunkt einer ebenen, einheitlichen Fläche, Linien parallel zu Raumgrenzen, ideelle Verlängerungen von starken Richtungsbezügen etc.).

> Besondere Lage – die geometrische Mitte

> Besondere Lage – Wegeführung parallel zur Raumgrenze

> Zwei Gebäude – Schwerpunkte an den Schnittstellen der ideellen Verlängerungen der Gebäudefluchten

> Zwei Gebäude – Bäume entlang besonderer Lagen 94

Ebenso kann eine besondere Lage aus den speziellen morphologischen Eigenheiten entstehen. Im freien Gelände sind dies vor allem exponierte, sich deutlich von der Umgebung unterscheidende Orte wie Hügelkuppen, flache Bereiche im steilen Hang, besondere Relieflinien (Hangkanten, Fußlinien, Kammlinien), Flussläufe etc.

> Besondere Lage – Hügelkuppe

> Besondere Lage – Terrasse im Hang

> Besondere Linie – Terrassenkante

Gestalterische Interventionen, die sich an besonderen Lagen orientieren, wirken ruhig, eingebunden und selbstverständlich, sie bedürfen im Regelfall nur minimaler zusätzlicher Kennzeichnung; sie betonen und stärken das Vorhandene.

95

> Die Gerade und der rechte Winkel Der rechte Winkel ist nicht zufällig der „Rechte”, der „Richtige”. Gemeinsam mit der geraden Linie markiert er seit Anbeginn der menschlichen Zivilisation die kulturelle Antwort auf eine bewegte, gefahrenvolle und unvorhersehbare Natur, das Menschenwerk in der „Wildnis”. Der rechte Winkel, wie auch die gerade Linie stehen für „Menschenwerk”, für Berechenbarkeit, Sicherheit und Vertrautheit. Er wird, ist er nicht real/stofflich vorhanden, über ideelle Bezugslinien gesucht und erkannt.

> Punkt und vertikale Linie – ideelle Bezugslinie sucht den rechten Winkel (kürzeste Distanz)

> Punkt und verkippte Linie – ideelle Bezugslinie sucht den rechten Winkel (kürzeste Distanz). Jedoch: Durch die dominierende horizontale Zeilenstruktur dieser Buchseite (= Kontext) existiert auch der Drang nach einer horizontalen Bezugslinie.

Ein rechter Winkel entsteht dann, wenn zwei gerade Linien so aufeinander stoßen, dass es zu einer Neutralisierung der jeweiligen Richtungsweisungen kommt: Die unterschiedlichen Bewegungen stehen im Gleichgewicht zueinander. Daher ist der rechte Winkel die ruhigste Möglichkeit des Aufeinandertreffens unterschiedlicher Richtungen. Im Unterschied dazu führt das Aufeinandertreffen von zwei Linien außerhalb des rechten Winkels zu Unruhe, Instabilität; aber auch: Bewegung, Dynamik.

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> Linienverbindung im rechten Winkel – Neutralisierung der Richtungen; ruhige, ausgeglichene Lage

> Linienverbindung außerhalb des rechten Winkels – neue, daraus resultierende Richtung; Unruhe, aber auch Dynamik

Betonte (gestalterische) Schwerpunkte Schwerpunkte, die außerhalb der durch geometrische bzw. morphologische Gegebenheiten existierenden Kraftfelder gestalterische Relevanz erlangen sollen, bedürfen einer deutlichen stofflich-körperhaften Präsenz. Dies gilt umso mehr, je weiter sich ihre Lage bzw. Ausrichtung von den „automatisch wirkenden” Schwerpunkten (z.B. geometrische Mitte) entfernen.

> Quadratischer Grundriss mit sich aus den Raumgrenzen ergebenden besonderen Lagen

> Markierung der Mitte – ruhigste Lage durch Gleichwertigkeit aller Bereiche

> Markierung auf der mittigen horizontalen Symmetrieachse – ruhig durch Parallelität zu Grenzlinien; unentschieden (irritierend, bewegt) durch Nähe zum geometrischen Schwerpunkt (gegenseitige Konkurrenz)

> Markierung auf der diagonalen Symmetrieachse – deutliche Differenzierung zwischen „engem” und „weitem” Bereich, starker Bezug zum linken, oberen Raumteil

> Markierung deutlich ausmittig – sehr starker Bezug zur linken Grenzlinie, jedoch immer noch Schwerpunkt im Raum

> Markierung der Ecke – starke Gewichtung des Bereiches jedoch kein Schwerpunkt im Raum mehr (keine Stärkung des Raumes, sondern der Grenze)

Solange die Lage eines Schwerpunktes immer noch deutlich erkennbar aus dem Kontext herleitbar ist (durch Richtungs- und Lagebeziehungen), bestätigt (betont) er den Kontext, auf den er sich bezieht, ordnet sich ein, „unterwirft” sich dessen Vorgaben. Der Zusammenhang wird gesucht, die räumliche Eigenständigkeit des Gesamtraumes unterstützt.

97

Gestalterisch gewünschte Schwerpunkte, deren Lage sich nicht aus vorhandenen Raumgrenzen und Bezugslinien ableiten lassen, sind auffälliger, wirken tendenziell irritierend; ihre Einordnung (im Raumgefüge) bedarf intensiverer Auseinandersetzung. Das gezielte „Ausscheren” von Schwerpunkten und -linien aus den vorherrschenden, selbst-verständlichen Lage- und Richtungsbezügen schwächt die Eigenständigkeit des Raumes zugunsten der Schwerpunkte (-linien) selbst. Sie können gleichzeitig auf ideelle Ordnungssysteme und Beziehungen außerhalb der gegebenen räumlichen Situation verweisen.

> 45° – Drehung in mittiger Lage – über die Diagonalen noch immer ruhig (rechter Winkel!) in die Lagebeziehungen des Raumes eingebunden

> Drehung – Einführung einer neuen Richtung; durch mittige Lage jedoch immer noch relativ ruhig

> Drehung und Lageverschiebung – der untere, rechte Bereich wird sehr wesentlich für den Gesamtraum; Schwächung des Raumes zugunsten des Schwerpunkts

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> Sehr eigenständige Schwerpunkte – bedeutende „Schwächung” des Raumes (der Raumgrenzen), Verweis auf Bezüge außerhalb des Raumes

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bemerkungen

ideen 100

zitate

skizzen

fragen

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ergänzungen

3 . 3 B ewe g u n g u n d E rs c h l i e ß u n g ( „ We g ” )

Die Wege des Menschen sind nicht unergründlich. Die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, Richtungen halten oder verschwenken, unseren Schritt drosseln oder beschleunigen ist weitgehend vorhersehbar. Gute Erschließung misst sich an der Fähigkeit der 102

Entwerfenden, Fortbewegung zu unterstützen, gleichsam durch gestaltende Maßnahmen vorwegzunehmen („Positive Lenkung”). Landschaftsarchitektur ist sanftes Ge-leiten der Bewegung.

Bewegung – Motiv und Reaktion Wohin und wie schnell wir gehen ist abhängig vom Motiv der Fortbewegung und der Reaktion auf das Umfeld. Das Motiv (Warum gehe ich?) spielt dabei eine übergeordnete Rolle: Wollen wir ein Ziel (z.B. eine U-Bahn-Station) rasch erreichen oder wollen wir schlendern, spazieren, joggen, flanieren etc. Die Reaktion auf das Umfeld (Wie, wo gehe ich?) basiert auf der Fähigkeit (der Notwendigkeit) der Menschen, Gestalten, also charakteristische Zusammenhänge von Umgebungseigenschaften zu erkennen (zu suchen). Dieses Grundbedürfnis, diese Reaktion auf spezifische morphologische Gegebenheiten beinflusst in charakteristischer Weise unsere Fortbewegung. Zwei (sehr archaische) Faktoren sind für die Art unserer Bewegung entscheidend: das Bedürfnis nach rung und jenes nach einem möglichst

vorausschauender Orientie-

„unaufmerksamen” Auftritt.

Vorausschauende Orientierung Wege signalisieren Zusammenhang. Als selbstverständliche, meist über längere Distanz einsehbare Linien stehen sie für (Richtungs-) Sicherheit, Vertrautheit und Vorher-sehbarkeit. Wege markieren übliche, häufige Bewegungslinien, sie kommen dem menschlichen Bestreben nach vorausschauender Orientierung am nächsten. Ist kein materieller Weg als Angebot einer „mit Sicherheit” begehbaren Bewegungslinie vorhanden, werden instinktiv Anknüpfpunkte im Gelände (Wegmarken) gesucht, nach denen die eigene Bewegungslinie vorausschauend „gebildet” wird. Wegmarken sind deutliche, auf Distanz erkennbare (ich er-kenne - ich kenne also - ich gehe richtig) Gestalten als Anhalts-punkte der Fortbewegung. Neben

punktuellen Wegmarken (charakteristische Einzelbäume, Felsformationen, Gebäude etc.) werden auch

beson-

dere Linien im Geländerelief (lineare Wegmarken z.B. Hangkanten, Uferlinien, Tälchen etc.) bewusst bis instinktiv als leitende Hilfen der Fortbewegung genutzt. Sie ermöglichen, ähnlich wie ein vorhandener Weg bzw. ein Pfad, eine über längere Strecken zweifellose Fortbewegung.

103

Terrassen und Hügel beispielsweise (so sie nicht deutlich quer zur gewünschten Hauptbewegungsrichtung liegen) werden im Zweifelsfall vorzugsweise entlang des Hangfußes oder des Oberrandes der Höhenstufe (Terrasse) bzw. über die Kuppe (flacher Hügel) begangen. Als besondere, da im topografischen Umfeld selten vorkommende Linien wirken sie als lineare Wegmarken.

> Besondere Linien des Reliefs (Terrassenstufe, Plateau) – Unter- und Oberrand

> Besondere Linien des Reliefs (Hügel) – Fußlinien, Kammlinie

Der „unaufmerksame” Auftritt „Unaufmerksamer” Auftritt meint das instinktive Bestreben nach möglichst wenig Aufmerksamkeit forderndem, kräftesparenden und 104

bequemen Auftreten und gleichmäßigem Ausschreiten. Dem Weg selbst (d.h. seiner Oberfläche in Verbindung mit dem Setzen unseres [38] Vgl. S. 18: „Superierung“. [39] Ursprünglich wohl auch, um auf potenzielle Gefahrenmomente schnell reagieren zu können. (Vgl. auch Verhaltensstudien von Tieren).

nächsten Schrittes) soll also nur minimale Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen. Nur wenn wir uns nicht auf jeden einzelnen Schritt konzentrieren müssen [38], ist die Voraussetzung gegeben, um unsere

Aufmerksamkeit anderen, wegbegleitenden Phänomenen (z.B. der schönen Aussicht, der nächsten Wegmarke, dem Reh am Waldrand etc.) widmen zu können [39].

Ein See. Hohe Berge rundherum. Es ist heiß, Sommer. Er will schwimmen. Barfuß verlässt er den beschaulichen Liegeplatz, balanciert vorsichtig über schroffe Steine zum Ufer. Die erste Berührung mit dem kalten Wasser. Langsam, den Blick starr auf seinen Füßen, tastet er sich an den spitzen Steinen vorbei. Wieviel Aufmerksamkeit widmet er wohl der atemberaubenden Umgebung?

105

Das Bestreben eines gleichmäßigen, entspannten, eines „unaufmerksamen” Auftrittes zeigt sich in einigen charakteristischen menschlichen Verhaltensweisen der Fortbewegung: In ebenem, gleichmäßig begehbarem Terrain wird zwischen Ausgangspunkt und Ziel eine (fast) gerade Gehlinie zurückgelegt.

> Gerade Gehlinie in ebenem, gleichmäßig begehbarem Gelände

Eine Störung der angestrebten Bewegungslinie führt zu einer Verschwenkung, zur Umgehung des Hindernisses und anschließendem Wiedereinschwenken auf die ursprüngliche Richtung. Dies gilt selbstverständlich für große Objekte (Häuser, Felsen, Bäume), ebenso aber für Unebenheiten im Kleinrelief, für Steine, Büscheln hohen Grases, einer nassen Stelle o. ä. Verschwenkungen sind selten abrupte Veränderungen der Richtung sondern flache (vorhersehbare) Kurven

.

106

> Umgehung eines Langgrasbereiches

> Umgehung eines Steines

> Umgehung einer kleinen Bodenerhebung

Höhenunterschiede quer zur Hauptbewegungsrichtung werden vorzugsweise umgangen. Ist dies nicht möglich, wird eine Bewegungslinie gewählt, die häufige Steigungswechsel vermeidet (Linie gleichmäßiger Steigung bzw. Gefälle). Dabei werden, bei ähnlicher Neigung, Senken als geringeres Hindernis empfunden als Hügel. (Dies könnte daran liegen, dass bei einer Senke Zielrichtung und Oberflächenbeschaffenheit erkennbar bleibt, wohingegen bei Hügeln zeitweise weder das Ziel noch der weitere Wegverlauf einsehbar sind.)

> Gleichmäßig begehbare Ebene – gerade Querung

> Steiler Hügel – seitliche Umgehung (kurzer, gleichmäßiger Anstieg – ebene Strecke entlang einer Höhenlinie – gleichmäßiger Abstieg)

107

> Flache Mulde (flacher Hügel) – annähernd direktes Durchschreiten entlang einer Linie gleicher Steigung

> Steile Mulde – seitliche Umgehung mit geringem, gleichmäßigem Gefälle im Oberhang

Zur Vermeidung des unbequemen „schiefen” Trittes (Auftrittfläche nicht rechtwinkling zur Körperachse) werden im bewegten Gelände [40] Vgl. hierzu S. 77 f.

instinktiv Hangschultern [40] gesucht und verfolgt.

> Hangschulter

> Quergefälle der Auftrittsfläche rechtwinkling zur Körperachse (so werden auch alle Wege gebaut!)

Kurze, übersichtliche Steilstellen werden direkt (in der Falllinie) überwunden, falls keine angenehmere Wegstrecke (Hangschulter) erkennbar ist. Bei längeren Steilstellen wird der weniger anstrengende Anstieg quer zum Hang bevorzugt. Dabei wird in häufig ähnlichen Abständen die Richtung gewechselt („Spitzkehren” zur Neuorientierung und als Verschnaufpause). Je steiler der Hangabschnitt, desto kürzer ist der Abstand zwischen den einzelnen Richtungswechseln.

108

> Kleinere Höhensprünge – schnelle, gleichmäßige Überwindung in der Falllinie

> Längere Hänge – gleichmäßiger Anstieg quer zum Hang

> „Trampelpfad” – der Archetyp des Weges Die häufige Begehung einer bestimmten Linie im Gelände führt zum Archetyp des Weges, dem Trampelpfad. Das Benutzen eines vorhandenen, also bereits begangenen Trampelpfades ist eine der wichtigsten Anreize für die Wahl der eigenen Bewegungslinie überhaupt („der Mensch ist ein Herdentier”, „Nachfolgesyndrom”).

> Rasen

> Gehlinie; Vertiefung, Verdichtung, Fehlen von Vegetation bzw. charakteristische „Trittvegetation”

> Konsolidierung des Trampelpfades; höhere Vegetation am Wegrand

109

Positive Lenkung Das Wissen über das instinktive Gehverhalten der Menschen gehört zum Fundament landschaftsarchitektonischer Entwurfsarbeit. Die schönste Grundrissform einer Wegeführung wird in gebauter Realität von den Nutzern nicht angenommen, wenn sie diesen Kriterien widerspricht. Die Folgen sind bereits kurze Zeit nach Eröffnung einer Anlage ablesbar: Als besondere Einheiten konzipierte Teilbereiche werden durch Trampelpfade zerschnitten, geplante Wege verwaisen. Damit einher geht die Entwertung der Aufenthaltsqualität von Arealen, deren Reiz gerade darin läge, keine störende Durchquerung zu haben (Ruhebereiche, Ballspielwiesen o. ä.). Häufig wird im Nachhinein versucht, auf entstandene Trampelpfade mit Barrieren, Zäunen oder Verbotsschildern zu reagieren („Negative Lenkung”). Doch selbst diese Maßnahmen haben im Regelfall wenig Aussicht auf langfristigen Erfolg (Hecken werden niedergetrampelt, Zäune durchbrochen etc.).

110

Positive Lenkung bedeutet, die Wege der Nutzer selbstverständlich vorwegzunehmen bzw. sanft zu „manipulieren”, bedeutet lokken anstatt verbieten.

Eine Zielanalyse, also die Bewertung bestehender (zu erhaltender) und die Verortung neu zu schaffender Ziele einer Freianlage ist die Grundlage jeder guten Erschließung; Sichtbeziehungen und Wegzeichen sind die Mittel „positiver Lenkung”. Sichtbeziehungen dienen der Motivation der Fortbewegung. Ein Angebot attraktiver Zwischenziele (Blickbeziehungen, interessante Orte o.ä.) kann die Bewegung entlang eines Weges zusätzlich motivieren und/oder Auslöser für selbstverständliche, „lockende” Richtungswechsel sein. Wegzeichen verdeutlichen einen Wegverlauf. Sie sind einheitlich hinsichtlich Wegoberfläche (Materialität), Wegprofil (Kleinrelief), Wegbreite und wegbegleitenden Wegmarken (z.B. Relief, Einzelkörper – klassisch: Baum am Weg).

Äußere und innere Erschließung Äußere Erschließung meint die Erreichbarkeit und die hauptsächlichen Zutrittspunkte eines Freiraums von den umliegenden Bereichen aus (Straßen, ÖPNV-Stationen, wichtige Gebäude, Aus- und Durchgänge etc.). Sie liegt normalerweise nur bedingt im Einflussbereich der Landschaftsarchitekten, unterliegt vielmehr den Vorgaben überörtlicher (Fach-)Planungen. Qualitätskriterien für die äußere Erschließung von Freiräumen sind unter anderem eine zielgebundene (vorzugsweise Kfz-freie) Führung, einfache Orientierung und deutliche Zugänge. Die innere Erschließung beginnt, wo die äußere Erschließung endet: An den Zugängen. Sie ist der Oberbegriff aller primär der Bewegung dienenden Strukturen und Elemente eines Freiraumobjekts.

111

Aufgaben/Ziele der inneren Erschließung Erschließung ist selten Selbstzweck [41]. Vielmehr ist ihre Funktion die eines angenehmen, unaufdringlichen Begleiters, der wie selbstverständlich Bewegungsrichtungen vorgibt, Blicke lenkt und es dem Nutzer ermöglicht, seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zu widmen.

[41] Ausnahme: grundrissformale Gärten (z.B. Barockparterre).

Erschließung bedingt Arealbildung. Der verbindende Aspekt von Wegen in Längsrichtung geht immer einher mit einer zonierenden Funktion in Querrichtung: Jeder Weg, der durch einen Raum gelegt wird, teilt diesen. Wege sind deshalb immer auch raumgliedernde, raumbestimmende Elemente. Die Menschen auf dem Weg tragen selbst zur Raumbildung bei.

> Ein Raum

112

> Der Mensch als Raumgrenze

> Arealbildung durch Weg

> Arealbildung durch Weg

Szenen bilden. Wege wirken nicht so sehr selbst (Wegbelag etc.), sondern über die Sichteinheiten, die Szenen, die sich in der Fortbewegung erschließen. Sie leiten den Blick, machen auf „Sehens-Würdiges” aufmerksam. Wege inszenieren ihren Umraum, sind „Leseanleitungen” ihrer Umgebungsqualitäten.

‚Ein schönerWeg’, sagt Irene während einerWanderung. Meint sie tatsächlich denWeg ?

Angenehme Fortbewegung. Witterungsungebundenheit (z.B. keine Pfützen nach Regenfällen) und Unbeschwerlichkeit (keine übermäßig steilen oder häufig die Steigung wechselnden Abschnitte, gut begehbare Bodenoberfläche etc.)

[42] Vgl. S.104 f.: „Der „unaufmerksame” Auftritt.”

[42] sind die funktionalen (landschaftsbaulichen) Anforderungen an Wege. Bestandsschonung. Erschließung bündelt und lenkt Bewegung. Daher ist die richtige Durchwegung oder Umgehung trittempfindlicher Bereiche (Naturschutzeinheiten, Langgraswiesen o.ä.) ein wichtiger Beitrag zum Bestandsschutz. Das Angebot einer attraktivleitenden Wegestruktur hilft, das Betreten sensibler Areale zu verhindern.

113

Erschließung impliziert immer auch Ausschluss.

Weg und Ziel Ein Erschließungssystem erweist sich als umso erfolgreicher, je selbstverständlicher interessante Ziele eingebunden sind, je deutlicher die Nutzer in ihrem instinktiven Drang, ein (besonderes) Ziel zu erreichen, unterstützt werden. Je weniger im Verlauf einer Weglinie eine (notwendige) Abweichung von der eigentlichen Zielrichtung auffällig wird, je „schmackhafter” dem Nutzer attraktive An-haltspunkte gemacht werden, desto weniger werden Verschwenkungen der Wegführung als beengende Zwänge in der Bewegungsrichtung empfunden („Positive Lenkung”). Zwischenziele haben dabei eine besondere Bedeutung: Sie geben den Nutzern in regelmäßigen Abständen das Gefühl „etwas erreicht zu haben”, „angekommen zu sein” bzw. sich auf etwas hin zu bewegen. Damit wird die Motivation, auf dem Weg zu bleiben, gestärkt. Im Gegensatz dazu erzeugt eine „negative Lenkung” das Gefühl, in der Zielerreichung behindert zu werden, ein Hindernis überwinden oder umgehen zu müssen. Dies führt üblicherweise dazu, dass der vorgegebene Weg verlassen wird, um das angestrebte Ziel, über eine direktere Verbindung zu erreichen. Ist dies nicht möglich, entsteht Unbehagen, ein Ärgernis.

114

Direkt zielgebundene Wegführungen zeichnen sich dadurch aus, dass das angestrebte Ziel sichtbar und direkt erreichbar ist; sie ist die selbstverständlichste, der menschlichen Fortbewegung naheliegendste Wegführung.

Ausgangspunkt

Zielpunkt

> Zielgebunden, direkt

Verschwenkt zielgebundene Wegführungen weichen im Wegverlauf leicht von der direkten Bewegungslinie zum Ziel ab. Dabei ist die frühzeitige Sichtbarkeit des Zieles zu vermeiden, um dem Anreiz einer direkten Durchquerung entgegenzuwirken. Attraktive Teilziele (Sitzgelegenheit, Aussichtspunkt, besondere Pflanzen etc.) übernehmen die Ab-Lenkung von der direkten Ziellinie (positive Lenkung).

Zaun

Zu schützendes Areal

Sichtbeziehung zum Ziel Wegführung

> Negative Lenkung: Zielgebunden, behindert – instinkives Bestreben, die direkte Verbindung zu gehen

Mauer/Hecke

Zu schützendes Areal

keine Sichtbeziehung zum Ziel

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Teilziel

> Postive Lenkung: Verschwenkte Wegführung – Sichtbeschränkung zum Hauptziel, Motivation der Verschwenkung durch Teilziel

Neben rascher, zielgebundener Fortbewegung gibt es freiere Zielbeziehungen, bei denen der Weg nicht ausschließlich Mittel zum Erreichen des Hauptzieles ist, sondern die Fortbewegung als solche bedeutend ist. Zu den

mittelbar zielgerichteten Bewegungsarten

gehören das Wandern (lange Strecken, naturnahe Umgebung), das Spazieren („frische Luft tanken”, keine große Anstrengung), das Promenieren und Flanieren (Stadt, sehen und gesehen werden, möglichst bequem). Auch eine mittelbar zielgebundene Bewegung erfordert Führung im Sinne einer positiven Lenkung. Jede Bewegung, auch solche, die (fast) nur um ihrer selbst willen betrieben wird (z.B. Joggen), achtet auf Wegmarken und Besonderheiten (Teilziele) entlang des Weges; diese werden – bewusst oder unbewusst – Motive zur Fortsetzung der Richtung bzw. zum Verschwenken in eine andere Richtung. Bei mittelbar zielgerichteten Bewegungsarten haben Teilziele entlang eines Weges eine besondere Bedeutung, indem sie durch vielfältige Angebote (Aufenthaltsmöglichkeiten, Spielplätze, Blickbeziehungen etc.) dessen Erlebbarkeit und Qualität steigern. Die Qualität eines guten Erschließungsystems hängt maßgeblich vom Angebot attraktiver Teilziele ab.

Sichtbeschränkungen (z.B. Wald)

116

> Mittelbar zielgebunden (Teilziele werden wichtig, Endziel hat keine Priorität)

117

Wegverlauf und Sichtbeziehungen Zielgebundene Wegführungen fordern rasche Zielerreichung. Die Weglinie drückt dies durch Geradlinigkeit in der Ebene bzw. möglichst unbeschwerliche Trassierung in bewegtem Gelände aus. Das Wahrnehmungsfeld des gesamten Wegverlaufes ist primär auf das anvisierte Ziel gerichtet.

> „automatisches” Wahrnehmungsfeld des geraden Weges (Sichtkorridor exakter Wahrnehmung: ca. 15°, mittleres Wahrnehmungsfeld: 30-35°)

Für Wegführungen geringerer Zielgebundenheit gilt dies nicht. Ein Verschwenken der Weglinie führt zu einer visuellen Erschließung wechselnder Szenen/Bilder. Der Wegverlauf wird zur Leseanleitung des Freiraums. Durch vielfältige Bilder wird der Reiz der Fortbewegung (wandern, spazieren etc.) stark erhöht.

Szene 2

118 Szene 3

Szene 1

> Wahrnehmungsfeld bei verschwenkter Wegführung – Erschließung vielfältiger Szenen (die jedoch auch angeboten werden müssen!)

Bei der Anlage von geschwungenen Wegen ist darauf zu achten, (grundriss-)formalen Selbstzweck zu vermeiden: Jede Wegverschwenkung hat sich aus den tatsächlich vorhandenen topografischen (Modellierung) und/oder szenischen (attraktive Blickbeziehungen) Faktoren zu bestimmen. „Schlängelwege” im ebenen Gelände ohne leitende, motivierende Hilfen (Wegmarken) wirken willkürlich, ärgerlich und ermüdend. Sie widersprechen der instinktiven menschlichen Fortbewegung und führen unweigerlich zu Arealstörungen durch abkürzende Trampelpfade.

> Geschwungene Wegführung ohne szenische Leitung. Folge: Abkürzende Trampelpfade.

Szene 2 Szene 3

Szene 5

119 Szene 1

Szene 4

> Geschwungene Wegführung mit offenem Szenenangebot (Motivierung der Verschwenkungen durch Blickbezüge und Sichtbeschränkungen) [Untersuchen Sie mögliche bzw. notwendige Interventionen für den Rückweg.]

Wegzeichen und Wegmarken Wege sind in der Regel durch Gleichartigkeit der Wegzeichen –

Wegoberfläche (Material),

Wegbreite und

Wegprofil (Kleinrelief) –

gekennzeichnet. Dadurch vermitteln sie Zusammenhang, ver-sichern die Nutzer, auf dem richtigen Weg zu sein; deren Aufmerksamkeit [43] Vgl. S. 104 f.: „Der „unaufmerksame” Auftritt”.

kann der Umgebung gelten [43]. Die Änderung bestimmter Wegcharakteristika (z.B. Wechsel des Wegbela-

ges, Änderung der Wegbreite o.ä.) zwingt die Aufmerksamkeit wieder auf den Weg zurück, bezeichnet einen Bedeutungswechsel (z.B. eine Wegkreuzung), bedingt möglicherweise die Notwendigkeit einer Neuorientierung (Wo befinde ich mich? Wo will ich hin?).

> Weg – Zusammenhang und Sicherheit

> Änderung von Wegeigenschaften – Neuorientierung

Neben Wegzeichen ist der Einsatz von Wegmarken [44] ein weiteres Mittel zur zwanglosen (positiven) Lenkung. [44] Vgl. S.103: „Vorausschauende Orientierung”.

120

Wegmarken sind

Einzelmaßnahmen entlang eines Weges, die an bestimmten Stellen das Verbleiben am Weg zusätzlich zu

einer bequem begehbaren Wegfläche motivieren. Die

Eintiefung eines Weges in Bezug auf seine Umgebung ist eine der selbstverständlichsten und ältesten [45] Wegmarken. Be-

[45] Vgl. S. 109: „Trampelpfad – der Archetyp des Weges”.

sonders in ebenem Gelände sollten Wege grundsätzlich leicht eingetieft werden. Bereits die Absenkung

um 5-15 cm bewirkt ein deutlich geringeres „Bedürfnis” der Nutzer, den Weg (den Pfad) zu verlassen, wegbegleitende Vegetation verstärkt die leitende Wirkung durch Überhöhung des Kleinreliefs.

Eintiefungen zwischen 30 und 50 cm haben bereits eine sehr starke Leitwirkung ohne dabei von der Umgebung „ausgeschlossen” zu wirken. Größere Eintiefungen verstärken zwar die Leitwirkung weiter, erzeugen jedoch, insbesondere bei schmalen Wegen und/oder steilen Böschungen, ein Gefühl von Beengtheit (bis ca. 100 cm Absenkung) bzw. des schieren „Eingesperrtseins” (über 150 cm) [46]. Nur bei sehr flachen Böschungen und/oder breiten Wegtrassen wirken stark eingetiefte Wege weiter behaglich.

> Eintiefung 5-15 cm

Neben dem (Klein-)Relief haben

> Überhöhung durch Vegetation

[46] Vgl. S. 80f.: „Höhenunterschiede und Raumwirkung”.

> Eintiefung ca. 100 cm

wegbegleitende Einzelkörper stark lenkende Funktionen. Dafür eignen sich viele Freiraumelemente

(vom Baum bis zum Polizisten). Wegmarken können einen Weg linear (z.B. Hecken, Wälle, Mauern) oder punktuell (Bänke, Lampen, Skulpturen etc.) begleiten.

121

> Wall oder Graben

> Gräser oder Sträucher

> Bank oder Mauerscheibe

> Leuchte usw.

Bäume als Wegmarken Bäume sind wohl die häufigsten körperhaften Einzelelemente der Landschaftsarchitektur. Als Baumreihen unterstützen sie deutlich die (Weg-) Richtung, als Einzelbäume bzw. Baumgruppen be-deuten sie wichtige Punkte der Orientierung (Teilziele). Bei der Verwendung von Bäumen als Wegmarken ist zu beachten, dass das instinktive menschliche Fortbewegungsverhalten sich nicht (grundrisshaft) auf die Baumkrone bezieht, sondern (im Nahbereich) die Leitwirkung vom Standort des Stammes abhängt; dieser wird in einem charakteristischen Abstand von 70-150 cm umgangen.

> Charakteristische Lauflinien um einen Baum 122

> Richtig: Wegverlauf orientiert sich am Stamm (etwa 70-150 cm Abstand)

> Falsch: Wegverlauf orientiert sich der Baumkrone. (Typischer Grundrissfehler! Vermutlich entsteht in Stammnähe ein wegbegleitender Trampelpfad)

Alleen sind in gleichen Abständen entlang einer geraden (oder flach gekrümmten) Linie gepflanzte Reihen von Bäumen vorzüglich einheitlicher Art und Wuchsform. Sie bewirken eine der stärksten Richtungsweisungen der Fortbewegung, die der Landschaftsarchitektur zur Verfügung steht.

> Einreihige Allee

> Zweireihige Allee („eigentliche” Allee)

Einreihige Alleen sind Wegemarken mit deutlicher Beziehung zur Umgebung, wohingegen

zweireihige Alleen in ihrer Tendenz stark

auf sich selbst bezogen, in sich raumbildend sind. Zweireihige Alleen wirken wie eine regelmäßige Folge von Toren: benachbarte Einzelbäume stehen sich dabei idealerweise normal zur Weglinie gegenüber, wodurch es zu einer starken Führungswirkung sowohl bezogen auf die Wegrichtung selbst, als auch auf mögliche seitliche Öffnungen („Alleefenster”) kommt.

123

> Allee – Folge von Toren

> Alleefenster

> Kolonnaden und Arkaden Zweireihige Alleen können kolonnadenartigen (Säulengang) oder arkadenartigen (Bogengang) Raumcharakter haben. Säulenförmige bis schmalpyramidale Baumarten mit relativ weitem Setzabstand bilden die typischen

Baumkolonnaden. Kolonnaden

evozieren eine fast feierliche Stimmung, haben tendenziell einen „öffentlichen” Charakter. Breitwüchsige Baumformen bilden zum Himmel geschlossene Räume, die

Baumarkaden. Ihre Stimmung ist ruhig, schützend,

„privat”. Die weitere Differenzierung der möglichen Stimmungsbilder von Arkaden (zwischen Helligkeit und Dunkelheit, lichtgrünen oder dunkelgrünen Schatten, Lichtflecken oder dunkle Flächen etc.) ergeben sich jedoch erst über die Wahl der entsprechenden Baumart.

124

> Baumkolonnade (Säulengang)

> Baumarkade (Bogengang)

125

Weggelenke Weggelenke sind besondere, kleinräumige Situationen „im Weg”; sie be-deuten Veränderung. Weggelenke sind Eingänge (Queren von Raumgrenzen), fen von Wegen oder Pfaden) und

Treppen und Rampen (Überwindung von Höhenstufen),

Durchgänge und

Wegkreuzungen (Aufeinandertref-

Wegstationen (Halte- bzw. Ruhepunkte). Sie eignen sich sehr gut als Anlässe für Wegverschwen-

kungen (Ge-lenk). Durchgänge, Eingänge. Wege sollten im rechten Winkel auf Raumgrenzen stoßen [47]. Wege, die schräg auf Raumgrenzen zulau[47] Vgl. S. 96: „Die Gerade und der rechte Winkel”.

fen, sind durch begleitende Maßnahmen auf die Verschwenkung vorbereitbar, z.B. durch ein frühzeitiges

Einschwenken des Weges auf den rechten Winkel zur Raumgrenze, die Ausbildung richtungsneutraler Vorbereiche oder durch die Reaktion der Raumgrenze auf die Wegrichtung.

Raumgrenze

Weg

> Rechtwinklige Führung des Weges an die Raumgrenze

> Frühzeitige Einschwenkung

> Richtungsneutraler Bereich (Vorplatz) zur Verschwenkung

> Ansatz an die Raumgrenze (gleiches Material!). Gute Lösung in Verbindung mit kleinem Vorplatz

> Verschwenkter Ansatz an die Raumgrenze

> Versetzung der Raumgrenze im Durchgangsbereich (Weg senkrecht zur Grenze)

126

Treppen bedeuten immer starke Richtungsweisung. Zur Vorbereitung auf Richtungswechsel sind Vorbereiche eigens zu charakterisieren. Treppen sollten daher, bezogen auf Wangen oder Gebäudekanten, entweder nach vorne gezogen (einladend, öffentlich) oder aber nach hinten versetzt (einschränkender, privater) beginnen. Kombinationen von vorgezogener Treppe und lageversetzten Wangen sind ein wirkungsvolles Mittel, um Richtungsverschwenkungen zu motivieren, Hauptrichtungen zu bezeichnen („Positive Lenkung”).

Treppenwange

> Zurückversetzt

> Vorgezogen (einladend)

> Vorgezogen mit versetzten Wangen

127

Wegkreuzungen als Weggelenke brauchen (im Gegensatz zu Straßenkreuzungen) Ruhebereiche, in denen die Nutzer die Fortbewegung unterbrechen, sich aus dem Bewegungsstrom zurückziehen können, um diesen zu beobachten, zu rasten und sich gegebenenfalls zu orientieren. Um dies zu gewährleisten, sollte das Gelenk breiter sein, mehr Fläche anbieten, als die Querschnitte der einzelnen, zusammentreffenden Wege. Verbreiterung allein führt jedoch nicht automatisch zu einem einladenden Weggelenk.

> Die klassische Verkehrskreuzung hat keine Ruhebereiche.

> Diese Vergrößerung bildet kein gutes Weggelenk: Gekappte Ecken sind keine Ruhebereiche sondern meistbegangene Flächen.

> Abrundung ist nicht besser, schafft nur abweisende Ecken.

Die Aufgabe ist also, Areale für das Nicht-in-Bewegung-sein zu schaffen und diese Areale aus den Hauptbewegungslinien zu halten. Das kann z.B. durch Versatz erzielt werden; dadurch werden gleichzeitig „endlos lange” Sichten auf den Weg verhindert und „Stationen”, Zwischenziele ausgebildet. 128

> Versatz

> Versatz als Station (mit den Ruhe-Grundbausteinen „Bank und Baum”)

> Radialer Versatz kreuzender Wege (sog. „Turbine”), Bänke in den ruhigen Zonen (Blickbeziehung und geschützten Rükken beachten!)

> Erweiterung des Weggelenks, Bänke mit randseitigen Bäumen (Gestrichelt: Hauptbewegungslinien)

> Erweiterung des Weggelenks, Beruhigung durch Bank-”häfen”

> Erweiterung des Weggelenks, deutlicher Sitz-Platz.

Weggelenke sind, neben der Differenzierung durch unterschiedliche Wegbreiten, ein Mittel für die Hierarchisierung von Erschließungslinien [48]. Gleichrangige Wegkreuzungen vereinen (verteilen) Wege ähnlicher Wertigkeit, unterschiedli-

[48] Vgl. auch S. 134: „Wegenetz”.

che Wegbreiten machen bestimmte Wegverbindungen (z.B. Hauptwegrichtungen) einladender, „wichtiger”, nehmen andere gestalterisch zurück, verweisen auf geringere Bedeutung erreichbarer Ziele.

129

> Gleichwertige Kreuzung – alle Richtungen gleichbedeutend

> Hierarchische Kreuzung - das „Öffnen” der Ecken macht die Nord-Süd-Verbindung „wichtiger”

> Zusätzliche Markierung des Endes (Anfangs) der Seitenwege (Bank, Baum)

> Einreihige Alleen verdeutlichen die Weghierarchie

> Hierarchische Kreuzungen – unterschiedliche Wegbreiten [Untersuchen Sie selbst die Unterschiede der einzelnen Varianten.]

Treffen Bewegungslinien außerhalb des (richtungsneutralen) rechten Winkels auf lineare Strukturen (Wege, Raumkanten etc.), führt [49] Vgl. S. 96:„Die Gerade und der rechte Winkel”.

dies zu einer „automatischen” Lenkung zum „offenen” Winkel (größer als 90°) hin [49].

> Kreuzung im rechten Winkel – richtungsneutral

> Bewegungslinie trifft im spitzen Winkel auf Weg – Lenkung zum „offenen Winkel

130

> Dreiteilige Kreuzungen [Untersuchen Sie: Lenkung? Ruhebereiche? Bewegungslinien? Weghierarchie? Wo würden Sie gegebenfalls die Klassiker Bank und/oder Baum hinstellen? Mit welchen Konsequenzen für die Bereichsbildung im Weggelenk?]

Wegstationen sind Weitungen entlang eines Weges, sie unterbrechen lange Wegfluchten [50], sind Ruhepunkte am Weg, ohne aus dem Fließen des Weges, dem immer Neuen, Anderen, Vorbeikommenden ausgeschlossen zu sein. Wegstatio-

[50] Vgl. S. 129 oben: „Turbine”, Versatz kreuzender Wege.

nen sollten nicht „neben” dem Weg liegen, sondern ersichtlich ein Bestandteil dessen sein. Falls Abgeschiedenheit gefordert ist (z.B. geschützte Kinderspielplätze) sollten diese Bereiche nicht als Nische neben dem Weg liegen, sondern deutlich abgerückt, durch einen Stichweg erschlossen sein.

Wegstation als Gelenk des Weges – Unterbrechung langer Wegfluchten.

Nische „neben” dem Weg – weder Teil des Weges noch richtig abgeschieden. Hauptteil aus dem Blickfeld (30-35°), lange Sicht bleibt erhalten. Wenig empfehlenswert.

Besser: Eigenständige Einheit – deutliche Abrückung vom Weg, Erschließung durch Stichweg. Nutzungsänderung (z.B. Kinderspiel)

131

und Wegstation an Wegverschwenkung – Aufrechterhalten der Beziehung zu den Wegrichtungen durch rechten Winkel mit Hauptbewegungslinie, Station ist Teil des Weges. Besser als Beispiel .

Wegstation im Scheitelbereich einer Wegkrümmung – deutlich „im Blickfeld”. Funktional ähnlich wie und .

> Die (Sitz-)Bank – Archetyp des Ver-haltens Bänke sind wesentliche „Bausteine” des Freiraums, sind Komplementäre der Fortbewegung, schiere Gebotszeichen des Anhaltens, der Ruhe. Eine Bank „stimmt” nur zusammen mit ihrem Umfeld. Drei Kriterien sind dafür ausschlaggebend: Nahumgebung („Bankareal”),

ruhige(re)

besondere Sichtbeziehung (z.B. ungestörter Blick auf das Treiben eines Stadtplatzes, Blick in

Richtung der schönsten Aussicht, auf den ankommenden Weg etc.),

geschützter Rücken (durch Mauer, Hecke, hohes Gras,

Baumstamm, Höhenstufe o.ä.).

Geschützter Rücken Freie, attraktive Sicht

Ruhebereich

Bänke entlang eines Weges sollten nicht „im Weg” stehen (Ausnahme: sehr breite Wege, an denen sich die Bänke ihren Ruhebereich selbst „schaffen”). Ansonsten sind kleine Einbuchtungen (Bank-”hafen”) am Weg besser. Die Bank sollte dabei einen kleinen Vorraum von ca. 30-60 cm haben (nicht tiefer!). Auch seitlicher Schutz durch Bäume ist empfehlenswert (allerdings benötigt auch diese Variante breitere Wege). Sehr viel kommunikativere Situationen schaffen Bänke, die im rechten Winkel zueinander in Wegstationen stehen.

132

> Bank im Weg – bei sehr breiten Wegen möglich

> Bankhäfen

> Meist besser: Wegstation mit Bänken (zusätzlich mit Bäumen markiert)

133

Wegenetz Es gibt drei Grundtypen innerer Erschließung: Das

hierarchische Wegenetz bietet Wegverbindungen gestufter Wertigkeit (und Nutz-

barkeit) an. Ausgehend von – zumeist durch externe Zielpunkte bestimmten – Hauptwegen (Promenaden, Achsen etc.) werden Wege geringer Frequenz und Bedeutung (Nebenwege) und eventuell noch fein verästelte Zusatzspuren (Pfade) angeboten. Die Hauptwege sind dabei im Verhältnis zu den untergeordneten Wegen durch breitere Regelquerschnitte, belastbarere Wegbeläge (häufig kombinierte Fuß- und Fahrradverbindungen) und besondere Materialien oder Ausstattungselemente gekennzeichnet. Ein hierarchisches Wegenetz ist sinnvoll, wenn eine Vielzahl von Funktionen und Bedürfnissen innerhalb eines Freiraumobjekts erfüllt (und erschlossen) werden sollen. Ein

gleichrangiges Wegenetz ist dann hilfreich, wenn alle Bestimmungskriterien des Wegenetzes (externe Zielpunkte,

Nutzungsanforderungen etc.) etwa ähnliche Bedeutung haben. Eine

unvollständige Hierarchie bündelt einerseits Bewegungsströme

leistungsfähig (Hauptwege) und stellt ihnen andererseits ein feines komplementäres Adernetz (Pfade) zur (abgeschiedenen, einsamen) Flächenerkundung gegenüber.

> Hierarchisches Wegenetz – Hauptweg, Nebenweg, Pfad

> Gleichrangiges Wegenetz

> Unvollständige Hierarchie – Hauptweg, Pfad

134

Wegführung und Flächennutzung Qualitätsvolle Erschließung misst sich (auch) an ihrem Potenzial, nutzbare, erlebbare Räume zu bilden bzw. zu erhalten. Daher werden Wege gerne entlang von Raumgrenzen geführt: Die gegenseitige Störung zwischen linearer Bewegung (Weg) und flächigen Nutzungen

(z.B. Spiel oder Ruhebereiche) kann dadurch minimiert werden, größere Flächen bleiben als zusammenhängende Einheiten erhalten. Gleichzeitig erfährt die Raumgrenze durch den anliegenden Weg eine zusätzliche Stärkung.

> Erschließung, randseitig – ein Nutzungsareal

> Erschließung, axial ausmittig – zwei Areale mit unterschiedlichem Nutzungspotenzial (z.B. flächiges Spiel neben Ruhebereich)

> Erschließung, axial mittig – zwei gleichwertige Areale (nur für sehr große Räume sinnvoll)

Kleinere Flächen „ertragen” diagonale Wege (bezogen auf die Raumgrenzen) schlecht, da sie nur bedingt nutzbare „Winkel” erzeugen und Räume formal übermäßig stark prägen [51]. Gärtnerisch sind spitze, enge Ecken auch schwierig zu pflegen (Mahd etc.), d.h. sie werden sehr schnell unansehlich. Sind diagonale Wege nicht vermeidbar (z.B. auf Grund unverrückbarer Zielpunkte und Raumgrenzen), ist zumindest darauf zu achten, dass die Wege vor der Raumgrenze auf einen

[51] Vgl. S.97f.: „Betonte (gestalterische) Schwerpunkte”. [52] Vgl. S.126f.: „Weggelenke”, Durchgänge, Eingänge.

annähernd rechten Winkel einschwenken [52].

135

> Erschließung diagonal zu bestehenden Raumgrenzen – geringere Flächennutzungschance der (Rest-)Flächen

> Diagonale Erschließung – Einschwenken auf den rechten Winkel zur Raumgrenze

Wegführung und Raumform Der Kreis ist die einzige völlig richtungsneutrale Form. Alle anderen (Raum-) Formen haben ein oder mehrere unterschiedlich starke Rich[53] Vgl. S. 94: „Besondere Lage”.

tungsweisungen; diese können als Anhaltspunkte, als leitende Verstärkungen der Wegführung dienen [53].

> Unterschiedlich starke Richtungsweisungen verschiedener (Raum-) Formen

136

Erschließungslinien, die einer starken Richtungsdominanz von Räumen oder Teilräumen folgen, haben „automatisch” Leitwirkung („Positive Lenkung”): Die Gerichtetheit des Weges und jene des Raumes verstärken sich gegenseitig. Wegeführungen, die deutlich von der Richtungsdominanz eines Raumes abweichen haben diese Lenkungshilfe nicht. Lang gezogene Räume können durch die „Querung” starker Wege in ihrer Richtungswirkung sogar vermindert werden.

> Wege im rechten Winkel zur Richtungsdominanz des Raumes „verkürzen” diesen

> Räumliche Richtungsdominanz und Weg unterstützen sich gegenseitig – Raum wird durch gewählte Wegführung „noch länger”

Schwerlinie

> Gerichtete Raumform

> Stärkung der stärksten Richtungsweisung – Wegführung in der Schwerlinie der dominierenden Richtung des Raumes

> Schwächung der dominierenden Richtungsweisung durch Querung (Wegführung trifft rechtwinklig auf die Schwerlinie)

Weniger gerichtete Räume geben nur schwache Anhaltspunkte für die Wegführung, der Weg selbst muss „leiten”. Anhaltspunkte für Wegführungen in wenig gerichteten, ebenen, großen Räumen sind: linien);

Führung entlang einzelner Teil-Richtungsweisungen im Raum (Schwer-

Führung parallel zu nahe liegenden bzw. dominanten Raumgrenzen

einer Raumeinheit; Raumgrenze.

Führung durch den geometrischen Flächenschwerpunkt

Führung an den in der Generalrichtung entferntesten – alternativ – an den deutlich nächstgelegenen Punkt der

137

Entferntester Punkt

Ko r r i t e n do r de r Gen e ra l ge w ü n s r ic h t u ng c h -

> Frei begrenzter Raum, eben, keine dominante Richtung

Ideeller Mittelpunkt Nächstgelegener Punkt Nächstgelegener Punkt

> Schwerlinien der Flächeneinheiten im Richtungskorridor

> Wichtige Bezugspunkte

Weniger starke Führung als , jedoch nutzbarere Arealbildung bei kleineren Räumen

Untersuchen Sie selbst. Arealbildung? Schwerlinien? Bei großen, bei kleinen Räumen?

C B A

Gute Führung (in sehr großen Räumen) durch ideellen Mittelpunkt A, Ideelle Schwerlinie B und entferntesten Punkt C

B 138 A

Großzügiges, einheitliches Areal und starke Leitwirkung durch Führung entlang der Raumgrenze; einzige Möglichkeit bei kleinen Räumen, wegunabhängige Nutzungschancen zu eröffnen (leider außerhalb unseres Korridors)

Führung parallel zur Raumgrenze A zum in Generalrichtung nächsten Punkt B – gute Anwendung der positven Führung, gute Flächeneinheiten, besonders bei kleineren Räumen

Untersuchen Sie selbst.

Nicht nur die Form der Raumgrenze bewirkt Gerichtetheit, sondern auch die Haupt-Geländeneigung. In der Regel sind konkurrierende Richtungen zwischen Geländeform und Raumform zu vermeiden. Dies kann geschehen durch

eine Anpassung der Raumform an die

Geländeform, also durch die Setzung neuer Raumgrenzen parallel zur (unveränderten) Richtungsdominanz des Geländes,

die Anpas-

sung der Geländeform an die Raumvorgaben, also die Änderung der Bodenmodellierung bei gleich bleibenden Raumgrenzen. Kommen beide Möglichkeiten nicht in Frage (Kosten, Besitzgrenzen o.ä.), so kann durch

Bepflanzung und Bilden von nach dem Geländever-

lauf gerichteten Teilräumen reagiert werden.

> Bestand: Unterschiedliche Richtungsweisung der Raumgrenzen und des Geländes

> Änderung der Raumgrenzen – Reaktion der Raumgrenzen auf die Geländerichtung – beide Richtungsweisungen fallen zusammen und verstärken sich

139

> Änderung der Geländemodellierung – Reaktion der Geländemodellierung auf die Richtungsweisung der Raumgrenze

> Keine Änderung von Raumgrenzen oder Kleinrelief – Gerichtete Teilräume übernehmen die Richtungsweisung der Geländeform (wodurch sich natürlich das Spektrum der Nutzungsmöglichkeiten des Objekts verändert, da vergleichsweise kleine Einheiten entstehen)

Weg und Raumfolgen Wege sind Leseanleitungen für Räume und (Sicht-)Beziehungen. Die Art der Erschließung hat direkte Auswirkungen auf den Charakter der Räume:

Direkte Erschließung (unmittelbare Anbindung eines Raumes an einen übergeordneten Weg) führt zu öffentlicheren

und „unruhigeren”, kommunikativen Räumen,

indirekte Erschließung (Stichweg vom Hauptweg) zu ruhigeren Einheiten mit einem

höheren Grad an Privatheit.

> Direkte Erschließung – Raum öffentlicher, kommunikativ

> Indirekte Erschließung – Raum ruhiger, privater

Räume können entlang eines Erschließungsweges in Reihe liegen oder um diesen gruppiert werden:

Gereihte Raumfolgen haben

höheren Orientierungswert, sind also für immer wieder neue Nutzer von Räumen bzw. Raumfolgen geeignet (z.B. Gartenschauen, Tourismusorte etc.). Die

Achsenverbindung, eine Sonderform der gereihten Raumfolge, hat einen deutlichen Anfangs- und Endpunkt,

die sie auch durch andersartige, oft nicht im Zusammenhang stehende Areale hindurch miteinander verbindet. Achsenverbindungen [54] Vgl. S. 93: „Schwerpunkte”, Beginn / Ende von Richtungen.

„verleihen” ihren Anfangs- bzw. Endpunkten eine besondere Bedeutung [54]. Ist diese Bedeutung nicht

vorhanden bzw. nicht machbar, wird die Achsenverbindung als Gestaltungsmittel fraglich. 140

> Gereihte, gerade Raumfolge, z.T. direkt, z.T. indirekt erschlossen

> Achsenverbindung

Gereihte Raumfolgen haben einen hohen Orientierungswert, jedoch den Nachteil relativ langer Wegstrecken zur Erreichung der einzelnen Räume.

Gruppierte Raumfolgen dagegen haben hohen Erschließungswert (effektive Erschließung, geringe Weglänge) bei schlech-

terer Orientierung (der Weg allein reicht nicht als Orientierungshilfe).

Linear gruppierte Raumfolgen schaffen ein Nebeneinander

von direkt und indirekt erschlossenen Räumen mit unterschiedlichen Öffentlichkeitsgraden. Bei

ver-

[55] Vgl. S. 62f.: „Raumfolgen – Raumabstufungen”.

schränkt gruppierten Raumfolgen greifen mehrere Räume ineinander [55].

Öffentlich

Privat

> Linear gruppierte Raumfolge

> Verschränkt gruppierte Raumfolge

141

bemerkungen

ideen 142

zitate

skizzen

fragen

143

ergänzungen

[4Gestaltqualitäten ] 144

4.1 Grundlagen guter Gestalt

4.2 Merkmale guter Gestalt 145

4 . 3 We r k z e u g W i e d e r h o l u n g

4.1 Grundlagen guter Gestalt Spannung

Einheitlichkeit

146

Gestalt bedeutet Zusammenhang, erfordert also Gemeinsamkeiten der gestaltbildenden Komponenten. Dadurch entsteht Einheitlichkeit. Gute Gestalt ist jedoch mehr: Sie bedarf eines Anteils Reichhaltigkeit, Unterschiedlichkeit der Komponenten. Dadurch entsteht Spannung.

Reichhaltigkeit

Gestalt und Zusammenhang (Landschaftsarchitektonische) Gestaltung ist die An-Ordnung von Dingen als Angebot für die stete Suche des Menschen nach Zusammenhang, nach Beziehungen. Zusammenhang zwischen getrennt wahrnehmbaren Phänomenen entsteht dann, wenn wir diese auf der Basis von Gemeinsamkeiten (Ähnlichkeiten) zu Einheiten zusammenfassen können.

> Baum, säulig (zypressenartig)

> Allee, Kolonnade, aber auch Italien, Toskana, Chianti ...

Wir Menschen sind ständig damit beschäftigt, Zusammenhänge zu bilden, jeden neuen Eindruck sofort mit unseren Vorerfahrungen zu vergleichen und auf Beziehungen zur Umgebung zu untersuchen [56]. Dieser, in jedem Augenblick unseres (Wach-) Bewusstseins ablaufende Prozess hat den Sinn, plötzlich auftauchende Phänomene so rasch wie möglich einordnen zu kön-

[56] Vgl. S. 90: „Schwerpunktsetzung (Ort)”. [57] Vgl. S. 18: „Superierung“.

nen, den beschränkten menschlichen „Arbeitsspeicher” nur kurz zu „belegen” [57], ihn unverzüglich wieder frei zu machen für neue Eindrücke und deren mentale Sortierung; es ist eine unserer wichtigsten Überlebensfähigkeiten.

147

Einheitlichkeit durch Gemeinsamkeit Das Bilden von Zusammenhang setzt voraus, dass wir unterschiedliche Phänomene aufgrund (mindestens) einer Ähnlichkeit [58] zueinander in Beziehung setzen können. Sehen bzw. Denken [59] von Zusammen-

[58] Der Begriff „Ähnlichkeit” beinhaltet auch die „Gleichheit” als ihr (unerreichbares) Extrem. [59] Vgl. S. 21: „Induktion”.

hang, von Einheitlichkeit erfordert also ähnliche Merkmale, eine (wahrnehmbare) Gemeinsamkeit der Dinge. Einheitlichkeit bilden

wir aufgrund von

Gemeinsamkeiten der Lage (Nähe, Anordnung, Symmetrie), von

Gemeinsamkeiten im Erscheinungsbild (for-

ideellen/thematischen Gemeinsamkeiten.

mal und stofflich) oder von

Gemeinsamkeit der Lage Lagebeziehungen ergeben sich aus einer charakteristischen, im Kontext außergewöhnlichen Position (Lage) einzelner Dinge zuein[60] Vgl. hierzu auch S. 90f.: „Schwerpunktsetzung (Ort)”.

ander. Die „Stärke” des Zusammenhangs durch Lagebeziehung ist dabei unmittelbar abhängig vom Grad

dieser Außergewöhnlichkeit [60].

> Lagebeziehung (z.B. Nähe )...

> ...ist ein Verhältnisphänomen

Nähe als Lagebeziehung wird durch einen verhältnismäßig „kleinen” Abstand zwischen Dingen wirksam. Je näher die Dinge zueinander liegen (im Verhältnis zu den Abständen von anderen Dingen im Kontext), desto stärker „sehen” wir sie als zusammengehörig, als Einheit. 148

> Nähe als Lagebeziehung

Anordnung als Lagebeziehung wird dann wirksam, wenn Dinge aufgrund ihrer besonderen Lage eine gemeinsame, dem Betrachtenden vertraute Form ergeben (z.B. Linie, Kreis, Raster, Symbole etc. [61]). Je einfacher, regelhafter die An-

[61] Vorerfahrung, „Gestaltdruck“ (K. Lorenz); vgl. auch S. 18 f.: „Gestalt”.

ordnung ist, desto stärker ist die Einheitlichkeit, also der Zusammenhang zwischen den Dingen.

> Anordnung als Lagebeziehung

149

> Symmetrie als Lagebeziehung

Gemeinsamkeit im Erscheinungsbild Neben Gemeinsamkeiten der Lage ist eine Gemeinsamkeit im Erscheinungsbild von Dingen die zweite Möglichkeit, um Zusammenhang zu bilden.

Formale Gemeinsamkeiten entstehen durch Ähnlichkeiten der (Umriss-) Form, der Größe, der Höhe, der Proportion, der

Menge, der Ausrichtung von Begrenzungslinien (z.B. Parallelität) usw.

Stoffliche Gemeinsamkeiten ergeben sich durch Ähnlichkeit

materialer (z.B. Oberflächenstruktur) oder farblicher Merkmale (z.B. Farbintensität, Farbton o.ä.).

> Gemeinsamkeit der Form

> Gemeinsamkeit durch Parallelität von Begrenzungslinien

> Gemeinsamkeit der Richtung

> Gemeinsamkeit durch Anzahl

> Gemeinsamkeit der Proportion (hier z.B. Teilung im Goldenen Schnitt)

> Gemeinsamkeit?

150

Ideell/thematische Gemeinsamkeit Zusammenhang kann auch unabhängig von Gemeinsamkeiten der Lage oder des Erscheinungsbildes von Dingen entstehen. Ideell/thematische Einheiten bilden wir im Vergleich mit bereits Erfahrenem (Vorerfahrung) bzw. dem Rückgriff auf Konventionen unseres (kul-

turellen) Daseins, auf übergeordnete Sammelbegriffe also, deren ideell/thematischer „Schirm” sehr heterogene Dinge zusammenfassen kann. Ideell/thematische Gemeinsamkeiten können relativ deutlich abgegrenzt sein (z.B. „Autos”, „Pflan-

[62] Vgl. auch S.20: „Gestaltkomponenten”, Beispiel „Messer”.

zen”, „Bänke”, „Tiere” etc. [62]), jedoch können auch unbestimmtere, immaterielle Zusammenhänge wie „Frühling”, „Toskana”, „Licht”, „Trauer”, „Zeit”, „Minimalismus”, „Asien”, „Wittgenstein” etc. das Verbindende (das Thema) zwischen unterschiedlichen Dingen sein.

> Ein Hund, ein Hahn, eine Kuh,...; oder: Säugetiere, Vögel, Paarhufer,...; oder: Tiere.

151

Unterschiedlichkeit Einheitlichkeit erfordert Gemeinsamkeit, Ähnlichkeit, wodurch aus getrennten Einzeldingen Komponenten eines übergeordneten Ganzen (einer Gestalt) werden können. Dabei spielt es vorab keine Rolle, aufgrund welcher gemeinsamer Merkmale Einheitlichkeit zwischen Dingen gebildet werden kann, ob besondere Lagebeziehungen (z.B. Nähe), formal/stoffliche oder ideell/thematische Gemeinsamkeiten den Zusammenhang wirksam werden lassen: Einzig entscheidend ist, dass wir „irgendwelche” gemeinsame Nenner finden, auf deren Basis wir Dinge zusammen denken, sie zu einer Einheit werden lassen können. Für das Entwerfen ist dies von entscheidender Bedeutung: Wenn bereits eine geringe Anzahl gemeinsamer Merkmale ausreicht, um Einheitlichkeit (Gestalt, Raum) zu evozieren, welche Konsequenz hat dies für die unzähligen anderen Möglichkeiten der Beziehungen zwischen Dingen?

> Einheitlichkeit durch Erscheinungsbild (Größe, Form, Farbe) und Lage (Nähe); Unterschiedlichkeit durch Anordnung

> Einheitlichkeit durch Erscheinungsbild (Farbe) und Lage (Linearität, Symmetrie); Unterschiedlichkeit durch Form und Abstand

> Einheitlichkeit durch Lage (Nähe)

> Einheitlichkeit durch Lage (Anordnung, Kreis)

> Einheitlichkeit durch Lage (QuadratRaster) und Erscheinungsbild (Farbe); Unterschiedlichkeit durch Form

152

> Einheitlichkeit? ...fast schon ein Kreis (Anordnung), jedenfalls alles Menschen (Thema)

Einheitlichkeit benötigt immer ein gewisses Maß an Unterschiedlichkeit, um überhaupt wahrnehmbar zu sein. Dies trifft für jede Form der Wahrnehmung zu: Ohne den Gegensatz zwischen still(er) und laut(er) würden wir nichts hören, ohne ein Nebeneinander von hell(er) und dunkel (dunkler) nichts sehen.

> Schwarze Katze auf voller Kohlenkiste

> Weiße Taube auf frischem Schnee

Unterschiedlichkeit stärkt die Einheitlichkeit einzelner Gestaltkomponenten. Eine große, ebene Fläche „benötigt” geradezu ein vertikales Element um – im Gegensatz zu diesem – ihre faszinierende Wirkung erreichen zu können. Die außergewöhnliche räumliche Situation in einem dichten Wald wird erst im Dialog mit der kontrastierenden Lichtung als besondere Qualität erlebbar.

> Fläche und Baum

153

> Fläche und Baum

> Lichtung im dichten Hain

Unterschiedlichkeit ist das Gegenteil von Einheitlichkeit: Im Gegensatz zur Einheitlichkeit, welcher sich die Einzelkomponenten im [63] Vgl. S.18: „Superierung“ Notwendigkeit, die Masse an Einzelinformationen durch Superierung auszublenden. Vgl. auch S. 56: „Der Zer-störung des Raums”.

Dienste der Gemeinsamkeit „unterwerfen”, gleichsam unsichtbar werden [63], macht Unterschiedlichkeit die Eigenart, die Besonderheit einzelner Dinge sichtbar; sie stärkt die „Individualität” von Gestaltkompo-

nenten, macht gleichzeitig die Gesamtgestalt reichhaltiger (und spannender).

„...das ist wie bei den Glatzköpfen, die sich ihre letzten Haare darüberkämmen, dann sehen sie nur um so kahler aus.” Wolf Haas, Silentium!

Reichhaltigkeit – Die Störung der Einheitlichkeit Die Unterschiedlichkeit von Gestaltkomponenten begründet die Reichhaltigkeit einer Gesamtgestalt. Reichhaltigkeit ist, neben Einheitlichkeit, das zweite grundlegende Qualitätsmerkmal guter Gestalt: Im Spannungsfeld zwischen Einheitlichkeit (Zusammenhang) und Reichhaltigkeit (Unterschiedlichkeit) liegt der Schlüssel zur Qualität jeder Entwurfslösung. Im Gegensatz zur Einheitlichkeit, welche aufgrund von Gemeinsamkeiten (Ähnlichkeiten) gebildet wird, steht Reichhaltigkeit für Unterschiede, für 154

mal/material) und/oder

Vielfältigkeit (for-

Vielschichtigkeit (ideell) einer Gestalt. Reichhaltigkeit „stört” die Einheitlichkeit, ergänzt sie um die Fakto-

ren Diversität und Mehrdeutigkeit. Vielfältigkeit meint die räumlich/dingliche Vermehrung einer Lösung (z.B. durch unterschiedliche Materialien, Raumgrößen, Ge[64] Vgl. S. 168: „Einfachheit”

staltkomponenten, Nutzungsangebote etc.). Entscheidend für die (landschaftsarchitektonische) Entwurfs-

arbeit ist es, ein Objekt nicht schon von Beginn an durch zu viele unterschiedliche Komponenten zu überfrachten [64]. Dies gilt vor

allem auch deshalb, weil sämtliche Entwurfskomponenten nur einen Teil der tatsächlichen, sichtbaren Vielfalt eines Freiraums in Nutzung darstellen: Vielmehr entsteht „automatisch” zusätzliche Vielfalt durch die Nutzer selbst (z.B. eine kinderwagenschiebende Mutter, einen dicken Mann im lila T-Shirt, ein küssendes Pärchen etc.) bzw. durch deren Spuren (Trampelpfade, abgesessene Bänke, in Buchen eingeritzte Herzen o.ä.), aber auch durch die Abnutzung/Alterung von Materialien (Verwitterung, Korrosion, abgeplatzter Lack etc.). Grundsätzlich gilt: Je vielfältiger eine Entwurfslösung in Bezug auf bestimmte Gestalteigenschaften (z.B. Verwendung unterschiedlicher Baumtypen, Wegbeläge, Richtungsbezüge, Raumcharaktere, Licht-/Schattenbereiche etc.) ist, desto einfacher, einheitlicher müssen die anderen Eigenschaften sein (z.B. durch Gemeinsamkeit der Farbigkeit, der Lage, der Höhe o.ä.), um den Zusammenhang, die Einheitlichkeit zu erhalten.

155

Vielschichtigkeit (Komplexität, Mehrdeutigkeit) meint die bedeutungsmäßige Vermehrung der Inhalte einer Lösung, deren Zusammenhänge durch ideelle Beziehungen und thematische Verweise. Ist die Vielfältigkeit ein mit Vorsicht einzusetzendes Qualitätsmerkmal, (zuviel Vielfalt führt zu Unübersichtlichkeit, ästhetischer Überforderung der Nutzer, geringem Spielraum für Eigeninterpretationen etc. und – in letzter Konsequenz – zum Zerfall von Gestalt/Zusammenhang) gilt dies für die Vielschichtigkeit kaum: Ein Mehr an [65] Außer, wenn zur Verdeutlichung der Komplexität auch höhere Vielfältigkeit, also ein materielles „Mehr” vonnöten ist. [66] Vgl. S. 159: „Anregung/Unsicherheit”.

Komplexität (z.B. durch verbindende Ideen, Verweise, Zitate, Allegorien, Metaphern etc.) erhöht grundsätzlich [65] die Qualität einer Gestaltung im Sinne (immer neu zu entdeckender) Bedeutungszusammen-

hänge [66], ohne dabei die Einheitlichkeit des „Materiellen” zu zerstören.

ideen 156

zitate

skizzen

fragen 157

ergänzungen

4.2 Merkmale guter Gestalt

Anregung/Unsicherheit

Spannung

Gewichtigkeit/Ausgewogenheit

Einheitlichkeit (durch Gemeinsamkeit) und Reich158

Harmonie

haltigkeit (durch Unterschiedlichkeit) bilden die Grundlagen jeder guten Gestalt. Viele entscheidende Qualitätsmerkmale guter Gestalt (z.B. Anregung,

Verbindende Idee/Thema/Konzept

Deutlichkeit

Spannung, Harmonie etc.) gründen auf dem Dialog zwischen diesen beiden Kräften.

Einfachheit

Anregung/Unsicherheit Phänomene, die Zusammenhänge, Bezüge rasch deutlich werden lassen, kommen dem menschlichen Bedürfnis nach raschem Begreifen seiner Umwelt sehr entgegen: Der erkannte Zusammenhang führt dazu, dass wir „verstehen” [67]; unser Be-

[67] „Verstehen” i.S.v. einzuordnen, in Beziehung zu etwas Vertrautem setzbar. [68] Vgl. auch S. 103: „Vorausschauende Orientierung”.

wusstsein ist wieder frei für neue „Verbindungsabenteuer” [68]. Im kreativen Diskurs um Gestalt und Gestaltung werden überdeutliche Zusammenhänge häufig als uninspiriert, langweilig oder banal empfunden: Die Ein-Deutigkeit einer Gestaltung, die Vorwegnahme der Suche nach Zusammenhängen wird als geistiges „Spielverderbnis” empfunden, ohne Entfaltungsraum für Eigeninterpretation durch den Betrachter. Im Gegensatz dazu evozieren Phänomene, die nicht so rasch in vertraute Zusammenhänge einzuordnen sind, gesteigertes Interesse, den Drang, sie zu „verstehen”. Die Zeitspanne der mentalen Unsicherheit, der intensiven Beanspruchung unseres Bewusstseins vor dem Verstehen, ist für die Qualität von Gestaltung von Bedeutung: Je länger unser Bewusstsein „neugierig bleibt”, wir beständig das Gefühl haben, bestimmte Zusammenhänge (noch) nicht entdeckt zu haben (jedoch bald entdecken zu können), desto nachhaltiger werden wir die endlich „erdachten” (entdeckten) Einheiten erleben und in Erinnerung behalten. Bleibt die Suche nach Zusammenhang jedoch zu lange erfolglos, können wir auftretende Phänomene also nicht in Beziehung zu Vertrautem setzen, „nicht verstehen”, schwindet das Interesse, haben sie für uns keinen Wert (mehr). Die (entwurfliche) Entwicklung guter Gestalt ist ein ständiger Drahtseilakt zwischen den beiden Extremen Über-Einheitlichkeit und Unverständnis (Unvereinbarkeit, Zerfall), zwischen deutlicher Beziehung und unzusammenhängenden Einzelphänomenen, ist das Legen einer Fährte bei gleichzeitiger Verwischung. Ein „Geheimnis” guter, anregender Gestaltung liegt also im Spannungsbogen zwischen der (notwendigen) Erfüllung menschlicher Erwartungshaltungen (rasch verstehen) und dem Bestreben, das Interesse der Rezipienten (über längere Zeit) zu erhalten, ihnen eine Spur zu legen, ungewohnte, neue Zusammenhänge zu entdecken. Die „Kunst” besteht darin, aus der Lösung ein (lösbares) Rätsel zu machen.

159

> Einheit oder keine (mehr)

> Einheit

> Beziehung durch Form (Umrisslinien, Parallelität), Inhalt (Farbe, Stofflichkeit), Nähe und Anordnung (Symmetrie)

> Beziehung durch Form, Nähe und Anordnung (Symmetrie)

> Beziehung durch Inhalt (Stofflichkeit), Nähe und Anordnung (Symmetrie)

> Beziehung durch Form, Inhalt, Nähe

> Beziehung durch Form und Nähe

> Beziehung durch Nähe und Anordnung (Symmetrie)

> Beziehung durch Nähe

> Beziehung durch Inhalt, Nähe und Anordnung (45° Symmetrieachse)

> Beziehung durch Nähe

> Schwache Beziehung durch Inhalt und (im Kontext dieser Buchseite) relativer Nähe

> Nur noch relative Nähe; Beziehung kaum noch herstellbar, Objekte werden eher einzeln, getrennt wahrgenommen

160

Spannung Einheitlichkeit (als Maß der Gemeinsamkeit) und Reichhaltigkeit (als Maß der Unterschiedlichkeit) sind die entscheidenden Kriterien jeder guten Gestalt: Ohne Reichhaltigkeit bleibt eine Einheit fade, uninspiriert, ohne Einheitlichkeit jedoch fehlen die Anhaltspunkte, die Indizien, um Gestalt überhaupt bilden (entdecken) zu können. Einheitlichkeit und Reichhaltigkeit sind gestalterische Antipoden, sind These und Antithese, „Schöpfung” und „Zerstörung” von Gestalt.

> Einheitlichkeit

> Reichhaltigkeit

Reichhaltigkeit greift Einheitlichkeit an, bereichert sie, und zwar maximal so weit, bis der „Bifurkationspunkt” [69] der Einheit erreicht ist, also jener Punkt, ab dem ein mehr an Reichhaltigkeit „plötzlich” den Zusammenhang, die Einheit-

[69] Vgl. S. 34: „Bifurkation”. [70] Vgl. auch Beispiel S. 57.

lichkeit zerstört, die einzelnen Gestaltkomponenten sich zu anderen, nicht beabsichtigten Einheiten verbinden [70] oder zu einer beliebigen Menge bezugsloser Elemente zerfallen.

Wieviel Reichhaltigkeit verträgt Einheitlichkeit? Wieviel Einheitlichkeit benötigt Reichhaltigkeit?

161

Als Komplementäre besetzen Einheitlichkeit und Reichhaltigkeit die Endpunkte einer imaginären Linie auf der sich jede gestalterische „Tat” positioniert: Im Entwurfsprozess und -diskurs wird jede Entscheidung über Erscheinungsform, Lage oder Thema einer Gestaltkomponente (z.B. eine Sitzbank) daraufhin untersucht, wie sie sich zur (Chance einer) Gesamtgestalt verhält: Will die Gestaltkomponente die Einheitlichkeit der Gesamtgestalt (z.B. ein Innenhof) unterstützen, stärken (beispielsweise indem die [71] Vgl. auch Kap. „Schwerpunktsetzung“, S. 94: „Besondere Lage”.

Sitzbank parallel zu einer Gebäudekante gesetzt wird [71]) oder aber diese schwächen, durch Viel-

fältigkeit (z.B. eine ausgefallene, „sich selbst wichtig machende” Bank) oder Vielschichtigkeit (z.B. eine Bank, die gleichzeitig Sitzmöglichkeit, Spielobjekt und Hommage an Le Corbusier ist) anreichern?

> Zwischen Einheitlichkeit und Reichhaltigkeit

162

Der dialektische „Kampf” zwischen Einheitlichkeit und Reichhaltigkeit ist das, was Gestalt „spannend” macht. Spannung ist dabei als die Stärke, die Kraft der Unterschiede beschreibbar, sie ist das Maß des Widerstandes, den Gestaltkomponenten der Einheitlichkeit [72] Vgl. S.159 : „Anregung/Unsicherheit”.

einer Gesamtgestalt entgegensetzen. Die Spannung äußert sich in einer angeregten (inspirierenden)

Unsicherheit [72] der Betrachter.

Das Paradoxon der Güte einer Gestaltlösung: Mehr Einheitlichkeit erfordert mehr Reichhaltigkeit.

163

Gewichtigkeit/Ausgewogenheit Ein entscheidendes Kriterium der Güte einer Gestalt ist jenes der (Größen-) Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen, gestaltbildenden Komponenten:

die Gewichtigkeit. Dabei „wiegen” wir die wahrnehmbaren Einzelheiten im Kopf, stellen sie auf eine imagi-

näre Waage. Neben der räumlichen Ausdehnung (groß wirkt „schwerer” als klein) spielen bei der Abwägung weitere Eigenschaften eine Rolle: die Farbe (blau wirkt „schwerer” als orange), die Farbintensität (rot schwerer als rosa), die Helligkeit (dunkel „schwerer” als hell) aber auch das Verhältnis von gefüllter Fläche zu den Zwischenräumen (je größer die Zwischenräume, desto „leichter” wirkt eine Gruppe von Dingen). Ausgewogenheit beschreibt den Zustand des Gleichgewichts zwischen unterschiedlichen Komponenten einer Gestalt. Ausgewogene Verhältnisse empfinden wir ruhiger, un-bewegter als unausgewogene.

> Bei gleicher Fläche: breit wirkt „schwerer” als hoch

164

> Ausgewogenheit

> Unausgewogenheit

> Bei gleicher Fläche: liegend wirkt „schwerer” als stehend

Harmonie Harmonie ist umgangssprachlich vermutlich einer der am häufigsten bemühten Begriffe [73], um einem Entwurf verbale „Qualitätsweihe” zu verleihen. Allerdings wird er zumeist (falls überhaupt bedacht) mit simplem

[73] Die inflationäre Verwendung des Begriffes „Harmonie” in Entwurfserläuterungen ist in den meisten Fällen nur ärgerlich. Klassisches Beispiel: „Das neue Bauwerk fügt sich harmonisch in die Landschaft”.

Gleichgewicht, mit Entspannung und Ruhe verwechselt. Ein Klärungsversuch: Im Gegensatz zum stabilen Gleichgewicht ruhiger, ausgewogener Zustände steht Harmonie für Augenblicke äußerst labilen Gleichgewichts. Harmonie ist kein Dauerzustand; vielmehr ist sie ein „hochflüchtiges” Qualitätskriterium, welches erst durch die gleichzeitige Präsenz zweier anderer, vermeintlich komplementärer Qualitätskriterien wirksam werden kann: jenem der Ausgewogenheit und jenem der Spannung.

„Das Auseinanderstrebende vereinigt sich, und aus dem Verschiedenen entsteht die schönste Harmonie.” Heraklid zit. in W. Weischedel „Die philosophische Hintertreppe” „Die Dissonanz ist die Wahrheit über Harmonie” Theodor W. Adorno

Harmonische Zustände sind Augenblicke der vollkommenen Ruhe bei gleichzeitiger Hochspannung, sind Momente des Gleichgewichts vor dem Hintergrund eines beinahe physisch greifbaren Zusammenbruchs, sind Stillstand und Hochgeschwindigkeit gleichzeitig: Harmonie ist nervöse Ruhe. Das Geheimnis harmonischer Augenblicke liegt darin, dass sie einen bestimmten Zustand und dessen Gegenteil gleichzeitig und gleichermaßen spürbar werden lassen.

165

Harmonie ist ein durch gestalterische Mittel allein schwer zu erreichender (Dauer-)Zustand: Dies gilt speziell (jedoch nicht nur) für Landschaftsarchitektur: Die Menge an unvorhersehbaren, kaum kontrollierbaren Faktoren, die jeden Augenblick auf einen Freiraum einwirken (Menschen, Wetter, Tages- und Jahreszeiten bzw. -klima, Gerüche etc.) wirken auf das vorgestellte harmonische Gleichgewicht. Harmonie im Freiraum ist somit ein zwar vorstellbarer (und gestalterisch anstrebenswerter) Zustand, der jedoch im Regelfall nur für flüchtige Augenblicke zu erreichen ist. Dennoch:

Gute Gestalt ist die Harmonie der in sie verarbeiteten Komplementäre.

Verbindende Idee/Thema/Konzept 166

Das vielleicht wichtigste Merkmal jeder guter Gestalt ist jenes der verbindenden Idee, des Konzepts, des Oberthemas, des „roten Fadens”: Die verbindende Idee bildet den ideell-assoziativen Zusammenhang jeder entwurflichen Lösung, ist immanente Kontrollinstanz während ihres Enstehungsprozesses, übernimmt Orientierungs- und Leitfunktion in Bezug auf (möglichst sämtliche) anfallenden gestalterischen Entscheidungen; sie ist gestrenge Wächterin der Einheitlichkeit. Gute Landschaftsarchitektur ist immer (auch) [74] Vgl. S. 33: „Intention”.

räumlich/materiale Interpretation, Übersetzung eines Themas, einer Idee [74].

Die Beispiele möglicher verbindender Ideen für landschaftsarchitektonische Objekte sind endlos: Von Gartenschauthemen wie „Gelber Garten”, „Wassergarten” etc. über thematische Vorgaben z.B. von Wohnungsbaugesellschaften („Entwerfen Sie bitte einen Jugendpark”) oder privaten Bauherren („Mein Garten soll mich an meine geliebte Heimat Korsika erinnern...”) bis hin zu hochabstrakten Themen („Zukunftspark”, „Sequenzieller Garten”, „Heidegger trifft Foucault”) u.v.a.m. Dem Entwurfsansatz der „verbindenden Idee”, also der auf Grundlage eines schlüssigen Gesamtkonzepts basierenden Herangehensweise steht die Annahme entgegen, Entwurfsaufgaben über ein sukzessives Abarbeiten von Anforderungs- bzw. Funktionslisten lösen zu können. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese Herangehensweise im Zusammenhang mit „guter“Gestaltung wenig hilfreich ist. Dies zum einen, weil eine der Grundvoraussetzungen für Gestalt, nämlich Einheitlichkeit (Zusammenhang) aus diesem Ansatz heraus kaum entwickelbar bzw. erkennbar ist; vielmehr führt er beinahe zwangsläufig zu einem (kaum verständlichen) Konglomerat zusammenhangsloser Einzelelemente (und eben nicht zu Gestalt-Komponenten, zu Bestandteilen eines Ganzen). Zum anderen macht es das Fehlen eines (lesbaren, verständlichen) übergeordneten Entwurfskonzepts Dritten beinahe unmöglich,

[75] Vgl. S. 31: „Intersubjektivität”; S. 159: „Anregung/Unsicherheit”.

sich konstruktiv mit dem Ergebnis auseinanderzusetzen [75].

Es gibt keine (gute) Gesamtlösung ohne verbindende Idee.

167

Deutlichkeit Die Qualitätsmerkmale „Deutlichkeit” und „Verbindende Idee” stehen in enger Beziehung zueinander: Vor dem Hintergrund, dass unser Gehirn bestrebt ist, auftretende Phänomene möglichst eindeutig zuzuordnen, steht Deutlichkeit für die rasche Verständlichkeit der Beziehung zwischen einem übergeordneten Entwurfskonzept (Thema, Idee) und dessen entwurflicher Umsetzung (Interpretation). Wichtig hierbei: Deutlichkeit ist kein Synonym für Einfachheit (s.u.) oder Schlichtheit; vielmehr meint sie – viel umfassender – die Reduktion auf das Wesentliche, die Klarheit in der Vermittlung einer Entwurfsidee.

Reduktion ist Fokussierung (auf das Wesentliche).

Einfachheit Einfachheit als entwurfliches Qualitätsmerkmal bedeutet: weniger unterschiedliche Gestaltkomponenten, weniger formale und materia-

168

[76] Wir folgen mit dem Begriff der „Aisthetik” der Argumentation von W. Welsch, der den Begriff der „Ästhetik” aus ihrer „Verengung vorwiegend auf die Kunst oder gar nur aufs Schöne” löst und ihn ersetzt durch den Begriff der „Aisthetik (...) als Thematisierung von Wahrnehmungen aller Art, sinnenhaften ebenso wie geistigen, alltäglichen wie sublimen, lebensweltlichen wie künstlerischen”. [77] Ein Zuviel an Ästhetik, an sinnlicher Anregung, führt zum Zustand der Anästhetik, der Empfindungslosigkeit (Welsch).

le Unterschiede, also weniger Vielfältigkeit, weniger „Aisthetik” [76]. Die uralte Regel „weniger ist mehr” – ist hierbei nach wie vor eine unentbehrliche Hilfe. Einfachheit, als Reduzierung (und damit Fokussierung) auf ein „Weniger”, erhöht „automatisch” die Deutlichkeit einer Gestalt-(ung); durch eine thematische und/oder morphologische Bündelung von Gestaltkomponenten präzisiert und stärkt sie die Entwurfsidee. Darüberhinaus wirkt Einfachheit einer immanenten ästhetischen Überstimulierung entgegen, welche nicht

nur den Blick auf das Wesentliche erschwert, sondern – im Extremfall – sinnliche Wahrnehmung per se unmöglich macht [77].

„Wenn du drei Dinge hast, wähle nur zwei. Wenn Du zehn nehmen kannst, dann nimm nur fünf. So wirst Du alles, was Du nimmst, leichter und sicherer handhaben können.“ Picasso über seine Art, Skulpturen aus Fundstücken zu machen

Gerade für die Landschaftsarchitektur ist Einfachheit ein fundamentales, unumgängliches Qualitätskriterium: Freiräume sind nur in Ausnahmefällen ausschließlich „Anschauungs”-Objekte, dreidimensionale Bilder (z.B. Wintergärten); vielmehr sind sie fast immer gebauter Rahmen, sind Handlungsanweisungen und Anregung für (oft recht unterschiedliche) Menschen. Realisierter und genutzter Freiraum enthält daher (hoffentlich!) „automatisch” eine lebendige Vielfalt von menschlichem Verhalten und deren Handlungsspuren.

169

Entwurfliche Einfachheit ist Voraussetzung für lebendige Vielfalt.

bemerkungen

ideen 170

zitate

skizzen

fragen 171

ergänzungen

4 . 3 We r k z e u g W i e d e r h o l u n g Wiederholung

Muster

Gestalt ist Zusammenhang. Zusammenhang entsteht durch Gemeinsamkeiten der Lage, des Erscheinungsbildes und durch ideell/

Raster

Variation

thematischen Ähnlichkeiten. Im Entwurfsprozess entstehen Gemeinsamkeit des 172

Transformation

Erscheinungsbildes und der Lage durch die Wiederholung stofflich-formaler Merkmale bzw. von Ähnlichkeiten der Lage.

Rhythmus

Proportion

Dadurch wird der Zusammenhang zwischen Einzeldingen herstellt, Einheit (Gestalt) entsteht.

Zeichen

Wiederholung Wiederholung meint die Mehrfachverwendung von Ähnlichem [78]. Sie ist ein grundsätzliches Werkzeug von Gestaltung (von der Bildenden Kunst bis zur Musik) deren Bestreben es immer ist, Unterschiedliches zueinander in Beziehung zu setzen, um Zusammenhang, Gestalt (vom Park bis zur Sonette) erst möglich, begreifbar zu machen. Wiederholung als Entwurfswerkzeug ist auf eine Vielzahl von unterschiedlichen, offensichtlichen wie subtilen, konkreten wie abstrakten Arten eingesetzbar: Sie kann sich auf die Stofflichkeit oder die Farbigkeit von Dingen [79] ebenso beziehen, wie auf Beziehungen der

[78] Vgl. S. 147: „Einheitlichkeit durch Gemeinsamkeit”. [79] Vgl. S. 150: „Gemeinsamkeiten im Erscheinungsbild”. [80] Vgl. S. 148: „Gemeinsamkeit der Lage”.

Lage (z.B. eine Wiederholung von gleichen Abständen zwischen Objekten) [80].

> Vorerfahrung durch Wiederholung Neben den unzähligen Unterschieden zwischen aristotelischen und platonischen Denkansätzen gibt es auch jenen, warum Menschen gewisse Dinge erkennen bzw. benennen können: Platon ging davon aus, dass es neben einer „fließenden”, sich wandelnden Welt ein Reich ewiger, unveränderlicher „Ideen” gibt: Diese seien, unabhängig von sinnlicher Erfahrung in unserem Bewusstsein existent. Nach Platon erkennen wir also einen Baum, ohne jemals einen Baum wahrgenommen zu haben. Im Gegensatz zu Platon war für Aristoteles die sinnliche Erfahrung der eigentliche Schlüssel zum Verständnis: Er ging davon aus, dass wir ein Objekt erst dann selbstverständlich in uns tragen, wenn wir es öfter sinnlich erfahren haben: Erst die mehrmalige Wiederholung derselben sinnlichen Erfahrung („Bäume”) führt zur „Idee” Baum.

173

Wiederholungen sind also, der aristotelischen Argumentation folgend, auch auf einer ideell-thematischen Ebene [81] wirksam. In ihrem Potenzial, Gestaltungswerkzeuge im Sinne dieses Kapitels zu sein, unterscheiden sich ideell-

[81] Vgl. S. 150: „Ideell /thematische Gemeinsamkeit”

thematische Wiederholungen jedoch deutlich von Wiederholungen des Erscheinungsbildes bzw. der Lage: Sind letztere räumlich unmittelbar (zeitgleich) gestaltbildend, so ist ersteres an eine – durch wiederholtes Sehen und Erkennen entstandene – Vor-Erfahrung außerhalb des jeweiligen Entwurfsprozesses geknüpft.

In diesem Sinne sind ideell-thematische Wiederholungen zwar für die Gestaltqualität essenziell [82], sie können jedoch (im [82] Vgl. S. 17: „ Zusammenhang und Vorerfahrung”.

Gegensatz zu stofflich-formalen und Lagewiederholungen) nicht unmittelbar als Arbeitsanweisung,

als (gestalterische) Werkzeuge dienen, da sie „immer schon da” sein müssen, um Gestalt/Zusammenhang zu bilden.

Die einfachste Art der Wiederholung ist die additive Verwendung von gleichen Dingen in regelhafter An-Ordnung. Diese Art der Wiederholung schafft überaus deutliche, „laute” Zusammenhänge mit einem hohen Grad an Einheitlichkeit (z.B. eine Allee, ein stren[83] Vgl. Kap. „Unterschiedlichkeit“, S. 154 oben.

ger Hain, ein Soldatenfriedhof); der Grad an Unterschiedlichkeit ist gering, die einzelne, gestaltbildende

Komponente (z.B. der Einzelbaum, der Grabstein etc.) wird unbedeutend [83].

> Additive Wiederholung von gleichen Objekten mit regelmäßigem Abstand als Reihe

174

> Wiederholung, linear (Allee)

> Wiederholung, Raster (Hain)

Je weniger gemeinsame Merkmale wiederholt werden, je undeutlicher die Anordnung der einzelnen Dinge ist, desto „schwächer” wird die Einheitlichkeit. Gleichzeitig wird jedoch die Gesamtgestalt reichhaltiger, die einzelnen gestaltbilden-

[84]Vgl. S.152 f.: „Unterschiedlichkeit”.

den Komponenten werden präsenter und wichtiger [84].

> Wiederholung von wenigen Merkmalen

> Wiederholung der Abstände – formal sehr unterschiedlicher Komponenten jedoch in ähnlicher (also wiederholter) Größe.

Gestaltung ist Wiederholung. 175

> Struktur Struktur meint den inneren Aufbau, die Gliederung einer Gestalteinheit: Sie bezeichnet deren Aufbaueigenschaften, beschreibt Art und Ausformung von Ordnungsrelationen (z.B. Hierarchien) zwischen den unterschiedlichen, gestaltbildenden Elementen eines Ganzen. Struktur ist ein grundsätzlicher Begriff und auf allen Ebenen der Gestaltung wirksam [84]: Er bezeichnet den, einer bestimmten inneren [84] Vgl. S. 14 f.: „Ordnung”, Struktur als Bezeichnung von Liniengefügen.

Logik folgenden (strukturellen) Aufbau eines Entwurfes ebenso, wie die Gliederungsanleitung, den Auf-

bau von einzelnen Komponenten einer Gesamtgestalt (z.B. eine Wiesenfläche mit einzelnen Baumgruppen innerhalb einer Parkanlage). Struktur ist „unsichtbar”, ist zur Regel gewordene Idee.

Muster Muster sind sich wiederholende oder sich gegenseitig überlagernde Liniengefüge (auch Flächen sind über die Grenz-Linien cha[85] Vgl. S.14:“Punkt-Linie-FlächeKörper”.

rakterisiert [85]). Als Gestaltbildungswerkzeuge sind sie strukturelle Grundlage für die Bildung von

Zusammenhang. In der Landschaftsarchitektur werden Muster zumeist als Gliederungsanleitung (struktureller Hintergrund) für eher flächige („grundriss-artige”) Zusammenhänge angewendet.

176

> Grundmuster

> Füllungen (Was könnte das sein? Räumlich? Flächig?)

> Grundmuster

> Füllungen (Was könnte das sein? Räumlich? Flächig?)

Raster Im Gegensatz zum im Regelfall komplexeren Muster bezeichnen Raster sehr einfache (Gitter-) Strukturen. Die Einfachheit der dem Raster zugrundeliegenden Ordnung führt zu Gefügen starken Zusammenhangs. Dadurch können selbst sehr unterschiedliche Dinge – ohne thematische Einheit – Gestalt bilden. Die deutlichsten Zusammenhänge lassen sich durch einfache Quadrat- oder Rechteckraster erzielen (einige andere geometrischen Formen als Grundlage einer Rasteranordnung sind möglich, jedoch weniger deutlich). Das eigentliche Potenzial des Rasters, durch Wiederholung der Abstände eine deutliche Beziehung zwischen unterschiedlichen Elementen zu schaffen, wird umso schwächer, je komplexer dessen innere Struktur ist (z.B. Vielecke). Daher: Je unterschiedlicher die Gestaltkomponenten, desto einfacher, regelhafter die Ordnung des zugrundeliegenden Rasters.

177

> Linienraster, quadratisch als einfache Grundstruktur

> Möglichkeit 1 – Besetzung von Flächen

> Möglichkeit 2 – Besetzung von Rändern

> Möglichkeit 3 – Besetzung von Ecken

> Punktraster, rechteckig

> Besetztes Raster mit geringer Ähnlichkeit (nur ähnliche Größe)

> Kreisraster – schwierig lesbar, braucht Ähnlichkeit der Einzelbesetzungen

Raster finden auf sämtlichen landschaftsarchitektonischen Superierungsstufen Anwendung: Sie können als strukturelles Gerüst für die Anordnung von Gestaltkomponenten einer Parkanlage ebenso dienen, wie für Bodenbeläge, für Farbkompositionen innerhalb von Blumenrabatten u.v.a.m.

> Quadratraster

178

> Besetzung eines zugrundeliegenden Rasters (Womit? Bäume? Raumbildende Mauerscheiben?)

Variation Variationen sind Wiederholungen eines Gestaltthemas durch Veränderung von Lage und/oder Erscheinungsbild. Eine Grundgestalt wird immer wieder so modifiziert bzw. interpretiert, dass sie, trotz jeweils unterschiedlichen Erscheinungsbildes weiterhin (mehr oder we[86] Vgl. S. 159: „Anregung/Unsicherheit”

sammenhang zu erzeugen.

niger deutlich [86]) lesbar bleibt. Variationen bedürfen keiner regelhaften, gerichteten Abfolge, um Zu-

> Variation – Thema „Kreis”

> Variation – Thema „Tod”

Transformation Transformationen sind aufeinander aufbauende, also gerichtete Variationsreihen: Eine Grundgestalt (ein Element, eine Form) wird stufenweise immer weiter verändert, es gibt, im Gegensatz zur Variation, eine deutliche Leserichtung mit Anfangs- und Endpunkt. Der Zusammenhang einer Transformation liegt einerseits in der gemeinsamen Grundgestalt (dem Grundthema) andererseits in der aufeinander aufbauenden Veränderungsreihe, deren Zwischenglieder für das Gestaltverständnis notwendig sind (jedoch nicht sämtlich vorhanden sein müssen). Je stärker die Veränderung des Endzustandes einer Transformationsabfolge, desto wichtiger wird das Zeigen der Zwischenstufen, um den Zusammenhang erkennbar, verständlich zu machen.

179

> Transformation eines Quadrats

Sequenzen sind Transformationen, deren Veränderung durch immer gleiche Eingriffe sukzessive erfolgt und deren sämtliche Zwischenstufen nacheinander angeboten werden.

> Sequenz – regelmäßige Auflösung eines strengen Baumhains durch Weglassen jeweils eine Dreiergruppe

> Sequenz – Auflösung einer Baumreihe (5, 4, 3, 2, 1)

> Sequenz – Auflösung einer Baumreihe (4:1, 3:1, 2:1, 1:1)

180

> Höhensequenz als Baumreihe (umso deutlicher, je ähnlicher alle anderern Charakteristika der Bäume sind)

Rhythmus Im Gegensatz zur Sequenz wiederholt Rhythmus eine charakteristische Kombination immer wieder. Rhythmus wird meist als Charakterisierung von Linienbeziehungen eingesetzt, die keine Richtung benötigen (sonst wäre das geeignete Mittel die Sequenz) und ohne deutlichen (notwendigen) Anfangs- und Endpunkt auskommen (sonst wäre das geeignete Mittel die Transformation). In Raumkünsten (Bildhauerei, Landschaftsarchitektur, Architektur etc.) ist Rhythmus nur als Abfolge (also in Bewegung des Betrachtenden) erlebbar, wohingegen in Zeitkünsten (Film, Musik) die Zeitabfolge vorgegeben ist.

> Rhythmus – 3/2; 3/2; …

> Rhythmus – Bling, Plong, Blingbling, Plong; Bling, ... (Vielleicht sind die Bäume auch noch sehr verschieden – dann wird’s jazziger…)

Proportion Proportion bezeichnet das präzise (errechenbare) Verhältnis zwischen prägnanten Maßgrößen von Dingen (z.B. das Verhältnis von Höhe zu Breite), sie beschreibt die „feinen Unterschiede” der Größenverhältnisse von Gestaltkomponenten. Beispielsweise ist dieselbe Proportion auf viele Elemente einer Freianlage angewendet, ist ein subtil einsetzbares Mittel, um Zusammenhang „auf den zweiten Blick” zu erzeugen.

181







> Beispiel. Ein rechtwinkliges Grundstück im Grundriss, Außenkanten 2:3. zeigt einen Weg, der im selben Verhältnis das Grundstück schneidet. führt zwei zusätzliche Areale ein: Die dunklere ergibt sich aus der horizontalen Teilung der Fläche rechts des Weges im Verhältnis 2:3. Die Außenkanten der helleren Fläche haben dasselbe Verhältnis, ebenso wie der Baumhain. Die Bankreihe ist rhythmisiert durch eine Länge von 3 der Bänke zu einer Länge von 2 der Lücken. Etc. (...und jetzt die dritte Dimension...).

> Maßstäblichkeit Maßstäblichkeit bezieht sich auf gewohnte Größenverhältnisse zwischen unterschiedlichen, in der Umwelt oft miteinander sichtbaren Dingen, also der menschlichen Fähigkeit, die Größe bekannter Dinge zueinander einschätzen zu können (z.B. Hund und Baum, Lokomotive und Kind etc.). Der Begriff „Maßstäblichkeit” kommt vermutlich aus der Grundrissdarstellung von Plänen: Unmaßstäblich wäre es beispielsweise, in einen Plan, Maßstab 1:200, eine Bank im Maßstab 1:50 einzuzeichnen. Maßstäblichkeit bedeutet also im Großen und Ganzen richtige Proportionen innerhalb eines bestimmten Zusammenhangs, einer Gestaltung, bezeichnet ein für unsere Vorerfahrung übliches und gewohntes Größenverhältnis zwischen unterschiedlichen Gestaltkomponenten.

182

> Unmaßstäbliche Paare

Zeichen Zeichen (Symbole, Allegorien und Zitate) sind Mittel, um ideelle Gemeinsamkeiten [87] zu zeigen; sie verweisen auf etwas Anderes (wiederholen dieses inhaltlich).

Symbole sind kraftgeladene, bedeutungsvolle Zeichen, die nicht unbe-

[87]Vgl.S.150:„Ideell /Thematische Gemeinsamkeit”.

dingt der rationalen Erfassung des Zusammenhangs, also einer Erklärung bedürfen, um zu wirken. Symbole evozieren unmittelbar bestimmte Stimmungs- bzw. Bedeutungszusammenhänge, häufig sind sie archetypische Erinnerungsbilder (z.B. Farbsymbolik, Formsymbolik etc.). Im Gegensatz dazu bedürfen Allegorien und Zitate der Erklärung bzw. des Vorwissens der Betrachter, um Bedeutung zu erlangen (verstanden zu werden).

Allegorien sagen bereits Bekanntes anders, sie stehen also für etwas, ohne jedoch dieses

Etwas formal/stofflich zu wiederholen (Problem: Wissen über dieses Etwas ist Voraussetzung, um diesen Zusammenhang zu erkennen).

Zitate sind Fragmente einer (sehr) bekannten anderen Gestalt. Im Gegensatz zur eher ideell verwendeten Allegorie werden

(bauliche) Zitate ausschließlich material und/oder formal verwendet.

183

bemerkungen

ideen 184

zitate

skizzen

fragen 185

ergänzungen

Literatur

Für ein Buch über Entwerfen (das selbst wiederum das Ergebnis eines langen Entwurfsprozesses war) gilt konsequenterweise auch das, was für das Entwerfen selbst gilt: nämlich, dass es nachgerade unmöglich ist, das Ergebnis (den Entwurf, in diesem Fall dieses Buch) in all seinen Ebenen stringent herzuleiten und zu begründen. Zu vielschichtig sind die Einflüsse, zu undurchsichtig die Gründe, warum nach oft stundenlangen Gesprächen oder aufgrund von Textentwürfen plötzlich Zusammenhänge klarer werden. Kaum mehr zu rekonstruieren, ob die Lektüre der Tageszeitung, ein Satz von Wittgenstein oder ein beiläufiges Gespräch mit der Bäckerin einer Erkenntnis erst den entscheidenden „Schub” gab. Dennoch gibt es selbstverständlich Bücher, die maßgeblich und richtungsweisend für uns waren, einige andere, die man kennen sollte und wieder andere, die schlicht und einfach anregend und inspirierend sind. Die Synthese entsteht im Kopf.

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Hans Loidl (*1944 † 2015) Studium in Wien und Kopenhagen. 1974–1986 freies Partnerbüro für Landschaftsarchitektur in Wien. 1976–1984 Lehrbeauftragter für Landschaftsarchitektur an der Hochschule für Angewandte Kunst, Wien. Ab 1982 Universitätsprofessor für Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität Berlin, insbesondere Objektplanung und Entwerfen. Ab 1984 Atelier für Landschaftsarchitektur in Berlin. Zahlreiche realisierte Projekte, Publikationen, Gutachtertätigkeiten, Jurys, Vorträge.

Stefan Bernard (*1969) Studium in Venedig (Architektur), Wien (Landschaftsökologie) und Berlin (Landschaftsplanung). Mitarbeit in unterschiedlichen Gestaltungs- und Entwurfsbüros (Raumplanung, Architektur, Landschaftsarchitektur, Grafik-Design). Seit 2001 Freier Landschaftsarchitekt (www.studio-polymorph.com) mit zahlreichen Realisierungen, Konzepten und Wettbewerbserfolgen. Autor, Herausgeber, Vortragender und Ausstellungskurator. Mitglied in Fachjurys und Lehrtätigkeit u.a. an der National University of Singapore und der Berliner Hochschule für Technik (BHT). Lebt und arbeitet überwiegend in Berlin.

Gestaltung Stefan Bernard, Berlin Projektkoordination Henriette Mueller-Stahl, Berlin Produktion Oliver Kleinschmidt, Berlin Heike Strempel-Bevacqua, Ehrenfriedersdorf Papier 130 g/m² Munken Pure Druck Druckhaus Sportflieger, Berlin

Library of Congress Control Number: 2022939297 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

ISBN 978-3-0356-2617-9 e-ISBN (PDF) 978-3-0356-2631-5 Englisch Print-ISBN 978-3-0356-2618-6 © 2022 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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