Frauen machen Mode : Coco Chanel, Jil Sander, Vivienne Westwood u.a.m. : Modeschöpferinnen vom 18. Jahrhundert bis heute 3492230245

Mode ist nicht schon immer Frauensache: Die Frau als Modeträgerin steht erst seit zweihundert Jahren im Mittelpunkt, und

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Frauen machen Mode : Coco Chanel, Jil Sander, Vivienne Westwood u.a.m. : Modeschöpferinnen vom 18. Jahrhundert bis heute
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m 70

Mode ist nicht schon immer Frauensache: Die Frau als Modeträgerin steht erst seit zwei­ hundert Jahren im Mittelpunkt, und erst im 20. Jahrhundert konnten weibliche Mode­ schöpferinnen den Weg nach oben erklimmen. 1 )ieser kompetente Führer durch die Welt der Mode-Designerinnen von der Haute Couture bis zu den avangardistischen Mode­ schöpferinnen der Gegenwart ist ein aufregendes Kapitel Kultur- und Frauengeschichte. Gertrud Lehnert schildert die Persönlichkeiten hinter den groben Namen: Sie berichtet von Marie Antoinettes »Modeministerin« Kose Benin, widmet dem 19. Jahrhundert ein Kapitel, um dann das 20. Jahrhundert zu eröthien mit Leben und Werk von Coco Chanel, die zum Inbegriffder modernen Frau wurde, und Sonia Delaunay, der Avantgardistin der zwanziger Jahre. Neben Nina Ricci und Elsa Schiaparelli porträtiert sie die Puristin Jil Sander oder Miuccia Prada, die für »ärmlichen Luxus« steht. Vivienne Westwood, die das schrille Modespektakel hebt, und Rei Kawakubo, die den Körper neu erfand, beschließen diese eindrucksvolle Galerie. ('¡ertriid Lehnert, geboren 1956, Studium der Allgemeinen uikI Vergleichenden Literatur­ wissenschaft, Romanistik und Germanistik, Habilitation 1994. Autorin zahlreicher Sach­ bücher und von Rundfunk- und Zeitungsbeiträgen.

Gertrud Lehnert Frauen machen Mode Berühmte Modeschöpferinnen von

Coco Chanel bis Vivienne Westwood

Mit 94 Abbildungen

Piper München Zürich

Ungekürzte Taschenbuchausgabe Piper Verlag GmbH, München Dezember 2000 © 1998 edition ebersbach, Dortmund

Umschlag: Büro Hamburg Stefanie Oberbeck, Katrin Hoffmann Foto Umschlagvorderseite: Donna Karan Foto Umschlagriickseite: Heyde/Pausch Fotografie Satz: Verlag Die Werkstatt, Göttingen Druck und Bindung: Westemiann Druck, Zwickau Printed in Germany ISBN 3-492-23024-5

IN HALT

Einleitung

Mode vor

9 der

Revolution: Rose Bertin

'

15

Marie Antoinettes „Modeministerin"

15

Über die Mode

18

Von Näherinnen

und

Schneidern

30

Rose Bertin

Hundert Jahre „Männerherrschaft“: Worth Frauenarbeit in

24

der

Modebranche

Coco Chanel emanzipiert die Frauen

51 61

67

Neue Frauen: Die Schwestern Callot, Jeanne Paquin,

67

Jeanne Lanvin

Inbegriff

der modernen

Frau: Coco Chanel

Mode und Avantgarde: Sonia Delaunay

74 ioi

Schnittkünstlerinnen: Madeleine Vionnet und Madame Grès

Ein Mode-Imperium: Nina Ricci

Mode

und

Kunst: Elsa Schiaparelli

Quant gegen Dior

105 iii

115

135

Dress for Success

145

Paradigmenwechsel

145

Das „ewig Weibliche“: Sonia Rykiel

147

Purismus und „Authentizität“: Jil Sander

151

Moderne Frauen ärmlicher

und zweckmäßige

Schönheit: Donna Karan 159

Luxus: Miuccia Prada

166

Avantgardistische Klassik: Ann Demeulemeester

169

Mode als Spektakel: Vivienne Westwood

183

Die Neuerfindung

203

des

Körpers: Rei Kawakubo

Anmerkungen

228

Bildnachweis

234

Literaturverzeichnis

235

Danksagungen Ohne die Hilfe von Modehäusern, Bibliotheken und den dort beschäftigten Menschen hätte dieses Buch kaum entstehen können. Ich danke Vivienne Westwood für das Interview, das sie mir freundlicherweise gewährt hat,

außerdem Jürgen Frisch, ihrem Mitarbeiter an der Berliner Hochschule der Künste, sowie Metja Fehrmann von Vivienne Westwoods deutscher Agentur

Schöller & von Rehlingen. Mein besonderer Dank geht an Ann Demeulemeester für das Gespräch, das wir miteinander geführt haben, sowie an

Michèle Montagne, ihre Agentin in Paris. Ich danke zudem Comme des Garçons, insbesondere Jelka Music, Paris; Schiaparelli Inc. und Guido Sassoli de’ Bianchi, Paris; Chanel und Katja Wilde (Hamburg); sowie den Häusern

Sonia Rykiel, Donna Karan, Jil Sander und Nina Ricci. Für ihre geduldige und kompetente Hilfe danke ich Dr. Adelheid Rasche

von der Lipperheideschen Kostümbibliothek/Kunstbibliothek, Berlin. Dank auch an die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Lipperheide­

schen Kostümbibliothek. Schließlich geht mein Dank auch an Heidrun Klein vom Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin.

Einleitung Mode ist Frauensache. Das scheint selbstverständlich und ist doch - wie viele

vermeintliche Selbstverständlichkeiten - nur eine Halbwahrheit. Freilich: Frauenzeitschriften sind voller Mode, während Männerzeitschriften sich vor­

zugsweise mit Computern, Autos und Sport befassen. Bei den Moden­ schauen finden die Damenkollektionen erheblich mehr Beachtung als die

Herrenkollektionen, und weibliche Models sind berühmter (und reicher) als ihre männlichen Kollegen. Die Selbstinszenierung durch modische Kleidung

spielt für Frauen eine bedeutende Rolle, und ihre Mode ändert sich von Sai­ son zu Saison viel grundsätzlicher als die Männerkleidung, die seit fast zwei

Jahrhunderten die gleichen Grundformen aufweist. Es sind Frauen, zu deren bevorzugten Hobbies das Einkäufen von Kleidung gehört; Frauen geben für

Mode und Accessoires viel Geld aus. Das Gros der Männer ist auf diesem Ge­ biet zurückhaltender. Die wichtigsten Modekonsumentinnen sind also Frauen, und insofern ist

Mode Frauensache. Sie ist es in dem skizzierten Sinne jedoch erst seit etwa 200 Jahren, denn zuvor war Mode eine Angelegenheit beider Geschlechter.

Jahrhundertelang war die Männermode sogar die interessantere und innova­

tivere und wurde von den Frauen nachgeahmt. Vor der französischen Revo­ lution war die Aristokratie die eigentlich modemachende soziale Schicht. Sie

benötigte die prunkvolle äußere Aufmachung beider Geschlechter zur De­

monstration des eigenen Standes. Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Werte setzten sich durch, die Geschlechterrollen wurden noch

stärker polarisiert und betont, und Mode wurde zu einer regelrechten Auf­

gabe für konsumorientierte Damen aus dem wohlhabenden Bürgertum. Mo­ de war zur Frauensache geworden. Männer hatten mit Mode nichts zu tun oder doch?

Wendet man den Blick vom Modekonsum auf die Produktion der Mode,

so wird deutlich, daß Mode durchaus auch eine Männersache ist. Denn es

sind oft Männer, die die Mode machen. Seit dem 19. Jahrhundert sind Mode­ schöpfer meist männlichen Geschlechts, auch die Kupferstecher und in unse­

rem Jahrhundert die Fotografen, die die Mode für das Auge aufbereiten, viele

9

Moderedakteure und die Herausgeber von Frauenzeitschriften. Diese männ­

liche Präsenz hat dazu geführt, daß - zumal in Zeiten des feministischen Aufbruchs - die Sorge aufkam, modische Frauen würden zu willenlosen

Objekten des männlichen Schöpferdrangs degradiert und nur für die Lust der Männer erotisch reizvoll aufgeputzt. Frauenbewegte Frauen entschlossen

sich konsequent zu einer Anti-Mode aus Jeans und weiten Pullovern oder der

berühmt gewordenen lila Latzhose. Sie wollten verhindern, daß sie in erster

Linie als Geschlechtswesen wahrgenommen - und damit nicht emstge­

nommen - würden, und statt dessen auf ihre „menschlichen“ Qualitäten, auf

ihre „inneren" Werte verweisen. Modisches Interesse wurde verurteilt als Männerfixiertheit und Oberflächlichkeit, und modische Frauen schienen un­

rettbar in den Fesseln der Äußerlichkeit verstrickt. Mode wurde also mit einer

bestimmten Variante weiblicher Existenz gleichgesetzt und als „Frauen­ sache" erneut, diesmal von Frauen selbst, scharf verurteilt. Dennoch wurde die Mode weitgehend von Männern und, zumindest in den Augen vieler Fe­ ministinnen, letzten Endes auch für Männer gemacht. Aber sie galt nicht als

Männersache. Eine eigentümliche Schizophrenie wird hier sichtbar, die unsere heutige

Rede über Mode noch immer bestimmt. Wer abschätzig von der Mode als Frauensache redet, meint damit die Lust der Konsumentinnen am Einkauf neuer Kleider, ihre Lust, sich schön anzuziehen und alle neuen Moden mit­ zumachen, meint damit oft auch die Verpflichtung vieler Ehefrauen, dafür zu

sorgen, daß ihre Ehemänner anständig - keineswegs modisch - gekleidet

sind. Viele Männer nehmen für sich das Recht in Anspruch, Modemuffel zu

sein, da sie an vermeintlich wichtigeren Dingen interessiert sind. Dabei hat

sich das Blatt längst gewendet. Ein schlecht gekleideter Mann wird heute nicht mehr ohne weiteres akzeptiert, ganz sicher nicht im Berufsleben, und

in. die Herrenoberbekleidung ist in den letzten Jahren deutlich Bewegung ge­ raten: sie ist wieder zur Mode geworden.

Dennoch gilt das allzu begeisterte Konsumieren von Mode weiterhin als tendenziell verdächtig und somit immer noch vorwiegend als Frauensache.

Das Machen von Mode hingegen wird als künstlerische Arbeit inzwischen hochgeschätzt. In diesem Bereich scheint die Frage nach dem Geschlecht se­ kundär. Wer also von der Modeproduktion spricht, von der schöpferischen

10

Arbeit, die die Mode überhaupt erst hervorbringt, der spricht nie von einer „Männersache“ oder einer „Frauensache". Modedesign erscheint als ge­ schlechtsneutrale Angelegenheit. Zwar wird immer wieder betont, daß diese

oder jene Modemacherin die Bedürfnisse der Frauen besser kenne als die Männer, aber nur selten yvird die Frage gestellt, ob Frauen unter anderen Be­

dingungen arbeiten als Männer, ob sie eine andere Mode machen und ob es

überhaupt geschlechtsspezifische Unterschiede in der modischen Ästhetik gebe.

Dabei ist die Frage nach dem Geschlecht der Modemacher kulturge­ schichtlich von größtem Interesse. Unter den bedeutenden Modeschöpfern unserer Tage befinden sich viele Frauen, ja sie sind oft diejenigen, die die ori­

ginellsten Ideen, die besten Techniken, den größten Einfluß haben (zum Beispiel Rei Kawakubo oder Vivienne Westwood). Schon in den 20er und

30er Jahren des 20. Jahrhunderts waren Modeschöpferinnen tonangebend

(zum Beispiel Coco Chanel oder Elsa Schiaparelli); sie wurden jedoch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg von Modeschöpfern verdrängt. Und im

19. Jahrhundert waren zwar - wie in allen Jahrhunderten davor - unzählige Frauen mit der Textilverarbeitung beschäftigt, sie blieben aber als anonyme Zuarbeiterinnen und Handwerkerinnen vollständig im Hintergrund. Den

Vordergrund nahm der Mann ein, der das Schneiderhandwerk in eine hohe

Kunst verwandelte: Charles Frederick Worth. Mit ihm entstand der neue Typus des Modeschöpfers, der nicht mehr Handwerker, sondern Künstler ist.

Frauen hatten es lange schwer - oft kamen sie nicht einmal auf die Idee -, sich gegen diese männliche Suprematie durchzusetzen, denn sie waren in

der bürgerlichen Auffassung keine Künstlerinnen, sondern höchstens

Musen für den männlichen Schöpfer. Dieses zutiefst bürgerliche Bild ent­ sprach so sehr dem Zeitgeist, daß es alle jene Näherinnen und Modistinnen

in Vergessenheit geraten ließ, die jahrhundertelang die Frauen eingekleidet

und verschönert hatten (und dies weiterhin taten). Zu ihnen zählt Rose

Bertin, die erste Modistin, die wir namentlich kennen. Als „Modeministerin“ der französischen Königin Marie Antoinette verkehrte sie fast von gleich zu

gleich mit den Damen der Gesellschaft und gerierte sich lange vor Worth als Künstlerin. Sie hatte aber das Pech, daß ihre Arbeit in ihrer spezifischen Form nur im Ancien Régime, also in einer durchaus noch vor-modemen

11

Zeit, möglich war. Die Revolution unterbrach ihre Karriere, und die Mode

nahm in der Moderne eine völlig andere Richtung, die schließlich zu der Mode fuhrt, die wir kennen. Und wenn heute, 200 Jahre nach Rose Bertin

und 70 Jahre nach den Glanzzeiten Coco Chanels, viele Frauen in der

Modebranche erfolgreich sind, hat das mit einem grundsätzlich anderen kul­ turellen Klima zu tun. Liberalisierung und Feminismus haben die gesell­

schaftlichen Strukturen der westlichen Welt verändert; Frauen nehmen in aller Selbstverständlichkeit am öffentlichen und Berufsleben teil. Außer

gesellschaftlichen hat das aber auch kulturelle Ursachen: In der Postmoderne werden marginalisierte Gruppen, zu denen Frauen in vielen Bereichen ja

durchaus gehören, mit einem Male wichtig. Auch im Bereich der Kunst hat hat sich vieles geändert. Grenzen, die früher als unveränderlich galten, haben

sich verschoben: zwischen sogenannter hoher und niedriger (oder an­

gewandter) Kunst, zwischen Künstler und Publikum. Die Kunst ist kein heh­ rer Olymp außerhalb des Alltags mehr, sondern ein Ort des Spiels und der Ironie, an dem sich Altes und Neues, Handwerk und Artistik, Funktionalität und Zweckfreiheit begegnen. Entsprechend ist auch der Künstler nicht mehr einsames Individuum außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, sondern

jemand, der eine gute Idee hat und sie (selbst-)ironisch in Szene zu setzen

vermag. Das läßt Frauen heute eher Raum als frühere Konzepte vom Künstlertum, die aufgrund ihrer Rigidität sowie strikter Geschlechterrollen Frauen ausschließen mußten

Frauen machen Mode zeichnet den Prozeß der weiblichen Teilhabe an der

Entwicklung der Mode vom 18. Jahrhundert bis heute nach. Der erste größe­ re Teil über Rose Bertin enthält auch einen kurzen Überblick über die Ge­

schichte der Mode und die veränderlichen Bilder von Weiblichkeit und Männlichkeit, die sie vorfuhrt, sowie über die verschiedenen Rollen, die Frau­

en und Männer in der Mode - im Hinblick auf ihre Herstellung und in ihren

Konsum - spielten. Eine Reihe von Porträts schließt sich an, deren Mittel­ punkt jeweils eine exemplarische Modemacherin beziehungsweise ihre Mode

steht. Fast alle waren nicht nur bedeutend in ihrem Beruf, sondern darüber hinaus höchst interessante Persönlichkeiten mit zugleich außergewöhn­

lichen und zeittypischen Lebensläufen. Die Porträts werden ergänzt durch Ausführungen zu anderen Modeschöpferinnen sowie durch Seitenblicke auf

12

die Modeschöpfer der Zeit; einige Kapitel behandeln von vornherein mehre­ re Frauen. Die Auswahl der Modeschöpferinnen richtet sich zum einen nach

ihrer Bedeutung und versucht zum anderen, ein mögliches breites Spektrum von modischen Visionep zu zeigen, deswegen wird auch jeder der Frauen

eine bestimmten Haltung oder Stilrichtung zugeordnet. Im Laufe der Arbeit an diesem Buch haben sich - grosso modo - drei Hauptrichtungen heraus­

kristallisiert. Es gibt eine Tradition - sie beginnt mit Coco Chanel und setzt

sich bis in die Gegenwart fort -, die sich der schlichten, funktionalen, gänz­ lich schnörkellosen Formensprache der klassischen Moderne verschrieben

hat. „Authentizität" und „Purismus“ sind zentrale Stichworte, um sie zu cha­ rakterisieren; sie ist im Kontext des modernen Designs am angemessensten

zu verstehen. Die andere Richtung ist eher theatralisch. Sie liebt die Maske­ rade und das große Spektakel, den modischen Witz und die Übertreibung,

und sie steht weniger in der Tradition des Designs als in der der Malerei und

natürlich des Theaters. Elsa Schiaparelli ist eine wichtige Exponentin dieses

Trends. Eine zeitgenössische Vertreterin dieser Richtung ist Vivienne West­ wood, die man der Postmoderne zurechnen kann, wenn sie selbst auch den

Begriff gar nicht schätzt. Und schließlich gibt es Gestalten, die sich keiner dieser Richtungen wirklich zuordnen lassen. Die Japanerin Rei Kawakubo

steht in der Tradition modernen europäischen Designs und japanischer

Ästhetik und transzendiert beide. Ihre Theatralität ist nicht nach westlichen Maßstäben zu beurteilen, sondern hat ihre Wurzeln im japanischen Theater, das europäischen Vorstellungen so fremd ist wie die tradionelle japanische

Kleidung. Und doch kann man Rei Kawakubo unmöglich aus der japani­ schen Tradition erklären, sondern sie schafft etwas sehr Eigenständiges

innerhalb und außerhalb aller Traditionen zugleich. Natürlich sind diese drei

Richtungen nur als Orientierung gedacht, sie sind beschreibend gemeint und nicht normativ. Wenn eine Modeschöpferin einer Richtung zugeordnet wird,

bezeichnet das nur eine Tendenz, keine feste Zuschreibung. Mode lebt von der Grenzüberschreitung; definitive Klassifizierungen würden sie töten.

Auffallend ist, daß in der zeitgenössischen Mode, nicht anders als in der bildenden Kunst, die Selbstreflexion der Künstlerinnen, ihre „Philosophie“,

immer häufiger zu den eigentlichen Schöpfungen hinzukommt. Viele lassen

ihre Kleider nicht mehr für sich sprechen, sondern verkünden die dazuge-

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hörenden Grundsätze und Interpretationsvorschläge gleich mit. Wie die mo­

derne Malerei, scheint auch die Mode nicht mehr verständlich zu sein, wenn man sie nicht erklärt. Das hat mit einer gewissen „Intellektualisierung“ der

Mode zu tun, aber es ist natürlich auch ein Verkaufsargument, das den poten­ tiellen Käuferinnen im Dschungel des Angebots die Orientierung zu erleich­

tern sucht Mode ist eben immer beides, Kirnst und Kommerz, Produkt der menschlichen Einbildungskraft und materielles Objekt. Das macht sie so

interessant und so eminent modern.

Vollständigkeit kann im Rahmen eines solchen Buches nicht angestrebt sein, was zur Folge hat, daß die eine oder andere Leserin unter Umständen

eine Modeschöpferin vermissen mag. Dennoch lassen die exemplarische Be­ deutung der vorgestellten Modeschöpferinnen sowie die Einbettung der Por­

träts in den sozialen, allgemein kulturellen und speziell modegeschichtlichen Kontext das Buch zu einer unterhaltsamen Geschichte der europäischen Kul­ tur der letzten zwei Jahrhunderte unter dem Aspekt der Mode werden.

Mode vor der Revolution Rose Bertin Marie Antoinettes „Modeministerin“ Rose Bertin (1747-1813) war eine der bedeutendsten und einflußreichsten

Modemacherinnen des Ancien Régime. Sie arbeitete fur Königin Marie Antoinette, für fast alle Damen des französischen Hofes und für viele aus­

ländische Potentaten. Ihr Ruhm war so groß, daß sie es sich leisten konnte,

manche Kundinnen hochnäsig fortzuschicken. Ihre Zeitgenossen empörten sich über die unglaubliche Anmaßung, die darin lag, daß eine einfache Mo­

distin es wagte zu sagen, sie arbeite mit der Königin, und viele schoben ihr

einen Teil der Schuld an Marie Antoinettes notorischer Verschwendungs­ sucht zu. Tatsächlich verkehrte die Modistin auf vertrautem Fuße mit der französischen Königin, so daß es durchaus denkbar ist, daß sie Einfluß auf

sie ausübte. Marie Antoinettes Ehrgeiz bestand darin, als Königin der Ele­

ganz zu gelten, was ihr mit Hilfe der Kreationen Rose Bertins auch gelang.

Ihre Hofmalerin Elisabeth Vigée Le Brun hat sie denn auch weniger als große Herrscherin denn als elegante Frau und modische Trendsetterin gemalt.

Mademoiselle Bertin war außerordentlich einfallsreich und phantasievoll, man riß sich ihre Kreationen geradezu aus der Hand. Und sie war teuer - das

verbindet sie mit den modernen Modeschöpferinnen, die wissen, daß man

Exklusivität garantiert, indem man hohe Preise verlangt und damit von vorn­ herein den Kreis derjenigen einschränkt, die sich die Modelle leisten können,

und die wissen, daß man natürlich die Begehrlichkeiten anstachelt: Je teurer und exklusiver, desto begehrenswerter wird das, was man anzubieten hat. Rose Bertin nähte jedoch keine Kleider, sie dekorierte sie nur. Sie stellte

Kopfbedeckungen jeder Art her, verkaufte Spitzen und Bänder, änderte Klei­ der und erfand immer neue Arten, wie man das Standardkleid, dessen Form

sich wenig änderte, durch ausgefallene Dekorationen ständig modisch aktua­ lisieren und neu aussehen lassen konnte. Sie war eine marchande de modes, eine Modistin, keine Näherin und schon gar keine Schneiderin (die gab es da-

15

Marie Antoinette, 1778 gemalt von Elisabeth Vigée Le Brun.

Rose Berlin.

mais noch gar nicht). Aber tatsächlich hat es keine einzige Näherin und kein

einziger Schneider der Zeit geschafft, so berühmt zu werden wie Mademoi­ selle Bertin, und das lag daran, daß im Bereich der Damenkleidung in der

Zeit vor der Französischen Revolution der Aufputz das Entscheidende war. Das ist ein erheblicher Unterschied zu der heutigen Mode, für die die Schnit­

te wichtig sind, während Oberflächendekoration für unsere Kleidung kaum noch eine nennenswerte Rolle spielt. Und das ist es auch, was Rose Bertin so

interessant macht. Sie arbeitete in einer Zeit, die man gesellschaftlich und im Bereich der Kunst als vor-modern bezeichnen kann, aber sie steht mit ihrer Mode und ihrem Selbstverständnis als - finanziell erfolgreiche - Modekünst­ lerin auf der Grenze zur Moderne. Rose Bertin wurde groß in einer Zeit, in

der der Prunk der Dekoration wichtiger war als die Einheitlichkeit der Silhou­ ette und die Konstruktion des Schnitts. Sie arbeitete in einem sozialen Um­

feld - am Hof von Versailles und für die Aristokratie Europas -, für das der

Pomp der äußeren Erscheinung keine bloße Vordergründigkeit, sondern eine repräsentative Notwendigkeit war: Die Aristokraten, zumal die Königin,

16

waren verpflichtet, sich angemessen zu kleiden und ihren Stand in ihrer äußeren Erscheinung und ihrem Auftreten sichtbar darzustellen. Man hätte

es nicht akzeptiert, wenn sie sich einfach angezogen hätten. Als die Königin sich in den 1780er Jahren in einem damals modischen, schlichten weißen

Kleid malen ließ, löste das laute Proteste aus: Sie degradiere das Königtum, wenn sie sich „im Hemd“ darstellen lasse. Daß sie es überhaupt wagte, sich

modisch statt zeremoniell malen zu lassen, verdeutlicht, daß fur Marie

Antoinette, Mademoiselle Bertins wichtigste Kundin, die Kleidung mehr be­ deutete als eine durch ihre Stellung vorgegebene Verpflichtung: Sie hatte sich zur Mode emanzipiert. Fast scheint es, als hätte für die Königin die Selbstinszenierung durch die Mode fast schon individualistische Züge getra­

gen. Es war nicht nur die Königin, die sich aufputzte, um ihre Macht zu de­ monstrieren, sondern auch die Frau, die schön und verführerisch sein wollte

und die sich mit hemmungsloser Lust der Auswahl immer neuer Hüte und

Aufputze hingab. Das modische Verhalten der Königin weist damit auf die Moderne voraus, in der Individualimus und die untrennbare Koppelung von Kunst und Kom­ merz für die Mode typisch sind. Gerade diese Zwischenstellung zwischen dem Ancien Régime und der Moderne macht die Königin modehistorisch so

interessant, und mit ihr ihre Modistin Rose Bertin, ohne die ein solches mo­

disches Verhalten unmöglich gewesen wäre. Rose Bertins Bedeutung wird also nur verständlich, wenn man sich die Bedingungen, unter denen sie ar­

beitete, vergegenwärtigt, was bedeutet, daß man immer auch ihre Kundin Marie Antoinette in die Darstellung einbeziehen muß. Rose Bertin war natür­

lich nicht die einzige bedeutende Modistin ihrer Zeit. Aber durch ihre Arbeit

mit Marie Antoinette und durch ihr offen zur Schau getragenes Selbstbe­ wußtsein wurde sie berühmter als andere. Daß wir sie heute noch kennen, liegt außerdem daran, daß ihre Geschäftsbücher und Teile ihrer offiziellen Korrespondenz erhalten geblieben sind, die ein aufschlußreiches modehisto­

risches Zeugnis sind. Leider gibt es keinerlei persönliche Aufzeichnungen von ihr, so daß man über ihr ganz privates Leben und über ihre Ansichten

nichts weiß. Man kann höchstens aus den offiziellen Unterlagen und aus den

verstreuten Zeugnissen ihrer Zeitgenossen vorsichtige Rückschlüsse darauf ziehen.

17

Bevor Rose Bertins Leben und ihre Arbeit am französischen Hofe aus­ führlicher dargestellt wird, soll.ein Exkurs in die Geschichte der Mode und

der Modeproduktion bis ins 18. Jahrhundert den Hintergrund verdeutlichen,

vor dem sich ihr Schaffen erst entfalten konnte.

Über

die

Mode1

Die Encyclopédie, jenes erste umfassende Kompendium des zeitgenössischen Wissens, das Diderot und d’Alembert im 18. Jahrhundert herausgaben, gibt

Aufschluß über die Mode sowie über die verschiedenen Tätigkeiten im Be­ reich der Kleiderherstellung. Da heißt es zunächst, Mode sei ein Brauch, eine

Sitte, aber auch eine Art, sich zu kleiden und zurechtzumachen, „mit einem Wort: alles, was dem Schmuck und dem Luxus dient“. Deshalb könne man

die Mode sowohl philosophisch als auch politisch betrachten. Mit der politi­

schen Betrachtung ist nicht zuletzt eine ökonomische Perspektive gemeint.

Denn ein oft wiederholtes - bis heute gültiges - Argument war, die Mode sei

wichtig für das internationale Renommé Frankreichs und außerdem ein be­ deutender wirtschaftlicher Faktor. Im 18. Jahrhundert war in der Tat die Mode längst zu einer französischen

Angelegenheit geworden, und Paris galt in ganz Europa als Hauptstadt der

Mode. Das war nicht immer so gewesen. Im 16. Jahrhundert beispielsweise

war der Einfluß der spanischen Hofmode auf ganz Europa überwältigend. Überall trug man nun die typischen hochgeschlossenen, strengen Kleider mit

einer steifen Halskrause, die den Kopf wie losgetrennt vom Rumpf wirken

läßt. Die Oberkörper waren eng in konische Form geschnürt, die Busen der Frauen waren durch Metallplatten plattgedrückt. Die Ärmel setzten an der Schulter mit einer dicken Wulst an und liefen nach unten eng aus; die Röcke

waren steif und bodenlang, aber nicht sehr weit. Die Männer trugen ein eben­ so enges Oberteil, dazu ein kurzes Mäntelchen über den engen Beinkleidern

und natürlich einen Degen. In Spanien war die Kleidung schwarz, in Europa machte man sie farbiger. Elizabeth I. von England übernahm zwar die For­

men, die zur Repräsentation von Macht und Unerreichbarkeit so geeignet wa­ ren, ließ sich ihre Kleider aber - zum Beispiel - in Weiß mit viel goldenem

18

Zierrat und Schleifen besetzt arbeiten und nahm ihnen damit die spanische

Strenge. Elizabeth I. legte ungeheuren Wert auf ihre Kleidung - sie soll 6.000 Kleider und 80 Perücken hinterlassen haben1

aber sie machte keine

Mode im engeren Sinne. Sie wollte lediglich die einzige sein, die so reich ge­ kleidet war, und erließ daher Kleiderordnungen, die es ihren Untertaninnen untersagten, bestimmte Materialien und Formen zu verwenden. Zur Mode

gehört aber, daß sie sich verbreitet und von vielen nachgeahmt wird, wenn sie

erst einmal aufgekommen ist. Zwar will sich jede, die Mode trägt, von ande­ ren absetzen, aber das geschieht in der Regel im Rahmen einer anerkannten

und befolgten Mode, die zugleich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe demonstriert. Georg Simmel drückte das bereits 1911 so aus:

„(Die Mode] ist Nachahmung eines gegebenen Musters und genügt damit dem Bedürfnis nach sozialer Anlehnung, sie führt den Einzelnen auf die

Bahn, die Alle gehen, sie gibt ein Allgemeines, das das Verhalten jedes Ein­ zelnen zu einem bloßen Beispiel macht. Nicht weniger aber befriedigt sie das

Unterschiedsbedürfnis, die Tendenz auf Differenzierung, Abwechslung, Sich-abheben.“’ Wenn eine Mode erst einmal von vielen übernommen wor­

den ist, ändert sie sich Simmels Ansicht nach nur deshalb, weil sie den

Wunsch nach Abgrenzung nicht mehr erfüllt. Das ist zweifellos richtig, aber nur ein Teil der Wahrheit. Betrachtet man die Mode nicht ausschließlich aus der Sicht der Soziologie, so muß man hinzufugen, daß sie außerdem ein ästhetisches Phänomen mit eigenen Formgesetzen ist, dessen Wandel sich

auch aus dem menschlichen Bedürfnis nach dem ästhetisch Neuen, das die Augen und die Sinne reizt, erklären läßt.4

Ein wesentliches Charakteristikum der Mode im Vergleich zur bloßen Kleidung oder Tracht liegt darin, daß sie künstlerische und kommerzielle, ästhetische und funktionale Aspekte untrennbar verbindet. „Kleidung“ ist

einfach das, was man anzieht. Der Begriff betont die Funktion, den Schutz vor Umwelteinflüssen etwa. Die „Tracht“ demonstriert die Zugehörigkeit

ihrer Träger zu einer bestimmten sozialen Schicht: zu einem Stand, einem

Handwerk, einer Region. Sie ist beständig, ja vermeintlich zeitlos und nicht (oder nur sehr wenig und mit großer Verspätung) dem modischen Wandel

unterworfen. Die Mode hingegen verbindet, wie gesagt, den funktionalen mit

dem ästhetischen Aspekt, wobei häufig der ästhetische überwiegt. Denn dte

19

Mode entsteht in dem Moment, in dem die Lust an der Inszenierung und ständigen Veränderung der eigenen Person die Oberhand gewinnt über die

Demonstration von Gruppenzugehörigkeit. Die Mode setzt eine gewisse Sen­

sibilität fur den Eigenwert der ästhetisch anspruchsvollen Form sowie eine Vorstellung von Individualität voraus. Beides entstand erst im ausgehenden Mittelalter, und so kann man auch von Mode erst seit dem späten Mittelalter

sprechen. Mode setzt außerdem einen gewissen Reichtum voraus, denn es war schon immer teuer, sich etwas zu leisten, was nicht jeder hat - oder mit dem mitzuhalten, was die tonangebenden Schichten gerade modisch machen.

Mode ist also ein modernes Phänomen und damit auch ein Phänomen des europäischen Kapitalismus. Sie war jahrhundertelang eine Angelegenheit der höheren sozialen Schichten, der Aristokratie und in etwas geringerem Maße auch des aufsteigenden Bürgertums, das lange Zeit die Aristokratie zu imi­

tieren suchte. Erst nach der französischen Revolution verbürgerlichte die Mo­ de, denn die Aristokratie war nun nicht mehr tonangebend in Fragen des

Leberisstils. Zu Zeiten Rose Bertins jedoch befinden wir uns noch mitten im Ancien Régime, in der letzten Epoche des Feudalismus, in der Mode noch

' weitgehend vom Adel ausging, sich der Umbruch aber schon ankündigte.

Kurz vor der Revolution begannen die ersten Modezeitschriften, die neuesten

Moden einem breiteren Publikum näherzubringen, und so teuer diese Jour­ nale auch waren: mit ihrem Erscheinen ist der Demokratisierung der Mode endgültig Tür und Tor geöffnet. Mode hatte bis ins 17. Jahrhundert weniger mit dem Geschlecht als mit dem sozialen Stand zu tun. Bis zum 12. Jahrhundert trugen Frauen und Män­

ner sehr ähnliche Kleider: bodenlange Gewänder, die den Körper verhüllten

und nur unauffällig auf das Geschlecht verwiesen. Erst im 14. Jahrhundert wurde die Kleidung zur Mode, und erst jetzt differenzierte sie sich auch stär­ ker nach dem Geschlecht: Frauen trugen nun Kleider, deren Oberteil eng am Körper anlag, beziehungsweise die Büste modellierte, während die Röcke -

meist zwei übereinander - weiterhin bodenlang waren und oft sogar in einer Schleppe ausliefen. Dazu trugen sie auffallende Kopfbedeckungen: Hörnerhauben, Hennins oder den Balzo. Die Männer hingegen gaben die langen

Gewänder auf und begannen, ihre Beine zu zeigen. Diese steckten in engen

Strumpfhosen, und die Oberteile waren entweder kniebedeckend bei den

20

Moreau le Jeune: Elegante Herrschaften beim Spaziergang nach Marly, 1776.

gesetzteren Herren, oder so kurz, daß sie eben das Hinterteil bedeckten, bei

den modisch avancierten. Diese Zweiteilung der männlichen Silhouette setzte unter dem Einfluß der Ritterrüstungen ein und endete in dem Männeranzug, den wir heute noch kennen. Die Frauenkleidung war zwar auch zweigeteilt,

aber sie ignorierte bis ins 20. Jahrhundert die Beine und machte den Unterkörper zu einem Sockel, aus dem ein zierlicher Oberkörper hervor­

wächst. Auf diese Weise wird der weibliche Unterkörper, der als Sitz des Ge­ schlechts und daher als unreiner Ort galt, verborgen, aber als Fiktion neu konstruiert. Der Unterkörper wurde in einer Doppelbewegung geleugnet und gleichzeitig betont, denn natürlich fallen die immer üppiger werdenden

Röcke auf und regen die Phantasie über das, was so gut vor den Blicken ge­ schützt darunter stecken mag, an. Die Form der Männerkleidung dagegen gab Modehistorikerinnen Anlaß zu der Vermutung, daß die Männer schon

früher körperbewußt gewesen wären, denn der Männeranzug zeige den Körper? Das stimmt natürlich nur eingeschränkt, denn der Körper, der durch

Anzüge gezeigt wird, ist ebensowenig „real“ wie der der Frauen. Der Anzug

konstruiert ebenso wie die Frauenkleidung Aktive Geschlechtsmerkmale, die nicht zu verwechseln sind mit den realen, anatomischen Geschlechtsmerk­

malen: Die Brust wird ausgestopft, die Schultern verbreitert, um dem Mann die männliche Figur zu verleihen, die er gemäß den Schönheitsvorstellungen

seiner Zeit haben sollte. Im 16. Jahrhundert wurde die Schamkapsel modern, ein symbolischer Phallus, dessen phantasievolle Formen und aufwendige De­

korationen, zum Beispiel üppiger Schleifenbesatz, nie einen Penis abbilden, aber überdeutlich auf ihn als unübersehbares Symbol machtvoller Männlich­

keit verweisen. (In einer Modenschau Vivienne Westwoods von 1994 trat

Model Kate Moss mit einer Schamkapsel auf, womit dieses hochsexualisierte modische Element wiederaufgenommen und zugleich ad absurdum geführt wird, da es dem „falschen“ Geschlecht zugeordnet ist.) \ Mode verweist deutlich auf das Geschlecht der modischen Herren und

Damen, ja sie konstruiert die Geschlechter auf ihre Art, indem sie Geschlech-

terbilder schafft, die mit dem Geschlechterbildem zum Beispiel der Anato­ mie oder der Medizin, die gleichzeitig in einer Gesellschaft existieren, nichts zu tun hat. Modische Kleidung war beiden Geschlechtern ein Anliegen.

Frauen wie Männer liebten Prunk und Putz; beide trugen bunte Kleidung,

22

kostbare Stoffe, aufwendige Schnitte, üppige Verzierungen, und beider Mode

unterlag dem ständigen Wechsel. Aber bis ins 17. Jahrhundert hinein war vor allem die Männermode progressiv und innovativ, und sie veränderte sich am

meisten. Im späteren 17. Jahrhundert näherten sich die Moden der Geschlechter

einander stärker an. Die Stoffmengen, in die man sich hüllte, vergrößerten das Körpervolumen und machten den Körper zu einem repräsentativen

Kunstwerk. Spitzen und Bänder sind in solcher Fülle auf die Kleidung ge­ setzt, daß deren Oberfläche bewegt und abwechslungsreich wird. Die Män­ ner begannen Allongeperücken zu tragen, und ihre Beinkleider wurden im­

mer weiter, bis sie sich zu einem regelrechten Hosenrock entwickelt hatten, der denn auch „Petticoat Breeches“ oder „Rhingraves“ genannt wurde. Gegen

Ende des Jahrhunderts erfand der englische König, dem der Kleiderprunk

zuviel geworden war, eine neue Männermode: Herren trugen nun eine enge Kniehose, eine Weste und darüber einen „Justaucorps", das heißt einen körpemah geschnittenen, knielangen Rock im sogenannten persischen Stil. Manche Historiker meinen, es sei in Wirklichkeit der französische König

Ludwig XIV. gewesen, der diese Mode in Anlehnung an die Kleidung der Sol­

daten eingefuhrt habe. Wie dem auch sei, mit dieser Veränderung waren

Grundzüge des Männeranzugs festgelegt, der sich, wenn auch mit erhebli­

chen Veränderungen, bis heute halten sollte: Hose, Jackett und (heute fakul­ tativ) Weste machen seine wesentlichen Bestandteile aus. Am Hof wurde die Schlichtheit zumindest des Materials und des Schmucks bald wieder aufgege­

ben; die Anzüge wurden aus wertvollen Stoffen gefertigt und reich bestickt, so daß sie für unsere Augen von ungewohntem Prunk sind. Die Damenmode blieb bei der bewährten Grundform, die sie in Variationen seit Jahrhunderten gehabt hatte: enges Oberteil, meist mit

Korsett, weiter Rock. Diese Grundform barg das Potential für viele Veränderungen, die die Kleider von 1680 ganz anders aussehen lassen als die von 1780. Die Röcke konnten weiter oder enger, glocken- oder kegelförmig

sein, einen ovalen Durchmesser oder einen kreisrunden haben. Oberteile konnten kurz oder lang, mit abgeflachtem oder hochgedrücktem Busen sein,

und so weiter. Den radikalsten Veränderungen aber waren Drapierungen und Aufputz jeder Art, waren die Frisuren und Hüte unterworfen. In ihnen

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tobte sich die Damenmode im späten 18. Jahrhundert aus, was die Bedeutung der marchandes de modes verständlich macht.

Im 17. Jahrhundert begann die französische Dominanz in der Mode.

Frankreich war wirtschaftlich und politisch eine nicht zu unterschätzende

Großmacht geworden, und die texilverarbeitenden Manufakturen sowie die Mode waren eine wichtige Einkommensquelle im Inland wie im Außenhan­ del. Auch kulturell war Frankreich in Europa tonangebend, und die Mode, die

ihren Ausgang vom Hof des Sonnenkönigs nahm, gehörte den damaligen

Vorstellungen nach ganz selbstverständlich dazu. Die kulturelle und politi­ sche Bedeutung Frankreichs in Europa erfuhr im 18. Jahrhundert eine weite­ re Steigerung. Die Mode des späten 18. Jahrhunderts verkörpert die letzte

Blütezeit des Feudalismus, in der Rose Bertin ihre Karriere machte. Erst die Französische Revolution schaffte den Prunk in der Männermode endgültig

ab und setzte Mode gleich mit Damenmode, auf die der gesamte modische Reichtum sich nun konzentrierte.

Von Näherinnen und Schneidern Wer aber machte die Mode? In den einfachen Schichten waren die Frauen für die Herstellung und Instandhaltung der Kleidung für die ganze Familie zu­ ständig. Alle Frauen lernten handarbeiten, und die feineren Damen, die es

nicht nötig hatten, ihre Kleider selbst zu nähen, stellten feinste Wäsche her oder stickten. Das heißt, alle Frauen arbeiteten - sei es aus Notwendigkeit, sei

es aus Zeitvertreib - mit Textilien. Insofern war der Umgang mit Kleidung immer schon Frauensache, und die Herstellung von Kleidung galt nicht als große Kirnst.

Je komplizierter die Mode wurde, desto nötiger war es aber, auf Fachleute

zurückgreifen zu können, die die komplexen Schnittechniken für die Herren­ mode oder das überaus schwierige Herstellen von Korsetts beherrschten. Seit dem 12. Jahrhundert gibt es daher Schneider, die spezialisiert waren auf das

Herstellen der Kleidung insbesondere für die Männer. Der französische Be-

griff „tailleur“ verdeutlicht ebenso wie das deutsche „Schneider“, worauf es dabei ankam: auf das Zerschneiden des kostbaren Stoffes, also auf die Kon-

24

Der Schneider, Kupferstich von A. Gabler, 1788.

struktion des Kleidungsstücks. Schneider hatten eine eigene Zunft (in Frank­

reich seit Mitte des 17. Jahrhunderts zusammen mit den Wamsschneidern),

und ihre Aufgabe war es, neue Kleidung herzustellen und zu verkaufen (des­ wegen waren Altkleiderhändler nicht zu ihrer Zunft zugelassen). Die

Encyclopédie schreibt, der tailleur d'habit, also der Schneider, sei jemand, der Kleidung zuschneide, nähe und in jeder Hinsicht fertigstelle. Dabei ist die

Rede vom habit complet, dem vollständigen Anzug, bestehend aus Justau­ corps, Kniehose und Weste, denn wer den herstellen könne, könne auch alle

anderen Kleidungsstücke machen. Danach wird ausführlich beschrieben, mit welchem Handwerkszeug ein Schneider arbeitet und welche Arbeitsschritte er im einzelnen vollzieht: Maßnehmen, den Schnitt erstellen oder für den Träger modifizieren, Zuschneiden, Nähen und so weiter. Auffallend ist, daß

25

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Antoine Raspal (1738-1811): Die Nähstube.

nur von männlichen Schneidern und von männlichen Kleidungsstücken die

Rede ist. Schneider waren Männer, die andere Männer - und nebenbei auch manche Dame - einkleideten. Viele Frauen aber ließen bei einer couturière, bei einer Näherin also, arbeiten, beziehungsweise die Näherin leistete

Zuarbeiten für den Schneider. Sie gibt es in der Encyclopédie nur im weibli­

chen Geschlecht, und über ihre Arbeit heißt es vergleichsweise kurz, sie stel­ le verschiedene Kleidung her, und ihre Zünfte existierten seit 1675 (die

Schneiderzünfte gab es seit dem Mittelalter). Korsettschneider waren übri-

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gens eine eigene und sehr wichtige Zunft, die nur Männern offenstand. Das

Korsett mußte gut konstruiert sein, es schuf im wesentlichen die Figur der

Trägerin oder des Trägers, und deshalb galt diese Arbeit als ähnlich

anspruchsvoll wie die der Schneider. Rose Bertin aber war, wie gesagt, weder Näherin noch Schneider, sondern

marchande de modes, Putzmacherin oder Modistin also. Dieser Beruf ging her­

vor aus der Zunft der merciers, der Kurzwarenhändler, hatte sich aber von

ihnen getrennt und ein eigenes Berufsbild entwickelt. Über sie, die weibli­

chen oder männlichen Geschlechts sein konnten, heißt es in der Encyclopédie, sie verkauften „alles das, was den Putz und den Schmuck von Männem und ,

Frauen betrifft, und das, was Ornamente und Verzierungen genannt wird. Oft sind sie es, die diese auf der Kleidung anbringen, und die die Art und

Weise erfinden, wie man sie am besten anbringt. Sie machen auch Kopfbe­ deckungen“ (also Frisuren und Hüte). Das heißt, die marchandes de modes ver­ zierten die Kleider, die eine Näherin oder ein Schneider genäht hatte, denn sie selbst durften nur einige wenige Kleidungsstücke herstellen: Umhänge,

Mäntel und Tücher (interessanterweise diejenigen Kleidungsstücke, die hun­

dert Jahre später zuerst in der Konfektion hergestellt wurden, da sie dem Kör­ per der Kundin nicht genau angepaßt werden mußten). Interessant ist, daß

in der französischen Bezeichnung Von Anfang an - anders als beim Schnei­ der und bei der Näherin - der Aspekt des Kaufens und Verkaufens enthalten

ist. Damit wird darauf verwiesen, daß Mode immer etwas mit Kommerz zü tun hat, so sehr sie sich auch der Kirnst annähem mag.

Die Tätigkeit der Modistinnen wird in der Encyclopédie vergleichsweise

ausführlich beschrieben, weit ausführlicher als die der Näherinnen, was deut­ lich zeigt, wessen Arbeit als wichtiger galt. Tatsächlich waren es die mar­

chandes de modes, die Moden machten, nicht die Näherinnen und auch nicht die Schneider. Auch der Bestandteil „modes“ in ihrer (französischen) Berufs­

bezeichnung fallt auf, denn er fehlt bei den Schneidern und Näherinnen: modes wird demnach gleichgesetzt mit dem, was uns heute nebensächlich oder als bloßes Accessoire erscheint, nämlich Hüte und Aufputz. Führt man sich die Moden des 18. Jahrhunderts vor Augen, so wird klar, wieso. Die Klei­ der waren kompliziert und schwer herzustellen und variierten daher ihre

Grundform nicht sehr häufig. Was also den modischen Unterschied aus-

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machte, was ständig wechseln konnte und eine Frau immer wieder völlig ver­ ändert und neu aussehen ließ, das war der Aufputz, und das waren die

Kopfbedeckungen, deren Herstellung zu den wichtigsten Aufgaben der Mo­ distinnen gehörte. Die Kleider waren mit Unmengen von Bändern und

Schleifen, Spitzen und Rüschen, Drapierungen und später auch künstlichen Blumen verziert, so sehr, daß man oft das Kleid kaum noch sah. Man kom­ binierte die verschiedensten Stoffe und Dekorationen miteinander, so daß

das Gesamtbild bunt und auffällig war. Das gilt natürlich insbesondere für

die höfische Kleidung, die Bürgerinnen (und Bürger) trugen sich in der Regel

schlichter.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts änderten sich die Kopfbedeckungen wie der Aufputz der Kleider grundlegend. Waren sie zu Beginn noch klein und

dezent, bestehend aus einem Hütchen oder einer Haube mit glatten Bän­

dern, die auf dem Hinterkopf und mit dem eigenen, gepuderten Haar getra­ gen wurde, so entwickelten sie in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, also in der Zeit Rose Bertins, ungeahnte Ausmaße. Die Damen trugen aufgeplu­

sterte Perücken, und in diese Perücken waren wahre Kunstwerke gearbeitet.

Außerdem trugen sie Hüte auf der Perücke. Eigenes Haar wurde zunehmend unmodern, zumindest wurde es mit Haarteilen aufgebessert, weil für die gi­

gantischen Frisuren à la mode die eigenen Haare selten reichten. Die Kopfbe­

deckungen waren also immens wichtig für die Silhouette der Frauen, denn sie waren oft größer als der Oberkörper und gaben ein gutes Gegengewicht

zu den ausladendën Röcken. Sie waren ausgesprochen künstlich, ja künstle­ risch gestaltet. Sie dominierten die Figur und das Gesicht der Trägerin, und sie zogen die Aufmerksamkeit der Betrachterinnen in besonderem Maße auf

sich. Eine entsprechende Bedeutung besaßen diejenigen, die sie herstellten.

Die eigentlich modische Phantasie konnten also nur die Putzmacher und Putzmacherinnen entfalten. Das heißt nicht, daß sie alle erfolgreich und

reich gewesen wären. Die ärmeren unter ihnen hausierten mit ihren beschei­ denen Bändern und Spitzen in der Stadt oder in der Provinz. Die erfolgrei­ cheren belieferten die wohlhabenden Herrschaften sowohl in deren Palästen

als auch in ihren eigenen eleganten Läden in der Rue Saint-Honoré, die heute

noch eine elegante Modestraße in Paris ist. Nur sie hatten die Möglichkeiten, Überraschungseffekte zu erzielen, völlig neue ästhetische Reize zu erfinden

28

François Bouclier: la marchande de modes, 1746.

und die Menschen immer wieder so zu verändern, wie es deren modischer Lust entsprach. Und natürlich stachelten sie diese Lust überhaupt erst an. Folglich waren sie es, die den größten Einfluß auf die Mode und auf die

modischen Herrschaften hatten. Sie waren berühmt, auch über die Grenzen der Hauptstadt oder gar des Landes hinaus. Das ist der Fall der Rose Bertin.

Rose Bertin Rose Bertin wurde als Marie-Jeanne Bertin am 2. Juli 1747 als viertes Kind

einer Handwerkerfamilie in Abbeville in der Picardie geboren.6 Den Namen Rose nahm sie später als Künstlernamen an. Nach dem Tod des Vaters 1754

lebte sie mit ihrer Mutter und ihrer Schwester bei einem verheirateten Bru­ der, der Schreiner war. Mit ihren Nichten und Neffen hatte sie zeitlebens ein gutes Verhältnis, sie gab ihrer Nichte eine reiche Mitgift und nahm ihre Nef­

fen in ihr Geschäft auf. Sehr früh schon wurde die kleine Marie-Jeanne in die Lehre bei einer mar­ chande de modes gegeben, wo sie durch ihre Begabung für das Handwerk

überraschte. Mit ungefähr 16 Jahren verließ sie die Provinz und zog nach Paris, wo sie erst in einem Laden mit dem Namen „Trait galant" arbeitete, bis sie sich bald selbständig machte und 1770 ihr eigenes Geschäft eröffnete,

wahrscheinlich am Quai des Gesvres, wo in den Jahren davor das Zentrum der modischen Welt gewesen war. Bald danach zog sie um in die Rue Saint-

Honoré, deren Ruhm in diesen Jahren begründet wurde. Ihr Geschäft nann­ te sie „Au Grand Mogol“ („Zum großen Mogul"). Der Name hatte weiter

nichts zu bedeuten, sondern sollte nur die Aufmerksamkeit erregen und der

damaligen Exotismus-Mode entgegenkommen. Über Bertins Anfänge in Paris gibt es Legenden, die auf ihre vorgeblichen Memoiren zurückgehen, tatsächlich aber von einem Herrn Peuchet postum

veröffentlicht wurden. So soll sie einmal, als sie für ihre damalige Chefin Kleider auslieferte, mit der Princesse de Conti, einer der einflußreichsten Frauen des Landes, ins Plaudern gekommen sein,, weil die alte Dame sich nicht zu erkennen gab. Die Prinzessin war entzückt und protegierte fortan

die junge Modistin. Man weiß nicht, ob daran etwas Wahres ist. Sicher ist,

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daß Rose Bertin rasch mit den sogenannten besseren Kreisen in Berührung kam, Erfolg hatte und weiter empfohlen wurde. Schon bald ließen alle

Damen der Aristokratie, die auf Schick Wert legten, bei ihr arbeiten, darun­ ter die Herzogin von Chartres und Madame de Lamballe. Diese beiden sorg­

ten dafür, daß sie bei Marie Antoinette eingeführt wurde. Damit war die glanzvolle Karriere der jungen Putzmacherin besiegelt. Wir sehen hier ein

frühes Beispiel für eine Art von „Frauennetzwerk", und man kann sich leicht vorstellen, daß es manchen Beobachtern suspekt gewesen sein muß, wenn

die Königin sich zu sehr mit ihren jüngeren Hofdamen und mit einer klei­

nen Modistin abgab, mit der sie sich stundenlang zur Arbeit zurückzog.

Marie Antoinette, die Tochter der österreichischen Kaiserin Maria

Theresias, war 1770 als Frau des Thronfolgers nach Frankreich gekommen.7 Sie war damals 15 Jahre alt und trotz ihrer königlichen Erziehung in Wien dem zeremoniösen, steifen Prunk von Versailles, wo der Hof residierte, nicht

gewachsen. Sie hat ihre Mutter nie wieder gesehen, aber ausgiebig mit ihr korrespondiert. Nur ihr Bruder, der spätere Kaiser Joseph II., besuchte sie in Frankreich. Marie Antoinettes um weniges älterer Ehemann, der spätere Ludwig XVI., interessierte sich anfänglich wenig für seine junge Frau; er war

schüchtern, liebte nur die Jagd und vollzog allem Anschein nach die Ehe erst nach etlichen Jahren - sehr zum Kummer von Maria Theresia und ganz Frankreichs, denn an einen Thronfolger war unter diesen Umständen natür­

lich nicht zu denken. Erst 1781, nachdem 1778 „nur“ eine Tochter zur Welt gekommen war, erfüllte Marie Antoinette ihre vordringliche Aufgabe als Kö­

nigin und schenkte einem Sohn das Leben. V Marie Antoinettes Leben bestand vor allem aus Repräsentation. Dafür war

sie erzogen worden. Repräsentation ist natürlich nicht gleichzusetzen mit Müßiggang und vordergründigem Schein. Für die Aristokratie des 17. und 18. Jahrhunderts bedeutete sie vielmehr eine Lebensform, die darauf abzielte, für

die Öffentlichkeit und letztlich auch für sich selbst eine bestimmte Funktion

zu verkörpern. Marie Antoinette hatte sich demnach ständig als Königin

Frankreichs zu inszenieren, und diese Inszenierung war keineswegs nur für die Öffentlichkeit gedacht, sondern die Königin selbst glaubte an sie. Insze­

nierung und Person sind nicht zu trennen; es gibt keine private Person hin­ ter der Königin. Zu den Inszenierungsformen gehörte zum Beispiel das

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grand couvert: Das Königspaar speist, und alle Höflinge sowie das Volk, das zugelassen wird, schauen zu. Aus der Zeit Ludwigs XIV. sind die levers be­ kannt, und auch sie gab es im 18. Jahrhundert noch: Der Kernig steht im Bei­

sein eines ausgewählten Publikums morgens auf und wird angekleidet. Der

Historiker Peter Burke schreibt, wiederum über die Zeit des Sonnenkönigs, daß Pracht eine politische Funktion hatte: „Sie verlieh dem König éclat. ‘Eclat’

war ein weiteres Schlüsselwort der damaligen Zeit, dessen Bedeutung von ‘Blitz’ bis zu ‘Donnerschlag’ reichte, aber immer handelte es sich um etwas

Unerwartetes und Beeindruckendes. Pracht galt als beeindruckend, buch­ stäblich prägte sie sich dem Publikum ein wie ein Siegel dem Wachs.“8 Und

er zitiert den zeitgenössischen Schriftsteller Montesquieu, der konstatierte, der Prunk und der Glanz, der Könige umgebe, sei Teil ihrer Macht.

Vor diesem Hintergrund wird die Rolle der Kleidung für die-Aristokratie

auch noch im späten 18. Jahrhundert verständlich. Sie ist Teil jener Prunk­ entfaltung, die untrennbar zur Rolle gehört. Die Mode wird dafür in Dienst

genommen, auch wenn es am Hofe zu offiziellen Anlässen einige Kleidervor­ schriften gab, die anderswo nicht galten (zum Beispiel mußten Damen bei

Hof zu offiziellen Anlässen viel länger Reifröcke tragen, als sie anderswo mo­ dern waren). Die Mode ermöglichte eine ganz besondere, immer wieder neue

und überraschende Form der Prunkentfaltung. Sie hat in jener Zeit also eine

deutlich politsche Funktion und ist keineswegs als nur frivole Oberflächlich­

keit mißzuverstehen. Aber dennoch öffnet sie sich schon auf eine andere Form des Verhaltens hin, die das Politische völlig vergißt und in der sie als

individuelle Lust an der eigenen privaten Person sogar zum scheinbaren Ge­ genteil des Politischen wird. In diesem Punkt steht Marie Antoinette auf der Grenze zur Moderne,

denn sie hatte offenbar durchaus ein Gefühl für die eigene, private Persön­

lichkeit, die sich denn auch zuweilen mit der repräsentativen Lebensform nicht vertrug. So geht aus dem geheimen Briefwechsel mit ihrer Mutter her­

vor, daß sie sich immer wieder bestimmten Verhaltensweisen, die ihr ihre Rolle eigentlich aufnötigte, entzog, daß sie etwa bestimmten Leuten gegenü­ ber nicht höflich genug war, anderen gegenüber hingegen viel zu freundlich,

Marie Antoinette im Hofkleid, gemalt von Elisabeth Vigée Le Brun.

33

kurz: daß sie es nicht verstand, sich dauerhaft wichtige und einflußreiche

Freunde zu schaffen, hingegen offenbar sehr gut, sich unbeliebt zu machen; durch eine gewisse Launenhaftigkeit beispielsweise, die zu ihrer Rolle als Kö­ nigin absolut nicht paßte; durch ein Verhalten, das persönliche Vorlieben

und Abneigungen zu deutlich zeigte und zu sehr auf die Befriedigung egoi­ stischer privater Wünsche strebte. Marie Antoinette steht also im Zwiespalt

zwischen zwei Lebensformen, einer öffentlich-repräsentativen und einer pri­ vaten. Gerade darin ist sie dann wieder repräsentativ für ihre Zeit, in der

diese beiden Paradigmen aufeinanderstießen und das eine das andere

schließlich ablöste.

Marie Antoinettes letztlich inhaltsleeres Leben am Hofe ließen ihr als Dauphine (also Gattin des Thronfolgers) und teilweise auch noch, als sie

schon Königin war, genügend Zeit, sich um ihre Toilette zu kümmern. Diese wurde zu ihrem wichtigsten Lebensinhalt. Sie bot ihr einerseits die Möglich­ keit, die Pflichten der Repräsentation zu erfüllen, ja überzuerfüllen, und zugleich stellte sie eine Art Ausweg aus den Zwängen der repräsentativen

Lebensform dar. Die Mode wurde für sie das, was sie im darauffolgenden Jahrhundert für die Damen aus dem Bürgertum wurde: Zeichen des

Müßiggangs und des narzißtischen Vergnügens an der eigenen Person.

Wichtig wurde der jungen Marie Antoinette die Mode interessanterweise erst, nachdem sie sich in einem Brief vom i. November 1770 von ihrer Mutter hatte tadeln lassen müssen, weil sie sich vernachlässige. Maria Theresia

fürchtete, „daß Sie, wie man im Deutschen sagt, auseinandergehen und

schon die Taille wie eine Frau haben, ohne es zu sein. Ich bitte Sie, sich nicht gehen zu lassen und sich nicht zu vernachlässigen. Das gehört sich nicht für

Ihr Alter, und noch weniger für Ihre Stellung. Das hat Unsauberkeit, Nach­

lässigkeit und Gleichgültigkeit sogar bei allen übrigen Handlungen zur Fol­ ge, und das würde Ihnen Unglück bringen.“9 Interessant ist, daß hier Sich-

gehen-Lassen mit Unsauberkeit in jeder Hinsicht in Verbindung gebracht wird. Man wusch sich zwar damals nicht, sondern rieb sich nur trocken ab,

weil man der Ansicht war, Wasser sei schädlich, da es in den menschlichen

Körper eindringe. Was uns heute unsauber scheint, war es damals aber ganz und gar nicht, man war im Gegenteil sogar stolz auf die hygienischen Fort­

schritte der modernen Zivilisation, die Bäder überflüssig gemacht hätten.

34

Ganz besonders achtete man auf saubere Wäsche, denn die weiße Wäsche, die man an den Ärmeln, am Kragen, am Ausschnitt sah, zeugte für die Sau­

berkeit des gesamten, nicht sichtbaren Körpers. Man glaubte, daß die Aus­ dünstungen des Körpers yon der oft gewechselten weißen Wäsche aufgesaugt würden. Diese - nur vermutete, aber nie bewiesene - körperliche Sauberkeit

wiederum war Indiz für einen anständigen Charakter.'0 Maria Theresia fährt in ihrem Brief fort: „In diesem Punkt allein folgen Sie weder dem Beispiel noch den Ratschlägen der Familie. Ihnen steht es zu,

in Versailles den Ton anzugeben.“ Und wenig später wiederholt sie den ein­ gangs vorgebrachten Vorwurf in einem anderen Kontext. Eine Dame, die von

Versailles nach Wien zurückgekehrt sei, habe ihr gestanden, „daß Sie sich

sehr vernachlässigen, und das sogar bis auf die Reinheit der Zähne. Das ist ein ebenso bedeutsamer Punkt wie der der Taille, die sie auch ärger gefunden

hat. Sie sind jetzt in einem Alter, in dem Sie sich formen; das ist der kri­ tischste Moment. Sie hat auch hinzugefügt daß Sie schlecht angezogen sind

und sie gewagt hat, es Ihren Damen zu sagen. Sie sagen mir, daß Sie manch­ mal Kleider aus Ihrer Aussteuer tragen: welche haben Sie denn bewahrt? Ich habe daran gedacht, Ihnen hier Fischbeinmieder oder Korsette machen zu

lassen, wenn Sie mir ein gutes Maß einschicken wollten. Man sagt, daß sie in Paris zu stark sind.“

Dieser Tadel muß eine durchschlagende Wirkung gehabt haben, denn es

dauerte nicht lange, und Marie Antoinette gab tatsächlich in Versailles den Ton an - zumindest in modischen Dingen. Madame de Lamballe und die

Herzogin von Chartres sowie die anmutige und begabte junge Modistin Rose Bertin haben sicher dazu beigetragen. Wer weiß, ob nicht die freundschaftli­

che Beziehung zu den jungen Frauen Marie Antoinette, der man später eine Neigung zu Frauen nachsagte, den Wunsch zu gefallen in ihr hervorgerufen

haben. Denn ihr Mann, so wird berichtet, hatte wenig Sinn für modische Exzesse, ja tadelte seine Frau in späteren Jahren oft deswegen. Ein weiterer

wichtiger Grund war zweifellos das Leben bei Hofe, das die junge, ungebil­

dete Frau, die nie gelernt hatte, sich mit etwas Sinnvollem zu beschäftigen,

tödlich gelangweilt haben muß. Sie interessierte sich nicht für Politik, aber auch nicht für Kunst oder Literatur, Religion oder Architektur. Aber für die

Mode entdeckte sie eine plötzliche Begabung. Diese lebte sie so sehr aus, daß

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sie sehr bald schon und für den Rest ihres Lebens der Verschwendungssucht

bezichtigt wurde. Und ihrer Mutter konnte sie es sowieso nicht recht

machen. Als sie dieser ein Porträt schickte, auf dem sie modisch gekleidet ist

und eine damals hochmodische Turmfrisur trug, war die Antwort nicht etwa Genugtuung über die erfreuliche Verwandlung der Tochter, sondern erneu­ ter Tadel: So kleide sich keine Königin, sondern eine Schauspielerin.

In Versailles und Paris aber löste Marie Antoinette spätestens seit der Thronbesteigung 1774 eine wahre Modewut aus. Mit Hilfe ihrer Putzmache­

rin Bertin - die seit 1772 foumisseur de titre der Königin war und seit 1774 zweimal wöchentlich mit ihren neuesten Kreationen an den Hof kam - zeig­

te sie sich ständig in immer neuen Kopfbedeckungen und Moden, und die

Damen am Hofe ahmten sie sogleich nach. Schon bald wurden Klagen laut, die Königin übe einen schlechten Einfluß auf die anderen Damen aus und veranlasse mit dem Zwang zur ständig neuen Mode den Ruin mancher Fa­ milie. Das beirrte die Königin, die endlich ein ihr gemäßes Betätigungsfeld

gefunden hatte, kein bißchen. Und Rose Bertin machte Karriere. Sie war

zwar nicht die einzige Lieferantin der Königin, aber viele Jahre lang, wenig­ stens bis zur Geburt von deren erstem Kind im Jahr 1778, die wichtigste und

vertrauteste, die Zugang zu den Räumen der Königin hatte und oft stunden­ lang mit ihr über die neuesten Kreationen konferierte. Anderen Kundinnen erklärte sie dann beispielsweise hochmütig, sie habe mit der Königin bespro­

chen, daß eine bestimmte Mode erst in einer Woche publik gemacht werden solle. Der vertraute Umgang der Königin mit der ihr standesmäßig weit un­ terlegenen Modistin war nicht selbstverständlich und wurde entsprechend

angefeindet; er läßt sich aber erklären mit der spezifischen Intimität einer solchen Beziehung, in der eine Frau eine andere verschönert. Welche Erleich­

terung muß es für die lebenslustige junge Frau gewesen sein, jemanden zu haben, mit der sie anders als nur zeremoniell oder gelangweilt umgehen konnte und die sich - scheinbar - wirklich um sie kümmerte. Ein ähnlicher Fall ist der der Hofmalerin Elisabeth Vigee Le Brun, die von der Königin pro­

tegiert und so bevorzugt wurde, daß es den Ärger mancher Höflinge und Hofdamen auslöste.

Marie Antoinette hatte ein jährliches Budget von 120.000 Livres für ihre persönlichen Ausgaben. Sie überschritt es immer, oft um das Doppelte. Ein

36

Marie Antoinette „en gaulle“, von Elisabeth Vigee Le Brun, 1783.

großer Teil ihrer Ausgaben wurde für ihre Toilette aufgewandt. Zwischen 1785 und 1792, kurz vor ihrer Hinrichtung, gab sie allein bei Rose Bertin

365.319 Livres aus," wieviel es in den Jahren davor war, wissen wir nicht. Es

kann schwerlich weniger gewesen sein, denn die 1770er Jahre waren die mo­ disch aufregendere Zeit. Um 1780 wurde der Geschmack ein wenig einfa­ cher, was nicht bedeutet, daß er billiger wurde. Die weißen Kleider, die die

Königin eine Zeitlang favorisierte, und die Kostüme für ihre ländlichen Schäferspiele waren ebenso aufwendig und teuer wie die vorhergehenden

Moden, nur eben anders und mit dem Anschein der Einfachheit versehen. Als sie sich von Elisabeth Vigee Le Brun in einem solchen weißen Kleid malen

ließ, löste das einen Skandal aus: Die Königin sei im Hemd dargestellt. Dar-

raus zog man sofort Rückschlüsse auf ihren angeblich lockeren Lebens­ wandel. Das war ungefähr zu der Zeit, als ohnehin eine Diffamierungs ­ kampagne gegen Marie Antoinette einsetzte, die inzwischen so verhaßt war,

daß man ihr Ausschweifungen jeder Art vorwarf, und zwar in Flugschriften

wie in obszönen Zeichnungen.

37

Um die Ausmaße des Luxus zu ermessen, der am Hofe herrschte, muß

man sich klarmachen, was damals ein französisches Pfund (Livre) wert war und wer überhaupt oberhalb der Armutsgrenze lebte. In Paris gab es zur Zeit der Thronbesteigung Ludwigs XVL, also 1774, etwa 10.000 Kleriker, 5.000

Adlige, 40.000 Handwerker, Kaufleute, Ärzte, Juristen und andere Bürger­ liche, denen es vergleichsweise gut ging, und schließlich 600.000 Men­

schen, die am Rande der Armut lebten.” Das ist eine unglaublich große Zahl im Vergleich zu den Privilegierten. Von diesen gab es zwar erheblich mehr als früher, und sie lebten in süßem Nichtstun, aber „dieses süße Leben erfor­

derte immer mehr Handwerker, Dienstpersonal, Angestellte und Bauarbei­

ter; es erforderte nicht, daß sie gut bezahlt wurden, und sie wurden nicht gut bezahlt.“ Der Wohlstand ging an den Massen vorbei. Ein ungelernter Arbei­ ter verdiente täglich etwa 30 Sous, gelernte Arbeiter 50 Sous und mehr. „Die

Hälfte dieses Einkommens wurde für Brot ausgegeben, das Grundnahrungs­ mittel, das acht oder neun Sous pro Viertelpfundlaib kostete; eine Arbeiter­

familie verzehrte zwei bis drei Laibe pro Tag. Ein weiteres Fünftel des Lohns

wurde für Gemüse, ein paar Stücke Fleisch und Fett sowie für Wein aufge­ wandt. Nachdem der größte Teil des Geldes für die Ernährung ausgegeben

war, wurde der Rest bis auf den letzten Centime auf Kleidung, Brennma­

terial, Kerzen und andere Notwendigkeiten verteilt.“ *’ Ein Sou hatte fünf Cen­ times, 20 Sous machten ein Livre, 24 Livres ergaben einen Louis d’or.

Man erkennt leicht, in welchem Ansehen eine Modistin wie Rose Bertin stand, die Tausende von Livres verdiente, sich mehrere Häuser kaufte (das

erste, in Epinay-sur-Seine, kostete 13.000 Livres) und nie in wirklicher mate­ rieller Not war, auch wenn unzählige ihrer Rechnungen nicht bezahlt wurden und sie oft am Rande des Bankrotts zu stehen schien. Sie galt offensichtlich nicht als Handwerkerin, sondern als eine Art Künstlerin, die zu Recht exor­

bitante Preise für ihre Kreationen verlangte. Die Preise für eine von Made­ moiselle Bertin dekorierte Toilette konnte ohne weiteres 900 Livres betragen, ja manche außergewöhnlichen Roben für besondere Anlässe (wie den ersten

Empfang bei Hofe) konnten mehrere tausend Livres kosten. Die Preise für Hüte, die Madame Du Barry um 1780 bei ihr kaufte, schwankten zwischen 25

und 120 Livres.*4 Insgesamt gab Madame Du Barry, die Mätresse Ludwigs

XV., die nach dessen Tod 1774 vom Hof verbannt war, bei Rose Bertin zwi-

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sehen 1778 und 1792 über 70.000 Livres aus, von denen sie jedoch über die Hälfte nicht bezahlte. Dann starb sie unter der Guillotine, wie so viele von

Mademoiselle Bertins Kundinnen.

Aber das ist ein Vorgriff; es bleibt noch einiges über die Glanzzeit von Rose Bertin in den 1770er und 1780er Jahren zu berichten. Rose Bertin Wur­

de berühmt, reich und, so sagte man ihr nach, arrogant, was ihr nicht alle Zeitgenossinnen so leicht vergaben wie die Königin. Die Baronin Oberkirch

schreibt über sie: „Die Sprache dieses Fräuleins war ausgesprochen unter­

haltsam; es war eine Mischung aus Hochmut und Unterwürfigkeit, die an

Frechheit grenzte, wenn man sie nicht zügelte, und die unverschämt wurde, wenn man sie nicht auf ihrem Platz festnagelte.

Gleichzeitig soll sie groß­

zügig und liebenswert gewesen sein. So lieh sie Freunden und berühmten Kunden oft Geld, das sie nie wieder sah, denn trotz allen Hochmuts konnte

es eine Modistin sich nicht erlauben, auf der Rückzahlung von Schulden bei

Aristokraten zu insistieren. Diese wurden durch ihre Stellung vor zu großer (Auf-) Dringlichkeit geschützt.

Die Modistin hielt sich für eine Künstlerin, die eine Gunst zu vergeben hatte, nicht für eine Handwerkerin, die auf Aufträge angewiesen war. Folgen­

der Vorfall verdeutlicht das. Auf den Vorwurf, daß ihre Preise doch arg hoch seien, soll sie erwidert haben: „Bezahlt man etwa Vemet (einem damals be­

rühmten Landschaftsmaler] auch nur seine Leinwand und seine Farben?“16 Ihr Erfolg (Ende der 70er Jahre soll sie 30 Arbeiterinnen beschäftigt haben) zeigt, daß es damals keineswegs als ungewöhnlich galt, daß eine Modistin

sich als Künstlerin betrachtete. Das Publikum sah sie letztlich so, denn die

Mode war kein nur unnützer Tand, sondern gehörte wesensmäßig zu einer Gesellschaft, die sich durch Repräsentation definierte. Allerdings muß man

hinzufugen, daß die Künstler am Hofe damals keineswegs den gesellschaft­ lichen Status hatten, wie wir das unter dem Einfluß des Künstlerkults des

19. Jahrhunderts zu glauben geneigt sind. Sie genossen Ansehen, zweifellos,

und sie konnten trotz ihrer oft niedrigen Herkunft in den höchsten Kreisen verkehren. Jedoch konnten sie diesen nie gleichwerden, denn letzten Endes

blieben sie in den Augen der Aristokraten eine Art höhergestellte Diener, die

man protegierte, aber die von einem abhängig waren. Das Mäzenatentum spielte keine so große Rolle mehr wie in der Renaissance, aber einen freien

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Kunstmarkt gab es erst in Ansätzen. Die Künstler des 18. Jahrhunderts neh­

men eine Zwischenposition zwischen der vormodemen und der modernen Künstlerexistenz ein. Abhängig von den Großen der Welt, haben sie doch

schon ein Selbstbewußtsein und einen Stolz, der sie von anderen „Dienst­ leistungsberufen" (um in anachronistischer Weise einen Ausdruck des spä­ ten 20. Jahrhunderts zu verwenden) unterscheidet.

Eine von Rose Bertins großen Begabungen lag in ihrem Gespür für Aktua­ litäten, die sie sofort in Moden umsetzte. In den Siebziger Jahren des 18.

Jahrhunderts wurden die Hüte der Damen immer ausladender, und alle tru­ gen einen Titel oder ein Motto, das auf Ereignisse des Tages oder aktuelle Mo­ den anspielte. Sie stammten natürlich nicht alle von Rose Bertin. Tatsächlich

läßt sich heute kaum mehr nachweisen, welche Neuerungen wirklich ihr

zuzuschreiben waren und welche nicht. Und natürlich waren diese Kreatio­ nen höchst vergänglich Und wurden, anders als ein Gemälde oder ein litera­ rischer Text, selten der Nachwelt überliefert.

1774 wurden die pouß au sentiment modern, eine Frisur, in die unzählige

Nippes eingearbeitet sind, die symbolisieren, was der Trägerin besonders am

Herzen lag. Die Herzogin von Chartres trug einen solchen pouf, der in einer zeitgenössischen Beschreibung auftaucht: „Im Hintergrund saß eine Frau in einem Sessel, die einen Säugling hielt; das bezeichnete den Herzog von

Valois und seine Amme. Rechts ein Papagei, der an einer Kirsche pickt, es ist

dies ein Vogel, der der Herzogin teuer war; links ein kleiner Neger, Abbild desjenigen, den sie sehr liebte; der Mantel war garniert mit je einer Strähne ‘vom Haar ihres Ehemannes, des Herzogs von Chartres, des Herzogs von

Penthièvre, ihrem Vater, und des Herzogs von Orleans, ihrem Schwieger­

vater. Ein solches Gepränge schleppte die Prinzessin auf ihrem Kopf mit sich herum."'7 So unklar diese Beschreibung ist, so macht sie doch klar, welche Unmenge von Gegenständen in die Haare der Damen eingearbeitet wurden

und welche - zum Teil absurden - Kunstwerke die Damen aus sich machen

ließen^. Der pouf à l’Iphigénie spielte auf die Uraufführung von Willibald Glucks Oper Iphigénie an. Der pouf à l’inoculation stellte symbolisch die Impfung Ludwigs XVI. dar (was damals eine sehr fortschrittliche mediziniMoreau le Jeune: La Toilette, 1774.



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sehe Behandlung war). Sogar die Hungeraufstände der Armen in Paris gaben Anlaß, einen neuen Hut fur die reichen Herrschaften zu kreieren: die bonnets à la révolte.

Die Aktualität der Hüte und Frisuren hing also nicht zuletzt davon ab, auf welches Ereignis sie gerade anspielten. Im Cabinet des Modes, dem ersten Modejoumal, das seit 1785 in Paris erschien1’, hieß es am 1. Oktober 1786: „Die Mode, die von ihren Verleumdern leichtfertig, unbeständig, flüchtig, fri­

vol genannt wird, ist nichtsdestoweniger fest in ihren Prinzipien; & wir glau­ ben wirklich, daß es ungerecht ist, sie mit solcher Strenge zu behandeln. Wir

erkennen ihre Beständigkeit daran, wie sie alle bemerkenswerten Ereignisse ergreift, sich aneignet, sie in ihren Annalen bewahrt und sie im Gedächtnis

verewigt. Welches große Ereignis, welche hohen Taten unserer Krieger, selbst unserer Magistratsbeamten hat sie nicht veröffentlicht? Wenn die

d’Estaing, die d’Orvilliers einen Sieg errungen haben, hat sie es dann nicht verkündet? hat sie nicht gewollt, daß die Damen auf ihren Köpfen die Zeichen der Erinnerung an ihre Triumphe tragen, und daß, indem sie sich so

durch die höchsten Erhebungen ihres Körpers Einlaß verschafften, die Erin­

nerung sich tief in ihre Herzen grub? (...) Wir schmeicheln uns, daß das Cabinet des Modes selbst den Historikern von Nutzen sein wird.“ Es folgt

dann das Beispiel einer armen Köchin, die zweimal wegen eines vermeintli­

chen Giftmords zum Tode verurteilt und jedesmal unmittelbar vor der Hin­ richtung durch die Bemühungen ihres Anwalts gerettet worden sei. Ihr

Schicksal und der Name des erfolgreichen Anwalts, Cauchois, sei nun ver­

ewigt in den caracos à l’innocence und den caracos à la Cauchoise. Caraco war der Begriff fur kleine enge Jäckchen, einem Spencer ähnlich, die in dieser Zeit für Damen modern waren.

Am i. Mai 1786 war im Cabinet des Modes zu lesen: „Die wundersame An­

zahl der Damenhüte, die alle Tage auf den Promenaden erscheinen, recht­ fertigt, daß wir in diesem Heft vier davon vorstellen. Zwischen ihnen ist kein

allzu ausgeprägter Unterschied festzustellen, aber die Modeliebhaber wissen, daß das geringste Detail ausreicht, um sie zu variieren (...) Eine seitlich befe­

stigte Aigrette, ein Häubchen, das mit einem Band so oder auf eine andere Art befestigt wird, weiße Gaze oder schwarze Gaze, das sind die Dinge, die über die Mode entscheiden.“19 Deutlich geht aus diesem Abschnitt hervor,

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Karikatur auf die übertriebe­ nen Hüte, um 1770.

wie rasch die Moden schon damals wechselten und wie sehr die modische Eleganz im Detail lag. Mode war etwas für Eingeweihte, und sie erforderte

permanentes rasches Handeln, damit man nicht von der Aktualität überholt

wurde. Nach den poufs kamen Federn in Mode, dann Hüte ä la Henri IV. (dem König des 16. Jahrhunderts), Samtbarrets mit einer Feder, die mehrere Jahre in Varianten überdauerten. Die Mode spielte also bereits damals auf

historische Moden und Personen an. 1785 wurde die Königin 30 Jahre alt, Anlaß für sie, ihre Kleidung zu über­ denken. Sie beschloß, von nun an keine Federn und keine Blumen mehr zu

tragen und sich insgesamt auf strengere Formen zu beschränken. Auf den Gemälden, die Elisabeth Vigee Le Brun in jenem Jahrzehnt von ihr anfertig­

te, zeigt sie sich in reichen, aber vergleichsweise schlichten Kleidern und Hauben aus Samt mit Spitze und Tüll. Die Hofmoden blieben zwar überaus

prächtig, und Reifröcke mit paniers ä coudes (seitlich ausladende Reifröcke)

blieben weiterhin für offizielle Anlässe verpflichtend. Aber insgesamt wurde

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Dame in roter Redingote aus dem Cabinet des Modes, 1786.

Dame in grünem Rock und lila „caraco" aus dem Cabinet des Modes, 1786.

die Mode in jenen Jahren einfacher. Der englische Einfluß machte sich gel­ tend. Die Redingote, ursprünglich ein Männermantel, wurde als Kleidform sehr modern für Damen. Dazu ist zu sagen, daß der manteau im späten 18.

Jahrhundert das Überkleid ist, das vorn v-förmig geöffnet war und unter dem man einen Rock, eine jupe aus einem anderen Material und einer anderen

Farbe trug. Dieser manteau machte die Übernahme des strengen Redingote-

Schnitts einfach. Im Cabinet des Modes heißt es 1786, die Damen übernäh­ men zusehends männliche Moden und männliche Tätigkeiten und Interes­

sen - jedoch mit einer gewissen Verspätung, nämlich wenn die Männer sie

bereits abgelegt hätten. Männer trügen keine langen Redingotes mit drei Krägen mehr, die Frauen schon. Männer trügen ihre Uhren (am Gürtel!) nur

noch mit schlichten Bändern befestigt, während die Frauen die ihren noch mit unzähligen Anhängern schmückten, und so weiter. Ein leiser Triumph

ist in diesem Bericht unüberhörbar: Sollen die Frauen „uns“ ruhig imitieren, sie holen uns ja doch nie ein und bleiben damit doppelt abhängig.

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Um 1787 begann der Luxushandel in Schwierigkeiten zu geraten. Der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 und die darauffolgenden Revolutions­

jahre brachten ihn nicht endgültig zum Erliegen, machte ihn aber vorüber­ gehend fast bedeutungslos. Die Revolution veränderte die europäischen Ge­

sellschaften, und natürlich hatte das auch Auswirkungen auf die Mode, die

lange nicht mehr so schlicht gewesen war. Die Stoffe wurden einfacher, Hüte und Hauben wirkten nun geradezu bescheiden. Viele marchandes de modes

stellten sich auf die Produktion von Trikoloren um, die mit einem Mal zum Luxusartikel avancierten und durchaus teuer sein konnten. Jeder mußte sie haben und tragen, wenn sie oder er bestimmte Orte unbelästigt betreten woll­ te. Die Aristokraten begannen zu emigrieren, und nur in ihren Kreisen im Ausland blieb die Mode noch eine Zeitlang so prächtig, wie sie vor der Revo­

lution in Frankreich gewesen war. Die königliche Familie blieb, und als sie zu flüchten versuchte, war es längst zu spät. Sie wurde festgenommen, im

Temple gefangengehalten, und schließlich wurde dem König und der Königin der Prozeß gemacht. Beide wurden guillotiniert, der König bereits

im Januar 1793, die Königin am 16. Oktober 1793. Für Rose Bertin hatten die politischen Umwälzungen weniger Konse­

quenzen, als zu befurchten gewesen wäre. Sie geriet in materielle Schwierig­ keiten, aber sie überlebte und konnte zu guter Letzt sogar einen großen Teil ihres Besitzes retten. Das ist nicht selbstverständlich angesichts ihrer Karriere, hatte sie doch nicht nur für die nun verhaßten Aristokraten des

alten Regimes gearbeitet, sondern auch auf einem Gebiet, das diesem alten Regime ganz wesentlich gewesen war, dem der Repräsentation. Leider sind

keinerlei persönliche Aufzeichnungen oder Briefe von ihr überliefert, die

Aufschluß darüber geben könnten, wie sie diese Zeit der Umwälzungen er­ lebte, wie sie auf den Tod oder die Emigration so vieler ihrer vertrauten Kun­

dinnen reagierte. Alles, was von ihr überliefert ist, sind, wie gesagt, ihre

Geschäftsbücher sowie vereinzelte Zeugnisse einiger Zeitgenossen, die sich

jedoch größtenteils auf das Ancien Régime beziehen und von dem Privat­

leben Rose Bertins nichts preisgeben. Nun, nach 1789, lebten viele ihrer Kun­ dinnen im Ausland (wer nicht gegangen war, starb unter der Guillotine). Un­

zählige von ihnen hatten ihre exorbitanten Rechnungen nicht bezahlt, was dazu führte, daß Mademoiselle selbst hohe Schulden bei denjenigen Händ­

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lern und Lieferanten hatte, mit denen sie zusammenarbeitete: bei Näherin­

nen und Handschuhmachern, Spitzenhändlem, Stickerinnen und Kurz-

warenhändlem. Noch eine Weile belieferte sie die Königin, zwischen Januar und Mai 1792 beispielsweise mit Waren und Dienstleistungen (das heißt, mit Aufarbeitungen und Veränderungen) im Wert von 4.824 Livres. Es ist höchst aufschlußreich für die fest verankerten Vorstellungen selbst revolutionär

gesinnter Menschen, daß der Königin in der ersten Gefangenschaft vom

neuen Regime relativ viel Geld für ihre Toilette zugestanden wurde. Erst spä­ ter, in der Conciergerie, einem richtigen Gefängnis, war das nicht mehr der Fall; angeblich haben gutmeinende Menschen ihr damals feine Wäsche ins Gefängnis geschmuggelt, damit sie unter ihren Lumpen wenigstens saubere

und schöne Wäsche tragen konnte. Rose Bertin arbeitete in jenen Jahren vorwiegend für ausländische, insbe­

sondere für russische Herrschaften. 1792 verließ sie selbst das Land, um im

Ausland - in Deutschland und England - für ihre alte Klientel, die sich dort eingerichtet hatte und so tat, als sei nichts passiert, weiterzuarbeiten. In Lon­

don eröffnete sie ein kleines Geschäft, ihr Haus in Paris wurde von den An­ gestellfen yreitergeführt. Jedoch versuchte sie mit Hilfe ihres Neffen alles nur Menschenmögliche, um in Frankreich nicht als Emigrantin zu gelten. Sie wollte sich den Weg zur Rückkehr offenhalten; als Emigrantin wäre sie poli­

tisch eine persona non grata gewesen, und man hätte ihren Besitz konfisziert. Das geschah auch mehrere Male, aber jedes Mal glückte es ihr, die Siegel wie­ der von ihren Häusern entfernen und alles rückgängig machen zu lassen.

Ihre Argumente waren sehr geschickt und paßten sich den neuen

Verhältnissen an. Sie behauptete, sie habe ins Ausland gehen müssen, um ihren Beruf ausüben und ihre Waren verkaufen zu können, weil dies in Paris nicht mehr möglich sei. Sie müsse aber arbeiten und Geld verdienen, weil sie

große Schulden bei vielen unbescholtenen Bürgern habe - allesamt wahre

Sansculotten, die in Not geraten würden, wenn sie sie nicht bezahlte. Auch

ihre Familie (Geschwister, Geschwisterkinder) sei von ihrer Unterstützung abhängig. Tatsächlich schickte Rose Bertin in all den Jahren regelmäßig Geld nach Frankreich; ihr erster offizieller Brief beweist beglichene Rechnungen in Höhe von 70.000 Livres. Sie kaufte darüber hinaus Immobilien und Land­ besitz vom Staat, handelte also im Interesse des Gemeinwohls, wie es damals

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Jacques-Louis David stellt Madame Recamier um 1800 in der neuen antikisierenden Mode dar.

hieß. Trotzdem dauerte es etliche Jahre, bis sie ohne Gefahr nach Frankreich zurückkehren konnte.

1795 installierte sie sich wieder in ihrem Haus in der Rue Richelieu, wo ihr Salon seit den 80er Jahren untergebracht war, ein Jahr später zog sie sich

nach Epinay zurück und pendelte fortan zwischen ihrem Landsitz und ihrem Laden in Paris. Sie führte ihn weiter, aber ihre große Zeit war vorüber. Die Moden hatte sich verändert, und andere Ideen und andere Modemacher

waren nun gefragt. Joséphine Beauharnais zum Beispiel ließ manchmal bei ihr arbeiten. Ihr wichtigster Modist war bald Louis Hippolyte Leroy, ein

früherer Friseur, der im Laufe seines Lebens Hofschneider beider Gattinnen

Napoleons wurde. Schon wenige Jahre nach der Revolution und der durch sie

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zunächst hervorgerufenen Einfachheit blühte die Mode wieder auf, aber sie hatte sich grundlegend verändert Die „antike“ oder „nackte“ Mode war ange­

sagt fließende, der Antike nachempfundene Gewänder, die unter der Brust

gegürtet und kaum verziert waren; eine Zeitlang bevorzugte man sie trans­

parent, so daß man entweder nichts oder helle Bodystockings, wie wir heute sagen würden, darunter trug. Lange war Weiß die absolute Modefarbe, weil

man sich die antiken Gewänder weiß vorstellte, aber die Accessoires konnten

durchaus bunt sein. Als Kleiderstoff wählte man leichte Musseline oder Gaze, die schweren Stoffe des späten 18. Jahrhunderts waren erst einmal démoclé.

Die Haare wurden locker hochgesteckt, wobei einzelne Strähnen um das Ge­ sicht fallen konnten. Um die Jahrhundertwende begannen Damen, kurzge­

schnittene „Titusköpfe“ zu tragen, bei denen die Haare von einem Punkt an gleich lang geschnitten waren und strähnig ins Gesicht gekämmt wurden

(man knetete sich mit Vorliebe öl ins Haar, um Strähnen zu erzielen - welch ein Unterschied zu den aufgeplusterten, wie Zuckerwatte wirkenden Frisu­ ren zehn Jahre zuvor!). Nur wenige Frauen ließen sich ihre eigenen Haare

kurz schneiden; meistens trugen sie Perücken, die die echten langen Haare verdeckten. Perücken erlaubten es auch, die Haarfarbe im Laufe eines Tages

mehrmals zu wechseln. Für den Morgen, so schreibt das Journal des Dames™, sei blond sehr angemessen, für den Abend hingegen und jedenfalls für die

große Toilette wähle die elegante Dame kastanienbraun oder schwarz. Mit einem gewissen Bedauern vermerkt das Journal 1798, daß komplizierte Fri­

suren und Kostüme der Vergangenheit angehörten (und trifft damit Made­ moiselle Bertins Beruf im Kem): Früher habe man sich die Haare gekämmt und viel Zeit und einen guten Friseur (und natürlich eine marchande de

modes), benötigt, um sich die aufwendigen Frisuren herstellen zu lassen. Nun

jedoch zerzause eine Dame sich ihr Haar mit den Händen von der Spitze bis zur Wurzel, also gegen den Strich, und das überall, sogar auf der Straße. Und

überhaupt sei alles schneller und einfacher geworden: „Heute nimmt Ma­

dame ihren Hut, setzt ihn sich selbst auf, bindet das Band unter dem Kinn,

wirft einen Blick den Spiegel und bums!, schon ist sie in ihrem Wagen.“ Der Kopfschmuck war nicht mehr sorgfältig mit der Frisur verarbeitet, und die Hüte waren geschrumpft. Um die Jahrhundertwende trug die modi­

sche Dame Turbane, Jagd- oder Jockeyhüte oder einfache Bänder - allesamt



Modistinnen-Alelier, aus Le Bon Genre, um 1805.

Formen, die im Vergleich zu den hochkünstlichen Gebilden der Vor-Revolutionszeit geradezu simpel wirkten. Es dauerte nicht lange, bis man wieder Rüschen, Blumendekorationen und Spitzen verwendete und große Tücher in

persischen oder indischen Mustern modern wurden. Dennoch blieb die Da­

menmode sehr schlicht, wenn man sie vergleicht mit dem bombastischen

Prunk der Jahre ihrer Hoch-Zeit. Man kann sich leicht vorstellen, wie schwer es Rose Berlin gefallen sein muß, sich dem neuen Geschmack anzupassen,

und daß es ihr wohl nur zum Teil gelang. Ihr Geschäft übertrug sie Anfang des 19. Jahrhunderts an ihren Neffen, der dazu überging, allerlei Tand und

Nippes zu verkaufen. Rose Bertin starb 1813 in ihrem Haus in Epinay-sur-Seine. Mit ihr ging ein modisches Zeitalter zu Ende. Nur dieses Zeitalter, das Dekor über alles

schätzte und für das Repräsentation eine Lebensform war, hatte ihren Ruhm

ermöglicht. Nicht als ob Dekor und Prunk nun unwichtig gewesen wären man setzte sie fortan jedoch anders ein, und sie nahmen andere Formen an.

Der Feudalismus war endgültig vorüber, und die Verbürgerlichung Europas

war nicht mehr aufzuhalten. Der französische König Louis Philippe wurde nicht nur einige Jahrzehnte später „Bürgerkönig“ genannt, er gerierte sich auch bürgerlich, was in den Jahren vor der Revolution völlig undenkbar gewe­

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sen wäre. Die Verbürgerlichung griff auf alle Lebensbereiche über, insbeson­ dere auf das Verhältnis zwischen den Geschlechtern, das neu definiert

wurde. Wenige Jahre nach Rose Bertin konnte eine Frau nicht mehr ohne weiteres für sich in Anspruch nehmen, Künstlerin zu sein oder eine brillan­ te Geschäftsfrau wie die Modistin Marie Antoinettes, die aufgrund ihrer

handwerklichen und geschäftlichen Begabung ihr Vermögen selbst machte. Die neue Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern hatte Folgen auch für die Mode. Sie sollen im nächsten Kapitel kurz skizziert werden.

Hundert Jahre „Männerherrschaft“: Worth Im 19. Jahrhundert blieb die Mode nicht lange schlicht, zumindest nicht die

Damenmode, und nur noch diese war gemeint, wenn von „Mode“ die Rede war. Die Herrenkleidung hingegen erlangte endgültig die strenge, funktiona­

le Form, die sie fortan beibehalten sollte. Das geschah nicht von heute auf

morgen. Bereits vor der Französischen Revolution hatte sie die Tendenz zum schlichteren dreiteiligen Anzug gezeigt, dessen Ursprünge auf Soldatenuni­ formen sowie auf die sportlich-funktionale Kleidung der englischen Gentry,

des Landadels, zurückgeht. Während der Revolution waren die Kniehosen

zum Zeichen einer feudalistischen Gesinnung geworden; die Revolutionäre und bald auch viele andere trugen pantalons, mindestens knöchellange und

etwas weitere Hosen, die ursprünglich aus der Arbeiter- und Matrosenklei­ dung stammten. Aber noch in den Jahren nach der Revolution und während

Napoleons Erstem Kaiserreich wurden am Hofe zu offiziellen Anlässen wei­

terhin Kniehosen getragen. Erst im Verlaufe einiger Jahre kamen sie gänzlich

aus der Mode beziehungsweise wurden sie zur Bekleidung von Lakaien de­ gradiert. Männer jedes Standes trugen nun lange Hosen, deren Farben zu­

nehmend gedeckter wurden, bis sie schließlich ganz dunkelgrau, braun oder schwarz waren, wobei sie bis ins späte 20. Jahrhundert blieben. Es gab zwar noch viele verschiedene Formen des Jacketts beziehungsweise des sogenann­ ten Rocks, je nach Anlaß (für den Morgen, für zu Hause, für das Büro, fürs Dinner, für den Ball und so weiter), aber die Grundstruktur des klassischen Herrenanzugs stand fest: lange Hose, Weste und Jackett. Die Herrenkleidung

war nun deutlich modischen Exzessen, ja schon dem bloßen Eindruck des Modischen abhold. Das Leben der Dandies des 19. Jahrhunderts - Beau

Brummei, Charles Baudelaire, Honoré de Balzac, Robert de Montesqiou -

drehte sich zwar um Herrenmode, aber die Dandies exzellierten im „Understatement“, in der Perfektionierung des Schlichten. Der idealtypische

bürgerliche Mann hatte Mode nicht mehr nötig, um etwas zu repräsentieren. Anders als die alte Aristokratie leistete er etwas im Erwerbsleben, und er war

5’

stolz darauf. So zeigte er nach außen gewissermaßen seine Kompetenz, seine Respektabilität und Seriosität, sein eigentliches „Wesen“ als tätiger Mann,

und das war mit Mode nicht mehr vereinbar. Denn Mode galt nun als frivole Oberflächlichkeit. Die zutiefst bürgerliche Einstellung, die das (männliche)

Individuum und dessen persönliche Leistung zum Maßstab macht statt Vorrechte der Geburt wie die alte Aristokratie, sah für Frauen eine spezielle

Rolle vor. Sie wurden zunehmend auf den häuslichen und gegebenenfalls auf den repräsentativen Bereich beschränkt, je nach sozialem Status. Die Frau

wurde zum „anderen Geschlecht“, das in kindlicher Abhängigkeit von Männern lebte, nicht zu großen kulturellen Leistungen fähig war, sondern

sich „instinktiv" und „wesensmäßig" auf die häuslichen und mütterlichen Aufgaben beschränkte. Das hängt mit den geänderten Vorstellungen von

Weiblichkeit und Männlichkeit zusammen, die sich im 19. Jahrhundert

durchsetzten. Frauen und Männer galten nicht mehr als grundsätzlich glei­

che Wesen, die nur einen unterschiedlichen Grad der Vollkommenheit be­ saßen, wie es in den Jahrhunderten davor der Fall gewesen war.'

Seit der Antike waren Frauen, kurz gesagt, als unvollkommene Männer angesehen worden. Sie besaßen gemäß den medizinischen Auffassungen von der Antike bis ins 18. Jahrhundert hinein dieselben Organe wie Männer,

nur waren sie bei ihnen im Körperinneren geblieben, statt, wie bei den

Männern, durch genügend Körperhitze nach außen getrieben zu werden.

Daraus resultierten zwar auch andere Eigenschaften und andere soziale Auf­ gaben und Rollen, die in der Regel die Männer den Frauen überordnete, aber dennoch war eine grundsätzliche Ähnlichkeit vorhanden. Seit dem 18. Jahr­

hundert gewann eine andere Auffassung an Boden, die davon ausging, daß Männer und Frauen grundsätzlich und in allen Punkten ihrer Anatomie,

ihrer Psyche, ihres Skelettbaus und ihres Intellekts verschieden seien. Die Kluft zwischen den Geschlechtern wurde unüberwindlich, und die Mode

zeigt das deutlicher denn je. Vergleicht man die Silhouetten von Männern und Frauen auf Modeabbildungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, er­ kennt man, wie schmal, vertikal und stabil die männliche ist. Das Oberteil ist

betont; breitschultrig, mit gewölbter Brust stehen die Männer fest mit zwei Beinen auf dem Böden. Die Silhouette der Frauen hingegen ging zunehmend

in die Horizontale. Ihre Röcke wurden immer weiter und schufen Abstand

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Damen- und Herrenmode um 1853.

zwischen der Trägerin und der Welt; sie machen die Frauen optisch unbe­ rührbar. Sie verbinden ihre Trägerinnen einerseits mit dem Boden, machen aber andererseits ihre Beine unsichtbar. So kann man sich nur vorstellen, daß sie auf dem Boden stehen; von außen betrachtet könnten die Frauen in ihren

bauschigen Röcken ebensogut schweben. Die weiblichen Oberteile waren stark korsettiert und zierlich, die Schultern fielen ab, und die ganze Gestalt wirkte idealiter trotz des ausladenden Rocks zart und zerbrechlich. Die nunmehr verbindlichen häuslichen Rahmen konnten und mußten die Frauen dann überschreiten, wenn sie zu repäsentieren hatten. Die De­

monstration des von ihren Männern errungenen Wohlstandes sowie der Stel­ lung der Familie innerhalb der Gesellschaft gehörte zu ihren wichtigsten Auf­

gaben, wenn sie dem wohlhabenden Bürgertum angehörten. Der Soziologe Thorstein Veblen analysierte bereits 1899 dieses modische Verhalten und

nannte es „demonstrativen Konsum“.2 Ähnlichkeiten zur Repräsentation des

18. Jahrhunderts sind unverkennbar. Der Unterschied liegt darin, daß es nurmehr Frauen sind, die diese Form der Repräsentation praktizieren, und zwar weniger für sich selbst als vielmehr stellvertretend für ihre Ehemänner, für

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ihre Väter, kurz: für die Männer des bürgerlichen Patriarchats. Ein weiterer wichtiger Unterschied liegt darin, daß sie nun eher etwas demonstrierten als

repräsentierten, das heißt, es wurde eine Fassade aufgebaut, die nach außen etwas zeigen sollte. Die Überzeugung, das auch zu sein, was man zeigte, ver­ flüchtigte sich immer mehr. Inneres und Außeres trennten sich. Die „wahre

Person“, das „eigentliche“ Wesen zog sich gewissermaßen ins Innere des Menschen zurück, sie wurde ungreifbar und geheim, während nach außen die sozial angemessene Rolle sichtbar wurde. Auch wenn sich diese Verände­

rung bereits früher ankündigte, hatte es im 18. Jahrhundert doch noch die

Idee einer Einheit von Person und Rolle gegeben, und diese Einheit gipfelt in der Idee der Repräsentation. Im 19. Jahrhundert ist die Idee der Einheit ganz

verschwunden und macht der Demonstration dessen, was man sein möchte,

Platz.’ Demonstrativer Konsum findet nicht zuletzt im Bereich der Mode statt. Das hatte zur Folge, daß die Damenmode wieder sehr prächtig wurde und daß sie einem immer rascheren Wechsel unterworfen war. Die Damen wett­ eiferten miteinander um die höchste Eleganz, den besten Schneider und die

neuesten Kreationen. Keine Kleiderordnung gab mehr vor, wer sich wie zu

kleiden oder was zu meiden hätte, und so waren dem Einfallsreichtum keine Grenzen gesetzt. Die Kleiderherstellung wurde außerdem zunehmend maschinell betrieben, und das ermöglichte eine raschere Fertigung immer

größerer Mengen von modischer Kleidung.

Innerhalb der bürgerlichen Geschlechterideologie erschöpfte sich die kul­ turelle Leistungsfähigkeit von Frauen mithin weitgehend im modischen Kon­

sum. „Mode“ wurde von den Männern gleichgesetzt mit purer Dekoration; in ihr durften, ja sollten sie sich austoben. Zwar kann man sich gut vorstellen,

daß viele Frauen ungeachtet der Ideologie die Mode aktiv zur Gestaltung der eigenen Persönlichkeit einsetzten. Aber sie konnten nicht mehr wie Rose

Bertin im 18. Jahrhundert für sich beanspruchen, kreativ Mode zu entwerfen. Frauen konnten der Auffassung des 19. Jahrhunderts zufolge nur passiv kon­

sumieren, sie konnten Musen oder Stoff für die männliche Phantasie sein.

Wahre Schöpferkraft aber blieb ihnen versagt, ganz gleich auf welchem „Tea Gown“ von Worth, 1891.

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Gebiet: ob in der Malerei, der Literatur oder eben auch in der Mode.

Kreativität und Genie waren fortan den Männern vorbehalten. Und obwohl die Kleidung praktisch von Frauen angerfertigt wurde, wurde das Entwerfen von modischer Kleidung im 19. Jahrhundert zu einer Betätigung des männ­

lichen Genius. Die Bühne war bereitet für den Heros der Mode im 19. Jahr­ hundert: Charles Frederick Worth (1826-1895). Während die zeitgleich mit

ihm arbeitenden Couturières vergessen worden sind, blieb er als großer Revolutionär der Mode in Erinnerung. Das liegt nicht nur an seinen Kleidern, die auch heute noch, selbst im Museum, eine atemberaubende Wirkung ha­

ben, sondern auch an seiner Selbstinszenierung als Genie, sozusagen an sei­ ner PR-Strategie, die neu und modern war.

Charles Frederick Worth wurde 1826 in England geboren. Er war Stoflverkäufer, übersiedelte 1845 nach Paris und arbeitete im Modehaus Gagelin (das

auf Stoffe, Schals und ähnliches spezialisiert war). Mit eigenen modischen Entwürfen gewann er 1855 einen Preis auf der Weltausstellung; kurz darauf eröffnete er sein eigenes Modehaus. Die Bedeutung für Worths Frau Marie

Vemet für seinen raschen Erfolg ist nicht zu unterschätzen: Sie trug seine Kreationen im Geschäft, bei gesellschaftlichen Anlässen und auch, wenn sie

Kundinnen besuchte. Sie war also gewissermaßen sein Mannequin und trug

auf diese Art nicht unerheblich dazu bei, daß die Kleider bekannt wurden.4 Worth, der fertige Toiletten entwarf, ging bald dazu über, junge Frauen zu be­ schäftigen, die den Kundinnen die Modelle vorführten, damit sie eine Aus­

wahl treffen könnten. Das war neu. Bislang hatte ein Schneider mit seinen Kundinnen zusammen die Modelle entworfen; sie entstanden in der Zusam­

menarbeit. Auch wenn es oft der Schneider gewesen sein mag, der die Ideen hatte, so konnte er sie doch in der Regel nur nach Rücksprache mit der Kun­

din umsetzen, und natürlich hatte sie jedes Mit- und Einspracherecht. An­

schließend kam die Putzmacherin ins Spiel, und auf ihre Arbeit hatte die Kundin noch viel mehr Einfluß. Charles Frederick Worth aber wurde zum

Modediktator. Er entwarf und realisierte das Modell vorab, und die Kundin konnte es kaufen. Neu war auch, daß nun erstmals Damenkleider, wie die

Herrenanzüge schon lange, aus einem einzigen Haus und einer einzigen Abendkleid von Charles Frederick Worth, 1894.

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Hand kamen; sie wurden nicht mehr hier genäht, dort verziert und anderswo

mit Accessoires versehen. Worths Kleider waren aus einem Guß und trugen eine klare, unverwechselbare Handschrift. Anstelle der vielen Details, die

zuvor die Damenkleider ausgemacht hatten, wurde nun erstmals das Ge­ samtkonzept wichtig. Worths Modelle tragen außerdem eine Signatur; er war der erste Modeschöpfer, der seinen Namen in den von ihm entworfenen und

hergestellten Kleidern anbrachte. Das zeigt sein Selbstverständnis: Er war

kein Handwerker, kein Schneider mehr; er war ein Künstler, der aus Frauen atemberaubende Kunstwerke machte, der - ein moderner Pygmalion -

Frauen erschuf. Anders als Rose Bertin war Worth als Künstler seiner Kundschaft gesell­

schaftlich mehr oder weniger ebenbürtig. Im Gefolge der Romantik hatte

sich in der Zwischenzeit eine neue, die moderne Vorstellung vom Künstler und dem Künstlertum herausgebildet. Der Künstler galt als kreatives Genie, das unmittelbar vom göttlichen Funken inspiriert wurde. Er verfügte, so

glaubte man, über Fähigkeiten, die dem normalen Bürger abgingen, die die­ ser aber zutiefst verehrte. Der Künstler arbeitet nicht mehr im Auftrag von je­

mand anderem, sondern er schafft seine Werke vermeintlich aus einem inne­ ren Drang heraus. Die Kirnst gilt als autonom, das heißt frei von ökonomi­

schen und gesellschaftlichen Zwängen; sie gehorcht ihren eigenen Gesetzen. Auch wenn die Kunst somit mit dem bürgerlichen Alltag nichts zu tun zu

haben scheint, so gehört sie doch als vermeintlich zweckfreier Raum der Phantasie und der Schönheit tatsächlich zum Bürgertum mit seinen ökono­ mischen und utilitaristischen Zwängen wie die andere Seite der Medaille: Die

Kirnst kompensierte den bürgerlichen Alltag; der Künstler inkarnierte alles das, was dem Bürger nicht mehr möglich war, was aber seinen Lebensent­

wurf erst vollständig machte.

Auf diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß Worth sich nicht in seine Arbeit hineinreden ließ, denn niemand redete einem Künstler in

seine Arbeit hinein. Sein Erfolg zeigt auch, welchen Stellenwert Mode für die höheren Schichten jener Zeit besaß. Sie bedeutete ihnen so viel, daß sie sei­ nen Schöpfer als wichtiges Mitglied der Gesellschaft und die Besuche in sei­

nem Salon als gesellschaftliche Ereignisse betrachteten und viel Geld dafür auszugeben bereit waren.



Worth bestimmte über Stil und Geschmack seiner Zeit, er machte im buchstäblichen Sinne Mode. Daß die Frauen sich seinem Urteil so willig unterwarfen, hängt außer von der veränderten Vorstellung vom Künstler mit

dem Spezialistentum zusammen, das die Moderne bestimmt. Seit der Indu­ strialisierung ist es im Zeitalter beschleunigter wissenschaftlicher und tech­

nischer Entwicklungen nicht mehr möglich, daß sich ein einzelner auf vielen verschiedenen Gebieten gut auskennt. Die Lebens- und die Arbeitsbereiche differenzieren sich immer stärker aus, jeder einzelne kann nur noch für

begrenzte Bereiche zuständig sein. Verunsicherung war die Folge, und so

entsteht - als unmittelbares Resultat der gesellschaftlichen Umschichtungen

im 19. Jahrhundert - das Spezialistentum. Das galt auch für Fragen des Ge­ schmacks, denn die neue bürgerliche Oberschicht hatte nicht die lange Tra­ dition, in der die Aristokratie als geschmacksbildende soziale Schicht seit Jahrhunderten gelebt hatte. So bot es sich an, auch diese Dinge anderen zu

übertragen, deren Kompetenz unbestreitbar war. Charles Frederick Worth

war ein Fachmann für modischen Geschmack, an den man die Sorge tun das eigene Außere delegieren konnte, so wie man einen Kunsthändler mit der

Wahl der Kunstwerke betraute, die man sich an die Wände hängen wollte. Einem Architekten übertrug man den Bau des Hauses, in dem man wohnen

wollte, und einem Innenarchitekten überließ man dessen Einrichtung. Der bloße Name des jeweiligen Fachmanns bürgte schließlich für den guten Geschmack.

Worth machte Moden. In der Zeit der größten Krinolinenwut erfand er eine neue Linie: Er glättete den Stoff am Bauch und über den Hüften und

raffte die Stoffmengen hinten zusammen; daraus entstand die Toumüre. In den 80er Jahren, als sie Allgemeingut geworden war, erfand er eine neue Sil­

houette, indem er Kleider mit flachen Röcken, die in einer kleinen Schleppe

ausliefen, geschwungene Mieder und Hammelkeulenärmel schuf. Charles Frederick Worth war Hofdesigner von Kaiserin Eugénie; zu seiner

Kundschaft zählte die Aristokratie nicht nur Frankreichs, sondern Europas, sowie die gesamte bürgerliche Oberschicht. Mit ihm beginnt die Mode im

modernen Sinne, die untrennbar mit dem Genie eines Modedesigners und dem Begriff Haute Couture verbunden ist. Die Haute Couture entstand mjt Worth; sie dominierte die Mode in Europa 100 Jahre lang.’ Haute Couture be-

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deutet die Kreation exklusiver Moden durch einen Modeschöpfer. Die Ent­ würfe werden in Handarbeit realisiert, den Kundinnen angepaßt, und sie

werden der Öffentlichkeit zweimal jährlich in Modenschauen vorgestellt. Ein Komitee bestimmt darüber, wer sich zur Haute Couture rechnen darf. Bedin­

gung dafür ist unter anderem auch die Beschäftigung von mindestens zwan­ zig Angestellten.

Als Worth 1895 starb, übernahmen seine beiden Söhne das Geschäft, das

noch bis zum Zweiten Weltkrieg existierte. Heute gibt es nur noch WorthParfums.

Frauenarbeit in der Modebranche Auch wenn das Modeschöpfen eine Männersache geworden war, blieben, wie

schon angedeutet, weiterhin viele Frauen in der Modebranche. Die Grisetten, junge Frauen, die ihr Geld als Näherin oder Putzmacherin verdienten, er­

langten literarische und musikalische Berühmtheit, wie die Hauptfigur von Puccinis La Bohème oder die Geliebten der jugendlichen Helden in vielen Ro­

manen der Zeit. Die Grisetten galten als leichtfertig und gleichzeitig liebens­

wert, aber ihr Leben in den Romanen und Opern ist romantisiert und hat kaum etwas mit dem wirklichen Leben von Putzmacherinnen oder Näherin­ nen zu tun. Deren Lebensbedingungen waren wenig romantisch, sondern eher erbärmlich; sie fristeten ihr Leben mit harter Arbeit bei schlechter Be­

zahlung. Aufgrund der geänderten Auffassung von Mode konnten sie nicht mehr berühmt werden wie Rose Bertin; ihre Arbeit war bloßes Zuarbeiten für andere.

Sie teilten das Los vieler Frauen, die nicht dem wohlhabenden Bürgertum angehörten (und das waren schließlich die meisten). Entgegen der bürgerli­

chen Weiblichkeitsideologie waren sie darauf angewiesen, ihren Lebens­ unterhalt selbst zu verdienen oder zu dem ihrer Familien beizutragen. Zu den wichtigsten Tätigkeiten, die ihnen offenstanden, gehört nach dem

Dienstleistungsbereich die Kleidungsherstellung, gefolgt von der Textilin­ dustrie.' In Paris waren um 1860 etwa 112.000 Frauen erwerbstätig, allein

60.000 davon waren in der Textilverarbeitung beschäftigt, weitere Tausende in verwandten Metiers.1 Viele Frauen, vor allem verheiratete, die Kinder und

Haushalt zu versorgen hatten, übernahmen Näharbeiten in Heimarbeit für sogenannte Zwischenmeister, diejenigen Unternehmer also, die wiederum von den Konfektionären oder Couture-Ateliers ihre Aufträge bekamen. Die Konfektionskleidung, die es inzwischen gab, wurde noch nicht vollständig

fabrikmäßig hergestellt, sondern immer noch als Handarbeit, die in Heim­

arbeit geleistet und schlecht bezahlt wurde. Nähen konnten ohnehin fast alle Frauen, also bedurfte es auch keiner speziellen Ausbildung. Entsprechend

61

Eine Näherin bei der Arbeit, ein Uhr morgens. Aquatinatastich von Pierre Vidal, 1903.

gering wurde die Arbeit eingeschätzt. Mitte des 19. Jahrhunderts kam die

Singer-Nähmaschine auf, die die Herstellung von Konfektionskleidung schneller und effizienter machte. Viele Frauen schafften sich eine Nähma­

schine an, um konkurrenzfähig zu bleiben. Sie kauften oft auf Raten, was sie auf viele Jahre ihrem Arbeitgeber auslieferte, oder sie konnten ihre Raten

nicht zahlen und mußten die Maschine zurückgeben, was noch schlimmer

war, denn damit war ihnen ihre Arbeitsgrundlage entzogen. Wenn sie aber mit der neuen Maschine arbeiteten, hatte das stärkere Isolation zur Folge, da die Arbeit an der Nähmaschine die Frauen an ihrem Arbeitsplatz quasi fest­

nagelte. So ging auch der einzige Vorteil der Heimarbeit, die Möglichkeit des

Kontakts zu anderen Frauen durch gemeinsame Arbeit, verloren.’ Eine Menge Arbeitsplätze boten die Textilfabriken, denn die Textilproduk­ tion wurde immer stärker industrialisiert. Seit etwa 1860 gab es beispiels-

62

weise Wirkmaschinen, die sich aus den alten Wirkstühlen entwickelt hatten. Auf den neuen Wirkmaschinen konnten sehr feine und dehnbare Textilien

produziert werden, etwa Seidenstrümpfe oder Handschuhe (die noch zuge­ schnitten und zusammengenäht werden mußten: die Rundstrickmaschine, die die Herstellung beispielsweise von nahtlosen Strümpfen ermöglichte,

wurde erst im 20. Jahrhundert erfunden).4 Die meisten. Frauen, die in Fabri­

ken arbeiteten, waren jung und unverheiratet. In manchen Fabriken gab es

sogar Regelungen, daß verheiratete Frauen ausscheiden müßten. Um die Jahrhundertmitte entwickelten große Warenhäuser eine völlig neue Methode des Verkaufs, sie hatten damit erheblichen Einfluß auf die

Preisgestaltung und das Konsumverhalten der Menschen. Sie zogen* sämtli­ che Bevölkerungsschichten als potentielle Kundschaft an, und sie verkauften

alles unter einem Dach, man mußte nur die Abteilung wechseln (ein Angestellter trug den reicheren Herrschaften das, was sie bereits erstanden

hatten, in alle anderen Abteilungen nach). Ein Schwerpunkt lag auf Wäsche und Konfektionskleidung, die sich jedoch zunächst noch auf Mäntel und Capes und einige wenige andere Kleidungsstücke beschränkte, die nicht genau dem Körper der Kundin angepaßt werden mußten. Natürlich gab es

Näherinnen im Haus, die jede notwendige Änderung durchführten. In den Warenhäusern wurden weibliche Verkäuferinnen von Damenbe­

kleidung geschätzt, denn diese konnten sich gut auf die reiche Kundin ein­ stellen und dabei bescheiden und dienstbar bleiben, außerdem wurden sie

schlecht bezahlt. Die leitenden Positionen (und sei es nur Abteilungsleiter) hatten hier wie in den Fabriken oder überall sonst nur Männer inne. Emile

Zolas Roman Im Paradies der Damen gibt einen sehr lebendigen Eindruck

vom Leben einer Warenhausverkäuferin und von der Funktion eines großen

Warenhauses mit allen seinen Abteilungen um die Mitte des 19. Jahrhun­ derts, in dem auch die Kundinnen nicht zu kurz kommen. Der Roman ent­

faltet das ganze Panorama des Warenhauses und behandelt es gewisser­ maßen als Mikrokosmos der Gesellschaft.

Die Arbeitskraft derjenigen Frauen, die erwerbstätig sein mußten, wurde mithin - abgesehen vom Dienstleistungsgewerbe - zu einem bedeutenden

Teil im Bekleidungs-, das heißt im Modesektor aufgebraucht. Die Arbeitszeit betrug damals in der Regel zwölf Stunden täglich, meistens sogar vierzehn

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/

oder mehr, und das mindestens an sechs Tagen die Woche. Für ihre schwe­

re Arbeit in gesundheitsschädlichen Umgebungen (die Räume waren

schlecht belichtet, schlecht geheizt, schlecht belüftet) wurden die Frauen so gering bezahlt, daß sie o/t kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten.

Die modische Kleidung, die sie herstellten oder verkauften, konnten sie sich schon gar nicht leisten. Noch heute gelten vergleichbare Bedingungen in den sogenannten Niedriglohnländern, wo ein Teil der in den Industriestaaten konsumierten modischen Massenkleidung von schlecht bezahlten und

immer von der Entlassung bedrohten Frauen und Kindern hergestellt wird.

Die im 19. Jahrhundert entstehende breite Mittelschicht konnte ihren mo­

dischen Hunger mit der Konfektion befriedigen, die billiger war als hand­ genähte Kleidung oder gar die Haute Couture. Weiterhin nähten sich viele Frauen ihre Kleider selbst. In Frauenzeitschriften wurden Anleitungen gege­

ben und Schnittmuster für die vorgestellten Modelle angeboten. Oft konnte man sogar das halbfertige Kleidungsstück kaufen und es zu Hause in eigener

Regie fertigstellen und verzieren, so daß trotz konfektioneller Vor-Fertigung ein Hauch von individueller Gestaltung erhalten blieb.

Daß so viele Frauen in der Herstellung und dem Verkauf von Kleidung be­

schäftigt waren, öffnete trotz der strengen Arbeitsteilungen manchen von

ihnen den Weg nach oben. Gegen Ende des Jahrhunderts emanzipierten sich einige Frauen von der männlichen Vorherrschaft in der Mode und eröffneten eigene Modehäuser, die sehr erfolgreich waren.

Eine Berliner Wohnung ohne Heizung, in dem ein Ehepaar mit zwei Kindern wohnt. Die Einraumwohnung dient gleichzeitig als Arbeitsraum für Konfektion. Am Fenster sitzt die Frau an der Nähmaschine; Foto von 1913.

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v

b V (¿5 Vgl. z. B. Annette Tapert: „Getting Dressed with Donna Karan", in: Sky - Delta Airlines, März 1997. i6 Vgl. z. B. Jordan Mejias: „Donna Karan", in: Frankfurter Allgemeine Magazin, 7. Juli 1995. •7 Vgl. lngeborg Harms: „Visionen aus dem Kleiderschrank", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. 2. 1998.

Avantgardistische Klassik: Ann Demeulemeester 1 Katia D. Kaupp: „Ann Demeulemeester en grande", in: Le Nouvel Observateur, Nov. 1991. 2 Laurent Dombrowicz/Pascale Rénaux: „Ann Demeulemeester, belle et rebelle", in: Jardin des Modes, Nov. 1992. 3 Regina Schmok: „Essenz statt Effekt“, in: Vogue (dt.) Sept. 1995 4 Women’s Wear Daily, 11. Oktober 1996. 5 „Entre Anvers et Paris. Ann Demeulemeester, uns styliste pas comme les autres. Propos receuillis par Emelie de Jong", in: Arte Magazine November 1994. 6 Gespräch mit der Verfasserin am 26. Mai 1998. 7 Gespräch mit der Verfasserin am 26. Mai 1998. 8 Laurent Dombrowicz/Pascale Rénaux: „Ann Demeulemeester, belle et rebelle", in: Jardin des Modes, Nov. 1992. 9 Gespräch mit der Verfasserin am 26. Mai 1998. 10 Gespräch mit der Verfasserin am 26. Mai 1998.

Mode als Spektakel: Vivienne Westwood 1 Gespräch mit der Verfasserin, 30. November 1996. 2 Interwiew mit J. Rohwer, S. 34. 3 „Die Mutter des Punk". Interview mit Jörn Rohwer, in: Wochenpost. 17. August 1995, S. 35. 4 Fred Vermore): Fashion and Perversity. A Life of Vivienne Westwood and the sixties laid bare. London: Bloomsbury Publishing 1997 (1. Aufl. 1996). 5 Gespräch mit der Verfasserin vom 30. November 1996. 6 Vgl. Vermorel, S. 63. 7 Vermorel, S. 89. 8 James Laver: Costume and Fashion, London: Thames & I ludson 1995. S. 184. 9 Vermore), S. 90.

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10 „Schick und Schock“, in: Der Spiegel 11 (1993), S. 218-222; hier: S. 220. 11 Vermorel, S. 75. Engl.: „But actually it was a fashion event right from the start. It was like creating one of those historical paintings of a revolution, with revolutionaries charging over a barricade. In every corner of the canvas you can see people in heroic postures, with everything in the picture meaning something revolutionary or shocking or thought-provo­ king." 12 London Obeserver, 22. Januar 1995. 13 Das Ergebnis ähnelt dann übrigens den Schöpfungen der Meisterin oft verblüffend, denn ein so starker Stilwille läßt sich offensichtlich kaum ignorieren.

Die Neuerfindunc des Körpers: Rei Kawakubo 1 Interview mit François Baudot, in : Elle (franz.), Februar 1998, S. 68. 2 Zum Beispiel in: Elle (frz.), Febr. 1998. 3 „Sie ist berühmt und doch unbekannt“, heißt es in einem Artikel von Ursula Harbrecht: „Rei Kawakubo", in: Elle (dt.), Februar 1998. 4 Zu Rei Kawakubos Biographie und zu ihrer Mode bis Ende der 80er Jahre vgl. Deyan Sudjic: Rei Kawakubo and Comme des Garçons. New York: Rizzoli 1990. 5 „Rei Kawakubo, le rouge est le nouveau noir. Interview mit Yan C.“, in: art press special, Nr. 18 (1997), S. 25/26. 6 Vgl. Sudjic 1990. 7 Brenda Polan: „Intellect meets inspiration: clothes for a modern age". In: Financial Times, 7. Februar 1998. Vgl. z. B. auch den programmatischen Titel eines Artikels von Sally Brampton: „Can a jacket be intellectual?“, in: Elle (engl.J, Dezember 1997. 8 Barbara Vinken spricht etwas ungenau von Dekonstruktion; mir scheint aber, daß Kawakubos Ästhetik keine dekonstruktivistische ist - und auch keine ikonoklastische -, sondern eine, die sich solchen intellektualistischen Kategorien entzieht. Barbara Vinken: Mode nach der Mode. Kleid und Geist am Ende des 20. Jahrhunderts. Frankfurt/M.: Fischer 1993. 9 Polan 1998. 10 Von den vielen Besprechungen dieser Kollektion sei nur genannt: Susannah Frankel: „Like it or lump it“, in: The Guardian Weekend Section, 1. März 1997. 11 So die irrtümliche Auffassung von Barbara Vinken 1993. 12 „Rei Kawakubo, le rouge est le nouveau noir. Interview mit Yan C.“, in: art press special, Nr. 18 (1997). S. 26. 13 Über die Farben vgl. Bridget Foley: „The Lady in Red“, in: W Fashion Magazine, Okt. 1996. 14 Robert Johnson: „Der Wulst. Merce Cunninghams Scenario’", in: ballett international 48, tanz aktuell 12/1997, S. 50. 15 Johnson 1997, S. 50. 16 „Tänzer zwischen den Welten. Frédéric Gafner alias Foofwa d’Imoblité über die Arbeit mit Merce Cunningham. Im Gespräch mit Hartmut Regitz“, in: ballett international 48, tanz aktuell 12/1997, S. 53. 17 Programmheft der Pariser Oper („Merce Cunningham Dance Company“), Januar 1998, S. 64.. 18 Suzy Menkes: „Ode to the Abstract: When Designer Met Dance", in: International Herald Tribune, 8. Jan. 1998, S. 20.

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Bildnachweis Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin: Seite 16 (rechte Abb.), 26, 43. 47, 53. 62, 64, 76, 82, 90, 93 (Foto Lipnitzky). Mit freundlicher Genehmigung Comme des Garçons: Seite 204 (Foto Timothy GreenfieldSanders), 207, 208, 210, 214 (Foto J.F. José), 215 (Foto J.F. José), 218 (Foto J.F. José), 219 (Foto J.F. José), 223 (Foto J.F. José), 224 (Foto Timothy Greenfield-Sanders), 227 (Foto Timothy Greenfield-Sanders).

Mit freundlicher Genehmigung Ann Demeulemeester: Seite 170, 173 (Foto Patrick Robyn), 174, 176 (Foto Patrick Robyn), 179 (Foto Patrick Robyn), 180.

Christian Dior: Seite 137 (Privatbesitz). Helmut Fricke ©, FAZ Bildredaktion: Seite 184, 192, 194 (rechte Abb.). Gazette du Bon Ton, 1924/25: Seite 72, 106 (linke Abb.), 108. Harper's Bazaar: Seite 54. 57.

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Mit freundlicher Genehmigung Sonia Rykiel: Seite 148 (Foto Dominique Issermann), 150. Mit freundlicher Genehmigung Jil Sander: Seite 144, 153 (Foto Peter Lindbergh), 154, 157. Mit freundlicher Genehmigung Schiaparelli, Paris: Seite 120, 123. 130. 132.

Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz ■ Kunstbibliothek, Berlin: Seite 16 (linke Abb.), 21, 25, 32. 37, 41, 44, 49. 66, 69, 70, 103, 106 (rechte Abb.), 119. 123, 124, 126. 130. 132. VG Bild-Kunst, Bonn: Seite 75, 114. Mit freundlicher Genehmigung Vogue, © Condé Nast: Seite 79, 80, 84, 86. Mit freundlicher Genehmigung Vivienne Westwood Ltd.: Seite 182, 187 (Foto Niall McInerney), 192. 194 (linke Abb. Foto Niall McInerney). 197. 198, 201 (Foto Ugo Camera).

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Cif.“.

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Die Welt der Mode Elsa Triolet, russische Emigrantin in Paris und Lebensgefährtin von Louis Aragon, hat sich als besonders findig bei der Finanzierung ihres Schriftstellerlebens erwiesen. Nachts am Küchentisch entwirft sie zunächst nur für sich selbst Modeschmuckketten. Vom Entwurf bis zur Vollendung setzt sie ihre Ideen perfektionistisch, ja geradezu besessen, in die Tat um. Ohne jemanden aus der Branche zu kennen, gelingt es ihr, innerhalb von zwei jähren ein florierendes Kleinunternehmen auf die Beine zu stellen. Ihre Produkte stoßen bei großen Modefirmen wie Chanel, Schiaparelli und Patou wie in Übersee auf große Resonanz..

Elsa Triolet

Colliers de Paris 152 Seiten, Halbleinen, mit Photos von Man Ray u.a.. ISBN 3-931782-31-X

Colliers de Paris ist ein Hintergrundbericht aus den „Fabriken für guten Geschmack": schnippisch, kritisch, amüsant, Sozialreportage und Satire. Vogue Mit unvoreingenommenen Blick und schnörkelloser Sprache beschreibt Elsa Triolet das Leben der glanz­ vollen Pariser Modewelt vom „Entrée bis zum Dienst­ boteneingang" und eröffnet so eine wenig bekannte Seite der Modemetropole an der Seine Berliner Tagesspiegel

Mode ist längst kein frivoler Zeitvertreib für müßige Damen mehr, sondern integraler Bestandteil der gesamten, modernen Kultur. Sie strukturiert die Selbst- und die Fremd­ wahrnehmung und ist in der westlichen Welt allgegenwärtig: Niemand kann ihr mehr ent­ kommen. Mode, Weiblichkeit und Modernität versammelt Bausteine zu einer Kultur­ geschichte der Mode. Elf exemplarische Auseinandersetzungen werfen Schlaglichter auf unterschiedliche Aspekte der Mode und ihre immer umfas­ sender werdende Bedeutung in den letzten einhundert jähren. Die unauf­ lösliche Verbindung zwischen Mode und Modernität wird dabei ebenso erhellt wie der überraschend junge und früher noch keineswegs selbstver­ ständliche Zusammenhang zwischen Mode und Weiblichkeit.

Gertrud Lehnert (Hg.)

Mode, Weiblichkeit und Modernität 288 Seiten, viele Abbildungen ISBN 3-931782-23-9

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Bornstraße 68 • 44145 Dortmund • www.edition-ebersbach.de

Frauen ziehen an.

Gertrud Lehnert

Mode war nicht immer Frauensache. Erst seit zweihundert Jahren konzentriert sich Mode auf Frauen, und erst im 20. Jahrhundert nehmen auch weibliche Modeschöpfer Spitzenplätze in der Branche ein. Gertrud Lehnert zeichnet diese Geschichte der Mode nach und stellt die wichtigsten Modeschöpferinnen und ihre Arbeit vor. Coco Chanel, Nina Ried, Elsa Schiaparelli, Sonja Rykiel, Jil Sander, Donna Karan, Miucda Prada, Vivienne Westwood, Rei Kawakubo und viele andere - faszinierende Persönlichkeiten mit außergewöhnlichen Biographien. Sie stehen für Frauen, die den Mut hatten, ihren eigenen Weg zu gehen.

»Eine spannende Geschichte der europäischen Kultur der letzten zwei Jahrhunderte.« Süddeutsche Zeitung

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