Film und Multikulturalismus: Repräsentation von Gender und Ethnizität im australischen Kino [1. Aufl.] 9783839411742

Wie sind Geschlecht und Ethnizität miteinander verflochten? Anhand einer kulturwissenschaftlichen Filmanalyse setzt J. S

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Film und Multikulturalismus: Repräsentation von Gender und Ethnizität im australischen Kino [1. Aufl.]
 9783839411742

Table of contents :
Inhalt
Danksagung
Einleitung
Einige Bemerkungen zu ›umkämpften‹ Begriffen und ihrer Verwendung
Zur Konstruktion nationaler und ethnisierter Gemeinschaften
Die Konstruktion von Nation und ihren Mitgliedern
Vergeschlechtlichte Gemeinschaften: Nation, Ethnizität und Geschlecht
Australien: eine multikulturelle nationale Gemeinschaft?
Entwicklungen
Australiens Nationenkonzept im Wandel: Von der settler society zum Multikulturalismus
Filme aus Australien – australisches Kino?
Die Herstellung eines nationalen Kinos: 1896-1913
Rückgang australischer Kinoproduktionen: 1913-1965
Exkurs zum nicht-fiktionalen Film
Revival: 1965 bis in die 1990er Jahre – ocker comedy, period film, social realist film
Heterogenität des nationalen Kinos
MigrantInnen-Erzählungen aus Australien: Die Filmbeispiele
Repräsentation von MigrantInnen in Filmen aus Australien – Einbindungen in ein nationales Kino
Kulturelle Repräsentation ethnisierter Gemeinschaften: Identitätspolitiken, Authentizität, Hybridität
Zur Konstruktion und Bedeutung von Authentizität in Migrationserzählungen
Inszenierungen von Migration und Multikulturalität
Bilder
Töne
Montage
Verkörperungen und Verräumlichungen
Figuren
Räume
Zwischenräume und Übergangsorte
Diskurse um Geschlecht und Ethnizität in Kontinuität und Veränderung ethnisierter Gemeinschaften
Kulturelle Reproduktion: Essen, Trinken, Glauben
Gewalt
Biologische Reproduktion: Sexualität und Genealogie
Filmische Repräsentationen und Re-Produktion multikulturalistischer nationaler Identität
Literatur
Filme

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J. Seipel Film und Multikulturalismus

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2009-08-10 14-21-12 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02be217807558718|(S.

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Editorial Die weltweiten Transformationen der Geschlechterverhältnisse und Bedeutungszuschreibungen an »Geschlecht« zeigen widersprüchliche Entwicklungen, Kontinuitäten und Wandlungen. Die Veränderung alter und die Konturierung neuer Segmentationslinien stehen in einem komplexen Spannungsverhältnis zueinander. Die Reihe Studien interdisziplinäre Geschlechterforschung stellt regelmäßig neuere Untersuchungen in diesem Themenbereich vor. Dabei wird der Breite möglicher Zugangsweisen Rechnung getragen: Natur-, technik-, sozial- und kulturwissenschaftliche Sichtweisen werden miteinander verknüpft und die Ansätze verbinden die strukturierende Bedeutung der Kategorie »Geschlecht« systematisch mit der Wirkung anderer sozialer Differenzlinien wie »Klasse«, »Ethnizität«, »Rasse« und »Generation«. Die Schriftenreihe gibt Perspektiven Raum, in denen die radikale Infragestellung der heterosexuellen und auf Zweigeschlechtlichkeit basierenden gesellschaftlichen Ordnung im Zentrum steht und zugrunde liegende Machtverhältnisse reflektiert werden. Ziel der Reihe ist es, wissenschaftliche Beiträge zu publizieren, die Fragen nach Geschlechterkonstruktionen und Geschlechterverhältnissen in Kultur, Gesellschaft und Wissenschaft aufgreifen und Impulse für weitere Auseinandersetzungen geben. Angesprochen werden sollen alle an Themen der Frauen- und Geschlechterforschung Interessierten aus dem universitären und weiteren wissenschaftlichen Umfeld – Studierende, Lehrende und Forschende. Zugleich sind die Publikationen auch für jene Praxiskontexte interessant, die sich kritisch mit der geschlechterbezogenen Verfasstheit von Kultur, Technik, Wissenschaft und Gesellschaft auseinandersetzen. Die Reihe wird herausgegeben von den Forschungseinrichtungen »Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung« der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg (ZFG) und »Zentrum Gender Studies« der Universität Bremen (ZGS).

J. Seipel (Dr. phil.) forscht und lehrt in den Bereichen Film- und Kulturwissenschaften sowie Queer und Gender Studies und ist in der nicht-kommerziellen Kinoarbeit in Schweden und der BRD aktiv.

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J. Seipel

Film und Multikulturalismus Repräsentation von Gender und Ethnizität im australischen Kino

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Mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2009 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus Lektorat & Satz: J. Seipel Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1174-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

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Danksagung

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Einleitung Einige Bemerkungen zu ›umkämpften‹ Begriffen und ihrer Verwendung

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Zur Konstruktion nationaler und ethnisierter Gemeinschaften Die Konstruktion von Nation und ihren Mitgliedern Vergeschlechtlichte Gemeinschaften: Nation, Ethnizität und Geschlecht

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Australien: eine multikulturelle nationale Gemeinschaft? Entwicklungen Australiens Nationenkonzept im Wandel: Von der settler society zum Multikulturalismus

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Filme aus Australien – australisches Kino? Die Herstellung eines nationalen Kinos: 1896-1913 Rückgang australischer Kinoproduktionen: 1913-1965 Exkurs zum nicht-fiktionalen Film Revival: 1965 bis in die 1990er Jahre – ocker comedy, period film, social realist film Heterogenität des nationalen Kinos MigrantInnen-Erzählungen aus Australien: Die Filmbeispiele

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Repräsentation von MigrantInnen in Filmen aus Australien – Einbindungen in ein nationales Kino Kulturelle Repräsentation ethnisierter Gemeinschaften: Identitätspolitiken, Authentizität, Hybridität Zur Konstruktion und Bedeutung von Authentizität in Migrationserzählungen

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75 84 88

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Inszenierungen von Migration und Multikulturalität Bilder Töne Montage

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Verkörperungen und Verräumlichungen Figuren Räume Zwischenräume und Übergangsorte

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Diskurse um Geschlecht und Ethnizität in Kontinuität und Veränderung ethnisierter Gemeinschaften Kulturelle Reproduktion: Essen, Trinken, Glauben Gewalt Biologische Reproduktion: Sexualität und Genealogie

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Filmische Repräsentationen und Re-Produktion multikulturalistischer nationaler Identität

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Literatur

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Filme

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Da nk sa gung

Diese Arbeit ist zu weiten Teilen im Rahmen des Kollegs Kulturwissenschaftliche Geschlechterstudien an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg entstanden, bei dessen Mitgliedern ich mich für konstruktive Diskussionen, Anregungen und freundschaftliche Unterstützung bedanken möchte. Mein Dank gilt den Sprecherinnen Prof. Dr. Silke Wenk und Prof. Dr. Karen Ellwanger sowie Prof. Dr. Eva Warth (Bochum) für ihre Unterstützung und Bereitschaft, als Gutachterin zur Verfügung zu stehen. Ermöglicht wurde diese Arbeit auch durch die finanzielle und strukturelle Unterstützung der Rosa Luxemburg Stiftung. Verschiedene wissenschaftliche Kontexte gaben mir die Möglichkeit, meine Thesen zu diskutieren und zu reflektieren, unter anderem die Projektgruppe Queer Studies (Bremen) und das Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der Carl von Ossietzky Universität. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mir mit Rat und Tat und Unterstützungen in allen Lebenslagen geholfen haben – Chrissy Scholl, Anita Winter, Marco Atlas, Andrea Kuhn und viele andere. Meinen Eltern, Claudia Seipel-Lutzmann und Horst Seipel, danke ich nicht nur für ihre finanzielle Unterstützung, sondern auch für ihr grundsätzliches Vertrauen in mich und meine Arbeit. Mein besonderer Dank gilt Irina Schmitt, für alles.

Einleitung

Migration, Ethnizität, kulturelle Identität, Hybridität – seit einigen Jahren sind dies Leitworte, mit denen gesellschaftliche Formationen, Veränderungen und oft genug auch soziale Probleme beschrieben, diskutiert und erklärt werden (sollen). Während in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder behauptet wurde und wird, die BRD sei kein Einwanderungsland, akzeptieren andere Nationalstaaten die Multikulturalität der eigenen Gesellschaft, d.h. die Tatsache, dass sie sich aus Mitgliedern verschiedener regionaler, kultureller Herkünfte sowie deren Kinder und Kindeskinder zusammensetzen. Dies gilt insbesondere auch für die nord-amerikanischen und süd-pazifischen Staaten, die eine Geschichte kolonialer Besiedlung und einen starken europäischen/britischen Einfluss aufweisen. Es lassen sich zwei dominante Formen im Umgang mit diesem sozialen Gefüge unterscheiden, einerseits die US-amerikanische Ideologie des ›Schmelztiegels‹ (melting pot), in dem alle kulturellen Herkünfte und ›Mitbringsel‹ in einer amerikanischen Kultur verschmelzen und sich nach wenigen Generationen keine Unterschiede unter USBürgerInnen jedweden Herkommens mehr ausmachen lassen sollten. Diese Staatspolitik, die sich als Assimilationspolitik beschreiben lässt, hat sich als wenig erfolgreich erwiesen. In Kanada, Neuseeland und Australien dagegen haben sich regierungspolitische Konzepte des Multikulturalismus etabliert, die ›ethnischen Gruppen‹ das Recht auf Beibehaltung und Fortführung ihrer ›kulturellen Identität‹ zugestehen (Stratton/Ang 1994). Die Entscheidung, meine Dissertation Filmen aus Australien zu widmen, traf ich nach einigen Reisen und Aufenthalten in Australien und einem Studienjahr an der University of Glasgow, wo ich an einem Seminar von Ian Craven zu »Australia in Film and Television« teilnahm. Da9

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

bei war mein persönliches Interesse an einer Annäherung an die Kultur des Landes und mein Vergnügen an vielen Filmen aus Australien, die ich gesehen hatte, nur ein ausschlaggebender Grund. Für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung gab mir das australische Kino – dieser Begriff wird im Verlauf der Arbeit kritisch hinterfragt werden – anregendes Material. Bis in die 1980er Jahre lassen sich relativ eindeutige Narrationen und Symbole feststellen, die zumindest in der englischsprachigen film- und kulturwissenschaftlichen Literatur gut bearbeitet sind. Dagegen finden sich im deutschsprachigen Raum so gut wie keine intensiven Auseinandersetzungen mit Filmen aus Australien; meine Arbeit soll dazu beitragen, diese Lücke zu füllen. Seit der zweiten Hälfte der 1980er und insbesondere in den 1990er Jahren wird sowohl in filmischen Narrationen wie auch in der wissenschaftlichen Diskussion eine Veränderung erkennbar. Die Geschichten lösen sich von der überbrachten Erzähltradition von outback und bushranger, von der Auseinandersetzung weißer/europäischer ImmigrantInnen mit einer fremdartigen und feindlich erfahrenen Umwelt der period films und von den derben, sich der bürgerlichen, britischen Kultur verweigernden ocker comedies. Die Filme verlagern sich zunehmend in die Großstädte und in gegenwarts-nähere Zeitperioden, behandeln aktuelle, realitätsnahe Situationen und Probleme und wenden sich der Repräsentation marginalisierter Gruppen zu – unter anderem ethnisierten Figuren und ihrer Lebensrealitäten in einer anglo- bzw. eurozentrischen Umgebung. Bei meiner Recherche und Filmsichtung stellte ich Mitte der 1990er Jahre eine Häufung von Filmen fest, in denen ethnisierte Frauenfiguren – Migrantinnen im weiteren Sinne – zentrale Rollen einnehmen. Aus diesem Material habe ich drei Filme ausgewählt: FISTFUL OF FLIES (Monica Pellizzari, 1996), FLOATING LIFE (Clara Law, 1996) und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING (Richard Flanagan, 1997), wobei die regionalen und (Herkunfts-)kulturellen Verortungen der ProtagonistInnen für meine Entscheidung irrelevant waren. Ausschlaggebend waren Vergleichbarkeiten in der Narration und Darstellung, die ergänzende Analysen von Kontexten sowie film-stilistischen und narrativen Mustern ermöglichen, allerdings auch Bekanntheitsgrad und Zugänglichkeit.1 Denn viele Filme, die in Australien produziert werden, werden in der BRD nur für kurze Zeit in Programm-Kinos aufgeführt (FISTFUL OF FLIES), spätnachts im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – meist in synchronisierter Fassung – gezeigt (FLOATING LIFE) oder ausschließlich auf

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Mein Dank gilt Sara Harrington von Southern Star Film Sales, der australischen Inhaberin der Filmrechte für Europa, für ihre unbürokratische Hilfe.

EINLEITUNG

Festivals präsentiert (FLOATING LIFE und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING). Meine akademische Verortung, die durch Ansätze und Methoden der (Britischen) Cultural Studies geprägt ist, ermöglicht einen neuen Blick auf die filmische Repräsentation, auf filmstilistische, narrative und diskursive Strukturen und Muster, die Vorstellungen und Darstellungen von Weiblichkeit und Ethnizität transportieren und die in enger Beziehung mit Diskursen über Nation, nationaler Identität und Multikulturalismus stehen. Die ethnographisch-soziologische Perspektive soll auf Filmanalysen anwendbar gemacht werden und die Verknüpfung filmwissenschaftlicher Analysen mit politischen und theoretischen Auseinandersetzungen auf Bezüge zwischen Repräsentationen und Konstruktionen von Identität, Gender, Ethnisierung und Nation verweisen. Es wäre nicht nötig, sich mit Filmen über Ethnizität auseinanderzusetzen, wenn es für die Erzählung und Rezeption keinen Unterschied machen würde, ob Figuren als ›ethnisch‹ gekennzeichnet sind. Das ist (noch) nicht der Fall. Ethnizität wird fast immer als ›problematisch‹ gezeigt: MigrantInnen haben Probleme/sind das Problem, sie müssen ihre Position zwischen Herkunftskultur und der Kultur des Einwanderungslandes verhandeln und sich in die – auch in eine multikulturalistisch organisierte – Gesellschaft eingliedern. In den drei Filmen, die ich in der vorliegenden Arbeit analysieren werde, ist die Auseinandersetzung mit Ethnizität in einer ›westlichen‹ Gesellschaft eines der Leitmotive für die Narration. Die Erzählungen handeln von der ›kulturellen Identität‹ der Figuren. Ich stelle damit die Ethnizität der Figuren, vermittelt durch Alltagswissen, als analytische Kategorie fest. Damit lege ich notwendigerweise die Figuren als ›ethnisch‹ fest, ein Widerspruch zum Anliegen dieser Arbeit, eben diese Festlegung, diese Konstruktion von Ethnizität zu erkennen, zu dekonstruieren und die (Wirk-)Mechanismen ihrer Herstellung aufzudecken. Dieselbe Paradoxie gilt für die Kategorie Geschlecht. Filme sind als Äußerungen von Populärkultur nützliche Quellen zur Untersuchung gesellschaftlicher Konstruktionen von Wirklichkeit. Die Produktion eines Spielfilmes, der ein breites Publikum ansprechen soll, setzt seine Verortung in einer sozialen Realität voraus, so dass Ideen und Normen einer Gesellschaft reflektiert und re-produziert werden.2 Dabei 2

In Anlehnung an Wendy Hollway verwende ich die Schreibweise Re-Produktion und Re-Konstruktion, um darauf hinzuweisen, dass jede Wiedergabe und Wiederholung ihren Gegenstand herstellt, stets aber auch die Möglichkeit der Veränderung ihres Gegenstandes impliziert: »I have introduced the term re-production (with a hyphen) since the term reproduction is less than ideal owing to the limitation in its theorization. The 11

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

stellen mediale Texte den RezipientInnen Hilfe zur Wahrnehmung und Interpretation von Realität zur Verfügung und können an der Verortung der eigenen Person in dieser sozialen Umwelt mitwirken. Filme bieten mögliche Antworten auf Fragen nach der eigenen Stellung innerhalb einer sozialen Ordnung, nach Positionierungen, die einer Person zur Verfügung stehen bzw. zugewiesen werden, und können dazu anregen, soziale Handlungs-Strategien zu entwickeln. Auf diese Weise wirken sie an der ständigen Konstruktion des eigenen Selbstbildes sowie der Wahrnehmung Anderer mit – sie sind Teil der Wissensproduktion von Identität (vgl. Scott 1992: 15), sowohl ›geschlechtlicher‹, ›ethnischer‹ als auch ›nationaler Identität‹. Aus diesen Feststellungen ergeben sich Fragen nach der Einbindung von Filmen in ein ›nationales Kino‹. Dies gilt besonders für eine so stark durch staatliche Subventionen geförderte Filmindustrie wie die in Australien, in der die Unterstützung eines Filmprojektes auch an das Maß der Einbindung in und Repräsentation von Australianness gebunden ist. Was dieses ›Australische‹ eines Filmes ausmacht wird stark von regierungspolitischen Ideologien beeinflusst, die in Australien seit Beginn der 1970er Jahre als multikulturalistisch gekennzeichnet sind. Daher ist auch die Thematisierung von Einwanderung und die Repräsentation von ImmigrantInnen Bestandteil australische Filmnarrationen und der Re-Produktion einer ›nationalen Identität‹. Aufgrund der Ausgangslage als settler society, in der sich die Nation nicht auf die Konstruktion eines kollektiv geteilten Ursprungs zurückführen lassen kann, ist es für multikulturelle nationale Gemeinschaften notwendig, eine gemeinsame Identität zu konstruieren, die verschiedene regionale und kulturelle Herkünfte verbindet, bzw. das ›Fremde‹, ›Ethnische‹ mit dem Australischen vereinbar macht. Das australische ›nationale Kino‹ liefert dafür Handlungsvorschläge und Anweisungen und unterstützt die Selbstkonstruktion einer ›ethnischen australischen Identität‹ in einer multikulturellen Gesellschaftsordnung – je nach regierungspolitischen Vorgaben.

dangers are ones for which Althusser has been criticized for failing to avoid. First, the concept stresses maintenance rather than change, and second Althusser’s notion of economic determination ›in the last instance‹ avoids recognition of the effectivity of sites such as heterosexual relations […] to re-produce gender difference. My use of the hyphen is intended to signify that every practice is a production (what we have called its ›positivity‹). Hence recurrent day-to-day practices and the meanings through which they acquire their effectivity may contribute to the maintenance of gender difference (reproduction without the hyphen) or to its modification (the production of modified meanings of gender leading to changed practices)« (Hollway 1984: 227). 12

EINLEITUNG

Mein Interesse ist es zu zeigen, wie soziale Prozesse und Praktiken durch Filme re-produziert werden; daher ist meine Vorgehensweise notwendigerweise und gewähltermaßen intertextuell und transdisziplinär. Es ergeben sich Verschränkungen verschiedener Perspektiven auf das Filmmaterial und Kontextualisierungen durch andere Quellen. Ich erweitere in meinem Vorgehen die Analyse der Filme durch Aspekte einer spezifischen (australischen) Film- und Populärkulturgeschichte sowie australischer Multikulturalitäts- und Multikulturalismus-Debatten. Meine Arbeit steht in Kontexten von Nationen-Theorien, Interkulturalitätsforschung und, als übergeordneter Perspektive, der feministischen Gender-Forschung. Dabei ist diese, wie jede wissenschaftliche Analyse, von Subjektivitäten und – bewussten oder unbewussten – Auslassungen geprägt und Teil von Diskursen über Geschlecht, Ethnizität und Machtbeziehungen. Eine grundlegende Entscheidung war es, mich auf eine Analyse von Texten – der Filme sowie weiterer populär-kultureller, wissenschaftlicher und regierungspolitischer Veröffentlichungen – zu konzentrieren. Die Perspektive der RegisseurInnen wird ausschließlich durch Pressetexte vermittelt einbezogen. Diese intertextuelle Arbeit erlaubt einen historischen Blick – von heute auf die 1990er Jahre – und einen Blick von Außen auf einen Ausschnitt der australischen kulturellen Praxis in der Auseinandersetzung mit Multikulturalität. Dieser ›informiert-fremde‹ Blick, das ›Abgleichen‹ des Untersuchten mit dem Bekannten, ermöglicht das kritische Erkennen von Norm/alismen, die aus der Innenperspektive leicht als blinder Fleck verschwinden können. Hier wird die Situiertheit dieser Forschung sichtbar und für Auseinandersetzungen mit hegemonialen Positionen, auch der eigenen, nutzbar (vgl. Haraway 1995).

Einige Bemerkungen zu ›umkämpften‹ B e g r i f f e n u n d i h r e r V e rw e n d un g Diese Arbeit beschäftigt sich mit Identitätskategorien, d.h. mit sozialen und kulturellen (Selbst-)Zuschreibungen, die mit der Re-Produktion von identitären Konzepten in Verbindung stehen. Daher ist eine kritische Auseinandersetzung mit Begrifflichkeiten und Rastern, mit denen ich das Material untersuche, notwendig, um die Gefahr einer Naturalisierung dieser als analytisch verwendeten Kategorien zu minimieren. Die Grundlage meiner Arbeit ist eine Untersuchung gesellschaftlicher Konstruktionen von Gruppen. Dazu gehören sowohl Nation und die Konstruktion einer nationalen Einheit und Identität, als auch die Kon13

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

struktion der biologischen und sozialen Geschlechtszugehörigkeit und ihrer Binarität. Nicht nur aufgrund der besseren Lesbarkeit habe ich darauf verzichtet, Begriffe wie Nation, national, Frau, Geschlecht etc. in Anführungszeichen zu setzen. Diese Begriffe werden, auch in vielen wissenschaftlichen Kontexten, selten einer kritischen Reflektion unterzogen. Sie sind naturalisiert. Es ist viel eher notwendig, KategorieBegriffe dieser Art in jedem Text kritisch zu hinterfragen. Bei anderen Begriffen erscheint mir eine Hervorhebung nötig, um den vorgängigen Prozess der Herstellung deutlich zu machen. So schreibe ich von ›ethnischen Gruppen‹, wenn diese als solche gesetzt und verhandelt werden, beispielsweise in regierungs-politischen oder anderen gesellschaftlichen Diskursen. In diesem Sinne ist auch der Begriff der Identität zu verstehen, der zwar problematisch, für meine Fragestellung jedoch produktiv ist, da sowohl filmische Repräsentationen wie auch Texte über Filme und die Darstellung von MigrantInnen auf Identitäts-Konzepte zurückgreifen, insbesondere da Identitäten immer auf Prozesse der Konstruktion zurückzuführen sind. Sie sind nicht stabil sondern umstritten, veränderlich und prozesshaft, sie sind Mittel und Effekte von Differenzierung, Diskriminierung, Ausschlüssen, Normierungsprozessen und von gesellschaftlichen Machtbeziehungen. Damit stehen sie in Verbindung zum Begriff der Ideologie, den ich in einem ›bedeutungs-reduzierten‹ Maße verwende: Ich beziehe mich für diese Arbeit nicht auf ein Verständnis von Ideologie als einem Diskurs oder einer Gruppe von Diskursen, die Wissen, Bedeutung und Werte einer Gesellschaft schaffen, sondern setzte den Begriff der Ideologie als einen hegemonialen, als ein sozio-kulturelles Ordnungsmuster sozial mächtiger Positionen. Ich verwende Ideologie hier für allgemein zugängliche Äußerungen zur Politik eines Nationalstaates, d.h. Veröffentlichungen von Regierungsinstitutionen, Diskurse nicht-staatlicher politischer Gruppen sowie Alltagsdiskurse über Politik.3 Für den australischen Kontext bezieht sich das in der Regel auf Auseinandersetzungen mit Ideologien von Multikulturalität und Multikulturalismus. Ich unterscheide diese Begriffe und verwende Multikulturalität und multikulturell als Beschreibung für die Zusammensetzung einer Gesellschaft bzw. Nation aus Mitgliedern mit diversen regionalen und kul3

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Die Trennung meiner Verwendung von Althussers Konzept der Ideologie sind allerdings unscharf, da gerade auch institutionelle Äußerungen durch die ›Interpellation‹ der Ethnisierung, d.h. die Anrufung einer kulturellen Gemeinschaft als solche, diese Gruppen produzieren. Die von mir als ideologisch bezeichneten Äußerungen werden eben auch von ideologischen Staatsapparaten, von der Regierung, von Parteien, den Medien und im Rahmen von Kultur-Institution geäußert (vgl. Althusser 1977, 119ff).

EINLEITUNG

turellen Herkünften. Es gibt jedoch keinen gültigen Umkehrschluss der besagen würde, dass eine ›mono-kulturelle‹ Gesellschaft aus nur einer Kultur bestehen würde. Jede Kultur ist in sich divergent und heterogen. ›Mono-kulturell‹ meint daher stets das Konstrukt einer einheitlichen Kultur, die auf Prozessen des Negierens oder Unsichtbarmachens von Unterschieden beruht und beschreibt damit nichts anderes als den ideologischen Effekt einer als dominant und homogen hergestellten Kultur. Der Begriff des Multikulturalismus ist dagegen an politische Institutionen gebunden und steht für eine Regierungsideologie bzw. ein politisches Programm, das die offizielle Anerkennung der kulturellen Vielfalt und den Einbezug ›ethnischer Minderheiten‹ in ein nationales Konzept beinhaltet. Darüber hinaus impliziert eine multikulturalistische Politik, dass soziale Ungleichheiten und Benachteiligungen, die auf kulturell verschiedene Herkünfte zurückgeführt werden, als staatliche Verantwortung erfasst und – idealerweise – aufgefangen werden. Neben dem Recht auf Beibehaltung und Ausübung der Herkunftskultur umfassen multikulturalistische Regierungspolitiken auch die Zusicherung von Chancengleichheit und gleichem Zugang zu öffentlichen Leistungen und Positionen. Im Gegenzug wird in der Regel festgelegt, dass alle BürgerInnen sich verpflichten, Verfassung und Gesetze zu befolgen, grundlegende Prinzipien des Staates zu achten und diesem loyal gegenüber zu stehen (vgl. Jupp 1997; Stratton/Ang 1994; Tampke 2002). Sowohl als Beschreibung einer Gesellschaft wie auch als politisches Programm beziehen sich Multikulturalität und Multikulturalismus auf den Begriff der Kultur, der hier nicht im Sinne einer anerkannten, definierten ›Hochkultur‹ zu verstehen ist, sondern, wie in den Cultural Studies verwendet, als ein Prozess. Dies umfasst einerseits ein Verständnis von Kultur als Gesamtheit der Lebensweisen einer definierten Gruppe zu einer gegebenen Zeit und innerhalb eines Raums. Eine zweite Anwendung von Kultur liegt in der Beschreibung eines spezifischen Bedeutungssystems. In diesem Sinne benennt die Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Kultur das Teilen einer weitgehend gleichen Vorstellung von Erfahrungen und Realitäten und ihrer Auslegung, die sich auch in einer gemeinschaftlichen Ausdrucksweise, sei es durch Sprache oder Verhaltensweisen manifestiert (vgl. Eagleton 2001; Storey 1998: xff; Hall 1997: 18). Hierbei ist es wichtig zur Kenntnis zu nehmen, dass Kultur/en stets eine Vielfältigkeit beinhalten, in der sich verschiedene Kulturen wechselseitig beeinflussen und durchqueren und die im ständigen Austausch mit anderen Kulturen stehen. Kultur stellt sich als dynamischer Prozess dar, der insbesondere auch ein Ringen um Bedeutungen und dominante Positionen ist und einen steten Wandel von Herrschaftsverhältnissen in sich trägt. Darin eingelagert ist auch das Feld der Popu15

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

lärkultur und ihrer Repräsentationen, die nicht als Abbilder von Wirklichkeit zu verstehen sind, sondern ebenfalls als Prozesse, mit denen Wirklichkeit re-produziert wird. Eine dieser kulturellen Wirklichkeitskonstruktionen beschreibt die Kategorie Geschlecht. In westeuropäischen und westeuropäisch geprägten Gesellschaften lässt sich davon ausgehen, dass es einen weitgehenden Konsens darüber gibt, was Geschlecht ist, und dass das Erkennen der Geschlechtszugehörigkeit eindeutig ist. Dieses Wissen beinhaltet, dass die Kategorie Geschlecht als Polarität – es gibt zwei und nur zwei Geschlechter – so tief in die Realitätswahrnehmung eingebunden ist, dass auch im Filmerlebnis das Lesen der Figuren als Frauen oder Männer scheinbar selbstverständlich stattfindet. Sowohl in der Inszenierung wie in der Rezeption wird hier auf Alltagswissen zurückgegriffen: geschlechtsspezifische Namen und Kleidung, körperbezogene Hinweise wie Figur, Haare, Bewegungen. Geschlecht ist ein fortwährender Prozess sozialer Beziehungen, die auf Unterschieden basieren, die als relevant und ›biologisch‹ konstruiert werden und deren Vorhandensein in der gesellschaftlichen Realität vorwiegend nur angenommenen werden (können). Geschlecht ist eine grundlegende kulturstiftende Kategorie und ein wichtiges Element von Machtbeziehungen. In der vorliegenden Arbeit gehe ich davon aus, dass es bestimmte Muster in der Herstellung der Kategorie Geschlecht– und anderer sozialer Zuschreibungen – gibt, die mit der Kategorie Ethnizität in korrelativen Beziehungen stehen und unabhängig von der spezifischen Benennung der jeweiligen kulturellen Herkunft sind. Dabei genügt es nicht, wie intersektionale und queere Theorien und Praktiken zeigen, verschiedene Identitätskategorien bzw. marginalisierte Positionen zu benennen und aneinanderzureihen, um Verbindungen dieser Art zu erkunden. Während diese Arbeit die Kategorien Geschlecht und Ethnizität in ihren korrelativen Beziehungen untersucht, bleiben andere unbeleuchtet und nur am Rande thematisiert. So habe ich auf eine eingehende Analyse der Bedeutung von Rassisierung verzichtet.4 Dies bezieht sich sowohl auf indigene AustralierInnen (Aboriginalität) wie auf eine weitgehende Auslassung der analytischen Trennung zwischen Rassisierung und Ethnisierung der filmischen Repräsentation in FLOATING LIFE, dessen Figuren durch einen asiatischen Migrationshintergrund markiert sind. Es wird jedoch deutlich, dass der Übergang zwischen Rassisierung und Ethnisierung fließend ist, wie sich insbesondere 4

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»Dieser [Begriff der Rassisierung, js] verweist auf den produktiven Charakter des Konzepts race, da seine grammatische Form Handlungsweisen – also ein Tun – impliziert, und damit die Denaturalisierung vermeintlich natürlicher Klassifizierungen unterstützt« (gender et alia 2001).

EINLEITUNG

in der Abhandlung zu sich verändernden Nationenkonzepten in Australien zeigt. Ich verwende grundsätzlich den Begriff der Rassisierung, ›Rasse‹ verwende ich ausschließlich mit Anführungszeichen und nur in der Übersetzung feststehender Begriffe in australischen politischen Diskursen, wobei ich diesen in der Regel anschließend anführe (z.B. dying race) oder in Zitaten. Die Adjektive Schwarz, Aboriginal und Asiatisch schreibe ich groß, um die Bedeutung dieser Schreibweise in politischen Kämpfen gegen Diskriminierung anzuerkennen sowie ihre rassistisch motivierte Konstruktion zu betonen. Ebenso wie Rassisierung ist Ethnisierung/›Ethnizität‹ als politisch und kulturell konstruierte Kategorie das Ergebnis eines Prozesses und verfügt nach diesem Konzept über keinen vorgängigen ontologischen Ursprung. Sie wird in einer Wechselwirkung zwischen Kultur und Biologie, Tradition und Genealogie produziert, re-produziert und repräsentiert. Ethnizitäten werden als Effekte von Ethnisierungsprozessen Realität, indem sie als solche in sozialen und gesellschaftlichen Diskursen eingesetzt werden. Dies geschieht sowohl in der Selbstdefinition von Seite ›ethnischer Gruppen‹, die sich durch die Abgrenzung zu Anderen konstituieren und so in politischen Kämpfen um Gleichberechtigung und den Zugang zu Machtpositionen streben. Der Prozess der Ethnisierung findet aber auch von außen statt, in der Fremdwahrnehmung und –definition durch dominante Gruppen, so dass ethnisierte Personen auf einen marginalisierten Status festgeschrieben werden. Dabei ist die Feststellung wichtig, dass auch dominante (kulturelle) Gruppen ›ethnische Gruppen‹ sind, auch wenn sie nicht als solche benannt werden. Ethnizität, wie auch andere soziale Kategorien, erfahren eine ständige Re-Produktion durch das Sprechen über sie. Die gegebene Annäherung an ›umkämpfte‹ Begriffe soll ein erster Schritt zu ihrer Dekonstruktion sein, deren Inhalte und Verwendungen sich im Verlauf der vorliegenden Arbeit weiter klären werden. Ich beginne mit einer Abhandlung zur Konstruktion nationaler und ›ethnischer Gemeinschaften‹.

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Zur Konstruktion nationaler und ethnis ierter Ge me insc ha ften

Weder nationale noch ›ethnische‹ Gemeinschaften existieren an sich, sondern entstehen in komplexen Prozessen der Konstruktion und der ständigen Re-Konstruktion. Nation und Ethnizität weisen dabei ein enges, wechselwirksames Verhältnis und eine Vielzahl von gleichen, parallelen und voneinander abhängigen Herstellungsmechanismen auf: [I]t is important to recognize, [...] that there is an inherent connection between the ethnic and national projects. While it is important to look at the historical specificity of the construction of collectivities, there is no inherent difference (although sometimes there is a difference in scale) between ethnic and national collectivities: they are both the Andersonian ›imagined communities‹ (Yuval-Davis 1997: 16).

Ich werde im Folgenden Konzepte von konstruierten, imaginierten Gemeinschaften im Kontext ihrer Relevanz für die Analyse filmischer Repräsentationen von Geschlecht und Ethnizität in einem multikulturalistischen Nationalstaat darstellen. Dabei lege ich Schwerpunkte auf die Bedeutung von Geschlecht bzw. Weiblichkeit für Prozesse der Re-Konstruktion und Repräsentation von Gemeinschaften sowie auf die wechselseitigen Beziehungen zwischen ethnisierten und nationalen Gemeinschaften in einem multikulturalistischen nationalstaatlichen Gefüge. Da ich mich auf Filme aus Australien beziehe, werde ich die hier erarbeiteten Betrachtungen teilweise auf den australischen Kontext anwenden, bevor ich einen Überblick über die sozio-historische Entwicklung Australiens gebe.

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FILM UND MULTIKULTURALISMUS

Die Konstruktion von Nation und ihren Mitgliedern Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelte sich weltweit ein nationalstaatliches System, das bis heute für relevante Teile der Organisation menschlicher Gemeinschaften wirksam ist. Darin wird die Existenz von Nationalstaaten als selbstverständlich vorausgesetzt und Veränderungen – die Auflösung alter Staatsverbände oder ihre Vereinigung zu neuen – werden nicht als Widerspruch zu diesem System wahrgenommen. Trotz ausgeprägter Unterschiede in real existierenden Nationalstaaten lassen sich gemeinsame Grundzüge des Konzeptes herausarbeiten. Der Nationalstaat besteht nicht nur etymologisch aus den Teilbereichen ›Staat‹ und ›Nation‹. Obgleich diese Bereiche nicht völlig separat gesehen und untersucht werden können, kann es sinnvoll sein, auf analytischer Ebene eine Trennung vorzunehmen. Dabei lässt sich der Staat auf den konkreten institutionalisierten, administrativen Apparat festlegen. Dieser schafft die Voraussetzung dafür, wirtschaftliche und politische Prinzipien und Veränderungen innerhalb eines geographisch abgegrenzten Territoriums durchzusetzen (vgl. Castles/Davidson 2000: 12; Yuval-Davis 1997: 12ff; Gellner 1994: 3ff). Der Begriff der Nation ist dagegen schwieriger zu fassen. Stephen Castle und Alastair Davidson beschreiben den überbrachten Nationenbegriff, den sie in »Citizenship and Migration« differenziert hinterfragen, wie folgt: »›Nation‹ referred to a ›people‹ defined on the basis both of belonging to the territory of the state and having a common cultural and ethnic background« (Castles/ Davidson 2000: 6f). In dieser Definition ist die Kritik bereits inhärent. Nation ist definiert über die Zugehörigkeit zu einem Territorium und den Bezug zu einer gemeinsamen kulturellen bzw. ethnisierten Herkunft. Nun sind aber innerhalb eines Nationalstaates fast immer Gruppen vorhanden, die sich z.B. durch kulturelle Zuschreibungen vom dominanten Teil der Gesellschaft unterscheiden oder unterschieden werden. Auch gibt es Gemeinschaften, die sich als ›ethnisch‹ konstruieren aber nicht über ein national-staatliches Territorium verfügen – als Beispiel sei hier die Gruppe der KurdInnen genannt, zu denen sich Menschen auf türkischem, irakischen, iranischem, syrischen, aserbaidschanischem und armenischem Gebieten zugehörig fühlen, abgesehen von kurdischen MigrantInnen weltweit. Ebenso lassen sich Nationalstaaten ausmachen, die seit ihrer Gründung das Mit- und Nebeneinander verschiedener kultureller/ethnisierter Gruppen zumindest teilweise anerkennen – beispielsweise die Schweiz. Dennoch stellt diese überbrachte Konstruktion von Nation eine wirksame Basis für ein ›Gefühl von Zugehörigkeit‹ dar. Benedict Anderson entwirft in »Imagined Communities« ein sehr einfluss20

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reich gewordenes Konzept von Nation: »it is an imagined political community – and imagined as both inherently limited and sovereign« (Anderson 1991: 6).1 Mein Interesse gilt dabei dem imagined, dem Vorgestellten bzw. der Vorstellung einer Gemeinschaft, die vorgeblich in Sprache, Kultur und Tradition, einer ›nationalen Identität‹ begründet liegt.2 Bereits 1981 schrieb Richard White in der Einleitung seiner grundlegenden sozio-historischen Arbeit »Inventing Australia: Images and Identity 1688-1980«: A national identity is an invention. There is no point in asking whether one version of this essential Australia is truer than another because they are all intellectual constructs, neat, tidy, comprehensible – and necessarily false. They have all been artificially imposed upon a diverse landscape and population, and a variety of untidy social relationships, attitudes and emotions. When we look at ideas about national identity, we need to ask, not whether they are true or false, but what their function is, whose creation they are, and whose interests they serve (White 1981: viii).

Die Nation ist damit nach Richard White eine Erfindung, eine bloße Konstruktion. In ihrer Beziehung zu einem als begrenzt und souverän gedachten Staatsgebilde hat die Nation politischen Charakter und Effekt. Ferner bietet die Nation ihren Mitgliedern durch die Vorstellung einer nationalen Identität einen, wiederum mit Abgrenzungen versehenen, Identifikationspunkt an, nach dem sie eine vermeintlich einheitliche Gemeinschaft her- und darstellen. Ich werde hier das Konzept einer imaginierten nationalen Gemeinschaft mit nahe stehenden Theorien in Verbindung setzen, um die spezifische Konstruktion und Vorstellung einer australischen nationalen Identität und Nation als multikulturalistisch zu verdeutlichen.

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In der deutschen Übersetzung »Die Erfindung der Nation« lautet die Definition: »Sie ist eine vorgestellte politische Gemeinschaft – vorgestellt als begrenzt und souverän« (Anderson 1993: 15). Feministische WissenschaftlerInnen kritisieren die Auslassung der Kategorie Geschlecht in Andersons Arbeit (vgl. u.a. Wenk 2000: 64f; Pierson 2000: 41ff). »Nevertheless, the state is not identical with the people living in the state. It is a structure of government and, whilst the structure itself might involve representation, the idea of the state is not, itself, representational. To put it bluntly, the modern individual cannot identify with the state. Instead s/he identifies with the nation. Where the term ›state‹ refers to the legal, financial, in short, bureaucratic aspects of an administrative unit, the term ›nation‹ refers to the experience of the people within the state as unified by a common language, culture and tradition« (Stratton/Ang 1994: 4). 21

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Das klassische Modell der mono-kulturellen Nation greift für die Herstellung ihrer Kohärenz in der Regel auf die Annahme einer vermeintlich einheitlichen vorhandenen Kultur zurück, auf die der Nationalstaat aufbaut, aus der er sich entfaltet. Dieses Konzept ist in zweierlei Hinsicht höchst problematisch. Zum einen impliziert es eine gewissermaßen ›naturhafte Entwicklung‹ nationaler Strukturen und nicht die Produktion politischer Zusammenhänge, die, wie beispielsweise Ernest Gellner argumentiert, aus Nationalismen geschaffen werden (und nicht etwa umgekehrt Nationalismen aus Nationen hervorgehen) (vgl. Gellner 1994: 55). Andererseits unterstellt es das Vorhandensein homogener kultureller Gruppen, die der Nationengründung vorausgehen. Dagegen wird im Sinne der Konstruktion von Nation argumentiert, dass diese angeblich vorgängigen kulturellen Einheiten eher durch die Nichtbeachtung und Unterdrückung von Unterschieden ebenfalls als Imagination hergestellt werden. Etienne Balibar schreibt in seiner Auseinandersetzung zu »Rassismus und Nationalismus«: Keine Nation (das heißt kein Nationalstaat) besitzt eine ethnische Basis [...] es sei denn genau im Sinn der Schaffung einer fiktiven Ethnizität. Jede andere Argumentation würde außer Acht lassen, dass die Rassen ebensowenig wie die Völker eine natürliche Existenz aufgrund einer Abstammung, einer Kulturgemeinschaft oder vorgegebener Interessen haben. Aber man muß ihre imaginäre Einheit gegen andere mögliche Einheiten im Realen (und damit im historischen Zeitverlauf) herstellen (Balibar 1992: 63).

Damit eröffnet sich eine enge Verbindung von Nation und Staat, so dass sich eine Trennung von Staat und Nation lediglich auf einer analytischen Ebene aufrechterhalten lässt. Denn Nationen basieren nicht auf vorgängigen kulturell-homogenen Gruppen, sondern auf geschaffenen ›Verwaltungseinheiten‹. In »Die Konstruktion von Völkern: Rassismus, Nationalismus, Ethnizität« stellt Immanuel Wallerstein fest, »dass in den allermeisten Fällen der Staat der Nation vorausging, auch wenn ein weitverbreiteter Mythos das Gegenteil behauptet« (Wallerstein 1992: 101). Die von ihm gestellte Frage, aus welchem Grund ein Staat eine entsprechende Nation hervorbringen solle, beantwortet Wallerstein wie folgt: In diesem System [dem internationalen Staatensystem, js] haben Staaten es schwer, ihren inneren Zusammenhalt zu gewährleisten. Ein einmal als souverän anerkannter Staat wird in der Folge häufig von innerer Desintegration wie auch äußerer Aggression bedroht. Diese Bedrohung lassen sich in dem Maße vermindern, in dem ein ›Nationalgefühl‹ sich entwickelt. Die an der Macht befindlichen Regierungen haben ein Interesse daran, dies Gefühl zu fördern (Wallerstein 1992: 101). 22

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Die Gründung von Nation und nationaler Identität ist also in institutionalisierten politischen Diskursen und Äußerungen von Regierungspolitiken verankert, um kulturelle Unterschiede zu negieren und den Nationalstaat zu stabilisieren und fortzuführen. Dies setzt eine staatliche, nationale Ideologie und ein gewisses Gewaltpotential des Staates voraus.3 Doch die Beschränkung auf einen institutionellen Rahmen würde die Stabilität von Nation, nationaler Identität und einem weitverbreiteten Zugehörigkeitsgefühl nur unzureichend erklären. Die Herstellung und Imagination von Nation findet insbesondere auch durch Re-Produktion sowohl in einer legitimierten ›Hochkultur‹ wie in populären und populärkulturellen Erzählungen und Bildern statt, auf die offizielle Politiken durch staatliche Anerkennung und Förderung maßgeblichen Einfluss haben. Die Vorstellung von Nation ist also ebenfalls bedingt durch ihre Repräsentation oder, wie Stuart Hall argumentiert, der Nationalstaat selbst ist ein Repräsentationssystem: The nation-state was never simply a political entity. It was always also a symbolic formation – a ›system of representation‹ – which produced an ›idea‹ of the nation as an ›imagined community‹, with whose meanings we could identify and which, through this imaginary identification, constituted its citizens as ›subjects‹ (in both of Foucault’s sense of ›subjection‹ – subject of and subjected to the nation) (Hall 1993: 355).4

Die Kultur-Institutionen, insbesondere Stellen staatlicher Förderung und Kontrolle von ›Kunst und Kultur‹, übernehmen dabei die Aufgabe, eine legitimierte und als homogen konstruierte nationale Kultur und Identität zu produzieren und zu sichern. Daraus ergibt sich ein dominanter Diskurs darüber, was die Kultur einer Nation sei. In klassischen Nationenkonzepten wird diese homogene Kultur und Identität – durch Unterdrückung historischer Divergenzen und Brüche – als nahtlose und unge-

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Damit gerät meine eingeschränkte Verwendung des Ideologie-Begriffs wieder in die Nähe Alhussers ideologischer Staatsapparate, da diese Äußerungen von Institutionen gemacht werden, die als solche interpretierbar sind (vgl. Althusser 1977, 119ff). Anne McClintock führt aus »Nationalisms are not simply phantasmagoria of the mind: as systems of cultural representation whereby people come to imagine a shared experience of identification with an extended community, they are historical practices through which social difference is both invented and performed. Nationalism becomes in this way radically constitutive of people’s identities, through social contests that are frequently violent and always gendered [...] Nations are contested systems of cultural representation that limit and legitimize people’s access to the resources of the nation-state« (McClintock 1996: 260). 23

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brochene Entwicklung bis auf einen mythischen Ursprung in ferner Vergangenheit zurückgeführt.5 Wer aber ist Mitglied dieser durch Repräsentation re-produzierten Gemeinschaft? Auch hier ist eine vorläufige, analytische Trennung von staatlicher und nationaler Ebene geeignet, um zwischen der formalen Staatsangehörigkeit (im Sinne einer Passeintragung) und einer nationalen Zugehörigkeit zu einer imaginierten Gemeinschaft zu unterscheiden. Während die Staatsangehörigkeit mit zugewiesenen und zugestandenen Rechten und Pflichten verbunden ist, kann die StaatsbürgerInnenschaft6 auf eine kulturelle Ebene erweitert werden: »a strong ›sense of belonging‹ and of national identity that citizenship can provide« (Yuval-Davis 1997: 70). Wenn der Status der StaatsbürgerInnenschaft stärker auf die Zugehörigkeit zur nationalen Gemeinschaft bezogen wird, kann vermieden werden, dass Auseinandersetzungen um Zugang und Ausschluss auf der juristischen Ebene der Staatsangehörigkeit beschränkt bleiben. Für eine Erweiterung in diesem Sinne greift Nira Yuval-Davis auf eine Definition von Thomas H. Marshall zurück, nach dem StaatsbürgerInnenschaft einen Status bezeichnet, »mit dem all jene ausgestattet sind, die volle Mitglieder einer Gemeinschaft sind. Alle, die diesen Status innehaben, sind hinsichtlich der Rechte und Pflichten, mit denen der Status verknüpft ist, gleich« (Marshall 1992: 53). Da der Begriff der Gemeinschaft hier so weit gefasst ist, dass darin die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Gruppen aufgenommen werden kann, trifft dies nach Yuval-Davis auf solche Gemeinschaften zu, die sie als ›starke‹ Gemeinschaften bezeichnet, d.h. solche, die bestrebt sind, sich selbst zu erhalten. Im Gegensatz zu schwachen Gemeinschaften, deren Mitgliedschaft weitgehend freiwillig und eher temporär ist, ist die Zugehörigkeit zu starken Gemeinschaften Regulationen unterworfen und zeichnet sich durch eine gewisse Dauerhaftigkeit und Verbindlichkeit aus. Den Rückgriff auf die Konstruktion einer gemeinsamen Herkunft bzw. eines gemeinsamen Schicksals, um ihre Mitglieder zu bestimmen und an sich zu binden, teilen national und ›ethnisch‹ imaginierte Gemeinschaften.

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Homi Bhabha argumentiert mit Ernest Renans Artikel »What is a nation?« (1990), dass das ›Vergessen‹ bestimmter, in der Regel gewalttätiger historischer Ereignisse sowie der Historizität von Nationen ein konstitutives Moment in der Herstellung von Nationen darstellt (Bhabha 1990b: 310f; vgl. Hall 1993: 356; Brinker-Gabler 1995: 146/149). Die Erweiterung des Konzeptes ›StaatsbürgerInnenschaft‹ von der formalen Staatsangehörigkeit auf eine nationale Zugehörigkeit lässt sich in der englischen Sprache leichter nachvollziehen, da sich der Begriff citizenship weniger auf den Staat bezieht als das deutsche Wort ›Staatsbürger(innen)schaft‹ (vgl. Yuval-Davis 2001: 114, Anm. 53).

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Damit stellt sich aber die Frage, welche Positionen Angehörige der nationalen Gemeinschaft einnehmen, die keine ›vollständigen‹ Mitglieder dieser Einheit werden können oder wollen, die nicht in der dominanten Vorstellung der Nation aufgehen, who exist fully or partly in [...] ›the marginal matrix of society‹ and who, although they might share the myth of common origin of ›the community‹, do not share important hegemonic value systems with the majority of the population in sexual, religious and other matters and are therefore, at least partly, not part of the ›moral community‹ (Yuval-Davis 1997: 71).

Denn nicht nur juridische Regulationen, auch die Einhaltung von ›Werten und Normen‹, die häufig durch ungeschriebene oder Gewohnheitsgesetze verfügt werden, bestimmen die Positionierung in oder am Rande von Gemeinschaften, und ihre Nichtbeachtung kann den Ausschluss aus einer Gemeinschaft zur Folge haben. Kategorien sozialer Differenz bedingen nicht nur den formalen Status der Staatsangehörigkeit sondern auch den Zugang zu Rechten sowie zu sozialen, kulturellen, ökonomischen und politischen Einrichtungen. In jeder, selbst in der demokratischsten Gesellschaft gibt es Mitglieder, die aufgrund ihrer Positionierung innerhalb von Machtstrukturen nicht über die Möglichkeit oder Fähigkeit verfügen, ihre Rechte und Privilegien zu nutzen und einzufordern bzw. durchzusetzen. Um die Voraussetzung für eine gleichberechtigte, aktive StaatsbürgerInnenschaft denkbar zu machen, wäre es notwendig, soziale Bedingungen herzustellen, die theoretisch allen Mitgliedern die Möglichkeit einer aktiven Teilhabe an der Gemeinschaft ermöglichen. Unterschiede müssten benannt, Bedürfnisse berücksichtigt und jeweils mit Rechten versehen werden, die alle Menschen befähigen, ihre Rechte und Privilegien in Anspruch zu nehmen. Diese Vorgehensweise, nach der soziale Rechte an gesellschaftliche Bedürfnisse gekoppelt werden, dient einerseits der Verbesserung der Lebensqualität benachteiligter Gruppen. Andererseits erhält sie auch den sozialen Frieden und sorgt für ein möglichst reibungsloses Funktionieren der Gesellschaft, die somit in ihren Grundlagen unverändert erhalten und stabilisiert wird (vgl. Yuval-Davis 1997: 74ff).

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Vergeschlechtlichte Gemeinschaften: Nation, Ethnizität und Geschlecht Trotz der häufig offensichtlichen Brüche aufgrund geschlechtlicher Markierungen in den als allgemeingültig gedachten Konzepten von Nationalität und StaatsbürgerInnenschaft, wurde die Kategorie Geschlecht in Analysen und Theorien zu Nation und Nationalismus lange Zeit weitgehend ignoriert.7 Feministische Theoretikerinnen arbeiten daran, diese einschneidende Lücke zu füllen. Floya Anthias und Nira Yuval-Davis stellen in der Einleitung zu dem 1989 von ihnen herausgegebenen Sammelband »Woman – Nation – State« fest: We claim that central dimensions of the roles of women are constituted around the relationships of collectivities to the state. We also claim that central dimensions of the relationships between collectivities and the state are constituted around the roles of women (Yuval-Davis/Anthias 1989: 1).

Die Entwicklung des europäischen Nationenkonzeptes ist eng verbunden mit der Konstituierung moderner Subjekte und daher mit der Konstruktion der Geschlechterpolarität und den jeweils damit einhergehenden Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit. Der Nationalstaat ist als ›männlicher Raum‹ entworfen und berücksichtigt als männlich konstruierte Konzepte, Bedürfnisse, Funktionen und Handlungsmöglichkeiten. Bis vor nicht allzu langer Zeit war Frauen in den meisten Staaten das Wahlrecht verwehrt und Anne McClintock weist darauf hin, dass bis heute kein Nationalstaat der Welt Frauen und Männern dasselbe Maß an Zugang zu Rechten, Möglichkeiten und Ressourcen zugesteht. Dies sei ein Zeichen dafür, dass Nationalismen von jeher vergeschlechtlichte Diskurse seien, die ohne Auseinandersetzung mit Geschlechterpolitiken nicht vollständig erfasst werden können (vgl. McClintock 1996: 260f; de Lepervanche 1989: 53). Auch Birgit Sauter stellt in »Nationalstaat und Männlichkeit« fest, dass nationale (sozial)staatliche Regulierungen der kapitalistischen Ökonomie ganz spezifische Formen der Privilegierung von Männlichkeit waren und sind. 7

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Dies gilt auch für grundlegende Abhandlungen wie Gellner 1994; Hobsbawm 1990; Smith 1986 und 1995, sowie für Anderson 1991. Als Ausnahme sei George Mosse genannt, der in seiner Arbeit zu »Nationalismus und Sexualität« (1985) allerdings überwiegend die Rolle von Männlichkeiten in den Mittelpunkt stellt, ohne dies als intendierte Vorgehensweise zu benennen, und der die Konstruktion von Geschlecht unhinterfragt lässt (vgl. Yuval-Davis/Anthias 1989: 1; Yuval-Davis 1997: 1ff; Blom/Hagemann/Hall 2000: xv; Lake 2000: 159f; Castles/Davidson 2000: 121).

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Männlichkeit entsteht in norm- und institutionenbildenden Praxen von Männern und ist einerseits eine historisch sedimentierte Struktur bzw. Institution, andererseits eine Vielzahl kultureller und politischer Praktiken – ein ›doing masculinity‹ (Sauter 1999: 7).

Sie macht darauf aufmerksam, dass Männer in diesem nationalstaatlichen System auch ausgebeutet und unterdrückt werden, beispielsweise durch kapitalistische Arbeits- und Wirtschaftsordnungen, durch Klassenund Schichthierarchien sowie durch soziale Hierarchien anhand von Rassisierung und Ethnisierung. Andererseits sind sie jedoch durch den Gesellschafts- und Geschlechtervertrag institutionell abgesichert und an der Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen beteiligt. Ebenso sind Frauen nicht ausschließlich aufgrund ihres Geschlechtsstatus benachteiligt, sondern wirken an Machtverhältnissen entlang von Benachteiligungs- und Diskriminierungsstrukturen innerhalb des Nationalstaates mit (vgl. Yuval-Davis/Anthias 1989: 2). Trotz dieser ambivalenten Verortungen in sich durchquerenden Machtsystemen haben Weiblichkeiten und Männlichkeiten im Rahmen der Zweigeschlechtlichkeit wesentliche und vielschichtige Bedeutungen für die Konstruktion und Aufrechterhaltung von Nation, nationaler Identität und Nationalstaat. Im Folgenden möchte ich auf einige Aspekte dieser Verbindungen eingehen, die für meine Analyse der wechselseitigen Beziehung zwischen Nation, Geschlecht, Ethnizität und ihrer Repräsentationen von Bedeutung sind. Auf nationalstaatlicher Ebene gibt der Begriff der StaatsbürgerInnenschaft als spezifische Form und Kategorie der Juridifizierung vor, dass alle Menschen unabhängig von Herkunft, Kultur, Religion, Alter, Rassisierung, Geschlecht, Klassenlage, Sexualität, Wohnort, Fähigkeiten und Wissen etc. Mitglied eines Staates sind bzw. werden können und damit den gleichen Status sowie dieselben zivilen, politischen und sozialen Rechte und Pflichten haben. Die StaatsbürgerInnenschaft sei also von Kategorien gesellschaftlicher Differenzierung unbeeinflusst. In der Realität haben diese quer zur Staatsangehörigkeit verlaufenden Achsen der Ungleichheit sowie die stets mehrfache Verortung in ihnen jedoch sehr wohl Auswirkungen auf den Zugang sowohl zu einer nationalen Gemeinschaft als auch zu Rechten und Möglichkeiten innerhalb einer nationalen Gemeinschaft. Dabei war und ist die Kategorie Geschlecht äusserst wirkungsmächtig. Frauen hatten lange Zeit keinen ›selbst-verständlichen‹, eigenständigen Status hinsichtlich politischer Rechte und haben diesen teilweise bis heute nicht. Häufig galten bzw. gelten sie ihrem Vater oder Ehemann zugehörig, der sie im öffentlichen, d.h. politischen, juristischen, ökonomischen Bereich vertrat/vertritt. Somit ist der Status der StaatsbürgerInnenschaft für Frauen nicht an ihre eigene Person ge27

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bunden, sondern durch heteronormative, familiale Beziehungen zu Männern festgelegt (vgl. Yuval-Davis 1997: 68; Eley 2000: 31f; Anthias/ Yuval-Davis 1989: 2ff; Castles/Davidson 2000: 122; Wenk 2000: 65; McClintock 1996: 262f). Die Beziehung von Frauen gegenüber dem Staat wird durch ihre geschlechtliche Markierung ambivalent gestaltet. So gehören Frauen zwar der Gruppe aller BürgerInnen an, andererseits sind sie stets Regeln, Vorschriften und Politiken unterworfen, die sich ausschließlich an sie richten. Deren Auswirkungen in juristischen Bereichen wie Arbeitsgesetze, Regelungen des Familienstandes und Gesetzen zu Immigration, Aufenthaltsstatus und Staatsangehörigkeit können folgenschwere Konsequenzen haben, wie Nira Yuval-Davis feststellt: Women tended to be differentially regulated to men in nationality, immigration and refugee legislation, often being constructed as dependent on their family men and expected to follow them and live where they do (Yuval-Davis 1997: 24).

Dennoch, Frauen nehmen vielfältige, sich teilweise widersprechende Positionen in gesellschaftlichen Herrschaftsstrukturen ein. Diese bedingen, sich wechselseitig beeinflussend, ihre jeweiligen Rechte und Pflichten (vgl. Yuval-Davis 1997: 47/72f/91f; Lant 1996: 29f). Mit der Frage, was die jeweils gültigen Pflichten gegenüber dem Staat sind, und ob der Zugang zu Rechten an die Erfüllung bestimmter Pflichten gebunden sein soll, erwachsen weitere Verbindungen der Konstruktion von Geschlecht und sie durchquerender Kategorien mit der von StaatsbürgerInnenschaft. Yuval-Davis verweist darauf, dass die StaatsbürgerInnenschaft lange an den Besitz von Eigentum gebunden war und geht ausführlich auf die Pflicht von StaatsbürgerInnen zur Bereitschaft der ›Landesverteidigung‹ bzw. Kriegsteilnahme ein – die ebenfalls mit dem ökonomischen Status verbunden war und bis heute ist. Sowohl Besitz und ökonomischer Status als auch das Recht auf bzw. die Verpflichtung zu Militärdienst sind in weitem Maße vergeschlechtlichte soziale Faktoren.8 Ein ideologisches Moment, in dem sich die männliche Dominanzposition des Nationalismus darstellt, ist die Trennung der privaten und öffentlichen Räume,9 die mit der Konstruktion von Nation und Geschlech8

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Allerdings kann Yuval-Davis in ihrer Analyse nicht feststellen, dass es einen zwingenden Zusammenhang zwischen Militärdienst von Frauen und einem Erhalt ihrer vollständigen Staatsbürgerinnenschaft gäbe (vgl. Yuval-Davis 1997: 114/88ff/93ff; Wenk 2000: 65). Diese Trennung ist ideologisch bzw. imaginiert, da in Lebensrealitäten immer auch Frauen Positionen, seien es legitime oder illegitime, in öffentli-

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terpolarität parallel läuft. Dabei werden Frauen – mit dem Verweis auf ihre Funktion als Gebärerin und Mutter – aus dem öffentlichen Bereich ausgeschlossen und in den privaten des Hauses und der Familie verwiesen, der als weitgehend von der politischen Handlungs- und Entscheidungsmacht ausgenommen konstruiert wird. Yuval-Davis sieht diesen Ausschluss als integralen Bestandteil des Gesellschaftsvertrages, der Männern die Teilhabe an der demokratischen Machtverteilung zusichert. Damit ist die ideologische Abgrenzung des Öffentlichen vom Privaten an sich schon eine politische Handlung. Denn in beiden Bereichen gibt es zwar je spezifische Machtdynamiken, es existieren aber auch weitreichende wechselseitige Beziehungen zwischen Staat und Familie. Lebensbedingungen im privaten Raum werden auch von Ideologien und Praktiken der öffentlichen/politischen Sphäre beeinflusst, beispielsweise durch Gesetze zu Ehe und Familienstand oder in der Einwirkung auf Kranken- und Altenpflege, Kinderbetreuung, Versorgung, Erziehung etc. Umgekehrt wirken bestimmte Familien aufgrund ihres ökonomischen bzw. sozialen Status auf Staatspolitiken ein.10 Eine abstrakte Aufspaltung gesellschaftlicher Strukturen in einen öffentlich-politischen und einen privaten Bereich erweist sich als verfehlt. Sie ist sogar äußerst suspekt, da Bedeutungen sowie Auswirkungen beider Sphären nicht ahistorisch und unveränderlich sind, sondern fortwährend neu definiert und arrangiert werden und dabei sowohl geschlechtsals auch kulturell spezifisch sind. Dies verdeutlicht sich gerade dort, wo politische und private Strukturen sich durchqueren, beispielsweise in der Kinderbetreuung, Erziehung und Ausbildung, Ehe und Trennung, in Einrichtungen wie Frauenhäuser, Kinder- und Jugendschutzstellen. Die geschlechtsspezifischen Auswirkungen dieser Aufteilung in öffentliche und private Räume können sich auf die Erfahrungen von Frauchen Räumen eingenommen haben, wie auch Männer keineswegs aus dem privaten Bereich ausgeschlossen sind (vgl. Nierhaus 1999: 93ff; Roller 2001: 253). 10 Statt einer bloßen Zweiteilung in politischen und privaten Bereich schlagen Floya Anthias und Nira Yuval-Davis daher den Einbezug eines dritten vor, der Zivilgesellschaft, deren Wirkungsrahmen sie wie folgt beschreiben: »Civil societies include those institutions, collectivities, groupings and social agonies which lie outside the formal rubric of state parameters as outlined but which both informs and is informed by them. This includes the family, social strata, ethnic and national groupings to note some of the most significant, as well as institutions like those of education, trade unions and the means of communication like the media. These produce their own ideological contents as well as being subjected to those of the state. [...] Again, different forms of the state and different historical and regional differences exist worldwide in this respect« (Yuval-Davis/Anthias 1989: 5f; vgl. Yuval-Davis 1997: 80f/91f). 29

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en als Benachteiligung auswirken, die sich darauf begründen, was von staatlicher Seite als ›kulturelle Bedürfnisse‹ oder Traditionen einer Gemeinschaft entweder dem Privaten oder dem der politischen Einflussnahme zugeordnet wird. Die Diskrepanz zwischen beiden Bereichen verschärft sich in Staaten mit multikulturalistischer Regierungspolitik, in denen kulturelle Gemeinschaften und ihre Traditionen explizit anerkannt und in ihrer Weiterführung gefördert werden. Der Staat unterscheidet zwischen ›elementaren‹ Bedürfnissen, die durch staatliche Politiken reguliert und befriedigt werden müssen und ›kulturellen‹ Bedürfnissen, deren Erfüllung in die ethnisierten Gruppen, d.h. in die als privat konstituierte Domäne verwiesen wird. Daraus ergeben sich zweierlei Rahmenbedingungen, in denen Rechte und Pflichten definiert und begrenzt werden. Einerseits die ›politischen‹ Ansprüche einer ethnisierten Gruppe gegenüber dem Staat, andererseits die kulturellen, ›privaten‹ innerhalb der Gruppe, auf die staatliche Stellen vorgeblich keinen Einfluss ausüben. Diese gruppeninternen Strukturen können dazu führen, dass Gruppenmitglieder im Namen von Kultur und Tradition benachteiligt und unterdrückt werden. Der multikulturalistischen Anerkennung ›ethnischer‹ Gemeinschaften liegt damit die Gefahr inne, dass durch die Re-Konstruktion festgelegter kultureller Grenzen Differenzen innerhalb von Gruppen unterdrückt und inhärente Machtpositionen aufrechterhalten werden (vgl. Yuval-Davis 1997: 77f). Obwohl der Familienraum als privat und von der öffentlichen, politischen Sphäre isoliert gesehen wird, wurden und werden Nationen als – erweiterte – Familien- bzw. Verwandtschaftsbeziehung beschrieben: Ein Vaterland mit Muttersprache, die Familie der Nation und der Nationen, die Brüderlichkeit ihrer Bürger (sic). Diese ›Familiarisierung‹ unterstützt die Bestrebung einer Naturalisierung der Nation und der Beziehung zu ihr, indem sie eine Verbindung zu Geschlechter- und Familienbeziehungen herstellt, die als naturgegeben verstanden werden. Durch ihre vergeschlechtlichten Diskurse legitimiert diese Naturalisierung die Zuweisung von privater und öffentlicher Sphäre an Frauen bzw. Männer sowie die darin eingeschriebene, scheinbar ›natürliche‹ Arbeitsteilung. Damit werden nicht nur patriarchale und heteronormative Strukturen überbrachter Familienkonstellationen re-konstruiert. Die ›natürliche‹ Unterlegenheit von Frauen gegenüber Männern sowie von Kindern gegenüber Erwachsenen ermöglicht auch die Naturalisierung sozialer Machtpositionierungen innerhalb der nationalen Gemeinschaft. Dies gilt explizit für die Festschreibung von Frauen in unterlegene Positionen, ermöglicht aber auch die Legitimierung der Vorherrschaft dominanter Gruppen, denen durch die Bewertung marginalisierter Mitglieder der Gemeinschaft als ›kindlich‹, d.h. weniger entwickelt, unselbständig und 30

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verantwortungslos, quasi-natürliche ›Führungsqualitäten‹ zugeschrieben werden. Die Übertragung von Geschlechts- und Verwandtschaftskonstruktionen auf nationale Diskurse sowie ihre Verwendung zur Re-Produktion von Machtpositionen lässt sich als Indiz dafür sehen, dass diese Rhetoriken die einer von Männlichkeit dominierten Gesellschaftsordnung sind und der Legitimierung der Herrschaftspositionen von Männern dienen (vgl. Wenk 2000: 66f; Brinker-Gabler 1995: 147). Die ›Natürlichkeit‹ von Geschlecht und Genealogie durchdringen auch Diskurse der Historizität von Nation und damit ihrer Re-Produktion. Häufig wird auf den von Tom Nairn geprägten Begriff der Janusköpfigkeit der Nation – the modern Janus – verwiesen, der beschreibt, wie die Nation sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft blickt: Einerseits berufen sich Nationen in der Regel auf einen Ursprung in mythischer Vorzeit, andererseits sind sie durch den Glauben an und Wunsch nach Fortschritt in eine unendliche Zukunft gerichtet.11 Diese Diskrepanz lässt sich im Rahmen der Geschlechterpolarität auflösen, wie Anne McClintock ausführt: Women are represented as the atavistic and authentic body of national tradition (inert, backward-looking and natural), embodying nationalism’s conservative principle of continuity. Men, by contrast, represent the progressive agent of national modernity (forward-thrusting, potent and historic), embodying nationalism’s progressive, or revolutionary, principle of discontinuity. Nationalism’s anomalous relation to time is thus managed as a natural relation to gender (McClintock 1996: 263).

Nationen werden also als ›immerwährend‹ imaginiert, indem auf einen scheinbar natürlichen wie vergeschlechtlichten linearen Zeitablauf zurückgegriffen wird, der durch Genealogie einen natürlichen Ursprung und eine ins Unendliche gerichtete Zukunft versichert. Die konstruierte Natürlichkeit von Genealogie als einer konstruierten und als genuin gedachten Generationenfolge stellt einen weiteren, scheinbar unhinterfragbaren Zusammenhang von Geschlecht und Nation her, den der ›biologischen Reproduktion‹ einer nationalen Gemeinschaft. Zwar gibt es, abhängig vom Grad der Abgeschlossenheit einer Gruppe, mehr oder weniger Möglichkeiten, einer Gemeinschaft beizutreten, häufig ergibt sich die Mitgliedschaft jedoch durch die Geburt. Diese Gegebenheit re-produziert die Vorstellung eines gemeinsamen Ursprungs und einer ungebrochenen (genealogischen) Entwicklung, auf die sich als national – oder ›ethnisch‹ – konstruierte Gemeinschaften häufig 11 Nairn 1977, zitiert nach McClintock 1996: 263. Diese ›Doppelsichtigkeit‹ setzt ein Verständnis von Zeit als linear fortschreitend voraus. 31

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berufen. Weiterhin unterstützt diese Vorstellung die Naturalisierung kultureller Attribute durch die Verbindung zu einer ›biologischen‹, ›nationalen Herkunft‹. In parallel verlaufenden Diskursen der Genealogie, sowohl der familialen als auch der nationalen, wird Abstammung auf den Moment der Befruchtung zurückgeführt und nicht als Ergebnis einer längeren sozialen Beziehung – zwischen Kind und Eltern, zwischen BürgerInnen und Nation – verstanden. Frauen kommt in diesem Gefüge eine zentrale Rolle zu. Zwar ist die Zugehörigkeit zu einer national oder ›ethnisch‹ konstruierten Gemeinschaft sehr häufig patrilinear, d.h. von der väterlichen Seite festgelegt. Dennoch gelten Frauen – als Mütter im biologischen wie sozialen Sinne – als diejenigen, die eine Gemeinschaft hervorbringen und fortbestehen lassen. Dies gilt insbesondere für Gemeinschaften, deren Gruppengrenzen wenig durchlässig sind und die dies durch biologistische Argumentation legitimieren, beispielsweise Nationalstaaten, deren Staatsangehörigkeit nach dem Prinzip des jus sanguinis geregelt ist (vgl. Yuval-Davis 1997: 26ff; Castles/Davidson 2000: 122; Balibar 1992: 71). Da in einer solchen Gemeinschaft allein die ›biologische Herkunft‹ die ›vollgültige Mitgliedschaft‹ verleiht, erhält die Kontrolle über Ehe, Fortpflanzung und Sexualität eine besondere Bedeutung.12 Dieser Kontrolle werden Frauen, entlang patriarchaler Machtstrukturen, in besonderem Maße unterworfen, und zwar sowohl von familialer als auch von staatlicher Seite. Die Regulierung reproduktiver Rechte von Frauen, nach der diese dazu angehalten oder gezwungen werden je nach vorherrschender Ideologie mehr oder weniger Kinder zur Welt zu bringen,13 deutet Nira Yuval-Davis als Zeichen dafür, 12 Spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind Bevölkerungspolitik und die Entwicklung der Nationalstaaten eng miteinander verbunden. In diesem Zusammenhang steht auch die Etablierung der Kleinfamilie als dominante Form der Lebensorganisation, die mit dem Aufschwung des Nationalismus in Europa parallel verläuft (vgl. Mosse 1985: 29f; Wobbe 1994: 181; Laqueur 1996). Ebenfalls zeitgleich verlief die Konstruktion und Durchsetzung des Diskurses der Geschlechterpolarität und damit der Heteronormativität. In diesen wird Geschlechtlichkeit, das ›Haben eines Geschlechts‹, stets in Verbindung mit emotionalen und sexuellen Beziehungen zum anderen Geschlecht gedacht und hergestellt. Das bedeutet, dass Geschlecht durch Geschlechterbeziehungen konstruiert wird, die wiederum durch Normen und Gesetze reguliert sind. Gleichgeschlechtliche Beziehungen unterliegen dabei einer strengen Reglementierung, Tabuisierung bzw. Verboten, die teilweise in Institutionalisierungen aufgefangen werden (vgl. Mosse 1985: 34ff/128ff). 13 Yuval-Davis erweitert den Begriff ›reproduktive Rechte‹ als Sorge »no longer just about family planning and contraceptive services but about reproductive health. This would also encompass maternal and child care and the prevention of cancer and sexually transmitted diseases« (Yuval-Davis 1997: 35). Weiterhin verweist sie auf die Verknüpfung der an Geschlecht 32

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dass Frauen als Besitz des Staates betrachtet werden.14 Aber auch hier gilt, dass reproduktive Rechte sowie das Ausmaß und die Ausrichtung staatlicher Interventionen niemals für alle Frauen gleich sind. Sie sind stets abhängig von anderen sozialen Kategorien, denn in verschiedenen Diskursen um Bevölkerungsentwicklung geht es nicht ausschließlich um die Zahl der Gesamtbevölkerung innerhalb einer Nation, es ist immer auch das Ziel der dominanten Bevölkerungsgruppe ihre Machtposition quantitativ zu sichern. Ethnisierung spielt neben Rassisierung, der Beurteilung von Gesundheit bzw. körperlicher und geistiger Produktivität und Klassenlage als Kategorie der Differenzierung in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Die sozial und kulturell determinierten Unterschiede reproduktiver Rechte verdeutlichen, dass sich ›biologische‹ und ›kulturelle‹ Reproduktion nicht strikt voneinander trennen lassen. Nira Yuval-Davis schreibt: [A]ll so called natural biological reproduction takes place in the specific social, political and economic contexts which construct it. A variety of cultural, legal and political discourses are used in constructing boundaries of nations (Yuval-Davis 1997: 26).

Daher ist auch die Zugehörigkeit – oder Zuweisung – zu einer nationalen oder ›ethnischen‹ Gemeinschaft nur scheinbar durch ›biologische Abstammung‹ determiniert, tatsächlich ist sie stets von kulturellen, d.h. von der Gruppe produzierten Regeln und Vorschriften bestimmt. Diese finden häufig in religiösen bzw. moralischen Diskurse statt, die durch ihre ideelle, über die Juridikative hinausgehende Gesetzgebung starken Druck auf ihre AnhängerInnen ausüben und dadurch hohe Wirkungs-

gebundenen reproduktiven Rechte und (Zwangs-)Maßnahmen in Bezug auf Genforschung und -technik, Reproduktionsmedizin, vorgeburtliche Diagnostik sowie Transplantationsmedizin (vgl. Yuval-Davis 1997: 28f; Bock von Wülfingen 2001). Zur politischen Einflussnahme auf die reproduktiven Rechte von Frauen verschiedener Herkünfte in Australien siehe de Lepervanche 1989. 14 Die Einflussnahme kann sich in vorgeschriebenen Familiengrößen, Verbot oder Zwangsvergabe von Verhütungsmitteln, Abtreibungsverbot oder Zwangsabtreibung, Zwangssterilisation sowie der Bestrafung bei Nichtbeachtung oder Verstößen gegen Verfügungen äußern. Vorschriften zur Familienplanung wirken sich teilweise auch in Infantiziden (›Säuglingsmord‹) aus. Bevölkerungspolitiken sind nicht auf die internen Politiken einzelner Nationalstaaten beschränkt sondern werden von Staatenverbänden als ›Weltpolitik‹ geführt und durch Maßnahmen der ›Entwicklungshilfen‹ sanktioniert (vgl. Yuval-Davis 1997: 26ff; zu Australien de Lepervanche 1989: 49ff.) 33

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

mächtigkeit erlangen können.15 Insbesondere weibliche Verhaltensweisen – die oft an Bewertungen von sexueller Freizügigkeit bzw. Restriktion gebunden sind – unterliegen einer starken Kontrolle solcher Regulative, die dazu beitragen sollen, die Reproduktion innerhalb der eigenen Gruppe zu gewährleisten. Da die Zugehörigkeit zu einer kulturellen Gruppe meist patrilinear determiniert ist, ist es notwendig, die ›Abstammung‹ eines Kindes auf väterlicher Seite sicherzustellen. Während die leibliche Mutter eines Kindes fast immer bekannt ist, kann ein Mann – ohne genetischen Vaterschaftstest – selten Gewissheit haben, ob seine Kinder tatsächlich ›seine eigenen‹ sind.16 Diese Verbindung zwischen Vätern und Kindern ist innerhalb der Familiengenealogie von Bedeutung, da Besitz sowie sozialer Status meist ebenfalls patrilinear vererbt werden. Aber auch für die Gemeinschaft wird es, abhängig vom Grad ihrer Abgeschlossenheit, als notwendig erachtet, sich vor ›fremdem Blut‹ oder ›fremden Genen‹ zu ›schützen‹, und ›gemischte‹ Elternschaften aus verschiedenen kulturellen Gruppen zu verhindern, um die Konstruktion einer durchgängigen Genealogie und damit einer beständigen, kulturell abgeschlossenen Entwicklung aufrechterhalten zu können. Daher sind Strafen für Frauen, die außerhalb der Ehe oder außerhalb der legitimen Gruppengrenze schwanger werden, häufig sehr hart (vgl. YuvalDavis 1997: 36f). Aufgrund der Bedeutung, die Frauen als Personen und Weiblichkeit als soziale und kulturelle Konstruktion und (ideale) Vorstellung in der Re-Konstruktion wie auch in der biologischen Reproduktion einer nationalen Gemeinschaft auferlegt wird, ist es angebracht, nach der Funktion zu fragen, die Frauen in der kulturellen Reproduktion einer Gemeinschaft einnehmen. Denn kulturellen Aspekten kann in der Herstellung einer Gemeinschaft je nach spezifischer Situation sogar größere Bedeutung zukommen als die Vorstellung einer ungebrochenen genealogi15 Diese bemühen sich insbesondere auch um die Regulierung der Zugehörigkeit von Kindern, deren Eltern unterschiedlich definierten Gruppen angehören, da sich hier Zugangs- und Ausschlussmechanismen durchqueren (vgl. Yuval-Davis 1997: 27ff). 16 Ich beziehe mich hier ausschließlich auf Familienkonzepte, nach denen die stärkste Verbindung zwischen Mutter, Vater und deren ›Eigen-Gen‹-Kindern gilt. Die jeweiligen Vorstellungen von Verwandtschaftsverhältnissen müssen als kulturelle Konstruktionen verstanden werden, die sich in abendländischen, ›aufgeklärten‹ Kulturen auf Konstruktionen von ›Biologie‹ stützen und darüber naturalisiert werden. Den Begriff ›Eigen-Gen‹Kind, der sich von einer Benennung ›biologischer‹ bzw. legitimer/illegitimer Kinder abgrenzt, entleihe ich einem Vortrag von Bettina Bock von Wülfingen, »Homoliebe macht schwanger: Iksi Klon und Gynogen«, gehalten an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg, 13.11.2002. Siehe auch Bock von Wülfingen 2006. 34

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schen Entwicklung; beide Bereiche stehen jedoch stets in Zusammenhang und beide weisen Bezüge zur Kategorie Geschlecht auf. In der Regel wird Frauen die Aufgabe des Erhalts und der Weitergabe von Kultur, Traditionen, Symbolen und Sprache zugewiesen, was insbesondere an ihre ›Bestimmung‹ als Mutter und Erzieherin (kleiner) Kinder gekoppelt ist. Kultur zu bewahren und fortzuführen ist mit der Zuweisung des häuslich-familiären Bereichs an Frauen verbunden. Ihnen ist damit auch die Gestaltung des Innenraums in einem spezifischen kulturellen Stil übertragen. In diesem Rahmen nehmen alltagskulturelle Äußerungen wie die Verwendung und Zubereitung bestimmter Lebensmittel, Speisen und Getränke, Kleidung, die Einhaltung religiöser Vorschriften und Feste, Raumnutzung, Kunsthandwerk aber auch Haushaltsführung eine wichtige Rolle ein. Insbesondere älteren Frauen wird in der als privat definierten Sphäre durch ihre Funktion als Reproduzentinnen von Kultur ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Macht zugestanden, unter anderem die, über ›adäquates‹ und ›unangemessenes‹ Verhalten und Auftreten zu entscheiden. Damit übernehmen sie die Kontrolle über andere, namentlich über andere Frauen und sind aktiv an der Re-Produktion von Geschlechterrollen sowie an Unterdrückungsstrukturen beteiligt (vgl. Yuval-Davis 1997: 37; Brinker-Gabler 1995: 147). Durch Vorschriften über geschlechteradäquates Verhalten sind Frauen meist strikten Regulierungen unterworfen, die festlegen, was es bedeutet, eine ›richtige Frau‹ zu sein (vgl. Yuval-Davis/Anthias 1989: 10).17 Denn Frauen stehen als Repräsentantinnen für eine Gemeinschaft und die Kontrolle weiblicher Handlungen stellt sicher, dass die kulturelle Ordnung in ›gebührender‹ Weise repräsentiert wird. Weibliches Fehlverhalten, das auf Brüche dieser Ordnung hinweisen könnte, wird als ›Schande‹ für die Gemeinschaft – oder für die Familie als Kerngruppe der Gemeinschaft – verstanden und bestraft. Dabei ist das Maß an Restriktion oder Freizügigkeit in Verhaltensweisen – dazu zähle ich auch Kleidungsvorschriften – historisch und nie kontext-unabhängig zu sehen. Sie können als Zeichen des Wandels oder der Fixierung von Kultur und Tradition gelesen werden. Die Kontrolle von Weiblichkeit kann insbesondere dann relevant werden, wenn unterschiedliche kulturelle Normen über legitime und illegitime Geschlechterrollen, Verhaltensweisen und Geschlechterbeziehungen aufeinander treffen, beispielsweise in einem multikulturalistischen Kontext. In diesem Fall kann die Kontrolle über weibliches Verhalten dazu genutzt werden, die Grenzen einer 17 Selbstverständlich liegen immer auch Definitionen von ›richtiger‹ Männlichkeit vor. Diese sind jedoch aufgrund der verschiedenen Positionen innerhalb eines Machtgefüges anderen Regulativen unterworfen (vgl. Mosse 1985). 35

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

Gruppe zu definieren (vgl. Yuval-Davis 1997: 23; Castles/Davidson 2000: 123f). ›Krisensituationen‹, in denen sich einzelne Mitglieder oder die Gemeinschaft als vorgestelltes Ganzes von Außen bedroht fühlen, führen häufig dazu, dass kulturelle Praktiken und ihre Kontrolle rigider durchgeführt werden (vgl. Yuval-Davis 1997: 46; Gledhill/Swanson 1996: 11). Das bedeutet, dass sich die Verbindung von Weiblichkeit und Gemeinschaft in Krisensituationen, beispielsweise in Positionen gesellschaftlicher Minorisiertheit, in kulturellen und sozialen Repräsentationen intensiviert. Häufig wird sich des weiblichen Körpers bedient, um die Gefährdung des ›Gemeinschaftskörpers‹ darzustellen, wobei dieses Beziehungssystem von Weiblichkeit und Gemeinschaft heteronormativ strukturiert ist und in Wechselbeziehung zu einer Ordnung vergeschlechtlichter Gewalt steht, die den weiblichen Körper als verletzungsoffen konstruiert (vgl. Wobbe 1994; Gatens 1995: 46ff). Diese Verletzungsoffenheit entsteht insbesondere dadurch, dass der weibliche Körper als ›vergewaltigbar‹ verstanden wird. Theresa Wobbe argumentiert in »Die Grenzen der Gemeinschaft und die Grenzen des Geschlechts«, durch die enge Verbindung von Weiblichkeit und Gemeinschaft werde auch die Gemeinschaft in der Androhung und Ausübung von Vergewaltigung als verletzlich konstruiert: Die Verletzungsoffenheit der Gemeinschaft und die des weiblichen Geschlechts hängen damit zusammen, dass Frauen in spezifischer Weise für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Gesellschaft bedeutsam sind. Diese Gruppe sichert die Reproduktion der Gesellschaft über ihre körperliche Reproduktionsleistung, und sie ermöglicht deren soziokulturelle Tradierung (Wobbe 1994: 193).

Das bedeutet, dass in der Konstruktion beider ›Körper‹ die jeweiligen Grenzen durch Eindringen bzw. Penetration verletzt werden können, wobei der weibliche Körper die Grenzen der Gemeinschaft markiert. Frauen stehen aber nicht nur in Kriegszeiten als Repräsentationen für eine kulturelle Ordnung. Weibliche Figuren werden in vielen Fällen benutzt, um die nationale oder ›ethnische‹ Gemeinschaft zu ›verkörpern‹: Mütterchen Russland, Mutter Polin, Mother England, Germania und die Marianne stehen als Allegorien für das ›unfassbare‹ Konstrukt der Nation.18 Durch diese Verwendung allegorischer Darstellungen wird ›nationaler Weiblichkeit‹ eine ambivalente Position zugewiesen. Einerseits 18 Auffallend häufig ist die Verwendung der Mutter-Figur als Allegorie (vgl. Wenk 2000: 65ff; Eley 2000: 32f; McClintock 1996: 261ff; Castles/ Davidson 2000: 121; Yuval-Davis 1997: 23/39ff; Wenk 1995/1990. 36

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sind Frauen Teil der jeweiligen Gruppe, andererseits werden sie durch ihre Idealisierung aus der vorgestellten Norm der Gruppe herausgestellt. Wie Nira Yuval-Davis schreibt: »In this sense the construction of womanhood has a property of ›otherness‹« (Yuval-Davis 1997: 47). Dieses weibliche Andere bezeichnet eine potentielle Gefährdung für die Normalität der Gemeinschaft und legitimiert den Ausschluss von Frauen aus dem Raum politischer Handlungsmacht.19 Andererseits ermöglicht der Status des Anderen erst, Weiblichkeit als ahistorisch zu erachten und auf eine Ebene des Symbolischen zu erheben. Denn es sind nicht reale, historische, handelnde Personen weiblichen Geschlechts sondern allegorische Bilder, die auf Ideale verweisen und die Gesamtheit einer nationalen oder ›ethnischen‹ Gruppe repräsentieren.20 Sie stehen »in the iconography of the modern, in which ›higher‹ values – precisely those values that are regarded as universally binding – are represented, above all, through images of femininity« (Wenk 2000: 70). Die seit der Aufklärung konstruierte Nähe des Weiblichen zur Natur – im Gegensatz zur Männlichkeit des Zivilisatorischen, Kulturellen – erlaubt über die weibliche Repräsentation von Nation eine Naturalisierung der Nation selbst (vgl. Wenk 2000: 63). Diese ›Naturnähe‹ des Weiblichen ermöglicht die direkte Gleichsetzung von Frau und Natur bzw. Landschaft, die in der (weißen/europäischen) Repräsentation Australiens bedeutungsvoll wird. Während Maskulinität als aktives Prinzip Mobilität, also die Bewegung im Raum ›verkörpert‹, »geriet die Frau zur Liegenden oder Liegenschaft, zur Immobilie und zum Heim. [Die Frau] wird als unbeweglicher Raum gedacht, als Geworfenes und Passives, ist nun prädestiniert zur Unterwerfung« (Koch 2000: 83; vgl Klinger 1990: 74/79), wie auch die Natur bezwungen werden muss. Mit der Entfernung des betrachtenden Subjekts von dem betrachteten Objekt entwickelt sich aus Natur das Konzept der

19 »Women are typically constructed as the symbolic bearers of the nation, but are denied any direct relation to national agency« (McClintock 1996: 261). 20 Silke Wenk bezeichnet eine solche ›Verkörperung‹ als Allegorie: »The female personification is a special form of the ›allegory‹, that is, of an artistic method to say or present something ›in another way‹. Especially what is not visible and cannot be directly represented by an image, like values, principles, or institutions, is by allegories presented through translation or transformation into another semantic field. One form is the narrative presentation of a principle through exemplary and possibly fictional actions. Another form is the representation by a human figure, the ›personification‹ by a figure and this figure is – that has to be emphasized – in the modern era more and more and dominantly a female figure« (Wenk 1995: 228). 37

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

Landschaft. Diese Blickstruktur wiederholt sich im vergeschlechtlichten Sehen, das dem männlichen Betrachter einen aktiven, distanzierten Blick zugesteht, während die Frau in der passiven Position der Gesehenen verbleibt.21 In der Abgetrenntheit zum – maskulinen – Subjekt werden sowohl Weiblichkeit als auch Landschaft zum Anderen. Beide Konzepte fallen dabei der Passivität anheim, werden zum Abstrakten, Repräsentierten und können sich wechselseitig repräsentieren. Wie Angela Koch in »Geografisierung des Frauenkörpers« feststellt, werden sie quasi zu einem ›Körper‹: Gemeinsam ist der Landschaft wie der Frau, dass sie ein fast unbegrenztes Reservoire an Umgangsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Frauen und Landschaften können gleichzeitig ausgebeutet und sentimentalisiert werden, sie können zerstört und ästhetisiert werden. Sie können als Mutter verehrt und als Hölle verdammt werden. Landschaften und Frauen unterliegen den Prozessen der Rationalisierung ebenso wie denen der Idealisierung. Der ›jungfräuliche Boden‹ einer Landschaft lässt sich ›beackern‹ und die ›Früchte des Mutterleibes‹ können ›geerntet‹ werden. Weibliche Sexualbilder werden auf das Land übertragen und die Landschaft selbst gerät zum Sexualobjekt (Koch 2000: 85).

Im Kontext einer australischen nationalen Identität und der Repräsentation Australiens spielt die Gleichsetzung von Landschaft und Weiblichkeit eine wichtige Rolle. So fehlen aktive Frauenfiguren in den nationalistischen Erzählungen um 1900 fast völlig: die handelnden Subjekte sind männlich, Weiblichkeit kehrt als metaphorische Darstellung in der Landschaft wieder. Dies manifestiert sich in der Feminisierung des neuen, ›jungfräulichen‹ Landes, das es zu erobern, sich anzueignen und gefügig zu machen gilt und das sich so von ›Mother England‹ unterscheidet und löst. Doch wie erfolgte der Ablösungsprozess Australiens von der britischen Kolonie hin zu einem multikulturalistischen Nationalstaat? Wie lässt sich ein Konzept von Nation, das auf gemeinsame kulturelle Wurzeln zurückgreift, auf eine multikulturelle Gesellschaftsstruktur hin verändern?

21 Laura Mulvey nennt diese Position bzw. Funktion der Frau ›to-be-lookedat-ness‹ (Mulvey 1975: 11.) 38

Au s tralie n: eine multik ulture lle na tiona le Ge me insc ha ft?

Um die Konstruktion von Nation und Gemeinschaft im spezifischen Kontext Australiens zu skizzieren, beginne ich mit einem Abriss der Geschichte Australiens seit der Inbesitznahme durch das britische Empire, bevor ich Veränderungen und Debatten um das Konzept einer multikulturalistischen Nation näher darstelle. Mein Augenmerk liegt dabei auf Fragen der Herstellung einer nationalen Identität und ihrer historischen Veränderung, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung zu einem multikulturellen Nationenkonzept mit multikulturalistischer Regierungspolitik.

Entwicklungen Obwohl in Europa das Vorhandensein einer Terra Australis incognita, einer größeren Landmasse im Südpazifik spätestens seit dem 16. Jahrhundert vermutet wurde, und Abel Tasman sowie William Dampier im 17. Jahrhundert Teile des Kontinents sichteten und betraten, lässt sich der Beginn der weißen/europäischen Geschichte Australiens mit der Inbesitznahme für die Britische Krone durch James Cook im Jahre 1770 festlegen. Das Interesse des britischen Empires an seinem neuen Besitz war jedoch zunächst gering, bis der Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zum Verlust der nordamerikanischen Kolonien führte. Nun wurde nach neuen Möglichkeiten gesucht, unliebsame Elemente wie (Klein-) Kriminelle und RegierungskritikerInnen aus Großbritannien abzuschieben. Mit den Schiffen der first fleet, die im Januar des Jahres 1788 die

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FILM UND MULTIKULTURALISMUS

ersten britischen Strafgefangenen sowie deren Aufsichtspersonal nach Australien brachten, begann die Geschichte als Strafgefangenenkolonie, die bis in das Jahr 1868 andauerte. In dieser Zeit wurden ca. 160.000 Sträflinge, Frauen wie Männer, nach Australien deportiert. Seit 1793 kamen auch freie SiedlerInnen in die neuen Kolonien. Durch die Definition Australiens als terra nullius – als unbesiedeltes bzw. unbewohntes Land – bei seiner Aneignung durch Großbritannien wurde die mindestens 50.000-jährige, kulturell höchst differenzierte Geschichte der indigenen AustralierInnen für lange Zeit verleugnet.1 Den bisherigen BewohnerInnen wurde der Status des Menschlichen abgesprochen, was ihre Diskriminierung und Ermordung legitimierte. Mit der zunehmenden Landnahme erfolgte die fortschreitende Vertreibung und versuchte Ausrottung der Aboriginal People durch Kriege, Massaker, eingeschleppte Krankheiten sowie den Entzug von Lebensgrundlagen. Nach 1900 erfolgten keine aktiven Maßnahmen zur systematischen Vernichtung der indigenen AustralierInnen mehr, sie wurden als ›sterbende Rasse‹ (dying race) nurmehr verwaltet. Bis in die 1950er Jahre war es gängige Praxis, Kinder mit einem Aboriginal Elternteil von dieser Familienseite zu trennen und in Heime, Missionen oder weiße/europäische Adoptiv- bzw. Pflegefamilien zu geben. Der Forderung nach einer offiziellen Entschuldigung für die stolen generation wurde erst nach dem Regierungswechsel im Februar 2008 von Kevin Rudd, dem Premierminister der Australian Labor Party entsprochen (vgl. Strohscheidt 2002: 76f; Yuval-Davis 1997: 54; Lake 2000: 168).2 Die Unterdrückung 1

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Die indigene Bevölkerung, d.h. Personen, die als Aboriginal und Torres Strait Islanders beurteilt wurden, galten als ›Mündel‹ des Staates bis sie 1967 Staatsbürgerschaftsrechte erhielten (vgl. Strohscheidt 2002: 77f). Der Begriff Aborigines wird von indigenen AustralierInnen weitgehend als diskriminierend abgelehnt, da er eine Bezeichnung der weißen/europäischen KolonisatorInnen darstellt. Als Überbegriff für die verschiedenen indigenen Kulturen des australischen Festlandes sowie der Inseln zwischen der Nordküste und Papua Neu-Guinea in der Torres Strait verwende ich ›indigene AustralierInnen‹ oder ›Aboriginal People/s‹ – die adjektivische Verwendung mit großem ›A‹ wird akzeptiert. In Australien setzt sich zunehmend eine sprachliche Ausdifferenzierung auch im offiziellen Diskurs durch. Neben der Nennung der Torres Strait Islanders werden teilweise regionale und überregionale Bezeichnungen gewählt: Murri (Osten), Koori (Südosten), Nanga (Süden), Nyungar (Südwesten), Wonghi (Westen) (vgl. Jackson/Sullivan 1999: 23f, Anm. 9/6ff). Zur Konstruktion eines ›jungfräulichen Landes‹ in Diskursen des Kolonialismus siehe WehrheimPeuker 2001: 166. Die Regisseurin Tracey Moffatt setzt sich in ihren Filmen mit diesem Thema auseinander, und auch der im Jahr 2002 von Phillip Noyce gedrehte Spielfilm RABBIT-PROOF FENCE (dt.: LONG WALK HOME) behandelt die ›stolen generation‹ (vgl. Arnold 2003: 23ff).

AUSTRALIEN: EINE MULTIKULTURELLE NATIONALE GEMEINSCHAFT?

und Diskriminierung der Aboriginal People, die im Jahr 1967 volle BürgerInnen-Rechte erhielten, besteht weiter. Daran änderte das MaboUrteil von 1992 nur wenig, das indigenen AustralierInnen nach langen Kämpfen der land rights movement als rechtmäßige, ›traditionelle‹ EigentümerInnen des Landes anerkannte, was ihre juristische Position in Verhandlungen mit u.a. Bergbaugesellschaften und Großfarmen verbessert hat (vgl. Braun 2002: 12: Oswald 1995: 865; Davy 1999: 63ff).3 Noch heute liegt die durchschnittliche Lebenserwartung der Aboriginal People, die etwa 2% der Gesamtbevölkerung stellen, deutlich unter dem Niveau anderer AustralierInnen. Die Kindersterblichkeit ist hoch, und es sind mehr indigene AustralierInnen in Gefängnissen inhaftiert – meist wegen marginaler Vergehen – als in Universitäten eingeschrieben.4 Da die sich als dominant konstituierende weiße/europäische Gesellschaft den indigenen AustralierInnen die Annerkennung als gleichwertige Mitglieder verweigerte und die Zuwanderung zunächst ausschließlich aus dem britischen Raum erfolgte, konnte sich die Vorstellung einer ›mono-kulturellen‹ Gemeinschaft in Australien annähernd ungestört entwickeln. Die Diversität ihrer weißen/europäischen Mitglieder wurde binnen relativ kurzer Zeit als irrelevant betrachtet, Unterschiede der Migrationsgründe und deren Freiwilligkeit bzw. Gezwungenheit, in Schicht und sozialem Status sowie der kulturellen und regionalen Herkünfte wurden nicht benannt. Aus englischen, irischen, schottischen und walisischen ArmutsverbrecherInnen – meist handelte es sich bei ihren Vergehen um kleinere Eigentumsdelikte oder Mundraub, bei Frauen häufig auch um Prostitution – und RegierungskritikerInnen, AufseherInnen und freien SiedlerInnen wurde eine anglo-keltische Gesellschaft als einheitlich konstruiert.5 In diesem Entwurf wurde der Makel des Kriminellen 3

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Die Verwendung des Begriffs ›traditionell‹ ist in diesem Kontext doppelt problematisch, da das Konzept von Landbesitz im europäischen Sinn in Aboriginal Kulturen keine Bedeutung hatte, so dass heute in der Politik der Lands Right Movement ein Aushandlungsprozess diesbezüglich stattfinden muss. Die Zahl indigener AustralierInnen in Haft ist 13 Mal höher als die der übrigen Bevölkerung (vgl. Castles/Davidson 2000: 106; de Lepervanche 1989: 37; ai-Jahresländerbericht Australien 2008). Immer wieder kam und kommt es zu ungeklärten Todesfällen von Aboriginal People in Haft, so dass die australische Regierung eine Untersuchungskommission eingesetzt hat. Einige dieser Fälle von death in custody wurden von Amnesty International erfasst und publik gemacht (vgl. ai-Jahresländerbericht Australien 2007). Die häufig verwendete Bezeichnung Anglo-Celtic bezeichnet die dominante ›ethnische‹ Gruppe in Australien, die sich aus eben jenen verschiedenen regionalen, britischen Herkünften zusammensetzt. Die regionalen Bezüge beschreiben religiöse und kulturelle, aber auch potentiell konflikt41

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

der Sträflingskolonie durch das verklärte und romantisierende Bild des Revolutionären ersetzt, obwohl die tatsächliche Zahl der politischen Sträflinge auf weniger als 4% geschätzt wird (vgl. Schaffeld 2002: 96). Mit den Goldfunden nach 1850 und der darauf folgenden starken Zuwanderung aus Nordamerika, Europa und dem asiatischen Raum sowie durch den wirtschaftlichen Aufschwung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ergab sich ein zunehmend heterogenes kulturelles Gefüge. In dieser Phase kamen viele ChinesInnen ins Land sowie KanakerInnen von den Pazifischen Inseln und Torres Strait Islanders, die als billige Arbeitskräfte geholt bzw. verschleppt wurden. Dabei waren alle ImmigrantInnen mit anderen als europäischen Herkünften rassistischen Diskriminierungen, Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt. Die strukturelle wie individuelle Unterdrückung stand sowohl in Zusammenhang mit wirtschaftlichen Entwicklungen, als auch mit einer prä-nationalen Erzählung, die seit Ende des 19. Jahrhunderts die AutonomieBestrebungen prägte. Dazu trug insbesondere die Democratic Nationalists-Bewegung bei, an der städtische Intellektuelle, LiteratInnen und KünstlerInnen maßgeblich beteiligt waren. Mit der 1880 gegründeten einflussreichen Literaturzeitschrift The Bulletin etablierte sich ein literarisches und politisches Organ dieser Bewegung.6 Bei der Gründung des Commonwealth of Australia im Jahr 1901 wurde mit der Immigration Restriction Bill, die auf der Vorstellung einer mono-kulturellen Gesellschaftsstruktur basierte, eine reglementierte Einwanderungspolitik der Regierung festgeschrieben, die sogenannte White Australia Policy. Diese beschränkte die Zuwanderung auf den britischen Raum; ImmigrantInnen aus Neuseeland und Nordamerika wurden, wenn sie britischer oder irischer Herkunft waren, ebenfalls akzeptiert.

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beladene politische Unterschiede, insbesondere im jeweiligen Verhältnis zu England und der britischen Krone (vgl. Castles/Davidson 2000: 183; Jupp 1997: 133; Luchtenberg 1997: 362; Luchtenberg 1995: 989; Gunew 1990: 115). »Seit Ausgang des 19. Jahrhunderts ist die intellektuelle Elite des Landes darum bemüht gewesen, Australien als eine Kulturnation zu präsentieren und die eigenen Errungenschaften zu behaupten. Gerade die australische Literatur und die australische Literaturkritik haben entscheidend dazu beigetragen, dass dieses Bild einer australischen Kulturnation begründet werden konnte« (Platz 2002: 250). Zur Herstellung einer ›nationalen Erzählung‹ in Bezug auf die Zeitschrift The Bulletin und SchriftstellerInnen wie Henry Lawson, Joseph Furphy, A.B. ›Banjo‹ Paterson, Miles Franklin u.a. sowie den Einfluss von KünstlerInnen der Heidelberg School wie Frederick McCubbin und Tom Roberts siehe Turner 1986: 26f/110ff; White 1981: 85ff. Zur besonderen Situation (feministischer) Autorinnen in Australien im ausgehenden 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts siehe Lake 2000.

AUSTRALIEN: EINE MULTIKULTURELLE NATIONALE GEMEINSCHAFT?

Die Bombardierung der nord-australischen Stadt Darwin durch japanische Kampfflugzeuge im Jahr 1942 und die von Militär und Regierung instrumentalisierte Furcht vor einer Invasion aus dem asiatischen Raum trugen seit dem Zweiten Weltkrieg zu der Auffassung bei, Australien sei zu dünn besiedelt, um sich gegen die scheinbare Bedrohung aus dem asiatischen Raum selbst verteidigen zu können. Insbesondere aber mangelte es an Arbeitskräften, die für die sich entwickelnde Industrialisierung des Kontinents benötigt wurden. Unter dem Motto populate or perish wurde eine aktive Einwanderungspropaganda betrieben, die jedoch weiterhin auf den europäischen Raum beschränkt blieb. Nach ImmigrantInnen aus Nordeuropa (dem skandinavischen Raum, den Niederlanden und Deutschland) wurden auch Auswanderungswillige aus Südeuropa (insbesondere Italien und Griechenland, Kroatien, Mazedonien) und Flüchtlinge aus Osteuropa akzeptiert. Damit wurde die Definition ›weiß‹ der White Australia Policy aufgeweicht. Die zuvor gültige rassisierende Festlegung von weiß auf eine anglo-keltische Herkunft und die scheinbar damit einhergehende kulturelle Homogenität konnten nicht aufrechterhalten werden. Doch den europäischen ImmigrantInnen wurde eine kulturelle Nähe zur anglo-keltischen Dominanzgesellschaft zugesprochen. Die relativ unkomplizierte Möglichkeit, bereits nach kurzer Zeit die StaatsbürgerInnenschaft zu erlangen, war mit der Erwartung einer raschen Assimilation verbunden, die jedoch nur teilweise erfolgte. Dieser Anspruch wurde Mitte der 1960er Jahre zugunsten eines Konzeptes der Integration aufgegeben, der ebenfalls nicht lange aufrechterhalten werden konnte. Als im Jahr 1972 die Australian Labour Party unter Premierminister Gough Whitlam zum ersten Mal nach 20 Jahren wieder die Regierung stellte, veränderten sich sowohl Außen- als auch Innenpolitik grundlegend.7 Im Jahr 1973 wurde die White Australia Policy, die auf die bis dahin gültige Immigration Restriction Bill zurückging, außer Kraft gesetzt und die Einwanderung aus dem asiatischen Raum ermöglicht und erleichtert.8 Mit der Feststellung, dass die bis dahin vertretene Assimila7

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Bereits kurz nach der Wahl wurden die australischen Truppen aus Vietnam abgezogen, Wehrpflicht und Studiengebühren abgeschafft, ein öffentliches Gesundheitssystem eingeführt und die Rückgabe der Landrechte an Aboriginal People/s vorangetrieben. Im November 1975 setzte der Generalgouverneur, der Vertreter der britischen Krone, Gough Whitlam ab, entließ das Parlament und setzte eine Übergangsregierung unter Oppositionsführer Malcolm Fraser ein; die nächste Wahl 1976 gewann eine (konservative) Liberal/National Regierung. Die Mehrheit der asiatischen ImmigrantInnen kam zunächst aus Vietnam, Indonesien, Kambodscha und Laos, seit den 1980er Jahren aus Malaysia, Hongkong und China sowie von den Philippinen. 43

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tions- bzw. Integrationspolitik gescheitert sei, wurde die bisherige Vorstellung eines ›mono-kulturellen‹ Australiens durch die Anerkennung kultureller bzw. ›ethnischer‹ Unterschiede und die Förderung ›ethnischer‹ Gemeinschaften ersetzt. In den folgenden Jahren erarbeitete die Regierung mit Unterstützung verschiedener Gremien ein multikulturalistisches Politikkonzept und Maßnahmen für die praktische Umsetzung. Der Galbally-Report von 1978 betonte den Bezug von Multikulturalismus zur Einwanderungspolitik und -praxis9 und forderte die gezielte Unterstützung von ImmigrantInnen durch Angebote in Bereichen der Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik.10 Auch die Einrichtung des mehrsprachigen Fernsehsenders SBS (Special Broadcasting Service), der nicht nur Information und Unterhaltung anbietet, sondern inzwischen auch in die (Fernseh-)Filmproduktion involviert ist (vgl. O’Regan/Kolar-Panov 1993; Kolar-Panov 1997: 45; Spivak/Gunew 1997: 199; Luchtenberg 1995: 993), gründete auf die Empfehlung des Galbally-Reports.11 Später hatte der Jupp-Report von 1986 ebenfalls erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des australischen Multikulturalismus und führte zur Einrichtung des politisch einflussreichen Office of Multicultural Affairs. Allerdings rief der Prozess der Etablierung des Multikulturalismus sowohl in der (weißen/europäischen) Öffentlichkeit wie auch in politischen Kreisen nicht nur positive Reaktion hervor. Die Bedenken aus konservativer Sicht drückte der Oppositionsführer und parlamentarische Sprecher der Liberal Party John Howard im Zuge der Wahl von 1988 aus, indem er der multikulturalistischen Politik der Regierung vorwarf, die nationale Einheit (national unity) zu gefährden.12 Doch mit der Na-

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Dies entspricht dem Verständnis der meisten politischen Organisationen der indigenen AustralierInnen, nach dem sich die multikulturalistische Regierungspolitik nicht auf sie erstreckt, da sie bereits vor jeder weißen/europäischen Einwanderung in Australien gelebt hatten (vgl. Castles/Davidson 2000: 67f; Luchtenberg 1997: 364; Luchtenberg 1995: 991). 10 Dies bezieht sich sehr stark auf die Einrichtung von Sprachkursen für EinwanderInnen, Sprachkursen in Schulen und zweisprachige Schulen. Durch die unterstützte Einstellung von zwei- oder mehrsprachige SozialarbeiterInnen, ÄrztInnen, PolizistInnen etc. sollte der Zugang zu staatlichen Leistungen und Rechten, die evtl. aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse oder Information nicht in Anspruch genommen wurden, erleichtert werden (vgl. Castles/Davidson 2000: 120/125; Luchtenberg 1997: 368ff; Oswald 1995: 868). 11 Diese Bezeichnung ist wohl der australischen Vorliebe für Abkürzungen und sprachliche Vereinfachungen zuzuschreiben, der offizielle Titel lautet Review of Post-Arrival Programmes and Services to Migrants. 12 Später, bei der Wahl 1996, die von der Liberal Party gewonnen wurde, versicherte auch John Howard seine volle Zustimmung zu einer multikul44

AUSTRALIEN: EINE MULTIKULTURELLE NATIONALE GEMEINSCHAFT?

tional Agenda for a Multicultural Australia (1989) konstituierte die wiedergewählte Labor Party unter Premierminister Bob Hawke eine multikulturalistische Regierungspolitik. Dieses Programm legte fest, dass allen AustralierInnen Gleichbehandlung und Chancengleichheit sowohl im sozialen wie wirtschaftlichen Bereich zugestanden werde. Das Recht auf Beibehaltung und Fortführung kultureller Identität wurde durch die Worte »within carefully defined limits« beschränkt (National Agenda for a Multicultural Australia; zitiert nach Jupp 1997: 135). Im Verlauf definierte diese Agenda die Verpflichtung von Seiten aller AustralierInnen, Verfassung und Gesetze einzuhalten, Prinzipien wie Demokratie, Toleranz und Gleichberechtigung aller AustralierInnen zu achten, sowie die englische Sprache als Nationalsprache anzuerkennen. Weiterhin wurde von allen Staatsangehörigen Loyalität gefordert: »all Australians should have an overriding and unifying commitment to Australia, its interests and future first and foremost« (National Agenda for a Multicultural Australia; zitiert nach Jupp 1997: 136). Die Schwerpunktverlagerung von ›kulturellen‹ Aspekten auf Fragen des Zugangs zu Institutionen und Arbeitsmarkt ist nicht ausschließlich als Ökonomisierung zu betrachten sondern auch als Hinwendung zu konkreten Problemen des alltäglichen Lebens, wie es insbesondere von linker und gewerkschaftspolitischer Kritik am Multikulturalismus-Konzept gefordert wurde (vgl. Jupp 1997: 137; Luchtenberg 1995: 992). Danach galt die Anerkennung der Multikulturalität wie auch die Akzeptanz einer multikulturalistischen Regierungspolitik weitgehend als Konsens.

turalistischen Regierungspolitik. Das Konzept kann als weitgehend akzeptiert verstanden werden, auch wenn sich kurz nach der Wahl die One Nation Party unter Pauline Hanson gründete, die mit ihren rassistischen und xenophoben Inhalten durchaus beachtliche Wahlerfolge in einigen Bundesparlamenten – insbesondere in Queensland – erzielte (vgl. Tampke 2002: 120f). 2003 wurde Pauline Hanson und der Mitbegründer der One Nation Party, David Ettridge wegen Wahlbetrug im Jahr 1997 zu jeweils drei Jahren Gefängnis verurteilt. 45

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

Au s t r a l i e n s N a t i o n e n k o n z e p t i m W a n d e l : Von der settler society zum Multikulturalismus Die Herstellungsprozesse nationaler Einheit in settler societies13 beruh(t)en zunächst auf dem klassischen ›mono-kulturellen‹ Konzept europäischer Nationen. Doch erschwert die Herkunft der SiedlerInnen aus unterschiedlichen Regionen die Konstruktion und insbesondere die Naturalisierung einer einheitlichen kulturellen Gemeinschaft. Die Vorstellung gemeinsamer ›kultureller Wurzeln‹ als Bezugspunkt für eine nationale Identität ist nicht gegeben, stattdessen erfolgt in der Regel ein Transfer der Kultur des Herkunftslandes in das Einwanderungsland. Um eine eigenständige nationale Identität zu konstruieren, ist die Abgrenzung und Abspaltung von der Herkunftsregion und -kultur jedoch notwendig. Eine solche Entwicklung lässt sich auch in Australien verfolgen. Die zu Beginn überwiegend anglo-keltische Besiedlung förderte die enge kulturelle Verbindung der SiedlerInnen zu ihren Herkunftsregionen. In 1901, when the Commonwealth of Australia was created [...] 98 percent of its population was Anglo-Celtic. The population shared a strongly hegemonic British culture. The Celts had become Anglicized in that they shared the economic and social lifestyle and by 1901 spoke only English. [...] They built their new nation on a firmly racist basis (Castles/Davidson 2000: 166f).

AustralierInnen anglo-keltischer Herkunft verstanden sich lange Zeit als BritInnen (oder IrInnen) in einem anderen Land und zeigten wenig Verlangen, eine eigenständige australische Identität zu formulieren. Erst im ausgehenden 19. Jahrhundert bildete sich eine nationalistische Bewegung aus, die bestrebt war, Australien als souveräne Nation zu konstituieren. Der Wunsch nach Abgrenzung wurde jedoch stets durch die enge Verbundenheit Australiens zu Großbritannien gemäßigt, was die Herstellung eines Ursprungs- oder Gründungsmythos erschwerte. Anders als beispielsweise in den USA kam es nicht zu einem Unabhängigkeitskrieg und auch die Staatsgründung 1901 bedeutete nicht etwa die Selb13 Ich behalte den englischen Ausdruck settler society bei, da ich ihn für zutreffender erachte als den im Deutschen gebräuchlichen Begriff ›Einwanderungsland‹. Durch die Betonung des kulturell-gesellschaftlichen Bereichs beschreibt er den für Australien als Nationalstaat konstitutiven Charakter der weißen/europäischen Besiedlung und Kolonisierung, aus der sich die heutige dominante Gesellschaftsstruktur entwickelt hat. Die Bezeichnung Einwanderungsland, insbesondere mit ihrer verbreiteten negativen Konnotation, unterliegt der Gefahr, einen Sonderstatus für einige Staaten zu konstruieren und verschleiert die Tatsache, dass weltweit alle Regionen Ein- und Durchwanderungsbewegungen erfahren (haben). 46

AUSTRALIEN: EINE MULTIKULTURELLE NATIONALE GEMEINSCHAFT?

ständigkeit Australiens – der Nationalstaat blieb Teil des britischen Empire, und bis 1948 waren AustralierInnen britische StaatsbürgerInnen (British subjects). Bis heute ist Australien als konstitutionelle Monarchie der englischen Krone untergeordnet (vgl. de Lepervanche 1989: 40; White 1981: 110f).14 Die Beziehung der AustralierInnen zu Großbritannien erfolgte jedoch nicht über eine ausschließlich kulturelle Bindung. Mit der Konstruktion des ›typisch Australischen‹, des ›Australian national type‹ in einer Fortsetzung von ›British stock‹ als ›Anglo-Australian race‹ (vgl. Stratton/Ang 1994: 10; White 1981: 63ff) wurden rassisierende Diskurse über Britishness eingesetzt, um einen inneren nationalen Zusammenhalt zu erzeugen. Die Vorstellung einer auf Kultur basierenden, rassisierten Gleichheit und Einheit der AustralierInnen wurde zum verbindenden Element der australischen Nation.15 Unter dieser Voraussetzung lässt sich die White Australia Policy des neugegründeten Nationalstaates und der neu zu konstruierenden Nation als nationalistisch – im Sinne eines nationen-bildenden Konzeptes – und zum konstitutiven Element einer nationalen Identität interpretieren. Jon Stratton und Ien Ang stellen fest: [W]e can understand that the White Australia policy was, in the first instance, a nationalist policy and reflects the new nation-state’s search for a national identity in a European culture and a British-based racial homogeneity (which inevitably implies the exclusion of racial/cultural Others) (Stratton/Ang 1994: 11).

Da die Einwanderungen aus Großbritannien und Irland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht ausreichten, um die Bevölkerungszahl in Australien im erwünschten Maße zu erhöhen, wurde die rassistische Einwanderungsrestriktion der White Australia Policy aufgeweicht. Die Kategorie 14 Bei einer Volksabstimmung im November 1999 lehnte die Mehrheit der Bevölkerung die Änderung der bestehenden Verfassung ab. Der Grund für dieses Ergebnis wird häufig darin vermutet, dass der Alternativvorschlag eine indirekte Wahl des Staatsoberhauptes vorsah, und dies, nicht die Unabhängigkeit Australiens, von der Mehrheit abgelehnt wurde. Das bedeutet, dass die englische Königin weiterhin als Staatsoberhaupt auftritt. Sie wird von einem Generalgouverneur, seit 2008 von der ersten Gouverneurin Quentin Bryce vertreten, die/der u.a. befugt ist, eine gewählte Regierung abzusetzen. Dies geschah im November 1975 gegenüber der LabourRegierung unter Gough Whitlam (vgl. Schaffeld 2002: 108f). 15 »Wenn er [der theoretische bzw. kulturelle Rassismus, js] demnach den Signifikanten der Rasse durch den der Kultur ersetzt, muss er diese immer mit einem ›Erben‹, einer ›Abkunft‹, einem ›Verwurzeltsein‹ verknüpfen, die die imaginäre Konfrontation des Menschen mit seinen Ursprüngen bezeichnen« (Balibar 1992: 73). 47

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

›weiß‹ wurde von der anglo-keltischen auf eine zunächst nordeuropäische später gesamt-europäische Herkunft erweitert. Die Legitimation dieser Ausweitung basierte auf der Prämisse, ImmigrantInnen aus dieser Region würden sich schnell und unproblematisch assimilieren, im Gegensatz zu anderen rassisierten Gruppen insbesondere aus dem asiatischen Raum. Damit wurde die Konstruktion von ›Rasse‹/race nach scheinbar vorhandenen äußeren Kennzeichen und – weiträumiger – Herkunftsregion beibehalten. Andererseits wurde die bis dahin gültige Vorstellung einer kulturellen Homogenität aufgrund gemeinsamer Herkunft eines enger begrenzten geographischen Raumes – Großbritannien und Irland – aufgegeben, die über den Begriff race ebenfalls als Rassisierung gewirkt hatte. Für den Herstellungsprozess einer australischen nationalen Identität ging damit ein grundlegendes Element für die Konstruktion von Gemeinschaft verloren, die Konstruktion einer als anglo-keltisch bzw. australisch rassisierten Einheit. Mit der Forderung nach Assimilation wurde die Vorstellung eines ›typisch Australischen‹ in die Vorstellung des Kulturellen überführt. Die Annahme der möglichen und wahrscheinlichen Assimilierung weißer europäischer ImmigrantInnen bedeutete auch eine stärkere Abtrennung von Großbritannien als kulturellem Identifikationsort und diente so als australisch-nationalistische Abgrenzungsstrategie. Das Ziel blieb jedoch der Erhalt einer als charakteristisch verstandenen australischen Kultur, eines Australian way of life. Diese spezifische, durch die geforderte Assimilation als homogen zu gestaltende Kultur sollte als Grundlage der Nation dienen. Dabei ergab sich allerdings ein Widerspruch, denn die australische Kultur, insbesondere die Alltagskultur der »everyday cultural practices« (Stratton/Ang 1994: 13f; auch White 1981: 158ff), war von jenen AustralierInnen bestimmt, die anglokeltischer Herkunft waren, und die Notwendigkeit der Abgrenzung zu Großbritannien erlaubte es nicht, dass diese überbrachte Kultur als ›australisch‹ weitergeführt werden konnte. Die kulturellen Wurzeln des Australian way of life waren damit eher kümmerlich. Neben ›veralteten‹ Mythen, die sich auf ein verklärtes und verklärendes Bild des ›harten Lebens der SiedlerInnen im bush‹ bezogen und die einer urbanisierten Mittelschichtsgesellschaft der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur wenig Raum zur Identifikation gaben, reduzierte sich die australische (Alltags-)Kultur auf »the suburban ideal made manifest [...] centred on the car, the family, the garden and a uniformly middle-class life style – ›the Australian Way of Life‹ in all its glory« (White 1981: 166).16 16 Australien ist trotz seiner geringen Besiedlungsdichte sehr stark urbanisiert. Die überwiegende Mehrheit der AustralierInnen lebt in den Städten 48

AUSTRALIEN: EINE MULTIKULTURELLE NATIONALE GEMEINSCHAFT?

Diese dürftige Basis der australischen nationalen Identität bildet jedoch eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung eines multikulturalistischen Nationenkonzeptes seit den 1970er Jahren. Denn der Mangel an ideologischer oder durch Historizität abgesicherter kultureller Verbundenheit erleichterte die Etablierung einer multikulturalistischen nationalen Ideologie, die eine entsprechende Veränderung der nationalen Identität nach sich zog. Der Verzicht auf eine kulturelle (anglokeltische) Homogenität zugunsten eines multikulturalistischen Konzeptes verstärkte die Abgrenzung zu Großbritannien und wurde zum neuen konstitutiven und charakteristischen Merkmal der Konstruktion einer nationalen Identität. Obwohl das Konzept des Multikulturalismus, in dem Unterschiede und Divergenzen hervorgehoben werden, zum Nationenentwurf, der auf kultureller Homogenität basiert, im Widerspruch steht, herrscht weitgehende Übereinstimmung darin, dass Australien ein multikultureller Nationalstaat sei. Dies lässt die Folgerung zu, dass das klassische Nationenkonzept – zumindest für Australien – versagt hat. Dennoch bleibt die Vorstellung von Nation und nationaler Einheit, nun als multikulturell gedacht, bestehen. Dies erfordert auch eine neue Formulierung der Beziehung zwischen Nation und Staat und eine Trennung der als naturhaft gedachten Verbindungen von Nation, nationaler Identität, Staat und Territorium. Denn während der Staat mit seinen institutionalisierten Machtapparaten bestehen bleibt, erfährt die nationale Identität eine Heterogenisierung, eine Entwicklung, die in Australien unter dem Motto unity in diversity (Einheit in Vielfalt bzw. Verschiedenartigkeit) gefasst wird. Diese Loslösung ist in einer Nation, die aus einer settler society gebildet wurde, zweifellos weniger problematisch als in solchen, in denen die Konstruktion einer nationalen Identität durch eine resistentere Historizität stärker mit einer als vorgängig gedachten kulturellen Herkunft verbunden ist. Trotz der formalen Akzeptanz einer nationalen Identität, die vornehmlich auf der Verpflichtung gegenüber Gesetzen, Werten und Institutionen beruht und nicht auf einer gemeinsamen ethnisierten Herkunft, bleibt die Bewertung des australischen nationalen Projektes umstritten. Auch wenn Zustimmung und affirmative Äußerungen bezüglich der Akzeptanz kultureller Diversität in einer weitgehend sozialen Haran der (Ost-)Küste, und die Städte selbst bestehen zum Großteil aus – innerstädtischen oder äußeren – Vororten (inner bzw. outer suburbs). Norbert Platz stellt fest, »dass schon im späten 19. Jahrhunderts zwei Drittel der australischen Bevölkerung in städtischen Großräumen wohnten« (Platz 2002: 260; vgl. Fiske/Hodge/Turner 1987: 26f; White 1981: 162f; Pike/ Cooper 1981: 199). 49

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

monie überwiegen, sind derart überschwängliche Urteile wie von Frank Oswald eher selten: [Im australischen Multikulturalismus, js] wurde weder die australische Identität ausgelöscht, noch sind die politische Kultur und das Parteiensystem durch ethnischen Partikularismus bedroht. Ebensowenig wurde der früher auf Einwanderer ausgeübte Anpassungsdruck auf Altaustralier umgelenkt, noch wurden soziale Konflikte ethnisiert (Oswald 1995: 864).

Kritisiert wird das Projekt einer multikulturalistischen Nation vorrangig von politischen Positionen, nach denen eine kulturelle Heterogenität, die der Verzicht auf Assimilierung nach sich zieht, die Auflösung nationaler Identität bedeutet. In einem traditionellen Modell von Nation gefährdet Vielfalt den Zusammenhalt der Gemeinschaft und die Bindung ihrer Mitglieder an sie. Nach dieser Einschätzung ist – kulturelle – Homogenität notwendig, um die nationale Stabilität zu erhalten und zu sichern (vgl. Castles/Davidson 2000: 153; Jupp 1997: 136ff). Andererseits wird der multikulturalistischen Regierungspolitik von liberaler Seite vorgeworfen, durch die Betonung kultureller Unterschiede Klassen- und Arbeitskonflikte zu verschleiern, die einem kapitalistischen Nationalstaat inhärent sind (vgl. Yuval-Davis 1997: 57; Stratton/Ang 1994: 2; Gunew 1990: 110). Einige Feministinnen wiederum problematisieren die staatliche Unterstützung der Beibehaltung und Fortführung ›traditioneller Kulturen‹. Sie befürchten, dass patriarchale und sexistische Strukturen der Herkunftskulturen erhalten bleiben können, die zu ungleichen Zugangschancen, Diskriminierung und Unterdrückung ethnisierter Frauen führen (vgl. Yuval-Davis 1997: 67). In der Regel erkennt diese feministische Kritik jedoch an, dass ethnisierte Frauen innerhalb ihrer community auch ein Leben in Frauenstrukturen und –kulturen leben können, die den Unterdrückungsmechanismen der dominanten weißen Gesellschaft entgegenstehen (vgl. Jupp 1997: 137f). Ein weiterer Mangel, der aus der Betonung kultureller Diversität entsteht, liegt in der fehlenden kritischen Auseinandersetzung mit Rassisierungen. In Australien erstrecken sich rassistische strukturelle und konkrete Unterdrückung und Gewalt in erster Linie auf Mitglieder zweier, durch Rassisierung konstruierter Gruppen, den Aboriginal People/s und ImmigrantInnen aus dem asiatischen Raum.17 Dabei gelten indigene 17 Trotz immenser Diversität beider Gruppen findet hier selten eine weitere Spezifizierung statt, außer rassistische Diskurse haben ein Interesse daran, zwischen ›guten‹, d.h. assimilierten bzw. assimilierbaren oder aus wirtschaftlichen, kulturellen, politischen oder anderen Gründen dienlichen, und unerwünschten Personen und Personengruppen zu differenzieren. 50

AUSTRALIEN: EINE MULTIKULTURELLE NATIONALE GEMEINSCHAFT?

AustralierInnen nicht als Subjekte des multikulturalistischen Diskurses. Dies entspricht der politischen Position vieler Aboriginal Organisationen, nicht einfach als ›noch eine ethnische Gruppe‹ betrachtet werden zu wollen. Als BewohnerInnen des Landes vor jeder weißen/europäischen Besiedlung und als Ziel eines versuchten Genozids markiert ihr rassisierter Status innerhalb der australischen Gesellschaft und innerhalb politischer Debatten die Erinnerung an die koloniale Geschichte des Landes. Eine Einstufung als ›ethnische‹ Gruppe und Integration in den Diskurs von unity in diversity würde die Verschleierung der gewaltsamen rassistischen Vergangenheit perpetuieren. Dennoch bleibt die Definition als race eine Re-Produktion einer rassisierenden Zuweisung und fördert die Beibehaltung von Schwarz-Weiß-Dichotomien. Eine andere Form des Rassismus zeigt sich gegenüber ImmigrantInnen aus dem asiatischen Raum, denen bis zur Aufhebung der White Australia Policy die Einwanderung nach Australien aufgrund rassistischer Ausschlussmechanismen versagt wurde. Bis heute ist der Status von AustralierInnen asiatischer Herkünfte prekär, was nicht zuletzt einer ambivalenten rassisierenden Praxis zuzuschreiben ist. So richtet sich die Anerkennung von ImmigrantInnen nach ihren Herkunftsregionen und ist meist an die jeweilige wirtschaftliche Situation in den Herkunftsländern gekoppelt (vgl Castles/Davidson 2000: 67; Hudson/Stokes 1997), analog zu dem regen Interesse, das die australische Regierung und Wirtschaft seit einigen Jahren an ökonomischen Beziehungen zu manchen der nördlichen Nachbarländer zeigt. Dennoch hat die konstruierte Verbindung von Kultur und race der White Australia Policy sowie die im Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit instrumentalisierte Furcht vor einer japanischen bzw. asiatischen Invasion ihre Wirkung bis heute nicht verloren. Immer wieder manifestieren sich stereotype Vorurteile in kollektiven rassisierenden und rassistischen Diskriminierungen und Gewalttaten gegenüber Asians (vgl. Castles/Davidson 2000: 57; de Lepervanche 1989: 52). Damit hat nicht nur Ethnisierung sondern auch Rassisierung Bedeutung und Auswirkung auf die Lebensrealitäten von ImmigrantInnen aus dem asiatischen Raum. Ien Ang und Jon Stratton erkennen in dieser doppelten Verortung einen Prüfstein für das Potential eines multikulturalistischen Diskurses, auch andere als ›lediglich ethnisch‹ konstruierte Divergenzen zu integrieren (vgl. Stratton/Ang 1994: 18; Hudson/ Stokes 1997: 145ff; Tampke 2002: 120).

Dies entspricht der rassisierenden Praxis, nach der das Andere als homogene Kategorie definiert wird – außer eine Unterscheidung liegt im Interesse der dominanten Gruppe, die über die Definitionsmacht verfügt. 51

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

Zusätzlich zu der Verschleierung gesamtgesellschaftlicher Unterschiede und Ungleichheiten, die nicht in einen ethnisierten Kontext gefasst werden, führt die Betonung kultureller Kennzeichen zwischen Gemeinschaften, die als ›ethnisch‹ definiert werden, auch dazu, Verschiedenheiten innerhalb der Gruppen zu verschleiern.18 Ethnisierte Gruppen werden als homogene Einheiten konstruiert, in denen soziale Kategorien wie Alter, Geschlecht, Sexualität, psychische und physische Fähigkeiten, Arbeitsverhältnisse und wirtschaftliche Situation, etc. entweder keine Beachtung finden oder ausschließlich im Kontext von Ethnizität verhandelt werden. Damit re-konstruieren multikulturalistische Diskurse auch die Binarität zwischen ethnisierten Gruppen einerseits und einer nicht-ethnisierten Norm andererseits, von ethnic communities und der australischen Dominanzgesellschaft, »as if the two were mutually exclusive, homogenous entities« (Stratton/Ang 1994: 18). Dies lässt sich auch in der Verwendung des Begriffs ethnic erkennen, der sich in der Regel auf MigrantInnen bezieht, deren Herkunftssprache nicht Englisch ist.19 AustralierInnen mit anglo-keltischen Herkünften – teilweise erstreckt sich dies auch auf nord-europäische ImmigrantInnen – werden nicht als ›ethnisch‹ bezeichnet, sie verbleiben in einer nicht-ethnisierten Position der kulturellen Normalität (vgl. Luchtenberg 1997: 373). Diese Problematik findet sich auch in affirmativen und scheinbar progressiven Äußerungen zum Multikulturalismus: »Most of all, multiculturalism requires us to recognise that we each can be ›a real Australian‹, without necessarily being ›a typical Australian‹« (Australian Council on Population and Ethnic Affairs 1982: 17; zitiert nach Stratton/Ang 1994: 15). Die Aussage, dass alle unabhängig von kulturellen Herkünften und Praktiken ›echte‹ AustralierInnen sein können, hebt jedoch die Unterscheidung zum ›typisch‹ Australischen nicht auf, sondern schreibt diese auf eine weiße/ europäische, am besten anglo-keltische Position fest. Und diese Position, die durch den historischen Bezug zur White Australia Policy eine kulturell-rassisierende ist, bleibt für MigrantInnen, die in Bezug auf Ethnisierung und Rassisierung marginalisiert werden, unerreichbar. Dennoch eröffnen multikulturalistische Diskurse die Möglichkeit, auch die dominante anglo-keltische Kultur zunehmend in Frage zu stel18 »[T]he very validation of cultural diversity embodied in official multiculturalism tends to hypostatise and even fetishise ›culture‹, which suppresses the heterogeneities existing within each ›culture‹, constructed as coterminous with ›ethnicity‹« (Stratton/Ang 1994: 18). 19 In australischen Diskursen zu Migration und Multikulturalismus wird meist zwischen Non-Englisch speaking/Non-Englisch speaking background (NES/NESB) und Englisch speaking/Englisch speaking background (ES/ESB) unterschieden (vgl. Castles/Davidson 2000: 67; Leitner 2002; Jupp 1997: 138f; O’Regan 1996: List of abbrevitations/ohne Seite). 52

AUSTRALIEN: EINE MULTIKULTURELLE NATIONALE GEMEINSCHAFT?

len. So fordert Donald Horne in »The Perils of Multiculturalism as a National Ideal«: [A]ll multiculturalists in Australia should be as it were ›anti-British‹. Failing this, there is a danger that multiculturalism becomes a way of keeping ›the Ethnics‹ quiet while the ›anglos‹ can go running things [...] Multiculturalism will have real meaning in Australia when the English are seen only as one group of ethnics among others [...] those Australians who still define Australia by its Britishness might be seen as the ethnic problem: they are, in effect, the principal enemies of policies of cultural diversity (Horne 1983: 3f; zitiert nach Gunew 1990: 110).20

Eine tatsächliche multikulturalistische Gesellschaft sei demnach nur gegeben, wenn alle kulturellen Kontexte gleichermaßen als ›ethnisch‹ gelten – wobei sich dann die (rhetorische) Frage stellt, ob die Definition ethnisierter Gruppen und ihre Unterscheidung noch erforderlich und sinnvoll sei. Andererseits bleibt zu bedenken, dass eine Unterscheidung auch gezielte Unterstützungs-Strategien (affirmative action) ermöglichen. Doch als Regierungspolitik birgt Multikulturalismus stets die Gefahr in sich, die Flüchtigkeit und Beweglichkeit von Kultur und kulturellen Praktiken zu leugnen und zu unterbinden, um sie in eine(r) kontrollierbare(n) Ordnung lenken zu können (vgl. Erel 1999: 178). Dabei bestimmen staatliche Institutionen, die stets die Normen der dominanten Gruppe reflektieren, die Toleranzgrenzen gegenüber den Praktiken ethnisierter Gruppen. Dies geht mit der Vorstellung einher, dadurch ein harmonisches Miteinander in der Gesellschaft herstellen zu können, das als grundlegende Bedingung für den Erhalt einer Nation gilt. In this sense, the politics of multiculturalism can be understood as coming out of the same modernist ideological assumptions on which the notion of the homogenous nation-state was based. The ultimate rational remains national

20 Ein Beispiel, wie die Beibehaltung anglo-keltischer Normen innerhalb von Institutionen ihre eigene Dominanz festigt, gibt das australische Rechtssystem. Da dieses auf dem Prinzip von Präzedenzfällen beruht und nicht auf einem Kanon geschriebener, mehr oder weniger veränderbarer Gesetze, verhindert der Rückgriff auf in der Vergangenheit gesprochenes Recht die Aufnahme nicht-anglo-keltischer juridischer Perspektiven: »Legal tradition insists that the basis for decision be past decisions [...] While – in the last instance – the protection of migrant rights lies in the hands of the courts, these remain overwhelmingly Anglo-Saxon in composition and discourse. They are therefore unlikely to open up further by inserting new communal standards« (Castles/Davidson 2000: 169f). 53

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

unity; tolerance of diversity is just another means of guaranteeing that unity (Stratton/Ang 1994: 17).

Damit verharren multikulturalistische Politiken in einer Ideologie, die an einer nationalen, wenn auch kulturell vielfältigen Identität festhält. Der Multikulturalismus-Forscher James Jupp stellt in Anbetracht der gesellschaftlichen Entwicklung in Australien die Frage, ob dieses Bestehen auf einer nationalen Identität notwendig sei: »[W]e may question whether Australians need a strong sense of national identity. Might not Australia now be in a postmodern phase where national loyalties are redundant?« (Jupp 1997: 143). Diese Frage ist insofern gerechtfertigt, als auch regierungspolitische Diskurse teilweise die Prozesshaftigkeit von nationaler Identität anerkennen. So veröffentlichte das Australian Council on Population and Ethnic Affairs bereits im Jahr 1982 eine Broschüre mit dem Titel »Multiculturalism for all Australians: Our developing nationhood«. Der Untertitel verweist darauf, dass die nationale Identität nicht mehr als endgültige und unveränderbare Gegebenheit verstanden wird, sondern als sich – stets – in Entwicklung befindlich. In dieser Vorstellung wird anerkannt, dass produktive Konfrontationen verschiedener Kulturen innerhalb eines Nationalstaates die Entwicklung prägen und ermöglichen. Die Perspektive verschiebt sich von einer vorgängigen kulturellen Einheit auf die Prozesshaftigkeit und betont die Zukunftsorientierung der Nation.21 In einer solchen Konstruktion verändern sich die Aufgaben des Staates. Sein Auftrag beschränkt sich nicht mehr auf Verwaltungsfunktionen, sondern er wird insbesondere damit betraut, diesem neuen Nationenprojekt Kontinuität zu verleihen. Um ideologische Kontexte für die Entwicklung der nationalen Identität anzubieten, übernehmen staatliche Institutionen verstärkt die Aufgabe der Repräsentation nationaler Identität (vgl. Stratton/Ang 1994: 15ff). Diese Repräsentation ist diskursiv und beschreibt eine ›öffentliche Phantasie‹: »What it does is present to the people of Australia a public fantasy – a collective narrative fiction – of the diverse character of Australia as a nation« (Stratton/Ang 1994: 17). Sie hat jedoch nichts desto weniger Auswirkungen auf Lebensrealitäten innerhalb des nationalen Kontextes. Denn was die Mitglieder einer Gemeinschaft, sei sie als national oder ›ethnisch‹ konstruiert, glauben zu sein, wird insbesondere durch die ›Selbstbildnisse‹ dieser Gemeinschaft beeinflusst. In Australien stellt neben anderen ›Kultur‹produktionen seit den 1960er Jahren

21 In diesem Kontext werden häufig auch Vorteile und Nutzen, die Immigration einem Nationalstaat bietet, hervorgehoben (vgl. Saggar 1996: 52). 54

AUSTRALIEN: EINE MULTIKULTURELLE NATIONALE GEMEINSCHAFT?

die Filmindustrie, auf die der Staat durch ein ausgeprägtes System von Förderungsmaßnahmen beträchtlichen Einfluss ausübt, ein wesentliches Medium der Repräsentation dar. »Most new nations go through the formality of inventing a national identity, but Australia has long supported a whole industry of image-makers to tell us what we are« (White 1981: viii). Dies bezieht sich sowohl auf die langjährige Praxis der Repräsentation eines kulturell homogenen, weißen/europäischen Australien, mit der nicht nur die Gegebenheit einer multikulturellen Gesellschaft, sondern auch die Dominanzposition einer anglo-keltischen Kultur unsichtbar gemacht wurde (vgl. Hall 1993: 356). Nachdem die Multikulturalität Australiens seit den 1960er Jahren weitgehend akzeptiert und ein neues multikulturalistisches Nationenkonzept entwickelt wurde, veränderte sich auch das ›Repräsentationssystem Nation‹. Die ›Bilder des Nationalen‹ mussten der neuen Ideologie angepasst und Repräsentationen des Anderen integriert werden. Die Repräsentation ethnisierter Gemeinschaften spielt in multikulturalistischen nationalen Gemeinschaften eine wichtige Rolle. Das Maß, in dem Mitglieder ethnisierter Gruppen Zugang zur ›Kultur‹industrie haben und in dem ihre Produkte Aufmerksamkeit bekommen, sowie die Beurteilung dieser Produkte innerhalb des nationalen Repräsentationssystems werden als Zeichen für Integration gewertet.22 Allerdings ersetzt die Sichtbarmachung marginalisierter Gruppen, die durchaus mit einer Aufwertung der Kulturen einhergehen kann, nicht ihre reale Gleichstellung. Ferner bedeutet auch die Rezeption im ›Kultur‹betrieb eine Aneignung der ›kulturellen‹ Produkte von Minderheiten durch den dominanten Diskurs und den von der Dominanzgesellschaft bestimmten ›Kultur‹markt. Denn auch ›kulturelle‹ Produkte sind Waren und ihre Bewertung geht mit den Maßstäben der Konsumption einher. Zwar gilt die Annahme eines neutralen, egalitären Marktes, in dem alle ProduzentInnen die gleichen Chancen haben, ihre Produkte einzubringen und alle KonsumentInnen die gleichen Voraussetzungen, Waren und Güter zu erhalten. Allerdings ist insbesondere der ›Kultur‹betrieb von Vorlieben abhängig, die von dominanten (nationalen) Diskursen bestimmt sind (vgl. Erel 1999: 183ff). Besonders gilt dies für einen so finanzintensiven und stark regulierten Bereich wie die (australische) Filmindustrie.

22 Mit dem Begriff der ›Kultur‹industrie oder des ›Kultur‹betriebs meine ich hier den Bereich der Produktion, Rezeption und Vermarktung von Produkten der ›Hoch‹kultur, der Populärkultur wie auch des Kunsthandwerkes. Die Darstellungsweise mit Anführungszeichen dient der Unterscheidung der Institution ›Kultur‹ von einem dynamischen und weiter gefassten Verständnis von Kultur als kulturelle Praktiken. 55

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

Diesen Zusammenhang werde ich im Folgenden näher beleuchten, zunächst mit einem filmhistorischen Überblick über die Entwicklung eines ›nationalen australischen Kinos‹.23 Daran anschließend folgt eine erste Vorstellung meines Filmmaterials und ich werde auf die Relevanz von Repräsentation für eine multikulturalistische nationale Gemeinschaft eingehen. Anhand von Beispielen aus der Populärkultur Australiens werde ich die Herstellung und Bedeutung von Authentizität und Hybridität in der Repräsentation von MigrantInnen in diesem spezifischen kulturellen System herausarbeiten und auf die ausgewählten Filme anwenden.

23 Einen solchen Überblick zu geben erscheint mir auch deshalb notwendig, da es im deutschsprachigen Raum kaum Veröffentlichungen zum australischen Kino gibt. Als Ausnahmen seien genannt Hasemann 1987; Wimmer 2002a. 56

Filme aus Australien – austra lisches Kino?

Schon früh in der Filmtheorie und -geschichtsschreibung wurde das Kino mit kollektiven/nationalen Rahmenkontexten in Verbindung gebracht1 und damit im Rahmen eines nationalen Repräsentationssytems verortet. Auch Filme aus Australien wurden und werden immer wieder mit dem Begriff des ›nationalen Kinos‹ (national cinema) belegt. Dies wirft die Frage auf, was ein nationales Kino ausmacht und in welchen Beziehungen es zum jeweiligen Nationalstaat steht. Tom O’Regan schreibt in »Australian National Cinema«: »Because of the importance of ›nations‹ to a national cinema, national cinemas inevitably involve questions of relative national merit« (O’Regan 1996: 69). Im Weiteren beschreibt er das nationale Kino als geprägt durch eine Vielzahl von Beziehungen. Filme stehen sowohl in wirtschaftlichen, regierungspolitischen und (sozio-)kulturellen Kontexten innerhalb des Nationalstaates als auch in einem komplexen Bezugsverhältnis zu anderen nationalen Kinos und zum ›internationalen‹ Film – wie das HollywoodKino mit einiger Vorsicht bezeichnet werden kann –, von denen es sich absetzen oder mit denen es sich arrangieren muss.2

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Die gilt einerseits für die Hervorhebung des Produktionslandes (sowohl im Sinne des Herstellungsortes als auch der Finanzierung durch Produktionsgesellschaften oder öffentliche Gelder) sowie Vorstellungen von Kino als Repräsentationssystem, einerseits einer spezifischen ›nationalen Kultur‹, aber auch einer ›nationalen Mentalität‹ als »psychologisches Grundmuster eines Volkes in einer eingegrenzten Zeit« (Kracauer 1995: 14). Tom O’Regan spricht von »The messiness of national cinemas« (O’Regan 1996: 71) und stellt fest: »Australian cinema has been shown to possess the typical characteristics of a national cinema. National cinemas are marked by their relational character and by the co-presence of, on one 57

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

In Australien stehen das Kino und seine theoretische Aufarbeitung in engem Zusammenhang mit der Herstellung einer ›nationalen Identität‹, die sich auch durch historische Gleichzeitigkeiten erklärt. So treffen die Anfänge des narrativen Kinos am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert auf nationalistische Bewegungen, die stark literarisch und künstlerisch geprägt waren. Die sich neu entwickelnde (Spiel-)Filmproduktion Australiens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wiederum korreliert mit einer zunehmenden Diskussion um Nationalität, nationale Identität und Multikulturalismus. Texte über Filme aus Australien sind in diesen Kontexten maßgeblich an der Gestaltung eines nationalen Kinos und damit an der Herstellung von australischer Kultur und Identität beteiligt. Bereits in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts finden sich Veröffentlichungen, die in Titel und Inhalt auf das Australische (Australianness) als Spezifisches hinweisen, das von Filmen aus anderen Ländern zu unterscheiden sei.3 Ein nachhaltiges Mittel ist dabei die Bezeichnung von australischen Filmproduktionen als ›unser‹ Kino und der damit einhergehenden Herstellung eines kollektiven/nationalen ›Wir‹, das durch diese Filme vermeintlich repräsentiert wird. In der australischen Filmgeschichtsschreibung wird diese Verbindung besonders herausgearbeitet, indem eine – wenn auch unterbrochene – ökonomische, wirtschaftspolitische und narrative Kontinuität von Filmproduktionen hergestellt und als australisches Kino beschrieben wird. Nachdem die Filmindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg fast vollständig zum Erliegen kam, verstärkte sich diese Tendenz Ende der 1950er Jahren mit der Forderung nach einem ›neuen australischen Kino‹. Mit der Wiederbelebung der Spielfilmproduktion Mitte der 1960er Jahre erhöhte sich auch die Anzahl filmtheoretischer und -historischer Veröffentlichungen, die in den 1980er und der ersten Hälfte der 1990er Jahre einen Höhepunkt erreichte.4 Lange Zeit konstruierten Filmgeschichtsschreibungen im Rückgriff auf immer wieder dieselben Themen und immer wieder dieselben Filme, mit denen sie sich auseinandersetzten, ein nationales Kino, das eine kulturell homogene, anglo-keltische australische Identität zu reflektieren schien. Wiederkehrende narrative Muster, Stilmittel und Erzählweisen

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hand, the local and national and, on the other hand, the international« (O’Regan 1996: 76; vgl. auch O’Regan 1996: 102; Rowley 1998). Einige Artikel und Aufsätze aus der Zeit zwischen 1919 bis 1927 sind in »An Australian Film Reader« (1985) von Albert Moran und Tom O’Regan neuveröffentlicht. Etliche dieser Filmgeschichten habe ich für den folgenden Überblick über die Entwicklung der Filmproduktion in Australien herangezogen, u.a. Pike/Cooper 1981; Moran/O’Regan 1985; Hasemann 1987; Dermody/Jacka 1987/1988a; Rattigan 1991; Murray 1995.

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wurden als ›Ausdruck‹ dieser kulturellen Identität gewertet. Allerdings wurde dabei die Heterogenität australischer Filme nur ungenügend berücksichtigt. Stattdessen wurde durch wiederholte ›Nacherzählung‹ eine dominante Auslegung eines nationalen Kinos re-produziert. Nachdem sich die Konstruktion australischer Nationalität von dem Ideal einer kulturellen Homogenität hin zur Anerkennung der Multikulturalität verändert hatte, erschien dieses Vorgehen jedoch zunehmend prekär. Die bisher scheinbar notwendig geltende Tautologie »an Australian film industry must, by definition, make Australian films« (Rattigan 1991: 19) verlor seit den 1990er Jahren an Wirksamkeit, je stärker eine scheinbar homogene, spezifisch-australische Kultur in Frage gestellt wurde. Zwar wird in Texten über Filme aus Australien immer noch von einem nationalen Kino gesprochen, doch verweisen diese Texte zunehmend auf kritische, brüchige und divergente narrative und stilistische Motive und Interpretationen australischer Filme.5 Es stellt sich die Frage, inwieweit dieses heterogene Spektrum noch als nationales Kino gelten kann und wie sich die Wechselwirkungen zwischen einem ›nationalisierten Kino‹ und Filmproduktionen als Instrument von Nationalisierungsprozessen verändert haben und verändern. Eine weitere Überschneidung liegt in der Verbindung eines nationalen Kinos mit regierungspolitischen Diskursen. Die australische Regierung wirkte im gesamten Verlauf der Filmgeschichte durch Zensur, Fördermaßnahmen sowie Auftragsarbeiten auf die Filmindustrie ein und tut dies noch heute. Dieser Einfluss spiegelt immer auch ideologische Konzepte im Rahmen eines Repräsentationssystems wieder. Die Bilder, mit denen die Nation sowohl im Inneren wie auch international repräsentiert wird, sind nicht unbeeinflusst von der jeweiligen Konstruktion der Nation. Besonders deutlich zeigt sich dies in der Veränderung filmischer Narrationen und Darstellungsweisen im Verlauf des ›neuen australischen Kinos‹, das mit einer sich wandelnden Kulturpolitik der Regierung sowie einem neuen Konzept von Nation als multikulturalistisch in Verbindung steht. An diesem historischen Moment Mitte der 1990er Jahre, an dem die Nationalisierung von Filmproduktion und Schreiben über Film aufbricht und problematisiert wird, setzt meine Frage nach der Verbindung von Film, Nationalität, Ethnizität und Geschlecht an.

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Dazu gehören das bereits erwähnte Buch »Australian National Cinema« von Tom O’Regan (1996), Graeme Turners Aufsatz »Australian Film and National Identity«, der in einem Sammelband zu »The Politics of Identity in Australia« (Stokes 1997) erschienen ist sowie Adi Wimmers Überblick »Der australische Film« (2002a), der mit einem Kapitel zu »Trends der 1990er: Zwischen Globalisierung und Nischenthemen« schließt. 59

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Die Herstellung eines nationalen Kinos: 1896-1913 Die Kinogeschichte Australiens ist fast so alt wie das Medium selbst. Sie beginnt mit dem Jahr 1896, als Carl Hertz einen Kinematograph des Engländers R.W. Paul nach Melbourne und Marius Sestier den Cinématographe der Gebrüder Lumière nach Sydney brachte. Als Zusammenarbeit der beiden Konkurrenten – Herzt hatte die Idee und Sestier die benötigte Filmkamera – entstand der erste in Australien hergestellte Film, MELBOURNE CUP (1896). Diese Dokumentation des berühmtesten Pferderennens in Australien kam nach einer Produktionszeit von nur wenigen Tagen mit großem Erfolg zur Aufführung. Bereits zu dieser Zeit interessierten sich auch Joseph Perry und Herbert Booth, der Sohn des Gründers der Heilsarmee General William Booth, für das neue Medium. Zwischen 1896 und 1900 produzierten sie zahlreiche kurze Lehr- bzw. Propagandafilme für die Heilsarmee. Im Jahr 1900 drehten sie den ersten langen Film SOLDIERS OF THE CROSS, »aus heutiger Sicht eher eine Multimedia-Show als ein Spielfilm« (Hasemann 1987: 23; vgl. Turner 1988: 137), der am 13. September in Melbourne uraufgeführt wurde und bis auf die eingesetzten Diapositive leider verloren ist. Die Attraktivität des neuen Mediums und die fehlende Konkurrenz von außerhalb – der internationale Filmhandel war noch nicht etabliert – machten die Jahre zwischen 1906 und 1912 zur Blütezeit des frühen australischen Spielfilms mit einem Höhepunkt von 51 Filmproduktionen im Jahr 1911. Die Brüder Tait drehten mit THE STORY OF THE KELLY GANG (1906) nicht nur den vermutlich ersten abendfüllenden Spielfilm weltweit,6 sondern auch den ersten Film eines Genres, das als genuin australisch betrachtet wird, über Leben, Abenteuer und vor allem Legenden der bushrangers.7 Auch andere Filme waren unmittelbar an ein australi6

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Als ›abendfüllend‹ werden Filme mit einer Länge von über einer Stunde bezeichnet. In Europa und den USA waren zu dieser Zeit vor allen Einakter von zehn bis fünfzehn Minuten üblich. Die Länge von THE STORY OF THE KELLY GANG wird mit 4.000ft, d.h. etwa 60 Minuten oder länger angegeben. »Das Wort bushranger bezeichnete ursprünglich eine Person mit einer offiziellen Aufgabe außerhalb der Siedlungen. Es erfuhr eine Bedeutungsverengung, als es zur Charakterisierung von Sträflingen herangezogen wurde, die sich ihrer Bestrafung durch Flucht in den Busch entzogen hatten, wo sie zu überleben hofften. Schließlich wurde es auf den kleinen Personenkreis angewendet, der dem Gesetz aus dem Wege ging, im Busch von zumeist gemeinschaftlich, in einer Gang, begangenen Verbrechen, Überfällen, Raub und Mord, lebte. [...] Was sie in den Augen ihrer Zeitgenossen dennoch attraktiv machte, war ihre offene Rebellion gegen die allmächtige Staatsgewalt. [...] Die soziologische Popularität der bushrangers

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sches Publikum gerichtet, sie handelten von der Geschichte Australiens als Sträflingskolonie wie FOR THE TERM OF HIS NATURAL LIFE (Charles MacMahon 1908), dem Goldrausch, beispielsweise EUREKA STOCKADE (George & Arthur Cornwell 1907), Sport und immer wieder von bushranging-Legenden. Es gab auch Geschichten, die im städtischem Umfeld angesiedelt waren und sich mit zeitgenössischen Erfindungen und technischen Neuerungen beschäftigten, der Großteil der Filme drehte sich jedoch um »Australian outdoor subjects« (Pike/Cooper 1981: 3), in denen das Leben im bush bzw. outback in einfachen Mustern erzählt und romantisch verklärt wurde.8 Bereits in diesen sehr frühen Spielfilmproduktionen wurden Themen und Motive, die bereits in der Literatur als australische Narrationen etabliert waren, in eine australische Filmtradition und ›nationale Kinoerzählung‹ eingeführt. Die Filme der frühen Stummfilmzeit greifen dabei auf Mythen9 der Democratic NationalistsBewegung Ende des 19. Jahrhunderts zurück.

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beruht darauf, dass sie oftmals als einzige wirksame Antwort auf die Willkür, Grausamkeit oder Unfähigkeit der staatlichen oder anderweitigen Autorität den gewaltsamen Widerstand proklamierten und praktizierten« (Prießnitz 2002: 288f). Die Popularität der bushrangers lässt sich im Kontext nationaler Selbstvergewisserung auch durch eine Abspaltung des Australischen (bush, Gemeinschaftlichkeit, ein gewisses Maß an Anarchie) gegenüber dem Englischen (Gesetzgebung und Strafverfolgung) interpretieren. In seinem glossary zu englischen Begriffen, die im australischen Kontext spezifische Bedeutung besitzen, erklärt Neil Rattigan outback als anderen Begriff für bush: »It implies more remote regions, generally beyond that suitable for agriculture; the wilder, harsher regions of Australia« (Rattigan 1991: 335) und bezeichnet beides im Kontext nationaler EntwicklungsMythen als »both generic term for anywhere geographically outside the city and a perception of the mythical power of the landscape and the environment in forming the Australian character. In the latter usage, the bush is the single most important determining factor in Australian cultural identity«, (Rattigan 1991: 332). Adi Wimmer schreibt: »Übrigens ist der Mythos des Outback ein durchaus urban entstandener. Natur und die Vorstellung eines klassenlosen Lebens in ihr werden zum Gefäß für unrealistische Hoffnungen, genährt aus Ressentiments gegenüber einem bereits erstarrten Kapitalismus, den man sich nicht beim Namen zu nennen getraut. Wobei hinzuzufügen ist, dass diese Ideologie im kollektiven Denken Australiens heute noch Akzeptanz findet. Für die Renaissance des Films der 1970er Jahre spielte sie eine entscheidende Rolle« (Wimmer 2002a: 399; vgl. Platz 2002: 258ff; Battye 1996: 41; Turner 1986: 32 ff; White 1981: 98ff). Bei der Verwendung des Begriffs ›Mythos‹ beziehe ich mich auf Roland Barthes »Mythen des Alltags« (1964); vgl. auch Fiske/Hodge/Turner 1987: xif. Mythen haben in populärkulturellen Diskursen häufig die Aufgabe, erfahrbare Widersprüche und Unvermeidbarkeiten auf einer symbolischen Ebene aufzulösen. 61

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

Schon zu dieser Zeit wurden remakes erfolgreicher Filme produziert, die romantisierende und stereotype Bilder wiederholten und verfestigten (vgl. Wimmer 2002a: 400). Dazu gehören Darstellungen vom harten aber befriedigenden Leben im bush, wo die Auseinandersetzung mit den Widrigkeiten der Natur – Dürre, Überschwemmung, Buschfeuer oder einfach die Unerbittlichkeit des Landes – den Australier hervorbrachte und der Australierin ihren Platz und ihre Rolle in der kulturellen Repräsentation zuwies. Denn die Landschaft des outback nimmt eine zentrale narrative Funktion in der Konstruktion einer australischen Kultur ein.10 Dies erklärt sich nur bedingt durch die extreme geographische Realität und Fremdheitserfahrung der frühen weißen/europäischen SiedlerInnen, vorwiegend handelt es sich um eine kulturelle Konstruktion, die bis heute Gültigkeit behalten hat. Dabei ist die mythisierte Landschaft in hohem Maße geschlechtlich – sowie anhand anderer Kategorien wie soziale und regionale Herkunft und Rassisierung – aufgeladen.11 So wird indigenen AustralierInnen eine ›ursprüngliche‹ Nähe zu oder gar Einheit mit der Natur und Landschaft zugeschrieben, was einerseits dazu diente, die neue Kolonie als terra nullius, als unbewohntes Land betrachten und daher ohne Rücksichtnahme kolonisieren zu können. Andererseits findet auch eine romantisierende Imagination von der Spiritualität indigener AustralierInnen statt, die in Verbindung mit einem alten, ›weisen‹ Land stehen (vgl. O’Regan 1996: 209f). In der filmischen Darstellung wurden Aboriginal People meist stereotypen Darstellungen unterworfen, entweder in der Rolle des unzivilisierten Bösewichts oder als treuer, vertrauensseliger Helfer des Helden.12 10 »It is a commonplace that landscape is central to Australian culture« (O’Regan 1996: 208; vgl. auch Platz 2002: 255ff; Robson/Zalcock 1997: 6ff; Rattigan 1991: 25f; Hasemann 1987: 18). Für die Filmindustrie hat die Gängigkeit des Mythos den Vorteil des verlässlichen Wiedererkennungseffekts der Landschaft sowie den pragmatischen Vorzug, dass Land für Drehorte im Übermaß vorhanden ist, wodurch sich Produktionskosten senken lassen (vgl. O’Regan 1996: 210). 11 Kay Schaffer hat in »Women and the Bush« (1988) die Verbindung von – weißer/europäischer – Weiblichkeit und Land/Landschaft ausführlich aufgearbeitet. 12 »Bushrangers [...] often had a quick-witted ›black boy‹ as faithful ally« (Pike/Cooper 1981: 3). Stuart Hall bezeichnet Stereotypisierungen dieser Art als »Grundbilder in der ›Grammatik der Rasse‹« und stellt drei häufig verwendete, im britischen Kontext historisch durch Sklaverei und Imperialismus bestimmte rassistische Darstellungen vor: »die vertraute Sklavenfigur, zuverlässig und auf eine einfache, kindliche Weise liebend«, »das [Grundbild, js] des ›Eingeborenen‹. Die gute Seite dieser Figur wird als eine Art primitiven Adel und als einfache Würde gezeigt, die schlechte Seite als Betrug und Arglist und darüber hinaus als Wildheit und Barbarei«, sowie die Variante des »Clowns« (Hall 1989: 160f). Alle diese 62

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Ferner gilt der bush als Ort der Männer: der Pionier, der bushranger und der Schafscherer – alle mythischen Figuren des bush sind männlich konstruiert. Zu diesen Männerfiguren gehören Ideale von Freiheit, Egalitarismus und mateship13 sowie die Geringachtung von Autorität, die in der Figur des bushrangers ihren Höhepunkt erreicht. Frauen haben in dieser Konstruktion wenig Raum. Die Rolle der wenigen Frauenfiguren der Australian legend stand in der Regel fest: Bush heroines were always accomplished horsewomen, knowledgeable about bush lore and cattle mustering, but they were no tomboys. While they could ride the range with the best of the men, they maintained a dainty and demure appearance and flirted happily with the men of their choice (Pike/Cooper 1981: 3).14

In dieser Doppelrolle als zugleich zuverlässiger Kumpel (mate) und gute (Ehe-)Frau bestimmten weibliche Figuren bis in die 1950er Jahre das australische Kino.15 Andererseits war die Vorstellung von weißen/euroGrundbilder lassen sich in Narrationen aus Australien für die Repräsentation von indigenen AustralierInnen finden. 13 »Mateship [...] places loyalty between men above all other personal qualities. (The sexist nature of Australian culture has only recently admitted women into this mythic perception.) A mate is closer than a friend, closer even than a wife (although occasionally a wife can be a mate in this sense). Also a general form of address for men and, more lately, women« (Rattigan 1991: 335). 14 Bemerkenswert ist hier die Aussage »flirted happily with the men of their choice« (meine Hervorhebung, js). Selbstverständlich sind auch in diesen Filmen die Paarungen entweder durch Moralvorstellungen der Zeit legitimiert (z.B. POSSUM PADDOCK, Charles Villiers/Kate Howarde 1921) oder die Protagonistin wird für ihre ›falsche‹ Wahl bestraft (z.B. THE WOMAN SUFFERS, Raymond Longford 1918). »In its depictions of ›true‹ Australian life, silent film displayed a specific gender differentiation which prescribed certain codes of behaviour. Women in silent film were characterised by a moral code which governed their sexuality and determined their fate. The heroine, however strong or independent her character, had to be virtuous, sexually innocent and morally beyond reproach. Her virtue was typified, particularly, by a complete lack of enjoyment in seduction. [...] If she fulfilled all these criteria, she was rewarded with marriage and could look forward to a lifetime of happiness and fulfilment as a loving wife and mother. If, however, she had already ›fallen‹ and conceived a child outside the sanctity of marriage, she must inevitably suffer. In spite of the villainy of the character who seduced her, the ›fallen‹ woman must endure despair, disgrace and ostracism leading, more often than not, to death, whether accidental of through suicide« (Cousins 1993: 65f; vgl. Summers 1980: 37). 15 Als Beispiele seien genannt A GIRL OF THE BUSH (Franklyn Barrett 1921), THE SQUATTER’S DAUGHTER (Ken Hall 1933) oder THE OVERLANDERS (Harry Watt 1946). Erst in den 1970er Jahren wurde mit dieser Erzähltra63

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päischen Frauen seit Anfang der Besiedlung einer Dichotomie unterworfen, die zwar nicht spezifisch für die australische Kultur ist, hier jedoch an die Geschichte als Sträflingskolonie, auch für weibliche Strafgefangene, gebunden. Anne Summers (1980) argumentiert in ihrem Buch »Damned Whores and God’s Police«, dass Frauen entweder in der Rolle der sexuell verfügbaren ›Hure‹ oder als Wahrerinnen der bestehenden – patriarchalen und kolonialen – Ordnung verstanden wurden. Im übertragenen Sinne nahm Weiblichkeit jedoch sehr viel Raum ein, denn sie ist stets in der metaphorischen Feminisierung der Landschaft repräsentiert, die in der Konstruktion einer australischen nationalen Identität eine wichtige Rolle spielt.16 Dies beginnt mit der Abgrenzung Australiens zu Mother England, in dem Australien als jungfräuliches Land mythisiert wird, das von Männern zu besiedeln, zu zähmen und zu kultivieren ist, und setzt sich fort in der Konstruktion der Landschaft als Fremdes, den europäischen Siedlern (sic) Unbekanntes, Anderes, das weißer, europäischer Männlichkeit gegenübersteht (vgl. Robin 2007). Dieses fremde, von der europäischen Geographie so verschiedene Land erhält dabei eine Doppelbedeutung, denn es steht auch im Kontext von ›Mutter Natur‹, die jedoch in Australien nicht als wohlmeinende und nährende sondern als gefährliche, Menschen verschlingende – und damit ›kastrierende‹ – Mutter erscheint. Dabei ›verkörpert‹ das Land die Vorstellung eines Enigmas, das nicht zu überwinden ist. Hier laufen Menschen Gefahr, in der Landschaft zu verschwinden. Dies trifft insbesondere auf Frauen zu, da diese als der Natur nahestehend verstanden werden – aber auch auf Kinder und Männer, die zu schwach sind, sich der verschlingenden Natur zu widersetzen (vgl. Schaffer 1988: 52ff; White 1981: 104). Die australische Natur und Landschaft kann nicht bezwungen sondern bestenfalls überlebt werden – weshalb es in der australischen Erzähltradition auch, anders als in der US-amerikanischen, keine siegreichen Helden gibt, sondern the little Aussi battler,17 der stets sein Bestes gibt (a good try), aber dem es im besten Fall nur gelingt, nicht vom Land verschlungen zu werden. In beiden Fällen steht die feminisierte Landschaft als das Andere zur Weißen, männlichen Norm – als ein Anderswo, in dem auch andere Andere verortet, in das Andere abgedition gebrochen. Insbesondere CADDIE (Donald Crombie 1976), THE GETTING OF WISDOM (Bruce Beresford 1977) und MY BRILLIANT CAREER (Gillian Armstrong 1979) haben hier einen Vorbildstatus eingenommen. 16 Kay Schaffer (1988) hat dies in »Women and the bush« ausführlich darstellt (vgl. auch Lake 2000: 170f/xii; White 1981: 83). 17 Die Figur des little Aussi battlers zeigt sich auch im sogenannten tall poppy syndrome, nachdem zuviel Erfolg misstrauisch betrachtet und ›Gewinnertypen‹ ›zurückgestutzt‹ werden (vgl. Rattigan 1991: 332; Morris 1992: 10; Dale 1996: 52f). 64

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schoben werden können: Frauen, indigene AustralierInnen, MigrantInnen und ›Verrückte‹ (vgl. Schaffer 1988: 27).

Rückgang australischer Kinoproduktionen: 1913-1965 Nach der Phase reger Filmproduktion zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging die Zahl der realisierten Filme ab 1912 drastisch zurück. Als Grund hierfür wird häufig das offensive Lancieren US-amerikanischer und britischer Filme auf dem australischen Markt angeführt, doch weitaus stärkere Auswirkungen hatte der Zusammenschluss etlicher Filmunternehmen zu zwei großen Konzernen, der Australasian Films für Vertrieb, Verleih, Equipment und Produktion sowie den Union Theatres. Zusammen bildeten sie ein Monopol, The Combine genannt, das insbesondere durch die Kontrolle der Spielstätten – die nun fast ausschließlich Produktionen der Australasian Films zeigten – kleinere unabhängige Produktionsfirmen vom Markt verdrängten.18 Auch der Eintritt Australiens in den Ersten Weltkrieg hatte erhebliche Auswirkungen auf die Filmindustrie. In australischen Filmnarrationen überwog zunächst ein Enthusiasmus, der sich in ›Abenteuerfilmen‹ wie THE HERO OF THE DARDANELLES, HOW WE BEAT THE EMDEN (beide Alfred Rolfe 1915) und THE MARTYRDOM OF NURSE CAVELL (John Gavin/C. Post Mason 1916) oder in xenophoben Filmen wie AUSTRALIA CALLS (Raymond Longford 1913) zeigte. Diese sollten die eigene Kampfbereitschaft und -fähigkeit beweisen bzw. heraufbeschwören. Als jedoch die Auswirkungen des Krieges auch für die Zivilbevölkerung real wurden, erschienen diese Kriegsfilme zu romantisierend, ihre Produktion ging zurück, dafür stieg die leichter Unterhaltungsfilme.19

18 1914/15 wurden nur 12 Spielfilme produziert. Ende 1914 wurde geschätzt, dass sich 8 von 10 Kinos in New South Wales vertraglich an Australasian gebunden und somit keinerlei Freiheit in der Programmgestaltung hatten (vgl. Pike/Cooper 1981: 4). Ein weiterer Grund für die rückläufigen Produktionszahlen lässt sich im Verbot der bushranger-Filme durch die Polizeibehörde von New South Wales im Jahr 1912 finden, mit dem der Industrie die wichtigste Absatzregion für dieses gewinnbringende Genre entzogen wurde. Von Seiten der Behörden wurde argumentiert, bushrangingFilme seien subversiv, gewaltverherrlichend und ein schlechtes Beispiel sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene. Die Zensur blieb bis ins Jahr 1940 bestehen (vgl. Pike/Cooper 1981: 4; Hasemann 1987: 26). 19 Unter anderem drehte Beaumont Smith 1917/18 vier Filme der erfolgreichen HAYSEED-Reihe, Komödien über die Erlebnisse und ›Abenteuer‹ einer Farmerfamilie im outback. 65

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Die Ernüchterung des Weltkriegs – die ANZAC-Truppen (Australian-New Zealand Army Corps) waren nach der in Australien weit verbreiteten Ansicht von der britischen Armee nicht nur auf der türkischen Halbinsel Gallipoli als Kanonenfutter ›verheizt‹ worden (vgl. Schaffeld 2002: 103) – führte zu einer graduellen politischen und kulturellen Abkehr von Großbritannien. Dabei wurde die Hinwendung zu ›australischen‹ Narrationen, sowohl auf Schilderungen des Lebens auf dem Lande als auch von urbanen Erzählungen, fortgesetzt bzw. noch verstärkt.20 Die späteren Interpretationen der entstandenen Filme unterscheiden sich allerdings sehr. So schreibt Dieter Hasemann beispielsweise zu dem Film ON OUR SELECTION aus dem Jahr 1920: Das Leben im weiten Buschland, der Existenzkampf der kleinen Farmer, die täglichen Sorgen und Nöte, aber auch die schönen Aspekte der Natur, hat [Raymond, js] Longford auf einzigartige Weise zu erzählen verstanden (Hasemann 1987: 32).

Auch Andrew Pike und Ross Cooper bescheinigen: [Franklyn, js] Barrett’s A Girl of the Bush (1921) and Longford’s On Our Selection (1920) established high standards of ›documentary realism‹ in their portrait of the hardships of bush life, with naturalistic acting and settings that set them far ahead of most of their Australian contemporaries. A desire for unadorned ›realism‹ extended to the films with urban settings, dominated by Longford’s The Sentimental Bloke (1919), which offered the public a homely and unsensational representation of city life after the dislocations of war (Pike/Cooper 1981: 115).

Im Gegensatz zu diesen filmhistoriographischen Wiederholungen national-narrativer Mythen sieht Adi Wimmer die Filme dieser Zeit mit einem kritischeren Blick: Das Genre des Outback-Dramas begann sich in zwei Spielarten zu etablieren: als komödiantische Veräppelung und simultane Respekterweisung des gutmütigen larrikin, häufiger jedoch als Melodrama. In ihm kämpft der australische Adam gegen Dürre, Buschfeuer, Überschwemmung oder Kaninchenplage, erleidet tausendfache Rückschläge, lässt sich aber nie unterkriegen und geht aus dem Fegefeuer des Pionierlebens charakterlich veredelt hervor. Die Kehrseite 20 Neben den Verfilmungen existierender Theaterstücke, Romane, Erzählungen und Gedichte entstanden zunehmend eigenständige ausgearbeitete Drehbücher, die – außer für aufwendige Produktionen – bis dahin eher unüblich waren. Häufig war nach einem kurzen Skript oder einer bloßen Idee relativ frei improvisiert worden. 66

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der romantischen Verklärung des Outback musste fast zwangsläufig eine Diffamierung des Stadtlebens sein. Moralische Korruption, Luxus, Treu- und Ehrlosigkeit sowie der Einfluss ›unaustralischer Personen‹ (Ausländer, Juden, Chinesen) wurden als essentiell städtische Phänomene gesehen und immer wieder dem ›reinen‹ Naturleben gegenübergestellt (Wimmer 2002a: 398f).21

Während Pike/Cooper und Hasemann die stilistische Entwicklung zu einer ›naturalistischen‹ Darstellungsweise herausstellen, die in der späteren Weiterentwicklung als ›social realism‹ bezeichnet werden wird, betont Wimmer die Re-Produktion einer Australian legend, insbesondere durch die Wiederverfilmung erfolgreicher früher Stummfilme. Gemeinsam ist den Deutungen jedoch die Betonung einer kulturellen Erzähltradition, sowohl stilistisch wie auch in der Wahl von Motiven und Handlungsverläufen, die bis heute Auswirkungen auf das Verständnis eines ›australischen Kinos‹ hat. Dies gilt auch für die Dichotomie von Stadt und Land sowie der Bewegungen zwischen den beiden so produzierten Polen. Dabei kommt die Reise von der Stadt ins outback einem Reinigungsritual gleich, während der Gang in die Stadt unweigerlich in Korruption, Amoralität und Verderben endet. Erst später entwickelte sich eine Gegenerzählung, in der dem Urbanen die Bedeutung von Moderne, Aufgeschlossenheit und Toleranz zugewiesen wird, das Leben in ländlichen Gemeinden dagegen von Rückschrittlichkeit, Unterdrückung durch Konservativismus und Gefahr geprägt ist.22 Nach dem Ersten Weltkrieg war die Filmwirtschaft geprägt durch den Aufschwung der Werbe- und Verleihaktivitäten der Hollywood-Industrie. US-Konzerne festigten ihre Position, die sie bereits nach 1912 in Australien eingenommen hatten, was zu einer Schwächung der Marktpositionierung von Australasian Films führte. Auch im Bereich der Vorführung wurde das Monopol der Union Theatres von den Hoyts Theatres – die 1930 in US-amerikanischem Besitz übergingen – gebro21 Neil Rattigan erklärt die erwähnte Figur des larrikin wie folgt: »Originated in the late nineteenth century, a larrikin was a delinquent of hooligan, often a member of a ›push‹ or street gang, sometimes of a criminal bent. The term retains something of its antisocial meaning but has taken on the qualities of independence and antiauthority of the true Australian and is frequently used as term of admiration« (Rattigan 1991: 334). Auch wenn hier keine geschlechtsspezifische Benennung erfolgt, wird die Bezeichnung larrikin nur auf Männer angewandt. Michael Leach stellt den Begriff dabei in einen Kontext von »misogynist larrikinism« (Leach 1997: 76). 22 Als Beispiele lassen sich Filme wie WALKABOUT (Nicolas Roeg 1971) sowie Thriller und Horrorfilme – ›Australian Gothic‹ nach Dermody und Jacka (Dermody/ Jacka 1988a: 50) – wie WAKE IN FRIGHT (Ted Kotcheff 1971), THE CARS THAT ATE PARIS (Peter Weir 1974), THE LONG WEEKEND (Colin Eggleston 1978) und SHAME (Steve Jodrell 1988) nennen. 67

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chen. Die zunehmende Einwirkung des US-amerikanischen Kinos auf die australische Gesellschaft sorgte in den 1920er Jahren für erste Bedenken.23 1927 gründete die Commonwealth Regierung eine Royal Commission, um geeignete Möglichkeiten der Einflussnahme zu entwickeln. Doch die Empfehlungen der Royal Commission wurden größtenteils nicht ausgeführt, die wenigen Vorschläge, die umgesetzten wurden, verfehlten ihre Wirkung.24 Die Einführung des Tonfilms mit seinen höheren Produktionskosten, zunehmende Ansprüche des Publikums und Schwierigkeiten bei Verleih und Vorführung hatten zur Folge, dass sich die Filmproduktion in Australien weitgehend auf finanziell wohl ausgestattete und nach Hollywood-Vorbild spezialisierte Studios konzentrierte. Nicht-professionalisierte FilmemacherInnen verschwanden aus der Filmlandschaft. Ebenso verschwanden die Frauen, die bis dahin in der australischen Filmindustrie – wie auch in den USA und Europa – weitgehend akzeptiert waren, aus der Branche. Denn höhere Kosten und Gewinne und damit ein gesteigertes finanzielles Risiko sowie die zunehmende Akzeptanz des Mediums als Wirtschaftsfaktor brachten Berufen in der Filmbranche einen höheren sozialen Status ein; und wie immer wenn eine Tätigkeit ökonomisch aufgewertet wird, wurden Frauen aus ihren Berufen verdrängt.25

23 1925 kamen 90% der Filmimporte nach Australien aus den USA (vgl. Hasemann 1987: 34). 24 Die Royal Commission empfahl die Unterstützung von Spielfilmproduktionen durch Geldpreise für herausragende Filme, die Einführung einer Quote für Produktion und Aufführung australischer Filme, eine Erhöhung der Importzölle für Filme, zeitliche Begrenzung der Verträge zwischen Verleih und Filmtheater, um Blockbuchungen zu verhindern sowie die Schaffung einer Zensurbehörde. Obwohl diese Vorschläge nicht oder ohne Erfolg durchgesetzt wurden, hatte die Untersuchung der australischen Regierung zumindest zu einer kurzfristigen Wiederbelebung der Filmindustrie im Jahr 1928 beigetragen. Im darauf folgenden Jahr sank die Anzahl der Produktionen allerdings wieder. Schuld daran trugen unter anderem die finanziellen und technischen Schwierigkeiten durch Einführung des Tonfilms. So hatte die Australasian Films 1927 mit FOR THE TERM OF HIS NATURAL LIFE (Norman Dawn) ihren kostenintensivsten Stummfilm fertiggestellt, doch schon im nächsten Jahr übernahm mit THE JAZZ SINGER (Alan Crossland 1927) der Tonfilm den Kinomarkt. FOR THE TERM OF HIS NATURAL LIFE war zwar innerhalb Australiens ein großer Erfolg, auf dem Weltmarkt konnte er jedoch nicht mehr abgesetzt werden (vgl. Pike/ Cooper 1981: 116; Hasemann 1987: 36). 25 Ally Acker schreibt in ihrem Buch »Reel Women«: »Between 1913 and 1923, at least twenty-six women directors have been counted in Hollywood. But one of the reason they were allowed to direct during these formative years was the fact that directing was not yet considered a glamorous job«, und weiter: »So as film began to be a big business and only sec68

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Keine der erfolgreichen Filmemacherinnen der 1920er Jahre wie Lotti Lyell, Louise Lovely oder die Schwestern Paulette, Phyllis und Isobel McDonagh konnten sich nach der Einführung des Tonfilms in der Spielfilmindustrie halten (vgl. O’Regan 1996: 293f; Dooley 1996; Slide 1982: 7ff). Auch im technischen Bereich wurden Frauen, wie die anerkannte Cutterin Mona Donaldson, ausgeschlossen: »women, too, virtually disappeared from production, other than as actresses and continuity girls« (Pike/Cooper 1981: 199ff). Im Verlauf der 1930er Jahre verstärkten die Weltwirtschaftskrise, die Umstellung auf den Tonfilm sowie der zunehmende Einfluss der USamerikanischen Filmwirtschaft den Niedergang der australischen Spielfilmindustrie. Zwischen 1930 und 1935 wurden nur 29 Filme gedreht. Einzig Cinesound Productions, 1932 als Tochter der Greater Union Theatres, wie die Australasian Film und Union Theatres nach einer Umstrukturierung 1931 hießen, gegründet, produzierte in den 1930er Jahren kommerziell erfolgreiche Spielfilme.26 Obwohl die Weltwirtschaftskrise die gesamte australische Gesellschaft belastete, gab es in den Spielfilmerzählungen der 1930er Jahre wenig direkte Verweise darauf. Die Furcht vor Arbeitslosigkeit und Armut wurde eher als Kampf gegen übermächtige Naturkatastrophen wie Dürre oder als personalisierte Niedertracht Einzelner inszeniert, wie in dem DAD AND DAVE Tonfilm-Remake ON OUR SELECTION (Ken G. Hall 1932). Weit häufiger als sozial-kritische Problemfilme wurden Musicals und exotische Liebesgeschichten auf idyllischen Inseln produziert, die kurzzeitige Flucht vor realen Schwierigkeiten boten. Die Tendenz zu offensichtlich ›australischen‹ Narrationen wie bush-Erzählungen ging ein wenig zurück und wurde von urbaneren Erzählungen abgelöst. Selbst die Prototypen des Landlebens mussten sich in DAD AND DAVE COME TO TOWN (Ken G. Hall 1938) mit der städtischen Umgebung auseinandersetzen, wobei ›die Stadt‹ eine anonyme und gestaltlose Metropole blieb und nicht etwa die Realität der Mehrheit der AustralierInnen reflektierte (vgl. Pike/Cooper 1981: 199; Fiske/Hodge/Turner 1987: 26f; White 1981: 162f; Platz 2002: 260).

ondarily an art form, women were promptly shown the door« (Acker 1991: xxiiif). 26 »Cinesound [...] continued to produce films throughout the 1930s (some fourteen in all) while also producing a regular weekly newsreel. Cinesound had little difficulty in placing its films in cinemas: it was owned by one of the largest distribution and exhibition organizations. Its two or three films per year were generally low-budget productions, but they were also films that were quintessentially Australian in plot and theme as well as location« (Rattigan 1991: 6). 69

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Als New South Wales kurz vor dem Eintritt Australiens in den Zweiten Weltkrieg die Produktion von Spielfilmen durch gesicherte Bankkredite von AUS$ 15.000 unterstützte, wurde dies nur im Jahr 1940 für vier Filme, darunter FORTY THOUSAND HORSEMEN (Charles Chauvel) in Anspruch genommen. Die Cinesound Productions stellte die Spielfilmproduktion im Juni diesen Jahres zunächst für die Dauer des Krieges ein und nahm sie auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht wieder auf. Bis in die 1970er Jahre gab es keine Unterstützung von Filmproduktionen durch die Greater Union Theatres.27 Drastische Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf die Filmproduktion gründeten einerseits in der Einberufung vieler Techniker und Schauspieler in die Armee, andererseits auf der Verknappung des Filmmaterials durch Importkontrollen und Knappheit auf dem Weltmarkt – für die Herstellung von Rohfilm und Sprengstoff sind einige gleiche Grundstoffe nötig. Nach dem Kriegseintritt Australiens konzentrierte sich fast die gesamte Filmproduktion auf die Schaffung von Nachrichten- und Propagandafilmen in Zusammenarbeit mit der australischen Regierung. Entgegen der Hoffnungen australischer Filmschaffender kam es nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht zu einer Erneuerung der Spielfilmproduktion. Cinesound Productions hatte sich aus diesem Bereich der Filmindustrie zurückgezogen, und die Greater Unions Theatres wurden 1947 an die Rank Organisation of England verkauft. Damit wurde es nahezu unmöglich, australische Produktionen in den Kinoprogrammen zu platzieren, da auch Rank in erster Linie darauf bedacht war, eigene Filme in die Kinos zu bringen. Ein weiteres Problem war die Abwanderung von qualifizierten Filmschaffenden in die USA oder nach Großbritannien, wo ihnen höhere Löhne und professionellere Arbeitsbedingungen geboten wurden. Obendrein fiel der Rückgang in der Spielfilmproduktion mit der Rezession der australischen Wirtschaft sowie mit der zunehmenden Einflussnahme des Fernsehens Mitte der 1950er Jahre zusammen. In den 1940er und 1950er Jahren blieben nur sehr wenige australische Regisseure tätig28 und Ende der 1950er Jahre kam die australi27 Verleihgeschäft und die Filmtheater florierten während des Krieges, da es ein beträchtliches Interesse sowohl an Ablenkung durch leichte Unterhaltung wie auch an den neuesten Nachrichten gab. Die Greater Union Theaters, die in den 1930er Jahren noch tief in den roten Zahlen steckten, erwirtschafteten seit 1942 wieder Gewinne. 28 Charles Chauvel drehte zusammen mit Elsa Chauvel nach SONS OF MATTHEW (1949) im Jahr 1955 JEDDA, den ersten Film, der indigenen ProtagonistInnen eigenständige Rollen einräumte und sich um nicht-stereotypisierende oder -mythisierende Darstellungen von Aboriginal People bemühte (vgl. Pike/Cooper 1981: 288f; Hasemann 1987: 45 und für eine kritisch70

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sche Filmproduktion völlig zum Stillstand.29 Die in Australien gedrehten Filme waren ausschließlich Co-Produktionen oder Produktionen nichtaustralischer Firmen, in denen oft junge, noch unbekannte Talente, bzw. Filmschaffende (und SchauspielerInnen) am Ende ihrer Karriere beschäftigt waren.30 Dabei nutzten US-amerikanische Produktionsfirmen Australien meist nur als exotischem Hintergrund und bedienten sich der Filme, um Kapital, das während des Krieges durch Dollar-Exportbeschränkungen eingefroren worden war, wieder flüssig zu machen.31 Produktionsgesellschaften aus Großbritannien zeigten mehr Interesse an längerfristigen Investitionen und daran, Australien dem britischen Publikum näher zu bringen.32

Exkurs zum nicht-fiktionalen Film Neben Spielfilmproduktionen nahm auch der nicht-fiktionale Film seit Beginn der australischen Filmgeschichte eine wesentliche Rolle ein –

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zeitgenössische Auseinandersetzung O’Regan 1996: 191f). Lee Robinson drehte für die Southern International einige wirtschaftlich erfolgreiche, thematisch wie stilistisch allerdings eher reaktionäre Filme, in der Regel als Co-Poduktionen mit nicht-australischen Konzernen (vgl. Hasemann 1987: 46f). Cecil Holmes inszenierte überbrachte Motive seiner sozialistischen Einstellung entsprechend: CAPTAIN THUNDERBOLT (1953) zeigt den bushranger als Volkshelden im Klassenkampf, THREE IN ONE (1957) stellt das Ideal des mateship als Solidarität der ArbeiterInnen-Klasse dar. Holmes scheiterte mit seinen Filmen auf dem australischen Markt und die mageren Einnahmen durch einheimische Film-Clubs und aus sozialistischen Ländern brachten keine finanzielle Sicherung seiner weiteren Arbeit (vgl. Pike/Cooper 1981: 263). Die einzige ›australische‹ Spielfilmproduktion nach den 1950ern war der tasmanische Kinderfilm THEY FOUND A CAVE (Andrew Steane 1962). Beispielsweise ON THE BEACH (Stanley Kramer 1959) mit Gregory Peck, Ava Gardner und Fred Astaire oder THE SUNDOWNERS (Fred Zinneman 1960) mit Deborah Kerr, Robert Mitchum und Peter Ustinov. Beispielsweise mit dem Film SMITHY (Ken G. Hall 1946), dem letzten von einem Cinesound-Team gedrehten Film, der aber von der US-amerikanischen Columbia Pictures finanziert und produziert wurde (vgl. Pike/ Cooper 1981: 263f) oder KANGAROO (Lewis Milestone 1952), »a Western, set in the Australian outback«, produziert von der 20th Century Fox. (vgl. Pike/Cooper 1981: 281). Insbesondere die Ealing-Studios zeigten sich sehr aktiv in Australien und produzierten, teilweise in enger Zusammenarbeit mit der australischen Regierung, Filme über historische Ereignisse wie THE OVERLANDERS (Harry Watt 1946) über einen Viehtrieb im Jahr 1942, EUREKA STOCKADE (Watt 1949) über den Goldgräber-Aufstand 1954 in Ballarat sowie sozial-kritische Filme wie THE SHIRALEE (Leslie Norman 1957) (vgl. Pike/Cooper 1981: 267ff). 71

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schließlich war der erste in Australien produzierte Film MELBOURNE CUP eine Sportdokumentation. Im Verlauf der gesamten Stummfilmzeit entstanden immer wieder bedeutende Dokumentationen und Filme über historische Ereignisse, wie beispielsweise der 1917 entstandene Film THE GREAT STRIKE, der den Generalstreik desselben Jahres aus Sicht der beteiligten ArbeiterInnen schildert. Auch ›Sitten und Gebräuche‹ der Aboriginal People/s wurden bereits in dieser Phase filmisch festgehalten, in erster Linie um dem weißen/europäischen Publikum die Möglichkeit zu geben, sich an deren ›Primitivität‹ zu ergötzen. Auseinandersetzungen mit den Verbrechen an indigenen AustralierInnen durch die KolonisatorInnen, aktuellen Lebensrealitäten oder Darstellungen des alltäglichen Lebens und der anhaltenden Diskriminierung fanden nicht statt. Den Entwicklungen im Spielfilmbereich, die durch den internationalen Filmmarkt sowie Einwirkungen der australischen Regierung beeinflusst waren, folgten Auswirkungen auf nicht-fiktionale Filmproduktionen. Nach den 1920er Jahren führte die zunehmend prekäre finanzielle Situation der Spielfilmbranche dazu, dass sich etliche Filmschaffende im Bereich des nicht-fiktionalen Films, der durch finanzielle Unterstützung der Regierung von Dokumentationen, Propaganda- und nationalen Werbefilmen gefördert wurde, ein neues Arbeitsfeld suchten. So setzte die australische Commonwealth Regierung dokumentarische und halb-dokumentarische Filme ein, um in Großbritannien – unter anderem bei der British Empire Exhibition 1924-1925 – und weltweit für Handel und Immigration zu werben. Weiterhin begann die Regierung 1925 eine Reihe von etwa 50 Kurzfilmen unter dem Titel KNOW YOUR OWN COUNTRY zu produzieren und mit großer Verbreitung zur Vorführung zu bringen, um der australischen Bevölkerung ihr Land, seine Ressourcen und industrielle Entwicklung nahe zu bringen. Filmische Repräsentationen dienten der Regierung also sowohl intern als auch international zur Verbreitung von – ausgewählten und inszenierten – Bildern und Wissen über Australien und zur Konstruktion ›des Australischen‹ im Rahmen der jeweiligen (Regierungs-)Ideologie (vgl. Wimmer 2002a: 410; O’Regan 1996: 242f). Bereits während des Ersten Weltkriegs wurden Propaganda- und Werbefilme, u.a. für die Armee und ANZAC-Truppen eingesetzt, um die Bevölkerung positiv auf Ideologie und Entscheidungen der Regierung einzustimmen. Die größte technische wie kreative Entwicklung in den 1930er Jahren lässt sich bei Nachrichtenfilmen und Wochenschauen (newsreels) feststellen. Die Tradition der Australasian Gazette aus der Stummfilmzeit wurde durch die Cinesound Review-Wochenschau aufgenommen, die Pike und Cooper als »witty and fastmoving, with signs of social conscience« beschreiben (Pike/Cooper 1981: 200). Daneben exis72

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tierte bis 1970, bis zu ihrem Zusammenschluss mit der Cinesound Review, die ebenfalls erfolgreiche Movietone News, eine Tochter der USAmerican Movietone. Beide newsreel-Produktionen schufen auch im Zweiten Weltkrieg Nachrichtenfilme und Wochenschauen unter dem Einfluss der Regierung.33 Sie stießen auf beträchtliches Interesse bei der Bevölkerung. In den Großstädten entstanden newsreel theatrettes, kleinere Kinos eigens für die Vorführung von Wochenschauen, die etwa 60.000 BesucherInnen pro Woche hatten. Im Jahr 1941 zeigten etwa 70% der Filmtheater in Australien und Neuseeland die Cinesound Review, und sowohl Cinesound Review als auch Movietone News stellten spezielle Nachrichtenprogramme zusammen, die für den Export nach Südostasien und dem weiteren pazifischen Raum bestimmt waren. Damien Parer erhielt für KOKODA FRONT LINE – einer Ausgabe der Cinesound Review von 1942 über die Kampfhandlungen in Neuguinea – als Bester Dokumentarfilm den ersten American Acadamy Award (Oscar) für Australien. Im Gegensatz zu den newsreel-Produktionen erfuhr der Dokumentarfilmbereich im Verlauf der 1930er Jahre wenig Weiterentwicklung. Es überwogen romantisierende und mythologisierende Darstellungen nach dem Vorbild des maßgeblichen Dokumentarfilmers Frank Hurley, den sich die Cinesound zunutze machte, um kurze Werbe- und Propagandafilme wie TREASURES OF KATOOMBA (1934) oder A NATION IS BUILT (1937) für die Regierung sowie private Geldgeber zu produzieren. Erst Ende der 1940er und in den 1950er Jahre zeichnete sich eine weniger verklärende Sicht auf die Realitäten des Landes ab.34 Sowohl 33 Das für diese Bereiche zuständige Commonwealth Departement of Information wurde von dem neugegründeten National Film Council beraten und unterstützt, dem führende Personen der Filmindustrie u.a. von Greater Union Theaters sowie den US-amerikanischen Konzernen M.G.M. und 20th Century Fox angehörten. In Bezug auf vorhandenes Nachrichtenmaterial hatte die Regierung zu Kriegsbeginn entschieden, es gleichzeitig und zu einem geringen Preis sowohl der Cinesound Review als auch den Movietone News anzubieten. Bearbeitung, Montage und Kommentar wurden unabhängig vorgenommen, was zu inhaltlichen wie stilistischen Unterschieden führte. Nach Pike/Cooper verwendete die Cinesound Review mehr Sorgfalt auf die Berichte über die australische Kriegsbeteiligung und war im Gehalt emotionaler als Movietone News (vgl. Pike/Cooper 1981: 248). Die Vorgaben der Behörden gaben in Thema und Stil verhältnismäßig große Freiheit, die erfahrene Regisseure wie Charles Chauvel mit FORTY THOUSAND HORSEMEN (1940) und Ken G. Hall mit 100.000 COBBERS (1942) zu ihrem Vorteil nutzten. 34 Während der Einfluss des ›Romantikers‹ Frank Hurley stetig abnahm, orientierten sich Dokumentarfilme in Stil und Thematik nun verstärkt nach der in Großbritannien und Nordamerika vertretenen John Grierson-Schule, die sich u.a. um Themen aus dem alltäglichen Leben und allgemeine Ver73

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THE INLANDERS (Gordon Gibb 1948) als auch THE BACK OF BEYOND (John Heyer 1954) zeigten Leben und Arbeiten im outback nicht als Glorifizierung des Landlebens sondern mit seinen Schwierigkeiten und Brüchen, und der Film MIKE AND STEFANI (Maslyn Williams 1952) beschäftigte sich auf kritische Weise mit der Bürokratie des Einwanderungslandes Australien. Diese Filme trugen dazu bei, die bisher idealisierende Repräsentation australischer Realität aufzubrechen und nahmen Entwicklungen des ›neuen australischen Kinos‹ vorweg. In den 1950er Jahren gab es Bemühungen, einen breiteren Zugang zu Filmen durch Einführung von 16mm-Film-Clubs, nicht kommerzialisierten Film-Verleihen und Filmdiensten für Schulen und Erwachsenenbildung zu ermöglichen (vgl. Pike/Cooper 1981: 264). Im Jahr 1956 wurde die Commonwealth Film Unit (CFU) gegründet, eine von der Regierung finanziell subventionierte – und damit beeinflusste – Produktionsgesellschaft, die sich vor allem durch die Förderung von Kurz- und Dokumentarfilmen auszeichnete. Insbesondere über die Ausbildungsund Arbeitsmöglichkeiten junger FilmemacherInnen beeinflusste der nicht-fiktionale Film die Etablierung bestimmter Darstellungsweisen und Motive im Spielfilmbereich nach den 1960er Jahren. Innerhalb der CFU fanden auch Frauen wieder Arbeitsmöglichkeiten, obschon zu erschwerten Bedingungen.35 So war u.a. Joan Long bei der Commonwealth Film Unit als Regisseurin, Aufnahmeleiterin, Cutterin und Autorin tätig, bevor sie als selbständige Drehbuchautorin und Produzentin Karriere machte und einigen Einfluss auf Filme des ›neuen australischen Kinos‹ hatte.36 ständlichkeit der Filme bemühten (vgl. Pike/Cooper 1981: 200/263f). Grierson vertrat, beeinflusst durch den US-amerikanischen Politologen Walter Lippmann, in seinen theoretischen und praktischen Arbeiten einen politisch-pädagogischen Ansatz: »Der Dokumentarfilm soll Informationen über soziale Kontexte vermitteln, um im Sinne demokratischer Partizipation eine Parteinahme der Bürger für eine Expertenmeinung zu ermöglichen« (Hohenberger 1998: 13.) 35 Barbara Alysen berichtet in ihrem Aufsatz »Australian Women in Film« von der Filmemacherin Lilias Fraser (auch als Lilias Castle bekannt), die seit Ende der 1950er Jahre als Drehbuchautorin, Regisseurin und Cutterin ihre eigenen Filme verwirklichte und nach 1959 kurzfristig für die Commonwealth Film Unit tätig war: »Fraser recalls having to fight to be given films, often titles no one else wanted. Fraser had [...] learned cinematography in Britain. But although she shot some of her own films an institution like the CFU would not then have entertained the idea of taking her on in that capacity« (Alysen 1984: 305). 36 Joan Long wurde als Drehbuchautorin und Co-Produzentin für CADDIE (David Crombie 1976) bekannt. Anschließend erarbeitete sie aus einem Manuskript von Lyel Penn und ihren früheren Dokumentationen über die australische Filmindustrie THE PICTURES THAT MOVED (1969) und THE 74

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R e v i va l : 1 9 6 5 b i s i n d i e 1 9 9 0 e r J a h r e – ocker comedy, period film, social realist film Der Wiederbelebung der australischen Spielfilmproduktion in den 1970er Jahren gingen unterschiedliche, lose miteinander verbundene Impulse voraus. So entwickelte sich im Verlauf der 1960er Jahre in Australien ein wachsendes Interesse an der Kultur des eigenen Landes und zunehmendes ›nationales Selbstbewusstsein‹, das den sogenannten cultural cringe ablöste, die herrschende Vorstellung, Australien besäße keine eigenständige Kultur.37 Im filmischen Avantgarde Bereich existierten in den 1960er Jahren bereits zwei engagierte Zentren, die experimentelle 16mm-Filme produzierten: die Ubu Films, die spätere Sydney Filmmakers Co-operative, sowie eine Gruppe von FilmemacherInnen in Carlton/Melbourne.38 Das Fernsehen, das sich bis zu den 1970er Jahren

PASSIONATE INDUSTRY (1973) das Drehbuch für THE PICTURE SHOW MAN (John Power 1977), den sie durch die von ihr gegründete Limelight Productions Gesellschaft produzierte, wie später auch PUBERTY BLUES (Bruce Beresford 1981), SILVER CITY (Sophia Turkiewicz 1984) und EMERALD CITY (Michael Jenkins 1989) (vgl. Alysen 1984: 306; Pike/Cooper 1981: 377/394f). 37 Der Begriff, dessen konnotative Bedeutung sich als ›kulturelles Unterlegenheitsgefühl‹ zusammenfassen lässt, geht zurück auf einen Text von A. A. Philips, »The Cultural Cringe«, der im Jahr 1950 veröffentlicht wurde (vgl. Gunew 1990: 103). David Dale beschreibt cultural cringe als »the assumption that prevailed till the 1970s that nothing Australians did could be as good as anything done overseas [d.h. in Europa und den USA, js], and top creative people had to be imported from Britain and America« (Dale 1996: 15; vgl. Schaffer 1988: 179; Platz 2002: 247; Rattigan 1991: 333). 38 Die Gruppe um Tim Burstall in Melbourne, die vor allem SchauspielerInnen und RegisseurInnen des von Betty Burstall gegründeten experimentellen Theaters La Mama anzog (das viele Stücke von David Williamson inszenierte, die später u.a. von Tim Burstall verfilmt wurden), war stark von der französischen Nouvelle Vague beeinflusst und experimentierte vor allem mit narrativen Filmen. Die Ubu Films um Albie Thoms dagegen versuchte sich an abstrakten Formen des Films, beeinflusst von der europäischen Kunst und Theater Avantgarde und experimentellen Filmen der USamerikanischen Westküste. Ubu regte Diskussionen über Film als Kunst und Filmzensur an und bot die Möglichkeit zur Vorführung experimenteller underground-Filme, die nicht der üblichen politisch oder ästhetisch Vorstellung entsprachen. Mit der offiziellen Filmförderung zu Beginn der 1970er wurden auch experimentelle Filme von der Regierung gefördert, so dass underground-Filme nicht mehr in einer Atmosphäre von heimlicher Rebellion gedreht und gezeigt und ihnen damit ihre Radikalität genommen wurde. Die meisten jungen RegisseurInnen des Mainstream-Kinos kamen jedoch nicht vom unabhängigen Film sondern vom Fernsehen, das seit 75

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als Medium der Massenunterhaltung etabliert und einige sehr erfolgreiche australische TV-Filme und Serien produziert hatte, förderte ebenfalls die Nachfrage nach ›australischen‹ Filmen. Auf politischer Ebene wurde 1962 der Bericht einer parlamentarischen Kommission zur Film- und Fernsehindustrie, der sogenannte Vincent Report erstellt,39 der Interventionen zur Filmförderung anregte, jedoch von der Liberal Party-Regierung des Premierministers Robert G. Menzies unterdrückt wurde. Nach etlichen weiteren Untersuchungen und Berichten unterschiedlicher Gremien brachten der Wahlkampf und die Wiederwahl der Liberal Party 1969 einen Umschwung. Unter John Gorton bewilligte die Regierung Subventionen von AUS$ 300.000 und gründete 1970 die Australian Film Development Corporation (AFDC) mit einem Budget von AUS$ 1 Mio. Daran angeschlossen war der neu geschaffene Experimental Film Fund zur Förderung experimenteller 16mm-Produktionen und junger FilmemacherInnen. Die öffentliche Unterstützung des kulturellen Bereichs wurde nach dem Regierungswechsel 1972 unter der Australian Labour Party und Gough Whitlam als Premierminister weiter ausgebaut.40 Es kam zu einem Aufschwung der Ende der 1960er durch erfolgreiche Serien FilmemacherInnen ausgebildet hatte (vgl. Pike/Cooper 1981: 306). 39 Diese Benennung nach dem Vorsitzenden V.S. Vincent erfolgte vermutlich, um den etwas umständlichen offiziellen Namen Senate Select Committee on the Encouragement of Australian Production for Television abzukürzen. 40 Albert Moran und Tom O’Regan widmen in ihrem Australian Film Reader (1985) der Veränderung nach 1969 das Kapitel »Renaissance of the Feature« (139ff), das u.a. den »Interim Report of the Film Committee, Australian Council of the Arts« (171ff) enthält sowie den Aufsatz »Australian Film, 1969« von Sylvia Lawson (175ff). Andrew Pike und Ross Cooper schreiben: »A certain degree of administrative confusion followed as new organizations were established« (Pike/ Cooper 1981: 305). Die Australian Film Development Corporation entwickelte sich allmählich zum zentralen Organ der Regierungseinwirkung auf die Filmindustrie, indem vormals unabhängige Gremien nach und nach unter ihre Aufsicht gestellt wurden. Im Jahr 1975 wurde die AFDC als Australian Film Commission (AFC) mit erweiterten Einflussmöglichkeiten neugegründet und kontrollierte nun das Film, Radio and Television Board, den Experimental Film Fund (der zuvor vom Australian Film Institute verwaltet wurde) und hatte die direkte Verantwortung über die Film Commission. Nachdem das Australian Council (bis 1972 Australian Council for the Arts) als Film, Radio and Television Board der AFC zugeordnet wurde, beaufsichtigte sie damit auch die finanzielle Unterstützung von Filmprojekten. Die einzige Institution, die außerhalb der AFC arbeitete, war die 1973 gegründete und von Jerzy Toeplitz geleitete Australian Film, Radio and Television School. Die Bundesländer bildeten ebenfalls Filmförderungsgremien, um Finanzierung und Ausstattung für die Produk76

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Filmwirtschaft, der weitgehend auf Investitionen der Regierung zurückzuführen war, was eine enge Verbindung von Kulturpolitik und Kulturproduktion impliziert.41 Nach den Kürzungen der finanziellen Unterstützung unter der folgenden Liberal Party-Regierung flachte der Aufschwung nach 1977 etwas ab, die Einflussnahme im finanziellen Sektor wurde durch Steuererleichterungen bis zur Einführung der sogenannten 10BA-Regelung im Jahr 1981 ersetzt, die durch Steueranreize Investitionen aus der Wirtschaft anregte.42 Auch die Verleih- und Aufführungskonzerne begannen in den 1970er Jahre wieder, Geld in australischen Filmproduktionen anzulegen, einerseits als Reaktion auf die zunehmende Publikumsnachfrage und die Konkurrenz durch das Fernsehen, andererseits um durch Investitionen in kommerziellen Filmproduktionen Gewinne einzustreichen und die durch die herrschende Inflation gestiegenen Kosten in der Filmvorführung auszugleichen. Im Jahr 1988 wurde die 10BA-Finanzierung auf Beschwerde der Steuerbehörden aufgehoben und eine ›Filmförderbank‹, die (Australian) Film Finance Corporation (FFC) eingerichtet (vgl. Maddox 1996: 75ff). Zwar arbeitete die Filmindustrie wirtschaftlich betrachtet mit hohen Verlusten – etwa 70% der Filme spielten die Herstellungskosten nicht ein – doch hatte sich in den 1970er Jahren eine Wandlung in der Einstellung gegenüber der Filmindustrie und Kinowirtschaft sowie gegenüber australischen Filmen vollzogen und eine selbstbewusste, positive Stimmung entwickelt. Im Jahr 1969 hatte der Interim Report of the Film Committee die Rolle von Film und Fernsehen innerhalb Australiens wie tion von Spielfilmen und Fernsehserien zur Verfügung zu stellen, sowie die Produktion von offiziellen Filmen der Regierung und ein staatliches Bildungsfilm-Verleihsystem zu organisieren: 1972 wurde die South Australian Film Corporation gegründet und bis 1978 waren Filmförderstellen in Victoria, New South Wales, Tasmanien und Queensland eingerichtet. Die Förderung dokumentarischer Filme durch die Film Australia (früher Commonwealth Film Unit) erlebte ebenfalls einen Aufschwung, nachdem junge RegisseurInnen aus ihren Reihen – u.a. Peter Weir – erfolgreiche Spielfilme gedreht hatten. Auch 16mm-Filme zur surfing community und über Reisen in wenig bekannte Gegenden Australiens waren erfolgreich und durch das Australian Institute of Aboriginal Studies wurde die Produktion ethnographischer Filme gefördert (vgl. Pike/Cooper 1981: 305ff; O’Regan 1996: 174). 41 Die Unterstützung beschränkte sich allerdings auf den Bereich der Produktion, die anhaltenden Strukturprobleme der Verleihgesellschaften und Filmtheater wurden nicht verändert (vgl. Pike/Cooper 1981: 305). 42 Die 10BA-Regelung (Division 10BA of the Income Tax Assessment) sah eine Steuerabschreibung von 150% für private Investitionen im ersten Jahr vor sowie die Befreiung von der Einkommensteuer von 50% des Gewinns. Diese Anteile wurden später zurückgenommen (1983 auf 133/33, 1985 auf 120/20) (vgl. Dermody/Jacka 1987: 212ff; Rowley 1998: 1). 77

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folgt beschrieben: »Cinema and television are, of course, amongst the most powerful forces in influencing our national character« (Moran/ O’Regan 1985: 171). Die fehlende Filmindustrie wurde als mangelnde nationale Repräsentation im internationalen Kulturkontakt verstanden, »this situation hampers Australia’s efforts to interpret itself to the rest of the world« (Moran/O’Regan 1985: 171). In diesem Sinne unterstützte die Australian Film Commission – die Nachfolgeorganisation der Australian Film Development Corporation seit 1975 – die filmische Darstellung Australiens innerhalb des Landes und auf dem Weltmarkt, beispielsweise bei Filmfestivals. Die staatliche Förderung und Einflussnahme öffnete das Medium Film für marginalisierte gesellschaftliche Gruppen. Schon seit Beginn der 1970er Jahre waren Frauen wieder vermehrt in der Spielfilmindustrie tätig.43 Außerhalb des kommerziellen Kontextes war die 1972 gegründete Sydney Women’s Film Group eine der aktivsten Organisationen, die Filmarbeiten von Frauen förderten. Sie bedienten sich des Mediums in erster Linie zur Verbreitung feministischer Themen und Kritik und nutzten bereits im Jahr 1974 Finanzierungsmöglichkeiten durch die Australian Film Radio and Television School, um einen Frauen-FilmWorkshop in Sydney anzubieten. Die Filmhochschule selbst wie auch der Women’s Film Fund (WFF) als Bestandteil der AFC förderte Frauen in einer Ausbildung im Filmbereich.44 Auch der Zugang von indigenen AustralierInnen und Mitgliedern nicht-englischsprachiger/nicht-anglo-keltischer MigrantInnen-Gruppen zu Film und Fernsehen wurde im Verlauf der 1970er Jahre erleichtert. Dazu trugen Fördermaßnahmen, Sonderprogramme und Quotierungen durch die AFC, bei der Australian Film Radio and Television School und innerhalb des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders ABC (Australian Broadcasting Corporation) bei (vgl. O’Regan 1996: 177), sowie 1980 die Einrichtung des Special Broadcasting Service (SBS), eines Radio- und Fernsehsenders für ›Minderheiten‹-Programme. Tom O’Regan schreibt zur Bedeutung des SBS für den Zugang von Aboriginal People 43 Dies gilt zunächst insbesondere für den Bereich der Produktion, in dem neben der bereits erwähnten Joan Long auch andere Frauen äußerst erfolgreich tätig waren, wie Pat Lovell, die u.a. PICNIC AT HANGING ROCK (Weir 1975) und GALLIPOLI (Weir 1981) produzierte, Margaret Fink, die als Produzentin für MY BRILLIANT CAREER (Armstrong 1979) verantwortlich war sowie Pom Oliver, Sue Milliken, Jane Scott und Jill Robb (vgl. Alysen 1984: 307f; Robson/Zalcock 1997: 6ff). 44 Im ersten Ausbildungsjahr der AFRTS war u.a. Gillian Armstrong unter den Studierenden, im zweiten Jahr waren von fünfundzwanzig StudentInnen dreizehn Frauen – 1983 nur noch acht (vgl. Acker 1991: 313ff; Robson/Zalcock 1997: 3). 78

FILME AUS AUSTRALIEN – AUSTRALISCHES KINO?

und Mitgliedern anderer unterrepräsentierter Gruppen zur Filmindustrie: »Its legacy is apparent in the work of emerging filmmakers of an NES background who are encouraged to draw on it to shape their contribution to Australian cinema« (O’Regan 1996: 81; die Abkürzung NES steht für Non-English speaking). Dieser Einfluss verstärkte sich zunehmend mit der multikulturalistischen Regierungspolitik: »Because of multicultural policy and the close proximity of the state to film-making, this model is being drawn on stylistically and content wise in limited ways in production slates« (O’Regan 1996: 81). Eine wirkliche Gleichstellung ist jedoch bis heute nicht erreicht. In Rahmen politischer und gesellschaftlicher Kontexte lassen sich Auseinandersetzung mit Fragen nationaler Identität und ihrer Repräsentation feststellen, die in Figuren, Narrationen und Darstellungsweisen verhandelt werden und die stark geschlechtlich markiert sind. Der neu entstehende australische Spielfilmbereich, der sich zunächst auf ockerund period-Filme konzentrierte, scheint sich zugleich mit der Wiederaufnahme überbrachter Frauen- und Männerbilder und mit sich verändernden Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit zu beschäftigen. Im Allgemeinen wird der Aufschwung der kommerziellen australischen Spielfilmindustrie mit dem ersten ausschließlich durch die AFDC finanzierten und finanziell erfolgreichen Film THE ADVENTURES OF BARRY MCKENZIE (Bruce Beresford 1972) datiert. Nach dem unabhängig produzierten STORK (Tim Burstall 1971) ist BARRY MCKENZIE der Prototyp der ocker comedy, einer recht rauen Form der Sex-Komödie, in denen Männerfiguren auftreten, die eine ganz spezielle, typisch australische Verhaltensweise auszeichnet. Diese besondere Spezies von Männern, vom Ausland mitleidig belächelt, wird in Australien teils verherrlicht, teils gemieden und verachtet. Ihre besonderen Kennzeichen sind – eine große Klappe, die immer und überall mitreden muss, ein gewaltiger Bierkonsum, eine ruppige, manchmal verletzende Art, ein laute Heiterkeit mit einem Schuß Selbstironie und Optimismus, Überheblichkeit und Stolz und schließlich ein geradezu verachtendes Verhalten Frauen gegenüber, das lange Zeit in der australischen Männergesellschaft beliebt und salonfähig war (Hasemann 1987: 136)45

Je nach Interpretation gelten ocker comedies als vulgär, hedonistisch und frauenverachtend oder als Reaktion auf die australische bürgerliche Mittelschichtskultur, die sich an Europa und insbesondere an Großbritan45 Ocker-Filme sind in der (filmwissenschaftlichen) Literatur ausführlich behandelt worden, u.a. Wimmer 2002a: 402ff; Rattigan 1991: 29ff; Dermody/Jacka 1988: 77ff; O’Regan 1996: 196; Hasemann 1987: 135ff. 79

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nien orientiert oder auch als anti-national bzw. national-kritisch, da sie sich über ›typisch‹ australische Muster lustig machen. Nach den ocker comedies waren die period films das vorrangige Genre der zweiten Hälfte der 1970er Jahre.46 Dabei handelt es sich meist um Literaturverfilmungen, die in Australien am Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts spielen. 1975 entstand nach dem Roman von Joan Lindsay PICNIC AT HANGING ROCK (Peter Weir), einer der bekanntesten period films (vgl. O’Regan 1996: 145ff). In den nächsten Jahren folgte ein steter Fluss von Filmen, die sowohl kommerziell erfolgreich als auch im internationalen Filmfestival-Kontext anerkannt waren, und der bis in die 1980er Jahre anhielt, darunter THE GETTING OF WISDOM (Bruce Beresford 1977) und MY BRILLIANT CAREER (Gillian Armstrong 1979) oder WE OF THE NEVER NEVER (Igor Aguzins 1983).47 Period films verfolgen in ihrer Narration Persönlichkeitsentwicklungen und Charakterstudien als stürmische Handlungsabläufe, wobei im Mittelpunkt häufig eine starke, selbstsichere Frauenfigur steht, die sich ihren Lebensweg erkämpft und dabei allen – meist sozialen – Widrigkeiten trotzt. Die Männerfiguren in diesen frauenzentrierten period films sind zurückhaltend, manchmal schwach und nicht selten zum Scheitern verurteilt. Dies gilt mit Einschränkungen auch für Historienfilme, in denen Männerfiguren zentral sind wie SUNDAY TOO FAR AWAY (Ken Hannam 1975), THE MAN FROM SNOWY RIVER (George Miller 1982), GALLIPOLI (Peter Weir 1981) und BREAKER MORANT (Bruce Beresford 1980).48 Auch die titelgebende männliche Hauptfigur in THE CHANT OF JIMMY BLACKSMITH (Fred Schepisi 1978), der als Kind mit einem Aboriginal und einem Weißen Elternteil zwischen Weißer und Aboriginal

46 Ich verwende den Begriff des Genres in diesem Falle sehr weit gefasst als eine Gruppe von Filmen, die erkennbare Gemeinsamkeiten in Narration, Ästhetik bzw. räumlicher und zeitlicher Verortung aufweisen (vgl. Dermody/Jacka 1988: 31f). Auch der period film ist in der Literatur intensiv bearbeitet worden, u.a. Wimmer 2002a: 404ff; O’Regan 1996: 196ff; Dermody/Jacka 1988: 28ff; Robson/Zalcock 1997: 9ff; Hasemann 1987: 52ff. 47 Sowohl THE GETTING OF WISDOM als auch MY BRILLIANT CAREER basieren auf ›autobiographischen‹ Romanen zweier erfolg- und einflussreicher Schriftstellerinnen des beginnenden 20. Jahrhunderts, Henry Handel Richardson (Ethel Florence Richardson, geborene Robertson) bzw. Miles Franklin. Eleanor Witcombe verfasste die beiden Drehbücher. 48 Die beide letztgenannten Filme spielen zwar über weite Strecken nicht in Australien, greifen aber auf gängige Stilmittel und Motive zurück: sie thematisieren den digger, den australischen Frontkämpfer (eigentlich die Weltkriege betreffend, der Kontext sei jedoch hier erweitert), der durch Manipulationen der Obrigkeit – der britischen Armeeführung – dem Tod preisgegeben wird und bedienen sich in der visuellen Inszenierung langer Kameraschwenks über weite Landschaften (vgl. Wimmer 2002a: 407f). 80

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Kultur zerrieben wird, wird zum Mörder und schließlich getötet. Dieser Film ist eine der wenigen Ausnahmen, in denen Verbrechen und Diskriminierung im Rahmen der anhaltenden Kolonisierung thematisiert werden: »Unlike most of the other period pieces of the late 1970s, THE CHANT OF JIMMY BLACKSMITH deals with a matter of pressing moral concern – the destruction of a race – rather than nostalgic re-creation of times past« (McFarlane 1995: 16). In gewisser Weise lässt sich der klassische period film als Gegenstück zum proletarischen, androzentristischen ocker-Film sehen, oder wie Susan Dermody und Elizabeth Jacka schreiben: Perhaps this also needs to be thought of as part of a more pervasive split in Australian fiction generally between the low-life and popular in which larrikin and even ocker masculinity is allowed free range, and, on the other hand, middle-class ›cultivated‹ fiction where circumspect, vulnerable men lose ground constantly to assertive women who belie the myth of the relentless masculinism of this society (Dermody/Jacka 1988: 33).

Ein weiteres markantes Merkmal des period films liegt in seiner Hinwendung zu malerischen Landschaftsinszenierungen. In diesem Kontext sprechen Dermody und Jacka von einer Darstellung der Unschuld (innocence), die sich in die Vorstellung einer friedlichen Kolonisierung einbettet, bei der allein die grausame Natur zu bekämpfen war. Period films sind in diesem Sinne als konservativ zu bezeichnen, da sie eine, bereits in früheren Spielfilmen konstruierte, romantisierende und verharmlosende Schilderung der australischen Vergangenheit re-produzieren.49 Durch die Erfolge von period films auf dem nationalen wie internationalen Filmmarkt erlangte diese Narration weitreichende Bedeutsamkeit und hohe Akzeptanz als ›historische‹ Darstellung und ›nationales Kino‹: »It proved to be fertile ground [...] for an easily marketable nationalist Australianness« (Dermody/Jacka 1988: 36). Ein weiterer indirekter Einfluss auf dominante Perspektiven narrativer Muster liegt in der Tatsache, dass die Finanzierung der meist recht kostspieligen period films durch die AFC die Förderung anderer, kritischerer Produktionen »with quite different, and perhaps more dangerous, notions of Australianness« (Dermody/Jacka 1988: 36) verringerte oder gar verhinderte. In Bezugnahme

49 »The cinematography is dedicated to the glories of Australian light, landform and vegetation, often with clear traces of a romantic, even charmschool [...] This includes not only distinctly beautiful place, but space, history and cultural tradition«, (Dermody/Jacka 1988: 33f). Dermody und Jacka bezeichnen den period film auch als »almost offensively inoffensive AFC genre« (Dermody/Jacka 1988: 40). 81

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auf die von Dermody und Jacka erarbeiteten (wirtschafts-)politischen Kontexte führt Neil Rattigan einen Gedanken von Tom O’Regan weiter aus, der argumentiert, dass »the Australianness of these films was not so much the result of an ideological (or cultural) determination but the result of particular production strategies that received approval from government agencies« (Rattigan 1991: 18). O’Regans Anliegen sei es, to implicate ideologies of national identity in conditions of film production practice in Australia: ›[...] its ideological mission remained constant: to inscribe its historical spectator, a bourgeois audience, within Australianproduced culture and cultural production‹ (Rattigan 1991: 18; Zitat O’Regan aus einem unveröffentlichten Manuskript).

Auch darin lässt sich ein Unterschied zwischen period films und ocker comedies feststellen, denen zumindest eine gewisse subversive Ironie abgewonnen werden kann. Im Verlauf der 1970er und insbesondere in den 1980er Jahren greifen australische Spielfilme zunehmend zeitgenössische Themen und urbane Lebenszusammenhänge auf, wobei es mit Filmen wie CADDIE (Donald Crombie 1976) und DON’S PARTY (Beresford 1976) Beispiele für Übergänge sowohl von period films als auch von ocker-Filmen zu realitätsnäheren Darstellungen gibt. Diese Filme, die in Themenwahl und Darstellungsweise von der Tradition und der politischen Einstellung der Dokumentarfilme der Film Australia bzw. Commonwealth Film Unit sowie der Creative Development Branch beeinflusst sind, werden unter dem Begriff des social realist oder social problem Film zusammengefasst.50 Der social realist Film ist politisch motiviert: »The subject is usually an oppressed, socially-marginalised, urban individual or group, and the oppression is seen as a result of social pressures on that individual or group« (Dermody/Jacka 1988: 41). Als gemeinsame Merkmale nennen Susan Dermody und Elizabeth Jacka neben dem realitätsnahen Schauspiel (naturalist acting) the choice of subject matter and the relatively plain, dramatised documentary treatment thought proper for such subject matter [...] The films validate their presentation of contemporary, urban ›reality‹ through a style which ranges from ›documentary‹ – hand-held camera, untidy framing, following action as 50 Die Creative Development Branch (CDB) gilt als die independent-Abteilung der AFC, die für experimentelle, innovative und ›ästhetisch gewagte‹ Filmproduktionen zuständig ist (vgl. Dermody/Jacka 1988: 43). Auch die Sydney Film-makers Co-operative hatte – im Gegensatz zu der Filmgruppe in Melbourne, die sich eher mit ocker-Filmen Namen machte – als Vertriebs- und Vorführinstanz Einfluss auf den social realist Film. 82

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if without premeditation, loose editing, direct and variably focused sound – to well constructed television-style realism (Dermody/Jacka 1988: 41; vgl. auch O’Regan 1996: 204ff/242f).

Social realist Filme lassen sich nicht widerstandslos als Genre zusammenfassen, da sie ein breites Spektrum aufweisen, das vom ernsten Sozialdrama wie WRONG SIDE OF THE ROAD (Ned Lander 1981) oder DOGS IN SPACE (Richard Lowenstein 1987) bis zu bissigen Satiren wie PUBERTY BLUES (Bruce Beresford 1983) reicht. Auch in der Umsetzung des Themas sowie in der Ansprache des Publikums unterscheiden sich ›ernsthafte‹ von eher ironischen, mit Genreversatzstücken spielenden Varianten. Die Gemeinsamkeiten beschränken sich auf Narrationen um existierende soziale Probleme, wobei indigene AustralierInnen, MigrantInnen, ArbeiterInnen (working class), Jugendliche, psychisch Kranke sowie StraftäterInnen und Inhaftierte zu den häufigsten Motiven gehören. Durch das zunehmende Interesse von FilmemacherInnen an zeitgenössischen Themen veränderte sich die räumliche Verortung der Filme; bush und outback verschwinden zwar nicht, doch der urbane Raum und insbesondere die Vororte (suburbs) bilden im Verlauf der 1980er immer häufiger die räumliche Verortung für Filme. Auch damit bewegen sich die Erzählungen von der Reproduktion einer Australian legend hin zu zeitgemäßeren australischen Lebensrealitäten. Das Thema australischer Identität/en bleibt zwar Gegenstand der Narrationen, tritt jedoch mehr in den Hintergrund: [T]he current crop of Australian films [...] take the approach of telling stories in a local context and letting questions of national identity resolve themselves in the background through working of their various different narratives (Rowley 1998: 3).

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Heterogenität des nationalen Kinos Je näher die Betrachtung einer australischen Filmtradition dem Ende des 20. Jahrhunderts kommt, desto eher ist eine Ausdifferenzierung sowohl in der Themenwahl wie auch in den Darstellungsweisen erkennbar. Feststellbar ist eine stärkere Hinwendung zu klassischen Hollywood-Genres, wobei in der Regel eine Anpassung an australische Kontexte – eine ›Australisierung‹ – sowie eine Verbindung verschiedener Genre-Stile stattfindet (vgl. Wimmer 2002a: 409ff; Rowley 1998; Cunningham 1983: 235ff). Ein häufig genanntes und sehr anschauliches Beispiel sind die MAD MAX Filme (Dr. George Miller 1979, 1981, 1985), insbesondere MAD MAX 2 (auch THE ROAD WARRIOR) der apokalyptischen Western, ironischen Horrorfilm und Roadmovie vereint und mit sowohl visuellem wie narrativem Gebrauch der Landschaft des period films verbindet. Zwar lassen sich die MAD MAX-Filme als ›australisch‹ identifizieren, dies ist jedoch für das Verstehen der Narration und dem Vergnügen daran nicht unbedingt erforderlich. Mit der Aufnahme von Genres in australische Filmnarrationen fand eine Internationalisierung statt, die sich auch in Produktionskontexten durchsetzte (vgl. O’Regan 1996: 51/133). Dieser Trend verstärkte sich durch die wirtschaftliche Rezession, die finanzielle Kürzungen der Filmförderung nach sich zog, sowie durch die verschärften Einsparungen in der Film- wie der gesamten Kulturindustrie nach Wahl der Liberal Party unter John Howard im Jahr 1996.51 Trotz der intensiven multikulturalistischen Regierungspolitik im Verlauf der 1980er Jahre, die auch Einfluss auf die Filmindustrie nahm, lässt sich erst mit Beginn der 1990er Jahre eine wirkliche kulturelle Ausdifferenzierung sowohl bei Filmerzählungen wie auch unter FilmemacherInnen erkennen. So ist Tracey Moffatt eine der ersten indigenen Regisseurinnen, die in ihren experimentellen Kurzfilmen NICE COLOURED GIRLS (1987) und NIGHT CRIES (1989) sowie mit BEDEVIL (1993) sowohl Geschichte als auch Lebensrealitäten von indigenen AustralierInnen verhandelt (vgl. O’Regan 1996: 326ff). Mit wenigen Ausnahmen wie THEY’RE A WEIRD MOB (Michael Powell 1966), KOSTAS (Paul Cox 1979), MOVING OUT (Michael Pattinson 1983) und SILVER CITY (Sophia Turkiewicz 1984) fehlten bis Beginn der 1990er Jahre ernstzunehmende Auseinandersetzungen mit den Lebensrealitäten von MigrantIn51 Andererseits errichteten im Jahr 1991 die Warner Brothers sieben Jahre später die 20th Century Fox moderne Großstudios in Australien. »Filme wie Babe II, The Matrix, oder The Thin Red Line wurden mittlerweile dort produziert, und niemand würde auf die Idee kommen, solche Filme als typisch australisch zu bezeichnen« (Wimmer 2002a: 415). 84

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nen.52 In Filmen wie DEATH IN BRUNSWICK (John Ruane 1991), FLIRTING (John Duigan 1991) oder STRICTLY BALLROOM (Baz Luhrman 1992) spielen MigrantInnen zwar eine Rolle, doch bleiben sie auf – zugegebenermaßen handlungstragende – Nebenrollen festgelegt: die ethnisierten Figuren dienen als auslösendes Moment für die Thematisierung von Problemen im Kontakt von ›australischer‹ und ›ethnischer‹ Kultur.53 Als in den 1990er Jahren die Zahl der Filmschaffenden mit nichtenglischsprachiger/nicht-anglo-keltischer kultureller Herkunft wuchs, mehrten sich auch Filme die innerhalb der jeweiligen ethnisierten communities spielen. Der Kontakt zwischen ethnisierter und australischer Kultur tritt in den Hintergrund oder wird als Generationenkonflikt zwischen erster und zweiter Einwanderungsgeneration dargestellt. Auch Lebensrealitäten von (ethnisierten) Frauen werden – nicht nur von der zunehmenden Zahl ethnisierte Filmemacherinnen – vermehrt in Filmen verhandelt. Diese Filme sind eingebunden in eine australische Filmindustrie, die, wie die fokussierte und intensive Betrachtung der Filmgeschichte und vor allem auch der Filmgeschichtsschreibung zeigt, als kontinuierliche Konstruktion eines ›nationalen Kino‹ fungiert. Dabei spielt insbesondere die Verbindung zu nationalen und internationalen politischen und ökonomischen Diskursen eine wichtige Rolle. Bereits in der frühen Filmgeschichte war die australische Filmwirtschaft vom internationalen wie nationalen Markt beeinflusst: solange sich der weltweite Handel noch nicht etabliert hatte, gab es in Australien eine florierende Filmindustrie, die durch den Einfluss des immer stärker werdenden Hollywood-Kinos und aufgrund der Kartellbildung innerhalb Australiens abriss. Daran konnten auch die diversen Versuche der Filmförderung durch die Regierung nichts ändern. Erst seit 1969 machte die aktive Einflussnahme durch die Commonwealth Regierung – die wiederum mit einem sich verändernden Selbstbild und Selbstbewusstsein weiter Teile der Gesellschaft verknüpft war – einen Neuanfang der australischen Filmindustrie möglich. Dabei war die Förderung daran gebunden, dass das Produkt erkennbar ›australisch‹ sein musste, wobei folgende Kriterien bewertet wurden: »[T]he 52 »Australian Filmmakers haven’t taken all that much notice of one of the major changes in our society since World War II: the migrant influx. Too difficult, too sectional, too serious – there are probably as many reasons for this relative neglect of a major transformation as there are nationalities in our now highly diverse community« (Connolly 1996; vgl. auch Headon 1994: 74). 53 Dies gilt insbesondere für eine sich wiederholende Erzählung, in der sich der weiße/europäische Protagonist in eine ethnisierte Frau verliebt und das zu überwindende Hindernis in der ethnisierten Kultur liegt, wie in DEATH IN BRUNSWICK oder STRICTLY BALLROOM. 85

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subject-matter of the film, the place where the film was made, the nationalities or residential status of the leading creative inputs, the copyright owners, the owners of the production company and the sources of finance of the film« (Jacka 1994: 372; auch Jacka 1988: 119). Filmförderung wurde also sowohl nach inhaltlich-narrativen wie auch nach rein formalen Richtlinien vergeben, und es bleibt zu entscheiden, welche Kriterien einen Film ›australischer‹ machen.54 Neben staatlichen Finanzierungshilfen barg die Koppelung von Filmen an ein australisches Kino weitere wirtschaftliche Vorteile. So stellte ein ›nationales‹ Kino eine Bindung der heimischen ZuschauerInnen her, die durch die gesellschaftliche Neuorientierung in den 1970er Jahren eine Vorliebe an ›kulturellen‹ Produkten des eigenen Landes zeigten. Ebenso wurde dadurch das Interesse eines weltweiten Publikums unterstützt, das durch die nationale Einordnung der Filme einen regionalen wie kulturellen Bezugsrahmen erhielt.55 Seit den 1980er und verstärkt seit den 1990er Jahren wurden und werden kulturelle und wirtschaftliche Verhältnisse als immer komplexer wahrgenommen. In der internationalen Filmwirtschaft agieren zunehmend mehr multinationale Konzerne, Co-Produktionen zwischen zwei oder mehr Ländern sind inzwischen eher die Norm als selten. Auch das sich durchsetzende Verständnis von Australien als einem multikulturellen Staat, das 1989 mit der National Agenda for a Multicultural Australia in einer multikulturalistischen Regierungspolitik festgeschrieben wurde, veränderte die Vorstellung von den Thematiken eines nationalen Kinos. Noch bis in die 1970er Jahre wurden australische Filme als ein kulturell homogenes nationales Repräsentationssystem verstanden – »[i]ts products were expected to tell ›our‹ stories to ›our‹ audiences« (Turner 1997: 185) – die sich eng an Motive und narrative Muster der nationalistischen Tradition anlehnten: »the social conditions which sustained it since long gone, the ›Australian Legend‹ was revived in our movies, prolonging its mythological life well beyond probability« 54 In der öffentlichen Finanzierung zeigt sich eine weitere Verzweigung innerhalb des nationalen Kinos, denn neben der landesweiten Filmförderung bildeten sich bald auch Fördergremien auf Landesebene mit spezifischen Richtlinien heraus: »[S]tate or provincial authorities are also organizers of film production and circulation through, for example, various state film authorities and the local basis for censorship provisions« (O’Regan 199: 75). Es stellt sich die Frage, ob und wie sich regionale Anforderungen mit nationalen arrangieren lassen (vgl. O’Regan 1996: 74f). 55 Dies bezieht sich auf das Wiedererkennen von narrativen wie stilistischen Mustern, Schauplätzen, RegisseurInnen und SchauspielerInnen und steht auch in Zusammenhang mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus in Australien (vgl. Rowley 1998: 2). 86

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(Turner 1997: 186f). Doch in einer multikulturellen Gesellschaft und im Rahmen einer multikulturalistischen ›Kultur‹politik wirkte ein solches Verständnis von nationalem Kino zunehmend naiv und anachronistisch. There was a time when to talk of the Australian film industry was implicitly to endorse something called ›national identity‹. We had it, we needed to protect it, and Australian films would help: that’s roughly how the discussion went. Things aren’t quite so straightforward these days (Turner 1997: 185).

Australische Filmproduktionen wurden vielseitiger in der Themenwahl, nicht nur der ›ethnischen‹ Vielfalt wurde Rechnung getragen, auch gesellschaftlich randständige Gruppen wie Lesben, Schwule und Transgender (LOVE AND OTHER CATASTROPHIES; THE ADVENTURES OF PRISCILLA, QUEEN OF THE DESERT; THE SUM OF US), Menschen in der Psychiatrie oder SeniorInnen (SHINE; COSI; SPIDER AND ROSE) wurden Gegenstand ernsthafter Auseinandersetzungen in populären Spielfilmen. Die zunehmende Ausdifferenzierung insbesondere in Bezug auf Ethnizität/Kultur wirft das Problem einer Neu- oder Umdefinition der Konstruktion eines nationalen Kinos auf. Dem ›klassischen‹ homogenen Repräsentationssystem der Nation steht ein multikulturalistisches nationales ›Selbst-Verständnis‹ antagonistisch gegenüber. Dennoch bleibt die Repräsentation und damit Re-Produktion der Nation eine Aufgabe und Bestreben des australischen Kinos, wenn auch in veränderter Form: »Die Filme der 1990er führen tatsächlich weg von Anliegen einer nationalen Hegemonie, wenngleich nation building weiterhin als Anliegen, diesmal der multikulturellen Politik, zu konstatieren ist« (Wimmer 2002a: 413; vgl. Wimmer 2002b).56 Es bleibt die Frage, wie in Filmen aus Australien Ethnizität als kulturelle Markierung neu verhandelt wird. Mit Nira Yuval-Davis und Floya Anthias argumentiert kann insbesondere das ›populäre‹ Kino als ein Bereich zwischen dem öffentlich-politischen und dem privaten gelten (vgl. Yuval-Davis/Anthias 1989: 5f; Yuval-Davis 1997: 80f). Denn einerseits sind nationale Filmproduktionen durch Filmförderung und Reglementierung in den regierungspolitischen Diskurs eingebunden. Andererseits verhandeln Filme Ethnizität als ein Thema des Privaten, indem die Auseinandersetzung mit Ethnisierung den einzelnen ProtagonistInnen und damit gleichsam den einzelnen ZuschauerInnen überantwortet wird. Mit der folgenden exemplarischen Betrachtung dreier Migrantinnen-Filme aus Australien, die alle Mitte der 1990er Jah56 Ob diese Aussage sich in einer umfassenden Untersuchung australischer Filme des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts bestätigen würde, lässt sich in der thematischen Begrenztheit der vorliegenden Arbeit nicht feststellen. 87

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re entstanden sind, werde ich diese Wechselwirkung zwischen Regierungspolitik und dem Selbst-Verständnis Australiens als multikulturalistisch und der filmischen Repräsentation ethnisierter Figuren herausarbeiten. Ich stelle diese Filme daher zunächst in den Kontext der filmischen Darstellung von MigrantInnen in Australien sowie in populärkulturelle Diskurse migrantischen Erzählens, über Ethnizität und Multikulturalismus. Anschließend analysiere ich formale, stilistische und narrative Muster, wobei ich auf die im theoretischen Teil dargelegte Verbindung von Geschlecht – und insbesondere von Weiblichkeit – mit Ethnizität und Nation zurückgreifen und Mechanismen ihrer Korrelation in filmischen Repräsentationsmustern untersuchen werde.

M i g r a n t I n n e n - E r z ä h l u n g e n a u s Au s t r a l i e n : Die Filmbeispiele Mitte der 1990er Jahre lässt sich in der australischen Filmproduktion eine hohe Dichte von filmischen Erzählungen mit weiblichen ethnisierten Hauptfiguren feststellen. Neben den ausgewählten Filmen FISTFUL OF FLIES von Monica Pellizzari (1996), FLOATING LIFE von Clara Law (1996) und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING von Richard Flanagan (1997) ließen sich u.a. auch noch THE HEARTBREAK KID (Michael Jenkins 1993), ONLY THE BRAVE (Ana Kokkinos 1994) und Monica Pellizzaris Kurzfilm JUST DESSERTS (1993) nennen. Diese auffällige Häufung deutet darauf hin, dass die Repräsentation von Migrantinnen Signifikanz und Wirksamkeit in einer spezifischen sozio-historischen Situation einnimmt. Obwohl die Filme Migrationen unterschiedlicher regionaler und damit kultureller Herkünfte thematisieren, weisen sie übereinstimmende Merkmale auf, die eine vergleichende Analyse von Kontexten sowie film-stilistischen und narrativen Mustern sinnvoll machen. Mit diesem Vorgehen werde ich Analogien filmischer Erzählweisen herausarbeiten, die für die Einbindung in ein multikulturelles nationales Kino von Bedeutung sind. Meine Interpretationen der Filme beruhen auf umfassenden Filmanalysen, die sowohl Produktionskontexte und damit verbundene Intertexte, stilistische und narrative sowie diskursive Merkmale umfassen.57 Dazu 57 Dabei darf nicht vergessen werden, dass diese Einteilungen nur vorgenommen werden, um die Analyse in kleinere Schritte einzuteilen, zu strukturieren und zu veranschaulichen. Film ist ein komplexes visuelles und akustisches System von Produktion, Präsentation und Rezeption und alle Ebenen der Analyse sind vielfach miteinander verwoben, die Übergänge fließend. 88

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werde ich die Filme jeweils anhand einer kurzen Inhaltsangabe, die den Handlungsablauf und die wichtigsten Figuren beschreibt, vorstellen. Diese liefert als übergeordnete Erzählung die Grundlage für Erzählstrukturen und für die Verwendung spezifischer Gestaltungsmittel. Weiterhin werde ich Informationen zu einigen SchauspielerInnen und Personen geben, die an der künstlerisch-technischen Realisierung der Filmproduktion beteiligt waren. Damit soll die große Bandbreite an professionellem und kulturellem Wissen, das in diese Werke eingebracht wurde, anerkannt werden, denn Filme sind nicht das Werk einzelner RegisseurInnen; es ist immer die Zusammenarbeit einer Gruppe, der Crew, die das Endergebnis gestaltet.

Fistful of Flies Der Film FISTFUL OF FLIES erzählt von einer jungen Frau im ländlichen Australien und ihren Auseinandersetzungen mit den Vorschriften und Ansprüchen, die ihre Familie italienisch-katholischer Herkunft sowie die community, in der diese verortet ist, an sie stellen. Als Mars (Tasma Walton), wie die 16jährige Maria Lupi sich selbst nennt, von ihrer Mutter Grace (Dina Panozzo) beim Masturbieren erwischt wird, entwickeln ihre Eltern eine fast besessene Konzentration auf die Frage nach ihrer Jungfräulichkeit. Nachdem sie von ihrem Vater Joe (John Lucantonio) verprügelt worden ist, folgen weitere Maßnahmen, ihre Bewegungsfreiheit und befürchtete sexuelle Aktivität zu kontrollieren: Hausarrest, eine ärztliche Behandlung, die Maria am Ausleben ihrer Sexualität hindern soll sowie der Versuch einer Ehestiftung. Mars sucht Hilfe bei Virginia, ihrer Großmutter mütterlicherseits (Anna Volska). Doch die kann Mars nur mit schmerzlindernder Salbe und ermutigenden Worten beistehen. Eno (Mario Gamma), dem Sohn einer befreundeten Familie den ihre Eltern als möglichen Heiratskandidaten ausgewählt haben, tritt Mars zunächst ablehnend gegenüber, findet dann aber doch Interesse an ihm. Als Joe – selbst gerade beim außerehelichen Geschlechtsverkehr – die beiden in einer Situation beobachtet, die er als sexuell missinterpretiert, soll die Ärztin Dr. Powers (Rachael Maza) feststellen, ob Mars noch Jungfrau ist oder nicht. Auf die Weigerung der Ärztin folgt erneut körperliche Misshandlung, diesmal durch Grace. Nach wiederholten physischen und psychischen Grausamkeiten und einem gescheiterten oder angedrohten Suizid erreicht Mars endlich die Unterstützung ihrer Mutter. Öffentlich und mit vorgehaltenem Gewehr konfrontiert sie ihren gewalttätigen und ehebrecherischen Vater. Das Ende des Filmes zeigt, wie Grace, Mars und ihr jüngerer Bruder ohne Joe eine neue Familiengemeinschaft bilden. Auch Virginia, zu der Grace vor Jahren den Kontakt abgebro89

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chen hatte in dem Glauben, damit ihre Familie und Ehe bewahren zu können, wird in das gemeinsame Haus aufgenommen. FISTFUL OF FLIES (1996) ist der erste abendfüllende Spielfilm der 1960 geborenen Filmemacherin Monica Pellizzari. Zuvor war sie als Produktions- und Regieassistentin u.a. für Peter Weir (THE YEAR OF LIVING DANGEROUSLY 1983), Lina Wertmüller (NOTTE D’ESTATE 1987) und Bernardo Bertolucci (THE LAST EMPEROR 1987) tätig. Im Abschlussjahr ihrer Ausbildung in Drehbuch und Regie an der Australian Film Television and Radio School sowie an der italienischen Filmhochschule Il Centro Sperimentale drehte sie zwei Kurzfilme, VELO NERO und RAB58 BIT ON THE MOON (beide 1987). Ihr folgender Kurzfilm JUST DES59 SERTS (1992) wurde mit etlichen Festivalpreisen ausgezeichnet. Diese Arbeiten bereiten bereits Motive, Themen und stilistische Mittel von FISTFUL OF FLIES vor: »Its themes of cultural dislocation, bi-cultural identity and female sexuality have been a constant in Monica’s filmmaking career« (Fistful of Flies Press Kit: 3; vgl. Robson/Zalcock 1997: 65ff/112f). Der Titel des Films wird als englische Übersetzung eines italienischen Sprichwortes angegeben: Un pugno di mosche – eine Handvoll Fliegen. Die Bedeutung der Redewendung, die im Film als visuelles Motiv sowie im Dialog umgesetzt ist, wird in den Pressematerialien wie folgt erklärt: It is an expression usually directed against women, or people considered hopeless cases, and means that if you follow your spirit you’ll end up with a fistful of flies, a fistful of nothing – because you can’t catch flies. It expresses the view that a woman’s path is created for her and she should not stray from it (Fistful of Flies Press Kit: 3).

Monica Pellizzari hatte in FISTFUL OF FLIES die Möglichkeit, mit der sehr erfahrenen Produzentin Julia Overton zusammenzuarbeiten. Overton arbeitete u.a. mit Bill Bennett (SPIDER AND ROSE 1994), Wim Wenders (BIS ANS ENDE DER WELT 1991) und John Duigan (WINTER OF OUR DREAMS 1981; FAR EAST 1982). Außerdem engagiert sie sich in der Ausbildung junger FilmemacherInnen an der Australian Film Television

58 RABBIT ON THE MOON war für den American Academy Award (Oscar) in der Kategorie Kurzfilm nominiert und hat Auszeichnungen internationaler Filmfestivals gewonnen. 59 Unter anderem in Venedig mit dem Leoncino D’Argento für den Besten Kurzfilm, beim Sydney Film Festival mit dem Rouben Mamoulian Award (Internationaler Jury Preis) sowie mit dem Australian Film Institute Award für das Beste Drehbuch ausgezeichnet. 90

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and Radio School. Die Kamerafrau Jane Castles wurde an der AFTRS ausgebildet. Sie fotografierte beispielsweise SWEETIE (Jane Campion 1989) sowie einige Musikvideos, u.a. für Prince, U2 und INXS. Sowohl Jane Castles als auch die Komponistin Felicity Fox waren bereits an Monica Pellizzaris Kurzfilmen JUST DESSERT und BEST WISHES (1993) beteiligt. Die meisten SchauspielerInnen in FISTFUL OF FLIES sind erfahrene Theater- und FilmdarstellerInnen. Die Beziehung zwischen Dina Panozzo (Grace) und Monica Pellizzari wird besonders hervorgehoben: »Monica shares a cultural heritage with Dina Panozzo [... they] are both Venetian Italians and have been friends and collaborators for a number of years« (Fistful of Flies Press Kit: 4). Zum ersten Mal trat die als Sängerin prominente Maria Venuti (Magda) in einem Spielfilm auf. Tasma Walton ist Nachwuchsschauspielerin und die Figur der Mars ihre erste Hauptrolle, nachdem sie mit Nebenrollen bereits in einigen Fernsehserien und Bühneninszenierungen erfolgreich war.

Floating Life FLOATING LIFE handelt von verschiedenen Migrations-Erfahrungen der Hongkong-chinesischen Familie Chan. Die Eltern, im Film durchweg als Mum/Ma (Cecilia Fong Sing Lee) und Pa (Edwin Pang) tituliert, wandern mit den beiden jüngsten Söhnen Yue (Toby Wong) und Chau (Toby Chan) nach Australien aus. Sie ziehen zunächst bei ihrer zweitältesten Tochter Bing (Annie Yip) und ihrem Mann Cheung (Bruce Poon) ein, die bereits vor einiger Zeit emigriert sind. Das Zusammenleben der Familie in einem Haus gestaltet sich schwierig. In einer Rückblende wird erzählt, dass Bing vier Jahre allein in Australien gelebt hat, da Cheung, nachdem er die australische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, wegen seiner Arbeit wieder nach Hongkong ging. In dieser Zeit fühlte sich Bing einsam und ängstlich. Zu Lone, den sie in einer chinesischen Imbissstube kennen lernte, entwickelte sie eine Freundschaft, die sie jedoch abrupt beendete. Yen (Annette Shun Wah), die älteste Tochter der Familie, ging zum Studium nach Deutschland, wo sie immer noch lebt. Mit ihrem deutschen Ehemann Michael (Julian Pulvermacher) und ihrer sechsjährigen Tochter Mui-Mui ist sie gerade in eine neue Wohnung gezogen. Yen telefoniert häufig mit ihrer Mutter und erfährt von der problematischen Situation, in der sich die Familie befindet. Sie entwickelt eine Hautallergie, die sie mit einer Umgestaltung der Wohnung nach feng shuiRegeln zu behandeln versucht; es kommt zu Spannungen zwischen ihr und Michael. Sie fährt mit Mui-Mui für einige Zeit nach Australien, um 91

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ihre Familie zu besuchen. Auf dem Weg macht sie einen Zwischenstopp in Hongkong, wo sie sich mit Gar Ming (Anthony Wong), dem ältesten Sohn der Familie trifft. Dieser wartet auf seine Ausreisepapiere, zweifelt aber, ob er tatsächlich nach Australien gehen will und ob das bedeutet, dass er seine Freundin Sandy heiraten soll, damit sie ihn begleiten kann. Dann lernt er Apple (Nina Liu) kennen, eine junge Frau, die als Kind mit ihren Eltern nach Kanada emigrierte und für einige Zeit in Hongkong ist. Sie beginnen eine Affäre und Apple wird schwanger. Nach einem Schwangerschaftsabbruch beginnt Gar Ming seine bisherige Lebensweise in Frage zu stellen. In Australien versucht Yen, die problematische Situation zwischen Bing, den Eltern und den jüngeren Söhnen zu verstehen; es kommt zu einem Streit zwischen ihr und Bing. Als Bing nach Yens Abreise erfährt, dass ihre Eltern ein Haus gekauft haben, sagt sie sich von ihnen los und will die Brüder dazu zwingen, sie als Vormund anzuerkennen. Yue weigert sich und geht mit seinen Eltern, Chau bleibt bei Bing und Cheung. Gar Ming, der inzwischen nach Australien gekommen ist, nötigt ihn dazu, zu seinen Eltern zu ziehen. Während die drei Brüder und ihre Eltern sich in dem neuen Haus einleben, verfällt Bing in eine Depression. Cheung fragt die Eltern um Rat, woraufhin Ma zunächst versucht, Bing aufzumuntern, dann die Ahnen der Familie um Hilfe bittet. Bing belauscht dieses Gebet. Einen Monat später verlässt sie mit ihrer Mutter zum ersten Mal wieder das Haus, nach einem Jahr, so erzählt Yue aus dem Off, ist sie schwanger. Der Titel des Filmes FLOATING LIFE wird in der Pressemappe als Zitat aus einem Gedicht »from a Tao poet« gekennzeichnet und ist mit Verweisen auf Migration sowie der Verortung in asiatischer Kultur versehen, auch die Frage nach Glück und Unglücklichsein in einer Migrationssituation ist bereits aufgeworfen: Heaven and Earth, all existence a journey, Time, all generations travel, Floating life a dream, how often is happiness? (Floating Life Press Kit: 2)

Clara Law ist die erfahrenste der drei RegisseurInnen. Geboren in Macao und aufgewachsen in Hongkong, arbeitete sie nach dem Studium an der University of Hong Kong als Produktions- und Regieassistentin für Radio Television Hong Kong. Nach ihrer filmischen Ausbildung an der National Film and Television School in Großbritannien kehrte sie nach Hongkong zurück, wo sie 1985 begann, Spielfilme zu drehen; etliche davon erhielten Festivalauszeichnungen. Bereits in ihren früheren Fil92

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men, beispielsweise in WO AI TAI KONG REN/THE OTHER HALF AND THE OTHER HALF (1988) und AI ZAI TAXIANG DE JIJIE/FAREWELL CHINA (1990) setzte sich Clara Law mit dem Thema Migration auseinander. FLOATING LIFE ist ihr achter Spielfilm, der erste, den sie in Australien realisierte, wo sie heute vorwiegend lebt; im Jahr 2000 drehte sie dort THE GODDESS OF 1967, 2004 den Dokumentarfilm LETTERS TO ALI. Der Drehbuchautor Eddie Ling-Ching Fong begann seine Filmlaufbahn in Hongkong mit experimentellen Kurzfilmen, später arbeitete er als Autor für die Hong Kong Television Broadcast Lt. Seit 1984 realisierte er vier Spielfilme als Regisseur (TONG CHIU HO FONG NUI/AN AMOROUS WOMAN OF THE TANG DYNASTY, 1984; YU DA FU CHUAN QI/CHERRY BLOSSOMS, 1985; KAWASHIMA YOSHIKO/THE LAST PRINCESS OF MANCHURIA, 1989; FEISEUNG TSINGTAM/THE PRIVATE EYE BLUES, 1994) und arbeitet seit 1987 (THE OTHER HALF AND THE OTHER HALF) mit Clara Law, mit der er verheiratet ist, zusammen. Auch die Herstellungsleiterin Bridget Ikin und der Kameramann Dion Beebe waren bereits an international erfolgreichen Filmarbeiten beteiligt, so produzierte Bridget Ikin mit ihrer Firma Hibiscus Films u.a. AN ANGEL AT MY TABLE (Jane Campion 1990) in Neuseeland und LOADED (Anna Campion 1994). Dion Beebe, an der AFTRS ausgebildet, fotografierte CRUSH (Alison Maclean 1992) sowie etliche prämierte Kurzfilme; er filmte auch Clara Laws THE GODDESS OF 1967. Für Kostüm und Ausstattung war Chung Man Yee verantwortlich, dessen Arbeit für A CHINESE GHOST STORY mit dem Hong Kong Film Award for Best Production Design ausgezeichnet wurde. FLOATING LIFE ist der erste australische Spielfilm, in dem Englisch nicht die vorrangige Sprache ist. Weite Passagen sind in Kanton-Chinesisch, einige in Deutsch gesprochen und mit englischen Untertiteln versehen. Das setzte in der Auswahl der SchauspielerInnen voraus, dass diese sowohl ausreichend Chinesisch als auch Englisch bzw. Deutsch sprechen konnten, was die Besetzungsphase schwierig und langwierig gestaltete, denn zuvor gab es nur wenig Interesse an sowohl chinesischals auch englischsprachigen SchauspielerInnen (vgl. Floating Life Press Kit: 13/9). Alle erwachsenen DarstellerInnen hatten bereits Erfahrungen in verschiedenen Medien. Edwin Pang (Pa) arbeitete als Übersetzter und Radiosprecher, nachdem er 1964 nach Australien emigrierte. Er engagierte sich im Aufbau des Cantonese Service für Radio Australia der Australian Broadcasting Corporation; nach seiner Pensionierung wurde er Geschäftsführer des Museum of Chinese Australian History in Melbourne. Annie Yip war in Hongkong als Fernsehmoderatorin und Schauspielerin bekannt, Bing ist ihre erste Rolle, die sie nach ihrer Immigration in Australien übernahm. Annette Shun Wah (Yen) arbeitete in Aus93

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tralien ebenfalls als Fernsehmoderatorin und spielte in FLOATING LIFE zum ersten Mal in einem Spielfilm, Anthony Wong (Gar Ming) ist ein erfahrener Theater-, Film- und Fernseh-Schauspieler. Cecilia Fong Sing Lee (Ma) war bereits in den 1950er und 1960er Jahren in Hongkong eine bekannte Schauspielerin, als Männerdarstellerin in der Chinesischen Oper errang sie internationale Berühmtheit. Ihrer Emigration nach Malaysia folgte eine Karriere in der Wirtschaft, in Australien nahm sie ihre Arbeit im Kulturbereich wieder auf und eröffnete eine Schule für Chinesische Oper in Sydney.

The Sound of One Hand Clapping THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING erzählt von Sonja Buloh (Kerry Fox), einer Frau Ende Dreißig, die für einen Urlaub nach Tasmanien zurückkehrt, wo sie aufgewachsen ist. Sie versucht eine Annäherung an ihren entfremdeten Vater Bojan (Kristof Kaczmarek), die ihr jedoch zunächst misslingt. Sonja ist schwanger und hat sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschlossen; Jenja (Evelyn Krape), die mit Sonjas Mutter Maria (Melita Jurisic) befreundet war, überredet sie, das Kind auszutragen und nicht nach Sydney zurückzukehren. Sonja bleibt in Tasmanien. Am Ende ihrer Schwangerschaft und durch die Geburt ihrer Tochter, die sie Maria nennt, kommt es zu einer Wiederannäherung zwischen ihr und ihrem Vater. In Form von Rückblenden wird Sonjas Leben in Ausschnitten erzählt. Kurz nach der Emigration ihrer Eltern Maria und Bojan aus Slowenien kommt sie Anfang der 1950er Jahre in Tasmanien zur Welt. Als sie drei Jahre alt ist, verschwindet ihre Mutter (dies ist die früheste ›Erinnerung‹, die der Film zeigt). Sonja ist für einige Jahre in Pflegefamilien untergebracht, während Bojan bei Staudammprojekten in den Bergen arbeitet und in provisorischen ArbeiterInnenunterkünften lebt. Als Sonja etwa acht Jahre alt ist, nimmt Bojan seine Tochter zu sich. Sie leben in der tasmanischen Hauptstadt Hobart in ›wog flats‹ – so werden in Australien billige, oft etwas heruntergekommene Häuser genannt, in denen ›wogs‹ – eine abfällige Bezeichnung für ImmigrantInnen – leben.60 Bojan beginnt ein Liebesverhältnis mit Jean, das er aufgrund der ablehnenden Reaktion Sonjas beendet. Er trinkt zunehmend mehr und be-

60 »Wog, kurz für Westernised Oriental Gentleman. Englische Arroganz erfand die Vokabel Ende des 19. Jahrhunderts, wandte sie auf Inder und Pakistani an, später auch auf Araber. Die semantische Verwandtschaft mit golliwog, Vogelscheuche, verdeutlicht die rassistische Färbung des Wortes« (Kanthak 2001: 46). 94

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ginnt, Sonja zu schlagen, wenn er betrunken ist. Mit etwa achtzehn Jahren verlässt Sonja Tasmanien und geht nach Sydney. Durch Erzählungen von Bojan und Jenja, erfahren wir von den Erinnerungen, die Maria und Bojan an das von deutschen Truppen besetzte Slowenien des Zweiten Weltkrieges haben. Als Kinder und Jugendliche mussten sie die Gräueltaten des Krieges miterleben. SS-Männer töteten Marias Vater,61 vergewaltigten ihre Mutter, ihre Schwester und sie selbst. In einer Rückblende, die als Phantasie Sonjas bzw. Erinnerung Bojans inszeniert und mit der Geburt von Sonjas Tochter verbunden ist, wird gezeigt, dass sich Sonjas Mutter in den Wäldern Tasmaniens erhängte. THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING ist die erste Regie- und Drehbucharbeit von Richard Flanagan, der den Stoff anschließend in einem gleichnamigen Roman verarbeitete, der 1997 erschien.62 Zuvor war Flanagan als Autor des Kriminalromans »Death of a River Guide« (1994) bekannt geworden. THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING war 1998 für den Goldenen Bären der Berlinale nominiert. Produziert wurde der Film von Deborah Cox und Rolf de Heer, einem bekannten australischen Avantgarde-Regisseur und Produzenten, der sich insbesondere mit BAD BOY BUBBY (1993) einen Namen machte und zuletzt THE TRACKER (2002) realisierte.63 Auch in anderen wichtigen Bereichen der Produktion hatte Richard Flanagan erfahrene MitarbeiterInnen zur Verfügung. Der Kameramann Martin McGrath fotografierte u.a. PROOF (Jocelyn Moorhouse 1991), MURIEL’S WEDDING (P.J. Hogan 1994) und ON OUR SELECTION (George Whaley 1995), für die Montage war John Scott verantwortlich, der bereits – und dies ist nur eine Auswahl seines umfangreichen Schaffens – THE ADVENTURES OF BARRY MCKENZIE (Bruce Beresford 1972), ROXANNE (Fred Schepisi 1987), HEATWEAVE (Phillip 61 Im Roman, der auf dem Drehbuch basiert, werden die Täter diese Erzählung spezifiziert: »The SS Prinz Eugen Division come and shoot him« (Flanagan 1997: 253). 62 »The book and the film have a relationship that differs significantly from the norm [...] a major author writes his first screenplay that he is unexpectedly asked to direct; the he writes the novel of the same story while the film is being financed« (The Sound of One Hand Clapping Press Kit: 2). Ich werde in der Filmanalyse bisweilen Textpassagen des Romans heranziehen, um meine Interpretationen zu unterstreichen. Die Personengleichheit von Regisseur und Autor unterstützen dieses Vorgehen. 63 Rolf de Heer habe, so stellen sowohl die Pressemappe (5) als auch Filmkritiken (Stratton 1998) und Festivaltexte (Moving Pictures/Berlinale 1998: 33f) dar, nach Lesen des Drehbuches seine Umsetzung stark forciert. Diese Unterstützung eines in Australien anerkannten Filmschaffenden ›autorisiert‹ die erste Filmarbeit Flanagans als ›künstlerisch wertvoll‹. 95

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Noyce 1982) sowie KOSTAS und ISLAND (Paul Cox 1979 bzw. 1989) montierte. Die Kostümdesignerin Aphrodite Kondos arbeitete u.a. in Deutschland für WINTERSCHLÄFER (Tom Tywker 1997) und MÄNNERPENSION (Detlev Buck 1996), in Hollywood für THE BLUE LAGOON (Randel Kleiser 1980) und in Australien für CACTUS (Paul Cox 1986). Ihre Arbeit für THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING war 1998 für den AFI Award nominiert. Auch der in Polen geborene und ausgebildete Komponist Cezary Skubiszewski hatte bereits Filmerfahrung, er komponierte die Musik für diverse Dokumentar- und Spielfilme, u.a. für LILIAN’S STORY (Jerzy Domaradzki 1995). Sein breites musikalisches Spektrum umfasst Symphonien, Jazz, Rock und Ballettmusik. Die Hauptrolle in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING (die erwachsene Sonja) übernahm die neuseeländische Schauspielerin Kerry Fox, die durch die Rolle der Janet Frame in Jane Campions An ANGEL AT MY TABLE (1990) bekannt wurde. Später folgten Hauptrollen in so unterschiedlichen Filmen wie u.a. THE LAST DAYS OF THE CHEZ NOUS (Gillian Armstrong 1992), SHALLOW GRAVE (Danny Boyle 1994), WELCOME TO SARAJEVO (Michael Winterbottom 1997) und THE HANGING GARDEN (Thom Fitzgerald 1997) sowie INTIMACY (Patrice Chéreau 2001). Kristof Kaczmarek war bereits in Polen ein bekannter Bühnenund Filmschauspieler. Nach seiner Immigration nach Australien führte er eine Schauspielgruppe in Perth und spielte in zwei Jackie ChanFilmen. Die Darstellung des Bojan ist seine erste Hauptrolle in einem Spielfilm. Die Film- und Fernsehschauspielerin Darstellerin Evelyn Krape (Jenja) sprach u.a. die Stimme von Babe (BABE 1995; BABE: PIG IN THE CITY 1998). Bereits in diesen kurzen Vorstellungen der Filme werden sowohl ihre Einbindungen in ein ›nationales Kino‹ wie auch internationale Einflüsse deutlich. Diese zweifache Struktur zeigt sich offensichtlich in der Zusammensetzung von SchauspielerInnen, RegisseurInnen und den anderen an der Realisierung der Filme beteiligten Personen. Bei allen drei Filmen sind in den Teams sowohl in Australien geborene und ausgebildete Filmschaffende als auch MigrantInnen, die Lebens- und Arbeitserfahrungen aus anderen sozialen, kulturellen und filmspezifischen Herkünften mit einbringen. Das ›Australische‹ der Filme ist in erster Linie durch die räumlichen wie thematischen Verortungen der Erzählungen gegeben: es geht um MigrantInnen in Australien. Damit verweisen die Filme auf ein Thema, das bereits in den frühen Spielfilmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts verhandelt wurde. Doch anstatt den Kampf weißer/europäischer ImmigrantInnen mit dem Land und der Natur zu zeigen, müssen sich mit der 96

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Ideologie des Multikulturalismus, die sich seit den 1990er Jahren in der Filmproduktion abzeichnet, die MigrantInnen der Auseinandersetzung zwischen Kulturen stellten. Dennoch bleibt das ›Projekt des australischen Films‹ das gleiche: die Konstruktion einer Nation. Im Folgenden werde ich darauf eingehen, mit welchen Problemen dieses Nationenprojekt – als Konstruktion und als System der Repräsentation – durch die Anerkennung seiner Multikulturalität und die Ideologie des Multikulturalismus konfrontiert wird. Besonders hervorheben und untersuchen werde ich dabei Strategien der Einbindung, die Repräsentationen ethnisierter Gemeinschaften in einem multikulturellen Kontext und in einem ›nationalen Kino‹ ermöglichen.

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Re präse ntation von Migra ntInne n in Filmen a us Aus tralien – Einbindunge n in ein na tiona les Kino

Nicht nur die Nation, auch ›ethnische‹ Gemeinschaften lassen sich als Repräsentationssysteme fassen, die eine Vorstellung von Gemeinschaft konstruieren, mit deren Bedeutung ihre Mitglieder sich identifizieren können, so dass die Gemeinschaft und ihre Mitglieder zugleich durch diesen Prozess der Imagination hervorgebracht werden (vgl. Hall 1993: 355; Anderson 1991). Als Teil einer nationalen Gesamtheit sind sie – besonders in multikulturalistischen Staaten – in die Struktur der nationalen Repräsentation eingebunden und stehen mit dieser in wechselseitigem Austausch. In einem solchen System wirken Kräfte von Seiten der Institutionen der dominanten kulturellen Gruppe und der ethnisierten Gruppen, der ProduzentInnen und KonsumentInnen von ›Kultur‹ mitund gegeneinander, so dass sich das System selbst ständig in Veränderung befindet. Produktionsbedingungen und der Zugang ethnisierter ›Kultur‹schaffender werden von der Regierungspolitik unterstützt und reguliert, wodurch sich Fragen der Legitimität stellen: Welche kulturellen Gruppen haben Anspruch auf Förderung? Wer hat das Recht, eine kulturelle Gruppe innerhalb der ›Kultur‹industrie zu repräsentieren? Wie wird eine ›ethnische‹ Gruppe repräsentiert?

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Kulturelle Repräsentation ethnisierter Gemeinschaften: Identitätspolitiken, Au t h e n t i z i t ä t , H yb r i d i t ä t In der Bemühung um Anerkennung als ›ethnische‹ Gemeinschaft, die sowohl im Zusammenhang mit politischen Kämpfen gegen Diskriminierung wie auch mit der Konkurrenz um staatliche Unterstützung gesehen werden muss, stellen ethnisierte Gruppen sich selbst durch kulturelle Praktiken und Produkte (Musik, Tanz, Literatur, Theater, Film, Malerei, Kunsthandwerk, etc.) als klar definiert und identifizierbar her, indem sie eine kulturelle Identität, Gruppengrenzen und Souveränität beanspruchen und betonen.1 Dies wird als Ermächtigungsstrategie im Ringen um Sichtbarkeit und Einflussnahme verstanden und kann in Phasen politischer Auseinandersetzung sowie im Kampf gegen Unterdrückungsmechanismen eine erfolgreiche Vorgehensweise sein. Daher sehen sich skeptische bzw. ablehnende Haltungen gegenüber dieser Art von Identitätspolitik häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, den Kämpfen gegen Unterdrückung in den Rücken zu fallen. Doch die Kritik, dass im Rahmen von Identitätspolitiken die Herstellung einer kollektiven Identität nicht allein als Mittel politischer Kämpfe verstanden und eingesetzt, sondern als deren Grundlage angenommen wird, ist berechtigt.2 Denn Identitätspolitiken beinhalten immer die Gefahr, sich Ausschluss- und Homogenisierungsmechanismen zu bedienen. So stellen ›ethnische‹ Gruppen eine ›Gleichheit‹ ihrer Mitglieder her, indem andere als ethnisierende Identitätskategorien ignoriert oder als ›Nebenwiderspruch‹ vernachlässigt werden; sie übergehen Veränderungen, sowohl innerhalb der eigenen als auch in der nationalen Gemeinschaft, in die sie eingebunden sind; sie re-produzieren Machtpositionen innerhalb der Gruppe, indem Werte und ideologische Grundhaltungen privilegierter und einflussrei-

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»By now these spectacles have been rehearsed so many times that many of those designated ›ethnics‹ in the prevailing paradigm have internalised them. After all this is the only space available to them in the staging of Australian culture. It may be a small space and the genre is embarrassingly outmoded, but one takes what one can get« (Gunew o.J.: 4). Nach dieser Vorstellung ›existieren‹ identitäre Gruppen – Frauen, Ethnien, Lesben/Schwule, Behinderte, etc. – und werden als solche gesellschaftlich unterdrückt. Daher müssen sie sich anhand eben jener Identitätskategorien solidarisieren, um gegen Diskriminierung kämpfen zu können. Der Mechanismus, dass Identitätskategorien erst durch ihre Festlegung, durch Ausschlüsse, Fremd- und Selbstzuschreibungen entstehen, wird hierbei in der Regel nicht ausreichend anerkannt. Häufig wird eine ›Naturalisierung‹ der jeweiligen Merkmale der Unterscheidung vorgenommen, die den Kampf gegen Unterdrückung legitimiert (vgl. Jagose 2001: 78ff).

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cher Positionen als (einzig) maßgebliche gelten (vgl. Yuval-Davis 1997: 119f; Jagose 2001: 78ff; Erel 1999: 178). Es sind diese privilegierten Mitglieder, deren Äußerungen in gesamtgesellschaftlichen Diskursen zu Ethnizität gehört und anerkannt werden – sie sprechen so für die gesamte Gruppe. Denn auch von Außen werden ›ethnische‹ Gruppen in der Regel als homogen betrachtet, eine Wahrnehmung, die von identitätspolitischen Strategien nicht durchbrochen wird. Damit sind identitätspolitische Bewegungen in Unterdrückungsstrukturen eingebunden und stehen in ständiger Gefahr, diese durch die Re-Produktion ihrer eigenen marginalisierten – aber legitimierten – Position darin zu re-produzieren und zu stabilisieren.3 Sie tragen zur Aufrechterhaltung normativer Identitätskategorien bei und verwirken die Möglichkeit, die diskriminierende Gesellschaftsordnung grundlegend in Frage zu stellen und auf ihre radikale Veränderung hinzuarbeiten.4 Die Repräsentationen ethnisierter Gemeinschaften innerhalb der ›Kultur‹industrie sind gleichermaßen in ein System von struktureller Unterdrückung eingebunden, so dass nicht alle Mitglieder kultureller Gruppen gleichermaßen Zugang zum ›Kultur‹betrieb haben. Während ›Kultur‹Produkte mancher Ethnizitäten als innovativ, aufregend und ›sexy‹ gelten, werden andere als ›zu fremdartig‹ abgelehnt oder sie werden ignoriert, da ihnen der Status des ›Kulturellen‹ – im jeweils dominanten ›Kultur‹verständnis – abgesprochen wird (vgl. Erel 1999: 180).5 Diese Hierarchisierung innerhalb des ›Kultur‹betriebs steht in einem

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Stuart Hall beschreibt in »New Ethnicities«, dass in den politischen Kämpfen Schwarzer communities (black cultural politics) in Großbritannien eine Verschiebung zu beobachten sei, von der Forderung nach der Darstellung Schwarzer Positionen (to come into representation) und dem Kampf um das Recht der eigenen Darstellung, d.h. dem Zugang zum ›Kultur‹betrieb (access to the rights of representation) hin zu der Frage, wie diese Positionen repräsentiert werden (how things are represented). Er befürwortet diese Veränderung, da kulturelle Produkte nicht notwendigerweise ›gut‹ seien, weil sie von Schwarzen KünstlerInnen hergestellt werden und individuelle, spezifische Positionen und ihre Repräsentationen die Diversität Schwarzer Erfahrungen, Positionierungen und Identitäten nicht vertreten können (vgl. Hall 1995). »Die Beschäftigung mit rassistischen Stereotypen kann zwar unter den derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnissen nicht überwunden werden. Wenn sie jedoch zum Selbstzweck wird und den politischen Horizont der Veränderung vergisst, erstarrt sie zur narzißtischen Beschäftigungspolitik oder im schlimmeren Fall zum symbolischen Zulieferbetrieb neonationaler Identitäten im Zeitalter der Globalisierung« (Steyerl 1999: 169). Ebenso erhalten manche ›Kultur‹produkte keinen Zugang zur ›Hochkultur‹ sondern werden in den Bereich des Kunsthandwerks ›abgeschoben‹ (vgl. Mandel 2002: 372ff). 101

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korrelativen Verhältnis zum sozialen Status einer ethnisierten Gemeinschaft, wie Hito Steyerl in »Was ist ]Kunst[?« feststellt: Kultur ist eines der Werkzeuge zur Herstellung gesellschaftlicher Hierarchien innerhalb eines homogenen Wertesystems, wobei die Verhältnisse zwischen verschiedenen Wertesystemen vermittels kultureller Produktion ins soziale Feld umgesetzt werden (Steyerl 1999: 157).

Aber auch die Arbeiten, die in den Rahmen institutionalisierter ›Kultur‹diskurse aufgenommen werden, finden sich häufig außerhalb bzw. am Rande der hegemonialen ›Hochkultur‹ wieder, in einem Sonderbereich, der als ›Ethnokultur‹ bezeichnet wird. Diesen marginalisierten Bereich bezeichnet Steyerl als ›Wartezimmer‹ für den Zugang zum dominanten ›Kultur‹betrieb, in dem ›exotische Rohstoffe zwischengelagert‹ werden, bevor sie als Innovationen – häufig genug als Neuentdeckungen und Avantgarde – in den ›anerkannten‹ Bereich des ›Kulturellen‹ aufgenommen werden (vgl. Steyerl 1999: 158f/155; Gunew o.J.: 3). Ferner stellt sich die Frage, welche Rolle ethnisierte ProduzentInnen innerhalb der ›Kultur‹industrie einnehmen, und welche Funktion ihnen zugewiesen wird. Denn es sind immer nur wenige Mitglieder marginalisierter Gruppen, denen Zugang zur Produktion und Beachtung ihrer Arbeiten gewährt wird – und die damit die gesamte Gruppe repräsentieren. Die Frage, wem dies gestattet wird, spiegelt das Interesse der Dominanzkultur wieder, den Unterschied zwischen Normalität und dem Anderen als möglichst groß und bedeutungsvoll herzustellen. Nira Yuval-Davis stellt fest: These voices are constructed to be as distinct as possible (within the boundaries of multi-culturalism) from the majority culture in order to be able to be ›different‹; thus, within multi-culturalism, the more traditional and distant from the majority culture the voice of the ›community representatives‹ is, the more ›authentic‹ it would be perceived to be within such a construction (Yuval-Davis 1997: 57).

Die Re-Produktion von Authentizität – sowohl aus einer Gemeinschaft heraus wie auch durch die Forderung von Außen – unterstützt die Konstruktion, dass Identitätsgruppen in sich widerspruchslos und unveränderlich, ›natürlich‹ und unumgänglich sind. Authentizität, ein Begriff den ich hier als Vorstellung einer ›wahrhaften‹ Repräsentation von Kultur verstehe und anwende,6 ist damit zugleich Äußerung und Mechanis6

Im Duden Fremdwörterbuch wird ›Authentizität‹ definiert als »(gr.-nlat.) Echtheit, Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit« (Duden 1997). Das Duden

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mus der Homogenisierung und Naturalisierung ›kollektiver Identität‹.7 Im Rahmen von Identitätspolitiken nehmen die Konstruktion einer bestimmten Version der ›authentischen Selbstdarstellung‹ sowie die Autorität über deren Definition einen wichtigen Platz ein. Die vorgeblich authentische Repräsentation trägt dazu bei, Inhalt und Grenzen der identitären Gemeinschaft festzulegen (vgl. Erel 1999: 177/179). Der Anspruch nach authentischer Repräsentation von Ethnizität in Verbindung mit dem eingeschränkten Zugang von Mitgliedern ethnisierter Gruppen zur ›Kultur‹industrie führt zu einer Konzentration auf einzelne ›Kultur‹produzentInnen (Personalisierung) und häufig zu deren Einsatz als ›Verkörperung‹ einer Gemeinschaft (Personifizierung): Die Repräsentation ›ethnischer‹/kultureller Identität wird auf eine oder wenige Personen übertragen, deren (individuelle) Arbeit als authentische Darstellung für eine gesamte Gruppe verstanden wird.8 Diejenigen, denen diese authentische Darstellung einer Gruppe auferlegt wird, erhalten einen Status als ›wahre‹, glaubhafte VertreterInnen ›ihrer‹ Gemeinschaft.9 Intern verleiht diese Konstruktion den RepräsentantInnen eine machtvolle Stellung, nach außen hin eine Position, die politische Handlungsfähigkeit verleiht. Denn Authentizität kann zum politischen Kapital gemacht werden, mit dem Rechte, Zugangschancen und staatliche Subventionen eingefordert

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Herkunftswörterbuch beschreibt ›authentisch‹ wie folgt »›(nach einem sicheren Gewährsmann) glaubwürdig u. zuverlässig verbürgt; echt‹: Das Wort wurde in der Kanzleisprache des 16. Jh.s aus spätlat. authenticus ›zuverlässig verbürgt; urschriftlich, eigenhändig (von Schriften)‹ entlehnt, das seinerseits aus griech. authentikós ›zuverlässig verbürgt‹ stammt, das zu griech. auth-éntés ›Urheber, Ausführer‹ (ursprünglich vielleicht ›jemand der mit eigener Hand etwas vollbringt‹) gehört« (Duden 1989). »The question of authenticity continues to haunt the reception of minority writings. In the struggle for minority rights and the battles over who controls representation there are those who take the position that only members of such minority groups have the authority, or at least moral right, to represent themselves. But who, institutionally speaking, decides the group membership and who interprets and legislates whether this authenticity has been achieved?« (Gunew o.J.: 2; vgl. Mandel 2002: 379ff; Bui 2002: 391). Sneja Gunew problematisiert diese Konstruktion authentischer Positionen ethnisierter KünstlerInnen: »They function as what Gayatri Spivak (1988) has termed the ›native informant‹, with an unproblematically coherent subjectivity projected upon them. They are constructed as ›insider‹ sources for ›information-retrieval‹« (Gunew o.J.: 3). Sneja Gunew stellt in Bezug auf den ›Fall Demidenko‹ fest: »Here too there was a perception that the writer’s function was a representative one and therefore the minority view had to be ›correctly‹ represented. This kind of censorship (anxiety around representation of the minority) has bedeviled a number of writers who have seen their own communities (often self-appointed) turn against them« (Gunew o.J.: 5). 103

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werden können (vgl. Yuval-Davis 1997: 58). Doch wird diesen RepräsentantInnen nicht nur eine Machtposition eingeräumt, ihnen wird auch die gesamte ›Last der Repräsentation‹ übertragen: In a material context of restricted access to the means of representation, minoritized subjects are charged with an impossible ›burden of representation‹. Where subordinate subjects acquire the right to speak only one at the time, their discourse is circumscribed by the assumption that they speak as ›representatives‹ of the entire community from which they come. It is logically impossible for any one individual to bear such a burden, not only because it denies variety and heterogeneity within minority communities, but also because it demands an intolerable submission to the iron law of the stereotype, namely the view from the majority culture that every minority subject is ›the same‹ (Mercer 1991: 205).10

Diese Homogenisierung ethnisierter Gruppen durch die Konstruktion von Authentizität wird zunehmend überlagert von Diskursen zu Ethnizität und Multikulturalismus, die migrantische Identitäten in (mindestens) zwei Kulturen beziehungsweise in einem Raum ›zwischen‹ den Kulturen verorten. Diese Vorstellung reflektiert häufig eine – unzulässig – vereinfachte Interpretation des Konzeptes der Hybridität, das auf Homi K. Bhabha zurückgeht, die Komplexität und Ausdifferenziertheit seiner Theorie jedoch unterschlägt (vgl. Bhabha 1994: 1ff; 1997; 1996; 1995).11 Nira Yuval-Davis kritisiert, dass diesem verkürzten Verständnis von Hybridität die Gefahr der Re-Mythisierung kultureller Ursprünglichkeit sowie die der Re-Konstruktion von Kultur als homogene Einheiten mit festgeschriebenen Grenzen inhärent ist, da die ständigen Veränderungsprozesse sowohl innerhalb kultureller Gemeinschaften als auch im Austausch mit anderen ignoriert werden (vgl. Yuval-Davis 1997: 59; Kolar-Panov 1997: 176). Homi Bhabhas Konzept der Hybridität wendet sich ausdrücklich gegen die Idee von reinen, homogenen, originären Kulturen, sondern betont die Prozesshaftigkeit, in der Kultur niemals festgeschrieben werden

10 In Anlehnung an Kobena Mercer weist Nira Yuval-Davis auf den Zusammenhang von Geschlecht und Repräsentation hin: »Women are especially often required to carry this ›burden of representation‹, as they are constructed as the symbolic bearers of the collectivity’s identity and honour, both personally and collectively« (Yuval-Davis 1997: 45). 11 Mark Terkessidis nennt als weitere Ansätze, um »die beobachtete ›Vermischung‹ theoretisch zu erfassen« die Begriffe ›Melange‹ (nach Rushdie), ›Kreolisierung‹ (Hannerz), ›kulturellen Synkretismus‹ (Canevacci) und ›globale Cross-Over-Kultur‹ (Nederveen Pieterse) (Terkessidis 1999: 237; vgl. Ha 2005: 13). 104

REPRÄSENTATION VON MIGRANTINNEN IN FILMEN AUS AUSTRALIEN

kann. Die Begrenzungen dieser unfertigen kulturell-imaginierten Gemeinschaften sind dabei ständig umkämpft und sich verändernd und schaffen einen Zwischen-Raum, oder eher Zwischen-Räume, der kulturellen ›Verhandlung‹: »in-between spaces through which the meanings of cultural and political authority are negotiated« (Bhabha 1990a: 4). Somit finden nach Bhabha Kontakte zwischen den Kulturen in einem Dritten Raum (Third Space) statt (vgl. Bhabha 1994: 36ff), wo sich neue, alternative Identitäten – und Erzählungen – ausbilden, die von ›Hybriden‹ als abweichende Interpretationen kultureller Formen hervorgebracht werden. Diese alternativen Identitäten versteht Bhabha als aktive Strategien des Widerstandes gegen Homogenisierungen, Dichotomisierungen und (nationalisierte) kulturelle Autorität, da sie die dominanten Bedeutungen kultureller Praktiken in Frage stellen (vgl. Erel 1999: 177). Hybride Positionen streben dabei selbst keine kulturelle Dominanz an: »Hybrid agencies find their voice in a dialectic that does not seek cultural supremacy or sovereignty« (Bhabha 1996: 58). Das Erkennen der Unabgeschlossenheit von Kultur/en, von Grenzüberschreitungen, von hybriden kulturellen Praktiken und Interpretationen erlaubt es, auch die dominante Kulturform selbst als hybrid zu sehen und damit ihre dominante Position anzugreifen. Andererseits »ist Hybridisierung ein Prozess, der Dominanzverhältnisse nicht nur dekonstruieren, sondern diese auch festigen kann« (Erel 1999: 188). Denn alternative Identitäten und Erzählungen müssen nicht notwendigerweise fortschrittlich und anti-autoritär sein. Ein Grund dafür ist, dass sich der Prozess der Hybridisierung leicht auf den Aspekt des Kulturellen beschränken lässt, andere Unterdrückungsstrukturen jedoch vernachlässigt: Spezifische Praxen der Hybridisierung können einerseits etwa ein ethnisches Dominanzverhältnis zu Gunsten der schwächeren Seite beeinflussen, während sie andererseits, etwa in Geschlechterverhältnissen, die dominantere Seite stärken können (Erel 1999: 188f).

Dieses sowohl widerständige wie auch re-konstitutive Potential gegenüber dominanten Positionen und Praktiken macht es notwendig, die Auswirkungen von Hybridisierung auf verschiedene, sich gegenseitig durchquerende Unterdrückungsverhältnisse zu untersuchen: »Das Konzept der Hybridisierung sollte demzufolge in eine komplexe, mehrdimensionale Analyse eingebunden werden« (Erel 1999: 189). Umfassendere Betrachtungsweisen würden auch einer grundlegenden Begrenztheit von Bhabhas Hybriditätskonzept entgegenwirken: da er von der Position und den Erfahrungen einer privilegierten Schicht kosmopolitischer Intel105

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lektueller argumentiert und diese verallgemeinert, läuft er Gefahr, Erfahrungen zu übergehen, die aus anderen Positionierungen resultieren, insbesondere aus mehrfachen, sich durchquerenden Unterdrückungserfahrungen (vgl. Griem 2004: 221). Ein Hauptkritikpunkt an Homi Bhabhas Hybriditätstheorie richtet sich jedoch gegen die Gefahr, dass in populär-wissenschaftlichen und -politischen Diskursen die Vorstellung essentialistischer, als homogen aufgefasster Gemeinschaften re-produziert wird, aus denen Hybride hervorgehen.12 Dieses Risiko beruht auf der scheinbar nahe liegenden Annahme stabiler Identitäten als Gegenpol zu hybriden Positionen – eine Auffassung, die Bhabha selbst vehement ablehnt. Doch ein solches Missverständnis ermöglicht unzulässige Verallgemeinerungen und lässt es zu, sein Hybriditätskonzept in die Nähe von Identitätspolitiken zu verschieben (vgl. Bhabha 1997: 116; Bhabha 1994: 2ff). Um die Konstruktion von kulturellen Grenzen, wie durchlässig auch immer sie sein mögen (vgl. Kolar-Panov 1997: 48), zugunsten eines Verständnisses der ›Grenzenlosigkeit‹ von Kultur aufzugeben, stellt Nira Yuval-Davis mit Arbeiten von Smadar Lavie und Gloria Anzaldua ein offeneres, weniger auf die einzelne Person bezogenes Modell vor (vgl. Yuval-Davis 1997: 59f; Lavie 1992: Anzaldua 1987). Darin wird Hybridität nicht anhand ›fragmentierter individueller Anderer‹ entworfen, sondern hybride Subjekte werden als in Gemeinschaften eingebunden verstanden. In Verbindung mit der ihnen zugestandenen Möglichkeit zur Selbstreflexion ihrer Position erlaubt dieses Konzept, Hybridität auch im Zusammenhang mit (konstruierten) kulturellen Gemeinschaften zu erfassen. In einer solchen kritischen, auf die Gemeinschaft bezogenen Selbstreflexion sieht YuvalDavis, wie auch Anzaldua, Potential für politische Handlungsfähigkeit, die über die stabilisierenden Strategien von Identitätspolitiken hinausgeht: »reworking the past exposes its own hybridity, and to recognize and acknowledge this hybrid past in terms of the present empowers the community and gives it agency« (Yuval-Davis 1997: 60). Den populären Hybriditäts-Diskursen, wie sie auch in multikulturalistischen ›Projekten‹ wie dem Australiens geführt werden, bleibt jedoch die Gefahr eines strukturellen Mangels inhärent: In der sozialen Praxis ist es allein der ethnisierte Teil einer Gesellschaft, dem dieser Prozess der identitären Hybridisierung zugewiesen wird, während der dominante unverändert und stabil bleibt. Es wird von MigrantInnen erwartet, dass sie ihre Herkunftskultur der Norm-Kultur des Einwanderungslandes auf

12 Diese Kritik bezieht sich insbesondere auch auf die Herkunft des Begriffs ›Hybrid‹ aus der Biologie, die ihn mit rassistischen Debatten des 19. Jahrhunderts in Verbindung stellt (vgl. Terkessidis 1999: 240). 106

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ein ›legitimes Maß‹ anpassen ohne diese völlig abzulegen – denn dies wird in der Regel als ›Verleugnen‹ negativ bewertet bzw. pathologisiert. MigrantInnen verharren in der Position des Anderen, wobei dieses Andere nicht zu mächtig und zur Bedrohung für die dominante Kultur werden darf. Das bedeutet, ihnen wird die Herstellung einer hybriden ›ethnischen‹ Identität auferlegt, wobei die kulturelle und politische Macht zu Beurteilung dieser Identitätskonstruktion in der Ideologie der Dominanzgesellschaft verbleibt. Im Kontext eines multikulturalistischen Nationenprojektes wird damit die Aufgabe der Konstruktion einer ›neuen‹, multikulturellen nationalen Identität auf die ethnisierten Gruppen einer Gesellschaft übertragen. Ob dieses Projekt erfolgreich ist oder nicht, bestimmt die dominante Gesellschaft anhand ihrer Zufriedenheit mit der Identitätsarbeit der Anderen. Es findet eine Re-Konstruktion hybrider ›ethnischer‹ Identität statt und Erfolg oder Scheitern der Identitätskonstruktion wird auf die Einzelnen übertragen, denn es ist die Aufgabe ethnisierter Subjekte, im Zwischenraum der Hybridität eine (Identitäts-)Position auszuhandeln. Die soziale und politische Bewertung des Konzeptes hybrider Identitätskonstruktion ist von Widersprüchlichkeit geprägt: Einerseits kann es als bereichernd für hybride Subjekte erachtet werden, denen (allein) durch ihre gesellschaftliche Positionierung Verstehen und Handlungsfähigkeit in zwei oder mehr Kulturen zugestanden wird. Andererseits kann die Positionierung im Zwischenraum auch zur Belastung und Stresserfahrung werden, da hybride Subjekte gezwungen sind, verschiedene Normen, Werte, Verhaltensregeln und -möglichkeiten mitund gegeneinander zu verhandeln.13 Diese zweite Position geht mit gesellschaftlichen Diskursen der Pathologisierung migrantischer Identitäten einher. Umut Erel stellt fest: »Die nationalen kulturellen Institutionen halten für ethnisierte Menschen keine Narrative einer positiven, ungebrochenen, homogenen Identifikation bereit« (Erel 1999: 179).14 Die-

13 Die positive Beurteilung, wenn sie von privilegierter Position aus vorgenommen wird, lässt sich leicht als ›Bewertung‹ der Nützlichkeit solcher Fähigkeiten für eine nationale Gesellschaft – beispielsweise im zunehmend globalen Wirtschaftssystem – verstehen. So wird auch im australischen Kontext der ökonomische Standortvorteil betont, den MigrantInnen durch Zweisprachigkeit und Verständnis in zwei (oder mehr) kulturellen Systemen erwirken (vgl. Ha 2005: 58ff; Kolar-Panov 1997: 182; Castles/ Davidson 2000: 139f; Hall 1993: 361f). 14 Den Begriff der Pathologisierung übernehme ich ebenfalls von Erel und möchte mich ihrer Definition anschließen: »Mit pathologisierendem Diskurs meine ich einen Diskurs, der in diesem Falle die Menschen, die angeblich zwischen den Stühlen sitzen, im psychischen oder im übertragenen Sinne als sozial ›krank‹ konstruiert. Die schwierigen Erfahrungen von Ausschluß, die jene zweifellos machen, werden in diesen Diskursen nicht 107

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ser Positionierung des Mangels stellt Erel den Third Space Homi Bhabhas als einen Raum gegenüber, in dem Identifikationsprozesse nichteindeutiger Identitäten stattfinden können. Hierin erhalten ethnisierte Personen das Potential für kreative widerständige Praktiken und Identitäten. »Dieser Third Space als Ort der Identifikation wird geschaffen durch Dialog und Verhandlung mit – und auch Widerstand gegen – vereinheitlichende Identitätsnarrative« (Erel 1999: 180). Aber auch hier ist es das individuelle Glück oder Leid, das Erfolg oder Scheitern ›hybrider Identität‹ kennzeichnet. Die Bewertung gelungener oder missglückter ethnisierter Identität spiegelt sich insbesondere auch in den Repräsentationen von Migration wider, die in nationale Repräsentationssysteme und damit in dominante kulturelle Ordnungen eingebunden sind. Daraus ergibt sich für ethnisierte Repräsentationen eine prekäre Situation zwischen Ausschluss bzw. Nichtbeachtung durch den ›Kultur‹betrieb und der Re-Konstruktion der bestehenden Ordnung (vgl. Steyerl 1999: 155; Bronfen/Marius 1997: 12/25). Die Hybridisierung ethnisierter Identitäten im ›Kultur‹betrieb birgt ein verflochtenes System von Ambivalenzen in sich. Häufig werden Repräsentationen ethnisierter Positionen, ihre Produktionsweisen und Produkte, die aus hybridisierten Positionen entstehen, durch die konstruierte Nähe des Anderen zur Natur als ›ursprünglich‹ und ›organisch‹ bewertet. Andererseits sind ›authentische‹ Selbstrepräsentationen zwischen den Kulturen nahezu unmöglich, da hybride Positionen als ›weder-noch‹, als ›entfremdet‹ oder ›gefälscht‹ betrachtet werden. Dies wirkt zwar Re-Ethnisierungen durch Identitätspolitiken entgegen, erschwert aber auch politische Handlungsfähigkeit – und schreibt die repräsentierten Gruppen in ihrer ›ethnischen‹ Zwischenposition fest, da sie niemals die ›stabile‹ Authentizität der Dominanzgesellschaft erreichen können (vgl. Kolar-Panov 1997: 48). Auch ethnisierte KulturarbeiterInnen sind dieser Ambivalenz unterworfen, da sie in ihren Arbeiten einerseits ausschließlich auf ihre ›eigene‹ Kultur sowie auf die Auseinandersetzung mit ethnisierter Identität festgeschrieben werden. Andererseits wird ihnen durch ihre kulturelle Verortung im Zwischen-Raum der Hybridität eben diese Originalität abgesprochen. Die so konstruierte Positionierung als ursprungs- und wurzellos kann dazu benutzt werden, ihnen Kulturfähigkeit abzusprechen (vgl. Steyerl 1999: 157f). Die zwiespältige Positionierung betrifft verschiedene Ebenen ethnisierter Gemeinschaften und ihrer Repräsentationen: die ›ethnische Kultur‹ selbst, ihre Mitglieder als KonsumentInnen und ProduzentInnen von zur Folge problematischer rassistischer Verhältnisse, sondern zur Folge ihrer problematischen Persönlichkeit erklärt« (Erel 1999: 192: Anm. 33). 108

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›Kultur‹, ihre Praktiken, Produktionsweisen und Produkte. Durch die Zuschreibung ethnisierter Gemeinschaften und ihrer ›Kultur‹/Kultur als rückständig und mangelhaft (und dies sowohl im Sinne ihrer kulturellen Markierung als auch ihrer Produkte), wird ihnen in einer hierarchischen Ordnung ein geringerer Status als der jeweils dominanten Gruppe zugewiesen und so ihre Eroberung, Ausbeutung und Unterdrückung legitimiert. Zugleich stehen sie jedoch für eine Ursprünglichkeit, die ›kultiviertere‹ Gruppen verloren haben und die zu einem kulturellen Gut werden kann, das es sich anzueignen lohnt. Doch die Forderung nach Authentizität der Repräsentation bleibt bestehen und kann eigentlich ausschließlich durch das Bedienen der Nachfrage nach dem Anderen entsprochen werden. So bleiben ›Kultur‹schaffende in der Reproduktion von Erfahrungen verfangen, die von der dominanten Gesellschaft als Anders betrachtet werden oder die von Konflikten in Begegnungen der Kulturen erzählen.15 Die Authentizität hybrider Positionen – schließlich soll die Repräsentation ›echt‹ sein – wird durch die Verbindung mit ›eigenen Erfahrungen‹ der ProduzentInnen hergestellt: »Dem Verhältnis zwischen Biographie der Autorin und ihrem Text wird nicht die kleinste Lücke zugestanden [...] Leben und Werk der Minorisierten haben identisch zu sein« (Steyerl 1999: 161). In australischen Erzähltraditionen gibt es eine starke korrelative Beziehung zwischen biographischem Erzählen und Weiblichkeit, und dies ist eine der Strategien, mit Hilfe derer die Konstruktion von Authentizität der Filme FISTFUL OF FLIES, FLOATING LIFE und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING unterstützt wird. Im Folgenden werde ich zeigen, welche formalen und narrativen Strukturen diese Filmbeispiele als ›australische Filme‹ auszeichnen und wie sie zugleich, aufgrund ihrer Narration als Migrantinnen-Filme, die Kategorie eines ›nationalen Kinos‹ weiterentwickeln. Biographie und biographisches Erzählen, Rückgriffe auf bekannte Erzählweisen und Formen der filmischen Inszenierung, Verweise auf politische und soziale Ereignisse und Bedingungen verschiedener Migrationsbewegungen und -hintergründe bilden dabei den Fokus meiner Analyse. Diese verschiedenen Elemente stehen in Beziehung zur Konstruktion von Authentizität, die wiederum mit Weiblichkeit verbunden ist und bedeutungsvoll für (diese) Migrationserzählungen ist.

15 Die australische Literaturwissenschaftlerin Sneja Gunew schreibt: »that minority writers, as such, are invariably confined to the issue of their ›identity‹ even in a poststructuralist world of decentred subjectivity […] rather than being deemed capable of postmodernist writing. In short, their ability to produce ›textuality‹ is ignored« (Gunew o.J.: 3). 109

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Zur Konstruktion und Bedeutung von Au t h e n t i z i t ä t i n M i g r a t i o n s e r z ä h l u n g e n Filme, die im Rahmen eines ›nationalen Kinos‹ entstehen, sind in eine spezifische Filmindustrie und -kultur sowie in sozio-historische Kontexte eingebunden. Für Filmproduktionen aus Australien lässt sich seit Ende der 1980er Jahre eine Entwicklung feststellen, die einerseits der zunehmenden Internationalisierung der Filmwirtschaft, andererseits dem sich verändernden Selbstverständnis der Nation als multikulturalistisch zuzuschreiben ist. Filme wie die period films und ocker comedies der 1970er und frühen 1980er Jahre werden in ihrer weitgehenden Beschränkung auf die anglo-keltische dominante Gruppe nicht mehr als adäquate Repräsentation einer sich als multikulturalistisch verstehenden Nation anerkannt. Damit eröffnet sich eine Ambivalenz zwischen Einbindung in eine nationale Filmgeschichte und Öffnung hin zu einem Versuch multikultureller Erzählungen. Da die drei von mir untersuchten Filme mit Hilfe öffentlicher Gelder, d.h. durch die Australian Film Finance Corporation unter Aufsicht der Australian Film Commission finanziert wurden, sind sie auf wirtschafts-politischer Ebene als australische Filmproduktionen zu verstehen. Durch die Kontrolle, die mit dieser öffentlichen Förderung einhergeht, sind sie auch in einen von der Regierung bestimmten ›kultur‹politischen Diskurs eingebunden, der Themen wie Migration und die Auseinandersetzung von MigrantInnen in der als multikulturell konstruierten australischen Gesellschaft unterstützt, wenn sie den ideologischen Vorgaben, d.h. den Direktiven regierungspolitischer Institutionen entsprechen (vgl. O’Regan 1996: 23ff; Turner 1988: 132). Die staatliche Finanzierung verlangt für die Vergabe der Gelder die Vorlage eines Drehbuchs oder zumindest einer kurzen Darstellung der Handlung sowie eine Liste der angefragten MitarbeiterInnen vor und hinter der Kamera. Daher ist davon auszugehen, dass Überlegungen über Förderrichtlinien in Bezug auf Inhalt und Inszenierung des Films sowie auf Nationalität bzw. Ethnizität der am Film beteiligten Personen in die Planung eines Filmprojektes einfließen. Neben den Erzählungen, die mit Australien als primärem Handlungsort und ihren Auseinandersetzungen mit Migrationserfahrungen als förderungswürdige Themen gesehen werden können, fällt bei der Gruppe der MitarbeiterInnen der drei Filme auf, dass sie ein breites Spektrum nationaler und kultureller Herkünfte aufweisen. Diese Sachlage wird intertextuell hervorgehoben und mit den Erzählungen in Beziehung gesetzt. So wird in der Pressemappe von FLOATING LIFE festgestellt: »The crew was an extraordinarily multi-cultural mix, spanning fifteen nationalities« (Floating Life Press Kit: 14). Direkt im Anschluss 110

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wird die Produzentin Bridget Ikin wie folgt zitiert: »Perhaps they, like me – a New Zealander – were drawn to the themes in the story of family separation and loss that all migrants face« (Floating Life Press Kit: 14). Diese (Selbst-)Ethnisierung der Filmschaffenden erhält in Bezug auf Filme, die migrantische Erfahrungen darstellen – und auf die staatliche Förderung der Filme – einen besonderen Status. Meine These, die ich am Beispiel der RegisseurInnen noch weiter ausführen werde, ist, dass sie der Konstruktion einer ›Authentizität‹ der Erzählungen dient und in Verbindung mit gesellschaftlichen Diskursen zu Multikulturalität steht. Die Inszenierungen der Filme, die sich stilistisch auf die ›nationale Erzähltraditionen‹ der social realist-Filme bezieht, sind darüber ebenfalls mit Kontexten von Authentizität verbunden. Filme, die dieser Kategorie zugeordnet bzw. als solche gelesen werden, werden als Auseinandersetzungen mit realen gesellschaftlichen Situationen verstanden, die als problematisch diskutiert werden. Die Filme FISTFUL OF FLIES, FLOATING LIFE und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING bedienen die Erwartungen an social realist-Filme durch die Auswahl des Themas heutiger Migrationserfahrungen, durch die weitgehende Verortung in vorbzw. kleinstädtischen Milieus (suburbia) sowie durch realitätsnahe Inszenierungen, die auch die Darstellungen der Figuren bestimmen (vgl. Dermody/Jacka 1988a: 41). Wie bei jeder anderen definierten Filmkategorie – oder definierten Genres – sind social realist-Filme immer auch von Erzählweisen anderer Gattungen beeinflusst und so nehmen auch diese drei Filme andere Erzählungen und Darstellungsweisen auf. FISTFUL OF FLIES knüpft thematisch an Filmformen der vorausgegangenen 15 Jahre an, insbesondere an coming of age-Filme wie MY BRILLIANT CAREER (Gillian Armstrong 1979), PUBERTY BLUES (Bruce Beresford 1983), THE YEAR MY VOICE BROKE und FLIRTING (beide John Duigan 1987/1991) sowie an sozialkritische, ironische Komödien wie MALCOM (Nadia Tass 1986), SWEETIE (Jane Campion 1989) und STRICTLY BALLROOM (Baz Luhrman 1992) (vgl. Rall 1998; Fistful of Flies Press Kit: 1). THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING dagegen gleicht in Darstellungsweisen sowie der zeitlichen und räumlichen Verortung teilweise den period-Filmen der 1980er Jahre. Ich möchte hier etwas ausführlicher auf die Beziehung meines Materials zu den period films eingehen. Diese haben in den 1970er und 1980er Jahren das Bild des australischen Kinos sowohl innerhalb Australiens als auch, durch Festivalerfolge wie PICNIC AT HANGING ROCK, weltweit geprägt. Sie folgten zeitlich sehr schnell auf die Herausbildung bzw. Wahrnehmung einer nationalen australischen Kultur und den Beginn der öffentlichen Kultur- und Filmförderung Ende der 1960er Jahre. 111

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Damit nehmen sie einen wichtigen Platz in der australischen Filmgeschichte ein und beeinflussen das Selbstbildnis wie auch die Fremdwahrnehmung der filmischen Repräsentation Australiens bis heute – und sei es in der Ablehnung dieser mono-kulturellen, anglo-keltischen Darstellung der australischen Kolonialgeschichte. Ein Merkmal, das viele period films in ihrer typischen Geschlechterrepräsentation aufweisen, sind die starken, aktiven Frauenfiguren, die im Mittelpunkt der Narrationen stehen. Im Gegensatz zeichnen sich die männlichen Charaktere durch Passivität aus; sie scheinen ausschließlich zu reagieren und sich den gegebenen Verhältnissen anzupassen. Auch in FISTFUL OF FLIES, FLOATING LIFE und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING lässt sich eine solche Konzentration auf Frauenfiguren feststellen, die sich gegen Zwänge auflehnen, die sie einschränken und behindern, seien sie in den Filmerzählungen psychisch, sozial, familiär oder kulturell begründet. Die männlichen Figuren dagegen ›verkörpern‹ häufig diese Hindernisse, die sich den Frauen in den Weg stellen, und bleiben selbst dabei meist unbeweglich und teilweise ratlos gegenüber Veränderungen. Diese Konstellation bedingt eine Erzählperspektive aus Sicht der handelnden weiblichen Figur, die eine zentrale Funktion für filmische Erzählungen über Migration in der Mitte der 1990er Jahre hat und im Kontext australischer Narrationsmuster ebenfalls der Herstellung von Authentizität dient. Auf diesen Punkt werde ich an späterer Stelle nochmals ausführlicher zurückkommen. Wie bereits gezeigt, greifen period films etliche ›nationale Mythen‹ auf, die das Selbstverständnis Australiens als Nationalstaat über lange Zeit bestimmten. Dazu gehören unter anderen die Relevanz sowie die spezifische Art der Repräsentation von Landschaft, die in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING zitiert wird. Im Gegensatz zu FISTFUL OF FLIES und FLOATING LIFE, die fast ausschließlich in klein- bzw. vorstädtischen, bebauten Umgebungen spielen, finden in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING etliche Sequenzen in – mehr oder weniger naturbelassenen – Landschaften statt. Diese Sequenzen beinhalten in der Regel Begegnung zwischen Personen und erzählen von scheiternden oder erfolgreichen Annäherungsversuchen: die Unterhaltung von Bojan und Sonja auf einem Fluss-Schiff, Jenjas Erzählung von Maria bei einer Wanderung mit Sonja in den Bergen oberhalb von Hobart, Bojans Fahrt nach Hobart, um die von ihm gezimmerten Baby-Möbel zu Sonja zu bringen. Hier lässt sich ein Rückgriff auf den Mythos der ›fremden Landschaft‹ feststellen, der in australischen Erzählungen und insbesondere in der filmischen Repräsentation immer schon die Fremdheitserfahrung der – in den period films anglo-keltischen – ImmigrantInnen in einer neuen, unbekannten Natur beinhaltet. Im übertragenen Sinne impliziert diese 112

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fremde Umgebung aber auch die Erfahrung, sich in einem unbekannten kulturellen Umfeld zu befinden: sich in einer fremdartigen Natur zurechtzufinden lässt sich als Auseinandersetzung mit einer fremden Kultur lesen.16 Diese Auseinandersetzung wird bei Figuren der ersten und zweiten Einwanderungsgeneration unterschiedlich dargestellt. Bojan und Jenja machen sich die Natur zunutze, indem sie an ihrer ›Kulturierung‹ beteiligt sind: Bojan arbeitet bei den Staudamm-Projekten, die zu extremen Veränderungen der Naturlandschaft geführt haben, er jagt und bearbeitet Holz bei Häuserbau, Schreinerei und Schnitzerei. Jenja erzählt Sonja in der einzigen Sequenz, in der sie im Außenraum zu sehen ist, dass sie mit Maria in den Bergen Pilze gesammelt habe. Für Sonja dagegen ist die Landschaft der Ort der Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit und ihren Eltern. Dies impliziert ihre Fahrt zu dem Staudamm, an dessen Bau ihr Vater in den 1950er Jahren, zu der Zeit als ihre Mutter verschwand, beteiligt war, sowie ihre Gespräche mit Bojan und Jenja, die häufig in Außenräumen stattfinden. Die letzte Szene des Filmes, in der sie ihre Tochter an den Ort ihrer Kindheit bringt, lässt sich als Aussöhnung mit der Mutter lesen. Sonja ist die tasmanische Landschaft vertraut. Sicher bewegt sie sich in dieser Umgebung, und im Verlauf des Filmes und ihrer zunehmend sichtbaren Schwangerschaft wirkt ihre Kleidung in Farbe (helle Beigesowie Brauntöne) und Textur (grobe Stoffe und Strickware) zunehmend ›natürlich‹. Sie verschmilzt optisch mit der Landschaft, was sich als Anlehnung an die konstruierte Feminisierung der Landschaft in den period films interpretieren lässt. Im Gegensatz zu Bojan – oder auch Picotti und Jiri, die stets nur in Innenräumen gezeigt werden – bewegen sich Sonja und Jenja entspannt in den Außenräumen, ihre Weiblichkeit setzt sie symbolisch in die Nähe der Natur. Doch dies birgt Gefahren in sich, denn der Mythos der fremden und rätselhaften Natur ist eng mit der Furcht verbunden, in dieser Landschaft zu verschwinden, von ihr absorbiert zu werden – ein Schicksal, das in Literatur und Filmen besonders häufig Frauen ereilt.17 Es ist in den Wäl16 Auch FLOATING LIFE bedient sich dieser bekannten Motive. Auf die Gefährlichkeit der australischen Natur weist Bing ihre gerade angekommenen Eltern und Brüder hin: Spinnen, Wespen und Hunde sind tödlich, die Sonnenstrahlung verursacht Krebs. Im übertragenen Sinne birgt alles, was von außerhalb des Hauses und der Familie kommt, Gefahren in sich: Einbrecher, Drogen, AIDS. 17 Beispiele aus Film und Literatur sind u.a. PICNIC AT HANGING Rock (Peter Weir 1975) nach dem Roman von Joan Lindsay (1967) (vgl. Schaffer 1988: 52ff) oder in der Verfilmung des authentischen Falles Azaria Chamberlain in EVIL ANGELS (auch A CRY IN THE DARK, Fred Schepisi 1989). Bereits 1971 drehte der britische Regisseur Nicolas Roeg den Film 113

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dern Tasmaniens, fern der ArbeiterInnen-Siedlung, in der die Familie Buloh lebt, wo Bojan den Körper seiner verschwundenen Frau Maria findet. Sie hat sich an einem Baum erhängt, ihr lebloser Körper dreht sich im Wind und diese Bewegung lässt sie visuell Teil der Natur werden. Selbst ihr roter Mantel, der sich deutlich von den gedämpften Grünund Brauntönen der sie umgebenden Landschaft abhebt, nimmt die Farbe der Streifen auf, die den Stamm des red gum-Baumes zeichnen. Bojan dagegen ›gelingt‹ diese Verschmelzung nicht; in seiner Trauer presst er sich an den Stamm eines Baumes, doch bleibt er deutlich getrennt, ein ›männlicher‹ Fremdkörper in der feminisierten Natur. Die Polarität der Geschlechterdarstellung, die in period films stark mit Konstruktionen von Natur und Landschaft verbunden ist, wird damit in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING aufgegriffen, mit ›ethnischen‹ Markierungen in Beziehung gesetzt und re-produziert. Auch die Verortung der drei Filme in der social realist-Tradition findet durch Aufgreifen bekannter Erzählweisen und Darstellungsformen statt, insbesondere durch das Aufgreifen sozial-historischer Gegebenheiten, z.B. reale Immigrationsbewegungen nach Australien, was die Herstellung von ›authentischen‹ Erzählungen betont. Am deutlichsten ist dies in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING angelegt, der die Immigration aus dem zentral-europäischen Raum nach dem Zweiten Weltkrieg thematisiert.18 Der Film ist im Gegensatz zu FISTFUL OF FLIES und FLOATING LIFE in einen spezifischen geographischen Raum eingebunden und ist eine der wenigen australischen Filmproduktionen, die in Tasmanien spielen und dort gedreht sind.19 Diese regionale Verortung wird betont, indem Tasmanien durch Sonjas Rückkehr ausdrücklich vom australischen Festland unterschieden wird. Mit seiner geographischen Lage, etwa 200 Kilometer südlich vor der süd-östlichen Küste des australiWALKABOUT und seit den 1990er Jahren lässt sich dieser Mythos in populären Romanerzählungen über Australien wie in Barbara Woods »The Dreaming – A Novel of Australia« (1991, dt.: »Traumzeit« 1993) oder »Mutant Message Down Under« (1994, dt.: »Traumfänger« 1995) von Marlo Morgan finden, die beide von Autorinnen geschrieben sind, die nicht in Australien leben. 18 Hier sei als vorgängiges Filmbeispiel SILVER CITY genannt, in dem Sophia Turkiewicz bereits 1984 die Lebensrealitäten von ImmigrantInnen aus Polen in den 1950er und 1960er Jahre in einem ›Auffanglager‹ erzählt, in denen viele ImmigrantInnen ihre erste Zeit in Australien verbrachten (vgl. Stratton 1998). Siehe auch THEY ARE A WEIRD MOB und MOVING OUT (italienisch), und ROMPER STOMPER (Asien). 19 Die nennenswerten ›tasmanischen‹ Kinofilmproduktionen beschränken sich auf MANGANINNI (John Honey 1980) und THE TALE OF RUBY ROSE (Roger Scholes 1988). Auch AYA (Solrun Hoaas 1991) wurde teilweise in Tasmanien gedreht. 114

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schen Festlandes, gilt die Insel heute noch als abgelegen, rückständig und ihre BewohnerInnen als eigentümlich.20 Tasmanien ist reich an Wald, Wasser und Bodenschätzen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird – teilweise exzessiv – Bergbau betrieben und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden weitreichende Staudamm-Projekte zur Energiegewinnung durchgeführt.21 Diese kommerzielle Ausbeutung natürlicher Ressourcen führte bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Arbeitskräftebedarf, so dass Immigranten aus dem süd- und ost-europäischen Raum erwünscht waren, ein sozio-kultureller Kontext, den THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING durch die Migration der Hauptfiguren aus Slowenien thematisiert. Weiterhin werden in Flanagans Film Migrationsgründe wie der Zweite Weltkrieg und seine Folgen angesprochen: der Kalte Krieg, die Trennung Europas in ›Ost‹ und ›West‹, die deutsch/deutsche Teilung sowie ihre Aufhebung 1989. FLOATING LIFE ist, wenn auch nicht so offensichtlich, ebenfalls in sozio-historische Veränderungen eingebunden, die als migrationsfördernd erachtet werden können, in diesem Falle die Rückgabe der ehemals britischen Kronkolonie Hongkong an China im Jahr 1997. Dieser Kontext, der zu einer verstärkten Auswanderung insbesondere des Mittelstandes aus Hongkong führte, bildet den Hintergrund der Migrationserzählung der Familie Chan. Nebenfiguren wie beispielsweise der Besitzer der Garküche im Epilog des Films und der Freund, mit dem sich Pa in Australien trifft, betonen dies durch die Migrationserfahrungen und -pläne, von denen sie erzählen. Auch die frühere Migration vieler Chinesinnen und Chinesen nach Hongkong und in andere kolonisierte Regionen bzw. Freihandelszonen bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts werden erwähnt. Mit Yens Erzählung von der Migration ihres Vaters aus der Volksrepublik China nach Hongkong, die sie in Beziehung zu ihrer eigenen Migrationserfahrung setzt, vervielfältigt sich die Auseinander-

20 Tasmanien war Ende der 1990er Jahre das einzige australische Bundesland, in dem Homosexualität (noch) strafbar war, wenn auch nicht gerichtlich verfolgt wurde. 21 Exzessive und umweltzerstörende Formen des Bergbaus wurde in den 1970er Jahren, insbesondere durch die fast vollständige Vernichtung von Flora und Fauna im Gebiet um Queenstown sowie des King River/ Strahan-Gebiet, kritisch überdacht und verändert. Zur gleichen Zeit regten sich erste Proteste an den Staudamm-Projekten der Hydro Electric Commission (HEC – eine Regierungsorganisation). Diese steigerten sich zu landes- und bundesweiten politischen Kämpfen, die zur Beendigung der – zu diesem Zeitpunkt für die Energieversorgung bereits unnötigen – neuen Überschwemmungspläne durch die Bundesregierung (federal government) in den frühen 1980er Jahren führten. 115

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setzung mit Auswanderung, Ortswechsel und Fremdheitserfahrung und wird dadurch verstärkt.22 Der Film FISTFUL OF FLIES spielt in der größten nicht-anglokeltischen ›ethnischen‹ Gruppen in Australien,23 und es gibt bereits eine Vielzahl medialer Texte – Filme, Bücher, Fernsehserien etc. –, die stereotype Vorstellungen australisch-italienischer Kultur re-konstruieren. Auf diese Repräsentationen kann der Film zurückgreifen und auf sie verweisen oder muss sich von ihnen absetzen. In FISTFUL OF FLIES werden keine Migrationsgründe benannt, allerdings – und das ist eine Seltenheit in filmischen Auseinandersetzungen mit migrantischen communities – werden die Diversität und Konflikte innerhalb einer scheinbar homogenen Gruppe angesprochen, hier die kulturellen und sozialen Differenzen zwischen Nord- und Süditalien, die (auch) migrantische Familien durchziehen und trennen können. Alle drei Filme verwenden filmstilistische, narrative und intertextuelle Mittel (die Verortung als social realist-Filme, Entwicklung um eine weibliche Hauptfigur und Hinweise auf die Biographien der Filmschaffenden), um ihre Erzählungen als realistische Abbilder von Wirklichkeit glaubwürdig zu machen. Da ich von der These ausgehe, dass die Herstellung von Authentizität der Migrationserzählungen für diese von grundlegender Bedeutung ist und in Wechselwirkung mit Weiblichkeit steht, möchte ich dieses Zusammenspiel von Narration, Intertexten wie Kritiken, Pressematerialien und andere Veröffentlichungen zu Produktionshintergründen sowie Diskursen zur Bedeutung von Ethnizität und Weiblichkeit näher beleuchten. Beim Lesen von Texten zu den Filmen (Pressematerialien der Verleih- und Vertriebsgesellschaft Southern Star Film Sales, Kritiken und Festivaltexten sowie filmwissenschaftliche Schriften) fällt auf, dass immer wieder die Biographien der RegisseurInnen thematisiert werden. Dabei werden eigene Erfahrungen mit Migration betont. Dies gilt insbesondere für Monica Pellizzari und Clara Law, von denen jeweils ein Interview in den Pressematerialien veröffentlicht ist, in denen auch deren 22 Auch die Figur Apple steht für eine bestimmte Erfahrung der Migration. Im Kindesalter mit ihren Eltern nach Kanada emigriert kehrt sie als junge Frau für einen Besuch nach Hongkong zurück. Ihre Fremdheit in der Herkunftskultur wird durch die Erwähnung ihres fehlerhaften KantonChinesisch sowie durch ein ›kanadisches‹ Hummergericht, das sie für Gar Ming und sich selbst zubereitet – »I’ve learned this in Vancouver« –, hergestellt. 23 Im Australian Census von 1996 lag Italien nach England (ohne Schottland, Wales und Nord-Irland) und Neuseeland an dritter Stelle der Angaben eines anderen Geburtslandes als Australien. Italienisch wurde als größte nicht-englische Sprachgruppe aufgeführt (vgl. Tampke 2002: 126f). 116

REPRÄSENTATION VON MIGRANTINNEN IN FILMEN AUS AUSTRALIEN

migrantische Herkünfte angesprochen und in Bezug zu ihren Filmen gesetzt werden (vgl. Fistful of Flies Press Kit: 3; Rall 1998; Keller o.J.; Robson/Zalcock 1997: 68/112; bzw. Floating Life Press Kit: 13; Connolly 1996; Eisenhuth 1996; Robson/Zalcock 1997: 123). Clara Law stellt dabei eine direkte Verbindung zwischen ihrem eigenen Leben und ihrem Film FLOATING LIFE her: Caught between East and West has always been my dilemma. But it’s come to the point where I find myself living comfortably in both cultures, enriched by both. And that’s where FLOATING LIFE started: in coming to a realisation that you can actually talk about the two cultures happily (Floating Life Press Kit: 6).

Auch in Bezug auf Monica Pellizzari werden von ihr selbst wie auch von anderen ihre Biographie und ihre Ethnisierung für ihre Filmarbeit vorausgesetzt. Im Interview wird sie wie folgt zitiert: »The story of Fistful of Flies comes out of my cultural background as an Italo-Australian« (Fistful of Flies Press Kit: 2). Diese ethnisierte Herkunft wird von einem Kritiker als direkter, emotionaler Auslöser konstruiert: »Writer/director Pelizarro [sic] has had a tough life [...] it’s clear that it’s an angry, vicious and uncompromising work, from an angry director« (Fischer o.J.). Eigene Erfahrungen und das daraus resultierende ›Wissen‹ werden als Begründung für die Authentizität ihres Filmes herangezogen. Die Erwähnung der Recherche zu FISTFUL OF FLIES steht ebenfalls in diesem Kontext: »Many of the stories I heard during my research are more disturbing than those portrayed in the film« (Fistful of Flies Press Kit: 2), und wird mit ihren Empfindungen – und auch mit den erwarteten emotionalen Reaktionen des Publikums – in Verbindung gesetzt. Nachdem Richard Flanagan selbst anglo-keltischer Herkunft ist, lässt sich THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING nicht auf diese direkte Weise mit seiner Biographie verknüpfen – das Pressematerial enthält auch kein Interview mit dem Regisseur. Dennoch finden sich parallele Praktiken der Verbindung von persönlichen Erfahrungen mit der filmischen Narration: He grew up in a mining town on the west coast of Tasmania and spent time at the hydro-electricity power plant construction camp, where some of his story is set. He married a Slovenian, ›and a large part of my life has been spent in that cultural environment. In fact, much of Australian culture has been dealing with this experience,‹ he says, referring to the large number of migrants who were enticed to Australia in the post-war years (Moving Pictures/Berlinale 1998: 33f; vgl. Urban o.J.).

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FILM UND MULTIKULTURALISMUS

In diesem Text wird also ›festgestellt‹, dass die filmische Repräsentation dieser ArbeiterInnen-Siedlungen im Westen Tasmaniens in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING den realen, authentischen Orten entspricht. Die Ehe mit seiner Frau, die slowenischer Herkunft ist, wird wiederholt hervorgehoben. Flanagans Wissen über Migrationserfahrungen wird damit als weitgehend von anderen, ihm persönlich nahestehenden Menschen vermittelt konstruiert. Der persönliche Bezug wird durch Flanagans Kindheit und Jugend, eine Lebensphase, die als persönlichkeitsprägend gilt, hergestellt sowie über seine Ehe, die ihm ›authentische‹ Einblicke in migrantische Lebensrealitäten ermöglicht. Die Konstruktion von Authentizität findet bei allen drei Filmen über biographische Daten statt, die als entscheidend für die Ausbildung von Identität gelten. Für FISTFUL OF FLIES und FLOATING LIFE werden dazu direkte Verbindungen mit den migrantischen Biographien der Regisseurinnen herangezogen, um sie und damit ihre Erzählungen als ›authentisch ethnisch‹ anzuerkennen. Bei Richard Flanagan, dem diese unmittelbare Autorisierung fehlt, müssen andere biographische Nachweise, seine Kindheit und Jugend sowie seine Ehe mit einer Migrantin, bemüht werden, um die Realitätsnähe, die ›Echtheit‹ von THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING herzustellen. Die drei Filme werden so zu Auseinandersetzungen mit Erfahrungen von ethnisierten Frauen – der Regisseurinnen selbst bzw. einer dem Regisseur nahestehenden Frau – konstruiert. Auf diese Verknüpfung von biographischem Erzählen und Authentizität mit den Konstruktionen von Ethnizität und Weiblichkeit möchte ich im Folgenden näher eingehen und sie in Beziehung zu Diskursen um Ethnizität und Multikulturalität in Australien setzen. Denn die Frage nach der Authentizität migrantischer Erzählungen hat in Kulturdebatten im Kontext einer multikulturalistischen Gesellschaft in Australien eine besondere Brisanz erhalten. Zwei Beispiele seien hier exemplarisch angeführt. Einer der erfolgreichsten australischen Filme der 1960er Jahre war THEY ARE A WEIRD MOB (Michael Powell 1966), die Verfilmung eines Romans desselben Titels von Nino Culotta (1957). Der Name des Autors weist auf eine italienische Herkunft hin, die Ich-Erzählung der gleichnamigen Hauptfigur lässt auf eine autobiographische oder zumindest von eigenen Erfahrungen geprägte Narration schließen. Tatsächlich schrieb unter diesem Pseudonym jedoch John O’Grady, ein Australier anglo-keltischer Herkunft dieses scheinbar autobiographische Buch über die Erfahrungen eines italienischen Immigranten. Nachdem der ›authentisch-ethnische‹ Blick als ›vorgetäuscht‹ aufdeckt wurde, wurde die vorher gelobte Darstellung als inadäquat und unakzeptabel verurteilt (O’Regan 1996: 251f). 118

REPRÄSENTATION VON MIGRANTINNEN IN FILMEN AUS AUSTRALIEN

Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich 1994/1995 mit dem ›Fall Demidenko‹. Eine Autorin anglo-keltischer Herkunft veröffentlichte unter dem Pseudonym Helen Demidenko ein »vorgeblich autobiographisches und teilweise antisemitisches Buch über die Ukraine im Faschismus« (Luchtenberg 1997: 370). »The Hand That Signed the Paper« beruht angeblich auf Berichten von Mitgliedern der Familie Demidenko, die vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ukraine lebten. Die Schilderung scheinbar historischer Ereignisse und die Aussagen von AugenzeugInnen ›bezeugt‹ die Erzählung als authentisch. Mit dem Verweis auf die mündliche Überlieferung innerhalb der Familie wird das Erzählte in die Nähe der oral history und damit in einen wissenschaftlich-ethnologischen Rahmen gesetzt. Die Darstellung wird zum legitimen Material, auf dem ein künstlerisches Werk (als faction, einer Mischung aus Fiktion und Faktenerzählung) aufbaut (vgl. Gunew o.J.: 2f; O’Regan 1996: 238ff/251). Die Verortung der Geschehnisse innerhalb der Familie fördert zudem die Konstruktion einer persönlichen Nähe der Autorin zu ihrer Erzählung und damit die emotionale Identifikation der ZuschauerInnen als empathisches Mitfühlen mit der Erzählerin. Nachdem der ›Demidenko-Betrug‹ aufgedeckt wurde, verloren sowohl die Autorin, die sich bis dahin offensiv als ›ethnisch‹ re-präsentierte,24 als auch ihre als authentisch wahrgenommenen Schilderungen scheinbar historischer Ereignisse ihre Glaubwürdigkeit: »Increasingly, both author and book were perceived as a hoax and were discredited accordingly« (Gunew o.J.: 3). Die Frage nach der Authentizität dieser ›ethnischen Erzählung‹ geriet in den Mittelpunkt einer Debatte, in der die ›Wahrheit‹ des Erzählten in Zusammenhang mit der Herkunft der Erzählerin/des Erzählers gestellt wurde (vgl. Luchtenberg 1997: 369f). Das Recht, ›ethnische‹ Erfahrungen als authentisch zu schildern, wird dabei allein Personen zugestanden, die selbst als ›ethnisch‹ definiert werden. Die Definitionsmacht der Ethnisierung verbleibt dabei im – sowohl ethnisierten als auch anglo-keltischen – institutionellen Rahmen. Offiziellen VertreterInnen ›ethnischer‹ Organisationen und dominanter australischer Apparate der ›Kultur‹industrie haben die kulturellen, sozialen, politischen und ökonomischen Dominanzpositionen inne, um ethnisierende Selbst- und Fremdzuweisungen als ›echt‹ oder ›falsch‹ zu definieren (vgl. Gunew o.J.: 3). Narrative Konstruktionen von Authentizität reichen in Australien zurück auf literarische Werke, die sich kultur- und sozio-historisch in die

24 »Meanwhile Demidenko had been gilding the ›ethnic‹ lily, appearing in ›ethnic‹ costume, signing her book with Ukrainian inscriptions and even performing Ukrainian songs and dances« (Gunew o.J.: 2). 119

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

National Liberal-Bewegung im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert einbinden lassen. Diese wurden über lange Zeit als realistische Darstellungen Australiens dieser Epoche konstruiert und re-produziert und haben diesen Status teilweise bis heute beibehalten. Etliche der zu dieser Zeit entstandenen Gedichte, Balladen, Geschichten und Romane wurden seit den 1970er Jahren – teilweise als Remakes – in period films verarbeitet. Dazu gehören auch »The Getting of Wisdom« (Richardson 1981) und »My Brilliant Career« (Franklin 1990). Beide Romane, die sich jeweils um eine weibliche Hauptfigur entwickeln, wurden von Autorinnen unter männlichem Pseudonym veröffentlicht und beide Erzählungen wurden und werden häufig in Bezug zu deren Biographien rezipiert. Diese Verbindung biographischen Erzählens mit den Werken von Frauen mindert deren kreativen Wert, da sie in den Kontext ›nacherzählten Erlebens‹ gestellt werden.25 Damit erhalten diese Erzählungen jedoch auch eine besondere Nähe zum Authentischen. Aus der Beziehung von weiblichen Erzählpositionen, Biographie und Authentizität entsteht im Kontext australischer narrativer Traditionen eine Wechselwirkung zwischen den Werken von Autorinnen und Filmemacherinnen, einem populär-wirksamen Geschichtsverständnis und australischer Geschichtsschreibung. Über die Konstruktion von Authentizität migrantischer Erzählungen, die ebenfalls an Biographie gebunden ist, und in der weibliche Erzählpositionen und die Repräsentation von Weiblichkeit eine signifikante Rolle einnehmen, lässt sich eine Verbindung zwischen Weiblichkeit, Ethnisierung und der Konstruktion und Interpretation ›authentischer‹ Erzählungen herstellen. Dies gilt sowohl für literarische Werke wie auch für deren Verfilmungen. Die Verbindung dieser Bedeutungsfelder durch narrative und gestalterische Mittel lässt sich anhand einer anderen, in Australien wohlbekannten Erzählung herausarbeiten, die ebenfalls eine starke weibliche Zentriertheit aufweist: Sowohl der Roman »Picnic at Hanging Rock« von Joan Lindsay (1967) als auch Peter Weirs Verfilmung (1975) bemü-

25 So erklärt der Klappentext zu »My Brilliant Career« »it was banned from republication for the years after her death in 1954. The author’s objections to republication were not based on doubts about the merit of the book, but on the distress she felt when a work of fiction was taken to be direct autobiography. Much of it is clearly based on fact; but obviously the facts have been changed, enlarged, dramatized, and lit with imagination to make it a work of art« und Henry Lawson schreibt im Vorwort der Ausgabe von 1901: »She has lived her book« (Franklin 1990). Auch Germaine Greer stellt in ihrer Einführung zu »The Getting of Wisdom« Zusammenhänge zwischen dem Leben der Autorin und ihrem Roman her (vgl. Richardson 1981; Bader 2002b: 300/309ff; Wimmer 2002a: 408. 120

REPRÄSENTATION VON MIGRANTINNEN IN FILMEN AUS AUSTRALIEN

hen sich um die Konstruktion überzeugender historischer ›Echtheit‹.26 Beide Medien arbeiten dabei mit fiktiven Zeitungsmeldungen und genauen Orts- und Zeitangaben. Der Regisseur Peter Weir unterstützt dies, indem er die jeweiligen Daten wie Untertitel ins Filmbild setzt. Nicht nur die präzise Datierungen von Zeit und Ort vermitteln ein Gefühl von Realitätsnähe, mit der Einblendung von Schrift in ein Filmbild greift Weir auf ein visuelles Gestaltungsmittel zurück, das durch Sehgewohnheiten an dokumentarische Filme und Nachrichtensendungen erinnert, die wir als Abbildung von Wahrheit zu verstehen gewohnt sind. Damit wird die Spielfilmhandlung visuell in einen Kontext von ›abgefilmter Realität‹ gesetzt (vgl. Hohenberger 1998: 21ff). In den Anfangssequenzen des Films THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING sind diese Art etablierter stilistischer Mittel der Herstellung eines Eindrucks von Authentizität in konzentrierter Weise eingesetzten – die Erzählung wird stilistisch in die Nähe des Dokumentarischen gerückt sowie mit realen Ereignissen verknüpft. So werden in den ersten Filmminuten zweimal Zeit und Ort des Geschehens mit Hilfe von Untertiteln festgelegt. Dabei handelt es sich um Eckdaten, nämlich den Zeitpunkt des Verschwindens von Maria in den »Tasmanian Highlands, 1954«, das als auslösendes Moment für die Filmhandlung entwickelt wird, sowie die Festlegung der filmischen Gegenwart, »Hobart, Tasmania, 1998«, von der aus die Filmhandlung erzählt wird. Zwischen diesen beiden Untertitelungen wird die Filmhandlung durch einen dokumentarischen oder dokumentarisch wirkenden Einschub unterbrochen. Grobkörnige Schwarz-Weiß-Bilder, die in eine leichte Sepia-Kolorierung abgetönt sind, zeigen Aufnahmen von Bauarbeiten an einem Staudamm.27 Hier

26 Die Geschehnisse am Valentinstag 1900 am Hanging Rock sind in Australien zu einem ›modernen Märchen‹ geworden und auch heute sind Viele davon überzeugt, dass sie sich tatsächlich zugetragen haben. Diese Ambivalenz von Authentizität ist im Buch durch eine Autorinnenanmerkung gestützt: »Whether Picnic at Hanging Rock is fact or fiction, my readers must decide for themselves. As the fateful picnic took place in the year nineteen hundred, and all the characters who appear in this book are long since dead, it hardly seems important« (Lindesay 1975: 6; vgl. Wimmer 2002a: 405f). Es gibt weitere Beispiele, in denen insbesondere Literaturverfilmungen realer oder vermeintlich autobiographischer Erzählungen durch diesen Hintergrund ›persönlicher Erfahrung‹ als authentisch konstruiert werden, beispielsweise CADDIE (Donald Crombie 1976) (vgl. O’Regan 1996: 298.) 27 Durch erlernte Sehgewohnheit neigen wir dazu, Schwarz-Weiß-Aufnahmen, insbesondere wenn sie eine leichte Brauntönung, den sogenannten Sepiaeffekt aufweisen, als ›altes‹ Bildmaterial, in der Regel als ›authentisches‹ Bildmaterial zu sehen. S/w-Material wird auch häufig für Rück121

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

erfolgt keine Datierung, doch sind die Bilder auf akustischer Ebene durch die Einbürgerungsrede des Regierungsbeamten mit der anschliessenden Spielfilmsequenz verbunden, in der wiederum die narrative Zeit durch Nennung des Datums bestimmt wird: »this day, the 5th of May 1954«. Wenige Filmminuten später sehen wir Sonja im Jahr 1989 am Fuße einer Staumauer stehen – offensichtlich die, an deren Errichtung ihr Vater beteiligt war –, an der auf einer Plakette zu lesen ist: »For the men of all nations who by building this dam helped harness nature for the betterment of all men – 1955«. Diese formalen Festlegungen von Ort und Zeit wiederholen sich im weiteren Verlauf des Filmes nicht, es gibt auch keine weiteren Jahresangaben bei den verschiedenen Rückblenden.28 Doch in der akustischen Inszenierung findet ebenfalls eine Einbindung der fiktiven in die soziohistorische Realität statt, die den Eindruck des Authentischen fördert: Während Sonjas Autofahrt zu dem erwähnten Staudamm hört sie – und damit das Filmpublikum – im Autoradio einen Bericht über die Grenzöffnung in Berlin: »The Berlin wall, the great symbol of the cold war has fallen«. Auf diese Weise wird die bisher gegebene Jahresangabe auf wenige Tage eingegrenzt, da die Erregung in der Stimme des Radiosprechers darauf hinweist, dass es sich um einen Live-Bericht oder zumindest um Geschehnisse der letzten Tage handelt. Auch andere akustische Elemente, meist auf der Ebene von Hintergrundgeräuschen und Raumatmosphäre,29 unterstützen den realitätsnahen Eindruck: das laute Geräusch des landenden Flugzeugs, das der Ort- und Zeitangabe »Hobart, Tasmania 1989« vorausgeht oder der Lärm der Nähmaschinen in der Fabrik, in der das erste Wiedersehen zwischen Sonja und Jenja stattfindet. Zwischen den gegebenen Informationen entsteht ein komplexes Netzwerk von Wechselwirkungen, in dem sich Bilder und Töne gegenseitig als realistisch autorisieren. Die Plakette und der Dokumentarfilmausschnitt bestätigen die Existenz des Staudammes und seine Entstehungszeit, die Einblendung und Nennung von Zeit- und Ortsangaben verknüpfen Spielfilm mit Realität, die Anwesenheit Bojans und seiner kleinen Tochter bei der Einbürgerungszeremonie sowie das Interesse der

blenden und Erinnerungen verwendet (vgl. Turner 1988: 18/50; Bordwell/ Thompson 1990: 200f). 28 Im Buch dagegen sind alle Kapitel mit der Angabe des Jahres überschrieben, in der die Handlung stattfindet. 29 Zum Begriff der Raumatmosphäre schreibt James Monaco »Jeder Raum hat eine charakteristische Tonatmosphäre, die von Geräuschen, Hall, Bodenbelag, etc. abhängt« (Monaco 1991: 404; vgl. Siehe Arriens 1999: 14/78ff). 122

REPRÄSENTATION VON MIGRANTINNEN IN FILMEN AUS AUSTRALIEN

erwachsenen Sonja an der Staumauer verbinden fiktive Figuren und Geschehen mit dem Objekt und den angeführten historischen Ereignissen. Im Gegensatz zu THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING verwenden die beiden anderen Filme keine zusätzlichen visuellen und akustischen Stilmittel, um ihren Anspruch auf Realitätsnähe zu betonen. Sie scheinen sich darauf zu verlassen, dass sie im Bezugsrahmen australischer Filmnarrationen als social realist-Filme und damit als Repräsentationen realer gesellschaftlicher Verhältnisse und sozialer Probleme erkannt werden. Wie bereits dargelegt wird die Authentizität des Erzählten durch den Bezug zu den Biographien der Regisseurinnen unterstützt. Davon ausgehend, dass in den Konstruktionen von Ethnizität und Geschlecht jeweils die nicht-dominante Position markiert ist – nicht-anglo-keltischer Herkunft zu sein, bedeutet ethnisiert, nicht-männlich heißt weiblich zu sein –, wird Monica Pellizzari und Clara Law sowohl eine geschlechtliche als auch eine ethnisierende Markierung zugewiesen. Richard Flanagan dagegen fehlen diese Markierungen als Autorisierung seiner Migrationserzählung. Dies lässt die Interpretation zu, dass die Authentizität seines Filmes durch eine stärkere Anbindung an historische Ereignisse und durch die Verwendung stilistischer Mittel, die diese Verbindung betonen, hergestellt werden muss, um die fehlende biographische Authentisierung zu kompensieren. Der Analyse von Intertexten und Kontexten zu den Filmen FISTFUL OF FLIES, FLOATING LIFE und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING unter Einbezug relevanter Stilmittel folgend, lässt sich die Herstellung von Authentizität migrantischer Erzählungen als ein bedeutungsvolles Moment aufzeigen, in dem Ethnizität und Weiblichkeit in enger wechselseitiger Beziehung stehen oder in eine solche gesetzt werden. Es sei daran erinnert, dass in multikulturalistischen Diskursen zu ›Kultur‹, ›Kultur‹produktion und ›Kultur‹förderung die Ethnisierung von ›Kultur‹schaffenden sowie ihrer Werke entscheidend u.a. für die Vergabe von Fördergeldern sein kann. Dadurch wird der Zugang zur ›Kultur‹industrie auf wenige ethnisierte Personen begrenzt, die Repräsentationen ethnisierter Gruppen verbleibt unter Kontrolle dominanter kultureller Diskurse. Wie exemplarisch gezeigt, nehmen die Biographien der RegisseurInnen – sowie anderer an den Filmen beteiligter Personen – dabei eine wichtige Rolle ein. Dies gilt einerseits für die Feststellung der Ethnizität der ›Kultur‹produzentInnen, der FilmemacherInnen. Andererseits stellen Texte wie Pressematerialien, Kritiken und Festivaltexte durch Benennung ethnisierter Herkünfte Bezüge zwischen biographischen Daten und Narrationen her. Damit wird die Realitätsnähe ethnisierter Erzählungen begründet, eine Authentizität, die bei Regisseurinnen durch die in australi123

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

schen Erzähltraditionen etablierte Verbindung weiblichen Erzählens mit biographischen Narrationen unterstützt wird. Die Form der Inszenierung bindet diese Filme zusätzlich an Erzählformen der social realist-Filme und period films, die ebenfalls im Kontext ›authentischer‹ Schilderung australischer Geschichte und Gegenwart stehen. Die Narrationen selbst, die durch die Perspektive einer weiblichen Hauptfigur den autobiographischen Aspekt herausstellen, bestätigen die Rezeption als realistische Erzählung. Die Filme, die ich als Material dieser Analyse zugrunde gelegt habe, re-produzieren als Repräsentationen Vorstellungen und Bilder der jeweiligen ethnisierten Gruppe, die durch die Konstruktion von Authentizität als realistische, ›wahr-haftige‹ Darstellungen gelesen werden können. Sie haben, wie auch andere mediale Texte die Migrationserfahrungen und Ethnizität verhandeln, Einfluss darauf, wie bestimmte Gruppen wahrgenommen werden, welche Stereotype entstehen, verworfen oder bestätigt werden. Dies gilt sowohl für Selbstbilder einer ethnisierten Gruppe als auch für Fremdwahrnehmungen. In diesem Wechselspiel re-konstruieren sich sowohl die ethnisierte als auch – durch Abgrenzung – die dominante Gruppe. Bei einer vergleichenden Betrachtung der drei Filme fällt auf, dass sie sich etlicher übereinstimmender filmischer Stilmittel und Inszenierungen sowie diskursiver Felder bedienen, um die ›ethnische‹ Markierung der Figuren und damit der Narrationen zu re-produzieren. Sie greifen dabei auf narrative Versatzstücke aktueller Konstruktionen von Ethnizität zurück, die nach Sneja Gunew wohlbekannt sind: What counts as ›ethnic‹: the foreign name; the ›un-Australian‹ history; the first-person narrator delivering an authentic story, the alleged eye-witness accounts underpinning the foreign. […] The sense of a wider community is also absent because this would complicate the essential(ist) frame of reference (Gunew o.J.: 4).

So verbleiben alle drei Narrationen in der jeweiligen ethnisierten Gemeinschaft und konzentrieren sich auf den Zusammenhang einer Familie. Kontakte mit der dominanten australischen oder anderen ethnisierten kulturellen Gruppen werden bestenfalls am Rande thematisiert. Der Schwerpunkt der Erzählungen liegt nicht im Miteinander ethnisierter und nicht-ethnisierter AustralierInnen. Die Filme liefern dagegen den Entwurf einer ›funktionierenden‹ (weiblichen) ethnisierten australischen Identität im Rahmen der multikulturellen nationalen Gemeinschaft – jedoch nicht wirklich mit dieser interagierend. Dabei ist nicht relevant, welche spezifische ›ethnische‹ 124

REPRÄSENTATION VON MIGRANTINNEN IN FILMEN AUS AUSTRALIEN

Herkunft den Figuren zugewiesen wird. Die Filme beschreiben vielmehr allgemeine Anweisungen zur Auseinandersetzung mit Ethnisierung und fordern ethnisierte Personen dazu auf, sich in der Position des Verhandeln-Müssens zwischen Herkunfts- und Einwanderungskultur wiederzufinden und diese zu re-produzieren. Die konstruierte Authentizität von MigrantInnen-Narrationen unterstützt den Prozess der Selbstwahrnehmung in migrantischen Positionen, die populären und damit dominanten narrativen Mustern von MigrantInnen-Erzählungen folgen. Die herausgearbeiteten Verbindungen von Ethnisierung und Authentisierung mit Weiblichkeit, die an die von Gunew genannten Versatzstücke anschließen, haben Einfluss auf die Diskurse, anhand derer Ethnizität in MigrantInnen-Filmen verhandelt werden. So werden als relevante Bedeutungsfelder in allen drei Filmen Religion, (weibliche) Sexualität, Genealogie und Generationenkonflikte sowie psychische Störungen und emotionales Leid im Migrationsprozess verhandelt.30 Die zentrale weibliche Figur dient dazu, diese Diskurse an eine Person zu binden und eine emotionale Identifikation zu begünstigen. Im Folgenden werde ich filmische Stilmittel (Bild- und Tongestaltung sowie Montage) analysieren, die für die Repräsentation von Ethnizität relevant sind, um dann auf Erzählmuster und Diskurse einzugehen, die in einem Bedeutungszusammenhang mit der Verbindung von Weiblichkeit und Ethnizität in einem multikulturellen Kontext stehen. Ich greife dabei die These auf, dass Frauen eine wichtige Position sowohl in der biologischen wie auch in der kulturellen Reproduktion von Gemeinschaften innehaben. Sie sind in besonderer Weise in den Verlauf von Zeit, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und damit der Kontinuität einer Gemeinschaft eingebunden. Fragen in diesem Bezugsrahmen werden daher für meine Analyse eine zentrale Rolle einnehmen.

30 Dies gilt in gleicher oder ähnlicher Weise auch für andere Filme aus Australien, in denen ethnisierte weibliche Figuren bedeutungstragende Positionen einnehmen. Als Beispiele seien hier SILVER CITY, DEATH IN BRUNSWICK, STRICTLY BALLROOM, THE HEARTBREAK KID, ONLY THE BRAVE und LOOKING FOR ALIBRANDI genannt. 125

Insze nierungen von Migration und Multik ulturalität

Die Bedeutung eines Filmes, die Botschaften, die von Seiten der FilmemacherInnen intendiert, in den Film ›hineingeschrieben‹ werden, wie auch die, die in Prozessen der Rezeption von einem in sich divergenten Publikum hergestellt, ›herausgelesen‹ werden, wird nicht nur dadurch vorgegeben, was ein Film erzählt, sondern auch wie er inszeniert ist. Daher beinhaltet eine Filmanalyse notwendigerweise sowohl die Untersuchung von Inhalten und Diskursen, die ein Film verhandelt, als auch die filmischer Stilmittel sowie der Montage, mit denen diese Diskurse in Bilder und Töne gefasst werden. Bei dieser formalen Filmanalyse werde ich mich auf die Elemente der Inszenierung und der Montage konzentrieren, die für die Fragestellung nach der Repräsentation von Geschlecht und Ethnizität sowie ihrer Korrelationen relevant sind.

Bilder Während FISTFUL OF FLIES und FLOATING LIFE in gängigem Breitwandformat projiziert werden, ist THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING in Cinemascope (Bildverhältnis 1:2,35) gedreht. Scope-Formate werden meist für Genre-Filme verwendet, für die weite Landschaftsaufnahmen und ausgedehnte Kameraschwenks charakteristisch sind, Western beispielsweise. Solche weiten Einstellungen werden in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING jedoch nur sehr selten eingesetzt, wie auch in FISTFUL OF FLIES und FLOATING LIFE Totalen oder Panorama-Bildern selten

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FILM UND MULTIKULTURALISMUS

sind. Es überwiegen nahe und halbnahe Einstellungen.1 In FISTFUL OF FLIES gibt es nur zwei, eher angedeutete Panorama-Ansichten, die bewaldeten Berge im Hintergrund, als Mars auf Rollschuhen zu ihrer Großmutter fährt, auf dem Rückweg zeigt der Blick aus Joes Auto am Straßenrand vorbeiziehende Folien-Treibhäuser. Ein Panoramablick aus bzw. hinter einem fahrenden Auto lässt sich auch in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING finden, als Bojan die von ihm geschreinerten Babymöbel zu Sonja nach Hobart fährt. FLOATING LIFE setzt einige Panoramaeinstellungen ein, um die Vororte, in denen die jeweils relevanten Häuser stehen und die sie umgebende Landschaft zu zeigen. Diese sind, genau wie die einleitenden Übersichten über den Park und den Strand, in der Regel menschenleer, so dass der Raum weit und verlassen erscheint. In FISTFUL OF FLIES lässt sich die visuelle Gestaltung grob in Innenund Außenräume, sowie in Tages- und Nacht- bzw. Traumsequenzen unterscheiden, wobei nahe Aufnahmen und abgeschlossene Bildrahmungen stets überwiegen. Selten werden Bewegungen über den Bildrand hinaus geführt, häufig, vor allem bei Innenaufnahmen, zeigt die Kamera nur das Gesicht einer Person als Großaufnahme oder eine Gruppe von Personen in einer Nahaufnahme. Halbnahe Einstellungen oder Halbtotalen, die eher im Außenraum vorkommen, werden sehr spärlich eingesetzt und außer einigen Totalen, die meist eine Hausfassade mit Vorgarten zeigen, gibt es nur die beiden bereits erwähnten, eher angedeutete Panorama-Einstellungen. Bei vielen der Großaufnahmen wird die Nähe der Kamera zum Objekt zusätzlich durch flache Schärfentiefe, ausschließlich den Vordergrund ausleuchtende Lichtsetzung oder zusätzliche Einrahmung unterstützt. Damit wird die Aufmerksamkeit auf das im Bildvordergrund platzierte Objekt gelenkt, das außerdem häufig – bei Innenaufnahmen – direkt beleuchtet wird. Der Hintergrund wird nicht ausgeleuchtet, so dass er verschwimmt und undeutlich wird. In etlichen Einstellungen lässt sich auch eine zusätzliche Kaschierung ausmachen, d.h. der zentrale Bildteil wird durch die Linienführung in der Bildkomposition eingerahmt und dadurch betont. Diese Verdoppelung des Bildrahmens findet sich in fast allen Einstellungen, die einen Blick zwischen Innen- und Außenraum zeigen. Dabei werden Fensterrahmen, Gardinen, 1

In der Benennung der Einstellungen orientiere ich mich an James Monaco: Eine Einstellung (engl. shot) bezeichnet ein »kontinuierlich belichtetes, ungeschnittenes Stück Film« (Monaco 1991: 390; vgl. Hayward 2000: 328ff). Die Begriffe Szene und Sequenz bezeichnen längere Segmente innerhalb der Montage, wobei in meiner Verwendung Szene durch die Einheit von Ort und Zeit gekennzeichnet ist (bzw. durch einen realitätsnahen Zeitablauf und die narrative Motivation von möglichen Ortswechseln, die gezeigt sein sollen). Den Begriff Sequenz definiere ich als inhaltlich bzw. thematisch zusammenhängenden Filmabschnitt.

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INSZENIERUNGEN VON MIGRATION UND MULTIKULTURALITÄT

Vorhänge, Türrahmen und Tür als Einfassung genutzt. Auch die Lichtsetzung wird zur Kaschierung angewendet, indem das Gesicht der nach außen blickenden Person beleuchtet wird, während der Hintergrund im Schatten bleibt. In diesem Falle werden die nicht ausgeleuchteten Bildteile als Maske verwendet, um Figuren einzugrenzen. In der Lichtsetzung unterscheiden sich Innen- und Außenaufnahmen deutlich. Während außen helles, natürlich wirkendes Tageslicht verwendet wird, das die gesamte Szene ausleuchtet und nur wenig Schatten verursacht, sind die Innenräume fast immer abgedunkelt, das Licht ist gedämpft oder beleuchtet nur einen Teil der Szene, während Neben- und Hintergrund im Schatten bleiben, Tageslicht ist meist durch Jalousien oder Vorhänge gefiltert.2 Diese Trennung in realistisch wirkende Außenräume und stark stilisiert gestaltete Innenräume wiederholt sich in der Farbgebung. Die Innenräume sind weitgehend in kräftigen Farben gehalten. Dabei dominiert im Flur des Hauses der Lupis dunkles Violett, dessen Abtönung sich je nach Beleuchtung verändert. Im Bad herrscht ein dunkles Blau als Wandfarbe vor, bei Mars Großmutter überwiegen leuchtendes Grün und Gelb. Auffällig in Licht- und Farbgestaltung sind die Traum- und Nachtszenen, in denen ein verstärkter Chiaroscuro-Effekt durch kaltes, weißes Seitenlicht, das wie Mondschein durch Bäume bzw. Fenster zu fallen scheint, und ein Blaufilter eingesetzt werden, um sowohl eine ›nächtliche‹ Stimmung zu erzeugen als auch den Eindruck von Realitätsverlust zu unterstreichen. Mit denselben Stilmitteln sind die Einstellungen gestaltet, die den elektronischen Fliegenfänger in Großaufnahme zeigen, einen fast geschlossenen Kreis aus hellem, kalten Neonlicht, der mit einem Drahtgitter abgedeckt ist und ebenfalls durch einen blauen Farbfilter fotografiert wird. Eine weitere Auffälligkeit in der Bildgestaltung ist die Verwendung extremer Kameraperspektiven, starke Ober- und Untersichten. Als Mars auf Rollschuhen zu ihrer Großmutter flüchtet, beginnt die Sequenz mit einer Einstellung von vorne, bei der sich die Kamera nur wenige Zentimeter über der Straße befindet und sich zunächst im gleichen Tempo dann schneller in Fahrtrichtung von Mars nach hinten weg bewegt, um so in Untersicht ihre ganze Gestalt ins Bild zu nehmen. Nach dem Dialog zwischen Mars und Dr. Powers sehen wird Mars von hinten aus einem ebenso tief angesetzten Blickwinkel von der feststehenden Kamera weg in den Bildhintergrund verschwinden. Ähnlich ausgeprägte Kameraperspektiven, in diesem Falle sich abwechselnde Ober-, Auf- und Un2

Dies gilt nicht für die Praxis von Dr. Powers, die durch gleichmäßig helles Licht und helle Gelb- und Beigetöne gekennzeichnet ist. 129

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tersichten, werden in der Parallelmontage der Ankunft der Madonnenstatue auf dem Kirchhof und der masturbierenden Mars eingesetzt. Während auf dem Friedhof die wartende Gemeinde zu der von einem Helikopter herbeigeflogenen Madonna aufschaut, scheint diese von oben auf sie herabzublicken, indem die Kamera teilweise die Blickperspektive der Statue einnimmt. Sowohl dieser Blick von oben als auch die unruhige, leicht kreisende Kamerabewegung korrespondieren mit der Einstellung auf die onanierende Mars. Ihre erotische Phantasie beginnt mit einem Blick von unten durch das verzerrte und orange hinterlegte Blätterdach eines Baumes, um dann sie selbst in grünem Wasser treibend, abwechselnd direkt von oben und von unten zu zeigen. In FLOATING LIFE hat die Kapitelstruktur großen Einfluss auf die visuelle Gestaltung des Films, die sich nach Innen- und Außenraum sowie den jeweiligen Handlungsorten unterscheidet. Gemeinsam sind allen Innenräumen eine häufig flächig wirkende Bildeinteilung und schwache Farbkontraste, die es schwer machen, Konturen zu bestimmen und selten den Eindruck von Tiefe vermitteln. Die meisten Räume enthalten eine große Zahl von Trennungs- und Begrenzungslinien, die aus Zimmerecken und –kanten, Türrahmen sowie Schmuckelementen bestehen oder durch die Beleuchtungsführung hervorgerufen werden. Optische Linien führen häufig über den Bildrand hinaus und öffnen so den Rahmen. Auch die Lichtsetzung, die beleuchtete und dunkle Flächen entstehen lässt sowie Farben hervorhebt bzw. in der Intensität verändert, trägt zur Gliederung der Räume bei. Dabei lassen sich sowohl Einrahmungen feststellen wie auch Linien, die das Bild durchschneiden. Während Bings aktuelles Haus fast in reinem Weiß gehalten ist, dominieren in den Häusern ihrer Eltern, sowohl in Hongkong, in dem Gar Ming noch eine Zeitlang lebt, wie auch in dem neu erstandenen Haus in Australien warme Beige- und Brauntöne. Die Wohnung von Yen, Michael und MuiMui ist in warmen, gelblichen und rötlichen Farben aber auch in Weiß und Grau gehalten. Hier wird die Raumteilung in erster Linie durch verschiedene kleinere Lichtquellen wie Steh- oder Tischlampen hergestellt. Bei den Außenaufnahmen unterscheiden sich die Drehorte – Australien, Deutschland und Hongkong – durch spezifische Farbgebung, Lichtsetzung und Kameraperspektive. In Australien überwiegt ein helles, klares Licht, das die Farben wie ausgebleicht wirken lässt. Durch die Perspektive, meist eines Panoramas oder einer Totalen, erscheint der Raum weit und menschenleer. Dies gilt sowohl für die Darstellung der Vororte und der sie umgebenden Landschaft als auch für den einleitenden Überblick der Szenen im Park und am Strand. Dabei überspannt ein weiter, in einigen Sequenzen bedrohlich dunkler Himmel das Bild. Das ebenfalls helle, kalte Licht in dem Deutschland im Winter gezeigt wird, verleiht 130

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den Bildern eine melancholische grau-blaue Färbung. Die Kameraeinstellung ist deutlich näher, Straßen und Plätze wirken enger, wenn nicht belebter dann doch zumindest ›bebauter‹. Eine Ausnahme bildet allerdings die Sequenz auf dem Parkplatz, in der Yen alleine einem NeoNazi gegenübertritt. Hier betont die weite, leere Fläche und die abweisende Architektur die Isolation Yens und ruft ein Gefühl von Agoraphobie hervor. Die Bilder aus Hongkong haben keine Ähnlichkeit mit denen von Australien oder Deutschland, es überwiegen erdige Farben und ein warmes, leicht trübes Licht. Durch die wiederum näheren Einstellungen wirken die Räume enger. Hongkong ist auch der einzige Handlungsort, für den belebte Straßen gezeigt werden. In THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING ist die Lichtgestaltung der Außenräume – für einen Film aus Australien – stilistisch besonders auffällig. Während bei Filmen, die auf dem Festland gedreht werden – auch bei FISTFUL OF FLIES und FLOATING LIFE –, fast immer ein hartes, klares Sonnenlicht vorherrscht, verwendet dieser tasmanische Film ein gedämpftes, trübes Licht.3 In der Farbgebung dominiert die Verwendung weicher Brauntöne, die über Sepia in gedämpfte Rot- und Gelbtöne übergehen. Diese Farben und insbesondere ein leichter Sepiaeffekt ziehen sich fast durch den gesamten Film. Es entsteht, durch Sehgewohnheiten motiviert und durch den dokumentarischen Ausschnitt zu Beginn des Filmes betont, ein Eindruck des Vergangenen. Auffallend viele Sequenzen spielen abends oder nachts, so dass Licht- und Farbgebung als diegetisch bestimmt und naturalistisch erscheinen. Auch in den Landschaftsaufnahmen überwiegen Brauntöne gegenüber Grün, grelle Farben kommen hier nicht vor, die Luft scheint stattdessen stets von einem leichten Nebel diesig zu sein. Die Traum- und Phantasie-Sequenzen werden durch Kontraste in der Farb- und Lichtsetzung betont. So fällt Sonjas ›Kamillenbad-Phantasie‹ nicht nur durch den imaginierten Ort in den slowenischen Bergen aus dem Narrationsrahmen, die Klarheit von Licht, Luft und Farben dieser Außenaufnahmen heben sich auch von der übrigen Gestaltung des Filmes ab. Anders dagegen die (Alp-)Traumszenen, die durch ästhetische Entfremdung auffallen. Diese wird visuell vorwiegend durch die Farbgestaltung und einen starken Chiaroscuro-Effekt (starke Licht-Schatten3

Der besonderen Lichtintensität auf dem australischen Festland wird in der Filmgestaltung sowie der Rezeption große Bedeutung zugemessen. Tom O’Regan zitiert den Kameramann Russell Boyd wie folgt: »[O]ne has to be prepared to suffer the rigours of the hard Australian light [...] certainly far different from the European, which is obviously much softer and more diffused, and much more in fact controllable« (O’Regan 1996: 208; vgl. Stratton 1998). 131

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Kontraste) erzeugt. In der Farbigkeit ist die erste Alptraum-Szene ausschließlich, die zweite überwiegend in Rot gehalten. Durch die Lichtsetzung entstehen harte Schatten, die sowohl die in Großaufnahme gezeigten Gesichter von Maria und Mrs. Michnik sehr markant modellieren als auch einen Gittereffekt (auffallend auf Picottis Gesicht) erzeugen. Bemerkenswert ist, dass die Farbfilter dieser Szenen eine der beiden auffälligsten Farben des Filmes aufgreifen: Rot sind Mantel und Schuhe Marias sowie der anfangs von Sonja getragenen Mantel und das Kleidungsstück, in dem sie als Achtzehnjährige Tasmanien verlässt. Die Rinde des red gum-Baumes, an dem sich Maria erhängte, ist rot gezeichnet, als würde Blut daran herablaufen und in einigen Sequenzen fließt tatsächlich Blut: nachdem Bojan Sonja geschlagen hat, sehen wir Hände ein Tuch auswringen und Blut in ein mit Wasser gefülltes Becken tropfen, später blutet Sonja am Handgelenk, nachdem sie voller Wut gegen die Außenwand des wog flats geschlagen und dabei eine Fensterscheibe zerbrochen hat. Auch Bojans Hand blutet, als er die Kaffeetasse zerschlägt, nachdem Sonja fortgegangen ist. Die Farbe Rot verbindet damit Sonja nicht nur über die Kleidung mit ihrer Mutter sondern über das Blut auch mit ihrem Vater. Die sowohl emotionale als auch körperliche Verletztheit der Familienmitglieder – und damit der Familie als Einheit in der Migration – wird durch Rot visualisiert. Die zweite auffallende Farbe, ein klares, kaltes Weiß, das durch die Beleuchtung einen bläulichen Schimmer erhält, findet sich wiederholt in Marias Hochzeitskleid, in dem sie auch aufgebahrt ist, in Sonjas Kommunionskleid, das auch in ihren Träumen auftaucht sowie in abgeschwächter Form – als helles Blau – in dem Kleid, das Bojan ihr für das erste Treffen mit Jean näht. Auch hier werden Figuren miteinander in Beziehung gesetzt, es werden gebrochene Verbindungen – zwischen Sonja und ihrer Mutter – und mögliche, aber scheiternde Beziehungen – zwischen Sonja und Jean – thematisiert. In der Einzelbildgestaltung und in der Montage fällt dagegen auf, wie stark die Figuren des Filmes durch visuelle Stilmittel voneinander isoliert werden. Selten sind zwei Personen, die in einer Szene interagieren oder sich unterhalten, in derselben Einstellung zu sehen. Dialogszenen sind meist im Schuss-Gegenschuss-Verfahren montiert, wobei die einführende Einstellung beider Personen häufig fehlt. Aber auch in einzelnen Bildern wird die Isolation der Figuren betont. So beginnt die Autofahrt von Bojan und Sonja in ihre erste Wohnung mit einer Sicht durch die Windschutzscheibe auf die Vordersitze, wo Bojan und Sonja nebeneinander sitzen, doch die vertikal verlaufende Mittelstrebe der Scheibe trennt Vater und Tochter visuell voneinander. Danach folgt die Dialogszene als Schuss-Gegenschuss-Folge, ohne weitere Einstellung der bei132

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den miteinander. Der Verlauf diegetischer Blickachsen folgt diesen Ausdrucksmitteln: Die Figuren richten den Blick häufig über den Bildrand hinaus (in die Ferne) oder nach unten (innen) und dies nicht nur in kontemplativen sondern auch in Dialogszenen, so dass kein Blick und kein Kontakt zwischen den Sprechenden stattfindet und ihre Vereinzelung selbst im Gespräch visualisiert wird. Es lassen sich Gemeinsamkeiten in den visuellen Inszenierungen der drei Filme erkennen: die Bevorzugung naher gegenüber entfernter Einstellungen, der Einsatz von visuellen Linien im Bildrahmen sowohl zum Zwecke der Einrahmung (Kaschierung) als auch, um das Bild mit Hilfe optischer Trennungen zu durchschneiden. Diese Gestaltungsmittel legen in ihrer Kombination und aufgrund von Sehgewohnheiten und dem Wissen um Lesarten filmischer Inszenierungen nahe, dass bestimmte Empfindungen bei der Rezeption intendiert sind. Die in allen drei Filmen festzustellende Präferenz für nahe und halbnahe Einstellungen, die häufig die Gesichter der ProtagonistInnen ins Bild nehmen, bieten dem Publikum eine visuelle Nähe zu den Figuren an, die emotionale Nähe herstellen kann und eine Identifikation mit der jeweiligen Figur unterstützt.4 Dies korrespondiert mit der Bedeutung der weiblichen Hauptfiguren, denn die nahen Aufnahmen erlangen insbesondere in emotional aufgeladenen Szenen Wichtigkeit, wie bei Sonjas Konfrontation mit ihrer Schwangerschaft durch Jenja in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING. Diese Sequenz beginnt mit einer Großaufnahme, in der zunächst nur die Spitze einer Zigarette und die Flamme eines Feuerzeuges zu sehen sind, dann erfolgt ein Schnitt auf einen Ausschnitt von Sonjas Gesicht und ihrer leicht zitternde Hand, mit der sie die Zigarette hält. Die Situation, dass sie ihre Schwangerschaft aussprechen muss, sowie die Konnotation des Rauchens unter Stressbedingungen, verdeutlichen ihre innere Anspannung in Bezug auf ihre ›Umstände‹. In FISTFUL OF FLIES sind es die Großaufnahmen der Gartenzwerge sowie der allgegenwärtigen Fliegen, die dazu dienen, ein Gefühl für Mars Lebenssituation in einer spießigen und (emotional) ›verunreinigten‹ Atmosphäre zu zeigen. FLOATING LIFE arbeitet am wenigsten mit auffälligen Naheinstellungen. Einige bildfüllende Aufnahmen der Gesichter von Bing und ihrer Mutter in der Gebets-Sequenz bieten Bilder der Emotionalisierung an. Dennoch, dieser Film hält sich mit Einladungen zur Identifikation mit den Gefühlen der Figuren am stärksten zurück. 4

Susan Hayward schreibt zu nahen und sehr nahen Einstellungen (close-up/ extreme close-up): »The subject framed by the camera fills the screen. Connotation can be of intimacy, of having access to the mind or thought processes (including the subconscious) of the character« (Hayward 2000: 328). 133

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Einerseits bewirkt die Nähe der Kamera zu den Figuren eine emotionale Nähe – wir kommen ihnen nahe, sie gehen uns nahe –, erzeugt aber auch, insbesondere in Verbindung mit den zusätzlichen Rahmungen, eine klaustrophobische Enge innerhalb der Bilder. In THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING wird dieser Eindruck durch das Cinemascope-Format und die offene Bildrahmung unterstützt. Die Figuren werden durch den oberen und unteren Bildrand bedrängt, sie wirken in das Bild hineingezwängt und können nicht ›wachsen‹ sondern höchstens in der Horizontalen fliehen. In FISTFUL OF FLIES beschränkt die weitgehend fehlende Einbindung in ein weiteres Umfeld, sowohl landschaftlich als auch menschlich, die Figuren auf die italienische community, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint. Diese um sich selbst kreisende Abgeschlossenheit wird in einer Szene kurz vor Mars Suizidversuch visualisiert: im Hochzeitskleid ihrer Mutter und mit dem Gewehr ihres Vaters bewaffnet, steht Mars auf einer Kreuzung. Während sie sich im Uhrzeigersinn im Kreis dreht, bewegt sich die Kamera in der Gegenrichtung um sie herum. Sie scheint eine Fluchtmöglichkeit zu suchen, doch selbst der Friedhof bietet keinen Ausweg, weder als Rückzugsort noch in der Flucht in den Tod. Die einzige Ausnahme dieser räumlichen Beschränktheit, wenn auch zeitlich begrenzt, ist Mars Flucht zu ihrer Großmutter, die sie auf Rollschuhen eine Landschaft – die allerdings nur im Hintergrund des Bildes stattfindet – durchqueren lässt. Schon auf der Rückfahrt im Auto ist die Umgebung näher und durch die Treibhäuser in den Kontext der agrarisch genutzten Kulturlandschaft, der Begrenztheit durch die Gemeinschaft gerückt. Auch die ausgeprägte Inszeniertheit der Innenräume, die häufig durch optische Linien geteilt sind, unterstützt die Nähe zu den Personen, indem Gesichter und Körper eingerahmt werden. Aber sie verkleinern die Räume und begrenzen die Bewegungsfreiheit der Figuren. Dabei lassen sich ästhetische Zitate des film noir erkennen. Ein visuelles Merkmal dieses Sub-Genres ist die Verwendung von häufig senkrechten oder schrägen optischen Linien, die das Bild durchschneiden und die ProtagonistInnen wie hinter Gitterstäben einschließen. Auch die starken HellDunkel-Kontraste, mit denen die Ambiguität der Figuren bezeichnet wird, erinnern an den film noir.5 Während der film noir jedoch in der 5

Hayward schreibt: »Film noir has a style of cinematography that emphazises the impression of night-time photography with high-contrast lighting, occasional low-key lighting, deep shadows and oblique angles to create a sense of dread and anxiety« (Hayward 2000: 129). Übrigens sind auch Gestaltungsmittel wie Rückblenden (flash backs) und Kommentare aus dem Off (voice over) häufig in Filmen diese Sub-Genres verwendet worden (vgl. Werner 1985: 90ff).

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Regel eine starke Tiefenschärfe aufweist, so dass Vorder- und Hintergrund gleichermaßen klar erkennbar sind, lässt die oftmals flache Schärfentiefe dieser drei Filme die Konturen verschwimmen und bewirkt ein Gefühl der Orientierungslosigkeit – Entfernungen und Winkel sind nur schwer zu bestimmen – und Unsicherheit. In THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING und FISTUL OF FLIES finden sich diese film noir-Anleihen vor allem in den Phantasien und Traumsequenzen, in FLOATING LIFE intensivieren sie sich, nachdem Bing in eine Depression verfällt. Wie im film noir dienen diese Stilmittel einer Visualisierung der psychischen Befindlichkeit der Figuren. Während dort die Charaktere in erster Linie zwischen Gut und Böse hin- und hergerissen sind, liegt der Konflikt und die Zerrissenheit der ProtagonistInnen in MigrantInnen-Filmen zwischen alter und neuer Kultur. Es lässt sich festhalten, dass verschiedene, für alle drei Filme jedoch charakteristische visuelle Gestaltungsmittel – die Bildrahmung, die Linienführung in den Bildern, die Einstellungsgröße sowie die Lichtsetzung – die Identifikation des Publikums mit den ProtagonistInnen, besonders mit den zentralen weiblichen Figuren begünstigen. Andererseits schaffen sie den Eindruck sowohl der Verlorenheit als auch der Isolation, im Raum als auch zwischen den Figuren und unterstützen damit eine Empfindung des Unwohlseins und der Beklemmung.

Töne Der Ton ist für die Wirkung eines Filmes von beträchtlicher Bedeutung, da er die Wahrnehmung der dominant erscheinenden visuellen Eindrücke verstärken, verändern und brechen kann (vgl. Bordwell/Thompson 1990: 244ff; Monaco 1991: 199ff; Turner 1988: 56ff). Ich möchte mich in diesem Abschnitt auf die auffälligeren akustischen Gestaltungsmittel konzentrieren, die Musik und den Dialog. Bei der Analyse von Geräuschen beschränke ich mich auf wenige, für die Fragestellung bzw. die Gestaltung der Filme wesentlichen Verwendungen. Eine wichtige Aufgabe übernimmt der Ton in der Montage, wenn visuelle Schnitte einen starken Bruch beinhalten und diese über Geräusche, Musik oder Dialog miteinander in Beziehung gesetzt und verbunden werden. Auf diese Verwendungsweise gehe ich bei der Darstellung und Interpretation der Montage genauer ein. Die Hintergrundgeräusche wirken mit den visuellen Eindrücken zusammen und erzeugen so den Gesamteindruck in der Filmrezeption. Je nachdem, in welcher Beziehung sie zu den Bildern stehen, können sie diese entweder verstärken oder ihre vordergründige Bedeutung brechen. 135

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Eine weitere wichtige Aufgabe ist es, der Narration einen emotionalen Hintergrund zu geben. Zu diesem Zweck werden häufig Naturgeräusche (Wind, Regen, Meeresrauschen oder Vogelgezwitscher), Musiken oder nicht melodische Tonfolgen verwendet. Deutlich lassen sich diese Praktiken in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING zeigen. In den Alptraumszenen und Angstphantasien herrschen disharmonische Tonfolgen vor, die von Streichinstrumenten, insbesondere von der Geige gespielt werden. Durch die Steigerung von Tempo und Tonhöhe wird ein Gefühl von Bedrohung und Angst bis hin zu Realitätsverlust und Wahnsinn hervorgerufen bzw. verstärkt. Eine ähnlich emotionale Wirkung hat die von einer Frauenstimme gesungene, wortlose Melodie, die an einen Klagegesang erinnert und die auf visueller Ebene mit der rot-gestreiften Rinde des Baumes und Marias Selbsttötung verbunden ist. Mit Windund Regengeräuschen wird die Einsamkeit der ProtagonistInnen betont. Dies geschieht beispielsweise wenn Bojan nachts die Tür des Raums öffnet, in dem er lebt, und in die regnerische Nacht hinausblickt, oder als Sonja zu Beginn der Haupthandlung zu dem Staudamm fährt, an dessen Errichtung ihr Vater beteiligt war. Das Fehlen von Nebengeräuschen bewirkt eine starke akustische Hervorhebung von Szenen und Sequenzen, wie beispielsweise in der letzten Rückblende des Filmes. Ein Moment der Stille wird eingesetzt, um das Publikum auf die folgende, emotional sehr eindringliche Sequenz vorzubereiten, in der Bojan den Leichnam seiner Frau findet und damit die Frage gelöst wird, was mit Maria geschehen ist. In FLOATING LIFE dienen Hintergrundgeräusche ebenfalls als Mittel, die Bildersprache zu betonen. So sind die Straßenszenen meist ohne musikalische Untermalung gestaltet, was ihre Unbelebtheit hervorhebt. In der Sequenz die Gar Ming mit seinen jüngeren Brüdern am Strand sitzend zeigt, unterstreicht Meeresrauschen die Emotionalität des Gesprächs. Eine andere, ebenfalls emotionale Bedeutung ist dem häufig zu hörenden Summen der Fliegen in FISTFUL OF FLIES zuzuordnen, das an die Allgegenwärtigkeit der negativ bewerteten Einflüsse von Außen erinnert. Die Fliegen stehen einerseits für die ›verunreinigte Atmosphäre‹, aber auch für die Spießigkeit der community, die Mars in ihrer Freiheit einschränkt. Das Geräusch, mit dem die Fliegen im elektronischen Fliegenfänger sterben, wirkt grausam und betont die Hartnäckigkeit des Versuchs, diese Einflüsse abzuwehren. Andere Beispiele emotionaler Kommentierung finden sich im Anschluss an die Prügelszene, indem die Angst- und Schmerzensschreie von Mars mit dem Schnitt vom Innenzum Außenraum ausklingen und einer der Gartenzwerge ins Bild genommen wird, der einen Zeigefinger vor den Mund hält. Auf der Tonebene ist dazu ein »sshhhhhh« zu hören, als würde der Zwerg Mars oder 136

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das Publikum auffordern, ruhig zu sein. Auch das Telefongespräch, in dem Rosa Grace davon berichtet, dass sie Mars bei Eno beobachtet hat, und das in verzerrten Versatzstücken zu hören ist, lässt sich als indirekter Kommentar interpretieren. Auf visueller Ebene werden dabei ruckartig eingesetzte Standbilder und Reißschwenks von Hochspannungsmasten, -leitungen und Umspanneinrichtungen gezeigt, die wiederum von einem disharmonischen Akkordeongeräusch unterstrichen werden, das an das Gartenzwerge-Motiv erinnert. Die Hektik der visuellen und die Dissonanz der akustischen Eindrücke verdichten die negative Bewertung von Rosas Vorgehen als Klatsch und Heimtücke. Filmmusik beeinflusst den allgemeinen Charakter eines Filmes durch Geschwindigkeit, Melodien, Tonhöhen und andere musikalische Merkmale. Sie wird in diegetische und nicht-diegetische Musik unterschieden, wobei die nicht-diegetische Musik (deren Quelle nicht Bestandteil der filmischen Realität ist) häufig ähnliche Funktionen übernimmt wie die Geräuschkulisse (vgl. Bordwell/Thompson 1990: 254ff; Monaco 1991: 200ff). Sie wird eingesetzt, um Stimmungen herzustellen und zu betonen, aber auch um Szenen und Sequenzen miteinander zu verbinden oder Figuren, Orte und Situationen durch Leitmotive in Beziehung zu setzen. Musik kann narrative Strukturen akustisch untermalen und verstärken, beispielsweise in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING wenn die Melodie der Spieluhr, auf der sich ein Ballerinenfigürchen in weißem Tutu dreht, zuerst als nicht-diegetische Musik die Sequenz begleitet, in der Sonja bei Mrs. Michnik ihr Kommunionskleid anprobiert und sich dabei auf dem Küchentisch dreht. Am Ende des Filmes, als Sonja ihrer Tochter Maria die Spieldose vorführt, erklingt diese Musik wieder, bevor sich die Wiederholung des Kinderliedes vom Filmbeginn anschließt. Die drehende Bewegung der Spielfigur und von Sonja wird im ›kreisenden‹ Charakter der Melodie aufgenommen und betont den Eindruck, als würden sich die ProtagonistInnen über weite Teile der Filmhandlung um sich selbst drehen, ohne einen Ausweg aus dem Konflikt zu finden. Durch die Setzung dieser Musik am Ende des Films, kurz bevor die Anfangssequenz zitierend wiederholt wird, steht die Musik auch im Kontext der Verbindung von Anfang und Ende der Narration und damit der Verbundenheit von Vergangenheit und Zukunft. In den untersuchten Filmen lässt sich feststellen, dass vielfach Musik verwendet wird, die als ethnisierend beschrieben werden kann, d.h. die Instrumente und Tonfolgen aufweisen, die in der nordwest-europäischen Musik nicht ›traditionell‹ sind. Das ›Ethnische‹ daran muss nicht an ein bestimmtes kulturelles Umfeld gebunden sein, wie ein Kommentar des Komponisten für FLOATING LIFE, Davood A. Tabrizi, zeigt:

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But as the film is not simply about the Chinese, but about the migrant experience, I wanted to write a music that is Asian rather than Chinese. A music that involves Middle Eastern, even Indian flavours. You could call it world music (Floating Life Press Kit: 18).

Ähnliches lässt sich auch für THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING feststellen, wo neben Orchester- und reiner Klavierbesetzung insbesondere Flöte und Dudelsack,6 Klarinette und ein Saiteninstrument, das im Abspann als persian santoor bezeichnet wird,7 auffallen. Die Melodien sind vorwiegend langsam und getragen, so dass ein melancholischer Eindruck entsteht. In der Kombination von Melodien, Tempi und Instrumentierung, beispielsweise durch die Verbindung von Klarinette und Akkordeon, erinnern etliche Stücke an Musik aus dem osteuropäischen Raum,8 teilweise an Klezmer-Musik.9 Der ›ethnische Charakter‹ der Filmmusik steht also im Kontext der Ethnisierung von Migration und Migrationserzählungen. In der filmstilistischen Verwendung markiert ethnisierende Musik Figuren, Orte und Situationen im Gegensatz zu (west-)europäisch geprägter Musik, die das Umfeld der Einwanderungskultur normalisiert. Dies gilt umso stärker für diegetische Musik, da sie mit der visuellen Darstellung der Handlung verbunden ist und beide sich wechselseitig unterstützen. Im Zusammenwirken von Bildern, Tönen und Handlungsablauf wird Bedeutung, Ethnizität und kulturelle Normalität, erzeugt. Besonders deutlich wird dies, wo ein Bruch zwischen der (ethnisierenden) Inszenierung der Figuren und der Musik stattfindet. In FLOATING LIFE lassen sich anhand von zwei Situationen verschiedene narrative Ef6

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Im Abspann angegeben als Whistles und Uillean Pipe, die irische Form des Dudelsacks, dessen Windsack durch einen Blasebalg mit Luft gefüllt wird. »Santur [pers.], Zithertyp des Vorderen Orients mit meist trapezförmigem Korpus und 72-100 Drahtsaiten. Der S. wird wie das Hackbrett mit Klöppeln gespielt« (Musik-Brockhaus 1982: 516). Tatsächlich orientiert sich die volkstümliche Musik Sloweniens über den nördlichen Nachbarn Österreich stärker am ›mittel‹europäischen (oder nord-westeuropäischen) als am osteuropäischen (oder mitteleuropäischen) Raum. Die heutige Verwendung des Begriffs Klezmer kommt von »volkstümlicher ostjüdischer Klezmer-Musik, wie sie in der Synagoge und vor allem bei Familienfesten erklingt«, und einer Verbindung mit modernen, ›westlichen‹ Musikformen, insbesondere des Jazz. Ausgehend von den (Groß-)Städten Nordamerikas kam es in den 1990er Jahren zu einem Revival und dem Verständnis von Klezmer als ›Welt-Musik‹ (eine Bezeichnung für fast jede Musik, die sich nicht in europäisch geprägte Stile – Jazz, Klassik, Schlager, etc. – einordnen lässt) (vgl. Finscher 1998: Sachteil 4, Spalte 1557/Sachteil 5/53; Sachteil 9/1388f; Sapoznik 1999).

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fekte aufzeigen. Der Handlungsabschnitt, der die Anfangszeit von Ma, Pa und den jüngeren Brüdern in Australien und diese fast ausschließlich in oder um Bings Haus zeigt, wird mit einem Kommentar aus dem Off von Chau beendet: »I thought we had successfully merged ourselves into Oz«. In der nächsten Sequenz hören die beiden Brüder bei der Gartenarbeit aus dem Nachbargarten plötzlich ›westliche‹ Popmusik und Chau arrangiert es, die etwa gleichaltrige Nachbarin kennen zu lernen. Hier bezeichnet die nicht-›ethnisch‹ markierte Musik den Übergang zur Eingewöhnung der Brüder in die Kultur des Einwanderungslandes. In einer späteren Sequenz, in der Pa mit einem Bekannten aus Hongkong in der Stadt in einem Eiscafe gezeigt wird, läuft im Hintergrund lateinamerikanisch beeinflusste Popmusik, zu der die junge weiße/europäische Frau, die den beiden chinesischen Männern ihre Eisbecher gebracht hat, tanzt. Auch hier bedeutet die nicht asiatisch konnotierte Musik – vielleicht nicht die Eingliederung aber zumindest den zunehmend souveränen Umgang mit dem Leben in der neuen kulturellen Umgebung. In FISTFUL OF FLIES wird ein erheblicher Teil der Filmmusik diegetisch eingesetzt, um die Filmhandlung zu kommentieren, wobei der Kamerablick auf den Plattenspieler und die sich darauf drehende Schallplatte dies ›illustriert‹. Beim ersten Treffen von Eno und Mars, als er und seine Eltern bei der Familie Lupi zu Besuch sind, ist ein schnulziger italienischer Schlager zu hören, der als musikalische Untermalung dient.10 Die Rührseligkeit von Melodie und Text, die beide auf eine von den Eltern angestrebte Romanze und Hochzeit zwischen Eno und Mars hinweisen, ruft bei Mars nur Widerwillen bis hin zu offensichtlichem Widerstand hervor. Einen extremen Unterschied zu dieser ›Liebesschnulze‹ stellt das von Felicity Fox für den Film komponierte und eingespielte, eher rockige Lied »I wish I was 22« dar. Dieses Lied hört Mars, während sie sich mit ihrem Körper beschäftigt, ihre Brüste begutachtet und onaniert. Bereits hier wird die Musik als diegetisch markiert, indem die Schallplatte mit dem gleichen auffällig in Gelb und Blau gestalteten Label zu sehen ist, wie später in der Besuchssequenz; die beiden Lieder sind damit auf visueller Ebene in Beziehung gesetzt. Als Grace die Zimmertüre zuschlägt, nachdem sie ihre Tochter masturbierend vorgefunden hat, rutscht die Tonnadel über die Platte und auf das Label, die Musik bricht ab. Später wird auf diese Lied im Dialog eingegangen, als Eno Mars bei ihrem Spaziergang über den Friedhof fragt, warum sie 22 Jahre alt sein möchte, woraufhin sie antwortet, »’Cause then it’s my turn to run my life«. Die beiden diegetischen Musikstücke 10 Das Lied »La Sposa Die Sogni Miei« von P. Ciani – zu Deutsch etwa »Die Braut meiner Träume«. 139

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stehen für den Konflikt, in dem Mars sich befindet. Während das italienisch gesungene Lied die Erwartungen ihrer Eltern zu hören gibt und bei Mars Ablehnung hervorruft, steht das eher rockige, in Englisch gesungene »I wish I was 22« für ihren Wunsch nach Freiheit und Selbständigkeit. Während das eine Lied über Sprache und stereotype Vorstellungen von ›italienischer‹ Musik mit der Herkunftskultur in Verbindung steht, steht das andere für die Eingebundenheit von Mars in die Kultur des Einwanderungslandes. Akustische Elemente stehen also in deutlicher und korrelativer Verbindung mit Konstruktionen von Ethnizität, einerseits als Markierung für ethnisierte Kultur aber auch als Mittel ihrer Herstellung. Eine besonders starke Kennzeichnung von Figuren, Situationen, Räumen, Beziehungen etc. in der filmischen Repräsentation liegt in der Gestaltung des Dialogs: welche Sprache wird verwendet, ist sie durch einen Akzent geprägt, welche Inhalte werden in welcher Sprache vermittelt. Darüber hinaus ist der Dialog auch eines der zentralen Mittel, die Handlung voranzutreiben. Aufschlussreiche Überkreuzungen ergeben sich insbesondere dann, wenn Sprache selbst-referentiell eingesetzt wird, also Sprache im Dialog thematisiert wird. Eine wunderbar-ironische, selbst-referentielle Rede hält ein Beamter anlässlich der Einbürgerungszeremonie in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING. Mit stark australischem Akzent spricht er seine Huldigung an die englische Sprache, die mit Fortschritt und Kultur verknüpft wird: You men and women have decided to join your fate with that of Australia’s by today being naturalized. You bring your hope and determination and in return receive the great gift of English civilisation, the English language and our belief in justice and fair play. In so doing you are making a better world for yourself and your children.11

Im Verweis auf das Englische betont der Regierungsbeamte die ›Herkunft‹ Australiens aus der britischen Kolonial-Zeit und die Verbindung der ›jungen Nation‹ mit dem ›Mutterland‹ – visuell verstärkt durch den Union Jack und das Bild der Königin, die im Hintergrund zu sehen sind. Dies dient der Höherbewertung Australiens gegenüber den Herkunftsländern der MigrantInnen, die jedoch zugleich durch den starken Akzent, die den Sprecher als ›ocker‹ (vgl. Fiske/Hodge/Turner 1987: 163ff; Rattigan 1991: 31; Hasemann 1987: 136), als typisch australischen (Land-)Arbeiter mit geringem Bildungshintergrund markiert, gebrochen 11 Es sei an dieser Stelle wenigstens kurz auf den Doppelsinn des englischen Wortes ›naturalization‹ hingewiesen, das sowohl ›Einbürgerung‹ wie auch ›Naturalisierung‹ bedeutet. 140

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wird. Hier lässt sich ein Bruch zwischen dem Gesagten und dem Akt des Sprechens feststellen, es wird eine Trennung Australiens von England anzeigt. In den drei Filmen lassen sich deutliche Unterschiede im quantitativen Verhältnis von ›Herkunftssprache‹ und Englisch ausmachen.12 Während in FLOATING LIFE über weite Teile Kanton-Chinesisch aber auch Deutsch gesprochen wird, finden die Dialoge in FISTFUL OF FLIES und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING weitgehend auf Englisch statt. In Bezug auf die Verwendung der Herkunftssprachen bzw. von akzentbesetztem Englisch lässt sich für alle Filme festhalten, dass in der Regel die älteren ProtagonistInnen zur Herkunftssprache tendieren, während die Jüngeren akzentfreies Englisch sprechen. Sie haben sich in Bezug auf die dominante Sprachform der Einwanderungskultur angepasst, während die ältere Generation daran scheitert und daher stärker mit der Herkunftskultur in Verbindung gesetzt wird. Die Verwendung von australischem Englisch in Aussprache und Wortwahl ist in FISTFUL OF FLIES und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING stark ausgeprägt. Im sprachlichen Unterschied zwischen Joe, der am stärksten australisches Englisch spricht, und Grace, deren Englisch eher dem Britischen zuzurechnen ist, markiert dies das Streben von Grace hin zu einer höheren sozialen Schicht. Eine ähnliche Unterscheidung lässt sich in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING ausmachen, wo es Bojan und die Arbeiter aus seinem Umfeld sind, die häufiger Fluch- und Schimpfwörter verwenden als beispielsweise Sonja – aber auch Jean, Jenja, Mrs. Michnik und andere Frauen. Hier findet eine Überkreuzung der Kategorien ›soziale Schicht‹, Ethnizität und Geschlecht statt, denn einerseits steht fluchen – insbesondere die vielfache Verwendung der Ausdrücke bloody und fucking – für einen ›typisch australischen‹ Gebrauch der englischen Sprache, aber eben nur für bildungsferne ArbeiterInnen bzw. die Bevölkerung außerhalb der Städte. Andererseits sind die Figuren, die häufig fluchen auch die, die durch andere sprachliche Merkmale wie Akzent, fehlerhafte Grammatik, Einflechten nicht-englischer Wörter stark ethnisiert und im Rahmen der Zweigeschlechtlichkeit männlich markiert sind. Die Sprachverwendung aller weiblichen Figuren, außer Mrs. Heany, die einen erkennbaren irischen Einschlag aufweist, ist eher einer ›bürgerlichen‹ Sprache zuzurechnen. Sie scheinen damit sozial mobiler, beweglicher zu sein, obwohl sie durch andere Kennzeichen ethnisiert bleiben.

12 Die Bezeichnung ›Englisch‹ bezieht sich auf ›australisches Englisch‹ (mainstream Australian English). Als ethnisierende Markierung wird in Australien Sprache dann herangezogen, wenn die Herkunftssprache eine andere als Englisch ist. 141

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Yen ist die einzige die sich als Mitglied der ersten Migrationsgeneration aktiv darum bemüht, ihre Herkunftssprache weiterzugeben und ihre in Deutschland aufwachsende Tochter in Kanton-Chinesisch zu unterrichten. In Australien verlieren die jüngeren Brüder ihre Sprachfertigkeit in der Herkunftssprache durch Bings Drängen teilweise bzw. wird diese nur indirekt aufrechterhalten, da ihre Eltern weitgehend Chinesisch mit ihnen sprechen. Sowohl FLOATING LIFE als auch THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING thematisieren das Bestreben, die Sprache des Einwanderungslandes möglichst gut zu beherrschen. Als Medium dient dazu in beiden Fällen das Rezipieren bzw. Auswendiglernen von Nachschlagewerken: Bojan schenkt Sonja eine vielbändige Ausgabe der Encyclopaedia Britannica mit den Worten »English is good for money. Now you can learn English good. Now you don’t end up like me.« Für ihn ist ›gutes Englisch‹ Voraussetzung sowie Mittel für beruflichen Erfolg im Einwanderungsland. Auch Bing, die selbst fehler- und akzentfrei Englisch spricht, fordert von ihren jüngeren Brüdern, dass sie die Sprache schnellstmöglich lernen und während des Streits um das Verhalten der beiden Jungen fragt sie, wie viele Seiten des Wörterbuchs die beiden auswendig gelernt hätten. Die Sprache des Einwanderungslandes steht also im Sinne von beruflichem Erfolg für eine gelungene Integration und ist stark von Rationalität geprägt. Die Sprache des Herkunftslandes dagegen steht für die Emotionalität der Figuren, wie sich insbesondere im Gespräch zwischen Bojan und Sonja ausdrückt, als die beiden sich nach Sonjas Rückkehr nach Tasmanien in einem Pub treffen. Bojan entschuldigt sich dafür, dass er Sonja nie geschrieben hat: Bojan: I wanted to write you letters but English – good for work, good for the pub, not so good for ..? Sonja: There are things that matter more than words. Bojan: Perhaps you say this because you have plenty of words. You find a language but I lose mine. I never had enough words to tell people what I think, what I feel. Never enough words to get a good job. Never enough words for you.

Mit dem Verlust, in ›seiner‹ Sprache kommunizieren zu können, verliert Bojan also die Möglichkeit, seine Gefühle zu äußern. Diese in der neu gefundenen Sprache ausdrücken zu können impliziert die emotionale Integration der MigrantInnen. Doch sowohl Sonja als auch Bing, die beide Englisch beherrschen, bleibt diese versagt, bis sie jeweils am Ende der Filme ihre Weiblichkeit und damit ihre Emotionalität zulassen – bei Sonja markiert durch die Geburt ihrer Tochter, bei Bing durch die Aussöhnung mit den Eltern und der angekündigten Schwangerschaft. 142

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Die emotionale Differenz zwischen ›alter‹ und ›neuer‹ Sprache zeigt sich auch in der Verwendung von Redewendungen und Sprichwörtern. In der Szene vor dem ersten Streit zwischen Bing und ihrer Familie versucht Chau sich an ein chinesisches Sprichwort zu erinnern, dessen Wortlaut er jedoch vergessen hat. Erst sein älterer Bruder Yue erinnert sich an den Text, der für die angespannte Situation im Haus ›spricht‹: »A house with holes in its roof always meets the all-night rain«. In FISTFUL OF FLIES versteht Mars nicht, was ihre Mutter mit der Redewendung meint, die dem Film den Titel gibt. Als Grace ihre Tochter nach der erzwungenen Beichte beschimpft, alles was ihr bliebe, wenn sie sich weiter so verhalten würde, wäre »uno pugno di mosche« reagiert Mars mit der genervten Frage »what’s this s’posed to mean«. Redewendungen und Sprichwörter können meist nicht übersetzt sondern allenfalls von einer Sprache in eine andere übertragen werden. In diesem Prozess geht jedoch häufig ihre Aussage, ihr Sinn verloren, der an kulturell geprägte Vorstellungen und an die ›Weltsicht‹ einer Kultur gebunden ist. Das Vergessen des Wortlautes bzw. das Nicht-Verstehen beschreibt die ›Bewegung‹ von der Herkunftskultur in die des Einwanderungslandes, die Unübersetzbarkeit markiert den Unterschied der Kulturen, der nicht überwunden werden kann. In der Integration in das neue kulturelle Umfeld, so der in den Filmen re-produzierte Diskurs, liegt der Verlust des Verständnisses der früheren Kultur. Ebenfalls auf der Ebene der kulturellen Unterschiede liegt die Art, wie in FISTFUL OF FLIES über Sexualität gesprochen wird. So verwendet Grace ausschließlich Umschreibungen für Menstruation (this time of the month, women’s trouble), Genitalien (down there, onion, gnocchi) und Klitoris (trigger button). Dr. Powers antwortet darauf entweder mit positiv konnotierten Bezeichnungen (pleasure palace), medizinisch korrekter Ausdrucksweise (clitoris) oder einer Mischung aus beiden: God given genitals (vgl. Ensler 2001; insbesondere das Vorwort von Gloria Steinem: ixff). Auch Mars findet bei ihrer Beichte keine Worte für ihr angebliches Vergehen: »the rubbing ... the stimulation ... I’ve been unclean«, worauf wiederum mit institutionalisiertem Vokabular (sexual self-gratification) geantwortet wird. Die Prüderie, die der katholischen Religion in Bezug auf Sexualität zugeschrieben wird, verhindert einerseits die offensichtliche Benennung oder weicht auf einen negativ konnotierten und mit ›Sünde‹ belasteten institutionalisierten Sprachgebrauch aus, der schamhaft und veraltet wirkt. Dr. Powers direktes Benennen von Körperteilen und aufgeschlossenes Sprechen über Sexualität dagegen erzeugt den Eindruck von einem positiven und lustvollen Umgang mit dem Körper und einer fortschrittlichen Wissenschaftlichkeit, die der

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FILM UND MULTIKULTURALISMUS

Kultur des Einwanderungslandes zugeschrieben wird und im Gegensatz zur veralteten Prüderie des italienischen Katholizismus steht. Eine weitere Markierung auf sprachlicher Ebene sind die Namen, die den Figuren gegeben werden und ihre konnotativen Bedeutungen in Kontexten von Ethnisierung und Geschlecht. Auf diesen Punkt werde ich bei der Analyse der Figuren, ihrer Inszenierung und Bedeutung für MigrantInnen-Filme näher eingehen.

Montage Die drei Filme entwickeln in unterschiedlicher Ausprägung ihre Narrationen um eine zentrale weibliche ethnisierter Figur und aus deren Perspektive; die Erzählposition wird durch den Aufbau und Verlauf der Erzählung, also durch die Montage hergestellt. In der Gesamterzählung weisen sie alle einen weitgehend konventionellen Spannungsbogen auf, der die Entwicklung der zentralen Figur vorantreibt. Die Erzählung beginnt jeweils mit der Einführung der ProtagonistInnen und dem Moment, in dem die fiktionale Normalität gestört wird: das Erkennen von Mars aktiver Sexualität durch ihre Mutter; der Einzug von Ma, Pa und den Brüdern in das Haus von Bing und Cheung; die Ankunft von Sonja in Tasmanien. In allen drei Filmen steigert sich die krisenhafte Situation bis zu einer Klimaxsequenz, die starke Emotionalisierungen aufweisen. Diese Sequenzen markieren den Umbruch in der Erzählung, der für eine Lösung des Problems notwendig ist. In FISTFUL OF FLIES ist es die öffentliche Konfrontation Joes durch Mars, die zum ersten Mal die aktive Unterstützung ihrer Mutter erfährt. Der gewalttätige Vater und Ehemann wird aus der Familie entfernt, was es Grace, ihrer Tochter und ihrer Mutter Virginia ermöglicht, gemeinsam ein neues, selbstständiges und selbstbewusstes Leben zu beginnen.13 THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING erreicht einen emotionalen Höhepunkt in dem Gespräch zwischen Sonja und Bojan, in dem er seiner Tochter von der Vergewaltigung Marias während des Zweiten Weltkrieges erzählt, und damit eine der Filmnarration vorgängige Erklärung für ihren Suizid gibt. Dieses Wissen, dass Marias Unglück keinen Bezug zu ihrer Existenz hat und nicht ihre Schuld ist, ist für Sonja notwendig, um Frieden mit ihrer toten Mutter, mit Bojan sowie mit ihrer eigenen Schwangerschaft und Mutterschaft zu 13 »The central catalyst in the story is Mars [...] The film is about her struggle to pursue her sense of self within an often violent environment and about the love/hate relationship she has with her mother, Grace. The relationship goes through a powerful and emotional evolution during the film« (Fistful of Flies Press Kit: 2). 144

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schließen. Die Sequenz in FLOATING LIFE in Bings Arbeitszimmer am frühen Morgen, in der sie von ihren jüngeren Brüdern fordert, sich zwischen ihren Eltern und ihr selbst als Vormund zu entscheiden, zeigt Bing zum ersten Mal ihre Selbstbeherrschung verlierend. Sie ist wütend, schreit und flucht, nachdem Yue den Raum – und damit sie – verlassen hat. Bings Kompromisslosigkeit hat die Familie gespalten und Bing entwickelt eine Depression. Später fleht Ma in einem verzweifelten Gebet die Ahnen um Hilfe für ihre Tochter an. Bing beobachtet und belauscht dieses Gebet, sie beginnt zu weinen. Dieses Ausleben ›weiblicher‹ Emotionsäußerung wird als Beginn ihrer Gesundung nahe gelegt. Die Einsicht, dass ihr Verhalten, das weite Teile der Filmnarration ausgelöst und bestimmt hat, ›falsch‹ und destruktiv war, führt zunächst zu Schuldgefühlen, scheint jedoch notwendig, um ihre Depression zu überwinden. Gemeinsam ist diesen Sequenzen, dass es sich jeweils um Konfrontationen zwischen zwei Generationen, zwischen Eltern und Kindern handelt. In FISTFUL OF FLIES und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING sind es wechselseitige Anschuldigungen und Missverstehen, die den Konflikt bestimmen und die bis hin zur angedrohten oder angewandten körperlichen Gewalt reichen. Joe reagiert mit hilflosen Unverständnis auf die Vorwürfe von Mars, was in seinem verzweifelten »I just don’t understand what’s going on. I just don’t know what’s right anymore« verbalisiert wird. Die Konfrontation der Klimaxsequenz in FLOATING LIFE verläuft nicht direkt zwischen Bing und ihren Eltern sondern vermittelt über die jüngeren Brüder Chau und Yue. Bing ist enttäuscht und wütend, als sie erfährt, dass ihre Eltern ein Haus für sich in Australien gekauft haben. Doch sie konfrontiert nicht Mutter und Vater sondern zwingt ihre jüngeren Brüder, sich zwischen einem Leben mit ihr oder mit ihren Eltern zu entscheiden. Dabei nimmt sie eine zweifache Position ein. Sie rebelliert als Kind gegen das Weggehen der Eltern, durch das sie sich verraten fühlt. »They’ve betrayed me«. Dazu fordert sie ihre jüngeren Brüder auf, sie als Vormund anstelle der Eltern zu akzeptieren. Als Yue dies verweigert, empfindet sie auch diese Ablehnung als Vertrauensbruch und reagiert mit heftiger Wut: »Stay! Don’t go! You bastard! Go to hell! I should never have trusted you«. Sie steht zwischen den Generationen, als Tochter einerseits, andererseits als ältere Schwester und Autoritätsfigur und wird in keiner der von ihr angestrebten Rollen akzeptiert. Stattdessen übernimmt sie die Konfrontation zwischen den Generationen in beide Richtungen. Ihr Unvermögen ihre Position in der Familie und in der Migrationsgeschichte der Familie einzunehmen und auszufüllen führt zum Auseinanderbrechen der Familie und bei Bing zu einer tiefen Depression. Erst das Gebet ihrer Mutter an die Vorfahren, die Wieder145

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herstellung der familiaren Gemeinschaft über die lebenden Generationen hinaus, bringt Bings zurück in ein ›normales‹ Leben. Aus dem Off kommentieren Chau und Yue Bings Heilung mit dem Abschluss, dass sie ein Jahr später schwanger sei. Die nächste Generation und damit der Fortbestand der Familie sind also gesichert. Die zentrale Positionierung dieser Sequenzen in den Narrationsabläufen verleiht der Konfrontation zwischen den Generationen besondere Bedeutung. Sie sind Kulminationspunkte und in den Erzählungen notwendige Voraussetzung für die Wiederannäherung und Aussöhnung der älteren und jüngeren Generation und damit für die Lösung der narrativen Konflikte. Dies lässt die Interpretation zu, dass die Auseinandersetzung zwischen den Generationen für diese Migrationserzählungen von grundlegender Bedeutung ist. Die Verhandlung zwischen dem Alten (der Herkunftskultur der Eltern) und dem Neuen (der Kultur des Einwanderungslandes) muss von der jungen ImmigrantInnengeneration ausgetragen werden. Die weiblichen Hauptfiguren der Filme, Mars, Bing und Sonja, werden in der filmischen Repräsentation in einer ›hybriden‹ Position gezeigt, die Teile beider Kulturen beinhaltet und deren Funktion es ist, eine Verbindung zwischen Altem und Neuem zu schaffen. Durch die narrative Verbindung von Generationenkonflikten im Kontext der Familien mit Diskursen der Ethnisierung wird eine Verknüpfung von Genealogie und Ethnizität hergestellt. Es erfolgt eine Übertragung sozialer Phänomene, nämlich der Einteilung und der Problematisierung von Diversität durch Ethnisierung in Gesellschaften, die sich multikulturell (re-)präsentieren, auf die persönliche Ebene: Den Filmfiguren ist die individuelle Aufgabe auferlegt, eine erfolgreiche migrantische Position einzunehmen; der Erfolg wird durch die Aussöhnung zwischen Altem und Neuen bestimmt, die notwendig ist, um als MigrantIn ein glückliches Leben führen zu können. Auch andere Mittel der Montage unterstützen diese Form der Repräsentation, die Auseinandersetzungen von Ethnisierung/Ethnizität von der gesellschaftlichen auf eine individuelle Ebene verlagern. So weisen alle Filme innerhalb der klassischen Erzählstruktur Unterbrechungen des chronologischen Verlaufs auf. Mehr oder weniger stark verfremdete Bilder, Szenen und Sequenzen vermitteln Träume, Phantasien und Erinnerungen der Protagonistinnen. In FLOATING LIFE gilt dies auch für einige der männlichen Figuren. Diese Filmelemente binden die narrativen Konflikte an die jeweilige Figur und legen dem Publikum eine empathische Identifikation mit den Protagonistinnen nahe, sie personifizieren die narrativen Konflikte. Im filmstilistischen Kontext können diese Einschübe als Brüche der realitätsnahen social realist-Erzählung interpretiert werden, die notwendigerweise durch die Montage eingebunden werden 146

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müssen, so dass ein nachvollziehbarer Handlungsablauf entsteht. Inhaltliche Verbindungen formal getrennter Sequenzen müssen für die ZuschauerInnen erkennbar, Schnitte die einen Wechsel der Realitätsebene sowie von Handlungsort und -zeit beinhalten müssen motiviert sein.14 Am stärksten lassen sich Brüche dieser Art in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING feststellen, der trotz einer kontinuierlichen Entwicklung des Geschehens in der diegetischen Gegenwart durch einen auffallend a-chronologischen Verlauf gekennzeichnet ist.15 Da die Einschübe in unregelmäßigen Abständen eingesetzt und ihre jeweiligen Längen sehr unterschiedlich sind, bewirkt dies nicht ein Rhythmisierung des Erzählverlaufs. Vielmehr erzeugt die Montage durch die Zerrissenheit der Erzählung einen Eindruck von Konflikthaftigkeit und betont die innere und wechselseitige Spannung der Charaktere. Die Erzählung findet aus der Perspektive des Jahres 1989 statt, ist jedoch durch eine Vielzahl von Rückblicken in Sonjas Kindheit und Jugend sowie von Träumen und Phantasien unterbrochen. Daher ist es notwendig, die Erzählzeit eindeutig zu kennzeichnen, damit die narrative Gegenwart von Rückblenden unterscheidbar bleibt.16 Mehrfach wird in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING die Methode der visuellen Verknüpfung genutzt, um Zeitsprünge zu verbinden, indem Orte und Landschaften wie ein Leitmotiv über Schnitte hinweg in Beziehung gesetzt werden. So endet der Teil des Filmes, der einen längeren 14 Durch die Montage, die Reihenfolge von Szenen und Sequenzen erhält ein Film seine zeitliche Struktur, die auf unserem Verständnis eines chronologischen Zeitablaufs beruht. Es wird eine narrative Gegenwart – die Zeit in der die Haupthandlung stattfindet – etabliert. Frühere Ereignisse werden durch Rückblenden sowie Erzählungen der ProtagonistInnen in der Vergangenheit angeordnet, im phantastischen und Science Fiction Film werden durch Vorschauen auch Begebenheiten in der Zukunft dargestellt. 15 »In der Regel strebt die Geschichte eines Filmes [...] in fortschreitend erzählter Zeit ihrer Lösung entgegen. Zwar hat das Kino dieser Provenienz immer wieder einmal – häufig beim film noir – in Form von Rückblenden seine Geschichten erzählt, doch muss es als absolute Ausnahme gelten, wenn ein Film einen Zeitlauf – quasi denselben zeitlichen Streckenabschnitt – wiederholte Male abfährt, um schließlich nach unzähligen zeitlichen Wiederholungen seine Geschichte aus der ›Zeitschleife‹ zu befreien und auf wiedererlangter Zielgerade ihrem Ende zuzuführen« (Bordwell et al.1997: 11; vgl. Thompson 1997). Obwohl sich diese fast absolute Einschätzung von filmischer Zeitordnung spätestens seit PULP FICTION (1994) und nachfolgender ›postmoderner‹ Spielfilme überholt zu haben scheint, gilt sie dennoch weiterhin für die meisten ›realistischen‹ Spielfilme. 16 Die Festlegung der narrativen Gegenwart ergibt sich aus der formalen Einordnung des Filmes in eine realistische Ästhetik und Erzählweise, deren interpretativer Rahmen keinen Blick in die Zukunft, wohl jedoch Rückblenden als Erinnerungssequenzen erlaubt. 147

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Rückblick auf Sonjas Kindheit in den späten 1950er Jahre erzählt mit einer Einstellung von Jean, der zeitweiligen Geliebten Bojans, die am Fenster ihres Hauses steht, die Gardinen beiseite hebt und nach außen schaut, offenbar auf Bojan wartend. Die Kamera zieht sich zu einer Totalen zurück, Jean lässt die Gardine fallen und der Film schneidet auf ein Bild, das Sonja zeigt, die 30 Jahre später in einer regnerischen Nacht im Auto sitzt und dasselbe Haus – nun verlassen und herunterkommen – betrachtet. In beiden Szenen nimmt die Kamera im Blick auf das Haus dieselbe Perspektive ein, zusätzlich sind sie durch die Weiterführung der Filmmusik miteinander verbunden, die mit dem Wegfahren Sonjas endet. Der nächste Schnitt bringt uns zu einer Szene, die Jenja und Sonja 1989 bei einem Ausflug in den Bergen zeigt. Jenja erinnert sich daran, auch mit Maria hierher gekommen zu sein und erzählt Sonja von ihrer Mutter. Mit der darauffolgenden Sequenz, die Sonja und Bojan zusammen in den Bergen bei der Jagd zeigt, beginnt der Erzählabschnitt, der in den 1970er Jahren spielt. Auch wenn es sich hier nicht, wie bei Jeans Haus, um den gleichen Ort handelt, der über den Schnitt hinaus gezeigt wird, sind sich die Landschaften doch ähnlich genug, um eine Verbindung zu schaffen, die den Schnitt und den Zeitsprung abmildern. Eine andere Möglichkeit die a-chronologische Struktur in einen kontinuierlichen Handlungsablauf einzubinden, ist die thematische Verknüpfung auf narrativer Ebene, bei der zwei Einstellungen aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Erzählungen verbunden werden. Ein Beispiel dafür ist die Sequenz, in der Sonja und Bojan 1959 in ihre erste gemeinsame Wohnung einziehen und die verwahrloste Hütte bewohnbar und häuslich machen. In diese ist eine Szene eingefügt, in der Jenja und Sonja 1989 ein kleines Haus auf seine Eignung als Heim für Sonja, »for a woman with a small family« begutachten. Hier bewirkt das ›ein-ZuhauseSchaffen‹ die Verknüpfung, die jeweils betont wird durch den heruntergekommenen Zustand der Räume. Auch die Tonebene wird in der Montage von THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING genutzt, um Sequenzen miteinander zu verbinden. Bei fast alle Zeit- oder Realitätssprüngen wird der Ton von einem visuellen Segment zum nächsten weitergeführt (vgl. Reisz/Millar 1988: 180f). Besonders auffällig ist dieses Verfahren, wenn dazu nicht Hintergrundgeräusche oder Musik sondern Dialog verwendet wird. Die geschieht beispielsweise am Anfang des Filmes. Während der dokumentarischen Sequenz, die den Bau eines Staudammes zeigt, beginnt die Rede des Beamten anlässlich der Einbürgerungszeremonie. Erst nach einigen Sätzen wird auf der Bildebene zur Spielfilmhandlung geschnitten. Damit wird der dokumentarische Teil, der stilistisch aus der visuellen Inszenierung des Filmes herausfällt, über den Bildschnitt hinweg in die fiktive Film148

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handlung eingebunden und dient der Authentisierung der Erzählung. Die Möglichkeit starker emotionaler Verknüpfung durch eine akustische Verbindung wird in einer der letzten Sequenzen des Filmes eingesetzt, als Sonjas Schreie bei der Geburt ihrer Tochter in das Schreien der 3-jährigen Sonja übergeht, als sie von ihrer Mutter verlassen wird. Durch diese Montage wird eine Beziehung zwischen Sonja, ihrer Mutter und ihrer Tochter, zwischen Vergangenheit und Zukunft hergestellt. Im Verlauf des Filmes fällt auf, dass einige der subjektiven Szenen und Einstellungen, die Sonjas Erinnerungen oder Phantasien schildern, in gleicher oder ähnlicher Weise wiederholt werden. So wird der Abschied Marias von ihrer dreijährigen Tochter Sonja dreimal in unterschiedlicher Länge und Ausführung gezeigt, wobei die jeweiligen Ausschnitte in den Kontext von Sonjas Entwicklung gesetzt werden. Die erste Verwendung zu Beginn des Films dient der Einführung der Problematik Sonjas, als sie nach Tasmanien kommt. Sie bildet einen Hintergrund ihrer konfliktbehafteten Beziehung zu ihren Eltern sowie ihrer ungewollten Schwangerschaft. Durch die Positionierung dieser Sequenz vor dem Beginn der Handlung in der filmischen Gegenwart wird das unerklärte Weggehen Marias als vorgängige Erklärung für die weitere Handlung nahegelegt. Direkt im Anschluss an die Konfrontation zwischen Sonja und Bojan folgt die erste Wiederholung: Nachdem Bojan seiner Tochter von Marias Vergewaltigung erzählt hat, läuft Sonja entsetzt und fassungslos aus seiner Wohnung zu ihrem Auto. Bereits mit dem Ende dieser Einstellung ist auf der Tonspur Maria zu hören, die ihrer kleinen Tochter ein Wiegenlied vorsingt. Als Sonja ihren Autoschlüssel sucht, fällt das Foto ihres Großvaters zu Boden und bleibt dort liegen. Hierauf folgt ein kurzer Ausschnitt der Einführungssequenz, nämlich die Szene, in der Maria ihre kleine Tochter in den Armen wiegt kurz bevor sie die Hütte verlässt. Die nächste Einstellung zeigt eine Ultraschall-Aufnahme und zusätzlich zu dem Lied ist ein Rhythmus von Herztönen zu hören. Anschließend sehen wir Sonja in einem weißen Krankenhausbett erwachen, das Kinderlied endet und Jenja, die bei Sonja ist, erzählt ihr, dass es Komplikationen in der Schwangerschaft gab. Die Erinnerung an das Weggehen ihrer Mutter, durch Bojans Erzählung hervorgerufen, wird als Auslöser für Sonjas körperliche Reaktion angeboten. Ihre Schuldgefühle, ihre Angst, Maria habe sie nicht genug geliebt und daher sei sie für das Verschwinden ihrer Mutter verantwortlich, richten sich gegen ihre eigene Schwangerschaft. In der letzten Wiederholung sehen wir die längste Fassung des Geschehens in der Vergangenheit. Zunächst wird die Sequenz des Anfangs – Marias Abschied von Sonja – wiederholt, darauf folgt eine Montage 149

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aus Szenen von Sonjas Entbindung und ihren Erinnerungen, in der zunächst gezeigt wird, wie die dreijährige Sonja nach dem Weggang ihrer Mutter ihren Vater in der Trinkhalle sucht und findet. Daran schließt die Auflösung von Marias Verschwinden an: der Film zeigt, wie Bojan und andere Arbeiter aus Butler’s Gorge Maria erhängt in den Bergen finden. Diese Handlung kann keine Erinnerung Sonjas sein, da sie als Kind bei dieser Begebenheit nicht anwesend war. Doch die Sequenz zieht sich noch weiter und zeigt die Aufbahrung Marias in der Hütte, bei der Sonja zugegen war und an die sie sich nun zu erinnern scheint. Das wiederholte Erzählen von Teilen oder des gesamten Handlungsabschnittes und seine Positionierung im Erzählverlauf betont die Bedeutsamkeit des Geschehens für die Narration, und dient dazu, eine Verbindung zwischen Maria und Sonja, deren Schwanger- und Mutterschaft, und damit auch der Mutter/Großmutter mit der Tochter/Enkelin Maria als zentral herzustellen. Dieselbe Struktur lässt sich in einer weiteren stilistischen Besonderheit von THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING aufzeigen, durch die Sprünge zwischen Szenen und Sequenzen verschiedener Erzählzeiten, -motive und Realitätsebenen nachvollziehbar gemacht und das Publikum über Schnitte hinweg getragen wird. Erinnerungen und Phantasien werden als durch Assoziationen hervorgerufen dargestellt, indem gleiche oder ähnliche Motive bzw. Gegenstände in verschiedenen Erzählabschnitten eingesetzt werden. So werden in der Aufbahrungssequenz früher gezeigte Szenen und Phantasien Sonjas nachträglich begründet und an Marias Suizid gebunden: Als die dreijährige Sonja den toten Körper ihre Mutter betrachtet, die in ihrem weißen Hochzeitskleid in einem Sarg aufgebahrt ist, beginnen von außerhalb des Bildrahmens Rosenblütenblätter auf Maria zu fallen. Hier vermischt sich die Erinnerung an die Aufbahrung ihrer toten Mutter mit der Blütenblätter-Phantasie Sonjas, für die es keine diegetisch-logische Erklärung gibt. Doch sie erinnert an eine frühere Sequenz: die achtjährige Sonja liegt in der Badewanne und Bojan lässt Kamillenblüten in ihr Badewasser rieseln, um ihren Hautausschlag zu heilen. Dabei phantasiert sie sich auf eine weite, helle Hügellandschaft, in der ihr Großvater, wie auf der alten Fotografie, aufgebahrt in einem Sarg liegt. Eine Frau kommt hinzu und beugt sich über den Sarg, in dem jetzt Sonja liegt, und lässt Rosenblütenblätter auf sie hinabschweben. Die fallenden Blüten, seien es Kamillen oder Rosen, sowie die Positionierung in einem engen Behältnis – der Badewanne bzw. dem Sarg – bewirken in der Filmerzählung die assoziative Verbindung Sonjas eigener Person mit der Aufbahrung des Großvaters, die sie auf einem Foto gesehen hat, und der Aufbahrung ihrer Mutter. Über dieses Motiv wird die Verbindung zwischen den Figuren noch weiter in die Ver150

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gangenheit, bis zur Generation des Großvaters ausgedehnt. Die Geschichte seiner Ermordung, die Bojan seiner Tochter Sonja anhand des Aufbahrungsfotos erzählt, verbindet die Gegenwart in Australien mit der Herkunft der Familie aus Slowenien und den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs als Migrationsgrund. Gerade die stark gebrochene narrative Struktur und die verschiedenen Stilmittel, diese zu verbinden, werden dazu genutzt, in der Gesamterzählung eine Biographie Sonjas herzustellen, die an die Geschichte ihrer Familie gebunden ist. Die assoziativ motivierten Erinnerungen und Phantasien über ihre eigene Kindheit, ihre Eltern und Großeltern, werden in Zusammenhang mit Sonjas jeweiliger Lebensphase gesetzt. Die Verarbeitung und Aussöhnung der Familiengeschichte wird als notwendig dargestellt, um mit ihren eigenen Erfahrungen und Problemen umzugehen, diese zu lösen und sich weiterentwickeln zu können. Erst nachdem sie den Verlust ihrer Mutter verarbeitet und akzeptiert hat, ist es für Sonja möglich, sich mit ihrem Vater zu versöhnen und eine Beziehung zu ihm sowie zu ihrer Tochter aufzubauen. FISTFUL OF FLIES weist vergleichbare Stilmittel der Montage auf. Auch in diesem Film ist der Erzählverlauf weitgehend chronologisch, wenn auch wiederholt von Einschüben unterbrochen. Der Erzählung vorangestellt ist ein Prolog, in dem Mars als etwa Fünf- oder Sechsjährige zwei kopulierende Hunde beobachtet und dafür von ihrer Mutter Grace bestraft wird. Die folgende Handlung in der narrativen Gegenwart wird mit einem weiteren Bruch der realistischen Erzählweise eröffnet, mit einem Traum von Mars, in dem sie durch die Apfelplantage rennt und versucht, den sie umschwirrenden Fliegen zu entkommen. Erst mit ihrem Erwachen beginnt die eigentliche Haupterzählung. Es folgen die Einführung der ProtagonistInnen und der Grundsituation sowie der Bruch der narrativen Ordnung durch die Bestrafung, die auf Mars Masturbation folgt. Nach etwas über zwei Dritteln der Erzählzeit erfolgt mit der Konfrontation zwischen Mars und ihrem Vater eine Art show-down als Höhepunkt, anschließend die Herstellung einer neuen Ordnung. Abgeschlossen wird der Film mit einem kurzen Epilog, der den ersten Alptraum Mars aufgreift. In diesem Traum steht sie jedoch ruhig in der Apfelplantage, die Arme vor dem nackten Oberkörper gekreuzt. Lächelnd öffnet sie eine ihrer Fäuste und entlässt daraus einige Fliegen. Die Probleme, vor denen sie im ersten Traum noch davonlief, sind gelöst und Mars versucht nicht mehr, Fliegen in ihren Händen zu fangen sondern gibt sie in die Freiheit. Im Gegensatz zur ersten Traumsequenz, in der die Atmosphäre von Furcht und Bedrängnis durch die Blaufärbung der Bilder verstärkt wird, ist die Schlusseinstellung friedlich und ruhig und in einem hellen Grün gehalten. Die beiden der geschlossenen Filmerzäh151

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lung voraus- bzw. nachgestellten Sequenzen sind nur indirekt mit der Filmhandlung verbunden. Die Einbindung des Prologs, der ein Ereignis aus Mars Kindheit zeigt, sowie der letzten Szene, die an den ersten Traum erinnert, findet maßgeblich über den Handlungsort der Apfelplantage statt. Im Verlauf des Films wird der zeitlich geordnete Ablauf durch einige Traum- und Phantasieszenen sowie von flash backs gebrochen, die kurze Szenen aus Mars Kindheit zeigen. Diese können entweder als subjektive Erinnerungen ihrerseits oder als Assoziationen interpretiert werden, die ihre Kindheit mit der Gegenwart verbinden. Außer des etwas längeren Prologs sind diese Rückblenden auffallend abrupt in den Handlungsablauf eingefügt. Die Einbindung erfolgt über die Figur, da sie stets an Szenen anschließen, in denen Mars in der filmischen Gegenwart alleine im Bild zu sehen ist. Eine weitere Verbindung wird über das Motiv der Fliegen und deren Verbindung zu Mars Sommersprossen hergestellt. So folgt der erste flash back einer Szene, in der Mars ihr Gesicht mit Zitronensaft und einer Wurzelbürste schrubbt und dazu zwischen zusammengebissenen Zähnen »fly shit« murmelt.17 Alle drei flash backs enthalten Fliegen und enden jeweils mit einem Schnitt auf die kreisförmige elektronische Fliegenfalle, die im Haus der Familie Lupi zu sehen ist, in der gerade eine Fliege stirbt. Die Träume und Masturbationsphantasien von Mars sind in erster Linie über die Narration in den Handlungsablauf eingebunden. Dabei werden die Traumszenen jeweils nachträglich narrativ aufgelöst, indem gezeigt wird, wie Mars aus ihrem Traum erwacht. Eine zusätzliche Verbindung findet über Farbe und Kleidung statt: Alle Traumsequenzen sind in dasselbe kalte, blaue Licht gesetzt wie die darauffolgenden nächtlichen Szenen. Mars träumt von sich stets in ihrem weißen Nachthemd, das sie ebenfalls trägt, wenn sie aufwacht. Den Phantasiesequenzen dagegen geht stets eine Szene voraus, in der Mars zu sehen ist, wie sie sich selbst sexuell erregt. Diese Szenen motivieren die folgende Phantasie und binden das Publikum in den Wechsel der Realitätsebene ein. Die erste Phantasiesequenz wird zusätzlich durch visuelle Parallelen an die reale Filmhandlung gebunden. So liegt Mars in einem orangefarbenen Kleid rücklings in ihrem Zimmer auf dem Teppich, der in einem unruhigen blau-weißen Muster gehaltenen ist, und onaniert. In der darauf folgenden Phantasie treibt sie in einem ebenfalls orangenen Hemd, dessen Zuschnitt ihrem Nachthemd gleicht, auf dem Rücken im Wasser. Das blaue, bewegte Wasser greift dabei das Muster des Teppichs auf. 17 Dies ist im Englischen ein umgangssprachlicher Ausdruck für Sommersprossen, den ihr Vater Joe zuvor bereits benutzt hat. 152

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Sowohl Körperhaltung als auch die Farbe der Kleidung und des Hintergrunds verbinden die beiden Realitätsebenen und führen das Publikum über den Schnitt hinweg. Die Verbindung zum dritten parallel verlaufenden Erzählstrang, der Ankunft der Marien-Statue auf dem Kirchhof, wird narrativ sowie auf akustischer und visueller Ebene einbezogen. So sieht man, wenn Mars im Badezimmer tanzt, im Hintergrund durch das Fenster die Statue vorbeischweben, dazu ist das Geräusch des Hubschraubers zu hören, der die Madonnen-Figur zur Kirche bringt. Die bewegte, von oben blickende Kamera, die eine leichte Drehbewegung vollführt, verbindet die Bewegung der Statue mit der Perspektive der nächsten Szene, die Mars beim Onanieren in ihrem Zimmer zeigt. Auch hier blickt die Kamera direkt von oben und bewegt sich kreisförmig schwenkend. Insgesamt lässt sich die Montage in FISTFUL OF FLIES im Vergleich zu THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING als weicher beschreiben: die Brüche zwischen verschiedenen Realitätsebenen sind narrativ und stilistisch stärker in die Filmhandlung eingebunden und es finden weniger Sprünge zwischen verschiedenen Handlungsorten statt, wobei diese meist narrativ motiviert sind. Andererseits wirken die selten eingesetzten flash backs als relativ harte Schnitte, da sie weder akustisch noch direkt visuell sondern nur thematisch und über das Motiv der Fliegen mit den vorhergehenden bzw. folgenden Bildern verbunden sind. Durch die Montage nehmen sie im Erzählverlauf einen prominenten Status ein, der eine Verbindung der Gegenwartshandlung mit Mars Kindheit herstellt. Diese Rückbindung legt eine auto-biographische Erzählung nahe, die durch die Träume und Phantasien von Mars unterstützt wird. Auch in diesem Film stellt sich über die subjektive Erzählperspektive und die Erinnerungen eine Verbindung zwischen Mars Kindheit – der Vergangenheit – und ihrer Zukunft in einer neuen Familienkonstellation her. In FLOATING LIFE wird der kontinuierliche Narrationsverlauf der diegetischen Gegenwart durch Wechsel der Handlungsorte bzw. -zeiten ebenfalls mehrfach unterbrochen. Die Haupterzählung handelt von der Zeit der Migration der Eltern und jüngeren Brüder bis zur Genesung Bings von ihrer Depression und zu ihrer angekündigten Schwangerschaft. Bing, die durch die Ankunft ihrer Eltern und Brüder in ihrem bisherigen Leben irritiert und durch ihre darauffolgenden Reaktionen als Konfliktauslöserin dargestellt wird, spielt eine zentrale Rolle im gesamten Filmverlauf, da die anderen Erzählungen ebenfalls mit ihr in Verbindung stehen. Bing ist auch die einzige Figur, deren Entwicklung in einer Rückblende gezeigt wird, die als Begründung für ihr Verhalten in der diegetischen Gegenwart dient, das als ausgelöst durch Einsamkeit und Furcht vor Verlust erklärt wird. 153

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In die Narration der diegetischen Gegenwart in Australien sind Erzählungen von Yens Leben in Deutschland, Gar Mings Erlebnissen in Hongkong vor seiner Ausreise sowie Bings Erinnerung an die Zeit, als sie alleine in Australien lebte, eingeflochten. Diese Passagen sind zwar mit der Schilderung der Haupterzählung verbunden, bilden jedoch formal voneinander getrennte Erzählabschnitte, so dass der Film wie durch Kapitel gegliedert ist. Dabei ist jedes der Kapitel an ein Haus gebunden. Auf visueller Ebene werden als trennendes und strukturierendes Element Zwischentitel eingesetzt, die in der Bildgestaltung identisch sind: Auf einem beigen Hintergrund, der wie grob gewebte Leinwand oder Bambuspapier wirkt, steht die englischsprachige ›Überschrift‹, die das jeweilige Haus näher kennzeichnet,18 daneben chinesische Schriftzeichen sowie eine einfache, im Stil chinesischer Graphik gehaltene Zeichnung eines Hauses. Dem Zwischentitel folgt jeweils eine ›Portraitaufnahme‹ des Hauses, das Zentrum des folgenden Erzählabschnittes ist. Diese Bilder wirken immer statisch, da das Gebäude den gesamten Bildrahmen füllt und keine Personen zu sehen sind. Die Kapiteleinteilung ist eines der markantesten Montageelemente des Films: »the structure of the film becomes part of the story telling« (Floating Life Press Kit: 7).19 Dabei wird der neue Erzählabschnitt immer schon vor der Einblendung des Zwischentitels narrativ eingeführt: Ein kurzer Teil der Handlung des nächsten Kapitels findet bereits vor der jeweiligen Überschrift statt. An fast allen Übergangsstellen zwischen zwei Erzählabschnitten werden Kommentare aus dem Off genutzt, um diese miteinander zu verbinden. Dies gilt insbesondere, wenn die Erzählung einen starken Zeit- oder Ortswechsel vollzieht, der durch die Narration nicht hinreichend eingebunden ist. So hören wir Gar Ming am Ende 18 Diese Überschriften sind teilweise Ortsangaben: a house in Australia, a house in Germany, house in Hong Kong und a house in China, wobei von letzterem kein Portrait gezeigt wird und dort keine Handlung stattfindet, da es eine Erinnerung von Pa bezeichnet. Andere Bezeichnungen dienen als Charakterisierungen des jeweiligen Hauses: a house without a tree, a big house oder binden es in die Narration ein: a house in turmoil. Nur das letzte Haus erhält eine Zuordnung zu einer Person: Mui-Mui’s house. 19 Die vollständige Frage und Antwort im Interview lautet: »It’s an unusual way to organise a feature film, almost in chapters, a different family member’s house heading each section« [Clara Law:] »The different experiences that people undergo before and after immigration, are complex. A lot is defined by your past experience, which is also tied to your present and to how you imagine the future. It’s hard to tell stories like these from a single, straightforward point of view. So instead the structure of the film becomes part of the story telling. In order to get the truth of the immigration experience we follow different characters at different stages of the process«. 154

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des Besuchs von Yen in Hongkong sagen, dass er sich seiner Schwester eigentlich anvertrauen wollte, es jedoch nicht tat. Darauf schließt sich der Zwischentitel »a house in Hongkong« an sowie die narrative Umsetzung des Gesprächs, das nicht stattgefunden hat. Dieser Struktur folgt auch der Übergang zu Bings Rückblende. Nach dem Streit zwischen Bing und Yen am Ende des Besuchs der älteren Schwester in Australien leitet die Off-Erzählung Bings die Beschreibung ihres Lebens allein in Australien ein: »My sister went back to Germany. Will she understand if I’ll tell her my story?«, worauf der Schnitt zum Zwischentitel folgt. Das Haus, in dem Bing und Cheung zur Erzählzeit wohnen, ist der einzige Handlungsort, der mehrfach in der Erzählung eine Rolle spielt und dem zwei unterschiedliche Überschriften zugewiesen sind.20 Beiden Erzählabschnitten sind Sequenzen vorangestellt, die diesen Handlungsort bereits thematisieren, wobei es sich in beiden Fällen um Umbrüche in der Art des Wohnens und Zusammenlebens handelt. Dem ersten Handlungsstrang geht der ›Prolog‹ von Abreise und Ankunft der Eltern und Brüder voraus, dem zweiten der Einzug des Ehemannes Cheung. Diese Szene beendet den Rückblick auf die Jahre, die Bing alleine in Australien gelebt hat. Anders als in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING und FISTFUL OF FLIES fehlen in FLOATING LIFE stilistisch aus der gesamten Filmgestaltung herausgehobene Szenen, die der Visualisierung psychischer Befindlichkeiten dienen, fast völlig. Die einzige Ausnahme ist die Sequenz in der Cheung der Familie von Bings Depression erzählt und die im Stile von ›Familienportraits‹ als Aneinanderreihung von Standbildern, gerahmt durch den Kamerablick durch ein Fenster, gestaltet ist und mit einer Erzählung aus dem Off erklärt wird. Sonst werden die subjektiven Standpunkte der jeweils zentralen Figur ebenfalls durch Kommentare aus dem Off teilweise kommentiert, teilweise durch Beschreibungen der Gefühle erklärt oder auch mit anderen Erzählungen in Zusammenhang gebracht. In der Haupterzählung werden dazu häufig Anmerkungen und kurze Dialoge von Chau und Yue eingesetzt. Dabei fallen zwei Sequenzen auf, in denen die Ausführungen aus dem Off nicht parallel zu der gezeigten Handlung stattfinden. Beide beziehen sich auf die Elterngeneration, insbesondere auf Pa. So findet seine eigene Erinnerung an sein Leben vor der Emigration nach Hongkong nur im Gespräch mit einem gleichaltrigen Freund statt, mit dem er sich eines Abends in der Stadt trifft. Anders als Pa hat dieser das Dorf in der heutigen Volksrepublik China besucht, in dem er früher gelebt hat. Der 20 Die beiden Bezeichnungen lauten »a house in Australia« und »a house in turmoil«. 155

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

Freund zeigt Pa ein Foto seines Hauses dort und löst damit Erinnerungen aus, von denen Pa spricht. Den Hintergrund für die erste Emigration ihres Vaters berichtet Yen in einer Erzählung aus dem Off. Sie vergleicht ihre Situation und die ihrer Tochter Mui-Mui in der BRD mit der ihrer Eltern in Hongkong und erläutert die Migration ihres Vaters im Jahre 1949, als die Hongkong und Macao umschließende Provinz Kanton/ Kwangtung kommunistisch wurde. In der Zusammenführung der Analysen lässt sich festhalten, dass alle Filme unterbrochene Erzählabläufe aufweisen und dass die eingesetzten Stilmittel der Montage dazu verwendet werden, nicht nur Erzählabschnitte, Realitätsebenen, Zeiten und Orte miteinander zu verbinden, sondern auch die verschiedenen Figuren unterschiedlicher Generationen miteinander in Beziehung zu setzen. Denn obwohl die drei Filme jeweils eine zentrale Figur haben – Bing, Mars, Sonja – unterstützt die Montage die Einbindung dieser Figuren in den Zusammenhang ihrer Familien, die von der Narration vorgegeben ist. Die Sequenzen, die Gefühle und subjektive Perspektiven vermitteln, dienen als Beschreibung ›innerer‹ Befindlichkeiten der Figuren und als Ergänzung ihrer sichtbaren Handlungen. Sie betonen einen Eindruck autobiographischer Erzählungen der weiblichen Hauptfiguren, die als Sympathieträgerinnen aufgebaut werden und so die empathische Identifikation des Publikums mit den Charakteren und der Handlung, den Problemen und Lösungen erleichtert.21 Ein weiteres gemeinsames Stilmittel der Montage ist eine ›Kreisförmigkeit‹ im Erzählverlauf. Diese entsteht, da jeweils am Ende der drei Filmen Szenen des Beginns wiederholt bzw. zitiert werden sowie durch die Setzung von Sequenzen, die als Prolog und Epilog die Haupthandlung der Filme einfassen. Da Anfang und Ende eines Filmes in ihrer Positionierung bedeutungsentscheidende Momente sind, hat diese Wiederholung maßgeblichen Einfluss auf den Eindruck des gesamten Filmes. Durch diese Rückgriffe, seien sie visuell durch die Wiederholung von Einstellungen und Bildern, sei es auf der akustischen Ebene durch Wiederverwendung oder Zitieren einer Melodie oder eines Liedes, wird die Erzählung zunächst formal abgeschlossen. Andererseits wird das Vergangene, die Ausgangssituation zu Beginn der Handlung, mit einer fiktiven narrativen Zukunft in Verbindung gesetzt. Es wird also in der Lesart der Filme sowie in der spekulativen Fortführung der Erzählung nahegelegt, dass die anfängliche problematische Situation maßgeblich für die gesamte Narration, für das ›Leben‹ der ProtagonistInnen ist.

21 Kristin Thompson und David Bordwell verweisen als Beispiel auf die Darstellung der Erzählperspektive von MAD MAX II – THE ROAD WARRIOR (vgl. Bordwell/Thompson 1990: 68f; Hayward 2000: 133ff/375ff). 156

INSZENIERUNGEN VON MIGRATION UND MULTIKULTURALITÄT

Diese Schließung der Erzählung durch Verbindung von Filmanfang und -ende geschieht in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING in mehrfacher und sehr auffälliger Weise. Der Film beginnt mit einem Kameraschwenk über eine Hügellandschaft, über die ein Teil des Vorspanns und der Titel des Filmes gelegt ist. Das Bild wird auf schwarz abgeblendet, während der Titel noch für einige Zeit zu lesen ist, bevor auch dieser verschwindet und nur das Schwarzbild bleibt. Auf der Tonspur liegt über dieser Landschaftsaufnahme eine Frauenstimme, die ein slowenisches Kinderlied singt, im Hintergrund ist ein wenig Vogelgezwitscher und Windgeräusch zu hören. Der Gesang endet mit dem Schwarzbild, wobei das Windgeräusch die ganze Zeit vernehmbar bleibt. Nun sind eine Frau und ein Kind zu hören, die sich unterhalten. Nach kurzer Zeit können wir das Gespräch auch im Bild verfolgen, so dass die Stimmen als die von Maria und der dreijährigen Sonja identifiziert werden. Auf diese Eingangsszenen bezieht sich eine Sequenz am Ende des Filmes sowohl durch visuelle als auch akustische Wiederholung. Sonja liegt mit der kleinen Maria auf einer Decke im Gras, an der Stelle, wo die Hütte stand, in der sie mit beiden Eltern lebte. Sie betrachten und lauschen der Spieldose, Sonja sieht sich mit den Worten »This used to be my home once, Maria« um, und wir sehen dieselbe Landschaftsaufnahme wie am Filmanfang, die jetzt in die Filmnarration eingebunden ist, bevor zu einem Schwarzbild geschnitten wird, über das der Abspann läuft. Die visuelle Einrahmung der Erzählung wird auf der Tonspur wiederholt, auf der am Ende des Films eine Frauenstimme dasselbe Kinderlied singt wie zu Beginn. Eine weitere Parallelität, die auf der formalen Montageebene hergestellt wird, besteht in der auffallenden Brüchigkeit: sowohl am Anfang als auch am Ende des Filmes finden mehrere, kurz hintereinander geschnittene Orts- und Zeitwechsel statt. Auch in FISTFUL OF FLIES sind Anfang und Ende des Filmes durch visuelle und narrative Klammerungen verbunden. Die Auffälligste ist die Wiederaufnahme der visuellen Inszenierung und des Handlungsortes in zwei Träumen von Mars. Die erste Szene des Haupthandlungsstranges ist ein (Alp-)Traum, in dem Mars durch die Apfelplantage läuft und dieser Ort wird in der letzten Einstellung des Filmes wieder aufgegriffen. Im Gegensatz zu der nächtlich-blauen Einfärbung der Bilder in der ersten Traumsequenz ist die Schlusseinstellung in einem hellen, freundlichen Grün gehalten und der Hintergrund verschwimmt durch Weichzeichnung. Beide Male ist die realistische Erzählweise durch die Farbgebung und Beleuchtung gebrochen und die Inszenierung ruft einen Eindruck des Irrealen hervor. Auf der erzählerischen Ebene entsteht durch die Figur der Großmutter Virginia eine Einfassung der narrativen Gegenwart. Virginia ist in 157

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

der ersten Kindheitssequenz anwesend, die der Erzählung in der diegetischen Gegenwart vorausgeht und den Ablauf des Vorspanns unterbricht. Die letzte narrative Sequenz beschreibt ihre Rückkehr in das Haus der Familie Lupi, in der Joe nicht mehr präsent ist. Auch die anderen Figuren, Mars und ihre Mutter als weitere Protagonistinnen sowie Johnny, der zu Beginn des Filmes zumindest als Graces deutlich erkennbare Schwangerschaft vorhanden ist, treten wieder auf. Nur Innocentina, Virginias Freundin kommt in der letzten Sequenz neu hinzu. Eine weitere Verbindung zwischen dem Filmanfang und -ende sowie zwischen Mars und Grace stellt sich durch das Urinieren im öffentlichen Raum her. Während sich Mars in der ersten Kindheitsszene vor Angst und Verwirrung in die Hose macht, setzt sich Grace nach der Konfrontation zwischen Mars und Joe aus Erschöpfung mitten auf die Straße, um sich zu erleichtern. In FLOATING LIFE sind Anfangssequenzen und Filmende weniger auffällig miteinander verbunden. Auch dieser Film weist eine Prolog/ Epilog-Struktur auf, dabei ist die Sequenz kurz vor der Abreise von Ma, Pa und den jüngeren Brüdern in Hongkong als Einleitung der Narration vorangestellt. Abgeschlossen wird der Film mit dem nur eine Einstellung umfassenden Kapitel »Mui-Mui’s house«. Die Verbindung von Anfang und Ende der Haupthandlung findet auf mehreren Ebenen statt. Das erste Kapitel, »a house in Australia«, beginnt mit dem Eintreffen der Familie bei Bing und Cheung, man sieht das Auto die leeren Straßen des Vorortes entlangfahren und vor dem Haus anhalten. Im Off unterhalten sich die jüngeren Brüder Chau und Yue über diese Ankunft, sie erinnern sich an diesen Tag – sie sprechen also aus der Zukunft. Chau: I still remember that day. Cool, sunny, like a movie. Yue: What movie? Chau: Basic Instinct, Jurassic Park, … Yue: Oh, you mean a bloody horror movie.

Dieser Dialog unterstreicht den visuellen Eindruck des Vorortes: die Strassen sind menschenleer, nicht einmal andere Autos sind zu sehen. Das harte, helle Sonnenlicht lässt die Linien der Häuser und Strassen klar hervortreten, doch diese Klarheit bewirkt einen fast unheimlichen Eindruck. Im folgenden Dialog wird die Wahrnehmung des Außenraums als bedrohlich mehrfach betont. Elemente dieser Sequenzen werden am Ende des Filmes zitiert, indem die letzte Sequenz vor dem Epilog zeigt, wie Bing zusammen mit ihrer Mutter zum ersten Mal nach Monaten der Depression wieder ihr Haus verlässt. Wir sehen dieselben leeren Straßen und aus dem Off kommentieren Yue und Chau das Geschehen, wie sie 158

INSZENIERUNGEN VON MIGRATION UND MULTIKULTURALITÄT

es bei der Ankunft taten. Während sie zu Beginn rückblickend sprechen, geben sie am Ende einen Ausblick auf die in der Zukunft liegende Schwangerschaft Bings. Auch die Furcht Bings, das Haus zu verlassen, der kleine Terrier, vor dem die Neueingewanderten zu Beginn des Filmes panisch flüchten und vor dem nun Bing Angst hat, erinnern an den Anfang der Erzählung. Die deutlichen Verbindungen von Anfang und Ende der Filmnarrationen lassen sich als Einbindung der Handlung in einen zeitlichen Ablauf von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft interpretieren. In der Narration wird auf einen kontinuierlichen Zeitverlauf verwiesen, in dem Migration als Prozess definiert wird, der von Problemen, die zwischen Altem und Neuem, zwischen Herkunftskultur und Einwanderungsland, zwischen Elterngeneration und Kindern bestimmt ist. Diese Brüche müssen im Verlauf des Migrationsprozesses verhandelt werden. Durch narrative Verlagerungen auf Generationenkonflikte verbinden sie die ProtagonistInnen der zweiten Generation mit ihren Vorfahren, durch die Verweise auf die Zukunft mit ihren Nachkommen. Dies hat für die Konstruktion von Gemeinschaften eine wichtige Bedeutung, da in der Regel alle Gruppen die sich als ›ethnische‹ oder ›nationale‹ Gemeinschaften definieren, ihre Kontinuität durch die Weiterführung der Generationenfolge sowie durch die Weitergabe von Tradition herstellen. Dabei nimmt die Konstruktion von Geschlecht und insbesondere die weibliche Position eine zentrale Rolle ein. Frauen werden sowohl für die biologische Reproduktion innerhalb der Gruppe verantwortlich gemacht als auch, durch die Konstruktion von Mutterschaft, für die Weitergabe kulturellen Wissens an die Kinder. In diesem Sinne dient die Dopplung im Handlungsverlauf einer stilistischen Verstärkung der Narration, die ethnisierte weibliche Figuren in einer zeitlichen Kontinuität von Generationenfolge verortet. Nach dieser Interpretation ist es ein signifikantes Merkmal, dass auffallend viele Filme in einer Zeit der Neuverhandlung von Diskursen zu Migration ihre Narration um eine weibliche zentrale Figur herum aufbauen. In der filmischen Repräsentation – als Produktion von MigrantInnen-Erzählungen – wird die Wirksamkeit von Weiblichkeit für die Konstruktion von Ethnizität und ihrer Authentizität eingesetzt: Die Erzählperspektive unterstützt durch den Anschein einer autobiographischen Erzählung die Identifikation mit der Hauptfigur. Darüber hinaus erleichtert eine weibliche Hauptfigur die empathische Identifikation des Publikums mit der Erzählung, da Frauen eine stärkere Emotionalität zugestanden und zugeschrieben wird. An diese Analyse filmischer Stilmittel möchte ich nun die zweier konkreter Gestaltungen anschließen, die Inszenierung von Figuren sowie 159

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

die Raumdarstellung und -verwendung. Dabei folge ich Fragen nach der geschlechtlichen und ›ethnischen‹ Markierung der ProtagonistInnen und der Beziehungen zwischen ihnen, den Orte und Räume, an denen sie gezeigt werden, deren Gestaltung und dem Verhältnis zwischen Innen-, Außen- und Zwischenräumen. Relevant wird hier auch die Positionierung und Bewegung von Figuren in und zwischen Räumen: Welche Personen bewegen sich in welchen Räumen; wie, wo und zwischen welchen Räumen finden Bewegungen statt. Diese Inszenierungen stehen im Kontext der Migration als einem Ortswechsel im geographischen wie auch im kulturellen Sinne und damit in Beziehung zur Repräsentation von Ethnizität und Geschlecht.

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Ve rk örpe runge n und Ve rrä umlic hunge n

Da Geschlecht und Ethnizität Konzepte sind, die in erste Linie an Menschen, d.h. an Individuen und Personengruppen gebunden sind, ist es die Inszenierung der Figuren, die die Zugehörigkeit zu verschiedenen Kategorien in der filmischen Darstellung erzeugt. Denn es handelt sich bei den Filmfiguren nicht um zufällig erscheinende Gestalten, sondern um ausgewählte SchauspielerInnen, deren Aussehen, Auftreten, Aktionen und Interaktionen – und damit ihre Charakterzeichnungen – in der Regel auf bewusste und reflektierte Inszenierungen zurückgeht. Die Besetzung der Rollen (casting), Aussehen, Mimik und Gestik der SchauspielerInnen, die Inszenierung durch Kostüm und Requisiten sind für die Repräsentation von Geschlecht und Ethnizität relevant. Kleidung, Frisur, Hautfarbe, Gestik, Mimik etc. geben Informationen über die Zuweisung sozialer Kategorien wie Geschlecht, Ethnizität, aber auch Alter, Rassisierung, soziale Schicht, Religion, usw. Aus diesen Informationen werden Kenntnisse über die Identität bzw. unterschiedliche Identitäten einer Person gezogen. In der Filmrezeption, bei der es keine Möglichkeit zur direkten Interaktion mit den Figuren gibt, sind die ZuschauerInnen auf die filmisch vermittelten Informationen angewiesen, um die narrativen Figuren nach einem vorliegenden Ordnungssystem zu interpretieren – oder darin zu scheitern. In der filmischen Figurenzeichnung spielen der Einsatz von Kostüm (Schnitt, Farbigkeit, Textur, Kinetik, Zeit- und Kulturstil also ›Mode‹ und ethnisierte Kleidungs- bzw. Trachtenelemente, etc.) eine wichtige Rolle. Das Kleidungsrepertoire charakterisiert die ProtagonistInnen und stellt Verbindungen zwischen ihnen sowie zwischen ihnen und anderen Inszenierungselementen (Raumwahl und -ausstattung, verschiedene Objekte etc.) her. Weiterhin trägt die äußerliche Veränderung der Figuren im Verlauf des Films, die sich häufig an Ver161

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

änderungen im Kostüm ausmachen lässt, wesentlich zur Entwicklung der filmischen Handlung bei. Durch die ›Verortung‹ von Filmfiguren in Räumen, ihre Bewegung in und zwischen ihnen, sind diese beiden Bereiche der Inszenierung eng miteinander verbunden. Durch die Trennung in Innen- und Außenräume und ihre Zuweisungen an Feminität und Maskulinität, an Eigenes und Fremdes sind Räume vergeschlechtlicht und ethnisiert. So tragen die Positionierung von Figuren und Handlungen in Innen-, Außen- und Übergangsräumen zur Konstruktion und Wahrnehmung von Geschlecht und Ethnizität im Film bei. Daher hat auch die Gestaltung von Räumen im Film durch Bildaufbau, Linienführung, Farbgebung und Lichtsetzung, die mise-en-scène, sowie ihre inszenatorische und narrative Nutzung Bedeutung für die filmische Repräsentation von MigrantInnen.

Figuren Alle drei Filme zeigen bei Auswahl der DarstellerInnen ein type casting, d.h. die Rollen wurden mit SchauspielerInnen besetzt, die ›gängigen Vorstellungen‹ der jeweiligen Figuren entsprechen; es lassen sich keine offensichtlichen Verfremdungseffekte in Körperbau, Gesichtszügen, Haut- und Haarfarbe o.ä. feststellen.1 In FLOATING LIFE findet darüber hinaus eine Markierung der Figuren als Asiatisch statt, die sich von der Konstruktion von Ethnizität durch die Vorstellung einer größeren Sichtbarkeit unterscheidet. Dies wird beispielsweise von den jüngeren Brüdern thematisiert, die mehrfach ihre Körpergröße beklagen. Bei dem Gespräch der drei Brüder am Strand werden Zugehörigkeiten zu verschiedenen rassisierten Gruppen thematisiert. Als, zunächst außerhalb des Bildes, eine junge weiße Frau vorbeigeht, beteuert Chau: »I swear, I’m gonna marry a blonde«, worauf Yue spöttisch fragt: »Why not an Aborigine«. Gar Ming weist in Kanton-Chinesisch darauf hin, dass die Vorbeigehende zu groß sei.2 Damit werden drei der in Australien stark mit Bedeutung aufgeladenen Gruppen, die anhand äußerer Merkmale – oder der Annahme derselben – unterschieden werden, in Beziehung gesetzt. 1

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»[D]ie körperlichen Merkmale eines filmischen Charakters [sind, js], auf Grund der medialen Ikonizität entweder gänzlich bestimmt oder unbestimmt. Diese Ikonizität wird in der konventionellen Kinematographie vielfach dahingehend ausgenützt, dass – beispielsweise – ethnische Charaktere entsprechend ihres Stereotyps (Italiener als klein und dunkelhaarig) besetzt werden« (Rieser-Wohlfarter 1996: 98). Die heterosexuelle Paarbildung, in der die Frau kleiner zu sein hat als der Mann, ist eine wirksame Praxis der Re-Konstruktion der Geschlechterordnung – die vorsieht, dass Frauen kleiner und schwächer sind als Männer.

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VERKÖRPERUNGEN UND VERRÄUMLICHUNGEN

So wenig vorstellbar es zu sein scheint, dass ein Asiatischer Mann eine blonde, d.h. weiße/europäische Frau heiraten könnte, so ›lächerlich‹ ist die Vorstellung, eine indigene Australierin zu heiraten. Auf der Ebene von Eheschließung und damit Familiengründung und Reproduktion bleiben die Gruppen durch klare, rassisierende Grenzen voneinander getrennt. Ein weiterer sehr wichtiger Faktor für die Figurendarstellung im Kontext von Geschlecht und Ethnizität liegt im Filmkostüm, in der Bekleidung der Figuren. Auch hier lässt sich zusammenfassend festhalten, dass es keine extremen Brüche in der Darstellung von Geschlecht gibt sowie wenig auffällige Kennzeichnungen von Ethnizität, auf ›ethnische‹ Kleidungsstile wie Trachten wird fast vollständig verzichtet.3 Die weiblichen Figuren weisen in allen Filmen eine größere Auswahl an Kleidungsstücken und -stilen und stärkere Veränderungen im Kostüm auf als die männlichen. Auffällig ist, dass die Kleidung der weiblichen ProtagonistInnen häufig mit farblichen und stilistischen Gestaltungen der Innenräume der jeweils zughörigen Häuser einhergeht. So trägt Grace in FIST4 FUL OF FLIES fast ausschließlich Blau, einige wenige Male auch violette Kleidungsstücke. In einigen Szenen, insbesondere im Badezimmer, scheint sich die Kleidung in der Wandfarbe des Hintergrunds aufzulösen; es entsteht der Eindruck einer Einheit von Grace mit dem Inneren des Hauses. Bei Mars dominieren ebenfalls Blau, Rot, Violett und in FLOATING LIFE wiederholt sich die Klarheit des Hauses in Bings strengem Kleidungsstil. Die einzigen Figuren, die über ihre Kleidung als ›ethnisch‹ typisiert werden, sind Jenja in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING sowie die weiblichen Nebenfiguren Rosa und ihre ›Gegenspielerin‹ Magda in FISTFUL OF FLIES. Rosa wird stets im schwarzen Kleid gezeigt, wie es der Vorstellung von einer traditionsbewussten Witwe aus dem südeuropäischen Raum entspricht, die für den Rest ihres Lebens Trauer trägt. Diese Kleidung zeichnet sie als konservativ aus, was sich in ihrem Verhalten und ihren Äußerungen zu Moralvorstellungen bestätigt. Ein Ein3

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Das Fehlen ›ethnischer‹ Markierung im Kostüm ist auch auf die social realist-Inszenierungsweise der Filme zurückzuführen und darauf, dass die gezeigten kulturellen communities in der Kleidung nicht von einem europäisch konnotierten Stil abweichen. Über die Farbe Blau wird eine Verknüpfung zur Madonna und damit zur katholischen Kontext der Familie Lupi hergestellt: »As a sky goddess, Mary’s colour is blue. […] The reason for the symbolism is also economic, however, for blue was an expensive pigment, obtainable only from crushed lapis lazuli imported from Afghanistan, and, after gold, it thus became the medieval painters’ most fitting and fervent tribute to the Queen of Heaven« (Warner 2000: 266). 163

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druck, der durch das Kopftuch aus schwarzer Spitze betont wird, das sie während der Weihe der neuen Madonnen-Statue trägt. Der Rosenkranz den sie, wie ihr Name nahelegt, stets mit sich trägt, bindet sie in den Kontext katholischer Religion ein. Sie fungiert als rigide ›Hüterin der Moral‹: sie ist dabei, als Grace ihre Tochter beim Onanieren überrascht und reagiert auf Mars Angst- und Schmerzensschreie, indem sie mit verbissenem Gesicht den Rosenkranz betet. Weiterhin übernimmt Rosa ›the snoop‹,5 wie Eno sie nennt, eine aktive Rolle im Versuch der Aufrechterhaltung der patriarchalen Ordnung, indem sie den Besuch von Mars bei Eno sofort an deren Mutter weiterträgt. Klatsch, eine gängige Zuweisung an – vor allem ältere– Frauen wird als Mittel der Verhaltensregulierung eingesetzt. Eine andere Form der Ethnisierung verkörpert Magda, die durch ihren Namen in den neutestamentlichen Kontext der sexuell aktiven Frau, der Prostituierten und Sünderin und als Gegenfigur zur Madonna gestellt wird.6 Magdas Kleidung mit den tiefen Dekolletés und nur knapp knielangen Röcken, die ›für ihr Alter‹ – sie scheint etwa Mitte 40 zu sein – zu kurz sind, sowie der auffällige Goldschmuck zeigen ihre sexuelle Verfügbarkeit bzw. ihre geschäftsmäßige Bereitschaft, sexuelle Gefälligkeiten gegen Gartenzwerge einzutauschen. Außer bei der Feier zu Maria Empfängnis, bei der sie eine blaugemusterte Bluse, deren Ausschnitt von einem darunter getragenen Hemd begrenzt wird, und ein blaues Jackett trägt, bevorzugt sie Kleidung aus großgemusterten, bunten Stoffen, in denen die Farbe Rot überwiegt und die ihre üppigen Formen hervorheben.7 Ihre Röcke enden deutlich oberhalb des Knies und die tiefen Ausschnitte betonen ihre vollen Brüste. Als sie Joe in seiner Werkstatt besucht, trägt sie einen Wickelrock, der vorne knapp übereinander liegt, so dass vom Saum ein kurzer, V-förmiger Spalt entsteht und auch der Stoff der Bluse ist im Brustbereich kreuzförmig übereinander gelegt und 5 6

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Von to snoop around: (umgangssprachlich) herumschnüffeln, herumspionieren. »The Virgin Mary [...] in her absolute purity and her exemption from the common lot she was free from all sin. Another figure consequently developed to fill this important lacuna, that of St. Mary Magdalene, who, together with the Virgin Mary, typifies Christian society’s attitudes to women and to sex. Both female figures are perceived in sexual terms: Mary as virgin and Mary Magdalene as a whore – until her repentance. The Magdalene, like Eve, was brought into existence by the powerful undertow of misogyny in Christianity, which associates women with the dangers and degradation of the flesh. For this reason she became a prominent and beloved saint« (Warner 2000: 225). Muster und Farbigkeit der Blusen von Magda finden sich in den Hemden von Picotti in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING wieder, eine Figur, die ebenfalls als italienisch und sexuell aktiv bzw. aggressiv markiert ist.

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VERKÖRPERUNGEN UND VERRÄUMLICHUNGEN

bildet einen spitzen Ausschnitt. Beide Kleidungs-Abschlüsse weisen in ihrer Öffnung auf die Körpermitte – der Rock nach oben, die Bluse nach unten – und betonen, wie einfach es ist, unter diese Kleidung zu fassen und auf den Körper, den sie verhüllen, ›zuzugreifen‹. Ihr Kleidungsstil, der auffallende Schmuck mit großen Ohrringen, dicken goldenen Halsketten und Armbändern weisen auf ihre sexualisierte Charakterzeichnung hin und stehen in deutlichem Kontrast zu der bemühten Bürgerlichkeit der Lupis und des strikten moralisch-frömmelnden Katholizismus Rosas. In THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING ist Jenja die einzige Figur, die, und dies auch nur in einer Szene, durch ihre Kleidung als ›ethnisch‹ markiert wird. Direkt nach ihrer Ankunft in Tasmanien sehen wir Sonja suchend durch eine Fabrik gehen, in der eine gleichförmige Masse von Arbeiterinnen an Nähmaschinen beschäftigt ist, die alle die gleiche Kleidung – gemusterte Kittelschürzen und Kopftücher in gedeckten Farben – tragen. Auch Jenja, die von der Kamera in Großaufnahme gezeigt wird, ist so gekleidet. Die ornamentale Musterung von Kleidung und Kopftuch, die Assoziationen von ›Orient‹ hervorrufen, die unter dem Kopftuch verborgenen Haare, das Fehlen von Schmuck und ihr ungeschminkt wirkendes Gesicht, in dem Falten um Augen und Mund zu sehen sind, zusammen mit der eintönigen, keine hochqualifizierte Ausbildung voraussetzenden Tätigkeit in einer Näherei markieren sie als ethnisierte Arbeiterin. Bereits in der nächsten Szene, die Sonja und Jenja vor der Fabrik und in einer direkten Kommunikationssituation zeigen, ist Jenja in dem Stil dargestellt, der für den Rest des Filmes durchgehalten wird. Sie trägt einen weißen Strickpullover aus einem flauschigen, leicht glitzernden Material mit eingestricktem Muster, darüber einen braunen Mantel und ein Tuch locker um den Hals. Ihr Haar ist offen in Locken gelegt, ihre Hände und Fingernägel sind gepflegt, sie trägt dezenten Goldschmuck und ein leichtes Make-up. Dieser auffällige Bruch der ersten mit den nachfolgenden Darstellungen von Jenja, in denen sie stets in elegant-bürgerlicher Aufmachung zu sehen ist, legt die Folgerung nahe, dass die ›proletarische‹ Inszenierung eine Verknüpfung mit der Arbeitsmigration nach Australien in den 1950er Jahren herstellen soll. Eine starke und durchgängig verwendete Markierung liegt in den Namen, die den Figuren gegeben werden und ihren konnotativen Bedeutungen. Sowohl Vornamen als auch Familiennamen verweisen durch Klang, Schreibweise und eventuell durch die ihnen inhärente Bedeutung auf die Sprache oder Sprachgruppe, in der sie entstanden sind. Vornamen sind häufig geschlechtlich bestimmt und kennzeichnen daher die Figuren als weiblich oder männlich. In allen Filmen werden die ethnisierten Figuren überwiegend durch Namen markiert, die im Englischen 165

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ungebräuchlich sind und ›fremd klingen‹.8 Im Dialog thematisiert wird der Familienname Lupi in FISTFUL OF FLIES: Eno reagiert auf die Verspottung seines Vornamens durch Mars – »That’s what I take if I get indigestion«9 – mit einer Beileidsäußerung zu ihrem Nachnamen. Auf Mars Verweis, Lupi sei in Italien ein wohlangesehener Name, bemerkt er nur »Yeah – but you’re not in Italy«. Auch Grace betont gegenüber Dr. Powers vehement die Betonung des Namens auf der letzten Silbe.10 Bei der Vornamens-Gebung trägt der Name Maria die stärkste Bedeutung. Sowohl in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING als auch in FISTFUL OF FLIES wird er – ohne die Anglisierung ›Mary‹ – wichtigen Figuren der Narration zugewiesen. Der Name Maria ruft in überwiegend christlich geprägten Kulturen fast automatisch die Assoziationen aus dem religiösen Kontext nach der Madonna, der ›Mutter Gottes‹ hervor.11 Maria stellt als ›Heilige Jungfrau‹ die Verkörperung vollkommener (katholisch-christlicher) Weiblichkeit dar, ein Ideal, das nicht erreicht werden kann (vgl. Warner 2000). Mars in FISTFUL OF FLIES benennt sich selbst stattdessen nach dem römischen Gott des Krieges. Die Eigenbenennung betont ihr Autonomiestreben und stellt eine Machtanmaßung dar, indem sie sich über die Benennung durch die Eltern hinwegsetzt 8

Ich beschränke mich hierbei auf die Filme FISTFUL OF FLIES und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING. In FLOATING LIFE werden fast ausschließlich chinesische Vornamen verwendet, teilweise benennen die beiden Brüder ihre Geschwister auch mit den jeweiligen ›Verwandtschaftsnamen‹, bspw. Second Sister für Bing: Chinesische Namen sind dreigeteilt und bestehen aus Familienname, individuellem Namen und dem Verwandtschaftsnamen, der die Stellung in der Familie kennzeichnet. Die beiden letzteren bilden den persönlichen Namen. Es gibt keine staatliche Regelung der individuellen Namen, die nicht geschlechtlich markiert sind. 9 Er beschreibt seinen Namen als Konglomerat aus den italienischen Vornamen Gino und Lino (»what’s in between«), zwischen denen seine Eltern sich nicht entscheiden können. In Australien gelten diese beiden Vornamen als ›typisch italienisch‹. 10 Der Name Lupi erinnert durch das lateinische Wort lupus, -i an den Wolf, allerdings auch an den Werwolf und in der weiblichen Form lupa, -ae, die Wölfin, an eine Prostituierte oder sexuell verfügbare Frau, eine Buhldirne (Stowasser 1971: 302). Im Englischen werden sowohl das Adjektiv lupine, wölfisch, von dem lateinischen Wort abgeleitet, als auch lupus vulgaris, »any of several diseases marked by skin lesion« (Webster’s 1994: 597), d.i. Hauttuberkulose (Pons 1981: 587). 11 Auch die anderen Vornamen der Familie Lupi verweisen auf einen christlichen Kontext, so steht Grace – oder die italienischer Version des Namens Grazia – sowohl für die Anmut als auch für christliche Gnade, Virginia sowie Innocentina sind Hinweise auf das Gebot der Jungfräulichkeit und damit der Unschuld unverheirateter Frauen. Die beiden männlichen Vornamen sind Kurzformen neutestamentlicher Namen, Joe steht für Joseph, Johnny für John/Johannes.

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und sich selbst einen Namen gibt, wobei die eigene Namenswahl für ihre rebellische, ›kriegerische‹ und maskuline Selbstdefinition steht (vgl. Butler 1993: 152f; Halberstam 1998: 7f). In THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING sind es zwei Figuren, die den Namen Maria tragen und als Mutter und Tochter die Protagonistin Sonja gleichsam einrahmen. Mit der Benennung ihrer Tochter verbindet Sonja diese beiden Personen miteinander. Sie stellte eine Beziehung zwischen Vergangenheit und Zukunft her, denn die Geburt steht am Ende des Filmes als Lösung des Konfliktes, den Sonjas Mutter durch ihren Suizid hervorgerufen hat. Dies ist ein Zeichen für ihre Aussöhnung mit dem Geschehenen, die sich auf Bojan ausweiten lässt, der gerührt seine neugeborene Enkelin in die Arme nimmt. Da die drei Filme fast ausschließlich in ethnisierten communities spielen, gibt es kaum Figuren, die als ›australisch‹ (im Sinne von anglokeltisch) gekennzeichnet sind. Selbst die Heaneys in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING sind im anglo-keltischen Kontext Australiens durch Namen, Kinderreichtum und Aussehen als ›irisch‹ markiert – als äußerlicher Indikator lassen sich hier die roten bzw. rotblonden Haare und die helle, sommersprossige Haut festhalten. Auch Dr. Powers in FISTFUL OF FLIES wird nicht als ›typische‹ Australierin gezeigt, ihre dunkle Haut- und Haarfarbe bezeichnen sie als indigene Australierin. Damit sind beide Positionen als außerhalb der dominanten, d.h. hegemonialen Gruppe bestimmt und beide werden als Medium der ironischen Brechung eingesetzt. So nimmt die älteste Tochter der Familie Heaney, Moira Kontakt zu Sonja auf mit den Worten: »Mum says we should play with you otherwise you might think we’re just snubbing you ’cos you’re a wog«. Die Benennung mit dem abfälligen Ausdruck wog erscheint durch die ebenfalls als ›irisch‹ ethnisierte Position lächerlich, verdeutlicht aber andererseits, dass die jeweilige Diskriminierung nach ›unten‹ weitergegeben werden kann und häufig wird. Dr. Powers erscheint bereits bei der Ankunft der Madonnenstatue zu Beginn des Filmes im Hintergrund der Feierlichkeit und die Positionierung am Rande bzw. außerhalb der italienisch-katholischen Gemeinschaft begleitet ihre Figur durch die gesamte Narration und wiederholt sich in der Konfrontationssequenz am Ende des Filmes wie ein Zitat. Dieses Außerhalb des Bekannten, das sich für die Familie Lupi ausschließlich auf Menschen italienischer Herkunft bezieht, wird zu Beginn des Hausbesuchs von Dr. Powers auf die Spitze getrieben.12 Als Grace

12 »Pellizzari construct the perplexing landscape in FISTFUL OF FLIES by obliterating any sense of wider community outside of the Lupi family and a couple of their friends. [...] Unlike THE HEARTBREAK KID, in which the 167

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beim ersten Klingeln die Tür öffnet und eine indigene Australierin dort stehen sieht, verweist sie auf einen Zettel, der neben der Haustüre befestigt ist: »If you want $$$ go away« und schließt energisch die Tür. Nach dem zweiten Klingeln meint sie vorwurfsvoll »I’m waiting for a doctor«, worauf Dr. Powers ihre Tasche hochhält und Grace dadurch von ihrem Beruf überzeugt, die ihren Fehler und bleibendes Misstrauen jedoch mit den Worten erklärt, »You mustn’t be from around here«. Das bekannte ›Hier‹ ist kein historisch-geographisches, denn in diesem Sinne wäre die Aboriginal markierte Ärztin in doppelter, wenn auch in widersprüchlicher Weise dem Hier und Heute zuzuordnen. Einerseits ist sie durch ihre Rassisierung und Ethnisierung einer Gruppe von Kulturen zugewiesen, die seit mehreren tausend Jahren in Australien ansässig sind und damit ›hierher gehören‹. Andererseits weist ihr Beruf und ihre Position als erfolgreiche, berufstätige Frau und Ärztin sie einer ›modernen‹ und ›fortschrittlichen‹, ›heutigen‹ Gesellschaft zu. Das Paradox entsteht durch die stereotype Vorstellung von Aboriginal People als ›traditionsund naturverbunden‹ und damit der Konstruktion der Medizin als wissenschaftlich und fortschrittlich diametral gegenüberstehend. Das Bild einer indigenen Australierin, die in einem, eine akademische Ausbildung voraussetzenden, wissenschaftlichen Beruf erfolgreich ist, ist in einem System von Polaritäten – Natur versus Wissenschaft, Aboriginal versus Weißer Gesellschaft, Frau versus Mann, Tradition versus Fortschritt – nicht vorgesehen und kann höchstens als ›Ausnahme‹, als ›Nicht-Hier‹ stehen. Zusätzlich verweist ihr Name auf ihren Bezug zur dominanten Kultur und ermächtigt sie, wie auch die institutionelle Rolle als Ärztin. Im Folgenden wie auch in der späteren Sequenz in ihrer Praxis vertritt Dr. Powers im Dialog den Diskurs der ›fortschrittlichen‹ wissenschaftlichen Einstellung gegenüber Mars sexueller Experimentierfreude als Gegendiskurs zur Sexualitäts- und Lustfeindlichkeit des Katholizismus, die durch Grace, Joe und Rosa vertreten wird. Ihre Kleidung, die neben warmen Brauntönen immer auch Orange aufweist, nimmt die Farbe des Nachthemds auf, das Mars in ihren erotischen Phantasien trägt. Dies schafft eine Verbindung zwischen der Ärztin und Mars, die sich sowohl auf einen offenen Umgang mit weiblicher Sexualität als auch auf das Anstreben und Erreichen einer beruflichen Karriere und ›mächtigen‹ (powerful) Position für Frauen bezieht. Wie Ethnizität nicht in der Inszenierung der Figuren herausgestellt wird, so wenig wird Geschlecht als offensichtliches Merkmal hervorgehoben. Die Figuren erscheinen ›selbstverständlich‹ als Frauen oder Mänwider community is there to help, in FISTFUL OF FLIES, there is no indication of this wider community« (Tan 1998). 168

VERKÖRPERUNGEN UND VERRÄUMLICHUNGEN

ner, offensichtliche, starke Brüche wie cross-dressing, Transvestismus, Transsexualität oder andere Überschreitungen von Geschlechtergrenzen werden nicht gezeigt, doch in allen drei Filmen lassen sich mäßig starke Brüche mit vorgeschriebenen Weiblichkeitsrollen finden, wie die Benennung von Mars als tomboy und die Androgynität Bings. Ein wichtiges diskursives und inszenatorisches Moment der Herstellung von Weiblichkeit liegt in der Verbindung mit Schwangerschaft und Mutterschaft. Dieses Thema wird in allen drei Filmen aufgegriffen, in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING begleitet die Zeitspanne der narrativen Gegenwart fast die gesamte Schwangerschaft Sonjas. Als sie in Tasmanien ankommt, ist sie bereits schwanger und hat sich zu einem Abbruch entschieden, doch Jenja überzeugt sie im Verlauf ihres Aufenthaltes, in Tasmanien zu bleiben und das Kind zur Welt zu bringen. Zu Beginn des Films erscheint Sonja als ›städtisch‹ gekleidete Frau Ende Dreißig, mit einem praktischen Kurzhaarschnitt, dezentem Schmuck und Make-up. Sie trägt taillierte Kostümkleider meist in gedeckten Brauntönen, die sowohl als Alltagskleidung wie als business suit geeignet sind, darüber entweder eine blaue Jacke oder einen roten Mantel, der an den Mantel ihrer Mutter erinnert. Im Verlauf der Erzählung und der Schwangerschaft verändert sich Sonjas Körper, aber auch der Stil ihrer Kleidung. Die Erdfarben werden beibehalten, sie wird jedoch häufiger in hellen Farben gezeigt und die Stoffe werden gröber, haptischer, die Kleider ›naturnäher‹. Dies fällt besonders bei dem Ausflug mit Jenja in die Berge oberhalb von Hobart auf, wo Sonja fast in den Farben der sie umgebenden Landschaft aufgeht. Das Heller-Werden der Kleidung steigert sich bis zu einem kurzen, weißen KrankenhausNachthemd bei der Geburt ihrer Tochter. In der letzten Szene, in der Sonja mit Maria im Gras sitzt, trägt sie ein kurzärmeliges, weit geschnittenes weißes Kleid mit großem Blumenmuster, in dem sich neben Grün und Gelb auch ein leuchtendes Rot findet. Nach der Geburt ihres Kindes hat sich auch ihre Frisur verändert, sie trägt ihren langen Pony aus dem Gesicht gekämmt, die Stirn frei. Die dunkle Zeit ihres Lebens, gekennzeichnet von den gedeckten Farben ihrer Kleidung, scheint vorbei und das Rot, das an ihre Mutter erinnert, ist ein Teil ihrer Kleidung geworden. Doch es bestimmt nicht mehr ihr Leben, wie zu Beginn der optisch sehr dominante rote Mantel. Nach der Schwangerschaft, die über die vestimentäre Inszenierung von ›Natürlichkeit‹ mit der Natur verbunden wurde, wird auch ihre Mutterschaft in die Natur eingebunden, indem Sonja sehr entspannt mit ihrer Tochter in der ›Naturlandschaft‹ gezeigt wird, wo früher die Hütte stand, in der sie mit beiden Eltern gelebt hat. Die Aussöhnung wird also in mehrfacher Weise inszeniert, in der femininen, hellen Kleidung, in der die Farbe Rot integriert ist, durch den Ort, 169

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der trotz der schmerzhaften Erinnerung als früheres Zuhause benannt wird, durch den Namen ihrer Tochter Maria, die Sonja nach ihrer Mutter benennt sowie durch die Mutterschaft selbst, mit der die weibliche Generationenfolge fortgesetzt wird. Die beiden letzten Kleidungsstücke Sonjas finden sich in sehr ähnlicher Weise in FLOATING LIFE wieder. Ebenso wie Sonja bei der Geburt ihrer Tochter trägt Bing, während sie das Gebet ihrer Mutter belauscht, ein kurzes weißes Nachthemd. Als sie mit ihrer Mutter zum ersten Mal wieder das Haus verlässt, trägt sie ebenfalls ein leichtes, weites Sommerkleid mit einem Blumenmuster – ein Zitat von Natur, die sich in der vorstädtischen Umgebung nur als Reproduktionen in Vorgärten und einem kleinen Jack Russell Terrier finden lässt. Der Kommentar aus dem Off verweist auf die zukünftige Schwangerschaft Bings, die in direkter Beziehung zu ihrer Mutter gesetzt wird: »It took Mum a month to drag her out of the house. Another year to make her pregnant«. Auch hier findet sich die Verbindung von Weiblichkeit, Schwangerschaft, Natur bzw. Außenraum und weiblicher Generationenfolge. Ebenfalls in diesem Kontext steht die Verwendung von Hochzeitskleidern in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING und FISTFUL OF FLIES und als Zitat in Sonjas Kommunionskleid. Während Mars tatsächlich das Hochzeitskleid ihrer Mutter entwendet und während der Konfrontation mit ihrem Vater trägt – die Sequenz, in der sich die Solidarität von Mutter und Tochter zum ersten Mal manifestiert – erinnert sich Sonja während der Geburt ihrer Tochter an die Aufbahrung ihrer Mutter in ihrem Hochzeitskleid. Das Kommunionskleid, das Mrs. Michnik und deren Freundinnen für Sonja nähen, verweist durch das bläulich-schimmernde Weiß und den Stil mit Rüschen- und Spitzenverzierungen auf die symbolische Nähe zu einem Hochzeitskleid.13 Als ihr Vater sie von Mrs. Michnik fort- und zu den Picottis bringt, muss Sonja dieses Kleid zurücklassen, doch es taucht in zwei ihrer Träume auf. Hochzeits- und Kommunionskleider sind besonders auffällige und mit Bedeutung aufgeladene Kleidungsstücke, die für christliche weibliche Übergangsrituale stehen (vgl. Warner 2000: 128). Sie symbolisieren durch die weiße Farbe die Unschuld der Trägerin, einerseits in der Kommunion, die ein Schritt in der Aufnahme als volles Mitglied der katholisch-christlichen 13 Kleider und fallende Blütenblätter stellen eine starke Verbindung zwischen Tod, Erinnerung und institutionalisierter weiblicher ›rites de passage‹ her: Sonja träumt, dass sie in ihrem Kommunionskleid in einem Sarg liegt und ihre Mutter Blütenblätter auf sie niederfallen lässt. In der letzten Rückblende zum Verschwinden Marias und dem Auffinden ihrer Leiche phantasiert Sonja ebenfalls, dass Blütenblätter auf den aufgebahrten Körper ihrer Mutter fallen. 170

VERKÖRPERUNGEN UND VERRÄUMLICHUNGEN

Gemeinschaft ist, andererseits im Übergang zu einer verheirateten, und damit im Rahmen der Ehe und dem Gebot der Reproduktion sexuell aktiven Frau. In der Konfrontationssequenz in FISTFUL OF FLIES ist die Reinheit des Hochzeitskleides bereits versehrt, es ist verschmutzt und weist einige kleine Blutflecken auf der Vorderseite des Rockes auf. Die Farben – Mars dunkles Haar, das weiße Kleid und das Rot des Blutes – deuten auf die Märchenfigur Schneewittchen hin, eine Verbindung, die durch die Gartenfiguren vor dem Haus der Lupis (später in Magdas Vorgarten) verbildlicht wird.14 Aber das Blut auf dem weißen Stoff verweist vor allem auf die Vorstellung einer jungfräulichen Braut und auf das Blut, das in der Hochzeitsnacht die Defloration beweisen soll. Über das Blut und die Farbe Weiß findet eine Verbindung von Vorstellungen idealer Weiblichkeit, Sexualität und Gewalt statt. Mars rechtfertigt sich und ihr Handeln gegenüber Eno, indem sie den Rock des Hochzeitskleides hebt und ihm ihre blutbefleckte Unterhose als Beweis für die – sexuelle? – Gewalttätigkeit ihres Vaters präsentiert. Diese Geste des gehobenen Rockes wird von Grace wiederholt, als sie Joe vorwirft, das sexuelle Interesse an ihr verloren zu haben und stattdessen mit Magda zu schlafen: ihr Slip ist unbefleckt. Die Zur-Schau-Stellung der Unterwäsche einer verheirateten und damit als sexuell aktiv gedachten Frau ruft unter den Umstehenden Ausrufe ungläubigen Entsetzens hervor, mehr noch als die Geste bei Mars. In dieser Sequenz findet eine starke Verbindung von Mutter und Tochter über Kostüm und Geste statt. In FISTFUL OF FLIES und FLOATING LIFE werden bei den Figuren Mars und Bing Spannungen in ihren Äußerungen von Weiblichkeit inszeniert. Mars ist als Pubertierende stark durch Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Normen, auch mit der Orientierung in einem System von Geschlechterrollenvorstellungen geprägt. Dabei fällt eine geschlechtliche Ambiguität dieser Figur auf, die bereits der Namenswechsel von Maria in Mars unterstreicht. Ihre rebellische Art, ihr Streben nach Eigenständigkeit, ihr Freude an Bewegung – mehrfach werden ihre 14 Die Märchenfigur Schneewittchen kann als direktes ›Vorbild‹ dieser Inszenierung von Mars gesehen werde: Weiß wie Schnee, Rot wie Blut und Schwarz wie Ebenholz. Schneewittchen wird in der Märcheninterpretation als eine Übergangserzählung von Mädchen zu Frau, von ›unschuldig‹ zu sexuell aktiv interpretiert. Das Blut deutet einerseits auf die einsetzende Menstruation, andererseits auf die Defloration hin. Auch ein Apfel, mit dem die eifersüchtige Stiefmutter Schneewittchen vergiftet, spielt in dem Märchen eine entscheidende Rolle, so dass über die mehrfache Verwendung des Motivs (u.a. die Apfelplantage, der Apfel, den Mars bei der Anprobe des Kleides für ihre erste Verabredung mit Eno isst, die Äpfel die auf der Fahrt zur Konfrontation mit Joe vom Traktor-Anhänger fallen) die Verbindung zu FISTFUL OF FLIES naheliegend ist. 171

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Rollschuhe als Fortbewegungsmittel ins Bild gesetzt –, ihr unruhiges, bewegtes Minenspiel wie auch ihre aktive Sexualität stehen in einem strengen System von Zweigeschlechtlichkeit für maskuline Eigenschaften. Im Dialog wird sie zweimal als tomboy bezeichnet, einmal von Grace bei der Anprobe des Kleides, das Mars bei dem ersten Treffen mit Eno tragen soll und einmal von Magda.15 Bei ihrem Treffen mit Joe in dessen Werkstatt spricht sie diesen auf eine Fotografie an, die, als sepiagetöntes Schwarz-Weiß-Bild, angeblich Joe und dessen Vater in Uniform und mit einem Gewehr zeigt. Das Bild erweist sich jedoch als gestellt, tatsächlich sind die Personen Joe und Mars: »It’s not real. We got it made up when Maria was about eight«. Dies provoziert Magda zu der Frage »Was she always a tomboy?«, auf die dann außer mit einer kurzen Bestätigung von Joe nicht weiter eingegangen wird. In der Kostümkollektion von Mars lassen sich Stile und Versatzstücke sowohl femininer als auch maskuliner Konnotation erkennen, wobei sich die Kleider ihrer eigenen Wahl stark von denen unterscheiden, die ihre Mutter für sie aussucht. Einige Male trägt sie eine kurze dunkelblaue Hose oder ein kurzes Jeans-Latzkleid in derselben Farbe, dazu entweder ein rotes, anliegendes T-Shirt oder Trägerhemd, ihre schulterlangen dunklen Haare hat sie zu zwei Zöpfen geflochten, und die Gesamterscheinung kann durchaus als tomboy erkannt werden. Ihr Verhalten sowie ihre Kleider weisen jedoch auch Anteile normativer Vorstellungen von Weiblichkeit auf, wie sie in populären Medien verbreitet werden. So folgt sie zu Beginn des Filmes den Anweisungen aus Frauen- oder Mädchenzeitschriften zu den Fragen »Do You Have Perfect Breasts?« und »Are you normal?« Sie überschminkt Hautunreinheiten und Sommersprossen, pudert ihre Beine, bevor sie sich mit Eno trifft und zeigt großes Interesse am Brautkleid ihrer Mutter. Ihre eigene Kleiderwahl beinhaltet auch feminin konnotierte Stücke, beispielsweise das Kleid das Mars trägt, als sie Eno besucht und mit ihm über den Friedhof spaziert, ein weites, etwa wadenlanges, durchgeknöpftes und leicht 15 »Tomboys – deutsch unzulänglich als Wildfang übersetzt – sind Mädchen im (vor)pubertären Alter, die sich wie Jungen kleiden und verhalten. Tomboyismus ist primär ein Habitus. Ihm liegt der Anspruch auf jene Freiheit und Beweglichkeit zugrunde, die Jungen für gewöhnlich zugestanden wird. Mit der Entscheidung für ein burschikoses Auftreten ist zugleich eine Auflehnung gegen das Frau-Sein verknüpft. Tomboys verweigern sich jener weiblichen Geschlechterrolle, die in einer männlich dominierten Gesellschaft mit Einschränkungen und Bedeutungsverlust verbunden ist« (FrauenKunstWissenschaft 2002: 3. Sowohl Butler als auch Halberstam verweisen in ihren Interpretationen von tomboys auf eine deutliche Nähe zur juridikativen Bedeutung der Namensgebung (Butler 1993: 154f; Halberstam 1998: 5ff). Zu tomboys im Film siehe Halberstam 1998: 187ff). 172

VERKÖRPERUNGEN UND VERRÄUMLICHUNGEN

durchscheinendes Kleid in hellem Gelb mit einem Blümchenmuster. Auch ihr Nachthemd mit weitem Rock und nicht ganz enganliegendem Brustteil, unter dem sich in der Alptraumsequenz ihre Brüste sichtlich frei bewegen, betont ihre Weiblichkeit. Den gleichen Schnitt weist das Kleidungsstück auf, in dem Mars während ihrer erotischen Phantasien gezeigt wird, allerdings ist es in diesen Sequenzen orange gefärbt. Grace dagegen versucht einen konservativen Kleidungsstil bei ihrer Tochter durchzusetzen, beispielsweise ändert sie für Mars erstes Treffen mit Eno das Kleid, das sie vor mindestens 16 Jahren bei ihrer ersten Verabredung mit Joe trug. Es ist ein kurzärmeliges Futteralkleid mit anliegendem Oberteil und einem engen knielangen Rock aus einem glänzenden, rot- und violett-gemusterten Stoff, das an die Mode der 1950er Jahre erinnert. Mars Bezeichnung dafür als »very – agricultural« und ihr Vergleich mit einem Vorhang sind nicht von der Hand zu weisen. Ebenfalls konservativ-feminin doch wesentlich dezenter ist die Kleidung, die Mars zur Beichte trägt: ein gerade geschnittener, sehr heller, rosa Rock, der etwa bis zu den Knien reicht, eine hell-rosa und weiß gemusterte Bluse mit einer dünnen weißen Strickjacke darüber, dazu weiße Socken und schwarze Schuhe, ihre Haare sind zu einem Pferdeschwanz gebunden. Die Differenz der Kleidungsstile ist weniger eine zwischen femininer und maskuliner Kleidung: Mars bevorzugt Kleidung, die ihre Bewegungsfreiheit nicht einschränkt. Grace dagegen wählt für ihre Tochter konservativ konnotierte Kleider, die einerseits wenig bloße Haut zeigen, andererseits den Körper durch enge Zuschnitte zu sehen geben. In diesem Kontext lässt sich die Interpretation der Figur Mars als tomboy als ein Ausbruch aus der strikten, als reaktionär und einschränkend gezeigten Geschlechterordnung der italienisch-katholischen community sehen. Eine andere Bedeutung transportiert der androgyne, sehr strenge und geschäftsmäßige Stil, in dem Bing in FLOATING LIFE gekleidet ist. Fast über die gesamte narrative Gegenwart trägt sie weiße, hemdähnlich geschnittene Blusen und dunkle, meist schwarze Anzüge oder Anzugähnliche Kostüme mit Jacketts und knapp unterhalb der Knie endenden Röcken. Selbst in ihrer Freizeit kleidet sie sich mit hochgeschlossenen Blusen oder Rollkragen, die ihr eine starre Körper- und Kopfhaltung verleihen. Ihre Frisur, ein recht streng wirkender Kurzhaarschnitt, betont ihre Selbstbeherrschung, die mit ihrer Effizienz und ihrem beruflichen Erfolg in Verbindung gesetzt werden und die sich auch in ihrer beherrschten Mimik ausdrückt. Ihr Kleidungsstil und Habitus wird durch die Narration als Überanpassung an die Arbeitskultur des Einwanderungslandes dargestellt, aber auch als der Versuch, ihre innere Zerrissen-

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FILM UND MULTIKULTURALISMUS

heit durch Körperbeherrschung zusammenzuhalten.16 Ein Vergleich mit der Rückschau in Bings Vergangenheit zeigt eine Veränderung in ihrem Kostüm, der die korrelative Inszenierung von Kleidung und psychischer Befindlichkeit verdeutlicht. In der ersten Zeit in Australien trägt Bing das Haar noch länger und häufiger offen, ihre Kleidung weist weniger strenge Schnitte und weichere Farben auf. Deutlich gemacht wird der Bruch am Ende der Rückblende, bevor der Film wieder in die diegetische Gegenwart springt und den Einzug von Cheung in Bings neues, sauberes und sicheres Haus zeigt. In der letzten Einstellung der Rückblende sehen wir sie im Garten ihres ersten Hauses stehen. Sie wird von den Schultern aufwärts direkt von hinten gezeigt, so dass nur ein Teil eines jeansblauen Hemds, dessen Kragen sichtlich offen ist, und ihr schwarzes, etwa schulterlanges Haar zu sehen sind. Genau auf der Höhe ihres Hemdkragens verläuft im Bildmittelgrund die obere Begrenzung des hohen Holzzauns, der das Grundstück umschließt und von der Umgebung trennt. Dahinter ist ein Teil einer weiten, unbebauten und spärlich bewachsenen Landschaft zu erkennen, darüber ein weiter, hellblauer Himmel. In dieser Einstellung wird Bings folgende, zunehmende Trennung von Innen und Außen, von Kopf/Rationalität und Körper, der für psychische, physische und emotionale Bedürfnisse und Befindlichkeiten steht, bereits ins Bild gefasst: Kleidung und Hintergrund, besonders die Linie der Oberkante des Zaunes, dienen als Trennlinie. Chronologisch nachfolgend verändert sich Bings Kleidungsstil ihrer zunehmenden Selbstkontrolle folgend. Mit dem Kontrollverlust, der im Verlauf der Narration die Klimax herstellt und auf den ihre Depression folgt, verliert Bing auch die Kontrolle über ihre Kleidung: als sie Ma auf der Treppe hockend belauscht, ist sie in ein kurzes, weißes Nachthemd gekleidet, das sie quasi bloßstellt, sowohl ihren Körper als auch ihre Emotionen zu sehen gibt. Die stärkste Veränderung geht jedoch mit ihrer Genesung einher. Als Ma sie dazu bringt, das Haus wieder zu verlassen, trägt sie ein weites, weichfließendes Sommerkleid mit einem weißen Blumenmuster auf blauem Grund. Bings Körperhaltung, ihr ängstliches Widerstreben hinaus zu gehen, die Geste, mit der ihre Mutter sie an der Hand nimmt und sie beruhigt, als der kleine Hund bellend auf sie zuspringt, zeigen sie als Kind und als Tochter, in der einzigen Sequenz, in der Bing in einem deutlich feminin konnotierten Kostüm gezeigt wird.

16 Zu ›Mimikry‹ als individuelle und soziale Strategie minorisierter bzw. marginalisierter Positionen siehe Bhabha 1994: 85ff; Breger 1999: 30ff; Bronfen/Marius 1997: 13. 174

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Das sich wandelnde Filmkostüm wird also für die Darstellung der psychischen Befindlichkeit Bings eingesetzt, um diese zu visualisieren und zu betonen. Die Kleidung verändert sich mit der unsicheren jungen Immigrantin, die offen für zwischenmenschliche Beziehungen ist und dies in einen ›offenen‹, legeren und ›weichen‹ Stil kleidet, über die beherrschte und unnahbare erfolgreiche Geschäftsfrau, die ihre Emotionalität und damit im Sinne eines gesellschaftlichen Systems der Zweigeschlechtlichkeit ihre Weiblichkeit unterdrückt und daran psychisch erkrankt, bis hin zu einer Frau, die – mit der ›sanften Gewalt mütterlicher Liebe‹ – gedrängt wird, sich dem Außen zu stellen, ihre Weiblichkeit zu akzeptieren und zu ›verkörpern‹, indem sie schwanger wird. In den Gender-Ambivalenzen von Bing und Mars zeigt sich die Verbundenheit von Ethnizität und Weiblichkeit, da beide Identitätskategorien für sich und in Beziehung zueinander verhandelt und ausgeglichen werden müssen. Die filmische Narration und ihre Inszenierung erzählt, dass Bings Furcht und Isolation in der Migrationssituation dazu führt, dass sie sich von ihrer kulturellen Herkunft abwendet und sich in ihrer Auslegung der Kleidungs- und Verhaltensvorschriften der Einwanderungskultur im Übermaß anpasst. Die Veränderung in ihrem Kostüm folgt und re-produziert die Vorstellung, dass der von ihr gewählte androgyne Stil der Verdrängung ihrer Weiblichkeit, sprich ihrer Emotionalität, folgt, die zu einem psychischen Zusammenbruch führt. Erst als über ihre Mutter eine Wiederannäherung an die Herkunftskultur stattfindet, wird sie als in der Lage gezeigt, ihre Weiblichkeit zu akzeptieren und in Kleidung und schließlich in Form einer Schwangerschaft auszudrücken. Die Widersprüchlichkeit in der Figur Mars dagegen beschreibt die Konfrontation der einschränkenden Weiblichkeitsvorstellung des Katholizismus, den ihre Mutter ihr in Form einengender Kleidung aufzwingt und dem Freiheitsdrang der Tochter, der an eine fortschrittliche, ›australische‹ Weiblichkeit gebunden wird. Die filmische Darstellung behauptet also, dass beide Teilidentitäten, Weiblichkeit und Ethnizität, sich in einem ›gesunden‹ Gleichgewicht befinden müssen, um eine glückliche Identität als ethnisierte Australierin leben zu können. Am Beispiel Bings, die ihren Kleidungsstil stark ihren Vorstellungen der Anforderungen der australischen Geschäftswelt anpasst, wird deutlich, dass Ethnizität in der Repräsentation immer auch mit der Kategorie der sozialen Schicht verbunden ist. Die drei Filme setzen ihre Narrationen und ProtagonistInnen in den Kontext der jeweiligen gesellschaftlichen Schicht, der die gezeigte ethnisierte Gruppe nach geltenden Vorstellungen nahe stehen. In Bezug auf die dargestellte soziale Positionierung ist FLOATING LIFE in einem bürgerlich-wohlhabenden Milieu angesiedelt und die ProtagonistInnen in FISTFUL OF FLIES bewegen sich am 175

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

Übergang von einer agrarisch-handwerklichen Umgebung zu einer bürgerlichen Gesellschaftsschicht. THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING dagegen spielt im ländlichen ArbeiterInnen-Milieu der 1950er Jahre und auch in der diegetischen Gegenwart wird nahegelegt, dass Bojan über ein nur geringes Einkommen verfügt, das er durch Hilfsarbeiten auf dem Bau und als Schreiner verdient. Auch Sonja, die mit ihrem Umzug nach Sydney zwar die ländliche, und im Kontext Tasmaniens mit Arbeitslosigkeit und Armut verbundene Umgebung verlassen hat, ist nur in einer gering entlohnten Büro-Tätigkeit angestellt. Schichtzuweisungen werden auch durch die Kostümwahl beschrieben. Die männlichen Figuren werden häufig in – oft karierten – Hemden gezeigt, an denen die ersten beiden Knöpfe geöffnet sind, so dass darunter der Rand eines weißen Unterhemds zu sehen ist. Joe trägt wiederholt auch nur ein weißes Unterhemd und sowohl Joe als auch Bojan sind in der ›typisch‹-männlichen Arbeitskleidung eines ›Blaumann‹ aus festem, robustem Jeansstoff gekleidet. Selbst bei besonderen Gelegenheiten – als Bojan zum ersten Mal Sonja zu Jean mitnimmt oder das erste arrangierte Treffen von Mars und Eno im Haus der Familie Lupi – tragen die Männer kein Jackett und keine Krawatte. Einzig bei der öffentlichen Feier zu Maria Empfängnis auf dem Kirchhof hat Joe einen Anzug an. Ein weiteres Element das Bojan als ›Arbeiter‹ ausweist, ist sein fast ständig präsentes Rauchen. In den meisten Szenen, und dies zieht sich durch alle dargestellten Zeiten, raucht Bojan selbstgedrehte Zigaretten, die er auch beim Sprechen häufig zwischen den Lippen behält. Wenn er die Zigarette in der Hand hält, so tut er dies zwischen Daumen und Zeigefinger, mit der Glut in seine gewölbte Hand weisend. Diese Art eine Zigarette zu halten ist im nordwest-europäischen Raum unüblich und betont Bojans Status als (Arbeits-)Immigrant, da sie auch mit Vorstellungen von körperlicher Arbeit im Freien verbunden ist, wo die Zigarette vor Wind und Regen geschützt werden soll. Ein weiterer Unterschied in der Darstellung von weiblichen und männlichen Figuren ist, dass die Kleidung der Frauen in der Regel einer höheren gesellschaftlichen Schicht zuzuordnen ist als die der Männer. Die Verwendung expliziter Arbeitskleidung wird in der Darstellung weiblicher Figuren vermieden. So tragen in FISTFUL OF FLIES sowohl Grace als auch Virginia bei der Arbeit im Garten oder der Apfelplantage eher bürgerliche Hauskleidung: In der ersten narrativen Sequenz fährt die schwangere Grace zunächst bei einer nicht näher bestimmten Arbeit auf dem Traktor zwischen den Apfelbaumreihen entlang. Sie trägt ein blau-weiß gemustertes Umstandskleid aus einem fließenden, leichten Stoff. Ihre Mutter Virginia, die später in die Handlung eingreift, ist mit Bluse und Rock in hellen Farben gekleidet, eine Halbschürze und 176

VERKÖRPERUNGEN UND VERRÄUMLICHUNGEN

Gummihandschuhe deuten darauf hin, dass sie mit Haus- bzw. Gartenarbeit beschäftigt ist. Keine der Frauen trägt feste Stoffe, wie sie für anstrengende, ›schmutzige‹ körperliche Tätigkeiten als zweckmäßig gelten, die Haare sind sorgfältig frisiert und nicht mit einem Kopftuch oder ähnlichem bedeckt, beide tragen dezenten Schmuck. Dieses Fehlen einer Markierung durch Kleidung nimmt den Tätigkeiten der Frauen, die in und um das Haus stattfinden, den Status von ›Arbeit‹, wie sie Männern zugeschrieben wird. Damit wird die konstruierte Trennung in männliche, produktive und ›wertvolle‹ Arbeit außerhalb des Hauses und der als reproduktiv, minder geachtete Arbeit von Frauen re-produziert. Auch Verbindungen von Lebensalter, sozialer Schicht und Ethnisierung werden in den Filmen hergestellt. Indem die jüngeren ProtagonistInnen einen legeren, ›australischen‹ Kleidungsstil bevorzugen, werden sie mit einer Lebenseinstellung verbunden, die als demokratisch, egalitär und ein Klassensystem ablehnend gedacht wird,17 während die Älteren eher Wert darauf legen, ›korrekt‹, bürgerlich-unauffällig gekleidet zu sein. So trägt Pa in FLOATING LIFE stets einen vollständigen Anzug, wenn er in öffentlichen Räumen zu sehen ist und selbst im privaten Bereich formelle Freizeitkleidung aus Stoffhose und einem Hemd, bei dem nur der oberste Knopf geöffnet ist, teilweise mit einer dunklen Strickjacke darüber. Den Brüdern dagegen wirft Bing vor, dass sie einen schlechten Eindruck von chinesischen ImmigrantInnen hervorrufen würden, da sie unordentlich gekleidet seien. Besonders den älteren Yue, der rebellischer ist als sein Bruder Chau, tadelt sie einmal heftig, da er sein T-Shirt über der Hose trägt. Die Unterschiedlichkeit im Umgang mit der Migrationssituation von Vater, Bing und den jüngeren Söhnen wird im Dialog betont. Für Bing bedeutet Migration harte Arbeit und Entbehrung: »You’re here as migrants not here to enjoy life. I’ve had a hard time myself. My rules or back to Hong Kong«. Ihr Vater, für den Australien bereits die zweite Station in einem Migrationsprozess ist, betrachtet die Anpassung an eine neue kulturelle Umgebung als ›notwendiges Übel‹. »Follow the customs of the new village«, wie er Ma als Motto vorgibt. Obwohl Pa stets angepasst, in bürgerlicher Kleidung und sehr verhalten bleibt, ist er bereit und in der Lage, sein Leben so zu gestalten, dass Vergnügen darin Platz findet und so wünscht die Bedienung im Eiscafe Pa und seinem Bekannten: »Enjoy yourselves«. Yue und Chau, als jüngere Generation, entsprechen dagegen nicht dem stereotypen Ideal Asiatischer ImmigrantInnen – fleißig, ordentlich und unauffällig zu sein. Sie passen sich, zumindest nach Bings Vorstellungen, zu sehr 17 Zum Mythos einer egalitären australischen Gesellschaft siehe White 1981 (insbesondere 158ff) und Platz 2002 (insbesondere 244f). 177

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einer ›falschen‹ australischen Lebenseinstellung an, die als hedonistisch und zumindest oberflächlich ›gleichmacherisch‹ beurteilt wird. Gemeinsamkeiten im Umgang mit der Darstellung der gesellschaftlichen Positionierung (soziale Schicht) lassen sich in allen drei Filmen feststellen. Dies gilt auch für den Einsatz des Kostüms als Inszenierungsmerkmal. Hier gilt insbesondere, dass die weiblichen Figuren danach streben, sich dem anzupassen, was sie als Kleidung einer (ethnisierten) australischen Mittelschicht beurteilen und diese so wiederum festschreiben. Aber auch Körperhaltung, teilweise von der Kleidung hervorgerufen und betont wie bei Bings Blusenkrägen, unterstützt Schichtzuweisungen. So hält auch Grace Körper und Kopf sehr aufrecht, was den Eindruck erweckt, als wolle sie entweder größer oder vornehmer wirken. Im Gegensatz dazu stehen ihre häufig hektischen Bewegungen, ihre kurzen, schnellen Schritten und ihr Zusammenfahren, wenn sie sich aufregt oder ihr etwas Angst einjagt. Diese Körperhandlungen lassen ihr sehr beherrschtes Auftreten immer wieder scheitert. Ihr gesamter Habitus wirkt, als wolle sie um jeden Preis ein bürgerliches (Frauen-)Ideal verkörpern bzw. aufrechterhalten. Darüber hinaus werden Frauen stärker durch Kleidung und ihre Veränderung als ›ethnisch‹ oder der dominanten Kultur angepasst stilisiert, da Frauen stärker mit Mode und einem bewussten Einsatz von Kleidung in Verbindung gebracht werden. Für die Männerrollen wird in der filmischen Darstellung dagegen weitgehend kulturübergreifend auf ein einheitliches Kleidungspotential zurückgegriffen, das, abgesehen von explizit ethnisierten Kleidungsstücken wie Trachten oder Trachtelementen, stärker schichtspezifisch konnotiert ist: Anzug und Krawatte im Gegensatz zu Unterhemd oder ›Blaumann‹. Die Maskulinität der männlichen Figuren ist wesentlich schwächer durch Kleidung akzentuiert als durch Objekte, Verhaltensweisen und Körperhaltungen. Ein starkes, filmhistorisch motiviertes Symbol von Maskulinität sind Waffen wie das Gewehr in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING und FISTFUL OF FLIES sowie das Moment des Schlagens, das ebenfalls in beiden Filmen eine Rolle spielt. Wenn Joe seine Tochter mit dem Gewehr oder dem Gürtel bedroht und damit schlägt, ist es eindeutig wer über den Phallus, die patriarchale Macht verfügt.18 Am Ende des Filmes jedoch eignet sich Mars das Gewehr an und zwingt Joe in einer öffentlichen Szene dazu, den Gürtel, das Symbol seiner durch körperli18 Die Konnotation des Gewehr als Phallus wird in einer Sequenz hervorgehoben, in der Mars träumt, in das Wohnzimmer der Familie zu kommen, wo Grace mit dem aufgerichteten Gewehr zwischen ihren Beinen steht, während Joe in einer gleichförmigen Auf-Ab-Bewegung den Lauf reinigt (vgl. Lesage 1987: 242f). 178

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che Gewalt durchgesetzten Macht, abzulegen. Sie lässt ihn auf dem Boden kniend und weinend zurück. Auch in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING schlägt Bojan seine Tochter, auch Sonja eignet sich das Moment körperlicher Aggressivität an. Doch obwohl sie es ist, die bei der Jagd den Hasen erlegt und die mit dem Gewehr auf leere Dosen schießt, ist sie zunächst nicht in der Lage, sich gegen die Prügel ihres betrunkenen Vaters zu wehren. Sie richtet ihre Wut gegen die Wand des wog flats und, als sie sich beim Durchschlagen einer Fensterscheibe verletzt, auch gegen sich selbst. Erst in der diegetischen Gegenwart konfrontiert sie ihren Vater mit seiner Unfähigkeit, sie zu lieben. Sie richtet ihre Aggression gegen ihn und schlägt ihn ins Gesicht. Dieser Akt der Gewalt führt dazu, dass Bojan ihr endlich von der Vergewaltigung Marias während des Zweiten Weltkriegs erzählt. Während die Aneignung des Symbols von Maskulinität durch Mars dazu führt, dass das Übermaß negativ besetzter und ›ausgeübter‹ Männlichkeit ihres Vaters angegriffen und gemindert wird, ist die Aggression Sonjas auslösendes Moment für die Wiederannäherung zwischen Vater und Tochter. So wie Joe ein Zuviel an Männlichkeit verkörpert, durch seine Gewalttätigkeit gegenüber seiner Frau und Tochter, seine sexuelle Untreue sowie in seiner raumeinnehmenden Körperhaltung, so zeigt Bojan im Verlauf des Filmes eine gebrochene Maskulinität, die sich ebenfalls in körperlicher Gewalt ausdrückt. Bojans krisenhafte Männlichkeit lässt sich auch in der vestimentären Inszenierung dieser Figur verfolgen. So wird er den gesamten Film hindurch in einem ähnlichen Kleidungsstil gezeigt, der ihn in der Farbinszenierung der Bilder wenig hervorhebt. Er trägt vornehmlich gedeckte Farben, häufig grau oder graublau, beige und braun. Meist ist sein Hemd heller als die Hose, hin und wieder ist er in Arbeitskleidung zu sehen, manchmal im weißen Unterhemd, mit oder ohne Jacke darüber. Am auffälligsten an der Figurengestaltung ist, dass er fast ständig raucht. Während er in den Teilen der Erzählung, die in den 1950er Jahren spielen und auf den Fotos, die ihn als jungen Mann zeigen, als hoffnungsvoller Immigrant noch selbstbewusst und aufrecht steht und sich frei bewegt, scheint er in der diegetischen Gegenwart ein durch Alkohol und Kummer ›gebrochener Mann‹. Seine Gestik, Körperhaltung und Bewegungen verändern sich stark. In den wenigen Szenen, die in den 1970er Jahren spielen, wird Bojan entweder betrunken oder unbewegt – am Tisch sitzend, im Garten stehend – gezeigt. Hier zeichnet sich die Figurendarstellung der narrativen Gegenwart bereits ab. Als Sonja nach Tasmanien zurückkehrt, ist sein Gang unsicher und schlurfend geworden, seine Arme liegen meist dicht am Oberkörper an, er gestikuliert fast ausschließlich mit den Unterarmen, seine Schultern fallen nach vorne, als wolle er sich 179

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

klein machen, nicht zuviel Raum einnehmen. So sehen wir ihn bei seiner Ankunft mit dem inzwischen recht verbeulten blauen F.J. Holden aus den 1950er Jahren und im Pub, bei Sonjas erster Begegnung mit ihm: »I look what I am – an old wog drunk«. In der Figur Bojans zeigt sich, dass auch Maskulinität über ihre Verbindung zu Tradition und Vergangenheit mit der Konstruktion von Ethnizität verbunden wird. Auch die männliche Rolle wird in Migrationsnarrationen als problematisch dargestellt und muss verhandelt und ausgehandelt werden. Während Joe diesen Prozess verweigert gelingt es Bojan, diesen Teil seiner Identität neu zu besetzen, so dass eine Wiederannäherung an seine Tochter, seine Enkelin und damit an seine verstorbene Frau möglich wird. Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit – die drei Generationen von Frauen – finden eine Verbindung, die Bojan ein glücklicheres Leben ermöglicht. An der Inszenierung der Filmfiguren, über Kostüm, Requisite, Gestik, Mimik, Sprache und narrative Darstellung, lässt sich also in vielfacher Weise eine ethnisierende und Gender-Markierung aufzeigen, die sowohl untereinander als auch mit anderen sozialen Kategorien verbunden sind. Für die Inszenierung der Figuren ist nicht nur ihre visuelle Gestaltung und die Verwendung von Sprache relevant, sondern auch ihre Positionierung in Räumen. Denn die Bedeutung von Räumen ist an Menschen gebunden und steht somit auch in Zusammenhang mit Konstruktionen von Geschlecht und Ethnizität.

Räume Das Verständnis von Räumen und Orten ist ein wichtiger Bestandteil der Konstruktion von Realität. Dabei sind Räume und Orte mit verschiedenen sozialen Kategorien verbunden: es gibt Altenheime und Jugendzentren, Arbeiter- und Villenviertel, Frauenräume und Männerorte (vgl. Rogoff 1997: 53). Die Trennung nach Geschlechtern ist in Form von Frauen- und Männertoiletten, -garderoben etc. hoch institutionalisiert und reglementiert.19 Auch Ethnizität ist stark mit Raumaufteilung und dem Ort der eigenen Herkunft bzw. der Herkunft der Familie oder Gruppe verbunden (vgl. Mandel 2002: 366f). Tatsächlich ›entsteht‹ Ethnizität erst dann, wenn ein Ortswechsel und damit verbunden ein Aufeinandertreffen verschiedener Lebenswelten stattfindet. Reisende und TouristInnen erfahren eine andere als die bisher vertraute Kultur in der Fremde, 19 Derart institutionell reglementierte Formen der Trennung nach festgelegten Kategorien fanden auch in Bezug auf Rassisierungen statt, beispielsweise in gesellschaftlichen Systemen wie der Rassentrennung (USA), Apartheid (Südafrika) oder des Antisemitismus (Nazi-Deutschland). 180

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MigrantInnen in ihrer temporären oder permanenten neuen Heimat.20 Ich werde mich im Folgenden auf die Verbindung der filmischen Repräsentation von Räumen, d.h. ihrer visuellen Inszenierung sowie ihrer diskursiven Bezugnahme auf die Kategorien Geschlecht und Ethnizität konzentrieren, aber auch andere soziale und kulturelle Kategorien, soweit sie für meine Analyse relevant sind, einbeziehen. Die heutige westliche Raumordnung ist von einer grundlegenden Trennung zwischen Innen- und Außenraum gekennzeichnet, wobei beide Bereiche Steigerungen in der Repräsentation aufweisen: im Außen in Richtung extremer Fremdheit und Wildheit, beispielsweise des (Ur)Waldes, der Wüste oder exotischer Südsee-Inseln, im Inneren in Richtung einer zunehmenden Privatheit und Intimität, vom halb-öffentlichen Wohnbereich hin zu Schlafzimmer und Bett (vgl. Nierhaus 1999: 93ff). Diese Polarität korrespondiert mit der Aufteilung der Geschlechter in zwei und nur zwei Geschlechter und mit der Trennung der eigenen kulturellen Gruppe und der des (ethnisierten) Fremden. Allen drei Konzepten ist gemeinsam, dass ihre Polarität eine ausschließlich konstruierte ist und es stets mehr oder weniger legitime Zwischen-Räume und Übergangs-Orte gibt. Die architektonischen Trennungen zwischen Innen und Außen (Mauern, Wände, Dächer) verfügen über Fenster und Türen, die für den Blick sowie für Personen und Gegenstände durchlässig sind. Geographische Grenzen weisen sowohl offizielle Übergänge als auch Bereiche einer ›grünen Grenze‹ auf, in der Bewegung und Austausch stattfinden. Die strikte Trennung zwischen Kulturen war und ist ebenfalls nie wirklich gegeben, da immer ein Transfer von kulturellem Wissen und Gütern stattfand und -findet. Durch Migration und Transkulturation sind Grenzen kultureller Zugehörigkeit für Individuen zumindest teilweise überschreitbar, wobei sich dieser Prozess über mehrere Generationen hinziehen kann. In Diskursen zu Multikulturalität und Multikulturalismus lässt sich zudem eine immer stärkere Hybridisierung von MigrantInnen feststellen, die ihnen eine gleichzeitige Teil-Zugehörigkeit zu verschiedenen Kulturen zugesteht bzw. zuweist. Die Geschlechterdichotomie ist in den letzten Jahren in verschiedenen akademischen, politischen und Alltagsdiskursen grundlegend erschüttert worden, so dass die klare Trennung zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit durch eine zunehmende Thematisierung der Herstellungsprozesse von Feminität und Maskulinität sowie von Übertretungen der Geschlechtergrenzen wie

20 Gisela Ecker setzt sich in ihrem Artikel »›Heimat‹: Das Elend der unterschlagenen Differenz« ausführlich mit der Konstruktion der Heimat und der Emotionalisierung eines zunächst konkreten Rechtsbegriffs seit Mitte des 19. Jahrhunderts auseinander (vgl. Ecker 1997: 11). 181

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cross-dressing, Transgender, Transsexualität und Intersexualität ins Wanken gerät.21 Dennoch ist die räumliche und identitäre Trennung, sei sie geschlechtlich oder ›ethnisch‹ markiert, von Innen und Außen überaus wirksam. Auch ihre wechselseitige Verbindung hat an Bedeutung nicht verloren. Dabei ist der Innenraum feminin konnotiert, während der Außenraum als maskulin angesehen wird. Weiterhin gilt das Innere eines Hauses als privater Bereich, in dem Personen ›sie selbst‹ sein können; es ist ein intimer und damit der persönlichen Identität zugewiesener Raum. Diese Privatheit und Innerlichkeit unterscheidet sich vom öffentlichen Außenraum, in dem man sich Anderen gegenüber repräsentiert. Auch in Bezug auf Ethnizität findet eine Trennung zwischen dem Eigenen und dem Fremden entlang räumlicher Abgrenzungen statt. Dabei sind sowohl geographische als auch architektonische ›Innenräume‹ – Herkunftsregionen sowie Häuser von MigrantInnen im Einwanderungsland – als die gekennzeichnet, in denen die Herkunftskultur stattfindet, beibehalten und reproduziert werden kann. Dies gilt insbesondere für das Innere des Hauses, das als Ort der Familie und damit der biologischen wie kulturellen Reproduktion gilt. Sowohl die geschlechtliche als auch die ›ethnische‹ Aufteilung von Innen- und Außenraum korrespondieren mit Konstruktionen von Sicherheit und Bedrohung, wobei Innenräume als sichere Räume verstanden werden, während Gefahren im Außen verortet sind.22 Dies gilt im Sinne von Geschlecht, wobei hier Weiblichkeit als gefährdet gekennzeichnet ist und das Innere des Hauses als sicherer Aufenthaltsort konstruiert wird, in dem Frauen vor dem bedrohlichen Außenraum geschützt sind. Diese Gefahren sind stark sexualisiert – sei es durch die Bedrohung von Übergriffen und Vergewaltigung durch Männer, die nicht dem Inneren von Haus und Familie zugerechnet werden oder durch die mögliche Überschreitung moralischer Vorschriften in Bezug auf das sexuelle Verhalten von Frauen. In beiden Fällen droht der Verlust über die Kontrolle der Nachkommen, da die Vaterschaft der Kinder innerhalb der Gruppe nicht mehr gewährleistet ist (vgl. Künzel 2001; Wobbe 1994). Der

21 Überschreitungen konstruierter Geschlechtergrenzen sind kein neues Phänomen, sie fanden immer schon statt und wurden auch in verschiedenen Weisen thematisiert sowie institutionalisiert. Damit sind sie wichtiger Bestandteil der kontinuierlichen Konstruktion und Verhandlung von Geschlecht, Geschlechtergrenzen und Zweigeschlechtlichkeit (vgl. Feinberg 1996). Zur Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit siehe u.a. Laqueur 1996, Butler 1993 und 1990. 22 »Wohnen heißt, sich die Gewißheit des Geschütztseins real und symbolisch zu bewahren« (Selle 1993: 21). 182

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Schutzraum ist jedoch für Frauen ein scheinbarer, wie Zahlen von häuslicher Gewalt gegen Frauen zeigen.23 Auch in Bezug auf Ethnizität greift diese Innen-Außen-Abgrenzung, wobei die Gefahr stets in der anderen Kultur ›verortet‹ wird, die von Außen eindringt und die eigene Kultur und deren Erhalt bedroht. In Migrationsdiskursen wirkt dieser Mechanismus in beide Richtungen. Einerseits können ImmigrantInnen von der dominanten Gruppe im Einwanderungsland als Gefährdung der eigenen Kultur wahrgenommen werden, die Fremdes in den eigenen, oft als national definierten Raum hereintragen. Für MigrantInnen im Einwanderungsland – für migrantische Kontexte also, die für die vorliegende Arbeit relevant sind – liegt die Gefahr außerhalb ›geschützter‹ Räume wie Wohnräume, Kulturvereine, religiöse Zentren, Stadtteile (China Town, Little Italy, ...) etc. Die Gefahr wird auch hier im Verlust der Herkunftskultur und einem damit verbundenen Identitätsverlust befürchtet. Innenräume bieten scheinbar die Sicherheit, die eigene Kultur vor dem Einfluss der unbekannten Kultur des Einwanderungslandes zu schützen, sie im Inneren des Hauses und innerhalb der Familie zu bewahren und zu re-produzieren. Diese Aufgabe wird häufig an Frauen verwiesen. Im Außenraum dagegen, der von der ›fremden‹ Kultur des Einwanderungslandes geprägt ist, muss eine zumindest teilweise Akkulturation geleistet werden. Diese kulturelle Anpassung, die durchaus eine Forderung dominanter Diskurse in Einwanderungsländern ist, auch in solchen mit multikulturalistischer Ausrichtung wie Australien,24 kann von MigrantInnen als Verlust und Gefahr für die eigene, d.h. bekannte Kultur interpretiert werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Herkunftskultur als sicher interpretiert wird, wobei sich diese Sicherheit einzig dadurch herstellt, dass diese Kultur vertraut ist. In der Verbindung von Raum, Geschlecht und Ethnizität kann jedoch auch eine Umkehrung der Konstruktion von Sicherheit und Bedrohung in Bezug auf Innen- und Außenräume vorgenommen werden, wenn die ethnisierte Kultur und ihre Geschlechterrollen von dominanten Diskursen als rückständig, die des Einwanderungslandes als fortschrittlich in Bezug auf Fragen von Rechten und Freiheiten, beispielsweise für Frauen interpretiert wird. Dann wird der feminisierte, ethnisierte und

23 Dies gilt für alle als ›unterlegen‹ bzw. ›schwach‹ konstruierten Positionen (Kinder, Alte, Kranke, …), hier sei jedoch der Schwerpunkt auf die Kategorie Gender gelegt (vgl. Künzel 2001: 270; Nierhaus 1999: 40f). 24 Es sei hier nochmals an die National Agenda for a Multicultural Australia erinnert, die 1989 das ›Recht auf kultureller Identität‹ »within carefully defined limits« beschränkt und fordert: »all Australians should have an overriding and unifying commitment to Australia, its interests and future first and foremost« (Jupp 1997: 135f). 183

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vom öffentlichen Raum unterschiedene Innenraum zu einem Raum der Unterdrückung. Die Bedrohung wird darin gesehen, dass Immigrantinnen an einem Ort festgehalten werden, der als frauenfeindlich interpretiert wird, während im Außenraum die progressiven Kultur des Einwanderungslandes eine scheinbare Befreiung durch gleiche Rechte und Möglichkeiten bietet. Frauen nehmen also eine umkämpfte Position zweier Diskurse um Sicherheit ein, in der Raumkonstruktionen und Ethnizität mit der Kategorie Geschlecht verbunden sind. Bewertungen von Innen- und Außenraum sind auch mit der sozialen Kategorie Alter verbunden. Dabei wird das Innere in der Regel mit fortgeschrittenem Alter verbunden, der Außenraum mit Jugend. Diese Zuweisung geht einher mit der Feststellung, dass es jungen Menschen leichter fällt, sich neuen kulturellen Umgebungen anzupassen und sich in ihnen zurechtzufinden, während Ältere an dem ihnen Bekannten festhalten und darin Sicherheit finden. Die erste im Einwanderungsland geborene Generation, die sogenannte zweite Einwanderungsgeneration sowie die folgenden Generationen kennen ›ihre‹ Herkunftskultur und -region oft nur von kurzen bis mittellangen Aufenthalten, durch Berichte und Erzählungen sowie durch Verhaltensweisen und Überzeugungen, die von älteren ImmigrantInnen als Tradition reproduziert werden. Auch hier werden ethnisierte Innenräume häufig als Orte verstanden, in denen junge Menschen in überbrachten Traditionen festgehalten werden, während der Außenraum als fortschrittlich und freizügig verstanden wird. Eine Parallele zum Diskurs um die Unterdrückung von ethnisierten Frauen innerhalb der häuslichen Sphäre ist offensichtlich. Die Trennung von Innen und Außen beinhaltet also eine Doppelkonstruktion von Sicherheit gegenüber Gefahr und von Einschränkung gegenüber Freiheit. Die Trennung von Innen- und Außenräumen, ihre Darstellung und Bewertungen sind von entscheidender Bedeutung in Bezug auf die filmischen Narrationen, in denen Ethnizität sowie Geschlechterordnungen verhandelt werden. Sie werden sowohl visuell als auch diskursiv durch Gegensätze und Schnittstellen hergestellt und betont. Die Innenräume stehen in Kontexten von Feminität sowie der überbrachten Tradition, die in Migrationsdiskursen verhandelt werden und die sich gegen das Neue, Australische abzuschotten versucht. Aber die Grenzen zwischen Innenund Außenraum sind stets brüchig, Öffnungen wie Fenster und Türen ermöglichen Austausch, es entstehen Zwischen- und Übergangsräume, das Aufeinandertreffen und die Konfrontation zwischen Tradition und Einwanderungskultur lässt sich nicht verhindern. Damit sind diese Zwischenräume aufgrund ihrer Ambivalenz für die Konstruktion einer polaren Aufteilung kritisch und gefährlich. Es sind dynamische Räume, in denen Auseinandersetzung und Aushandlungsprozesse, Re-Konstruktion 184

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und Neuordnung von Ethnizität und Geschlecht stattfinden. Hier erfolgt die Konstruktion hybrider ›ethnischer‹ weiblicher Identitäten. In diesem Sinne werde ich im Folgenden die filmische Inszenierung von Innenräumen, Außenräumen und Zwischenräumen in den drei Filmen in Bezug auf Konstruktion und Brüche von Ethnizität und Geschlecht erläutern und analysieren. Alle drei Filme verbinden Innenräume mit Markierungen von Ethnizität und Geschlecht. Dies gilt insbesondere für die Häuser, in denen die ProtagonistInnen wohnen. Diese Innenräume sind als Familienräume und Räume des Privatlebens gekennzeichnet. Damit sind sie an Weiblichkeit gebunden und grenzen sich vom öffentlichen, als australisch gekennzeichneten Außenraum ab. Zusätzlich wird die visuelle Gestaltung der Innenräume in allen drei Filmen genutzt, um innere Befindlichkeiten und Prozesse der Figuren darzustellen, sie dienen gleichsam als ›Spiegel der Seele‹ (vgl. Nierhaus: 1999: 97f). Insbesondere FISTFUL OF FLIES und FLOATING LIFE stellen bestimmte Innenräume durch die Betonung ihrer Inszeniertheit heraus. In FISTFUL OF FLIES wirken die Räume im Hause der Lupis mit wenigen Ausnahmen dunkel und kühl. Es überwiegen klare Blautöne an den Wänden, wobei der Farbeindruck durch die relativ häufigen Nachtund Traumsequenzen verstärkt wird, in denen neben Weiß und Schwarz ausschließlich Blau die Bilder bestimmen. Auch die Rottöne im Haus sind durch ihre hohen Blauanteile ins Violette abgetönt und sehr kühle Farben. Im Gegensatz zu den in klaren Farben gestrichenen Wänden sind die Bodenbeläge, die als eine Grundfarbe ebenfalls immer Blau enthalten, mehrfarbig und unruhig gemustert. Sie verweisen auf organische Strukturen der Natur und durchbrechen so gewohnte Konstruktionen von Innenräumen. Außerdem unterstreichen sie die Leerstelle für die Integration von Natur in die Innenräume, beispielsweise durch Zimmerpflanzen, die in FISTFUL OF FLIES völlig fehlen. In ihrer Unruhe verdeutlichen sie aber auch, dass die Figuren keinen festen Boden unter den Füßen haben. In den Bildern ist nur wenig Raumwahrnehmung möglich, was einen Eindruck von realen Innenräumen verhindert. Dazu dienen die eher ungewöhnlichen Farben, der häufige Kamerablick von oben mit einer offenen Bildform, an deren Rändern angeschnittene Gegenstände zu sehen aber nicht zu erkennen sind. Zusätzlich führt die stets flache Tiefenschärfe dazu, dass ausschließlich die Figuren im Vordergrund klar auszumachen sind, während der Hintergrund in Unschärfe verschwimmt. Diese visuellen Stilmittel bewirken eine Verflachung der Räume, die fast ein-dimensional oder wie Theaterräume wirken, da sie dem Blick keine Tiefe bieten.

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Das beherrschende Mittel der Inszenierung der Innenräume ist der Einsatz von Licht bzw. die Abgedunkeltheit der Innenräume im Gegensatz zum gleißenden Sonnenlicht, das außen vorherrscht. Die Sonne steht in FISTFUL OF FLIES für das verhasste Außen, wie Joe in der Frühstücksszene äußert: »I hate the bloody sun«. Der Sonne wird die Schuld für Mars Sommersprossen gegeben und über den umgangssprachlichen englischen Ausdruck fly shit eine Verbindung zu den allgegenwärtigen Fliegen hergestellt, die ebenfalls aus dem Inneren des Hauses ausgeschlossen werden sollen. Für Mars dagegen ist der Außenraum ein Raum des Ausbruchs aus den rigiden Verhaltensvorschriften, die an sie als junge Frau gestellt werden – sei es in der Rollschuhfahrt zu ihrer Großmutter, bei dem Treffen mit Eno, dem versuchten Suizid auf dem Friedhof oder in der Konfrontationssequenz, in der sie sich von der Unterdrückung durch ihren Vater befreit. Im Haus der Lupis sind die Fenster stets mit heruntergelassenen und aufgestellten Jalousien gezeigt, meist sind auch die Gardinen zugezogen und flattern häufig im Wind. Dies bestimmt die Lichtführung und –qualität. Das Licht, das durch die ›Verkleidung‹ der Fenster ins Innere fällt, ist ein helles, kalt wirkendes Licht, vor allem in den Nacht- und Traumsequenzen, in denen das Mondlicht fast wie Neonlicht wirkt. Die Muster, die auf die Wände gezeichnet werden, verdoppeln die Gitterstruktur der Jalousien, die bewegten Schatten der Gardinen haben oft eine bedrohliche Komponente, wie etwas, das von außen einzudringen versucht. Jalousien, Gardinen und Vorhänge sind der Versuch, das scheinbar Bedrohliche wie auch Blicke von außen auszuschließen.25 Stets sind die Fenster durch Gardinen und Vorhänge eingerahmt, was den Ausschnitt der Öffnung nach außen verkleinert und den Blick auf das Fenster als verdeckten Durchlass lenkt. Einen Blick nach außen zu werfen ist nur möglich, wenn die Lamellen der Jalousie auseinander gebogen werden, beispielsweise wenn Mars den nächtlichen Diebstahl der Gartenzwerge aus dem elterlichen Vorgarten oder Rosa das Treffen von Mars und Eno beobachten. Durch diese für das Sehen notwendige Tätigkeit wird der Blick von innen nach außen als eine aktive Handlung dargestellt – die ausschließlich weibliche Figuren vornehmen – und so die Trennung von Innen und Außen betont. Es sind in FISTFUL OF FLIES vor allem die Frauen, die im Haus agieren. Verstärkt wird die Feminität des Hauses dadurch, dass fast ausschließlich weiblich definierte Räume – Badezimmer, Schlafzimmer, 25 Für eine ausführliche Analyse der Jalousie als Blickregulator sowie ihrer Bedeutung für die vergeschlechtlichte Raumkonstruktion, -rekonstruktion und -repräsentation siehe Nierhaus 1999: 36ff. Für eine Interpretation filmischer Verwendung siehe Schlüpmann 1994. 186

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Mädchenzimmer – zu sehen sind.26 In den Szenen, die im (nach europäisch-bürgerlicher Tradition) männlich konnotierten Speisezimmer spielen, sind die Handlungen auch vom Vater dominiert: die Frühstücksszene durch die sichtbaren Spuren in Mars Gesicht von Joes Prügel am Vortag, durch sein demonstratives Ignorieren der Verletzungen seiner Tochter, beim Besuch von Magda und Ercole durch seine offensichtliche Untreue und später in seinem gewalttätigen Ausbruch gegenüber Grace. Somit wird Joes Rolle des Patriarchen bzw. des bürgerlichen Vaters, der für die Einhaltung der Regeln zuständig ist und diese mit Sanktionen, der Androhung und Ausübung von Gewalt durchzusetzen versucht, re-konstruiert und unterstützt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Gewaltausübung durch den Vater teilweise von Grace an ihn delegiert wird und auch sie ihrer Tochter gegenüber gewalttätig ist. Auch hier lässt sich eine Verbindung von geschlechtlich-konnotierten Räumen feststellen, indem die härteste ›Züchtigung‹ durch Grace im feminin konnotierten Badezimmer stattfindet. Auch in FLOATING LIFE betont die Stilisiertheit in Bildaufbau und Farbgebung der Innenräume die Inszeniertheit des Geschehens und bricht die Realitätsnähe der filmischen Erzählung. Formal auffällig gestaltet ist der Film in Kapitel unterteilt, die jeweils durch Zwischentitel mit der Bezeichnung des in den Mittelpunkt gestellten Hauses in chinesischen Schriftzeichen und auf Englisch ›überschrieben‹ werden. Diese Häuser sind Stationen der Migration und erzählen von Veränderung, von der Suche nach einer Heimat, die mit Sicherheit sowie mit Einbezug bzw. Ablehnung der Herkunftskultur verbunden wird. Die Häuser werden filmisch dazu genutzt, die jeweilige Grundstimmung einer Lebensphase der Figuren zu beschreiben. So wie die Erzählung an verschiedenen Orten stattfindet, bewegen sich die Personen zwischen den Häusern: Yen reist von Deutschland über Hongkong nach Australien, wir sehen Bing sowohl in ihrem ersten wie ihrem zweiten Haus in Australien, die Eltern und Brüder migrieren von Hongkong nach Australien und ziehen später in das Haus um, das Ma und Pa dort gekauft haben. Die Häuser visualisieren und lokalisieren das Thema der Wanderung. Durch die visuelle Gestaltung von Innen- und Außenräumen, durch Lichtsetzung, Farben und Bildaufbau, werden die Häuser und damit Regionen und Lebenssituationen voneinander unterschieden bzw. miteinander in Verbindung gesetzt. Es lassen sich Unterschiede darin feststellen, wie die verschiedenen geographischen Regionen ins Bild gefasst 26 Joes Werkstatt ist durch Farben und Struktur der Innenwände – graues Wellblech bzw. grobgemasertes Holz – als maskuliner Raum gekennzeichnet, der von den bürgerlich-sozialen Regeln des Hauses losgelöst ist (vgl. Nierhaus 1999: 93ff/103ff). 187

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werden und wie ihre Darstellung mit den jeweiligen Licht- und klimatischen, sozialen und kulturellen Bedingungen korrespondieren. So herrschen in Hongkong warme, verwaschen wirkende Farben und ein weiches, gedämpftes Licht vor.27 Dies trifft nicht nur auf die Innenräume zu, sondern ist besonders auffällig in der Sequenz, die auf einem Friedhof spielt. Hier ist das ganze Bild in erdigen Brauntönen gehalten, das Licht ist wie durch einen Nebelschleier gemildert, so dass die Berge im Hintergrund verschwimmen. In Australien dagegen wirkt das helle und klare Licht sehr hart. Oft herrscht direktes Sonnenlicht, so dass keine oder nur sehr helle Schatten zu sehen sind. Diese Bildgestaltung vermittelt jedoch nicht den Eindruck von Wärme sondern von einer ›erbarmungslosen‹ Umwelt und greift damit bekannte narrative Mythen von Australien als harschem Einwanderungsland auf. Die Sequenzen, die in Deutschland im Außenraum spielen, sehen wir in winterlichem, weichem aber kaltem Grau. Hier wird Yens Gefühl der Isolation von ihren kulturellen Bezügen und ihrer Familie stilistisch aufgegriffen, eine Empfindung von Heimatlosigkeit in der Migration, die auf der Dialogebene zweimal thematisiert wird. So erzählt Yen aus dem Off die Migrationsgeschichte ihres Vaters und stellt damit ihre eigene Situation in den Kontext mehrfacher Ortswechsel. In ihrem Monolog im Schlafzimmer, in dem sie ihr Gefühl von Verwirrung und Heimatlosigkeit schildert, wird diese Familiengeschichte, ihre Position und Aufgabe als älteste Tochter sowie ihre eigene Migration sehr stark mit der Geschichte ihrer Familie und damit mit Herkunftsregion und -kultur verbunden. Für die Teile der Handlung, die in Deutschland spielen, steht die Wohnung von Yen, Michael und Mui-Mui in diesem Kontext von Familie und Herkunftskultur, aber auch von Problemen und Veränderungen, die der Migrationssituation zugeschrieben werden. Die Wohnung ist geprägt vom kürzlichen Einzug, Yen packt Geschirr aus, es stehen Möbel, Pflanzen und Gebrauchsgegenstände herum, für Mui-Mui muss noch ein Bett gekauft werden. Yen und Michael werden beim Streichen der Wände gezeigt, sie legen selbst Hand an und verleihen so der Wohnung einen ›eigenen Charakter‹ (vgl. Nierhaus 1999: 93ff; Selle 1993: 74ff). Die Räume sind in hellen, warmen Farben gehalten, aber auch Weiß lässt sich finden. Die Hell-Dunkel-Kontraste verleihen der Wohnung einen Eindruck von Lebendigkeit. Die Küche, die ein zentraler Raum in der Wohnung zu sein scheint, ist immer etwas vollgestellt, sie wirkt genutzt und bewohnt. Der Innenraum ist der einzige belebte Raum in die-

27 »And yet, because Hong Kong is tied to the parents, there’s a feeling of heritage. So we went for a nostalgic golden colour« (Floating Life Press Kit: 8). 188

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ser Episode, die winterlich-kalten Außenräume sind meist menschenleer, Yen und Mui-Mui sind alleine, wenn sie mit dem Auto durch die Strassen fahren oder auf dem Spielplatz schaukeln. Im Verlauf dieses Teils der Erzählung, der bestimmt ist von den Telefongesprächen Yens mit ihrer Mutter in Australien und ihrer Sorge um ihre Eltern, entwickelt Yen einen juckenden Ausschlag, für den sie das schlechte feng shui, die ungünstige Lage und Einrichtung der Wohnung verantwortlich macht. Sie greift auf traditionelle chinesische Regeln zu Architektur und Inneneinrichtung zurück und versucht dadurch ihre Migrationssituation mit ihrer Herkunftskultur zu verbinden. Nachdem sie die gesamte Wohnung nach feng shui-Regeln umgestellt und damit die auf deutsche Wohnverhältnisse ausgerichtete Raum-Ordnung durcheinander gebracht hat, verliert Michael die Geduld. Er will die Wohnung verkaufen. Ein Zusammenbruch macht Yens Identitätskrise und Heimatlosigkeit deutlich, die sie in ihrem Monolog im Schlafzimmer ausspricht: Sie weiß nicht wohin sie gehört, zu ihrer elterlichen Familie, für die sie als älteste Tochter Verantwortung trägt oder zu ihrem Mann und ihrer Tochter, ihrer ›eigenen‹ Familie. Aber schon ihre Herkunft empfindet sie als ambivalent, da sie in Hongkong geboren und aufgewachsen ist, einem Teil Chinas mit Sonderstatus, und da sie nicht die chinesische Amtssprache Mandarin spricht sondern das als kulturell geringer geschätzte Kanton-Chinesisch. Eine besonders deutliche Verbindung auf visueller Ebene in der Gestaltung der Innenräume lässt sich zwischen dem früheren Haus der Familie in Hongkong, das noch eine Zeitlang von Gar Ming bewohnt wird, und dem neuen, großen Haus in Australien feststellen, das die Eltern für sich und ihre Söhne gekauft haben. Im einführenden Bild des Erzählstranges in Hongkong sehen wir das Haus halb verdeckt von Bäumen und Büschen. Es ist kein Hochhaus, sondern ein mehrstöckiges Gebäude mit großen Balkonen im Grünen, eventuell außerhalb des Stadtgebietes. Dies deutet darauf hin, dass es ein teures Haus ist, vermutlich bewohnte die Familie nur einen Teil selbst.28 Das Innere des Hauses wirkt elegant, allerdings aufgrund des Auszugs der Familie spärlich möbliert. Es dominieren warme, weiche Brauntöne und abgedunkeltes Licht, womit die Farb- und Lichtgestaltung der Außenräume wiederholt wird. Wände, Holzfußboden, Vorhänge, Sofa und Sessel, sogar der Kühlschrank sind in Beige, weichem Gelb oder hellem Holzbraun gehalten. Sehr auffällig ist ein Schmuckelement im Durchgang zum Wohnbereich, eine ovale 28 Aufgrund der begrenzten Fläche, die Hongkong als britische Kronkolonie zur Verfügung hatte und der hohen Besiedlungsdichte sind die Grundstückspreise und damit die Preise für Häuser sowie Mieten – zumindest im Stadtgebiet von Hongkong – extrem hoch. 189

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Öffnung, die rechts und links mit Gitterelementen abgeschlossen ist. Viele dieser Stilelemente werden in der Gestaltung des Hauses, das die Eltern in Australien gekauft haben, aufgegriffen. Das dazugehörige Kapitel, »a big house«, beginnt mit einer Außenansicht des einstöckigen Gebäudes, das in einem großen Garten mit hohen Bäumen steht, die Schatten geben und das Sonnenlicht dämpfen. Im Garten findet ein grösserer Teil der Handlung statt als im Inneren, wobei im Außenraum nur die männlichen Mitglieder der Familie zu sehen sind. In den Innenräumen des neuen Hauses beschränkt sich die Handlung auf den Wohn- und Essbereich. Dieser wirkt geräumig, das Licht ist leicht abgedunkelt, so dass in den Räumen sehr helle Grautöne vorherrschen. Diese Farb- und Lichtgestaltung erinnert an die Innenräume in Hongkong, allerdings wirken die Räume in Australien etwas kühler. Der Boden und die Einrichtung – kleine Schränkchen und Kommoden – bestehen aus hellem Holz, Polstermöbel sind ebenfalls in hellen Tönen gehalten. Auffällig sind die Raumschmuck-Elemente des Hauses: Auf den Kommoden stehen asiatische Statuetten und Vasen, an den Wänden hängen chinesische Bilder und Kalligraphien, die eine Verbindung zum asiatischen Kulturraum herstellen. Damit setzt sich die Gestaltung dieses Innenraums deutlich von dem schmuck- und ›kulturlosen‹ Haus Bings ab. Die asiatische Herkunft wird in das Einwanderungsland aufgenommen, die Verbindung in der filmischen Gestaltung durch Ausstattung, Farben und Lichtsetzung hergestellt. Die Handlungen, die im Inneren des ›großen Hauses‹ stattfinden, beziehen diesen Raum auf das Familienleben. Vor der Sequenz, in der Cheung zu Besuch kommt, um die Familie von Bings Depression zu informieren und um Hilfe zu bitten, sehen wir Ma, Pa und die drei Brüder beim Abendessen. Es werden Speisen verteilt und angeboten, das Gespräch dreht sich um Familienbelange wie den Gesundheitszustand der Mutter und Bing. Nachdem Cheung eintrifft, findet ein verfremdender Bruch zwischen Bild und Ton statt. Aus dem Off ist die Stimme von Chau zu hören, der das Gespräch nacherzählt und damit die Handlung beschreibt. Dazu zeigt die Kamera Bilder, in denen Familienmitglieder in verschiedenen Konstellationen zusammen stehen oder sitzen, unbewegt und ohne miteinander zu sprechen. Der Kameraausschnitt ist zusätzlich gerahmt, indem die Bilder von außen durch das Fenster fotografiert sind. Dies verstärkt den Eindruck von inszenierten Aufnahmen im Stil von Familien-Portraits (vgl. Hirsch 1997: 7ff). Diese Assoziation von Bildern, die als Repräsentation, auch für Außenstehende, inszeniert sind, verweisen auf den Blick von Außen durch das Fenster und in das Innere des Hauses als Raum der Familie. Auch durch den Narrationsablauf stellt diese Sequenz einen Familienkontext her. Cheungs Besuch 190

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bringt Ma dazu, sich um Bing zu kümmern und ermöglicht so die Zusammenführung der Familie. Das Gebet von Ma an die Ahnen, der Einbezug der Vorfahren in die Gegenwart und die Wieder-Herstellung des Familienverbunds ist Voraussetzung für Bings Gesundung. Ihre angekündigte Schwangerschaft, die Weiterführung der Familie in die Zukunft, ist Zeichen ihrer Genesung und der Verbundenheit der Familie, in die auch die nachfolgenden Generation/en eingeschlossen werden. Das Haus, das am stärksten für ›Heimat‹ steht, bekommt das Filmpublikum nicht zu sehen – es wird uns erzählt: Als sich Pa in Australien eines Abends mit einem Freund aus Hongkong trifft, berichtet dieser von seinem Besuch in China, bei dem er auch das Haus seiner Vorfahren besucht habe. Er zeigt Pa ein Foto, das dieser mit den Worten »it radiates harmony and strength« kommentiert, Harmonie und Kraft, die ihm in Australien abhanden gekommen sind. Diese Szene wiederholt die Geschichte von Pa und seiner ersten Migration zusammen mit seinen Eltern nach Hongkong, nachdem China 1949 kommunistisch wurde. Er weiß nicht, was mit dem Haus seiner Familie geschah; und er glaubt weder, dass er nach China zurückkehren wird, noch dass seine Söhne – seine Töchter erwähnt er nicht – oder Enkel jemals dort wohnen werden. Es ist das am stärksten männlich konnotierte Haus des Filmes, da es ausschließlich in der Betrachtung der Fotografie durch Pa und seinen Bekannten und in der Verwerfung als möglicher Lebensort für Vater und Söhne existiert. Dies wird durch die doppelte Abbildung als Fotografie auf der Filmleinwand sowie durch die Architektur, die eine sehr geschlossene Fassade präsentiert, hervorgehoben. Die Verneinung einer möglichen Rückkehr an den Ort, der als Ursprung der Familie, zumindest des väterlichen Teils gekennzeichnet wird, macht die Auswanderung nach Australien für Pa zu einer Reise ohne Wiederkehr. Er möchte sich dort niederlassen, Ruhe finden und seinen Kindern und Kindeskindern eine Zukunft gewähren, was er später mit dem Kauf des ›großen Hauses‹ bezwecken will. Bei den verschiedenen Erzählsträngen, die in Bings Häusern in Australien spielen, lässt sich eine Entwicklung im Verhältnis zur Herkunftskultur feststellen. Dabei äußert sich die Abwehr sowohl gegenüber dem Asiatischen wie auch der australischen Umgebung in dem Haus, in dem Bing mit ihrem Ehemann Cheung lebt und in das ihre Eltern und jüngeren Brüder zunächst mit einziehen, sehr offensichtlich. Die einführende Einstellung zeigt eine Frontansicht des gesamten Hauses inklusive der Doppelgarage als eine Art Vorbau. Beides ist in rotem Klinker gemauert, die weiße Tür und weiß gerahmten Fenster, die durch ihre Sprossenaufteilung wie vergittert wirken, lassen die Fassade glatt und verschlossen erscheinen. Durch den symmetrischen Aufbau des Hauses mit einem 191

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angedeuteten Türmchen in der Mitte sowie einem Vordach, das sich über die gesamte Vorderfront hinzieht und von weißen Säulen gestützt wird, erinnert das Gebäude an eine Burg. Der abweisende Eindruck der Außenansicht setzt sich in der Gestaltung der Innenräume fort: die Wände sind einheitlich weiß gestrichen, die Einrichtung ist spärlich und ebenfalls in Weiß gehalten. Der einzige Wandschmuck besteht aus einigen Bildern in sehr hellen Pastelltönen, die sich kaum von der Wand abheben. Die Setzung eines harten Lichts betont die Leere und Sterilität der Räume, als sei das Haus unbewohnt. Die Oberflächen sind glatt und ohne Konturen, die Räume erscheinen zunächst geräumig und hell, aber Türrahmen und Ecken unterteilen das Bild, wobei Anfang und Ende der Linien häufig außerhalb der Einstellung liegen. Die Linienführung im Bildaufbau zergliedert die Räume, die fast klaustrophobisch eng wirken, wenn Personen sich darin bewegen. Es scheint, als existiere das Haus für sich selbst, alle Anwesenden außer Bing, die sich ruhig und beherrscht in den Räumen bewegt, wirken wie eine Störung der klaren Strukturiertheit, sie bringen Chaos in die Ordnung. Die visuelle Gestaltung in FLOATING LIFE lässt Anleihen an Stilelemente des film noir erkennen. Immer wieder tauchen Gitterelemente auf, in der Verzierung am oberen Ende des Durchgangs zwischen Wohnzimmer und Essbereich, in den Sprossenfenstern. Besonders deutlich wird die Verwendung von Linien die das Bild durchschneiden im Treppenbereich, der gegenüber der Eingangstüre in den ersten Stock führt. Die eher schmale Treppe wird von einem Absatz unterbrochen und verläuft dann in die entgegengesetzte Richtung weiter nach oben, wo sie auf einer kleinen Galerie endet, von der die Zimmer abgehen. Die Treppe und der Gang im ersten Stock sind mit einem weißen Sprossengeländer aus Holz gesichert. Die Kameraeinstellungen in diesem Bereich sind stets so gewählt, dass die visuelle Orientierung im Raum erschwert ist: niemals ist die gesamte Treppe zu sehen, stets führen die Linien des Aufgangs und des Geländers über den Bildrand hinaus, einige Male nimmt die Kamera die Treppe leicht schräg von unten ins Bild. Diese Perspektiven verschieben das Gleichgewicht der Einstellung – und die der Personen. Die Anordnung von Geländer, Treppen und Sprossen drängt die Figuren auf eine Seite, während ein großer Teil des Bildes dem Raum selbst überlassen bleibt. Die Personen werden von Linien verdeckt und eingesperrt und der optische Eindruck vermittelt ein räumliches Chaos, das mit der Migrationssituation in Verbindung gebracht werden kann. Es gibt zwar gerade Linien, die den Raum aufteilen, doch nicht als Ordnung, sondern bedrohlich und ohne Orientierungshilfen zu bieten.

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Auch in diesem Haus finden Familienszenen statt, die insbesondere durch die Interaktionen der neueingewanderten Mitglieder der Familie hergestellt werden. Doch die Szenen, in denen Ma beim Kochen oder die Eltern und jüngeren Söhne beim Essen gezeigt werden, nehmen in Verlauf der Narration zunehmend ab. Immer mehr wird – auch den ProtagonistInnen – deutlich, dass dieses Haus eindeutig der Herrschaftsbereich Bings ist und nicht etwa das Haus der Familie. Bing duldet keinen Einfluss von Außen. In Bings Kommentar aus dem Off, der den Übergang von der rückblickenden Episode zum drauffolgenden Kapitel begleitet, wird dies ausgesprochen: »This is my second house« (meine Hervorhebung, js), nicht etwa das Haus eines Ehepaares oder einer Familie. Das Haus stellt eine Verbindung zum psychischen Befinden Bings dar, es spiegelt ihren Versuch wieder, durch völlige Abschottung gegen Aussen einen Schutzraum zu schaffen. Bing erzeugt durch Abgeschlossenheit und Sterilität einen leeren Raum, der von kulturellen Verbindungen zu ihrer Vergangenheit entbunden ist. Es lassen sich aber auch keine Versatzstücke australischen Einflusses finden, verriegelte Fenster und eine Alarmanlage sperren Einbrecher, Hunde und giftige Spinnen, Drogen, Sex und AIDS, alle Bedrohungen, die Bing mit Australien verbindet, aus. Dieser Wunsch nach Sicherheit führt dazu, dass auch keine Durchlässigkeit von Innen nach Außen möglich ist. Chau und Yue vergleichen das Haus gar mit einem Gefängnis: »We’re in illegal custody«, sie fühlen sich eingesperrt, wie es die Linienführung visuell betont. Doch mit dem Einzug der Familie dringen beide Einflüsse, das Asiatische und das Australische, in den Innenraum ein. Während die Eltern durch Sprache, Religion und Eßgewohnheiten die asiatische Kultur mitbringen, tragen die Brüder, nicht zuletzt beeinflusst von Bings Aufforderung, sich der australischen Umgebung so weit als möglich anzupassen, die Gefahren der Einwanderungsgesellschaft in den Schutzraum. Die Trennung von Innen und Außen ist unvollständig, wie im Dialog zweimal betont wird. Schon beim Einzug ihrer Familie stellt Bing gegenüber den lärmenden Brüdern fest: »Houses here aren’t very solid. Thin as paper«, beschreibt sie die Wände des Hauses. Auch das Dach bietet keinen hinreichenden Schutz, wie die Brüder später mit der Erinnerung an eine chinesische Redewendung feststellen: »A house with holes in its roof always meets the all night rain«. Aber auch auf anderer Ebene wird deutlich, dass die Sicherheit des Innenraums nur eine scheinbare ist. Denn Bings Regeln und ihre Wutausbrüche ihrer Familie gegenüber, wenn diesen nicht entsprochen wird, sind durchaus gewalttätig. Der Konflikt führt schließlich zum Auszug der Eltern und Yues. Bings Aggression, die als Reaktion auf den selbstauferlegten Anpassungsdruck an bestimmte Vorstellungen migrantischer 193

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Verhaltensweisen und ihre Ablehnung der Herkunftskultur interpretiert werden kann, und die sie zunächst gegen die Mitglieder ihrer Familie gerichtet hat, wendet sie nun gegen sich selbst. Sie wird depressiv, zieht sich immer weiter in die persönlichen, intimen Räume zurück: das Haus, das Schlaf- und Badezimmer, das Bett, und ist nicht mehr in der Lage, das Haus zu verlassen. Der angebliche Schutzraum wird zu ihrem (inneren) Gefängnis, aus dem sie erst entkommen kann, als Cheung die Familie um Hilfe bittet. Auch wenn Bing ihre Mutter zunächst aus dem intimen Raum des Schlafzimmers aussperrt, gelingt es Ma durch ihr Gebet an die Ahnen Bings ›Mauern‹ zu durchbrechen. Sie stellt Verbindungen her, sowohl zum Außen, das außerhalb des Hauses liegt, als auch nach Innen, innerhalb der Familie und damit zur Herkunftskultur. Als Ma Bing dazu bewegen kann, das Haus zu verlassen, markiert dies die Wiederherstellung ihrer seelischen Gesundheit. Ma nimmt ihr alle Schutzvorkehrungen gegen die australische Außenwelt (Sonnenschirm, Sonnenbrille) ab und zeigt ihr, dass der kleine Jack Russell Terrier ungefährlich und bezähmbar ist. Wie das Känguru, das Bing zu Beginn der Rückblende noch in Panik versetzt und von Pa kurz nach seiner Ankunft in Australien durch Tai-Chi vertrieben wird, ist dies ein – wenn auch ironisch gebrochenes – Zitat des australischen Mythos, nach dem ImmigrantInnen der feindlichen australischen Natur gegenübertreten müssen, um in diesem Land heimisch zu werden. Für Bing werden die Bedrohungen Australiens aushaltbar. In diesem Kontext ist auch Bings panische Flucht vor dem Känguru in der Rückblende zu sehen, die von den Geschehnissen während Bings erster Zeit in Australien erzählt, die etwa 7 Jahre vor der diegetischen Jetzt-Zeit liegen. Diese rückblickende Episode schildert Bings zunehmende Abkehr von allem Asiatischen und ist an das erste Haus gekoppelt, in dem sie ohne ihren Ehemann Cheung lebt. Es ist ein kleines Haus, das nur aus einem Erdgeschoss besteht und im Film wie alleinstehend wirkt. Noch vor dem Zwischentitel erfahren wir, dass dieses Haus für Bing mit Angst besetzt ist: in der ersten narrativen Szene flüchtet Bing sich nachts in Panik auf den Küchentisch und telefoniert mit Cheung in Hongkong, weil sie Angst vor einer Ratte hat. Darauf folgt die Überschrift dieser Episode »a house without a tree« und eine Einstellung, die tagsüber vor dem Haus stattfindet: ein Känguru nähert sich Bing, die sich in ihr Auto rettet und voller Angst davonrast. Entsprechend der Narration des Übergangs in Bings Prozess der Migration von ihrem vergangenen Leben in Hongkong und der diegetischen Jetzt-Zeit in Australien, werden in den Innenräumen der Rückblende visuelle Gestaltungs-Elemente verwendet, die Räume in Hongkong und die des heutigen Australiens verbinden. So finden sich sowohl 194

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die warmen Beigetöne Hongkongs als auch das kalte Weiß und die stark zergliedernde Linienführung von Bings späteren Hauses wieder. Das sterile Weiß an ihrem Arbeitsplatz markiert dabei ihre Anpassung an ihre Vorstellung einer australischen Arbeitskultur. Die Helligkeit scheint Sicherheit zu geben, da sie einen Eindruck von Überschaubarkeit und einer sterilen Sauberkeit erweckt. Es verwirrt aber auch den Blick, dem es kaum Kontraste bietet, so dass in Bildern dieser Räume leicht ein Gefühl von Orientierungslosigkeit entsteht. Im Gegensatz dazu steht der Wohnbereich des Hauses mit der integrierten offenen Küche sowie der chinesischen Schnell-Imbiss, in dem sie Lone kennen lernt,29 und der an die Garküche des Prologs in Hongkong erinnert. Diese Räume sind in den gedämpften Beige- und Brauntönen gestaltet, die auch die Hongkong-Sequenzen beherrschen. Es lässt sich also visuell zwischen der ›australischen‹ Arbeitswelt und dem ›asiatischen‹ Bereich der Privatheit, des Essens, Wohnens und zwischenmenschlicher Beziehungen unterscheiden. In der Rückblende wird Bings Versuch gezeigt, die beiden Bereiche, das Asiatische und das Australische, das Private und die Arbeitswelt, miteinander zu verbinden. Sie freundet sich mit Lone an, der als Chinese in einem australisch-asiatischen Imbiss arbeitet und integriert das Weiß des australischen Büros in ihr Arbeitszimmer zuhause. Doch Bings Bemühungen scheitern. Sie kann die australische Außenwelt nicht akzeptieren und beauftragt Lone damit, die Eingangstür ihres Hauses mit einem Gitter zu versehen, so dass die Durchlässigkeit der Türe, der Öffnung nach innen und außen, durch ihre Verdopplung eingeschränkt wird. Es scheint, als würde Bing Lone, der wie sie Kanton-Chinesisch spricht und damit über ein Zeichen kultureller Verbundenheit verfügt, benutzen, um das Australische abzuweisen und auszusperren. Es lässt sich eine zunehmende Zergliederung der Räume durch die Linienführung feststellen. Dies erweckt zunächst den Eindruck von Ordnung und Sicherheit durch die Parallelität und Rechtwinkligkeit der Linien. Zunehmend verwirren sie jedoch das Auge, da die optischen Linien in der meist offenen Bildrahmung ohne Anfang und Ende sind. Die Segmentierung des Bildes schränkt die Bewegungsfreiheit der Figuren wie des Blickes der ZuschauerInnen ein. Es entsteht ein Eindruck klaustrophobischer Enge, so dass Bing im Raum eingesperrt zu sein scheint. Besonders deutlich wird dies in der Sequenz von Lones letztem Besuch bei Bing, bevor sie ihn wegschickt: Sie bewegt sich von ihrem Arbeitszimmer, das in kalten Farben (grau, blau und schwarz) und mit 29 Der Eigenname ›Lone‹ erinnert an die englischen Worte alone, lonesome etc. und ist der einzige ›sprechende Name‹ in FLOATING LIFE. 195

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starkem Licht-Schatten-Kontrast gestaltet ist, durch den dunklen Flur auf den Koch- und Essbereich des Hauses zu, wo Lone das Essen vorbereitet. Türen, Licht und Schatten teilen das Bild senkrecht in schmale Streifen. Eingesperrt in den Türrahmen blickt Bing in das Esszimmer, das im Gegensatz zum Flur hell, offen und geräumig wirkt. Doch im Hintergrund des Raumes ist das bis zum Boden reichende Fenster, der Übergang zwischen Innen und Außen, durch die senkrechten Lamellen einer Jalousie verschlossen. Die aufkeimende emotionale und eventuell erotische Beziehung, die sich zwischen den beiden andeutet, erschreckt Bing. Sie weist Lone ab und aus ihrem Haus, sie versperrt ihren Wohnbereich sowie sich selbst gegenüber asiatischen Einflüssen. Nachdem Bing Lone weggeschickt hat, versperrt sie auch noch den letzten Zugang zu ihrem Haus, die Luke zum Dachboden.30 Zunächst möchte sie dort oben nur saubermachen, aber als sie den großen, dunklen, staubigen und von Spinnenweben durchzogenen Raum sieht, verschließt sie panisch die Öffnung nach oben. Auch hier werden Linien, die das Bild durchziehen, inszenatorisch eingesetzt. Diesmal sind es jedoch nicht parallele und rechtwinklige Linien, denn sowohl die Dachbalken auf dem Speicher wie auch die Streifen des weißen Klebebandes, mit dem Bing die Dachluke verklebt, verlaufen kreuz und quer durch das Bild. Sie bezeichnen das Chaos und Bings Furcht vor dem Ungeordneten. Und so sucht sie Sicherheit in den geraden, parallel und rechtwinklig verlaufenden Linien ihres nächsten Hauses, »a one hundred percent clean, tidy and secure house«. Die Innenräume in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING sind visuell weniger auffallend gestaltet als in den beiden anderen Filmen. Dies kann sich darauf zurückführen lassen, dass es nicht einen prägnanten Innenraum der Erzählung gibt, sondern die Erzählorte und -zeiten häufig wechseln. Alle Innenräume werden in realistischer Weise dargestellt, inszenatorische Brüche durch Farbgestaltung, Licht und Kameraeinstellungen, die in FLOATING LIFE und FISTFUL OF FLIES die Inszeniertheit offensichtlich machen, fehlen weitgehend. Es überwiegen nahe Einstellungen, eine flache Tiefenschärfe und gedämpftes Licht, so dass die Gestaltung der Innenräume wenig aufdringlich wirkt. Visuelle Inszenierungsmerkmale in der Bildgestaltung von Innen- und Außenräumen unterscheiden sich, auch in der Lichtsetzung, wenig voneinander. Die 30 Der Dachboden ist sowohl in der Literatur als auch im Film als ein Ort des Unheimlichen konnotiert. Er dient meist als Abstellraum für Dinge, die aus dem aktuellen Leben der ProtagonistInnen entfernt, ›verdrängt‹ werden, jedoch im Hintergrund anwesend bleiben und häufig genug ›wiederkehren‹. Auch die mad woman in the attic gehört in diese zu diesem Motivfeld (vgl. Feldmann/Schülting 2004). 196

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Grenze zwischen Innen und Außen wird eher auf der narrativen Ebene, die Trennung geographischer Räume wird stärker optisch hergestellt. In THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING werden Innenräume nur wenig dazu genutzt, Ethnizität herzustellen. Es lassen sich keine signifikanten Unterschiede in der Ausstattung und Inszenierung der Häuser von Jean oder der Familie Heany und denen der ›ethnisch‹ markierten Figuren feststellen. Die Thematisierung von Ethnizität liegt überwiegend auf der Dialogebene, weniger in der visuellen Inszenierung. Dagegen lässt sich eine Feminisierung des Innenraums erkennen, denn fast alle Handlungen, die in Innenräumen gezeigt werden, sind weiblich konnotiert, auch wenn sie von Männern ausgeführt werden – kochen, nähen, Geschirr spülen, einkochen. Männlich konnotierte Vorgänge wie schreinern oder jagen finden in Außenräumen statt und werden ebenfalls sowohl von Frauen als auch von Männern ausgeübt. Da Jean die einzige handlungstragende Figur ist, die nicht ethnisiert ist, findet hier zumindest eine indirekte Verbindung von Feminität und Ethnisierung statt. Eine deutliche visuelle Verbindung wird hergestellt, als sich Sonja bei ihrem Besuch in Tasmanien nachts im Haus von Jena und Jiri übergeben muss. Sie kniet vor der Toilette, die sich in einem abgetrennten Raum befindet. Die Kamera blickt durch die offene Türe über Sonjas Rücken hinweg in den Raum. An der mittelbraunen Holzwand im Hintergrund hängen zwei kunsthandwerkliche Schmuckgegenstände, ein aus Stroh geflochtener Ring mit einer Puppe darin und ein ebenfalls aus Stroh oder Weide gefertigter Doppelkreis, an dem Glöckchen hängen. In der Ecke befindet sich ein schmales Regal, in dem kleine Vasen oder Figuren auf Häkeldeckchen stehen, auf dem obersten Bord befindet sich eine Puppe in aufwendigem Gewand. Alle diese Gegenstände heben sich durch ihre hellen Farben von der dunkleren Wand sowie Sonjas ebenfalls braunem Bademantel ab und werden dadurch betont. Sie lassen sich als ›Volkskunst‹, als ethnisiertes und ethnisierendes Kunsthandwerk lesen. Die Verbindung zu Geschlecht wird über filmische Konventionen hergestellt, die bei einer sich übergebenden weiblichen Figur fast augenblicklich an eine Schwangerschaft denken lassen, einen der am stärksten mit Weiblichkeit verbundenen ›Umstände‹. Dies wird in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING in einer sehr kurz drauffolgenden Sequenz bestätigt, wenn Jenja am Frühstückstisch Sonja mit ihrer Schwangerschaft konfrontiert. Die Bedeutung der Innenräume in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING lässt sich über die Symbole ›Tisch und Bett‹ zusammenfassen, Küchen und Schlafzimmer sind die Räume, in denen fast alle Handlungen im Inneren stattfinden. In ihrer Gestaltung und narrativen Einbindung lassen sich etliche Gemeinsamkeiten feststellen, die diese miteinander in 197

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Beziehung setzen. Ein Großteil der Sequenzen, die in Innenräumen spielen, findet in Küchen statt, die alle ähnliche Einrichtungen aufweisen. Wir sehen Küchenräume, wie sie in den 1950er Jahren weit verbreitet waren. Dabei handelt es sich um Wohnküchen, in denen jedoch Kochund Essbereich nicht, wie seit den 1990er Jahren häufig zu finden, durch eine Theke voneinander abgetrennt sind. Der Küchentisch, an dem gegessen wird, aber auch andere Tätigkeiten ausgeführt werden wie Briefe schreiben, nähen, etc., befindet sich in direkter Nähe zu den Arbeits- und Aufbewahrungsmöbeln. Diese bestehen nicht aus Einbaumöbeln sondern aus offenen, halbhohen Schränken, die durch Vorhänge statt von Türen verschlossen sind. Außerdem finden sich stets Küchenbüfetts und offene Wandregale, in denen auf Spitzendeckchen sowohl Gebrauchsgegenstände als auch Schmuckobjekte, beispielsweise Dekor-Teller, Bilder und Ähnliches aufbewahrt werden. Für die Sequenzen, die von Sonjas Kindheit erzählen, unterstreicht diese Einrichtung die historische Verortung in den 1950er Jahren. Die Unterschiede in der Kücheneinrichtung im wog flat, bei Mrs. Michnik, den Picottis, der Familie Heany und in Jeans Haus sind geringfügig. Am augenfälligsten ist die moderne Einrichtung bei den Picottis, deren Küche frühe Elemente einer Einbauküche aufweist, insbesondere den Unterschrank der Spüle, der feste Türen in den damals für Küchenmöbel üblichen Farben (hellgelb und -blau sowie rot) hat. In der übrigen Gestaltung dieses Innenraums fällt Raumschmuck auf, der als Kitsch mit dominanten Vorstellungen ›italienischer‹ Vorlieben einhergeht, so dass ›Kultur‹ den Status von Schmuckelementen bekommt: Plastikblumen am Fenster und an einem großer Wandspiegel, ein Glasperlenvorhang im Türrahmen zwischen zwei Räumen sowie Filmplakate aus den 1950er Jahren.31 Die einzigen Innenräume, die einer ›ethnisch‹ nicht-markierten Person zugeordnet sind, ist das Haus, in dem Jean lebt. Auch hier findet die Handlung in Küche und Schlafzimmer statt. Dabei unterscheidet sich die Küche in der Inneneinrichtung nicht von den anderen Küchen. Die Betonung des Australischen stellt sich allein durch das feine Teeservice aus Porzellan, das mit seinem Blumenmuster an Sonjas Kinderservice erinnert, und der Tee-Dose dar, auf der die Flagge Australiens neben dem Union Jack abgebildet ist.32 31 Die Einrichtung des Hauses korrespondiert mit der modernen Kleidung von Picotti und seiner Frau Maja. 32 Hier ergibt sich eine Dopplung, die auf die koloniale Stellung Australiens innerhalb des Commonwealth sowie auf die grundlegende Multikulturalität Großbritanniens hinweist. Denn der Union Jack nimmt bis heute ein Viertel der australischen Nationalflagge ein (der Rest zeigt auf blauem 198

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Die gründlichste Schilderung eines ethnisierten Hauses liefert das wog flat, in dem Bojan und Sonja etwa zehn Jahre zusammen leben, und das sich damit bis zu Sonjas Weggehen von Tasmanien durch die Narration hindurch zieht. Auch hier spielen die meisten Sequenzen in der Küche, die den einzigen Wohnraum darstellt, in dem alle Tätigkeiten außer Schlafen und Handwerken verrichtet werden. An und in diesem Raum findet die Thematisierung des Zuhause-Schaffens statt. Das wog flat wird durch eine deutliche Annäherung als Handlungsort eingeführt. Nachdem Bojan Sonja von den Picottis abgeholt hat und ihr eröffnet, dass sie von nun an in Hobart zusammenwohnen werden, fahren die beiden im Auto eine Auffahrt entlang, an einem modernen Haus vorbei, das in einem gepflegten Garten steht, zu einer Art Hütte aus Wellblech. Bereits hier zeigt sich, dass Wohnraum im Kontext von Migration auch mit Zugang zu bestimmten Räumen und Wohnformen in Verbindung steht, wie Bojan in Worte fasst: Doma, ey. You know what that means, Sonja? Means home. In Slovenian, doma means home. You know what Australians call these places? Wog flats. That’s what they call them. That means they are not for the Australian people. That means they are for the wogs. For us.

In diesem kurzen Text lässt sich die Verbindung von Ethnizität und Wohnen auf zweifache Weise herausarbeiten. Einerseits wird das Zuhause in der Herkunftssprache bezeichnet, das diskriminierenden englischen Wort wog flat wird zum slowenischen doma. Es findet aber auch eine Abgrenzung der Wohnorte von ›ethnisch‹ nicht-markierten AustralierInnen und ImmigrantInnen statt. Während wir annehmen können, dass in dem Haus an der Straße Personen leben, die der dominanten gesellschaftlichen Gruppe angehören, bleibt die Hütte im Hinterhof als wog flat den ethnisierten ImmigrantInnen überlassen. Das neue Zuhause von Sonja und Bojan erinnert an einen Gartenschuppen und wäre als solcher mehr dem Außenraum als dem Bereich des Häuslichen zuzuord-

Grund das Kreuz des Südens, eine markante Sternenkonstellation am südlichen Himmel) (vgl. Dale 1996: 190f). Die Nationalflagge des United Kingdom selbst besteht aus drei sich überschneidenden Kreuzen, die für die drei Schutzheiligen von England (St. George, rotes Kreuz auf weißem Grund), Schottland (St. Andrew, weißes diagonales Kreuz auf blauem Grund) und Irland (St. Patrick, diagonales rotes Kreuz auf weißem Grund) stehen. Die Flagge von Wales – ein roter Drache auf weißem und grünem Hintergrund – wurde nicht in die Flagge des Vereinigten Königreichs integriert, da Wales England bereits beigeordnet war, als der Union Jack zum ersten Mal in Erscheinung trat. 199

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nen – als hätten die ethnisierten ImmigrantInnen keinen Zugang zu ›richtigen‹ Wohnungen, als würde sie nicht ›hereingelassen‹. Doch der Film erzählt, dass auch aus der ärmlichsten Hütte ein Zuhause, doma werden kann. Dies geschieht hier über ›eigener Hände Arbeit‹ – Entrümpeln, Aufräumen und Putzen – die in die Herstellung von Gemütlichkeit gesteckt wird. In der Sequenz, in der zumindest Sonja das Häuschen zum ersten Mal sieht, liegt sowohl in dem überdachten aber offenen Vorbau als auch im Haus selbst Gerümpel herum. Noch bevor wir die Aufräum- und Verschönerungsarbeiten gezeigt bekommen, wird in die Erzählung eine kurze Sequenz in der narrativen Gegenwart eingefügt. In dieser präsentiert Jenja, nachdem sie von Sonjas Schwangerschaft erfahren hat, ihr ein kleines Haus, das sie mieten könnte, um in Tasmanien zu bleiben. Auch dieses Haus befindet sich in einem heruntergekommenen Zustand, die Fenster schließen schlecht, die Tapete ist verblichen und teilweise von der Wand gerissen, der Putz abgebröckelt, es liegt Müll herum und der Herd ist verschmutzt. Dennoch, so Jenja, könne es zu einem reizvollen Heim (»very charming«) werden, »For a woman with a small family«. Zurück in den 1950er Jahren zeigt die anschließende Sequenz, wie aus dem wog flat ein gemütliches Zuhause wird. Während Bojan Reparaturen vornimmt, streicht Sonja die Wände in Pastelltönen, die den Innenraum heller und freundlich wirken lassen. Möbel werden hereingebracht und als Höhepunkt und Abschluss tragen Bojan und Sonja gemeinsam einen Tisch in ihr Zuhause. An diesem Tisch finden im weiteren Filmverlauf Schlüsselszenen im Zusammenleben von Sonja und Bojan statt, die auch die Entwicklung ihrer Beziehung beschreiben. Hier serviert Bojan seiner Tochter ein ›slowenisches‹ Frühstück – in der Pfanne gebratene Wurst und Eier, die mit selbstgebackenem Brot aufgetunkt werden. Im Gegenzug bringt Sonja baked beans on toast auf den Tisch, ein Gericht das sie bei Mrs. Heany kennengelernt hat und dem ihr Vater recht misstrauisch entgegensieht. An diesem Tisch bedient Sonja nachts die betrunkenen, Karten spielenden Freunde ihres Vaters mit Brot und Wurst – eine Szene, die der Sequenz vorausgeht, in der zu sehen ist, dass Bojan seine Tochter schlägt, wenn er betrunken ist. Als Sonja Tasmanien und ihren Vater verlässt, sitzt Bojan an diesem Tisch, auf dem die Kiste mit den Fotos von ihm und seiner Frau Maria steht. Dies ist chronologisch die letzte Szene, die im gemeinsamen Zuhause von Sonja und Bojan spielt. Mit dem Weggehen der 18jährigen Sonja vereinsamt der gemeinsame Tisch, an dem Bojan allein zurückbleibt. Nachdem die ursprüngliche Familie zerbrochen ist, verschwindet auch der Tisch: In dem Zimmer, in dem Bojan in der diegetischen Gegenwart wohnt, ist kein Tisch vorhanden, der Raum beschreibt durch Kargheit und kalte 200

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Grautöne Bojans Einsamkeit. Auch sein Blick durch die Tür in die verregnete Nacht, der Jeans wartenden Blick aus dem Fenster zitiert, ist kein Blick in die Zukunft, sondern höchstens in die Vergangenheit oder eher in eine hoffnungslose Leere. Am Ende sind es die Babymöbel, die eine Wiederannäherung zwischen Bojan und Sonja und die Wiederherstellung der alten Familienbande einleiten. Vergleichbar mit der Fahrt zu Jean, mit dem neuen Tisch auf dem Autodach, befördert Bojan die Sachen auf dem Dach desselben Autos, um der neuen Familie, die durch die nächste Generation hergestellt wird, einen Anfang zu bereiten. Der Tisch nimmt in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING eine zentrale Rolle ein, um Innenräume als Familienorte zu markieren. Dies gilt neben den genannten Szenen im wog flat auch für den Tisch, den Bojan mit Sonjas Hilfe für Jean schreinert. Als er Sonja zum ersten Mal mit zu seiner Geliebten nimmt, bringt er Jean auch den Tisch als Geschenk. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass sich die Drei um diesen Tisch als neue Familie zusammenfinden, eine Erwartung, die sich dann jedoch nicht erfüllt (vgl. Seipel 2000). Die Hoffnungslosigkeit dieses Wunschbilds zeigt sich schon bald und ist an einen anderen Ort familialer Beziehungen gebunden, dem Bett. Im Anschluss an die Szene, in der Jean den neuen Tisch bewundert und auch Sonja in ihr Lob miteinschließt, folgt eine Sequenz, in der Sonja für ihren Vater und seine Geliebte den Morgentee zubereitet. Die Aufeinanderfolge der zwei Handlungsabschnitte erweckt zunächst den Eindruck, als geschehe dies ebenfalls beim ersten Besuch Sonjas.33 Doch die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich in der Küche bewegt, lässt vermuten, dass sie bereits mehrfach bei Jean übernachtet hat und sich dort auskennt. Auf einem Tablett trägt sie Tee und Tassen in das Schlafzimmer, in dem Bojan und Jean in einem Doppelbett liegen. Als Sonja mit dem Tablett auf das Bett zugeht, schlägt Jean, die ihr mit dem Gesicht zugewandt vor Bojan liegt, die Bettdecke zurück und lädt Sonja mit einem Lächeln ein, zu ihnen ins Bett zu schlüpfen. Doch als Sonja dieser Aufforderung folgen will, bedeutet Bojan seiner Tochter durch eine abwehrende Handbewegung, die Jean nicht sehen kann, dies nicht zu tun und das Paar allein zu lassen. Sonja geht mit ernstem Gesicht weg. Jeans Schlafzimmer ist ein heller, lichtdurchfluteter Raum. Der Einsatz einer Weichzeichnerlinse, die das Licht sanfter werden lässt, als läge ein dünner Schleier über dem Geschehen, betont diesen Eindruck. Die Wände sind weiß gestrichen, das Fenster ist von weißen Gardinen

33 Auch hier wird in der Montage die Filmmusik genutzt, deren Weiterführung über den visuellen Schnitt hinweg die beiden Sequenzen miteinander verbindet. 201

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verdeckt und von Vorhängen mit hellem Blumenmuster eingerahmt. Das Bett ist mit weißer Wäsche bezogen, darüber liegt zusätzlich eine helle Decke, deren Farbe von einem beigen Dreieckstuch aufgegriffen wird, das über dem Kopfende des Bettes drapiert ist. Die Fülle von fließenden Stoffen, ein bunter Blumenstrauß in der Ecke neben dem Bett und das weiche Licht markieren den Raum als weiblich, die sehr hellen Farben, die ins Weiße tendieren setzen ihn in die Bedeutungsnähe eines Brautzimmers (vgl. Nierhaus 1999: 87ff). Jean ist eine mögliche Braut und so fragt Bojan seine Tochter einige Zeit später im Auto, was sie davon halten würde, wenn Jean ihre neue Mutter würde. Doch Sonja lehnt ab: »I don’t want her. I just want us. Can’t we just live together, in our home?« Die Herstellung einer neuen ›vollständigen Familie‹, die der Tisch zunächst in den Bereich des Möglichen rückt, wird durch den Ausschluss Sonjas aus dem gemeinsamen Bett und ihre darauf folgende Ablehnung gegenüber Jean verhindert. Nach dieser Szene verschwindet Jean aus dem Leben von Bojan und Sonja. Im Verlauf des Films wird sie noch einmal in einer kurzen Rückblende gezeigt, wie sie wartend von innen durch ein Fenster ihres Hauses nach außen blickt, bevor sie die Gardine wieder vor die Scheibe fallen lässt und den Blick, sowohl ihren eigenen nach außen wie auch den der Kamera auf sie, abbricht.34 Diese Szene unterbricht eine Sequenz, in der Sonja bei ihrem Besuch in Tasmanien im Auto sitzend ein verlassenes Haus betrachtet. Der Blick von Innen nach Außen wird damit gedoppelt. Sonja ›sieht‹ Jeans Blick in der Vergangenheit, den Blick der Frau, die eine Vervollständigung der Familie ermöglicht hätte. Die beiden Frauen werden über die Zeit hinweg miteinander in Verbindung gesetzt und es wird angedeutet, dass Sonja heute bedauert, Jean nicht als ›Mutter‹ akzeptiert zu haben. Schon früher im Film, als erste Szene im neu renovierten wog flat ist das Bett Handlungsort, an dem die Unvollständigkeit der Familie thematisiert wird. Zu sehen sind Bojan und Sonja, die in einem gemeinsamen Bett liegen.35 Bojan liegt mit geschlossenen Augen an der Wand, Sonja 34 Bildaufbau und visuelle Gestaltung dieser Einstellung ruft Assoziationen von ›wartenden Bräuten‹ in der bildenden Kunst hervor. 35 In dieser Szene lässt sich kein Hinweis auf eine inzestuöse Beziehung zwischen Bojan und Sonja feststellen – außer auf einer diskursiven Ebene, dass die Tochter ›den Platz der Ehefrau‹ einnimmt, wie sie es auch im Bereich der Hausarbeit tut. Dieser Punkt wird im Roman betont: »At first they had only one bed and so they slept together. That was how he had grown up […] sharing a bed with older brothers and sisters, […] The Australian concept of a single bed for a single person struck him as odd and destructive. Sleeping alone was a punishment, a sadness. […] To be told that some might put a less than savoury gloss on such behaviour would have appalled him. He knew too well what some adults did with children« 202

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an der Außenseite des Bettes, neben dem ein Nachttisch mit einer Lampe darauf steht. Während Bojan versucht, einzuschlafen betrachtet Sonja Familienfotos. Sie zeigt Bojan eines davon, auf der die Aufbahrung ihres Großvaters zu sehen ist. Sonja fragt nach den Bildern ihrer Mutter, doch Bojan gibt vor, nicht zu wissen wo sie sind. Er dreht sich zur Wand und Sonja bleibt, das Foto ihres Großvaters betrachtend, alleine wach. Auch hier ist deutlich, dass eigentlich Maria mit Bojan das Bett teilen sollte, ihre Abwesenheit wird durch die Familienfotos betont und durch das Fehlen der Bilder von ihr potenziert. In allen drei Filmen stehen also Innenräume, insbesondere das Innere der Häuser die von den jeweiligen ProtagonistInnen bewohnt werden, für den Raum der Familie und der Herkunftskultur. Sie sind in der filmischen Darstellung Räume der Ethnisierung. Im Kontext von Multikulturalität nehmen sie Diskurse auf, die Innenräume als Räume der Isolation gegenüber der Einwanderungskultur sowie der familiären Gewalt problematisieren. Im Gegensatz zum ethnisierten Innenraum bezeichnet das Außen die dominante Kultur des Einwanderungslandes – für die MigrantInnen das Neue und Fremde. Der Außenraum, die ›Umgebung‹ ist in allen drei Filmen mehrheitlich ein australischer Außenraum, da die Filmnarrationen weitgehend dort verortet sind. Dabei findet in FISTFUL OF FLIES und FLOATING LIFE wenig Handlung außen statt. In FLOATING LIFE sind die Außenräume von der Furcht vor der Einwanderungskultur und der Auseinandersetzung mit ihr geprägt. In FISTFUL OF FLIES dagegen ist das Außen der Raum, an dem ein Entkommen vor den Gewalterfahrungen in den ethnisierten Innenräumen möglich erscheint. So versucht Mars aus dem Haus ihrer Eltern vor deren strengen Regeln und Bestrafungen zu ihrer Großmutter, zu Eno oder gar in den Tod zu fliehen. Doch die Außenräume bieten keine Freiheit, keine ›unberührte Natur‹, sie sind geprägt durch landwirtschaftliche Nutzung und sind solider Einflussbereich der italienischen community, wie die schnelle Informationsweitergabe über ihren Besuch bei Eno durch Rosa beweist. Auch FLOATING LIFE zeigt ausschließlich Kulturräume als Außenräume, selbst die Parkanlage und der Strand in Australien sind von ihrer Nutzung durch Menschen geprägt (vgl. Fiske/Hodge/Turner 1987: 53ff). (Flanagan 1997: 147). Die Möglichkeit der Missinterpretation dieses Verhaltens wird von Flanagan also durchaus mitgedacht und in der verschriftlichten Form thematisiert und unterbunden; im Film wird diese denkbare Assoziation durch die Körperhaltung, insbesondere durch Bojans Wegdrehen von Sonja, abgewendet. Im Roman wird durch die Verbindung mit der Vergangenheit das Schlafen und das (in der dominanten Kultur als hochgradig intim konstruierte) Bett mit Ethnizität verbunden. 203

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Die Umgebung in Australien ist stark anhand der Wahrnehmung der neueingewanderten Familienmitglieder gestaltet. In der ersten Zeit nehmen die Neuangekommenen die Außenwelt ausschließlich vermittelt und durch Filter wahr, seien es die Fenster des Hauses, Sonnenbrillen, durch den Fernseher oder von Pa akustisch durch das kleinen Radio, mit dem er Nachrichten aus der ganzen Welt empfängt. Zusammen mit Bings Warnungen vor den angeblichen Gefahren, die außerhalb des Hauses lauern, erhalten sie einen indirekten Eindruck der Umwelt und ihr erster Ausflug wird zu »our first and only great adventure in Australia ever«, wie Chau berichtet. Ausgestattet mit Sonnenbrillen und Kopfbedeckungen wagen sich Eltern und Brüder aus dem mit einer Alarmanlage gesicherten Haus, auf die menschenleeren Straßen des Vorortes, ständig in Furcht vor bissigen Hunden, so dass sie vor einem kleinen Jack Russel Terrier in eine panische Flucht verfallen. Später scheinen Ma und Pa das Haus fast gar nicht mehr zu verlassen und wenn sie doch zum Englisch-Unterricht in die Stadt fahren wollen, verpassen sie den Bus, da sie sich nicht schnell genug orientieren können. Sie wirken verlassen und traurig in dem völlig menschenleeren Vorort und sprechen davon, ihre Tradition der Ahnenverehrung aufzugeben. Die Brüder Yue und Chau dagegen scheinen sich schnell und problemlos in der neuen Kultur zurechtzufinden. Insbesondere Chau stellt fest: »I thought we had successfully merged ourselves into Oz«, nachdem er Kontakt mit der etwa gleichaltrigen Nachbarin aufgenommen hat und sich für Sport und australische Fernsehserien (soap operas) begeistert. Doch das ist nicht die Art der Anpassung, die Bing von ihnen fordert. Sie verbindet mit dem für sie als hedonistisch gezeichneten australischen Lebensstil, den sich ihre Brüder aneignen, die Gefahren der fremden Gesellschaft. Während sich die Brüder und zunehmend auch die Eltern selbstverständlich in den Außenräumen bewegen, ist für Bing das australische Außen ausschließlich durch Bedrohung gekennzeichnet: gefährliche Tiere und das Ozon-Loch stehen für die bedrohliche Natur, Drogen, AIDS und Teenager-Schwangerschaften für die sozialen Gefahren der Einwanderungskultur. Neben der Bedeutung des Außenraums als ›Umgebung‹ steht das Außen auch in Verbindung mit Vergangenheit und Zukunft. Im Außen finden Verhandlungen zwischen Altem und Neuem, zwischen den Generationen statt. So erzählt Yen in Deutschland, während einer Autofahrt mit Mui-Mui durch die winterlich leeren Straßen, aus dem Off, wie ihr Vater von China nach Hongkong emigrierte und in der letzten Szene des Films sehen wir ihre Tochter Mui-Mui durch den Garten auf ein Haus zulaufen und hören, ebenfalls aus dem Off, ihre Stimme, die von ihrer Familie und dem ›neuen Baby‹ erzählt. In Hongkong nimmt Gar Ming 204

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an der Umsetzung der Gebeine seines Großvaters teil und er selbst vergräbt nach der Abtreibung ein Abbild eines Embryos in einem Park. Das Gespräch zwischen ihm und seinen jüngeren Brüdern, in dem er ihnen von der Kürze einer Ejakulation, der Trauer um sein nicht vorhandenes Kind und seine Sorge um die Eltern erzählt, findet im Außenraum, am Strand statt. Auch Pa plant die Zukunft seiner drei Söhne im Garten seines Hauses, in dem er sich mit ihnen aufhält. Den Brüdern, die unter einem Baum auf der Erde sitzen, eröffnet er seine Pläne: »We’ll make a pond her, to grow lotus. Your ancestral home had a lotus pond in the back garden«. Über das weitläufige Grundstück blickend überlegt er weiter: »When you three marry, there’ll be no need to buy a house. You can build here«. Mit dem Verweis auf das Haus seiner Vorfahren in China sowie auf die Zukunft seiner Söhne, versucht er, seine Familie nach seinen, von seiner Vergangenheit geprägten Vorstellungen im neuen Land zu verwurzeln. Die nächste Generation reagiert jedoch eher belustigt-irritiert als begeistert auf diese Aussicht. Nur in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING spielen Außenräume als Handlungsorte eine tragende Rolle. Es sind Räume der Annäherungsversuche für Sonja, sei es bei der Jagd oder einer Schiffsfahrt durch eine dichte Waldlandschaft mit Bojan oder bei ihrem Ausflug in die Berge mit Jenja. Doch stets scheitern diese Versuche, die Vergangenheit zu begreifen oder sie stagnieren, behindert von der Sprachlosigkeit oder dem wechselseitigen Missverstehen der Figuren. Die Landschaft bekommt hier nicht, wie in früheren Filmen aus Australien, insbesondere den period films, den Status einer Protagonistin sondern dient dazu, die Aufmerksamkeit auf die Figuren zu richten und deren Entfernung voneinander zu betonen. Dabei ist auffällig, dass scheinbare ›Natur‹-Räume in den Blick genommen werden, die Darstellung unberührter Natur jedoch unverzüglich durch Spuren von Nutzung und Veränderung (Abholzung, Jagd, Bau von Staudämmen, Bergbau) widerlegt werden. Dies dient in der Filmästhetik als Grundlage für die ambivalente Darstellung von Außenräumen, wobei der Aspekt für die Konstruktion Tasmaniens als ›unberührte Wildnis‹ in den Hintergrund tritt. In der Jagdszene ist nicht nur der Zweck der Anwesenheit, die Jagd, ein Eingriff in die scheinbar natürliche Umwelt der Berge. Sowohl die freie Grasfläche als auch das Kaninchen, das Sonja schießt, sind ein direkter Verweis auf die ökologischen Veränderungen seit der Inbesitznahme durch EuropäerInnen im Jahre 1803. Bei Jenjas und Sonjas Wanderung in den Bergen wird der erste Eindruck von natürlicher Umgebung mit einem Blick ins Tal beantwortet, in dem eine Hafenstadt, vermutlich die Hauptstadt Hobart, zu sehen ist. Auch der Kameraschwenk am Anfang und Ende des Filmes, der zu205

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nächst den Eindruck einer unberührten Naturlandschaft erweckt, wird durch Sonjas Worte »This used to be my home once« und die Reste des Holzhauses, in dem sie mit ihren Eltern in den 1950er Jahren lebte, gebrochen. Genau wie die ›natürlichen‹ Landschaftsszenarien gebrochen werden, sind auch ihre Veränderungen, ihre Nutzung durch Menschen ambivalent, wie sich an der Darstellung der Staumauer zeigt. Zu Beginn des Filmes werden die Staudamm-Projekte in Tasmanien durch den dokumentarischen Ausschnitt in einen Kontext sozialer Historizität gestellt. Die Dämme dienen der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und bringen aufgrund der dafür erforderlichen Arbeitskräfte Immigration mit sich. Der Text einer an der Stauwand befestigten Gedenktafel betont die Trennung von Mensch und Natur und der Nutzbarmachung der Natur: »For the men of all nations who by building this dam helped harness nature for the betterment of all men – 1955«. In der Gegenüberstellung von Mensch und Natur findet zugleich eine geschlechtliche Zuweisung statt. Durch die zweifache Verwendung des Wortes men, einmal für die männlichen Arbeiter, die den Staudamm gebaut haben und in der ›verallgemeinernden‹ Bedeutung ›Menschheit‹ werden Frauen sowohl von der direkten Arbeit als auch von der Trennung zwischen Mensch und Natur ausgeschlossen und so in den Bereich des Natürlichen verwiesen. Die Verbindung von Weiblichkeit und der Landschaft, die als Natur erscheint, wird drastisch verdeutlicht, als Bojan den toten Körper seiner Frau findet. Trotz der auffälligen Farbe des roten Mantels, den Maria trägt, wirkt ihr Körper wie ein selbstverständlicher Teil der Landschaft. Bojan dagegen, der sich verzweifelt an den Stamm des Baumes presst, an dem Maria sich erhängt hat, bleibt getrennt, er verbleibt Mensch und Mann, während Marias weiblicher Körper visuell in Natur zurück überführt wird. Aber auch die Staumauer ist nicht eindeutig ein Kulturprodukt.36 Die organisch wirkende Oberfläche und das Wasser, das über die Mauer rinnt wie die Tränen über Sonjas Gesicht, stellen eine Nähe zur Natur, oder besser, zur ›menschlichen Natur‹ der Emotionen her. Das Bauwerk, hinter dem ein Fluss zu einem See aufgestaut, Fließendes verzögert und angehalten wird, visualisiert die Trennung zwischen Sonja und Bojan. Sonjas Reaktion auf die Mauer, ihr ›Begreifen-wollen‹, ihr körperliches Anschmiegen und ihr weinendes Gesicht stellen eine emotionale Nähe 36 Im Roman ist diese Ambivalenz zwischen Natur und Kulturwerk beschrieben: »The corrosion of the years made it difficult to tell where the dam’s concrete ended and the rock of the gorge in which it was built began«, »that the ageing dam was decaying back into the natural world« (Flanagan 1997: 26f.) 206

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zwischen dem Bauwerk und der ›Mauer‹ zwischen Bojan und Sonja her.37 Während diese emotionale Mauer zunächst eine sehr starke Abgrenzung darstellt, ist die Trennung zwischen Innen- und Außenräumen im Gegensatz zu den anderen beiden Filmen am schwächsten inszeniert. Feste, gemauerte Gebäude sind selten, die Häuser der ProtagonistInnen sind meist aus Holz oder Wellblech, Sonja durchschlägt vor Wut das Fenster des wog flats und stellt damit einen Durchbruch her, und die Blechkarosserie eines Autos bietet wenig Trennung zwischen Innen und Außen. Anders wird dagegen in FLOATING LIFE und FISTFUL OF FLIES über die Architektur und ihre Ausgestaltung stark zwischen Innen und Außen getrennt. Die verschlossenen Fassaden, die beide Filme ins Bild nehmen, die Thematisierung von Türen und Fenstern sowohl in der Bildgestaltung als auch in der Narration betonen die Versuche der Grenzziehung, wobei diese unvollständig ist und scheitert. Landschaft wird in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING am ehesten dazu genutzt, sie mit einem Auto zu durchqueren. Das Moment der Bewegung findet dabei fast ausschließlich in Naturlandschaften statt, die allerdings durch das sie durchquerende Auto und die Straße zerschnitten werden. Bei Sonjas Fahrt zum Staudamm wird dieser Einschnitt in die natürliche Umgebung durch die rote Farbe ihres Autos sowie die kreuz und quer verlaufenden Hochspannungsleitungen betont, bei der Fahrt von Bojan und Sonja zu Picotti ist es das Scheinwerferlicht des Autos, das die Dunkelheit des nächtlichen Waldes teilt und das Tier blendet, das Bojan überfährt. Diese Landschaftsdurchquerungen ermöglichen auf visueller Ebene die Zurschaustellung der tasmanischen Naturlandschaften.38 Im Kontext der Narration bezeichnen sie Veränderungen, die auf 37 Die Symbolik der Mauer und ihre Überwindung sind im Roman sehr viel deutlicher dargestellt. Bei Sonjas Ausflug zu dem Bauwerk, kurz nach ihrer Ankunft in Tasmanien schreibt Flanagan: »Leaning against the dam, spreading her arms out along the dam wall, she [Sonja, js] felt as a child searching for reassurance, as if the huge construction were some long lost parent« (Flanagan 1997: 28). Als Bojan nach Hobart fährt, um Sonja die Babymöbel zu bringen, besucht auch er den Damm, der in einer PhantasieSzene bricht. »When the first ominous yet strangely dull thud of concrete collapsing come to Bojan’s ears through the muting rain, he did not know what it was finally cracking into pieces. [...] how could he see when it was he also that there and then began to fall apart [...] reforming into a different person« (Flanagan 1997: 346). 38 ›Natur‹ und ›unberührte Landschaft‹ spielt in der Konstruktion Tasmaniens eine relevante Rolle, sowohl in der Abgrenzung zum australischen Festland als auch in der Reise-/Werbe-Branche. So können ›KennerInnen‹ bei Bojans Fahrt nach Hobart die charakteristische Silhouette des Cradle Mountain ausmachen. Wiedererkennungseffekte dieser Art haben meist 207

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ein (vorläufiges) Ziel gerichtet sind, sie sind von Ambivalenzen zwischen Nähe und Distanziertheit, Sicherheit und Bedrohung, Annäherung und deren Scheitern geprägt. Insbesondere in der Zeit, als Sonja etwa acht Jahre als ist – sowie in ihren Alpträumen, die sie alle in diesem Alter zeigen – kommen Szenen im Autoinnenraum häufig vor. Das Innere von Bojans Auto ist ein Raum der Intimität zwischen Vater und Tochter, hier findet Kommunikation statt, die jedoch immer Nicht-Ausgesprochenes, Vermutungen und Missverständnisse einschließt. Auch das Auto Picottis ist ein Raum ›falscher‹ Kommunikation, in diesem Falle von Unwahrheiten, die Picotti über Sonjas Mutter erzählt, sowie geprägt von der exzessiven Intimität des sexuellen Missbrauchs. Sonja entzieht sich der Bedrohung, indem sie den Wagen verlässt. Doch sowohl das Auto als auch Picotti verfolgen sie in ihren Alpträumen, in denen sich Teile der Szenen wiederholen. In diesen Träumen sind es Männer, Picotti und der betrunkene Bojan, die Sonja im Auto ängstigen, während die Frauenfiguren Mrs. Michnik, Jean und Maria nicht ins Innere gelangen können. Der Autoinnenraum ist damit ein durch Fehlkommunikation und mit Angst besetzter Intimraum, ein männlich geprägter Ort, den Sonja nicht für sich bestimmen kann. Als Kind kann sie hier niemals agieren sondern bestenfalls reagieren, in ihren Träumen kann sie das Auto nicht mal verlassen sondern ist darin gefangen. Aber auch für den Kontext der Migrationssituation Bojans trägt der blaue F.J. Holden Bedeutung. Es ist ›the all-Australian car‹, das australische Auto der 1950er Jahre und beschreibt zunächst Bojans Bestreben, sich in die australische Kultur einzufügen, ›Australier zu werden‹.39 Dass er dieses Auto nach dreißig Jahren immer noch fährt, schildert dagegen eher seinen Stillstand, seine Unfähigkeit sich zu ändern. Dennoch steht am Beginn der Aussöhnung zwischen Vater und Tochter eine Fahrt durch eine Landschaft. Wie er zuvor den Tisch auf dem Autodach zu Jean transportierte – eine Annäherung, die fehlschlug – bringt er nun die Baby-Möbel zu Sonja nach Hobart. positive Auswirkung sowohl auf das heimische Publikum wie auch auf frühere BesucherInnen der Insel und damit auf den Tourismus, der einen wichtigen ökonomischen Faktor Tasmaniens ausmacht. 39 »The F.J. Holden car occupies a potent place in the popular culture of Australia. The first model of a range of cars made exclusively in Australia by General Motors after World War II, it was the (only) Australian car well into the fifties and is looked upon with considerable sentiment not only by many who once owned one (frequently as their first car) but also by the subculture of young car enthusiasts. It was, for a time, a potent symbol of egalitarism: it only existed (like the Ford Model T) as one basic vehicle and thus was driven by all classes before the advent of different models (for different incomes)« (Rattigan 1991: 130; vgl. Dale 1996: 97). 208

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In FLOATING LIFE werden Autos und Fahrzeuge ebenfalls an narrativen Stellen eingesetzt, die von Veränderung und – innerer – Bewegung erzählen. So wird die Ankunft der Eltern und Brüder in Australien mit einer Einstellung auf das durch den Vorort fahrende Auto eingeführt, die Schwierigkeiten des Umzugs in das neue Haus wird mit einer Szene kommentiert, in der die Eltern und Yue schwer bepackt aus einem Bus steigen und eine Straße entlang gehen, wo ein vorbeifahrender LKW sie in eine Staubwolke hüllt. Die Tatsache, dass die Eltern nicht autofahren können sondern auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, betont ihre problematische Situation im Migrationsprozess, den sie jedoch lernen zu meistern: Während sie zunächst noch den Bus in die Stadt verpassen, gelingt es ihnen später, sich selbständig und ohne die Hilfe von Bing ›fortzubewegen‹. Auch als Gar Ming den jüngsten der Brüder, der bei Bing geblieben ist, zu seinen Eltern zurückholt, spielen Fahrzeuge eine entscheidende Rolle. Gar Ming hindert Chau daran, in den Schulbus zu steigen und zwingt ihn in sein eigenes, altes und verbeultes Auto, mit dem er in der folgenden Szene in halsbrecherischem Tempo eine kurvige Straße entlangfährt. In diesen Sequenzen bedeuten Fahrzeuge, neben dem direkten Moment der Bewegung von einem Ort zu einem anderen, auch die Veränderung im Leben der jeweiligen ProtagonistInnen und stehen damit direkt im Kontext von Migration. In Deutschland wird Yens Erzählung über die Migrationsgeschichte ihrer Eltern von Bildern einer Autofahrt durch eine winterlich-graue Stadt begleitet. Hier steht der Autoinnenraum für die Isolation, die Yen empfindet. Sie wird niemals in Kontakt mit der Außenwelt gezeigt und Mui-Mui weigert sich zunehmend, die Sprache und Schrift der Herkunftskultur ihrer Mutter zu lernen. Yen wird sich ihrer Isolation und ihrem Unbehagen immer mehr bewusst und sucht nach Veränderung und Bewegung: Sie fliegt nach Hongkong, kehrt damit ihre eigene Migrationsbewegung um und folgt der ihrer Eltern weiter nach Australien. Wie in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING dienen Fahrzeuge in FISTFUL OF FLIES als Räume von Annäherung. Häufig scheitern die Versuche der Kontaktaufnahme jedoch, beispielsweise wenn Dr. Powers versucht, Mars aus dem Auto heraus anzusprechen, als diese auf ihren Rollschuhen, fluchend und mit Walkman-Kopfhörern auf den Ohren zu ihrer Großmutter fährt. Auch das Gespräch, das Joe auf der Rückfahrt mit seiner Tochter beginnt, bringt nur eine teilweise Annäherung. Einzig die gemeinsame Traktor-Fahrt von Grace und Mars zum Haus von Magda, wo die beiden Frauen Joe konfrontieren werden, führt zu einer neuen Solidarität. Der Film verwendet verschiedene Mobilobjekte und Möglichkeiten der Fortbewegung, die mit Status- und Genderpositionen verbunden 209

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sind. Mars rote Rollschuhe sind häufig im Bild zu sehen oder werden erwähnt, obwohl sie nur in einer Sequenz ihren Zweck erfüllen, als Mars zu ihrer Großmutter fährt. Die Rollschuhe sind ein Fortbewegungsmittel, das keinen institutionalisierten Sanktionen (Altersgrenze, Fahrerlaubnis) unterliegt, und damit einen niedrigen sozialen Status einnimmt: Kinder und Jugendliche fahren Rollschuhe.40 Für Mars bedeuten sie Mobilität und korrespondieren mit ihrem Freiheits- und Bewegungsdrang und ihren Ausbruchsversuchen aus der rigiden kulturellen Ordnung, die ihre Familie vertritt. Grace bedient sich des gering sanktionierten Traktors als Fortbewegungsmittel, der wie die Rollschuhe rot ist. Nie sehen wir sie das Familienauto oder Joes Kleinlaster lenken. Diese beiden ›richtigen‹ Kraftfahrzeuge bleiben im ethnisierten Kontext dem Mann überlassen. Die einzige Frau, die am Steuer eines PKW gezeigt wird ist Dr. Powers, die außerhalb der ethnisierten italienischen community steht und als indigene Australierin und Ärztin nicht deren unmittelbaren Genderrollen-Zuweisungen folgt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in allen drei Filmen Autos und andere Mittel der Fortbewegung stark mit Mobilität und Veränderung in Migrationsprozessen, mit Versuchen von Annäherung und Flucht in bzw. vor familiären Beziehungen sowie mit der Konstruktion von Weiblichkeit und Männlichkeit in Verbindung stehen. Das Auto ist ein ›Bewegungsraum‹, ein Innenraum der sich durch das Außen bewegt und nur dünne Grenzen zwischen Innen und Außen zieht. Diese ambivalente Position macht es zu einem Zwischenort, seine Verbundenheit mit Fortbewegung zu einem hochgradig dynamischen Raum, der Auseinandersetzung und Aussöhnung zwischen Ethnizität und Einwanderungskultur zulässt oder gar fördert.

Zw i s c h e n r ä u m e u n d Ü b e r g a n g s o r t e Aber auch ›verortete‹ Räume können diese Dynamiken aufweisen und die Grenzziehung zwischen Innen und Außen, zwischen ethnisiert und nicht-ethnisiert, zwischen feminin- und maskulin-markiert flexibel halten und verunsichern. In THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING werden einige Male Orte gezeigt, die zwischen Innen und Außen changieren und an denen die achtjährige Sonja versucht, mehr über die Herkunftsregion ihrer Eltern zu erfahren und damit scheitert. Angeregt durch die Postkar40 Es handelt sich bei Mars Rollschuhen um roller-skates, bei denen vier Räder im Rechteck fest am Schuh fixiert sind und die einen geringeren Status haben, als die moderneren roller-blades, bei denen die Rollen in einer geraden Linie (in-liners) angeordnet sind. 210

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ten an den Innenwänden des Plumpsklos, das in einiger Entfernung vom Haus in Jeans Garten steht, fragt sie Tom, ob er jemals in Dubrovnik gewesen sei, erhält jedoch nur eine ausweichende Antwort. Als sie kurz darauf mit Bojan in der Werkstatt vor dem wog flat arbeitet, fragt sie diesen: »Is Slovenia beautiful, Artie? And Europe, is it like the pictures in Jeans toilette?« Ihr Vater erzählt ihr daraufhin die Geschichte von den Schweinen, die immer wieder in den brennenden Stall zurückgelaufen seien und meint, so sei Europa, »No one knows«. Sowohl die Toilette, ein geschlossener Raum der jedoch als ›Außenklo‹ eine räumliche Ambivalenz aufweist als auch die Werkstatt, die dem wog flat angeschlossen ist und zwar ein Dach aber nur an zwei Seiten Wände hat, sind Zwischenräume und werden wie das Auto als Ort der versuchten und scheiternden Annäherung genutzt. Auch der ›Ort‹, an dem die abschließende Versöhnung von Bojan und Sonja visualisiert wird, bezeichnet einen Übergang. Sonja liegt in einem Krankenhausbett und überreicht Bojan seine neugeborene Enkeltochter. Das ›Wochenbett‹ bezeichnet Zeit und Ort und steht für den weiblichen Übergangsraum zwischen Schwangerschaft und Mutterschaft. Es fällt auf, wie stark Bojan hier den Platz des abwesenden Vaters einnimmt, als sei Maria nicht seine Enkelin sondern seine eigenes Kind. Mit dem liebevollen Entgegennehmen zeigt sich seine Aussöhnung mit Sonja. Ein Übergangsraum im Inneren eines Hauses ist der Eingangsbereich, der sich direkt an die Haustüre, den Übergang zwischen Außen und Innen anschließt. Ob das bürgerliche Vorzimmer, die Diele oder der Windfang, stets verweisen diese Räume, auch durch Rituale des Wechsels und Übergangs (Ablegen von Objekten des Außenraums wie Mantel, Schal, Schirm oder (schmutziger) Schuhe, das Abgeben einer Visitenkarte, Begrüßung und Verabschiedung, etc.) auf die symbolische Trennung zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre (vgl. Nierhaus 1999: 94ff; Rogoff 1997: 55). Diese Grenzziehung wird in der Sequenz, in der Dr. Powers zu einem Hausbesuch bei Mars gerufen wird, mehrfach präsentiert. Beim ersten Versuch von Dr. Powers, in das Haus zu gelangen, wird die Haustüre, der Übergang von Außen nach Innen, von Grace fest verschlossen.41 Erst als die Ärztin ihre Stellung und Aufgabe durch ihre ÄrztInnen-Tasche visualisiert hat, lässt Grace sie ein. Im Hausflur, der zu den Wohnräumen führt, fährt Grace fort, Flie41 Es fällt auf, dass Mitglieder der Familie diesen vom Vorgarten aus erhöht liegenden, offiziellen Eingang scheinbar nur an ›Feiertagen‹ und mit Besuch nutzen – nach der Feier zur Unbefleckten Empfängnis führt Grace Rosa durch die Eingangstür. Sonst scheinen sie den weniger förmlichen Zugang durch die ebenerdig liegende Garage zu bevorzugen. 211

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gen mit Insektenspray aus einem Parfum-Flakon zu besprühen. Ihr Kommentar zu dem erstaunten Blick von Dr. Powers lautet, »Once they’re in you can’t get them out«. Trotz des Versuchs einer strikten Grenzziehung, auf die der Zettel neben der Hautüre (»If you want $$$ go away«) sowie die argwöhnische Reaktion von Grace hinweist, ist die Öffnung des Hauses nicht vollständig kontrollierbar. Nicht nur die Fliegen ignorieren die Trennung von Innen und Außen, trotz ihres Misstrauens lässt Grace die Ärztin herein. Als Dr. Powers jedoch beginnt, unbequeme Fragen zu stellen, wird sie von Grace fast gewaltsam aus dem Haus verwiesen. Während des letzten Dialogs, in dem sie Grace auf ihren Missbrauchsverdacht hinweist, steht die Ärztin in der Haustüre. Der Eingangsbereich, Tür und Flur, werden so zu Orten der Auseinandersetzung über den Zugang zum Inneren und damit familiären Bereich, der von äußeren Einflüssen abgeschirmt werden soll. Die Sonne, Fliegen und Kritik an der Ausübung des als ›ethnisch‹ markierten patriarchalen Rechts sollen ausgeschlossen werden, gelangen sie dennoch nach Innen, werden sie – im Raum des Übergangs – heftig bekämpft. In FLOATING LIFE ist ein anderer Zwischenort für die Handlung bedeutungsvoll. Der Eingangsbereich des Hauses trennt und verbindet das halb-private Erdgeschoss vom privat-intimen Bereich (Schlaf- und Badezimmer) im Obergeschoss. In diesem Übergangsraum zwischen Unten und Oben ereignen sich etliche der Auseinandersetzungen im Film: die erste Maßregelung der Brüder durch Bing, wie sie sich in diesem Haus zu verhalten haben und etwas später Vorwürfe und Schelte in gesteigerter Form, nachdem Bing feststellen muss, dass Chau und Yue sich nicht an ihre Vorschriften halten. Auch der Prozess von Bings Heilung, der zur Herstellung einer neuen Ordnung führt, beginnt in einem Zwischenraum: Ma baut den Altar der Ahnen im Eingangsbereich auf,42 im Raum zwischen Haustüre und Treppe, auf der Bing hockt und das Gebet ihrer Mutter belauscht. Ma bringt die Vorfahren und damit die asiatische Herkunftskultur in den zuvor von jeder kulturellen Verknüpfung freien Raum, und Eingangsbereich und Treppe werden zu Orten der Veränderung. Die Auseinandersetzung zwischen Tradition und Anpassung ist eine Verhandlung von Überzeugungen und Wertevorstellungen, ein ›innerer Widerstreit‹ gewissermaßen, den Bing für sich selbst lösen muss. Denn in diesem Film, in dem die Gestaltung des Wohnraums sich stark 42 In der Sequenz an Anfang des Filmes, die die Ankunft der Eltern und Brüder in Bings Haus zeigt, erzählt Ma, wie die Vorfahren im Sinnbild des Ahnen-Altars ebenfalls nach Australien emigriert sind: Auf die Frage von Cheung, »The altar has emigrated, too?« antwortet sie: »We invited it to board the plane with the incense«. Der Übergang wird also mit dem rituellen Abbrennen von Räucherstäbchen als Opfergabe eingeleitet. 212

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auf die Darstellung der Figur Bing bezieht, findet eine Parallelisierung von Haus und Person, von Innenraum und ›inner-psychischen‹ Vorgängen statt. Anders die Konfrontation zwischen Mars und Joe, die als narrative Lösung in FISTFUL OF FLIES fungiert. Die Auseinandersetzung erfolgt zwischen zwei Personen, wobei Joe als Vertreter der rigide reglementierenden und ›ethnisch‹ markierten Ordnung steht, gegen die Mars rebelliert und von der sie sich zu befreien sucht. Der Konflikt ist also kein inner-psychischer sondern wird nach außen verlagert und in einem Außenraum verortet. Dabei ist der Vorgarten kein ausschließlich öffentlicher Raum sondern stark dem Häuslichen zugeordnet und lässt sich als Übergangsort interpretieren. Er stellt sowohl die Trennung des Hauses zum öffentlichen Bereich der Straße und des Gehwegs dar als auch den Übergang zwischen beiden Sphären. Dieser Vorgartenraum – in Form der Vorgärten der Familie Lupi und von Magda – ist im Film mehrfach zu sehen und durch die darin platzierten Gartenzwerge und die Figuren der sieben Zwerge um Schneewittchen, auffällig inszeniert. Diese Figuren stellen ein Element von ›italienischem Kitsch‹ dar und dienen damit der Ethnisierung. In dem Joe sie nach und nach zu seiner Geliebten Magda bringt, verlagert sich der Grad der Ethnisierung vom Haus der Lupis hin zu Magdas Haus. Während sich im Verlauf der Filmhandlung die Abwehr gegenüber den rigiden Moralvorstellungen und gegen Joe als Vertreter einer patriarchalen Familienordnung durch Mars und Grace verstärkt, wird Magda als promiskuitive Magdalenen-Figur immer deutlicher zur Vertreterin der Doppelmoral von Heiliger und Hure, Familie und männlichem Freiraum. Andererseits stehen die Zwerge auch wie Grenzwächter zwischen öffentlichem und privatem Raum. Als Schutzfiguren machen sie aus dem Übergangsraum einen Raum der Abwehr gegen Einflüsse von Außen (vgl. Lozanovska 1997: 108). Ihre ›Verlagerung‹, die nächtliche Entfernung aus dem Vorgarten der Lupis durch Joe, lässt den Vorgarten vor dem Haus der Lupis sowohl schutzlos als auch offen, so dass er in beide Richtungen durchquert werden kann. Die Flucht vor dem ethnisierten und von (häuslicher) Gewalt geprägten Innenraum, die Aushandlung zwischen Ethnizität und der dominanten australischen Kultur und ein Neuanfang werden möglich. In einer kombinierten Analyse von Figur- und Rauminszenierungen lassen sich viele Korrelationen und Gemeinsamkeiten feststellen, die darüber hinaus stark mit den Kategorien Geschlecht und Ethnizität verbunden sind. Die Inszenierung der Figuren, beginnend von der Auswahl der SchauspielerInnen über die Verwendung von Sprache, die Markierung durch Namen bis hin zum Filmkostüm, stellen die ProtagonistInnen, ne213

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ben ihrer individuellen Zeichnung, auch als ›Typen‹ dar. Dies gilt sowohl für die Ethnisierung der Figuren, beispielsweise als ›ArbeitsmigrantIn‹ (Jenja und Bojan) oder als ›gescheiterter Einwanderer‹ (Bojan), wie auch für ihre Einbindung in eine Geschlechterordnung, wie Rosa und Magda als ›Heilige‹ und ›Hure‹ eines polaren Frauenbildes. Stets sind diese Darstellungen mit anderen sozialen Kategorien wie Alter und sozialer Schicht verbunden. Die individuelle Gestaltung der Figuren verwendet neben diesen Inszenierungsmitteln auch narrative Strukturen, mit deren Hilfe psychische und emotionale Positionierungen und Prozesse gezeigt werden. Im Kontext von Ethnizität und Geschlecht spielen dabei vor allem die Markierungen von Gender-Ambiguitäten bzw. -Brüchen, von extremen Positionen des Festhaltens an der Herkunftskultur oder von zu starker Anpassung an die Einwanderungskultur eine Rolle. Insbesondere das Kostüm ist ein geeignetes Stilmittel, um ›Innenwelten‹ der Figuren zu visualisieren sowie – beispielsweise über Farbentsprechungen – Verbindungen zu anderen Figuren und zu bestimmten Orten und Räumen herzustellen. Dazu dienen auch die Gestaltungen von Räumen als ›Abbildungen‹ innerer Befindlichkeiten der Figuren, die ihnen zugeordnet werden. Sie verbinden Figuren mit Orten der Vergangenheit und der Gegenwart, mit ›ethnisch‹ markierten Herkunfts-, Migrations- und Aufenthaltsorten. Über die Bildgestaltung (Farbe und Licht als hell oder gedämpft, klar oder trüb, Linienführungen die Weite oder Enge herstellen) erhalten diese Orte einen emotionalen und emotionalisierenden Raumeindruck, der mit den jeweiligen geographischen Räumen verbunden wird. Eine bedeutsame Verknüpfung ist die duale Ordnung, die Räume, Ethnizität und Geschlechter organisiert, und die Struktur, die diese Systeme miteinander in Beziehung setzt: Der Innenraum, der feminisiert ist und mit dem Eigenen (Ethnisierten) verbunden wird im Gegensatz zum maskulinen Außenraum des Fremden, Australischen. In der ›Bewertung‹ und filmischen Darstellung dieser simpel erscheinenden Aufteilung werden jedoch schnell Überkreuzungen und Durchquerungen verschiedener Positionierungen deutlich. So kann die Bedeutung des Innenraums zwischen einem sicheren Schutzraum – für Weiblichkeit und Herkunftskultur – und Gefangenschaft wechseln, der Außenraum kann sowohl eine Bedrohung darstellen wie auch Freiheit bieten. Während eine Figur danach strebt, möglichst alle Einflüsse aus dem Inneren eines Hauses auszusperren, kann dies für eine andere Figur die Unterdrückung der Selbstbestimmung bedeuten. Es zeigt sich jedoch in allen Filmen, dass die Trennung und Abgrenzung von Innen und Außen stets unvollkommen ist und scheitert, so dass Brüche und Übergänge entstehen. Diese können sich sowohl an Orten 214

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manifestieren – Eingänge, Vorgärten, Toilettenhäuschen oder nur teilweise überdachte Werkstätten – oder durch Bewegung geprägt sein, beispielsweise der Innenraum eines Autos. Es sind stets ›dynamische Räume‹ oder, nach Foucault, ›Andere Räume‹, Heterotopien (vgl. Foucault 1991). Sie liegen zwischen Innen und Außen, zwischen dem Bereich des Familiären und des Öffentlichen, zwischen Ethnizität und der als dominant und für ImmigrantInnen als fremd konstruierten Kultur des Einwanderungslandes, und oft genug zwischen Weiblichkeiten/Feminität und Männlichkeiten/Maskulinität. Zwischen diesen Bereichen werden in ›multikulturellen‹ Narrationen Auseinandersetzungen inszeniert und beide müssen miteinander in produktive Beziehung gesetzt werden. In der Analyse der drei Filme zeigt sich, dass an diesen Orten in erster Linie Frauen agieren. Die männlichen Figuren treten hier entweder nicht in Erscheinung oder ihre Handlungen sind auf Reaktionen reduziert. Es sind Räume der Auseinandersetzung, in denen Annäherungen versucht werden, die jedoch zunächst scheitern. Erst nach konfrontativen Klimax-Sequenzen können Veränderungen stattfinden, werden diese Zwischenorte zu Räumen von Aushandlungsprozessen, zwischen Innen und Außen, zwischen Ethnisierung und der Einwanderungskultur. Hier finden Re-Konstruktion und Neuordnung von Ethnizität und Geschlecht statt, hier werden – durch aktive weibliche Figuren – neue, ›ethnische‹ australische Identitäten produziert. Dieser Prozess findet auch auf diskursiven Ebenen der Filmnarrationen satt.

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Diskurse um Geschlecht und Ethnizität in Kontinuitä t und Verä nde rung ethnis ierter Ge me insc ha ften

Nachdem ich Erzählmuster, Inszenierungen und narrative Wirksamkeit der Raum- und Figurengestaltung auf die Frage der korrelativen Beziehung von Geschlecht und Ethnizität hin analysiert habe, möchte ich abschließend einige Motive der filmischen Erzählungen und ihre Darstellung erörtern. Bei einem Vergleich der drei Filme wird ersichtlich, dass immer wieder Motive aufgegriffen werden, die mit theoretischen Überlegungen zur Verbindung von Geschlecht und der Re-Konstruktion nationaler und ›ethnischer‹ Gemeinschaften korrespondieren. Ich möchte hier einen Bogen zwischen Theorie und dem filmischen Material schlagen. Dabei werde ich den Fokus auf Narrationselemente richten, in denen die Verbindung von Geschlecht mit Ethnizität und deren Reproduktion besonders deutlich (gemacht) wird, und die in allen drei Filmen in ähnlicher Weise und mit ähnlichen Interpretationsangeboten verhandelt werden. Die Konstruktion von Gruppen und ihrer Kontinuität wird insbesondere in Situationen bedeutungsvoll und sichtbar, die als unsicher, die Gruppe und ihre Beständigkeit gefährdend wahrgenommen werden. Dies gilt auch für Migrationssituationen, wenn sich eine ethnisierte Gruppe in einem ›fremden‹ Land bzw. Nationalstaat konstituiert. Häufig werden in solchen Situationen auf konservative – im Sinne von bekannten und Bekanntes erhaltende – Strategien zurückgegriffen.1 Dabei wer-

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So schreibt der Schriftsteller Robert Menasse über São Paolo im Jahr 1981 »Damals gab es dort ein Viertel, das klassische Sammelviertel der italieni217

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den der kulturellen Reproduktion, d.h. dem Erhalten und Weitergeben von Traditionen sowie der biologischen Reproduktion, der Fortpflanzung unter Mitgliedern einer vorgestellten Gemeinschaft, entscheidende Bedeutung zugewiesen. Für beide Bereiche und für ihre korrelative Verbindung spielen Geschlecht, Geschlechterrollen und Weiblichkeit eine wichtige Rolle. Insbesondere in der Konstruktion von Mütterlichkeit und ihrer Bindung an (biologische) Mutterschaft sind Kultur und Biologie, Ethnizität und Geschlecht, Tradition und Fortpflanzung miteinander verknüpft.2 Ein immer wiederkehrendes Thema in Migrationserzählungen ist der Erhalt und die Weitergabe von Traditionen,3 von Verhaltensweisen, Vorschriften und Verboten, aber auch deren Ignorieren, der Widerspruch und Widerstand ihnen gegenüber. In der Repräsentation haben weibliche Figuren häufig entscheidenden Einfluss auf die Weitergabe der Herkunftskultur an die nachfolgenden Generationen, da sie als Mütter bzw. Großmütter – in der Darstellung meist als Mitglieder der Einwanderungsgeneration – dafür verantwortlich sind, (kleine) Kinder zu erziehen und ihnen bestimmte Werte und Verhaltensregel, Überzeugungen und Gewohnheiten zu vermitteln. Ebenso häufig werden weibliche Figuren der zweiten bzw. der folgenden Generation/en gezeigt, die diese Traditionen ablehnen, sich gegen sie verwehren und, vor allem, die sie neu verhandeln und mit der kulturellen Ordnung des Einwanderungslandes in Verbindung bringen. Damit findet eine starke Koppelung in der Repräsentation von Weiblichkeit und der Reproduktion von Kultur statt.

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schen Einwanderung. Dieses Viertel hatte, und dies in einem fast musealen Sinne, einen unendlichen Charme. Man fand dort ein Italien, wie man es in Italien nicht mehr fand. Getrennt von der sogenannten Heimat überlebten hier Sprache, Gesten, Verkehrsformen, Moden, von denen sich das lebendige, real existierende Italien schon längst wegentwickelt hatte« (Blum/Neitzke 2001). Ich unterscheide die Konzepte ›Mutterschaft‹, die auf biologischer, körperlicher Ebene konstruiert werden und ›Mütterlichkeit‹, einer Konstruktion über Kultur und soziale Beziehungen. Beide Konzepte sind jedoch miteinander verbunden, aufeinander bezogen und schwer zu trennen. Ich verwende den Begriff der Tradition in engem Zusammenhang mit der Konstruktion von Gemeinschaften durch Vorstellung, Fremd- und Selbstidentifikation und Repräsentation (vgl. Hobsbawm 1983; Anderson 1991). Für den Kontext meiner Arbeit ist die Einbindung von Tradition in den Kontext von Migration und des damit einhergehenden Diskurses vom Festhalten an Tradition besonders relevant. Durch diese Praxis bzw. ihre diskursive Herstellung wird Tradition als ethnisierendes Merkmal für MigrantInnen verwendet. Dies korrespondiert mit der Zuweisung an Gesellschaftsformen (die in der Regel von dominanten Wissenschaftsdiskursen vorgenommen wird), nach der ›traditionelle‹ von ›modernen‹ Gesellschaften unterschieden werden.

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Wichtige Momente von Tradition, die in einer Migrationssituation an die folgenden Generation/en vermittelt werden, liegen einerseits im Bereich der Alltagskultur, andererseits in Verhaltensvorschriften, die Gender-Rollen und sexuelles bzw. mit Sexualität in Verbindung stehendes Verhalten kontrollieren. Für diese beiden Komplexe möchte ich jeweils ein anschauliches und häufig verwendetes Zeichen herausgreifen: für den Bereich der Alltagskultur die Darstellung und narrative Verwendung von Speisen, Getränken und Ernährungsgewohnheiten, für die Verhaltensvorschriften werde ich mich auf die Darstellung von Religion als regulatives System konzentrieren.4 Beide sind bedeutsame Markierungen in der Ethnisierung, beide nehmen entscheidende Rollen in der kulturellen Reproduktion ein und beide stehen in enger Beziehung zu Geschlecht und Weiblichkeit. Mit der Bedeutung von Weiblichkeit innerhalb der kulturellen Reproduktion, der Doppeleinbindung von Frauen als Überträgerinnen und als Objekte von Vorschriften werde ich auf den Bereich der Sexualität überleiten. Hier sind insbesondere die Konstruktionen von Feminität und Maskulinität im Kontext von Heteronormativität, ihre Brüche und die Folgen krisenhafter oder devianter Genderdarstellungen für die Repräsentation von Identität und ihrer Herstellungen interessant. In allen drei Filmen lassen sich mäßig starke Brüche mit vorgeschriebenen Weiblichkeitsrollen finden, die an die Konstruktion weiblicher Sexualität und ihre Bedeutung für die Reproduktion der Gruppe gebunden sind. Weibliche Sexualität erfährt in Migrantinnen-Narrationen häufig eine ambivalente Darstellung. Einerseits werden Gefährdungen für die Person oder die Gruppe thematisiert, wie Vergewaltigung, ungewollte Schwangerschaft, sexuelle Beziehungen und damit Reproduktion außerhalb des GruppenZusammenhangs aber auch die Verweigerung, die zugewiesene Rolle der Mutter und damit der Erhalterin der Generationenfolge einzuneh-

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Mein Interesse gilt hier nicht dem Gefüge eines sozialen Systems, sondern Ebenen der filmischen Markierung von Ethnizität. In realen Lebensäußerungen stehen Ernährung und Religion auf unterschiedlichen Strukturebenen der kulturellen Abstraktion, beispielsweise können religiöse Vorschriften Anleitungen und Tabus die Ernährung betreffend geben. In Filmen werden ›Äußerungen‹ von Religion sowie von Ernährungsgewohnheiten jedoch gleichermaßen stark als Inszenierungsmittel genutzt und verstanden, um eine Figur als ›ethnisch‹ zu markieren. Dies gilt häufig auch für den Einsatz und die Gestaltung des Filmkostüms. Für die hier analysierten Filme trifft eine offensichtliche Zuweisung von Ethnizität an die Figuren über Kleidung jedoch nicht zu. Daher habe ich mich entschieden, das Kostüm in der Analyse der filmischen Gestaltung zu untersuchen, die Darstellung von Ernährung jedoch in der Analyse von Diskursen um Geschlecht und Ethnizität. 219

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men. Diese Bedrohungsmomente weiblicher Sexualität werden in der Regel mit psychischen Folgen verbunden, die von Depressionen bis hin zu Suizid reichen, und die im Verlauf der Narration ausgehandelt werden (müssen). Die Repräsentation weiblicher Sexualität erhält in MigrantinnenNarrationen also eine starke und ambivalente Aufladung. Weibliche Figuren sind Objekte (und Subjekte) von Verhaltensvorschriften, die ihre sexuelle Aktivität einschränken und auf die Reproduktion der Gruppe richten soll. Das bedeutet, weibliche Sexualität ist einerseits mit Gefahren verbunden, andererseits ist sie für die Reproduktion der Gruppe notwendig. Für die Konstruktion und Reproduktion ›ethnischer‹ Gruppen in Migrationssituationen ist insbesondere die Positionierung von Weiblichkeit in Diskursen um Familie und Genealogie relevant, denn Ethnizität ist durch die Definition der Gruppe über die regionale und ›kulturelle Herkunft‹ stark mit der Vergangenheit verbunden, eine Beziehung, die innerhalb von Familien über die Vorfahren hergestellt wird. Der Erhalt der Gruppe ist andererseits auf eine angestrebte Zukunft gerichtet, in der die folgenden Generationen die Kultur der Gruppe weiter ausfüllen und ausführen sollen, die nächsten Generationen, die aus sexuellen Beziehungen von Mitgliedern der definierten Gruppe hervorgehen sollen. Damit findet über eine lineare Zeitvorstellung eine Verbindung von kultureller und biologischer Reproduktion statt.

Kulturelle Reproduktion: Essen, Trinken, Glauben In der filmischen Repräsentation von Ethnizität und ihrer Verhandlung in Migrationssituationen nimmt Weiblichkeit eine Doppelrolle ein. So gelten Frauen einerseits als Wahrerinnen ethnisierten Verhaltensweisen, Lebenseinstellungen, Werten und Normen. Als Mütter – oder auch als Ersatzmütter – sind sie es häufig, die diese Vorstellungen und Vorschriften an die nächste Generation weitergeben. Andererseits sind es vielfach weibliche Figuren, die gegen überbrachte, als rückständig, unterdrückend und diskriminierend dargestellte Traditionen rebellieren. Hier lassen sich Verbindungen zur Kategorie Lebensalter feststellen, da ältere Frauen eine vermeintliche Sicherheit im Bekannten zu finden scheinen, an der sie in der Migrationssituation festhalten. Jüngere Frauen dagegen, oft die der zweiten oder dritten Einwanderungsgeneration, werden als

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stärker in der Einwanderungskultur verortet gezeigt.5 Sie fühlen sich nicht vom Neuen sondern eher von den Einschränkungen der ethnisierten Wertevorstellungen bedroht. Bei genauer Betrachtung der drei Filme FISTFUL OF FLIES, FLOATING LIFE und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING zeigt sich jedoch, dass eine derart simple Zweiteilung der Rollen nicht aufrechterhalten werden kann. Denn auch jüngere Frauen sind mit ihrer Herkunftskultur verbunden, auch ältere Frauen durchlaufen in der Narration Veränderungen in ihrem Umgang mit Herkunfts- und Einwanderungskultur und auch männliche Figuren nehmen wichtige Positionen in der Verhandlung von Verhaltensweisen und Vorschriften ein. Die filmische Auseinandersetzung von Ethnizität findet also in einem Beziehungsgeflecht von – weiblichen und männlichen – Figuren statt. Nicht nur mit Ethnizität und Geschlecht sondern auch stark mit Räumen in Verbindung stehen die Zubereitung und der Verzehr von Speisen und Getränken. Essen und Trinken sind in Diskursen um Migration und Multikulturalität häufig aufgegriffene Momente der ›ethnischen‹ Markierung. Bevorzugte Nahrungsmittel und Getränke, Tischsitten, Nahrungstabus, der Umgang mit Alkohol, etc. werden als kulturelle Äußerung und damit auch als Zeichen von Kultur gewertet. Unterschiede innerhalb einer konstruierten ›ethnischen‹ Gruppe, die sich auf Herkunftsregionen, Religionszugehörigkeiten, ökonomische Hintergründe oder einfach persönliche Vorlieben beziehen, werden in der Regel ignoriert. Dadurch wird Ernährung zu einem signifikanten Merkmal der vereinheitlichenden Ethnisierung von Gruppen (vgl. Erel 1999: 184f). Im kulturellen Kontakt durchlaufen Markierungs-Momente ethnisierter Speisen, Getränke und Ernährungsgewohnheiten von Seiten der dominanten Position oft einen Prozess der ›Gewöhnung‹: von der Ablehnung fremder Geschmacksrichtungen und Gerüche (Knoblauch, unbekannte Gewürze, scharfe Speisen) zu einer zunächst ablehnenden dann aneignenden Reaktion auf die Besetzung öffentlicher Räume (Pizzeria, ChinaRestaurant, Döner-Bude). Nahrung als Markierungen von Ethnizität in Abgrenzung zum Australischen wird in allen drei Filmen in mehr oder weniger starker Ausprägung verwendet. Am nachhaltigsten ist dies in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING auszumachen, am geringsten in FISTFUL OF FLIES. Auffällig ist, dass Getränke, genauer gesagt die Unterscheidung von Kaffee 5

»The Sound of One Hand Clapping is a sombre drama that explores with feeling and delicacy the difficulties experienced by children of migrant parents, children who disproportionately have to shoulder responsibilities because they can usually speak better English than their parents and because they are more easily able to assimilate in the society in which they find themselves« (Stratton 1998). 221

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und Tee als bevorzugtes Getränk sehr explizit eingesetzt werden, um Herkunftskultur und australische Einwanderungskultur zu markieren.6 In FISTFUL OF FLIES geschieht dies nur sehr kurz in der Frühstücksszene, in der Mars eine italienische Espresso-Kanne vom Esstisch zur Anrichte trägt, bzw. in der Sequenz in der Joe mit Magda in seiner Werkstatt ist und sie ihn mit dem Versprechen eines »long – black – coffee« neckt. In FLOATING LIFE ist es hochwertiger grüner Tee, den Pa als pensionierter Teehändler gleichsam zeremoniell trinkt. Während ihres Zusammenlebens beeinflusst Bing, die wie in Australien üblich Teebeutel verwendet, Pa und Ma dahingehend, ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern. Pa gibt das Tee-Trinken für einige Zeit völlig auf, wie Ma Yen bei deren Besuch in Australien berichtet. Erst im neuen Haus, das die Eltern gekauft haben, wird Pa wieder bei einem genüsslichen Tee-Zeremoniell auf der Terrasse gezeigt. Das Getränk und der gleichsam rituelle Genuss stehen hier für eine Tradition, die in die Migrationssituation mitgebracht wurde. In einer Phase der Krise und Unsicherheit wird die Tradition aufgegeben und kann erst in der Neuorientierung und im Schutz des eigenen Hauses, eines sicheren Ortes in der Einwanderungskultur wieder aufgenommen werden. Sehr komplex ist die Symbolik von Kaffee und Tee in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING eingesetzt. Bereits in einer der ersten Sequenzen, in einer Erinnerung von Sonja an ihre Mutter, spielt die etwa dreijährige Sonja mit einem Kinderservice und gibt vor, für sich, ihren Vater und ihre Mutter Kaffee einzuschenken. Maria verbessert ihr Spiel und erklärt »Tea, we drink tea now, Sonja«. Auf die Nachfrage des Kindes, warum, antwortet sie »Because we’re in Tasmania, not Slovenia. Because our world is upside down« und weiter: »Because, to have a future you must forget the past, my little knedel«. Hier wird einerseits die Verortung von Kaffee – in Slowenien – und Tee – in Australien – ausgesprochen. Das im Englischen doppeldeutige upside down bezieht sich auf die ›verdrehte‹ Welt auf der südlichen Erdhalbkugel, die altertümliche Vorstellung, dass dort alles auf den Kopf gestellt sei und die daraus folgende (Selbst-)Bezeichnung Australiens als down under, sowie auf die Verwirrung, die eine ›verkehrte‹ Welt mit sich bringt. Das Spielser-

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Teetrinken, in jüngerer Zeit auch Kaffee, haben in Australien einen durchaus wichtigen kulturellen Stellenwert. Wanna cuppa (möchtest du eine Tasse – Tee oder Kaffee) ist eine gängige Frage an BesucherInnen. Das darauf folgende Getränk besteht häufig aus einem Beutel-Tee oder InstantKaffee. Seit einigen Jahren und in bestimmten sozialen und kulturellen Gruppen, gewinnen geschmacksintensivere Kaffee-Zubereitungen an Bedeutung. Bei Espresso, Mocca und Latte Macchiato lassen sich der Einfluss von MigrantInnen nicht verleugnen (vgl. Dale 1996: 162f).

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vice zieht sich durch die gesamte Narration: nach dem Tod ihrer Mutter zerbricht Sonja es, bei ihrer Rückkehr nach Tasmanien gräbt sie die Scherben aus und versucht, diese wieder zusammenzusetzen, was ihr nicht gelingt. Erst nach der Geburt ihrer Tochter überreicht Bojan ihr die wiederhergestellte Kaffeekanne, erst mit der Aussöhnung von Sonja mit der Erinnerung an ihre Mutter und von Bojan mit seiner Tochter kann dieses Zeichen, das in der Migration eine Verbindung zur Herkunftskultur bedeutet, wieder ›ganz gemacht‹ werden. Die Unterscheidung von Kaffee als ethnisierendes Kennzeichen und Tee für Australien wird auch in weniger offensichtlichen Szenen eingesetzt. So wird nur bei Jean Tee getrunken, den Sonja morgens in einem Tee-Service zubereitet, das an ihr Kindergeschirr erinnert. Doch wie die ursprüngliche Familie durch das Verschwinden Marias zerstört wird, schlägt auch die Gründung einer neuen, ›australischen‹ Familie – nach einer kurzen glücklichen Zeit – fehl. Alle anderen ethnisierten Figuren des Films werden mit Kaffee in Verbindung gebracht. Bojan wird mehrfach gezeigt, wie er am Küchentisch des wog flat Kaffee, genauer gesagt Mocca, trinkt. Als Sonja sich von ihm verabschiedet und Tasmanien verlässt, beendet er seinen Monolog der Selbstbezichtigung und Bitte um Verzeihung damit, dass er seinen Becher auf dem Tisch zerschlägt und Blut über die Scherben fließt. Neben dem Mocca und einigen im Dialog erwähnten slowenische Gerichte wie Gulasch und Kransky Klabasha ist es insbesondere das Brot, das den Unterschied zwischen Slowenien und Australien markiert. So gibt es in Sonjas Kindheit selbstgebackenes Brot, das beim Frühstück in den Dotter der Spiegeleier getunkt wird, die zusammen mit gebratener Wurst in der Pfanne auf den Tisch kommen.7 Auch für die Gestaltung der Figur von Jenja, die wie Bojan eine als nicht anglo-keltisch gekennzeichnete Ernährungskultur vermittelt, sind Kaffee und Brot wichtige Merkmale. In einer Sequenz wird sie beim Brotbacken gezeigt und will es Sonja beibringen: »Stretch the dough [...] unless you stretch it, the bread won’t grow« – »Like my father – Bojan bread«, vergleicht Sonja ihren Vater mit dem Hefeteig und verbindet somit Herkunftsland und -kultur, auf die das Brot verweist, mit Bojans Unfähigkeit, sich in der Migration zu entwickeln und zu wachsen. Das selbstgebackene Brot ist eine weitere inszenatorische Gemeinsamkeit der beiden Figuren Jenja und Bojan in Bezug auf Nahrungsmittel. Hier verweist die private Herstellung von Lebensmitteln auf die ethnisierte 7

Anders bei der Familie Heaney, die als australisch, wenn auch durch ihre Markierung als irisch gebrochen, gekennzeichnet sind. Hier kocht die Mutter für ihre Kinder und alle bekommen einen eigenen Teller und darauf eine Portion zugeteilt. 223

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Herkunftsregion, im Gegensatz zu teilweise oder ganz vorgefertigten ›australischen‹ Nahrungsmitteln.8 In der Montage der Sequenzen von Sonjas Spaziergang mit Jenja in den Bergen und der direkt nachfolgenden Jagdsequenz mit Bojan lässt sich eine Beziehung zwischen selbst gesammelten und -gejagten Nahrungsmitteln (Pilze und Kaninchenfleisch) und Herkunftsland herstellen. Die Landschaften der beiden Drehorte ähneln sich stark und in der zweiten Sequenz bemerkt Sonja, dass die Landschaft sie an Slowenien erinnern würde, eine imaginierte Erinnerung, die Sammeln und Jagen als ethnisiertes und ethnisierendes Kennzeichen prägt. Kaffee wird wiederholt dazu genutzt, Sonjas Schwangerschaft zu thematisieren. Zunächst nötigt Jenja beim Frühstückskaffee Sonja dazu, ihre Schwangerschaft einzugestehen, später bringt sie ihr Brot, Knoblauch und eben Kaffee ins Krankenhaus. Hier sind Speisen und Getränk stark ›ethnisch‹ markiert und dienen nicht allein der Nahrung sondern auch der Heilung: »Garlic. Good for the baby, good for the soul. Coffee is good for the milk.« Die Herkunftskultur und das Akzeptieren derselben sind nötig, um die Schwangerschaft zu einem guten Ende zu bringen, sowohl im physischen als auch im psychischen Sinne. Dass Sonja ihre Schwangerschaft schließlich akzeptiert, wird festgestellt, indem sie herzhaft in eine Scheibe selbstgebackenen Brotes beißt, das dick mit Knoblauch und Öl bestrichen ist. Jenja nimmt hier sehr stark die Position der Weitergabe von ethnisiertem, kulturellem Wissen um die wohltuende Wirkung von Lebensmitteln an die Tochtergeneration ein. Damit zeigt sich, wie sehr die Beziehung zwischen Nahrung und der Kategorie Geschlecht mit einem der markantesten Ideale von Weiblichkeit verknüpft ist, dem der fürsorglichen, ›nährenden Mutter‹, die zunächst die Verbindung mit ihrem Kind über den körperlichen Kontakt des Stillens aufrechterhält und später im häuslichen und familiären Bereich weitgehend für den Einkauf, die Zubereitung und das Auftragen von Speisen zuständig ist. Hier entsteht ein diskursives Spannungsfeld zwischen dem Bild des Mannes, ›der seine Familie zu ernähren hat‹ und der (Haus-)Frau, die als eine ihrer wichtigsten reproduktiven Aufgabe dafür zu sorgen hat, dass Ehemann und Kinder tatsächlich satt bzw. in Zeiten des Mangels mit dem Nötigsten versorgt werden – wobei sie ihre 8

Die Markierung von Ethnizität durch selbstgemachte Nahrungsmittel wird im Roman noch deutlicher, indem wiederholt beschrieben wird, dass Bojan einen Großteil seiner Lebensmittel – Brot, Würste, eingelegtes Gemüse, Sauerkraut etc. – selbst herstellt, die Zutaten selbst anbaut bzw. jagt und sammelt. Einen kurzen Verweis auf diese ethnisierende Markierung zeigt sich auch, wenn Picotti die von Maja eingemachten Aprikosen vom Esstisch fegt.

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eigenen Bedürfnisse selbstverständlich zurückstellt (vgl. Kingston 1994: 128). Wird zusätzlich die dichotome Aufteilung von Innen/privatem und Außen/öffentlichem Raum in die Betrachtung einbezogen, lassen sich wiederum relevante Korrelationen feststellen. Denn während das Kochen im Inneren des Hauses Aufgabe weiblicher Personen ist, wird es im öffentlichen und Außenraum zu einem Privileg der Männer. Dies gilt unter anderem für die Tatsache, dass die Zubereitung von Speisen über offenem Feuer bzw. Glut in der Regel von Männern übernommen wird. Das Grillen nimmt im Diskurs der (anglo-keltischen) australischen Alltagskultur einen wichtigen Status ein: kein Wochenende ohne Barbecue, entweder im heimischen Garten oder an einem der unzähligen öffentlichen Grillplätze (vgl. Fiske/Hodge/Turner 1987: 41f). Interessanterweise findet in keinem der Filme ein Barbecue statt – in FLOATING LIFE bereitet die Familie zwar einen Ausflug mit Picknick vor als Yen in Australien zu Besuch ist, der jedoch von einem heftigen Streit über die Zubereitung der zu grillenden Hähnchenkeulen verhindert wird. Auch das auf einem offenen Feuer zubereitete Gulasch in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING lässt sich im Kontext der Sequenz nicht ›australisch‹ deuten. Diese Auslassung einer bedeutenden australischen kulturellen Praxis ist ein kleines Moment in der Markierung der ethnisierten, migrantischen Filmfiguren als ›nicht-australisch‹. Ein weiterer Bereich, in dem Männer dominante Positionen einnehmen, ist der professionelle Umgang mit Speisen und Getränken außerhalb der häuslichen Sphäre. So ist der überwiegende Anteil der Berufsköche männlich, eine Tatsache, die insbesondere für hoch dotierte und mit hohem sozialen Status auszeichnete Profi-Köche gilt. Aber auch in der Konsumption außerhauses formieren sich Geschlechterkonstruktionen: häufig ist es der Mann, der im Restaurant zumindest den Wein, seltener auch die Speisen auswählt und bezahlt. Der männlichen Position wird damit eine aktive Rolle im öffentlichen Raum zugewiesen, wohingegen die weibliche Position passiv bleibt (vgl. Kingston 1994: 126f). In FISTFUL OF FLIES wird die Praxis des außerhäuslichen Essens nicht, in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING nur kurz behandelt. So wird in einer Szene aus den 1950er Jahren gezeigt, wie Sonja im Auto vor dem Pub wartet, in dem Bojan mit anderen Arbeitern sitzt. Angetrunken kommt er zu ihr ans Auto und reicht ihr eine Tafel Schokolade als Abendessen durch das Fenster. Dies ist ein Hinweis auf eine in Australien geltende Vorschrift, die Kindern – selbst in Begleitung von Erwachsenen – den Zugang zu Pubs verbietet. Auch Frauen waren in den Public Bars lange Zeit nicht erwünscht, größere Häuser hatten als zweiten, den Frauen vorbehaltenen Raum eine Lounge Bar. Auch diese Pra225

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xis wird dargestellt, wenn die dreijährige Sonja nach dem Weggehen ihrer Mutter Bojan in einer Trinkhalle sucht, in der sich nur Männer aufhalten, während die Frauen draußen um eine Feuertonne stehen. In der diegetischen Gegenwart ist diese strikte Geschlechtertrennung zwar offiziell aufgelöst, reflektiert sich jedoch in Alltagspraktiken. So trifft Sonja ihren Vater bei ihrem Besuch in Tasmanien zum ersten Mal in einem Pub wieder, in dem außer ihr ausschließlich Männer sind (vgl. Fiske/ Hodge/Turner 1987: 1ff). In FLOATING LIFE wird das Essen in öffentlichen Räumen in alltäglicheren Kontexten (Schnellimbiss bzw. Cafés) in Bezug auf Herkunftskultur und Einbindung in das Einwanderungsland verhandelt. Dies geschieht sehr prägnant im Rückblick auf Bings erste Zeit in Australien. In einem chinesischen Schnellrestaurant, in dem sie einmal in der Woche essen geht, lernt sie Lone kennen, der dort arbeitet. Wie sie spricht er Kanton-Chinesisch und der Kontakt zwischen den beiden entsteht während des chinesischen Neujahrsfestes. Lone spricht sie an und sein Satz »First time it’s this hot for me on Chinese New Year’s Eve« legt nahe, dass auch er erst vor kurzem nach Australien immigriert ist. Die Situation und das Interieur mit den hellen Braun- und Beigetönen und dem gedämpften Licht zitieren die Eingangssequenz, in der Bings Eltern und jüngere Brüder in einer Garküche in Hongkong kurz vor der Abreise nach Australien gezeigt werden. Lones Sprache, der Hinweis auf das Neujahrsfest – einer der Höhepunkte im chinesischen Jahresablauf – und nicht zuletzt das Essen und die speziell zubereitete Speise – »I made this for New Year’s good fortune« – verbinden den australisch-chinesischen Imbiss mit der Herkunftsregion der beiden Figuren. Damit werden Bing und Lone über die gemeinsame ›kulturelle Herkunft‹ die sich in Speisen manifestiert in Beziehung gesetzt. In der weiteren Entwicklung ihrer Beziehung übernimmt Lone feminisierte Tätigkeiten der Reproduktion für die beruflich eingespannte Bing: Er kauft für sie ein und kocht für sie in ihrem Haus. Die beiden kommen sich näher und es entwickelt sich eine freundschaftliche und emotionale, vielleicht auch erotische Beziehung zwischen ihnen. Doch eines Abends, Lone deckt gerade den Tisch, kommt Bing aus ihrem Arbeitszimmer in den Wohnbereich und schickt ihn ohne viel Worte, nur mit einer kurzen Entschuldigung, weg. Diese Trennung wirkt auf zwei Ebenen. Für den narrativen Verlauf ist sie relevant, da die Beziehung so intensiv wurde, dass sie eine Bedrohung für Bings Ehe mit dem in Hongkong lebenden Cheong darstellte. Diese Verbindung zu ihrem Mann, ihrer Vergangenheit und kulturellen Herkunft ist jedoch eine der wenigen und sehr beschränkten Sicherheiten in Bings Leben. (Wie distanziert und zerbrechlich diese Sicherheit ist, zeigt ihr Telefonat zu Be226

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ginn der Rückblende, als sie sich vor einer Ratte fürchtet und Trost bei ihrem Ehemann sucht, der Tausende von Kilometern von ihr entfernt ist.) Auf einer diskursiven Ebene der Filminterpretation lässt sich feststellen, dass die Umkehrung der bürgerlichen Geschlechterordnung und Arbeitsteilung, die durch die Beziehung von Lone und Bing angedeutet wurde, mit ihrer Trennung wieder aufgehoben und die Ordnung zumindest flüchtig wiederhergestellt wird. In der chronologisch nachfolgenden Zeit wird Bing, die ihre zugewiesene Geschlechterrolle stark ablehnt, als zunehmend maskulin dargestellt. Wäre dies in einer harmonischen Beziehung mit Lone möglich, wäre die bestehende Geschlechterordnung von ›reproduktiver‹ und ›produktiver‹ Arbeit, von häuslichem und ›professionellem‹ Arbeitsbereich verdreht. Damit wäre diese Ordnung als flexibel und wandelbar gezeigt. Stattdessen unterstützt die Unmöglichkeit einer Beziehung mit ›vertauschten‹ Geschlechterrollen, die Pathologisierung von Bings Maskulinität, ihre Depression und Genesung die Re-Produktion und Konsolidierung der bestehenden Ordnung. Insbesondere indem die Heilung mit der ›vollendeten‹ Übernahme der weiblichen Rolle als (zukünftige) Mutter angekündigt wird. Es besteht also eine wechselseitige Beziehung zwischen der Unterscheidung von privatem, familiären Innenraum und öffentlichem Außenraum, der Kategorie Geschlecht und Speisen/Getränken, deren Zubereitung und Konsumption. Der stark feminisierte Umgang mit Nahrungsmitteln ›zu Hause‹ lässt sich als Motiv in allen drei Filmen aufzeigen, denn es sind fast ausschließlich Frauen, die sich im häuslichen Raum mit der Vorbereitung, Zubereitung, dem Anbieten und Servieren von Speisen und Getränken beschäftigen. Der einzige Mann, außer Lone, der Speisen zubereitet ist Bojan, dessen gesamte Figurengestaltung eine stark gebrochene, krisenhaft gezeichnete Maskulinität darstellt. Die Markierung des Australischen durch Nahrungsmittel bzw. Essund Trinkkultur ist wesentlich weniger ausgeprägt. In FISTFUL OF FLIES beschränkt sich dies auf die Nennung des vermutlich bekanntesten australischen Nahrungsmittels, Vegemite.9 Während der Frühstückssequenz schiebt Grace ihrem Ehemann einen Teller mit zwei Scheiben Toast zu, woraufhin sich Joe in nörgelndem Tonfall beklagt: »It’s got Vegemite 9

In der ›Stay in Touch‹ Kolumne des Sydney Morning Herald wurden 1995 die LeserInnen gefragt, welche ›typisch‹ australischen Gegenstände auf einer Briefmarkenserie erscheinen sollten. Vegemite war der am häufigsten genannte Gegenstand (vgl. Dale 1996: 81). In den 1920er Jahren als Beiprodukt der Bierherstellung auf den Markt geworfen und als ›gesund‹ beworben, gilt Vegemite als ›das‹ nationale Nahrungsmittel, als »national addiction«. Allerdings wurde die Herstellungsfirma bereist 1935 vom USKonzern Kraft aufgekauft und ist seitdem zu 100% in US-amerikanischem Besitz (vgl. Fiske/Hodge/Turner 1987: 174f; Dale 1996: 84). 227

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on it, woman. You know I hate that bloody stuff«. Denn wie die Sonne und die Fliegen lehnt Joe auch dieses Zeichen von Australianness vehement ab. Auch in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING wird Vegemite kurz erwähnt, der stärkere Hinweis auf australische Speisen erfolgt allerdings in Form von baked beans, die Sonja bei den Heaneys kennen lernt. Von Mrs. Heaney wird Sonja dieses Gericht als ›Nationalgericht‹ vorgestellt: »Health food of a nation. Made us what we are today«. Allerdings ist diese Speise im gesamten britischen und britisch-kolonialen Raum bekannt, so dass die national-australische Markierung gebrochen ist, wie auch die Markierung der Heaneys als australisch gebrochen ist, da sie sowohl durch Namen, Sprache, Kinderreichtum und Aussehen als ›irisch‹ gekennzeichnet sind. Die nächste Szene zeigt, wie dieses ›Nationalgericht‹ Einzug in das wog flat hält: mit selbstgebackenem Brot statt auf weißem Toastbrot, mit Salat und von Bojan äußerst misstrauisch verkostet – aber, wie Sonja ernsthaft erklärt, »Not with Vegemite«. In dieser Szene übernimmt Sonja die Rolle der Überbringerin von Kultur. Denn eine Möglichkeit für ImmigrantInnen, sich dem Einwanderungsland anzupassen, liegt in der Veränderung ihre Ernährung und Eßgewohnheiten. Die ›Vermischung‹ von ethnisierten und australisch-markierten Speisen wird auch in FLOATING LIFE kurz angesprochen. Zu Beginn des Zusammenlebens von Ma, Pa und den Brüdern in Bings Haus wird Ma häufig in der Küche gezeigt, die sie geschäftig und mit heftigen Gebrauchsspuren in Beschlag nimmt. Dazu heißt es aus dem Off: »She cooked everything, from shark fin to kangaroo tail«. Während Ma also durchaus bereit und neugierig darauf ist, die ihr bekannten Speisen (Haifisch-Flossen) mit neuen Zutaten (Känguru-Fleisch) und Zubereitungsmethoden zu mischen, wird im Verlauf der Narration deutlich, dass Bing, als maskulinisierte weibliche Figur, sich auch in ihren Ernährungsgewohnheiten in übersteigertem Maße einem anglo-keltischen Ideal angepasst hat. Sie ist strikte Vertreterin einer möglichst fett- und cholesterinfreien, ›gesunden‹ Küche und zwingt alle anderen ebenfalls dazu. Im ersten großen Streit wirft Ma ihr auch vor: »Don’t you control everything already? No oil with vegetables, no salt in omelettes, no chilli in curry«. Auch der zweite große Streit bei Yens Besuch wird durch die Frage der Zubereitung von Speisen ausgelöst und führt zum Auszug von Ma und Pa, deren Ziel eine Verbindung von Herkunfts- und Einwanderungskultur ist, die sie in der über-assimilierten Lebenswelt ihrer Tochter Bing nicht herstellen können. Hier wird deutlich, wie viel Einfluss Frauen durch ihre Verortung im familiären Bereich auf die Entwicklung des Migrationsprozess im Einwanderungsland haben. Über die Ausübung und Bestimmung von alltagskulturellen Praktiken können sie auf Distanzierung oder Annäherung 228

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zwischen Herkunfts- und Einwanderungskultur einwirken. In den analysierten Filmen lässt sich eine Struktur in der Zuweisung von Offenheit und Ablehnung gegenüber Speisen und Getränken die als australisch markiert sind und dem Geschlecht der Figuren zeigen. Dabei übernehmen männliche bzw. maskulinisierte Figuren stärker die Position der Ablehnung bzw. des Misstrauens gegenüber Speisen und Getränken des Einwanderungslandes oder ignorieren sie einfach, indem sie am Bekannten festhalten (Joe, Bojan). Weibliche Figuren nehmen dagegen eine Doppel-Position ein. Ältere Frauen geben oft traditionelles Wissen um Nahrungsmittel und ihre (auch seelische) Wirkung weiter (Jenja), aber weiblichen Figuren kommt ebenfalls die Aufgabe zu, neue, unbekannte Speisen und Getränke in den häuslichen, familiären Bereich der Einwanderungsgruppe einzubringen (Sonja, Ma). Sie verbinden Herkunftskultur und Einwanderungskultur über Nahrungsmittel und Ess- und Trinkgewohnheiten, vermitteln damit zwischen kulturellen Praktiken und versöhnen diese. Wie Sprache ist auch Religionszugehörigkeit ein entscheidendes Kriterium, um Immigrations-Gruppen zu markieren. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die für eine Gruppe ›fest-gestellte‹ Religion von der dominanten des Einwanderungslandes abweicht.10 Religion kann eine kulturelle Gruppe definieren und ihrer Ethnisierung dienen. In (regierungs-) politischen Diskursen des Multikulturalismus ist es ein erklärtes Ziel, die Beibehaltung und Ausübung aller Religionen – mit Einschränkungen – anzuerkennen. Denn das Konzept ›Multikulturalismus‹, in dem allen StaatsbürgerInnen formal die gleichen kulturellen Rechte zugestanden werden, muss durch die Ausübung dieser Rechte hergestellt werden. ImmigrantInnen werden durch Diskurse des Multikulturalismus quasi gezwungen, Teile der Herkunftskultur beizubehalten, da sonst das Ideal des Multikulturalismus ad absurdum geführt wird. Andererseits lässt sich in Diskursen zur Multikulturalität immer wieder feststellen, dass der Einfluss von Religion auf öffentlich sichtbare Handlungen (z.B. Kleidungsvorschriften) ein gewisses Maß nicht überschreiten darf, das sich an einem dominanten – für Australien ist das ein anglikanisch-protestantisch säkularisiertes – Staatskonzept orientiert. Es gibt ein ›Zuviel‹ an Religion, das mit den Vorstellungen von und Diskursen zu Multikulturalität und Multikulturalismus nicht vereinbar ist, da es die neueingewanderten StaatsbürgerInnen zu stark an die Herkunftskultur bindet. Ande10 Dies gilt auch, wenn die dominante Religion nicht die am häufigsten ausgeübte ist, wie dies in Australien der Fall ist: die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche liegt zahlenmäßig vor der anglikanischen und anderen protestantischen Kirchen an erster Stelle im Australian Census von 1996 (vgl. Tampke 2002: 128; Jupp 1997: 139f; O’Regan 1996: 272ff). 229

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rerseits, wird die ethnisierende Religion von ImmigrantInnen völlig abgelehnt und abgelegt, wird dies jedoch als zu starke ›Assimilation‹ und ebenfalls negativ bewertet. In Migrationsnarrationen gibt es verschiedene Merkmale, ein Zuviel oder Zuwenig an ethnisierenden Praktiken darzustellen, und es wiederholen sich Erzählungen über die negativen psychischen Auswirkungen, wenn MigrantInnen entweder zu stark an ihrer Herkunftskultur festhalten oder diese völlig ablehnen. Dagegen wird eine abgeschwächte Beibehaltung der Herkunftskultur als grundlegend für die gelungene Eingliederung in ein multikulturelles Staatssystem gewertet. Eine Möglichkeit der Repräsentation dieser Aushandlung ist die Verhandlung von Religion. Religion ist stark von Geschlechterkonstruktionen durchzogen, da in vielen Religionen Trennungen in weibliche und männliche Bereiche vorgenommen werden – dies gilt sowohl räumlich als auch in unterschiedlichen Praktiken der Religionsausübung. Die geschlechtliche Markierung gilt auch für die Fremdwahrnehmung und Wertung verschiedener Religionen in ihrem Verhältnis zu Weiblichkeit – Katholizismus und Islam beispielsweise gelten im Vergleich zum Protestantismus als ›frauenfeindlicher‹, was auf einer (Fremd)Beurteilung religiöser Vorschriften in Bezug auf Geschlechterrollen beruht. Es ist sehr auffällig, dass die australische Einwanderungskultur in Bezug auf Religion in keinem der drei Filme erörtert wird. Dagegen wird in allen drei Filmen ausgiebig zwischen ›zuviel‹ und ›zuwenig‹ Religion in Bezug auf die Herkunftskultur verhandelt und stets ist die Abwertung der Extreme deutlich gekennzeichnet. Ablehnende Positionierungen und deren negative Auswirkung werden vor allem in FLOATING LIFE und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING thematisiert. Der religiöse Hintergrund in FLOATING LIFE entspricht dabei nicht einem westlichmonotheistischen Kontext sondern der Ahnenverehrung. Die Wichtigkeit des rituellen Erinnerns der Vorfahren wird mehrfach thematisiert und mit Migration in Verbindung gesetzt. So muss Pa den in Hongkong verbliebenen Gar Ming wiederholt daran erinnern, sich um die Umsetzung der sterblichen Überreste seines Großvaters zu kümmern, da er selbst die Pflicht der Grabpflege aus der Ferne nicht erfüllen kann. Die räumliche Entfernung stellt die Eltern, die am stärksten daran interessiert sind, die Tradition der Ahnenverehrung zu bewahren, vor weitere Probleme. Zwar haben sie den Altar mit nach Australien gebracht, doch die ›verkehrte Welt‹ der Südhalbkugel verwirrt seine Ausrichtung und Bing unterbindet seine Aufstellung grundsätzlich: »Forget it. It’s a wooden house. You can’t burn incense. A little fire would burn it down.« Nach einiger Zeit entscheiden sich die Eltern sogar, den Tag der Ahnenvereh230

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rung nicht mehr zu feiern. Der Ort spielt dabei eine entscheidende Rolle in der Argumentation von Pa gegenüber Ma: »Let’s not buy incense. We have nowhere to burn it. Pa and Ma will understand. […] Actually, we’re so far away, it won’t reach them even if we offer.« In diesem Falle sind es nicht institutionalisierte Restriktionen durch Vorschriften, Alltagspraktiken oder ›ungeschriebene Gesetze‹ des Einwanderungslandes die eine Weiterführung religiöser Tradition unterbinden. Bing verhindert, getrieben durch die gleichsam zwanghafte Anpassung an ihre Vorstellung einer australischen ›Norm-Kultur‹, jeden Verweis auf die Herkunftskultur der Familie, auch die Ausübung religiöser Traditionen. Eben diese strikte Verweigerung jeder Verbindung zur Herkunftskultur, so legt die Erzählung von FLOATING LIFE nahe, ist Grund für Bings Depression, da sich Bing auch von ihrer Herkunftsfamilie entfremdet. In dieser narrativen Logik ist es schließlich das Gebet von Ma an die Ahnen, in dem sie für Vergebung aber auch um Verständnis für die Migration, das Verlassen der familialen Heimat, bittet.11 Sie betet um Hilfe für die ›entwurzelten‹ Mitglieder der Familie, insbesondere für Bing, deren Ablehnung alles Asiatischen sie am stärksten ›kulturlos‹ werden lässt. Es ist notwendig, dass Bing dieses Gebet belauscht und davon emotional berührt wird (sie wird zum ersten Mal traurig, sich ihrer Schwäche und Tränen hingebend gezeigt), um ihren Genesungsprozess einzuleiten, der mit einer Annäherung an die australische Kultur abgeschlossen wird: Zum ersten Mal geht Bing ohne Sonnenbrille und -schirm aus dem Haus und Ma gelingt es sogar, ihr die Angst vor dem kleinen Hund zu nehmen, der sie auf der Straße anbellt. In THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING kommt es zu einem offen ausgetragenen Streit zwischen den Positionen des Zuviel und des Zuwenig. Ganz entschieden vertritt Mrs. Michnik, bei der Sonja für einige Zeit lebt, die Wichtigkeit von Religion. Durch Name und Akzent als Immigrantin gekennzeichnet vertritt Mrs. Michnik die religiöse Erziehung Sonjas, gegen den ausdrücklichen Wunsch Bojans, und möchte ihr ein »good catholic home« geben. Sie zwingt das Mädchen zum Beten, schenkt ihr einen Rosenkranz, bereitet sie auf die Erstkommunion vor und näht ihr ein Kommunionskleid. Als Bojan eines Abends zu Besuch kommt, sieht er Mrs. Michnik, Sonja und zwei weitere Frauen vor einem Altar mit Kreuz, Bibel und Kerzen knien. Aufgebracht nimmt er Sonja mit. Auf Mrs. Michniks Einwände hin begründet er seine völlige Ableh11 »Floating Life is neither a traditionalist anti-assimilation movie, nor a polemic about the need to copy Western ways in order to survive. The strongest characters, those who stay grounded in a sense of self, home and family, neither cling to nor reject their roots. Like Mrs. Chan, they embrace those traditions that keep them bound to family« (Kaicer 1996). 231

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nung der katholischen Kirche durch deren Kollaboration mit den deutschen Besatzungstruppen in Slowenien: »I know what I seen in Slovenia when the Germans march in and the bloody church backed the bloody fascists! I know your God!« Diese Argumentation und die bigotte Frömmigkeit von Mrs. Michnik, die das Verschwinden von Maria als Beweis ihrer Schlechtigkeit verurteilt – »What kind of mother is she? What woman could treat her child so bad?« – macht die scharfe Abwehr Bojans für die ZuschauerInnen nachvollziehbar und zumindest teilweise tolerierbar. Bojan verweigert sich vehement diesem Teil seiner Herkunftskultur und entzieht auch Sonja dem Einfluss der Religion. »No religion either«, ist seine Beschreibung der Picottis, Sonjas nächster Unterbringung. Zwar ist hier noch ein Marienbild im Spiegel in der Wohnküche zu sehen, doch ist die Madonna so stark mit Zierrat überladen, dass es für den ›westlichen‹ (protestantischen) Blick nur noch als Kitsch zu beurteilen ist. Von der Religion bleiben nurmehr Zitate und Fragmente, die sich allerdings in Picottis Verhalten negativ manifestieren. Insbesondere seine Einstellung gegenüber Frauen bewegt sich – ›typisch italienisch‹ oder ›typisch katholisch‹ – ausschließlich zwischen den Extremen der Heiligen und der Hure.12 Als er seine Frau Maja eines Nachmittags nicht zuhause vorfindet, beschuldigt er sie vor Sonja des Ehebruchs und auch ihre Mutter Maria bezeichnet er als untreu: »She was a whore. A filthy whore.« Und obwohl er Sonja ein good girl nennt, versucht er im Auto der etwa Sechsjährigen unter den Rock zu fassen, bis sie sich diesem sexuellen Übergriff entzieht, indem sie aussteigt. So werden in dieser filmischen Erzählung selbst geringste Verweise auf Religion negativ in Szene gesetzt. Im wog flat, in das Bojan und Sonja anschließend ziehen, finden sich keinerlei christliche Gegenstände mehr – die Bibel wird durch die Encyclopedia Britannica ersetzt. Auf der Namensebene lässt sich eine weitere Form der Ethnisierung durch Religion feststellen, die versöhnlicher eingesetzt wird: Sowohl der Vorname von Sonjas Mutter als auch der von Mrs. Michnik, Maria bzw. Maritza als Verkleinerungsform, verweisen auf einen christlichen bzw. katholischen Kontext. Mit der Benennung ihrer eigenen Tochter nach ihrer Mutter gibt Sonja diese Verbindung an die nächste Generation weiter. Diese ›Weitergabe‹ steht nicht nur für die Versöhnung mit der Mutter sondern auch für eine Aussöhnung mit der Herkunftskultur. Denn die unterlassene Anpassung des Namens an die im Englischen gängige

12 Diese Binarität ist jedoch durchaus auch Teil der australischen Kultur, wie Anne Summers in ihrem Buch »Damned Whores and God’s Police« nachgewiesen hat (Summers 1980; vgl. Hollway 1984: 232). 232

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Form Mary kennzeichnet auch die dritte Generation als migrantisch. Diese Beibehaltung der Namensform aus der Herkunftssprache findet sich ebenfalls in FISTFUL OF FLIES statt, in dem die Hauptfigur Mars eigentlich auf Maria getauft ist und auch Grace teilweise als Grazia, der italienischen Variante, benannt wird. Auffällig ist, dass es ausschließlich die Vornamen der weiblichen Figuren sind, die Verknüpfungen mit Religion nahe legen. Und so thematisiert FISTFUL OF FLIES den Aushandlungsprozess zwischen Zuviel und Zuwenig Religion auch in erster Linie an Verhaltensvorschriften gegenüber Frauen. Um die Hauptfigur Mars/Maria entwickeln sich Auseinandersetzungen um Geschlechterrollen, insbesondere Weiblichkeit, im Kontext eines (australisch-)italienischen bzw. südeuropäischen Katholizismus. Männer wie Frauen sind in einem polaren Rollenverständnis von Weiblichkeit als entweder Heilige/Madonna oder Hure verfangen. Als Mars beginnt, sich aktiv und lustvoll mit ihrem Körper und ihrer Sexualität auseinanderzusetzen, versuchen ihre Eltern, durch Drohungen, Freiheitsentzug und körperliche Gewalt ihre Vorstellungen von einer im katholischen Kontext als moralisch richtig anerkannten Weiblichkeit zu erzwingen. In einem unhinterfragten Zuviel an Religion nehmen sie dabei keine Rücksicht auf die psychische und physische Gesundheit ihrer Tochter: Masturbation wird mit Prügel bestraft während Rosa im Wohnzimmer den Rosenkranz betet; auf offene Rebellion gegenüber der Heiratsvermittlung mit Eno folgen Zimmerarrest und eine ›Zwangsvorführung‹ beim örtlichen Priester; als Joe glaubt, er habe seine Tochter bei einem Rendezvous mit Eno ertappt, droht er ihr mit dem Gewehr im Anschlag und schleppt sie zur Ärztin, die ihre Jungfräulichkeit kontrollieren soll. Sowohl Mars Handlungen – sei es Masturbation, die Verweigerung der Rolle der Ehefrau und Mutter oder eine scheinbare voreheliche, sexuelle Beziehung – stehen im Kontext der Positionen, die Frauen in einer katholisch geprägten Weltsicht zugestanden werden: die Jungfrau, die Mutter, die Hure. Insbesondere Joe folgt dieser simplizistischen Rollenzuweisung so kritiklos, dass er nicht sieht, dass Mars andere und komplexere Positionen einnimmt. Denn eigentlich sind alle Verdächtigungen und Anschuldigungen falsch und unnötig, da Mars als verantwortungsbewusste junge Frau dargestellt wird. Ausgerechnet in der Verkörperung der Institution Kirche, in der Figur des Pfarrers, manifestiert sich eine Position nicht der Ablehnung aber der Gleichgültigkeit gegenüber Religion als sinnstiftendem Element. »Under new management« kündigt ein Schild vor der Kirche an und für den neuen Pfarrer ist Religion nicht mehr als ein Job, den er mit wenig Enthusiasmus und Überzeugung ausübt. Während Mars beichtet, klingelt sein Mobil-Telefon, weil sein Buchmacher seine Wetten platzie233

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ren will, die Aufforderung zur Buße hat der frühere Pfarrer auf Tonband aufgezeichnet, so dass der junge sie nurmehr abspielen muss, und dass, wie Mars anmerkt, Glückspiel eine Sünde ist, scheint ihn herzlich wenig zu stören. Sein bigottes Vorgeben einer Religiosität, an die er sich selbst nicht hält, geben ihn der Lächerlichkeit preis. Die völlige Ignoranz gegenüber dem Glauben ist ›zuwenig‹ und wird als Verlust der Herkunftskultur negativ gezeichnet. Es zeigt sich, dass die strengen Vorschriften der katholischen Religion nicht zu einem ›sittlicheren‹ Verhalten führen, weder bei einem Pfarrer noch bei Grace oder dem ehebrecherischen Joe. Mars dagegen bildet sich ihre eigene Meinung und handelt danach. Dabei vermittelt der Film, dass zu eng gesetzte Grenzen der Handlungsmöglichkeiten mit Gegenreaktionen beantwortet werden: Würden ihre Eltern Mars so sein lassen, wie sie sich selbst als junge Frau inszeniert und herstellt – mit einem lustvollen Interesse an ihrem Körper und einem ehrgeizigen an einer beruflichen Karriere – müsste sie sich nicht verbal und mit Taten gegen die Restriktionen wehren. Doch jedes Mal wenn sie in eine für sie nicht stimmige Feminität gezwungen wird – bei der Beichte, bei dem ersten Treffen mit Eno – reagiert sie mit Gegenwehr, entweder indem sie den Pfarrer zu einem verbalen Schlagabtausch herausfordert oder sich vor dem Hochzeitsarrangement in eine Voliere im Garten flüchtet, wo sie, einen Wellensittich auf dem Kopf, wie ein Mantra vor sich hinsagt »I will not get married«. Bei all ihrer tomboyMaskulinität interessiert sie sich für feminine Kleidung und schließlich auch für Eno. Ihre Vorliebe für die Heiligen- und insbesondere für die Madonnen-Statuen auf dem Friedhof, ihr verzweifeltes Gebet an die Gottesmutter verbinden sie mit dem katholischen Glauben. Ihre aktive, lustvolle Sexualität, ihr Ehrgeiz und ihre kritische Auseinandersetzung mit der Religion zeichnen sie als ›junge Australierin‹ aus und verorten sie in der Kultur des Einwanderungslandes. Durch die Migrationssituation im protestantischen Australien, in der sich die überbrachten Werte verändern, innerhalb einer ethnisierten community aber nur langsam an – scheinbarer – Gültigkeit verlieren, muss Mars, wie auch die anderen Figuren, in dieser Spannung für sich eine legitime und lebbare Position entwerfen. Anhand der Analyse der Darstellung und narrativen Nutzung von Motiven wie Religion und Speisen und Getränken lässt sich feststellen, dass die Repräsentation von MigrantInnen stark von einem Aushandlungsprozess zwischen Herkunftskultur bzw. dem Festhalten an der Vergangenheit, und einer zu starken Anpassung an die Einwanderungskultur gekennzeichnet ist. Beide Extreme werden mit negativen Folgen für die ProtagonistInnen verbunden. Für eine gelungene Migration muss also eine ›gesunde Mitte‹ gefunden und eingenommen werden: Traditio234

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nen, Gewohnheiten und Verhaltensweisen müssen beibehalten und in das Leben im Einwanderungsland einbezogen, das Maß ihrer Bedeutung und Ausübung jedoch gemäßigt und angepasst werden. Die Verhandlung zwischen kulturellen Praktiken ist die Aufgabe der MigrantInnen – und nur der MigrantInnen, denn in der Regel werden Mitglieder der Dominanzgesellschaft in Migrationsnarrationen einem solchen Prozess nicht unterzogen.

G ew a l t Bei den untersuchten Filmen zeigt sich, dass die Geschlechtszuweisung an die Figuren für ihre Positionierung in einem Aushandlungsprozess zwischen Kulturen von Bedeutung ist und in diesem Kontext steht auch die in Migrationsnarrationen häufig thematisierten Anpassung an kulturell vorgegebene Geschlechterrollen, die MigrantInnen leisten müssen. Denn eine ›stabile‹ Gender-Identität und ein ›gesundes Maß‹ an Sexualität werden ebenfalls als Zeichen eines gelungenen Migrationsprozesses eingesetzt. Dabei orientiert sich die ›richtige‹ Gender-Identität an den Vorstellungen der Einwanderungsgesellschaft, während ethnisierte Frauen- und Männerrollen meist als ›Übersteigerung‹, als ein Zuviel von Feminität und Maskulinität gekennzeichnet und als abzulehnen inszeniert werden.13 Geschlecht und Sexualität sind dabei in ein heteronormatives System eingebunden, außer ›Abweichungen‹ von einer als gegeben gedachten Zweigeschlechtlichkeit und einer normativen Heterosexualität sind ausdrückliches Thema einer Migrationserzählung.14 Selbst Mars wird als tomboy niemals in einen möglichen lesbischen Kontext gestellt. Die höchst normative Frage »Are you normal?« in der Frauenzeitschrift, die vor der ersten Masturbations-Sequenz aufgeschlagen in ihrem Zimmer liegt, kann in diesem Sinne nur mit Ja beantwortet werden. An und mit den zentralen Frauenfiguren – Mars, Sonja, Bing – werden Geschlecht und Sexualität thematisiert und Aushandlungsprozesse lassen sich besonders gut erkennen und analysieren. Aber auch die männlichen ethnisierten Figuren (Mitglieder der kulturell dominanten Gruppe spielen in den Filmen keine entscheidende Rolle) werden mit Fragen und Problemen in Bezug auf Geschlecht und Sexualität konfron13 Bemerkenswerterweise gibt es kein ›zuwenig‹ Feminität bei weiblichen bzw. Maskulinität bei Männerfiguren – dies schlägt sofort um in ein Zuviel an Eigenschaften (gender), die dem Geschlecht (sex) entgegenstehen: maskuline Frauen bzw. effeminierte Männer. 14 Als Beispiel siehe u.a. ONLY THE BRAVE und HEAD ON (beide Ana Kokkinos, 1994 bzw. 1998). 235

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tiert, obwohl sie in der Regel weniger offensichtlichen Regeln und Vorschriften unterworfen werden als Frauen. Verwerfungen in den männlichen Geschlechterrollen werden, genau wie andere ›Äußerungen von Kultur‹, oft als ein ›Zuviel‹ dargestellt. Dennoch orientieren sich die als richtig verstandenen und gezeigten Geschlechterbilder nicht an einem Ideal der Androgynität sondern an heteronormativen Vorstellungen, so dass sich Männlichkeit/Maskulinität und Weiblichkeit/Feminität aneinander gebunden zeigen und antagonistisch gegenüberstehen. Welche Folgen eine zu starke Ablehnung von Feminität, d.h. eine Abweichung der vorgesehenen Gender-Rolle haben kann, lässt sich an der Figur Bing verdeutlichen, die als androgyn beschrieben werden kann. Bing vertritt über weite Teile des Filmes einen Lebensentwurf und Wertevorstellungen, die insbesondere über den zentralen Stellenwert von (Erwerbs-)Arbeit im öffentlichen Raum und ihre nachdrückliche Ablehnung von emotionalen Familienbeziehungen, Fürsorglichkeit und Mutterschaft maskulin konnotiert sind. Ihre Kleidung akzentuiert dies durch die an Männeranzüge erinnernden Kostüme, ihre privaten Räume sind durch ein fast völliges Fehlen feminin konnotierter Ausschmückungen – Blumen, Stoffe, Farben – gekennzeichnet. Als ihre Eltern sich ein eigenes Haus kaufen und ausziehen, setzt sie einen Vertrag für die beiden jüngeren Brüder auf, in dem Rechte und Pflichten genau festgelegt sind, so dass sich Strukturen des Erwerbslebens bis in den Bereich privater Beziehungen hineinziehen. Bing hat kein Vertrauen in ein Konzept familiärer Versorgung – sei es emotionaler oder finanzieller Art (vgl. Castles/Davidson 2000: 188). Dieses Misstrauen und damit ihr Bedürfnis nach eigener Absicherung sind stark mit ihrer ethnisierten und rassisierten Positionierung in Australien verbunden. In der ersten Szene, die nach der Rückblende in ihrem neuen Haus spielt, erklärt sie aus dem Off: »I am saving up. I’ll have two million Australian dollars so that even if the government goes bankrupt and has no pension for us Asian people I will still have enough money till I am eighty. I won’t have to beg for help. There isn’t anyone to turn to for help.« Insbesondere ihre mangelnde Emotionalität und Fürsorglichkeit markieren ihre Verweigerung gegenüber einer femininen Gender-Rolle, die mit einer Ablehnung von Mutterschaft und Mütterlichkeit in Verbindung gesetzt wird. Dieser Bruch in ihrer Gender-Rolle wird in der Narration negativ und als Auslöser für ihr psychisches Leiden und ihre Erkrankung dargestellt. Daher muss Bings Androgynität – oder maskuline Weiblichkeit – in der Narration berichtigt und am Ende Weiblichkeit und Feminität wieder zusammengeführt werden. In FISTFUL OF FLIES wird die Verbindung von Maskulinität und Feminität in der Figur Mars im Verlauf des Films ebenfalls zunehmend 236

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aufgelöst. Dies zeigt sich u.a. in der Kostümgestaltung, in der die zu Beginn häufig verwendeten tomboy-Kleidungsstücke (kurze Hosen und Röcke, T-Shirt, Rollschuhe) immer mehr durch feminin konnotierte (das weite, leichte Sommerkleid, das Brautkleid) abgelöst werden. Am offensichtlichsten legt Mars die von ihr angeeignete Maskulinität mit dem Gewehr ab, nachdem sie ihren Vater Joe mit dessen als sexualisiert konnotierten Gewalt-Übergriffen konfrontiert hat. So wie Gender mit Sexualität verbunden ist, stehen beide Kategorien auch mit (sexualisierter) Gewalt in Verbindung. Insbesondere in der Gestaltung der Männerrollen ist Gewalt ein nachdrückliches Zeichen für Maskulinität. FLOATING LIFE ist der einzige der drei Filme, in dem keine der männlichen Figuren Gewalt anwendet, ein Merkmal, das mit der gängigen Konstruktion asiatischer Männer als ›feminisiert‹ interpretiert werden kann.15 Anders dagegen in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING und FISTFUL OF FLIES, in denen jeweils die männliche Hauptfigur durch Gewalttätigkeit gegenüber weiblichen Familienmitgliedern, der Tochter bzw. der Tochter und der Ehefrau, gekennzeichnet ist. In beiden Filmen legt die Erzählung und die Darstellung nahe, diese Gewalt sei als Reaktion auf eine tiefe Verunsicherung in Bezug auf die Ausübung der Rolle als Mann in der Migration zu verstehen. Sehr deutlich wird dies in der Konfrontation zwischen Mars und ihrem Vater. Als seine Tochter ihm, mit vorgehaltenem Gewehr, seine Gewalttätigkeit vorwirft, und seine Ehefrau Grace sein sexuelles Desinteresse an ihr und seine Untreue, bricht Joe weinend zusammen: »I just don’t understand what’s going on. I just don’t know what’s right anymore«. Er stellt fest, dass ihm die vertrauten Konzepte von erfolgreicher Männlichkeit – ein berühmter Fußballer zu sein oder einen Olivenöl-Konzern zu leiten, wie Mitglieder seiner Familie in Italien – nicht zur Verfügung stehen. Statt Heiligenfiguren stellt er Gartenzwerge her und man macht sich über seinen Namen lustig. Seine Unsicherheit und Minderwertigkeitsgefühle kompensiert er mit einer überzogen-patriarchalen Haltung gegenüber seiner Tochter und seiner Ehefrau. Diese von der Narration aufgestellte Konstellation stellt seine Gewalttätigkeit als Folge seiner Unsicherheit in der Rolle als Mann und Migrant dar und stellt sie damit in deutlichen Bezug zu Ethnisierung, Gender und ihrer – fehlgeschlagenen – Verhandlung. Nicht im Dialog ausgesprochen aber in der Narration offensichtlich inszeniert wird in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING die Verbindung 15 Die recht heftig verlaufende Konfrontation als Gar Ming seinen jüngeren Bruder Chau zu den Eltern zurückholt ist im Vergleich zur Darstellung von Gewalt- und Gewaltandrohung in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING und FISTFUL OF FLIES wenig erschreckend und bleibt in der Narration ohne physische oder psychische Folgen für Chau. 237

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von Gewalt als Reaktion auf das Scheitern an einer idealen Männlichkeit. Bojan bemüht sich vergeblich darum, ein Mann zu sein, der seine Familie beschützen und für sie sorgen kann. Die Erzählung ist dabei geprägt von Verlust, Heimatlosigkeit, Sprachlosigkeit und Erfolglosigkeit, die in Zusammenhang mit Migration stehen. In einen chronologischen Ablauf gebracht entfaltet die Narration eine Entwicklung und ›begründet‹ diese durch die Momente, die aus dem Leben der ProtagonistInnen berichtet werden: Im Jahr 1943 wird die damals zwölfjährige Maria von Mitgliedern der SS-Truppen im besetzten Slowenien des Zweiten Weltkrieges vergewaltigt. Das ganze Dorf weiß davon, doch es wird niemals darüber gesprochen. »She say nothing, never. But the whole village knew«, schildert Bojan viele Jahre später seiner Tochter. Die Emigration von Maria und Bojan, inzwischen verheiratet, ist eine Flucht vor der Vergangenheit und der Versuch, sich eine Zukunft zu schaffen, wie Maria der dreijährigen Sonja erklärt: »Because, to have a future you must forget the past, my little knedel«. Doch auch in Tasmanien kann Maria ihre Vergangenheit nicht vergessen und erhängt sich – abermals kann Bojan sie nicht schützen. Sein verzweifeltes Weinen während der Einbürgerungszeremonie, kurz nach Marias Suizid, zeigt seine tiefe Trauer um den Verlust seiner Frau. Wieder wird nicht über das Geschehene und das Leid gesprochen, stattdessen stürzt Bojan sich in Arbeit und Alkohol, seine Tochter gibt er in Pflege. Als er eine Arbeitsstelle in Hobart findet, zieht er mit Sonja in ein wog flat und beginnt bald darauf eine Liebesbeziehung mit Jean. Aber auch dieser Versuch eine neue Familie zu gründen scheitert. Bojans Alkoholkonsum nimmt zu, seine einzigen sozialen Kontakte scheinen seine ›Saufkumpanen‹ zu sein und er beginnt, seine Tochter zu schlagen, wenn er betrunken ist. Vater und Tochter entfremden sich zunehmend voneinander und Sonja verlässt ihn und Tasmanien, als sie achtzehn Jahre alt ist. 19 Jahre später kehrt sie für einen Besuch nach Tasmanien zurück und versucht eine Annäherung an ihren Vater, die jedoch zunächst scheitert. Erst mit der Aussprache, als er ihr endlich von der Vergewaltigung Marias erzählt, können die beiden eine neue Beziehung zueinander aufbauen. Die Erzählung von Bojans Leben ist eine Erzählung von Misserfolgen und Leid in der Emigration, beginnend mit dem Verlust der ›Heimat‹ – zunächst durch die Brutalität der deutschen Besatzungstruppen, dann durch die Auswanderung, die eigentlich ein besseres Leben ermöglichen sollte. Doch die Darstellung Bojans ist von Scheitern geprägt: er kann seine Frau nicht vor ihren Erinnerungen schützen und ihren Selbstmord nicht verhindern; er kann sein Leid nicht aussprechen und daher nicht verarbeiten; sein mangelhaftes Englisch verhindert seinen sozialen Aufstieg; es gelingt ihm nicht, eine neue Familie zu gründen 238

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oder Sonja mehr als ein wog flat als Zuhause zu bieten: »What home? You and I, we have no home. Don’t you understand? We have a wog flat«. Bojan reagiert zunehmend mit Gewalt auf sein – von ihm so gedeutetes – Versagen, das an seine Verlusterfahrungen gekoppelt wird. Diese Verbindung legt die Montage nahe, die jeder Sequenz, in der er wütend bzw. gewalttätig gezeigt wird, eine Erinnerung an seine Erlebnisse während des Krieges in Slowenien oder an Maria voran stellt. Erst nachdem Bojan seiner Tochter von Marias Vergewaltigung erzählt und damit seine Sprachlosigkeit überwunden hat, kann eine Aussöhnung mit der Vergangenheit und auch mit Sonja stattfinden. Erst jetzt ist er imstande, seine Unsicherheit und Hilflosigkeit, sein Scheitern zu verarbeiten und sich seiner Tochter und später seiner Enkelin anzunähern. In der Rolle des Vaters und Großvaters deutet sich für ihn eine neue Möglichkeit an, eine Rolle als Mann zu leben. Aus diesen zusammenfassenden Kurzdarstellungen der Charaktere Bojan und Joe wird deutlich, dass die Maskulinität bzw. Maskulinitätskonzepte von Beiden im Migrationsprozess als krisenhaft inszeniert sind. Die Ansprüche, die an die eigene Rolle von Männlichkeit gestellt werden, werden nicht eingelöst, entweder weil sie – bei Joe – an Idealvorstellungen der Herkunftskultur gebunden sind, die in der Einwanderungskultur nicht ›funktionieren‹, oder weil ihnen äußere Umstände entgegenwirken, die ebenfalls eng mit Vergangenheit und Herkunftsland in Verbindung stehen, wie bei Bojan. Das Scheitern in und an eigenen Entwürfen von Maskulinität wird in beiden Fällen mit Gewalt kompensiert, die im Kontext der Einwanderungskultur und darin geltender Männlichkeitskonzepte als ein Exzess, ein Zuviel an Maskulinität bewertet wird. Diese ›Extrem‹-Positionen müssen ausgehandelt und überwunden werden, wie es Bojan mit der Wiederannäherung an seine Tochter gelingt, oder die Übersteigerung muss aus der Narration entfernt werden, wie Joe in FISTFUL OF FLIES. Damit zeigt sich, dass ›richtige‹ Gender-Identitäten auch in der Darstellung männlicher Figuren diskutiert und zwischen Herkunftskultur und Einwanderungskultur verhandelt werden. Im Film ist Gewalt als Markierung von (zuviel) Maskulinität häufig gegen Frauen und Mädchen gerichtet und zeigt sich dann besonders als sexualisierte Gewalt. In THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING wird dies durch die der Narration vorgängige Vergewaltigung Marias durch SSMänner thematisiert, die als Auslöser für das nachfolgende Leid und die daraus resultierende Gewalttätigkeit Bojans konstruiert wird. Ein direkteres Beispiel ist die Figur Picottis, dessen rabiates Verhalten sich ebenfalls in den Kontext krisenhafter Maskulinität stellen lässt. Als er seine Frau Maja eines Nachmittags nicht zuhause vorfindet, beschuldigt er sie 239

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gegenüber Sonja der Untreue. Aus Wut und verletzter Eitelkeit wirft er vor den Augen des Mädchens den Küchentisch mit den daraufstehenden Einmachgläsern um. Anschließend fährt er mit Sonja im Auto herum, wohl um Maja zu suchen, und erzählt ihr von Frauen, die ihre Männer betrügen und ihre Kinder nicht lieben, »They are bad to their husbands and bad to their children. Like your mother, see.« Schließlich hält er den Wagen an, fordert Sonja auf, nach vorne zu kommen und sich neben ihn zu setzen. Er legt seine Hand auf ihr Bein und bewegt sie langsam nach oben, ein sexueller Übergriff, dem sich Sonja entzieht, indem sie aussteigt. Diese Missbrauchssituation folgt direkt seiner Eifersuchtsszene, so dass sie als Reaktion auf die angebliche Untreue seiner Frau interpretiert werden kann – nachdem diese sich seinem Einfluss entzieht, versucht er, seine Macht an einer Schwächeren auszuüben.16 Deutlich wird die Verknüpfung von Sexualität mit Gewalt von Männern gegen Frauen auch in FISTFUL OF FLIES, in dem die erste gezeigte körperliche Züchtigung eine Reaktion auf Mars sexuell aktives Verhalten ist. Der Gürtel, den ihr Vater in der Hand hält, konnotiert sexuelle Gewalt bzw. Vergewaltigung, auch wenn Joe seine Tochter ›nur‹ schlägt. Diese Assoziation, die durch filmische Sehgewohnheiten unterstützt wird, findet Bekräftigung in einer späteren Sequenz, als Mars Großmutter ihre Wunden, unter anderem Striemen an der Innenseite ihrer Oberschenkel, behandelt – Verletzungen an dieser Stelle des Körpers sind häufig Folge von sexueller Gewalt. Auch die blutverschmierte Unterhose, die Mars in der Konfrontationssequenz Joe und allen Anwesenden präsentiert, ist ein Hinweis auf die Sexualisierung von Joes Gewalttätigkeit. Daher erscheint es auch konsequent, dass Mars ihn schließlich dazu bringt, das Symbol seiner maskulin-sexuellen Macht aufzugeben. Dies gelingt ihr, in dem sie sich ein noch mächtigeres Symbol aneignet: das Gewehr im Anschlag zwingt sie ihn dazu, seinen Gürtel ablegen. Dies wirkt als Verlust seiner – sexuellen, maskulinen und patriarchalen – Macht, die er bisher mit Gewalt aufrechterhalten hat und ermöglicht Mars und Grace ein Leben ohne Bedrohung. Gewalt, die von Männern ausgeübt wird, wird fast ausschließlich als gegen Frauen gerichtet gezeigt. Aber auch Frauen richten Gewalt gegen Frauen und gegen sich selbst und verletzten sich auf direkte und indirek16 Die tatsächliche Gefährdung und empfundene Angst kehrt in Sonjas Alpträumen wieder, einmal als Sonja in Jeans Apfelplantage einschläft und einmal gegen Ende des Films, vor ihrer Entbindung. In beiden Träumen erscheint Picotti in dem engen Auto, in dem die sechsjährige Sonja gefangen ist, als angsteinflößende Figur. Insbesondere im Traum, den Sonja als Kind hat, ist Picotti durch seine Mimik – er grinst boshaft und leckt sich die Lippen – als Bild des ›Wüstlings‹ inszeniert. 240

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te Art. So kämpft Grace über weite Teile der Filmerzählung gegen Mars Streben nach – sexueller – Selbstbestimmung. Dies beginnt in der Prolog-Sequenz, als die etwa sechsjährige Maria/Mars zwei kopulierende Hunde im benachbarten Garten beobachtet. Sie ist ahnungslos und etwas erschrocken, da sie aus dem Tun der Tiere nicht schlau wird und ruft ihre Mutter herbei, da sie meint, die beiden Hunde würden kämpfen. Als Grace erkennt, was ihre Tochter da beobachtet, schüttelt sie Mars, stülpt ihr einen alten Jute-Sack, der nahebei liegt, über den Kopf und beschimpft sie als »filthy child«. Grace ist es auch, die Mars beim Onanieren erwischt und Joe davon in Kenntnis setzt, so dass er ihr die Prügel verabreicht. Grace ist aktiv an dieser Strafaktion beteilig: Sie ist die ›Denunziantin‹, sie zieht die Zimmertüre zu, als Mars fliehen will, sie hört die Schreie ihrer Tochter und schreitet nicht ein. Nachdem er Mars geschlagen hat wirft Joe seinen Gürtel demonstrativ vor seiner Frau auf den Tisch, wie als Beweis, dass er seine Pflicht erfüllt habe. Im weiteren Verlauf des Films zwingt Grace ihre Tochter zur Beichte, sperrt sie ihn ihrem Zimmer ein, unterstützt die Idee einer Zwangsuntersuchung, ob Mars noch Jungfrau sei. Nach dieser vergeblichen Vorführung in der Praxis von Dr. Powers wird Mars, als Steigerung dieser Gewalt, in der Badewanne sitzend gezeigt, während ihre Mutter, das Klagen ihre Tochter ignorierend, ihr eine Flasche Essig über den Kopf gießt. Dann nimmt sie eine Wurzelbürste in die Hand und die Bilderfolge impliziert, dass sie Mars damit im Genitalbereich misshandelt. Bis zu Mars Selbstmordversuch, der Grace auf die Seite ihrer Tochter bringt, wird die Mutter als Kollaborateurin patriarchaler Gewalt gezeigt, die dazu beiträgt, eine Gender-Ordnung aufrecht zu erhalten und zu reproduzieren, die weibliche Sexualität einschränkt. Auch das Richten aggressiver Impulse gegen sich selbst ist eine mehrfach gezeigte Form weiblicher Gewalt. So steht Mars, nachdem Joe sie mit dem Gürtel geschlagen hat, mitten in ihrem Zimmer, hebt ihren rechten Unterarm und betrachtet ihn. Dann beißt sie mit so großer Kraft hinein, dass die Abdrücke ihrer Zähne zu sehen sind, als sie von sich ablässt. Später, nach der Misshandlung durch ihre Mutter in der Badewanne, schlägt sie sich mit beiden Fäusten ins Gesicht bis sie schreit. In beiden Fällen, in denen sie offensichtlich von ihren Eltern körperlich verletzt wird, richtet sie selbst zusätzlich Gewalt gegen sich, eine autoaggressive Handlung die nahelegt, dass ihr keine andere Möglichkeit bleibt, mit ihrer Verletztheit und Hilflosigkeit umzugehen. Auch in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING reagiert Sonja mit Selbstverletzung auf die Gewalt, die sie durch ihren Vater erfährt. Als er eines nachmittags oder abends betrunken nach Hause zurückkehrt und sofort zum nächsten Bier greift, versucht Sonja ihn zur Rede zu stellen. Doch Bojan reagiert 241

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nur mit Fluchen und schleudert die Flasche an die Wand. Die nächste Szene zeigt Sonja aus dem wog flat treten, sie schlägt mit der Faust gegen die Wellblech-Wand, bis ein Fenster unter ihrem Hieb zerbricht. Sie fällt in Ohnmacht und wird von Mrs. Heaney gefunden, ihr Handgelenk zerschnitten und blutend. Diese Verletzung hat eine starke Konnotation von (versuchtem) Suizid und verbindet Sonja mit ihrer Mutter Maria, die ihre eigene Gewalterfahrung nicht verarbeiten konnte und schließlich nur noch die Selbsttötung als Handlungsmöglichkeit sah. Anders als Maria reagieren Sonja und Mars direkt auf die Gewalt und wehren sich – mit Gewalt. Mars zwingt ihren Vater mit vorgehaltenem Gewehr und einem Warnschuss (auf die aufgesetzten Hoden eines Gartenzwergs) dazu, sein Machtsymbol abzulegen, woraufhin er aus der Narration und der Familie Lupi entfernt wird. Sonja dagegen bringt ihren Vater mit einer Ohrfeige zur Aussprache, als er sich wieder einmal der Konfrontation zu entziehen versucht, und leitet damit einen Wiederannäherungsprozess ein. In beiden Fällen führt die Gegenwehr der Frauen einen Wandel in der Beziehung zwischen ihr und dem gewaltausübenden Mann herbei und verbessert ihre jeweilige Situation. In einen Kontext der Aushandlung von Gender und Ethnizität in Migrationsprozessen gestellt, beschreiben diese filmischen Diskurse narrative Umgangsformen in Bezug auf Gewaltausübung männlicher Immigranten, d.h. mit einem Zuviel an Maskulinität, das ›ethnisch‹ markiert ist. Das Entfernen einer gewalttätigen männlichen Figur aus dem Abschluss der Narration (FISTFUL OF FLIES) bzw. seine Mäßigung (THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING) implizieren, dass dieses Verhalten, diese männliche Gender-Rolle, in der Verhandlung zwischen Herkunftsund Einwanderungskultur keine Legitimität besitzt und ausgeschlossen oder an die Vorgaben der Einwanderungskultur angepasst werden muss. Die Leistung dieser Aushandlung wird sehr stark durch die Frauenfiguren – Mars und Sonja – thematisiert und wird von ihnen veranlasst. Auch die Anpassung der männlichen Gender-Rolle im Migrationsprozess wird damit in den Aufgabenbereich der Frauen, genauer gesagt der Migrantinnen gestellt.

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Biologische Reproduktion: Sexualität und Genealogie Es lässt sich also festhalten, dass Sexualität und Feminität in diesen Migrationsnarrationen stark mit Gewalt und Bedrohung für die weiblichen Figuren verbunden ist. Die direkte Gefahr liegt dabei in der Gewalttätigkeit vor allem von Männern, insbesondere durch Androhung und Ausübung sexualisierter Gewalt, die in der – angedrohten oder ausgeführten – Vergewaltigung ihren Höhepunkt erreicht. Das Erleben von (sexualisierter) Gewalt wird häufig als traumatische Erfahrung inszeniert, die nicht verarbeitet werden kann sondern zu psychischen ›Spätfolgen‹ führt. Maria – so gibt die Erzählung zu verstehen – ist es auch in der Emigration nicht möglich, ihre Vergewaltigung zu vergessen und schließlich sieht sie als einzigen Ausweg den Suizid. Weniger drastisch verläuft Sonjas Entwicklung, doch ihre Gewalterfahrungen in der Kindheit werden als eine grundlegende Ursache für das fehlende Vertrauensverhältnis zwischen Bojan und Sonja gezeigt. Ein starkes Moment dieser Inszenierung ist die sehr kurze, in die Sequenz der ersten Wiederbegegnung von Vater und Tochter 1989 einmontierte Rückblende in die 1970er Jahre, in der Bojan seine 18jährige Tochter ins Gesicht schlägt. Aufgrund ihrer Kürze und der zunächst nicht erkennbaren Einbindung in die Erzählung wirkt diese Szene besonders erschreckend und nachhaltig. Mit der Wiederholung später, im Narrationsstrang der von den 1970er Jahren erzählt, wird dieses Geschehen in die Entwicklung der Beziehung zwischen Sonja und Bojan eingeordnet und eine Verbindung zwischen der Situation 1989 und der Vergangenheit hergestellt. Neben der Bedrohung durch unmittelbare Gewalt zeigen die Filme eine weitere, weniger direkte Gefährdung, die von ungewollten bzw. unerwünschten Schwangerschaften. Dieses Thema wird in den drei Filmen mit unterschiedlichen Kontexten und Narrationen versehen. Schwangerschaft ist als Diskurs stets eng mit Mutterschaft – eventuell im negativen Sinne bei einem Schwangerschaftsabbruch – und darüber hinaus mit Mütterlichkeit assoziiert – auch dies ist im negativen Kontext der Abwesenheit, des Fehlens möglich. Schwangerschaft und Mutterschaft sind Motive, die eng mit weiblichen Gender-Konstruktionen und den ihnen zugewiesenen Aufgaben verbunden sind. Sie stehen in engem Zusammenhang mit der Re-Konstruktion und Repräsentation einer (ethnisierten) Gemeinschaft. Wie Frauen in besonderem Maße die Aufgabe zugewiesen wird, Kultur zu übermitteln, Traditionen weiterzugeben und deren Einhaltung zu sichern, nehmen sie auch in Bezug auf die biologische Reproduktion eine maßgebliche Stellung ein. Mutterschaft und Mutter-Sein wird häufig als 243

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

spezifische ›Bestimmung der Frau‹ dargestellt, deren Interesse und Ziel das Gebären und Aufziehen von Kindern, das Hervorbringen der nächsten Generation/en ist oder zumindest sein sollte. In diesem Zusammenhang nehmen Frauen bei der Weitergabe von ›traditionellen Verhaltensvorschriften‹, insbesondere an die Töchter, Festlegungen auf bestimmte weibliche Geschlechtsrollen und Einschränkungen in Bezug auf das Sexualverhalten eine entscheidende Position ein. So ist es wichtig, eine Frau in der Wahl ihrer emotionalen und Sexualpartner möglichst auf Mitglieder der eigenen Gruppe zu konzentrieren und gewaltsame sexuelle Übergriffe auf die Frauen der eigenen Gruppe möglichst gering zu halten. Denn obwohl die meisten Gruppen, die sich als ›ethnisch‹ verstehen, patrilinear konstruiert sind, wird eine ungebrochene Genealogie auch auf der Mutterseite als wesentlich für eine kontinuierlich biologische Reproduktion erachtet. Sexuellen Beziehungen von Frauen mit ›Fremden‹ bedeuten mögliche Schwangerschaften, die von NichtMitgliedern der jeweiligen Gruppe ›erzeugt‹ wurden. Dies gefährdet die Reproduktion der Gemeinschaft, die in ihrer Struktur von Ursprung und Kontinuität auf die Einbindung der vergangenen und nachfolgenden Generationen angewiesen ist. An diesem Punkt, in der Konstruktion von Eltern- und insbesondere von Mutterschaft, verbinden sich kulturelle und biologische Reproduktion zu einem komplexen konstitutiven und repräsentativen System. Aber auch sexualisierte Gewalt setzt an diesem Punkt an, um über die Verletzung weiblicher Mitglieder eine Gemeinschaft zu schädigen – Vergewaltigung und eventuell daraus entstehende Schwangerschaften gelten häufig als Erniedrigung für eine Gruppe und bedrohen ihre Kontinuität, da Kinder ›gemischter ethnischer‹ Herkunft daraus geboren werden (vgl. Wobbe 1994: 177ff). In diesem Themengeflecht von Gender, sexuellem Verhalten und Verhaltensvorschriften, Widerstand und Neu-Konstruktion ethnisierter Weiblichkeit bewegen sich alle drei Filme. Verhandelt wird dies über die Frage von Schwangerschaft und Mutterschaft, aber auch Ehe, wobei die Kategorie Alter miteinbezogen werden muss. Alle drei weiblichen Protagonistinnen äußern im Verlauf der Filme, keine Kinder haben zu wollen: Mars verwehrt sich damit gegen die Vorhaltungen ihres Vaters, Sonja hat sich entschlossen, ihre Schwangerschaft nicht auszutragen, und Bing will keine Kinder haben, da diese sich gegen sie wenden könnten. Während Bings Äußerung eine Verweigerung der Reproduktion in der Ehe darstellt, die mit der am Ende des Films angekündigten Schwangerschaft aufgelöst wird, stellen sich die Situationen für Mars und Sonja, die beide unverheiratet sind, anders dar, und aufgrund unterschiedlicher Alterskategorien werden ihnen verschiedene Erwartungen zugeordnet. 244

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Der Topos der Verhaltensvorschriften in Bezug auf sexuelles Verhalten, Partnersuche und -wahl ist am stärksten in FISTFUL OF FLIES thematisiert. Mars ist in einem Umfeld gefangen, das mehr oder weniger gewaltsam versucht, ihre sexuelle Selbstbestimmung einzuschränken und ihr sexuelles Interesse auf ›den Richtigen‹, d.h. ein Mitglied der italienisch-katholischen Einwanderungs-Gemeinde zu lenken. Dabei arbeiten Eltern, Kirche und community eng zusammen. Allerdings zeigt sich, dass auch die VertreterInnen der strengen Moralvorstellungen und Verhaltensrichtlinien diese selbst nicht einhalten. Joe und Magda frönen einer außerehelichen sexuellen Beziehung und der Streit zwischen Grace und Joe im Esszimmer legt nahe, dass Mars vor deren Eheschließung gezeugt wurde. Schlimmer noch, die beiden leben in einer ›Misch-Ehe‹, da Grace aus dem nördlichen und Joe aus dem südlichen Teil Italiens stammt.17 Dennoch rechtfertigen sie physische und psychische Strafmaßnahmen gegen Mars Autonomiestreben und versuchen, sie in eine ›traditionelle‹ Rollenvorstellung zu zwingen. Mars Großmutter ist die einzige Migrantin, die für ›moderne‹, ›australische‹ Werte und Normen eintritt und Mars auf die Gesetze gegen Misshandlung hinweist. Als Vertreterin der modernen Institutionen versucht die als Aboriginal zugleich ›australisch‹ und ›fremd‹ markierte Ärztin Dr. Powers Mars zu helfen, indem sie sich bemüht, die Elterngeneration, in Figur von Grace, ›aufzuklären‹, d.h. ihr das richtige – wissenschaftlich-medizinische – Wissen und den richtigen – säkular-liberalen – Umgang mit Sexualität zu vermitteln. Ein wesentliches Moment der Narration um Sexualität und Vorschriften liegt darin, dass die strikte Reglementierung und Bestrafung weitgehend unmotiviert sind, da Mars keinerlei Verhalten an den Tag legt, das die vordergründige Sorge der Eltern berechtigt, sie könne Geschlechtsverkehr mit einem Mann haben, dadurch ihre Jungfräulichkeit verlieren und vor bzw. außerhalb einer Ehe schwanger werden. Vielmehr benimmt sie sich wie eine moderne, verantwortungsbewusste und ehrgeizige junge Frau. Die überbrachten, ethnisierenden und ethnisierten Wertevorschriften werden nicht nur als frauen- und sexualitätsfeindlich sondern darüber hinaus als unnötig und damit in doppeltem Maße abzulehnen dargestellt. Andererseits wird die Annäherung an die Einwanderungskultur, die als ›wissenschaftlich‹, tolerant und damit als modern und ›richtig‹ gezeigt wird, von der ethnisierten Seite als die Werte und Normen der Herkunftskultur gefährdend wahrgenommen. Thema und Zweck der Narration ist also die Aushandlung zwischen beiden, die über Mars Körper ausgetragen wird. 17 »In fact, the Lupi’s marriage is mixed (between North and South Italians), and cannot work for this reason alone« (Fabian 1996). 245

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Weniger offensichtlich findet die Thematisierung von Sexualität in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING und FLOATING LIFE statt, aber auch hier werden weibliches Verhalten in Bezug auf Sexualität und die Einbindung in eine Konstruktion von Ethnizität verhandelt. In der Figur Sonja geschieht dies insbesondere über ihre Schwangerschaft und ihre anfängliche Weigerung, diese auszutragen. Sie muss erst von Jenja davon überzeugt werden, dass eine Abtreibung für sie zu diesem Zeitpunkt nicht richtig sei. Auf dem Flughafen, kurz vor Sonjas geplantem Rückflug nach Sydney, findet die Auseinandersetzung der beiden statt. Während Sonja sich verteidigt, dass sie einem Kind nichts bieten könne, argumentiert Jenja dafür, dass ein Kind Sonja glücklicher machen würde, als sie sei: Sonja: There’s no father who wants the child, there is no proper home, there is no time that I can spare of work, there is no money. I have nothing, there is nothing that I can offer the child. I’m poor in everything. An abortion’s cheaper. Jenja: Sometimes an abortion is right. Sometimes a baby destroys what little a woman has but sometimes it’s wrong. Sometimes a baby can help heal…

Jenja nimmt in dieser Debatte eine ausgleichende Position ein, nicht die einer ›traditionellen‹ Ablehnung von Abtreibung sondern eine ›moderne‹ Auffassung, nach der die Entscheidung über eine Schwangerschaft der betroffenen Frau überlassen werden sollte. Sie argumentiert nicht mit dem ›Wohl des Kindes‹ sondern mit Sonjas eigenem Vorteil. Mit einer ›Heilsversprechung‹, »a baby can help heal«, überzeugt sie Sonja, in Tasmanien zu bleiben und das Kind auszutragen, d.h. die Mutterrolle einzunehmen und damit eine Erwartung an ihre Weiblichkeit zu erfüllen. Dass Jenja recht hatte und das Kind Sonja hilft, über den Verlust der eigenen Mutter und die daher rührende innere Leere hinweg zu kommen, legt die letzte Szene des Filmes nahe, in der Sonja, zum ersten Mal mit freier Stirn und freiem Blick, in einem weiten, fröhlich anmutenden Kleid mit ihrer kleinen Tochter im Gras liegt, und ohne Schwermut die Vergangenheit akzeptieren kann. Anhand der Entwicklung Sonjas wird also eine Wiederherstellung weiblicher Feminität, Mutterschaft und Emotionalität dargestellt. Diese Entwicklung geschieht von der Ablehnung ihrer Schwangerschaft, die zeitgleich mit ihrer Frustration über die defizitäre Beziehung zu ihrem Vater gesetzt und in geschäftsmäßige, Androgynität andeutende ›business suit‹-Kostüme gekleidet ist, über das Akzeptieren der Schwangerschaft, die parallel zu ihrer langsamen Wiederannäherung an Bojan verläuft bis hin zum Höhepunkt der Geburt. Nachdem die Tochter und Enkelin schließlich eine Wiedergutmachung 246

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für den Verlust der Mutter und Ehefrau ›verkörpert‹, kann Sonja ihre feminine Position als Mutter, Bojan seine Rolle als Vater und Großvater einnehmen. Beide können sich mit der Vergangenheit versöhnen und glücklich werden. Sonjas Schwangerschaft wird in der Darstellung stark an ihren Körper gebunden. Bereits bevor sie Jenja – und dem Publikum – erzählt, dass sie schwanger ist, zeigen zwei nächtliche Sequenzen, wie Sonja ihren nackten Bauch betrachtet. Einmal steht sie vor einem Spiegel und lässt ihren Rock nach unten auf den Boden rutschen, sie schiebt ihr langärmeliges Unterhemd aus schwarzer, dichter Spitze unter ihren BH und ihren Schlüpfer nach unten, so dass ihr Bauch in einer Rautenform unbedeckt ist, und streicht über die nackte Haut, wobei sie nachdenklich in den Spiegel blickt. In der zweiten Sequenz, die kurz vor ihrer unterbrochenen Abreise nach Sydney spielt, sitzt sie in einem grau-weißen Pyjama im Bett und versucht, die Scherben der Teekanne ihres alten Kinderservices zusammenzusetzen. Als sie scheitert packt sie die Scherben wieder in ein blumengemustertes Tuch, hat jedoch eine vergessen. Sie nimmt die Scherbe, schiebt wiederum die Pyjama-Jacke nach oben und beschreibt mit der Scherbe einen Kreis von ihrem Venushügel bis zu ihrem Nabel und zurück. Der sichtliche Druck, den sie auf ihren Bauch ausübt, betont die Vorstellung von der Zartheit und Verletzlichkeit des weiblichen – schwangeren – Körpers. Die Bewegung zeigt jedoch auch Sonjas ambivalente Haltung zu ihrer Schwangerschaft, die Möglichkeit der Selbstverletzung und Verletzung des Embryos.18 Auch ihr nächtliches Erbrechen, das Jenja ihre Schwangerschaft erraten lässt, das Gespräch über Unwohlsein, Schönheit und den sich verändernde Geruchsinn in Jenjas Küche, die drohende Fehlgeburt zeigen ihre Schwangerschaft sehr stark als ein Ereignis, dass mit körperlichen Reaktionen verbunden wird. Auch in FLOATING LIFE muss die zentrale weibliche Figur Bing dazu überredet werden, ihre Rolle als Mutter einzunehmen. Doch zunächst muss Bing aus ihrer Depression und Hoffnungslosigkeit herausgeholt und ihre Weiblichkeit wieder hergestellt werden. Dies gelingt durch die liebevolle Aufmerksamkeit der Mutter und durch ein Gebet, das darauf hinwirkt, die Ahnen mit den Nachfahren zu versöhnen. Die lebenden Generationen, verkörpert durch Bing und ihre Mutter, haben die Aufgabe, die Genealogie zu erhalten und tun dies scheinbar – zumindest auf der Dialogebene – ohne männliche Einwirkung. So kommentiert der jün18 Auf diese Szene folgt nach einer kurzen Zwischensequenz der Abschied am Flughafen, in der Sonja ihre Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch Jenja gegenüber rechtfertigt, sich dann jedoch entscheidet, in Tasmanien zu bleiben und damit dafür, die Schwangerschaft auszutragen. 247

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gere Brüder aus dem Off als Bing zum ersten Mal wieder das Haus verlässt: »It took Mum a month to drag her out of the house. Another year to make her pregnant.« Während für Sonja das Austragen der bestehenden Schwangerschaft parallel zur Aussöhnung mit ihrer Vergangenheit, ihrer Mutter und ihrem Vater verläuft und einen Prozess der Heilung darstellt, steht Bings Schwangerschaft, die im Film nur angekündigt wird, am Ziel eines Genesungsprozesses. In beiden Fällen ist die Mutterschaft quasi der Beweis dafür, dass die Frauen eine ›gesunde‹ weibliche Gender-Rolle gefunden und akzeptiert haben. Ma und Jenja nehmen dabei die Position der Mutter-Figur ein, die einer ethnisierten Frau der älteren Generation, die diesen Prozess der Gender-Findung initiiert, ermöglicht und vorantreibt. Sie tragen Sorge dafür, dass die beiden jüngeren Frauen, die TochterFiguren, eine nächste Generation hervorbringen werden. Interessanterweise wird in beiden Filmen die Frage des biologischen Vaters nicht expliziert. So ist Sonjas Schwangerschaft in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING nicht das Ergebnis einer beständigen Liebesbeziehung, wie sie selbst sagt: »There’s no father who wants the child«. Da sie keinen Partner und keinen Vater für ihr Kind hat, nimmt Bojan diese Position ein: er schreinert einen Kinderstuhl, einen Stubenwagen und eine Wiege für das Kind, die er mit Schnitzereien liebevoll verziert und er ist der erste, der Sonja nach der Geburt im Krankenhaus besucht, wo er gerührt die neugeborene Maria aus Sonjas Armen in seine nimmt. Damit wird die Frage nach der ›ethnischen‹ Verortung des biologischen Vaters irrelevant gemacht, da durch Bojans ›sozialer Vaterschaft‹ das Kind ein ›vollständiges‹ Mitglied der migrantischen Gruppe ist. In FLOATING LIFE gibt es keinen Hinweis dafür, dass Bings Ehemann Cheung nicht der Vater ihres zukünftigen Kindes ist. Dennoch ›erzählt‹ der Film, dass Ma dieses Kind ›gezeugt‹ habe, »It took her […] another year to make her pregnant.« In beiden Fällen wird damit eine ›sozial-inzestuöse‹ Zeugung konstruiert, die das jeweilige Kind in höchstem Maße in der Gruppe verortet: es ist nicht nur Teil der ethnisierten migrantischen Gemeinschaft sondern entsteht ohne Zutun von außerhalb des unmittelbaren Familienverbandes. Die biologische Reproduktion verbleibt innerhalb der Familie, d.h. innerhalb der kleinsten ›Reproduktions-Einheit‹ einer ethnisierten Gemeinschaft. Dabei müssen auch männliche Figuren ihren Teil im Prozess der biologischen Reproduktion übernehmen, um eine ›ethnische‹ Genealogie zu sichern, eine Aufgabe, die in Migrationsnarrationen nicht als selbstverständlich dargestellt wird. Während die krisenhafte Männlichkeit Bojans ausgedrückt wird durch seine Unfähigkeit mit Jean eine neue Familie zu gründen bzw. Sonja ein ›guter‹, d.h. liebevoller und fürsorgli248

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cher Vater zu sein, zeigt sich in FLOATING LIFE die mangelnde Bereitschaft Gar Mings, seine maskuline Rolle im Fortbestand der kulturellen Gruppe einzunehmen in einem ausgeprägten Hedonismus. Die Erzählung dieser Figur nimmt einen nicht unbedeutenden Teil des Filmes ein und umfasst sein Leben in Hongkong nach der Abreise der Eltern und jüngeren Brüder sowie seine erste Zeit in Australien. In Hongkong sehen wir ihn als beruflich sehr erfolgreichen Börsenmakler, der beabsichtigt seine Freundin Sandy zu heiraten, um mit ihr nach Australien zu emigrieren. Zwischenzeitlich beginnt er jedoch eine Affäre mit Apple, einer jungen Frau, die in Hongkong geboren wurde, deren Eltern jedoch vor etlichen Jahren mit ihr nach Kanada ausgewandert sind. Dieses Verhältnis ist geprägt von reiner Lust an Sexualität und der Abwesenheit von Verbindlichkeit, bis Apple schwanger wird. Auch diese Tatsache, die sie Gar Ming erzählt, als sie zusammen nackt im Bett liegen und Hummer essen, belastet die beiden zunächst nicht, sie machen Witze über die Schwangerschaft und die geplante Abtreibung. Erst als Gar Ming nach dem vollzogenen Schwangerschaftsabbruch Apple in ihrem Krankenzimmer besucht, werden beide traurig gezeigt. Gar Ming fordert eine Krankenschwester auf, ihm den Fötus zu zeigen und bildet sich ein, einen Herzschlag gesehen zu haben. Diese Erfahrung bringt ihn dazu, über sein Leben, die Tatsache, dass er Vater hätte werden können und über seine Familie nachzudenken. Ihm wird bewusst, dass seine Eltern nicht ewig leben werden und er beginnt, Verantwortung für seine Familie zu übernehmen. Während er einige Zeit zuvor noch mehrfach von Pa dazu aufgefordert werden musste, die Umsetzung der Gebeine seines Großvaters zu arrangieren und die fehlenden Papiere der Auswanderungsbehörde ihm eine gute Ausrede waren, keine Entscheidung bezüglich seiner Emigration treffen zu müssen, scheint er diese nun zu forcieren. In Australien angekommen übernimmt er die Position und Verantwortung in seiner Familie, wie es ›traditionell‹ seine Pflicht als ältester Sohn ist. Er nötigt Chau, der bei Bing geblieben war dazu, zu seinen Eltern zu ziehen, versucht in einem Gespräch mit seinen Brüdern diese von der Wichtigkeit der Familie zu überzeugen, sorgt sich um seine Mutter und seinen Vater. Die Erkenntnis Gar Mings, dass er ›nur‹ eine Generation in einer Familien-Genealogie darstellt, bewegt ihn dazu, seinen hedonistischen, selbstbezogenen Lebensentwurf zu überdenken und stattdessen seine, in der chinesischen Kultur vorgesehenen, Pflichten im Familienverband zu übernehmen. Die Erfahrung der Abtreibung wird als ein Verlusterlebnis dargestellt, das seine Einstellung gegenüber der älteren Generation, den Vorfahren und Nachkommen und seiner Rolle in der Weiterführung der Familie und damit der kulturellen Gruppe verändert.

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Aus diesen Narrationen folgt, dass brüchige und ›mangelhafte‹ Gender-Identitäten sehr stark mit Fragen der biologischen Reproduktion in Beziehung gesetzt werden. Insbesondere bei den Frauen-Figuren wird die Ablehnung einer ›richtigen‹, d.h. femininen Weiblichkeit mit Leid und psychischen Notlagen bis hin zum Selbstmord verbunden. Die (Wieder-)Herstellung von Feminität aller drei Protagonistinnen ist für eine Migrationsnarration wichtig, da die Verweigerung mit der Gefahr einer Ablehnung einhergeht, sich zu reproduzieren, so dass unzureichende Gender-Identitäten eine Gefährdung der Gruppen-Kontinuität bedeuten. In diesem Sinne stellen Äußerungen wie »I will not get married« und »I’ll never have children« Verweigerungen der Gender-Rolle dar, die in den Narrationen gelöst werden müssen. Eine der narrativen Grundstrukturen der Filme liegt also in der Aushandlung zwischen Beibehaltung der Herkunftskultur und Anpassung an die Einwanderungskultur. Dabei wird ein striktes Festhalten an überbrachten Verhaltensweisen, Werten und Normen als ein Zuviel an Ethnizität dargestellt, Ablehnung oder Abwehr gegen sie jedoch als eine zu starke Assimilation. Es muss eine ›gesunde Mitte‹ gefunden und hergestellt werden, die beide Kulturen miteinander verbindet. Im Bereich der Repräsentation von Alltagskultur lässt sich am Beispiel von Speisen, Getränken und Ernährungsgewohnheiten feststellen, dass diese als Markierungen für Herkunfts- und Einwanderungskultur sowie deren Verbindung und damit Aussöhnung genutzt werden. Als Beispiel eines sakralen und regulativen kulturellen Systems steht über ›Zuviel‹ oder ›Zuwenig‹ auch Religion mit diesem Aushandlungsprozess in Beziehung. In der Narration wird Religion häufig dafür eingesetzt, Verhaltensvorschriften, insbesondere in Bezug auf weibliche Sexualität zu thematisieren. Hier lässt sich eine Verhandlung der Herstellung einer stabilen und ›richtigen‹ Gender-Identität erkennen, die in einem Aushandlungsprozess zwischen ›traditionellen‹, d.h. ethnisierten, und ›modernen‹ australisch-markierten Gender-Identitäten stattfindet. Das bedeutet in der Inszenierung der Frauenfiguren, dass die Vorschriften das Sexualverhalten betreffend zwischen alten und neuen Normen verhandelt werden müssen. Für die männlichen Figuren wird insbesondere das Motiv der Gewalttätigkeit eingesetzt, um ein zuviel oder ein zuwenig an Maskulinität zu markieren. In beiden Fällen muss ein Mittelmaß gefunden werden, da sowohl ein zu starkes Festhalten an überbrachten Gender-Rollen als auch eine extreme Anpassung an die Einwanderungskultur als negativ dargestellt werden. Denn brüchige, ungenügende oder im Sinne australischer Wertevorstellungen fehlerhafte Gender-Identitäten werden in den Narrationen mit emotionalen und psychischen Störungen und Aggression gegen250

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über anderen oder sich selbst bis hin zu Suizid verbunden. Diese Leidens-Erzählungen müssen zu einem positiven Abschluss geführt werden, denn ›Glücklich-Sein‹ ist sowohl Ziel als auch Beweis eines gelungenen Migrationsprozesses. Die (Wieder-)Herstellung ›gesunder‹ heteronormativer Gender-Identitäten erhält in Migrations-Narrationen eine besondere Geltung, da Gender auch mit Fragen der biologischen Reproduktion der kulturellen Gruppe, der ›ethnischen‹ Gemeinschaft verbunden werden. Das Verfehlen oder Ablehnen der durch Normen zugewiesenen Gender-Rolle birgt die Gefahr in sich, dass die Aufgabe der biologischen Reproduktion – der Fortpflanzung – nicht übernommen wird. Umgekehrt markiert die Bereitschaft, sich in die biologische Reproduktion einzubringen, die gelungene Herstellung einer legitimen Gender-Identität. Dies ist im Sinne der Konstruktion von Ethnizität über einen linearen Zeitablauf, in dem Vergangenheit und Zukunft, Vorfahren und nachfolgende Generationen miteinander in Beziehung gesetzt werden, notwendig für den ›Erhalt der Gruppe‹, d.h. für eine Weiterführung der ethnisierten und ethnisierenden Genealogie. Weibliche Sexualität und das Sexualverhalten von Frauen spielt dabei eine entscheidende Rolle, die sich in der Inszenierung und Narration von weiblichen Figuren in den Filmen zeigt, denn weibliche Sexualität ist unumgänglicher Bestandteil der Weiterführung einer ethnisierten Gruppe und daher in der Darstellung von Frauenfiguren notwendig. Zugleich ist weibliche Sexualität aber mit Gefahren – für die Frauen sowie für die Gruppe – verbunden. Diese manifestieren sich über das gewaltsame Eindringen in den Frauenkörper – als Vergewaltigung – oder in die Gruppe – über unerwünschte Schwangerschaften, deren Vaterschaft nicht innerhalb der definierten Gruppe liegt. Da solche Kontinuitätsbrüche in der Generationenfolge als Gefährdung für die Genealogie einer ›ethnischen‹ Gemeinschaft gewertet werden, müssen ›illegitime‹ Schwangerschaften entweder durch Aussöhnung und die soziale Einbindung aufgefangen werden (wie in THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING Bojan die ›soziale Vaterschaft‹ für Sonjas uneheliches Kind übernimmt) oder durch Vorschriften an Frauen bzw. von ihnen ›eigenverantwortlich‹ unterbunden werden. Obwohl in den Narrationen auch Männerfiguren in die Reproduktion integriert werden, ist das Konzept von Mutterschaft und Mütterlichkeit besonders stark aufgeladen, da Frauen nicht nur in die biologische Reproduktion sondern über die ihnen zugewiesene Aufgabe der Weitergabe von Traditionen in die kulturelle Reproduktion eingebunden sind. Im Erhalt einer ›ethnischen‹ Gemeinschaft nehmen sie damit eine Doppelfunktion ein.

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FILM UND MULTIKULTURALISMUS

In Bezug auf die Frage der Wechselwirkung von Weiblichkeit und Ethnizität in der Repräsentation weiblicher Figuren in Migrantinnen-Filmen zeigt sich also, dass alle drei Filme Auseinandersetzungen um die (Wieder-)Herstellung von Feminität im Kontext von Mutterschaft/Mütterlichkeit und Reproduktion verhandeln und dabei einen Aushandlungsprozess zwischen Herkunfts- und Einwanderungskultur thematisieren. Fasst man die drei Filme zusammen, so ist die Kernaussage, dass Feminität notwendig ist, um als Frau glücklich sein zu können. Merkmal oder Ziel dieser Feminität ist die Übernahme der Mutter-Rolle und damit die Rolle der Mutter der nächsten Generation, die sich innerhalb der eigenen ethnisierten Gruppe vollzieht, um durch eine konsistente Genealogie den Weiterbestand der ›ethnischen‹ Gruppe und damit der Kultur zu gewährleisten. Über die Konstruktion von Mutterschaft und Familie werden Vergangenheit (Herkunftskultur), Gegenwart (Migrationsnarration) und Zukunft – die Vorstellung einer glücklichen, ›hybriden‹ Identität (Multikulturalismus) miteinander verbunden.

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Filmische Repräsentationen und Re-Produktion multikulturalistischer nationaler Identität

(Spiel-)Filme sind soziale Praktiken und als solche auf komplexe Weise Teil eines gesellschaftlichen Systems, das sie zugleich repräsentieren und re-produzieren. Filme stellen einen Übergangsraum zwischen Individuum und Gesellschaft dar, indem sie soziale Realitäten – mehr oder weniger vermittelt – zu sehen geben und indem sie Material zur Verfügung stellen, anhand dessen individuelle Erfahrungen, Denkweisen und Handlungsmöglichkeiten innerhalb eines Repräsentationssystems verhandelt werden können. Migrantinnenfilme sind Filme, in denen ethnisierte weibliche Figuren die zentrale Rolle der Narration einnehmen und die in besonderem Maße Ethnizität und Geschlecht bzw. Weiblichkeit verhandeln. Anhand der zentralen Figur werden dominante Diskurse über kennzeichnende Lebenslagen, Probleme und Entwicklungen von Migrantinnen (und Migranten) repräsentiert und re-produziert. Auseinandersetzungen und Verhandlungen zwischen Herkunftskultur und Einwanderungskultur stehen in ihrem narrativen Mittelpunkt. An dieser Schnittstelle von Repräsentation und Re-Produktion greift meine Ausgangsfrage nach Verbindungen von Ethnizität und Geschlecht/Weiblichkeit. Anhand von drei Beispielfilmen, die exemplarisch für Migrationsnarrationen aus Australien Mitte der 1990er Jahre stehen, habe ich filmstilistische, narrative und diskursive Besonderheiten herausgearbeitet, die diese Filme auszeichnen. Diese Merkmale können jedoch nicht unabhängig von anderen Filmen aus Australien betrachtet werden sondern stehen mit diesen sowie der Konstruktion eines ›nationalen Kinos‹ in Beziehung. 253

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

Ich möchte abschließend die wesentlichen Gemeinsamkeiten der Filme FISTFUL OF FLIES, FLOATING LIFE und THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING in Bezug auf Markierungen von Geschlecht und Ethnizität, ihre Bedeutung für die Korrelation dieser Kategorien und für deren Repräsentation in einem multikulturalistischen Nationalstaat zusammenfassen. Durch die Einbindung in einen weiteren Kontext australischer Populärkultur und ihrer Erzählmuster, der Repräsentation von MigrantInnen sowie der Konstruktion von ›ethnischen‹ Gemeinschaften und Nation können die Ergebnisse meiner Analyse abstrahiert und auf andere Beispiele übertragen werden. Die drei Filme greifen auf Darstellungsweisen und Erzähltraditionen zurück, die, auch durch wissenschaftliche und journalistische Veröffentlichungen, für australische Filme bekannt und gültig gemacht wurden. Sie lassen sich in der Filmgeschichtsschreibung als Weiterführung der social realist-Filme verorten, die seit den 1980er Jahren aktuelle soziale Themen aufgreifen, in diesem Falle die Darstellung von MigrantInnen im Kontext des Multikulturalismus. Zugleich verweisen sie auf Spielfilme aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in denen die Auseinandersetzung der weißen/europäischen ImmigrantInnen mit dem Fremden, damals noch stark im Bild der Landschaft und Natur repräsentiert, dargestellt wurden. Durch diese Einbindung in ein ›nationales Kino‹ können gängige Interpretations- und Erklärungsmuster aufgerufen werden. So unterstützt die weitgehende social realist-Darstellungsweise der Filme ihre Rezeption als Schilderung ›wahrer‹ Gegebenheiten – sie werden als ›authentisch‹ (an)erkannt. Dazu tragen auch ethnisierende Verortungen der FilmemacherInnen bei: in Texten über die Filme, beispielsweise in Presseheften, Kritiken und Festivaltexten, finden sich starke Verknüpfungen der Filmerzählungen mit dem jeweiligen biographischen Hintergrund der RegisseurInnen. Dies erlaubt, die Filme als ›möglicherweise reale‹ oder ›realistischerweise mögliche‹ Ereignisse zu interpretieren. Damit werden die RegisseurInnen in Wechselwirkung mit den Filmnarrationen auf ihre Positionierung als ethnisiert zurückgeworfen und die Kategorie Ethnizität re-produziert. Der Bezug auf die period films der 1970er und 1980er Jahre dient ebenfalls der Einbindung in die Konstruktion einer australischen Filmgeschichte sowie der Biographisierung der Narrationen. Die period films beruhen häufig auf literarischen Vorlagen, die von Frauen geschrieben wurden und die als (auto-)biographisch gelten. Dadurch werden diese Erzählungen in einen Kontext gestellt, der ›weibliches Erzählen‹ als ›nacherzähltes Erleben‹ charakterisiert, was die Konstruktion der Authentizität der Narrationen stützt. In der Verbindung von Narration, 254

FILMISCHE REPRÄSENTATION NATIONALER IDENTITÄT

Schreiben über Filme und Erzähltradition, Biographie, Gender und Konstruktion von Authentizität lässt sich eine Wechselbeziehung zwischen Weiblichkeit und der Repräsentation ethnisierter Narrationen (MigrantInnen-Erzählungen) als – notwendigerweise – authentisch feststellen. Eine weitere Gemeinsamkeit vieler period films mit den von mir analysierten Filmen ist die zentrale weibliche Erzählperspektive. Das Einflechten subjektiver Sequenzen (Träume, Phantasien, Rückblenden, Erzählen von Gedanken in einer voice over) lassen die Filme als ›biographische Erzählungen‹ der zentralen Frauenfiguren wirken. Dies und die häufig verwendeten nahen Kamera-Einstellungen in der Bildgestaltung fördern die empathische Identifikation mit ihnen, umso mehr, als weiblichen Figuren mehr Äußerungen von Emotionalität zugestanden und zugewiesen werden als männlichen, was die Anteilnahme an ihren Gefühlen unterstützt. In allen drei Filmen findet eine Bindung der Narration an eine Figur bzw. an eine kleine und kollektiv als ethnisiert markierte Gruppe (Familie oder community) statt, die nicht oder sehr wenig mit der weißen/europäischen Außenwelt interagiert. Die dominante Position, in diesem Falle die anglo-keltische bzw. weiße/europäische, wird so aus der Diskussion ausgegliedert. Sie ist nicht Teil der ›Problematik Multikulturalität/Multikulturalismus‹ und bleibt in ihrer kulturellen Identität unbehelligt und stabil. Die Narration löst die thematisierte Problematik aus dem gesellschaftlichen Kontext und verlagert sie in die ethnisierte Position. In diesem Prozess der Repräsentation wird das ›Problem‹ der Multikulturalität auf die zentralen ProtagonistInnen als Individuen übertragen. Die als unabdingbar dargestellte kulturelle Auseinandersetzung wird zur Aufgabe jeder einzelnen migrantisch-markierten Figur und muss von ihr individuell bewältigt werden. Die Individualisierung in der Repräsentation zieht vielfach eine Psychologisierung bzw. Pathologisierung der Ethnizität von MigrantInnen nach sich, eine Umdeutung von einer sozialen, konstruierten und re-produzierten Kategorie hin zu einem persönlichen Mangel. Die gesellschaftlich angelegten Probleme werden von vielen Migrationsnarrationen als psychisches Leid, als Isoliertheit, Kommunikationsunfähigkeit, Unterdrückung von Emotionen, Depression, bis hin zum (versuchten) Suizid dargestellt. Dies wird häufig durch unstimmige, ›fehlerhafte‹ oder brüchige Gender-Positionen gekennzeichnet. In verstärktem Maße gilt dies für die weiblichen Figuren, aber auch die ethnisierten Männer-Rollen werden mit einer mangelhaften (migrantischen) Maskulinität verbunden. Durch filmische Inszenierungen wird die Verbindung der Ethnisierung der Figuren mit ihren psychischen Befindlichkeiten hergestellt und 255

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

unterstützt. Insbesondere die Gestaltungen der Innenräume, die den Figuren durch narrative, visuelle und akustische Verknüpfungen zugeordnet werden, stehen für deren jeweilige Gefühls- und Lebenslagen: kalte Farbzusammensetzungen weisen auf innere Kälte hin; leere, schmucklose Räume rufen ein Gefühl von Einsamkeit und Isolation hervor; optische Trenn- und Unterteilungslinien bewirken einen Eindruck von Enge und Eingesperrtheit oder auch von Orientierungslosigkeit. Die Filmnarrationen weisen den Figuren die Aufgabe zu, sich aus diesen Zwängen zu befreien, soziale Kontakte (wieder) aufzunehmen und damit psychisch, sozial und kulturell ›gesund‹ bzw. funktionstüchtig zu werden. Ethnizität bleibt stets das Andere, das sich auf individueller, psychischer, sozialer und kultureller Ebene von der jeweils konstruierten Norm abhebt. Dies gilt sowohl für den Blick ›von Außen‹, also von der dominanten gesellschaftlichen auf die ethnisierte Position, aber häufig auch für die Innenperspektive. Viele FilmemacherInnen und andere ›Kultur‹schaffende, die in einer Migrationssituation lebend arbeiten, thematisieren die ihnen zugewiesene Position der Ethnisierung – nicht selten, weil dies zu den wenigen Sujets gehört, die ihnen von der ›Kultur‹förderung wie auch vom Publikum zugestanden werden. In der filmischen Repräsentation findet die Markierung von Ethnizität diverse Gestaltungsformen: die ›passende‹ Besetzung der Rollen (type casting), Namensgebung, Kostümauswahl, Zuordnung zu Räumen und Orten, Religionszugehörigkeit und Ernährungsgewohnheiten der Figuren, Filmmusik und in starkem Maße auch die Verwendung von Sprache. Die Unterscheidung in Herkunftssprache und Englisch als Sprache des Einwanderungslandes bewirkt verschiedene Positionierungen für MigrantInnen, einerseits die positiv besetzte Mehrsprachigkeit aber auch Sprachlosigkeit aufgrund des Verlernens der Herkunftssprache und damit die Unfähigkeit, Gedanken und Gefühle adäquat äußern zu können. Die Beherrschung von Sprache und die Art des Sprechens (Akzent, Grammatik, Umfang des Wortschatzes und Wortwahl) markieren auch andere Kategorien wie Schicht, Gender und Alter. Die Positionierung zwischen zwei Sprachen ist eine der Dichotomien, mit der Ethnizität als Unterscheidung zur Einwanderungskultur konstruiert und die in der (filmischen) Repräsentation re-produziert wird. Auch die Inszenierung von Räumen wirkt als Zweiteilung, indem die Innenräume feminisiert, der Familie zugewiesen und als Räume der Ethnizität hergestellt werden. Es findet eine Trennung zum Außenraum statt, der nicht explizit markiert und damit der dominanten australischen Position zugewiesen wird. Diese Abgrenzung zwischen Innen und Aussen wird in der Regel als Versuch gezeigt, die bekannte und damit Sicherheit versprechende Herkunftskultur im Inneren vor dem bedrohli256

FILMISCHE REPRÄSENTATION NATIONALER IDENTITÄT

chen Neuen im Außenraum zu schützen. Aber Durchquerungen anderer Kategorien führen zu Ambivalenzen: was für eine Figur mit Sicherheit verbunden ist, wirkt für eine anderen als Freiheitsentzug, wobei die erste Position vielfach mit höherem Alter und Maskulinität/Männlichkeit, die zweite mit Jugend und Weiblichkeit verbunden wird. So wie versucht wird, alles Australische auszusperren, sollen (ethnisierte) Frauen – angeblich zu ihrem eigenen Schutz – im Inneren eingesperrt werden. Dieser Schutz dient zugleich der (scheinbaren) Sicherung der ethnisierten Gruppe, indem Frauen an sexuellen Kontakten nach außen gehindert werden. Doch es gibt stets Übergangsorte und Zwischenräume zwischen Innen und Außen, Ethnisiertem und Australischem, in denen Spannungen auftreten und Konfrontationen ausgetragen werden. Denn die Narrationen und ihre ProtagonistInnen sind von Konflikten geprägt, die zwischen Herkunfts- und Einwanderungskultur verortet werden. Es wird von Kontroversen zwischen Figuren – häufig verschiedener Generationen – erzählt, in denen eine Figur eine stärkere Verbundenheit mit der Herkunftskultur vertritt, die von der anderen als Einschränkung und Zwang empfunden wird, oder der Zwiespalt zwischen Altem und Neuem wird als psychischer Konflikt ›in‹ einer Figur thematisiert. Stilistisch wird dies mit Bildern, die durch optische Linien zerschnittenen werden, und durch Diskontinuitäten in der Montage (a-chronologischer Narrationsverlauf, Rückblenden, Phantasien und Träume) visualisiert. Diese Brüche in der Kontinuität werden in der Montage durch akustische und visuelle Verbindungen von Orten und Figuren aufgefangen. Der Verlauf der Erzählungen ist also durch Konflikte zwischen Altem/Herkunftskultur und Neuem/Australischem bestimmt, die anhand von Alltagspraktiken, an Gender-Identitäten und an Vorschriften das (weibliche) Sexualverhalten betreffend thematisiert werden. Dabei nehmen weibliche Figuren eine bedeutungsvolle Rolle ein, da sie als Vermittlerinnen von Traditionen, Werten und Normen gezeigt werden. Zugleich sind sie primäre Objekte von Verhaltensvorschriften, die sicherstellen sollen, dass sie ihre Aufgabe in der biologischen Reproduktion der ›ethnischen‹ Gemeinschaft (Genealogie) ausführen. Denn ein zu starker Freiheitsdrang gefährdet die ungebrochene Generationenfolge durch die Möglichkeit von Schwangerschaften, bei denen der Vater nicht der jeweils konstruierten Gruppe zugerechnet wird, eine Ablehnung von Mutterschaft und Mütterlichkeit verhindert das Fortbestehen der Gruppe. Im Narrationsverlauf werden die Konflikte durch Aushandlungsprozesse gelöst und die Schluss-Sequenzen der Filme verweisen in eine bessere Zukunft, in der Herkunftskultur und Kultur des Einwanderungs257

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landes miteinander versöhnt werden. Dies zeigt sich in Inszenierung und Montage, die in allen drei Filmen insbesondere die Frauenfiguren verschiedener Generationen durch Namen, Melodien/Lieder, Farbgestaltung der Kleidung oder Handlungen miteinander verbinden. Die Filmabschlüsse, die sich in jedem Film auf den Anfang zurückbeziehen, stellen Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart her und führen in die Zukunft. Die Gender-Brüche werden bereinigt und die Figuren verkörpern eine – im (hetero-)normativen Sinne der Einwanderungskultur – ›normale‹ und stabile Gender-Identität. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Familienverband zu, da die Lösungen stets innerhalb der Familie stattfinden: Eltern- und folgende Generation/en haben sich versöhnt, (die Ankündigung von) Schwangerschaft und Mutterschaft zeigen, dass die Genealogie in die folgende Generation fortgeführt wird. Die Narrationen der hier analysierten Filme ergeben sich also in erster Linie aus Konflikten zwischen Herkunfts- und australischer Kultur und ihren jeweils legitime Gender-Identitäten. Während die Filmfiguren zunächst als ›migrantisch‹ geprägt sind, markiert durch konflikthafte ethnisierte und Gender-Positionierungen, weisen sie am Ende der Erzählungen stabile Gender-Identitäten auf und haben sich in einem Aushandlungsprozess zwischen Ethnizität und Australischem mit ihrer Situation ›zwischen‹ beiden Kulturen ausgesöhnt. Das bedeutet, dass sie sowohl eine als zu stark gezeigte Bindung an die Herkunftskultur aber auch zu starke Assimilation überwunden haben. Somit nehmen sie eine, im populär-politischen Sinne und im Kontext des Multikulturalismus, ›hybride‹ Position ein und erhalten den Status einer ›ethnisierten Australierin‹/ eines ›ethnisierten Australiers‹. Dabei ist nicht die Integration in die dominante Gesellschaft und Interaktion mit ihren Mitgliedern das Ziel; Kontakte außerhalb der ›eigenen‹ community bzw. Familie werden nicht gezeigt, vielmehr ist ein maßgebliches Merkmal der erfolgreichen Aushandlung die Einbindung in eine ›ethnische‹ Genealogie, die der Reproduktion der ethnisierten Gruppe dient. Ausgehend von der Annahme, dass Geschlecht und Ethnizität in der Repräsentation in einem korrelativen Verhältnis stehen, d.h. sich in ihrer Konstruktion wechselseitig unterstützen und verstärken, ist diese Arbeit der Frage nachgegangen, welche Bedeutung dieses Verhältnis in der Repräsentation eines multikulturalistischen Nationalstaates einnimmt. Dabei wird Multikulturalismus definiert als die Anerkennung einer Vielzahl kultureller, d.h. ›ethnischer‹ Gruppen innerhalb einer Nation, denen ein Recht auf Beibehaltung und Fortführung ihrer ›kulturellen Identität‹ zugesichert wird. Dieser Bereich des Kulturellen wird (scheinbar) aus dem Einfluss des Staates ausgegliedert und in die Sphäre des Privaten übertragen. Indem die nationale Gemeinschaft so in ›ethnische‹ Gruppen 258

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aufgeteilt wird, die anhand kultureller Eigenschaften differenziert und auf diese Differenz festgelegt werden, findet eine Re-Ethnisierung statt. Die Gruppen werden durch die Erklärung von ›Bestand‹ und ›Weiterführung‹ ihrer kulturellen Identität in einen linearen Zeitverlauf eingebunden, in dem die Vergangenheit die Herkunftskultur bestimmt, die es in der Gegenwart von der Gruppe zu erhalten und vom Staat zu schützen gilt und die in die Zukunft weitergetragen werden muss. Diese grundlegende Struktur des Multikulturalismus bindet die Konstruktion ›ethnischer‹ Gruppen an Kontexte von biologischer und kultureller Reproduktion. In diesem Gefüge nimmt Weiblichkeit, insbesondere durch die Konstruktion von Mutterschaft/Mütterlichkeit eine relevante Bedeutungsposition ein, denn Frauen gelten als Übermittlerinnen von Kultur und sind in dieser Wahrnehmung unentbehrlich für eine ungebrochene Generationenfolge. Eine entscheidende Eigenschaft multikulturalistischer Nationalstaaten (insbesondere von settler societies) ist, dass sie in ihrer Konstruktion als Gemeinschaft nicht auf einen ›Ursprungsmythos‹, auf ›gemeinsame Wurzeln‹ einer geteilten kulturellen – oder auch nur regionalen – Herkunft zurückgreifen können. Daher sind nationale Gebilde, die sich als multikulturalistisch verstehen und darstellen, stark auf eine Repräsentation als Einheit trotz ihrer Vielfältigkeit angewiesen (unity in diversity). Dazu bedienen sie sich nationaler Repräsentationssysteme, unter anderem der Filmindustrie, die in vielen Staaten, auch in Australien, durch staatliche Fördermaßnahmen und Subventionen unterstützt werden. Regierungspolitische ideologische Vorgaben erhalten darüber Einfluss auf Themen, Darstellungsweisen und die an der Produktion beteiligten FilmarbeiterInnen. Die Repräsentationen von Nation und Ethnizität werden also von dominanten Diskursen (mit)bestimmt; sie greifen in der Regel ›legitime‹ Darstellungen von Gemeinschaften und Geschlechterordnungen auf und rekonstruieren diese. Trotz der Anerkennung ethnisierter Gruppen im Multikulturalismus müssen sich die einzelnen Mitglieder einer ethnisierten Gemeinschaft in einem – von der dominanten Gruppe – vorgegebenen Maße an Normen anpassen, um einen legitimen Platz in der nationalen Gemeinschaft einnehmen und in diese eingebunden werden zu können. Doch da eine zu starke (Forderung nach) Anpassung ideologisch in den Bereich der ›Assimilation‹ rücken würde und der Definition und Konstruktion von Multikulturalismus grundsätzlich entgegensteht, ist diese ebenfalls nicht erwünscht. Daraus folgt, dass den Mitgliedern ethnisierter Gemeinschaften Verhandlungen zwischen Herkunftskultur und Kultur des Einwanderungslandes abverlangt werden. MigrantInnen werden zwischen diesen beiden Kulturen verortet, die als different und in gewisser Weise antago259

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nistisch verstanden und re-produziert werden, eine Position die in ausreichendem Maße Parallelen zu Homi Bhabhas Hybriditätsbegriff aufweist, um in populär-politischen ideologischen Äußerungen als ›hybrid‹ bezeichnet zu werden. (Wobei der Begriff der ›Position‹ deutlich machen soll, dass dieses Verständnis von ›Hybridität‹ nicht mit dem offenen und prozesshaften Kulturbegriff Bhabhas in Übereinstimmung gebracht werden kann). Erst wenn in diesem Aushandlungsprozess ein – für die ideologische Norm der Einwanderungsgesellschaft – befriedigendes Ergebnis erzielt wurde, d.h. die MigrantInnen eine ›hybride‹ Position einnehmen, werden sie als ›ethnisierte AustralierInnen‹ und damit als Teil der nationalen Gemeinschaft anerkannt. Dies ist insofern eine prekäre Entwicklung, da sie als ›hybridisiert‹ stets auch ›marginalisiert‹ bleiben, d.h. keine vollständige Zugehörigkeit zur dominanten Gruppe erhalten. In den filmischen Repräsentationen wird der gelungene Aushandlungsprozess markiert durch eine glückliche, zufriedene Gegenwart und die Aussicht auf eine ebensolche Zukunft. Es muss aber auch eine Einbindung des ›Ethnischen‹ in diese Zukunft geben, d.h. eine positive Darstellung der Familie – als Ausgangspunkt jeder, auch der ethnisierten Gemeinschaft und deren Genealogie. Für die weiblichen Figuren bedeutet das, ihre vorgeschriebene Aufgabe der Mutterschaft und Mütterlichkeit in der biologischen und kulturellen Reproduktion einzunehmen, beides jedoch in einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Ethnizität und dem Australischen, in einer Position des ›Hybriden‹. Kurz gesagt, die filmischen Narrationen und Darstellungsweisen von MigrantInnenfilmen dienen als Repräsentationen – und als ›Musterbeispiele‹ – der Herstellung einer ›hybriden‹ australischen Identität als ›ethnisierte Australierin‹/›ethnisierter Australier‹, und darüber hinaus als ›Entwürfe‹, wie sich eine multikulturalistische nationale Gemeinschaft gestalten sollte. Aus dieser Interpretation folgen einige Einwände gegen das Projekt des Multikulturalismus und seiner Repräsentationen. Denn wie ich gezeigt habe bleibt die dominante Gruppe des Einwanderungslandes, auch in MigrantInnenfilmen, unmarkiert und wird nicht ethnisiert. Ihre Mitglieder werden nicht zu kulturellen Aushandlungsprozessen aufgefordert, so dass diese Gruppe wenig Veränderungen unterworfen wird und in sich relativ stabil und unbeweglich bleibt. Die kulturell dominante Gruppe beeinflusst über staatliche ›Kultur‹-Ideologien das ›nationale Kino‹. Die Beständigkeit in der Repräsentation der dominanten Position verweist darauf, dass gesellschaftspolitische Machtstrukturen wenig Veränderungen erfahren. Multikulturalismus ist also kein per se progressives – im Sinne von den bestehenden Machtverhältnissen veränderndes und aus260

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gleichendes – soziales Modell. Auch wenn die Abkehr von einer Politik der Assimilierungsforderung ein positiver Anfang ist, müssen weiterreichende Forderungen gestellt werden, wenn es darum gehen soll, eine (möglichst) gleichberechtigte und egalitäre Gesellschaft zu gestalten. Ich sehe hier zwei Möglichkeiten. Entweder muss es gelingen, die nach ethnisierten Definitionen vorgenommenen Unterscheidungen von kulturellen Gruppen gänzlich aufzugeben, oder alle, auch die dominanten Gruppen, sind als ethnisiert zu erkennen und zu repräsentieren. Die Bewusstmachung der kulturellen Konstruiertheit auch der dominanten Gruppe kann die Fragestellung erweitern, warum und wie Ethnisierungsprozesse stattfinden. Doch wer soll Umstrukturierungen kultureller Dominanz einfordern und umsetzen? Es besteht die Möglichkeit, dass Forderungen nach einer tatsächlichen Akzeptanz der Multikulturalität einer Gesellschaft aus der dominanten Gruppe heraus gestellt werden. Eine andere Variante besteht in einer breiten und beharrlichen Bewegung von ›unten‹, aus ethnisierten und anderen marginalisierten gesellschaftlichen Gruppen, die auf lange Sicht Ideologien und Politiken verändern. Beide politischen Vorgehensweisen müssen jedoch über genügend ideologische Macht verfügen, um Veränderungen durchzusetzen und beide beinhalten die Gefahr, dass die Markierung als ›ethnisch‹ bestehen bleibt bzw. re-produziert wird. Für beide Strategien ist der populäre Spielfilm ein nur wenig geeignetes Medium der Einflussnahme auf gesellschaftliche Diskurse. Zwar kann ein breites Publikum erreicht werden, doch sind die Produktionsverhältnisse komplex und kostenintensiv und zu sehr auf Kompromisse mit dominanten Diskursen angewiesen. Andererseits werden kleinere und kostengünstigere Filmproduktionen aufgrund der Verleih- und Aufführungspraktiken der kommerziellen Kinoindustrie selten weite Verbreitung erhalten, ihre Wirkung bleibt damit beschränkt. Dennoch sind Filme soziale Praktiken und haben Auswirkungen auf das gesellschaftliche System, das sie repräsentieren, so dass Intention und Rezeption von Filmen sowohl bei der Produktion als auch bei der Analyse bedacht werden sollten. In meiner Arbeit habe ich mich auf die Kategorien Geschlecht/Weiblichkeit und Ethnizität konzentriert, so dass andere Aspekte nur am Rande in die Analyse einfließen konnten. Wesentliche Auslassungen liegen in den Themenkomplexen von Rassisierung, Klasse, Männlichkeit und der filmischen Repräsentation der kulturell dominanten Gruppe. In der weiterführenden Forschung muss bedacht werden, dass marginalisierte Gruppen durch ihre fortwährende ›Untersuchung‹ re-konstruiert und dominante Gruppen durch deren Vernachlässigung in der Forschung stabili261

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siert werden können. Analysen der Darstellung des ›Australischen‹, der anglo-keltischen kulturellen ›Norm-Identität‹ versprechen weitere Erkenntnisse über die Konstruktion gesellschaftlicher Machtbeziehungen. Daher sollten Fragen nach der Repräsentation ›ethnisch‹ nicht markierter AustralierInnen in MigrantInnen-Filmen und den Veränderungen in den Darstellungsweisen nachgegangen werden. Eine andere denkbare Weiterführung liegt in einer detaillieren Betrachtung von Durchquerungen verschiedener Kategorien und sozialer Konstruktionen, ganz besonders einer komplexeren Untersuchung der Bedingtheiten zwischen Gender und Ethnisierung bzw. Australianness unter Einbezug der Queer Theory. Ausgehend von meiner Feststellung, dass eine stabile, heteronormative Gender-Identität als starke Markierung einer ethnisierten australischen Identität eingesetzt wird, stellt sich die Frage nach Bedeutungen von Brüchen im ›Gendering‹ von Filmfiguren. Wie werden Figuren dargestellt, die nicht-heteronormative Gender aufweisen (Transgender, Intersexuelle etc.)? Wie werden weiße/europäische AustralierInnen als ›sexuell deviant‹ (lesbisch, schwul, bisexuell, polyamor etc.) dargestellt und welche Rollen nehmen sexuelle Identitäten für ›ethnisch‹ markierte Figuren ein? Lässt sich von einer zunehmenden Ausdifferenzierung akzeptierter, legitimer filmischer Narrationen und Figurentypen auf ein zunehmendes Selbstbewusstsein Australiens als ›kultur‹produzierende Nation schließen oder deuten Brüche auf Krisen der bisher als normal konstruierten Identitäten hin? Welche Botschaften liefern ironische Darstellung des ›Normalen‹ wie MURIEL’S WEDDING? Welchen Stellenwert nehmen konservative Filme wie LANTANA ein, in dem insbesondere Gender-Rollen und vergeschlechtlichte Lebenskonzepte (heterosexuelle, monogame Zweierbeziehung) im Sinne einer heteronormativen Gesellschaftsordnung re-produziert werden? Das sind Fragen, die Filme zu Migration und Ethnizität, Weiblichkeit und Geschlecht aufwerfen können und die über den australischen Kulturraum hinausreichen. Diese Arbeit kann und sollte, perspektivisch auch im internationalen Rahmen und für die BRD, als Grundlage für weiterführende Forschungen über nationale Projekte und deren (filmische) Repräsentationen dienen.

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FILM UND MULTIKULTURALISMUS

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Filme

FISTFUL OF FLIES – Monica Pellizzari, AUS 1996. FLOATING LIFE – Clara Law, AUS 1996. THE SOUND OF ONE HAND CLAPPING – Richard Flanagan, AUS 1997. 100.000 COBBERS – Ken G. Hall, AUS 1942. THE ADVENTURES OF BARRY MCKENZIE – Bruce Beresford, AUS 1972. THE ADVENTURES OF PRISCILLA, QUEEN OF THE DESERT – Stephan Elliott, AUS 1994. AI ZAI TAXIANG DE JIJIE (FAREWELL CHINA) – Clara Law, HK 1990. AN ANGEL AT MY TABLE – Jane Campion, NZ/AUS/UK 1990. AUSTRALIA CALLS – Raymond Longford, AUS 1913. AYA – Solrun Hoaas, AUS 1990. BABE – Chris Noonan, AUS/USA 1995. BABE: PIG IN THE CITY (BABE II) – George Miller, AUS/USA 1998. THE BACK OF BEYOND – John Heyer, AUS 1954. BAD BOY BUBBY – Rolf de Heer, AUS/I 1993. BEDEVIL – Tracey Moffatt, AUS 1993. BEST WISHES – Monica Pellizzari, 1993. THE BLUE LAGOON – Randel Kleiser, USA 1980. BREAKER MORANT – Bruce Beresford, AUS 1980. CACTUS – Paul Cox, AUS 1986. CADDIE – Donald Crombie, AUS 1976. CAPTAIN THUNDERBOLT – Cecil Holmes, AUS 1953. THE CARS THAT ATE PARIS – Peter Weir, AUS 1974. CELIA – Ann Turner, AUS 1988. THE CHANT OF JIMMY BLACKSMITH – Fred Schepisi, AUS 1978. COSI – Mark Joffe, AUS 1996. 281

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

CROCODILE DUNDEE – Peter Faiman, AUS 1986. CROCODILE DUNDEE II – John Cornell, AUS/USA 1988. CRUSH – Alison Maclean, NZ 1992. A CRY IN THE DARK – siehe EVIL ANGELS. DAD AND DAVE COME TO TOWN – Ken G. Hall, AUS 1938. DAD AND DAVE: ON OUR SELECTION – siehe ON OUR SELECTION. DEATH IN BRUNSWICK – John Ruane, AUS 1991. DOGS IN SPACE – Richard Lowenstein, AUS 1987. DON’S PARTY – Bruce Beresford, AUS 1976. EMERALD CITY – Michael Jenkins, AUS 1988. EMMA’S WAR – Clytie Jessop, AUS 1986. EUREKA STOCKADE – Harry Watt, GB 1949. EUREKA STOCKADE – Arthur Cornwell/George Cornwell, AUS 1907. EVIL ANGELS (auch als A CRY IN THE DARK) – Fred Schepisi, AUS/USA 1988. FAR EAST – John Duigan, AUS 1982. FEISEUNG TSINGTAM (THE PRIVATE EYE BLUES) – Eddie Ling-Ching Fong, 1994. FOR THE TERM OF HIS NATURAL LIFE – Norman Down, AUS 1927. FOR THE TERM OF HIS NATURAL LIFE – Charles MacMahon, AUS 1908. FORTY THOUSAND HORSEMEN – Charles Chauvel AUS 1941. FLIRTING – John Duigan, AUS 1991. GALLIPOLI – Peter Weir, AUS 1981. THE GETTING OF WISDOM – Bruce Beresford, AUS 1978. A GIRL OF THE BUSH – Franklyn Barrett, AUS 1921. THE GODDESS OF 1967 – Clara Law, AUS 2000. THE GREAT STRIKE – AUS 1917. THE HANGING GARDEN – Thom Fitzgerald, KAN/GB 1997. THE HAYSEEDS – Beaumont Smith AUS 1917/18. (Our Friends the Hayseeds, The Hayseeds’ Backblocks Show, The Hayseeds Come to Town (The Hayseeds Come to Sydney), The Hayseeds’ Melbourne Cup) HEAD ON – Ana Kokkinos, AUS 1998. THE HEARTBREAK KID – Michael Jenkins, AUS 1993. HEATWEAVE – Phillip Noyce, AUS 1982. THE HERO OF THE DARDANELLES – Alfred Rolfe, AUS 1915. HOTEL SORRENTO – Richard Franklin, AUS/GB 1995. HOW WE BEAT THE EMDEN – Alfred Rolfe, AUS 1915. THE INLANDERS – Gordon Gibb, AUS 1949. INTIMACY – Patrice Chéreau, F/GB/BRD/S 2001. ISLAND – Paul Cox, AUS 1989. THE JAZZ SINGER – Alan Crosland, USA 1927. 282

FILME

JEDDA – Charles Chauvel/Elsa Chauvel, AUS 1955. JUST DESSERTS – Monica Pellizzari, AUS 1993. KANGAROO – Lewis Milestone, USA 1952. KAWASHIMA YOSHIKO (THE LAST PRINCESS OF MANCHURIA) – Eddie Ling-Ching Fong, HK 1989. KNOW YOUR OWN COUNTRY – AUS 1925 (ca. 50 Kurzfilmen). KOKODA FRONT LINE (CINESOUND REVIEW) – Damien Parer, AUS 1942. KOSTAS – Paul Cox, AUS 1979. LANTANA – Ray Lawrence, AUS/BRD 2001. THE LAST DAYS OF THE CHEZ NOUS – Gillian Armstrong, AUS 1992. THE LAST EMPEROR – Bernardo Bertolucci, I/F/GB 1987. THE LAST WAVE – Peter Weir, AUS 1977. LETTERS TO ALI – Clara Law, AUS 2004. LILIAN’S STORY – Jerzy Domaradzki, AUS 1995. LOADED – Anna Campion, NZ/GB 1994. THE LONG WEEKEND – Colin Eggleston, AUS 1978. LOOKING FOR ALIBRANDI – Kate Woods, AUS 2000. LOVE AND OTHER CATASTROPHIES – Emma-Kate Croghan, AUS 1996. MAD MAX BEYOND THUNDERDOME – Dr. George Miller/George Ogilvie, AUS/USA 1985. MAD MAX 2 (THE ROAD WARRIOR) – Dr. George Miller, 1981. MAD MAX – Dr. George Miller, AUS 1979. MALCOLM – Nadia Tass, AUS 1986. THE MAN FROM SNOWY RIVER – George Miller, AUS 1982. MANGANINNI – John Honey, Aus 1980. MÄNNERPENSION – Detlev Buck, BRD 1996. THE MARTYRDOM OF NURSE CAVELL – John Gavin/Charles Post Mason, AUS 1916. THE MATRIX – Andy Wachowski/Larry Wachowski, USA 1999. MELBOURNE CUP – Carl Hertz/Marius Sestier, AUS 1897. MIKE AND STEFANI – R. Maslyn Williams, AUS 1952. MOVING OUT – Michael Pattinson, AUS 1983. MURIEL’S WEDDING – P.J. Hogan, AUS/F 1994. MY BRILLIANT CAREER – Gillian Armstrong, AUS 1979. MY SURVIVAL AS AN ABORIGINE – Essie Coffey, AUS 1978. A NATION IS BUILT – Frank Hurley, AUS 1937. NICE COLOURED GIRLS – Tracey Moffatt, AUS 1987. NIGHT CRIES: A RURAL TRAGEDY – Tracey Moffatt, AUS 1989. NOTTE D’ESTATE CON PROFILO GRECO, OCCHI A MANDORLA E ODORE DI BASILICO – Lina Wertmüller, I 1986. ON OUR SELECTION – George Whaley, AUS 1995. 283

FILM UND MULTIKULTURALISMUS

ON OUR SELECTION – Ken G. Hall, AUS 1932. ON OUR SELECTION – Raymond Longford, AUS 1920. ON THE BEACH – Stanley Kramer, USA 1959. ONLY THE BRAVE – Ana Kokkinos, AUS 1994. THE OVERLANDERS – Harry Watt, AUS/GB 1946. THE PASSIONATE INDUSTRY – Joan Long, AUS 1971. THE PIANO – Jane Campion, AUS/NZ/F 1993. PICNIC AT HANGING ROCK – Peter Weir, AUS 1975. THE PICTURE SHOW MAN – John Power, AUS 1977. THE PICTURES THAT MOVED: AUSTRALIAN CINEMA 1896-1920 – Joan Long, AUS 1969. POSSUM PADDOCK –Kate Howarde/Charles Villiers, AUS 1921. PROOF – Jocelyn Moorhouse, AUS 1991. PUBERTY BLUES – Bruce Beresford, AUS 1981. PULP FICTION – Quentin Tarantino, USA 1994. RABBIT ON THE MOON – Monica Pellizzari, 1987. RABBIT-PROOF FENCE (dt.: LONG WALK HOME) – Phillip Noyce, AUS 2002. RIKKY AND PETE – Nadia Tass, AUS 1988. THE ROAD WARRIOR – siehe MAD MAX 2. ROMPER STOMPER – Geoffrey Wright, AUS 1992. ROXANNE – Fred Schepisi, AUS 1987. SHALLOW GRAVE – Danny Boyle, GB 1994. SHAME – Steve Jodrell, AUS 1987. SHINE – Scott Hicks, AUS 1996. THE SHIRALEE – Leslie Norman, GB 1957. SILVER CITY – Sophia Turkiewicz, AUS 1984. SINNUI YAUWAN (A CHINESE GHOST STORY) – Siu-Tung Ching, HK 1987. SMITHY – Ken G. Hall, AUS 1946. SOLDIERS OF THE CROSS – Herbert Booth/Joseph Perry, AUS 1900. SONS OF MATTHEW – Charles Chauvel/Elsa Chauvel, AUS 1949. SPIDER AND ROSE – Bill Bennett, AUS 1994. THE SQUATTER’S DAUGHTER – Ken Hall, AUS 1933. STRICTLY BALLROOM – Baz Luhrman, AUS 1992. STORK – Tim Burstall, AUS 1971. THE STORY OF THE KELLY GANG – Charles Tait, AUS 1906. THE SUNDOWNERS – Fred Zinnemann, GB/AUS 1960. THE SUM OF US – Geoff Burton/Kevin Dowling, AUS 1994. SUNDAY TOO FAR AWAY – Ken Hannam, AUS 1975. SWEETIE – Jane Campion, AUS 1989. THE TALE OF RUBY ROSE – Roger Scholes, AUS 1988. 284

FILME

THEY’RE A WEIRD MOB – Michael Powell, AUS/GB 1966. THEY FOUND A CAVE – Andrew Steane, AUS 1962. THE THIN RED LINE – Terrence Malick, CAN/USA 1998. THREE IN ONE – Cecil Holmes, AUS 1957. THE TRACKER – Rolf de Heer, AUS 2002. TONG CHIU HO FONG NUI (AN AMOROUS WOMAN OF THE TANG DYNASTY) – Eddie Ling-Ching Fong, HK 1984. TREASURES OF KATOOMBA – Frank Hurley, AUS 1934. BIS ANS ENDE DER WELT – Wim Wenders, BRD/F/AUS 1991. VELO NERO – Monica Pellizzari, AUS 1987. WAKE IN FRIGHT – Ted Kotcheff, AUS 1971. WALKABOUT – Nicolas Roeg, AUS 1971. WELCOME TO SARAJEVO – Michael Winterbottom, GB/USA 1997. WE OF THE NEVER NEVER – Igor Aguzins, AUS 1983. WINTER OF OUR DREAMS – John Duigan, AUS 1981. WINTERSCHLÄFER – Tom Tywker, AUS 1997. WO AI TAI KONG REN (THE OTHER HALF AND THE OTHER HALF) – Clara Law, HK 1988. THE WOMAN SUFFERS – Raymond Longford, AUS 1918. THE WOG BOY – Aleksi Vellis, AUS 2000. WRONG SIDE OF THE ROAD – Ned Lander, AUS 1981. THE YEAR MY VOICE BROKE – John Duigan, AUS 1987. THE YEAR OF LIVING DANGEROUSLY – Peter Weir, AUS 1983. YU DA FU CHUAN QI (CHERRY BLOSSOMS) – Eddie Ling-Ching Fong, HK 1985/1988.

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Studien interdisziplinäre Geschlechterforschung Jutta Jacob, Heino Stöver (Hg.) Männer im Rausch Konstruktionen und Krisen von Männlichkeiten im Kontext von Rausch und Sucht März 2009, 192 Seiten, kart., zahlr. Abb., 22,80 €, ISBN 978-3-89942-933-6

Constance Ohms Das Fremde in mir Gewaltdynamiken in Liebesbeziehungen zwischen Frauen. Soziologische Perspektiven auf ein Tabuthema 2008, 346 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-948-0

Lydia Potts, Jan Kühnemund (Hg.) Mann wird man Geschlechtliche Identitäten im Spannungsfeld von Migration und Islam 2008, 234 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN 978-3-89942-992-3

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2) ANZ1174.p 217380664534

Studien interdisziplinäre Geschlechterforschung Malwine Seemann Geschlechtergerechtigkeit in der Schule Eine Studie zum Gender Mainstreaming in Schweden Juli 2009, 278 Seiten, kart., 33,80 €, ISBN 978-3-8376-1253-0

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