Festkörperphysik. Aufgaben und Lösungen 9783486858969

Erst beim Lösen von Aufgaben stellen sich Fragen, die man meint geklärt und verstanden zu haben. Zur Ergänzung des ane

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Festkörperphysik. Aufgaben und Lösungen
 9783486858969

Table of contents :
Vorwort
1 Kristallstruktur
A1.1 Tetraederwinkel
A1.2 Die Millerschen Indizes
A1.3 Die hcp-Struktur
A1.4 Bravais-Gitter
A1.5 Kupfer-Sauerstoff-Ebenen
A1.6 Zweidimensionales Gitter
A1.7 Das Diamantgitter
A1.8 Die sc-, bcc-, fcc- und hcp-Struktur
2 Strukturanalyse mit Beugungsmethoden
A2.1 Reziprokes Gitter eines hexagonalen Raumgitters
A2.2 Strukturanalyse von Kupfer
A2.3 Ebenen und Vektoren imRaum- bzw. reziproken Gitter
A2.4 Volumen der Brillouin-Zone
A2.5 Pulverdiffraktometrie
A2.6 Begrenzungsfilter fürNeutronen
A2.7 Ein Debye-Scherrer Experiment
A2.8 Beugungseffekte an einemeindimensionalen Gitter
A2.9 Strukturfaktor von Diamant
A2.10 Strukturfaktor von CsCl und CsI
A2.11 Atomformfaktor von atomaremWasserstoff
A2.12 Formfaktor von Fullerenen
3 Bindungskräfte in Festkörpern
A3.1 Bindungstypen
A3.2 Bindungsenergien eines Neonkristalls mit bcc-, hcp- und fcc-Struktur
A3.3 Ionenkristall aus identischen Atomen
A3.4 Eindimensionaler Ionenkristall
A3.5 sp2-Hybridisierung
A3.6 Zweiatomige Moleküle
4 Elastische Eigenschaften von Festkörpern
A4.1 Elastizitätstensor und Poisson-Zahl
A4.2 Schwingungen in einem Aluminium-Zylinder
A4.3 Elastische Wellen in [111]-Richtung eines kubischen Kristalls
5 Dynamik des Kristallgitters
A5.1 Lineare Kette aus gleichen Atomen
A5.2 Wellengleichung im Kontinuum
A5.3 Lineare Kette aus zweiatomigen Molekülen
A5.4 Lineare Kette mit übernächster Nachbarwechselwirkung
A5.5 Ultraschallexperiment
A5.6 Massendefekt in linearer Atomkette
A5.7 Zustandsdichte der Phononen einer ein dimensionalen Kette
A5.8 Singularität in der Zustandsdichte
A5.9 Kohn-Anomalie
6 Thermische Eigenschaften des Kristallgitters
A6.1 Mittlere thermische Ausdehnung einer Kristallzelle
A6.2 Spezifische Wärmekapazität
A6.3 Nullpunkts-Gitterauslenkung undDehnung
A6.4 Spezifische Wärme eines eindimensionalen Gitters und eines Stapels aus zweidimensionalen Schichten
A6.5 Erzeugung akustischer Phononenmit einem Ultraschallgeber
7 Das freie Elektronengas
A7.1 Fermi-Gase in d Dimensionen
A7.2 Fermi-Gasmit linearer Dispersion
A7.3 Chemisches Potenzial in zwei Dimensionen
A7.4 Fermi-Gase in der Astrophysik
A7.5 Flüssiges 3He als Fermi-Gas
A7.6 Mittlere Energie, Druck und Kompressibilität eines zweidimensionalen Fermi-Gases
A7.7 Frequenzabhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit eines Metalls
A7.8 Leitfähigkeitstensor
A7.9 Elektronische spezifische Wärmekapazität von Kupfer
A7.10 Ladungstransport bei Vorhandensein von zwei Ladungsträgersorten
A7.11 Sommerfeld-Entwicklung
A7.12 Temperaturabhängigkeit des chemischen Potenzials
8 Energiebänder
A8.1 Fermi-Flächen und Brillouin-Zonen
A8.2 Ebenes quadratisches Gitter
A8.3 Reduziertes Zonenschema
A8.4 Zweidimensionales Systemstark gebundener Elektronen
A8.5 Dreidimensionales Systemstark gebundener Elektronen
A8.6 Bandüberlappung
9 Dynamik von Kristallelektronen
A9.1 Maxwell-Gleichungen
A9.2 Elektromagnetische Skin-Tiefe im Drude-Modell
A9.3 Elektrische und thermische Leitfähigkeit
A9.4 Linearisierte Boltzmann-Transportgleichung
A9.5 Teilchen-, Ladungs-, Energie-, Entropie- und Wärmestrom
A9.6 Freies Elektronengas im Magnetfeld
A9.7 De Haas-van Alphen-Effekt
A9.8 Extremalbahnen im reziproken Raum
10 Halbleiter
A10.1 Hall-Effekt und elektrische Leitfähigkeit von Halbleitern
A10.2 Ladungsträgerdichte von Halbleitern
A10.3 p-n Übergang
A10.4 Solarzelle
A10.5 Elektrischer Transport und Wärmetransport in Metallen und Halbleitern
A10.6 Quantentrog in AlAs-GaAs-Heterostruktur
A10.7 Quantum Confinement und Halbleiter-Laser
A10.8 MOSFET
11 Dielektrische Eigenschaften
A11.1 Polarisierbarkeit von atomarem Wasserstoff
A11.2 Makroskopisches elektrisches Feld
A11.3 Polarisation einer Kugel
A11.4 Plasmafrequenz, elektrische Leitfähigkeit und Reflexionsvermögen von Metallen
A11.5 Plasmafrequenz von Indium-dotiertem Zinkoxid (ITO)
A11.6 Plasmonen-Schwingung einer metallischen Kugel
A11.7 Ausbreitung von polarisiertemLicht in ionisiertem Medium–Magnetooptik
A11.8 Lineare ferroelektrische Anordnung
12 Magnetismus
A12.1 Festkörper im inhomogenen Magnetfeld
A12.2 Hundsche Regeln
A12.3 Klassische Dipol-Dipol-Wechselwirkung
A12.4 Brillouin-Funktion
A12.5 Quantenmechanisches Zweiniveausystem
A12.6 Paulische Spin-Suszeptibilität
A12.7 Curie-Weiss-Gesetz
A12.8 Ferromagnetismus der Leitungselektronen
A12.9 Spezifische Wärme von Magnonen
A12.10 Sättigungsmagnetisierung von Ferrimagneten
13 Supraleitung
A13.1 Dauerstromexperiment
A13.2 Magnetisierung eines Supraleiters
A13.3 Das Eindringen eines Magnetfeldes in eine dünne Platte
A13.4 Spezifische Wärmekapazität von Supraleitern
A13.5 Cooper-Paare
A13.6 Spin-Suszeptibilität in BCS-Supraleitern
A13.7 Stromdichte in BCS-Supraleitern
A13.8 Zweiflüssigkeitsbeschreibung der Supraleitung
A13.9 Energieabsenkung im Grundzustand eines Supraleiters
A SI-Einheiten
A.1 Die SI Basiseinheiten
A.1.1 Einige von den SI Einheiten abgeleitete Einheiten
A.2 Vorsätze
A.3 Abgeleitete Einheiten und Umrechnungsfaktoren
A.3.1 Länge, Fläche, Volumen
A.3.2 Masse
A.3.3 Zeit, Frequenz
A.3.4 Temperatur
A.3.5 Winkel
A.3.6 Kraft, Druck, Viskosität
A.3.7 Energie, Leistung,Wärmemenge
A.3.8 Elektromagnetische Einheiten
B Physikalische Konstanten
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Index

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Festkörperphysik. Aufgaben und Lösungen von

Prof. Dr. Rudolf Gross Dr. Achim Marx Priv.-Doz. Dr. Dietrich Einzel

Oldenbourg Verlag München

Lektorat: Kristin Berber-Nerlinger Herstellung: Tina Bonertz Titelbild: Prof. Dr. Rudolf Gross – Illustration: Irina Apetrei Einbandgestaltung: hauser lacour Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2014 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 143, 81671 München, Deutschland www.degruyter.com/oldenbourg Ein Unternehmen von De Gruyter Gedruckt in Deutschland Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-77134-3 eISBN 978-3-486-85896-9

Vorwort Die Vertiefung und Erweiterung von Fachwissen anhand von Übungsaufgaben ist sowohl als Ergänzung zu Lehrbüchern als auch vorlesungsbegleitend von unschätzbarem Wert. Da einerseits Vorlesungen einen knapp bemessenen Zeitplan haben und Lehrbücher sich auf die grundlegenden Aspekte eines Fachgebietes konzentrieren sollten, können zahlreiche Teilaspekte nicht tiefgehend behandelt werden und viele Herleitungen von wichtigen Zusammenhängen nicht explizit aufgezeigt werden. Dies trifft insbesondere auf das sehr umfangreiche Gebiet der Festkörperphysik zu. Diese Lücke kann durch Übungsaufgaben in idealer Weise geschlossen werden. Andererseits ermöglichen Übungsaufgaben den Lesern von Fachliteratur und Hörern von Vorlesungen, ihr erlerntes Wissen durch die Lösung von Übungsaufgaben zu überprüfen. Das vorliegende Buch dient als Ergänzung zum Lehrbuch Festkörperphysik (Rudolf Gross und Achim Marx, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2012), in dem zu den verschiedenen Teilgebieten der Festkörperphysik eine große Zahl von Übungsaufgaben gestellt wird. In diesem Buch werden ausführliche Musterlösungen zu diesen Übungsaufgaben vorgestellt. Sie basieren auf Begleitmaterial, das Studenten unserer Vorlesungen an der Universität zu Köln (1996–2000) und später an der Technischen Universität München zur Verfügung gestellt wurde. Die Zielsetzung dabei ist, Studierenden anhand von Übungsaufgaben mit ausführlichen Lösungswegen eine Vertiefung und Selbstkontrolle des erlernten Wissens zu ermöglichen. Insbesondere sollen Studierende dazu angeleitet werden, sich physikalisches Wissen durch die Lösung von Übungsaufgaben selbst zu erarbeiten. Die zur Verfügung gestellten Musterlösungen sollen dabei helfen, den eigenen Lösungsweg zu überprüfen und Hindernisse bei der Erarbeitung des eigenen Lösungswegs zu überwinden. Das Buch richtet sich an Studierende der Physik und Materialwissenschaften im Bachelorund Master-Studiengang, die als Spezialisierungsrichtung die Physik der kondensierten Materie gewählt haben. Vorausgesetzt werden Grundkenntnisse zur Mechanik, Atomphysik, Elektrodynamik, Quantenmechanik und statistischen Physik. In allen Gleichungen wird grundsätzlich das internationale Maßsystem (SI) verwendet. Allerdings wird an einigen Stellen auf für den atomaren Bereich praktische Einheiten wie z. B. Ångström oder eV zurückgegriffen. In das vorliegende Buch sind zahlreiche Anregungen, Hinweise und Illustrationen von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie von verschiedenen Kolleginnen und Kollegen eingeflossen. Namentlich erwähnen möchten wir insbesondere L. Alff, W. Biberacher, B. Büchner, B. S. Chandrasekhar, F. Deppe, R. Doll, A. Erb, S. Geprägs, S. Gönnenwein, R. Hackl, H. Hübl, M. Kartsovnik, D. Koelle, A. Lerf, K. Neumaier, M. Opel, Ch. Probst, E. Schuberth und K. Uhlig.

VI

Vorwort

Ein umfangreiches Lehrbuch ohne Fehler zu erstellen ist unmöglich. Deshalb sind wir für Hinweise auf solche Fehler sehr dankbar. Sie können direkt an unsere elektronischen Adressen ([email protected], [email protected], [email protected]) geschickt werden. München, November 2013

Rudolf Gross, Achim Marx, Dietrich Einzel

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

1

Kristallstruktur

1

A1.1

Tetraederwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A1.2

Die Millerschen Indizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

A1.3

Die hcp-Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

A1.4

Bravais-Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

A1.5

Kupfer-Sauerstoff-Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

A1.6

Zweidimensionales Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

A1.7

Das Diamantgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

A1.8

Die sc-, bcc-, fcc- und hcp-Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

2

Strukturanalyse mit Beugungsmethoden

13

A2.1

Reziprokes Gitter eines hexagonalen Raumgitters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

A2.2

Strukturanalyse von Kupfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

A2.3

Ebenen und Vektoren im Raum- bzw. reziproken Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

A2.4

Volumen der Brillouin-Zone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

A2.5

Pulverdiffraktometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

A2.6

Begrenzungsfilter für Neutronen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

A2.7

Ein Debye-Scherrer Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

A2.8

Beugungseffekte an einem eindimensionalen Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

A2.9

Strukturfaktor von Diamant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

A2.10

Strukturfaktor von CsCl und CsI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

A2.11

Atomformfaktor von atomarem Wasserstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

A2.12

Formfaktor von Fullerenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

VIII

Inhaltsverzeichnis

3

Bindungskräfte in Festkörpern

39

A3.1

Bindungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

A3.2

Bindungsenergien eines Neonkristalls mit bcc-, hcp- und fcc-Struktur . . . . .

40

A3.3

Ionenkristall aus identischen Atomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

A3.4

Eindimensionaler Ionenkristall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

2

A3.5

sp -Hybridisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

A3.6

Zweiatomige Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

4

Elastische Eigenschaften von Festkörpern

53

A4.1

Elastizitätstensor und Poisson-Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

A4.2

Schwingungen in einem Aluminium-Zylinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

A4.3

Elastische Wellen in [111]-Richtung eines kubischen Kristalls . . . . . . . . . . . . . .

63

5

Dynamik des Kristallgitters

69

A5.1

Lineare Kette aus gleichen Atomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

A5.2

Wellengleichung im Kontinuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

A5.3

Lineare Kette aus zweiatomigen Molekülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

A5.4

Lineare Kette mit übernächster Nachbarwechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

A5.5

Ultraschallexperiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

A5.6

Massendefekt in linearer Atomkette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

A5.7

Zustandsdichte der Phononen einer eindimensionalen Kette . . . . . . . . . . . . . . .

84

A5.8

Singularität in der Zustandsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

A5.9

Kohn-Anomalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

6

Thermische Eigenschaften des Kristallgitters

95

A6.1

Mittlere thermische Ausdehnung einer Kristallzelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

A6.2

Spezifische Wärmekapazität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

A6.3

Nullpunkts-Gitterauslenkung und Dehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

A6.4

Spezifische Wärme eines eindimensionalen Gitters und eines Stapels aus zweidimensionalen Schichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

A6.5

Erzeugung akustischer Phononen mit einem Ultraschallgeber . . . . . . . . . . . . . . 103

Inhaltsverzeichnis

IX

7

Das freie Elektronengas

107

A7.1

Fermi-Gase in d Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

A7.2

Fermi-Gas mit linearer Dispersion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

A7.3

Chemisches Potenzial in zwei Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

A7.4

Fermi-Gase in der Astrophysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

A7.5

Flüssiges 3 He als Fermi-Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

A7.6

Mittlere Energie, Druck und Kompressibilität eines zweidimensionalen Fermi-Gases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

A7.7

Frequenzabhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit eines Metalls . . . . . . . . . . 121

A7.8

Leitfähigkeitstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

A7.9

Elektronische spezifische Wärmekapazität von Kupfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

A7.10

Ladungstransport bei Vorhandensein von zwei Ladungsträgersorten . . . . . . . 130

A7.11

Sommerfeld-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

A7.12

Temperaturabhängigkeit des chemischen Potenzials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

8

Energiebänder

A8.1

Fermi-Flächen und Brillouin-Zonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

A8.2

Ebenes quadratisches Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

A8.3

Reduziertes Zonenschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

A8.4

Zweidimensionales System stark gebundener Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

A8.5

Dreidimensionales System stark gebundener Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

A8.6

Bandüberlappung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

9

Dynamik von Kristallelektronen

A9.1

Maxwell-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

A9.2

Elektromagnetische Skin-Tiefe im Drude-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

A9.3

Elektrische und thermische Leitfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

A9.4

Linearisierte Boltzmann-Transportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

A9.5

Teilchen-, Ladungs-, Energie-, Entropie- und Wärmestrom . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

A9.6

Freies Elektronengas im Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

A9.7

De Haas-van Alphen-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

A9.8

Extremalbahnen im reziproken Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

141

155

X

Inhaltsverzeichnis

10

Halbleiter

175

A10.1

Hall-Effekt und elektrische Leitfähigkeit von Halbleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

A10.2

Ladungsträgerdichte von Halbleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

A10.3

p-n Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

A10.4

Solarzelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

A10.5

Elektrischer Transport und Wärmetransport in Metallen und Halbleitern . . 187

A10.6

Quantentrog in AlAs-GaAs-Heterostruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

A10.7

Quantum Confinement und Halbleiter-Laser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

A10.8

MOSFET . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

11

Dielektrische Eigenschaften

A11.1

Polarisierbarkeit von atomarem Wasserstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

A11.2

Makroskopisches elektrisches Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

A11.3

Polarisation einer Kugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

A11.4

Plasmafrequenz, elektrische Leitfähigkeit und Reflexionsvermögen von Metallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

A11.5

Plasmafrequenz von Indium-dotiertem Zinkoxid (ITO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

A11.6

Plasmonen-Schwingung einer metallischen Kugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

A11.7

Ausbreitung von polarisiertem Licht in ionisiertem Medium – Magnetooptik 211

A11.8

Lineare ferroelektrische Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

12

Magnetismus

A12.1

Festkörper im inhomogenen Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

A12.2

Hundsche Regeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

A12.3

Klassische Dipol-Dipol-Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

A12.4

Brillouin-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

A12.5

Quantenmechanisches Zweiniveausystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

A12.6

Paulische Spin-Suszeptibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

A12.7

Curie-Weiss-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

A12.8

Ferromagnetismus der Leitungselektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

A12.9

Spezifische Wärme von Magnonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

A12.10

Sättigungsmagnetisierung von Ferrimagneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

201

227

Inhaltsverzeichnis

XI

13

Supraleitung

259

A13.1

Dauerstromexperiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

A13.2

Magnetisierung eines Supraleiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

A13.3

Das Eindringen eines Magnetfeldes in eine dünne Platte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

A13.4

Spezifische Wärmekapazität von Supraleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

A13.5

Cooper-Paare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

A13.6

Spin-Suszeptibilität in BCS-Supraleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

A13.7

Stromdichte in BCS-Supraleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

A13.8

Zweiflüssigkeitsbeschreibung der Supraleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

A13.9

Energieabsenkung im Grundzustand eines Supraleiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

A

SI-Einheiten

A.1 A.1.1

Die SI Basiseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Einige von den SI Einheiten abgeleitete Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

A.2

Vorsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

A.3 A.3.1 A.3.2 A.3.3 A.3.4 A.3.5 A.3.6 A.3.7 A.3.8

Abgeleitete Einheiten und Umrechnungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Länge, Fläche, Volumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeit, Frequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kraft, Druck, Viskosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energie, Leistung, Wärmemenge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektromagnetische Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289 289 289 290 290 290 290 291 291

B

Physikalische Konstanten

293

287

Abbildungsverzeichnis

297

Tabellenverzeichnis

301

Index

303

1 A1.1

Kristallstruktur Tetraederwinkel

Die Winkel zwischen den tetraedrischen Bindungen der Diamantstruktur sind dieselben wie die Winkel zwischen den Raumdiagonalen aneinandergrenzender Würfel. Bestimmen Sie mit Hilfe der elementaren Vektorrechnung die Größe dieses Winkels. Lösung

Der Tetraederwinkel θ ist definiert als der Winkel, der von den Verbindungsstrecken zwischen dem Tetraedermittelpunkt und je zwei Ecken eingeschlossen wird, wie es in Abb. 1.1(a) für das Methan-Molekül dargestellt ist. Zur Bestimmung des Tetraederwinkels kann man die Tatsache benutzen, dass der Tetraeder aus den Hälften der vier möglichen Raumdiagonalen eines Würfels konstruiert werden kann. Um einen geeigneten Koordinatenursprung zu bekommen, benutzen wir die in Abb. 1.1(b) abgebildete Konstruktion aus 8 Würfeln, in denen die vier Tetraederkeulen durch die Vektoren a1 = {−1, 1, 1}, a2 = {1, −1, 1}, a3 = {1, 1, −1} und a4 = {−1, −1, −1} beschrieben werden. Der Winkel zwischen je zwei dieser Vektoren a i und a j (i ≠ j) lässt sich dann wie folgt aus dem Skalarprodukt von a i und a j berechnen: a i ⋅ a j = ∣a i ∣ ∣a j ∣ cos θ ai ⋅ a j cos θ = ∣a i ∣ ∣a j ∣ θ = arccos (

(a)

(A1.1.1) (A1.1.2)

ai ⋅ a j ). ∣a i ∣ ∣a j ∣

(A1.1.3)

(b)

(Ͳ1,1,1) (1,Ͳ1,1)

T

ࣂ ൌ ‫ ܛܗ܋܋ܚ܉‬െ૚Ȁ૜ ൌ ૚૙ૢǤ ૝ૠι

(Ͳ1,Ͳ1,Ͳ1)

Abb. 1.1: Zur Definition (a) und Bestimmung (b) (1,1,Ͳ1) des Tetraederwinkels.

2

1 Kristallstruktur

Wir finden a i ⋅ a j = −1 für alle i ≠ j √ ∣a i ∣ = ∣a j ∣ = 3 cos θ = (

(A1.1.4) (A1.1.5)

ai ⋅ a j ) = −1/3 ∣a i ∣ ∣a j ∣

(A1.1.6)

θ = arccos(−1/3) = 109.47122 . . .○ .

(A1.1.7)

Man beachte, dass die Würfeldiagonalen, welche zum Tetraeder beitragen, ausschließlich zu Würfeln gehören, die nur eine gemeinsame Kante, jedoch keine gemeinsame Fläche aufweisen. Nur so ist gewährleistet, dass man das negative Vorzeichen beibehält und der Tetraederwinkel ein stumpfer Winkel ist. A1.2

Die Millerschen Indizes

Wir betrachten die Ebenen mit den Millerschen Indizes (100) und (001) in einem Gitter mit fcc-Struktur. Die Indizes beziehen sich auf die übliche kubische Zelle. Dabei sind die Translationen gerade die Kanten ̂ x,̂ y und ̂ z des Würfels mit Länge a. Wie lauten die Indizes dieser Ebenen, wenn sie sich auf die primitiven Achsen beziehen? (Hinweis: Die primitive Zelle ist ein Rhomboeder gebildet durch ̂ a = a2 (̂ x +̂ y), ̂ b = a2 (̂ y +̂ z), und ̂ c = a2 (̂ z +̂ x).) Lösung

Die (100)x yz -Ebene schneidet die primitive Achse a im Punkt (2, 0, 0) (siehe Abb. 1.2). Sie liegt parallel zu b (das bedeutet Schnitt im Unendlichen) und schneidet c im Punkt (0, 0, 2). Gemäß ihrer Definition erhalten wir die Millerschen Indizes in der von a, b und c aufgespannten Basis, indem wir die Kehrwerte des Zahlentripels (2∞2) → ( 12 0 12 ) bilden und dann die drei kleinsten ganzen Zahlen suchen, die zueinander im selben Verhältnis stehen. Wir erhalten demnach (101) abc als neue Millersche Indizes. Analog verfahren wir im Fall der (001)x yz -Ebene. Sie verläuft parallel zu a, Schnittpunkte mit b und c sind (0, 2, 0) und (0, 0, 2) was zu den Zahlentripeln (∞22) → (0 12 21 ) und somit zu den Millerschen Indizes (011) abc führt.

z z b

c

b

c Abb. 1.2: Zur Ableitung der Millerschen Indizes (siehe Text).

x

a

y x

a

y

1 Kristallstruktur A1.3

3

Die hcp-Struktur

Zeigen Sie, dass das Verhältnis c/a für eine hexagonal dichtgepackte Kristallstruktur gleich √ 8/3 ≃ 1.633 . . . ist. Wenn c/a deutlich größer ist als dieser Wert, so kann man sich die Kristallstruktur aus unsauber gestapelten Ebenen von dichtgepackten Atomen aufgebaut denken. Lösung

Die Grundfläche der primitive Zelle der hcp-Struktur ist hexagonal und somit aufgebaut aus gleichseitigen Dreiecken der Seitenlänge a (vgl. Abb. 1.3). Die Atome der zweiten Lage liegen genau über dem Mittelpunkt dieser Dreiecke, und zwar um die Länge c/2 in der ̂ c-Richtung verschoben. Der Mittelpunkt M der gleichseitigen Dreiecke liegt im Abstand √ r = 2h/3 = a/ 3 (h = Höhe der gleichseitigen Dreiecke) von den Atomen der Grundfläche entfernt. Da der Abstand zu allen nächsten Nachbarn a beträgt, können wir zur Bestimmung 2 2 2 von c den √ Satz von Pythagoras benutzen: a = r + (c/2) . Daraus ergibt sich das Verhältnis c/a = 8/3. a a

r M a

a

c/2

a r M a a

A1.4

͵ ܽ ʹ

c/2

a2=r2 +(c/2)² a

݄ൌ

r ݄ ܽ ൌ ͵ ʹ ͵

a

M

a/2

a/2

Abb. 1.3: Zur Ableitung des c/a-Verhältnisses der hcp-Struktur.

Bravais-Gitter

Finden Sie für das in Abb. 1.4 abgebildete Honigwabengitter eine geeignete Basis und zeichnen Sie ein Bravais-Gitter ein. Geben Sie die fünf möglichen zweidimensionalen BravaisGitter an!

Abb. 1.4: Zweidimensionales Honigwabengitter.

4

1 Kristallstruktur

Lösung

Die Basis des Honigwabengitters besteht aus einem grauen und einem schwarzen Atom (siehe Abb. 1.5). Ein mögliches Bravais-Gitter ist durch die Kreuze im Zentrum der Ellipsen gekennzeichnet. Man beachte, dass nicht jede symmetrische Anordnung von Punkten auch ein Bravais-Gitter ist!

Abb. 1.5: Mögliche Basis für ein zweidimensionales Honigwabengitter.

Die fünf möglichen zweidimensionalen Bravais-Gitter sind in Abb. 1.6(a)–(e) gezeigt. Die allgemeine Darstellung der Gittertranslation lautet t n = n 1 a1 + n 2 a2 n 1 , n 2 ∈ Z a1 ⋅ a2 cos φ = . ∣a1 ∣ ∣a2 ∣

(A1.4.1) (A1.4.2)

Damit können wir in zwei Dimensionen die folgenden fünf Fälle unterscheiden: (a) (b) (c) (d) (e)

∣a1 ∣ = ∣a2 ∣, φ = π/2: quadratisches Gitter, Einheitszelle = Quadrat ∣a1 ∣ ≠ ∣a2 ∣, φ = π/2: rechtwinkliges Gitter, Einheitszelle = Rechteck ∣a1 ∣ ≠ ∣a2 ∣, φ ≠ π/2: schiefwinkliges Gitter, Einheitszelle = Parallelogramm ∣a1 ∣ = ∣a2 ∣, φ = π/3: hexagonales Gitter, Einheitszelle (konv.) = Hexagon ∣a1 ∣ ≠ ∣a2 ∣, φ ≠ π/2, π/3: rechtwinklig zentriertes Gitter, Einheitszelle (konv.) = Rechteck

Abb. 1.6: Die fünf möglichen zweidimensionalen Bravais-Gitter. Die Einheits- (a) quadratisch zellen sind grau hinterlegt. Die primitiven Gita2 terzellen werden von den Basisveka1 toren a1 und a2 aufgespannt und sind durch die (d) hexagonal durchgezogene Linie markiert. Die a2 konventionellen M= 60 M Zellen sind durch die gestrichelten a1 Linien dargestellt. o

(b) rechtwinklig

(c) schiefwinklig a2

a2

Mт 60o M

a1

a1

(e) zentriert rechtwinklig a2 Mт 90o M

a1

1 Kristallstruktur A1.5

5

Kupfer-Sauerstoff-Ebenen

Alle Hochtemperatur-Supraleiter besitzen in ihrer Kristallstruktur als zentrale Bausteine Kupfer-Sauerstoff-Ebenen. Die dunklen Atome in der Zeichnung (linkes Bild) sind die Kupferatome, während die hellen die Sauerstoffatome darstellen. Der Gitterabstand der Kupferatome sei a. Der Einfachheit halber betrachten wir das Problem nur im zweidimensionalen Fall.

Cu O +

Cu O

+ + –



+

+

a +







+ +

+ +

+

– – +

– +



+

– –







+ +

+

+

a

– –



+



+

– –

Abb. 1.7: Kupfer-Sauerstoff-Ebene. Rechts sind die Sauerstoffatome ein bisschen aus der Ebene nach oben (+) oder nach unten (−) versetzt.

(a) Welche Rotationssymmetrie liegt vor? Skizzieren Sie das Bravais-Gitter, geben Sie ein Paar primitiver Gittervektoren an und bestimmen Sie die Einheitszelle samt Basis. (b) In La2 CuO4 sind die Kupfer-Sauerstoff-Ebenen nicht wirklich eben (rechtes Bild). Die Sauerstoffatome sind ein bisschen aus der Ebene nach oben (+) oder nach unten (−) versetzt. Geben Sie wie in (a) die Rotationssymmetrie, die primitive Zelle und das BravaisGitter an. Kann man die Gitterkonstante a beibehalten? Lösung

(a) Die Einheitszelle wird durch das grau schattierte Quadrat beschrieben und die Basis besteht aus einem Kupferatom mit zwei Sauerstoffatomen [siehe Abb. 1.8(a)]. Als primitive Gittervektoren nehmen wir die Seiten der Einheitszelle. Die Rotationssymmetrie ist vierzählig. (b) Wir entnehmen die Lösung der Zeichnung in Abb. 1.8(b). Die Einheitszelle wird durch ○ das gegenüber √ (a) um 45 gedrehte Quadrat beschrieben. Der neue Gitterabstand beträgt nun 2 a. Die primitive Zelle enthält vier Sauerstoffatome. Die Rotationssymmetrie ist jetzt nur noch zweizählig, da je zwei Sauerstoffatome nach oben und unten verkippt sind und deshalb eine 90○ -Drehung keine zulässige Symmetrieoperation mehr ist. (a)

(b)

Cu O

Cu O +

a2

+ +

a1 a

– –

– –



a + 2

+

a +

+





a1

+ +

+

+ +

+

– –







+ +

+



+



+

– –

– – +

– –

+

Abb. 1.8: Einheitszelle (grau schattiert) und primitive Gittervektoren einer Kupfer-Sauerstoff-Ebene ohne (a) und mit Verkippung (b) der Sauerstoffatome.

6

1 Kristallstruktur

Die Versetzung der Sauerstoffatome aus der Ebene nach oben oder nach unten wird durch eine Verkippung der Sauerstoffoktaeder verursacht, die in La2 CuO4 die CuAtome umgeben. Verursacht wird diese Verkippung durch eine Fehlanpassung der Cu-O-Bindungslänge in der CuO2 -Ebene und der La-O-Bindungslänge in der darüberliegenden La-O-Ebene. Da die Cu-O-Bindungslänge etwas zu groß ist, entsteht in der CuO2 -Ebene ein „Ziehharmonika-Effekt“, der in einer endlichen Welligkeit der CuO2 -Ebene resultiert. Da die Verkippung nur entlang von a2 , nicht aber entlang von a1 erfolgt, ist ∣a2 ∣ < ∣a1 ∣. Das heißt, es liegt eine orthorhombische Verzerrung vor. A1.6

Zweidimensionales Gitter

Abbildung 1.9(a) zeigt ein zweidimensionales Gitter eines Ionenkristalls, das aus zwei Atomsorten A und B mit negativer bzw. positiver Ladung aufgebaut ist. (b)

(a) A B

Abb. 1.9: Fiktiver 2D-Ionenkristall. Die kleinen dunklen A-Atome seien negativ, die großen hellen BAtome positiv geladen. (a) Das Gitter sei quadratisch und die großen B-Atome seien zentriert zwischen (c) den A-Atomen. (b) Die B-Atome seien spiegelsymmetrisch um ±δa aus dem Zentrum verschoben. (c) Alle B-Atome seien in Phase um δa aus dem Zentrum verschoben.

a

a

(a) Welches Punktgitter beschreibt die Translationssymmetrie des abgebildeten Kristalls vollständig? Geben sie primitive Gittervektoren an. (b) Geben Sie eine Basis für die Atome der Elementarzelle an. (c) Der Kristall mache eine Gitterphasenumwandlung. Dabei werden die B-Atome im Zentrum benachbarter Einheitszellen spiegelsymmetrisch längs der horizontalen Achse um ±δa gegeneinander verschoben wie in Abb. 1.9(b) gezeigt. Welche Symmetrie hat das Gitter nun? (d) Geben Sie die neuen primitiven Gitter- und die Basisvektoren an. (e) Zeichnen Sie das reziproke Gitter und die ersten zwei Brillouin-Zonen für den Kristall vor und nach der Verzerrung. (f) Wir nehmen nun an, dass die B-Atome in Phase (in jeder der ursprünglichen Zellen gleich) um δa verschoben werden [Abbildung 1.9(c)]. Wie ändert sich die Translationssymmetrie gegenüber (a)? (g) Welche der beiden Verzerrungen (b) und (c) koppelt an ein externes elektrisches Feld?

1 Kristallstruktur

7

(b)

(a) a2

a2

a2 a1

a1

a1

a

a

(c) Abb. 1.10: Elementarzellen und elementare Gittervektoren des fiktiven 2D-Ionenkristalls ohne (a) und mit verschiedenen Verzerrungen (b, c). Die Basisatome sind hervorgehoben.

a2

a2

a1 a1

Lösung

Die Lösung ist in den Abbildungen 1.10 und 1.11 veranschaulicht: (a) Die Translationssymmetrie wird durch ein quadratisches Gitter beschrieben. Mögliche primitive Gittervektoren sind a1 = (1, 0) und a2 = (0, 1), aber auch a1 = (1, 1) und a2 = (0, 1) oder Ähnliches ist möglich. (b) Im System a1 = (1, 0), a2 = (0, 1) sowie a1 = (1, 1) und a2 = (0, 1) ist die Position der Basisatome in der Elementarzelle (0, 0) und (1/2, 1/2) sowie (0, 0) und (1/2, 0) [siehe Abb. 1.10(a)]. (c) Das neue Gitter ist einfach rechtwinklig [siehe Abb. 1.10(b)]. (d) Die primitiven Gittervektoren sind formal unverändert, a1 ist aber nun doppelt so lang. Die Basis besteht aus 4 Atomen, zweimal Atomsorte A bei (0, 0) und (1/2, 0) und zweimal Atomsorte B bei (1/4 + a, 1/2) und (3/4 − δa, 1/2). (e) Die reziproken Gitter sind in Abb. 1.11 gezeigt. (f) Die Translationssymmetrie bleibt unverändert, sie ist dieselbe wie in (a). Das Gitter besitzt jetzt aber nur noch eine zweizählige anstelle einer vierzähligen Drehachse. (g) Nur das Gitter in (c) koppelt an ein externes elektrisches Feld. Der positive und negative Ladungsschwerpunkt der Elementarzelle fallen nicht zusammen, so dass sich ein endliches Dipolmoment pro Elementarzelle ergibt. Diese Dipolmomente summieren sich zu einer mittleren Polarisation (Dipolmoment pro Volumen) auf, die an das externe elek-

(b)

2S/a2

2S/a2

(a)

2S/a1

2S/a1

Abb. 1.11: Reziprokes Gitter für ein quadratisches (a) und ein rechtwinkliges Gitter (b). Die erste Brillouin-Zone ist hell, die zweite dunkel markiert.

8

1 Kristallstruktur

trische Feld koppelt. Im Fall (b) fallen der positive und negative Ladungsschwerpunkt der Elementarzelle dagegen zusammen, so dass sich kein Dipolmoment und somit keine makroskopische Polarisation ergibt. A1.7

Das Diamantgitter

Das Bravais-Gitter von Diamant ist kubisch flächenzentriert. Die Basis besteht aus zwei Kohlenstoffatomen bei den Atompositionen (0, 0, 0) und ( 14 , 14 , 14 ). (a) Geben Sie einen Satz primitiver Translationsvektoren an. (b) Wie viele Atome befinden sich in der konventionellen kubischen Einheitszelle? (c) Wie groß ist die Koordinationszahl? Lösung

(b)

(a)

e3 a3

a2 e2 a1

Abb. 1.12: Die konventionelle Zelle des Diamantgitters (a) und, vergrößert gezeichnet, ein Achtel der konventionellen Zelle (b). In (c) ist gezeigt, dass wir das Diamantgitter als zwei gegeneinander verschobene fcc-Gitter auffassen können.

a/2

a

e1

(c)

Die konventionelle Zelle des Diamantgitters und vergrößert ein Achtel der konventionellen Zelle sind in Abb. 1.12 gezeigt. Das vierfach koordinierte Kohlenstoffatom sitzt im Zentrum eines Würfels [siehe Abb. 1.12(b)] und die restlichen vier Atome auf vier Ecken des Würfels, so dass diese vier Atome einen Tetraeder bilden, in dessen Zentrum das fünfte Atom sitzt. Die Basis des Diamantgitters besteht aus zwei Kohlenstoffatomen mit den Positionen (0, 0, 0) und ( 14 , 14 , 14 ) in der konventionellen Zelle [siehe Abb. 1.12(a)]. Das Diamantgitter kann als zwei gegeneinander verschobene fcc-Gitter aufgefasst werden, auf deren Gitterplätzen jeweils die äquivalenten Kohlenstoffatome der Basis sitzen. (a) Wir müssen uns überlegen, mit welchen Gittervektoren wir das unverschobene und das verschobene fcc-Gitter beschreiben können. Wir sehen aus Abb. 1.12, dass wir das un-

1 Kristallstruktur

9

verschobene Gitter durch R(n 1 , n 2 , n 3 ) = n 1 a1 + n 2 a2 + n 3 a3 n 1 , n 2 , n 3 ∈ Z a = [n 1 (̂ e1 + ̂ e2 ) + n 2 (̂ e1 + ̂ e3 ) + n 3 (̂ e2 + ̂ e3 )] 2

(A1.7.1)

beschreiben können. Hierbei sind ̂ e i die Einheitsvektoren in Richtung√der Achsen der konventionellen Zelle und n i sind ganze Zahlen. Es gilt ferner ∣a i ∣ = a/ 2. Für das verschobene Gitter gilt a a e2 + ̂ e3 ] + [n′1 (̂ e1 + ̂ e2 ) + n′2 (̂ e1 + ̂ e3 ) + n′3 (̂ e2 + ̂ e3 )] [̂ e1 + ̂ 4 2 a = [̂ e2 (1 + 2n′1 + 2n′3 ) + ̂ e3 (1 + 2n′2 + 2n′3 )] . e1 (1 + 2n′1 + 2n′2 ) + ̂ 4 (A1.7.2)

R′ (n′1 , n′2 , n′3 ) =

(b) In der in Abb. 1.12 gezeigten konventionellen Zelle befinden sich 4 Atome im Innern der Zelle. Weitere 8 Atome sitzen auf den Würfelecken. Diese werden allerdings zwischen 8 Nachbarzellen geteilt. Schließlich verbleiben 6 Atome auf den Seitenflächen des Würfels, die zwischen 2 benachbarten Zellen geteilt werden. Somit erhalten wir die Zahl der Kohlenstoffatome in der konventionellen Zelle zu N =4+

8 6 + = 8. 8 2

(A1.7.3)

(c) Die Koordinationszahl ist definiert als die Zahl der nächsten Nachbaratome. Im vorliegenden Fall hat jedes Kohlenstoffatom 4 nächste Nachbarn, die einen Tetraeder bilden, in dessen Zentrum ein weiteres Kohlenstoffatom sitzt. Die Koordinationszahl ist also 4. Diese Koordination resultiert aus den stark gerichteten kovalenten Bindungen in der Diamantstruktur, die auf die sp3 -Hybridisierung der Kohlenstofforbitale zurückzuführen ist. A1.8

Die sc-, bcc-, fcc- und hcp-Struktur

(a) In einer einfach kubischen (sc: simple cubic) Kristallstruktur sitzen lediglich an den Ecken eines Würfels Atome. Die Berührungspunkte der Atome liegen deshalb entlang der Würfelkanten und die Gitterkonstante a beträgt 2r, wobei r der Radius der Atome (Ionen) ist. ∎ Berechnen Sie den Volumenanteil, den die Atome in der Elementarzelle der einfach kubischen Kristallstruktur einnehmen. ∎ Wie ändert sich der Volumenanteil beim Übergang von einem einfach kubischen zu einem kubisch raumzentrierten (bcc: body centered cubic) Gitter? Welche der beiden Kristallstrukturen nutzt den Raum besser aus? ∎ Die gemessenen Werte für die Dichte und Gitterkonstante von Eisen betragen 3 ρ Fe = 7.86 g/cm und a Fe = 2.87 × 10−10 m. Können Sie aus diesen Messwerten darauf schließen, ob die Kristallstruktur einfach kubisch oder kubisch raumzentriert ist? Die Masse eines Eisenatoms beträgt m Fe = 9.28 × 10−26 kg.

10

1 Kristallstruktur

(b) α-Co hat eine hcp-Struktur (hcp: hexagonal closed packed) mit den Gitterkonstanten a = 2.51 Å und c = 4.07 Å. β-Co hat dagegen eine fcc-Struktur (fcc: face centered cubic) mit der kubischen Gitterkonstante von 3.55 Å. Wie groß ist der Dichteunterschied der beiden Erscheinungsformen? (c) Natrium zeigt eine Phasenumwandlung von einer bcc- zu einer hcp-Struktur bei T = 23 K. Berechnen Sie die hcp-Gitterkonstante unter der Annahme, dass bei der Phasenumwandlung die Dichte gleich bleibt, das c/a Verhältnis der hcp-Struktur ideal ist und die kubische Gitterkonstante a ′ = 4.23 Å beträgt. Lösung

Das einfach kubische (sc), das kubisch raumzentrierte (bcc) und das kubisch flächenzentrierte (fcc) Gitter sind in Abb. 1.13 gezeigt. Die Seitenlänge des Würfels sei a und der Radius der kugelförmig angenommenen Atome r. Abb. 1.13: (a) Einfach kubisches (sc), (b) kubisch raumzentriertes (bcc) und (c) kubisch flächenzentriertes (fcc) Gitter. Die Seitenlänge des Würfels sei a und der Durchmesser der kugelförmig angenommenen Atome 2r.

(a) einfach kubisch

(b) kubisch raumzentriert

2r

2r a

(c) kubisch flächenentriert

a

2r a

(a) kubisches Gitter: ∎ Das Volumen der kubischen Einheitszelle beträgt a 3 , das Volumen der Atome – 8 Atome auf den Würfelecken, die zu jeweils einem Achtel in der Einheitszelle liegen (siehe Abb. 1.13) – in der Elementarzelle beträgt 8 ⋅ 18 ⋅ 43 πr 3 . Der Raumanteil p, den die Atome in der einfach kubischen Elementarzelle einnehmen, ist somit p=

4 πr 3 3 a3

=

4 πr 3 3 (2r)3

=

π ≃ 0.5235 . . . . 6

(A1.8.1)

∎ Bei der kubisch raumzentrierten Struktur befinden sich zwei Atome in der Einheitszelle, die Atome berühren sich allerdings nicht entlang der Würfelkanten sondern entlang der Raumdiagonalen des Würfels (siehe Abb. 1.13). Die Länge der Raum√ diagonalen beträgt D = 3a, wobei a die Kantenlänge des Würfels ist. Andererseits ist D = 4r, woraus sich die Kantenlänge des Würfels zu a = √43 r ergibt. Der Raumanteil p ist dann gegeben durch √ 4 πr 3 2 43 πr 3 π 3 3 p=2 3 = ≃ 0.6801 . . . . (A1.8.2) 3 = a 8 ( √43 r) Der höhere Raumanteil der Atome/Ionen in der raumzentrierten Struktur entspricht dementsprechend einer besseren Nutzung des Raumes.

1 Kristallstruktur

11

∎ Aus der Masse der Fe-Atome m Fe = 9.28 × 10−26 kg ergibt sich beim einfach ku3 bischen Gitter eine theoretische Dichte von ρ sc = m Fe /a 3 = 3.9255 . . . g/cm . Für das kubisch raumzentrierte Gitter ergibt sich dagegen eine theoretische Dichte von 3 ρ bcc = 2m Fe /a 3 = 7.8511 . . . g/cm , die der gemessenen sehr nahe kommt. Allein aus der Messung der Dichte und der Gitterkonstanten können wir also darauf schließen, dass Eisen kein einfach kubisches, sondern ein kubisch raumzentriertes Gitter besitzt. (b) α- und β-Co: Beide Kristallstrukturen (hcp und fcc) sind dicht gepackt, d. h. sie weisen im Idealfall ein √ Verhältnis c/a = 8/3 ≃ 1.633 . . . auf. In der Realität gilt dagegen für α-Co c/a = 1.62, d. h. nahe beim idealen Wert von √1.633, aber √doch leicht darunter. In der fcc-Struktur ist der nächste Nachbarabstand a/ 2 = 3.55/ 2 = 2.51 Å. Der Gitterabstand in der Ebene ist also identisch mit dem der hcp-Struktur. Falls im hcp-Fall c/a = 1.63 wäre, wären beide Strukturen dicht gepackt mit einem identischen nächste Nachbarabstand und hätten folglich eine identische Dichte. Mit c/a = 4.07/2.51 = 1.62 gilt allerdings ρ hcp Vfcc (c/a)fcc 1.63 = = = ≃ 1.006 . ρ fcc Vhcp (c/a)hcp 1.62

(A1.8.3)

Das heißt, die hcp-Struktur ist um etwa 0.6% dichter. (c) Phasenumwandlung von Natrium: Wir können zur Lösung der Aufgabe die Volumina der primitiven mit denen der konventionellen Zellen vergleichen. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass die primitive bcc-Zelle ein und die primitive hcp-Zelle zwei Atome enthält, die konventionelle bccZelle dagegen zwei und die konventionelle hcp-Zelle sechs Atome. Eine Skizze der hexagonal dicht gepackten Struktur ist in Abb. 1.14 gezeigt. Drei Nachbaratome in der Basisebene bilden zusammen mit dem Atom in der nächsten Ebene einen Tetraeder mit der Seitenlänge a und der Höhe c/2 (vgl. Aufgabe A1.3). Das Volumen der konventionellen hcp-Zelle erhalten wir als Produkt aus der Fläche des Basis-Sechsecks mit der Höhe h (siehe Abb. 1.14 und Abb. 1.3) zu √ √ 3 2 3 3 2 (A1.8.4) FSechseck = 6 ⋅ FDreieck = 6 ⋅ a = a 2 √4 3 3 2 konv Vc,hcp = FSechseck ⋅ c = (A1.8.5) a c. 2 Atomposition in darüberliegender Ebene

a

(0,0,0)

a

Abb. 1.14: Die hexagonal dicht gepackte (hcp) Struktur. Links ist die Basisfläche der primitiven Zelle, rechts die konventionelle sowie die primitive Zelle (gestrichelt markiert) gezeigt.

12

1 Kristallstruktur

Das Volumen der primitiven hcp-Zelle (siehe Abb. 1.14) ist dann √ 3 2 1 konv prim Vc,hcp = Vc,hcp = a c. 3 2

(A1.8.6)

Hierbei können wir auch√ ausnutzen, dass die Koordinaten des Atoms in der Ebene über der Basisebene (a/2, a/2 3, c/2) sind (siehe Abb. 1.3). Da der Abstand zwischen allen Atomen a ist, erhalten wir die Beziehung √ √ a2 a2 c2 a2 c2 a= + + = + . (A1.8.7) 4 12 4 3 4 √ Daraus erhalten wir c = 8/3 a = 1.633 a und damit prim

Vc,hcp =

√ 1 konv Vc,hcp = 2 a 3 . 3

(A1.8.8)

Wir müssen jetzt immer Zellvolumina mit der gleichen Zahl von Atomen betrachten, da sich ja die Dichte beim Phasenübergang nicht geändert hat: √ konv konv 3 ⋅ Vc,bcc = Vc,hcp = 3 ⋅ (a ′)3 = 3 2 a 3 (A1.8.9) √ (a ′ )3 prim prim 2 ⋅ Vc,bcc = Vc,hcp = 2 ⋅ (A1.8.10) = 2 a3 . 2 √ In beiden Fällen erhalten wir a 3 = (a ′ )3 / 2 und somit mit a ′ = 4.23 Å für die hcpGitterkonstante a ≃ 3.77 Å.

2 A2.1

Strukturanalyse mit Beugungsmethoden Reziprokes Gitter eines hexagonalen Raumgitters

Betrachten Sie ein Raumgitter mit hexagonaler Symmetrie (Achsen und Winkel der gebräuchlichen Einheitszelle mit ∣a∣ = ∣b∣ ≠ ∣c∣, α = β = 90○ , γ = 120○ ). Wählen Sie geeignete primitive Gittervektoren mit diesen Eigenschaften (aber γ = 60○ ) und benutzen Sie diese, um die primitiven Gittervektoren des reziproken Gitters zu definieren. Es ist geschickt, a∣∣̂ x und c∣∣̂ z zu wählen, wobei ̂ x und ̂ z die Einheitsvektoren in x- und z-Richtung sind. Welche Symmetrie besitzt das reziproke Gitter? Durch welche Symmetrieoperationen kann man das reziproke Gitter wieder in das Raumgitter überführen? Welche Volumina haben die primitiven Zellen des Raumgitters und des reziproken Gitters? Lösung

Wir starten mit der expliziten Form für die Gittervektoren des hexagonalen Bravais-Gitters: ⎛1⎞ a1 = â x = a⎜0⎟ ⎝0⎠ √ 1 3a a a ⎛√ ⎞ a2 = ̂ x+ ̂ y = ⎜ 3⎟ 2 2 2⎝ 0 ⎠ ⎛0⎞ a3 = c ̂ z = c⎜0⎟ . ⎝1⎠ Das Spatprodukt dieser drei Vektoren berechnet sich zu √ 3 2 Vc,Bravais = a1 ⋅ (a2 × a3 ) = a c. 2

(A2.1.1)

(A2.1.2)

Beachten Sie, dass sich dieses Spatprodukt auch als Determinante der Matrix ⎛ 1 √1/2 0 ⎞ ⎛ a 1x a 2x a 3x ⎞ A = ⎜ a 1 y a 2 y a 3 y ⎟ = a ⎜ 0 3/2 0 ⎟ ⎝ 0 0 c/a ⎠ ⎝ a 1z a 2z a 3z ⎠ det A = a1 ⋅ (a2 × a3 ) auffassen lässt.

(A2.1.3)

14

2 Strukturanalyse

Nach der Definition erhalten wir die primitiven Gittervektoren des reziproken Gitters in der folgenden Form b i = 2πε i jk

a j × ak , a1 ⋅ (a2 × a3 )

i, j, k = 1, 2, 3 ,

(A2.1.4)

⎧ +1, falls (i, j, k) eine gerade Permutation von (1, 2, 3) ist, ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ = ⎨−1, falls (i, j, k) eine ungerade Permutation von (1, 2, 3) ist, ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ wenn mindestens zwei Indizes gleich sind ⎩0,

(A2.1.5)

wobei

ε i jk

der völlig antisymmetrische (Levy-Civita-) Tensor ist. Im Einzelnen erhalten wir  ̂  ̂ ̂ y z  x ̂ y ̂ z  1√ ⎞  x √ ̂ 2π ac  √   2π ⎛   a/2 3a/2 0  = √  1 3 0  = b1 = √ ⎜ 3⎟ −1/   3 2  3 2 2  a c  0 a c   0 0 1  a ⎝ 0 ⎠ 0 c 2 2        ̂  ̂ ̂ ̂ x ̂ y z x ̂ y z   2π 2 ⎛ 0 ⎞  2π 2π   0 0 c  = √ ac  0 0 1  = (A2.1.6) √ ⎜1⎟ b2 = √ 3 2  3 2   1 0 0  a 3 ⎝ 0 ⎠ a c a c  a 0 0     2 2      ̂   ̂ ̂ x ̂ y z x ̂ y ̂ z  0  2π a 2  2π   2π ⎛ ⎞   a  = √  1 0 0  = 0 0 ⎜ 0⎟ . b3 = √ √ √ 3 2  3 2 2    c ⎝ ⎠   a c a c     1 a/2 1 3a/2 0 3 0 2 2     2π

Wir können relativ schnell verifizieren, dass a i ⋅ b j = 2πδ i j

(A2.1.7)

gilt, mit δ i j dem Kronecker-δ-Symbol. Das aus den Vektoren b i (i = 1, 2, 3) gebildete Spatprodukt lautet (2π)3 (2π)3 = ≡ det B Vc,reziprok = b1 ⋅ (b2 × b3 ) = √ 3 2 Vc,Bravais a c 2

1√ 0√ 0 ⎞ ⎛ b 1x b 2x b 3x ⎞ 2π ⎛ B = ⎜ b 1 y b 2 y b 3 y ⎟ = 2 ⎜ −1/ 3 2/ 3 0 ⎟ . a c⎝ ⎝ b 1z b 2z b 3z ⎠ 0 0 1⎠

(A2.1.8)

Wir erkennen sofort, dass ⎛ 1 √0 0 ⎞ 2π ⎛ 1 0 0 ⎞ 1 2 AT ⋅ B = a 2 c ⎜ 12 23 0 ⎟ ⋅ 2 ⎜ − √3 √3 0 ⎟ a c ⎝0 0 1⎠ ⎝ 0 0 1⎠ ⎛1 0 0⎞ = 2π ⎜ 0 1 0 ⎟ ⎝0 0 1⎠ gilt.

(A2.1.9)

2 Strukturanalyse A2.2

15

Strukturanalyse von Kupfer

Kupfer hat ein kubisch flächenzentriertes Gitter mit einem Atom pro Gitterpunkt. (a) Geben Sie die Anzahl der Atome in der kubischen Einheitszelle, sowie die Anzahl der nächsten Nachbarn jedes Atoms an (jeweils kurze Begründung). (b) Bestimmen Sie den Abstand der nächsten Nachbarn in Einheiten der Kantenlänge a der kubischen Einheitszelle. (c) Der Bragg-Peak 2. Ordnung an der (001)-Ebene unter Verwendung von Cu-K α Strahlung (λ = 1.5413 Å) erscheint bei einem Einfallswinkel von θ = 25.24○ . Bestimmen Sie hieraus die Gitterkonstante a von Cu. (d) Warum tritt der (001)-Reflex 1. Ordnung nicht auf? (e) Bestimmen Sie die Dichte von Kupfer ρ Cu mit der Atommasse von Kupfer m Cu = 63.55 u (u = 1.660 538 782(83) × 10−27 kg). Lösung

(a) In Abb. 2.1 ist das fcc-Gitter gezeigt. Die konventionelle Zelle ist ein Würfel mit Kantenlänge a. Wir haben 6 Cu-Atome in den Mittelpunkten der Seitenflächen des Würfels, die mit einer Nachbarzelle geteilt werden und deshalb nur halb zählen, und 8 Cu-Atome auf den Ecken des Würfels, die mit 8 Nachbarzellen geteilt werden und deshalb nur zu einem Achtel zählen. Die Anzahl der Atome in der konventionellen Zelle ist folglich N konv = 6 ⋅ 12 + 8 ⋅ 18 = 4. Die primitive Zelle enthält N prim = 8 ⋅ 18 = 1 Atom. Jedes Cu-Atom auf einer Würfelecke hat gemäß Abb. 2.1 drei nächste Nachbarn auf den Mittelpunkten der angrenzenden Seitenflächen. Für jedes dieser Atome auf der Würfelecke gibt es nun aber 8 angrenzende Würfel mit je drei nächsten Nachbaratomen. Da die Atome auf den Seitenflächen jeweils mit einem Nachbarwürfel geteilt werden, zählen sie nur halb. Wir erhalten also die Zahl der nächsten Nachbarn zu N N = 12 ⋅ 8 ⋅ 3 = 12. Wir können auch ein Cu-Atom im Zentrum einer Seitenfläche (z. B. der oberen) betrachten. Dieses Atom hat 4 nächste Nachbarn an den Ecken dieser Seitenfläche und 8 N N jeweils im Zentrum der acht angrenzenden Seitenflächen in dem gezeigten und dem darüberliegenden Würfel, also insgesamt 12 nächste Nachbarn. (b) Der Abstand der nächsten Nachbaratome beträgt die Hälfte einer Seitendiagonalen des √ Würfels mit Kantenlänge a, also a 2/2. (c) Aus der Bragg-Bedingung 2d sin θ = nλ und d = a (Abstand der (001)-Ebenen) folgt mit λ = 1.5413 Å die Gitterkonstante a = λ/ sin(25.24○ ) = 3.6155 Å.

60°

(a)

a

(b)

a

Abb. 2.1: Die fcc-Struktur: (a) konventionelle Zelle, (b) primitive Zelle (grau eingefärbt).

16

2 Strukturanalyse

(d) Beim kubisch flächenzentrierten Gitter treten nur Reflexe auf, bei denen entweder alle Indizes gerade oder ungerade sind (vergleiche hierzu Aufgabe A2.9). Dass der (001)Reflex 1. Ordnung verschwindet, wird anschaulich sofort aus Abb. 2.1 klar. Wir sehen, dass in der fcc-Struktur eine weitere Ebene von Cu-Atome bei halben Gitterabstand existiert. Erfüllen wir die Bragg-Bedingung für Ebenen mit Abstand d = a und n = 1, also 2a sin θ = λ, so gilt für die zusätzliche Zwischenebene mit d˜ = a/2 gerade 2d˜ sin θ = a sin θ = λ/2. Die von der Zwischenebene mit Abstand d˜ = a/2 reflektierten Wellen interferieren damit destruktiv, was zur Auslöschung des Beugungsreflexes 1. Ordnung führt. (e) Die Masse eines Cu-Atoms ist m Cu = 63.55 u = 1.055 . . . × 10−25 kg. Bei 4 Atomen pro 3 Einheitszelle ist die Dichte ρ Cu = 4m Cu /a 3 = 8.931 g/cm . A2.3

Ebenen und Vektoren im Raum- bzw. reziproken Gitter

Beweisen Sie mathematisch möglichst genau: (a) Jeder Ebenenschar im Raumgitter mit Ebenenabstand d, die alle Punkte des dreidimensionalen Bravais-Gitters enthält, entsprechen zu diesen äquidistanten Ebenen senkrechte Gittervektoren G des reziproken Gitters, wobei der kürzeste dieser reziproken Gittervektoren die Länge 2π besitzt. d (b) Umkehrung: Zu jedem reziproken Gittervektor G gehört eine senkrecht auf G stehende Ebenenschar des Raumgitters, deren einzelne Ebenen jeweils den Abstand d haben und alle Punkte des Bravais-Gitters enthalten, wobei 2π die Länge des kürzesten reziproken d Gittervektors parallel zu G ist. Lösung

Zunächst erinnern wir uns an die Definition des reziproken Gitters. Es besteht gerade aus allen Wellenvektoren G, die ebene Wellen mit gerade der Periodizität des vorgegebenen Bravais-Gitters aus Vektoren R ergeben. Also gilt für beliebiges r und R aus der Menge der Bravais-Gitterpunkte: e ıG⋅(r+R) = e ıG⋅r



e ıG⋅R = 1 .

(A2.3.1)

Weiterhin ist klar, dass eine ebene Welle auf Ebenen, die senkrecht zum Wellenvektor stehen, überall denselben Wert annimmt. Mehr noch, dies gilt auch auf allen dazu parallelen Ebenen mit Ebenenabstand nλ, wobei n ∈ Z/{0} und λ die Wellenlänge ist. (a) Zu der gegebenen Ebenenschar bilden wir den Ebeneneinheitsvektor ̂ n. Gemäß den vor̂ angegangenen Überlegungen ist G = 2π n ein Vektor mit Periodizität des Raumgitters, d denn die Wellenlänge ist ja gerade λ = 2π/G = d. Ein Gitterpunkt des Bravais-Gitters ist gerade der Ursprung (R = 0), der in einer der Ebenen liegen muss. Also wird e ıG⋅R = 1 überall in der Ebenenschar, d. h. G ist tatsächlich ein Vektor des reziproken Gitters. G ist aber auch der kürzeste reziproke Gittervektor. Hätten wir nämlich einen kürzeren

2 Strukturanalyse

17

Vektor, so würde die Wellenlänge ja größer als λ = 2π/G > d. Diese ebene Welle hätte dann nicht denselben Wert auf allen Ebenen, sie kann also insbesondere auch nicht 1 auf allen Bravais-Gitterpunkten sein und folglich kann der dazugehörige Wellenvektor auch kein Vektor des reziproken Gitters sein. (b) Umkehrung: Es sei nun G der kürzeste reziproke Gittervektor. Wir betrachten – ohne Beschränkung der Allgemeinheit – die Ebenenschar, in der e ıG⋅r = 1 gilt. In einer dieser Ebenen liegt wieder der Ursprung (R = 0). Die Ebenen stehen senkrecht auf G und haben den Abstand λ = 2π/G ≡ d. Da alle Bravais-Gittervektoren die Bedingung e ıG⋅R = 1 für beliebige Punkte des reziproken Gitters erfüllen, enthalten diese Ebenen alle Punkte des Bravais-Gitters. Der Gitterabstand dieser Ebenen ist genau d. Es gibt aber auch keine Ebene, die keine Gitterpunkte enthält. Würde z. B. nur jede n-te Ebene BravaisGitterpunkte enthalten, dann hätten wir nach den obigen Überlegungen ja einen reziproken Gittervektor der Länge 2π/nd = G/n. Dies wäre aber ein Widerspruch zu unserer Ausgangsannahme, dass G der kürzeste reziproke Gittervektor parallel zu G ist. A2.4

Volumen der Brillouin-Zone

Seien a1 , a2 und a3 die primitiven Vektoren des Bravais-Gitters und b1 , b2 und b3 diejenigen des reziproken Gitters. Zeigen Sie, dass (a) b1 ⋅ (b2 × b3 ) =

(2π)3 a1 ⋅ (a2 × a3 )

(b) das Volumen der ersten Brillouin-Zone gleich primitiven Zelle des Kristalls ist.

(2π)3 ist, wobei Vc das Volumen der Vc

Lösung

(a) Entscheidend ist hier die Lagrangesche Vektoridentität: (a × b) ⋅ (c × d) = (a ⋅ c)(b ⋅ d) − (b ⋅ c)(a ⋅ d). Jetzt setzen wir die Definition für b1 ein. Von der Definition her können wir leicht die Orthogonalitätsrelation a i ⋅ b j = 2πδ i j (δ i j = 0 für i ≠ j und δ i j = 1 für i = j) herleiten. Dann erhalten wir mit Vc ≡ a1 ⋅ (a2 × a3 ): a2 × a3 ⋅ (b2 × b3 ) b1 ⋅ (b2 × b3 ) = 2π a1 ⋅ (a2 × a3 ) 2π = [(a2 ⋅ b2 )(a3 ⋅ b3 ) − (a3 ⋅ b2 )(a2 ⋅ b3 )] Vc 2π (2π)3 = [(2π)(2π) − (0)(0)] = . (A2.4.1) Vc a1 ⋅ (a2 × a3 ) (b) Aus der Vektorrechnung wissen wir, dass das Spatprodukt ja gerade das Volumen des aufgespannten Spats ist. Also erhalten wir direkt aus (A2.4.1) das Ergebnis für das Volumen der 1. Brillouin-Zone. Wir sehen auch, dass die Formel stimmt, wenn wir das Ergebnis von Aufgabe A2.1 nachprüfen. Wir zeigen noch zusätzlich, dass das Spatprodukt tatsächlich das Volumen ist. Das Volumen eines Parallelepipeds ist gegeben als V = F ⋅ h

18

2 Strukturanalyse

Abb. 2.2: Zur Ableitung des Volumens eines Parallelepipeds.

(vergleiche Abb. 2.2). Wir haben ∣a1 ⋅ (a2 × a3 )∣ = = = =

∣(∣a1 ∣ ⋅ ∣a2 × a3 ∣ ⋅ cos(a1 , a2 × a3 ))∣ ∣(∣a1 ∣ ⋅ ∣a2 ∣ ⋅ ∣a3 ∣ ⋅ sin(a2 , a3 ) ⋅ cos(a1 , a2 × a3 ))∣ ∣(∣a2 ∣ ⋅ ∣a3 ∣ ⋅ sin(a2 , a3 ) ⋅ ∣a1 ∣ ⋅ cos(a1 , a2 × a3 ))∣ F ⋅ h = Vc ,

(A2.4.2)

wenn wir uns den Parallelepiped auf der Grundfläche F, die durch a2 , a3 gebildet wird, liegend denken (siehe Abb. 2.2).

A2.5

Pulverdiffraktometrie

Sie untersuchen eine Pulverprobe eines kubischen Materials unter Verwendung von Cu-Kα Strahlung mit einer Wellenlänge von λ = 1.541 Å. Sie erhalten Röntgen-Reflexe bei den Winkeln 2θ 1 = 26.59○ , 2θ 2 = 37.96○ und 2θ 3 = 46.95○ . (a) Handelt es sich bei dem untersuchten Material um eine amorphe oder kristalline Substanz? (b) Berechnen Sie den Abstand der Netzebenen, von denen die Beugungsreflexe stammen, unter der Annahme, dass es sich um Beugungsreflexe 1. Ordnung handelt. (c) Welchen Flächen im Elementarwürfel des kubischen Materials entsprechen diese Netzebenen? Lösung

(a) Da mehrere Beugungsreflexe auftreten, muss es sich um eine kristalline Probe handeln. (b) Aus der Bragg-Bedingung 2d sin θ = nλ folgt mit n = 1 (Reflexe 1. Ordnung): θ 1 = 13.30○ → sin θ 1 = 0.2301 θ 2 = 18.98○ → sin θ 2 = 0.3252 θ 3 = 23.48○ → sin θ 3 = 0.3984

2 Strukturanalyse

19

Dies führt auf die Werte d μ = λ/2 sin θ μ (μ = 1, 2, 3) d 1 = 3.350 Å d 2 = 2.369 Å d 3 = 1.934 Å

√ √ (c) Die Gitterabstände verhalten sich wie d 1 ∶ d 2 ∶ d 3 = 1 ∶ 1/ 2 ∶ 1/ 3. Dies ist ein starker Hinweis darauf, dass es sich bei den entsprechenden Gitterebenen um die (100), (010) oder (001) Flächen (entspricht den Seitenflächen eines Würfels), die (110), (011) oder (101) Flächen (entspricht den Flächen parallel zu den Diagonalen durch die Seitenflächen eines Würfels) und die (111) Flächen einer kubischen Struktur handelt (siehe Abb. 2.3).

a ͵

a

a ʹ

Abb. 2.3: Die (100), (110) und (111) Flächen in einem kubischen Kristall.

Das gemessene Beugungsspektrum gehört zu α-Polonium mit einer Gitterkonstaten von 3.35 Å (vergleiche Ashcroft & Mermin, Solid State Physics). α-Po ist das einzige Element, das in einfach kubischer Struktur kristallisiert (Name zu Ehren der aus Polen stammenden Entdeckerin Marie Curie). Pro Jahr werden etwa 100 g 210 Po in Kernreaktoren für medizinische Zwecke und als Energie- und Neutronenquelle hergestellt. Im Jahr 2006 wurde der ehemalige Agent Alexander Litwinenko mit 210 Po (strahlungsloser α-Zerfall) ermordet. Im Jahr 2013 haben schweizer Wissenschaftler Gewebe am Brustkorb und Bodenproben rund um das Grab des im November 2004 verstorbenen Palästinenserführer Jassir Arafat untersucht. Sie fanden stark erhöhte Polonium-Werte, weshalb jetzt darüber spekuliert wird, ob auch er mit Polonium vergiftet wurde. A2.6

Begrenzungsfilter für Neutronen

Ein kollimierter Strahl von Reaktorneutronen mit breiter Energieverteilung fällt in einen Tubus, der mit einem Pulver aus kubischen, einatomigen Kristalliten gefüllt ist. Was passiert mit dem Neutronenstrahl und welche Energien werden die Neutronen haben, die aus dem Tubus austreten? Wie kann man das für Beugungsexperimente ausnutzen? Lösung

Nach Bragg gilt die Streubedingung 2d sin θ = nλ, wobei λ = 2π/∣k∣ die Wellenlänge, θ der Winkel, den der Wellenvektor k mit einer Netzebenenschar des Kristalls einschließt, n eine ganze Zahl und d der Abstand der Netzebenen in der betreffenden Netzebenenschar ist. Da in einem Pulver Kristallite mit einer statistischen Verteilung der Netzebenenrichtungen vorhanden sind, ist auch der Einfallswinkel θ zufällig verteilt (0 ≤ θ ≤ π/2). Aus diesem

20

2 Strukturanalyse

Grund werden Neutronen mit Wellenlängen λ ≤ 2d auch in zufällige Richtungen gestreut. Dagegen werden Neutronen mit größeren Wellenlängen durch das Pulver hindurchgehen. Größere Wellenlängen bedeuten aber nach E =

h2 ħ 2 ∣k∣2 = 2M n 2M n λ 2

(A2.6.1)

niedrigere Energien (λ = de Broglie-Wellenlänge, M n = 1.675 × 10−27 kg, h = 6.62 × 10−34 Js). Die Bedingung λ > 2d lässt sich umschreiben in h 0.286 . . . Å. λ > √ = √ 2M n E E [eV]

(A2.6.2)

√ Aus λ = h/ 2M n E > 2d folgt dann E
3.96 Å durchgelassen. Für diesen Fall ergeben sich aus der obigen Formel Neutronenenergien E < 8.257 . . . × 10−22 J = 5.216 . . . meV .

(A2.6.4)

Zusätzlich kann das Be dann noch auf 77 K gekühlt werden (Siedetemperatur des flüssigen Stickstoffs). Dadurch werden inelastische Streuprozesse an thermischen Phononen entsprechend dem Debye-Waller-Faktor reduziert. A2.7

Ein Debye-Scherrer Experiment

In einem Debye-Scherrer Pulverdiffraktionsexperiment haben wir mit monochromatischer Röntgen-Strahlung drei Proben A, B und C untersucht. Wir wissen schon, dass die drei untersuchten Materialien eine fcc-, bcc- und Diamantstruktur besitzen, wir wissen aber noch nicht, welche Probe welche Struktur hat. Unsere Debye-Scherrer-Aufnahmen der drei Proben zeigen bei folgenden Winkeln Diffraktionsringe:

2 Strukturanalyse

21 Probe A 42.2○ 49.2○ 72.0○ 87.3○

Probe B 28.8○ 41.0○ 50.8○ 59.6○

Probe C 42.8○ 73.2○ 89.0○ 115.0○

(a) Identifizieren Sie die Kristallstrukturen der Proben A, B und C. Nehmen Sie dazu an, dass die beobachteten Röntgenreflexe Beugungsreflexen 1. Ordnung entsprechen. (b) Die Wellenlänge der Röntgenstrahlung sei λ = 1.541 Å (Cu-Kα -Strahlung). Welche Gitterkonstante a hat die konventionelle kubische Zelle?

Lösung

Die Geometrie eines Debye-Scherrer-Experiments ist in Abb. 2.4 skizziert. Die einfallende monochromatische Röntgenstrahlung mit Wellenvektor k und Wellenlänge λ = 2π/k wird an der Pulverprobe gestreut. Wir beobachten Beugungsreflexe unter den Winkeln 2θ. Diese Beugungsreflexe gehören zu den Kristalliten in der pulverförmigen Probe, für die die Beugungsbedingung (von Laue-Bedingung) Δk (k + G)2

= =

k′ − k = G 2 k′

∣k∣=∣k′ ∣

2k ⋅ G 2∣k∣ sin θ

% = ∣G∣2 =

n=1

sin θ

% =

∣G∣ = n∣Gmin ∣ = n

2π d

λ ∣Gmin ∣ = 2∣k∣ 2d

(A2.7.1)

erfüllt ist. Hierbei ist k′ der Wellenvektor der gestreuten Welle und G ein reziproker Gittervektor. Die letzte Zeile von (A2.7.1) ist uns als Bragg-Bedingung bekannt. Da die beobachteten Diffraktionsringe Beugungsreflexen 1. Ordnung entsprechen sollen, ist G = G min = 2π/d, wobei d der Abstand der Netzebenen ist.

G k´ mono chromatische Röntgen Strahlung

Pulver Probe

T 2T T

k Film Abb. 2.4: Zur Geometrie eines DebyeScherrer-Experiments.

22

2 Strukturanalyse

(a) Durch die einfallende monochromatische Röntgenstrahlung ist die Wellenlänge festgelegt. Wir erhalten daher aus dem Experiment alle reziproken Gittervektoren G, deren Betrag kleiner 2∣k∣ ist, da die Sinus-Funktion ja nicht größer als 1 werden kann. Wir können nun eine neue Tabelle anfertigen, in die wir die Werte für sin θ eintragen (also für den einfachen Winkel θ) eintragen. Wir erhalten Probe A Winkel 2θ 42.2○ 49.2○ 72.0○ 87.3○

sin θ 0.3599 0.4163 0.5878 0.6903

Probe B Winkel 2θ 28.8○ 41.0○ 50.8○ 59.6○

sin θ 0.2487 0.3502 0.4289 0.4970

Probe C Winkel 2θ 42.8○ 73.2○ 89.0○ 115.0○

sin θ 0.3649 0.5962 0.7009 0.8434

Die Verhältnisse der verschiedenen sin θ Werte geben uns nun gerade die Verhältnisse der Längen der zu den verschiedenen Netzebenenscharen gehörenden minimalen reziproken Gittervektoren an, für die der Strukturfaktor nicht verschwindet: sin θ μ G min,μ dν = = sin θ ν G min,ν dμ

μ, ν = 1, 2, 3, 4

(A2.7.2)

Mit den Zahlenwerten aus der Tabelle können wir schreiben: Probe A:

√ √ √ 3 11 ∶1∶ 2∶ sin θ 1 ∶ sin θ 2 ∶ sin θ 3 ∶ sin θ 4 = 0.865 ∶ 1.0 ∶ 1.412 ∶ 1.658 ≃ 2 2 Probe B: √ 3 √ 1 sin θ 1 ∶ sin θ 2 ∶ sin θ 3 ∶ sin θ 4 = 0.710 ∶ 1.0 ∶ 1.225 ∶ 1.419 ≃ √ ∶ 1 ∶ ∶ 2 2 2 Probe C: √ √ 3 √ 11 sin θ 1 ∶ sin θ 2 ∶ sin θ 3 ∶ sin θ 4 = 0.612 ∶ 1.0 ∶ 1.175 ∶ 1.414 ≃ ∶ 2∶ ∶2 2 2 Nun wissen wir, dass das reziproke Gitter des fcc-Raumgitters ein bcc-Gitter ist und umgekehrt. Wir betrachten deshalb die Längenverhältnisse der Gittervektoren in diesen Symmetrien. ∎ Für ein fcc-Gitter ist der Strukturfaktor gegeben durch ⎧ 4 f falls alle h, k, ℓ gerade oder ungerade ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ fcc . (A2.7.3) S hkℓ = ⎨0 falls ein Index gerade und die ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ anderen beiden ungerade oder umgekehrt ⎩ Damit ergeben sich die Ebenenscharen mit endlichem Strukturfaktor zu (111), (200), (220), (311), (222), . . .. Für ein kubisches Kristallsystem mit Gitterkonstante a beträgt die Länge der aufeinander senkrecht stehenden primitiven reziproken Gittervektoren b1 , b2 und b3 gerade b = 2π/a. Mit G = hb1 + kb2 + ℓb3 erhalten wir die Länge des zu den jeweiligen Ebenen gehörigen kürzesten reziproken Gittervektors

2 Strukturanalyse

23

zu:

2π √ 2 h + k 2 + ℓ2 . (A2.7.4) a Somit ergeben sich folgende Längenverhältnisse für die Streuung an den genannten Ebenen: √ √ √ √ √ √ √ 3 11 √ 3 ∶ 2 ∶ 8 ∶ 11 ∶ 12 bzw. (A2.7.5) ∶1∶ 2∶ ∶ 3. 2 2 Diese Verhältnisse liegen gerade für Probe A vor, d. h. diese Probe besitzt ein fccRaumgitter. ∎ Für ein bcc-Gitter ist der Strukturfaktor gegeben durch ⎧ ⎪2 f falls h + k + ℓ = gerade ⎪ bcc . (A2.7.6) =⎨ S hkℓ ⎪ 0 falls h + k + ℓ = ungerade ⎪ ⎩ Damit ergeben sich die Ebenenscharen mit endlichem Strukturfaktor zu (110), (200), (121), (200), . . . mit den zugehörigen Längenverhältnissen für Gmin : √ √ √ √ 3 √ 1 2 ∶ 2 ∶ 6 ∶ 8 bzw. √ ∶ 1 ∶ (A2.7.7) ∶ 2. 2 2 Wir erkennen, dass diese Verhältnisse gerade für Probe B vorliegen, d. h. dass diese Probe ein bcc-Raumgitter besitzt. ∎ Für eine Diamantstruktur ist der Strukturfaktor gegeben durch (vergleiche Aufgabe A2.9) ⎧ 8f falls h, k, ℓ gerade und h + k + ℓ = 4n mit n ∈ Z ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Diamant = ⎨0 S hkℓ falls h, k, ℓ gerade und h + k + ℓ = 4n + 2 mit n ∈ Z . ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩4 f (1 + ı) falls h, k, ℓ ungerade ∣Gmin ∣ =

(A2.7.8)

fcc

bcc

Diamant

Abb. 2.5: Berechnetes Pulver-Diffraktogramm für eine fcc- (schwarz), bcc- (grau) und Diamantstruktur (hellgrau).

24

2 Strukturanalyse

Damit erhalten wir die Ebenenscharen mit endlichem Strukturfaktor zu (111), (220), (311), (400) . . . mit den zugehörigen für Gmin : √ √ Längenverhältnissen √ √ √ 3 √ 11 3 ∶ 8 ∶ 11 ∶ 4 bzw. ∶ 2∶ ∶2. (A2.7.9) 2 2 Offensichtlich besitzt also die Probe C eine Diamantstruktur. In Abb. 2.5 ist ein berechnetes Pulverdiffraktogramm einer fcc-, bcc- und Diamantstruktur gezeigt. (b) Es gilt k = 2π/λ. Setzen wir λ = 1.541 Å ein, so ergibt Gleichung (A2.7.1) a = 3.71 Å a = 4.40 Å a = 3.65 Å

A2.8

für Probe A für Probe B für Probe C .

(A2.7.10)

Beugungseffekte an einem eindimensionalen Gitter

Wir betrachten ein eindimensionales Gitter von N ≫ 1 Gitterpunkten an den Positionen x n = na. Hierbei ist n eine ganze Zahl und a die Gitterkonstante. Wir nehmen nun an, dass auf den Gitterpunkten Atome sitzen, die kohärent von einer ebenen Welle ΨQ = ΨQ,0 e ı(k 0 y−ωt) angeregt werden (die Quelle befindet sich in großer Entfernung senkrecht zum eindimensionalen Gitter, so dass sie beim Gitter als ebene Welle approximiert werden kann, siehe Abb. 2.6). Die Atome werden durch die einlaufende Welle angeregt und strahlen nun selbst Kugelwellen ab. Da wir eine kohärente Anregung vorausgesetzt haben, strahlen alle Atome kohärent und ohne Phasenschiebung (alle Atome des Gitters sitzen auf der gleichen Wellenfront der einlaufenden Welle) mit der Frequenz ω ab: Ψ = Ψr0 e ı(k⋅r−ωt) . Wir können also die Anordnung als lineares Emissionsgitter betrachten. Wir wollen nun Folgendes wissen: (a) Welche Intensität I wird mit einem Detektor gemessen, der sich weit weg vom Gitter im Abstand L auf der x-Achse befindet? Die am Detektor gemessene Intensität I zeigt als Funktion des Wellenvektors k bzw. der Wellenlänge λ charakteristische Maxima. Wie sieht I(k) aus und für welche k treten Hauptmaxima auf? (b) Wie groß ist die detektierte Intensität bei diesen Maxima? (c) Wie groß ist die Halbwertsbreite der Maxima? (d) Wie groß ist der Wert der über k integrierten Intensität für verschiedene N? Vergleichen Sie die oben diskutierte Situation mit der in der Optik auftretenden Beugung am endlichen Gitter. y x

a

L

Abb. 2.6: Beugung an einem eindimensionalen Gitter.

Beobachter Quelle

2 Strukturanalyse

25

Lösung

Es sei vorausgeschickt, dass die Lösung des Problems unabhängig von der verwendeten Strahlungsart (elektromagnetische Wellen, Materiewellen) ist. Die Gesamtamplitude Ψg an der Position des Detektors erhalten wir durch Aufsummation der einzelnen, von den Gitteratomen auslaufenden Sekundärwellen. Da sich der Detektor weit weg befindet, können wir die Kugelwellen durch ebene Wellen Ψ(x, t) = Ae ı(kx−ωt) annähern. Nun definieren wir die Atompositionen durch x = x n = L + (n − 1)a x1 = L x2 = L + a ⋮ x N = L + (N − 1)a .

(A2.8.1)

Wir nehmen nun an, dass der Abstand des Detektors groß ist (L ≫ Na), so dass wir die am Detektor ankommenden, von den N Atomen ausgehenden Sekundärwellen als ebene Wellen mit gleicher Amplitude A approximieren können. Die Gesamtamplitude ist dann eine Überlagerung dieser ebenen Wellen und wir erhalten N

Ψg (k, t) = Ae−ı ωt ∑ e ı kx n n=1 N

= Ae−ı ωt ∑ e ı k[L+(n−1)a] n=1 N

= Ae ı kL−ı ωt ∑ e ı ka(n−1) .

(A2.8.2)

n=1

Setzen wir q = e ı ka , so lässt sich dies unter Ausnutzung der Eigenschaften von geometrischen Reihen schreiben als N

Ψg = Ae ı kL−ı ωt ∑ q n−1 = Ae ı kL−ı ωt = Ae ı kL−ı ωt

n=1 N

q −1 q−1

e ı kaN − 1 . e ı ka − 1

(A2.8.3)

(a) Um die gesamte Intensität am Detektor zu erhalten, mitteln wir über die Zeitabhängigkeit und betrachten die Amplitudenquadrate: 2

e ı kaN − 1 I(k) = ∣Ψg ∣ = I 0 ∣ ı ka ∣ , e −1 2

(A2.8.4)

26

2 Strukturanalyse

wobei I 0 = A2 gilt. Für die folgenden Rechnungen ist es von Vorteil, die Wellenzahl k auf die reziproke Gitterkonstante b = 2π/a zu beziehen und zu der dimensionslosen Variable k ka = (A2.8.5) κ = 2π b überzugehen. Dann können wir schreiben I(κ) = I 0 ∣ = I0 ∣

e ı2π Nκ − 1 ∣ e ı2πκ − 1

2

e ı π Nκ e ı π Nκ − e−ı π Nκ ∣ e ı πκ e ı πκ − e−ı πκ

= I 0 ∣e ı π(N−1)κ

2

sin πNκ 2 ∣ sin πκ

sin2 πNκ . (A2.8.6) sin2 πκ Diese Intensitätsverteilung ist in Abb. 2.7 für N = 5, 10 geplottet. Es soll noch darauf hingewiesen werden, dass die betrachtete Situation der Beugung am endlichen Gitter in der Optik entspricht, falls der Einfallswinkel 0○ und der Beugungswinkel θ = 90○ entspricht. Der Laufunterschied von zwei Teilwellen benachbarter Atome ist in diesem Fall Δs = a sin θ = a. Falls der Beobachter nicht auf der x-Achse stehen würde, wäre θ ≠ 90○ und wir müssten in obigen Ausdrücken a durch a sin θ ersetzen, wodurch wir den aus der Optik bekannten Ausdruck für die Beugung am endlichen Gitter erhalten würden. Weiterhin wollen wir anmerken, dass alle Hauptmaxima nur dann die gleiche Höhe haben, falls die einzelnen Atome (Strahler) als Punktquellen betrachtet werden können. Hätten die Strahler eine endliche Ausdehnung (entspricht Spaltbreite b bei der Beugung am Gitter), so würden wir als Einhüllende noch das Beugungsmuster eines Spalts der Breite b erhalten, das durch eine sin2 x/x 2 Funktion gegeben ist. = I0

Abb. 2.7: Intensitätsverteilung bei der Beugung an einem eindimensionalen Gitter mit N = 5 und N = 10 Atomen.

2 Strukturanalyse

27

(b) Eine der wichtigsten Botschaften von Abb. 2.7 ist, dass die Intensität I(κ) scharfe Maxima für κ = 0, ±1, ±2, . . . aufweist, d. h. wenn k = pb = p 2π ein ganzzahliges Vielfaches p a des reziproken Gittervektors ist. Da für κ = p sowohl Zähler als auch Nenner verschwinden, müssen wir eine Grenzfallbetrachtung machen. Dazu ersetzen wir den Sinus in Zähler und Nenner jeweils durch das Argument und erhalten dann I max = N 2 I 0 . (c) Die Halbwertsbreite Δκ von I(κ) können wir berechnen, indem wir sin2 πN Δκ 1 (A2.8.7) = N 2 I0 2 2 sin πΔκ setzen. Für große N wird Δκ klein und wir können die Sinusfunktion im Nenner durch ihr Argument annähern. Wir erhalten I(Δκ) = I 0

sin2 πΔκ sin2 πN Δκ (πΔκ)2 sin2 πN Δκ (πN Δκ)2 sin πN Δκ πN Δκ

≃ (πΔκ)2 1 = N2 2 1 = 2 1 = √ . 2

(A2.8.8)

Diese transzendente Gleichung lässt sich graphisch lösen (siehe Abb. 2.8) und wir erhalten das Resultat N Δκ = 0.4429 . . .. Die gesuchte Halbwertsbreite ist somit Δκ =

0.4429 . N

(A2.8.9)

1/ ૛

N'N 'N =0.442946....

Abb. 2.8: Zur Lösung der transzendenten Gleichung (A2.8.8).

(d) Die integrierte Intensität ist näherungsweise gegeben durch Halbwertsbreite mal Peakhöhe, also durch 2Δκ ⋅ N 2 I 0 ≃ N I 0 .

28

2 Strukturanalyse

A2.9

Strukturfaktor von Diamant

Als konventionelle Zelle für die Diamantstruktur benutzt man üblicherweise einen Würfel (siehe Abb. 2.9). Die konventionelle Zelle enthält dann insgesamt 8 Atome. Die Kristallstruktur ist fcc mit einer zweiatomigen Basis. (a) Bestimmen Sie den Strukturfaktor S hkℓ der so gewählten Basis. (b) Berechnen Sie die Millerschen Indizes, für die eine Auslöschung von Reflexen auftritt. (c) Zeigen Sie ferner, dass die erlaubten Beugungsreflexe entweder die Bedingung (i) h + k + ℓ = 4n mit n ∈ Z erfüllen, wobei alle Indizes gerade sind, oder aber die Bedingung (ii) erfüllen, dass alle Indizes ungerade sind. (d) Was ändert sich, wenn wir von einer Diamant zu einer Zinkblende-Struktur übergehen? e3

(¼¼¼) e2

Abb. 2.9: Die konventionelle Zelle der Diamantstruktur.

e1

(000) a

Lösung

Zur Berechnung des Strukturfaktors von Diamant beschreiben wir zweckmäßigerweise die Diamantstruktur durch ein fcc-Gitter mit einer zweiatomigen Basis. Die konventionelle kubische Zelle enthält dann nicht wie beim fcc-Gitter üblich 4 sondern 8 Kohlenstoffatome (vgl. hierzu auch Aufgabe A1.7 und Abb. 1.12). (a) Als erster möglicher Schritt zur Lösung des Problems können wir vom Resultat von Aufgabe A1.7 ausgehen und dieses wie folgt umschreiben [vergleiche (A1.7.2)], um die Positionen r der Atome in der konventionellen Zelle zu erhalten: e 1 + v μ̂ e2 + w μ̂ e3 + x ĵ e1 + y ĵ e2 + z ĵ e3 } r(u μ , v μ , w μ , x j , y j , z j ) = a{u μ̂ .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 =p μ

= pμ + q j .

=q j

(A2.9.1)

Hierbei geben p μ (μ = 1, 2, 3, 4) die Positionen der vier Basiseinheiten in der konventionellen Zelle und q j ( j = 1, 2) die Koordinaten innerhalb der Basis an. Für das fcc-Gitter

2 Strukturanalyse

29

gilt (siehe Abb. 1.12) ⎧ (0, 0, 0) ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪(0, 1 , 1 ) (u μ , v μ , w μ ) = ⎨ 1 2 21 ⎪ ( , 0, ) ⎪ ⎪ ⎪ 21 1 2 ⎪ ⎪ ⎪ ⎩( 2 , 2 , 0)

μ=1 μ=2 μ=3 μ=4

(A2.9.2)

und für die Koordinaten der Basisatome in der gewählten Zelle können wir schreiben ⎧ ⎪ j = 1 erstes Basisatom ⎪(0, 0, 0) (x j , y j , z j ) = ⎨ 1 1 1 (A2.9.3) ⎪ ( , , ) j = 2 zweites Basisatom ⎪ ⎩ 4 4 4 Damit lässt sich die gesamte Strukturamplitude des Diamantgitters in der folgenden Form schreiben: S G = f ∑ e−ıG⋅(p μ +q j ) ges

μ, j

= ∑ e−ıG⋅p μ f ∑ e−ıG⋅q j μ

j −ıG⋅p μ

= ∑e

−ıG⋅q j

∑ f je

μ

j

.// / / / / / / /0 / / / / / / / / 1 .// / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / 1 S Gfcc

S GBasis

= S Gfcc ⋅ S GBasis ,

(A2.9.4)

wobei f j der Atomformfaktor des j-ten Atoms der Basis ist. Da wir bei der Diamantstruktur auf allen Gitterplätzen Kohlenstoffatome haben, ist f j = f . Der Strukturfaktor beschreibt den Effekt von Interferenzen, welche sich im Innern der nicht-primitiven Einheitszelle abspielen. Ist S G = 0, so interferieren sich die von den einzelnen Basisatomen der konventionellen Zelle auslaufenden Wellen gerade weg: die Summe der Phasenfaktoren in (A2.9.4) ergibt genau Null. Die für den nach dem Raumgitter eigentlich erlaubten Reflex (hkℓ) mit zugehörigem reziproken Gittervektor G beobachtete Intensität (I ∝ ∣S hkℓ ∣2 ) ist damit ebenfalls Null. Wir sprechen von einer Auslöschung des Reflexes. Zusatzbemerkung: Den obigen Sachverhalt können wir auch noch anders ableiten: Die Gitter-Funktion hat im Ortsraum und im reziproken Raum die Form g fcc (r) = ∑ δ 3 (r − p μ )

(A2.9.5)

μ

FT {g fcc (r)} = ∫ d 3 r e−ıG⋅r δ 3 (r − p μ ) = ∑ e−ıG⋅p μ ≡ S GGitter

(A2.9.6)

μ

p μ = u μ̂ e 1 + v μ̂ e2 + w μ̂ e3 .

(A2.9.7)

Hierbei bezeichnet p μ die Position des μ-ten Gitterpunktes. Wir setzen nun auf jeden Gitterpunkt p μ eine Basis, die aus j-Atomen besteht. Bezeichnen wir die Position des j-ten Atoms in der Basis mit q j = x ĵ e1 + y ĵ e2 + z ĵ e3 , so können wir die Basis-Funktion

30

2 Strukturanalyse

im Ortsraum und im reziproken Raum schreiben als h Basis (r) = ∑ δ 3 (r − q j )

(A2.9.8)

j

FT {h Basis (r)} = ∫ d 3 r e−ıG⋅r δ 3 (r − q j ) = ∑ e−ıG⋅q j ≡ S Gh .

(A2.9.9)

j

Auf den Basispositionen q j sitzen unterschiedliche Atome mit einer Ladungsverteilung ρ(u j ), wobei u j der Abstand von der Position q j des j-ten Basisatoms ist. Im reziproken Raum haben wir dann FT {ρ(u j )} = ∫ d 3 u j e−ıG⋅u j ρ(u j ) ≡ f j .

(A2.9.10)

Hierbei ist f j der Atomformfaktor des j-ten Basisatoms. Der gesamte Strukturfaktor der Basis ergibt sich mit Hilfe des Faltungssatzes zu S GBasis = FT {h Basis ⊗ ρ} = ∑ f j e−ıG⋅q j .

(A2.9.11)

j

Wir berücksichtigen jetzt, dass wir bei der Diamantstruktur eine zweiatomige Basis pro Gitterplatz mit den Atompositionen (0, 0, 0) und ( 14 , 14 , 14 ) haben, bzw. dass zwei gegeneinander verschobene fcc-Gitter vorliegen. Der Strukturfaktor der zweiatomigen Basis ist dann gegeben durch Basis = f ∑ e−ıG⋅q j S GBasis = S hkℓ j

−ı π2 (h+k+ℓ)

= f [1 + e ⎧ 2f ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ = ⎨0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ f (1 + ı)

]

falls h + k + ℓ = 4n mit n ∈ Z falls h + k + ℓ = 4n + 2 mit n ∈ Z . falls h + k + ℓ = 2n + 1 mit n ∈ Z

(A2.9.12)

Die gesamte Strukturamplitude ergibt sich dann nach dem Faltungssatz zu ges

S G = FT {g fcc ⊗ h Basis ⊗ ρ} = S Gfcc ⋅ S Gh ⋅ f = S Gfcc ⋅ S GBasis .

(A2.9.13)

(b) Wir betrachten zuerst den Strukturfaktor des reinen fcc-Gitters: fcc = ∑ e−ıG⋅r μ S GGitter = S hkℓ μ

−ı π(k+ℓ)

= 1+e ⎧ 4 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ = ⎨0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩

+ e−ı π(h+ℓ) + e−ı π(h+k) falls alle h, k, ℓ gerade oder ungerade . falls ein Index gerade und die anderen beiden ungerade oder umgekehrt

(A2.9.14)

Wir sehen, dass beim fcc-Gitter keine Reflexe auftreten können, für die die Indizes teilweise gerade und ungerade sind. (c) Mit den bekannten Strukturfaktoren des Gitters (A2.9.14) und der Basis (A2.9.12) können wir jetzt mit dem Faltungssatz (A2.9.13) den gesamten Strukturfaktor aufschreiben und analysieren, für welche Millerschen Indizes Auslöschung von Reflexen auftritt und welche Reflexe erlaubt sind. Wir sehen, dass Nullstellen, also eine Auslöschung von Re-

2 Strukturanalyse

31

flexen wegen des fcc-Gitters immer schon dann vorliegen, wenn nicht alle Millerschen Indizes gerade oder ungerade sind. Durch den Strukturfaktor der Basis verschwinden aber von diesen für das fcc-Gitter erlaubten Reflexen nochmals alle Reflexe mit den geraden Indizes, für die h + k + ℓ = 4n + 2 mit n ∈ Z gilt. Für h + k + ℓ = 4n ist dagegen S hkℓ = 8 f . Ist h + k + ℓ eine ungerade Zahl und sind alle drei Millerschen Indizes ungerade, so ist S hkℓ = 4 f (1 + i). Wir erhalten also fcc Basis S hkℓ = S hkℓ ⋅ S hkℓ ⎧ 8f ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ = ⎨0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩4 f (1 + ı)

(A2.9.15) falls h, k, ℓ gerade und h + k + ℓ = 4n mit n ∈ Z falls h, k, ℓ gerade und h + k + ℓ = 4n + 2 mit n ∈ Z . falls h, k, ℓ ungerade

Betrachten wir beispielsweise den (222) Reflex, so erhalten wir für den Strukturfakπ Basis tor der Basis: S hkℓ = 1 + e−ı 2 6 = 1 + e−ı3π = 0. Also ist ein solcher Reflex ausgelöscht. Das reziproke Gitter des fcc-Gitters ist ein bcc-Gitter. Die reziproken Gitterpunkte im Zentrum des Würfels gehören dabei jeweils zu den Reflexen mit S hkℓ = 4 f (1 + i). Jeder zweite reziproke Gitterpunkt auf den Ecken des Würfels hat dagegen S hkℓ = 0. Lassen wir diese Gitterpunkte weg, so haben wir unter Vernachlässigung der reziproken Gitterpunkte im Zentrum des Würfels wiederum eine fcc-Struktur vorliegen (siehe Abb. 2.10). (d) Wenn wir von einer Diamant- zu einer Zinkblende-Struktur übergehen, so besteht die Basis nicht mehr aus zwei gleichen Atomen sondern aus zwei unterschiedlichen Atomen mit Atomformfaktor f 1 und f 2 . Damit ergibt sich der Strukturfaktor der zweiatomigen Basis analog zu (A2.9.12) zu Basis = ∑ f j e−ıG⋅b j S GBasis = S hkℓ j

−ı π2 (h+k+ℓ)

= f1 + f2 e ⎧ f1 + f2 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ = ⎨ f1 − f2 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ f1 + ı f2

falls h + k + ℓ = 4n mit n ∈ Z falls h + k + ℓ = 4n + 2 mit n ∈ Z . falls h + k + ℓ = 2n + 1 mit n ∈ Z

(0,4,4)

(A2.9.16)

(4,4,4) (2,2,4)

(0,0,4)

(4,0,4) (2,4,2)

(0,2,2)

(4,2,2) (2,0,2)

(0,4,0)

(4,4,0) (2,2,0)

(0,0,0)

(4,0,0)

4S/a

Abb. 2.10: Durch Stapeln von bcc-Gitterzellen und Weglassen der Gitterpunkte, für die S hkℓ = 0 gilt, erhalten wir – unter Vernachlässigung der reziproken Gitterpunkte im Zentrum der Würfel – ein fcc-Gitter.

32

2 Strukturanalyse

Für den gesamten Strukturfaktor erhalten wir fcc Basis ⋅ S hkℓ (A2.9.17) S hkℓ = S hkℓ ⎧ ⎪4( f 1 + f 2 ) falls h, k, ℓ gerade und h + k + ℓ = 4n mit n ∈ Z ⎪ ⎪ ⎪ = ⎨4( f 1 − f 2 ) falls h, k, ℓ gerade und h + k + ℓ = 4n + 2 mit n ∈ Z . ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩4( f 1 + ı f 2 ) falls h, k, ℓ ungerade

A2.10

Strukturfaktor von CsCl und CsI

CsCl und CsI haben beide eine einfach kubische Struktur. Bei der Röntgenbeugung von CsCl und CsI stellen Sie fest, dass bei CsI der (100) Reflex ausgelöscht ist, während er bei CsCl klar vorhanden ist. Wie kann man dieses experimentelle Ergebnis erklären? Lösung

Mit den reziproken Gittervektoren G = hb1 + kb2 + ℓb3 und den Positionen r j = u j a1 + v j a2 + w j a3 der Basisatome erhalten wir unter Benutzung von a i ⋅ b j = 2πδ i j den Strukturfaktor S hkℓ = ∑ f j e−ıG⋅r j = ∑ f j e−ı2π(hu j +kv j +ℓw j ) . j

(A2.10.1)

j

Bei der CsCl (CsI) Struktur (siehe Abb. 2.11) enthält die primitive Zelle ein Molekül mit den Atompositionen (000) und ( 12 , 12 , 12 ), d. h. u 1 = v 1 = w 1 = 0 und u 2 = v 2 = w 2 = 12 . Für n = 1 (Beugungsreflexe erster Ordnung) erhalten wir dann den Strukturfaktor ⎧ ⎪ ⎪ f1 + f2 S hkℓ = f 1 + f 2 e−ı π(h+k+ℓ) = ⎨ ⎪ f − f2 ⎪ ⎩ 1

für h + k + ℓ = gerade . für h + k + ℓ = ungerade

(A2.10.2)

Wir sehen also, dass der (100)-Reflex für CsCl und CsI zwar abgeschwächt, aber eigentlich nicht ausgelöscht sein sollte. Warum verschwindet nun der Reflex bei CsI? Die Antwort ist einfach: Bei CsI hat das Cs+ - und das I− -Ion genau die gleiche Elektronenzahl, nämlich 54, und die Elektronenhülle der Ionen entspricht der Xe-Edelgaskonfiguration. Da für Röntgenlicht der Atomformfaktor von der Ladungsdichte der Elektronenhülle bestimmt wird,

(½,½,½) Cl – Abb. 2.11: Die konventionelle Zelle der CsCl-Struktur.

(0,0,0) a

Cs+

2 Strukturanalyse

33

haben wir für CsI den Fall f 1 = f 2 vorliegen und der (100) Reflex wird in der Tat nicht nur unterdrückt sondern völlig ausgelöscht. Für CsCl besitzt die Elektronenhülle des Cl− -Ions dagegen eine Argon-Edelgaskonfiguration. Deshalb ist f 1 ≠ f 2 und der (100) Beugungsreflex kann beobachtet werden. Das CsI Kristallgitter kann aufgrund der Gleichheit der Eektronenkonfigurationen der beteiligten Ionen auch als bcc-Gitter aufgefasst werden, für das Reflexe mit h + k + ℓ = ungerade verschwinden. A2.11

Atomformfaktor von atomarem Wasserstoff

Für das Wasserstoffatom ist im Grundzustand die Elektronendichte durch ρ H (r) = ∣Ψ100 (r)∣2 = e−2r/a B /πa B3 gegeben. Hierbei ist a B der Bohrsche Radius. Zeigen Sie, dass der atomare Formfaktor f (q) durch f (q) =

1 [1 + (

qa B 2 ) ] 2

2

gegeben ist, wobei q = Δk = k′ − k der Streuvektor ist. Lösung

Der Atomformfaktor ist definiert als die Fourier-Transformierte der Elektronendichte ρ H (r): f (q) = ∫ d 3 r ρ H (r)e−ıq⋅r .

(A2.11.1)

Da ρ H (r) sphärisch symmetrisch ist, empfiehlt sich die Verwendung von sphärischen Polarkoordinaten. Mit d 3 r = r 2 dr sin ϑd ϑdφ erhalten wir ∞

f (q)

=

0



0 ∞

x=cos ϑ

% =

π

2 ı qr cos ϑ ∫ dr r ∫ d ϑ sin ϑ ∫ dφ ρ H (r)e 0 +1



2 ı qrx . ∫ dr r ∫ dx ∫ dφ ρ H (r)e 0

−1

(A2.11.2)

0

Die φ-Integration ergibt trivialerweise 2π und das Integral über x = cos ϑ können wir wie folgt auswerten: +1 ı qrx ={ ∫ dx e −1

+1

e ı qrx e ı qr − e−ı qr sin qr } = 2 = 2 . ıqr −1 2ı qr qr

(A2.11.3)

34

2 Strukturanalyse

Das Resultat für f (q) lautet somit ∞

sin qr f (q) = 4π ∫ dr r 2 ρ H (r) . qr

(A2.11.4)

0

Nach Einsetzen der Elektronendichte des Wasserstoffatoms, ρ H (r), erhalten wir ∞

4 − 2r ∫ dr r e a B sin qr 3 qa B

f (q) =

0

ξ=qr

% =



4 − 2ξ ∫ d ξ ξ sin ξ e q a B . 3 (qa B )

(A2.11.5)

0

Dieses Integral ist tabelliert (vgl. z. B. Bronstein-Semendjajew, Integral Nummer 463, oder MAPLE): −ax = −( ∫ dxx sin bxe

−(

a2

bx 2ab + 2 ) e−ax cos bx 2 +b (a + b 2 )2

a2

a2 − b2 ax + 2 ) e−ax sin bx . 2 +b (a + b 2 )2

An der oberen Grenze (x → ∞) verschwinden diese Terme ∝ e−ax . An der unteren Grenze (x = 0) überlebt nur der zweite Term in der linken runden Klammer. Wir erhalten also −ax = ∫ dxx sin bxe

2ab . + b 2 )2

(a 2

Für unser Problem können wir a = 2/qa B identifizieren und wir erhalten als Endresultat für den atomaren Formfaktor f (q) =

16 [4 + (qa B

2 )2 ]

=

1 [1 + (

qa B 2 ) ] 2

2

.

(A2.11.6)

Für q = 0 wird f (q) = 1 und für qa B ≫ 1 wird f (q) ∝ q14 . Der Fall q = 0 ist gerade Streuung in Vorwärtsrichtung. Wir erhalten hier das bekannte Ergebnis f = Z, wobei Z die Atomladungszahl ist. Man beachte, dass im Falle der Streuung an einem einzelnen Atom alle Streuvektoren q erlaubt sind. Im Gegensatz dazu erhalten wir im Kristall, wo die von Laue-Bedingung q = Δk = G gilt, nur Streureflexe für ganz bestimmte Streuvektoren ∣Δk∣ = 2k sin θ =

4π , λ

wobei θ der Glanzwinkel ist (siehe Abb. 2.12).

(A2.11.7)

2 Strukturanalyse

35

k´ T

'k = G

k´ sinT T k  sinT T T

k sinT

k

Abb. 2.12: Zur Ableitung der von Laue-Bedingung.

Mit der obigen Beziehung Δk = 2k sin θ = (4π/λ) sin θ erhalten wir das Ergebnis f (Δk) ∝ 1/ sin4 θ. Dies ist das bekannte Ergebnis der Rutherford-Streuung. Man beachte hierbei, dass der Winkel θ bei unserer Diskussion nur der halbe Streuwinkel ist. Bei der RutherfordStreuung wird aber der volle Streuwinkel verwendet, weshalb dort im Ausdruck für den Streuquerschnitt 1/ sin4 (θ/2) auftritt. A2.12

Formfaktor von Fullerenen

Die Moleküle der Zusammensetzung C60 bezeichnet man als Fullerene. Durch Einbringen von anderen Atomen D in den Käfig der Kohlenstoffatome erhält man Moleküle der Form D x C60 . Da die Form der C60 -Moleküle derjenigen eines Fußballs ähnlich ist, werden sie auch als Fußballmoleküle bezeichnet (siehe Abb. 2.13).

C60 Molekül

fcc Kristall aus C60 Molekülen

Abb. 2.13: C60 -Molekül und fccKristall aus C60 -Molekülen.

Mit diesen Fußballmolekülen können wir einen Festkörper aufbauen, z. B. einen fcc-Kristall. Interessanterweise wurde in einem aus D x C60 Molekülen aufgebauten Festkörper zum ersten Mal in einer organischen Verbindung Supraleitung gefunden, was einen beträchtlichen Boom in der Forschung an dieser Stoffgruppe ausgelöst hat. Der Festkörper besitzt die fccStruktur mit einem Gitterabstand a = 14.11 Å. In röntgendiffraktometrischen Messungen zeigte sich, dass der (200) Reflex sehr schwach ist. Zur Analyse wollen wir annehmen, dass die Ladung auf der Oberfläche des Fußballs verteilt ist, wobei der Radius des Fußballs R = 3.5 Å beträgt. Berechnen Sie mit diesen Angaben den Formfaktor des C60 -Moleküls. Wie sieht die Intensität des (111) Reflexes aus? Starthinweis: Die Ladungsverteilung auf dem Molekül können wir näherungsweise mit der Delta-Funktion q(r) = q 0 δ(r − R) beschreiben. Den Faktor q 0 können wir ausrechnen,

36

2 Strukturanalyse

wenn wir berücksichtigen, dass jedes Kohlenstoffatom 6 Elektronen in der Hülle, also 6 Elementarladungen besitzt. Lösung

Die Ladungsverteilung des C60 -Moleküls ist durch q(r) = q 0 δ(r − R) gegeben, wobei R = 3.5 Å und r = ∣r∣. Als erstes Ziel bestimmen wir die unbekannte Flächenladungsdichte q 0 aus der Bedingung, dass das C-Atom 6 Elektronen und somit das C60 -Molekül eine Gesamtladung Q = 60 ⋅ 6e = 360e aufweist. Wir können somit schreiben Q = 360e = ∫ d 3 r q(r) +1





= q 0 ∫ drr ∫ d cos ϑ ∫ dφ δ(r − R) = 4πR 2 q 0 . 2

−1

0

(A2.12.1)

0

.// / / / / / / / /0 / / / / / / / / / 1 .// /0 / / 1 =2

=2π

Daraus ergibt sich q0 =

360 e . 4πR 2

(A2.12.2)

Als zweites Ziel berechnen wir nun den Formfaktor (vgl. Aufgabe A2.11). Es gilt f (q) = ∫ d 3 r ρ(r)e−ıq⋅r = ∞

1 3 −ıq⋅r ∫ d r q(r)e e

+1



1 = ∫ drr 2 q(r) ∫ dx ∫ dφe−ı qrx . e −1

0

(A2.12.3)

0

Wie in Aufgabe A2.11 gilt +1 −ı qrx =2 ∫ dx e −1

sin qr qr

und wir erhalten ∞

4π sin qR 2 sin qr 360 e f (q) = δ(r − R) = 360 . ∫ dr r e qr 4πR 2 qR

(A2.12.4)

0

Der Wellenvektor q = Δk ist hier wieder mit dem Streuvektor Δk = G zu identifizieren. Im Gegensatz zum Formfaktor für das Wasserstoffatom finden wir für das C60 -Molekül eine oszillierende Funktion, wobei die Amplitude für größere Streuvektoren Δk abnimmt.

2 Strukturanalyse

37

Wir betrachten jetzt den (200) Beugungsreflex. Für diesen gilt Δk = G = 2 ⋅ 2π = a Der Strukturfaktor S hkℓ für das von den C60 -Molekülen gebildete fcc-Gitter,

4π 14.11

Å−1 .

S hkℓ = f [1 + e−ı π(k+ℓ) + e−ı π(h+ℓ) + e−ı π(h+k) ] , ist 4 f , falls die Millerschen Indizes h, k, ℓ alle gerade oder alle ungerade sind. Wir erhalten somit für den (200) Beugungsreflex den Strukturfaktor S 200 = 4 f = 4 ⋅ 360

sin ( 4π R) a 4π R a

= 1440

4π 3.5) sin ( 14.11 4π 14.11

3.5

= 11.16 .

(A2.12.5)

Dieser Wert ist in der Tat sehr klein und resultiert aus dem oszillierenden Atomformfaktor, der für den betreffenden Wert GR√ = 3.117 sehr ist, da GR ≃ π. Vergleichen wir dies mit √ klein 2π −1 dem (111) Reflex, so ist hier G = 3 2π = 3 Å und damit sin(GR) = 0.428. Da für a 14.11 h, k, ℓ ungerade der Strukturfaktor des fcc-Gitters ebenfalls 4 f beträgt, erhalten wir S 111 = 229. Der Strukturfaktor und damit die Streuamplitude ist also für diesen Reflex um etwa den Faktor 20 größer. Für den Strukturfaktor des Wasserstoffatoms haben wir f ∝ 1/Δk 4 erhalten. Im Gegensatz dazu ergibt sich für das C60 -Molekül f ∝ sin Δk/Δk, also eine oszillierende Funktion. Woran liegt das? Die Antwort lautet: an der radialen Form der Ladungsverteilung. Beim C60 Molekül hat die von uns angenommene Ladungsverteilung einen scharfen Rand. Dieser scharfe Rand führt zu der oszillierenden Form der Fourier-Transformierten. Dies ist analog zur Beugung an der Lochblende. Deren Durchlassfunktion besitzt auch einen scharfen Rand und wir erhalten als Beugungsmuster ebenfalls eine oszillierende Funktion. Die Ladungsverteilung des Wasserstoffatoms hat dagegen aufgrund der e-Funktion einen weichen Rand. Für die Fourier-Transformierte erhalten wir eine Funktion ohne Oszillation. Weiteres Beispiel: die Fourier-Transformierte einer Gauß-Funktion (weicher Rand) ist wiederum eine Gauß-Funktion (also keine oszillierende Funktion).

3 A3.1

Bindungskräfte in Festkörpern Bindungstypen

Obwohl wir zwischen verschiedenen Bindungstypen unterscheiden, treten diese in Festkörpern üblicherweise nicht in reiner Form auf. Diskutieren Sie, welche Bindungstypen in folgenden Festkörpern relevant sind und welcher Bindungstyp dominiert: Krypton, Kochsalz (NaCl), Natrium, Graphit, Diamant, Ar, GaAs, ZnO, Quarz, NH3 , CF4 , Polyethylen. Lösung

Krypton und Argon liegen in einer Edelgaskonfiguration vor, für die die ionische, kovalente und metallische Bindung verschwindend klein ist. Eine schwache Bindung kommt nur durch die Van der Waals-Bindung (induzierte Dipol-Dipol-Wechselwirkung) zustande. Da die Bindungsenergie gering ist, ist die Schmelztemperatur (Krypton: 115.79 K, Argon: 83.80 K) von Edelgas-Kristallen sehr niedrig. In Kochsalz (NaCl) und Zinkoxid (ZnO) dominiert die ionische Bindung, da die beiden Bindungspartner durch Abgabe bzw. Aufnahme von Elektronen leicht in ein Ion mit Edelgaskonfiguration übergehen können (Na+ Cl− , Zn2+ O2− ). In diesem Fall müssen wir wenig Energie aufwenden, um Na bzw. Zn ein bzw. zwei Elektronen wegzunehmen (geringe Ionisationsenergie I). Die Elektronen gehen auf den Bindungspartner über, der eine große Elektronenaffinität A besitzt, da er durch die Aufnahme der vom Bindungspartner abgegebenen Elektronen gerade in eine Edelgaskonfiguration übergehen kann. Die ionische Bindung ist nicht gerichtet und bevorzugt eine Kristallstruktur, die die Stärke der CoulombWechselwirkung maximiert (Madelung-Konstante). Es werden deshalb dicht gepackte Gitter wie das hcp- und fcc-Gitter bevorzugt. Die ionische Bindung ist stark und führt zu hohen Schmelztemperaturen (NaCl: 1073 K, ZnO: 2247 K). Die ionische Bindung ist aber meist nicht vollkommen ionisch, sondern besitzt immer einen endlichen kovalenten Anteil, der z. B. bei ZnO größer als bei NaCl ist. In GaAs, Graphit, Diamant, NH3 , SiO2 und CF4 dominiert die kovalente Bindung. Die beteiligten Atome haben meist nicht vollständig gefüllte p-Schalen. Durch Hybridisierung mit den s-Elektronen bilden sich häufig sp, sp2 oder sp3 -Hybridorbitale aus, die zu stark gerichteten Bindungen führen und die ausgebildete Kristallstruktur bestimmen (z. B. führt das Vorliegen von sp3 - oder sp2 -Hybridorbitalen in Kohlenstoff zur Diamantstruktur oder Graphitstruktur). Die kovalente Bindung ist stark und führt zu hohen Schmelztemperaturen (Diamant: 3820 K, GaAs: 1511 K, SiO2 : 1985 K, Graphit sublimiert bei 4197 K). Sie enthält häufig auch einen endlichen ionischen Anteil. In Molekülen wie NH3 oder CF4 gehen die Hybridorbitale des N- oder C-Atoms starke kovalente Bindungen mit den H- oder F-Atomen

40

3 Bindungskräfte

ࣂ ൌ ‫ ܛܗ܋܋ܚ܉‬െ

F

૚ ૜

F

ൌ ૚૙ૢǤ ૝ૠι

132.3pm

T

F

F

F

F F

F

Abb. 3.1: Das CF4 -Molekül mit seiner charakteristischen Tetraederform.

ein. Die Form der Hybridorbitale bestimmt dabei die Form des Moleküls. Sehr bekannt ist die Tetraederform von CF4 -Molekülen (siehe Abb. 3.1), die durch die sp3 -Hybridorbitale des Kohlenstoffs bedingt ist. Die Bindungen sind bei CF4 allerdings nicht rein kovalent, sondern haben einen endlichen ionischen Anteil. So besitzt in CF4 das Kohlenstoff eine positive Partialladung von 0.76 e. Die Bindung zwischen den CF4 -Molekülen ist allerdings sehr schwach. So besitzt ein CF4 -Molekülkristall eine Schmelztemperatur von nur 90 K. In Natrium dominiert die metallische Bindung. Da Natrium nur ein Valenzelektron in der äußersten, nicht vollständig gefüllten Schale besitzt, wird dieses gern ganz ans Gitter abgegeben. Durch die Delokalisierung des Valenzelektrons wird die kinetische Energie der Elektronen abgesenkt, was zu einer endlichen Bindungsenergie führt. Die metallische Bindung dominiert generell immer dann, wenn nur schwach gebundene Valenzelektronen vorliegen, die leicht vom Atom abgetrennt werden. Die metallische Bindung ist nicht gerichtet und bevorzugt meist dicht gepackte Kristallstrukturen (bcc-, fcc- oder hcp-Gitter). Natrium ist kubisch raumzentriert und besitzt eine Schmelztemperatur von 370.87 K. Es gibt aber auch Metalle mit wesentlich höheren Schmelztemperaturen (z. B. Wolfram: 3694 K). Generell bezeichnet man Metalle als hochschmelzend, deren Schmelzpunkt über 2000 K bzw. über dem Schmelzpunkt von Platin (2045 K) liegt. Dazu gehören die Edelmetalle Ruthenium, Rhodium, Osmium und Iridium und Metalle der Gruppen IVB (Zirkonium, Hafnium), VB (Vanadium, Niob, Tantal), VIB (Chrom, Molybdän, Wolfram) und VIIB (Technetium, Rhenium). A3.2

Bindungsenergien eines Neonkristalls mit bcc-, hcp- und fcc-Struktur

Berechnen Sie das Verhältnis der Bindungsenergien von Neonkristallen mit einer bcc-, hcpund fcc-Struktur mit Hilfe des Lennard-Jones-Potenzials. Die Gittersummen für das bccGitter ist mit α i j = r i j /R durch A 12 = ∑ α −12 i j = 9.114; j, j≠i

A 6 = ∑ α −6 i j = 12.253, j, j≠i

für das hcp-Gitter durch A 12 = ∑ α −12 i j = 12.1323; j, j≠i

A 6 = ∑ α −6 i j = 14.4549, j, j≠i

3 Bindungskräfte

41

und für das fcc-Gitter durch A 12 = ∑ α −12 i j = 12.1319; j, j≠i

A 6 = ∑ α −6 i j = 14.4539 j, j≠i

gegeben. Welche Struktur erwartet man theoretisch für den Neonkristall? Experimentell stellt man fest, dass Neon in der fcc-Struktur kristallisiert. Vergleichen Sie dieses Ergebnis mit der theoretischen Vorhersage und diskutieren Sie eventuelle Abweichungen zwischen Theorie und Experiment. (Angaben zu Neon: σ = 2.74 Å, B(R 0 ) = 18.1 × 108 N/m2 , M = 3.35 × 10−26 kg) Lösung

Zur Bestimmung der Bindungsenergie gehen wir von der empirischen Form des LennardJones-Potenzials für die Paarwechselwirkung zweier Atome aus σ 6 σ 12 U(R) = 4є [( ) − ( ) ] . R R

(A3.2.1)

Um die Bindungsenergie für den Kristall zu erhalten, müssen wir (unter Vernachlässigung der kinetischen Energie) über alle Atompaare im Kristall aufsummieren. Für N Atome (N/2 Paare) ergibt sich U tot =

N σ 12 σ 6 4є [A 12 ( ) − A 6 ( ) ] , 2 R R

(A3.2.2)

wobei Ak = ∑ j,i≠ j

1 α ikj

(A3.2.3)

mit k = 6, 12 die angegebenen Gittersummen sind. Im Gleichgewichtszustand muss natürlich gelten, dass

dU tot dR

= 0, also

dU tot σ 12 σ6 = 0 = −2Nє [12 ⋅ A 12 ( 13 ) − 6 ⋅ A 6 ( 7 )] . R R R

(A3.2.4)

Hieraus folgt der Gleichgewichtsatomabstand R 0 = (2

A 12 1/6 ) ⋅σ A6

(A3.2.5)

und die Bindungsenergie 1 A2 U tot (R 0 ) = − Nє 6 . 2 A 12

(A3.2.6)

42

3 Bindungskräfte

Setzen wir die Werte für die Gittersummen ein, so erhalten wir die Gleichgewichtsabstände ⎧ 1.06843826 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ R 0 = σ ⋅ ⎨1.09017352 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩1.09016694

bcc-Struktur fcc-Struktur hcp-Struktur

(A3.2.7)

und die Energien ⎧ 8.23656 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ U tot (R 0 ) = −Nє ⎨8.61016 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩8.61107

bcc-Struktur fcc-Struktur . hcp-Struktur

(A3.2.8)

Betrachten wir die Verhältnisse der drei Energien, so erhalten wir hcp : fcc : bcc = 1 : 0.99989 : 0.95660. Theoretisch sollte also die hcp-Struktur am stabilsten sein, wobei die Unterschiede zwischen hcp und fcc sehr klein sind. Die bcc-Struktur hat die kleinste Bindungsenergie, weshalb Edelgaskristalle nicht in dieser Struktur vorkommen sollten. Im Experiment beobachtet man für die Edelgase fcc-Strukturen, obwohl die hcp-Struktur etwas stabiler sein sollte. Ferner beobachtet man einen größeren Gleichgewichtsabstand (R 0 = 1.14σ für Neon), als den theoretisch erwarteten Wert von R 0 = 1.09σ. Die Ursache dafür sind Nullpunktsschwingungen der Atome. Nähern wir das Lennard-Jones-Potenzial in der Nähe von R = R 0 durch ein harmonisches Potenzial an, so ist die quantenmechanische Grundzustandsenergie für dieses Potenzial E0 =

1 ħω . 2

(A3.2.9)

Klassisch gilt für den harmonischen Oszillator E tot = E kin + E pot .

(A3.2.10)

2 Für die maximale Auslenkung ist E kin = 0 und E pot (x max ) = 12 kx max . Hierbei ist k die Kraft2 konstante, die über k = Mω mit der Atommasse M und der Schwingungsfrequenz ω zu2 sammenhängt. Setzen wir 12 kx max gleich der Grundzustandsenergie des harmonischen Oszillators, so erhalten wir 2 x max =

ħ ħ . = √ Mω Mk

(A3.2.11)

Nähern wir das Paarwechselwirkungspotenzial durch ein harmonisches Potenzial an, so ist k =

1 d 2 U(R) d 2 u(R) } = { } . { N dR 2 dR 2 R=R 0 R=R 0

(A3.2.12)

3 Bindungskräfte

43

Das Kompressionsmodul für das fcc-Gitter hat die Form (vgl. R. Gross und A. Marx, Festkörperphysik, Abschnitt 3.2.4.1) √ 2 1 d 2 u(R) B = } . { 9 R dR 2 R=R 0

(A3.2.13)

Mit R 0 = 1.09σ können wir für Neon mit σ = 2.74 Å und B(R 0 ) = 18.1 × 108 N/m2 die Kraftkonstante für Neon zu k =

9 ⋅ 1.09σ B(R 0 ) = 3.44 N/m √ 2

(A3.2.14)

abschätzen. Mit der Atomasse M = 3.35 × 10−26 kg von Neon erhalten wir damit 2 x max =√

1.05459 × 10−34 kg m2 /s = √ = 3.1065 . . . 10−22 m2 (A3.2.15) kg m 1 Mk −26 3.35 × 10 kg ⋅ 3.44 s 2 m ħ

und somit x max = 0.176 Å. Nehmen wir an, dass der Abstand zweier Neonatome etwa dem zweifachen Atomradius von Neon (0.71 Å) entspricht, so sehen wir, dass x max mehr als 10% des Atomabstandes entspricht und damit einen beträchtlichen Einfluss hat. A3.3

Ionenkristall aus identischen Atomen

Stellen Sie sich einen Kristall vor, der für seine Bindung die Coulomb-Anziehung zwischen dem negativen und positiven Ion des gleichen Atoms oder Moleküls R ausnutzt. Bei einigen organischen Molekülen tritt dies in der Tat auf, man findet aber keine Ionenkristalle R+ R− , wenn R ein einzelnes Atom ist. (a) Berechnen Sie die Bindungsenergie eines fiktiven Na+ Na− -Ionenkristalls, indem Sie annehmen, dass der Atomabstand in diesem Kristall demjenigen in metallischem Na (R = 3.72 Å) entspricht. Vergleichen Sie die erhaltene Bindungsenergie mit derjenigen von metallischem Natrium (E B = −1.13 eV pro Atom). (b) Vergleichen Sie die Stabilität des Na+ Na− -Ionenkristalls mit derjenigen eines Na+ Cl− Ionenkristall, wobei beide Kristalle in der fcc-Struktur vorliegen sollen. Zahlenwerte: Die Ionisationsenergie von Na beträgt 5.14 eV, die Elektronenaffinität etwa 0.78 eV für Na und 3.61 eV für Cl und die Madelung-Konstante der fcc-Struktur ist α = 1.747. NaCl hat eine fcc-Struktur mit einer Gitterkonstanten von a = 5.6402 Å.

44

3 Bindungskräfte

Lösung

(a) Bei der Bildung des Na+ Na− -Ionenkristalls müssen wir folgende chemischen Reaktionen betrachten: (i) Na + I → Na+ + e (ii) Na + e → Na− + A (iii) Na+ + Na− → Na+ Na− + E Mad Hierbei ist I die Ionisationsenergie und A die Elektronenaffinität von Natrium. Wir müssen jetzt noch die Madelung-Energie E mad abschätzen. Sie ist pro Ionenpaar gegeben durch 2 ̃ = 2 U = −α q U + Z N N λe−R/ρ N 4πє 0 R

(A3.3.1)

gegeben. Vernachlässigen wir den abstoßenden Beitrag Z N N λe−R/ρ und setzen für R den Atomabstand in metallischem Na (R = 3.72 Å) ein, so erhalten wir mit є 0 = 8.85 × 10−12 As/Vm, α = 1.747 und q = 1.6 × 10−19 As ̃ = −1.08 × 10−18 J = −6.75 eV . U

(A3.3.2)

Die Bindungsenergie folgt aus der Energiebilanz E B = E Mad − A + I = (−6.75 − 0.78 + 5.14) eV = −2.39 eV .

(A3.3.3)

Diese Bindungsenergie bezieht sich auf ein Ionenpaar. Die Bindungsenergie pro NaAtom beträgt nur die Hälfte, also etwa −1.2 eV. Das in der Wirklichkeit realisierte NaMetall hat eine Bindungsenergie von −1.13 eV pro Na-Atom, also etwas weniger. Allerdings haben wir ja den abstoßenden Beitrag (Z N N λe−R/ρ ) in der potentiellen Energie des Ionenkristalls vernachlässigt, der durchaus etwa 10% des attraktiven Beitrags ausmachen kann. Deshalb ist insgesamt die Bindungsenergie des fiktiven Ionenkristalls kleiner als diejenige des Na-Metalls. (b) Vergleichen wir die Bindungsenergie des Na+ Na− -Ionenkristalls mit derjenigen eines Na+ Cl− -Ionenkristalls, so erhalten wir für Letzteren (bei gleicher Madelung-Energie) eine wesentlich höhere Bindungsenergie aufgrund der hohen Elektronenaffinität von Cl (A = 3.61 eV für Cl im Vergleich zu 0.78 eV für Na). Deshalb dominiert in NaCl die ionische Bindung und nicht die metallische wie in elementarem Natrium.

A3.4

Eindimensionaler Ionenkristall

Betrachten Sie eine Kette aus 2N Ionen mit der abwechselnden Ladung ±q und dem abstoßenden Potential A/R n zwischen nächsten Nachbarn.

1 Abb. 3.2: Eindimensionaler Ionenkristall.

+

2



+

3

– R

N

+



+q

Ͳq

......

+



(a) Berechnen Sie zunächst die Madelung-Konstante für den unendlich ausgedehnten, eindimensionalen Ionenkristall.

3 Bindungskräfte

45

(b) Zeigen Sie, dass für den Gleichgewichtsabstand des unendlich ausgedehnten Kristalls folgendes gilt U(R 0 ) = −2 ln 2

Nq 2 1 (1 − ) . 4πє 0 R 0 n

(A3.4.1)

(c) Betrachten Sie nun einen endlichen Kristall. Der Kristall soll zusammengedrückt werden, so dass R 0 → R 0 − δR. Zeigen Sie, dass die Kompressionsarbeit pro Längeneinheit in erster Näherung durch den Term 2N k(δR)2/2 bestimmt ist, wobei für die Kraftkonstante k = (n − 1)αq 2 /8πє 0 R 03 gilt. Benutzen Sie hierzu den vollständigen Ausdruck für U(R). Lösung

(a) Der Coulomb-Anteil des Wechselwirkungs-Potenzials in der linearen Kette lautet für N Paare (2N Atome) U C (R) = −N

± q2 αq 2 = −N . ∑ 4πє 0 R i, j≠i α i j 4πє 0 R .// / / /0/ / / / 1

(A3.4.2)



Hierbei ist α i j = r i j /R mit dem Abstand r i j der Ionen und dem nächsten Nachbarabstand R. Die Madelung-Konstante ist im Fall der unendlich ausgedehnten Kette gegeben durch ± ±R = ∑ α = ∑ α i, j≠i i j i, j≠i r i j R R R R R R − + − + − + . . .] R 2R 3R 4R 5R 6R 1 1 1 1 1 1 (A3.4.3) = 2 [ − + − + − + . . .] . 1 2 3 4 5 6 Der Faktor 2 zwei resultiert dabei aus der Tatsache, dass jeweils 2 Ionen (links und rechts) im gleichen Abstand vorhanden sind. Um die Summe auszuwerten benutzen wir die Reihenentwicklung = 2[

x2 x3 x4 x5 x6 + − + − +... 2 3 4 5 6 1 1 1 1 1 (A3.4.4) ln 2 = 1 − + − + − + . . . . 2 3 4 5 6 Wir sehen sofort, dass die Madelung-Konstante der eindimensionalen Kette gerade α = 2 ln 2 = 1.386 ist. (b) Laut Voraussetzung ist der abstoßende Teil des Wechselwirkungspotenzials für N Atompaare (2N Atome) von der Form: ln(1 + x) = x −

U abst (R) = N

A Rn

(A3.4.5)

46

3 Bindungskräfte

mit ganzzahligem n. Dies führt zum Gesamtpotenzial U abst (R) = N [

A αq 2 − ]. n R 4πє 0 R

(A3.4.6)

Der Gleichgewichts-Atomabstand R 0 lässt sich aus der Bedingung αq 2 ∂U(R) nA ] = 0, = N [− n+1 + ∂R R 4πє 0 R 2

(A3.4.7)

berechnen. Es ergibt sich R 0n =

4πє 0 nA R0 . αq 2

(A3.4.8)

Setzen wir dies in den Ausdruck für U ein, so erhalten wir U(R 0 ) = −N

αq 2 1 1 Nq 2 (1 − ) = −2 ln 2 (1 − ) . 4πє 0 R 0 n 4πє 0 R 0 n

(A3.4.9)

(c) Im Folgenden gehen wir davon aus, dass die endliche lineare Kette aus N entgegengesetzt geladenen Atompaaren leicht komprimiert wird, sodass der Atomabstand sich auf R = R 0 − δR

(A3.4.10)

verringert. Um die bei diesem Kompressionsvorgang auftretende Arbeit zu berechnen, führen wir eine Taylor-Entwicklung des allgemeinen Ausdrucks für U(R) = 2Nu(R) (hierbei ist u(R) die auf ein Atom bezogene Gesamtenergie) um die Gleichgewichtslage R = R 0 durch: u(R) = u(R 0 ) −

1 du(R) δR { } 1! dR R=R 0 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 =0

+

2

1 d u(R) } (δR)2 − . . . . { 2! dR 2 R=R 0 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1

(A3.4.11)

≡k

} = 0, so dass das entsprechende Glied Im Gleichgewichtszustand gilt natürlich { dU d R R0 der Taylor-Reihe entfällt. Wir erhalten αq 2 1 nA du(R) } = {− n+1 + dR 2 R 4πє 0 R 2 d 2 u(R) 1 n(n + 1)A 2αq 2 = − } { dR 2 2 R n+2 4πє 0 R 3 =

n(n + 1)A 2αq 2 1 { − }. 2R 2 Rn 4πє 0 R

(A3.4.12)

Benutzen wir den Ausdruck (A3.4.8) für R 0n , so erhalten wir k = {

1 αq 2 d 2 u(R) } = (n − 1) . dR 2 2R 02 4πє 0 R 0 R=R 0

(A3.4.13)

3 Bindungskräfte

47

Unter Vernachlässigung der höheren Terme in der Taylorentwicklung von U(R) bestimmt dieser Term dann die Energie, die notwendig ist, um die Kette soweit zusammenzudrücken, dass der Gitterabstand auf R = R 0 − δR verkürzt wird. A3.5

sp2 -Hybridisierung

Graphit besteht aus Kohlenstoffschichten, wobei die Bindungen innerhalb der Schichten wesentlich stärker sind als die Bindungen zwischen den Schichten. Die Kohlenstoffatome jeder Schicht (x y-Ebene) besetzen die Ecken regelmäßiger Sechsecke. Jedes Kohlenstoffatom besitzt also eine dreizählige Symmetrie bezüglich der z-Achse. Durch Linearkombination der drei konventionellen Orbitale r 1 − r ∣ϕ 2s ⟩ = √ (2 − ) e 2a B a 4 2π B und

1 ∣ϕ 2 p x ⟩ = √ 4 2π 1 ∣ϕ 2 p y ⟩ = √ 4 2π

r − 2ar e B sin ϑ cos φ aB r − 2ar e B sin ϑ sin φ aB

lassen sich symmetrieadaptierte Bindungsorbitale bilden. Dies bezeichnet man als sp2 Hybridisierung (r, ϑ und φ sind Kugelkoordinaten, wobei ϑ = 0 die z-Achse ist). Die Bindungsorbitale müssen normiert und zueinander orthogonal sein. Symmetrieadaption bedeutet dann, dass die Konfiguration eine dreizählige Symmetrie besitzt, also eine Drehung um 120○ nichts verändert. Diskutieren Sie die folgenden Fragen: Sind die angegeben Orbitale schon normiert und orthogonal? Wählen Sie ein Hybrid-Bindungsorbital (Φ 1 ) so, dass es spiegelsymmetrisch zur xz-Ebene ist und geben sie die explizite Form der drei sp2 -Hybrid-Orbitale ∣Φ i ⟩, i = 1, 2, 3 an. Skizzieren Sie den Querschnitt der Orbitale ∣Φ i ⟩ in der x y-Ebene. Lösung

Die angegebenen Orbitale sind zwar orthogonal aber noch nicht normiert. Es fehlt ein Faktor 3/2 1/a B . Außerdem handelt es sich um die Orbitale für Z = 1. Die richtigen Orbitale lauten: Z 3/2 1 Zr −Zr/2a B )e ∣ϕ 2s ⟩ = √ ( ) (2 − aB 4 2π a B

(A3.5.1)

Z 3/2 Zr −Zr/2a B 1 e sin ϑ cos φ ∣ϕ 2 p x ⟩ = √ ( ) aB 4 2π a B

(A3.5.2)

Z 3/2 Zr −Zr/2a B 1 e sin ϑ sin φ . ∣ϕ 2 p y ⟩ = √ ( ) aB 4 2π a B

(A3.5.3)

48

3 Bindungskräfte

Das erste sp2 -Hybrid-Orbital ∣Φ 1 ⟩ lässt sich wie folgt als Linearkombination aus den Atomorbitalen darstellen: ∣Φ 1 ⟩ = a 1 ∣ϕ 2s ⟩ + a 2 ∣ϕ 2 p x + a 3 ∣ϕ 2 p y ⟩ .

(A3.5.4)

Da die beiden weiteren sp2 -Hybrid-Orbitale relativ zum ersten um die Winkel α = 2π/3 und α = −2π/3 gedreht sind, untersuchen wir zunächst eine allgemeine Drehung der 2p-Orbitale um die z-Achse, die durch die Drehmatrix R(α) vermittelt wird: ⎛cos α − sin α R(α) = ⎜ sin α cos α ⎝ 0 0

0⎞ 0⎟ . 1⎠

(A3.5.5)

Man beachte, dass R(α) für α > 0 eine Drehung gegen den Uhrzeigersinn vermittelt. Wir benötigen für unsere Zwecke die Spezialfälle √

⎛− 12 − 23 0⎞ √ 2π ⎟ R( ) = ⎜ ⎜ 23 − 12 0⎟ , 3 ⎝ 0 0 1⎠



⎛ − 12 23 0⎞ √ 2π ⎟ R (− ) = ⎜ ⎜− 23 − 12 0⎟ . 3 ⎝ 0 0 1⎠

(A3.5.6)

Nun sei ∣Φ 2 p ⟩ der aus den drei 2p-Zuständen gebildete Vektor ⎛ ∣ϕ 2 p x ⟩ ⎞ ∣Φ 2 p ⟩ = ⎜ ∣ϕ 2 p y ⟩ ⎟ ⎝ ∣ϕ 2 p z ⟩ ⎠

(A3.5.7)

mit der Eigenschaft √

⎛ − 12 ∣ϕ 2 p x ⟩ − 23 ∣ϕ 2 p y ⟩ ⎞ √ 2π ⎟ R ( ) ⋅ ∣Φ 2 p ⟩ = ⎜ ⎜ 23 ∣ϕ 2 p x ⟩ − 12 ∣ϕ 2 p y ⟩ ⎟ 3 ⎝ ⎠ ∣ϕ 2 p z ⟩ √

⎛ − 12 ∣ϕ 2 p x ⟩ + 23 ∣ϕ 2 p y ⟩ ⎞ √ 2π R (− ) ⋅ ∣Φ 2 p ⟩ = ⎜ − 23 ∣ϕ 2 p x ⟩ − 12 ∣ϕ 2 p y ⟩ ⎟ ⎜ ⎟. 3 ⎝ ⎠ ∣ϕ 2 p z ⟩

(A3.5.8)

Dann lassen sich die beiden weiteren sp2 -Hybridzustände ∣Φ 2 ⟩ und ∣Φ 3 ⟩ in der Form 2π 2π ) ⋅ ∣Φ 2 p ⟩} + a 3 {R ( ) ⋅ ∣Φ 2 p ⟩} 3 3 x y 2π 2π ∣Φ 3 ⟩ = a 1 ∣Φ 2s ⟩ + a 2 {R (− ) ⋅ ∣Φ 2 p ⟩} + a 3 {R (− ) ⋅ ∣Φ 2 p ⟩} 3 3 x y

∣Φ 2 ⟩ = a 1 ∣Φ 2s ⟩ + a 2 {R (

(A3.5.9)

ansetzen. Die Koeffizienten a i (i = 1, 2, 3) der Linearkombinationen lassen sich nun aus den Orthonormalitätsrelationen für die Zustände ∣Φ 1 ⟩, ∣Φ 2 ⟩ und ∣Φ 3 ⟩ bestimmen. Im Einzelnen

3 Bindungskräfte

49

ergibt sich: ⟨Φ i ∣Φ i ⟩ = 1 → a 12 + a 22 + a 32 = 1 , i = 1, 2, 3 a2 a2 ⟨Φ i ∣Φ j ⟩ = 0 → a 12 − 2 − 3 = 0 , i ≠ j . 2 2

(A3.5.10)

Es folgt sofort a3 = 0

√ 2 1 + = 1 und → a1 = √ , a2 = . (A3.5.11) 3 3 Die Tatsache, dass der Koeffizient a 3 = 0 verschwindet, folgt auch aus der Beobachtung, dass ein Hybrid-Bindungsorbital spiegelsymmetrisch zur xz-Ebene sein muss. Dies ist gerade für das Orbital ∣Φ 1 ⟩ der Fall. Wenn wir dieses Orbital als Linearkombination ∣Φ 1 ⟩ = a 1 ∣ϕ 2s ⟩ + a 2 ∣ϕ 2 p x + a 3 ∣ϕ 2 p y ⟩ darstellen, dann muss a 3 gleich Null sein, da ∣ϕ 2 p y ⟩ bei einer Spiegelung an der xz-Ebene das Vorzeichen wechselt. Beim Ausrechnen ist zu beachten, dass die Ausgangsbasis (Kugelflächenfunktionen) schon orthogonal und normalisiert ist, also z. B. ⟨ϕ 2s ∣ϕ 2s ⟩ = 1 und ⟨ϕ 2s ∣ϕ 2 p x ⟩ = 0. a 12

a 22

a 12

a2 − 2 = 0 2

Nun können wir die drei sp2 -Hybridorbitale als Linearkombination der Ausgangsbasis vollständig wie folgt beschreiben: √ 1 ∣Φ 1 ⟩ = √ (∣ϕ 2s ⟩ + 2∣ϕ 2 p x ⟩) 3 1 ⎛ 1 ∣Φ 2 ⟩ = √ ∣ϕ 2s ⟩ − √ ∣ϕ 2 p x ⟩ − 3⎝ 2 1 ⎛ 1 ∣Φ 3 ⟩ = √ ∣ϕ 2s ⟩ − √ ∣ϕ 2 p x ⟩ + ⎝ 3 2

(A3.5.12) √ √

⎞ 3 ∣ϕ 2 p y ⟩ 2 ⎠

(A3.5.13)

⎞ 3 ∣ϕ 2 p y ⟩ . 2 ⎠

(A3.5.14)

Die geometrische Vorstellung für die Orbitale kann Abb. 3.3, in der ∣Φ∣2 in einer Polardarstellung gezeigt ist (φ = 0 entspricht der x-Achse), entnommen werden. Es ist intuitiv klar, dass die drei Hybridorbitale zu einer zweidimensionalen Bindungsstruktur führen, wie sie z. B. |)1|²

|)2|²

|)3|²

Abb. 3.3: Polardarstellung der Orbitale der s p2 -Hybridisierung. Der Winkel φ wird gegen die x-Achse gemessen.

50

3 Bindungskräfte

2p

Abb. 3.4: Radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit pro Kugeloberfläche für das 2s- und das 2p-Orbital.

bei Graphit vorliegt. Das Φ 2 p z -Orbital wird bei der sp2 -Hybridisierung nicht gebraucht. Dies ist bei Verbindungen wie z. B. CH4 anders. Hier geht das Kohlenstoffatom anstelle von drei jetzt vier Bindungen ein. Die hierfür geeignete Hybridisierung ist die sp3 -Hybridisierung (vgl. Abb. 3.1). Allgemeine Bemerkung: Die Funktionen ϕ bilden eine Basis für alle möglichen Zustände. Zur Beschreibung der Hybridisierung benutzt man eine geeignete neue Basis, in der die alten Basiszustände gemischt werden. Das Absolutquadrat der Wellenfunktion, ∣ϕ∣2 , können wir als Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen interpretieren. Der Zustand ϕ 2s hat z. B. im Unterschied zum Zustand ϕ 1s zwei Maxima und eine echte Nullstelle beim radialen Abstand des doppelten Bohrschen Radius a B . In Abb. 3.4 ist die radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit pro Kugeloberfläche, also 4πr 2 ∣ϕ∣2 , für das 2s- und das 2p-Orbital gezeigt. Diese gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit wir ein Elektron in einer Kugelschale zwischen r und r + dr finden. A3.6

Zweiatomige Moleküle

Wir betrachten ein zweiatomiges Argon-Molekül. Die Bindungsenergie als Funktion des Abstands R der Atome ist gegeben durch σ 6 σ 12 U(R) = 4є [( ) − ( ) ] , R R wobei є = 1.67 × 10−21 J und σ = 0.34 nm. Die Atommasse M von Ar beträgt 40 amu mit 1 amu = 1.66 × 10−27 kg. (a) Bestimmen Sie den Gleichgewichtsabstand R 0 in Abhängigkeit von den Parametern σ und є. (b) Berechnen Sie die Schwingungsfrequenz des zweiatomigen Argon-Moleküls in harmonischer Näherung. (c) Diskutieren Sie die Kraft F(R) = −dU/dR. In welchem Abstand R > R 0 ist die Kraft maximal?

3 Bindungskräfte

51

Lösung

Wir werden die Aufgabe lösen, indem wir den Ausdruck für das Paarwechselwirkungspotenzial U(R) der Van der Waals Wechselwirkung zwischen den beiden Ar-Atomen um die Gleichgewichtslage R 0 in eine Taylor-Reihe entwickeln. Den erhaltenen Ausdruck vergleichen wir dann mit der Energie eines harmonischen Oszillators bzw. mit der einer ausgelenkten Feder nach dem Hooke’schen Gesetz. Brechen wir die Taylor-Entwicklung nach dem in der Auslenkung quadratischen Term ab, so erhalten wir die harmonische Näherung. Diese Näherung ist immer dann gut, wenn wir nur kleine Auslenkungen aus der Ruhelage betrachten. Für größere Auslenkungen müssen wir anharmonische Effekte berücksichtigen. (a) Die allgemeine Form des Wechselwirkungspotenzials lautet σ 6 σ 12 U(R) = 4є {( ) − ( ) } . R R

(A3.6.1)

Zur Erinnerung wiederholen wir hier nochmals die Berechnung des Gleichgewichtsabstands R 0 . Aus der Bedingung 12 σ 12 6 σ 6 dU(R) = 0 = 4є {− ( ) + ( ) } R R R R R

(A3.6.2)

folgt sofort σ 6 1 1 σ 12 R 0 = 21/6 σ ↔ ( ) = ↔ ( ) = (A3.6.3) R 2 R 4 (b) Wir wollen nun Schwingungen der Ar-Atome des Ar-Moleküls um ihre Ruhelage betrachten. Hierzu setzen wir R = R 0 + δR

(A3.6.4)

und führen eine Taylor-Entwicklung von U(R) um die Gleichgewichtslage R = R 0 durch: 1 dU(R) 1 d 2 U(R) δR + { } (δR)2 + . . . U(R) = U(R 0 ) + { } dR 2! dR 2 .// / 0/ / / 1 1! R=R 0 R=R 0 =U 0 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 =0

≡k

1 = U 0 + k(δR)2 + . . . . 2

(A3.6.5)

Hier können wir die Größe k = Mω 2 als Federkonstante der Molekülschwingung auffassen. Die Berechnung von k ist einfach: σ6 σ 12 dU(R) = 4є {−12 13 + 6 7 } dR R R d 2 U(R) σ 12 σ6 4є σ 12 σ 6 = 4є {12 ⋅ 13 − 6 ⋅ 7 } = {12 ⋅ 13 ( − 6 ⋅ 7 ( ) ) } dR 2 R 14 R8 R2 R R 4є 12 ⋅ 13 6 ⋅ 7 72є d 2 U(R) } = 2{ − } = 2 dR 2 R 4 2 R0 0 R=R 0 72 є є = 1/3 2 = 57.146 . . . ⋅ 2 . σ 2 σ

k = {

(A3.6.6)

52

3 Bindungskräfte

Wegen des Zusammenhangs k = Mω 2 erhalten wir für die Schwingungsfrequenz ω: ω2 =

k 72 є є 72є = 1/3 = 57.146 . . . ⋅ . = 2 2 M MR 0 2 Mσ Mσ 2

(A3.6.7)

Setzen wir die angegebenen Zahlenwerte ein, so erhalten wir є 1.67 × 10−21 J = 57.146 Mσ 2 6.64 × 10−26 kg ⋅ (0.34)2 × 10−18 m2 1 ≈ 2.17 × 1023 2 . s

ω 2 = 57.146

(A3.6.8)

Für ω erhalten wir also ω ≃ 4.6 × 1011 s−1 , d. h. eine Schwingungsfrequenz fast im THzBereich, und eine Schwingungsperiode T = 2π ≃ 13.5 ps. ω (c) Um den Abstand R zu bestimmen, bei dem die Kraft F(R) = −dU/dR maximal wird, setzen wir die 2. Ableitung d 2 U(R)/dR 2 = 0. Wir erhalten 4є σ 12 σ 6 d 2 U(R) = 0 = {12 ⋅ 13 ( − 6 ⋅ 7 ( ) ) }. dR 2 R2 R R

(A3.6.9)

Auflösen nach R ergibt 26 1/6 (A3.6.10) ) ⋅ σ = 1.2444 . . . ⋅ σ . 7 Die Rückstellkraft verschwindet im Potenzialminimum bei R 0 = 1.1224 σ und steigt dann mit zunehmendem R an, bis sie bei R max = 1.2444 σ den maximalen Wert erreicht. Danach nimmt die Steigung von U(R) und damit die Rückstellkraft F(R) = −dU/dR wieder ab, da der Potenzialverlauf abflacht. R max = (

4 A4.1

Elastische Eigenschaften von Festkörpern Elastizitätstensor und Poisson-Zahl

Ein kubischer Kristall wird einer Dehnung in [100]-Richtung unterworfen. Finden Sie Ausdrücke für die Komponenten des Elastizitätstensors (engl. Young’s modulus) und der Poisson-Zahl. Lösung

Im Hookeschen Bereich sind die Dehnungskoeffizienten e kl lineare Funktionen der Spannungskomponenten σ i j und es gilt σ i j = ∑ C i jkl e kl .

(A4.1.1)

kl

Hierbei sind C i jkl die Komponenten des Elastizitätstensors (engl. Young’s modulus). Sie werden auch als elastische Moduln bezeichnet. Die Dimension der Koeffizienten ist Kraft/Fläche oder äquivalent Energie/Volumen. Die Elastizitätsmoduln C i jkl bilden einen Tensor 4. Stufe, die Spannungskomponenten σ i j und die Dehnungskoeffizienten e kl einen Tensor 2. Stufe. Im Allgemeinen besitzt der Elastizitätstensor 81 Komponenten. Aufgrund der Symmetriebeziehungen σ i j = σ ji und e kl = e l k gilt aber C i jkl = C ji kl = C i jl k , wodurch sich die Zahl der unabhängigen Komponenten auf 36 reduziert. Mit diesen Symmetriebeziehungen können wir eine verkürzte Notation, die Voigt-Notation xx → 1, y y → 2, zz → 3, yz = z y → 4, xz = zx → 5,

x y = yx → 6,

(A4.1.2)

verwenden. Mit diesen Bezeichnungen können wir (A4.1.1) in folgender vereinfachter Form 6

σm = ∑ C mn e n n=1

schreiben.

(A4.1.3)

54

4 Elastische Eigenschaften

Wir berücksichtigen nun, dass die elastische Energiedichte U eine quadratische Funktion der Dehnung ist. Analog zur elastischen Energie einer gedehnten Feder können wir allgemein schreiben U =

1 6 6 ̃ ∑ ∑ C mn e m e n . 2 m=1 n=1

(A4.1.4)

̃mn und C mn herWir müssen jetzt noch den Zusammenhang zwischen den Koeffizienten C stellen. Dabei nutzen wir aus, dass die Spannungskoeffizienten durch die Ableitung von U nach dem zugehörigen Dehnungskoeffizienten gegeben sind: σxx = σ1 =

6 ∂U ∂U ̃11 e 1 + 1 ∑ (C ̃1n + C ̃n1 )e n = = C ∂e xx ∂e 1 2 n=2

σ y y = σ2 =

6 ∂U ∂U ̃22 e 2 + 1 ∑ (C ̃2n + C ̃n2 )e n = = C ∂e y y ∂e 2 2 n=1,n≠2

usw.

(A4.1.5)

̃nn . Wir erVergleichen wir diese Ausdrücke mit (A4.1.3), so sehen wir sofort, dass C nn = C kennen ferner, dass in den Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung jeweils nur ̃mn + C ̃nm ) eingehen. Daraus können wir ablesen, dass die Elastizidie Kombinationen 12 (C tätsmoduln symmetrisch sind und folgender Zusammenhang gilt: C mn =

1 ̃ ̃nm ) = C nm . (C mn + C 2

(A4.1.6)

Von den 36 Koeffizienten des Elastizitätsmoduls bleiben also nur noch 21 übrig. Elastizitätstensor eines kubischen Kristalls: Eine weitere Reduktion der Koeffizientenzahl können wir aufgrund der zugrunde liegenden Kristallsymmetrie vornehmen. Wir tun dies im Folgenden für einen kubischen Kristall. Um die Diskussion einfacher zu gestalten, behaupten wir, dass der Elastizitätstensor eines kubischen Kristalls die einfache Form ⎛ C 11 ⎜ C 12 ⎜ ⎜ ̂ = ⎜ C 12 C ⎜ 0 ⎜ ⎜ 0 ⎜ ⎝ 0

C 12 C 11 C 12 0 0 0

C 12 C 12 C 11 0 0 0

0 0 0 C 44 0 0

0 0 0 0 C 44 0

0 ⎞ 0 ⎟ ⎟ 0 ⎟ ⎟ , 0 ⎟ ⎟ 0 ⎟ ⎟ C 44 ⎠

(A4.1.7)

das heißt, nur 3 unabhängige Komponenten besitzt und beweisen dann diese Behauptung. Falls unsere Behauptung richtig ist, erhalten wir mit (A4.1.4) die elastische Energiedichte eines kubischen Kristalls zu U =

1 1 2 2 2 + e 2y y + e zz ) + C 44 (e 2yz + e xz + e x2 y ) + C 11 (e xx 2 2 C 12 (e zz e xx + e xx e y y + e y y e zz ) .

(A4.1.8)

4 Elastische Eigenschaften

55

Wir sehen, dass in der elastischen Energiedichte keine Terme der Form e xx e x y + . . .

e yz e xz + . . .

e xx e yz + . . .

(A4.1.9)

auftauchen. Um zu beweisen, dass dies so sein muss, benutzen wir die Tatsache, dass für einen kubischen Kristall insgesamt 4 dreizählige Rotationsachsen vorliegen, deren Richtungen in [111] und die dazu äquivalenten Richtungen zeigen. Drehen wir einen Würfel, dessen Kanten entlang der x-, y- und z-Achse ausgerichtet sind, um 2π/3 um diese vier Rotationsachsen, so tauschen wir die x-, y- und z-Achsen gemäß folgenden vier Schemata gegeneinander aus: x→y→z→x x → z → −y → x

−x → z → −y → −x −x → y → z → −x .

(A4.1.10)

Gemäß dem ersten Schema erhalten wir zum Beispiel für die Terme in (A4.1.8) 2 2 2 2 e xx + e 2y y + e zz → e 2y y + e zz + e xx 2 2 e 2yz + e xz + e x2 y → e zx + e 2yx + e 2yz e y y e zz + e zz e xx + e xx e y y → e zz e xx + e xx e zz + e y y e zz .

(A4.1.11)

Wir sehen sofort, dass (A4.1.8) invariant unter der betrachteten Operation ist. Wir sehen ferner, dass wir für die Terme aus (A4.1.9) dagegen immer eine Transformation aus dem Satz (A4.1.10) finden können, die das Vorzeichen eines Terms ändert, da z. B. e x y = −e x(−y) . Das heißt, die Terme in (A4.1.9) sind nicht invariant unter der für die kubische Symmetrie notwendigen Operation. Diese Terme dürfen also in der Tat im Ausdruck für die elastische Energiedichte nicht auftauchen. Wir müssen jetzt noch zeigen, dass die Zahlenfaktoren in (A4.1.8) richtig sind. Gemäß (A4.1.4) und (A4.1.8) erhalten wir ∂U ∂e xx ∂U ∂e y y ∂U ∂e zz ∂U ∂e yz ∂U ∂e xz ∂U ∂e x y

= σxx = C 11 e xx + C 12 (e y y + e zz ) = σ y y = C 11 e y y + C 12 (e xx + e zz ) = σzz = C 11 e zz + C 12 (e xx + e y y ) = σ yz = C 44 e yz = σxz = C 44 e xz = σx y = C 44 e x y .

(A4.1.12)

56

4 Elastische Eigenschaften

Vergleichen wir dies mit dem allgemeinen Ausdruck für die 6 unabhängigen Komponenten des Spannungstensors σ1 σ2 σ3 σ4 σ5 σ6

= = = = = =

C 11 e 1 + C 12 e 2 + C 13 e 3 + C 14 e 4 + C 15 e 5 + C 16 e 6 C 21 e 1 + C 22 e 2 + C 23 e 3 + C 24 e 4 + C 25 e 5 + C 26 e 6 C 31 e 1 + C 32 e 2 + C 33 e 3 + C 34 e 4 + C 35 e 5 + C 36 e 6 C 41 e 1 + C 42 e 2 + C 43 e 3 + C 44 e 4 + C 45 e 5 + C 46 e 6 C 51 e 1 + C 52 e 2 + C 53 e 3 + C 54 e 4 + C 55 e 5 + C 56 e 6 C 61 e 1 + C 62 e 2 + C 63 e 3 + C 64 e 4 + C 65 e 5 + C 66 e 6 ,

(A4.1.13)

so sehen wir, dass C 11 C 44 C 12 C 14 C 24 C 34

= = = = = =

C 22 C 44 C 13 C 41 C 42 C 43

= C 33 = C 21 = C 15 = C 25 = C 35

= C 31 = C 51 = C 16 = C 61 = 0 = C 52 = C 26 = C 62 = 0 = C 53 = C 36 = C 63 = 0 .

(A4.1.14)

Damit erhalten wir sofort den Elastizitätstensor (A4.1.7). Poisson-Zahl: Wir wollen mit dem Elastizitätstensor (A4.1.7) jetzt noch die Poisson-Zahl berechnen. Die Poisson-Zahl ν ist der Kehrwert der Querdehnungszahl μ. Sie gibt das Verhältnis von Querkontraktion −Δd/d zu Längsdehnung Δℓ/ℓ an: ν =

−Δd/d 1 ≡ . μ Δℓ/ℓ

(A4.1.15)

Eine Spannung σ resultiert nämlich nicht nur in einer Längenänderung Δℓ in Richtung der wirkenden Spannung, sondern auch in einer Kontraktion −Δd quer zur wirkenden Spannung. Die Beziehungen für die Poisson-Zahl können wir am einfachsten mit Hilfe der reziproken Steifigkeit (Compliance) S mn angeben. Der reziproke Steifigkeitstensor eines kubischen Kristalls hat dieselbe Form wie der Elastizitätstensor ⎛ S 11 ⎜ S 12 ⎜ ⎜ S 12 Ŝ = ⎜ ⎜ 0 ⎜ ⎜ 0 ⎜ ⎝ 0

S 12 S 11 S 12 0 0 0

S 12 S 12 S 11 0 0 0

0 0 0 S 44 0 0

0 0 0 0 S 44 0

0 ⎞ 0 ⎟ ⎟ 0 ⎟ ⎟ = C ̂−1 0 ⎟ ⎟ 0 ⎟ ⎟ S 44 ⎠

(A4.1.16)

4 Elastische Eigenschaften

57

und wird durch Inversion des Elastizitätstensors erhalten. Es gilt S 11 + S 12 (S 11 − S 12 )(S 11 + 2S 12 ) −S 12 = (S 11 − S 12 )(S 11 + 2S 12 ) 1 = S 44

C 11 = C 12 C 44

(A4.1.17)

bzw. C 11 + C 12 (C 11 − C 12 )(C 11 + 2C 12 ) −C 12 = (C 11 − C 12 )(C 11 + 2C 12 ) 1 = . C 44

S 11 = S 12 S 44

(A4.1.18)

Für Kristalle ist die Poisson-Zahl allgemein definiert als ν nm =

−S mn , S nn

(A4.1.19)

wobei x n die Richtung der longitudinalen Längenänderung und x m die Richtung der Querdehnung ist. S mn und S nn sind die zugehörigen Komponenten des Compliance-Tensors (bezogen auf ein rechthändiges Koordinatensystem). Nehmen wir z. B. x 1 als Richtung der longitudinalen Längenänderung, dann sind zwei Poisson-Zahlen durch die Querachsen x 2 und x 3 wie folgt definiert: ν 21 =

−S 12 S 11

ν 31 =

−S 13 . S 11

(A4.1.20)

Für ein kubisches System gilt S 21 = S 31 und wir erhalten mit Hilfe von (A4.1.17) ν 21 = ν 31 =

A4.2

C 12 (C 11 −C 12 )(C 11 +2C 12 ) C 11 +C 12 (C 11 −C 12 )(C 11 +2C 12 )

=

C 12 . C 11 + C 12

(A4.1.21)

Schwingungen in einem Aluminium-Zylinder

Wir regen einen 50 cm langen polykristallinen Aluminium-Zylinder zu longitudinalen Schwingungen an. Wir bestimmen für die Grundschwingung eine Resonanzfrequenz 3 f 0 = 5.2 kHz. Aluminium besitzt eine Dichte von ρ = 2.7 g/cm , ein Elastizitätsmodul E = 70.2 GPa und eine Poisson-Zahl ν = 0.33.

58

4 Elastische Eigenschaften

(a) Berechnen Sie die Schallgeschwindigkeit von Aluminium aus der gemessenen Resonanzfrequenz. (b) Vergleichen Sie das Ergebnis mit dem Wert, den wir aus der Messung der longitudinalen Schallgeschwindigkeit mit Hilfe von Ultraschall erhalten würden. Lösung

(a) Mit der gemessenen Resonanzfrequenz f 0 = 5.2 kHz der Grundschwingung und der Beziehung λ/2 = L = 50 cm für die Grundmode erhalten wir sofort die Schallgeschwindigkeit zu v s = f 0 ⋅ λ = 5.2 × 103 s−1 ⋅ 1.0 m = 5200 m/s .

(A4.2.1)

Mit den angegebenen elastischen Materialparametern E = 70.2 GPa = 7.02 × 1010 N/m2 und ν = 0.33 können wir die Schallgeschwindigkeit auch anders berechnen. Hierzu bezeichnen wir die Längsachse des Zylinders mit der x-Achse und die Auslenkung in xRichtung mit u 1 . Wir erhalten dann die Kraftgleichung ρ

∂σxx ∂σx y ∂σxz ∂2u1 = ( + + ). 2 ∂t ∂x ∂y ∂z

(A4.2.2)

Hierbei stehen auf der linken Seite die Trägkeitskraft auf ein infinitesimales Volumenelement mit Massendichte ρ und auf der rechten Seite die Rückstellkräfte aufgrund der elastischen Eigenschaften des Materials. Zur Vereinfachung vernachlässigen wir zunächst die Querkontraktion des Stabes. Wir gehen also von einer über den Stabquerschnitt homogenen Deformation aus und nehmen an, dass keine Kräfte auf die Seitenflächen wirken. Dies können wir für einen langen Stab, dessen Durchmesser wesentlich kleiner als die Wellenlänge der durchlaufenden Schallwelle ist und elastisch nicht an die Umgebung angekoppelt ist, in guter Näherung tun. Mit σxx = E e xx = E∂u 1 /∂x erhalten wir E ∂2 u1 ∂2 u1 = . 2 ∂t ρ ∂x 2

(A4.2.3)

Hierbei ist E der Elastizitätsmodul und e xx die Dehnung in x-Richtung aufgrund einer in x-Richtung wirkenden Kraft. Wir erhalten eine eindimensionale Wellengleichung, deren Lösung eine longitudinale Schallwelle mit der Phasengeschwindigkeit √ √ E 7.02 × 1010 vs = = m/s = 5099 m/s (A4.2.4) ρ 2700 ist. Dieser Wert liegt etwas unter dem aus der gemessenen Resonanzfrequenz bestimmten Wert. Ursache dafür kann sein, dass der Zylinder einen relativ großen Durchmesser hat und somit die Vernachlässigung der Querkontraktion einen relativ großen Fehler verursacht. (b) Wenn wir die longitudinale Schallgeschwindigkeit mit Hilfe einer Ultraschallmessung bestimmen, erwarten wir eigentlich dasselbe Ergebnis. Wir können nämlich von den gleichen elastischen Eigenschaften ausgehen, da wir uns selbst bei Frequenzen bis in den 100 MHz-Bereich immer noch im langwelligen Grenzfall befinden. Bei einer Fre-

4 Elastische Eigenschaften

59

quenz von z. B. 500 MHz beträgt die Wellenlänge der longitudinalen Schallwelle etwa 10 μm und ist somit immer noch groß gegen den Atomabstand. Das bedeutet, dass die Kontinuumsnäherung für Ultraschalluntersuchungen eine sehr gute Näherung darstellt. Tatsächlich messen wir in einem Ultraschallexperiment aber eine größere Schallgeschwindigkeit. Dies liegt daran, dass wir bei der Berechnung der Schallgeschwindigkeit nicht mehr die Querkontraktion vernachlässigen können, da die Wellenlänge jetzt wahrscheinlich (der genaue Wert des Zylinderdurchmessers ist nicht bekannt) nicht mehr groß gegen den Zylinderdurchmesser ist. Die Schallgeschwindigkeit hat dann eine leicht andere Form und hängt von der Poisson-Zahl ν ab (die etwas längliche Herleitung dieses Ausdrucks folgt weiter unten): O PE (1 − ν) Q vs = P . (A4.2.5) ρ (1 + ν)(1 − 2ν) Für ν = 0.33 erhalten wir √ 7.02 × 1010 ⋅ 1.5 m/s = 6245 m/s , vs = 2700

(A4.2.6)

also eine höhere Schallgeschwindigkeit als diejenige, die wir aus der Frequenz der longitudinalen Eigenschwingung des Zylinders abgeleitet haben.

Um das Ergebnis (A4.2.5) herzuleiten, gehen wir von der allgemeinen Bewegungsgleichung für Schallwellen aus: ρ

∂σ i j ∂2u i ∂2 u l = ∑ = ∑ C i jkl . 2 ∂t ∂x j ∂x k j ∂x j jkl

(A4.2.7)

Parallel zu den Hauptachsen gilt für einen isotropen Festkörper (Voigt-Notation) σ1 = ae 1 + be 2 + be 3 σ2 = be 1 + ae 2 + be 3 σ3 = be 1 + be 2 + ae 3 .

(A4.2.8) (A4.2.9) (A4.2.10)

Wegen der Gleichwertigkeit aller Richtungen gibt es nur zwei elastische Konstanten, nämlich a für die Deformation parallel zur wirkenden Spannung und b senkrecht dazu. Üblicherweise werden die Laméschen Moduln μ =

a−b 2

λ = b

(A4.2.11)

σ1 = 2μe 1 + λ(e 1 + e 2 + e 3 ) σ2 = 2μe 2 + λ(e 1 + e 2 + e 3 ) σ3 = 2μe 3 + λ(e 1 + e 2 + e 3 )

(A4.2.12) (A4.2.13) (A4.2.14)

verwendet, mit denen wir

60

4 Elastische Eigenschaften

erhalten. Gehen wir vom Hauptachsensystem zu einem beliebigen Koordinatensystem über, so gilt1 σ i j = 2μe i j + λδ i j ⋅ Spur(e) .

(A4.2.15)

Diese Beziehung stellt das Hookesche Gesetz für einen isotropen Festkörper dar. Mit diesem Zusammenhang können wir die allgemeine Bewegungsgleichung (A4.2.7) schreiben als ρ

3 ∂σ 3 ∂2u i ∂ ij [2μe i j + λδ i j Spur(e)] . = = ∑ ∑ ∂t 2 ∂x ∂x j j j j

(A4.2.16)

Mit ei j =

1 ∂u i ∂u j + ). ( 2 ∂x j ∂x i

(A4.2.17)

erhalten wir für i = 1: ρ

∂2u1 ∂2 u1 ∂2 u1 ∂2 u1 ∂2 u1 ∂2 u2 ∂2 u3 = μ( 2 + + )+ μ( + + ) 2 2 2 ∂t ∂x 1 ∂x 2 ∂x 3 ∂x 1 ∂x 1 ∂x 1 ∂x 2 ∂x 1 ∂x 3 +λ (

∂2 u2 ∂2 u3 ∂2 u1 + + ) ∂x 1 ∂x 1 ∂x 1 ∂x 2 ∂x 1 ∂x 3

∂2 ∂2 ∂ ∂2 + + ) u 1 + (μ + λ) 2 2 2 ∂x 1 ∂x 2 ∂x 3 ∂x 1 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1

= μ(

Δ

1

∂u 1 ∂u 2 ∂u 3 + + ) . (A4.2.18) ∂x 1 ∂x 2 ∂x 3 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 (

∇⋅u

Nach (A4.2.12) bis (A4.2.14) gilt σ k = 2μe k + λ ⋅ Spur(e) , (σ k = δ k l σ k l , e k = e k l σ k l ) . Im beliebigen orthogonalen Koordinatensystem gilt σ i′j = α i k α jl σ k l = ∑ α i k α jk σ k k ′

e i j = α i k α jl e k l = ∑ α i k α jk e k , k

wobei α i k = cos ∠(x ′i , x k ) die Richtungskosinusse sind. Damit erhalten wir σ i′j = 2μ ∑ α i k α jk e k + λ ⋅ Spur(e) ∑ α i k α jk . k

k

Mit ∑ k α i k α jk = δ i j und wegen Spur(e′ ) = Spur(e) ergibt sich σ i′j = 2μe ′i j + λδ i j Spur(e′ ) . Den Index ′ können wir weglassen und erhalten (A4.2.15).

4 Elastische Eigenschaften

61

Analoge Ergebnisse erhalten wir für i = 2 und i = 3. Zusammengefasst erhalten wir also die Bewegungsgleichung μΔu j + (μ + λ)

∂2u j ∂ (∇ ⋅ u) − ρ 2 = 0 ∂x j ∂t

∀ j = 1, 2, 3 .

(A4.2.19)

Zur Lösung dieser Differentialgleichung machen wir den Ansatz u(r, t) = u0 e ı(k⋅r−ωt) u j = u 0 j e ı(k 1 x 1 +k 2 x 2 +k 3 x 3 −ωt) .

(A4.2.20)

Setzen wir diesen Ansatz in die Bewegungsgleichung ein und verwenden ∂2 u j ∂2u j ∂2 u j + + = −u j (k 12 + k 22 + k 32 ) = −u j k 2 ∂x 12 ∂x 22 ∂x 32 ∂ ∂ ∂u 1 ∂u 2 ∂u 3 (∇ ⋅ u) = ( + + ) ∂x j ∂x j ∂x 1 ∂x 2 ∂x 3 ∂ ı(u 1 k 1 + u 2 k 2 + u 3 k 3 ) = −k j (u ⋅ k) = ∂x j Δu j =

(A4.2.21)

(A4.2.22)

∂2u j = −k 2j u j ∂x 2j

(A4.2.23)

∂2u j = −ω 2 u j , ∂t 2

(A4.2.24)

so erhalten wir μk 2 u 0 j + (μ + λ)k j (k ⋅ u) − ρω 2 u 0 j = 0

∀ j = 1, 2, 3 .

(A4.2.25)

Wir können dieses Gleichungssystem in Matrixform schreiben und erhalten 2 2 2 (μ + λ)k 1 k 2 (μ + λ)k 1 k 3 ⎞ ⎛ u 01 ⎞ ⎛ μk + (μ + λ)k 1 − ρω (μ + λ)k 2 k 1 μk 2 + (μ + λ)k 22 − ρω 2 (μ + λ)k 2 k 3 ⎟ ⎜ u 02 ⎟ = 0 . ⎜ ⎝ (μ + λ)k 3 k 1 (μ + λ)k 3 k 2 μk 2 + (μ + λ)k 32 − ρω 2 ⎠ ⎝ u 03 ⎠ .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 =M

(A4.2.26) Die Lösungen für ω erhalten wir, indem wir det M = 0 setzen. Wir betrachten nur die Ausbreitung in x-Richtung (k 1 ≠ 0, k 2 = k 3 = 0), für die wir   (2μ + λ)k 2 − ρω 2 0 0   1  = 0  2 2 0 μk − ρω 0 1    2 2  0 0 μk 1 − ρω   2

[(2μ + λ)k 12 − ρω 2 ] [μk 12 − ρω 2 ] = 0

(A4.2.27)

62

4 Elastische Eigenschaften

und damit O P 2μ + λ Q ω1 = P k1 , ρ √ μ ω2 = k1 , ρ √ μ ω3 = k1 , ρ

u0 = (u 01 , 0, 0) (longitudinale Welle) u0 = (0, u 02 , 0) (transversale Welle)

(A4.2.28)

u0 = (0, 0, u 03 ) (transversale Welle)

erhalten. Für die Phasengeschwindigkeit v s = ω/∣k[100] ∣ = ω/k 1 ergibt sich v s,1

O P 2μ + λ Q = P , ρ

√ v s,2 = v s,3 =

μ ρ

(A4.2.29)

Wir müssen jetzt noch den Zusammenhang zwischen den Laméschen Moduln und dem Elastizitätsmudul E und der Poisson-Zahl ν herstellen. Dies können wir tun, indem wir eine Situation betrachten, bei der nur eine Kraft in x-Richtung wirkt. Wir erhalten mit (A4.2.15)

σy y σzz σ yz σxz σx y

σxx = 0 = 0 = 0 = 0 = 0

= = = = = =

2μe xx + λ(e xx + e y y + e zz ) 2μe y y + λ(e xx + e y y + e zz ) 2μe zz + λ(e xx + e y y + e zz ) 2μe yz 2μe xz 2μe x y ,

(A4.2.30)

woraus λ (e xx + e y y + e zz ) 2μ = e xz = e x y = 0 λ λ λ = − (e xx + −2 e y y ) = − e xx 2μ 2μ 2(μ + λ)

e y y = e zz = − e yz eyy

Spur(e) = e xx (1 − 2

λ μ ) = e xx 2(μ + λ) λ+μ

(A4.2.31)

folgt. Damit erhalten wir σxx = 2μe xx + λ

μ λμ e xx = (2μ + ) e xx ≡ E e xx λ+ μ λ+μ

(A4.2.32)

4 Elastische Eigenschaften

63

und damit den Elastizitätsmodul E =

μ(2μ + 3λ) . λ+μ

(A4.2.33)

Für die Poisson-Zahl erhalten wir ν =

−e y y λ −e zz = = . e xx e xx 2(λ + μ)

(A4.2.34)

Setzen wir diese Beziehungen in (A4.2.29) ein, so erhalten wir den Ausdruck (A4.2.5) für die Geschwindigkeit der longitudinalen Schwingung. A4.3

Elastische Wellen in [111]-Richtung eines kubischen Kristalls

Zeigen Sie, dass die Geschwindigkeit von tranversalen Gitterschwingungen in [111]Richtung eines kubischen Kristalls mit Massendichte ρ durch √ vs =

1 C 11 − C 12 + C 44 3 ρ

gegeben ist. C 11 , C 12 und C 44 sind die drei Komponenten des Elastizitätstensors eines kubischen Kristalls. Lösung

Wir gehen wie in Aufgabe A4.2 von der allgemeinen Bewegungsgleichung für Schallwellen aus: ρ

∂σ i j ∂2 u l ∂2u i = ∑ = ∑ C i jkl . 2 ∂t ∂x j ∂x k j ∂x j jkl

(A4.3.1)

Für kubische Systeme vereinfacht sich dieses gekoppelte Differentialgleichungssystem zu (siehe hierzu R. Gross und A. Marx, Festkörperphysik, Oldenbourg-Verlag München (2012), Abschnitt 4.6) ρ

∂2 u1 ∂2 u1 ∂2 u1 ∂2 u2 ∂2u1 ∂2 u3 = C + C ( + ) + (C + C ) ( + ) 11 44 12 44 ∂t 2 ∂x 2 ∂y 2 ∂z 2 ∂x∂y ∂x∂z

(A4.3.2)

ρ

∂2 u2 ∂2 u2 ∂2 u2 ∂2 u1 ∂2 u3 ∂2u2 = C + C ( + ) + (C + C ) ( + ) 11 44 12 44 ∂t 2 ∂y 2 ∂x 2 ∂z 2 ∂x∂y ∂y∂z

(A4.3.3)

ρ

∂2 u3 ∂2 u3 ∂2 u3 ∂2 u1 ∂2 u2 ∂2u3 = C 11 2 + C 44 ( 2 + ) + (C 12 + C 44 ) ( + ). 2 2 ∂t ∂z ∂x ∂y ∂x∂z ∂y∂z

(A4.3.4)

64

4 Elastische Eigenschaften

Hierbei sind u 1 , u 2 , u 3 die Komponenten des Verschiebungsvektors und (x 1 , x 2 , x 3 ) = (x, y, z). Wir können (A4.3.2) umschreiben in C 44 (Δu 1 −

∂2 u1 ∂2 u2 ∂2 u3 ∂2 u2 ∂2 u3 ∂2 u1 ∂2 u1 + + ) + C ( + + − ) 12 ∂x 12 ∂x 1 ∂x 2 ∂x 1 ∂x 3 ∂x 1 ∂x 2 ∂x 1 ∂x 3 ∂x 12 ∂x 12 + C 11

∂2 u1 ∂2u1 − ρ = 0. ∂x 12 ∂t 2

(A4.3.5)

Dies können wir weiter vereinfachen zu ∂ ∂2 u1 ∂2u1 (∇ ⋅ u) + (C 11 − C 12 − 2C 44 ) − ρ 2 = 0 . (A4.3.6) C 44 Δu 1 + (C 12 + C 44 ) 2 ∂t S .// / / / / / / / / / / 0// / / / / / / / / / / / 1 ∂x 1 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 ∂x 1 =a

=b

=c

Analoge Ausdrücke erhalten wir für u 2 und u 3 . Wir können somit allgemein schreiben: aΔu j + b

∂2u j ∂2u j ∂ (∇ ⋅ u) + c 2 − ρ 2 = 0 ∂x j ∂x j ∂t

∀ j = 1, 2, 3 .

(A4.3.7)

Zur Lösung dieser Differentialgleichung machen wir den Ansatz u(r, t) = u0 e ı(k⋅r−ωt) u j = u 0 j e ı(k 1 x 1 +k 2 x 2 +k 3 x 3 −ωt) .

(A4.3.8)

Setzen wir diesen Ansatz in die Bewegungsgleichung ein und verwenden ∂2 u j ∂2u j ∂2 u j + + = −u j (k 12 + k 22 + k 32 ) = −u j k 2 ∂x 12 ∂x 22 ∂x 32 ∂ ∂ ∂u 1 ∂u 2 ∂u 3 (∇ ⋅ u) = ( + + ) ∂x j ∂x j ∂x 1 ∂x 2 ∂x 3 ∂ ı(u 1 k 1 + u 2 k 2 + u 3 k 3 ) = −k j (u ⋅ k) = ∂x j Δu j =

(A4.3.9)

(A4.3.10)

∂2u j = −k 2j u j ∂x 2j

(A4.3.11)

∂2u j = −ω 2 u j , ∂t 2

(A4.3.12)

so erhalten wir ak 2 u 0 j + bk j (k ⋅ u0 ) + ck 2j u 0 j − ρω 2 u 0 j = 0

∀ j = 1, 2, 3 .

(A4.3.13)

4 Elastische Eigenschaften

65

Wir können dieses Gleichungssystem in Matrixform schreiben und erhalten bk 1 k 2 bk 1 k 3 ⎞ ⎛ u 01 ⎞ ⎛ ak + bk 1 + ck 1 − ρω bk 2 k 1 ak 2 + bk 22 + ck 22 − ρω 2 bk 2 k 3 ⎟ ⎜ u 02 ⎟ = 0 . ⎜ ⎝ bk 3 k 1 bk 3 k 2 ak 2 + bk 32 + ck 32 − ρω 2 ⎠ ⎝ u 03 ⎠ .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 2

2

2

2

=M

(A4.3.14) Durch Umformen der Matrix M erhalten wir mit der Abkürzung α = a + b + c 2 2 2 2 bk 1 k 2 bk 1 k 3 ⎞ ⎛ k 1 α + a(k 2 + k 3 ) − ρω bk 2 k 1 k 22 α + a(k 12 + k 32 ) − ρω 2 bk 2 k 3 ⎟ (A4.3.15) ⎜ ⎝ bk 3 k 1 bk 3 k 2 k 32 α + a(k 12 + k 22 ) − ρω 2 ⎠

Wir können nun α = a + b + c = C 11 , a = C 44 , b = C 12 + C 44 verwenden und erhalten 2 2 2 2 (C 12 + C 44 )k 1 k 2 (C 12 + C 44 )k 1 k 3 ⎞ ⎛ C 11 k 1 + C 44 (k 2 + k 3 ) − ρω (C 12 + C 44 )k 2 k 1 C 11 k 22 + C 44 (k 12 + k 32 ) − ρω 2 (C 12 + C 44 )k 2 k 3 ⎟ ⎜ ⎝ (C 12 + C 44 )k 3 k 1 (C 12 + C 44 )k 3 k 2 C 11 k 32 + C 44 (k 12 + k 22 ) − ρω 2 ⎠ (A4.3.16)

Die Lösungen für ω erhalten wir, indem wir det M = 0 setzen. Wir betrachten dabei verschiedene Ausbreitungsrichtungen (siehe Abb. 4.1): [100] Richtung k3

[110] Richtung k3

[111] Richtung k3 k[111]

k2 k[100]

k2 k1

k[110]

k2 k1

Abb. 4.1: Wellenvektoren k j und Auslenkungen u j bei der Ausbreitung von Gitterschwingungen in [100]-, [110]- und [111]-Richtung.

∎ Ausbreitung in [100]-Richtung (k 1 ≠ 0, k 2 = k 3 = 0): Wir erhalten   C 11 k 2 − ρω 2 0 0   1  = 0  2 2 0 C k − ρω 0 44 1    0 0 C 44 k 12 − ρω 2   (C 11 k 12 − ρω 2 )(C 44 k 12 − ρω 2 )2 = 0

(A4.3.17)

66

4 Elastische Eigenschaften

und damit



ω1 = √ ω2 = √ ω3 =

C 11 k1 , ρ

u0 = (u 01 , 0, 0) (longitudinale Welle)

C 44 k1 , ρ

u0 = (0, u 02 , 0) (transversale Welle)

C 44 k1 , ρ

u0 = (0, 0, u 03 ) (transversale Welle)

Für die Phasengeschwindigkeit v s = ω/∣k[100] ∣ = ω/k 1 ergibt sich √ √ C 11 C 44 v s,1 = , v s,2 = v s,3 = ρ ρ

(A4.3.18)

(A4.3.19)

∎ Ausbreitung in [110]-Richtung (k 1 = k 2 ≠ 0, k 3 = 0): Wir erhalten   (C 11 + C 44 )k 2 − ρω 2 (C 12 + C 44 )k 12 0 1   2 2 2  = 0  (C 12 + C 44 )k 1 (C 11 + C 44 )k 1 − ρω 0   2 2   k − ρω 0 0 2C  44 1  und damit



ω3 = √ ω1 = √

(A4.3.20)

2C 44 + C 11 + C 12 k1 , ρ

u0 =

2C 44 k1 , ρ

u0 = (0, 0, u 03 ) (transv. Welle) (A4.3.21)

C 11 − C 12 k1 , ρ

u0 =

(u 01 , u 01 , 0) √ (long. Welle) 2

(−u 01 , u 01 , 0) (transv. Welle) √ 2 √ Für die Phasengeschwindigkeit v s = ω/∣k[110] ∣ = ω/ 2k 1 (siehe Abb. 4.1) ergibt sich √ √ √ C 44 C 11 − C 12 2C 44 + C 11 + C 12 v s,1 = , v s,2 = , v s,3 = (A4.3.22) ρ 2ρ 2ρ ω2 =

∎ Ausbreitung in [111]-Richtung (k 1 = k 2 = k 3 ≠ 0): Wir erhalten   (2C 44 + C 11 )k 2 − ρω 2 (C 12 + C 44 )k 12 (C 12 + C 44 )k 12   1  = 0  2 2 2 2 (C 12 + C 44 )k 1 (2C 44 + C 11 )k 1 − ρω (C 12 + C 44 )k 1   2 2 2 2  (C 12 + C 44 )k 1 (C 12 + C 44 )k 1 (2C 44 + C 11 )k 1 − ρω  (A4.3.23)

4 Elastische Eigenschaften

67

und damit √ 4C 44 + C 11 + 2C 12 ω1 = k1 , ρ √ C 44 − C 12 + C 11 k1 , ω2 = ρ √ C 44 − C 12 + C 11 ω3 = k1 , ρ

u0 =

(u 01 , u 01 , u 01 ) (long. Welle) √ 3

u0 =

(−u 01 , 0, u 01 ) (transv. Welle) √ 3

(A4.3.24)

(−u 01 , u 01 , 0) √ (transv. Welle) 3 √ Für die Phasengeschwindigkeit v s = ω/∣k[111] ∣ = ω/ 3k 1 (siehe Abb. 4.1) ergibt sich √ √ 4C 44 + C 11 + 2C 12 C 44 − C 12 + C 11 v s,1 = , v s,2 = , 3ρ 3ρ √ C 44 − C 12 + C 11 (A4.3.25) v s,3 = 3ρ u0 =

Die Phasengeschwindigkeiten für die verschiedenen Ausbreitungsrichtungen sind in Tabelle 4.1 zusammengefasst. Tabelle 4.1: Phasengeschwindigkeiten von Gitterschwingungen in kubischen Medien für die Ausbreitung in [100], [110] und [111] Richtung. Richtung longitudinal (Kompressionswelle)

L

transversal (Torsionswelle)

T1 T2

[100] √

[110] √

[111] √







C 11 ρ



C 44 ρ C 44 ρ

C 11 +C 12 +2C 44 2ρ



C 44 ρ C 11 −C 12 2ρ

C 11 +2C 12 +4C 44 3ρ



C 11 −C 12 +C 44 3ρ C 11 −C 12 +C 44 3ρ

5

Dynamik des Kristallgitters

A5.1

Lineare Kette aus gleichen Atomen

Gegeben sei eine lineare, quasi-elastische Kette aus Atomen der Masse M = 200 amu. Der Abstand zwischen benachbarten Atomen sei a = 4 Å. Wechselwirkung herrsche nur zwischen den nächsten Nachbarn. (a) Die Schallgeschwindigkeit sei v s = 4000 m/s. Wie groß ist die Kopplungskonstante C zwischen benachbarten Atomen? (b) Wie groß ist die maximale Frequenz einer ungedämpften Welle? (c) Skizzieren Sie die Auslenkung einiger Atome für eine Welle mit q = πa und für eine Welle π mit q = 2a , jeweils für ωt = 0 und ωt = π2 . Lösung

(a) Wir gehen von der Dispersionsrelation qa 4C ω (q) = sin2 M 2 2





ω(q) = 2

C qa ∣sin ∣ M 2

(A5.1.1)

für eine eindimensionale Kette von Atomen aus. Die Schallgeschwindigkeit ist √ √ ⎧ ⎫ ⎪ ⎪ C a C ∂ω(q) qa ⎪ ⎪ vs = { = ⎨2 = a } cos ⎬ (A5.1.2) ⎪ ∂q M2 2 ⎪ M ⎪ ⎪ q→0 ⎩ ⎭q→0 Auflösen nach C ergibt C =

Mv s2 . a2

(A5.1.3)

Einsetzen der angegebenen Werte für die Atommasse (M = 200 ⋅ 1.66 × 10−27 = 3.32 × 10−25 kg) und die Schallgeschwindigkeit (v s = 4000 m/s) liefert C ≃ 33.2 kg/s2 (N/m). (b) In der Dispersionsrelation √ √ C C qa ω(q) = 2 ∣sin ∣ ≤ ω max = 2 (A5.1.4) M 2 M kann der Sinus höchstens 1 werden. Der Zahlenwert für die maximale Schwingungsfrequenz ist ω max ≃ 2 × 1013 1/s (ω max /2π ≃ 3 THz).

70

5 Gitterdynamik

Re u

గ ǡͲ ௔

Im u

గ ǡͲ ௔

Re u

గ గ ǡ ௔ ଶ

Im u

గ గ ǡ ௔ ଶ

Re u

గ ǡͲ ଶ௔

Im u

గ ǡͲ ଶ௔

(1)

(2)

(3)

Abb. 5.1: Darstellung der Auslenkung der Atome für die WellenvekRe u toren q = π/a (Rand der BZ) und q = π/2a (Mitte zwischen Rand (4) Im u und Zentrum der Brillouin-Zone).

గ గ ǡ ଶ௔ ଶ గ గ ǡ ଶ௔ ଶ

(c) Die Lösungen der Bewegungsgleichungen für die eindimensionale Kette sind von der Form u n (t) = u 0 e ı(n qa−w t) ,

(A5.1.5)

wobei a der Abstand benachbarter Atome und n eine ganze Zahl ist. Die Auslenkung ergibt sich nun als Real- oder Imaginärteil dieser Wellenfunktion: π u n ∝ e ı nπ = (−1)n q = , ωt = 0 ∶ a π π q = , ωt = ∶ u n ∝ e ı nπ−ı π/2 = −ı(−1)n a 2 π q = , ωt = 0 ∶ u n ∝ e ı nπ/2 = (ı)n 2a π π q = (A5.1.6) , ωt = ∶ u n ∝ e ı(n−1)π/2 = (−ı)(ı)n . 2a 2 Der Unterschied zwischen Real- und Imaginärteil ist eine Phasenverschiebung um ±90○ . Im Fall 1 (siehe Abb. 5.1) bedeutet das identische Verschwinden des Imaginärteils für alle n, dass bei dieser Phasenlage alle Atome in Ruhe sind. Im Fall 2 sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Am Rand der Brillouin-Zone (q = π/a) schwingen die Atome gegenphasig. In der Mitte zwischen Rand und Zentrum der Brillouin-Zone (q = π/2a) schwingen die übernächsten Atome gegenphasig. Im Zentrum der Brillouin-Zone (q = 0) haben alle die gleich Phasenlage. A5.2

Wellengleichung im Kontinuum

Betrachten Sie eine lineare monoatomare Kette aus äquidistanten Atomen der Masse M im Abstand a, die um ihre Gleichgewichtslage kleine Schwingungen ausführen können (longitudinale Polarisation, harmonische Näherung). Eine Wechselwirkung bestehe ausschließlich

5 Gitterdynamik

71

zwischen nächsten Nachbarn und sei durch die Federkonstante C charakterisiert. Die Position des n-ten Atoms sei durch x n (t) = na + u n (t) beschrieben. (a) Zeigen Sie, dass die Auslenkung u n (t) des n-ten Atoms der Differentialgleichung M

d 2 u n (t) = −C [2u n (t) − u n+1 (t) − u n−1 (t)] dt 2

genügt. (b) Lösen Sie diese Gleichung mit dem Ansatz u n (t) = u 0 (t)e ı qna und leiten Sie eine Dispersionsrelation zwischen Frequenz ω und der Wellenzahl q ab. (c) Diskutieren Sie den langwelligen Limes qa ≪ 1 und zeigen Sie insbesondere, dass sich aus der obigen Differentialgleichung die Schall-Wellengleichung ∂ 2 u(x, t) ∂ 2 u(x, t) − v s2 = 0 2 ∂t ∂x 2 ergibt, wenn man zur Kontinuumsbeschreibung u n±1 (t) = u(x ± a, t) übergeht. Lösung

(a) Wir gehen bei unseren Rechnungen von der Position der Atome x n (t) = na + u n (t)

(A5.2.1)

aus, bei der u n (t) eine kleine Auslenkung aus der Gleichgewichtslage na des n-ten Atoms bedeutet. Die Parameter dieser Beschreibung sind (i) die Masse M der Atome und (ii) die Kraftkonstanten C p , die die Hookesche Kraft Fn zwischen dem n-ten und dem (n + p)-ten Atom beschreibt Fn = − ∑ C p [u n (t) − u n+p (t)] .

(A5.2.2)

p≠0

Die Newtonsche Bewegungsgleichung lautet dann für die Kette M

d 2 u n (t) = Fn = ∑ C p [u n+p (t) − u n (t)] . dt 2 p≠0

(A5.2.3)

Unter der Annahme, dass C−p = C p können wir die Summe über den Index p wie folgt umschreiben: M

d 2 u n (t) = ∑ C p [u n+p − u n ] − ∑ C p [u n+p − u n ] dt 2 p>0 p0

= − ∑ C p [2u n − u n+p − u n−p ] . p>0

(A5.2.4)

72

5 Gitterdynamik

Für den Spezialfall nur nächster Nachbarnwechselwirkung (C 1 = C−1 = C und C p = C−p = 0 für p > 1) ergibt sich M

d 2 u n (t) = −C [u n (t) − u n+1 (t)] − C [u n (t) − u n−1 (t)] dt 2 = −C [2u n (t) − u n+1 (t) − u n−1 (t)] .

(A5.2.5)

(b) Zur Lösung dieser Differentialgleichung verwenden wir nun den folgenden Lösungsansatz u n (t) = u 0 (t)eı qna .

(A5.2.6)

Dies liefert sofort M

d 2 u 0 (t) = − ∑ C p [2 − e ı q pa − e−ı q pa ] u 0 (t) dt 2 p>0 = −2 ∑ C p [1 − cos(qpa)] u 0 (t) p>0

qpa ) u 0 (t) = −Mω 2 (q)u 0 (t) . 2 p>0 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1

= − 4 ∑ C p sin2 (

(A5.2.7)

=Mω 2 (q)

Wir haben somit eine Differentialgleichung für einen harmonischen Oszillator mit einer wellenzahlabhängigen Frequenz ω(q) abgeleitet: d 2 u 0 (t) + ω 2 (q)u 0 (t) dt 2 4 2 2 qpa ω 2 (q) = ) = ∑ C p sin ( ∑ C p [1 − cos (qpa)] . M p>0 2 M p>0 0=

(A5.2.8)

Im Spezialfall nur nächster Nachbarwechselwirkung erhalten wir dann mit C 1 = C−1 = C ω 2 (q) =

4C qpa 2C sin2 ( ) = [1 − cos (qpa)] . M 2 M

(A5.2.9)

Wir erhalten folgende Eigenschaften von ω(q): ∎ Periodizität: 2π ω(q) = ω (q + n ) n = 0, ±1, ±2, . . . a ∎ Parität bezüglich q → −q: ω(q) = ω(−q) ∎ Maximum von ω(q): √ O P2 C P Q ω max = max{ω(q)} = ∑ C p [1 − (−1)] = 2 Y M p>0 M (c) Verhalten im langwelligen Limes qa → 0:

(A5.2.10) (A5.2.11) (A5.2.12)

n.n.

In diesem Limes spielen sich räumliche Veränderungen auf Längenskalen ab, die groß gegen die Gitterkonstante a sind. Als Folge davon ist eine Kontinuumsbeschreibung

5 Gitterdynamik

73

möglich. Die Dispersion lautet in diesem Limes (wir benutzen cos x ≃ 1 − 12 x 2 ) O 2 P2 Q ∑ C p [1 − (1 − (qpa) )] lim ω(q) = P ω→0 M p>0 2 O P1 Q ∑ C p p2 ⋅ q = vs ⋅ q . (A5.2.13) = aP M p>0 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 =v s

Im Spezialfall nur nächster Nachbarwechselwirkung (C 1 = C−1 = C und C p = C−p = 0 für p > 1) erhalten wir dann √ O P1 Ca 2 Q ∑ C p p2 = vs = aP . (A5.2.14) M p>0 M Zur Ableitung einer Schallwellengleichung im langwelligen Limes kann u n (t) als kontinuierliche Funktion von einer reellen Variablen x aufgefasst werden: u n (t) → u(x, t), u n±p → u(x ± pa, t) .

(A5.2.15)

Wir entwickeln den Ausdruck für die Auslenkung der Atome aus ihrer Ruhelage in eine Taylor-Reihe um die Gleichgewichtsposition u n±p (t) = u(x ± pa, t) ∂u(x, t) 1 ∂ 2 u(x, t) (pa)2 ± . . . . (A5.2.16) pa + ∂x 2 ∂x 2 Diese Taylor-Entwicklung können wir nun in den Ausdruck für die Hookesche Kraft einsetzen und erhalten = u(x, t) ±

Fn = − ∑ C p [2u n (t) − u n+p (t) − u n−p (t)] p>0

= − ∑ C p [2u(x, t) − u(x + pa, t) − u(x − pa, t)] p>0

= − ∑ Cp[ − p>0

+ = M

∂u(x, t) 1 ∂ 2 u(x, t) (pa)2 pa − ∂x 2 ∂x 2 ∂u(x, t) 1 ∂ 2 u(x, t) (pa)2 + . . . ] pa − ∂x 2 ∂x 2

2 2 a2 2 ∂ u(x, t) 2 ∂ u(x, t) = Mv . ∑ Cp p s M p>0 ∂x 2 ∂x 2 .// / / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / / 1

(A5.2.17)

=v s2

Wir haben somit im langwelligen Limes (Kontinuumsnäherung) die eindimensionale Wellengleichung 2 ∂ 2 u(x, t) 2 ∂ u(x, t) = v s ∂t 2 ∂x 2 für die lineare monoatomare Kette abgeleitet.

(A5.2.18)

74 A5.3

5 Gitterdynamik Lineare Kette aus zweiatomigen Molekülen

Abb. 5.2: Lineare Kette aus zweiatomigen Molekülen. unͲ1

M

M

n1

C1=10 C

M

C1=10 C

Untersuchen Sie die Grundschwingungen einer linearen Kette aus zweiatomigen Molekülen, die aus gleichen Atomen der Masse M bestehen. Der Abstand der Atome im Molekül und der Abstand zwischen den Molekülen soll gleich sein und a/2 betragen (siehe Abb. 5.2). Die Kraftkonstanten zwischen den Atomen desselben Moleküls soll C 1 = 10 ⋅ C und zwischen Atomen zweier benachbarter Moleküle C 2 = C betragen. Die Kopplung mit übernächsten Nachbarn soll vernachlässigt werden. Wir erhalten so eine lineare Kette aus Atomen mit Masse M und Abstand a/2, bei der die Federkonstante zwischen den einzelnen Atomen abwechselnd groß und klein ist. Diese Anordnung stellt ein einfaches Modell für einen Kristall aus zweiatomigen Molekülen wie z. B. H2 dar. a M

n

vnͲ1

un

a/2

a/2 n+1

vn

un+1

vn+1

Bestimmen Sie ω(q) bei q = 0 und q = πa . Fertigen Sie eine Skizze für die Dispersionsrelation an und diskutieren Sie diese. Lösung

Wir betrachten eine Kette mit zwei unterschiedlichen Atomen, die allerdings gleiche Masse M haben sollen. Dabei sei u n die Verschiebung des n-ten Atoms der einen Sorte und v n die Verschiebung des n-ten Atoms der anderen Sorte. Die Bewegungsgleichung können wir dann wie folgt angeben: d 2 un = C 1 (v n − u n ) + C 2 (v n−1 − u n ) dt 2 d 2vn M 2 = C 1 (u n − v n ) + C 2 (u n+1 − v n ) . dt

M

(A5.3.1) (A5.3.2)

Zur Lösung dieses Differentialgleichungssystems machen wir den Ansatz u n (t) = u 0 e ı(qna−ωt) v n (t) = v 0 e

ı(qna−ωt)

(A5.3.3) .

(A5.3.4)

Einsetzen ergibt das folgende algebraische Gleichungssystem: 0 = C 1 (v 0 − u 0 ) + C 2 (v 0 e−ı qa − u 0 ) + Mω 2 u 0 0 = C 1 (u 0 − v 0 ) + C 2 (u 0 e ı qa − v 0 ) + Mω 2 v 0 .

(A5.3.5)

5 Gitterdynamik

75

Dies ist ein homogenes, lineares Gleichungssystem, für das eine nicht triviale Lösung existiert, wenn die Koeffizienten-Determinante verschwindet, also ∣

(C 1 + C 2 ) − Mω 2 −(C 1 + C 2 e−ı qa ) ∣ = 0. −(C 1 + C 2 e ı qa ) (C 1 + C 2 ) − Mω 2

(A5.3.6)

Dies können wir ausmultiplizieren und erhalten [Mω 2 − (C 1 + C 2 )]2 = (C 1 + C 2 e−ı qa )(C 1 + C 2 e ı qa ) = C 12 + C 22 + 2C 1 C 2 cos qa = C 12 + C 22 + 2C 1 C 2 − 2C 1 C 2 (1 − cos qa) qa . (A5.3.7) = C 12 + C 22 − 4C 1 C 2 sin2 2 Die beiden Lösungen dieser quadratischen Gleichung lauten: C1 + C2 1√ 2 C 1 + C 22 + 2C 1 C 2 cos qa ± M M √ qa 1 C1 + C2 (C 1 + C 2 )2 − 4C 1 C 2 sin2 ± . = M M 2

ω±2 =

(A5.3.8)

1. Wir untersuchen zunächst den langwelligen Limes q → 0. In diesem Fall können wir eine Taylor-Entwicklung für die Wurzel- und die Sinus-Funktion durchführen √ √ qa qa C1 C2 2 (C 1 + C 2 )2 − 4C 1 C 2 sin sin2 = (C 1 + C 2 ) 1 − 4 2 (C 1 + C 2 )2 2 ≃ (C 1 + C 2 ) [1 −

q2 a 2 C1 C2 ] (A5.3.9) 2 (C 1 + C 2 )2

und erhalten die beiden Lösungen C1 + C2 q2 a 2 C1 C2 − M 2M C 1 + C 2 2 2 q a C1 C2 ω−2 = 2M C 1 + C 2

ω+2 = 2

(optischer Zweig)

(A5.3.10)

(akustischer Zweig)

(A5.3.11)

und damit für q → 0 (C 1 = 10 C, C 2 = C) √ √ 2(C 1 + C 2 ) 22 C = ω+ = M M O √ P C1 C2 a 2 10 Ca 2 P Q ω− = q = q 2M(C 1 + C 2 ) 22 M

(optischer Zweig)

(A5.3.12)

(akustischer Zweig)

(A5.3.13)

2. Im Fall q = π/a gilt sin2 (qa/2) = 1 und wir erhalten √ qa √ (C 1 + C 2 )2 − 4C 1 C 2 sin2 = (C 1 + C 2 )2 − 4C 1 C 2 = C 1 − C 2 2 C1 + C2 C1 − C2 ω±2 = ± (A5.3.14) M M

76

5 Gitterdynamik

Abb. 5.3: Dispersionsrelation der akustischen und optischen Schwingungen für eine lineare Kette aus zweiatomigen Molekülen, die aus Atomen gleicher Masse M bestehen. Die Kraftkonstanten zwischen den Atomen sind C 1 = 10C und C 2 = C.

und somit



ω+ = √ ω− =

2C 1 = M 2C 2 = M

√ √

20 C M

(optischer Zweig)

(A5.3.15)

2C M

(akustischer Zweig)

(A5.3.16)

In Abb. 5.3 ist der ungefähre Verlauf der Dispersionsrelation dargestellt. Für die eindimensionale Anordnung gibt es genau einen optischen und einen akustischen Zweig, zwischen denen eine Frequenzlücke bei q = ± πa existiert. Die Bezeichnungen „akustisch“ und „optisch“ kommen daher, dass bei akustischen Schwingungen großer Wellenlänge auch alle Atome in Phase mitschwingen. Bei der optischen Schwingung ist die Auslenkung der beiden Atome dagegen gegenphasig, wobei der Schwerpunkt sich nicht bewegt. Bei Ionenkristallen (z. B. NaCl) koppeln optische Moden gut an elektromagnetische Wellen an, weshalb man sie optisch gut anregen kann. A5.4

Lineare Kette mit übernächster Nachbarwechselwirkung

Betrachten Sie eine lineare Kette aus identischen Atomen bei den Positionen x p = pa, p = 1, 2, . . .. Die Wechselwirkung sei quasi-harmonisch. Die Kopplungskonstante zwischen übernächsten Nachbarn sei 1/ν mal so groß (ν = 2, 3, . . .) wie die Kopplungskonstante zwischen den nächsten Nachbarn; zwischen weiter voneinander entfernten Atomen sei sie Null. (a) Bestimmen Sie die Dispersionsrelation ω(q) und skizzieren Sie diese. (b) Für welche ganzzahligen Werte ν liegt das Maximum in der Dispersionskurve bei Wellenzahlen q < π/a? (c) Wie groß ist die maximale Frequenz einer ungedämpften Welle? Diskutieren Sie insbesondere den Fall ν = 2. (d) Wie groß ist die Schallgeschwindigkeit?

5 Gitterdynamik

77

Lösung

Wir setzen unser Bezugsatom auf den Gitterplatz x n = na = 0, die Atome mit der Federkonstanten C auf die Plätze −a und +a und die Atome mit der Federkonstanten C/ν auf die Plätze −2a und +2a usw.. Als Bewegungsgleichung ergibt sich unter Annahme eines harmonischen Potenzials M

d 2 un C C = C[u n−1 − u n ] + C[u n+1 − u n ] + [u n−2 − u n ] + [u n+2 − u n ] 2 dt ν ν C (A5.4.1) = [u n+2 + u n−2 − 2u n ] + C [u n+1 + u n−1 − 2u n ] . ν

(a) Mit dem Ansatz u n (t) = u 0 e ı(qna−ωt)

(A5.4.2)

erhalten wir C 2ı qa [e + e−2ı qa − 2] u 0 + C [e ı qa + e−ı qa − 2] u 0 ν 2C Mω 2 = [1 − cos 2qa] + 2C [1 − cos qa] ν qa 4C 4C sin2 qa + sin2 , ω2 = νM M 2

−Mω 2 u 0 =

(A5.4.3)

wobei wir die Identität 1 − cos z = 2 sin2 z/2 benutzt haben. Die gesuchte Dispersionsrelation lautet somit qa 1 2 4C (A5.4.4) ω 2 (q) = [sin2 + sin qa] . M 2 ν Schließlich verwenden wir noch sin z = 2 sin 2z cos 2z und erhalten die Dispersionsrelation zu qa qa 4C 4 ω 2 (q) = sin2 [1 + cos2 ] M 2 ν 2 √ √ C qa 4 qa ∣sin ∣ [1 + cos2 ] ω(q) = 2 M 2 ν 2 √ ν→∞ C qa % ∣sin ∣ . (A5.4.5) = 2 M 2 Diese Dispersionsrelation ist in Abb. 5.4 für verschiedene Werte von ν dargestellt.

78

5 Gitterdynamik

ν=1 ν=2 ν=3 ν=4

1.2

ω / 2(C/M)1/2

1.0

Abb. 5.4: Dispersionsrelation einer linearen Kette aus identischen Atomen mit endlicher Kopplung C/ν (ν = 1, 2, 3, 4) zwischen übernächsten Nachbarn.

0.8 0.6

ν=∞

0.4 0.2 0.0 -1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

qa / π

(b) Das Maximum von ω(q) folgt aus (A5.4.5). Mit x = qa/2 erhalten wir 4 cos2 x] ν 4 4 f ′ (x) = 2 sin x cos x [1 + cos2 x] − sin2 x 2 sin x cos x ν ν 4 4 = 2 sin x cos x [1 + cos2 x − sin2 x] ν ν 4 = 2 sin x cos x [1 + (1 − 2 sin2 x)] = 0 . ν Daraus folgt sofort f (x) = sin2 x [1 +

(A5.4.6)

ν 4 4+ν (1 + ) = . (A5.4.7) 8 ν 8 Man beachte, dass die obigen Gleichungen eine Schlussfolgerung über die Existenz eines Maximums in der Dispersionskurve ω(q) für q < π/a zulassen: aus max{sin2 x} = 1 folgt nämlich, dass ν nur die Werte ν = 2, 3, 4 annehmen kann. Für ν = 5 liegt das Maximum bei q = π/a, wie im Fall ν → ∞. (c) Für die maximale Frequenz erhalten wir das Resultat sin2 x =

4C 4 + ν 44−ν C (4 + ν)2 [1 + ] = 4 . (A5.4.8) M 8 ν 8 M 16ν √ Wir erkennen, dass ω max > ω(π/a) = 2 C/M für die Fälle ν = 1, 2, 3, da der Faktor (4 + ν)2 /16ν > 1 ist. Das heißt, das Maximum der Dispersionskurve liegt bei Wellenzahlen q < π/a. Im Spezialfall ν = 2 ergibt sich √ C 3 ω max = √ . (A5.4.9) M 2 ω 2max = max{ω 2 (q)} =

5 Gitterdynamik

79

(d) Die Schallgeschwindigkeit erhalten wir als Steigung der Dispersionskurve für q → 0: √ √ C qa 4 qa ω(q) = 2 ∣sin ∣ [1 + cos2 ] M 2 ν 2 ∂ω(q) . (A5.4.10) vs = { } ∂q q→0 Für qa ≪ 1 können wir den Sinus durch sein Argument und den Kosinus durch 1 ersetzen: qa qa qa sin ≃ , cos ≃ 1. (A5.4.11) 2 2 2 Wir erhalten damit √ √ √ √ C qa 4 + ν Ca 2 4 1+ = q ω(q) = 2 M 2 ν ν M √ √ √ ν=2 4 + ν Ca 2 \ Ca 2 vs = 3 . (A5.4.12) = ν M M Wir sehen, dass die Schallgeschwindigkeit mit wachsender Federkonstante C zunimmt und mit wachsender Masse der Atome abnimmt. Mit größer werdendem ν, das heißt mit abnehmender Kopplung an die übernächsten Nachbarn, nimmt die Schallgeschwindigkeit ab. Dies können wir dadurch verstehen, dass die effektive Kopplungskonstante C(4 + ν)/ν mit zunehmendem ν kleiner wird. A5.5

Ultraschallexperiment

In einem Ultraschallexperiment wird ein piezoelektrisches Element (Übertrager) mit einer der Grenzflächen eines quaderförmigen Kristalls in Kontakt gebracht (siehe Abb. 5.5). Ein Hochfrequenzimpuls am Übertrager erzeugt über den piezoelektrischen Effekt eine oszillierende Verformung, also einen Schallimpuls, der sich über den Kristall ausbreitet und an der dem Übertrager gegenüberliegenden Fläche reflektiert wird. Kehrt die Schallwelle zum Übertrager zurück, erzeugt sie, wiederum aufgrund des piezoelektrischen Effekts, ein Spannungssignal, dessen Zeitverschiebung gegenüber dem Anregungsimpuls aufgezeichnet wird. Der Kristall habe eine kubische Struktur und sei parallel zu den (100)-Achsen geschnitten. In Ausbreitungsrichtung sei die Probe 1 cm lang. Es werde ein Impuls mit einer Frequenz von 100 MHz und 0.5 μs Dauer erzeugt. Die Reflexe treffen im Abstand von 16 μs am Übertrager ein. Probe

UltraschallͲ übertrager

Hochfrequenzgenerator undͲEmpfänger

Abb. 5.5: Experimenteller Aufbau bei einem Ultraschallexperiment.

80

5 Gitterdynamik

(a) Berechnen Sie die Schallgeschwindigkeit v s in der Probe. (b) Welche Art von Phononen regt man in diesem Experiment an? (c) Ist eine Frequenz von 100 MHz groß oder klein für eine Phononenenergie in einen Festkörper? Wie lautet der Zusammenhang zwischen der Anregungsfrequenz, Wellenzahl q und Schallgeschwindigkeit bei sehr kleinen Frequenzen? (d) Welchem Gesetz ω(q) folgt die Dispersion in der ersten Brillouin-Zone zwischen q = (0, 0, 0) und (π/a, 0, 0) in harmonischer Näherung, wenn man nur die Wechselwirkung zwischen nächsten Nachbarn berücksichtigt? (e) Berechnen Sie die Energie dieses Phononenzweiges am Rand der Brillouin-Zone mit den angegebenen Parametern und der Gitterkonstante a = 5 Å. Lösung

(a) Da das Ultraschallsignal die Probenlänge L = 1 cm zweimal durchläuft, ist die Schallgeschwindigkeit gegeben durch 2L 2 ⋅ 0.01 m m = = 1250 . (A5.5.1) −6 t 16 × 10 s s (b) Mit dem Ultraschallgeber werden longitudinale akustische Phononen angeregt, da der Ultraschallübertrager eine elastische Verformung in Ausbreitungsrichtung der Schallwelle erzeugt. (c) Eine Frequenz von 100 MHz ist sehr klein für eine Phononenfrequenz in einem Festkörper. Typischerweise liegt die maximale Frequenz von longitudinal akustischen Phononen in Festkörpern bei mehreren THz. Selbst im Fall eines sehr weichen Materials wie hier Pb liegen die Phononenfrequenzen am Rand der Brillouin-Zone bei etwa 2 THz, was einer Energie von etwa 8 meV entspricht. Die mit einer Frequenz von 100 MHz angeregten longitudinal akustischen Gitterschwingungen haben deshalb Wellenzahlen sehr nahe am Zentrum der Brillouin-Zone (q ≃ 0). In diesem Bereich liegt eine näherungsweise lineare Dispersionsrelation ω(q) = v s q vor, wobei die Schallgeschwindigkeit v s vom Zweig und von der Ausbreitungsrichtung abhängt. In dem durchgeführten Experiment wird also in sehr guter Näherung die Schallgeschwindigkeit gemessen. Eine ausführliche Diskussion der Schallausbreitung im Grenzfall großer Wellenlängen (Kontinuumsgrenzfall) kann in den Aufgaben A4.2 und A4.3 gefunden werden. (d) Im hier vorliegenden Fall einer longitudinalen Gitterschwingung in [100]-Richtung in einem kubischen Material gilt [vgl. hierzu (A5.2.9)] √ qa≪1 √ C C qa \ ∣q∣ . (A5.5.2) ∣sin ∣ ≃ a ω(q) = 2 M 2 M .// / / 0/ / / / 1 vs =

vs

√ (e) Nach Gleichung (A5.5.2) können wir a C/M durch v s ausdrücken und erhalten √ C π 2v s ω (q = ) = 2 = . (A5.5.3) a M a

5 Gitterdynamik

81

Mit v s = 1250 m/s und a = 5 Å erhalten wir 2 ⋅ 1250 −1 π s = 5 × 1012 s−1 . ω (q = ) = a 5 × 10−10

(A5.5.4)

Die dazugehörige Phononenenergie beträgt ħω = 3.1 meV. Der Wert von ω/2π = 0.796 THz liegt unter dem mit Neutronen gemessenen Wert von etwa 2 THz. Das liegt hier im Wesentlichen daran, dass bei der Ableitung der obigen Dispersionsrelation nur nächste Nachbarwechselwirkung berücksichtigt wurde und ferner auch daran, dass die Elektron-Phonon-Wechselwirkung in Pb sehr stark ist. A5.6

Massendefekt in linearer Atomkette

Wir betrachten eine lineare Atomkette aus Atomen der Masse m und Gitterabstand a. Die Federkonstante zwischen allen Atomen sei gleich und betrage C. Die Kopplung der Atome soll durch nächste Nachbarwechselwirkungen beschrieben werden (siehe Abb. 5.6). Wir nehmen an, dass ein Atom an der Position p = 0 durch ein anderes Atom der Masse M ersetzt ist. m C m C m C M C m C m C m p2

p1

p=0

p+1

p+2

Abb. 5.6: Lineare Atomkette mit Massendefekt.

Berechnen Sie die Eigenfrequenz dieser linearen Kette und diskutieren Sie die Lösung. Gehen Sie dabei von dem Lösungsansatz u p = A e−q(ω)∣pa∣−ı ωt für die Auslenkung u p des p-ten Atoms aus (lokalisierte Mode). Hierbei ist p eine ganze Zahl. Lösung

Falls die Auslenkung des p-ten Atoms u p ist, können wir die Bewegungsgleichung der Atome mit den Platznummern p = −1, 0, +1 wie folgt schreiben: mu¨−1 = C [u−2 + u 0 − 2u−1 ] M u¨ 0 = C [u−1 + u 1 − 2u 0 ] mu¨ 1 = C [u 0 + u 2 − 2u 1 ] .

(A5.6.1)

Dies lässt sich für beliebige Indizes p ≠ 0 verallgemeinern zu mu¨ p = C [u p−1 + u p+1 − 2u p ] M u¨ 0 = C [u−1 + u 1 − 2u 0 ] .

(A5.6.2)

82

5 Gitterdynamik

ausdrücken. Zur Lösung dieser gekoppelten Gleichungen machen wir den Ansatz u p (t) = A e−q∣p∣a−ı ωt ,

(A5.6.3)

welcher für positive Wellenzahlen q > 0 ein räumliches Abklingen der Amplitude mit der Entfernung vom Massendefekt antizipiert. Für p = 0 erhalten wir dann −Mω 2 A = CA [e−qa + e−qa − 2] .

(A5.6.4)

Für p > 0 erhalten wir −mω 2 Ae−q∣p∣a = CA [e−q∣p−1∣a + e−q∣p+1∣a − 2e−q∣p∣a ] −mω 2 A = CA [e+qa + e−qa − 2] .

(A5.6.5)

Für p < 0 erhalten wir −mω 2 Ae−q∣p∣a = CA [e−q∣p+1∣a + e−q∣p−1∣a − 2e−q∣p∣a ] −mω 2 A = CA [e−qa + e+qa − 2] ,

(A5.6.6)

also das gleiche Resultat wie im Fall p > 0. Die verbleibende Aufgabe ist somit die Lösung der gekoppelten Gleichungen (A5.6.4) und (A5.6.5). Hierzu setzen wir z = eqa und können schreiben C 1 2 [ − 1] M z C 1 [z + − 2] −ω 2 = m z −ω 2 =

C [1 − z] M C 2 C [z − 2z + 1] = → −ω 2 z = (1 − z)2 . m m

→ −ω 2 z = 2

(A5.6.7) (A5.6.8)

Division von (A5.6.8) durch (A5.6.7) ergibt dann sofort 1M m [1 − z] → z = 1−2 2m M m qa = ln (1 − 2 ) . M 1=

(A5.6.9)

Dieses Resultat können wir nun in (A5.6.8) einsetzen, um die Dispersion ω(q) zu erhalten: m

C (1 − z)2 C M → ω2 = 4 m z m 2− M m √ O m P C P Q M . ω =2 m 2− M m

−ω 2 =

(A5.6.10) (A5.6.11)

5 Gitterdynamik

83

Zur weiteren Diskussion der physikalischen Bedeutung dieser Dispersionsrelation definieren wir das Massenverhältnis x = M/m und erhalten ω = √

√ C 2 m

x(2 − x) x−2 qa = ln . x

(A5.6.12) (A5.6.13)

Abhängig vom Massenverhältnis x können wir nun eine Aufteilung in verschiedene Bereiche vornehmen: 1.

M > 2m oder x > 2: In diesem Fall ist

√ C 2 m = −ıΩ (A5.6.14) ω = √ ı x(x − 2) x−2 qa = ln = −∣q∣a . (A5.6.15) x Das heißt, ω ist imaginär und q negativ und reell. Wir erhalten für die Amplitude u p u p (t) = A e∣q p∣a−Ωt .

(A5.6.16)

Dies bedeutet ein Anwachsen der Amplitude mit der Entfernung vom Massendefekt und ein exponentielles Abklingen mit der Zeit. 2. m < M < 2m oder 1 < x < 2: In diesem Fall können wir schreiben √ C 2 m (A5.6.17) ω = √ x(2 − x) x −2 x −2 qa = ln [− ] = ıπ + ln = ıπ − ∣Q∣a . (A5.6.18) x x Wir sehen, dass ω reell und q komplex ist. Für die Amplitude u p erhalten wir damit u p (t) = A e−ı π∣p∣+∣Q p∣a−ı ωt .

(A5.6.19)

Dies bedeutet erneut ein Anwachsen der Amplitude mit der Entfernung vom Massendefekt und eine harmonische Zeitabhängigkeit. 3. 0 < M < m oder 0 < x < 1: In diesem Fall gilt √ C 2 m ω = √ x(2 − x) x−2 qa = ln > 0 x

(A5.6.20) (A5.6.21)

m < M < 2m: Anwachsen im Ortsraum

2m < M: Z ist imaginär

Abb. 5.7: Abhängigkeit der Eigenfrequenz einer linearen Kette von Atomen mit Masse m als Funktion der Masse M eines in die Kette eingebauten Massendefekts.

0 < M < m: lokalisierte Mode

5 Gitterdynamik

M < 0: instabile Kette

84

und wir erhalten für die Amplitude u p u p (t) = A e−∣q p∣a−ı ωt .

(A5.6.22)

Wir sehen, dass unser Ansatz nur für 0 < M < m sinnvoll ist. Die Abhängigkeit (A5.6.20) ist in Abb. 5.7 dargestellt. Die Zeitabhängigkeit ist hierbei harmonisch und die Ortsabhängigkeit √ Oszillationsfrequenz √ eine abklingende Welle. Es sei darauf hingewiesen, dass die ω ≥ 4C/m ist, wohingegen für eine Kette ohne Defektatom ω = 4C/m gilt. Das heiß, die Oszillationsfrequenz der lokalisierten Mode liegt oberhalb der maximalen Frequenz der Schwingungsmoden des idealen Gitters. Dies ist zu erwarten, da eine kleinere Masse zu einer größeren Schwingungsfrequenz führen sollte. Anschaulich kann man sagen, dass das Gitter lokal aufgrund von M < m mit einer höheren Frequenz schwingen kann, sich diese Mode aber nicht im Gitter ausbreiten kann. Somit kommt es zu einer lokalisierten Mode. Hinweis: Um das Problem für andere Werte von M zu lösen, muss ein anderer Ansatz gewählt werden (siehe hierzu Principles of the Theory of Solids, J. M. Ziman, Cambridge University Press, Cambridge (1972) und Solid State Theory, W. A. Harrison, McGraw-Hill, New York (1970)). A5.7

Zustandsdichte der Phononen einer eindimensionalen Kette

Unter der Voraussetzung, dass nur Kräfte zwischen direkt benachbarten Atomen wirken, lautet die Dispersionsrelation einer linearen Kette von Atomen mit Abstand a und Masse M ω = ω max ∣sin

qa ∣ . 2

Hierbei ist ω max die maximale Frequenz im longitudinalen Phononenspektrum der Kette.

5 Gitterdynamik

85

(a) Berechnen Sie die Zustandsdichte D(ω) der longitudinalen Phononen. Skizzieren Sie den Verlauf der Funktion und vergleichen Sie das Ergebnis mit der Zustandsdichtefunktion, die wir im Fall der Debyeschen Kontinuumsnäherung erhalten. (b) Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Maximalfrequenz ω max des Phononenspektrums und der oberen Grenzfrequenz ω D , welche in der Debyeschen Kontinuumsnäherung angesetzt wird. Lösung

Zu Beginn sei an dieser Stelle wiederholt, dass die Moden in einer linearen Kette der Länge L = Na (bei Annahme periodischer Randbedingungen) gegeben sind durch q =

n 2π , N a



N N ≤n≤ . 2 2

(A5.7.1)

Die Zahl der Moden zwischen den Wellenzahlen q und q + dq beträgt dann dq =

2π L 2π dq = Z(q)dq . dn = dn → dn = Na L 2π S

(A5.7.2)

Z(q)

Dieser Sachverhalt kann bei der Berechnung von Summen über Wellenzahlen +N/2

⟨F⟩ = ∑ F(q) = ∑ F(n) → ∫ dn F(n) q

n

−N/2

+π/a

+π/a

+π/a

L = ∫ dq F(q) = ∫ dq Z(q)F(q) = 2 ∫ dq Z(q)F(q) 2π −π/a

−π/a

(A5.7.3)

0

benutzt werden. Als Spezialfall ergibt sich +π/a

Na π Na π L ⟨1⟩ = [ − (− )] = = N. ∫ dq = 2π 2π a a a

(A5.7.4)

−π/a

Wir betrachten nun Phononen in dieser linearen Kette mit verschiedenen Dispersionsrelationen: ∎ Allgemeine Dispersion (vgl. Aufgabe A5.2): ω(q) = ω max ∣sin

qa ∣. 2

(A5.7.5)

86

5 Gitterdynamik

Für diese Dispersion erhalten wir im langwelligen Limes q→0

% ω(q) = v s ⋅ q,

a ω max 2 mit der Schallgeschwindigkeit v s . ∎ Schalldispersion in der Debyeschen Kontinuumsnäherung: vs =

ω(q) = v s ⋅ q Θ(ω D − v s ⋅ q)

(A5.7.6)

(A5.7.7)

mit ω D der Debye- (Abschneide-) Frequenz und Θ der Heaviside-Sprungfunktion. Bei gegebener Dispersionsrelation ω(q) ist es nun von Vorteil, die Wellenzahl-Summen ⟨F⟩ wie folgt in ein Integral über ω q = ω(q) umzuschreiben: +π/a

ω max

⟨F⟩ = 2 ∫ dq Z(q)F(q) = ∫ dω q 0

0

dq 2Z(q) F(ω q ) dω q .// / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / 1 =D(ω q )

ω max

= ∫ dω q D(ω q ) F(ω q ) ,

(A5.7.8)

0

wobei wir die Zustandsdichte im Frequenzraum D(ω q ) = 2Z(q)

dq L dq = , dω q π dω q

(A5.7.9)

definiert haben. (a) Wir berechnen im Folgenden einige Beispiele für die Zustandsdichte im Frequenzraum. ∎ Allgemeine Dispersion (vgl. Aufgabe A5.2): ωq qa 2 →q = arcsin ω q = ω max ∣sin ∣ 2 a ω max 1 1 dq 2 2L = √ → D(ω q ) = . √ dω q a ω2 − ω2 πa ω 2 − ω 2 max q max q

(A5.7.10)

Zur Kontrolle berechnen wir für diesen Fall ω max

⟨1⟩ = ∫ dω q D(ω q )

(A5.7.11)

0 ω max

=

dω q 2L ∫ √ πa ω 2max − ω 2q 0

x=ω/ω max

\ =

1

dx L 2L = = N. ∫ √ πa π 1 − x2 0

5 Gitterdynamik

87

∎ Schalldispersion in der Debyeschen Kontinuumsnäherung: ωq ω q = vs ⋅ q → q = vs dq 1 L = → D(ω q ) = . dω q vs πv s

(A5.7.12)

Zur Kontrolle berechnen wir auch hier ωD

⟨1⟩ = ∫ dω q D(ω q )

(A5.7.13)

0

Lω D = πv s

v s = q2 ω max

\ =

2 ωD Naω D = N = N. π a2 ω max π ω max

(A5.7.14)

Der Verlauf der Zustandsdichtefunktionen in diesen beiden Fällen ist in Abb. 5.8 skizziert. Im Grenzfall q → 0 müssen natürlich beide Funktionen übereinstimmen, da die beiden zugrundeliegenden Dispersionsrelationen in diesem Grenzfall identisch sind. Debye Näherung

ZD Zmax

Abb. 5.8: Verlauf der Zustandsdichtefunktion D(ω q ) für die allgemeine Dispersion ω(q) (schraffiert) und die Debyeschen Kontinuumsnäherung ω(q) = v s q (grau). Rechts sind die zugehörigen Dispersionsrelationen ω(q) gezeigt.

Während der Verlauf beider Zustandsdichtefunktionen für ω ≪ ω max gut übereinstimmt, gibt es bei ω ≃ ω max starke Abweichungen. Insbesondere weist die exakte Zustandsdichtefunktion bei ω = ω max eine Singularität auf, wodurch sie sich von der Debye-Näherung grundlegend unterscheidet. (b) Das Integral über die Zustandsdichtefunktion muss die Gesamtzahl N der Normalschwingungen ergeben. Deshalb müssen die schraffierte und graue Fläche in Abb. 5.8 gleich groß sein. Für die Debyeschen Kontinuumsnäherung resultiert diese Forderung nach (A5.7.14) in der Beziehung ωD

N = ∫ dω q D(ω q ) = N 0

2 ωD π ω max

(A5.7.15)

88

5 Gitterdynamik

also in ωD =

A5.8

π ω max . 2

(A5.7.16)

Singularität in der Zustandsdichte

Nehmen Sie an, dass ein optischer Phononenzweig im Dreidimensionalen nahe q = 0 eine Dispersionsrelation der Form ω(q) = ω 0 − Aq 2 hat. Zeigen Sie, dass dann gilt: 3 ⎧ 1/2 ⎪ für ω < ω 0 ⎪( L ) ( A2π 3/2 ) (ω 0 − ω) D(ω) = ⎨ 2π . ⎪ 0 für ω > ω 0 ⎪ ⎩ Diskutieren Sie, unter welchen Bedingungen Singularitäten in der Zustandsdichte auftauchen. Lösung

Gegeben ist eine Dispersionsrelation in D = 3 von der Form ω q = ω 0 − Aq2 .

(A5.8.1)

Auflösen nach q = ∣q∣ liefert √ q =

ω0 − ωq A

→ ∣

1 1 dq ∣ = √ √ . dω q 2 A ω0 − ωq

(A5.8.2)

Die Dichte der Zustände D(ω q ) ist gegeben durch V V d3q = 4πq 2 dq 3 (2π) (2π)3 dq V 4πq 2 ∣ ∣ dω q . = (2π)3 dω q .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1

D(ω q )dω q = Z(q)d 3 q =

(A5.8.3)

D(ω q )

Nach Einsetzen von dq/dω q erhalten wir die Zustandsdichte für den Fall ω q < ω 0 in der Form D(ω q ) =

2π √ V ω0 − ωq . 3 (2π) A3/2

(A5.8.4)

Für den umgekehrten Fall ω q > ω 0 verschwindet D(ω) für alle ω. Dann ist die Zustandsdichte nämlich rein imaginär. Wir erhalten somit einen Sprung in der Zustandsdichte bei ω = ω 0 . An der Stelle ω q = ω 0 ist dω q /dq = 0, wodurch an dieser Stelle eine Singularität in D(ω q ) entsteht.

5 Gitterdynamik

89

D(ω q ) gibt die Anzahl der Schwingungszustände pro Frequenzintervall an. Im allgemeinen Fall können wir die Zustandsdichte durch D(ω q ) =

V (2π)3

∫ ω=const

dS q ∣∇q ω q ∣

(A5.8.5)

ausdrücken. Hierbei ist d 3 q = dS q dq⊥ , wobei dS q ein Flächenelement der Fläche ω q = const und dq⊥ der jeweilige Abstand der Fläche ω q + Δω q = const von der Fläche ω q = const ist. Der Gradient ∣∇q ω q ∣ gibt die Änderung von ω senkrecht zur Fläche ω q = const an. Wir sehen, dass D(ω q ) immer dann singulär wird, wenn die Dispersionsrelation ω q = ω(q) eine waagerechte Tangente besitzt, also gerade dann, wenn die Gruppengeschwindigkeit dω q /dq Null ist. A5.9

Kohn-Anomalie

Wir nehmen an, dass die interplanare Kraftkonstante C p zwischen zwei benachbarten Gitterebenen die Form C p = A1

sin pQ a p

hat. Hierbei sind A 1 eine (Feder-) Konstante, Q eine konstante Wellenzahl und p durchläuft alle ganzen Zahlen. Eine solche Form erwarten wir für Metalle. Verwenden Sie die Dispersionsrelation ω 2q =

2 ∑ C p (1 − cos qpa) , M p>0

um einen Ausdruck für ω 2q und ∂ω 2q /∂q zu finden. Beweisen Sie, dass für q = Q der Ausdruck ∂ω 2q /∂q unendlich wird. Trägt man ω 2q oder ω gegen q auf, so ergibt sich bei Q eine vertikale Tangente: In der Phononendispersionsrelation ω q (q) tritt bei Q ein Knick auf. Ein damit zusammenhängender Effekt wurde von W. Kohn vorhergesagt. Lösung

Die Kohn-Anomalie [W. Kohn, Image of the Fermi surface in the vibration spectrum of a metal, Phys. Rev. Lett 2, 393 (1959)] ist eine Diskontinuität in der Ableitung der Dispersionsrelation ω(q) der Phononen in Metallen, die an bestimmten Punkten hoher Symmetrie in der 1. Brillouin-Zone auftritt. Sie entsteht durch eine abrupte Änderung der Abschirmung von Gitterschwingungen durch die Leitungselektronen. Die Annahme, dass wir die Effekte, die durch die Leitungselektronen verursacht werden, bei der Behandlung der Gitterschwingungen vernachlässigen können, ist nämlich nicht richtig. Der Grund dafür ist letztlich, dass die Elektronen dazu führen, dass die langreichweitige Coulomb-Wechselwirkung der Ionen unterdrückt wird.

90

5 Gitterdynamik

Kohn-Anomalien treten zusammen mit den so genannten Friedel-Oszillationen auf, wenn wir die Lindhard-Näherung anstelle der Thomas-Fermi-Näherung verwenden, um einen Ausdruck für die dielektrische Funktion eines homogenen Elektronengases abzuleiten. Der Ausdruck für den Realteil der dielektrischen Funktion є(q, ω) enthält im Lindhard-Modell einen logarithmischen Term, der eine Singularität für q = 2k F ergibt, wobei k F die FermiWellenzahl ist. Das Verhalten der Lindhard-Funktion für ω = 0 und q = 2k F führt zu Oszillationen der Elektronendichte als Funktion des Abstands r von einer Störladung, die durch periodische Funktionen mit Argument 2k F r beschrieben werden. Über die abgeschirmte Ion-Ion-Wechselwirkung wird dies in das Phononenspektrum übertragen. Das Resultat sind Knicke bei Werten von q, die den extremalen Durchmessern der Fermi-Oberfläche entsprechen (q = 2k F für ein freies Elektronengas). Dies wurde auch tatsächlich gemessen [R. Stedman, L. Almquist, G. Nilsson, and G. Raunio, Phys. Rev. 162, 545 (1967) oder B. N. Brockhouse et al., Phys. Rev. 128, 1099 (1962)]. Wir gehen von einer Kopplungskonstante der Form C p = C0

sin Q pa sin Q pa = A1 , Q 0 pa p

A1 =

C0 Q0 a

(A5.9.1)

aus. Hier sind C 0 , Q 0 und A 1 Konstanten. Wir haben also für die Kraftkonstante ein oszillierendes Verhalten als Funktion des Abstandes pa zwischen den Atomen angenommen. Motiviert ist das dadurch, dass wir in Metallen Ionen vorliegen haben, deren Ladung zu Oszillationen der Elektronendichte als Funktion des Abstands r vom Ion führt, die durch eine periodische Funktionen der Form sin(Qr)/Qr mit Q = 2k F beschrieben werden können. Einsetzen in die Dispersionsrelation [vgl. hierzu Aufgabe A5.2, Gleichung (A5.2.8)] ω 2q =

2 ∑ C p [1 − cos (qpa)] M p>0

ω 2q =

sin Q pa 2A 1 [1 − cos (qpa)] ∑ M p>0 p

(A5.9.2)

liefert

sin Q pa qpa 4A 1 sin2 ∑ M p>0 p 2 ⎧ ⎪ für q ≤ Q ⎪0 = ⎨ A1 . ⎪ π für q > Q ⎪ ⎩ M =

(A5.9.3)

5 Gitterdynamik

91

Zq

q=Q

dZq/dq

Abb. 5.9: Zur Veranschaulichung des Verlaufs der Dispersionsrelation ω q = ω(q) (gestrichelt) und der Divergenz von ∂ω2q /∂q (durchgezogen) bei q = Q.

Dieses Ergebnis ist in Abb. 5.9 dargestellt. Differenzieren nach der Wellenzahl q ergibt ∂ω 2q ∂q

=

sin Q pa 2A 1 2A 1 pa sin qpa = a ∑ sin Q pa sin qpa ∑ M p>0 p M p>0

=

e ı Q pa − e−ı Q pa e ı q pa − e−ı q pa 2A 1 a∑ M p>0 2ı 2ı

= −

A1 a ∑ [e ı(Q+q)pa − e ı(Q−q)pa − e ı(−Q+q)pa + e−ı(Q−q)pa ] 2M p>0

= −

A1 a ∑ [cos(Q + q)pa − cos(Q − q)pa] M p>0

=

A1 a ∑ [cos(Q − q)pa − cos(Q + q)pa] . M p>0

(A5.9.4)

Wir erkennen sofort, dass lim

q→Q

∂ω 2q ∂q

=

A1 a ∑ [1 − cos 2Q pa] M p>0 .// / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 2 sin 2 Q pa

=

2A 1 a ∑ sin2 Q pa M p>0

(A5.9.5)

und dass diese Summe bei q = Q divergiert (siehe hierzu Abb. 5.9). Dies ist gerade die sogenannte Kohn-Anomalie. Zusatz für besonders Interessierte: Um den obigen Sachverhalt besser verstehen zu können, betrachten wir noch den folgenden allgemeineren Ansatz für die p-Abhängigkeit der

92

5 Gitterdynamik

Kraftkonstanten C p : C pν = C 0

sin Q pa sin Q pa = Aν , (Q 0 pa)ν pν

A1 =

C0 . (Q 0 a)ν

(A5.9.6)

Die obige Rechnung behandelt somit nur den exotischen langreichweitigen Grenzfall ν = 1. Mit diesem Modell-Ansatz für die Kraftkonstante lautet die Dispersionsrelation für longitudinale Phononen sin Q pa 2 qpa 2 Aν sin ∑ C pν [1 − cos (qpa)] = 4 ∑ M p>0 M p>0 pν 2 √ O Aν P sin Q pa 2 qpa P Q∑ ω(q) = 2 sin . M pν 2 p>0

ω 2 (q) =

Zq

Q = 10

dZq/dq

q=Q

q=Q

Zq

Zq Q = 2.4

Q = 1.3 q=Q

Q=3

Zq

dZq/dq

(A5.9.7)

dZq/dq

Q = 1.05 (dZq/dq)/30

Abb. 5.10: Verlauf der Dispersionsrelation ω q = ω(q) (gestrichelt) und der Gruppengeschwindigkeit dω q /dq (durchgezogen) für verschiedene Werte des Parameters ν.

5 Gitterdynamik

93

Die Ableitung der Dispersion nach der Wellenzahl lautet √ sin Q pa d 2 q pa ∂ω q A ν 1 d q [∑ p>0 p ν sin 2 ] = 2 √ q pa sin Q pa ∂q M2 ∑ p>0 p ν sin2 2 √ q pa q pa sin Q pa A ν ∑ p>0 p ν−1 2 sin 2 cos 2 = √ sin Q pa q pa M ∑ p>0 p ν sin2 2 √ sin Q pa a A ν ∑ p>0 p ν−1 sin qpa = . √ q pa sin Q pa 2 M ∑ sin2 p>0



q pa 2

(A5.9.8)

2

Die Dispersionsrelation ω(q) und das Ergebnis (A5.9.8) sind in Abb. 5.10 für unterschiedliche Werte von ν dargestellt. Offensichtlich erhalten wir qualitative Veränderungen (ein Weichwerden) der Phononendispersion mit fallender Potenz ν. Insbesondere markiert ν = 3 den Grenzfall einer konstanten Gruppengeschwindigkeit für 0 ≤ q ≤ Q. Für ν ≤ 3 wächst die Gruppengeschwindigkeit im Bereich 0 ≤ q ≤ Q monoton an, um schließlich bei q = Q eine Spitze zu entwickeln. Für ν = 1 hat die Dispersion ω q die Form einer Stufe, und die Gruppengeschwindigkeit divergiert bei q = Q.

6

Thermische Eigenschaften des Kristallgitters

A6.1

Mittlere thermische Ausdehnung einer Kristallzelle

Wir diskutieren die thermische Ausdehnung eines Natriumkristalls. (a) Schätzen Sie für eine primitive Elementarzelle eines Natriumkristalls bei 300 K die mittlere thermische Volumenausdehnung ΔV/V ab. Nehmen Sie dazu den Kompressionsmodul zu 7 × 109 J/m3 an. Beachten Sie, dass die Debye-Temperatur mit 158 K geringer als 300 K ist, so dass Sie eine klassische Betrachtung machen können. (b) Benutzen Sie dieses Ergebnis, um die mittlere thermische Schwankung Δa/a der Gitterkonstanten abzuschätzen. Lösung

(a) Das Kompressionsmodul B ist definiert als die zweite Ableitung der potentiellen Energie U nach der Volumenänderung ΔV : B = V

d 2 U(ΔV) . d(ΔV )2

(A6.1.1)

Durch zweimaliges Integrieren erhalten wir daraus die potentielle Energie, die mit der thermischen Ausdehnung verbunden ist (harmonische Näherung): U(ΔV) =

1 1 ΔV 2 BV ( ) ≃ kB T . 2 V 2

(A6.1.2)

Dies entspricht der potentiellen Energie 12 Cx 2 einer gespannten Feder mit der Federkonstante C. Wir setzen die potentielle Energie hier gleich 12 k B T und nicht gleich 32 k B T, da wir bei der reinen Volumenausdehnung nicht alle Freiheitsgrade angeregt haben. Die Freiheitsgrade, die zu Verscherungen (Schermodul) und Verdrehungen (Torsionsmodul) gehören, sind eingefroren. Diese Gleichung lässt sich nun nach der relativen und der absoluten Volumenänderung auflösen: √ √ kB T kB T V ΔV 2 kB T ΔV ( ) = ⇒ = ; ΔV = . (A6.1.3) V BV V BV B

96

6 Thermische Eigenschaften

Wir benutzen k B T = 4.14 × 10−21 J = 25.8 meV bei 300 K, B = 7 × 109 J/m3 und a = 4.225 Å = 4.225 × 10−10 m für einen Natriumkristall. Mit V = a 3 erhalten wir aus (A6.1.3) (ΔV )2 = 4.46 × 10−59 m6 und daraus (ΔV )rms = 6.68 × 10−30 m3 . Für die relative Änderung des Einheitszellenvolumens erhalten wir ΔV ≃ 0.088. V (b) Für isotrope und kubische Systeme gilt Δa≪a

\ ΔV = (a + Δa)3 − a 3 = a 3 + 3a 2 Δa + . . . − a 3 ≃ 3a 2 Δa ΔV Δa 3a 2 Δa = 3 = . V a3 a Somit erhalten wir für die relative Längenänderung

A6.2

Δa a

(A6.1.4)

≃ 0.029.

Spezifische Wärmekapazität

Die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen, c V , eines (dreidimensionalen) Kristalls ist gegeben durch cV =

∂ ħω r (q) CV 1 . = ∑ V V q,r ∂T e ħ ωk Br (q) T −1

Hierbei ist r die Zahl der Phononenzweige und k B = 1.3807 ⋅ 10−23 J/K die BoltzmannKonstante. (a) Berechnen Sie den Hochtemperaturlimes (ħω r (q) ≪ k B T) von c V für ein Gitter mit einer einatomigen Basis. (b) Wie hängt c V (T) in einem Isolator bei tiefen Temperaturen von T ab? Was bedeutet “tiefe Temperatur” in diesem Zusammenhang? Was ist in einem Metall anders? (c) Was besagt die Debyesche Näherung? (d) Wie hängt die phononische Zustandsdichte D(ω) im Debye-Modell bei kleinen Energien (im dreidimensionalen Fall) von ω ab? Begründen Sie Ihre Antwort. (e) Schätzen Sie die Debye-Wellenzahl q D , die Debye-Frequenz ω D und die DebyeTemperatur Θ D für Silber ab. Hinweis: Silber hat eine kubisch flächenzentrierte Kristallstruktur mit Gitterkonstante a = 4.09 Å und eine mittlere Schallgeschwindigkeit von 2600 m/s (ħ = 1.054 ⋅ 10−34 J s). Lösung

(a) Wir starten mit dem allgemeinen Ausdruck für die spezifische Wärme für ein dreidimensionales Gitter  ħω qr ∂ CV 1 1 ∂⟨U⟩   = . (A6.2.1) cV = = ∑ ħ ω qr  V V ∂T  V q,r ∂T k B T e −1 V

6 Thermische Eigenschaften

97 ħω

Im Grenzfall hoher Temperaturen ist x = k B Tqr ≪ 1, so dass wir den Exponentialterm entwickeln können:1 1 1 ≃ 1 2 x e −1 1 + x + 2 x + 16 x 3 + . . . − 1 1 = x(1 + 12 x + 16 x 2 + . . .) 1 1 1 (A6.2.2) = [1 − x + x 2 − . . .] . x 2 12 Nach Einsetzen erhalten wir ⎤ ⎡ 2 ⎥ ⎢ ∂ kB T 1 1 ħω qr 1 ħω qr ⎥ ħω qr ⎢ − . . . + ( ) cV = 1 − ∑ ⎥ ⎢ V q,r ∂T ħω qr 2 k B T 12 k B T ⎥ ⎢ ⎦ ⎣ 2 ∂ 1 1 (ħω qr ) 1 [k B T − ħω qr + − . . .] = ∑ V q,r ∂T 2 12 k B T ⎤ ⎡ 2 ⎥ ⎢ 1 1 ħω qr ⎥ + . . . ( ) = 1 − ∑ kB ⎢ ⎥ ⎢ V q,r ⎢ 12 k B T ⎥ ⎦ ⎣ ⎡ ⎤ 2 ⎢ 1 ⎥ ħω qr 3N kB − ⎢ ) − . . .⎥ = ∑( ⎢ ⎥ V ⎢ 12V q,r k B T ⎥ ⎣ ⎦ (A6.2.3) ≃ 3nk B . Das Ergebnis ist gerade das klassische Dulong-Petit-Gesetz. Die erste Quantenkorrekħω tur ist quadratisch in k B Tqr und ist im Hochtemperaturgrenzfall praktisch bedeutungslos. 1 Der Term 2 ħω qr ist die Nullpunktsenergie und liefert natürlich keinen Beitrag zur spezifischen Wärme. (b) Die Diskussion des Tieftemperaturverhaltens ist etwas schwieriger. Um einen einfachen Ausdruck abzuleiten, müssen wir Näherungen machen. Zunächst nehmen wir an, dass N groß ist (großer Kristall), so dass die Zustände im q-Raum dicht liegen. Wir können dann die Summation über q in eine Integration überführen: 3 3 ∑ → ∑ ∫ d q Z(q) = ∑ ∫ d q q,r

r

1.BZ

r

1.BZ

V . (2π)3

(A6.2.4)

Wir können zusätzlich für tiefe Temperaturen (i) nur die akustischen Moden betrachten, da die optischen Moden hohe Energien besitzen und deshalb ihre Besetzung vernach1

Wir benutzen die Reihenentwicklungen 1 1 ex = 1 + x + x 2 + x 3 + . . . 2 6 und 1 b b2 c 1 = [1 − x + ( 2 − ) x 2 + . . .] . 2 a + bx + cx + . . . a a a a

98

6 Thermische Eigenschaften

lässigbar klein ist. Die Summe ∑r über alle Phononenzweige können wir dann durch die Summe ∑3i=1 über die drei akustischen Zweige ersetzen. Für genügend tiefe Temperaturen können wir ferner (ii) die Dispersionskurven der akustischen Zweige durch Geraden ω i (q) = v i q annähern. Hierbei sind v i die Schallgeschwindigkeiten der drei akustischen Moden. Schließlich können wir (iii) das Integral über die 1. Brillouin-Zone durch ein Integral über alle q ersetzen. Da die Bose-Einstein-Verteilungsfunktion für große q wegen k B T ≪ ħω sehr klein ist, ist der hierdurch gemachte Fehler vernachlässigbar klein. Mit diesen Näherungen erhalten wir ∞

cV

∂ 3 1 ħv i q 3 = . ∑ ∫ d q ħv i q/k B T 3 (2π) ∂T i=1 e −1

(A6.2.5)

−∞

Um das Integral auszuwerten, verwenden wir Kugelkoordinaten. Es gilt d 3 q = q 2 dq sin ϑd ϑdφ = q 2 dqdΩ und das Integral über dΩ = sin ϑd ϑdφ ergibt 4π. Mit den Abkürzungen x ≡ ħv i q/k B T bzw. dx ≡ dqħv i /k B T erhalten wir ∞

cV

3 ∂ (k B T)4 x3 = dx , ∫ 2π 2 ∂T (ħv s )3 ex − 1

(A6.2.6)

0

wobei wir für die mittlere Schallgeschwindigkeit der drei akustischen Moden dΩ 1 1 1 3 = ∑∫ 3 vs 3 i=1 4π v i3

(A6.2.7) ∞

verwendet haben. Das Integral ∫0 dx[x 3 /(e x − 1)] ergibt π 4 /15, so dass wir cV =

2π 2 kB T 3 ) kB ( 5 ħv s

(A6.2.8)

erhalten. Dieses T 3 -Verhalten ist in guter Übereinstimmung mit dem für Isolatoren erhaltenen experimentellen Ergebnis. In einem Metall kommt zur spezifischen Wärme des Gitters noch der Beitrag c Vel = γT der Elektronen dazu, der aber für T ≥ 10−1 Θ D so gut wie keine Rolle spielt. Im Metall gilt demnach c V = γT + BT 3 + . . .. Hierbei ist γ der Sommerfeld-Koeffizient. (c) In der Debyeschen Näherung wird die Dispersion der akustischen Phononen durch einen linearen Zusammenhang, ω i (q) = v i q, mit q ≤ q D und i = T1 , T2 , L als Index für den jeweiligen Zweig (longitudinal: L, tranversal: T1 , T2 ) angenähert. Die maximale Wellenzahl q D ist durch die Debye-Wellenzahl gegeben, welche den Radius einer Hyperkugel im reziproken Raum beschreibt, die alle N möglichen q-Punkte enthält. (d) Wir starten mit dem allgemeinen Ausdruck für die Zustandsdichte im Frequenzraum D(ω) =

V (2π)3

∫ ω=const

dS q , ∣∇q ω(q)∣

(A6.2.9)

die für jeden Phononenzweig gilt. In der Debyeschen Näherung gilt ω i (q) = v i q bzw. ω(q) = v s q, wenn wir die mittlere Schallgeschwindigkeit v s der drei akustischen Moden

6 Thermische Eigenschaften

99

verwenden. Mit ∣∇q ω(q)∣ = v s erhalten wir D(ω) =

1 V 3 (2π) v s

∫ ω=const

dS q =

1 V V 4πq 2 = ω2 . 3 (2π) v s 2π 2 v s3

(A6.2.10)

Die Zustandsdichte ist also proportional zu ω 2 . Das gleiche Ergebnis erhalten wir mit einer einfachen qualitativen Argumentation, wenn wir formal annehmen, dass die Zahl der Zustände pro Frequenzinterval ebenso wie die pro q-Intervall nicht von q abhängt. Wenn nun q von 0 anwächst, verändert sich die Oberfläche der Hyperkugel entweder nicht (1D), linear (2D) oder wie q 2 (3D). Das übersetzt sich wegen ω(q) = v s q gerade 1:1 in den Frequenzraum. (e) Zur Bestimmung der Debye-Wellenzahl q D zählen wir wie bei der Bestimmung der Fermi-Wellenzahl k F die Zahl der Zustände im q-Raum ab und benutzen, dass sie gleich der Ionenzahl (nicht der Elektronenzahl!) ist. Für die Ionenzahl gilt N ion =

V 4 3 4 , πq D Z(q) = πq 3D 3 3 (2π)3

(A6.2.11)

wobei V das Probenvolumen ist. Für die Ionendichte n ion ergibt sich N ion N EZ q3 , (A6.2.12) = D2 = V 6π a3 wobei N EZ die Zahl der Ionen pro Einheitzelle ist. Für die Debye-Wellenzahl ergibt sich damit √ √ N EZ π 3 6π 2 ( 3 ) = 1.24 3 N EZ ( ) , qD = (A6.2.13) a a n ion =

Silber hat eine kubisch-flächenzentrierte Kristallstruktur mit N EZ = 4 und Gitterkonstante a = 4.09 Å, sodass q D = 1.51 Å−1 . Mit k B Θ D = ħv s q D ergibt sich ΘD =

ħ 1.054 × 10−34 vs qD = 2600 ⋅ 1.51 × 1010 ≃ 300 K . kB 1.3807 × 10−23

(A6.2.14)

Diese Debye-Temperatur ist etwas höher als der experimentell bestimmte Wert von 215 K, weil die mittlere Schallgeschwindigkeit v s doch eine etwas einfache Abschätzung der gemittelten Gruppengeschwindigkeiten aller Zweige ist. Die Debye-Energie ist k B Θ D ≃ 26 meV, die Debye-Frequenz ω D = k B Θ D /ħ ≃ 4.1 × 1013 s−1 . A6.3

Nullpunkts-Gitterauslenkung und Dehnung

Nullpunktsschwingungen spielen für viele Eigenschaften von Festkörpern eine nicht zu vernachlässigende Rolle. (a) Zeigen Sie, dass in der Debye-Näherung am absoluten Nullpunkt das mittlere Auslenkungsquadrat eines Atoms aus seiner Ruhelage durch ⟨r 2 ⟩ =

3ħω 2D 8π 2 ρv s3

100

6 Thermische Eigenschaften

gegeben ist, wobei v s die Schallgeschwindigkeit ist. Zeigen Sie zunächst, dass die mittlere ħ 2 quadratische Schwingungsamplitude ⟨r max ⟩ = ρV ⟨ω−1 ⟩D , wobei V das Probenvolumen, ρ = mN/V die Massendichte und ⟨g(ω)⟩D = ∑q,r g(ω q,r ) ist. Der Index D deutet dabei an, dass wir die Summen über Wellenzahlen q im Rahmen des Debye-Modells auswer2 ten wollen. Leiten Sie daraus die mittlere quadratische Auslenkung ⟨r 2 ⟩ = ⟨r max ⟩/2 ab. (b) Zeigen Sie, dass ⟨ω−1 ⟩D und damit ⟨u 2 ⟩ für ein eindimensionales Gitter (einatomige Basis, Auslenkung u) divergieren, dass jedoch das mittlere Dehnungsquadrat endlich ist. 2 Gehen Sie dazu von der Form ⟨(∂u/∂x)2 ⟩ = 12 ∑q q 2 u max für das mittlere Dehnungsquadrat aus und zeigen Sie, dass im Fall einer Kette aus N Atomen, von denen jedes die Masse m hat, ⟨(

ħω 2D L ∂u 2 ) ⟩= ∂x 4π 2 mNv s3

gilt, wenn nur longitudinale Zustände berücksichtigt werden. Die Divergenz von ⟨u 2 ⟩ ist aber für keine einzige physikalische Messung signifikant. Lösung

Um diese Aufgabe zu lösen, argumentieren wir wie in Aufgabe A3.2 und beginnen mit der Gesamtenergie E tot eines klassischen dreidimensionalen harmonischen Oszillators: E tot = E kin + E pot ,

E kin =

1 2 m˙r , 2

E pot =

1 2 Cr . 2

(A6.3.1)

Hierbei ist C die Kraftkonstante, die über C = mω 2 mit der Atommasse m und der Schwingungsfrequenz ω zusammenhängt. Für die maximale Auslenkung ist E kin = 0 2 2 und E pot (r max ) = 12 Cr max . Setzen wir 12 Cr max gleich der Grundzustandsenergie ħω/2 des harmonischen Oszillators, so erhalten wir (vgl. Aufgabe A3.2) 2 = r max

ħ . mω

(A6.3.2)

Das über alle 3N Schwingungsmoden gemittelte maximale Amplitudenquadrat erhalten wir dann in der Form 2 ⟨r max ⟩ = ∑ q,i

ħ 1 ħ 1 ħ 1 = ⟨ ⟩ = ⟨ ⟩ . m ω qi M ω D ρV ω D

(A6.3.3)

Hierbei haben wir die totale Masse M = Nm sowie die Massendichte ρ = M/V eingeführt. Der Index D bedeutet, dass wir die Summen über Wellenzahlen q im Rahmen des DebyeModells auswerten. Es gilt (vergleiche Aufgabe A5.7): ωD

⟨F⟩D = ∑ F(ω qi ) = ∫ dωD(ω)F(ω) q,i

0

(A6.3.4)

6 Thermische Eigenschaften

101

mit den Debye-Modell-Näherungen D(ω) =

d 2 Ω q ω2 3V ∫ 2π 2 4π v s3

ωD = vs qD ,

q D = (6π 2

N 1/3 ) V

1 1 3 1 = ∑ 3 . 3 vs 3 i vi

(A6.3.5)

Hierbei ist ω D die Debye-Frequenz, q D die Debye-Wellenzahl und v s die mittlere Schallgeschwindigkeit der longitudinalen und transversalen Moden. (a) Auf unser Problem angewendet, haben wir nun auszuwerten ωD

1 3V 3V ⟨ ⟩ = ω2 . ∫ dωω = ω D 2π 2 v s3 4π 2 v s3 D

(A6.3.6)

0

Daraus erhalten wir sofort 3ħ ω 2D 4π 2 ρv s3 1 2 3ħ ω 2D ⟨r 2 ⟩ = ⟨r max ⟩ = . 2 8π 2 ρv s3

2 ⟨r max ⟩ =

(A6.3.7)

(b) In einem eindimensionalen Gitter können wir für das mittlere Auslenkungsquadrat entsprechend (A6.3.3) schreiben als ⟨u 2 ⟩ =

1 2 1 ħ 1 ⟨u ⟩ = ⟨ ⟩ . 2 max 2 mN ω D

(A6.3.8)

Hierbei bezeichnet u die Auslenkung in einer Dimension. Für D = 1 gilt allgemein (vgl. Aufgabe A5.7): ωD

⟨F⟩D = ∑ F(ω q ) = ∫ dωD 1 (ω)F(ω) q

D 1 (ω)dω q = Z(q) 2dq =

0

L L dq L = (A6.3.9) 2dq ⇒ D 1 (ω) = 2π π dω q πv s

und wir erkennen sofort, dass ωD

1 dω L ⟨ ⟩ = ω D πv s ∫ ω 0

und damit ⟨u ⟩ an der unteren Grenze divergiert. 2

(A6.3.10)

102

6 Thermische Eigenschaften

Anstelle des mittleren Auslenkungsquadrats ⟨u 2 ⟩ können wir auch das mittlere Dehnungsquadrat ⟨(

1 1 ∂u 2 2 2 ) ⟩= ∑ q u max ∂x 2 N q

(A6.3.11)

analysieren. Wir starten wieder von dem einfachen Ansatz ħ ħq 2 2 = ⇒ q 2 u max . (A6.3.12) mω mω Mitteln wir diesen Ausdruck über alle N Schwingungsmoden, so erhalten wir 2 u max =

2 → q 2 u max

q2 1 1 ħ ħ 2 2 = ⟨q⟩D . ∑ q u max = ∑ N q N m q ωq mNv s

(A6.3.13)

Damit können wir schreiben ωD

⟨(

L ∂u 2 1 ħ 1 ħ ω ⟨q⟩D = ) ⟩= ∫ dω ∂x 2 mNv s 2 mNv s πv s vs 0

ħω 2D = . 4π(mN/L)v s3 A6.4

(A6.3.14)

Spezifische Wärme eines eindimensionalen Gitters und eines Stapels aus zweidimensionalen Schichten

Wir analysieren die spezifische Wärme eines eindimensionalen Gitters aus identischen Atomen. (a) Zeigen Sie, dass in der Debye-Näherung die spezifische Wärme eines eindimensionalen Gitters aus identischen Atomen für tiefe Temperaturen (T ≪ Θ D ) proportional zu T/Θ D ist. Hierbei ist Θ D = ħω D /k B = ħπv s /k B a die für eine Dimension gültige DebyeTemperatur, k B die Boltzmann-Konstante und a der Abstand der Gitteratome. (b) Betrachten Sie einen dielektrischen Kristall, der aus einem Stapel von zweidimensionalen Atomschichten aufgebaut ist, wobei aneinandergrenzende Schichten nur schwach aneinander gebunden sein sollen. Wie sieht Ihrer Meinung nach der Ausdruck für die spezifische Wärme im Grenzfall sehr tiefer Temperaturen aus? Lösung

(a) Wir starten von dem Ausdruck für die innere Energie U für ein eindimensionales System ωD

U = U 0 + ∫ dωD 1 (ω) 0

ħω , eħω/k B T − 1

ωD = vs

π . a

(A6.4.1)

6 Thermische Eigenschaften

103

In einem eindimensionalen System ist die Zustandsdichte [vergleiche (A6.3.9)] in Debyescher Näherung (dω/dq = v s ) gegeben durch D 1 (ω) =

L πv s

(A6.4.2)

und wir können schreiben: ωD

=

U

L ħω U0 + ∫ d(ħω) ħω/k B T πħv s e −1 0

ω D /k B T

x=ħω/k B T

% =

U0 + L

dx x (k B T)2 ∫ πħv s ex − 1 0 .// / / / / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / / / / /1 T→0

 2 = π /6

T→0

% = =

π(k B T) π 2 L (k B T)2 = U0 + 6ħv s 6 a ħω D π 2 L (k B T)2 π 2 (k B T)2 U0 + = U0 + N . 6 a kB ΘD 6 kB ΘD

U0 + L

2

(A6.4.3)

Hierbei ist Θ D die Debye-Temperatur. Die Wärmekapazität erhalten wir durch Differenzieren nach der Temperatur zu T→0

CV

∂U T π2 T \ π2 L = ( ) = ). ) = kB ( N kB ( ∂T V 3 a ΘD 3 ΘD

(A6.4.4)

Die spezifische Wärmekapazität ist dann cV =

CV T π2 T π2 1 ) = ), = kB ( nk B ( L 3 a ΘD 3 ΘD

(A6.4.5)

wobei n = N/L = 1/a die eindimensionale Teilchendichte ist. (b) Ein solcher Kristall ist im Wesentlichen ein lineares Gitter aus entkoppelten zweidimensionalen Lagen. Wir können deshalb das Ergebnis aus dem 1. Aufgabenteil auch hier verwenden. Wir erhalten also in gleicher Weise C V ∝ T bei tiefen Temperaturen. A6.5

Erzeugung akustischer Phononen mit einem Ultraschallgeber

Mit einem Ultraschallgeber erzeugen wir Phononen mit einer Frequenz von f = 200 MHz und einer Flächenleistung von 1 mW/cm2 . Wir koppeln mit dem Ultraschallgeber einen Phononenpuls der Dauer 10 μs in einen würfelförmigen Siliziumkristall mit einem Volumen von 1 cm3 ein (a Si = 5.43 Å, Θ D = 640 K). Die Temperatur des Siliziumkristalls sei 4.2 K. (a) Wie viele Phononen der Frequenz f = 200 MHz erzeugt ein einzelner Ultraschallpuls. (b) Schätzen Sie die Temperaturerhöhung ab, die ein einzelner Ultraschallpuls nach Thermalisierung der angeregten Phononen erzeugt hat. (c) Schätzen Sie die Zunahme ΔN ph /Δω der bei der Frequenz f = 200 MHz pro Frequenzintervall erzeugten Phononen nach Thermalisierung der angeregten Phononen ab.

104

6 Thermische Eigenschaften

Lösung

(a) Wir nehmen an, dass der Ultraschallgeber eine Fläche von F = 1 cm2 hat. Die pro Ultraschallpuls der Länge τ = 10 μs im Silizium-Kristall deponierte Energie erhalten wir damit zu E puls = P ⋅ F ⋅ τ = 10−3 ⋅ 1 ⋅ 10−5 J = 10−8 J .

(A6.5.1)

Ein Phonon der Frequenz f = 200 MHz besitzt die Energie h f = 6.628 × 10−34 ⋅ 2 × 108 J = 1.3252 × 10−25 J .

(A6.5.2)

Damit erhalten wir die Zahl der erzeugten Phononen der Frequenz 200 MHz zu 10−8 = 7.546 × 1016 . (A6.5.3) 1.3252 × 10−25 (b) Nach Thermalisierung der Phononen können wir die erzeugte Temperaturerhöhung unter Benutzung der Wärmekapazität von Silizium abschätzen. Mit der Definition der ) , erhalten wir für die Temperaturerhöhung Wärmekapazität, C V = ( ∂U ∂T V N 200 MHz =

ΔT =

E puls . CV

(A6.5.4)

Für die Probentemperatur von 4.2 K gilt T ≪ Θ D und wir können die Tieftemperaturnäherung für die Wärmekapazität benutzen (in Debyescher Näherung) C VD =

12π 4 T 3 ) . N kB ( 5 ΘD

(A6.5.5)

Wir müssen jetzt noch die Zahl N der primitiven Gitterzellen im Probenvolumen bestimmen. Die Gitterkonstante der konventionellen kubischen Zelle beträgt a Si = 5.43 Å und in jeder konventionellen Zelle befinden sich 4 primitive Zellen mit je 2 Kohlenstoffatomen pro Basis. Damit erhalten wir N = 4⋅

V VZelle

= 4⋅

10−6 = 2.498 × 1022 . 1.6010 × 10−28

(A6.5.6)

Mit diesem Wert für N, k B = 1.38 × 10−23 J/K, T = 4.2 K und Θ D = 640 K erhalten wir J 4.2 3 ) ≃ 2.229 × 10−5 640 K und damit für die Temperaturerhöhung den sehr kleinen Wert C V (4.2 K) = 80.6 ⋅ (

ΔT =

10−8 J ≃ 4.5 × 10−4 K . 2.229 × 10−5 J/K

(A6.5.7)

(A6.5.8)

(c) Die durch den kurzen Ultraschallpuls erzeugte Temperaturerhöhung beträgt ΔT ≃ 4.5 × 10−4 K bei T = 4.2 K. Mit diesem Wert können wir die Änderung der mittleren Besetzungswahrscheinlichkeit für Phononen der Frequenz f 0 = ω 0 /2π = 200 MHz bestimmen zu 1 1 Δn(ω 0 ) = ħω /k (T+ΔT) − ≃ 0.046 . (A6.5.9) e 0 B − 1 eħω 0 /k B T − 1

6 Thermische Eigenschaften

105

Zur Bestimmung der Zunahme ΔN ph /Δω = D(ω 0 )Δn(ω 0 ) bei der Frequenz ω 0 /2π = 200 MHz pro Kreisfrequenzintervall benötigen wir noch die Zustandsdichte bei dieser Frequenz. In Debyescher Näherung beträgt diese pro akustischem Zweig D(ω 0 ) =

V V ω 20 = 3 f 02 . 2 3 4π v s vs

(A6.5.10)

Die unbekannte Schallgeschwindigkeit v s können wir in der Debyeschen Näherung aus der angegebenen Debye-Temperatur ableiten. Mit ΘD =

N 1/3 ħv s (6π 2 ) kB V

(A6.5.11)

erhalten wir v s3 =

Θ3D k B3 V 6π 2 ħ 3 N

(A6.5.12)

und damit D(ω 0 ) =

6π 2 ħ 3 N ω 0 2 ( ) . Θ3D k B3 2π

(A6.5.13)

Mit N = 2.498 × 1022 und Θ D = 640 K erhalten wir für die drei akustischen Zweige D(ω 0 ) = 3 ⋅

6π 2 ħ 3 N ω 0 2 1 ( ) ≃ 0.3 −1 . 3 3 Θ D k B 2π s

(A6.5.14)

Wir haben in Silizium bei der für Phononen relativ niedrigen Frequenz von 200 MHz also nur eine Zustandsdichte von etwa 0.3 Zuständen pro Kreisfrequenzintervall von 1 s−1 . 1 Mit diesem Werte erhalten wir ΔN ph /Δω = D(ω 0 )Δn ≃ 0.014 s−1 . Von den ursprünglich mit dem kurzen Ultraschallpuls bei f 0 = 200 MHz erzeugten 7.5 × 1016 Phononen verbleiben nach deren Thermalisierung also nur noch etwa 0.01 Phononen in einem Kreisfrequenzintervall der Breite 1 s−1 um diese Frequenz übrig.

7 A7.1

Das freie Elektronengas Fermi-Gase in d Dimensionen

Geben Sie für ein d-dimensionales Fermi-Gas die Fermi-Wellenzahl k Fd , die FermiGeschwindigkeit v Fd , die Fermi-Energie E Fd und die Zustandsdichte (pro Volumen und Energie) an der Fermi-Kante N Fd = D Kd /L d für beide Spin-Richtungen an und zeigen Sie, dass die Relationen 2 N Fd v Fd = d

nd m

N Fd E Fd =

d nd 2

gelten, wobei n d = N/L d die Teilchendichte in d Dimensionen ist. Lösung

Wir gehen von einem d-dimensionalen Hyperkubus mit der Kantenlänge L und dem Volumen L d aus. Die erlaubten Quantenzustände sind charakterisiert durch diskrete Wellenzahlen, die unter der Annahme periodischer Randbedingungen die Form ki = (

2π ) ni , L

i = 1, 2, . . . , d

(A7.1.1)

haben. Hierbei sind n i ganze Zahlen. Wir müssen (vergleiche hierzu Aufgabe A5.7) Summen S{F} über Wellenvektoren auswerten: S{F} ≡ ∑ F(k) = ∑ kσ



σ n 1 ,n 2 ,...,n d

F(

2π n) L

2π L d = ∑ ∫ d d n F ( n) = ∑ ( ) ∫ d d k F(k) L 2π σ σ ∞

= ∑( σ

L d ) ∫ dk k d−1 ∫ d n−1 Ω k F(k) 2π 0 .// / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / 1 .// / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / 1 Winkel Betrag ∞

= ∑( σ

d n−1 Ω k L d F(k) . ) S d ∫ dk k d−1 ∫ 2π Sd 0

(A7.1.2)

108

7 Das freie Elektronengas

Hierbei ist S d = dVd die Oberfläche der d-dimensionalen Einheitskugel, Vd ist ihr Volumen. Die bekannten Spezialfälle hiervon lauten für die Dimensionen d = 1, . . . , 4: d 1 2 3 4

Sd 2 2π 4π 2π 2

Vd 2 π 4π/3 π 2 /2

Um zu lernen, wie die Größen S d und Vd im allgemeinen Fall von der Dimension d abhängen, bemüht man am besten einen Theoretiker. Der weist natürlich sofort darauf hin, dass im Jahre 1730 der Mathematiker Leonhard Euler die nach ihm benannte Γ-Funktion erfunden hat, welche die folgenden für unsere Zwecke sehr interessanten Eigenschaften hat: ∞

Γ(z) = ∫ dt t z−1 e−t 0

Γ(z + 1) = zΓ(z) = z! √ 1 Γ( ) = π 2 √ 1 (2n)! π Γ (n + ) = . 2 n!22n

(A7.1.3)

√ Werten wir√nämlich Γ(z) für z = d/2 + 1 aus, so finden wir Γ(3/2) = π/2, Γ(4/2) = 2, Γ(5/2) = 3 π/4, usw.. Damit lassen sich sowohl S d als auch Vd wie folgt in jeder beliebigen Dimension d konstruieren (siehe hierzu Abb. 7.1): S d = ∫ d d−1 Ω = Vd =

d π d/2 Γ ( d2 + 1)

(A7.1.4)

Sd π d/2 . = d Γ ( d2 + 1)

(A7.1.5)

Sd Vd Abb. 7.1: Allgemeiner Verlauf von S d und Vd als Funktion der Dimensionalität d.

7 Das freie Elektronengas

109

Im nun Folgenden gehen wir von einem Spektrum freier Fermionen mit parabolischer Dispersion aus (vergleiche hierzu Aufgabe A7.2, wo wir ein System mit linearer Dispersionsrelation behandeln): єk =

ħ2k2 = μ + ξk . 2m

(A7.1.6)

Hierbei ist μ das chemische Potenzial und ξ k = є k − μ die auf das chemische Potenzial bezogene Energie. Die Summen über Wellenvektoren können nun wie folgt in Integrale über die Energien є k , ξ k umgewandelt werden: ∞

d n−1 Ω k m(2mє k ) 2 −1 F(k) ∫ (2πħ)d Sd σ .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 d

S{F} = L d ∫ dє k S d ∑ 0

N d (є k )



d n−1 Ω k m[2m(μ + ξ k )] 2 −1 F(k) . ∫ (2πħ)d Sd σ .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 d

= Ld ∫ d ξk Sd ∑ −μ

(A7.1.7)

N d (μ+ξ k )

Wir erkennen sofort, dass sich die Zustandsdichte (DOS) für 2 Spin-Projektionen wie folgt auf d Dimensionen verallgemeinern lässt: m[2m(μ + ξ k )] 2 −1 . (2πħ)d d

N d (μ + ξ k ) = N d (є k ) = 2 ⋅ S d

(A7.1.8)

Ein Spezialfall hiervon ist die DOS an der Fermi-Kante (є Fd = μ(T = 0)) m[2mє Fd ] 2 −1 . (2πħ)d d

N Fd ≡ N d (є Fd ) = 2 ⋅ S d

(A7.1.9)

Damit lassen sich die Summen über Wellenzahlen S{F} wie folgt umschreiben ∞

s{F} ≡

d d−1 Ω k S{F} = ∫ d ξ k N d (μ + ξ k ) ∫ F(k) . d L Sd

(A7.1.10)

−μ

Beispiele für N d (μ + ξ k ) sind in Tabelle 7.1 zusammengefasst. Im Folgenden fassen wir noch einige wichtige Beziehungen zusammen: 1. Teilchenzahldichte in d Dimensionen: N nd = d . L

(A7.1.11)

110

7 Das freie Elektronengas

Tabelle 7.1: Zustandsdichte für zwei Spin-Projektionen in d Dimensionen. Dimension d 1 2 3

N d (μ + ξ k ) = N d (єk ) m 1 √ πħ 2m(μ + ξ k ) m πħ2 m √ 2m(μ + ξ k ) π 2 ħ3

2. Fermi-Wellenzahl k Fd in d Dimensionen: nd =

1 1 L d k Fd d d Θ(k − k) = 2 ⋅ ⋅ ( ⋅ V k = 2V ( ) ) ∑ Fd d d F L d kσ L d 2π 2π 1

k Fd

d 1 (2π)d = { nd } . 2 Vd

(A7.1.12)

Hierbei ist Θ die Heaviside-Funktion. 3. Fermi-Geschwindigkeit v Fd in d Dimensionen: ħk Fd . m 4. Fermi-Energie E Fd in d Dimensionen: v Fd =

є Fd = μ(T = 0) =

2 ħ 2 k Fd . 2m

(A7.1.13)

(A7.1.14)

Mit (A7.1.9) können wir dann folgenden allgemeinen Zusammenhang zwischen N Fd , v Fd und є Fd ableiten: 2 = d N Fd v Fd

N Fd є 2Fd =

A7.2

nd m

d nd . 2

(A7.1.15)

Fermi-Gas mit linearer Dispersion

Wir betrachten ein Elektronengas, das bei der Fermi-Energie є F eine lineare Dispersion є(k) = ħkv F besitzt (dies trifft zum Beispiel auf Graphen zu). Berechnen Sie die Zustandsdichte an der Fermi-Kante N Fd = D Fd /L d für beide Spin-Richtungen für d = 1, 2 und 3 und vergleichen Sie das Ergebnis mit dem für ein Fermi-Gas mit parabolischer Dispersion є(k) = ħ 2 k 2 /2m erhaltenen Ergebnis.

7 Das freie Elektronengas

111

Lösung

Um einen allgemeinen Ausdruck für die Zustandsdichte an der Fermi-Kante N Fd = D Fd /L d herzuleiten, benutzen wir wieder Summen S{F} über Wellenvektoren (vergleiche hierzu Aufgabe A5.7 und Aufgabe A7.1). Wir gehen aus von Gleichung (A7.1.2) ∞

S{F} = ∑ ( σ

L d ) ∫ dk k d−1 ∫ d n−1 Ω k F(k) 2π 0 .// / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / 1 .// / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / 1 Winkel Betrag

= ∑( σ



d

d n−1 Ω k L F(k) . ) S d ∫ dk k d−1 ∫ 2π Sd 0 .// / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / 1

(A7.2.1)

Ad

Hierbei ist wiederum S d = dVd die Oberfläche der d-dimensionalen Einheitskugel, Vd ist ihr Volumen. Es gilt S 1 = 2, S 2 = 2π und S 3 = 4π, sowie V1 = 2, V2 = π und V3 = 43 π. Die Summen über Wellenvektoren wandeln wir in Integrale um. Um zu Integralen über die Energien є k überzugehen, müssen wir die Dispersionsrelation verwenden. Im Gegensatz zu Aufgabe A7.1 verwenden jetzt eine lineare Dispersion є k = ħv F k

⇒ k =

єk dє k , dk = . ħv F ħv F

(A7.2.2)

Für die Größe A d in (A7.2.1) erhalten wir damit ∞





A d = ∫ dk k d−1 = ∫ dє k 0

0

є d−1 1 1 k = ∫ dє k є d−1 . ħv F (ħv F )d−1 (ħv F )d k

(A7.2.3)

0

Setzen wir dies in (A7.2.1) ein, so erhalten wir ∞

d n−1 Ω k 1 L d d−1 є F(k) S{F} = ( ) S d ∑ ∫ dє k ∫ k 2π (ħv F )d Sd σ 0



d n−1 Ω k 1 d−1 є F(k) . ∫ k d Sd σ (2πħv F ) .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1

= L d ∫ dє k S d ∑ 0

(A7.2.4)

N d (є k )

Wir sehen also, dass wir für die lineare Dispersion die Zustandsdichte N d (є k ) = D(є k )/L d für 2 Spin-Projektionen allgemein wie folgt schreiben können: N d (є k ) = 2 ⋅ S d ⋅

1 є d−1 . (2πħv F )d k

(A7.2.5)

112

7 Das freie Elektronengas

Tabelle 7.2: Zustandsdichte für zwei Spin-Projektionen für ein Fermi-Gas mit linearer und parabolischer Dispersion in d Dimensionen. N d (єk )

d

lineare Dispersion: єk = ħv F k 1

2 1 0 є π ħv F k

2

1 1 є1 π (ħv F )2 k

3

1 1 є2 π 2 (ħv F )3 k

N d (єk ) parabolische Dispersion: єk =

ħ2 k 2 2m

1 m 1/2 −1/2 ( ) єk √ 2 π ħ2 1 m 0 ( )є π ħ2 k √ 2 m 3/2 1/2 ( ) єk π 2 ħ2

Ein Spezialfall hiervon ist die DOS an der Fermi-Kante: N d (μ) = 2 ⋅ S d ⋅

1 μd−1 . (2πħv F )d

(A7.2.6)

Für d = 1, 2 und 3 erhalten wir die in Tabelle 7.2 zusammengefassten Beziehungen. Wir sehen, dass sich die für die lineare Dispersionsrelation erhaltenen Zustandsdichten deutlichen von denjenigen unterscheiden, die für eine parabolische Dispersion vorliegen. Insbesondere erhalten wir bei linearer Dispersion für den eindimensionalen Fall eine konstante Zustandsdichte, während wir dies bei parabolischer Dispersion für den zweidimensionalen Fall vorliegen haben. Für den dreidimensionalen Fall haben wir die Zustandsdichte bei linearer Dispersion bereits im Zusammenhang mit der Zustandsdichte der Phononen im Debye-Modell diskutiert [D(ω) ∝ ω 2 , vergleiche hierzu (A6.2.10) in Aufgabe A6.2], wo wir die Dispersionsrelation der akustischen Phononen mit einem linearen Verlauf angenähert haben. A7.3

Chemisches Potenzial in zwei Dimensionen

Zeigen Sie, dass das chemische Potential eines Fermi-Gases in zwei Dimensionen gegeben ist durch μ(T) = k B T ln [exp (

πn 2 ħ 2 ) − 1] , mk B T

wobei n 2 die Anzahl der Elektronen pro Flächeneinheit ist. Beachten Sie, dass die Zustandsdichte pro Flächeneinheit eines zweidimensionalen Elektronengases mit parabolischer Dispersion nicht von der Energie abhängt (N 2 (є) = D 2 (є)/A = m/πħ 2 = const.).

7 Das freie Elektronengas

113

Lösung

Mit dem allgemeinen Resultat (A7.1.7) von Aufgabe A7.1 können wir für den Fall d = 2 schreiben: ∞



dє k 1 m n 2 = 2 ∑ n k = ∫ dє k N 2 (є k ) n k = . є k −μ(T) 2 ∫ L kσ πħ .// / / 0// / / 1 0 0 e kB T + 1 2

(A7.3.1)

m/πħ

є k −μ(T)

Hierbei ist n k = {e k B T + 1}−1 die Besetzungswahrscheinlichkeit der Zustände bei der Temperatur T. Dieses Integral ist tabelliert und wir finden ∞

dx 1 ∫ b + ce ax = ab [ln(b + c) − ln c] .

(A7.3.2)

0

In unserem Fall ist a = 1/k B T, b = 1 und c = e−μ/k B T und wir erhalten n2 =

m {μ(T) + k B T ln (1 + e−μ/k B T )} . πħ 2

(A7.3.3)

Diese Gleichung müssen wir jetzt noch nach μ auflösen. Wir erhalten n 2 πħ 2 μ(T) − = ln (1 + e−μ/k B T ) mk B T kB T 1 . e−μ/k B T = −n πħ 2 /mk T 2 B e −1

(A7.3.4)

und daraus schließlich n 2 πħ 2

μ(T) = k B T ln (e mk B T − 1) .

(A7.3.5)

Mit Hilfe der Beziehung N F2 є F2 ≡ n 2 [vergleiche (A7.1.15)] lässt sich dieses Ergebnis noch wie folgt umschreiben1 є F2

μ(0)

μ(T) = k B T ln (e k B T − 1) = k B T ln (e k B T − 1) = μ(0) = μ(0) {1 −

TF T ln (e T − 1) TF

T − TTF 1 − 2TTF 1 − 3TTF (e + e + e + . . .)} . TF 2 3

(A7.3.6)

Hierbei ist TF = μ(0)/k B die Fermi-Temperatur. Dieses Ergebnis ist in Abb. 7.2 dargestellt. 1

Wir benutzen TF TF T T T T TF T − F − F μ(0) ln (e T − 1) = μ(0) ln (e T [1 − e T ]) = μ(0) { + ln [1 − e T ]} . TF TF TF T Mit ln(1 − z) = −z − z 2 /2 − z 3 /3 − . . . erhalten wir dann μ(0)

TF T − TTF 1 − TTF 1 − TTF T ln (e T − 1) = μ(0) {1 − [e + e + e + . . .]} . TF TF 2 3

114

7 Das freie Elektronengas

Abb. 7.2: Temperaturabhängigkeit des normierten chemischen Potenzials μ(T)/μ(0) nach (A7.3.5) für ein zweidimensionales System freier Fermionen. Die gestrichelte Kurve ist die führende Korrektur zum Tieftemperaturlimes ∝ 1 − TT exp(−TF /T) nach (A7.3.6).

μ (T ) / μ (0)

0.8

0.4

0.0

-0.4 0.0

0.8

1.2

1.6

T / TF

F

A7.4

0.4

Fermi-Gase in der Astrophysik

Das Modell freier Fermionen wird nicht nur in der Festkörperphysik sondern auch in verschiedenen anderen Gebieten der Physik verwendet. Übertragen Sie das für die Beschreibung des Verhaltens von Elektronen in Metallen entwickelte Modell des freien Elektronengases auf Fermi-Gase in der Astrophysik. (a) Gegeben ist die Masse M⊙ = 1.99 × 1030 kg und der Radius R⊙ = 6.96 × 108 m unserer Sonne. Schätzen Sie die Zahl der Elektronen in der Sonne ab. (b) In etwa 5 Milliarden Jahren wird der Wasserstoffvorrat unserer Sonne aufgebraucht sein und die Sonne geht nach einem Zwischenstadium als Roter Riese, dessen Radius mit dem Bahnradius der Erde vergleichbar ist, in einen Weißen Zwerg (M ≃ 0.5 ⋅ M⊙ , R⊙ ≃ 107 m) über. Da Weiße Zwerge eine Temperatur von etwa 107 K besitzen, sind die Heliumatome vollständig ionisiert und die Elektronen können näherungsweise als freie Elektronen betrachtet werden. Berechnen Sie die Fermi-Energie und die FermiTemperatur des Elektronengases. Handelt es sich dabei um ein entartetes Elektronengas? (c) Die Energie eines Elektrons im relativistischen Grenzfall є ≫ mc 2 hängt mit der Wellenzahl k über є ≅ pc = ħkc zusammen. Zeigen Sie, dass die Fermi-Energie in diesem 1/3

Grenzfall ungefähr є F ≃ ħc (3π 2 n) beträgt. Hierbei ist n die Elektronendichte und c die Lichtgeschwindigkeit. (d) Der Druck des Elektronengases im Inneren eines Weißen Zwerges kann die auf dem Weißen Zwerg lastende Gravitationskraft nur dann kompensieren, wenn dieser eine Masse von weniger als 1.4 Sonnenmassen hat. Besitzt eine ausgebrannte Sonne eine höhere Masse, so wird sich der sterbende Stern stattdessen in einen Neutronenstern mit einem Radius von etwa 15 km umwandeln. Berechnen Sie die Fermi-Energie eines Neutronensterns mit der Masse M = 1.5 ⋅ M⊙ . (e) Man glaubt, dass Pulsare eher aus Neutronen als aus Protonen und Elektronen bestehen. Dies liegt daran, dass der Energiegewinn der Reaktion n → p+ + e − + ν e nur 0.77 × 106 eV beträgt. Überlegen Sie, bei welcher Elektronenkonzentration die Fermi-Energie

7 Das freie Elektronengas

115

des Elektronengases größer als dieser Wert wird. Wird der Zerfall der Neutronen dann noch fortschreiten? Lösung

(a) Wir können für eine grobe Abschätzung annehmen, dass die Sonne nur aus Wasserstoff besteht. Die Anzahl der Elektronen N ist dann gleich der Anzahl der Nukleonen in der Sonne. Diese erhalten wir, indem wir die Masse der Sonne durch die atomare Masseneinheit teilen. Wir erhalten somit N ≃

1.99 × 1030 kg = 1.19 × 1057 . 1.67 × 10−27 kg

(A7.4.1)

(107 m)3 = (b) Ein weißer Zwerg mit Radius R⊙ ≃ 107 m hat ein Volumen V = 4π 3 21 3 4.2 × 10 m . Mit der Masse M ≃ 0.5 ⋅ M⊙ enthält der Weiße Zwerg in seinem Innern N He = M/m He = 0.5 ⋅ M⊙ /4u ≃ 1.50 × 1056 Heliumatome. Da diese vollständig ionisiert sind, also zwei Elektronen liefern, ist die Elektronendichte 2N He 3.0 × 1056 = 7.14 × 1034 m−3 . (A7.4.2) ≃ V 4.2 × 1021 m3 Da die Fermi-Wellenzahl k F und die Fermi-Energie є F nur von der Dichte der Fermionen abhängen, können wir diese sofort zu n =

k F = (3π 2 n)1/3 = 1.28 × 1012 m−1 (A7.4.3) 2 ħ (3π 2 n)2/3 = 6.05 × 10−39 ⋅ 1.64 × 1024 J = 9.9 × 10−15 J єF = 2m e (A7.4.4) = 6.19 × 104 eV angeben, wobei wir ħ = 1.054 × 10−34 Js und die Ruhemasse des Elektrons m e = 9.109 × 10−31 kg verwendet haben. Der Wert der Fermi-Energie liegt noch weit unterhalb der Ruheenergie m e c 2 = 511 keV der Elektronen, was die Verwendung des ħ2 (3π 2 n)2/3 für die Fermi-Energie rechtfertigt. nicht-relativistischen Ausdrucks є F = 2m Die Fermi-Temperatur TF = є F /k B beträgt 7.17 × 108 K und übertrifft die Temperatur von etwa 107 K im Sterninnern deutlich. Das heißt, dass Weiße Zwerge ein nichtrelativistisch zu behandelndes entartetes Elektronengas besitzen, dessen Fermi-Druck mit der Gravitationskraft, welche auf den Teilchen lastet, im Gleichgewicht steht. (c) Die Fermi-Wellenzahl k F selbst ändert sich nicht beim Übergang vom nicht-relativistischen zum relativistischen Grenzfall. Wir müssen aber die relativistische Beziehung zwischen der kinetischen Energie und der Wellenzahl k eines Teilchens mit der Ruhemasse m 0 und dem Impuls p = ħk verwenden. Diese lautet √ є(k) = (ħkc)2 + (m 0 c 2 )2 − m 0 c 2 . (A7.4.5) Daraus lässt sich die Fermi-Energie є F = є(k F ) eines relativistischen Fermionengases durch Einsetzen der Fermi-Wellenzahl k F = (3π 2 n)1/3 berechnen.

116

7 Das freie Elektronengas

Im klassischen Grenzfall є ≪ m 0 c 2 können wir den obigen Ausdruck für є(k) entwickeln und wir erhalten den genäherten Ausdruck O P (ħkc)2 ħ2 k 2 2P −m 0 c 2 ≃ (A7.4.6) є(k) = m 0 c Q1 + 2 2 (m 0 c ) 2m 0 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 ≃1+ 12

(ħ k c)2 (m 0 c 2 )2

und damit den bekannten nicht-relativistischen Ausdruck єF ≃

ħ2 (3π 2 n)2/3 2m 0

(A7.4.7)

für die Fermi-Energie. Im extrem relativistischen Grenzfall є ≫ m 0 c 2 kann die Ruheenergie des Teilchens vernachlässigt werden, woraus sich є(k) ≃ ħkc

(A7.4.8)

ergibt. Mit k F = (3π 2 n)1/3 erhalten wir dann die Fermi-Energie є F ≃ ħc(3π 2 n)1/3 .

(A7.4.9)

Wir sehen, dass die Energie-Wellenzahl-Beziehung im nicht-relativistischen Bereich einen quadratischen, im relativistischen Bereich dagegen einen linearen Verlauf besitzt. Anmerkung: Die Dispersionsrelation von Graphen verläuft für Wellenvektoren in der Nähe der sechs Ecken der zweidimensionalen hexagonalen Brillouin-Zone (dies entspricht Energien nahe an der Fermi-Energie) linear. Die Elektronen und Löcher in der Nähe dieser Punkte verhalten sich deshalb wie relativistische Teilchen, die durch die Dirac-Gleichung für Spin-1/2 Teilchen (Fermionen) beschrieben werden. Wir bezeichnen diese Teilchen deshalb als Dirac-Fermionen und die sechs Punkte in der BrillouinZone als Dirac-Punkte. Die Dispersionsrelation in der Nähe der Dirac-Punkte lautet √ 2 2 ξ k = ħv F k, wobei v F = 106 m/s und k = k x + k y vom jeweiligen Dirac-Punkt aus gemessen wird (der Nullpunkt der Energieskala wird in den Dirac-Punkt gelegt). (d) Ein Neutronenstern der Masse M = 1.5 ⋅ M⊙ besteht aus insgesamt N = M/m n = 1.5 ⋅ M⊙ /m n = 1.78 × 1057 Neutronen (m n = 1.674 × 10−27 kg). Bei einem Radius von 15 km berechnet sich daraus die Neutronendichte zu n = 1.26 × 1044 m−3 . Diese Dichte entspricht etwa der Nukleonendichte in Atomkernen. Im Gegensatz zu Atomkernen wird der Zusammenhalt von Neutronensternen aber nicht durch die starke Wechselwirkung gewährleistet, sondern durch die Gravitationskraft. Die Fermi-Wellenzahl k F = (3π 2 n)1/3 = 1.55 × 1015 m−1 der Neutronen liefert unter der Annahme einer nicht-relativistischen є(k) Beziehung für Teilchen der Ruhemassen m 0 = m n eine Fermi-Energie von єF =

ħ 2 k F2 = 7.98 × 10−12 J ≃ 50 MeV . 2m n

(A7.4.10)

Diese Energie liegt erheblich unter der Ruheenergie m n c 2 = 941 MeV von Neutronen. Die entsprechende Fermi-Temperatur TF = є F /k B beträgt TF = 5.79 × 1011 K. Diese

7 Das freie Elektronengas

117

Temperatur wird von Neutronensternen bei weitem nicht erreicht. Das Fermi-Gas eines Neutronensterns stellt deshalb ein stark entartetes Quantengas dar. (e) Bei einer vollständigen Umwandlung des Neutronensterns in Protonen und Elektronen würde jedes Neutron ein Elektron erzeugen. Die Elektronendichte würde also der in der vorangegangenen Teilaufgabe berechneten Neutronendichte entsprechen, was in einer Fermi-Wellenzahl der Elektronen von k F = (3π 2 n)1/3 = 1.55 × 1015 m−1 resultieren würde. Würden wir wiederum die Fermi-Energie in nicht-relativistischer Näherung berechnen, so würden wir einen Wert erhalten, der weit oberhalb der Ruheenergie der Elektronen liegen würde. Wir müssen also die relativistische Näherung verwenden. In dieser erhalten wir є F = ħk F c = 306 MeV .

(A7.4.11)

Da beim Zerfall des Neutrons nur eine Energie von 0.77 MeV frei wird, muss davon ausgegangen werden, dass Neutronensterne nur zu einem unbedeutend geringen Anteil Protonen und Elektronen enthalten. Der Zerfall von Neutronen in Protonen und Elektronen wird nämlich nur so lange fortgesetzt, bis die Fermi-Energie der Elektronen etwa die Zerfallsenergie erreicht. Nach der relativistischen є(k) Beziehung ist dies bei k F ≃ 6 × 1012 m−1 der Fall. Wegen N ∝ k F3 können wir das Verhältnis von Elektronen und Neutronen in einem Neutronenstern zu k3 Ne = 3F,e ≃ 5 × 10−8 Nn k F,n

(A7.4.12)

angeben. Der Nachweis dafür, dass Neutronensterne wirklich existieren, wurde 1967 mit der Entdeckung von Pulsaren erbracht. Bei Pulsaren handelt es sich um rasch rotierende Neutronensterne, welche in Folge eines im Sterninnern verankerten Magnetfeldes von bis zu 108 Tesla in regelmäßiger Folge kurze Strahlungsimpulse aussenden. Die Periodendauer dieser Signale liegt dabei typischerweise im Bereich zwischen 0.03 und 3 s.

A7.5

Flüssiges 3 He als Fermi-Gas

He besitzt einen Kernspin I = 1/2 und ist deshalb ein Fermion. Aufgrund der durch die kleine Atommasse verursachten großen Nullpunktsfluktuationen wird 3 He selbst bei T = 0 3 nicht fest. Es bildet deshalb eine Fermi-Flüssigkeit mit einer Dichte von ρ = 0.08 g/cm . 3

(a) Bestimmen Sie die Fermi-Energie є F , Fermi-Temperatur TF und die Fermi-Geschwindigkeit v F . Vergleichen Sie diese Werte mit denjenigen, die typischerweise für Elektronengase in Metallen erhalten werden. Wieso stellt flüssiges 3 He ein ideales Modellsystem für das Studium von Fermi-Gasen dar, welche Vorteile bestehen gegenüber Elektronengasen in Metallen? (b) Berechnen Sie die spezifische Wärme von flüssigem 3 He für T ≪ TF . Berücksichtigen Sie dabei die Tatsache, dass die effektive Masse der 3 He-Atome in der Flüssigkeit etwa 2.8-mal so groß ist wie diejenige der freien Atome. Vergleichen Sie den für T = 20 mK erhaltenen Wert mit dem von Kupfer.

118

7 Das freie Elektronengas

Lösung

Wir betrachten 3 He vereinfachend als nichtwechselwirkendes Gas von Fermionen. Die Masse von 3 He-Atomen beträgt m 3 He = 3.0160293 u mit der atomaren Masseneinheit 3 3 u = 1.660538 × 10−27 kg. Aus der angegebenen Dichte von ρ = 0.08 g/cm = 80 kg/m können wir die Dichte des Fermi-Gases berechnen zu n 3 He =

ρ 80 = m−3 = 1.598 × 1028 m−3 . m 3 He 3.016 ⋅ 1.660 × 10−27

(A7.5.1)

Zur weiteren Lösung der Aufgabe verwenden wir ferner die reduzierte Planck-Konstante ħ = 1.054 . . . × 10−34 Js, die Boltzmann-Konstante k B = 1.380 . . . × 10−23 J/K und die Elektronenmasse m e = 9.109 . . . × 10−31 kg. (a) Da wir 3 He als ideales Fermi-Gas betrachten, ist die Fermi-Energie gegeben durch є F = μ(0) =

ħ2 (3π 2 n 3 He )2/3 = 6.736 . . . × 10−23 J = 0.421 meV. 2m 3 He

Für die Fermi-Temperatur und die Fermi-Geschwindigkeit ergeben sich єF = 4.8814 . . . K TF = k √B v F = 2є F /m 3 He = 164.0 . . . m/s .

(A7.5.2)

(A7.5.3) (A7.5.4)

3

Durch die endliche Wechselwirkung der Atome stellt flüssiges He kein ideales FermiGas sondern eine Fermi-Flüssigkeit mit einer effektiven Masse m⋆ = 2.8m 3 He dar. Dadurch ergeben sich die modifizierten Werte єF (A7.5.5) = 2.405 . . . × 10−23 J = 0.150 meV є⋆F = 2.8 TF = 1.743 . . . K (A7.5.6) TF⋆ = 2.8 vF v F⋆ = √ = 98.0 . . . m/s . (A7.5.7) 2.8 Die Fermi-Energie, -Temperatur und -Geschwindigkeit werden durch die Dichte n der Fermionen und deren Masse m bestimmt. Während die Atomdichte in flüssigem 3 He die gleiche Größenordnung wie die Elektronendichte in Metallen hat (die Elektronendichte in Kupfer beträgt z. B. n e = 8.45 × 1028 m−3 ), ist die Masse der 3 He-Atome um mehr als drei Größenordnungen höher als die Elektronenmasse. Da die Fermi-Energie und -Temperatur proportional zu 1/m skalieren, besitzt flüssiges 3 He eine im Vergleich zu einem Elektronengas viel niedrigere Fermi-Energie (Fermi-Temperatur). Während wir für Metalle Fermi-Energien (-Temperaturen) im Bereich einiger eV (10 000 K) haben, beträgt diese für 3 He weniger als 1 meV (10 K). Dies bietet große Vorteile beim Studium von Fermi-Gasen bzw. Fermi-Flüssigkeiten. Da die Fermi-Temperatur von Elektronengasen weit oberhalb der Schmelztemperatur von Metallen liegt, kann der Übergang von einem entarteten Quantengas bei T < TF zu einem klassischen Teilchengas bei T > TF mit Metallen prinzipiell nicht studiert werden. Für flüssiges 3 He mit TF⋆ ≃ 1.7 K ist dies

7 Das freie Elektronengas

119

dagegen leicht möglich. Der entsprechende Temperaturbereich ist mit etablierten Kühltechniken leicht zu erreichen. Zusätzlich kann 3 He sehr rein hergestellt werden. (b) Um die spezifische Wärme von flüssigem 3 He für T ≪ TF zu berechnen, benutzen wir die Tieftemperaturnäherung der spezifischen Wärme eines idealen Fermi-Gases: cV =

T CV π2 = n 3 He k B ⋆ . V 2 TF

(A7.5.8)

Um die endlichen Wechselwirkungseffekte zu berücksichtigen, verwenden wir die effektive Fermi-Temperatur TF⋆ = 1.743 K. Damit erhalten wir für T = 20 mK c V (20 mK) = 4.935 ⋅ 1.598 × 1028 ⋅ 1.38 × 10−23 ⋅

0.02 J 1.743 m3 K

J . (A7.5.9) m3 K Wir vergleichen diesen Wert nun mit der elektronischen spezifischen Wärme von Kupfer, die wir mit der gleichen Formel berechnen können. Für die Fermi-Temperatur von Kupfer erhalten wir mit der Elektronendichte n e = 8.45 × 1028 m−3 = 1.249 × 105

TF =

ħ2 (3π 2 n e )2/3 = 8.14 × 104 K . 2m e k B

(A7.5.10)

Mit diesem Wert ergibt sich die spezifische Wärme von Kupfer zu c V (20 mK) = 4.935 ⋅ 8.45 × 1028 ⋅ 1.38 × 10−23 ⋅

J 0.02 8.14 × 104 m3 K

J . (A7.5.11) m3 K Wir sehen, dass dieser Wert um etwa 5 Größenordnungen kleiner ist als derjenige von flüssigem 3 He. Ursache dafür ist wiederum die wesentlich kleinere Fermi-Temperatur. = 1.413

A7.6

Mittlere Energie, Druck und Kompressibilität eines zweidimensionalen Fermi-Gases

Wir betrachten ein zweidimensionales Gas freier Elektronen. (a) Berechnen Sie die mittlere Energie ⟨E⟩ = U/N eines Elektrons bei T = 0. (b) Aus der inneren Energie U(S, V, N) eines Systems, welche als Funktion der Entropie S, des Volumens V und der Teilchenzahl N gegeben ist, lässt sich durch partielles Ableiten nach dem Volumen der im System herrschende Druck berechnen: p = −(

∂U . ) ∂V S,N

Welchen Fermi-Druck besitzt das zweidimensionale Elektronensystem bei T = 0? (c) Bestimmen Sie die isotherme Kompressibilität κT = −

1 ∂V ( ) . V ∂p T

120

7 Das freie Elektronengas

Diese gibt Auskunft über die relative Änderung der Fläche A des zweidimensionalen Systems, welche durch eine infinitesimale Änderung des Druckes bei konstanter Temperatur bewirkt wird. Lösung

(a) Wir berechnen zunächst die innere Energie U des gesamten Elektronensystems. Mit der L2 A Zustandsdichte Z(k) = (2π) 2 = (2π) 2 im zweidimensionalen k-Raum erhalten wir U = ∑ єk = kσ

A 2 ∑ ∫ d k єk (2π)2 σ kF

A ħ2 k 2 A ħ 2 k F4 = 2 dk 2πk = 2 ∫ (2π)2 2m 2π 2m 4 0

Ak F2 A ħ2 4 kF = єF . (A7.6.1) = 4π 2m 4π Die Größe der Fermi-Wellenzahl können wir aus dem Ausdruck für die Gesamtelektronenzahl N gewinnen. N ist gegeben durch die Fläche des Fermi-Kreises mal der Zustandsdichte mal der Spin-Entartung, also durch (wir benutzen die HeavisideFunktion Θ) kF

N = ∑ Θ(k F − ∣k∣) = 2 ⋅ kσ

A ⋅ ∫ dk 2πk (2π)2 0

A k F2 A 2 = 2 = k 2π 2 2π F N k2 n2 = = F . A 2π Daraus erhalten wir die Fermi-Wellenzahl √ k F = 2πn 2

(A7.6.2)

(A7.6.3)

und die Fermi-Energie ħ 2 k F2 ħ2 (A7.6.4) = 2πn 2 . 2m 2m Mit diesen Ausdrücken können wir die mittlere Energie ⟨E⟩ der Elektronen schreiben als є F2 =

⟨E⟩ =

Ak 2 2π 1 U = є F2 . = є F2 F N 4π Ak F2 2

(A7.6.5)

(b) Mit der inneren Energie U = є F2

ħ 2 (2π NA ) A (2π NA ) Ak F2 ħ2 N 2 = = π 4π 2m 4π 2m A

(A7.6.6)

7 Das freie Elektronengas

121

erhalten wir für ein zweidimensionales System (der Druck hat hier die Einheit N/m und nicht N/m2 wie bei einem dreidimensionalen System) ∂U ) ∂A S,N ħ2 N 2 1 1 ħ2 = π = 2π n 2 n 2 = є F2 n 2 . 2 2m A 2 2m 2 .// / / / / / 0/ / / / / / / 1

p = −(

(A7.6.7)

=є F2

Da 12 є F2 n 2 gerade die Gesamtenergiedichte des zweidimensionalen Elektronengassystems ist, erhalten wir p = −(

U ∂U = ) . ∂A S,N A

(A7.6.8)

(c) Aus der Abhängigkeit p(A) können wir als nächsten Schritt die isotherme Kompressibilität κ T und das Kompressionsmodul B = κ −1 T berechnen: κT = −

1 ∂A 1 ( ) ≡ . A ∂p T B

(A7.6.9)

Wir erhalten B = −A

∂ N 1 ∂є F2 N 1 ∂ 1 N [ є F2 ] = −A [ − є F2 ]. ∂A 2 A 2 ∂A A 2 ∂A A

(A7.6.10)

Nun ist є F2 ∂є F2 ħ2 ∂ N ħ2 N = − = 2π = − 2π ∂A 2m ∂A A 2m A2 A und wir erhalten N 1 N 1 B = −A [− є F2 2 − є F2 2 ] 2 A 2 A N N = є F2 n 2 = 2p . = A [є F2 2 ] = є F2 A A Für die isotherme Kompressibilität können wir dann schreiben κT =

A7.7

1 1 1 = = . B є F2 n 2 2p

(A7.6.11)

(A7.6.12)

(A7.6.13)

Frequenzabhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit eines Metalls

Gegeben sei ein Metall mit Volumen V und N Elektronen der Masse m und der Dichte n = N/V. Die elektronische Stromdichte J e sei mit der Driftgeschwindigkeit v über J e = nev verknüpft. In Anwesenheit eines elektrischen Feldes E(t) genügt v(t) der Relaxationsgleichung ∂ 1 m ( + ) v(t) = eE(t) ∂t τ mit der Impulsrelaxationszeit τ.

122

7 Das freie Elektronengas

(a) Berechnen Sie die zeitabhängige Stromdichte J e (t) für den Fall einer harmonischen Zeitabhängigkeit von E(t) = E0 exp(−ıωt) und leiten Sie einen Ausdruck für die dynamische Leitfähigkeit σ(ω) = δJ e /δE im Limes t/τ → ∞ ab. (b) Benutzen Sie das Resultat für σ(ω), um mit Hilfe der Maxwell-Gleichungen die frequenzabhängige dielektrische Funktion є(ω) eines Metalls abzuleiten. Hinweis: Gehen Sie hierbei von der Definition (harmonische Zeitabhängigkeit ∂/∂t → −ıω) є 0 є(ω)E = є 0 E +

Je −ıω

aus. (c) Berechnen Sie die frequenzabhängige elektromagnetische Eindringtiefe (Skin-Tiefe) δ(ω) für die elektrische (E) und magnetische (B) Feldstärke. (d) Wie lautet der Zusammenhang zwischen δ(ω) und є(ω)? Lösung

Zu Beginn seien an dieser Stelle noch einmal die Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik wiederholt. Sie lauten in SI-Einheiten (є = μ = 1) ∂D + Jq , D = є0 E ∂t ∂B , B = μ0 H ∇×E = − ∂t ∇⋅B = 0 ∇ ⋅ D = ρq .

∇×H =

(A7.7.1) (A7.7.2) (A7.7.3) (A7.7.4)

Für Elektronen mit Ladung q = −e ist die Ladungsträgerdichte ρ q = −en = eN/V und die elektrische Stromdichte Jq = qnv = −env. Die Bewegungsrichtung der Elektronen ist also antiparallel zur elektrischen Stromdichte. Die Maxwell-Gleichungen werden ergänzt durch die konstitutive Relation (Ohmsches Gesetz) Jq = σ ⋅ E ,

(A7.7.5)

welche die Stromdichte Jq mit der elektrischen Feldstärke E über die elektronische Leitfähigkeit σ verknüpft. Aus Gleichung (A7.7.1) können wir durch Bildung der Divergenz (∇ ⋅ . . . ) die Kontinuitätsgleichung (vergleiche hierzu Aufgabe A9.1) ∂ρ q + ∇ ⋅ Jq = 0 ∂t für die Ladungsdichte ρ q ableiten.

(A7.7.6)

7 Das freie Elektronengas

123

Bilden wir dagegen die Rotation von Gleichung (A7.7.1) (∇ × . . . ), so erhalten wir ∇ × (∇ × H)

=

−∇2 H + ∇(∇ ⋅ H) = − (∇2 − ∇ ∶ ∇) H

− (∇2 − ∇ ∶ ∇) H

=

∂ ∇ × D + ∇ × Jq ∂t ∂ є0 ∇ × E + ∇ × Jq ∂t ∂2B −є 0 2 + ∇ × Jq ∂t ∂2 H −μ0 є 0 2 + ∇ × Jq ∂t

= (A7.7.2)

= =

(A7.7.7)

Dies führt mit Hilfe von μ0 є 0 = 1/c 2 auf die Gleichung [∇2 − ∇ ∶ ∇ −

1 ∂2 ] B = −μ0 ∇ × Jq , c 2 ∂t 2

(A7.7.8)

die wir, wie wir noch sehen werden, als Abschirmgleichung für das Magnetfeld interpretieren können, aus der die magnetische Abschirmlänge (Skin-Tiefe) berechnet werden kann. Bilden wir schließlich die Rotation von Gleichung (A7.7.2) (∇ × . . . ) so ergibt sich ∂ ∇ × B = −∇2 E + ∇(∇ ⋅ E) ∂t ∂ − (∇2 − ∇ ∶ ∇) E = −μ0 ∇ × H ∂t ∂Jq ∂2 E = −μ0 є 0 2 − μ0 . ∂t ∂t ∇ × (∇ × E) = −

(A7.7.9)

Dies lässt sich zu folgender Gleichung zusammenfassen: [∇2 − ∇ ∶ ∇ −

∂Jq 1 ∂2 ] E = μ0 . 2 2 c ∂t ∂t

(A7.7.10)

(a) Um die Gleichungen (A7.7.8) und (A7.7.10) weiter behandeln zu können, benötigen wir den Zusammenhang zwischen der Stromdichte Jq und der elektrischen Feldstärke E. Hierzu müssen wir die Relaxationsgleichung ∂ 1 E(t) + ) v(t) = q ∂t τ m lösen. Für Elektronen mit Jq = −nev und q = −e ergibt sich (

(

ne 2 ∂ 1 + ) J q (t) = E(t) ∂t τ m

(A7.7.11)

(A7.7.12)

124

7 Das freie Elektronengas

Die allgemeine Lösung dieser inhomogenen Differentialgleichung 1. Ordnung lässt sich wie folgt angeben: t

Jq (t) = Jq (0)e− τ + t

t′ ne 2 − τt e ∫ dt ′ E(t ′)e τ . m 0 .// / / / / / / / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / / / / / / / 1

(A7.7.13)

(∗)

Mit der Annahme eines elektrischen Wechselfeldes der Form E(t) = E0 exp(−ıωt) können wir den Term (*) auswerten: t

E0 −ıω +



(∗) = E0 ∫ dt ′ e(−ı ω+ τ )t = 1

0

[e(−ı ω+ τ )t − 1] . 1

1 τ

(A7.7.14)

Einsetzen in den Ausdruck für die Stromdichte liefert 1 ne 2 E0 − τt [e(−ı ω+ τ )t − 1] 1e m −ıω + τ ⎤ t ⎡ ne 2 ne 2 ⎥ −τ ⎢ = ⎢Jq (0) − + E E(t) . ⎥ e 0 ⎢ m (−ıω + 1τ ) ⎥ m (−ıω + 1τ ) ⎦ ⎣

Jq (t) = Jq (0)e− τ + t

(A7.7.15)

In diesem Resultat können wir folgende Größe als frequenzabhängige Leitfähigkeit identifizieren: σ(ω) =

ne 2 τ ne 2 τ σ0 ne 2 = = = , σ . 0 m (1 − ıωτ) 1 − ıωτ m m (−ıω + 1τ )

(A7.7.16)

Damit können wir die Stromdichte in der endgültigen Form Jq (t) = [Jq (0) − σ(ω)E0 ] e− τ + σ(ω)E(t) = σ(ω)E(t) t

t≫τ

(A7.7.17)

schreiben. (b) Mit dem Resultat (A7.7.17) können wir nun die dielektrische Funktion des Elektronensystems ableiten. Wir können nämlich definieren: Jq ≡ є 0 є(ω)E . −iω Mit der konstitutiven Relation Jq = σ(ω)E wird daraus є0 E +

(A7.7.18)

ıσ(ω) E ω ıσ(ω) = є 0 (1 + )E ωє 0 .// / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / /1

є 0 є(ω)E = є 0 E +

=є(ω)

є(ω) = 1 +

iσ(ω) . ωє 0

(A7.7.19)

7 Das freie Elektronengas

125

Durch Einsetzen der dynamischen Leitfähigkeit σ(ω) wird daraus є(ω) = 1 −

1 ne 2 −ıωτ ω 2 mє 0 1 − ıωτ n 2 =ω p

= 1−

ω 2p ω2

−ıωτ 1 − ıωτ

mit ω 2p =

ne 2 . mє 0

(A7.7.20)

Hierbei ist ω p die Plasmafrequenz des Elektronensystems. (c) Einsetzen von Jq = σ(ω)E in Gleichung (A7.7.8) liefert [∇2 − ∇ ∶ ∇ +

ω2 ] B = −μ0 ∇ × Jq = −μ0 σ(ω)∇ × E c2 B = −ıωσ(ω)μ0 B = 2 . δ (ω) .// / / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / / 1

(A7.7.21)

=1/δ 2 (ω)

Wir können daher als Magnetfeld-Eindringtiefe (Skin-Tiefe) folgende Größe identifizieren: 1 m 1 − ıωτ 2 1 − ıωτ = = δ∞ . (A7.7.22) δ 2 (ω) = −ıωσ(ω)μ0 μ0 ne 2 −ıωτ −ıωτ .// / 0/ / /1 2 =δ ∞

Man beachte, dass die Skin-Tiefe δ∞ (stoßloser Limes) vermittels der Relation μ0 є 0 = 1/c 2 auch durch die Plasmafrequenz ω p ausgedrückt werden kann: 2 = δ∞

m c2 = 2 . 2 μ0 ne ωp

(A7.7.23)

Wir können Gleichung (A7.7.21) nun noch auf die Form einer Wellengleichung für B bringen ⎡ ⎤ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 2 ⎢ ⎥ ω −ıωτ p ⎢ 2 ⎥ 2 )⎥ B = 0 ⎢∇ − ∇ ∶ ∇ + μ0 є 0 ω (1 − 2 (A7.7.24) ⎢ ⎥ ω 1 − ıωτ ⎢ ⎥ ⎢ .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1⎥ ⎢ ⎥ =є(ω) ⎣ ⎦ und erkennen, dass die Berücksichtigung der Stromdichte Jq auf der rechten Seite von (A7.7.21) wieder zu der Ersetzung є 0 → є 0 є(ω) führt. Um zu zeigen, dass die elektrische Feldstärke E, genau wie B, einer Wellengleichung (A7.7.24) genügt, setzen wir die Stromdichte in Gleichung (A7.7.10) ein und erhalten [∇2 − ∇ ∶ ∇ +

∂Jq ω2 E ] E = μ0 = −ıωμ0 σ(ω) E = 2 . c2 ∂t δ (ω) .// / / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / / 1 1/δ 2 (ω)

(A7.7.25)

126

7 Das freie Elektronengas

Dies lässt sich umschreiben in eine Gleichung, die mit (A7.7.24) bis auf die Ersetzung B ↔ E identisch ist. ⎤ ⎡ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 2 ⎢ ω ıσ(ω) ⎥ ⎥ ⎢ 2 ⎢∇ − ∇ ∶ ∇ + 2 (1 + )⎥ E = 0 . (A7.7.26) ⎥ ⎢ c ωє 0 ⎥ ⎢ ⎢ .// / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / /1⎥ ⎥ ⎢ =є(ω) ⎦ ⎣ Dieses Resultat bedeutet, dass auch das E-Feld aus dem Inneren des Metalls abgeschirmt wird und zwar mit derselben Abschirmlänge δ(ω) wie das B-Feld. (d) Der Zusammenhang zwischen der dielektrischen Funktion є(ω) und der elektromagnetischen Skin-Tiefe δ(ω) lautet ω 2p −ıωτ ω 2 1 − ıωτ 2 c 2 ω p −ıωτ c 2 1 −ıωτ = 1− 2 2 = 1− 2 2 ω c 1 − ıωτ ω δ∞ 1 − ıωτ S .// / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / 1 2 =1/δ

є(ω) = 1 −

=1/δ 2 (ω)



= 1−

A7.8

2

1 c . 2 2 ω δ (ω)

(A7.7.27)

Leitfähigkeitstensor

Zeigen Sie, dass für einen tetragonalen Kristall die Leitfähigkeit in der Ebene senkrecht zur c-Achse isotrop ist. Lösung

Für ein anisotropes Medium können wir allgemein Jq = ̂ σ ⋅E schreiben, wobei ̂ σ der Leitfähigkeitstensor ist. Um das Anisotropieverhalten der Leitfähigkeit eines tetragonalen Kristalls zu untersuchen, führen wir Drehungen um die z- und x-Achse durch, die das tetragonale Gitter in sich selbst überführen. Solche Symmetrieoperationen sind im allgemeinen Drehungen um einen Winkel θ und um eine Achse n, die wir durch die Rotationsmatrix R μν (n, θ) = cos θδ μν + (1 − cos θ)ˆn μ nˆ ν − sin θє μνλ nˆ λ + (1 − cos θ)ˆn2x

⎛ cos θ sin θ nˆ z = ⎜ ⎝ − sin θ nˆ y

(A7.8.1)

− sin θ nˆ z sin θ nˆy ⎞ cos θ + (1 − cos θ)ˆn2y − sin θ nˆ x ⎟ sin θ nˆ x cos θ + (1 − cos θ)ˆn2z ⎠ μν

7 Das freie Elektronengas

127

beschreiben können. Hierbei ist є μνλ der vollständig antisymmetrische Tensor: є μνλ = ±1 für gerade [(123), (231), (312)] bzw. ungerade [(213) etc.] Permutationen von μνλ und 0 sonst, insbesondere wenn 2 oder mehr Indizes gleich sind. Die inverse Matrix entspricht der inversen Drehung: (A7.8.2) R−1 (n, θ) = R(n, −θ) = RT (n, θ) 2 sin θ nˆ z − sin θ nˆ y ⎛ cos θ + (1 − cos θ)ˆnx ⎞ − sin θ nˆ z cos θ + (1 − cos θ)ˆn2y sin θ nˆ x ⎟. = ⎜ ⎝ sin θ nˆ y − sin θ nˆ x cos θ + (1 − cos θ)ˆn2z ⎠ Als Spezialfälle hiervon können wir Drehungen um die zˆ-Achse ⎛ cos θ − sin θ 0 ⎞ R(ˆz, θ) ≡ Uzθ = ⎜ sin θ cos θ 0 ⎟ ⎝ 0 0 1⎠

(A7.8.3)

und um die xˆ -Achse betrachten: 0 ⎞ ⎛1 0 R(ˆx, θ) ≡ Uxθ = ⎜ 0 cos θ − sin θ ⎟ . ⎝ 0 sin θ cos θ ⎠

(A7.8.4)

Für einen Kristall gegebener Symmetrie können wir jetzt Transformationen untersuchen, welche denselben invariant lassen: J′q = Unθˆ ⋅ Jq , E′ = Unθˆ ⋅ E

(A7.8.5)

Damit transformiert sich die elektronische Leitfähigkeit gemäß: σ ′ = Unθˆ ⋅ σ ⋅ {Unθˆ }−1 = σ .

(A7.8.6)

Die letzte Gleichheit entspricht dem Fall, dass die Symmetrieoperation einer Gittersymmetrie entspricht. Für tetragonale Kristalle gibt es zwei solche Symmetrieoperationen (90○ Drehungen um die z-Achse: vierzählige Symmetrieachse; 180○ -Drehungen um die x-Achse: zweizählige Symmertieachse) σ = Uxπ ⋅ σ ⋅ {Uxπ }−1 σ = Uzπ ⋅ σ ⋅ {Uzπ }−1 . 2

2

(A7.8.7) (A7.8.8)

128

7 Das freie Elektronengas

Aus der Bedingung (A7.8.7) ergibt sich ⎛ 1 0 0 ⎞ ⎛ σxx σx y σxz ⎞ ⎛ 1 0 0 ⎞ σ = ⎜ 0 −1 0 ⎟ ⋅ ⎜ σ yx σ y y σ yz ⎟ ⋅ ⎜ 0 −1 0 ⎟ ⎝ 0 0 −1 ⎠ ⎝ σzx σz y σzz ⎠ ⎝ 0 0 −1 ⎠ ⎛ 1 0 0 ⎞ ⎛ σxx −σx y −σxz ⎞ = ⎜ 0 −1 0 ⎟ ⋅ ⎜ σ yx −σ y y −σ yz ⎟ ⎝ 0 0 −1 ⎠ ⎝ σzx −σz y −σzz ⎠ ⎛ σxx −σx y −σxz ⎞ = ⎜ −σ yx σ y y σ yz ⎟ . ⎝ −σzx σz y σzz ⎠

(A7.8.9)

Daraus folgen sofort die Bedingungen σx y σ yx σxz σzx

= = = =

−σx y −σ yx −σxz −σzx

= = = =

0 0 0 0

(A7.8.10) (A7.8.11) (A7.8.12) (A7.8.13)

und der Leitfähigkeitstensor reduziert sich auf die Form ⎛ σxx 0 0 ⎞ σ = ⎜ 0 σ y y σ yz ⎟ ⎝ 0 σz y σzz ⎠

(A7.8.14)

Aus der zweiten Bedingung (A7.8.8) ergibt sich ⎛ 0 −1 0 ⎞ ⎛ σxx σx y σxz ⎞ ⎛ 0 1 0 ⎞ σ = ⎜ 1 0 0 ⎟ ⋅ ⎜ σ yx σ y y σ yz ⎟ ⋅ ⎜ −1 0 0 ⎟ ⎝ 0 0 1 ⎠ ⎝ σzx σz y σzz ⎠ ⎝ 0 0 1 ⎠ ⎛ 0 −1 0 ⎞ ⎛ −σx y σxx σxz ⎞ = ⎜ 1 0 0 ⎟ ⋅ ⎜ −σ y y σ yx σ yz ⎟ ⎝ 0 0 1 ⎠ ⎝ −σz y σzx σzz ⎠ ⎛ σ y y −σ yx −σ yz ⎞ = ⎜ −σx y σxx σxz ⎟ ⎝ −σz y σzx σzz ⎠

(A7.8.15)

Dies liefert die zusätzlichen Bedingungen σ y y = σxx σ yz = σxz = 0 σz y = σzx = 0 ,

(A7.8.16) (A7.8.17) (A7.8.18)

7 Das freie Elektronengas

129

so dass wir folgenden Leitfähigkeitstensor erhalten: ⎛ σxx 0 0 ⎞ σ = ⎜ 0 σxx 0 ⎟ ⎝ 0 0 σzz ⎠

(A7.8.19)

Der so gefundene Leitfähigkeitstensor eines Metalls mit tetragonaler Gittersymmetrie ist also isotrop in der x y–Ebene. A7.9

Elektronische spezifische Wärmekapazität von Kupfer

Wir diskutieren einige thermische Eigenschaften von Kupfer. (a) Berechnen Sie im Modell freier Elektronen für Kupfer den elektronischen Beitrag zur spezifischen Wärmekapazität c V ,el bei der Temperatur T = 300 K. (b) Schätzen Sie den Beitrag der Phononen c V ,ph bei dieser Temperatur ab. (c) Bei welcher Temperatur gilt c V ,el = c V ,ph ? (d) Berechnen Sie für Kupfer die Sommerfeld-Konstante γ = c V ,el /T und vergleichen Sie diese mit dem experimentell ermittelten Wert γ exp = 97, 53 J/(m3 K2 ) [Dichte n = N/V = 8.45 × 1028 m−3 , Debye-Temperatur Θ D = 343 K]. Lösung

(a) Der elektronische Beitrag zur spezifischen Wärmekapazität lautet c V ,el (T) =

T π2 π 2 k B2 T π2 . N F k B2 T = n = nk B 3 Y 2 μ 2 TF 3 n

(A7.9.1)

2 μ

Um die Verwendung verschiedener Notationen zu klären, sei darauf hingewiesen, dass N F ≡ D(є F )/V. N F ist also die Zahl der Zustände pro Volumen und Energie, während D(є F ) nur die Zahl der Zustände pro Energie ist. Die Fermi-Temperatur TF lässt sich aus der Dichte n berechnen. Das Resultat lautet TF =

2 μ(0) ħ2 (3π 2 n) 3 = 8.1487 × 104 K . = kB 2mk B

(A7.9.2)

Daraus ergibt sich sofort J ⋅ T [K] . m3 K Bei T = 300 K ergibt sich schließlich c V ,el (T) = 7.065 × 101

c V ,el (T = 300 K) = 2.12 × 104

J . m3 K

(A7.9.3)

(A7.9.4)

130

7 Das freie Elektronengas

(b) Als nächstes schätzen wir den Phononen-Beitrag zur spezifischen Wärmekapazität ab. Bei T = 300 K, also T ≃ Θ D , gilt die klassische Näherung J . (A7.9.5) m3 K Bei T = 300 K ergibt sich als Verhältnis der beiden spezifischen Wärmen zu c Vkl,ph = 3nk B = 3.5 × 106

c V ,el (T = 300 K) = 6.06 × 10−3 . c Vkl,ph

(A7.9.6)

Der Beitrag des Elektronensystems ist als weniger als 1%. (c) Die Temperatur T0 , bei der die Beiträge zur spezifischen Wärme von den Phononen und den Elektronen übereinstimmen, können wir wie folgt aus dem Tieftemperaturlimes von c V ,ph (vergleiche hierzu Aufgabe A6.2) abschätzen: c V ,ph (T0 )

T≪θ D

=

T0 12 4 T0 3 π2 ) = c V ,el (T0 ) = . π nk B ( nk B 5 ΘD 2 TF

(A7.9.7)

Daraus ergibt sich, dass beide spezifischen Wärmen übereinstimmen bei T02 = Θ2D ⋅

5 ΘD ≈ (3.233 K)2 , 24π 2 TF

(A7.9.8)

das heißt bei T0 = 3.233 K. (d) Die Sommerfeld-Konstante für Kupfer ergibt sich zu c V ,el (T) J J (γ exp = 97.53 3 2 ) . (A7.9.9) = 70.65 3 2 T m K m K Die Diskrepanz zwischen dem theoretischen und experimentellen Werte rührt daher, dass die Elektronen nicht wirklich frei sind, wie es im Sommerfeld-Modell angenommen wird. Bandstruktur- und (Fermi-Flüssigkeits-) Wechselwirkungs-Effekte lassen sich jedoch manchmal in einer renormierten effektiven („thermischen“) Masse m∗ zusammenfassen: γ =

2 є∗F ħ2 m (3π 2 n) 3 = ∗ TFfrei = ∗ kB 2m k B m ∗ m γ∗ = γ frei . m Für Cu würde man dann

TF∗ =

m∗ = 1.337 m

(A7.9.10)

(A7.9.11)

erhalten.

A7.10

Ladungstransport bei Vorhandensein von zwei Ladungsträgersorten

Betrachten Sie ein metallisches System mit zwei Ladungsträgersorten. Die Ladungsträger sollen die gleiche Dichte n aber entgegengesetzte Ladung (q 1 = e und q 2 = −e) und ferner unterschiedliche Massen m 1 und m 2 sowie unterschiedliche Streuzeiten τ 1 und τ 2 besitzen. Berechnen Sie

7 Das freie Elektronengas

131

(a) den Hall-Koeffizienten R H und (b) den Magnetwiderstand Δρ(B z ) = ρ(B z ) − ρ(0), wobei B z das in der z-Richtung angelegte Magnetfeld ist. Das magnetische Feld B z sei genügend klein, so dass die Zyklotronfrequenz ω c = eB z /m wesentlich kleiner ist als die elektronische Relaxationsrate 1/τ. Lösung

Zu Beginn sei hier noch einmal kurz auf die Ableitung des gewöhnlichen Hall-Effektes im Rahmen des Drude-Modells eingegangen. In Gegenwart eines Magnetfeldes B (LorentzKraft) verallgemeinert sich die Relaxationsgleichung für die elektronische Stromdichte Jq (vgl. Aufgabe A7.7) zu 1 ne 2 [−iω + ] Jq = [E + v × B] , τ m

(A7.10.1)

wobei wir eine harmonische Zeitabhängigkeit (∂/∂t → −ıω) der Felder angenommen haben. Durch die Einführung der vektoriellen Zyklotronfrequenz ωc =

eB m

(A7.10.2)

vereinfacht sich dies mit Jq = qnv zu: 1 ne 2 [−ıω + ] Jq + ω c × Jq = E. τ m

(A7.10.3)

Im Limes ωτ ≪ 1 lässt sich diese Relaxationsgleichung auf die Form bringen J q = σ0 E + J q × s c 1 ne 2 τ = ρ0 m sc = ω c τ .

σ0 =

(A7.10.4)

Diese Gleichung lässt sich einfach lösen, indem wir das vektorielle Produkt Jq × sc = σ0 E × sc + (Jq × sc ) × sc = σ0 E × sc − s2c Jq + sc (sc ⋅ Jq )

(A7.10.5)

berechnen. Dies führt sofort auf das Resultat Jq

= B=B z zˆ

=

σ0 {E − sc × E + sc (sc ⋅ E)} 1 + s2c 1 sc 0 ⎞ σ0 ⎛ −s 0 ⎟⋅E, ⎜ c 1 1 + s 2c ⎝ 0 0 1 + s 2 ⎠ c

(A7.10.6)

132

7 Das freie Elektronengas

wobei s c = eB z τ/m = ω c τ definiert wurde. Für den Hall-Effekt ist der transversale Strom relevant: J e⊥ = (

σ0 E J qx 1 sc )⋅( x ) )= ( 2 Jq y −s 1 Ey 1 + sc c

σxx σx y ) ⋅ E⊥ = σ ⋅ E⊥ σ yx σ y y σ0 σ0 s c = σy y = ; σx y = −σ yx = . 2 1 + sc 1 + s 2c

= ( σxx

(A7.10.7) (A7.10.8)

Der inverse Zusammenhang zwischen E⊥ und Jq⊥ lautet E⊥ = σ −1 ⋅ Jq⊥ ≡ ρ ⋅ Jq⊥ .

(A7.10.9)

Dies definiert den Widerstandstensor ρ = (

1 1 −σx y −σx y ρ xx ρ x y σ σ )= )= 2 ( xx ) ( yy 2 ρ yx ρ y y −σ σ +σ ∣σ∣ σxx + σx y yx xx x y σ xx

2 + σx2y . ∣σ∣ = σxx σ y y − σx y σ yx = σxx

(A7.10.10)

Zur Diskussion des Hall-Effektes tragen nun die folgenden relevanten Größe bei: ∎ Das Hall-Feld E y , welches wir unter der Bedingung J e,y = 0 bekommen: E y = ρ yx J q,x , ρ yx = −

σ yx σx y ≡ RH Bz . = 2 ∣σ∣ σxx + σx2y

Diese Relation definiert den Hall-Koeffizienten σx y ρ yx 1 = . RH = 2 Bz B z σxx + σx2y

(A7.10.11)

(A7.10.12)

Durch Einsetzen von σxx und σx y erhalten wir für den Hall-Koeffizienten RH =

sc μ 1 eτ = = , mit μ = . σ0 B z σ0 ne m

Hierbei bezeichnet μ die Beweglichkeit der Ladungsträger. ∎ Der diagonale Widerstand ρ xx ist definiert durch σy y σxx . = 2 E x = ρ xx J q,x , ρ xx = + ∣σ∣ σxx + σx2y

(A7.10.13)

(A7.10.14)

Durch Einsetzen von σxx und σx y finden wir für ρ xx das bekannte Resultat ρ xx =

1 = ρ0 , σ0

(A7.10.15)

d. h. ρ xx hängt für eine Ladungsträgersorte nicht vom Magnetfeld ab. Man beachte, dass die Magnetfeldunabhängigkeit von ρ xx für eine Ladungsträgersorte nur dadurch zustande kommt, dass in Querrichtung kein Strom fließen kann (J q,y = 0).

7 Das freie Elektronengas

133

In diesem Fall kompensieren sich die Querkraft auf die Ladungsträger aufgrund des HallFeldes und die Lorentz-Kraft durch das angelegte Magnetfeld gerade. Würde man eine Probengeometrie verwenden, bei der das Hall-Feld kurzgeschlossen ist (eine solche Probengeometrie stellt z. B. eine Corbino-Scheibe dar), so würde sich ein anderes Resultat ergeben. Aus der dann vorliegenden Randbedingung E y = 0 würde sich mit J q,x ≠ 0 aus (A7.10.11) sofort ρ x y = σx y = 0 ergeben. Für den Längswiderstand ergibt sich nach (A7.10.14) dann ρ xx =

σxx 1 1 + s 2c = = = ρ 0 [1 + (ω c τ)2 ] . 2 + σ2 σxx σxx σ0 xy

(A7.10.16)

Da ω c ∝ B z , nimmt der Längswiderstand also proportional zu B 2z zu. Betrachten wir nun den Fall, dass in einem System zwei Ladungsträgersorten vorhanden sind, die durch die Größen n i , q i , m i und τ i (i = 1, 2) charakterisiert sind. In diesem Fall lassen sich alle bisher abgeleiteten Resultate verallgemeinern, indem wir identifizieren Jq⊥ = Jq1⊥ + Jq2⊥ = (σ 1 + σ 2 ) ⋅ E⊥ .

(A7.10.17)

(a) Der Hall-Koeffizient lautet dann RH =

∑i σ i,x y 1 . B z (∑ σ i,xx )2 + (∑ σ i,x y )2 i i

(A7.10.18)

Setzen wir die Ausdrücke für σ i,xx und σ i,x y ein und beschränken uns auf die führende Ordnung in der kleinen Größe s c = ω c τ, so erhalten wir 1 ∑i σ0i s ci B z ∑i σ0i n i q 2i τ i ∣q i ∣B z = , s ci = ω ci τ i = τ i = μi Bz . mi mi

RH = σ0i

(A7.10.19)

Hier haben wir die Beweglichkeiten μi =

∣q i ∣τ i , i = 1, 2 mi

(A7.10.20)

eingeführt. Einsetzen liefert R H1

RH

1 σ01 μ1 + σ02 μ2 = Bz = B z (σ01 + σ02 )2 = =

2 2 + R H2 σ02 R H1 σ01 2

(σ01 + σ02 ) 2 2 + R H2 ρ 01 R H1 ρ 02 (ρ 01 + ρ 02 )

2

\

2 μ1 σ01 σ 01

R H2

2 +σ02

,

μ2 σ 02 2

(σ01 + σ02 ) σ2

=

\

σ2

R H1 σ0101σ02 + R H2 σ0102σ02 2

(σ01 + σ02 ) /(σ01 σ02 ) ρ 0i = 1/σ0i , R Hi =

1 . ni qi

(A7.10.21)

134

7 Das freie Elektronengas

Drücken wir die Leitfähigkeiten der beiden Ladungsträgersorten σ0i durch die Beweglichkeiten μ i aus, d. h. σ0i = n i ∣q i ∣μ i , so können wir schreiben =

RH

n 1 =n 2 =n

% =

q 1 =−q 2 =e

% =

R H1 n 21 q 21 μ12 + R H2 n 22 q 22 μ22 (n 1 ∣q 1 ∣μ1 + n 2 ∣q 2 ∣μ2 )2 R H1 q 21 μ12 + R H2 q 22 μ22 (∣q 1 ∣μ1 + ∣q 2 ∣μ2 )2 1 μ12 − μ22 . ne (μ1 + μ2 )2

(A7.10.22)

Wir erkennen somit, dass der Hall-Koeffizient R H für den Fall n 1 = n 2 , q 1 = −q 2 verschwindet, wenn die Beweglichkeiten der beiden Ladungsträgersorten gleich sind. Dieses Ergebnis haben wir natürlich intuitiv erwartet. (b) Schließlich berechnen wir die Magnetfeld-Abhängigkeit des diagonalen Widerstands ρ xx , die wie folgt definiert werden kann: Δρ(B z ) = ρ xx (B z ) − ρ xx (0) 1 ∑i σ i,xx = 2 − 2 σ (0) ∑ i,xx i (∑ i σ i,xx ) + (∑ i σ i,x y ) Zur Vereinfachung der Rechnung definieren wir σoi , i = 1, 2 σ˜0i = 1 + s 2ci

(A7.10.23)

(A7.10.24)

und erhalten Δρ(B z )

= =

=

= = s c i ≪1

σ˜01 + σ˜02 1 2 − σ01 + σ02 (σ˜01 + σ˜02 ) + (σ˜01 s c1 + σ˜02 s c2 ) 1 1 − (σ˜01 s c1 + σ˜ 02 s c2 )2 σ˜01 + σ˜02 + σ˜01 s 2c1 + σ˜02 s 2c2 σ˜01 + σ˜02 + σ˜ 01 + σ˜ 02 ⎧ ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 1 1 1 ⎪ ⎪ ⎨ ⎬ − 2 2 2 ( σ˜ 01 s c1 + σ˜ 02 s c2 ) σ˜ 01 s c1 + σ˜ 02 s c2 ⎪ σ˜01 + σ˜02 ⎪ ⎪ 1 + (σ˜ +σ˜ )2 ⎪ 1 + (σ˜01 +σ˜02 ) ⎪ ⎪ 01 02 ⎩ ⎭ 2

σ˜01 s 2c1 + σ˜ 02 s 2c2 σ˜ 01 + σ˜ 02

( σ˜ 01 s c1 + σ˜ 02 s c2 )2 ( σ˜ 01 + σ˜ 02 )2 σ˜ s 2 + σ˜ s 2c2 ( σ˜ 01 s c1 + σ˜ 02 s c2 )2 ) (1 + 01(σ˜01c1 +σ˜02 ) ( σ˜ 01 + σ˜ 02 )2 02 ) 1 σ˜01 σ˜02 (s c1 − s c2 )2 2 2 (σ˜01 + σ˜02 )3 (1 + (σ˜01 s c1 +σ˜02 s c22 )2 ) (1 + σ˜01 s c1 +σ˜02 s c2 ) ( σ˜ 01 + σ˜ 02 ) ( σ˜ 01 + σ˜ 02 )

1 ˜σ01 + σ˜02 (1 +



σ01 σ02 1 % σ01 σ02 (s c1 − s c2 )2 = (μ1 − μ2 )2 B 2z . (A7.10.25) = 3 (σ01 + σ02 ) σ01 + σ02 (σ01 + σ02 )2

7 Das freie Elektronengas

135

Dieses Resultat lässt sich noch ein wenig umformen, indem wir die Widerstände 1 , i = 1, 2 σ0i 1 ρ 01 ρ 02 = ρ0 = σ01 + σ02 ρ 01 + ρ 02

ρ 0i =

(A7.10.26)

einführen. Dann erhalten wir als Resultat ρ 01 ρ 02 (μ1 − μ2 )2 B 2z . Δρ(B z ) = ρ 0 (ρ 01 + ρ 02 )2

(A7.10.27)

Wir sehen, dass der Magnetwiderstand immer positiv ist und für kleine Felder proportional zu B 2z ansteigt. Für μ1 = μ2 verschwindet der Magnetwiderstand. A7.11

Sommerfeld-Entwicklung

Zeigen Sie, dass das Integral ∞

A(T) = ∫ dє k D(є k )a(є k ) f (є k ) 0

√ über die Zustandsdichte D(є k ) = (m/π 2 ħ 2 ) 2mє k und die Fermi-Funktion f (є k ) = {exp[(є k − μ(T))/k B T] + 1}−1 bei endlichen Temperaturen folgende Tieftemperaturentwicklung (Sommerfeld-Entwicklung) hat: μ(T)

lim A(T) = ∫ dє k a(є k )D(є k ) + T→0 0

(πk B T)2 d [D(є k )a(є k )]) . ( 6 dє k є k =μ(T) ∞

Hinweis: Substituieren Sie [є k − μ(T)]/k B T = x und verwenden Sie ∫ 0

Berechnen Sie ferner das Integral ∞

∂ f (є k) ) B(T) = ∫ dє k D(є k )a(є k ) (− ∂є k 0

über die Energieableitung der Fermi-Dirac-Verteilung −

1 1 ∂ f (є k) = 2 є k −μ . ∂є k 4k B T cosh 2k T B

dx x π2 = . e x + 1 12

136

7 Das freie Elektronengas

Lösung

Die physikalische Größe ∞

A(T) = ∫ dє k D(є k )a(є k ) f (є k )

(A7.11.1)

0

stellt eine Impulssumme dar, bei der wir über alle möglichen k gewichtet mit der Zustandsdichte D(є k ) und der Besetzungswahrscheinlichkeit f (є k ) aufsummieren. Beispiele sind die Teilchendichte n, wobei a(є k ) = 1, oder die Energiedichte, wobei a(є k ) = є k . Mit der Abkürzung C(є k ) = D(є k )a(є k ) und Verwendung der Energie ξ k = є k − μ bezogen auf das chemische Potenzial μ erhalten wir ∞

A(T) = ∫ d ξ k C(μ + ξ k ) f (ξ k )

(A7.11.2)

−μ ∞

μ

0

= ∫ d ξ k C(μ + ξ k ) f (ξ k ) + ∫ d ξ k C(μ + ξ k ) f (ξ k ) + ∫ d ξ k C(μ + ξ k ) f (ξ k) . −μ

μ

0

.// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 II

I

Ersetzen wir ξ k durch −ξ k , so können wir Integral I wie folgt umschreiben μ

μ

I = ∫ d ξ k C(μ − ξ k ) f (−ξ k ) = ∫ d ξ k C(μ − ξ k )[1 − f (ξ k)] 0

0 μ

μ

= ∫ d ξ k C(μ − ξ k ) − ∫ d ξ k C(μ − ξ k ) f (ξ k ) . 0

0

.// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 IV

V

Wir formen ferner Integral IV wie folgt um μ

0

IV

= o

∫ d ξ k C(μ + ξ k )

ξ k →−ξ k −μ

= ∫ dє k C(є k ) . Y

μ+ξ k →є k 0

III

7 Das freie Elektronengas

137

Damit erhalten wir ⎡ ⎤ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎥ f (ξ k ) ) − C(μ − ξ ) A(T) = ∫ dє k C(є k ) + ∫ d ξ k ⎢ C(μ + ξ k k ⎢ ⎥ ⎢.// / / / / / / / 0/ / / / / / / / / 1 .// / / / / / / / 0/ / / / / / / / / 1⎥ 0 0 ⎢ ⎥ II V ⎣ ⎦ .// / / / / / / / / / / / / / 0// / / / / / / / / / / / / / / 1 μ

μ

(A7.11.3)

IV



+ ∫ d ξ k C(μ + ξ k ) f (ξ k ) . μ

.// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 III

Wegen ∞



−μ/k B T ] = kB T ∑ ∫ d ξ k f (ξ k ) = k B T ln [1 + e

n=1

μ

(−1)n+1 −n μ/k B T e n

= k B T ⋅ O [e−μ/k B T ] ist das Integral III exponentiell klein und kann daher vernachlässigt werden. Wir können weiter für ξ k ≪ μ eine Taylor-Entwicklung durchführen ∞

C(μ + ξ k ) − C(μ − ξ k ) = 2 ∑ n=0

ξ k2n+1 d 2n+1 C(є k ) } { (2n + 1)! dє 2n+1 k є k =μ

und erhalten μ

∫ d ξ k [C(μ + ξ k ) − C(μ − ξ k )] f (ξ k ) = 0 μ



1 d 2n+1 C(є k ) 2n+1 } { 2∑ ∫ d ξ k ξ k f (ξ k ) . dє 2n+1 n=0 (2n + 1)! k є k =μ

(A7.11.4)

0

Mit der Abkürzung x = ξ k /k B T erhalten wir dann μ

∫ d ξ k [C(μ + ξ k ) − C(μ − ξ k )] f (ξ k ) = 0 ∞

μ/k B T

(k B T)2n+2 d 2n+1 C(є k ) x 2n+1 2∑ } dx . { ∫ dє k2n+1 ex + 1 n=0 (2n + 1)! є k =μ 0 .// / / / / / / / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 B 2n+1 (T)

(A7.11.5)

138

7 Das freie Elektronengas

Für A(T) erhalten wir damit das allgemeine Ergebnis μ



A(T) = ∫ dє k D(є k )a(є k ) + 2 ∑ B 2n+1 n=0

0

(k B T)2n+2 d 2n+1 C(є k ) } (A7.11.6) . { (2n + 1)! dє k2n+1 є k =μ

Hierbei entspricht das erste Integral auf der rechten Seite der Größe A(T = 0). Mit ∞

lim B 2n+1 (T) = ∫ T→0 0

dx x 2n+1 , ex + 1

π2 7π 4 , B3 = , ... 12 120

B1 =

(A7.11.7)

folgt für die Korrektur in führender Ordnung μ

A(T) = ∫ dє k D(є k )a(є k ) + 0

(πk B T)2 d[D(є k )a(є k )] } . { 6 dє k є k =μ

(A7.11.8)

Mit der Abkürzung C(є k ) = D(є k )a(є k ) erhalten wir für die Größe B(T) = ∞ ∂ f (є k ) ∫0 dє k C(є k ) (− ∂є k ) ∞

B(T) =

C(є k ) 1 dє k ∫ є −μ 4k B T cosh2 2kk B T 0



1 C(μ + ξ k ) = d ξk . ∫ Y 4k B T cosh2 2kξBk T −μ

(A7.11.9)

є k =μ+ξ k

Eine Taylor-Entwicklung von C(є k ) an der Fermi-Kante ergibt C(μ + ξ k ) = C(μ) +

ξ2 ∂2 C ξ k ∂C } + k{ 2} +... . { 1! ∂є k є k =μ 2! ∂є k є k =μ

(A7.11.10)

Setzen wir diese Entwicklung in (A7.11.9) ein, so erhalten wir unter Verwendung der Abkürzung x = ξ k /2k B T ∞

B(T) = C(μ) +

ξ k2 1 1 ∂2 C +... { 2} ∫ d ξk 2! ∂є k є k =μ 4k B T cosh2 2kξBk T −μ

(2k B T)2 1 ∂2 C = C(μ) + { 2 } 2! ∂є k є k =μ 2



∫ −μ/2k B T

dx

x2 +... . cosh2 x

(A7.11.11)

7 Das freie Elektronengas

139 ∞





Für T → 0 können wir ∫−μ/2k B T = ∫−∞ = 2 ∫0 verwenden und erhalten schließlich ∞

(2k B T)2 ∂ 2 C x2 B(T) = C(μ) + +... { 2} ∫ dx 2! ∂є k є k =μ cosh2 x 0 .// / / / / / / / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / / / / / / / 1 π 2 /12

= C(μ) +

A7.12

(πk B T) ∂ C +... . { 2} 6 ∂є k є k =μ 2

2

(A7.11.12)

Temperaturabhängigkeit des chemischen Potenzials

Wenden Sie das Resultat von Aufgabe A7.11 auf den Spezialfall a(є k ) = 1, d. h. auf die Berechnung der gesamten Teilchendichte A = n = N/V an und zeigen Sie, dass für die Temperaturabhängigkeit des chemischen Potentials μ(T) gilt ⎡ 2⎤ ⎢ 1 πk B T ⎥ ⎢ ( ) ⎥ μ(T) = μ(0) ⎢1 − 12 μ(0) ⎥ ⎥ ⎢ ⎦ ⎣ gilt. Lösung

Wir behandeln den Spezialfall a(є k ) = 1 von Gleichung (A7.11.8): μ

(πk B T)2 dD(є k ) } . { 6 dє k є k =μ 0 .// / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 .// / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / /1

n = ∫ dє k D(є k ) +

(A7.12.1)

II

I

Für die beiden Beiträge I und II erhalten wir μ

√ m √ 2 I = 2 3 2m ∫ dє k є k = D 0 μ3/2 π ħ 3 .// / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / 1 0 D0 √ d єk 1 D0 1 D 0 3/2 II = D 0 { } = √ = μ . dє k є k =μ 2 μ 2 μ2

(A7.12.2)

(A7.12.3)

140

7 Das freie Elektronengas

Damit ergibt sich ⎡ 2⎤ ⎢ 2 1 πk B T ⎥ ⎥ + ( ) n = D 0 μ3/2 ⎢ ⎢ 3 12 ⎥ μ ⎢ ⎥ ⎣ ⎦ ⎡ 2⎤ ⎢ 2 1 πk B T ⎥ 2 3/2 ) ⎥ = D 0 μ3/2 ⎢ 1+ ( ⎢ ⎥ ≡ 3 D 0 μ0 , μ0 = μ(0) 3 8 μ ⎢ ⎥ ⎣ ⎦

(A7.12.4)

und 3/2

μ3/2 =

μ0

1 + 18 ( π kμB T )

2

⎡ 2⎤ 1 πk B T ⎥ 3/2 ⎢ ⎥. ≃ μ0 ⎢ ) ( 1 − ⎢ ⎥ 8 μ0 ⎢ ⎥ ⎣ ⎦

(A7.12.5)

Daraus erhalten wir schließlich ⎡ ⎡ 2⎤ 2⎤ ⎢ ⎢ ⎥ 2 1 πk B T ⎥ ⎥ = μ0 ⎢1 − 1 ( πk B T ) ⎥ . ) ( 1 − μ(T) = μ0 ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ 38 μ0 12 μ(0) ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦

(A7.12.6)

8

Energiebänder

A8.1

Fermi-Flächen und Brillouin-Zonen

Wir betrachten ein zweidimensionales rechteckiges Gitter mit Gitterkonstanten a und b, auf dem gleichartige Atome mit jeweils 5 Valenzelektronen angeordnet sind. (a) Konstruieren Sie die ersten 5 Brillouin-Zonen. (b) Wie sieht die Fermi-Fläche aus, wenn wir von völlig freien Elektronen ausgehen? Wie ändert sich die Form der Fermi-Fläche qualitativ, wenn ein schwach periodisches Potenzial wirksam ist? Lösung

(a) Die ersten 5 Brillouin-Zonen (BZ) des rechteckigen Gitters sind in Abb. 8.1 gezeigt. Zur Veranschaulichung sind die ersten 5 Bragg-Ebenen eingezeichnet. Die n-te BZ wird „außen“ von der n-ten, nach „innen“ von Bragg-Ebenen mit niedrigeren Indizes begrenzt und von keiner Bragg-Ebene geschnitten. Alle BZ sind flächengleich, was wir durch Zurückfalten in die 1. BZ leicht zeigen können. 5

4 2

2 4

5

3

3 5

3 3 2

4

1

1

2S/b

1 3 2S/a

5 14 2

2 4 1 5

Abb. 8.1: Die ersten 5 Brillouin-Zonen eines rechteckigen Gitters mit Gitterkonstanten a und b. Es sind die ersten 5 Bragg-Ebenen eingezeichnet und nummeriert. Der gestrichelte Kreis entspricht der Fermi-Fläche aus Aufgabenteil (b), sie liegt in der 3. und 4. Brillouin-Zone.

(b) Wenn wir von völlig freien Elektronen ausgehen, ist die Fermi-Fläche für ein zweidimensionales (2D) Elektronengas ein Kreis, dessen Radius durch die Fermi-Wellenzahl k F gegeben ist. Der Fermi-Kreis besitzt also die Fläche Ω F2 = πk F2 .

(A8.1.1)

142

8 Energiebänder

Um die Größe der Fermi-Wellenzahl zu bestimmen, betrachten wir die Anzahl der möglichen Zustände innerhalb des Fermi-Kreises. Sie ist gegeben durch das Produkt aus Fermi-Fläche Ω F2 und Zustandsdichte im k-Raum Z 2 (k) = A/(2π)2 , wobei A die Probenfläche ist. Ferner müssen wir noch einen Faktor 2 für die Spin-Entartung berücksichtigen. Wir erhalten also N = 2⋅

A ⋅ πk F2 (2π)2



N 1 2 = k . A 2π F

(A8.1.2)

Andererseits beträgt die Elektronendichte bei 5 Elektronen pro Einheitszelle der Größe A Zelle = ab gerade N 5 5 = = . A A Zelle ab

(A8.1.3)

Gleichsetzen von (A8.1.2) und (A8.1.3) ergibt k F2 =

5 2π 2π ( )( ) 2π a b

bzw.

√ k F = 0.892

(

2π 2π )( ) . a b

(A8.1.4)

(A8.1.5)

Ein Kreis mit diesem Radius ist in Abb. 8.1 eingezeichnet. Der Einfluss eines schwachen periodischen Potenzials auf die Form der Fermi-Fläche wird in Aufgabe A8.2(d) ausführlich diskutiert. Qualitativ können wir sagen, dass die Fermi-Fläche den Rand der Brillouin-Zonen immer senkrecht schneiden muss. Dies führt zu einer Verzerrung des für völlig freie Elektronen erhaltenen Fermi-Kreises. Es ist interessant sich zu überlegen, was mit der Fermi-Wellenzahl und der FermiEnergie passieren würde, √ wenn wir den Abstand der Atome verdoppeln würden. Da nach (A8.1.5) k F ∝ 1/ ab, würden wir eine Halbierung der Fermi-Wellenzahl erhalten. Die Fermi-Energie E F ∝ k F2 würde auf ein Viertel schrumpfen. A8.2

Ebenes quadratisches Gitter

(a) Betrachten Sie ein einfaches quadratisches Gitter in zwei Dimensionen. Zeigen Sie, dass die kinetische Energie eines freien Elektrons an einer Ecke der ersten Brillouin-Zone doppelt so groß ist wie die eines Elektrons im Mittelpunkt einer Seitenfläche der Zone. (b) Wie groß ist dieses Verhältnis für ein einfaches kubischen Gitter in drei Dimensionen? (c) Welche Bedeutung könnte das Ergebnis von (b) für die elektrische Leitfähigkeit von zweiwertigen Metallen haben? (d) Konstruieren Sie die ersten drei Brillouin-Zonen eines ebenen quadratischen Gitters und markieren Sie für die ersten drei Energiebänder eines zweidimensionalen freien Elektronengases die von2 den Elektronen besetzten Zustände. Nehmen Sie dazu die Ener2 giedispersion є(k) = ħ2mk von freien Elektronen und den Radius der Fermi-Kugel zu k F = 1.2π/a an. Was ändert sich, wenn anstelle eines freien Elektronengases ein Elektronengas betrachtet wird, welches sich in einem schwachen periodischen Potenzial befindet?

8 Energiebänder

143

Lösung

(a) Die Brillouin-Zone eines zweidimensionalen quadratischen Gitters mit Gitterkonstante a ist wiederum ein Quadrat mit Seitenlänge 2π/a. Die √ Länge des Wellenvektors vom Zentrum des Quadrats zu einer Ecke ist um einen Faktor 2 länger √ als der Wellenvektor vom Zentrum zur Mitte einer Seite. Das heißt, es gilt k Ecke = 2k Mitte . Für ein freies Elektron ist die kinetische Energie gegeben durch ħ2k2 . (A8.2.1) 2m Damit ist die kinetische Energie eines Elektrons mit einem k-Vektor vom Zentrum zu einer Ecke der 1. Brillouin-Zone um einen Faktor 2 größer als die kinetische Energie eines Elektrons mit einem k-Vektor vom Zentrum zum Mittelpunkt einer Seitenfläche. (b) Die 1. Brillouin-Zone eines einfach kubischen Gitters (sc) ist ein Würfel. Für einen Würfel gilt natürlich, √ dass ein k-Vektor vom Mittelpunkt des Würfels zu einer Würfelecke um einen Faktor 3 größer ist als ein Vektor vom Zentrum zum Mittelpunkt einer Seitenfläche. Damit ist die Energie des entsprechenden Elektrons dann auch 3-mal so groß. (c) Wir überlegen zuerst nochmals, wie viele Zustände wir pro Energieband haben. Diese Zahl ist durch die Anzahl der durch die Randbedingungen (endliches Kristallvolumen) erlaubten k-Vektoren in der 1. Brillouin-Zone gegeben. Für einen einfach kubischen 3 Kristall ist das Volumen der 1. Brillouin-Zone gerade (2π/a) . Ein Zustand nimmt im 3 k-Raum das Volumen (2π) /V ein, wobei V das Volumen des betrachteten Kristalls ist. Die Zahl der erlaubten k-Werte in der 1. Brillouin-Zone ist damit є(k) =

N =

( 2π ) a

3

(2π)3 V

=

V V = . 3 a VZelle

(A8.2.2)

Wir sehen, dass die Zahl der möglichen Zustände gerade durch die Anzahl N der Einheitszellen in dem betrachteten Kristall gegeben ist. Wegen der Spin-Entartung haben wir dann insgesamt 2N Zustände pro Energieband. Haben wir als Basis des kubischen Gitters ein Element vorliegen, dessen Elektronenzahl ungerade ist (z. B. Natrium), so können wir zwar einige Bänder mit 2N Elektronen ganz auffüllen, das oberste Band können wir aber aufgrund der ungeraden Elektronenzahl immer nur mit N Elektronen, also gerade halb füllen. Der so erhaltene Festkörper wird also ein Metall sein. Haben wir als Basis des kubischen Gitters dagegen ein Element vorliegen, dessen Elektronenzahl gerade ist (z. B. Erdalkali-Metalle), so können wir auch das oberste Band mit 2 Elektronen, also vollständig füllen. Deshalb ist zu erwarten, dass wir für T → 0 einen Isolator vorliegen haben. Ein Isolator (oder Halbleiter) liegt aber nur dann vor, wenn es keine Bandüberschneidungen gibt. In dem betrachteten System ist dies der Fall, wenn die Bandlücke in der Mitte einer Seitenfläche der 1. Brillouin-Zone größer ist als die Energiedifferenz zwischen diesem Punkt und der Ecke. Bei Erdalkalimetallen ist dies aber nicht der Fall. Aufgrund von Bandüberschneidungen erhalten wir ein (wenn auch nicht besonders gutes) Metall und keinen Isolator. (d) Das erweiterte und reduzierte Zonenschema eines zweidimensionalen freien Elektronengases ist in Abb. 8.2 gezeigt. Es handelt sich um ein quasikontinuierliches Energiespektrum mit parabelförmigem Verlauf. Die Fermi-Energie є F = є(k F ) stellt die oberste

3. BZ

3. BZ

1. BZ

2. BZ

8 Energiebänder

2. BZ

144

ࣕF

ࣕF

3

2

3

2 1

3 2. Band

3

kF

2

1. Band

3

3. Band 3

2

3 3

Abb. 8.2: Parabolischer Bandverlauf eines zweidimensionalen freien Elektronengases in einem einfachen quadratischen Gitter (oben links) sowie Schnitt in k x -Richtung im reduzierten (oben Mitte) und ausgedehnten Zonenschema (oben rechts). Unten sind die ersten drei Brillouin-Zonen im reduzierten (links) und ausgedehnten Zonenschema (rechts) gezeigt. Der Radius des gestrichelt eingezeichneten Fermi-Kreises beträgt 1.2π/a. Die daraus resultierende Füllung der Brillouin-Zonen ist grau markiert.

Energie für die Besetzung mit Elektronen bei T = 0 dar. Für k F = 1.2π/a sind die Zustände der 1. Brillouin-Zone fast vollständig und diejenigen der 2. Brillouin-Zone teilweise besetzt. Die höheren Energiebänder sind vollkommen leer. Zustände der 2. und 3. Brillouin-Zone im ausgedehnten Zonenschema lassen sich durch Addition der reziproken Gittervektoren G = (±2π/a, 0) und G = (0, ±2π/a) auf äquivalente Zustände in der 1. Brillouin-Zone abbilden. Die teilweise Besetzung des 1. Bandes erkennt man nicht, wenn man є(k) nur entlang der k x - oder k y -Richtung plottet, da entlang dieser Richtungen alle Zustände des 1. Bandes besetzt sind. Es sind nur einige Zustände in den Ecken der 1. Brillouin-Zone nicht besetzt. Der Einfluss eines schwachen periodischen Potenzials äußert sich im Wesentlichen darin, dass sich die Energieparabel des Elektronengases an den Grenzen der BrillouinZonen aufspaltet und so zwischen den einzelnen Energiebändern verbotene Zonen auftreten. Außerdem schneiden die Flächen konstanter Energie die Grenzen der Brillouin-Zonen stets senkrecht (siehe Abb. 8.3). Dies resultiert aus der Tatsache, dass für k-Vektoren auf dem Rand der Brillouin-Zonen die Bragg-Bedingung erfüllt ist und sich somit stehende Wellen ausbilden. Da die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Elektronenwellen proportional zu ∂є/∂k ist, muss auf dem Zonenrand stets ∂є/∂k = 0 gelten.

8 Energiebänder

145 kz

kx

Abb. 8.3: Qualitativer Verlauf der Fermi-Flächen von Kristallelektronen für ein einfaches quadratisches Gitter. Gezeigt sind die 1. (dunkelgrau) und die 2. Brillouin-Zone (hellgrau).

A8.3

Reduziertes Zonenschema

Betrachten Sie die Energiebänder von freien Elektronen in einem fcc-Kristall in der Näherung des leeren Gitters und zwar im reduzierten Zonenschema. Dabei sind alle k-Vektoren so transformiert, dass sie in der ersten Brillouin-Zone liegen. Skizzieren Sie in der [111]Richtung die Energien aller Bänder bis zum Sechsfachen der niedrigsten Bandenergie an der Zonengrenze bei π π π k = ( , , ) . a a a Nehmen Sie diesen Wert als Energieeinheit. Diese Aufgabe zeigt, warum Bandkanten nicht unbedingt in der Zonenmitte liegen müssen. Diskutieren Sie qualitativ, was passiert, wenn ein endliches Kristallpotenzial berücksichtigt wird. Lösung

Ausgangspunkt für unsere Betrachtungen ist ein fcc-Gitter, charakterisiert durch die Gittervektoren a1 =

a a a {1, 1, 0} , a2 = {0, 1, 1} , a3 = {1, 0, 1} . 2 2 2

(A8.3.1)

Das zum fcc-Raumgitter zugehörige reziproke bcc-Gitter wird von den Vektoren b1 =

2π 2π 2π {−1, 1, 1} , b2 = {1, −1, 1} , b3 = {1, 1, −1} a a a

(A8.3.2)

146

8 Energiebänder

aufgespannt. Daher lautet die allgemeine Form des reziproken Gittervektors 2π {h(−ˆe1 + eˆ2 + eˆ3 ) + k(ˆe1 − eˆ 2 + eˆ 3 ) + ℓ(ˆe1 + eˆ2 − eˆ3 )} a −h + k + ℓ ⎞ 2π ⎛ ⎜ h−k+ℓ ⎟ . = a ⎝ h+k−ℓ ⎠

G hkl =

(A8.3.3)

Die möglichen k-Werte in der (111)-Richtung vom Zentrum bis zur Brillouin-Zonengrenze können wir durch k =

2π 1 {1, 1, 1} ⋅ x , x ∈ [0, ] a 2

(A8.3.4)

parametrisieren. Wir betrachten freie Elektronen, für welche die Energiedispersion є(k) =

ħ2k2 2m

(A8.3.5)

lautet. Die Energiebänder lassen sich mit der Parametrisierung durch die Variable x wie folgt klassifizieren: ħ2 2 (A8.3.6) (k + G) ≡ є hkℓ (x) 2m ħ 2 2π 2 2 2 2 = ( ) [(x − h + k + ℓ) + (x + h − k + ℓ) + (x + h + k − ℓ) ] 2m a ħ 2 2π 2 = ( ) [3x 2 + 2x (h + k + ℓ) + 3 (h 2 + k 2 + ℓ 2 ) − 2 (hk + hℓ + kℓ)] . 2m a

є G (k) =

Das unterste Energieband ergibt sich für h = k = ℓ = 0: є 000 (x) ≡ є 1 (x) =

ħ2 k2 ħ 2 2π 2 2 = ( ) 3x . 2m 2m a

(A8.3.7)

Der Maximalwert von є 1 (x) ergibt sich für x = 1/2: 1 3 ħ 2 2π 2 ( ) . є1 ( ) = 2 4 2m a

(A8.3.8)

In Abb. 8.4 sind die in der Tabelle 8.1 zusammengefassten Energiebänder als Funktion des Parameters x = (a/2π)k graphisch dargestellt. Nota bene: Die Parabelschnittpunkte S 1 und S 2 in Abb. 8.4 entsprechen weiteren Brillouin-Zonengrenzen. Für einen Schnittpunkt gilt (k + G1 )2 = (k + G2 )2 .

(A8.3.9)

8 Energiebänder

147

Tabelle 8.1: Millersche Indizes, Bandindex, Entartung und Energien der untersten sieben Energiebänder als Funktion des Parameters x = (a/2π)k für ein kubisch flächenzentriertes Raumgitter (kubisch raumzentriertes reziprokes Gitter). hkℓ

є hkℓ (x)/є1 ( 12 )

є hkℓ (0)/є1 ( 12 )

є hk l ( 12 )/є1 ( 12 )

Entartung

Band-Index

000

4x 2

0

1

1

1

100 010 001

4 [3x 2 3

+ 2x + 3]

4

19 3

3

5

110 101 011

4 [3x 2 3

+ 4x + 4]

16 3

9

3

7

4

9

1

6

3

3

4(1 + x)2

111 1¯ 00 01¯ 0 001¯

4 [3x 2 3

− 2x + 3]

4

11 3

1¯ 1¯ 0 1¯ 01¯ 01¯ 1¯

4 [3x 2 3

− 4x + 4]

16 3

11 3

3

4

4

1

1

2

4(1 − x)2

1¯ 1¯ 1¯

9

Bandindex 7 6

S1

S2

7 ૚ૢ ૜

5 4 3

5 ૚૚ ૜

2 1

6

1

4 Abb. 8.4: Darstellung der untersten sieben Energiebänder als Funktion des 3 Parameters x = (a/2π)k für ein kubisch flächenzen2 triertes Raumgitter (kubisch 1 raumzentriertes reziprokes Gitter).

Setzen wir k′ = k + G2 und G′ = G1 − G2 ,

(A8.3.10)

so erhalten wir folgende Bedingung für Brillouin-Zonengrenzen (k′ + G′ ) = k′2 . 2

(A8.3.11)

148

8 Energiebänder

Wir erkennen also, dass Brillouin-Zonengrenzen nicht immer an den Rändern des reduzierten Zonenschemas liegen müssen. A8.4

Zweidimensionales System stark gebundener Elektronen

Wir betrachten ein einfach quadratisches Gitter mit Gitterkonstante a und einer Tightbinding-Bandstruktur der Elektronen, ε k = −t[cos(k x a) + cos(k y a) − 2] .

(A8.4.1)

(a) Skizzieren Sie das reziproke Gitter und die erste Brillouin-Zone. (b) Wo liegen das Minimum und das Maximum des Bandes? Wie groß ist die Bandbreite in Einheiten von t? (c) Zeichnen Sie qualitativ den Verlauf des Bandes längs der Linie (0,0)-(π/a, 0)-(π/a, π/a)(0,0). Geben Sie bei der Beschriftung der y-Achse die Energie in Einheiten von t an. (d) Geben Sie den funktionalen Zusammenhang für die Gruppengeschwindigkeit der Elektronen v(k), und die Beträge ∣v(k)∣ für die [10] und die [11]-Richtung an. Wo ist die Geschwindigkeit maximal? (e) Zeichnen Sie in der Brillouin-Zone die Verbindungslinie von (π/a, 0) nach (0, π/a) und geben Sie einen funktionalen Zusammenhang für diese Linie im reziproken Raum an. (f) Berechnen Sie die Energie längs der Linie aus Aufgabe (e). (g) Das Band liege oberhalb des letzten vollständig gefüllten Bandes und habe keinen Überlapp mit anderen Bändern. Wie groß ist die Bandfüllung für є F = 2t? Begründen Sie Ihre Antwort. (h) Berechnen Sie für eine Füllung von 0.1 Elektronen pro Elementarzelle den FermiImpuls, die Fermi-Energie, sowie deren Zahlenwerte für t = 1 eV und a = 4 Å. Hinweis: Verwenden Sie die quadratische Näherung für die Kosinus-Funktionen am Bandminimum. Lösung

(a) Das reziproke Gitter und sowie die 1. und 2. Brillouin-Zone sind in Abb. 8.5 gezeigt. Wir haben ein quadratisches Gitter mit Gitterabstand 2π/a vorliegen. (b) Das Bandminimum liegt im Zentrum der Brillouin-Zone bei k = (0, 0) und einer Energie E min = 0. Das Bandmaximum liegt bei k = ( πa , πa ) und einer Energie E max = 4t. Die Bandbreite ist demnach W = E max − E min = 4t. (c) Die Dispersion entlang der vorgegebenen Linie kann leicht aus der angegebenen Bandstruktur ε k = −t[cos(k x a) + cos(k y a) − 2] berechnet werden und ist in Abb. 8.6 grafisch dargestellt. (d) Die vektorielle Gruppengeschwindigkeit ist gegeben durch v(k) =

ta sin(k x a) 1 ). ∇k є k = ( ħ ħ sin(k y a)

(A8.4.2)

Die Beträge sind durch die Wurzel aus den quadrierten Vektorkomponenten für die entsprechenden Richtungen gegeben. In [10]-Richtung verschwindet die y-Komponente

8 Energiebänder

149

ky 2.BZ 1.BZ

2S/a

kx Abb. 8.5: Das reziproke Gitter und die beiden ersten Brillouin-Zonen eines zweidimensionalen einfach quadratischen Gitters mit Gitterkonstante a.

2S/a

und es gilt ta (A8.4.3) sin(k x a) . ħ Für die Richtung längs [11] müssen wir beachten, dass k x = k y . Wir erhalten √ √ 2 ta ta 2 ∣v[11] (k)∣ = 2 sin (k x a) = (A8.4.4) sin(k x a) . ħ ħ Wir entnehmen diesem Resultat, dass die Geschwindigkeit laut Gleichung (A8.4.4) für k x = π/2a, also in der Mitte der Flächendiagonale maximal wird, weil dort die Sinusfunktion 1 wird und die Steigung aus Symmetriegründen √ (siehe hierzu auch Abb. 8.6) nirgends größer ist. Die Maximalgeschwindigkeit ist um 2 größer als in [10]-Richtung. (e) Wir bezeichnen die Verbindungslinie von ( πa , 0) nach (0, πa ) mit ℓ(k x , k y ) und es gilt ℓ = (k x , π/a − k x ). (f) Mit der angegebenen Bandstruktur erhalten wir längs der Linie ℓ = (k x , π/a − k x ) ∣v[10] (k)∣ =

є(ℓ) = −t[cos(k x a) + cos(π − k x a) − 2] = −t[cos(k x a) + cos(k x a) − 2] = 2t = const .

(0,1)

(1,1) l

(0,0)

(1,0) (1,1)

(A8.4.5)

Abb. 8.6: Tight-binding-Bandstruktur der Elektronen in einem zweidimensionalen einfach quadratischen Gitter. In den Hochsymmetriepunkten (0, 0), ( πa , 0) und ( πa , πa ) besitzt die Dispersionskurve eine waagrechte Tangente, so dass hier die Gruppengeschwindigkeit v g = ħ1 ∂E(k) = 0. Als Inset ist ∂k ein Quadrant der 1. Brillouin-Zone gezeigt. Der Pfad für die dargestellte Dispersion ist gepunktet, die Linie ℓ ist gestrichelt gezeichnet.

150

8 Energiebänder

ы

Abb. 8.7: Energiespektrum der Elektronen in einem zweidimensionalen einfach quadratischen Gitter mit Gitterkonstante a. Die Verbindungslinie ℓ von ( πa , 0) nach (0, πa ) ist gestrichelt eingezeichnet.

Dieser Sachverhalt kann dem in Abb. 8.7 gezeigten Energiespektrum der Elektronen entnommen werden. (g) Wenn wir das Band von 0 bis 2t = є F füllen, erreichen wir gerade die Linie ℓ und halbe Bandfüllung (1 Elektron pro Elementarzelle), weil die Fermi-Fläche, welche die besetzten von den unbesetzten Zuständen trennt, die Brillouin-Zone genau halbiert (vergleiche Aufgabenteil (f) und Abb. 8.6 und 8.7). Da die Zustände im k-Raum eine konstante Dichte haben, hängt die Füllung nur von der im k-Raum eingenommenen Fläche, nicht aber vom genauen Verlauf der Dispersion ab (h) Die Gesamtzahl der Zustände in einem zweidimensionalen System ist für 2 SpinProjektionen gegeben durch N = 2⋅

πk F2 S

k-Raum Fläche



A . (2π)2 .// /0/ / /1

(A8.4.6)

Z 2 (k)

Hierbei ist A die Probenfläche. Für die Elektronendichte gilt dann bei einer Füllung von 0.1 Elektronen pro Elementarzelle k2 1 N = F = 0.1 2 . A 2π a Durch Auflösen nach k F erhalten wir n =

k F2 =

2 π 2 0.1 ( ) . π a

(A8.4.7)

(A8.4.8)

Mit a = 4 Å ergibt sich k F ≃ 0.25 ( πa ) = 0.22 Å−1 . Wir nähern nun die Dispersion in der Nähe des Bandminimums mit Hilfe einer Reihenentwicklung der Kosinus-Funktion durch 1 1 ta 2 2 [k x + k 2y ] є k ≃ −t [1 − (k x a)2 + 1 − (k y a)2 − 2] = 2 2 2

(A8.4.9)

8 Energiebänder

151

an. Mit k 2y = k F2 − k x2 und t = 1 eV erhalten wir ta 2 2 (A8.4.10) k = 0.1πt = 0.314 eV . 2 F Alternativ hätten wir auch über die 2D-Zustandsdichte für zwei Spin-Projektionen, D 2 (є k ) = m/(πħ 2 ) = const integrieren können. Wir erhalten єF ≃

єF

n = ∫ dє k 0

m 0.1 = 2 2 πħ a

⇒ єF =

0.1πħ 2 . ma 2

(A8.4.11)

Mit der Bandnäherung wie oben gilt 1 2 2 ħ2 k 2 ħ2 , ta k = ⇒ m = 2 2m ta 2 woraus wir durch Einsetzen in (A8.4.11) єk ≃

(A8.4.12)

є F = 0.1πt ,

(A8.4.13)

also unmittelbar das Resultat (A8.4.10) erhalten.

A8.5

Dreidimensionales System stark gebundener Elektronen

Die Bandstruktur des vereinfachten Tight-binding-Modells hat die Form є(k) = є 0 − t ∑ e ık⋅R j , j

wobei die Summe über solche Vektoren des Bravais-Gitters läuft, die den Ursprung mit seinen nächsten Nachbarn verbinden. Die Größe t ist das für alle nächsten Nachbarn als gleich angenommene Überlappungsintegral. (a) Berechnen Sie є(k) für ein fcc-Gitter. (b) In der Nähe des Γ-Punktes kann man eine Taylor-Entwicklung von є(k) nach k durchführen und erhält so einen Zusammenhang mit dem Spektrum freier Elektronen der effektiven Masse m⋆ . Wie hängt die effektive Masse m⋆ vom Überlappungsintegral t und der Gitterkonstanten a ab? (c) Wie groß muss t für a = 3 Å sein, damit die effektive Masse gleich der Masse der freien Elektronen ist? (d) Für ein orthorhombisches Gitter ergebe eine Tight-bindung Rechnung die Bandstruktur є(k) = є 0 − 2 [t a cos k x a + t b cos k y b + t c cos k z c], wobei die Längen a, b und c die Abmessungen der Einheitszelle darstellen. Berechnen Sie die Komponenten des Vektors der Gruppengeschwindigkeit vk =

1 ∂є(k) ħ ∂k

152

8 Energiebänder

und zeigen Sie, dass der Tensor der effektiven Masse {M−1 (k)} μν =

1 ∂E(k) ħ 2 ∂k μ ∂k ν

für alle Vektoren k diagonal ist. Diskutieren Sie ferner den Spezialfall, dass k in einer Umgebung des Zentrums Γ der Brillouin-Zone liegt. Lösung

Unser Ausgangspunkt ist die allgemeine Form der Tight-binding-Bandstruktur є(k) = є 0 − t ∑ e ık⋅R j .

(A8.5.1)

j

Hierbei sind t das Überlappungsintegral und R j die Verbindungsvektoren vom Ursprung zu allen nächsten Nachbarn. (a) Im fcc-Gitter gibt es 12 nächste Nachbarn auf den Positionen a a a R j = {±1, ±1, 0} , {±1, 0, ±1} , {0, ±1, ±1} . 2 2 2 Daraus lässt sich є(k) berechnen. Das Resultat lautet є(k) = є 0 − 4t {cos

(A8.5.2)

ky a ky a kx a kx a kz a kz a cos + cos cos + cos cos } (A8.5.3) 2 2 2 2 2 2

(b) Eine Taylor-Entwicklung um den Γ-Punkt liefert є(k) = є 0 − 4t (1 −

k 2y a 2 k x2 a 2 ) (1 − ) 8 8

− 4t (1 −

k2 a2 k x2 a 2 ) (1 − z ) 8 8

− 4t (1 −

k 2y a 2 8

= є 0 − 4t {3 −

) (1 −

k z2 a 2 ) 8

a2k2 + O(k 4 )} ≃ є 0 − 12t + ta 2 ⋅ k 2 . 4

(A8.5.4)

(c) Der Vergleich mit dem Energiespektrum freier Elektronen liefert ħ2 2m∗ und somit die effektive Masse der Elektronen im Tight-binding-Band: ta 2 ≡

(A8.5.5)

∣V0 ∣ a B 2 1 ħ2 m∗ = = ( ) 2 m t 2ma t a

(A8.5.6)

8 Energiebänder

153

mit a B = ħ 2 /me 2 = 0.53 . . .Å dem Bohrschen Radius und ∣V0 ∣ = me 4 /2ħ 2 = 13.6 . . .eV der Ionisationsenergie des Wasserstoffatoms. Das Überlappungsintegral lässt sich dann wie folgt durch die effektive Masse ausdrücken t = V0

m aB 2 ( ) . m∗ a

(A8.5.7)

Im Fall m∗ = m erhalten wir das folgende Resultat für das Überlappungsintegral aB 2 0.53 2 (A8.5.8) ) = 13.6 ( ) eV = 0.42 eV . a 3 (d) Unser Ausgangspunkt ist eine Tight-binding Bandstruktur für ein orthorhombisches Gitter (nur Überlapp zwischen nächsten Nachbarn berücksichtigt): t = V0 (

E(k) = E 0 − 2 [t a cos k x a + t b cos k y b + t c cos k z c] .

(A8.5.9)

Wir berechnen zunächst die Ableitungen (wir ersetzen: a → a 1 , b → a 2 , c → a 3 ) ∂E(k) = 2t μ a μ sin k μ a μ . ∂k μ

(A8.5.10)

Daraus ergibt sich der Vektor vk der Gruppengeschwindigkeit zu vk =

t a sin k x a ⎞ 1 2⎛ a ∇E(k) = ⎜ t b b sin k y b ⎟ . ħ ħ ⎝ t c sin k c ⎠ c z

(A8.5.11)

Die zweiten Ableitungen der Bandstruktur ergeben sich in der Form ∂ 2 E(k) = 2t μ a 2μ cos k μ a μ δ μν . ∂k μ ∂k ν

(A8.5.12)

Gemischte Ableitungen treten also nicht auf. Folglich ist der Tensor der effektiven Masse für diese Bandstruktur diagonal: {M−1 (k)} μν =

2t μ a 2μ ħ2

⎛ =⎜ ⎜ ⎝ mμ =

1 ma

cos k μ a μ δ μν =

cos k x a 0 0

1 mb

1 cos k μ a μ δ μν mμ

0 cos k y b 0

1 mc

0 ⎞ ⎟ 0 ⎟ cos k z c ⎠

ħ2 . 2t μ a 2μ

(A8.5.13)

Der Tensor der effektiven Masse ist zwar immer diagonal (Artefakt der einfachen Bandstruktur), er hängt jedoch von k ab. Eine Taylor-Entwicklung nach k in einer Umgebung des Γ-Punktes der Brillouin-Zone liefert E(k) = E 0 − 2(t a + t b + t c ) + t a a 2 k x2 + t b b 2 k 2y + t c c 2 k z2 = E 0 − 2(t a + t b + t c ) +

ħ2 k ⋅ M−1 (0) ⋅ k + O(k 4 ) . 2

(A8.5.14)

154

8 Energiebänder

Daraus ergibt sich die Gruppengeschwindigkeit vk als t a2 k 2⎛ a 2 x⎞ t b b k y ⎟ = ħM−1 (0) ⋅ k + O(k 3 ) . ⎜ vk = ħ ⎝ t c2 k ⎠ c z

(A8.5.15)

Schließlich bekommen wir für die effektive Masse das Resultat M−1 (k) = M−1 (0) + O(k 2 ) .

A8.6

(A8.5.16)

Bandüberlappung

Zeigen Sie, dass für ein eindimensionales System keine Bandüberlappung auftreten kann. Lösung

Die Schrödinger-Gleichung in einer Dimension ist eine gewöhnliche Differentialgleichung 2. Ordnung. Im Gegensatz dazu haben wir es für zwei- oder dreidimensionale Systeme mit partiellen Differentialgleichungen zu tun. Differentialgleichungen 2. Ordnung haben für einen vorgegebenen Satz von Parametern (z. B. für feste Energie) nur zwei linear unabhängige Lösungen. Nach dem Bloch-Theorem ist die Wellenzahl eine gute Quantenzahl. Solange die Zeitumkehrsymmetrie nicht verletzt ist, muss ferner E(k) = E(−k) gelten. Das heißt, es können keine weiteren Lösungen für diese Energie existieren und damit ist ein Bandüberlapp unmöglich.

9 A9.1

Dynamik von Kristallelektronen Maxwell-Gleichungen

Leiten Sie aus den Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik für Ladungsträger mit Ladung q, der Dichte ρ q und der Stromdichte Jq die Kontinuitätsgleichung ∂ρ q (r, t) + ∇ ⋅ Jq (r, t) = 0 ∂t und die Magnetfeld-Abschirmgleichung [∇2 + μ0 є 0

∂2 ] H(r, t) = −∇ × Jq (r, t) ∂t 2

ab. Lösung

Zur Lösung der Aufgabe gehen wir von den Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik aus (vergleiche hierzu auch Aufgabe A7.7). Sie lauten in SI-Einheiten (є = μ = 1) ∂D + Jq , D = є0 E ∂t ∂B , B = μ0 H ∇×E = − ∂t ∇⋅B = 0 ∇ ⋅ D = ρq .

∇×H =

(A9.1.1) (A9.1.2) (A9.1.3) (A9.1.4)

Hierbei ist ρ q die Ladungsdichte und Jq die elektrische Stromdichte. Für Elektronen in Metallen gilt: q = −e, ρ q = −en, n = N/V. Wir bilden nun die Divergenz von Gleichung (A9.1.1) und erhalten ∂ ∇ ⋅ D + ∇ ⋅ Jq ∇ ⋅ (∇ × H) = ∂t .// / / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / / 1 =0

(A9.1.5)

156

9 Dynamik

und erhalten die Kontinuitätsgleichung ∂ρ q + ∇ ⋅ Jq = 0 ∂t

(A9.1.6)

für die Ladungsdichte ρ q . Wir bilden nun die Rotation von Gleichung (A9.1.1) (∇ × . . . ) und erhalten dadurch ∇ × (∇ × H)

=

−∇2 H + ∇ (∇ ⋅ H) = −∇2 H .// / / /0/ / / / 1

=

∂ ∇ × D + ∇ × Jq ∂t ∂ є0 ∇ × E + ∇ × Jq ∂t ∂2 B −є 0 2 + ∇ × Jq ∂t ∂2 H −μ0 є 0 2 + ∇ × Jq . ∂t

=0

−∇ H 2

= (A9.1.2)

= =

(A9.1.7)

Dies führt mit Hilfe von μ0 є 0 = 1/c 2 auf die Gleichung [∇2 −

1 ∂2 ] B = −μ0 ∇ × Jq , c 2 ∂t 2

(A9.1.8)

die wir als Magnetfeldabschirmgleichung interpretieren können. A9.2

Elektromagnetische Skin-Tiefe im Drude-Modell

Für Elektronen in Metallen (q = −e, ρ q = −en, n = N/V, Jq = J e ) gelte das DrudeGesetz für die lineare Antwort der elektrischen Stromdichte auf ein elektrisches Feld E(r, t) = E0 (r, t)e−ı ωt mit harmonischer Zeitabhängigkeit: Jq = σ(ω)E ,

σ(ω) =

1 ne 2 . m −ıω + 1/τ

(a) Zeigen Sie, dass die Magnetfeld-Abschirmgleichung für diesen Fall [∇2 + μ0 є 0 ω 2 ] H =

H δ 2 (ω)

lautet, wobei δ(ω) die elektromagnetische Skin-Tiefe ist. (b) Diskutieren Sie den (i) hydrodynamischen Grenzfall ω ≪ 1/τ und (ii) den stoßlosen Grenzfall ω ≫ 1/τ.

9 Dynamik

157

Lösung

Zur Lösung der Aufgabe gehen wir wieder von den Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik aus (vergleiche Aufgabe A9.1). Die Maxwell-Gleichungen werden ergänzt durch die konstitutive Relation Jq = σ(ω)E ,

σ(ω) =

1 ne 2 , m −ıω + 1/τ

(A9.2.1)

welche die elektrische Stromdichte Jq mit der elektrischen Feldstärke E über die elektronische Leitfähigkeit σ verknüpft. (a) Bilden wir die Rotation von Gleichung (A9.1.1) (∇ × . . . ), so erhalten wir ∇ × (∇ × H)

=

−∇2 H + ∇ (∇ ⋅ H) = −∇2 H .// / / /0/ / / / 1

=

∂ ∇ × D + ∇ × Jq ∂t ∂ є0 ∇ × E + ∇ × Jq ∂t ∂2B −є 0 2 + ∇ × Jq ∂t ∂2H −μ0 є 0 2 + ∇ × Jq ∂t

=0

−∇2 H

= (A9.1.2)

= =

(A9.2.2)

Dies führt mit Hilfe von μ0 є 0 = 1/c 2 auf die Gleichung [∇2 −

1 ∂2 ] B = −μ0 ∇ × J e . c 2 ∂t 2

(A9.2.3)

Einsetzen von Jq = σ(ω)E in Gleichung (A9.2.3) liefert [∇2 +

ω2 ] B = −μ0 ∇ × Jq = −μ0 σ(ω)∇ × E = −ıωσ(ω)μ0 B . c2 .// / / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / / 1

(A9.2.4)

=1/δ 2 (ω)

Wir erhalten also die Magnetfeld-Abschirmgleichung [∇2 +

ω2 B ]B = 2 c2 δ (ω)

(A9.2.5)

mit der Magnetfeld-Eindringtiefe (Skin-Tiefe) δ 2 (ω) =

1 m 1 − ıωτ 2 1 − ıωτ = = δ∞ . −ıωσ(ω)μ0 μ0 ne 2 −ıωτ −ıωτ .// / 0/ / /1

(A9.2.6)

2 =δ ∞

(b) Im stoßlosen Grenzfall (ωτ ≫ 1) erhalten wir m 2 = δ∞ . δ 2 (ω) = μ0 ne 2

(A9.2.7)

158

9 Dynamik

Man beachte, dass die Skin-Tiefe δ∞ in diesem Fall mit Hilfe von μ0 є 0 = 1/c 2 durch die Plasmafrequenz ω p ausgedrückt werden kann: 2 = c2 δ∞

є0 m c2 = 2 . 2 μ0 ne ωp

Im hydrodynamischen Limes (ωτ ≪ 1) erhalten wir ı ı m 2 = δ∞ . δ 2 (ω) = 2 μ0 ne ωτ ωτ

(A9.2.8)

(A9.2.9)

√ Die Magnetfeldabschirmlänge nimmt also proportional zu 1/ ω mit zunehmender Frequenz ab. A9.3

Elektrische und thermische Leitfähigkeit

In einem Au-Draht nimmt der spezifische Widerstand von ρ = 3 μΩm bei Raumtemperatur auf ρ = 1 × 10−3 μΩm bei 4 K ab. Bei einem Draht aus einer AuPd-Legierung (50/50) wird ein in etwa temperaturunabhängiger spezifischer Widerstand von ρ = 50 μΩm gemessen. (a) Berechnen Sie die mittlere freie Weglänge der Elektronen in den beiden Proben bei Raumtemperatur und 4 K (k F = 1.2 × 1010 m−1 , m⋆ = 1.1m e ). (b) Welche Streuprozesse dominieren bei welcher Temperatur in den beiden Proben? (c) Schätzen Sie die Wärmeleitfähigkeit der beiden Proben bei einer Temperatur von 4 K ab. Lösung

Zur Lösung der Aufgabe nehmen wir an, dass die Fermi-Wellenzahl für die reine AuProbe und die AuPd-Legierung gleich sind. Aus der angegebenen Fermi-Wellenzahl k F = (3π 2 n)1/3 = 1.2 × 1010 m−1 können wir die Ladungsträgerdichte bestimmen zu k F3 (1.2 × 1010 )3 −3 = m = 5.84 × 1028 m−3 . 3π 2 3π 2

n =

(A9.3.1)

Mit der effektiven Masse m⋆ = 1.1m ergibt sich daraus die Fermi-Geschwindigkeit vF =

ħk F 1.05 × 10−34 ⋅ 1.2 × 1010 = m/s = 1.26 × 106 m/s . m⋆ 1.1 ⋅ 9.1 × 10−31

(A9.3.2)

(a) Die mittlere freie Weglänge ℓ bestimmen wir aus der Drude-Leitfähigkeit σ =

ne 2 τ ne 2 ℓ = m⋆ m⋆ vF

(A9.3.3)

9 Dynamik

159

unter Verwendung von σ = 1/ρ (dies ist für polykristalline Materialien eine gute Näherung) zu ℓ =

m⋆vF . ne 2 ρ

(A9.3.4)

Einsetzen der angegebenen Werte liefert ℓ(4 K) = 8.4 × 10−5 m Au: ℓ(300 K) = 2.8 × 10−8 m , AuPd: ℓ(300 K) ≃ ℓ(4 K) = 1.7 × 10−9 m . (b) In der reinen Au-Probe dominiert bei Raumtemperatur die Streuung an Phononen. Da diese mit abnehmender Temperatur ausfrieren, nimmt der spezifische Widerstand dieser Probe stark ab. Bei 4 K beträgt die mittlere freie Weglänge fast 100 μm. Falls der Drahtdurchmesser in dieser Größenordnung sein sollte, kann in sehr reinen Proben bei dieser Temperatur bereits die Streuung an der Probenoberfläche eine dominierende Rolle spielen. Für größere Drahtdurchmesser dominiert je nach Reinheit der Probe entweder die Streuung an Defekten und Verunreinigungen oder die Streuung an Phononen. Der Streuquerschnitt für die Elektron-Elektron-Streuung skaliert proportional zu (T/TF )2 und ist wegen der hohen Fermi-Temperatur (etwa 100 000 K) um etwa den Faktor 10−10 geringer als derjenige für die Elektron-Verunreinigungsstreuung. ElektronElektron-Streuung spielt bei tiefen Temperaturen also nur in hochreinen Proben eine dominierende Rolle. In der AuPd-Probe spielen die Pd-Atome die Rolle von Verunreinigungen. Die mittlere freie Weglänge ist deshalb sehr kurz und liegt mit etwa 2 nm im Bereich der Atomabstände. Bei dieser Probe dominiert deshalb im gesamten Temperaturbereich die ElektronVerunreinigungsstreuung, was zu einem fast temperaturunabhängigen spezifischen Widerstand führt. (c) Da die Phononen stark durch die Elektronen gestreut werden, ist die phononische Wärmeleitfähigkeit in Metallen im Vergleich zu Isolatoren klein. In Metallen überwiegt deshalb üblicherweise die elektronische Wärmeleitfähigkeit deutlich. Mit Hilfe des Wiedemann-Franz Gesetzes erhalten wir für die elektronische Wärmeleitfähigkeit κ = LT

1 , ρ

L = 2.44 × 10−8 WΩ/K2 ,

(A9.3.5)

wobei L die Lorenz-Zahl ist. Da in der reinen Au-Probe der spezifische Widerstand mit der Temperatur stark (üblicherweise stärker als linear in T) abnimmt, erwarten wir, dass die Wärmeleitfähigkeit dieser Probe mit sinkender Temperatur zunimmt. Bei genügend tiefen Temperaturen dominiert dann die Verunreinigungsstreuung und wir erhalten hier ρ ≃ const. Die Wärmeleitfähigkeit κ nimmt entsprechend in diesem Temperaturbereich mit sinkender Temperatur proportional zu T ab. In der AuPd-Probe ist ρ(T) ≃ const und wir erwarten nach (A9.3.5) eine etwa lineare Abnahmen von κ mit sinkender Temperatur. Allerdings kann in stark verunreinigten Proben und Legierungen die elektronische Wärmeleitfähigkeit so stark unterdrückt sein, dass hier die Gesamtwärmeleitfähigkeit durch die phononische Wärmeleitfähigkeit dominiert wird. Auch in diesem Fall erwarten wir eine Abnahme von κ mit T.

160 A9.4

9 Dynamik Linearisierte Boltzmann-Transportgleichung

Leiten Sie die linearisierte Boltzmann-Transportgleichung für Elektronen in Metallen ab. Gehen Sie bei der Herleitung von den (Nichtgleichgewichts-) Phasenraum-Verteilungsfunktionen f k (r, t) = f (ħk, r, t) є k (r, t) = E(ħk, r, t) aus. Lösung

Das totale Differential von f k lautet (wir verwenden p = ħk): ∂f dt + (∇r f ) ⋅ dr + (∇p f ) ⋅ dp ∂t df dr dp ∂f = + (∇r f ) ⋅ + (∇p f ) ⋅ . dt ∂t dt dt df =

(A9.4.1)

Im quasi-klassischen Limes gelten die Hamilton-Bewegungsgleichungen (p = ħk) dr = ∇p є = vp dt dp = −∇r є dt

(A9.4.2) (A9.4.3)

Daraus ergibt sich die kinetische Gleichung ∂ fk + vp ⋅ ∇r f k − (∇p f k ) ⋅ (∇r є k ) = I k . ∂t

(A9.4.4)

Die Linearisierung dieser Gleichung mit f k = f k0 + δ f k, є k = є 0k + δє k ,

∇r f k = ∇r δ f k ,

∇p f k ≃

∇r є k = ∇r δє k

∂ fk ∂ fk ∇p є k = vp ∂є k ∂є k

(A9.4.5) (A9.4.6)

führt auf ∂δ f k ∂ fk δє k ] = δI k . + vk ⋅ ∇r [δ f k (r, t) − ∂t ∂є k Hierbei haben wir vp = ∇p є = ∇k є/ħ = vk verwendet.

(A9.4.7)

9 Dynamik A9.5

161

Teilchen-, Ladungs-, Energie-, Entropie- und Wärmestrom

Diskutieren Sie den Teilchen-, Ladungs-, Energie-, Entropie- und Wärmestrom in einem Festkörper im Rahmen der Boltzmann-Transporttheorie. Lösung

Wir wollen die verschiedenen Ströme aus der Boltzmann-Gleichung für Metall-Elektronen (q = −e), welche für die linearisierte Phasenraum-Verteilungsfunktion δ f k (r, t) wie folgt lautet [vergleiche Gleichung (A9.4.7) in Aufgabe A9.4] ∂ fk ∂ δє k ] = δI k . δ f k (r, t) + vk ⋅ ∇ [δ f k (r, t) − ∂t ∂є k

(A9.5.1)

Hierbei ist vk = ∂є k /∂ħk die Gruppengeschwindigkeit der Elektronen und δI k das sogenannte Stoßintegral. Für Letzteres verwenden wir die Relaxationszeitnäherung δI k = −

1 [δ f k − δ f kloc] , τ

(A9.5.2)

wobei τ eine gemittelte Stoßzeit und δ f kloc

=

1 (є +δє k )−(μ+δ μ) exp ( k k B (T+δT) )

− f k0

Taylor

ξk % ∂ fk [δє k − δμ − δT] = ∂є k T =



1 2

ξk 2k B T

4k B T cosh .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1

[δє k − δμ −

ξk δT] T

(A9.5.3)

φk

eine Verteilungsfunktion ist, welche äußere Störungen durch die beiden elektromagnetischen Potenziale ϕ(r, t) (skalar) und A(r, t) (vektoriell) δє k = qϕ(r, t) − qvk ⋅ A(r, t)

(A9.5.4)

sowie Effekte der lokalen Änderung der Temperatur δT(r, t) und des chemischen Potenzials δμ(r, t) enthält. Hierbei ist ξ k = є k − μ die Energie bezogen auf das chemische Potenzial μ. Für den Fall einer sphärischen Fermi-Fläche sind zwei Summen über die Funktion φ k wichtig: 1 ∑ φk = NF V kσ n 1 δi j . ∑ φ k v ki v k j = V kσ m

(A9.5.5) (A9.5.6)

162

9 Dynamik

Hierbei ist N F = D(E F )/V die Zustandsdichte bei der Fermi-Energie und n = N/V die Teilchendichte. Die für ein System aus Fermionen relevanten physikalischen Größen sind: 1. Teilchendichte: 1 ∑ δ f k (r, t) V kσ

δn(r, t) = lokal

% 1 = ∑ φ k [δμ(r, t) − qϕ(r, t)] V kσ = N F [δμ(r, t) − qϕ(r, t)] .

(A9.5.7)

2. Ladungsdichte: δρ q (r, t) =

1 ∑ qδ f k (r, t) = qδn(r, t) . V kσ

(A9.5.8)

3. Energiedichte: δε(r, t) =

1 ∑ є k δ f k (r, t) = μδn(r, t) + Tδσ(r, t) . V kσ

(A9.5.9)

4. Entropiedichte: Tδσ(r, t) =

1 ∑ ξ k δ f k (r, t) V kσ

lokal

ξ2 % 1 = ∑ φ k k δT(r, t) = c V (T)δT(r, t) . V kσ T .// / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / 1

(A9.5.10)

c V (T)

Die hierzu korrespondierenden Stromdichten erhalten wir durch die Ableitung der Erhaltungssätze für Teilchenzahl, Ladung und Energie aus der Boltzmann-Transportgleichung (A9.5.1) zu 1. Teilchenstromdichte: 1 ∂ δn(r, t) + ∇ ⋅ J(r, t) ∑ δI k (r, t) = V kσ ∂t J(r, t) =

∂ fk 1 δє k ] . ∑ vk [δ f k − V kσ ∂є k

(A9.5.11)

2. Ladungsstromdichte: Jq (r, t) = qJ(r, t) = =

1 ∂ fk δє k ] ∑ qvk [δ f k − V kσ ∂є k ne 2 1 A. ∑ qvk δ f k − V kσ m

Die letzte Gleichheit gilt hierbei für eine sphärische Fermi-Fläche.

(A9.5.12)

9 Dynamik

163

3. Energiestromdichte: 1 ∂ δє(r, t) + ∇ ⋅ Jε (r, t) ∑ є k δI k (r, t) = V kσ ∂t Jε (r, t) =

1 ∂ fk δє k ] = μJ(r, t) + TJσ (r, t) . ∑ є k vk [δ f k − V kσ ∂є k

(A9.5.13)

4. Entropiestromdichte: Jσ (r, t) =

ξk ξk 1 ∂ fk 1 δє k ] = ∑ vk [δ f k − ∑ vk δ f k . V kσ T ∂є k V kσ T

(A9.5.14)

5. Wärmestromdichte: 1 ∂ fk δє k ] ∑ ξ k vk [δ f k − V kσ ∂є k 1 = ∑ ξ k vk δ f k . V kσ

J h (r, t) = TJσ (r, t) =

(A9.5.15)

Wir haben oben immer angenommen, dass die Beiträge vom Stoßintegral δI k zu den Kontinuitätsgleichungen für die Dichten der Teilchenzahl, Ladung und Energie verschwinden. Aus der expliziten Form des Stoßintegrals δI k = −

δσ 1 δn + ξ k ]} {δ f k − φ k [qvk ⋅ A + τ NF cV

(A9.5.16)

erhalten wir im Einzelnen: 1. Teilchenzahl- und Ladungserhaltung: 1 1 ∑ δI k = − {δn − N F [δμ − qϕ]} = 0 . V kσ τ

(A9.5.17)

2. Energieerhaltung: 1 1 ∑ ξ k δI k = − {Tδσ − c V δT} = 0 . V kσ τ

(A9.5.18)

Zur Beschreibung des Transports von Impuls (elektrische Leitfähigkeit) und Energie (Wärmeleitfähigkeit) müssen wir eine Gradientenentwicklung in der Boltzmann-Gleichung (A9.5.1) durchführen. Zu diesem Zweck ist es günstig, zu einer neuen Verteilungsfunktion δ g k überzugehen, die definiert ist durch δ g k = δ f k − φ k [qvk ⋅ A +

δn ξ k + δT] . NF T

(A9.5.19)

Man beachte, dass die Beschreibung durch δ g k die erhaltenen Observablen herausprojiziert und sich somit auf die relevanten dissipativen Ströme konzentriert, die sich wie folgt durch

164

9 Dynamik

δ g k ausdrücken lassen: Jq =

1 ∑ qvk δ g k V kσ

(A9.5.20)

Jσ =

ξk 1 ∑ vk δ g k . V kσ T

(A9.5.21)

Die Boltzmann-Gleichung für δ g k lautet [

∂ δn ξ k ∂ + δT] + vk ⋅ ∇] δ g k + φ k [qvk ⋅ A + ∂t ∂t NF T

+φ k vk ⋅ ∇ [qϕ +

δn ξ k δ gk + δT] = − . NF T τ

(A9.5.22)

Wir erkennen, dass die durchgeführte Transformation zu einer eichinvarianten Form der elektrischen Feldstärke E(r, t) = −∇ϕ(r, t) −

∂A(r, t) ∂t

(A9.5.23)

führt, die als Kraftterm in der Boltzmann-Gleichung auftritt: [

∂ δn ξ k ∂ 1 + δT] + + vk ⋅ ∇] δ g k + φ k [ ∂t τ ∂t N F T

= φ k vk ⋅ [qE − ∇

δn ξ k − ∇δT] . NF T

(A9.5.24)

Vernachlässigen wir in dieser Gleichung höhere Ordnungen in τ(∂/∂t) und in den Gradienten τvk ⋅ ∇, so ergibt sich die Transportgleichung δ g k = τφ k vk ⋅ [qE − ∇

δn ξ k − ∇δT] . NF T

(A9.5.25)

In dieser Form kann die Boltzmann-Gleichung als Ausgangspunkt für die Berechnung der elektrischen und der diffusiven thermischen Leitfähigkeit sowie deren (thermoelektrischer) Kopplung dienen. A9.6

Freies Elektronengas im Magnetfeld

Wir betrachten ein freies Elektronengas mit einer Dichte von n = 2.54 × 1022 cm−3 (Natrium) und einem Volumen von L x L y L z = 1 × 1 × 1 cm3 . (a) Berechnen Sie aus der Anzahl N der Elektronen die Anzahl Z F der im k-Raum besetzten Zustände, den Radius k F der Fermi-Kugel und die Anzahl Z 0 der in der Ebene k z = 0 von Elektronen besetzten Zustände.

9 Dynamik

165

(b) Wir legen nun ein Magnetfeld B = 1 T in z-Richtung an. Berechnen Sie die Anzahl der Kreise konstanter Energie є(n, k z = 0), die sich innerhalb der ursprünglichen Grenzen der Fermi-Kugel befinden. Zeigen Sie, dass der Entartungsgrad p eines solchen Kreises durch L x L y eB p = 2πħ gegeben ist und berechnen Sie den entsprechenden Wert. Welchen Radius besitzen die Extremalbahnen im Ortsraum? (c) Bestimmen Sie die Flussdichte B 0 , bei welcher der innerste Landau-Zylinder n = 0 die ursprüngliche Fermi-Kugel verlässt. Bis zu welchem Wert ∣k z ∣ sind die Zustände dieses Landau-Zylinders besetzt? Vergleichen Sie den Wert von B 0 mit technisch realisierbaren Magnetfeldern. (d) Wie groß muss die mittlere Stoßzeit der Elektronen mindestens sein, damit de Haas-van Alphen-Oszillationen bei B = 1 T gut messbar sind? Lösung

(a) Aufgrund der Quantisierung der erlaubten k-Werte in Einheiten der Größe

2π 2π , Lx L y

und

entfällt auf jeden Zustand im k-Raum das Volumen (2π) /L x L y L z . Für die Dichte der Zustände im dreidimensionalen k-Raum erhalten wir damit L x L y Lz V = . (A9.6.1) Z(k) = 3 (2π) (2π)3 2π Lz

3

Hierbei haben wir die Spin-Entartung außer Acht gelassen. Nach dem Pauli-Prinzip darf aber jeder Zustand mit zwei Elektronen entgegengesetzter Spin-Richtung besetzt werden. Bei einem Volumen von 1 cm3 und einer Elektronendichte von n = N = 2.54 × 1022 cm−3 weist damit die Fermi-Kugel insgesamt Z F = N/2 = 1.27 × 1022 V von Elektronen besetzte Zustände auf. Der Radius der Fermi-Kugel ergibt sich mit N/2 = Z(k) 43 πk F3 zu k F = (3π 2 n)1/3 .

(A9.6.2) −1

Für die angegebene Elektronendichte erhalten wir k F = 9.09 × 10 m . Da die Komponente k z aller erlaubten Zustände im k-Raum immer ein ganzzahliges Vielfaches von 2π/L z sein muss, können wir die Größe 2π/L z als Dicke von Schichten mit k z = const im k-Raum ansehen. Die Zahl der in der Schicht mit k z = 0 mit Elektronen besetzten Zustände ergibt sich damit zu 9

Z 0 = Z(k) ⋅ πk F2 ⋅

Lx L y 2 2π = k = 6.58 × 1014 . Lz 4π F

(A9.6.3)

(b) In Anwesenheit eines Magnetfeldes ordnen sich die Zustände im k-Raum auf konzentrischen Landau-Zylindern an, die wir mit einer Quantenzahl n charakterisieren können. Mit 1 є n = (n + ) ħω c = ħ 2 k⊥2 (n)/2m ω c = eB/m . (A9.6.4) 2

166

9 Dynamik

(m c = m für ein freies Elektronengas) erhalten wir den Radius der Landau-Zylinder zu √ 1 2eB k⊥ (n) = (n + ) . (A9.6.5) 2 ħ Mit dem Ansatz k⊥ (n max ) = k F erhalten wir mit k F = 9.09 × 109 m−1 aus (A9.6.5) ħk F2 1 − . 2eB 2 Unter Benutzung von n max =

(A9.6.6)

ω c = 17.56792923 MHz ⋅ B [Gauss]

(A9.6.7)

ergibt sich für B = 1 T der Zahlenwert n max = 27 216 .

(A9.6.8)

Unter der Voraussetzung, dass jeder Kreis denselben Entartungsgrad p aufweist, folgt für den Entartungsgrad eines einzelnen Kreises der Wert Z0 = p = n max

L x L y π k F3 (2π)2 2 ħk F2 − 12 2eB



L x L y 2πeB = 2.42 × 1010 . (2π)2 ħ

(A9.6.9)

Für eine alternative Herleitung des analytischen Ausdrucks für p betrachten wir die von einem Landau-Zylinder umschlossene Fläche 1 2πeB S n = πk⊥2 (n) = (n + ) . (A9.6.10) 2 ħ Die Fläche ΔS = S n+1 − S n zwischen zwei benachbarten Zylindern ist offenbar eine von der Quantenzahl unabhängige Größe: 2πeB . (A9.6.11) ħ Damit folgt für den Entartungsgrad eines beliebigen, zur k x k y -Ebene parallelen Kreises konstanter Energie in einem Landau-Zylinder ΔS =

p = Z(k) ⋅ ΔS ⋅

L x L y L z 2πeB 2π L x L y 2πeB 2π = ⋅ = ⋅ . 3 Lz (2π) ħ Lz (2π)2 ħ

(A9.6.12)

(c) Der Wert für die magnetische Flussdichte B 0 , für die k⊥ (n = 0) = k F wird, erhalten wir mit (A9.6.6) zu ħk F2 = 54 400 Tesla . (A9.6.13) e Ein Kreis konstanter Energie E(n = 0, k z ) hat für das Feld B 0 nach (A9.6.12) den EntarLx L y 2 k F . Da ferner die Gesamtzahl der von Elektronen besetzten Zustäntungsgrad p = 2π de durch Z F = N/2 = (V /2π)3 43 πk F3 gegeben ist, enthält der entsprechende LandauZylinder insgesamt α = N/2p = (L z /3π)k F = 9.65 × 106 von Elektronen besetzte Kreise konstanter Energie. Die Gesamtlänge des von Elektronen besetzten Abschnittes des Landau-Zylinders erhalten wir, indem wir diese Zahl mit der Dicke 2π/L z der Schichten B0 =

9 Dynamik

167

mit k z = const multiplizieren und erhalten α ⋅ (2π/L z ) = 23 k F . Dies entspricht besetzten Zuständen im Bereich −k F /3 ≤ k z ≤ +k F /3. Bei unserer Diskussion wurde stillschweigend angenommen, dass bei der Flussdichte B 0 keine Besetzung der Zustände mit n > 0 stattfindet. Der Radius des Landau-Zylinders n = 1 bei der Flussdichte B 0 beträgt √ k⊥ (n = 1) = 3 k F (A9.6.14) und ist damit größer als die maximale Wellenzahl √ 2 (n = 0) ≃ 1.05 k F k max (n = 0) = k⊥2 (n = 0) + k z,max

(A9.6.15)

am oberen und unteren Rand des Landau-Zylinders n = 0. Dies rechtfertigt nachträglich unsere Annahme. Die Durchführung eines Experiments, bei dem die Elektronen eines Metalls alle auf den Landau-Zylinder niedrigster Ordnung gezwungen werden, würde Felder in der Größenordnung von einigen 10 000 T erfordern, die technisch nicht realisierbar sind. Mit gepulsten Magnetfeldern können heute nur etwa 100 T erreicht werden. Höhere Felder bis etwa 2500 T können zwar mit Hilfe von Implosionstechniken erzielt werden, bei denen Magnetfelder mit Hilfe von Sprengstoff komprimiert werden, allerdings erlaubt diese Technik dann nur sehr kurze Messzeiten und führt zu einer Zerstörung der untersuchten Probe. Gleichung (A9.6.13) zeigt, dass wir eine Realisierung bei niedrigeren Feldern erreichen können, wenn wir Materialien mit einer kleinen Fermi-Wellenzahl k F oder äquivalent mit einer kleinen Elektronendichte n verwenden. Heute können mit Halbleiter-Heterostrukturen zweidimensionale Elektronengase mit niedriger Ladungsträgerdichte realisiert werden, bei denen mit Feldern im Bereich von einigen Tesla alle Elektronen auf den Landau-Kreis niedrigster Ordnung gezwungen werden können. (d) Damit de Haas-van Alphen-Oszillationen gut beobachtbar sind, muss die Bedingung eB m τ ≥ 1 ⇒ τ ≥ (A9.6.16) m eB erfüllt sein. Diese Bedingung bedeutet, dass Elektronen zwischen zwei Stößen ein geschlossenes Orbit durchlaufen können. Bei einem Magnetfeld von B = 1 T ergibt dies τ ≥ 5.69 × 10−12 s. Ferner muss ħω c B mk B T ≥ 1 ⇒ ≥ = 0.74 [ ] (A9.6.17) kB T T eħ K ωc τ =

gelten. Wir müssen also Experimente bei hohen Magnetfeldern und tiefen Temperaturen durchführen.

A9.7

De Haas-van Alphen-Effekt

Die Messung der magnetischen Suszeptibilität χ = μ0 ∂M/∂B von reinen Metallen zeigt bei tiefen Temperaturen eine oszillierende Abhängigkeit vom angelegten Magnetfeld. Die Oszillationen sind periodisch in 1/B. Dieser Effekt wird de Haas-van Alphen-Effekt genannt.

168

9 Dynamik

Mit Hilfe der Beziehung Sk (

1 B n+1



1 2πe )= Bn ħ

erlaubt die Messung des de Haas-van Alphen-Effekts die Bestimmung der Extremalflächen S k der Fermi-Fläche, welche im k-Raum von Elektronenbahnen senkrecht zur Richtung des magnetischen Feldes umschlossen werden. (a) Betrachten Sie das Elektronengas von Gold als ein System freier Elektronen mit der Dichte n = 5.9 × 1022 cm−3 und schätzen Sie ab, welche Größe für die Extremalfläche der Fermi-Kugel zu erwarten ist. (b) Im Experiment beobachten wir für ein Feld parallel zur [001]-Richtung eines Gold−1 = 1.95 × 10−5 T−1 . Einkristalls Oszillationen mit einer Periode von Δ ( B1 ) = B−1 n+1 − B n Ist das Magnetfeld dagegen parallel zur [111]-Richtung, so werden zwei sich überlagernde Oszillationen mit den Perioden 2.05 × 10−5 T−1 und 6 × 10−4 T−1 beobachtet. Berechnen Sie jeweils die Größe der dazugehörigen Extremalfläche S k und interpretieren Sie die Ergebnisse anhand der Fermi-Fläche von Gold (siehe Abb. 9.1). (c) Berechnen Sie die Periode Δ ( B1 ) für Natrium im Rahmen eines freien Elektronengasmodells. Welchen Radius besitzen die Extremalbahnen im Ortsraum bei B = 10 T? Lösung

(a) Für ein freies Elektronengas ist die Fermi-Fläche eine Kugeloberfläche, deren Extremalfläche durch die maximale Querschnittsfläche S k = πkF2 gegeben ist, die für alle Richtungen gleich ist. Die Fermi-Wellenzahl ist im Modell freier Elektronen durch k F = (3π 2 n)1/3

(A9.7.1)

gegeben. Setzen wir n = 5.9 × 1022 cm−3 ein, so erhalten wir k F = 1.2 × 108 cm−1 und damit die Größe der Extremalfläche zu S k F = 4.56 × 1016 cm−2 . (b) Die Größe einer Extremalfläche lässt sich über die Beziehung Sk (

1 B n+1



1 2πe )= Bn ħ

(A9.7.2)

−1 aus der gemessenen Magnetfeldperiode Δ (1/B) = B−1 n+1 − B n bestimmen. Mit dem Zahlenwert ħ = 6.58 ⋅ 10−8 G cm2 e

erhalten wir für die [001]-Richtung mit der beobachteten Periode von 1.95 × 10−5 T−1 die Extremalfläche 104 2π cm−2 = 4.89 ⋅ 1016 cm−2 . 6.58 ⋅ 10−8 1.95 ⋅ 10−5 Diese Fläche stimmt gut mit der im Rahmen der Näherung des freien Elektronengases bestimmten Fläche S = 4.56 × 1016 cm−2 überein. Sk =

9 Dynamik

169

[001]

Hals bahn [111]

Abb. 9.1: Extremalbahnen für die Fermi-Fläche von Gold für ein in [111]- und [001]-Richtung angelegtes Magnetfeld. Gold besitzt ein kubisch flächenzentriertes (fcc) Raumgitter und damit ein kubisch raumzentriertes (bcc) reziprokes Gitter. Die erste Brilloiun-Zone ist ein abgestumpfter Oktaeder mit 8 Sechsecken und 6 Quadraten (Quelle: T.-S. Choy, J. Naset, J. Chen, S. Hershfield, C. Stanton, A database of Fermi surface in virtual reality modeling language (vrml), Bull. Am. Phys. Soc. 45, L36 42 (2000)).

Au

Für die [111]-Richtung erhalten wir für die Periode 2.05 × 10−5 T−1 die Extremalfläche 104 2π cm−2 = 4.66 ⋅ 1016 cm−2 , 6.58 ⋅ 10−8 2.05 ⋅ 10−5 die wiederum der im Rahmen des freien Elektronengases bestimmten Fläche sehr nahe kommt. Die Ursache dafür ist, dass die beiden Extremalflächen den Querschnittsflächen einer nur leicht verformten Fermi-Kugel entsprechen (siehe Abb. 9.1). Die zusätzliche Periode von 6 × 10−4 T−1 entspricht einer wesentliche kleineren Extremalfläche von Sk =

104 2π cm−2 = 0.16 ⋅ 1016 cm−2 . −8 6.58 ⋅ 10 6 ⋅ 10−4 Diese Fläche entspricht den sogenannten Halsbahnen, die durch die in [111]-Richtung verlaufenden Ausläufer der Fermi-Fläche entstehen (siehe Abb. 9.1). (c) Natrium besitzt ein Valenzelektron pro Atom, das im k-Raum das Volumen Sk =

Ω =

1 (2π)3 2 a3

(A9.7.3)

beansprucht. Hierbei ist a = 4.29 Å die Gitterkonstante von Natrium, das ein kubisch raumzentriertes (bcc) Gitter hat, und der Faktor 12 resultiert aus der Spin-Entartung. Das beanspruchte Volumen beträgt also gerade die Hälfte des Volumens der 1. BrillouinZone. Bei völlig freien Elektronen würde der Radius der Fermi-Kugel gerade N 1/3 (A9.7.4) ) V betragen. Da wir bei einer bcc-Struktur in jeder konventionellen Zelle 2 Natriumatome haben, gilt ferner k F = (3π 2

2 N = 3. V a Setzen wir diesen Wert in (A9.7.4) ein, so erhalten wir kF = (

6π 2 ) a3

1/3



4.91 −1 = 1.14 Å . a

(A9.7.5)

(A9.7.6)

170

9 Dynamik

Na

Abb. 9.2: Fermi-Fläche von Natrium. Natrium besitzt ein kubisch raumzentriertes (bcc) Raumgitter und damit ein kubisch flächenzentriertes (fcc) reziprokes Gitter. Die erste Brillouin-Zone ist ein rhombisches Dodekaeder (Quelle: T.-S. Choy, J. Naset, J. Chen, S. Hershfield, C. Stanton, A database of Fermi surface in virtual reality modeling language (vrml), Bull. Am. Phys. Soc. 45, L36 42 (2000)).

Der kürzeste Abstand des Zentrums der 1. Brillouin-Zone zum Zonenrand beträgt für die 1. Brillouin-Zone fcc-Gitters (das reziproke Gitter eines bcc-Gitters ist ein fcc√ eines 5.44 3 ≃ . Wir sehen, dass dieser Wert größer ist als k F . Das heißt, die Gitter) gerade 12 2π a a Fermi-Kugel der völlig freien Elektronen berührt den Zonenrand der 1. Brillouin-Zone nicht. Deshalb sollte die Fermi-Fläche der Kristallelektronen von Natrium derjenigen der freien Elektronen sehr ähnlich sein, da ja große Abweichungen nur in der Nähe des Zonenrandes auftreten. Wie Abb. 9.2 zeigt, ist dies für Natrium in der Tat der Fall. 1 Mit S k F = πk F2 = 4.08 × 1020 m−2 und S k ( B n+1 − B1n ) = 2πħ e erhalten wir 1 2πe 1 1 1 − ) = = 2.35 × 10−5 T−1 . Δ( ) = ( B B n+1 B n ħ S kF

(A9.7.7)

Mit der allgemeinen Beziehung zwischen der Bahnfläche A im Ortsraum und S im kRaum erhalten wir für B = 10 T und S k F = πk F2 = 4.08 × 1020 m−2 A= (

ħ 2 ) S kF eB 2

= (

1.05 × 10−34 ) 4.08 × 1020 m2 = 1.76 × 10−12 m2 1.6 × 10−19 ⋅ 10

(A9.7.8)

und damit den Radius der Extremalbahn im Ortsraum zu r = 7.48 × 10−7 m. A9.8

Extremalbahnen im reziproken Raum

In einem homogenen Magnetfeld B bewegen sich Kristallelektronen im k-Raum auf Bahnen, die auf Flächen konstanter Energie verlaufen und deren Bahnfläche senkrecht zum angelegten Magnetfeld ist. Für geschlossene Bahnen ist die Umlaufzeit durch T(є, k) =

ħ 2 ∂Sє eB ∂є

gegeben, wobei Sє die von der Elektronenbahn im k-Raum umschlossene Fläche senkrecht zu B ist.

9 Dynamik

171

(a) Begründen Sie qualitativ, warum im Experiment (zum Beispiel beim de Haas-van Alphen-Effekt oder der Zyklotronresonanz) immer nur extremale Bahnen von Elektronen, die sich auf Flächen konstanter Energie bewegen, beobachtet werden. (b) Welche Form besitzen die Extremalbahnen im k-Raum, wenn für die Elektronen eine isotrope E(k) Beziehung ħ2 2 k 2m⋆ angenommen wird. Berechnen Sie die resultierende Zyklotronfrequenz ω c = eB/m c und zeigen Sie, dass für den angenommenen Spezialfall die Zyklotronmasse m c mit der effektiven Masse m⋆ übereinstimmt. (c) Betrachten Sie Flächen konstanter Energie, die Rotationsellipsoide є(k) =

є(k) = ħ 2 (

k x2 + k 2y 2m t

+

k z2 ) 2m l

mit den transversalen und longitudinalen effektiven Massen m t und m l darstellen. Berechnen Sie die Zyklotronfrequenz ω c für B∥z und leiten Sie daraus die Zyklotronmasse m c ab. Was passiert, wenn wir das Magnetfeld senkrecht zur z-Richtung anlegen? Lösung

(a) Um die Frage zu diskutieren, warum sich im Experiment nur Extremalbahnen von Elektronen beobachten lassen, betrachten wir die in Abb. 9.3 gezeigte Fläche konstanter Energie. v vz =vۤ = 0

Extremalbahn

v vz т 0

ky

kx kz

B

A B

Abb. 9.3: Elliptischer Fermi-Körper zur Veranschaulichung von Extremalbahnen.

Benachbarte Bahnen, die unterschiedliche Wellenzahlkomponenten k∥ parallel zum anliegenden Magnetfeld haben, besitzen mehr oder weniger stark voneinander abweichende Umlaufzeiten T. Das Besondere der Extremalbahnen ist die Tatsache, dass hier die Änderung der Umlaufzeit infolge einer Änderung von k∥ verschwindet. Die Beiträge von benachbarten Bahnen in der Umgebung der Extremalbahn, die phasengleich durchlaufen werden, verstärken sich somit und führen zu einem experimentell beobachtbaren Messsignal. Im Fall der Zyklotronresonanz tragen zum Beispiel die Elektronen im Bereich des mit A gekennzeichneten Bereichs zur Zyklotronresonanz bei. Die Bahnen im mit B gekennzeichneten Bereich besitzen alle stark voneinander abweichende Umlaufzeiten, so dass sich ihre Beiträge gegenseitig kompensieren. Die Elektronen aus diesem Bereich führen also zu keiner Resonanzerscheinung.

172

9 Dynamik

(b) Für eine isotrope є(k)-Beziehung ħ2k2 (A9.8.1) 2m⋆ sind die Flächen konstanter Energie Kugeloberflächen, wobei der Radius der Kugel durch 1√ ⋆ 2m є (A9.8.2) k(є) = ħ gegeben ist. Das bedeutet, dass die Flächen Sє konstanter Energie є Flächen S k mit einem konstanten Betrag k der Wellenzahl entsprechen. Die einzige Extremalfläche ist die maximale Querschnittsfläche S k = πk 2 (є) = 2πm⋆є/ħ 2 . Aus der Umlaufzeit є(k) =

ħ 2 ∂S k m⋆ = 2π eB ∂є eB erhalten wir die Zyklotronfrequenz zu T(є, k) =

(A9.8.3)

2π eB (A9.8.4) = ⋆ . T m Durch Vergleich dieses Ausdrucks mit der Definition ω c = eB/m c der Zyklotronfrequenz sehen wir sofort, dass in dem betrachteten Spezialfall m c = m⋆ . (c) Die Beziehung ωc =

є(k) =

ħ 2 (k x2 + k 2y ) 2m t

+

ħ 2 k z2 2m l

(A9.8.5)

lässt sich in 1=

k 2y k x2 k z2 + + 2m t є/ħ 2 2m t є/ħ 2 2m l є/ħ 2

(A9.8.6)

umformen. Dies ist die Bestimmungsgleichung eines Ellipsoids mit den Halbachsen 1 √ 1√ a = b = 2m t є c = 2m l є . (A9.8.7) ħ ħ Für B∥ˆz umschließen die Extremalbahnen der Ladungsträger eine kreisförmige Fläche der Größe (siehe Abb. 9.4) 2π (A9.8.8) S k = πa 2 = 2 m t є . ħ Mit (A9.8.3) und (A9.8.4) folgt daraus die Zyklotronfrequenz ωc =

eB . mt

(A9.8.9)

Wir sehen, dass in diesem Fall die Zyklotronmasse mit der transversalen effektiven Masse m t übereinstimmt. Für B ⊥ zˆ umschließen die Extremalbahnen der Ladungsträger eine Ellipsenfläche der Größe 2π √ (A9.8.10) S k = πac = 2 m t m l є . ħ

9 Dynamik

173

kz

B

kz

B Extremalbahnen

ky

ky kx

kx

Abb. 9.4: Zur Veranschaulichung der Extremalbahnen bei Vorliegen eines elliptischen Fermi-Körpers.

Die resultierende Zyklotronfrequenz ist ωc = √

eB . mt ml

(A9.8.11)

√ In diesem Fall hat also die Zyklotronmasse den Wert m c = m t m l . Die entsprechenden Extremalbahnen im reziproken Raum sind in Abb. 9.4 dargestellt.

10 A10.1

Halbleiter Hall-Effekt und elektrische Leitfähigkeit von Halbleitern

Durch die Messung der elektrischen Leitfähigkeit und des Hall-Effekts als Funktion der Temperatur lassen sich zahlreiche charakteristische Parameter von Halbleitern bestimmen. Da der Ladungstransport in Halbleitern sowohl durch die Elektronen im Leitungsband als auch die Löcher im Valenzband erfolgt, muss für den Hall-Koeffizienten der ZweibandAusdruck RH =

σh μh − σe μe . (σ e + σ h )2

verwendet werden, wobei τ e,h und m⋆e,h die Streuzeiten und effektiven Massen der beiden Ladungsträgersorten (Elektronen und Löcher) und σ e = n c e 2 τ e /m⋆e bzw. σ h = pv e 2 τ h /m⋆h die mit den beiden Ladungsträgertypen verbundenen elektrischen Leitfähigkeiten sind. (a) Leiten Sie den Ausdruck für R H her und drücken Sie den Hall-Koeffizienten als Funktion der Beweglichkeiten und der Ladungsträgerdichten aus. (b) Leiten Sie Ausdrücke für den Hall-Koeffizienten eines Halbleiters bei reiner Eigenleitung und bei reiner Störstellenleitung (für n- und p-Halbleiter) ab und diskutieren Sie das Vorzeichen des Hall-Koeffizienten. (c) Wie lassen sich durch Messung der Temperaturabhängigkeit des Hall-Koeffizienten die Energielücke E g eines Halbleiters sowie bei einem n-Typ Halbleiter der Abstand E d des Donatorniveaus von der Leitungsbandkante bzw. bei einem p-Typ Halbleiter der Abstand E a des Akzeptorniveaus von der Valenzbandkante bestimmen? (d) Lässt sich durch Messung des Hall-Effekts die Dichte n D der Donatoren in einem n-Typ Halbleiter bzw. die Dichte n A der Akzeptoren in einem p-Typ Halbleiter bestimmen? Wenn ja, in welchem Temperaturbereich muss die Messung stattfinden? (e) Wie kann man durch Messung der Hall-Konstanten und der elektrischen Leitfähigkeit die Beweglichkeiten μ e und μ h im Fall reiner Störstellenleitung und im Fall reiner Eigenleitung bestimmen? Hinweis: Nehmen Sie an, dass Sie die effektiven Massen m⋆e bzw. m⋆h durch Messung der Zyklotronresonanz bestimmt haben. Lösung

(a) Um den Zweiband-Modell-Ausdruck für den Hall-Koeffizienten abzuleiten, müssen wir nur beachten, dass sich die Ströme von Elektronen und Löchern addieren. Eine solche

176

10 Halbleiter

Rechnung wurde bereits in Aufgabe A7.10 durchgeführt. Hier wurde der allgemeine Fall zweier Ladungsträgersorten 1 und 2 betrachtet, mit folgendem Resultat für den HallKoeffizienten σ1 μ1 − σ2 μ2 RH = (σ1 + σ2 )2 σ i = n i ∣q i ∣μ i ∣q i ∣τ i μi = . (A10.1.1) mi In unserem Fall korrespondieren die Ladungsträgersorten 1 und 2 zu den Löchern (q 1 = e, n 1 = pv , m 1 = m∗h ) und zu den Elektronen (q 2 = −e, n 2 = n c , m 2 = m∗e ). Daher können wir (A10.1.1) umschreiben in RH =

pv μ2h − n c μ2e . e(pv μ h + n c μ e )2

(A10.1.2)

Hierbei ist pv die Dichte der Löcher im Valenzband und n c die Dichte der Elektronen im Leitungsband. (b) Bei reiner Eigenleitung ist n c = pv = n i und für die Hall-Konstante ergibt sich R H,i =

1 μh − μe . n i e μh + μe

(A10.1.3)

Wir sehen, dass die Hall-Konstante positiv oder negativ sein kann, je nachdem ob μ h > μ e oder μ h < μ e . Bei reiner Störstellenleitung können wir jeweils eine Ladungsträgersorte vernachlässigen und es ergibt sich aus (A10.1.3) R H,e = −

1 nc e

oder

R H,h = +

1 , pv e

(A10.1.4)

je nachdem ob reine n-Leitung (pv vernachlässigbar) oder reine p-Leitung (n c vernachlässigbar) vorliegt. Dieser Ausdruck entspricht dem bekannten Ergebnis für den HallKoeffizienten, das wir bei Vorliegen nur einer Ladungsträgersorte (Einband-Modell) erhalten. (c) Wir wollen nun noch diskutieren, wie wir durch Messung von R H als Funktion der Temperatur die Größen E g , E d und E a bestimmen können: ∎ Zur Erinnerung sei hier angemerkt, dass bei intrinsischen Halbleitern die Dichte der Elektronen im Leitungsband n c (T) und der Löcher im Valenzband pv (T) gegeben sind durch 2 − E c −μ n c (T) = 3 e k B T (A10.1.5) λ Te 2 E v −μ pv (T) = 3 e k B T (A10.1.6) λT h 2πħ . λ Te,h = √ 2πm∗e,h k B T

10 Halbleiter

177

Hier bedeutet λ Te,h die (thermische) de Broglie-Wellenlänge der thermisch angeregten Elektronen im Leitungsband bzw. Löcher im Valenzband. Bilden wir das Produkt aus n c und pv , so lässt sich das chemische Potenzial eliminieren: 2 2 − Eg (A10.1.7) n c (T) ⋅ pv (T) = 3 3 e k B T ; E g = E c − Ev . λ Te λ T h Für intrinsische Halbleiter gilt nv = pv = n i und wir können schreiben 2 − Eg n i (T) = 3 e 2k B T λ Ti 2πħ λ Ti = √ √ . (A10.1.8) 2π m∗h m∗e k B T Zur Bestimmung der Energielücke E g messen wir R H,i (T) [vgl. Gl. (A10.1.3)] als Funktion der Temperatur im Bereich hoher Temperaturen, wo die Dichte der Ladungsträger durch die thermisch aus dem Valenzband ins Leitungsband angeregten Ladungsträger dominiert wird. Für diese Temperaturabhängigkeit der intrinsischen Ladungsträgerdichte gilt somit 3 √ 2 Eg ⎛ 2π m∗e m∗h k B T ⎞ − 2kE g T 3 − e B ∝ T 2 e 2k B T . (A10.1.9) n i (T) = 2 h ⎠ ⎝ Der Term (μ h − μ e )/(μ h + μ e ) in (A10.1.3) zeigt keine Temperaturabhängigkeit, da sich diese durch die Quotientenbildung heraushebt. Wir erhalten dann Eg

R H,i (T) ∝ oder

e 2k B T 3

T2

(A10.1.10)

Eg . (A10.1.11) 2k B T 3 Tragen wir also ln[∣R H,i (T)∣T 2 ] gegen 1/T auf, so erhalten wir eine Gerade mit der Steigung E g /2k B . ∎ Zur Bestimmung der Ionisationsenergie E d der Donatoren in einem n-Halbleiter mit Hilfe des Hall-Effekts müssen wir den Hall-Effekt bei tiefen Temperaturen messen. In diesem Bereich können wir die thermisch aus dem Valenzband ins Leitungsband angeregten Ladungsträger vernachlässigen. Die Ladungsträgerdichte wird hier durch das Ausfrieren der Ladungsträger, die aus den Donatorniveaus ins Leitungsband angeregt sind, dominiert. Wir dürfen für n c (T) dann den Ausdruck [vergleiche hierzu (A10.2.8) in Aufgabe A10.2] 2n D n c (T) = √ Ed 1 + 1 + 4 nneffD e k B T c E E 3 2 T→0 √ − 2k d T − d B ≃ n D n eff ∝ T 4 e 2k B T ; n eff (A10.1.12) c e c = 3 λ Te verwenden und erhalten 3 Ed ln [∣R H,e (T)∣T 4 ] = const + . (A10.1.13) 2k B T 3 Tragen wir wiederum ln[∣R H,e (T)∣T 4 ] gegen 1/T auf, so erhalten wir eine Gerade mit der Steigung E d /2k B . Eine analoge Betrachtung gilt für die Bestimmung der Ionisierungsenergie E a der Akzeptoren in einem p-Halbleiter. 3

ln [∣R H,i (T)∣T 2 ] = const +

178

10 Halbleiter

(d) In einem n-Halbleiter, der keine Akzeptoren enthält, ist in einem weiten mittleren Temperaturbereich die Ladungsträgerdichte n c (T) =

2n D √ Ed 1 + 1 + 4 nneffD e k B T

k B T>E d



n D = const .

(A10.1.14)

c

In diesem Temperaturbereich sind alle Donatoren ionisiert und die intrinsische Ladungsträgerdichte kann noch vernachlässigt werden. Nach (A10.1.10) gilt für diesen Bereich dann 1 nD = − . (A10.1.15) R H,e e Für einen reinen p-Halbleiter ohne Donatoren gilt entsprechend nA = +

1 R H,h e

.

(A10.1.16)

(e) Die Beweglichkeiten μ e und μ h hängen über die Streuzeiten τ e und τ h von der Temperatur ab. Für den Temperaturbereich, in dem reine Störstellenleitung vorliegt, erhalten wir die Beweglichkeiten durch eine kombinierte Messung von R H,e bzw. R H,h und σ. Aus (A10.1.10) folgt μ e = R H,e σ

und

μ h = R H,h σ .

(A10.1.17)

Bei genügend hohen Temperaturen, wo reine Eigenleitung (n c = pv = n i ) vorliegt, gilt ferner σ = e(n c μ e + pv μ h ) = en i (μ e + μ h ) ,

(A10.1.18)

woraus sich mit Hilfe von (A10.1.3) die Beziehung R H,i σ = μ h − μ e .

(A10.1.19)

ergibt. Um aus den beiden Gleichungen (A10.1.18) und (A10.1.19) die Beweglichkeiten μ e und μ h zu berechnen, benötigen wir außer den gemessenen Größen R H,i und σ noch die Elektronendichte n i (T) bei Eigenleitung. Diese können wir nach Gleichung (A10.1.9) zu 3 √ 2 √ ⎛ 2π m∗e m∗h k B T ⎞ − 2kE g T e B (A10.1.20) n i (T) = n c (T)pv (T) = h2 ⎠ ⎝ berechnen, wenn wir neben der Energielücke E g noch die effektiven Massen m⋆e und m⋆h kennen. Letztere können z. B. mit Hilfe der Zyklotron-Resonanz bestimmt werden. Insgesamt sehen wir, dass wir durch Messung der elektrischen Leitfähigkeit und des HallEffekts sowie durch die Bestimmung der effektiven Massen mit Hilfe der Zyklotronresonanz alle relevanten Halbleiterparameter wie E g , E a , E d , n D , n A , μ e oder μ h bestimmen können.

10 Halbleiter A10.2

179

Ladungsträgerdichte von Halbleitern

Betrachten Sie einen Halbleiter mit einer Donatorkonzentration von 1019 /m3 . Die Ionisationsenergie der Donatoren soll E d = 1 meV und die effektive Masse der Elektronen im Leitungsband m e = 0.01m betragen. Schätzen Sie die Konzentration der Leitungselektronen bei 4 und 300 K ab. Welchen Wert hat der Hall-Koeffizient? Nehmen Sie bei der Rechnung an, dass keine Akzeptoratome vorhanden sind und dass E g ≫ k B T ist. Lösung

Für den Fall E g ≫ k B T können wir die thermisch aus dem Valenzband ins Leitungsband angeregten Ladungsträger vernachlässigen. In diesem Fall ist die Dichte n c der Elektronen im Leitungsband gleich der Dichte n+D der ionisierten Donatoren. Das heißt, es gilt n c = n+D . Für die Dichte n 0D der besetzten Donatorniveaus gilt n 0D =

nD , e(E D −μ)/k B T + 1

(A10.2.1)

woraus wir n+D = n D − n 0D erhalten und damit n c ≃ n+D = n D − n 0D = n D (1 −

1 e(E D −μ)/k B T

+1

) =

nD 1+e

μ−E D kB T

.

(A10.2.2)

Mit Hilfe der Beziehung nc = 2 (

m⋆e,DOS k B T ) 2πħ 2

3/2 −(E c −μ)/k B T e−(E c −μ)/k B T = n eff c e

(A10.2.3)

können wir das chemische Potenzial durch e μ/k B T =

n c E c /k B T e n eff c

(A10.2.4)

ausdrücken und erhalten nach Einsetzen in (A10.2.2) n c (T) ≃

1+

nD . eE d /k B T

nc n eff c

(A10.2.5)

Hierbei haben wir den Abstand E d = E c − E D des Donatorniveaus E D von der Leitungsbandkante E c benutzt. Aus (A10.2.5) erhalten wir die quadratische Gleichung nc +

n 2c E d /k B T e ≃ nD , n eff c

(A10.2.6)

180

10 Halbleiter

die sich mit der Abkürzung n d = n eff c exp(−E d /k B T) wie folgt umformen lässt: n 2c + n d n c − n D n d ≃ 0 nd nc ≃ [ 2

√ nD 2n D 1+4 − 1] = . √ nd 1 + 1 + 4 nnDd

(A10.2.7)

Dies können wir durch Einsetzen von n d auf die endgültige Form n c (T) ≃

2n D √ 1 + 1 + 4 nneffD eE d /k B T

(A10.2.8)

c

bringen. Setzen wir die angegebenen Werte ein, so erhalten wir die Konzentrationen n c (4 K) = 2.75 × 1018 m−3 n c (77 K) = 0.99 × 1019 m−3 n c (300 K) = 1.00 × 1019 m−3 . Wir sehen, dass bereits bei 77 K aufgrund des kleinen Abstands E d = 1 meV des Donatorniveaus von der Leitungsbandkante alle Donatoren ionisiert sind, so dass n c ≃ n D . Es sei darauf hingewiesen, dass bei einer Energielücke von E g = 1 eV die intrinsische Ladungsträgerdichte n i (T) =



n c (T)pv (T) = 2 (

k B T 3/2 ) (m⋆e,DOS m⋆h,DOS )3/4 e−E g /2k B T (A10.2.9) 2πħ 2

aufgrund des immer noch sehr kleinen Exponentialfaktors bei 300 K nur etwa 1014 – 1015 m−3 beträgt (je nach Wert der effektiven Zustandsdichtemassen) und damit immer noch vernachlässigbar ist. Das heißt, dass die Ladungsträgerdichte des dotierten Halbleiters in einem weiten Temperaturbereich von weniger als 77 K bis weit oberhalb von Raumtemperatur in etwa konstant bleibt. Die in diesem Temperaturbereich beobachtete Variation des elektrischen Widerstands resultiert deshalb fast ausschließlich auf der Variation der Beweglichkeit. Der Hall-Koeffizient R H ist in dem Bereich reiner Störstellenleitung gegeben als R H = 3 3 3 −1/n c e. Also R H (4 K) ≈ −2.27 mC , R H (77 K) ≈ −0.63 mC und R H (300 K) ≈ −0.625 mC . A10.3

p-n Übergang

Wir betrachten eine Siliziumdiode mit einer Dotierung von n D = 2 × 1016 cm−3 und n A = 2 × 1017 cm−3 und einer Fläche von 1 mm2 . Berechnen Sie die Kapazität der Raumladungszone dieser p-n Diode (є Si = 11.7). Wie ändert sich die Kapazität unter dem Einfluss einer angelegten Spannung?

10 Halbleiter (a)

181

U +enD

p

0

n

+ dp +dn

enA

(b)

I

ࣘሺλሻ 0

VD

0

ࣘሺെλሻ

Abb. 10.1: Schottky-Modell der Raumladungszone eines p-nx Übergangs: (a) Raumladungsdichte ρ(x) (gestrichelt ist die realistische Form von ρ(x) angegeben, die im Rahmen des Schottky-Modells durch eine Stufenfunktion approximiert wird). (b) Verlauf des Makropotenx zials ϕ(x). Die potentielle Energie der Elektronen (Ladung −e) beträgt −eϕ(x).

Lösung

Zur Lösung der Aufgabe benutzen wir das Schottky-Modell (vergleiche R. Gross und A. Marx, Festkörperphysik, Oldenbourg Verlag (2012), Abschnitt 10.2.1). Wir gehen von einem abrupten p-n-Übergangs aus, für den wir die Ladungsträgerdichte wir folgt schreiben können (siehe hierzu auch Abb. 10.1): ρ(x < 0) = e [−n A − n(x) + p(x)] ρ(x > 0) = e [+n D − n(x) + p(x)] .

(A10.3.1) (A10.3.2)

Die ortsabhängigen Ladungsträgerkonzentrationen n(x) und p(x) hängen vom Abstand der jeweiligen Bandkante vom chemischen Potenzial μ ab. Obwohl sich dieser Abstand nur langsam ändert, bewirkt die Fermi-Verteilungsfunktion, dass sich die Besetzungswahrscheinlichkeit innerhalb eines sehr schmalen Energiefensters von etwa 2k B T ≃ 50 meV, das viel kleiner als der Bandabstand E g = 1.12 eV von Silizium ist, von Null auf den maximalen Wert ändert. Vernachlässigen wir nun diese schmalen Übergangsbereiche, in denen diese Änderung erfolgt, so können wir die Konzentrationen n+D und n−A der geladenen Donatoren und Akzeptoren, die nicht durch freie Ladungsträger kompensiert werden, durch einfache Stufenfunktionen annähern (siehe Abb. 10.1). In dieser Näherung können wir die Raumladungsdichte schreiben als ⎧ 0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪−en A ρ(x) = ⎨ ⎪ +en D ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩0

für für für für

x < −d p − dp < x < 0 . 0 < x < dn x > dn

(A10.3.3)

Hierbei geben die Längen d p und d n die Ausdehnung der Raumladungszone im p- und n-Halbleiter an. Mit dieser stückweise konstanten Raumladungsdichte erhalten wir die

182

10 Halbleiter

Poisson-Gleichung −∇2 ϕ(r) = ρ(r)/єє 0 zu ⎧ 0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ +en ⎪ 2 ∂ ϕ ⎪ ⎪ єє 0 A ⎨ = −en D ⎪ ∂x 2 ⎪ єє 0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩0

für für für für

x < −d p − dp < x < 0 . 0 < x < dn x > dn

(A10.3.4)

Durch Integration ergibt sich ⎧ ⎪ ϕ(−∞) ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ en A 2 ⎪ ⎪ ⎪ϕ(−∞) + ( 2єє 0 ) (d p + x) ϕ(x) = ⎨ en D ⎪ ) (d n − x)2 ϕ(+∞) − ( 2єє ⎪ ⎪ 0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ϕ(+∞)

für x < −d p für − d p < x < 0 für 0 < x < d n

.

(A10.3.5)

für x > d n

Der Verlauf von ϕ(x) und seiner 2. Ableitung (Raumladungsdichte) ist in Abb. 10.1 dargestellt. Die Randbedingungen (Stetigkeit von ϕ(x) und seiner 1. Ableitung) werden von der Lösung bei x = d n und x = −d p explizit erfüllt. Damit die 1. Ableitung von ϕ(x) auch bei x = 0 stetig ist, muss nD dn = nA d p

(A10.3.6)

gelten. Diese Forderung stellt sicher, dass die negative Raumladung im p-Halbleiter mit der positiven im n-Halbleiter übereinstimmt. Damit ϕ(x) bei x = 0 stetig ist, muss e (n D d n2 + n A d 2p ) = ϕ(+∞) − ϕ(−∞) = VD 2єє 0

(A10.3.7)

gelten. Aus (A10.3.6) und (A10.3.7) können wir bei bekannten Konzentrationen der Dotieratome die Ausdehnung der Raumladungszone berechnen. Wir erhalten 2єє 0 VD n A /n D ) dn = ( e nA + nD

1/2

2єє 0 VD n D /n A ) dp = ( e nA + nD

1/2

(A10.3.8) .

(A10.3.9)

Für Silizium können wir bei Raumtemperatur eVD ≃ E g = 1.12 eV verwenden. Zusammen mit den angegebenen Konzentrationen der Dotieratome von n A = 2 × 1017 cm−3 und n D = 2 × 1016 cm−3 sowie der elektrischen Feldkonstante є 0 = 8.854 × 10−12 As/Vm und der Per-

10 Halbleiter

183

mittivität von Silizium є Si = 11.7 erhalten wir dann d n = 257 nm d p = 25.7 nm . Für die Berechnung der Kapazität der Raumladungszone benutzen wir die einfache Formel für einen Plattenkondensator. Dass wir dies tun dürfen, ist auf den ersten Blick nicht offensichtlich, da ja die Raumladung über die gesamte Dicke der Verarmungszone verteilt ist. Wir müssen aber berücksichtigen, dass wir zum Messen der Kapazität eine kleine Wechselspannung anlegen müssen, durch die Ladung nur an den Rändern der Verarmungszone hinzugefügt und entfernt wird, so dass die gemessene Kapazität nur durch die Permittivität des Halbleitermaterials, die Kontaktfläche und die Breite der Verarmungszone bestimmt wird. Bei einer Fläche von A = 1 mm2 ergibt sich für die Kapazität der Raumladungszone CR =

є Si є 0 A = 3.66 × 10−10 F . d p + dn

Wir können mit den obigen Werten noch die in der Raumladungszone herrschende elektrische Feldstärke zu E =

VD = 3.96 × 106 V/m = 3.96 × 108 V/cm d p + dn

abschätzen. Wir wollen nun noch diskutieren, wie sich die Kapazität der Raumladungszone bei Anlegen einer Gleichspannung U 0 ändert. Wir haben gesehen, dass im thermischen Gleichgewicht am p-n Übergang eine Verarmungszone mit einer Breite von etwa 300 nm entsteht. Aufgrund der sehr geringen Ladungsträgerdichte in dieser Zone können wir in guter Näherung annehmen, dass im Fall einer angelegten Spannung diese vollkommen über die Verarmungszone abfällt. Das bedeutet, dass sich der Bandverlauf nur in dem Bereich der Raumladungszone ändert. Außerhalb der Raumladungszone verlaufen die Bänder und das Potenzial ϕ(x) horizontal. Die Potenzialänderung über die Raumladungszone erhält mit der angelegten Spannung U 0 den Wert ϕ(∞) − ϕ(−∞) = VD − U 0 .

(A10.3.10)

Die angelegte Spannung U 0 verändert also die Breite der Raumladungszone, da die Größe VD in (A10.3.8) und (A10.3.9) durch VD − U 0 ersetzt werden muss. Wir erhalten d n = d n (U = 0) (1 −

U 0 1/2 ) VD

(A10.3.11)

d p = d p (U = 0) (1 −

U 0 1/2 ) . VD

(A10.3.12)

Wir sehen, dass die Breite der Raumladungszone für positive Spannungen (Durchlassrichtung) abnimmt, während sie für negative Spannungen (Sperrrichtung) zunimmt.

184

10 Halbleiter

Um die Kapazität der Raumladungszone bei einer angelegten Gleichspannung U 0 abzuschätzen, müssen wir wieder überlegen, welche Ladungsmenge durch eine kleine Wechselspannung δU an den Rändern der Verarmungszone hinzugefügt und entfernt wird. Die Ladungsmenge ist gegeben durch δQ R = en D A

d dp d dn ∣ δU + en A A ∣ δU . dU U 0 dU U 0

(A10.3.13)

Hierbei können wir δQ R als diejenige Ladungsmenge betrachten, die durch die Wechselspannung mit Amplitude δU auf einen Plattenkondensator der Fläche A geschoben wird. Wir können dann die spannungsabhängige Kapazität des p-n-Übergangs schreiben als C R (U 0 ) = ∣

dQ R d U 1/2 ) ∣ . (A10.3.14) ∣ = [en D Ad n (0) + en A Ad p (0)] ∣ (1 − dU dU VD U0

Mit den Ausdrücken (A10.3.8) und (A10.3.11) erhalten wir C R (U 0 ) = A (

eєє 0 nA nD ) n A + n D (VD − U 0 )

1/2

.

(A10.3.15)

Wir sehen, dass wir durch Messung der Raumladungskapazität C R als Funktion der angelegten Gleichspannung Informationen über die Konzentrationen der Dotieratome gewinnen können. Für n A ≫ n D erhalten wir 1 1 (VD − U 0 ) 1 = 2 . 2 CR A nD eєє 0

(A10.3.16)

Wir können deshalb 1/C R2 gegen U 0 auftragen und aus der Steigung n D bestimmen. Ferner können wir durch Extrapolation auf U 0 = 0 die Diffusionsspannung VD bestimmen. A10.4

Solarzelle

Wir betrachten eine Silizium-Solarzelle, in deren Raumladungszone 0.01 Ladungsträger pro Sekunde und Si-Atom erzeugt werden. (a) Berechnen Sie den Kurzschlussstrom und die Leerlaufspannung. (b) Berechnen Sie die optimale Arbeitsspannung bei einer Temperatur von 20 ○ C. Lösung

Zur Lösung der Aufgabe verwenden wir die folgenden Materialparameter von Silizium: Dichte ρ = 2336 kg/m3 , Atommasse M Si = 4.662 × 10−26 kg, Atomdichte n Si = ρ/M Si = 5.01 × 1028 m−3 .

10 Halbleiter

185

(a) Zur Berechnung der Kurzschlussstromdichte J L müssen wir eine Annahme über die Dicke d der Raumladungszone machen. Da Si ein indirekter Halbleiter ist, muss die Breite der Raumladungszone typischerweise größer als etwa 100 μm sein, um das einfallende Licht möglichst vollständig zu absorbieren. Wir werden in Folgendem d = 100 μm annehmen. Wir werden ferner zur Vereinfachung annehmen, dass alle erzeugten Ladungsträger eingesammelt werden, dass also keine Rekombinationsverluste auftreten. Mit diesen Annahmen und der angegebenen Ladungsträgererzeugungsrate von r = 0.01 s−1 pro Si-Atom erhalten wir J L = e r n Si d = 1.602 × 10−19 ⋅ 0.01 ⋅ 5.01 × 1028 × 10−4 A/m2 = 8 × 103 A/m2 .

(A10.4.1)

Mit einem AM 1.5 Spektrum, das in etwa die Sonnenbestrahlung in Deutschland wiedergibt, wird in Si-Solarzellen eine theoretisch mögliche Kurzschlussstromdichte von nur 460 A/m2 erzeugt. Für die angegebene Erzeugungsrate von 0.01 Ladungsträgern pro Sekunde und Si-Atom müsste man deshalb eine sehr starke Lichtquelle verwenden. Zur Bestimmung der Leerlaufspannung U oc setzen wir die Gesamtstromdichte J (siehe Strom-Spannungs-Kennlinie in Abb. 10.2) durch die Solarzelle Null J = 0 = J s (e eU oc /k B T − 1) − J L

(A10.4.2)

und erhalten durch Auflösen nach U oc U oc =

kB T kB T JL JL ln ( + 1) ≃ ln ( ) . e Js e Js

(A10.4.3)

Hierbei ist J s die Sättigungsstromdichte, die bei nicht allzu hohen Temperaturen üblicherweise wesentlich kleiner als die durch die Beleuchtung verursachte Kurzschlussstromdichte J L ist. Wir sehen aber, dass bei einer durch die Beleuchtungsstärke vorgegebenen Kurzschlussstromdichte die Kurzschlussspannung durch Erniedrigung der Sättigungsstromdichte erhöht werden kann.

Um

P m = I m Um Is IL

Im

IL

Uoc

Abb. 10.2: Strom-SpannungsKennlinie einer Solarzelle für IL /I s = 1000. Die Leistung P = U ⋅ I ist gestrichelt eingezeichnet. Sie besitzt ein Maximum bei der Spannung U m . Die maximale Leistung der Solarzelle ergibt sich aus der grau eingezeichneten maximalen Fläche Pm = I m ⋅ U m .

186

10 Halbleiter

Die Sättigungsstromdichte Js = (

eD p eD n pn + n p) Lp Ln

(A10.4.4)

ist durch die Minoritätsladungsträgerdichten n p (Elektronen im p-Halbleiter) und p n (Löcher im n-Halbleiter) sowie die zugehörigen Diffusionskonstanten und Diffusionslängen gegeben. Wir benutzen p n n n = n 2i und p p n p = n 2i (Massenwirkungsgesetz) sowie n n ≃ n D und p p ≃ n A , so dass wir Js = ( = (

eD p eD n + ) n 2i L p nD Ln nA eD p eD n kB T 3 + ) 4( ) (m⋆e,DOS m⋆h,DOS )3/2 e−E g /k B T L p nD Ln nA 2πħ 2

= CT γ e−E g /k B T

(A10.4.5)

erhalten. Hierbei ist C eine temperaturunabhängige Materialkonstante und γ ≃ 3, da die Diffusionskonstanten und Diffusionslängen meist nur eine schwache Temperaturabhängigkeit besitzen. Für U oc erhalten wir mit diesem Ausdruck U oc =

Eg kB T [ln J L − ln C − γ ln T + ]. e kB T

(A10.4.6)

Bei Raumtemperatur beträgt k BeT γ ln T = 0.442 V, so dass wir für eine SiliziumSolarzelle (Vg = E g /e = 1.12 V) die Leerlaufspannung U oc ≃ 0.678 V + 0.0258 V(ln J L − ln C) erhalten. Die Leerlaufspannung hängt also auch von der Kurzschlussstromdichte J L ab, die wiederum durch die Beleuchtungsstärke gegeben ist. Wir erwarten eine Zunahme von U oc mit dem Logarithmus der Bestrahlungsstärke. Für Solarzellen auf der Basis von kristallinem Silizium werden Werte bis zu 0.730 V für ein AM 1.5 Spektrum gemessen. Für die Temperaturabhängigkeit der Leerlaufspannung erhalten wir dVg dU oc kB = − γ (1 + ln T) + . (A10.4.7) dT e dT Die Temperaturabhängigkeit der Bandlücke können wir mit der Varshni-Formel E g (T) = E g (0) −

aT 2 T+b

(A10.4.8)

abschätzen (Si: a = 4.73 × 10−4 eV/K, b = 636 K; Ge: a = 4.774 × 10−4 eV/K, b = 235 K, GaAs: a = 5.405 × 10−4 eV/K, b = 204 K). Für Si-Solarzellen erhalten wir bei Raumtemperatur dU oc /dT ≈ −2 mV/K. (b) Um die optimale Arbeitsspannung U m zu bestimmen, betrachten wir die von der Solarzelle abgegebene Leistung P = U I = U I s (e eU/k B T − 1) − U I L

(A10.4.9)

10 Halbleiter

187

und setzen ihre Ableitung gleich Null: eU m eU m /k B T dP − Is − I L . = 0 = I s e eU m /k B T + I s e dU kB T

(A10.4.10)

Daraus ergibt sich eU m IL ) e eU m /k B T = I s (1 + ) kB T Is eU m eU m IL ln (1 + )+ = ln (1 + ) kB T kB T Is IL kB T ⎛ 1 + Is ⎞ Um = . ln m e ⎠ ⎝ 1 + eU kB T

I s (1 +

(A10.4.11)

Verwenden wir den Ausdruck (A10.4.3) für U oc , so können wir dies umschreiben in U m = U oc −

kB T eU m ln ( + 1) . e kB T

(A10.4.12)

Wir sehen, dass die optimale Arbeitsspannung U m um einige k B T/e = 25.8 mV bei T = 300 K unterhalb der Kurzschlussspannung U oc liegt. Ersetzen wir in dem logarithmischen Term U m näherungsweise durch U oc und verwenden U oc ≃ 700 mV, so erhalten wir U m ≃ 610 mV. A10.5

Elektrischer Transport und Wärmetransport in Metallen und Halbleitern

Vergleichen Sie Metalle und Halbleiter hinsichtlich ihrer elektrischen und thermischen Transporteigenschaften: (a) Skizzieren Sie die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands für ein Metall und für einen intrinsischen Halbleiter. Welches sind die charakteristischen Temperaturabhängigkeiten, die Größenordnungen der Absolutwerte und welches sind die physikalischen Ursachen für die unterschiedlichen Beiträge? (b) Diskutieren Sie dasselbe für die thermische Leitfähigkeit von Metallen und Halbleitern bzw. Isolatoren. Lösung

(a) Metall: Bei sehr tiefen Temperaturen wird der spezifische Widerstand ρ in Metallen konstant, da hier die temperaturunabhängige Streuung der Ladungsträger an Verunreinigungen dominiert. Mit ansteigender Temperatur wird dann die Streuung an Phononen wichtig. Für T < Θ D gilt ρ = const + T α mit α im Bereich zwischen 2 und 5. Bei hohen Temperaturen gilt ρ ∝ T, weil die Zahl der Phononen und damit die Elektron-PhononStreuung proportional zu T zunimmt. Typische Werte des spezifischen Widerstands von „guten“ Metallen liegen bei Raumtemperatur im Bereich weniger μΩ cm. Halbleiter: Für die meisten Halbleiter ist die Energielücke E g groß gegen k B T. Für undotierte Halbleiter ist deshalb die Ladungsträgerdichte n i ∝ e−E g /2k B T . Diese starke

188

10 Halbleiter

Temperaturabhängigkeit der Ladungsträgerdichte dominiert die Temperaturabhängigkeit des spezifischen Widerstands ρ = 1/σ = 1/n i e μ ∝ e2E g /k B T . Die Temperaturabhängigkeit der Beweglichkeit μ kann meist vernachlässigt werden. Sie wird aber bei dotierten Halbleitern wichtig, wo die Ladungsträgerdichte in einem weiten Temperaturbereich konstant ist (vergleiche hierzu Aufgabe A10.1 und A10.2). Der spezifische Widerstand von intrinsischen Halbleitern liegt bei Raumtemperatur typischerweise oberhalb von 1 Ω cm. (b) Metall: Das Wiedemann-Franz-Gesetz, κ = L ⋅ σ T (L = Lorenz-Zahl), sagt eine lineare Temperaturabhängigkeit der thermischen Leitfähigkeit bei tiefen Temperaturen voraus, da hier σ = 1/ρ = const. Oberhalb von Θ D ist σ = 1/ρ ∝ 1/T und damit κ konstant. Der Anteil der Phononen an der thermischen Leitfähigkeit kann bei Metallen üblicherweise wegen der starken Streuung der Phononen an den Elektronen vernachlässigt werden. Die maximale Wärmeleitfähigkeit von reinen Metallen liegt im Bereich 100 bis 1000 W/mK. Halbleiter/Isolator: Die thermische Leitfähigkeit von Halbleitern oder Isolatoren wird aufgrund der geringen Ladungsträgerdichte durch die Phononen dominiert. Bei hohen Temperaturen (T ≫ Θ D ) ist κ ∝ 1/T, weil die mittlere freie Weglänge der Phononen aufgrund der mit steigender Temperatur zunehmenden Phonon-Phonon-Streuung abnimmt. Bei sehr tiefen Temperaturen wird die mittlere freie Weglänge konstant (Streuung an Verunreinigungen oder an Probenoberfläche dominiert). Die Wärmeleitfähigkeit variiert in diesem Temperaturbereich proportional zu T 3 , da die Anzahl der Phononen proportional zu T 3 mit steigender Temperatur zunimmt. Hochreine Halbleiter und Isolatoren können Wärmeleitfähigkeiten oberhalb von 1000 W/mK besitzen, also ähnliche Werte wie die besten Metalle. Allerdings basiert bei Metallen die Wärmeleitfähigkeit auf dem Elektronensystem, bei Halbleitern und Isolatoren dagegen auf dem Phononensystem.

A10.6

Quantentrog in AlAs-GaAs-Heterostruktur

An der Grenzfläche der in der Abb. 10.3 gezeigten Struktur lässt sich mittels einer angelegten Spannung U > 0 eine hochleitfähige zweidimensionale Elektronenschicht aufbauen. Das elektrische Feld in der GaAs-Schicht an der Grenzfläche zum AlAs sei E 0 = 2 × 105 V/cm und die Dichte der Elektronen sei n 2D = 1 × 1012 cm−2 .

(a) Berechnen Sie die Energiezustände der Elektronen in dem dreieckförmigen Potenzialtopf ⎧ ⎪ für x ≤ 0 ⎪∞ V (x) = ⎨ . ⎪ eE x für x > 0 ⎪ 0 ⎩ Das in Abb. 10.3 gezeigte endliche Grenzflächenpotenzial AlAs-GaAs wird zur Vereinfachung als unendlich hoch angenommen. (b) Berechnen Sie die Fermi-Energie des zweidimensionalen Elektronengases, das sich im Potenzialtopf bildet.

10 Halbleiter

189 zweidimensionales Elektronengas

H

V(x) = eE0x Ec

AlAs

M 0

GaAs

Eg = 1.43 eV

μ Ev

Ug > 0 Eg = 2.14 eV

μ

0

x

dp

Abb. 10.3: Verlauf des Leitungs- und Valenzbandes in einer AlAs/GaAsHeterostruktur mit metallischer GateElektrode. An die Gate-Elektrode ist eine Spannung U g > 0 angelegt, was einer Absenkung der potentiellen Energie der Elektronen (−e)U g entspricht.

(c) Wie beeinflussen die Elektronen das Potenzial und welche Auswirkungen hat dies für die Eigenenergien?

Lösung

(a) Die Schrödinger-Gleichung für unser Problem lautet: [−

ħ2 d 2 + eE 0 x] Ψ = є n Ψ . 2m⋆ dx 2

(A10.6.1)

Durch Umformen erhalten wir d2Ψ 2m⋆ eE 0 2m⋆ є n − [ x − ] Ψ = 0. dx 2 ħ2 ħ2 Mit den Abkürzungen a =

2m ⋆ eE 0 ħ2

(A10.6.2) ⋆

und b n = − 2mħ 2 є n wird daraus

d2Ψ − (ax + b n ) Ψ = 0 . dx 2

(A10.6.3)

Man beachte, dass für die Einheiten von a und b n gilt: [a] = m−3 und [b n ] = m−2 . Wir substituieren nun ξ x ax + b n d2 dx 2

= a 1/3 x + a −2/3 b n = a −1/3 ξ − a −1 b n = a 2/3 ξ d2 = a 2/3 2 dξ

(A10.6.4)

und erhalten a 2/3

d 2 Ψ(ξ) − a 2/3 ξΨ(ξ) = 0 . d ξ2

(A10.6.5)

190

10 Halbleiter

Wir können also Gleichung (A10.6.2) umschreiben in ∂ 2 Ψ(ξ) − ξΨ(ξ) = 0 . ∂ξ 2

(A10.6.6)

Die allgemeine Lösung dieser Gleichung lautet Ψ(ξ) = C 1 Ai(ξ) + C 2 Bi(ξ) .

(A10.6.7)

Hierbei sind Ai und Bi die Airy-Funktionen (siehe hierzu Abb. 10.4), die auf den englischen Mathematiker und Astronomen George Bidell Airy (1801–1892) zurückgehen, C 1 und C 2 sind Integrationskonstanten. Die Definitionen für Ai und Bi lauten ∞

1 t3 Ai(ξ) = ∫ dt cos ( + ξt) π 3

(A10.6.8)

0



t3 1 t3 Bi(ξ) = ∫ dt [exp (− + ξt) + sin ( + ξt)] . π 3 3

(A10.6.9)

0

Die Funktion Bi(ξ) ist für große ξ divergent und somit unphysikalisch. Damit erhalten wir Ψ(ξ) = C 1 Ai(ξ) = C 1 Ai(a 1/3 x + a −2/3 b n ) .

(A10.6.10)

Da das Grenzflächenpotenzial AlAs-GaAs als unendlich hoch angenommen wird, muss Ψ(x = 0) = 0 gelten. Die Eigenwerte der Energie є n sind damit durch die Nullstellen (Knoten) der Airy-Funktionen gegeben: x = a −1/3 ξ − a −1 b n = 0 єn ≡ −c n . ξ = a −2/3 b n = − 1/3 2 ħ 2 2 ( 2m ⋆ e E0 ) Ai(x) Bi(x)

Abb. 10.4: Die AiryFunktionen Ai und Bi.

(A10.6.11)

10 Halbleiter

191

Wir erkennen, dass die Nullstellen der Airy-Funktion auf der negativen reellen Achse bei ξ = −c n der Quantisierungsbedingung єn = cn ⋅ (

ħ 2 e 2 E 02 ) 2m⋆

1/3

(A10.6.12)

entsprechen. Die ersten Nullstellen der Airy-Funktion Ai(ξ = −c n ) lauten c1 c2 c3 c4 c5

= = = = = ⋮

2.33811 4.08795 5.52056 6.78671 7.94413

Für große n lassen sich die Nullstellen in der asymptotischen Form c n = t n (1 + tn = [

5 1 + . . .) 48 t n3

3π 1 2/3 (n − )] 2 4

darstellen. Eine einfachere Abschätzung der Eigenenergien können wir mit Hilfe der JWKBNäherung (nach Harold Jeffreys, 1923 sowie Wentzel, Kramers und Brillouin, 1916) für die Schrödinger-Gleichung1 ħ 2 d 2 Ψ(x) = [є n − V (x)] Ψ(x) (A10.6.13) 2m⋆ dx 2 unter Benutzung der Bohr-Sommerfeld-Quantisierung vornehmen. Zur Erinnerung sei hier angemerkt, dass die WKB-Näherung von dem Ansatz −

Ψ(x) = aeı S(x)/ħ

(A10.6.14)

ausgeht, in dem S(x) ein skalares Wirkungsfeld darstellt. Einsetzen in die SchrödingerGleichung liefert S ′ (x) − ıħS ′′(x) = є n − V(x) . 2m⋆ 2

(A10.6.15)

Hier bedeutet S ′ = dS(x)/dx und S ′′ = d 2 S(x)/dx 2 . Setzen wir für S(x) folgende Entwicklung nach Potenzen in der Planckschen Konstante ħ an S(x) = S 0 (x) +

1

ħ ħ 2 ħ 3 S 1 (x) + ( ) S 2 (x) + ( ) S 3 (x) + . . . , ı ı ı

(A10.6.16)

siehe hierzu zum Beispiel Quantenmechanik, L. D. Landau, E. M. Lifschitz, Band III, AkademieVerlag Berlin, (1979), Seite 159 ff.

192

10 Halbleiter

so erhalten wir in führender Ordnung S 0′ (x) − ıħ [S 0′′(x) + 2S 0′ (x)S 1′ (x)] = є n − V (x) 2m⋆ 2

mit S 0′ (x) =

(A10.6.17)

√ 2m⋆ [є n − V (x)] ≡ p(x)

S 0 (x) = ∫ dx p(x) S 0′′ (x) p′ (x) = − 2S 0′ (x) 2p(x) 1 S 1 (x) = − ln p(x) . (A10.6.18) 2 Damit lautet die Wellenfunktion in führender Ordnung der quasi-klassischen Näherung S 1′ (x) = −

Ψ(x) = √

C1

ı

p(x)

eħ ∫

+√

d x p(x)

C2 p(x)

e− ħ ∫ ı

d x p(x)

.

(A10.6.19)

Mit є n = eE 0 x n können wir dann die Bohr-Sommerfeld-Quantisierung in der folgenden Form schreiben2 xn

xn

√ ⋆ ∮ p ⋅ dr = 2 ∫ dx p(x) = 2 ∫ dx 2m [є n − V (x)] = (n + γ)2πħ 0 xn



π(n + γ) = ∫ dx 0

0

2m⋆ ħ2

[є n − eE 0 x] .

(A10.6.20)

Der Phasenfaktor γ beschreibt die quantenmechanische Nullpunktsbewegung und es gilt γ = 1/2 für das Oszillatorpotenzial V(x) = mω 2 x 2 /2 und γ = −1/4 für das lineare Potenzial V (x) = eE 0 x. Setzen wir [vergleiche (A10.6.12)] єn =

c nWKB

ħ 2 e 2 E 02 ⋅( ) 2m⋆

1/3

,

(A10.6.21)

so erhalten wir xn

π(n + γ) = ∫ dx



xn

a 2/3 c nWKB − ax = a 1/3 ∫ dx

0



c nWKB − a 1/3 x .

(A10.6.22)

0

Unter Benutzung von √ 2 (αx + β)3/2 ∫ dx αx + β = 3α

2

siehe hierzu zum Beispiel The Physics of Low Dimensional Semiconductors, J. H. Davies, Cambridge University Press, Cambridge (1998).

10 Halbleiter

193

ergibt sich π(n + γ) = a =

⎧ ⎪ ⎪ ⎪ 2 ⎨ 1/3 ⎪ 3a ⎪ ⎪ ⎪ ⎩

1/3 ⎪

⎡ ⎤⎫ ⎢ ⎥⎪ ⎪ ⎢ WKB 3/2 3/2 ⎥⎪ ⎪ WKB 1/3 ⎢(c ⎥ (c ) ) − − a x n n ⎢ n ⎥⎬ ⎪ ⎢ ⎥ ⎪ .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1⎥⎪ ⎢ ⎭ =0 ⎣ ⎦⎪

2 WKB 3/2 ) (c 3 n

(A10.6.23)

bzw. c nWKB = [

2/3 3π ≡ tn (n + γ)] 2

(A10.6.24)

Mit der Identifikation γ = −1/4 haben wir somit gezeigt, dass die Bohr-SommerfeldQuantisierung auf c nWKB ≡ t n = [

3π 1 2/3 (n − )] 2 4

(A10.6.25)

führt und somit der Näherung für die Nullstellen der Airy-Funktion Ai(ξ = −c n ) = 0 für große n entspricht. Die niedrigsten Werte für die genäherten Nullstellen c nWKB lauten: c 1WKB c 2WKB c 3WKB c 4WKB c 5WKB

= = = = = ⋮

2.32025 (0.766%) 4.08181 (0.150%) 5.51716 (0.061%) 6.78445 (0.032%) 7.94248 (0.020%) .

In Klammern ist jeweils der relative Fehler (c n − c nWKB )/c n angegeben. Wir erkennen, dass die WKB-Näherung eine relative Genauigkeit im Sub-Prozentbereich liefert. Für n = 1 und n = 2 erhalten wir aus (A10.6.12) die Werte є 1 = 0.1434 eV und є 2 = 0.2504 eV. (b) Mit der Dichte (L/2π)2 der Zustände im zweidimensionalen k-Raum und der Fläche πk F2 des Fermi-Kreises erhalten wir unter Berücksichtigung der Spin-Entartung 2(

L 2 ) πk F2 = N 2π

(A10.6.26)

H H2 = 0.25eV

μ

H1 = 0.14eV 0

HF k

Abb. 10.5: Energieparabeln der 2D-Subbänder. Da das Fermi-Niveau nur 0.0342 eV über dem Grundzustandsniveau є 1 = 0.14 eV liegt, ist nur ein Subband besetzt.

194

10 Halbleiter

z E(0)

y

E(x)

Abb. 10.6: Zur Ableitung der Form des Potenzials unter Berücksichtigung der Existenz von Raumladungen.

und damit kF =



√ 2πN = 2πn 2D . 2 L

0

Fläche A

x0

x

(A10.6.27)

Hieraus erhalten wir die Fermi-Energie єF =

ħ 2 k F2 πn 2D ħ 2 = . 2m⋆ m⋆

(A10.6.28)

Mit n 2D = 1012 cm−3 und m⋆ = 0.07 m erhalten wir є F = 0.0342 eV. Das Fermi-Niveau liegt also um 0.0342 eV über dem Grundzustandsniveau є 1 = 0.14 eV. Da der nächst höhere Zustand bei є 2 = 0.25 eV liegt, ist nur ein 2D-Subband besetzt (siehe hierzu Abb. 10.5). (c) Für die Bestimmung der Eigenenergien є n müssen wir die exakte Form des Potenzials V(x) kennen. Bei Halbleitern muss dabei die Existenz von Raumladungen berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass V (x) von der Dichte der freien Elektronen und der ionisierten Dotieratome abhängt und deshalb die Wahrscheinlichkeitsdichte ∣Ψ(x)∣2 in das Potenzial über die Elektronendichte eingeht. Wir müssen deshalb ein selbstkonsistentes Lösungsverfahren wählen. In einfachster Näherung sind wir oben von einem reinen Dreieckspotenzial ausgegangen. Wir wollen jetzt noch den Einfluss der Elektronendichte auf das Potenzial in einem Korrekturschritt erster Ordnung berücksichtigen. Wir können das durch die Elektronen selbst erzeugte elektrische Feld mit Hilfe des Gaußschen Theorems bestimmen. Hierzu starten wir mit der Poisson-Gleichung −△ϕ(r) =

ρ(r) , єє 0

(A10.6.29)

die uns den Zusammenhang zwischen einer Ladungsdichte ρ und dem resultierenden elektrostatischen Potenzial ϕ angibt. Mit △ = ∇ ⋅ ∇ und E = −∇ ϕ erhalten wir folgende Gleichung ∫ ∇ ⋅ E dV = ∫ V

V

ρ(r) dV . єє 0

(A10.6.30)

Wir können nun den Gaußschen Satz verwenden und das Integral auf der linken Seite in ein Oberflächenintegral umwandeln. Da wir in unserem eindimensionalen Problem E∥x haben, müssen wir nur die Flächen senkrecht zur x-Richtung bei x = 0 und x = x 0 berücksichtigen (siehe hierzu Abb. 10.6). Die Ladungsdichte können wir schreiben als e∣Ψ∣2 n 2D , wobei n 2D die Ladungsdichte senkrecht zur x-Richtung angibt, und das

10 Halbleiter

195

V

V(x) = eE0x Vgesamt

0

x0

Abb. 10.7: Verlauf des exakten Potenzials V (x) im Vergleich zu einem reinen dreieckförmigen Potenzialtopf V (x) = eE0 x.

x

Volumenelement als dV = Adx. Damit erhalten wir x0

∮ E ⋅ dA = ∫ 0

A

x0

E(x 0 )A − E(0)A = ∫ 0

e∣Ψ(x)∣2 n 2D A dx єє 0 e∣Ψ(x)∣2 n 2D A dx . єє 0

(A10.6.31)

Mit E(x 0 ) = −E(0) erhalten wir x0

E(x 0 ) =

en 2D 2 ∫ ∣Ψ(x)∣ dx . 2єє 0

(A10.6.32)

0

Der resultierende Verlauf des Potenzials ist in Abb. 10.7 schematisch dargestellt. A10.7

Quantum Confinement und Halbleiter-Laser

Der III-V-Halbleiter GaAs besitzt eine Energielücke von 1.43 eV. Sie wollen mit diesem Material mittels Quantum Confinement einen Laser herstellen, dessen Emission im roten Spektralbereich bei 1.62 eV liegt. Nehmen Sie an, dass das Quantum Confinement in z-Richtung durch zwei unendlich hohe Potenzialbarrieren mit Abstand L erfolgt und es sich bei dem Laser-Übergang um einen elektronischen Übergang aus einem Elektronenzustand im Leitungsband (m⋆e = 0.07 m) in einen schweren Lochzustand (m⋆hh = 0.68 m) im Valenzband handelt. Wie groß muss die Breite L des Quantentopfs sein? Lösung

Wir betrachten einen Potenzialtopf der Breite L in z-Richtung mit unendlich hohen Wänden. Die erlaubten Wellenzahlen sind kz = n

π L

n = 1, 2, 3, . . . .

(A10.7.1)

Damit erhalten wir die Confinement-Energie für den Elektronenzustand e = є z,1

ħ2 π 2 ( ) 2m⋆e L

(A10.7.2)

196

10 Halbleiter

und äquivalent für den Lochzustand hh є z,1 = −

ħ2 π 2 ( ) ⋆ 2m hh L

(A10.7.3)

Der energetische Abstand zwischen den beiden Zuständen ergibt sich somit zu Δє = E g +

ħ2 π 2 ħ2 π 2 ( + ( ) ) . 2m⋆e L 2m⋆hh L

(A10.7.4)

Lösen wir diese Gleichung nach L auf, so erhalten wir L2 = π 2 = π2

m⋆e + m⋆hh ħ2 2m⋆e m⋆hh Δє − E g ħ2 0.07 + 0.68 . 2m ⋅ 0.07 ⋅ 0.68 Δє − E g

(A10.7.5)

Mit Δє − E g = 0.19 eV erhalten wir L = 5.70 nm. Bei einer Gitterkonstante a = 5.6 Å von GaAs entspricht dies gerade einer Potenzialtopfbreite von etwa 10 Gitterkonstanten. A10.8

MOSFET

Ein n-Kanal MOSFET auf einem p-Typ Silizium-Wafer (siehe Abb. 10.8) soll eine Oxidschichtdicke von d = 12 nm besitzen. Die Dotierung des p-Siliziums sei homogen und habe den Wert 2 × 1016 cm−3 . Die Bandlücke beträgt E g = 1.15 eV, die Dielektrizitätskonstanten von Si und SiO2 sind є = 11.9 und 4, die longitudinale und transversale effektive Masse der Elektronenzustände im Leitungsband beträgt m el = 0.19m und m et = 0.98m, diejenige der schweren und leichten Löcher im Valenzband m hh = 0.54m und m l h = 0.15m.

M

SiO2

H

pͲSi

Ec Ei

f(z)

μ Ev

Ug > 0

Abb. 10.8: Verlauf des Leitungs- und Valenzbandes in einem MOSFET. An die metallische Gate-Elektrode ist eine Spannung U g > 0 angelegt, was einer Absenkung der potentiellen Energie der Elektronen um (−e)U g entspricht.

μ

d 0

dp

z

10 Halbleiter

197

(a) Berechnen Sie die Gate-Spannung U g , die notwendig ist, um die Leitungsbandkante an der Grenzfläche Si/SiO2 auf die Höhe des chemischen Potenzials μ zu bringen. (b) Berechnen Sie die elektrische Feldstärke an der Si/SiO2 -Grenzfläche und die Breite d p der Raumladungszone im p-Silizium?

Lösung

Wir betrachten die in der Abbildung gezeigte ideale MOSFET-Struktur. (a) Wir berechnen zunächst die Ladungsträgerkonzentration für die leichten und schweren Löcher in p-Silizium. Es gilt k B T 3/2 3/2 3/2 ) (m⋆hh + m⋆l h ) . (A10.8.1) 2πħ 2 = 0.15m erhalten wir die mittlere Lochmasse zu

eff eff peff v = p v,hh + p v,l h = 2 ⋅ (

Mit m hh = 0.54m und m l h m⋆h = (m⋆hh

3/2

+ m⋆l h

3/2 2/3

)

≃ 0.59 m .

(A10.8.2)

Mit dieser effektiven Masse können wir nun die Akzeptor-Energie E A,n =

m⋆h e 4 1 2(4πєє 0 ħ)2 n 2

(A10.8.3)

berechnen. Für n = 1 und є = 11.9 erhalten wir E A,1 = 56.6 meV. Wir wollen im Folgenden zur Vereinfachung annehmen, dass alle Akzeptoren ionisiert sind und wir somit pv = n A = 2 × 1016 cm−3 setzen können, obwohl dies bei Raumtemperatur nur eine grobe Näherung ist. Wir können nun das Massenwirkungsgesetz n c ⋅ pv = 4 (

m⋆e k B T 3/2 m⋆h k B T ) ( ) 2πħ 2 2πħ 2

3/2 eff −E g /k B T e−E g /k B T = n eff c pv e

(A10.8.4)

benutzen, um die Elektronenkonzentration n c im Leitungsband zu berechnen. Mit den longitudinalen und transversalen effektiven Massen m el = 0.19m und m et = 0.98m erhalten wir die mittlere Elektronenmasse zu 2 1/3

m⋆e = (m⋆el ⋅ m⋆et )

≃ 0.57 m .

(A10.8.5)

Damit erhalten wir m⋆e k B T 3/2 ) . (A10.8.6) 2πħ 2 Hierbei berücksichtigt der Faktor p = 6 die Entartung der sechs Leitungsbandtäler (Valley-Entartung) in Si. Wir erhalten damit unter Benutzung der Näherung pv ≃ n A aus (A10.8.4) n eff c = 2⋅p⋅(

nc = 4 ⋅ p ⋅

(

m ⋆e k B T 3/2 ) 2πħ 2

(

nA

m ⋆h k B T 3/2 ) 2πħ 2

e−E g /k B T .

(A10.8.7)

198

10 Halbleiter

Setzen wir die Werte für die mittleren effektiven Massen, die Bandlücke und n A = 2 × 1016 cm−3 ein, so erhalten wir für 300 K n c ≃ 1.6 × 104 cm−3 ≪ pv .

(A10.8.8)

−(E c −μ)/k B T n c = n eff c e

(A10.8.9)

Mit

können wir die Lage des Fermi-Niveaus bestimmen zu nc μ = E c + k B T ln eff . nc

(A10.8.10)

Äquivalent können wir −(μ−E v )/k B T pv = peff v e

(A10.8.11)

benutzen und erhalten μ = Ev − k B T ln

pv . peff v

(A10.8.12)

Verwenden wir Ev = 0 als Energienullpunkt, so ist E c = E g und wir erhalten nc (A10.8.13) μ = E g + k B T ln eff ≃ 0.282 eV nc Um die Leitungsbandkante an der Grenzfläche SiO2 /Si auf die Höhe des chemischen Potenzials zu bringen, müssen wir durch die angelegte Spannung U th eine Potenzialdifferenz (E g − μ)/e ≃ 0.87 V erzeugen. Bei tiefer Temperatur stimmt diese Spannung, die wir unten noch berechnen, mit der Schwellenspannung des MOSFETs überein. (b) Zur Berechnung der Raumladungszone verwenden wir die Poisson-Gleichung −∇2 ϕ = −

∂ 2 ϕ(z) ρ(z) = . ∂z 2 єє 0

(A10.8.14)

Hierbei ist ρ(z) = e [n+D (z) − n−A (z) − n c (z) + pv (z)] .

(A10.8.15)

Die Neutralisationsbedingung für z = ∞ lautet n+D − n−A = n c − pv ≃ −n−A .

(A10.8.16)

Für die Ladungsträgerdichte als Funktion des Makropotenzials ϕ(z) können wir schreiben: n c (z) = n eff c exp (−

E c − eϕ(z) − μ eϕ(z) ) = n c (0) exp (+ ) kB T kB T

pv (z) = peff v exp (−

μ − Ev + eϕ(z) eϕ(z) ) = pv (0) exp (− ) . (A10.8.18) kB T kB T

(A10.8.17)

10 Halbleiter

199

Setzen wir diese Ausdrücke zusammen mit n+D − n−A = n c (0) − pv (0) und der Näherung pv (0) = n A in die Poisson-Gleichung ein, so erhalten wir −

e eϕ(z) eϕ(z) ∂ 2 ϕ(z) = {pv (0) [exp (− ) − 1] − n c (0) [exp (+ ) − 1]} ∂z 2 єє 0 kB T kB T e e [−pv (0)] ≃ [−n A ] . (A10.8.19) ≃ єє 0 єє 0

Hierbei haben wir angenommen, dass exp (−eϕ(z)/k B T) ≪ 1 und dass ferner n c (0) exp (+eϕ(z)/k B T) ≪ pv . Letztere Annahme ist nur dann gültig, solange ϕ(z) < E c − μ. Nur unter dieser Bedingung erhalten wir die einfache Näherung aus (A10.8.19). Ansonsten müssen wir den Exponentialterm mitnehmen, wodurch die nachfolgende Integration etwas schwieriger wird. Dies soll hier aber nicht getan werden. Wir erhalten also als Näherung für den Verarmungsfall (wenn wir wieder annehmen, dass alle Akzeptoren ionisiert sind) ⎧ en A ∂ 2 ϕ(z) ⎪ ⎪+ єє 0 für 0 < z < d p ⎨ = . (A10.8.20) 2 ⎪ ∂z für z ≥ d p ⎪ ⎩0 Integrieren wir dies auf, so erhalten wir ∂ϕ(z) en A (d p − z) = −E(z) = − ∂z єє 0 en A (d p − z)2 ϕ(z) = . єє 0 2

(A10.8.21) (A10.8.22)

Für z = 0 erhalten wir, wenn wir mit der angelegten Spannung die Leitungsbandkante auf die Höhe des chemischen Potenzials gebracht haben (der Energienullpunkt ist hierbei zu Ev = 0 gewählt, so dass E c = E g ) eϕ(z = 0) =

e 2 n A d 2p 2єє 0

= E g − μ = 0.87 eV .

(A10.8.23)

Lösen wir diese Gleichung nach d p auf, so erhalten wir für die Breite der Verarmungszone √ 2єє 0 (E g − μ) = 238 nm . (A10.8.24) dp = e 2 nA Für die Feldstärke an der Grenzfläche erhalten wir en A d p = 7.29 × 104 V/cm . E(0) = єє 0

(A10.8.25)

Die Spannung, die wir an die Gate-Elektrode anlegen müssen, ist gegeben durch U g = U i + ϕ(0) ,

(A10.8.26)

wobei U i die über dem Isolator abfallende Spannung ist. Aus der Neutralitätsbedingung Q M = Q S , wobei Q M die Flächenladung auf der Metall- und Q S die Flächenladung auf der Halbleiterseite ist, und unter Benutzung von Q S = Q/A = є 0 є Si ϕ(0)/d p = є 0 є Si E(0)

200

10 Halbleiter

[hierbei benutzen wir die Näherung (−∂ϕ/∂z)z=0 ≃ ϕ(0)/d p = E(0)] erhalten wir U i = E i d SiO2 =

∣Q S ∣ є 0 є Si E(0) є Si d SiO2 = d SiO2 = E(0)d SiO2 є 0 є SiO2 є 0 є SiO2 є SiO2

(A10.8.27)

und schließlich U g = E(0)d SiO2

є Si + ϕ(0) = 0.26 V + 0.87 V = 1.13 V . є SiO2

(A10.8.28)

11 A11.1

Dielektrische Eigenschaften Polarisierbarkeit von atomarem Wasserstoff

Betrachten Sie ein Wasserstoffatom in einem äußeren elektrischen Feld, das senkrecht zur Bahnebene steht (semiklassische Betrachtungsweise). Zeigen Sie, dass in diesem Fall für die elektronische Polarisierbarkeit des Wasserstoffatoms α el = 4πa 03 gilt, wobei a 0 der Radius der ungestörten Bahn ist. Nehmen Sie an, dass das angelegte Feld in x-Richtung zeigt und die Bahnebene in der yz-Ebene liegt. Die Auslenkung x soll außerdem klein gegenüber a 0 sein. Anmerkung: Die x-Komponente des Kernfeldes an der ausgelenkten Position der Elektronenbahn muss gleich dem angelegten Feld sein. Lösung

Eine Ladung erfährt im elektrischen Feld Eext die Kraft F = qEext . Zwei Ladungen üben aufeinander die Kraft F =

1 q1 q2 ⋅̂ r 4πє 0 r 2

(A11.1.1)

aus. Hierbei ist ̂ r der Einheitsvektor in Richtung von r. Wir nehmen nun an, dass sich das Proton mit Ladung q 1 = e (siehe Abb. 11.1) im Ursprung befindet. Durch das in x-Richtung angelegte elektrische Feld E xext entsteht auf das Proton in x-Richtung die Kraft +eE xext und auf das Elektron die Kraft −eE xext . Dadurch werden der negative und der positive Ladungsschwerpunkt des Atoms in x-Richtung gegeneinander verschoben. Um die Gleichgewichtsverschiebung x zu bestimmen, müssen wir die Kraft aufgrund des angelegten Feldes der rücktreibenden Kraft aufgrund der Anziehung der beiden Ladungen gleichsetzen. Für die x-Komponente erhalten wir, wenn wir annehmen dass sich das Proton im Ursprung befindet eE xext =

1 e2 x . 4πє 0 r 2 r

(A11.1.2)

Damit erhalten wir das elektrische Dipolmoment pelx = ex = E xext 4πє 0 r 3

(A11.1.3)

202

11 Dielektrische Eigenschaften z -eEext

y

eEext

x

Abb. 11.1: Zur Ableitung der elektronischen Polarisierbarkeit des Wasserstoffatoms.

und für das elektrische Feld E xext =

1 ex 1 pelx = . 3 4πє 0 r 4πє 0 r 3

(A11.1.4)

Das elektrische Dipolmoment weist in positive x-Richtung (wir können uns entweder die Ladung −e in negativer x-Richtung oder die Ladung +e in positiver x-Richtung verschoben denken). Da x ≪ a 0 sein soll, können wir benutzen, dass 3

3

3

r 3 = [x 2 + y 2 + z 2 ] 2 ≈ [y 2 + z 2 ] 2 = [a 02 ] 2 = a 03 gilt und wir erhalten pelx = ex = E xext 4πє 0 a 03 .

(A11.1.5)

Das Dipolmoment ist definiert als pel = є 0 α el E ,

(A11.1.6)

wobei α el die elektronische Polarisierbarkeit ist. Vergleichen wir diese Definition mit (A11.1.5), so erhalten wir α el =

pelx = 4π a 03 . є 0 E xext

(A11.1.7)

Wichtig ist, dass die Polarisierbarkeit α el eines Atoms über das lokale, am Ort des Atoms wirkende elektrische Feld E lok definiert wird. In dieser Aufgabe ist das lokale Feld natürlich gleich dem äußeren Feld, da wir nur ein einzelnes Atom betrachtet haben und die Wirkung der Dipolfelder benachbarter Atome dann nicht berücksichtigen müssen.

11 Dielektrische Eigenschaften

203

Hinweis: Für die Umrechnung in CGS-Einheiten benutzt man α SI = 4πα CGS , woraus sich α CGS = a 03 ergibt. A11.2

Makroskopisches elektrisches Feld

Wird ein ellipsoidförmiger dielektrischer Festkörper in ein homogenes elektrisches Feld Eext gebracht, so wird dieser homogen polarisiert und wir erhalten im Innern des Festkörpers ein makroskopisches elektrisches Feld der Stärke Emak = Eext + E N mit dem Depolarisationsfeld E N = −NP/є 0 . Die Größe N ist dabei der Depolarisationsfaktor der Probe, der im allgemeinsten Fall einen Tensor 2. Stufe darstellt, und P die in der Probe vorliegende homogene Polarisation. (a) Zwischen den Hauptkomponenten des Depolarisationstensors besteht die Beziehung N xx + N y y + N zz = 1. Welche Werte müssen die Hauptkomponenten für einen langen Stab, eine Kugel und eine dünne Scheibe annehmen? (b) Leiten Sie einen Ausdruck für das in der Probe herrschende makroskopische elektrische Feld Emak her. (c) Welcher Zusammenhang besteht in diesem Fall zwischen der dielektrischen Verschiebungsdichte D und dem extern angelegten elektrischen Feld Eext ? (d) Berechnen Sie das Verhältnis E mak /E ext für einen Festkörper mit einer Dielektrizitätskonstante von є = 2.5, wenn dieser die Form eines langen Stabes, einer Kugel oder einer dünnen Scheibe besitzt. Das externe elektrische Feld soll dabei parallel zum Stab bzw. senkrecht zur Scheibe angelegt sein. Lösung

(a) Für eine Kugel müssen aus Symmetriegründen die drei Hauptkomponente des Depolarisationstensors gleich sein (eine homogene Kugel vorausgesetzt). Es gilt dann N xx = N y y = N zz = 1/3. Für einen Stab, dessen Länge als unendlich angenommen wird, tritt in dessen Längsrichtung keine Depolarisation auf. Falls die Längsrichtung die z-Richtung ist, gilt N zz = 0. Aufgrund der Zylindersymmetrie in der x y-Ebene müssen die beiden verbleibenden Komponenten wiederum gleich sein, d. h. es gilt N xx = N y y = 1/2. Für eine in der x yEbene unendlich ausgedehnte Scheibe tritt innerhalb der Ebene keine Depolarisation auf. Das heißt, es gilt N xx = N y y = 0. Damit muss für die dritte Hauptkomponente N zz = 1 gelten. Reale Proben besitzen immer endliche Abmessungen, weshalb die für den Stab und die Scheibe ermittelten Werte nur Näherungen darstellen. (b) Wir gehen von einem linearen Zusammenhang P = є 0 χEmak zwischen Polarisation und makroskopischem elektrischem Feld aus. Es gilt dann: Emak = Eext + E N = Eext − N

P = Eext − N χEmak . є0

(A11.2.1)

204

11 Dielektrische Eigenschaften

Lösen wir nach Emak auf, so erhalten wir Emak =

Eext Eext Eext = = . 1 + N χ 1 + N(є − 1) 1 − N + Nє

(A11.2.2)

Das heißt, das makroskopische elektrische Feld im Innern eines Festkörpers hängt linear von der Stärke des externen Feldes ab. Da 0 ≤ N ≤ 1 und χ stets positiv ist, können wir folgern, dass die Stärke des makroskopischen Feldes im Dielektrikum stets kleiner oder gleich der Stärke des externen Feldes ist. (c) Der allgemeine Zusammenhang zwischen der dielektrischen Verschiebungsdichte D und dem makroskopischen elektrischen Feld Emak lautet D = є 0 Emak + P .

(A11.2.3)

Mit P = є 0 χEmak folgt daraus D = є 0 Emak + є 0 χEmak = (1 + χ)є 0 Emak = єє 0 Emak .

(A11.2.4)

Setzen wir jetzt noch (A11.2.2) ein, so erhalten wir D = (1 + χ)є 0 Emak =

1+ χ є 0 Eext . 1+ Nχ

(A11.2.5)

(d) Für einen Festkörper mit є = 2.5 erhalten wir die elektrische Suszeptibilität zu χ = є − 1 = 1.5. Für einen langen Stab beträgt für die Feldrichtung parallel zum Stab der Depolarisationsfaktor N = 0 und damit nach (A11.2.2) Emak = Eext . Das heißt, das elektrische Feld im Innern des Stabes stimmt mit dem von außen angelegten Feld überein. Bei einer dünnen Scheibe mit einem äußeren Feld senkrecht zur Scheibe ist N = 1 und damit Eext Eext = . Emak = 1+ χ є Das bedeutet, dass das externe Feld im Innern der Scheibe auf Eext /є abgeschwächt wird. Für den betrachteten Festkörper entspricht die Absenkung gerade einem Faktor 1/2.5 = 0.4. Für die kugelförmige Probe ist N = 1/3 und damit das Feldstärkeverhältnis Emak =

A11.3

Eext 1 2 Eext . χ = є−1 Eext = 3 1+ 3 1+ 3

Polarisation einer Kugel

Betrachten Sie eine isolierende Kugel mit der Dielektrizitätskonstanten є in einem homogenen elektrischen Feld E ext .

11 Dielektrische Eigenschaften

205

(a) Welchen Wert hat das über das gesamte Volumen der Kugel gemittelte elektrische Feld E innerhalb der Kugel? (b) Welchen Wert hat die Polarisation P in der Kugel? Setzen Sie bei der Rechnung voraus, dass das Feld E ext beim Einbringen der Kugel unverändert bleibt. (Hinweis: Es ist hier nicht nötig das lokale elektrische Feld E lok zu berechnen.) Lösung

Die effektive Feldstärke in einem Kondensator ist bei teilweiser Ausfüllung mit einem Dielektrikum kleiner (oder höchstens gleich) der effektiven Feldstärke bei gesamter Ausfüllung des Kondensators. Dies bezeichnet man als Depolarisation oder Entelektrisierung. Handelt es sich um einen Rotationsellipsoid, so ist das Feld im Innenraum des Körpers homogen. Dies ist ein Resultat, das aus der klassischen Elektrodynamik bekannt ist (siehe hierzu Abb. 11.2).

+ + + + + + +

Ͳ

– – – – – – –

+

Ͳ

+ + +

Ͳ Ͳ Ͳ

+

Abb. 11.2: Isolierende Kugel in einem homogenen elektrischen Feld.

(a) Es gilt Emak = Eext + E N , wobei Emak das effektive Feld im Inneren der Kugel, Eext das angelegte Feld und E N das durch die Polarisation des Kugelmaterials erzeugte Depolarisationsfeld ist. Weiterhin gilt E N = −NP/є 0 mit P = є 0 χEmak . Der Depolarisationsfaktor einer Kugel ist N = 13 . Damit erhalten wir Emak = Eext −

χ 1 є 0 χEmak = Eext − Emak 3 є0 3

(A11.3.1)

und damit Emak =

Eext χ . 1+ 3

(A11.3.2)

Hinweis: Zur Umrechnung in CGS-Einheiten benutzt man 4π χ CGS = χ SI und erhält Emak =

Eext . 1 + 4π χ 3

(A11.3.3)

(b) Die Polarisation können wir einfach angeben, ohne ein lokales Feld berechnen zu müssen, da das elektrische Feld in einem Rotationsellipsoiden homogen ist. Da P = є 0 χEmak ,

206

11 Dielektrische Eigenschaften

gilt (in SI-Einheiten) є0 χ P= χ E ext . 1+ 3 A11.4

(A11.3.4)

Plasmafrequenz, elektrische Leitfähigkeit und Reflexionsvermögen von Metallen

Mit optischen Messungen bestimmen Sie die Plasmafrequenz eines organischen Leiters zu ω p = 1.8 × 1015 s−1 . Die Relaxationszeit der Elektronen in diesem Material beträgt bei Raumtemperatur τ = 2.83 × 10−15 s. (a) Berechnen Sie aus diesen Daten die elektrische Leitfähigkeit σ. Gehen Sie dabei von einer verschwindend kleinen elektronischen Polarisierbarkeit des Materials aus. Hinweis: Die effektive Masse der Ladungsträger ist nicht bekannt und wird hier auch nicht benötigt. (b) Aus der Kristall- und chemischen Struktur erhält man die Dichte der Leitungselektronen zu n = 4.7 × 1021 cm−3 . Berechnen Sie mit diesem Wert die effektive Masse m⋆ der Elektronen. In einem Metall sollen die Bedingungen ωτ ≪ 1 und σ0 ≫ є 0 ω erfüllt sein, wobei σ0 = ne 2 τ/m⋆ die Gleichstrom-Leitfähigkeit ist. (c) Zeigen Sie, dass die komplexe Dielektrizitätskonstante dieses Metalls durch є = ıσ0 /є 0 ω gegeben ist. (d) Berechnen Sie den komplexen Brechungsindex und zeigen Sie, dass im infraroten Wellenlängenbereich das Reflexionsvermögen durch √ 8є 0 ω R ≃ 1− σ0 gegeben ist. Lösung

Da die elektronische Polarisation des Materials verschwindend klein sein soll, können wir χ el = 0 und damit є el = 1 + χ el = 1 setzen. Dies ist in vielen Fällen eine gute Näherung. Damit können wir für die Plasmafrequenz den Ausdruck √ ωp =

ne 2 = є 0 є el m⋆



ne 2 є 0 m⋆

(A11.4.1)

verwenden. (a) Die elektrische Leitfähigkeit σ bei der Frequenz ω = 0 ist gegeben durch σ(0) =

ne 2 τ ne 2 = є 0 τ = ω 2p є 0 τ . m⋆ є 0 m⋆

(A11.4.2)

11 Dielektrische Eigenschaften

207

Mit є 0 = 8.85 × 10−12 As/Vm und den angegebenen Werten für ω p und τ erhalten wir, σ = 8.11 × 104 Ω−1 m−1 oder ρ = 1.23 × 10−5 Ωm. (b) Lösen wir den Ausdruck für die Plasmafrequenz nach m⋆ auf, so erhalten wir m⋆ =

ne 2 . є 0 ω 2p

(A11.4.3)

und damit m⋆ = 4.19 × 10−30 kg oder m⋆ /m e = 4.61. Man beachte, dass m⋆ nur dann mit der effektiven Masse identisch ist, wenn die Fermi-Oberfläche eine Kugel ist. Ansonsten erhält man die effektive Masse im niederfrequenten Bereich, während im hochfrequenten Bereich für beliebige Fermi-Oberflächen eine sogenannte optische effektive Masse eingeführt wird. Zur Lösung des zweiten Aufgabenteils gehen wir von der dielektrischen Funktion eines freien Elektronengases aus (vergleiche R. Gross und A. Marx, Festkörperphysik, Oldenbourg Verlag (2012), Abschnitt 11.6.1) є r (ω) = є el (ω) (1 − є i (ω) = є el (ω) (

ω 2p

ωτ ω2 τ 2 σ(0) ) = є el (ω) (1 − ) (A11.4.4) ω2 1 + ω2 τ 2 є 0 є el (ω)ω 1 + ω 2 τ 2

ω 2p

1 ωτ σ(0) ) = є el (ω) ( ) ω2 1 + ω2 τ 2 є 0 є el (ω)ω 1 + ω 2 τ 2

(A11.4.5)

und betrachten die angegebenen Grenzfälle. (c) Für ωτ ≪ 1 und σ(0) ≫ є 0 ω, wobei σ(0) = ne 2 τ/m⋆ die Gleichstrom-Leitfähigkeit ist, ist der Imaginärteil der dielektrischen Funktion wesentlich größer als der Realteil. Aus (A11.4.5) erhalten wir є i (ω) = є el (ω) (

1 σ(0) σ(0) ) ≃ . є 0 є el (ω)ω 1 + ω 2 τ 2 є0 ω

(A11.4.6)

Für die dielektrische Funktion des Metalls ergibt sich also є(ω) = ıє i (ω) = ıσ(0)/є 0 ω. (d) Das Quadrat des komplexen Brechungsindex ̃ n = n + ıκ ist gegeben durch ̃ n2 = 2 2 n + 2ınκ − κ = є r (ω) + ıє i (ω). Da der Realteil der dielektrischen Funktion vernachlässigbar klein ist, ergibt sich daraus sofort näherungsweise n 2 ≃ κ 2 und 2ınκ ≃ 2ıκ 2 = ıє i (ω) ≃ ıσ(0)/є 0 ω, also √ σ(0) n ≃ κ ≃ . (A11.4.7) 2є 0 ω Das Reflexionsvermögen R = ∣

̃ (n − 1)2 + κ 2 4n n−1 2 = 1− ∣ = ̃ (n + 1)2 + κ 2 (n + 1)2 + κ 2 n+1

(A11.4.8)

208

11 Dielektrische Eigenschaften

können wir für n ≃ κ ≫ 1 durch R ≃ 1 − 2/n annähern. Wir erhalten dann mit n 2 ≃ κ 2 ≃ σ(0)/2є 0 ω die sogenannte Hagen-Rubens-Relation √ 8є 0 ω . (A11.4.9) R ≃ 1− σ(0) Wir sehen, dass die Abweichung vom idealen Reflexionsvermögen R = 1 umso geringer ist, je höher die Leitfähigkeit eines Metalls ist. Für Silber mit einer Leitfähigkeit von 6.25 × 107 Ω−1 m−1 erhalten wir im Infraroten bei einer Frequenz von 1013 s−1 ein Reflexionsvermögen von R = 0.997, also einen Wert sehr nahe bei eins. Selbst im sichtbaren Bereich ist R > 0.96. Wir können deshalb versilberte Flächen gut als Spiegel verwenden.

A11.5

Plasmafrequenz von Indium-dotiertem Zinkoxid (ITO)

ITO ist elektrisch leitend und im sichtbaren Bereich transparent. Es besitzt deshalb eine große Bedeutung für die Bildschirmtechnik. (a) Eine ITO-Schicht soll eine Ladungsträgerdichte von 5 × 1021 cm−3 haben. Bis zu welcher Wellenlänge ist sie transparent? Nehmen Sie m⋆ = m und є∞ = 3.84 an. (b) Bei welcher Wellenlänge ist die Reflektivität minimal? Lösung

Wir betrachten ITO als ein Metall mit einer geringen Ladungsträgerdichte. (a) Um abzuschätzen, bis zu welcher Wellenlänge ITO transparent ist, bestimmen wir zunächst seine Plasmafrequenz ω p . Mit dem Ausdruck für ein freies Elektronengas √ ne 2 ωp = (A11.5.1) є 0 є el m⋆ erhalten wir mit m⋆ = m, є el = 3.84, є 0 = 8.85 × 10−12 As/Vm und n = 5 × 1021 cm−3 ωp c ω p = 2 × 1015 s−1 , f p = = 1 μm . (A11.5.2) = 3 × 1014 Hz , λ p = 2π fp Im Frequenzbereich ω > ω p wird der Realteil der dielektrischen Funktion positiv. Da in diesem Frequenzbereich gleichzeitig ωτ ≫ 1, wird der Imaginärteil vernachlässigbar klein. Wir erhalten [vergleiche (A11.4.4)] √ ̃ n ≃ є el (ω) . (A11.5.3) ITO wird, da gleichzeitig der Absorptionskoeffizient κ ≃ 0 ist, für elektromagnetische Strahlung mehr oder weniger transparent mit einem Absorptionskoeffizienten [vergleiche (A11.4.5)] K ≡

ω 2p єi ω ≃ 2 ≪ 1. c ω τc

(A11.5.4)

11 Dielektrische Eigenschaften

209

Für ω < ω p wird eine auf ITO auftreffende elektromagnetische Welle dagegen totalreflektiert, da der Realteil der dielektrischen Funktion hier negativ wird. Da für ITO f p = ω p /2π gerade knapp unterhalb des sichtbaren Frequenzbereichs liegt, wird sichtbares Licht nur wenig reflektiert, Infrarotstrahlung dagegen sehr stark. Dieses ideale Verhalten wir üblicherweise für Metalle nicht beobachtet, da sich der Antwort des Elektronensystems durch Intraband-Übergänge auch immer noch Beiträge durch Interbandübergänge überlagern, die zu einem endlichen Wert des Imaginärteils der dielektrischen Funktion führen. Da solche Interbandübergänge bei ITO erst bei etwa 2.8 eV einsetzen, was knapp oberhalb des sichtbaren Frequenzbereichs liegt, ist ITO im Sichtbaren sehr gut transparent, im Infraroten dagegen stark reflektierend. Dies kann z. B. zur Reduktion von Wärmeverluststrahlung durch √ Fensterscheiben verwendet werden. (b) Das Reflexionsvermögen von ITO wird für ̃ n ≃ є r (ω) = 1 also für є r (ω) = 1 minimal. Wir benutzen [vergleiche (A11.4.4)] є r (ω) = є∞ (1 −

ω 2p

ω2 τ 2 ) ω2 1 + ω2 τ 2

(A11.5.5)

und berücksichtigen, dass im Bereich optischer Frequenzen ωτ ≫ 1 eine gute Näherung ist. Setzen wir є r (ω) = 1 und lösen nach der Frequenz auf, so erhalten wir √ є∞ . (A11.5.6) ω = ωp є∞ − 1 Mit є∞ = 3.84 und ω p = 2 × 1015 s−1 erhalten wir das Minimum der Reflektivität für ω = 2.32 × 1015 s−1 . Dies entspricht einer Wellenlänge von 810 nm. A11.6

Plasmonen-Schwingung einer metallischen Kugel

Die Frequenz der langwelligen Plasmonenschwingung einer metallischen Kugel (homogene Verschiebung der Elektronen gegenüber den Ionenrümpfen innerhalb der gesamten Kugel) wird durch das Depolarisationsfeld EN = −NP = −P/3є 0 mit N = 1/3 für eine Kugel bestimmt. Die Polarisation beträgt dabei P = n(−e)r, wobei r die mittlere Auslenkung der Elektronen mit der Dichte n ist. Zeigen Sie, dass sich aus F = (−e)E = m¨r die Resonanz2 frequenz des Elektronengases zu ω 20 = 3єne0 m ergibt. Weil alle Elektronen an der Schwingung beteiligt sind, bezeichnen wir eine solche Anregung als kollektive Anregung oder kollektive Schwingung des Elektronengases. Lösung

Wir wollen mit einer allgemeinen Betrachtung von longitudinalen und transversalen Moden der Polarisation in einem dielektrischen Festkörper beginnen. Nehmen wir an, dass die Atome eine Auslenkung in r-Richtung erfahren, so stellt P∥ = P0∥ e ı(q⋅r−ωt)

(A11.6.1)

210

11 Dielektrische Eigenschaften

eine longitudinale Polarisationswelle und P⊥ = P0⊥ e ı(q⋅r−ωt)

(A11.6.2)

eine transversale Welle dar. Die longitudinale Welle muss die Bedingung ∇ × P∥ = ıq × P0∥ e ı(q⋅r−ωt) = 0 ∇ ⋅ P∥ = ıq ⋅ P0∥ e

ı(q⋅r−ωt)

(A11.6.3)

≠ 0

(A11.6.4)

erfüllen, während die transversale Welle der Bedingung ∇ × P⊥ = ıq × P0⊥ e ı(q⋅r−ωt) ≠ 0 ∇ ⋅ P⊥ = ıq ⋅ P0⊥ e ı(q⋅r−ωt) = 0

(A11.6.5) (A11.6.6)

genügen muss. In einem elektrisch neutralen dielektrischen Medium wie einem Metall (Raumladungsdichte ρ = 0) muss die Divergenz der dielektrischen Verschiebung verschwinden. Wir benutzen D = є 0 Emak + P P = χ(ω)є 0 Emak = [є(ω) − 1] є 0 Emak P є 0 Emak = є(ω) − 1

(A11.6.7)

und erhalten ∇ ⋅ D = ρ = є 0 є(ω) ∇ ⋅ Emak =

є(ω) ∇⋅P = 0. є(ω) − 1

(A11.6.8)

Da für eine longitudinale Welle aber ∇ ⋅ P∥ ≠ 0 gelten muss, kann (A11.6.8) nur für є(ω) = 0 ,

ω = ω∥

(A11.6.9)

erfüllt werden. Das heißt, eine longitudinale Schwingungsmode kann nur für eine Eigenfrequenz ω∥ existieren, für die die dielektrische Funktion verschwindet. Solche longitudinalen Moden können nicht mit transversalen elektromagnetischen Wellen wechselwirken und deshalb nicht mit elektromagnetischer Strahlung angeregt werden. Eine Anregung der longitudinalen Moden kann z. B. durch Beschuss mit hochenergetischen Elektronen erfolgen. Wir sehen, dass die Bedingung є(ω) = 0 die Eigenfrequenz ω∥ der longitudinalen Schwingungsmode festlegt. Wir betrachten nun den langwelligen Fall (q → 0 bzw. λ = 2π/q → ∞), also eine einheitliche Auslenkung des gesamten Elektronengases mit mittlerer Auslenkung r. Für diesen Grenzfall haben wir in der Aufgabe A7.7 die dielektrische Funktion eines Metalls berechnet. Das Resultat war [vergleiche (A7.7.20)] є(ω) = 1 +

ω 2p −ıωτ ωτ≫1 ω 2p ıσ(ω) \ = 1− 2 = 1− 2 . ωє 0 ω 1 − ıωτ ω

(A11.6.10)

11 Dielektrische Eigenschaften

211

Für ein solches Metall folgt aus der Bedingung є(ω) = 0 sofort, dass ω = ω∥ = ω p . Dies bedeutet, dass man eine freie longitudinale Schwingung des Elektronengases mit der Plasmafrequenz ω p erhält. Die Quanten dieser Anregungen bezeichnet man als Plasmonen. Die zugehörige Bewegungsgleichung lautet m

eNP ne 2 ne 2 d2r = −eE = = −N r = − r. N dt 2 є0 є0 3є 0

(A11.6.11)

Dies ist die Bewegungsgleichung eines harmonischen Oszillators mit der Eigenfrequenz ω 20 = N

ne 2 ne 2 = . є0 m 3є 0 m

(A11.6.12)

Diese Eigenfrequenz unterscheidet sich von der Plasmafrequenz einer dünnen Metallplatte um den Faktor 1/3. Dies resultiert daraus, dass der Depolarisationsfaktor einer dünnen Platte N = 1 (in Richtung parallel zur Platte) und derjenige einer Kugel nur N = 1/3 ist. A11.7

Ausbreitung von polarisiertem Licht in ionisiertem Medium – Magnetooptik

Polarisiertes Licht breite sich in einem vollkommen ionisierten, isotropen Medium mit Ladungsträgerdichte n = N/V entlang der z-Achse aus. Das Medium soll sich in einem externen Magnetfeld Bext = (0, 0, B) parallel zur z-Achse befinden. (a) Leiten Sie zunächst die dielektrische Funktion, den Brechungsindex und den Absorptionskoeffizienten für den Fall Bext = 0 für linear und zirkular polarisiertes Licht her. (b) Wie sehen die entsprechenden Ausdrücke für den Fall Bext ≠ 0 aus? (c) Wie groß ist die Phasengeschwindigkeit für den Fall Bext = 0 und Bext ≠ 0? (d) Diskutieren sie, was mit der Polarisationsebene einer linear polarisierten Welle beim Durchgang durch ein Medium der Dicke d passiert? (e) Welche Effekte beobachtet man bei der Reflexion einer linear polarisierten Welle? Lösung

Polarisation von Licht: Wir diskutieren zunächst die Polarisation von Licht. Elektromagnetische Wellen sind Transversalwellen, das heißt, die Vektoren des elektrischen und magnetischen Feldes stehen senkrecht aufeinander und senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Von linear polarisiertem Licht sprechen wir, wenn das elektrische Feld immer in nur einer Richtung in der Ebene senkrecht zur Ausbreitungsrichtung schwingt. Für eine linear polarisierte Welle mit Wellenvektor k = (0, 0, k), die sich in z-Richtung ausbreitet, können wir schreiben E(r, t) = ̂ eE 0 e ı(kz−ωt) .

(A11.7.1)

Hierbei ist E 0 die Amplitude des elektrischen Feldes und ̂ e ⊥ k der Einheitsvektor senkrecht zur Ausbreitungsrichtung.

212

11 Dielektrische Eigenschaften

Wir sprechen von elliptisch polarisiertem Licht, wenn sich die Spitze des E-Feldvektors in der Ebene senkrecht zur Ausbreitungsrichtung auf einer Ellipse bewegt. Diese Bewegung kommt durch die Überlagerung zweier linear polarisierter Wellen zustande, die zueinander senkrecht mit einer Phasendifferenz Δφ zwischen 0 und π/2 schwingen. Für eine elliptisch polarisierte Welle, die sich in z-Richtung ausbreitet, können wir schreiben 1 x ±̂ ye ı Δφ ) e ı(kz−ωt) . E± (r, t) = √ E 0 (̂ 2

(A11.7.2)

Wir können dies in Matrixform durch (

1 1 e ı Δφ Ex E+ )= √ ( ) ı Δφ ) ( E− 1 −e Ey 2

(A11.7.3)

ausdrücken, wobei x E 0 e ı(kz−ωt) , Ex (r, t) = ̂

E y (r, t) = ̂ y E 0 e ı(kz−ωt) .

(A11.7.4)

Wir sprechen von rechts- (E+ ) und linkselliptisch (E− ) polarisiertem Licht, je nachdem ob sich der E-Feldvektor im oder gegen den Uhrzeigersinn bewegt. Beträgt der Phasenunterschied Δφ zwischen den beiden Schwingungen gerade Δφ = π/2 und sind die Amplituden des elektrischen Feldes gleich groß, so beschreibt die Spitze des E-Feldvektors einen Kreis. In diesem speziellen Fall erhalten wir zirkular polarisiertes Licht: 1 x ± ı̂ y) e ı(kz−ωt) E± (r, t) = √ E 0 (̂ 2

(A11.7.5)

oder in Matrixform (

1 1 +ı E E+ )( x ) . )= √ ( E− Ey 2 1 −ı

(A11.7.6)

Wir sehen ferner leicht, dass wir umgekehrt linear polarisiertes Licht durch Überlagerung von rechts- und linkszirkular polarisiertem Licht erhalten können. Für eine in x- bzw. yRichtung linear polarisierte Welle können wir schreiben 1 Ex (r, t) = √ (E+ + E− ) e ı(kz−ωt) 2 1 E y (r, t) = √ (E+ − E− ) e ı(kz−ωt) . ı 2

(A11.7.7) (A11.7.8)

In Matrixform lautet dieser Zusammenhang (

1 1 1 E Ex )( + ) . )= √ ( Ey E− −ı +ı 2

(A11.7.9)

11 Dielektrische Eigenschaften

213

(a) Als Beispiel für ein völlig ionisiertes Medium betrachten wir ein Metall mit Ladungsträgerdichte n = N/V. Die Elektronen des Metalls sind nicht mehr an die Ionenrümpfe gebunden und frei beweglich. Es treten also keine Rückstellkräfte auf. Wir betrachten zunächst den Fall B ext = 0 für linear polarisiertes Licht mit E(r, t) = ̂ x E 0 e ı(kz−ωt) , das sich in z-Richtung ausbreitet [k = (0, 0, k)]. Die Bewegungsgleichung für die Metallelektronen lautet d2 x m⋆ dx + = −eE(t) . (A11.7.10) dt 2 τ dt Hierbei ist x die homogene Auslenkung der Elektronen mit effektiver Masse m⋆ in xRichtung gegenüber den positiven Ionenrümpfen. Der Term auf der rechten Seite beschreibt die antreibende Kraft, der erste Term auf der linken Seite den Trägheitsterm und der zweite einen Reibungs- bzw. Dämpfungsterm. Dieser kommt durch die Stoßprozesse der Elektronen mit der mittleren Stoßzeit τ zustande. Die Lösung von (A11.7.10) lautet m⋆

x(t) =

e 1 E(t) . m⋆ ω (ω + ı 1τ )

(A11.7.11)

Die sich aus der Verschiebung x(t) der Leitungselektronen relativ zu den positiven Ionenrümpfen ergebende Polarisation ist PL (t) = −enx(t) = −

1 ne 2 E(t) . m⋆ ω (ω + ı 1τ )

(A11.7.12)

Für den Beitrag der Leitungelektronen zur elektrischen Suszeptibilität erhalten wir damit χ L (ω) =

1 PL ne 2 . = − є0 E є 0 m⋆ ω (ω + ı 1τ )

(A11.7.13)

Die gesamte dielektrische Funktion eines Metalls erhalten wir als Summe aus dem Beitrag der gebundenen und vollkommen freien Elektronen zu є(ω) = 1 + χ el (ω) + χ L (ω) .

(A11.7.14)

Hierbei ist χ el der Beitrag der an die Ionenrümpfe gebundenen Elektronen und χ L derjenige der völlig freien Leitungselektronen. Im Bereich des sichtbaren Lichts ist der Beitrag χ el üblicherweise klein und wir werden ihn im Folgenden vernachlässigen. Wir erhalten dann die komplexe dielektrische Funktion є(ω) = є r + ıє i = 1 − Hierbei ist ωp =



ne 2 = є 0 m⋆

1 − ωτı 1 ne 2 2 2 τ . = 1 − ω p є 0 m⋆ ω (ω + ı 1τ ) 1 + ω2 τ 2



σ(0) є0 τ

(A11.7.15)

(A11.7.16)

die Plasmafrequenz, wobei σ(0) = ω 2p є 0 τ die elektrische Leitfähigkeit bei der Frequenz ω = 0 ist. Für gute Metalle wie Kupfer, Silber oder Gold liegt die Plasmafrequenz im UV-Bereich. Für Metalle mit niedriger Ladungsträgerdichte oder stark dotierte Halblei-

214

11 Dielektrische Eigenschaften

ter (vergleiche hierzu Aufgabe A11.5) kann sie aber auch im sichtbaren oder sogar im infraroten Bereich liegen. Fall 1: ω < ω p und ωτ ≪ 1 Für ω < ω p und nicht allzu reine Materialien (ωτ ≪ 1) ist der Realteil der dielektrischen Funktion negativ und √ wesentlich kleiner als der Imaginärteil. Der komplexe Brechungsindex ̃ n = n + ıκ = є ist also rein imaginär. Wir erwarten deshalb n 2 − κ 2 = 0, das heißt n ≃ κ, und ferner 2nκ ≃ 2κ 2 ≃ є i . Für ωτ ≪ 1 können wir die dielektrische Funktion des Metalls mit є i (ω) =

ω 2p τ ω

=

σ(0) є0 ω

(A11.7.17)

annähern. Den daraus resultierenden Reflexions- und Absorptionskoeffizienten haben wir bereits in Aufgabe A11.4 abgeleitet. Wir erhielten dort √ √ єi σ(0) n ≃ κ ≃ = ≫ 1. (A11.7.18) 2 2є 0 ω Daraus ergibt sich der Reflexionskoeffizient (Hagen-Rubens-Relation) ̃ (n − 1)2 + κ 2 4n 2 n−1 2 = 1− ≃ 1− ∣ = ̃ (n + 1)2 + κ 2 (n + 1)2 + κ 2 n n+1 √ 8є 0 ω = 1− . σ(0)

R = ∣

(A11.7.19)

Die Abweichung vom idealen Reflexionsvermögen R = 1 ist umso geringer, je höher die Leitfähigkeit des Metalls ist. Der Absorptionskoeffizient ergibt sich zu √ 2σ(0)ω 2κω K = . (A11.7.20) ≃ c є0 c 2 Fall 2: ω < ω p und ωτ ≫ 1 Für reine Materialien (ωτ ≫ 1) können wir den Real- und Imaginärteil der dielektrischen Funktion mit є r (ω) ≃ 1 − є i (ω) ≃

ω 2p

(A11.7.21)

ω2

ω 2p

(A11.7.22)

ω3 τ

annähern. Da є r < 0 für ω < ω p wird ̃ n rein imaginär und wir erhalten wieder n 2 − κ 2 = 0 2 und ferner 2nκ ≃ 2κ ≃ є. Daraus ergibt sich ωτ≫1

n2 ≃ κ 2 ≃

2 2 ω 2p 1 ωp % ωp ( 2 −1+ 3 ) ≃ 2 ω ω τ 2ω 2

und somit für Frequenzen nicht allzu nahe bei ω p √ σ(0) n ≃ κ ≃ . 2є 0 ω 2 τ

(A11.7.23)

(A11.7.24)

11 Dielektrische Eigenschaften

215

Fall 3: ω > ω p und ωτ ≫ 1 Für ω > ω p befinden wir uns bei typischen Metallen bereits oberhalb des sichtbaren Spektralbereichs (ω ≃ 3 × 1015 s−1 für grünes Licht). Da die typischen Streuzeiten von Metallen in der Regel größer als 10−15 s sind, gilt in diesem Bereich ferner ωτ ≫ 1 und wir erhalten den Real- und Imaginärteil der dielektrischen Funktion zu є r (ω) ≃ 1 − є i (ω) ≃

ω 2p

(A11.7.25)

ω2

ω 2p ω3 τ

.

(A11.7.26)

Daraus erhalten wir n 2 − κ 2 = є r (ω) ≃ 1 − 2nκ = є i (ω) ≃

ω 2p ω2

(A11.7.27)

ω 2p

. (A11.7.28) ω3 τ Da typischerweise κ ≪ 1, erhalten wir näherungsweise folgenden Brechungsindex und Extinktionskoeffizienten √ √ √ ω 2p σ(0) 1− 2 = 1− (A11.7.29) n ≃ є r (ω) ≃ ω є0 ω2 τ ω 2p 1 σ(0) ≃ ≪ 1. (A11.7.30) κ ≃ √ 2 3 ω 2ω τ 2є 0 ω 3 τ 2 1 − ωp2 Wir sehen, dass mit zunehmender Frequenz n → 1 und κ → 0. Das Reflexionsvermögen nimmt deshalb mit zunehmender Frequenz auf Null ab. Das heißt, das Metall wird immer transparenter und immer weniger absorbierend. Wir sind in der bisherigen Diskussion von linear polarisiertem Licht ausgegangen. Für ein vollkommen isotropes Medium (є xx = є y y = є) erhalten wir in dem verwendeten kartesischen Koordinatensystem (

0 є E є 0 E Dx ) = ( xx )( y ) = ( )( x ) . Dy 0 єyy Ey Ey 0 є

(A11.7.31)

Um den Fall von rechts- und linkszirkular polarisiertem Licht zu diskutieren, verwenden wir die zirkulare Basis 1 1 ̂ r+ )= √ ( ̂ r− 2 1 1 1 E ( +) = √ ( E− 2 1 (

+ı ̂ x )( ) −ı ̂ y

(A11.7.32)

+ı E )( x ) , Ey −ı

(A11.7.33)

wobei E± gerade rechts- (E+ ) und linkszirkular polarisiertes (E− ) Licht beschreibt [vergleiche (A11.7.5)]. Die bisher verwendeten kartesischen Koordinaten und Feldvektoren

216

11 Dielektrische Eigenschaften

können wir in dem zirkularen System wie folgt ausdrücken: 1 1 ̂ x ( )= √ ( ̂ y 2 −ı 1 1 E ( x)= √ ( Ey −ı 2

̂ 1 r )( + ) ̂ r− +ı

(A11.7.34)

1 E )( + ) . E− +ı

(A11.7.35)

Setzen wir dies in (A11.7.31) ein, so erhalten wir (

є 0 E є 0 E D+ )=( + )( + ) = ( )( + ) . D− 0 є− E− E− 0 є

(A11.7.36)

Der Dielektrizitätstensor ist also auch in der zirkularen Basis diagonal und es gilt є+ = є− = є. Das heißt, wir erhalten für rechts- und linkszirkular polarisiertes Licht genau das gleiche Ergebnis wie für linear polarisiertes Licht. Dies war zu erwarten, da wir ja eine zirkular polarisierte Lichtwelle als lineare Superposition zweier linear polarisierter Wellen auffassen können und wir ein völlig isotropes Medium vorausgesetzt haben. (b) Wir betrachten nun den Fall, dass ein externes Magnetfeld Bext angelegt ist. In der Bewegungsgleichung (A11.7.10) müssen wir jetzt zusätzlich die Lorentz-Kraft auf die durch das elektrische Feld beschleunigten Elektronen berücksichtigen und erhalten d2r m⋆ dr dr + (A11.7.37) = −eE(t) − e × Bext . 2 dt τ dt dt Für Bext = (0, 0, B) und E(t) = (E x (t), E y (t), 0), das heißt die Polarisationsebene der elektromagnetischen Welle steht senkrecht auf dem angelegten Magnetfeld, lauten die drei Komponenten der Bewegungsgleichung: m⋆

dy 1 dx d2x + = −eE x (t) − ω c (A11.7.38) dt 2 τ dt dt dx d2 y 1 dy + = −eE y (t) + ω c (A11.7.39) 2 dt τ dt dt d2z 1 dz + = 0. (A11.7.40) dt 2 τ dt Hierbei ist ω c = eB/m⋆ die Zyklotronfrequenz. Wir sehen, dass die x- und yKomponente der Bewegungsgleichung gekoppelt sind. Weil die Bewegungsgleichungen jedoch rotationsinvariant bezüglich der z-Achse sind, lassen sich die beiden Gleichungen durch Verwendung neuer Koordinaten für die Raum- und E-Feldvektoren entkoppeln. Wir verwenden die oben eingeführte zirkulare Basis [siehe hierzu (A11.7.32) bis (A11.7.35)]. Damit können wir die Differentialgleichungen (A11.7.38) und (A11.7.39) umschreiben in d 2 r+ 1 dr+ e + ( + ωc ) = − ⋆ E+ dt 2 τ dt m d 2 r− 1 dr− e + ( − ωc ) = − ⋆ E− . dt 2 τ dt m

(A11.7.41) (A11.7.42)

11 Dielektrische Eigenschaften

217

Die Lösung dieser Gleichungen lautet r± (t) =

1 e E± (t) . m⋆ ω [ω + ı ( 1τ ± ω c )]

(A11.7.43)

Analog zu (A11.7.15) erhalten wir daraus die dielektrische Funktion zu 1 ne 2 є 0 m⋆ ω [ω + ı ( 1τ ± ω c )] 1 . = 1 − ω 2p ω 2 + ı ( ωτ ± ωω c )

є± (ω) = 1 −

(A11.7.44)

Spalten wir diese in Real- und Imaginärteil auf, so ergibt sich є r,± (ω) = 1 − є i,± (ω) =

ω 2p ω2

ω 2p

ω2 τ 2 ω 2 1 + ω 2 τ 2 ± 2ω c τ + ω 2c τ 2

(A11.7.45)

ωτ(1 ± ω c τ) . 1+ ± 2ω c τ + ω 2c τ 2

(A11.7.46)

ω2 τ 2

Vergleichen wir diese Ausdrücke mit dem Ergebnis (A11.7.15) für Bext = 0, so erkennen wir, dass wir jetzt sowohl für den Real- als auch den Imaginärteil Korrekturen erhalten, deren Vorzeichen von der Polarität des zirkular polarisierten Lichts abhängt. Da für realistische Magnetfelder für Metalle ω c τ ≪ 1 gilt, sind die Korrekturen allerdings klein. Fall 1: ω < ω p und ωτ ≪ 1 Der Realteil der dielektrischen Funktion ist für ω < ω√ p negativ und wesentlich kleiner als der Imaginärteil. Der komplexe Brechungsindex ñ = є ist also insgesamt rein imaginär. Wie für den Fall ohne Magnetfeld erhalten wir √ n± ≃ κ± ≃ є i,± /2 . (A11.7.47) Da ωτ ≪ 1 und ω c τ ≪ 1, erhalten wir mit ωτ≫1

є i,± (ω)

2 % ωp τ (1 ± ω c τ) = ω

unter Benutzung von ω 2p = σ(0)/є 0 τ √ ω c τ≪1 1 σ(0) √ % n± ≃ κ ± ≃ (1 ± ω c τ) ≃ n (1 ± ω c τ) . 2є 0 ω 2

(A11.7.48)

(A11.7.49)

Für den Reflexionskoeffizienten ergibt sich daraus nach (A11.7.19) R± ≃ 1 −

2 2 = 1− , n± n (1 ± 12 ω c τ)

(A11.7.50)

woraus R+ − R− ≃ −

2ω c τ n (1 +

ωc τ 2 ) 2

ω c τ≪1

2ω c τ % ≃ − . n

(A11.7.51)

218

11 Dielektrische Eigenschaften

folgt. Für den Absorptionskoeffizienten erhalten wir √ ω c τ≪1 1 2σ(0)ω √ 2κ± ω % ≃ K (1 ± ω c τ) , (1 ± ω τ) K± = = c c є0 c 2 2

(A11.7.52)

woraus sich K+ − K− = K ω c τ

(A11.7.53)

ergibt. Sowohl für den Reflexions- als auch den Absorptionskoeffizienten wächst die Differenz R+ − R− bzw. K+ − K− proportional zu ω c τ, also proportional zum angelegten Magnetfeld an. Fall 2: ω > ω p und ωτ ≫ 1 Wir erhalten aus (A11.7.45) und (A11.7.46) die Näherungen є r,± (ω) ≃ 1 − є i,± (ω) =

ω 2p

1 ω 2 1 ± 2ω c τ/ω 2 τ 2

ω 2p

(1 ± ω c τ) . ω3 τ Damit ergeben sich √ ω c τ≪1 ωc τ 1 % ≃ n (1 ± 2 2 ) n± ≃ n 1 ± 2ω c τ/ω 2 τ 2 ω τ

(A11.7.54) (A11.7.55)

(A11.7.56)

und κ± = κ(1 ± ω c τ) ,

(A11.7.57)

wobei n und κ durch (A11.7.29) und (A11.7.30) gegeben sind. Wir sehen, dass auch in diesem Fall der Unterschied von n und κ für rechts- und linkszirkular polarisiertes Licht proportional zu ω c τ, also proportional zum angelegten Magnetfeld anwächst. In der zirkularen Basis gilt für die dielektrische Verschiebung (

є 0 E D+ )=( + )( + ) . D− 0 є− E−

(A11.7.58)

Der Dielektrizitätstensor ist also in dieser Basis diagonal. Wir können nun in die kartesischen Koordinaten zurücktransformieren. Mit Ex = √12 (E+ + E− ) , E y = ı √1 2 (E+ − E− ) und den entsprechenden Ausdrücken für Dx und D y erhalten wir (

E (є+ + є− )/2 ı(є+ − є− )/2 Dx )( y ) )=( Dy −ı(є+ − є− )/2 (є+ + є− )/2 Ey = (

E є xx є x y )( x ) . є yx є y y Ey

(A11.7.59)

Offensichtlich hängt Dx auch von E y bzw. D y von Ex ab. Der Dielektrizitätstensor ist im kartesischen Koordinatensystem nicht mehr diagonal und besitzt eine magnetfeldinduzierte Anisotropie. Wir erkennen aus (A11.7.59) sofort, dass є yx = −є x y . Die durch das Magnetfeld induzierte Anisotropie bewirkt also einen antisymmetrischen Anteil des 2 × 2 dielektrischen

11 Dielektrische Eigenschaften

219

Tensors. Dies ist eine direkte Folge der Zeitumkehrsymmetrie. Führen wir eine Zeitumkehrsymmetrieoperation durch, so bleiben die Vektoren D und E unverändert, während das Magnetfeld H sein Vorzeichen ändert. Die Onsagerschen Reziprozitätsbeziehungen liefern dann є i j (E, H) = є ji (E, −H). Entwickeln wir є i j in eine Reihe bis zu linearer Ordnung in E und H, so sehen wir sofort, dass der antisymmetrische Anteil durch H erzeugt wird. Das Magnetfeld ist natürlich nur eine Möglichkeit, die Zeitumkehrsymmetrie zu brechen. Im Allgemeinen erzeugt aber jede Größe, welche die Zeitumkehrsymmetrie bricht, antisymmetrische Beiträge zum Dielektrizitätstensor. Wir können schließlich die Beschränkung, dass B ext = (0, 0, B) aufgeben und beliebige Feldrichtungen zulassen. Für diesen allgemeinen Fall lässt sich der dielektrische Tensor für ein ohne Feld isotropes Medium (є xx = є y y = є zz = є sym ) durch ⎛ 1 +ıQ z −ıQ y ⎞ ̂ є = є sym ⎜ −ıQ z 1 +ıQ x ⎟ ⎝ +ıQ y −ıQ x 1 ⎠

(A11.7.60)

ausdrücken. Hierbei ist Q = (Q x , Q y , Q z ) der sogenannte Voigt-Vektor, der parallel zur Richtung des angelegten Magnetfeldes ist. Der Betrag von Q wird als Voigt-Konstante bezeichnet. Aufgrund der endlichen Absorption ist der Voigt-Vektor im Allgemeinen komplex. Für die Brechungsindizes der rechts- und linkszirkular polarisierten Wellen erhalten wir dann 1 n± = n (1 ± Q ⋅ ̂ k) . (A11.7.61) 2 Hierbei ist ̂ k der Einheitsvektor in Ausbreitungsrichtung der Wellen. (c) Wir diskutieren nun die Phasengeschwindigkeit für endliches und verschwindendes Magnetfeld. Mit dem komplexen Brechungsindex ̃ n± = n± + ıκ± für rechts- und linkszirkular polarisiertes Licht erhalten wir den komplexen Wellenvektor der in z-Richtung laufenden rechts- und linkszirkular polarisierten Welle zu ω ω ω ̃ n± = n± + ıκ± . k± = k±,r + ık±,i = ̃ (A11.7.62) c c c Für B ext = 0 ist n+ = n− = n und κ+ = κ− = κ. Wir erhalten dann für beide Polarisationen die gleiche Phasengeschwindigkeit v±,ph = v ph = c/n

(A11.7.63)

und den gleichen Absorptionskoeffizienten ω (A11.7.64) K± = 2κ . c n von Metallen rein imaginär. In diesem Für ω < ω p wird allerdings der Brechungsindex ̃ Fall kann sich die elektromagnetische Welle nicht im Metall ausbreiten. Für Bext ≠ 0 haben wir oben abgeleitet, dass unterschiedliche komplexe Brechungsindizes ̃ n± = n± + ıκ± für rechts- und linkszirkular polarisiertes Licht vorliegen. Wir können allgemein n± = n(1 ± a) ,

κ± = κ(1 ± b)

(A11.7.65)

220

11 Dielektrische Eigenschaften

schreiben, wobei die frequenzabhängigen Konstanten a und b proportional zu B ext und im Allgemeinen klein gegen eins sind. Für die komplexe Wellenzahl der in z-Richtung k− . Wir erhallaufenden rechts- und linkszirkular polarisierten Welle gilt dann ̃ k+ ≠ ̃ ten deshalb für rechts- und linkszirkular polarisierte Wellen unterschiedliche Phasengeschwindigkeiten v±,ph = c/n±

(A11.7.66)

und unterschiedliche Absorptionskoeffizienten ω (A11.7.67) K± = 2κ± . c (d) Wir diskutieren nun, was mit der Polarisationsebene einer in z-Richtung propagierenden und in x-Richtung linear polarisierten Welle beim Durchgang durch ein Medium der Dicke d passiert. Schreiben wir die linear polarisierte Welle als Superposition einer rechts- und linkszirkular polarisierten Welle, so erhalten wir κ+ ω n+ ω κ− ω n− ω 1 Ex (d, t) = √ [E+ e−d c e ı(d c −ωt) + E− e−d c e ı(d c −ωt) ] . (A11.7.68) 2

Offensichtlich geraten die beiden zirkular polarisierten Wellen beim Durchgang durch das Medium außer Phase, da sie unterschiedliche Phasengeschwindigkeiten besitzen. Dies ist in Abb. 11.3 dargestellt, wo wir die Überlagerung der zirkular polarisierten Wellen bei z = 0 und z = d dargestellt haben. Beim Durchgang durch die Dicke d beträgt die Phasendifferenz der beiden Wellen ω 2π 2β L = φ− − φ+ = (k− − k+ )d = d(n− − n+ ) = d(n− − n+ ) . (A11.7.69) c λ0 Dies führt zu einer Drehung der Polarisationsebene der linear polarisierten Welle um den Winkel φ− − φ+ π d(n− − n+ ) . (A11.7.70) βL = = 2 λ0 Ist n+ > n− , so dreht sich die Polarisationsebene nach links (beim Blick in Richtung der Quelle), für n+ < n− dagegen nach rechts. Letzterer Fall ist in Abb. 11.3 gezeigt. Üblicherweise definiert man den Winkel β L als positiv, wenn die Welle rechtsdrehend ist. Wir haben oben gesehen, dass n− − n+ ∝ ω c τ ∝ B ext . Deshalb wird der Drehwinkel oft mit der empirischen Beziehung β L = V B ext d

(A11.7.71)

beschrieben, wobei die Proportionalitätskonstante V als Verdet-Konstante bezeichnet wird. In Abb. 11.3 haben wir die unterschiedliche Absorption der rechts- und linkszirkular polarisierten Welle vernachlässigt. In diesem Fall erhalten wir nach Durchgang der Welle durch eine Schicht der Dicke d nur eine Drehung der Polarisationsebene, das Licht bleibt aber linear polarisiert. Durch die unterschiedliche Absorption der Wellen stimmt allerdings für z = d auch ihre Amplitude nicht mehr überein. Mit κ± = κ(1 ± b) erhalten

11 Dielektrische Eigenschaften

221 E–

z =0

E–

E– E+ Ex

Ex

y t=0 z =d

t = t1

x

t = t2 E–

k+d

Ex E– E+

EL E–

E+

E+

z E+

Ex

Ex

EL Ex

EL E+

k–d

Abb. 11.3: Drehung der Polarisationsebene von linear polarisiertem Licht beim Durchgang durch ein Medium mit n+ ≠ n− . Die Welle breitet sich in z-Richtung aus. Gezeigt ist die Überlagerung einer rechts- und linkszirkular polarisierten Welle zu einer linear polarisierten Welle bei z = 0 (oben) und z = d (unten) für den Fall n+ < n− , für den wir eine Rechtsdrehung der Polarisationsebene erhalten. Die Abschwächung der Amplitude durch Absorption wurde vernachlässigt.

wir eine Amplitudendifferenz ΔE 0 = E 0,− − E 0,+ = E 0 e−2πκd/λ 0 (e−2πbd/λ 0 − e+2πbd/λ 0 ) .// / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / /1 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 E 0 (d)

ΔE 0 = 2E 0 (d) sinh (

2 sinh(2πbd/λ 0 )

2πbd ). λ0

(A11.7.72)

Diese führt dazu, dass in Abb. 11.3 die Feldvektoren E+ und E− auf Kreisen mit unterschiedlichen Radien umlaufen. Aus der ursprünglich linear polarisierten Welle wird damit eine elliptisch polarisierte Welle. Die Elliptizität können wir mit dem Winkel α L = arctan (

E 0,− − E 0,+ ΔE 0 ) = arctan ( ) E 0,− + E 0,+ 2E 0

(A11.7.73)

charakterisieren (siehe hierzu Abb. 11.4). Üblicherweise definiert man einen komplexen Winkel φ− − φ+ E 0,− − E 0,+ , (A11.7.74) +ı Φ F = β L + ıα L = 2 E 0,− + E 0,+ um beide Effekte, die Drehung der Polarisationsebene und die endliche Elliptizität, durch eine Größe zu beschreiben. Der Index „F“ steht hierbei für Michael Faraday, der bereits im Jahr 1845 entdeckte, dass die Art und Weise, wie sich Licht in Materie ausbreitet, mit einem Magnetfeld beeinflusst werden kann. Insbesondere entdeckte er, dass sich die Schwingungsebene von linear polarisiertem Licht, das durch eine Glasplatte fällt, dreht, wenn ein Magnetfeld in Richtung der Ausbreitungsrichtung angelegt wird. (e) Für Metalle lässt sich der Faraday-Effekt schlecht beobachten, da die Plasmafrequenz üblicherweise im ultravioletten Spektralbereich liegt und deshalb sichtbares Licht stark

222

11 Dielektrische Eigenschaften Abb. 11.4: Änderung der Polarisationseigenschaften einer ursprünglich in x-Richtung linear polarisierten elektromagnetischen Welle bei der Transmission durch ein Medium der Dicke d, das sich in einem Magnetfeld Bext = (0, 0, B) befindet. Die Welle breitet sich in z-Richtung aus.

EL

y z

x

reflektiert wird. Bereits 1877 entdeckte aber John Kerr (1824–1907), dass linear polarisiertes Licht, das an den Polschuhen eines Magneten reflektiert wird, seinen Polarisationszustand ebenfalls in Abhängigkeit der Stärke des vom Magneten erzeugten Feldes ändert. Er hatte damit das Analogon zum in Transmission erhaltenen Faraday-Effekt, den nach ihm benannten magnetooptischen Kerr-Effekt (MOKE) entdeckt. Den KerrEffekt können wir genauso wie den Faraday-Effekt mit einem komplexen Winkel φ− − φ+ r− − r+ (A11.7.75) +ı Φ K = β K + ıα K = 2 r− + r+ beschreiben. Hierbei ist φ− − φ+ die Phasendifferenz der beiden reflektierten zirkular polarisierten Wellen und r± sind die Reflexionskoeffizienten, die mit Hilfe der Fresnelschen Formeln abgeleitet werden müssen. Der magnetooptische Kerr-Effekt (MOKE) wird heute häufig zur Untersuchung von ferromagnetischen Materialien, insbesondere zur Sichtbarmachung von magnetischen Domänen benutzt. An die Stelle des externen Magnetfeldes tritt in diesem Fall die Magnetisierung. Grundsätzlich werden die in Abb. 11.5 gezeigten Geometrien verwendet, die sich hinsichtlich der relativen Orientierung von Streuebene des linear polarisierten Lichts, die durch den Wellenvektor und die Flächennormale aufgespannt wird, und der Magnetisierungsrichtung unterscheiden. Wir unterscheiden danach zwischen polarem, longitudinalem und transversalem Kerr-Effekt. Bei der Verwendung von linear polarisiertem Licht müssen wir noch zwischen parallel und senkrecht polarisierten Wellen unterscheiden. Wir sprechen von TM-polarisiertem (TM = transversal magnetisch) bzw. parallel (p oder π) polarisiertem Licht, wenn die Schwingungsebene des magnetischen Feldes senkrecht zur Streuebene ist. Umgekehrt sprechen wir von TEpolarisiertem (TE = transversal elektrisch) bzw. von senkrecht (s oder σ) polarisiertem Licht, wenn das elektrische Feld senkrecht auf der Streuebene steht. Eine wichtige technische Anwendung des magnetooptischen Kerr-Effekts ist die magnetooptische Datenspeicherung.

Abb. 11.5: Geometrische Konfigurationen bei der Untersuchung des magnetooptischen Kerr-Effekts.

11 Dielektrische Eigenschaften A11.8

223

Lineare ferroelektrische Anordnung

Gegeben sei eine Kette von Atomen mit der Polarisierbarkeit α und dem gegenseitigen Abstand a. Zeigen Sie, dass die Anordnung eine spontane Polarisierung entwickeln kann, wenn α ≥

πa 3 ∞



n=1

Atom 1

D

.

1 n3

a

Atom 2

D

p1

Abb. 11.6: Zur Ableitung des ferroelektrischen

p2

x Kriteriums für einzelne Atome.

Lösung

Wir betrachten zuerst ein System aus zwei Atomen mit festem Abstand a und der Polarisierbarkeit α für jedes Atom (siehe Abb. 11.6) und überlegen uns, welche Beziehung zwischen a und α gelten muss, wenn das System ferroelektrisch sein soll? Das Dipolmoment p 2 des Atoms 2 mit Polarisierbarkeit α am Ort x = a ist gegeben durch p 2 = αє 0 E lok = αє 0 E(a)

(A11.8.1)

Wir müssen nun das lokale elektrische Feld E lok = E(a) bestimmen, das durch das Atom 1 an der Stelle x = a des Atoms 2 erzeugt wird. Nehmen wir an, dass das Atom 1 einen elektrischen Dipol der Stärke p 1 besitzt, so können wir für das resultierende Dipolfeld schreiben: E(r) =

r) ̂ r−p 1 3(p ⋅̂ . 4πє 0 r3

(A11.8.2)

Hierbei ist ̂ r der Einheitsvektor in Richtung von r. Nehmen wir an, dass p1 in Richtung der Verbindungsachse der beiden Atome zeigt, so können wir r = â x schreiben und ferner das Skalarprodukt durch eine Multiplikation der Beträge ersetzen. Wir erhalten damit E(a) =

1 2p 1 p1 1 3p 1 − p 1 = = . 4πє 0 a3 4πє 0 a 3 2πє 0 a 3

(A11.8.3)

Mit p 2 = αє 0 E lok = αє 0 E(a) erhalten wir dann p2 =

α 2p 1 α p1 = . 3 4π a 2πa 3

(A11.8.4)

Zum einen ist natürlich p 1 = p 2 = 0 eine Lösung dieser Gleichung. Im Falle eines Ferroelektrikums interessieren wir uns aber für die Lösung mit p 1 = p 2 = p ≠ 0. Dann muss nach

224

11 Dielektrische Eigenschaften na a

Abb. 11.7: Zur Ableitung des ferroelektrischen Kriteriums in einer linearen Kette von Atomen.

a 0

x

p

(A11.8.4) α = 2πa 3 gelten. Das ferroelektrische Kriterium lautet also α = 2πa 3 .

(A11.8.5)

Die Lösung für die lineare Kette erfolgt analog (siehe hierzu Abb. 11.7). Für ein Atom am Ort x = 0 wird ein elektrisches Dipolmoment p 0 = αE lok = αє 0 E(x = 0) induziert, wobei E lok = E(0) das am Ort x = 0 erzeugte elektrische Feld der elektrischen Dipolmemente p i aller anderen Atome an den Positionen x i = n i a ist. Oben haben wir für das elektrische Feld eines in x-Richtung ausgerichteten Dipolmoments E(x) =

1 p1 2πє 0 x 3

abgeleitet. Wir nehmen nun an, dass die Dipolmomente p i aller Atome der Kette gleich sind, d. h. p 1 = p 2 = p 3 = . . . = p i = p. Da jedes Atom zwei Nachbarn im Abstand x = n ⋅ a mit n = 1, 2, 3, . . . hat, erhalten wir insgesamt für das auf ein bestimmtes Atom wirkende elektrische Feld: ∞

E = 2∑ n=1

p p ∞ 1 p = = ζ(3) ∑ 3 2πє 0 (na) πє 0 a 3 n=1 n 3 πє 0 a 3 .// /0/ / 1

(A11.8.6)

=ζ(3)

ζ(3) = 1.2020569032 . . . Hierbei haben wir die Riemannsche ζ-Funktion (Bernhard Riemann, 1826–1866) ∞

ζ(z) = ∑ n=1

1 nz

verwendet. Andererseits ist aber p = αє 0 E lok . Setzen wir für E lok den Ausdruck (A11.8.6) ein, so ergibt sich die Beziehung p = αє 0 E = p

α ζ(3) . πa 3

(A11.8.7)

Offensichtlich ist p = 0 eine Lösung. Aber auch für α =

πa 3 = α krit ζ(3)

(A11.8.8)

11 Dielektrische Eigenschaften

225

ist ein im Prinzip beliebiges endliches elektrisches Dipolmoment p möglich. Das heißt, für α = α krit ist eine ferroelektrische Anordnung von Dipolmomenten möglich. Wichtig ist, dass wir eine solche Anordnung auch dann erhalten, wenn die einzelnen Atome zunächst kein elektrisches Dipolmoment besitzen. Durch Fluktuationen treten aber immer lokale Dipolmomente auf, die dann ferroelektrisch ausgerichtete Dipolmomente auf Nachbaratomen erzeugen, die wiederum positiv auf das sie erzeugende Dipolmoment zurückwirken. Für α < α krit ist die ferroelektrische Anordnung von induzierten Dipolmomenten energetisch nicht stabil. Eine durch Fluktuationen hervorgerufene lokale ferroelektrische Anordnung würde nach kurzer Zeit wieder zerfallen. Erst für α ≥ α krit wird die ferroelektrische Anordnung stabil. Nach den obigen Gleichungen kann das elektrische Dipolmoment im Prinzip beliebig große Werte annehmen. Dies resultiert aber aus der Tatsache, dass wir eine lineare Beziehung p = αє 0 E lok zwischen Dipolmoment und lokalem Feld angenommen haben. Diese lineare Beziehung gilt aber nur für kleine lokale Felder und damit kleine Dipolmomente. Für reale Systeme sorgen Nichtlinearitäten dafür, dass nicht beliebig große Werte von p möglich sind.

12 A12.1

Magnetismus Festkörper im inhomogenen Magnetfeld

Berechnen Sie die Kraft auf einen Festkörper in einem räumlich inhomogenen Magnetfeld. Nehmen Sie dazu an, dass einem homogenen Magnetfeld B 0 ein Feldgradient dB/dx überlagert ist. Diskutieren Sie die Änderung der freien Energie durch die Bewegung der Probe vom Ort x zum Ort x + dx. Diskutieren Sie die messtechnische Relevanz des Ergebnisses. Lösung

Wir betrachten die freie Energie eines magnetischen Systems, welches sich in einem angelegten Magnetfeld B befindet. Die freie Energie ist die Differenz aus der inneren Energie U des Systems und dem Produkt aus Temperatur und Entropie: F = U − TS .

(A12.1.1)

dU = TdS − pdV − V M ⋅ dBext

(A12.1.2)

Mit

erhalten wir das totale Differential der freien Energie zu dF = dU − SdT − TdS = −SdT − pdV − VM ⋅ dBext .

(A12.1.3)

Betrachten wir Prozesse, bei denen keine Temperaturänderung (dT = 0) sowie keine Volumenänderung (dV = 0) stattfindet, so gilt dF = −V M ⋅ dBext .

(A12.1.4)

Daraus folgt für die Magnetisierung Mi = −

3 B ext,j 1 ∂F ) = ∑ χi j ( V ∂B ext,i T,V μ0 j=1

(A12.1.5)

und die magnetische Suszeptibilität χ i j = μ0 (

∂M i μ0 ∂2 F ) = − ( ) . ∂B ext,j T,V V ∂B ext,i ∂B ext,j T,V

(A12.1.6)

228

12 Magnetismus

Wir betrachten jetzt die freie Energie eines Festkörpers in einem inhomogenen Magnetfeld an der Stelle x und x + dx bei konstanter Temperatur und konstantem Volumen. Mit (A12.1.5) gilt dF = F[B ext (x + dx)] − F[B ext (x)] ∂B ext ∂B ext ∂F = ( ) dx = −V M x dx . ∂B ext x ∂x ∂x

(A12.1.7)

Bei Vorhandensein eines Gradienten der freien Energiedichte in x-Richtung erhalten wir damit eine Kraft f x pro Volumen fx = −

∂B ext 1 ∂F = Mx , V ∂x ∂x

(A12.1.8)

die auf den Festkörper in dem Feldgradienten wirkt. Diese Kraft ist direkt proportional zur Magnetisierung und zum Feldgradienten in x-Richtung. Mit (A12.1.5) erhalten wir 3

fx = ∑ χi j j=1

B 0, j ∂B . μ0 ∂x

(A12.1.9)

Zeigt B 0 wie der Feldgradient in x-Richtung und liegt ein isotropes Material (χ i j → χ) vor, so können wir dies zu fx =

χ ∂B B0 μ0 ∂x

(A12.1.10)

vereinfachen. Daraus folgt, dass diamagnetische Festkörper mit χ < 0 eine Kraft erfahren, die in die Richtung niedrigerer Feldstärke zeigt, wogegen paramagnetische Festkörper eine Kraft erfahren, die in den Bereich höherer Feldstärke zeigt. Dies ist das Prinzip einer Faraday-Waage, bei der ein Festkörper in ein Magnetfeld gebracht wird, dem ein Feldgradient überlagert ist. Man misst dann die Auslenkung der Probe aus seiner Ruhelage durch die in dem Feldgradienten wirkende Kraft. Viele organische Materialien sind diamagnetisch. Dies kann dazu benutzt werden, biologische Materialien durch einen starken magnetischen Feldgradienten zu levitieren (siehe Abb. 12.1). Levitation erreicht man dann, wenn die Kraft im Feldgradienten größer als die Schwerkraft wird. A12.2

Hundsche Regeln

Geben Sie mit Hilfe der Hundschen Regeln den Grundzustand folgender Ionen an: (a) Pr3+ (b) Eu2+ in der Konfiguration 4 f 7 5s 2 p6 sowie Eu3+ in der Konfiguration 4 f 6 5s 2 p6 , (c) Tb3+ , (d) Er3+ , (e) Yb3+ und (f) Lu 3+ . Wir lauten die entsprechenden Termbezeichnungen 2S+1 L J des Grundzustands in spektroskopischer Notation?

12 Magnetismus

229

Abb. 12.1: Bild eines Frosches, der im starken Feldgradienten am oberen Ende einer supraleitenden Zylinderspule schwebt (Quelle: Lijnis Nelemans, High Field Magnet Laboratory, Radboud University Nijmegen).

Lösung

Wir rekapitulieren zunächst die Hundschen Regeln. Wir haben 2 ⋅ (2ℓ + 1) mögliche Elektronenzustände pro Elektronenschale eines Atoms, wobei der Faktor 2 aus den zwei verschiedenen Spin-Richtungen resultiert. Die Zahl ℓ = 0, 1, 2, 3, . . . gibt den Bahndrehimpuls der s, p, d, f , . . . Schale an. Wären alle Zustände energetisch entartet, so könnten wir die Elektronen beliebig auf diese Zustände verteilen. Durch Wechselwirkung der Elektronen untereinander und durch die Spin-Bahn-Kopplung (z. B. Russel-Saunders Kopplung) wird die Entartung teilweise aufgehoben und die Zustände werden gemäß den Hundschen Regeln bevölkert. Gute Kandidaten zur Anwendung der Hundschen Regeln sind die 3d (ℓ = 2) und die 4 f (ℓ = 3) Elemente, weil dort die Voraussetzungen für die Russel-Saunders Kopplung gut erfüllt sind. Es liegt in diesen Atomen eine starke Kopplung sowohl zwischen den einzelnen Bahndrehimpulsen ℓ i und Spins s i der einzelnen Elektronen vor, so dass die Bahndrehimpulse zuerst zu einem Gesamtdrehimpuls L = ∑ ℓi

(A12.2.1)

i

und die Spins zu einem Gesamtspin S = ∑ si

(A12.2.2)

i

koppeln. Erst dann koppeln L und S zu einem Gesamtdrehimpuls J. Der Hamilton-Operator H kommutiert mit den Operatoren für den Gesamtspin S = ∑ i s i , den Gesamtbahndrehimpuls L = ∑i ℓ i und den Gesamtdrehimpuls J = L + S. Dies bedeutet, dass die Operatoren L2 , Lz , S2 , Sz sowie J2 und Jz die Eigenwerte L, L z , S, S z , J, J z annehmen. Die Hundschen Regeln lauten: 1. Hundsche Regel: Maximierung der Gesamtspinquantenzahl S. Die Spins s i der Elektronen einer Schale orientieren sich so zueinander, dass sich unter Berücksichtigung des PauliPrinzips der maximale Wert von S = ∑ i m s i ergibt. Bei Halbfüllung liegt daher maximales S vor. Die 1. Hundsche Regel folgt aus dem Pauli-Prinzip und der Coulomb-Wechselwirkung

230

12 Magnetismus

und resultiert in einer Minimierung der Coulombabstoßung der Elektronen. Aufgrund des Pauli-Prinzips können sich nämlich Elektronen mit gleichem Spin nicht am gleichen Ort aufhalten (symmetrische Spin-Funktion erfordert antisymmetrische Ortsfunktion). Dadurch wird die Coulomb-Abstoßung minimiert. 2. Hundsche Regel: Maximierung der Gesamtbahndrehimpulsquantenzahl L. Die Bahndrehimpulse ℓ i der einzelnen Elektronen der Schale orientieren sich so, dass sich unter Berücksichtigung der 1. Hundschen Regel eine maximale Gesamtbahndrehimpulsquantenzahl L = ∑i m ℓ i ergibt. Bei halber Füllung liegt wegen der 1. Hundschen Regel natürlich L = 0 vor. Die 2. Hundsche Regel resultiert in einer Reduktion der CoulombEnergie durch eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Ladung in der Elektronenhülle. 3. Hundsche Regel: Kopplung von L und S zu J. Die resultierende Gesamtdrehimpulsquantenzahl J kann Werte von ∣L − S∣ bis (L + S) annehmen. Dies ermöglicht insgesamt (2L + 1)(2S + 1) Kombinationen. Diese Entartung wird durch die Spin-Bahn-Kopplung aufgehoben, die im Hamilton-Operator durch einen Term λ LS L ⋅ S berücksichtigt wird. Das Vorzeichen von λ LS entscheidet über die bevorzugte Ausrichtung. Für Füllungen unterhalb Halbfüllung (n < 2ℓ + 1) gilt λ LS > 0, für Füllungen oberhalb Halbfüllung (n > 2ℓ + 1) gilt λ LS < 0. Für J folgt daraus: ⎧ ⎪ ⎪∣L − S∣ für n ≤ (2ℓ + 1), J =⎨ ⎪ ⎪ ⎩L + S für n > (2ℓ + 1),

λ LS > 0 . λ LS < 0

(A12.2.3)

Für die Bezeichnung der Zustände benutzen wir die spektroskopische Notation. Hierzu bezeichnen wir den Zustand mit 2S+1 L J , wobei wir für die Gesamtbahndrehimpulsquantenzahl L die Buchstaben S, P, D, F, G, . . . für L = 0, 1, 2, 3, 4, . . . verwenden. Wir diskutieren exemplarisch den Grundzustand von Tb3+ . Die Grundzustände der anderen Ionen folgen analog. Dem Periodensystem entnehmen wir, dass das Element Terbium die Elektronenkonfiguration [Xe]4 f 9 6s 2 besitzt. Hierbei bezeichnen wir mit [Xe] die Konfiguration des Edelgases Xe, die als geschlossene Schale der Elektronenkonfiguration zugrunde liegt. Zusätzlich besitzt Tb nun noch 9 Elektronen in der 4 f -Unterschale sowie 2 Elektronen in der 6s-Schale. Im dreiwertigen Oxidationszustand, in dem die Lanthaniden am häufigsten auftreten, werden die beiden Außenelektronen in der 6s-Schale abgegeben. Sofern ein 5dElektron vorhanden ist, wird dieses ebenfalls abgegeben. Andernfalls wird ein Elektron aus der darunter liegenden 4 f -Schale abgegeben. Die Elektronenkonfiguration von Tb3+ vereinfacht sich somit zu [Xe]4 f 8 . Die Verteilung der 8 Elektronen auf die 4 f -Orbitale erfolgt nach den Hundschen Regeln. Wir diskutieren dies anhand von Tabelle 12.1. Die f -Orbitale repräsentieren Zustände mit Bahndrehimpulsquantenzahl ℓ = 3. Damit liegen (2ℓ + 1) = 7 verschiedene Orbitale vor, welche sich hinsichtlich der Orientierungsquantenzahl m ℓ = −3, −2, −1, +0, +1, +2, +3 unterscheiden. Jedes der Orbitale kann maximal mit 2 Elektronen unterschiedlicher Spin-Richtung besetzt werden. Nach der 1. Hundschen Regel wird zunächst jedes Orbital mit einem Elektron der Quantenzahl m s = + 12 besetzt, um S zu maximieren. Das verbleibende 8. Elektron muss nun einen m s = − 12 Zustand besetzen.

12 Magnetismus

231

Tabelle 12.1: Grundzustandskonfiguration der dreiwertigen Ionen der Seltenen Erden. Ion

Konfiguration

Schema

S

L

J

Term

0

0

0

1

m ℓ = +3, +2, +1, 0, −1, −2, −3 La3+ Pr

3+

[Xe]4 f 0 [Xe]4 f

2

↑ ↑

1

5

4

3

3

0

7F 0

Eu3+

[Xe]4 f 6

↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑

Eu2+

[Xe]4 f 7

↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑

7/2

0

7/2

Tb3+

[Xe]4 f 8

↑↓↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑

3

3

6

[Xe]4 f

↑↓↑↓↑↓↑↓↑ ↑ ↑

Er

3+

Lu3+

11

[Xe]4 f 1 4

S0

3

↑↓↑↓↑↓↑↓↑↓↑↓↑↓

3/2

6

15/2

0

0

0

8

H4

S7/2 7

4

F6

I15/2 1

S0

Die 2. Hundsche Regel erfordert nun, dass dabei das Elektron in einen Zustand mit möglichst großer Quantenzahl m ℓ eingebaut wird, so dass die Gesamtbahndrehimpulsquantenzahl L = ∑ i m ℓ i maximal wird. Das heißt, m ℓ = 3. Wir erhalten insgesamt somit S = 3, L = 3 und J = 6. In spektroskopischer Notation 2S+1 L J ergibt sich damit der Zustand 7 F6 . Die Konfigurationen der anderen Ionen ergeben sich entsprechend und sind in Tabelle 12.1 aufgezeigt. A12.3

Klassische Dipol-Dipol-Wechselwirkung

Ein magnetischer Dipol μ, der sich im Ursprung des Koordinatensystems befinden soll, erzeugt in seiner Umgebung die magnetische Feldstärke B(r) =

μ0 3(μ ⋅ r) r − r 2 μ . 4π r5

Berechnen Sie die Stärke des Magnetfeldes, welche ein Atom mit dem magnetischen Moment μ ≃ μB am Ort eines Nachbaratomes erzeugt. Der für die Ferromagneten Fe, Ni und Co typische Abstand nächster Nachbarn r 0 kann aus den folgenden Angaben berechnet werden: Fe besitzt ein bcc-Gitter mit a = 2.866 Å, Co ein hcp-Gitter mit a = 2.507 Å und Ni ein fccGitter mit a = 3.524 Å. Vergleichen Sie die maximale Energie der Dipol-Dipol-Wechselwirkung mit der thermischen Energie der Dipole bei der Curie-Temperatur, die für die genannten Materialien in der Größenordung von 1000 K liegt.

232

12 Magnetismus

Lösung

Wir bestimmen zunächst den Abstand r 0 der nächsten Nachbaratome in Fe, Co und Ni. Beim kubisch raumzentrierten Fe-Gitter ist r 0 die halbe Raumdiagonale eines Würfels mit Kantenlänge a: r0 =

a√ 3 = 2.482 Å . 2

(A12.3.1)

Für das hexagonale Co-Gitter ist r 0 = a = 2.505 Å .

(A12.3.2)

Für das kubisch flächenzentrierte Gitter von Ni ist schließlich r 0 die halbe Flächendiagonale der Seitenfläche eines Würfels mit Kantenlänge a r0 =

a√ 2 = 2.492 Å . 2

(A12.3.3)

Als typischen Abstand der Atome in diesen drei ferromagnetischen Materialien können wir also etwa 2.5 Å verwenden. Aus dem angegebenen Ausdruck B(r) =

μ0 3(μ ⋅ r) r − r 2 μ 4π r5

(A12.3.4)

für das Feld eines magnetischen Dipols können wir entnehmen, dass bei vorgegebenem r 0 das Magnetfeld am Ort des Nachbaratoms maximal ist, wenn dieses in Richtung der Dipolachse liegt, das heißt, wenn μ∥r0 . In diesem Fall erhalten wir für die magnetische Flussdichte B(r 0 ) =

μ0 2μ . 4π r 03

(A12.3.5)

Mit μ ≃ μB = 9.27 × 1024 J/T und r 0 ≃ 2.5 Å erhalten wir am Ort der nächsten Nachbarn die magnetische Flussdichte B(r 0 ) ≃ 0.12 T. Für die Wechselwirkungsenergie E dd zwischen dem betrachteten Dipol μ 1 im Ursprung und einem zweiten Dipol μ 2 am Ort r0 des nächsten Nachbaratoms erhalten wir E dd = −μ 2 ⋅ B1 (r0 ) ,

(A12.3.6)

wobei B1 (r0 ) das Feld des Dipols μ 1 am Ort des Dipols μ 2 ist. Aus (A12.3.5) und (A12.3.6) geht hervor, dass die Wechselwirkungsenergie negativ ist und den maximalen Betrag annimmt, wenn die beiden Dipole parallel und ferner kollinear zum Vektor r0 sind. Sind die beiden Dipole dagegen antiparallel, so ist die Wechselwirkungsenergie positiv, das heißt, die potentielle Energie wird in diesem Fall erhöht.

12 Magnetismus

233

Die maximale Energie der Dipol-Dipol-Wechselwirkung erhalten wir damit zu ∣E dd ∣ =

μ0 2μ1 μ2 . 4π r 03

(A12.3.7)

Mit μ1 = μ2 ≃ μB und r 0 ≃ 2.5 Å erhalten wir damit die Wechselwirkungsenergie ∣E dd ∣ ≃ 1.1 × 10−24 J = 6.9 μeV .

(A12.3.8)

Vergleichen wir diese Energie mit der thermischen Energie k B T, so sehen wir, dass die Wechselwirkungsenergie einer Temperatur von nur etwa 80 mK entspricht. Dies zeigt uns, dass eine gegenseitige Ausrichtung der magnetischen Dipole aufgrund der Dipol-DipolWechselwirkung nur bei Temperaturen unterhalb von etwa 0.1 K stattfinden kann. Die Curie-Temperatur von Fe, Co und Ni liegt dagegen im Bereich von 1000 K. Das bedeutet, dass gemäß μB ≃ k B T Felder im Bereich von etwa 1500 T notwendig wären, um diese hohen Ordnungstemperaturen zu ermöglichen. Solche Felder würden wir bei einem Atomabstand erhalten, der um mehr als den Faktor 10 geringer wäre. Die klassische Dipol-DipolWechselwirkung kann demnach nicht die Ursache der ferromagnetischen Ordnung in Fe, Co oder Ni sein. Die Ordnung wird vielmehr durch einen rein quantenmechanischen Effekt verursacht, der auf dem Pauli-Prinzip und der Überlappung der Orbitale benachbarter Gitteratome beruht. Diese resultieren in der sogenannten Austauschwechselwirkung. Im einfachsten Fall können wir diese durch ein Heisenberg-Modell beschreiben: HA = −J A

1 J1 ⋅ J2 . ħ2

(A12.3.9)

Hierbei sind J1 und J2 die mit den magnetischen Momenten verbundenen Drehimpulse (⟨J2 ⟩ = J(J + 1)ħ 2 ) und J A die Austauschkonstante, die je nach Art und Anordnung der beteiligten Atome positiv (ferromagnetische Ordnung) oder negativ (antiferromagnetische Ordnung) sein kann. Die Austauschwechselwirkung nimmt üblicherweise so stark mit zunehmender Entfernung ab, dass es in den meisten Fällen ausreicht, nur die nächste Nachbarwechselwirkung zu berücksichtigen. In vielen Fällen wird die Austauschwechselwirkung zwischen zwei paramagnetischen Ionen durch ein dazwischen liegendes diamagnetisches Ion vermittelt. Wir bezeichnen diese indirekte Austauschwechselwirkung als Superaustausch. Bekanntes Beispiel ist der Superaustausch in MnO, der zu einer antiferromagnetischen Ordnung führt. Der Austausch erfolgt hierbei über das diamagnetische O2− -Ion. A12.4

Brillouin-Funktion

Diskutieren Sie die paramagnetische Magnetisierung M para eines quantenmechanischen Systems aus gleichwertigen, nichtwechselwirkenden Atomen mit Gesamtdrehimpuls J [(2J + 1)-Niveau-System] im thermischen Gleichgewicht.

234

12 Magnetismus

(a) Diskutieren Sie den mittleren Wert ⟨m J ⟩ der magnetischen Quantenzahl in einem äußeren Feld B ext . (b) Leiten Sie einen Ausdruck für die Magnetisierung M para als Funktion des angelegten Magnetfeldes und der Temperatur ab und diskutieren Sie den Verlauf von M para . Entwickeln Sie die Funktion M para (x) nach der Größe x = g J μB B ext /k B T für x ≪ 1 und x ≫ 1. (c) Welches äußere Feld B ext wäre notwendig, um in einem System mit J = 1/2 bei Raumtemperatur etwa 80% der Sättigungsmagnetisierung zu erreichen? (d) Welches Ergebnis würde man für den Verlauf der Magnetisierung bei einer klassischen Rechnung erhalten? Zeigen Sie, dass das klassische Ergebnis mit √ dem quantenmechanischen Ergebnis übereinstimmt, wenn man die Größe μeff = g J J(J + 1)μB als Betrag des magnetisches Moments betrachtet. Warum besteht ein Unterschied zwischen μeff und dem Sättigungswert μs = g J μB J des magnetischen Moments in Richtung des angelegten Magnetfeldes? Lösung

(a) Für die Energie eines magnetischen Moments μ = −g J μB J in einem externen Magnetfeld Bext gilt E m J = −μ ⋅ Bext = +m J g J μB B ext .

(A12.4.1)

Hierbei ist J die Gesamtdrehimpulsquantenzahl, −J ≤ m J ≤ J die Orientierungsquantenzahl, g J der Landé-Faktor und μB = eħ/2m das Bohrsche Magneton. Wir müssen nun überlegen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die verschiedenen m J -Zustände besetzt werden. Hierzu definieren wir zunächst die Zustandssumme des Systems durch J

Em

−k

Z = ∑ e

J BT

=

m J =−J J

= ∑ e−m J x , m J =−J

J

∑ e



m J g J μ B B ext kB T

m J =−J

mit x =

g J μB B ext . kB T

(A12.4.2)

Hierbei ist x das Verhältnis der charakteristischen magnetischen und thermischen Energie. Für den Mittelwert von m J gilt unter Verwendung der Boltzmann-Statistik: +J

+J

∑ m J e−m J g J μ B B ext /k B T

⟨m J ⟩ =

m J =−J

+J



m J =−J

∑ m J e−m J x

= e−m J g J μ B B ext /k B T

m J =−J

+J



m J =−J

= − e−m J x

1 ∂Z . Z ∂x

(A12.4.3)

12 Magnetismus

235

Mithilfe des Mittelwerts ⟨m J ⟩ können wir die Magnetisierung M para des paramagnetischen Systems wie folgt berechnen: N g J μB ⟨m J ⟩ = −ng J μB ⟨m J ⟩ V 1 ∂Z 1 ∂Z ∂B ext = ng J μB = ng J μB Z ∂x Z ∂B ext ∂x 1 ∂Z = nk B T . Z ∂B ext

M para = −

(A12.4.4)

Wir sehen, dass wir zur Bestimmung von ⟨m J ⟩ und M para nur die Zustandssumme Z bestimmen müssen. Zur Berechnung der Zustandssumme Z benutzen wir die folgenden Zusammenhänge: n

Sn = ∑ q μ μ=0 n

qS n = ∑ q μ+1 μ=0

(1 − q)S n = 1 − q n+1 − 2 n q 2 − q 1 − q n+1 = q2 1 1 1−q q 2 − q− 2 n+1

Sn =

n+1

sinh ( n+1 ln q) 2

n

= e 2 ln q

.

sinh ( 12 ln q)

(A12.4.5)

Angewendet auf unser Problem erhalten wir +J

+J

Z = ∑ e−m J x =

−m J

x ∑ (e )

m J =−J

+J

=

m J =−J

−m J

y

∑ (e J )

,

(A12.4.6)

m J =−J

wobei wir die Abkürzung y = Jx = g J μB JB ext /k B T verwendet haben. Durch Substitution des Summationsindex m = −m J + J ,

−m J = m − J ,

(A12.4.7)

lässt sich Z umformen in 2J

y

Z = ∑ (e J )

2J

m−J

m=0

=e =

−y

e

y

= e−y ∑ (e J )

m

m=0 y J

1 − (e ) 1−e

2J+1 2J

y

y 2J

2J+1

y − 2J

e −e

=

y J

− 2J+1 2J

−e

y

y

=

e 2J [e− y 2J

2J+1 2J

e [e

y

y − 2J

sinh 2J+1 y 2J 1 sinh 2J y

.

− e+ −e

2J+1 2J

y + 2J

y

]

] (A12.4.8)

236

12 Magnetismus

Zusammengefasst haben wir also folgende Zustandssumme gefunden Z =

sinh 2J+1 y 2J sinh 2J1 y

.

(A12.4.9)

Als nächster Schritt folgt die Berechnung von Z −1 ∂Z/∂x Mithilfe der Quotientenregel der Differentiation erhalten wir ∂Z ∂x

=

1 ∂Z Z ∂x

=

1 sinh2

x 2

{

2J + 1 (2J + 1)x x 1 x (2J + 1)x cosh sinh − cosh sinh } 2 2 2 2 2 2

1 sinh

(2J+1)x 2

sinh x2

2J + 1 (2J + 1)x x 1 x (2J + 1)x cosh sinh − cosh sinh } 2 2 2 2 2 2 (2J + 1)x 1 x 2J + 1 coth − coth 2 2 2 2

⋅{ = y=Jx

(2J + 1)y 1 y 2J + 1 % coth − coth } = J B J (y) . = J{ 2J 2J 2J 2J

(A12.4.10)

Hierbei haben wir die sogenannte Brillouin-Funktion B J (y) =

2J + 1 (2J + 1)y 1 y coth − coth 2J 2J 2J 2J

(A12.4.11)

definiert, mit der wir ⟨m J ⟩ = −

1 ∂Z = −J B J (y) Z ∂x

(A12.4.12)

erhalten. (b) Mit Hilfe der Brillouin-Funktion können wir nach (A12.4.4) die Magnetisierung wie folgt angeben M para = −ng J μB ⟨m J ⟩ = +ng J μB JB J (y) ,

mit y =

g J μB JB ext . kB T

(A12.4.13)

Für den Fall sehr großer Felder und kleiner Temperaturen, also y ≫ 1, können wir folgende Näherung machen 1 + e−2z ez + e−z = ez − e−z 1 − e−2z −2z = [1 + e ] [1 + e−2z + e−4z + . . .]

coth z =

= 1 + 2e−2z + O (e−4z ) .

(A12.4.14)

Unter Verwendung dieser Näherung erhalten wir (2J+1)y y 2J + 1 1 [1 + 2e− J ] − [1 + 2e− J ] 2J 2J 1 y 1 − yJ −2 y = 1 − e [1 − (2J + 1)e ] = 1 − e− J + O (e−2 y ) . J J

B J (y) =

(A12.4.15)

12 Magnetismus

237

Brillouin Funktionen J=1/2

1

3/2

2

5

Langevin Funktion

Abb. 12.2: Brillouin-Funktionen B J (y) = M para /M s für verschiedene Werte der Drehimpulsquantenzahl J als Funktion von y = g J μ B JBext /kB T. Gestrichelt eingezeichnet ist die Langevin-Funktion als klassischer Grenzfall J → ∞.

Wir erkennen sofort, dass lim B J (y) = 1 ,

(A12.4.16)

y→∞

d. h. es wird die maximale Magnetisierung erreicht. Dies ist anschaulich klar, da hier die magnetische Energie groß gegenüber der thermischen Energie ist und es somit das äußere Feld schafft, gegen die Temperaturbewegung die magnetischen Momente auszurichten. Daher hat die Größe M s in der Gleichung M para = M s B J (y) ,

M s = ng J μB J

(A12.4.17)

die physikalische Bedeutung einer Sättigungsmagnetisierung. In Abb. 12.2 ist die Abhängigkeit von M para von der Variablen y = g J μB JB ext /k B T für verschiedene Werte der Drehimpulsquantenzahl J dargestellt. Für kleine Felder und/oder hohe Temperaturen, also y ≪ 1, können wir die cothFunktion in eine Reihe entwickeln. Es gilt 1 z z 3 2z 5 + − + −⋯ (A12.4.18) z 3 45 945 Berücksichtigen wir nur die beiden ersten Entwicklungsterme, so erhalten wir coth(z) =

B J (y) =

2J + 1 2J 1 (2J + 1)y 1 2J 1 y [ + ]− [ + ] 2J (2J + 1)y 3 2J 2J y 3 2J

1 1 y 1 (2J + 1)2 − 1 1 1 2J + 1 2 ] = y ) y] − [ + = [ + ( 2 y 3 2J y 3 (2J) 3 (2J)2 1 J +1 1 J+1 1 4J 2 + 4J y = y = Jx 3 4J 2 3 J 3 J 1 = (J + 1) x . 3 =

(A12.4.19)

238

12 Magnetismus

Das heißt, die Brillouin-Funktion nimmt linear mit y bzw. x zu. In diesem Limes erhalten wir somit für die Magnetisierung M para = ng J μB JB J (y) = ng J μB J

1 g J μB B ext (J + 1) 3 kB T .// / / / / / / 0// / / / / / / 1 =x

= n

+ 1) B ext 3k B T

g 2J μ2B J(J

(A12.4.20)

und für die paramagnetische Suszeptibilität ein Curie-Gesetz χ Curie = lim μ0 ( B ext →0

g 2J μ2B J(J + 1) ∂M C ) = nμ0 = ∂B ext T,V 3k B T T

(A12.4.21)

mit der Curie-Konstanten g 2J μ2B J(J + 1) μ2 p2 μ2B = nμ0 = nμ0 eff . (A12.4.22) 3k B 3k B 3k B √ Hierbei haben wir die effektive Magnetonenzahl p = g J J(J + 1) verwendet, mit der wir ein effektives magnetisches Moment μeff = pμB definieren können. (c) Abbildung 12.2 zeigt, dass für J = 1/2 etwa 80% der Sättigungsmagnetisierung für y = g J J μB B ext /k B T ≃ μB B ext /k B T = 1 erreicht wird. Hierbei haben wir g 1/2 ≃ 2 gesetzt (reines Spin-System). Mit μB = 9.27 × 10−24 J/T und k B = 1.38 × 10−23 J/K erhalten wir B ext ≃ 450 T. Solche Felder sind im Labor nicht erreichbar. Um bereits bei kleineren Feldern eine hohe Magnetisierung zu erreichen, müssen wir zu tiefen Temperaturen gehen. Für den Grad der Ausrichtung der Momente ist nur das Verhältnis B ext /T entscheidend. (d) Im klassischen Limes wird die Gesamtdrehimpulsquantenzahl J sehr groß und wir erhalten als klassisches magnetisches Moment √ μklass = lim μeff = lim g J μB J(J + 1) = g J μB J . (A12.4.23) C = nμ0

J→∞

J→∞

Dann lautet die Magnetisierung M para = nμklass B J (y) .

(A12.4.24)

Im klassischen Limes nimmt die Brillouin-Funktion die Form 1 lim B J (y) = B∞ (y) = coth y − ≡ L(y) J→∞ y

(A12.4.25)

an und geht somit in die sogenannte Langevin-Funktion L(y) = B∞ (y) über. Für die Magnetisierung erhalten wir in diesem Limes M para = nμklass L(y) ,

y =

μklass B ext . kB T

(A12.4.26)

Im Grenzfall hoher Felder, y → 1, gilt L(y) → 1 und daher ist M para = M s = nμklass .

(A12.4.27)

12 Magnetismus

239

Im Grenzfall niedriger Felder, y → 0, können wir die coth-Funktion entwickeln (coth z = 1/z + z/3 − . . .). Es gilt dann L(y) ≃ 1/y − y/3 − 1/y = y/3 und wir erhalten μ2 y = n klass B ext 3 3k B T 2 μklass μ2 C = nμ0 = , C = nμ0 klass . 3k B T T 3k B

M para = nμklass

(A12.4.28)

χ Curie

(A12.4.29)

Die molare Suszeptibilität (Einheit m3 /mol), d. h. die auf die Stoffmenge von 1 Mol bezogene Suszeptibilität, erhalten wir, indem wir in (A12.4.29) durch n teilen und mit der Avogadro-Konstante N A multiplizieren. Das Sättigungsmoment μs , also das maximale magnetische Moment in Feldrichtung erhalten wir im Grenzfall y → ∞ zu μs = μklass ≃ g J J μB .

(A12.4.30)

Diese Größe stimmt offenbar nicht mit dem Betrag des magnetischen Dipolmoments √ μeff = pμB = g J J(J + 1)μB überein. Für den Quotienten gilt μs J . = √ μeff J(J + 1)

(A12.4.31)

Dies lässt sich dadurch verstehen, dass der Gesamtdrehimpuls J entsprechend den Regeln, welche für Drehimpulse gelten, nur unter bestimmten Winkeln zur Feldrichtung stehen kann. Deshalb kann auch μ ∝ J nur unter bestimmten Winkeln zum Feld orientiert sein. Insbesondere kann μ nicht parallel zum angelegten Feld sein. Die z-Komponente des magnetischen Moments kann die Werte μz = −g J m J μB mit −J ≤ m J ≤ +J einnehmen. Für y → ∞ wird nur der Zustand mit m J = −J besetzt und wir erhalten den Sättigungswert (A12.4.30).

Zusatzbemerkung: Ausgehend von Gleichung (A12.4.13) können wir die Definition der paramagnetischen Suszeptibilität auch wie folgt verallgemeinern: g 2J μ2B J 2 ∂B J (y) ∂M para = nμ0 ∂B ext kB T ∂y g 2J μ2B J(J + 1) = nμ0 C J (y) 3k B T = χ Curie (T) C J (y)

χ = μ0

(A12.4.32)

mit C J (y) =

3J ∂B J (y) . J + 1 ∂y

(A12.4.33)

240

12 Magnetismus

J =1/2

Abb. 12.3: Die Funktion C J (y) aufgetragen gegen y = g J μ B JBext /kB T für verschiedene Werte von J. Der klassische Grenzfall J → ∞ ist gestrichelt eingezeichnet.

1

3/2

2

4

ь

Benutzen wir d 1 , coth z = − dz sinh2 z

(A12.4.34)

so können wir C J (y) in der Form C J (y) =

⎧ ⎪ 1 3 ⎪ ⎨ 2 4J(J + 1) ⎪ ⎪ ⎩ sinh

y 2J



⎫ ⎪ (2J + 1)2 ⎪ 2 2J+1 ⎬ sinh 2J y ⎪ ⎪ ⎭

(A12.4.35)

mit y = g J μB JB ext /k B T schreiben. Die Funktion C J (y) ist für verschiedene Werte von J in Abb. 12.3 dargestellt. Benutzen wir die Taylor-Entwicklung sinh z = z 2 +

z 4 2z 6 z8 + + +... 3 45 315

(A12.4.36)

so erhalten wir für den Grenzfall y → 0 das asymptotische Ergebnis C J (y) = 1 −

J 2 + (J + 1)2 2 y + O(y 4 ) . 10J 2

(A12.4.37)

Auf diese Weise erkennen wir, dass das paramagnetische Curie-Gesetz (A12.4.21) als lineare Antwort (engl. linear response) der Magnetisierung M para auf das äußere Magnetfeld B ext erhalten wird: χ Curie = lim = nμ0 B ext →0

g 2J μ2B J(J + 1) g 2J μ2B J(J + 1) lim C J (y) = nμ0 . (A12.4.38) y→0 3k B T 3k B T

12 Magnetismus

241

Im klassischen Limes J → ∞ gilt y→0

C∞ = 3

∂L(y) 1 1 y6 y 2 2y 4 % } = 3{ 2 − + − +⋯ = 1 − ∂y y 5 63 225 sinh2 y

(A12.4.39)

und wir erhalten y→0

J→∞

χ Curie

A12.5

μ2 μ2 y 2 2y 4 y6 % % + − + ⋯] . (A12.4.40) = nμ0 klass C∞ (y) = nμ0 klass [1 − 3k B T 3k B T 5 63 225

Quantenmechanisches Zweiniveausystem

Wir betrachten ein quantenmechanisches Zweiniveausystem (z. B. Spin-1/2-System im Magnetfeld). (a) Diskutieren Sie den Verlauf der spezifischen Wärme des Systems als Funktion der Größe k B T/Δ, wobei Δ der energetische Abstand der beiden Zustandsniveaus ist. Skizzieren Sie diese Funktion. Das Maximum in einer solchen Funktion wird als Schottky-Anomalie bezeichnet. Die maximale spezifische Wärme ist recht groß, für k B T ≪ Δ und für Δ ≪ k B T ist sie jedoch gering. 2 (b) Zeigen Sie, dass für Δ ≪ k B T für die spezifische Wärme C ≅ k B (Δ/2k B T) + ⋯ gilt. Die Hyperfein-Wechselwirkung zwischen magnetischen Kernmomenten und elektronischen magnetischen Momenten in paramagnetischen Salzen (und in Systemen mit geordneten Elektronenspins) verursacht eine Aufspaltung mit Δ/k B ≈ 1 bis 100 mK. Diese Aufspaltungen äußern sich experimentell oft dadurch, dass bei der spezifischen Wärme im Bereich k B T ≫ Δ ein Glied mit 1/T 2 auftritt. Elektrische KernquadrupolWechselwirkungen mit kristallelektrischen Feldern ergeben ebenfalls Aufspaltungen. Lösung

(a) Für ein Zweiniveausystem (J = 1/2, m J = ±1/2) erhalten wir analog zu Aufgabe A12.4 +1/2



⟨m J ⟩ =

m J =−1/2 +1/2



+1/2

m J e−m J g J μ B B ext /k B T

m J =−1/2



= e−m J g J μ B B ext /k B T

m J =−1/2

m J e−m J x

+1/2



m J =−1/2

= − e−m J x

1 ∂Z Z ∂x

(A12.5.1)

mit x = g J μB B ext /k B T. Wir erhalten für das mittlere magnetische Moment1 − 12 e x/2 + 12 e−x/2 e x/2 + e−x/2 1 x = g J μB tanh . 2 2

⟨μz ⟩ = −g J μB ⟨m J ⟩ = −g J μB = 1

sinh x2 1 g J μB 2 cosh x2

Wir benutzen sinh z = (ez − e−z )/2 und cosh z = (ez + e−z )/2.

(A12.5.2)

242

12 Magnetismus

Hierbei ist für ein reines Spin-System der g-Faktor g J = g s ≃ 2. Der Verlauf dieser Funktion entspricht dem der Brillouin-Funktion B J (y) für J = 1/2. Während für B ext = 0 die beiden Energieniveaus identische Besetzungszahlen aufweisen, was zu ⟨μz ⟩ = 0 führt, bewirkt die energetische Absenkung des Zustands mit m J = −1/2 ein Anwachsen der Besetzungszahl dieses Zustandes und damit ein endliches ⟨μz ⟩. Wir legen den Energienullpunkt in den unteren Zustand, so dass der obere die Energie Δ = 2μB B ext besitzt. Die Zustandssumme lautet dann Z = 1 + e−Δ/k B T

(A12.5.3)

und die innere Energie ergibt sich zu Δ 0 ⋅ e−0/k B T + Δ ⋅ e−Δ/k B T = N . 1 + e−Δ/k B T 1 + e Δ/k B T Für die spezifische Wärme c V = C V /V erhalten wir mit n = N/V U = N

−2 1 ∂U N Δ ) ( ) = − Δ (1 + eΔ/k B T ) ⋅ eΔ/k B T ⋅ (− V ∂T V V kB T 2 eΔ/k B T Δ 2 ( = nk B ) . 2 (1 + eΔ/k B T ) k B T

(A12.5.4)

cV =

(A12.5.5)

Diese Abhängigkeit ist in Abb. 12.4 gezeigt. (b) Für Δ/k B T ≪ 1 können wir die Näherung exp(Δ/k B T) ≃ 1 benutzen. Mit dieser Näherung sehen wir sofort, dass die spezifischen Wärme die Form c V = nk B (

Δ 2 ) 2k B T

(A12.5.6)

annimmt. Diese Abhängigkeit wird experimentell für Systeme mit besonders kleiner Aufspaltung Δ beobachtet (z. B. Hyperfein-Wechselwirkung/Kernquadrupolaufspaltung). In der spezifischen Wärme tritt ein Beitrag proportional zu 1/T 2 auf.

Abb. 12.4: Spezifische Wärme eines quantenmechanischen Zweiniveausystems.

12 Magnetismus A12.6

243

Paulische Spin-Suszeptibilität

Die Spin-Suszeptibilität eines Gases aus freien Elektronen (ohne jegliche Austauschwechselwirkung) am absoluten Nullpunkt kann auch wie folgt abgeleitet werden. Gegeben seien die Konzentrationen der Elektronen mit Spin σ nach oben σ =↑ und Spin nach unten σ =↓: n(σ) =

n [1 + σ ζ] , 2

n = ∑ n(σ) ;

σ = ±1 δn = ∑ σ n(σ) ;

σ=±1

ζ=

σ=±1

δn n

(a) Zeigen Sie, dass in einem äußeren Magnetfeld B ext für ein freies Elektronengas die Gesamtenergiedichte der Elektronen mit Spin-Projektion σ durch 5 E (σ) σ = nE 0 [1 + σ ζ] 3 − nμB B ext [1 + σ ζ] V 2

2

gegeben ist, wobei E 0 = 3E F0 /10 durch die Fermi-Energie E F0 = ħ 2 k F0 /2m ohne äußeres Feld gegeben ist. (b) Minimieren Sie die Gesamtenergiedichte E tot = ∑ E (σ) σ

durch Variation von ζ und bestimmen Sie in der Näherung ζ ≪ 1 den Gleichgewichtswert von ζ. Zeigen Sie schließlich, dass für die Magnetisierung M = μB δn = μB [n(+) − n(−) ] =

3nμ2B B ext 2E F0 | χP

gilt, wobei χ P die Paulische Spin-Suszeptibilität ist. Lösung

(a) Wir beginnen mit der Ableitung der mittleren kinetischen Energie pro Volumeneinheit für eine Spin-Projektion eines Elektronengases im Feld B ext = 0. Es gilt E kin 1 ħ2 2 = ∑ k Θ(k F − ∣k∣) V V 2m k kF

=

=

1 ħ2 V 4 ∫ dkk ∫ dΩ k V 2m (2π)3 0 .// / / / 0/ / / / / 1 2

k F5

4π ħ 2 k F2

ħ 4π 1 k3 = 2m (2π)3 5 10π 2 2m oF | 3π 2 n E F0

=

3 nE 0 ≡ nE 0 , 10 F

E0 =

3 0 E . 10 F

(A12.6.1)

244

12 Magnetismus

Für spinpolarisierte Elektronen mit Spin-Projektion σ gilt n(σ) = n[1 + σ ζ]/2 und wir (σ) können für die spinabhängige Fermi-Wellenzahl k F schreiben: (σ)3

kF

= 6π 2 n(σ) = 3π 2 n [1 + σ ζ] n3 (0)

=k F

(σ)

kF

(0)

1

= k F [1 + σ ζ] 3 .

(A12.6.2)

Dann ergibt sich für die mittlere kinetische Energie pro Volumen im Fall endlicher SpinPolarisation ζ =/ 0: (σ)

(0)2 E kin 5 1 ħ2 kF 1 ħ 2 (σ)5 (0)3 = = k k F [1 + σ ζ] 3 V 10π 2 2m F 10π 2 2m n 2 3π n

5 3 = nE 0 [1 + σ ζ] 3 10 F 5 = nE 0 [1 + σ ζ] 3 .

(A12.6.3)

Die Gesamtenergie pro Volumen und Spin-Projektion ergibt sich daraus zu (σ)

(σ) E E tot = kin − σ n(σ) μB B ext V V 5 σ = nE 0 [1 + σ ζ] 3 − nμB B ext [1 + σ ζ] . 2 Schließlich erhalten wir für die Gesamtenergie

(A12.6.4)

(σ)

E E tot (ζ) = ∑ tot V σ=±1 V

5

5

= nE 0 {[1 + ζ] 3 + [1 − ζ] 3 } − nμB B ext ζ .

(A12.6.5)

(b) Den optimalen Wert für die Spin-Polarisation ζ = δn/n erhalten wir aus der Bedingung 2 2 1 ∂E tot (ζ) 5 = nE 0 {[1 + ζ] 3 − [1 − ζ] 3 } − nμB B ext = 0 V ∂ζ 3 2

3

2

3 μB B ext 3 3 (1 + ζ) 3 − (1 − ζ) 3 nμB B ext = . = 4 2 10nE 0 2 E F0

(A12.6.6)

Eine Taylor-Entwicklung der linken Gleichungsseite liefert ζ+

2 3 7 5 104 7 3 μB B ext ζ + ζ + ζ +... = 27 243 6561 2 E F0 3 μB B ext ζ ≈ . 2 E F0

(A12.6.7)

12 Magnetismus

245

Drücken wir dieses Resultat schließlich durch die Zustandsdichte N F = D(E F )/V an der Fermi-Kante für beide Spin-Projektionen aus 3 n 2 E F0 δn 1 ζ = = N F μB B ext n n δn = ∑ σ n(σ) = N F μB B ext ,

NF =

(A12.6.8)

σ=±1

so erhalten wir schließlich für die paramagnetische Magnetisierung der Elektronen M = μB δn = μB [n(+) − n(−) ] = N F μ2B B ext = χ P H ext = χ P B ext /μ0

(A12.6.9)

und wir können als Paulische Spin-Suszeptibilität die Größe χ P = N F μ0 μ2B = N F (

γħ 2 ) 2

(A12.6.10)

identifizieren, wobei γ = (g/2)(e/m) das gyromagnetische Verhältnis ist. Zusatzbemerkung: Eine genauere Rechnung würde wie folgt vorgehen: 3 μB B ext 2 7 5 104 7 ≡ є = ζ + ζ3 + ζ + ζ +... 2 E F0 27 243 6561 ζ(є) = ζ 1 є + ζ 3 є 3 + ζ 5 є 5 + . . . 2 2 7 5 5 є = ζ 1 є + (ζ 3 + ζ 1 ) є 3 + (ζ 5 + ζ 12 ζ 3 + ζ )є + . . . . 27 9 243 1 Ein Koeffizientenvergleich liefert dann

(A12.6.11)

ζ1 = 1

(A12.6.12)

2 ζ3 = − 27 1 ζ5 = − 81 ⋮

(A12.6.13)

mit dem Ergebnis 2 3 1 5 є − є +... 27 81 3 5 2 3 μB B ext 1 3 μB B ext 3 μB B ext − ) − ) +... = ( ( 2 E F0 27 2 E F0 81 2 E F0

ζ(є) = є −

3

=

5

3 μB B ext 1 μB B ext 3 μB B ext − ( ) − ) +... ( 2 E F0 4 E F0 32 E F0

(A12.6.14)

246

12 Magnetismus

Das Resultat für die paramagnetische Magnetisierung lautet dann schließlich: 2 4 ⎫ ⎧ ⎪ ⎪ 1 μB B ext 1 μB B ext ⎪ ⎪ (A12.6.15) ⎬ M = N F μ2B B ext ⎨1 − ( ) − ) + . . . ( 0 0 ⎪ ⎪ 6 EF 16 EF ⎪ ⎪ ⎭ ⎩ A12.7

Curie-Weiss-Gesetz

Oberhalb der magnetischen Ordnungstemperatur lässt sich die magnetische Suszeptibilität einer ferro- bzw. antiferromagnetischen Substanz durch ein erweitertes Curie-Weiss-Gesetz χ = χ0 +

C T−Θ

beschreiben. (a) Erklären Sie die Bedeutung der Parameter χ 0 , C und Θ. Skizzieren Sie die Temperaturabhängigkeit von χ für eine ferro- bzw. antiferromagnetische Substanz. (b) Das Curie-Gesetz kann als Analogon zum idealen Gasgesetz der Thermodynamik angesehen werden. Diskutieren Sie die gemeinsamen Merkmale dieser beiden Gesetze und erläutern Sie die Analogie zwischen dem Curie-Weiss-Gesetz und der van der WaalsGleichung realer Gase. Lösung

(a) Die Temperaturabhängigkeit einer ferro- bzw. antiferromagnetischen Substanz können wir oberhalb der Ordnungstemperatur TC bzw. TN durch ein erweitertes Curie-Gesetz C (A12.7.1) T −Θ beschreiben. Der temperaturunabhängige Term χ 0 berücksichtigt hierbei die diamagnetischen Beiträge der abgeschlossenen Schalen, die aber meistens vernachlässigbar klein sind, und einen eventuell vorhandenen van Vleck Paramagnetismus. Wir werden bei der folgenden Betrachtung χ 0 vernachlässigen, so dass wir das Curie-Weiss-Gesetz χ = χ0 +

χ =

C T−Θ

(A12.7.2)

2 erhalten. Die Curie-Konstante C = μ0 nμeff /3k B gibt dabei Auskunft über das effektive√magnetische Moment μeff = pμB der paramagnetischen Ionen. Hierbei ist p = g J J(J + 1) die effektive Magnetonenzahl. Die endliche Wechselwirkung zwischen den einzelnen magnetischen Momenten bestimmt dagegen die charakteristische Temperatur Θ.

∎ Können wir die Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten völlig vernachlässigen, so wird Θ = 0 und wir erhalten das Curie-Gesetz χ = C/T eines Paramagneten.

12 Magnetismus

247

࣑ǡ ࣑ି૚

࣑ǡ ࣑ି૚

࣑ǡ ࣑ି૚

F F 0

T

0

TC 4

T Ͳ4

0

TN

T

Abb. 12.5: Schematische Darstellung der Temperaturabhängigkeit der Suszeptibilität durchgezogene Linien) und ihres Kehrwertes (gestrichelte Linien) eines Paramagneten (links), eines Ferromagneten (Mitte) und eines Antiferromagneten (rechts).

∎ Bei einer ferromagnetischen Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten liegt eine Tendenz zur parallelen Ausrichtung der magnetischen Momente vor. Dies äußert sich in einer paramagnetischen Curie-Temperatur Θ > 0, da aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung ein bestimmter Wert der Suszeptibilität χ bereits bei einer höheren Temperatur T erreicht wird als wenn keine Wechselwirkung vorliegt (Θ = 0). Die paramagnetische Curie-Temperatur Θ stimmt in der Molekularfeldnäherung mit der Curie-Temperatur TC überein. Letztere bezeichnet die Temperatur, bei der eine ferromagnetische Ordnung des Systems eintritt. Die Ordnungstemperatur realer Ferromagnete ist allerdings immer kleiner als der extrapolierte Wert Θ (siehe Abb. 12.5). Gleichung (A12.7.2) gibt also die Temperaturabhängigkeit der Suszeptibilität nur weit oberhalb von TC korrekt wieder. Unterhalb von TC weisen Ferromagnete eine nichtlineare Magnetfeldabhängigkeit der Magnetisierung auf (Hysteresekurve), weshalb hier der Begriff einer Suszeptibilität wenig Sinn macht. ∎ Eine antiferromagnetische Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten äußert sich in einer paramagnetischen Néel-Temperatur Θ < 0. In der Molekularfeldnäherung stimmt diese Temperatur mit der Néel-Temperatur TN überein, da aufgrund der antiferromagnetischen Wechselwirkung ein bestimmter Wert der Suszeptibilität χ jetzt bei einer im Vergleich zum wechselwirkungsfreien Fall niedrigeren Temperatur T erreicht wird. Bei der paramagnetischen Néel-Temperatur tritt die antiferromagnetische Ordnung der magnetischen Momente ein. In realen Substanzen liegt allerdings TN oft wesentlich unterhalb von ∣Θ∣. Im Gegensatz zu Ferromagneten weisen Antiferromagnete unterhalb von TN eine lineare Magnetfeldabhängigkeit der Magnetisierung auf, so dass die Suszeptibilität χ = μ0 M/B auch unterhalb von TN eine wohldefinierte Größe ist. Allerdings hängt die Suszeptibilität von der relativen Richtung zwischen äußerem Feld und der Richtung der magnetischen Momente ab. Wird das Magnetfeld senkrecht zur Richtung der magnetischen Momente angelegt, so erhält man eine temperaturunabhängige Suszeptibilität χ⊥ . Wird dagegen das Ma-

248

12 Magnetismus

gnetfeld parallel zur Richtung der magnetischen Momente angelegt, so erhält man eine temperaturabhängige Suszeptibilität χ∥ , die für T → 0 gegen Null geht. Liegt eine polykristalline Probe vor, so erhält man einen mittleren Wert χ = (χ∥ + 2χ⊥ )/3, der für T → 0 gegen 2/3 des Werts bei der Néel-Temperatur geht. In Abb. 12.5 sind die Temperaturabhängigkeiten der Suszeptibilität für einen Paramagneten, einen Ferromagneten und einen Antiferromagneten schematisch dargestellt. (b) Das Curie-Gesetz χ = C/T beschreibt die Temperaturabhängigkeit der Suszeptibilität eines idealen Systems von nichtwechselwirkenden magnetischen Momenten. Da wir jegliche Wechselwirkung ausschließen, wird eine endliche Magnetisierung nur durch das angelegte Magnetfeld verursacht. Dies ist vollkommen analog zum idealen Gasgesetz pV = N k B T, das den Zusammenhang zwischen Volumen und Druck angibt. Schreiben wir das Gasgesetz als 1 1 = p = χ p, V N kB T

(A12.7.3)

so können wir formal ebenfalls eine Suszeptibilität χ einführen, welche die lineare Antwort des Systems (Volumenänderung) auf die äußere Störung (Druckänderung) beschreibt. Für die Suszeptibilität ergibt sich auch eine 1/T-Abhängigkeit. Die Temperatur wirkt der Dichtezunahme durch den äußeren Druck entgegen, genauso wie die Temperatur der Magnetisierungszunahme durch das äußere Feld entgegenwirkt. Gehen wir zu einem Gas mit endlicher Wechselwirkung über, so gelangen wir zum realen Gas. Die Wechselwirkung wird hier durch zwei Parameter p 0 = aN 2 /V 2 und V0 = bN charakterisiert, die als Binnendruck und Kovolumen bezeichnet werden. Wir gelangen dann zur van der Waalsschen Zustandsgleichung (p + p 0 )(V − V0 ) = N k B T .

(A12.7.4)

In analoger Weise führt die endliche Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten in einer paramagnetischen Substanz zu einer Modifikation des Curie-Gesetzes, die zum Curie-Weiss-Gesetz χ = C/(T − Θ) führt. Bei sehr hoher Temperatur T ≫ Θ geht das Curie-Weiss-Gesetz näherungsweise in ein Curie-Gesetz über, genauso wie die van der Waalssche Zustandsgleichung für sehr hohe Temperaturen in das ideale Gasgesetz übergeht. Wird dagegen die Temperatur eines realen Gases abgesenkt, so führt die endliche Wechselwirkung zu einem Phasenübergang in den kondensierten Zustand. Dies ist wiederum völlig analog zum Übergang des wechselwirkenden magnetischen Systems in einen magnetisch geordneten Zustand.

A12.8

Ferromagnetismus der Leitungselektronen

Man kann den Effekt der Austauschwechselwirkung unter den Leitungselektronen dadurch annähern, dass man annimmt, Elektronen mit parallelen Spins übten aufeinander eine Wechselwirkung mit Energie −U aus (U ist positiv), während Elektronen mit antiparallelen Spins nicht miteinander wechselwirken.

12 Magnetismus

249

(a) Zeigen Sie unter Zuhilfenahme der Ergebnisse der Aufgabe zur Paulischen Spin-Sus1 zeptibilität, dass E + = nE 0 (1 + ζ)5/3 − 8V U N 2 (1 + ζ)2 − 12 nμB ext (1 + ζ) die Gesamtenergiedichte der Elektronen mit Spin nach oben ist. Finden Sie einen entsprechenden Ausdruck für E − . Hierbei ist ζ = δn/n die Spin-Polarisation, wobei δn = n+ − n− der Dichteunterschied der beiden Spin-Sorten ist, mit n+ = n2 (1 + ζ) und n− = n2 (1 − ζ). (b) Minimieren Sie die Gesamtenergiedichte E total und lösen Sie für den Grenzfall ζ ≪ 1 nach ζ auf. Zeigen Sie, dass für die Magnetisierung M = 3nμ2B B ext /(2E F − 32 U N) gilt. Dies bedeutet, dass die Austauschwechselwirkung die Suszeptibilität vergrößert. (c) Zeigen Sie, dass ohne äußeres Feld B ext = 0 die totale Energie für ζ = 0 instabil ist, wenn U > 4E F /3N. Falls diese Bedingung erfüllt ist, besitzt der ferromagnetische Zustand eine niedrigere Energie als der paramagnetische. Wegen der Annahme ζ ≪ 1 ist dies zwar eine hinreichende, aber keine notwendige Bedingung für das Auftreten von Ferromagnetismus. Lösung

Wir betrachten ein System mit N Elektronen bzw. einer Elektronendichte n = N/V. Für die beiden Spin-Projektionen σ = ±1 gilt N N (1 + ζ) = (1 + 2 2 N N (1 − N − = (1 − ζ) = 2 2 N+ =

δN ), N δN ), N

n n (1 + ζ) = (1 + 2 2 n n = (1 − ζ) = (1 − 2 2

n+ = n−

δn ) (A12.8.1) n δn ) . (A12.8.2) n

(a) Wir bestimmen zunächst die Anzahl von Elektronenpaaren für die Spin-Projektion σ = +1. Da jedes Elektron mit jedem anderen ein Paar bilden kann, ist die Gesamtzahl der Paare etwa 1 + 2 1 N 2 1 (A12.8.3) (N ) = ( ) (1 + ζ)2 = N 2 (1 + ζ)2 , 2 2 2 8 wobei die Selbstpaare, die hier in verschwindender Größe eingehen, nicht berücksichtigt werden. Die Austauschenergie E A , um die die Gesamtenergie abgesenkt wird, beträgt gerade U mal der Anzahl der Paare, also 1 E A = − U N 2 (1 + ζ)2 , 8 und damit die Energiedichte

(A12.8.4)

1 EA 1 (A12.8.5) = − U N 2 (1 + ζ)2 = − nU N(1 + ζ)2 , V 8V 8 wobei wir n = N/V verwendet haben. Mit dem Ergebnis (A12.6.4) aus Aufgabe A12.6 beträgt die Gesamtenergiedichte für die beiden Spin-Projektionen (σ = ±1) 1 1 E± = nE 0 (1 ± ζ)5/3 ∓ nμB B ext (1 ± ζ) − nU N(1 ± ζ)2 . V 2 8 Hierbei ist E 0 = 3E F /10 und n = N/V.

(A12.8.6)

250

12 Magnetismus

(b) Wir betrachten nun die Gesamtenergiedichte E tot 1 = (E + + E − ) V V 1 = nE 0 {(1 + ζ)5/3 + (1 − ζ)5/3 } − nμB B ext ζ − nU N(1 + ζ 2 ) . (A12.8.7) 4 Für ∣ζ∣ ≪ 1 erhalten wir dann wie in Aufgabe A12.6 1 20 1 ∂E tot ≃ nE 0 ζ − nμB B ext − nU N ζ = 0 V ∂ζ 9 2

(A12.8.8)

und damit ζ = =

nμB B ext nμB B ext = 2nE F 1 1 − 2 nU N − 2 nU N 3 3μB B ext nμB B ext = , 2E F − 32 U N [2E F − 32 U N]

20 nE 0 9 n 3

(A12.8.9)

3 wobei wir wieder E 0 = 10 E F benutzt haben. Für die Magnetisierung erhalten wir damit

M = (n+ − n− )μB =

3nμ2B δn B ext . nμB = ζnμB = n 2E F − 32 U N

Wir können ferner die Beziehung D(E F ) = M =

3 N 2 EF

(A12.8.10)

benutzen und erhalten damit

D(E F ) 2 μB B ext 3nμ2B B ext 3nμ2B B ext V = = 3 3N U 2E F − 2 U N 1 − D(E2F )U 2E F [1 − 2E ] F 2

(A12.8.11)

und somit für die Suszeptibilität D(E F ) 2 μB χp ∂M V = μ0 = . χ = μ0 D(E F )U D(E F )U ∂B ext 1− 2 1− 2

(A12.8.12)

Wir sehen, dass die Austauschwechselwirkung die paramagnetische Spin-Suszeptibilität χ p , also die Suszeptibilität eines freien Elektronengases ohne Austauschwechselwirkung, vergrößert. Wir sehen ferner, dass wir eine Divergenz für 12 D(E F )U = 1 erhalten (Stoner-Kriterium). Wird das Stoner-Kriterium erfüllt, erhalten wir einen ferromagnetischen Zustand. Dies entspricht der Bedingung für eine Polarisationskatastrophe in einem Ferroelektrikum. (c) B ext = 0 bedeutet, dass ζ ≪ 1 ist. Dann ist wieder die Näherung erlaubt, die bei der Ableitung der Gesamtenergie nach ζ in Aufgabe A12.6 gemacht wurde. Um festzustellen, ob wir ein Minimum oder ein Maximum der Gesamtenergiedichte vorliegen haben, müssen wir auch die zweite Ableitung nach ζ bilden. Wir erhalten ein Maximum, wenn 20 1 1 ∂ 2 E tot ≃ nE 0 − nU N < 0 , V ∂ζ 2 9 2

(A12.8.13)

12 Magnetismus

251

das heißt, wenn 4 EF 2 40 nE 0 = = . U > 9 nN 3 N D(E F )

(A12.8.14)

3 E F benutzt. Gleichung Hierbei haben wir wiederum D(E F ) = 32 ENF und E 0 = 10 (A12.8.14) ist nichts anderes als das Stoner-Kriterium. Wird das Stoner-Kriterium nicht erfüllt, d. h. ist 12 U D(E F) < 1, dann hat die Ableitung ein Maximum und der ferromagnetische Zustand ist nicht stabil.

A12.9

Spezifische Wärme von Magnonen

Benutzen Sie die angenäherte Magnonen-Dispersionsrelation ħω = ħAk 2 , um die spezifische Wärme eines dreidimensionalen Ferromagneten bei tiefen Temperaturen (k B T ≪ J A ) herzuleiten. Nickel besitzt ein kubisch raumzentriertes Gitter mit einer Gitterkonstanten a = 3.52 Å und eine Debye-Temperatur von Θ D = 450 K. Die Dispersionsrelation der Magnonen bei großen Wellenlängen kann durch ħω = ħAk 2 mit ħA = 6.4 × 10−40 Jm2 beschrieben werden. Berechnen Sie mit diesen Angaben die Austauschkonstante J A und den Beitrag der Magnonen zur spezifischen Wärme bei 4.2 K. Nehmen Sie dabei an, dass die Spin-Quantenzahl S = 1/2 ist. Bei welcher Temperatur tragen Magnonen und Phononen gleich zur spezifischen Wärme bei? Lösung

Wir gehen von der Dispersionsrelation für ferromagnetische Magnonen aus: ω(q) = ω q =

2J A S [1 − cos qa] . ħ2

(A12.9.1)

Für kleine Wellenzahlen (langwelliger Bereich) können wir die Näherung 2J A S q2 a 2 q4 a 4 [1 − (1 − + − . . .)] ħ2 2 24 JA S ≃ 2 a 2 ∣q∣2 ≡ A∣q∣2 ħ

ωq =

(A12.9.2)

verwenden. Wir untersuchen zuerst ganz allgemein, was passiert, wenn wir diese Dispersionsrelation für bosonische Anregungen auf einen allgemeinen Exponenten ν verallgemeinern: ν

∣q∣ ∣q∣ ω q = A∣q∣ν = Aq ν0 ( ) = ω 0 ( ) q0 S q0 ω0

ν

(A12.9.3)

252

12 Magnetismus

Dies hat den Charme, dass wir dann Phononen (ν = 1), Magnonen (ν = 2) etc. auf derselben Stufe behandeln können. In (A12.9.3) bedeutet ω 0 eine charakteristische Frequenz der bosonischen Anregung (bei Phononen z. B. die Debye-Frequenz ω D ) und q 0 ist eine charakteristische Wellenzahl. Für einen gegebenen Exponenten ν lässt sich daraus ganz allgemein die innere Energie U(T) und die spezifische Wärmekapazität C V (T) bei tiefen Temperaturen berechnen. Am Ende der Rechnung setzen wir dann ν = 2 für Magnonen und ν = 1 für Phononen. Um die innere Energie eines Systems bosonischer Anregungen zu berechnen, müssen wir über ihre q-abhängigen Energien gewichtet mit ihrer Besetzungszahl aufsummieren. Diese Wellenzahl-Summationen über eine vorgegebene Größe F(q) = F(ω q ) können wir allgemein wie folgt schreiben: F = ∑ F(ω q ) = Z(q) ∫ d 3 q F(ω q ) = q

V 3 ∫ d q F(ω q ) . (2π)3

(A12.9.4)

Sind die Flächen konstanter Frequenz Kugelflächen, so können wir dies umschreiben in +1

q0

F =



V d cos θ dφ 4π ∫ dq q 2 ∫ F(ω q ) ∫ 3 (2π) 2 2π 0 −1 0 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1 d 2 Ω q /4π

q0

=

d 2 Ωq V 2 dq q F(ω q ) ∫ ∫ 2π 2 4π 0

ω0

ω0

d 2 Ωq V ∣q∣2 F(ω q ) = ∫ dω q D(ω q )F(ω q ) = ∫ dω q ∫ 4π 2π 2 dω q /dq 0 0 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1

(A12.9.5)

D(ω q )

mit der Zustandsdichte D(ω q ) = ∫

d 2 Ωq V ∣q∣2 . 4π 2π 2 dω q /dq

(A12.9.6)

Mit der allgemeinen Dispersionsrelation ω q = Aq ν erhalten wir daraus 1

1

ωq ν ωq ν q = ( ) = q0 ( ) A ω0 1 1 1 ω q ν dω q q 0 ω q ν dω q dq = ( ) = ( ) ν A ωq ν ω0 ωq 3

3

ωq ν 1 Vq 30 ω q ν 1 V D(ω q ) = ( = ( ) . ) 2νπ 2 A ωq 2νπ 2 ω 0 ωq

(A12.9.7)

12 Magnetismus

253

Für die Größe F erhalten wir damit ω0

ω0

dω q 3ν V 1 F = ∫ dω q D(ω q )F(ω q ) = ω q F(ω q ) 3 ∫ 2 2νπ A ν ωq 0 0 ω0

3

dω q ω q ν Vq 30 ( ) F(ω q ) . = ∫ 2 2νπ ωq ω0

(A12.9.8)

0

Wir benutzen nun diesen allgemeinen Ausdruck, um die innere Energie U(T) abzuleiten. Wir identifizieren ħω q

F = ħω q ⟨n(ω q )⟩ = e

ħ ωq kB T

(A12.9.9)

−1

und erhalten ω0

U = ∫ dω q D(ω q ) 0

ħω q e

ħ ωq kB T

.

(A12.9.10)

−1

Einsetzen der Zustandsdichte ergibt 3

ω0

ω qν V ħ dω q 3 ∫ ħ ωq 2νπ 2 A ν e kB T − 1 0

=

U

ħ ωq BT

x= k

V (k B T) ν +1 3 2νπ 2 (ħA) ν 3

% =

3 ν +1

Vq 30 (k B T) 3 2νπ 2 (ħω 0 ) ν

=

ħω 0 /k B T

∫ 0 ħω 0 /k B T

∫ 0

3

dx x ν ex − 1 3

dx x ν . ex − 1

(A12.9.11)

Wir verwenden ∞

∫ dx 0

xz = Γ(z + 1)ζ(z + 1) , −1

(A12.9.12)

ex

wobei Γ die Eulersche Γ-Funktion und ζ die Riemannsche ζ-Funktion darstellen, und erhalten damit ħω 0 /k B T

α ν = lim

T→0

∫ 0



3

dx x ν = ∫ ex − 1 0

3

dx x ν 3 3 ≡ Γ ( + 1) ⋅ ζ ( + 1) . ex − 1 ν ν

(A12.9.13)

254

12 Magnetismus

Mit diesem Ergebnis erhalten wir für die innere Energie V (k B T) ν +1 Vq 30 (k B T) ν +1 = α . ν 3 3 2νπ 2 (ħA) ν 2νπ 2 (ħω 0 ) ν 3

U(T) = α ν

3

(A12.9.14)

Durch Ableiten nach der Temperatur erhalten wir die Wärmekapazität 3

V ∂U 3 kB T ν C V (T) = ( ( ) = ( + 1) k B α ν ) ∂T V ν 2νπ 2 ħA

3

Vq 30 k B T ν 3 = ( + 1) k B α ν ( ) . ν 2νπ 2 ħω 0

(A12.9.15)

Wir können nun diesen allgemeinen Ausdruck verwenden, um einige Spezialfälle der allgemeinen Dispersionsrelation ω q = A∣q∣ν zu diskutieren. ∎ Magnonen (ν = 2): 5

5

V (k B T) 2 Vq 30 (k B T) 2 = α U(T) = α 2 2 3 4π 2 (ħA) 2 4π 2 (ħω 0 ) 32 3

3

V Vq 30 k B T 2 5 kB T 2 5 CV = kB α2 ( = α ( ) ) k B 2 2 4π 2 ħA 2 4π 2 ħω 0 5 5 5 3√ α2 = Γ ( ) ⋅ ζ ( ) = π ⋅ ζ ( ) = 1.7832931 . . . . 2 2 4 2 ∎ Phononen (ν = 1, q 0 = q D , ω 0 = ω D ): U(T) = α 1

(A12.9.16)

V (k B T)4 Vq 3D (k B T)4 = α 1 2π 2 (ħA)3 2π 2 (ħω D )3

V Vq 3D k B T 3 kB T 3 ( = 4k α ( ) ) B 1 2π 2 ħA 2π 2 ħω D π4 π4 α 1 = Γ (4) ⋅ ζ (4) = 3! = = 6.4939394 . . . . 90 15

C V = 4k B α 1

(A12.9.17)

Austauschkonstante: Um die Austauschkonstante von Co zu bestimmen, müssen wir berücksichtigen, dass (A12.9.1) die Dispersion für eine eindimensionale Spin-Kette angibt. Für drei Dimensionen erhalten wir ωq =

2J A S z ∑ [1 − cos q ⋅ r i ] . ħ 2 i=1

(A12.9.18)

Da die Austauschwechselwirkung sehr schnell mit dem Abstand abnimmt, müssen wir nur über die z nächsten Nachbarn mit Abstand r i aufsummieren. Da Co ein kubisch raumzentriertes Gitter besitzt, ist z = 8 (siehe hierzu Abb. 12.6). Im Folgenden werden wir annehmen,

12 Magnetismus

255

ࢇ ૜ൗ ૛ ࢇ ૛ൗ ૛

D

q Abb. 12.6: Kubisch raumzentriertes Gitter mit den für die Ableitung der Austauschkonstanten relevanten Größen. Das Co-Atom im Zentrum des Würfels besitzt 8 nächste Nachbarn auf den Würfelecken.

a

dass q in [100]-Richtung zeigt. Der Winkel zwischen q und r i beträgt dann √ √ 2 a 2/2 = = 0.816 . . . sin α = √ 3 a 3/2 α = 54.735 . . .○ ,

cos α = 0.577 . . . .

(A12.9.19)

Mit diesem Ergebnis können wir die Dispersionrelation für kleine Wellenzahlen schreiben als ⎡ ⎤ ⎢ ⎥ ⎥ 2J S 8 8 ⎢ 2J A S 1 3a 2 ⎢ ⎥ A ω q = 2 ∑ ⎢1 − cos q ⋅ r i ⎥ = 2 ∑ [1 − (1 − q 2 cos2 α + . . .)] ⎥ ħ i=1 ⎢ ħ 2 4 n i=1 ⎢ ⎥ √ ⎢ q a 2 3 cos α ⎥ ⎣ ⎦ 6J A S (A12.9.20) ≃ 2 a 2 cos2 α q 2 ħ .// / / / / / / / / / / / / / / / / 0// / / / / / / / / / / / / / / / / 1 A

und erhalten für die Austauschkonstante JA =

ħ2 A . 6Sa 2 cos2 α

(A12.9.21)

Mit ħA = 6.4 × 10−40 Jm2 , S = ħ/2, cos2 α = 0.333 und a = 3.52 × 10−10 m erhalten wir J A = 5.16 × 10−21 J = 32.3 meV .

(A12.9.22)

Spezifische Wärmekapazität: Zur Berechnung der spezifischen Wärmekapazität der Magnonen benutzen wir (A12.9.16) und erhalten 5

cV

k B2 3 5 CV 2 . = = α2 3 T 2 V 8π (ħA) 2

(A12.9.23)

Mit ħA = 6.4 × 10−40 Jm2 , k B = 1.38 × 10−23 J/K und α 2 = 1.783 . . . erhalten wir 3

c V = 4.933 ⋅ (T[K]) 2

J . m3 ⋅ K

(A12.9.24)

256

12 Magnetismus

Zur Berechung der spezifischen Wärmekapazität der Phononen benutzen wir (A12.9.17) und erhalten cV =

2 2 CV kB T 3 T 3 ) = α 1 2 k B q 3D ( ) . = α 1 2 k B q 3D ( V π ħω D π ΘD

(A12.9.25)

Die Debye-Wellenzahl q D = (6π 3 N/V)1/3 erhalten wir mit Hilfe der Atomdichte n = N/V = 2/a 3 = 4.585 × 1028 m−3 zu q D = 1.395 × 1010 m−1 . Verwenden wir ferner Θ D = 450 K und α 1 = 6.4939, so erhalten wir c V = 0.541 ⋅ (T[K])3

J . m3 ⋅ K

(A12.9.26)

Setzen wir die spezifischen Wärmekapazitäten der Magnonen und Phononen gleich, so ergibt sich 3

4.933 ⋅ (T[K]) 2 = 0.541 ⋅ (T[K])3 T = 4.36 K .

(A12.9.27)

Wir sehen, dass die Wärmekapazität der Magnonen nur bei sehr tiefen Temperaturen dominiert. A12.10

Sättigungsmagnetisierung von Ferrimagneten

In dem Ferrimagneten NiFe2 O4 kompensieren sich die Spins der Fe-Atome gerade, so dass nur die Ni2+ -Ionen zur Magnetisierung beitragen. Wie groß ist die Sättigungsmagnetisie3 rung von NiFe2 O4 , wenn die Dichte durch ρ = 5.368 g/cm gegeben ist? Lösung

Der Ferrimagnet NiFe2 O4 kristallisiert in der inversen Spinellstruktur (siehe Abb. 12.7). Die Spinell-Struktur ist eine weit verbreitete, nach ihrem Hauptvertreter, dem Mineral Spinell (Magnesiumaluminat, MgAl2 O4 ) benannte Kristallstruktur für Verbindungen des Typs AB2 X4 . Die Struktur besteht aus einer kubisch flächenzentrierten Kugelpackung der X-Ionen (O2− im Fall des MgAl2 O4 ), deren Tetraederlücken zu einem Achtel die meist zweifach positiv geladenen A-Ionen (Mg2+ ) und deren Oktaederlücken zur Hälfte die häufig dreifach positiv geladenen B-Ionen (Al3+ ) besetzen. Somit ist jedes Mg2+ -Ion von vier O2− -Ionen und jedes Al3+ -Ion von sechs O2− -Ionen umgeben. In inversen Spinellen sind die A- und B-Ionen teilweise vertauscht: 1/8 der Tetraederplätze sind durch B- und die Hälfte der Oktaederlücken durch A- und B-Ionen belegt. So werden im NiFe2 O4 in der kubisch dichtesten Packung der Ionen die Tetraederlücken zu 1/8 von Fe3+ -Ionen und die Oktaederplätze zu je 1/4 von Ni2+ - und Fe3+ -Ionen besetzt. In NiFe2 O4 liegen Fe3+ - und Ni2+ -Ionen vor. Fe3+ hat 5 Elektronen in der 3d-Schale und besitzt nach den Hundschen Regeln einen Grundzustand mit S = 5/2, L = 0 und J = 5/2.

12 Magnetismus

257

AͲPlätze,tetraedrisch

S = 5/2

Fe, Ni (B)

8Fe3+ BͲPlätze,oktaedrisch

O2

S = 5/2 S=1 8Fe3+

8Ni2+

Fe (A)

Abb. 12.7: Spin-Anordnung in NiFe2 O4 (NiO⋅Fe2 O3 ). Die Spins der tetraedrisch und oktaedrisch koordinierten Fe3+ -Ionen stehen antiparallel, so dass zur Sättigungsmagnetisierung effektiv nur die Spin-Momente der oktaedrisch koordinierten Ni2+ -Ionen beitragen. Rechts ist die inverse Spinellstruktur von NiFe2 O4 gezeigt. Die tetraedrisch koordinierten A-Plätze werden von dreiwertigen und die oktaedrisch koordinierten B-Plätze zu jeweils 50% von drei- und zweiwertigen Ionen besetzt.

Jedes Fe3+ -Ion sollte deshalb ein magnetisches Moment von 5μB beitragen. Ni2+ hat einen Grundzustand mit S = 1, L = 3 und damit J = 4. Aufgrund des Kristallfeldes verschwindet allerdings der Beitrag der Bahnbewegung zum magnetischen Moment und wir erwarten deshalb, dass jedes Ni2+ -Ion ein magnetisches Moment von 2μB beiträgt. Wären alle Momente parallel ausgerichtet, würden wir insgesamt eine Sättigungsmagnetisierung von 2 ⋅ 5 + 2 = 12 Bohrschen Magnetonen pro Formeleinheit erwarten. Im Experiment gemessen werden dagegen nur etwa 2μB . Dieser Unterschied kommt dadurch zustande, dass die magnetischen Momente der Fe3+ -Ionen antiparallel zueinander stehen (siehe Abb. 12.7), so dass nur das Moment des Ni2+ -Ions übrig bleibt, das gerade 2μB beträgt. Neutronenbeugungsexperimente an NiFe2 O4 haben diese Vorstellung bestätigt. Wir bezeichnen ganz allgemein solche Substanzen als Ferrimagnete, bei denen die magnetischen Momente einiger Ionen der strukturellen Einheitzelle antiparallel zu denjenigen der übrigen stehen. Ursprünglich wurde die Bezeichnung Ferrimagnetismus eingeführt, um die magnetische Ordnung in den Ferriten zu beschreiben. Die physikalische Ursache für den Ferrimagnetismus beruht darauf, dass alle Austauschkonstanten J AA , J BB und J AB negativ sind und damit eine antiparallele Anordnung der Spins auf den A-Plätzen, den B-Plätzen sowie eine antiparallele Anordnung zwischen A- und BPlätzen favorisieren. Dies ist natürlich nicht möglich. Aufgrund des wesentlich geringeren AB-Abstands dominiert allerdings die Kopplungskonstante J AB und erzwingt eine antiparallele Ausrichtung des A- und B-Untergitters. Die Spins auf dem A- und dem B-Untergitter stehen damit trotz negativer Kopplungskonstanten J AA und J BB jeweils parallel zueinander. Wir geben jetzt die Sättigungsmagnetisierung von 2μB pro Formeleinheit noch in anderen Einheiten an. Mit den Atomgewichten von Ni (58.69), Fe (55.84) und O (15.99) sowie der atomaren Masseneinheit 1 amu = 1.6605 × 10−27 kg erhalten wir die Masse m fu = 3.891 × 10−25 kg pro Formeleinheit. Die Dichte der Ni-Atome erhalten wir, indem wir die angegebe3 ne Dichte ρ = 5368 kg/cm durch m fu teilen. Wir erhalten n = 1.379 × 1028 m−3 . Multiplizieren wir diese Dichte mit dem magnetischen Moment von 2μB pro Ni-Ion (μB = 9.274 × 10−24 J/T), so erhalten wir die Sättigungsmagnetisierung M s = 2.588 × 105 A/m. Wir können dies in emu/cm3 (cgs-Einheiten) umrechnen, indem wir durch 1000 teilen. Teilen wir dann noch durch die Dichte ρ erhalten wir M s = 47.66 emu/g.

13 A13.1

Supraleitung Dauerstromexperiment

In einem Dauerstromexperiment wird das Abklingen des durch den Suprastrom I s in einem geschlossenen supraleitenden Ring mit Radius r 0 = 1 mm und Drahtradius r 1 = 0.1 mm erzeugten magnetischen Moments benutzt, um eine obere Grenze für den Widerstand R des Supraleiters abzuschätzen. (a) (b) (c) (d)

Schätzen Sie den Strom I s für ein Feld von 1 mT im Zentrum des Rings ab. Wie hoch ist das auf der Ringoberfläche erzeugte Magnetfeld? Schätzen Sie die Zahl der im Ring enthaltenen Flussquanten Φ 0 ab. Nach einem Jahr wird eine Abnahme des magnetischen Moments um etwa 5% gemessen. Welcher maximale Widerstand des Supraleiters kann daraus abgeschätzt werden?

Lösung

Wir überlegen uns zuerst, ob wir einen Dauerstrom in einem Supraleiter durch Induktion erzeugen können. Wir wissen, dass magnetische Felder aus dem Innern des Supraleiters verdrängt werden, solange sie kleiner als das thermodynamische kritische Feld B cth (Typ-I Supraleiter) bzw. untere kritische Feld B c1 (Typ-II Supraleiter) sind. Da der Radius r 1 des supraleitenden Drahts wesentlich größer als die Londonsche Eindringtiefe ist, können wir durch das Anschalten eines externen Magnetfeldes keine Flussänderung im Innern des Rings erzeugen. Das heißt, der Fluss innerhalb des Rings ist zeitlich konstant: dΦ/dt = 0. Diese Tatsache können wir auch daraus ableiten, dass das elektrische Feld entlang einer Kontur C tief im Inneren des Supraleiters verschwinden muss. Mit E = −∂A/∂t − ∇ϕ (A: Vektorpotenzial, ϕ: skalares Potenzial) und ∇ϕ = 0 erhalten wir ∮ E ⋅ dℓ = − C

∂ ∂ ∂Φ , ∮ A ⋅ dℓ = − ∫ B ⋅ dF = − ∂t ∂t ∂t C

(A13.1.1)

F

wobei Φ der Fluss durch die Fläche ist, die vom geschlossenen Integrationsweg C umschlossen wird. Wählen wir also den Integrationsweg weit im Inneren des Supraleiters, so gilt dort E = 0 und damit ∂Φ/∂t = 0. Wir sprechen von einem „Einfrieren“ des magnetischen Flusses. Kühlen wir den supraleitenden Ring in einem externen Magnetfeld B ext unter seine Sprungtemperatur ab, so wird zwar das Feld aus dem supraleitenden Drahtmaterial verdrängt, der die Ringfläche πr 02 durchsetzende magnetische Fluss Φ = πr 02 B ext bleibt aber in dem Ring eingefroren, wenn wir das externe Feld wieder abschalten (siehe Abb. 13.1). Dies gilt natür-

260

13 Supraleitung Bext >0

Abb. 13.1: Zur Erzeugung eines Dauerstroms in einem supraleitenden Ring. Wir legen für T > Tc ein homogenes Magnetfeld an und kühlen dann unter Tc ab. Schalten wir nun das Feld ab, wird die im Ring eingeschlossene Flussdichte durch einen im Ring zirkulierenden Dauerstrom beibehalten.

Bext >0

Bext =0 Is

T >Tc

T k F

Hierbei ist ξ k = (ħ 2 k 2 /2m) − μ, d. h. die Einteilchenenergie bezogen auf das chemische Potenzial, und Vk,k ′ = V (k − k′ ) = V (q). Die Summation läuft nur über ∣k′ ∣ > k F , da alle Zustände unterhalb von k F bei T = 0 besetzt sind (Pauli-Blockade) und deshalb nicht als mögliche Streuzustände zur Verfügung stehen. (b) Um das Problem zu lösen, müssen wir alle Matrixelemente Vk,k ′ kennen. Cooper nahm nun vereinfachend eine vollkommen isotrope Wechselwirkung an, so dass die Matrixelemente in einem Intervall [μ − є c , μ + є c ] (є c ist eine charakteristische Abschneide(s) energie) den konstanten Wert Vk,k ′ = −V0 annehmen und sonst verschwinden: V

k,k ′

⎧ (s) ⎪ ⎪−V = ⎨ 0 ⎪ ⎪ ⎩ 0

für ∣ξ k ∣, ∣ξ k′ ∣ < є c . sonst

(A13.5.6)

(s)

Das negative Vorzeichen von V0 bedeutet, dass wir eine attraktive Wechselwirkung annehmen. Damit vereinfacht sich (A13.5.5) zu (s)

(E − 2ξ k ) f k = −Θ(є c − ∣ξ k ∣) V0

∑ Θ(є c − ∣ξ k′ ∣) f k′ .

∣k ′ ∣>k F

(A13.5.7)

276

13 Supraleitung

Hier bedeutet Θ(x) die Heaviside-Sprungfunktion mit der Eigenschaft Θ(x) = 0 für x < 0 und Θ(x) = 1 für x > 0. Auflösen nach f k ergibt (s)

fk =

Θ(є c − ∣ξ k ∣) V0 2ξ k − E

∑ Θ(є c − ∣ξ k′ ∣) f k′ .

(A13.5.8)

∣k ′ ∣>k F

Wir können diesen Ausdruck weiter vereinfachen, indem wir auf beiden Seiten über alle ∣k∣ > k F aufsummieren. Da das Ergebnis nicht von der Benennung des Summationsindex abhängt, gilt ∑k f k = ∑k ′ f k′ und wir erhalten (s)

1 = V0



∣k∣>k F

Θ(є c − ∣ξ k ∣) . 2ξ k − E

(A13.5.9)

Nehmen wir an, dass die Elektronenpaardichte in dem betrachteten schmalen Energieinterval konstant durch D(μ)/2 = D(ξ k = 0)/2 = D F /2 gegeben ist, können wir die Summation in eine Integration überführen und erhalten (s) D F

1 = V0

єc

єc

d ξk d ξk (s) = V0 D F ∫ ∫ 2 2ξ k − E 2ξ k − E −є c

0

єc 1 ∣ ln(2ξ k − E)∣ = 0 2 Auflösen nach E ergibt (s)

= V0 D F

(s) V0 D F

2

ln (

2є c − E ). −E

(A13.5.10)

(s)

E =−

2є c e−2/D F V0

(s)

1 − e−2/D F V0

(s)

.

(A13.5.11) (s)

Für die Grenzfälle D F V0 ≪ 1 und D F V0 ≫ 1 ergibt sich (s) ⎧ (s) ⎪ für D F V0 ≪ 1 (schwache Kopplung) ⎪−2є c e−2/D F V0 E =⎨ . (A13.5.12) (s) (s) ⎪ für D F V0 ≫ 1 (starke Kopplung) ⎪ ⎩−є c D F V0 Die Paarenergie E ist für das attraktive Wechselwirkungspotenzial negativ, das heißt, wir erhalten einen gebundenen Paarzustand. Für ein repulsives Wechselwirkungspotenzial würden wir eine positive Paarenergie, also einen antibindenden Zustand erhalten. Wird die attraktive Wechselwirkung z. B. durch Phononen vermittelt, so können wir die charakteristische Abschneideenergie mit der Debye-Energie ħω D gleichsetzen. Da die maximale Energie der Phononen auf ħω D beschränkt ist, spielt sich die Wechselwirkung nur in einem Energieintervall ±ħω D um das chemische Potenzial μ ab. Zustände weiter unterhalb von μ können nicht teilnehmen, da die Phononen eine zu geringe Energie haben, um sie in leere Zustände bei oder oberhalb von μ zu streuen. Zustände weiter oberhalb von μ können nicht partizipieren, da die Phononenenergie zu gering ist, um Elektronen bei oder unterhalb von μ in diese Zustände zu streuen.

13 Supraleitung A13.6

277

Spin-Suszeptibilität in BCS-Supraleitern

Die Spin-Polarisation δn = δN/V = n↑ − n↓ für normale Metallelektronen (Paulische SpinSuszeptibilität, vergleiche Aufgabe A12.6), überträgt sich im Supraleiter auf das Gas der thermischen Anregungen, der sogenannten Bogoliubov-Quasiteilchen. Man kann δn aus einer verschobenen Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion für Bogoliubov-Quasiteilchen berechnen: lok δN = ∑ σ δ f kσ ,

lok δ f kσ = f (E k + δE kσ ) − f k0



f (E k ) =

1 eE k /k B T + 1



Ek =

,

ξ k2 + Δ2 .

Hierbei ist Δ die Energielücke, σ = ±1 und δE kσ = −σ μB B ext die Zeeman-Energieverschiebung. Zeigen Sie, dass die Modifikation χ(T) der Paulischen Spin-Suszeptibilität im BCS-Supraleiter die folgende Form hat: ∞

χ(T) = χ P Y(T) mit Y(T) = ∫ 0

√ cosh2

dx x 2 + ( Δ(T) ) 2k B T

2

.

Hierbei ist χ P die Paulische Spin-Suszeptibilität und Y(T) die sogenannte Yosida-Funktion. Lösung

Eine Taylor-Entwicklung der Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion für Bogoliubov-Quasiteilchen f (E k + δE kσ ) nach der Energieverschiebung δE kσ = −σ μB B ext liefert in führender Ordnung f (E k + δE kσ ) = f k0 +

∂ f k0 ∂f0 δE kσ = f k0 + (− k ) σ μB B ext . ∂E k ∂E k

(A13.6.1)

Mit der Abweichung vom lokalen Gleichgewichtswert lok = (− δ f kσ

∂ f k0 ) σ μB B ext ∂E k

(A13.6.2)

lässt sich die Spin-Polarisation δn = δN/V wie folgt schreiben lok δN = ∑ σ δ f kσ = ∑ σ (− kσ



= μB B ext ∑ (− kσ

∂ f k0 ). ∂E k

∂ f k0 ) σ μB B ext ∂E k (A13.6.3)

278

13 Supraleitung

Daraus ergibt sich die Magnetisierung M zu M = μB

∂f0 δN μ2 B ext = B ∑ (− k ) . V V kσ ∂E k

(A13.6.4)

Mit M = χ(T)B ext /μ0 erhalten wir für die Suszeptibilität χ(T) =

∂f0 μ0 μB2 ∑ (− k ) . V kσ ∂E k

(A13.6.5)

Die Berechnung von χ(T) ergibt im Einzelnen ∞

∂f0 χ(T) dΩ k 1 = d ξ k D(μ + ξ k ) (− k ) . ∫ ∫ 2 μ0 μB V 4π ∂E k .// / / / / 0/ / / / / / 1−μ

(A13.6.6)

=1

Hierbei ist D(ξ k ) die Zustandsdichte für beide Spin-Richtungen. Da die Funktion ∂ f k0 /∂E k nur in einem schmalen Intervall der Breite ∼ k B T um das chemische Potenzial wesentlich von Null verschieden ist, können wir D(μ + ξ k ) ≃ D(E F ) = const annehmen und erhalten damit ∞



∂ f k0 χ(T) d ξk D(E F ) D(E F ) 1 = d ξ (− ) = k ∫ ∫ 2 μ0 μB V ∂E k V 4k B T cosh2 2kEBk T −μ −μ

(A13.6.7)

Mit der Substitution x = ξ k /2k B T und N F = D(E F )/V erhalten wir schließlich ∞

χ(T) = μ0 μB2 N F ∫

√ 2

dx x2

Δ(T) 2 + ( 2k B T )

.

(A13.6.8)

cosh .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 0

=Y(T)

Wir können somit als Resultat für die Spin-Suszeptibilität χ(T) eines BCS-Supraleiters zusammenfassen: 2 χ BCS P (T) = μ0 μB N F Y(T) = χ P Y(T) ∞

mit Y(T) = ∫ 0

√ 2

cosh

(A13.6.9) dx x2

+ ( Δ(T) ) 2k B T

2

.

(A13.6.10)

Hierbei ist χ P die Paulische Spin-Suszeptibilität im Normalzustand (vergleiche hierzu (A12.6.10) in Aufgabe A12.6) und Y(T) die Yosida-Funktion, die in Abb. 13.6 als Funktion von Δ(T)/k B T dargestellt ist.

13 Supraleitung

279

(a)

(b)

Abb. 13.6: Yosida-Funktion als Funktion von Δ(T)/kB T in (a) linearer und (b) logarithmischer Auftragung.

A13.7

Stromdichte in BCS-Supraleitern

Die eichinvariante Form für die Suprastromdichte Js kann wie folgt geschrieben werden (vgl. R. Gross, A. Marx, Festkörperphysik, Kapitel 13 und Aufgabe A9.5): ħk 1 f (E k + ħk ⋅ vs ) + nvs ∑ V kσ m 1 1 vs = (ħ∇θ − q s A) = (ħ∇θ − 2eA) ms 2m 1 f (E k ) = E /k T e k B +1 Js =

Berechnen Sie die Stromdichte Js (a) für freie Fermionen (E k = ξ k = є k − μ) oberhalb Tc und √ (b) für Bogoliubov-Quasiteilchen mit der Energiedispersion E k = ξ k2 + Δ2 unterhalb Tc . (c) Berechnen Sie aus dem Resultat von (b) das Verhalten der London-Magnetfeldeindringtiefe im Limes T → Tc . Lösung

Die i-te Komponente der Stromdichte (i = x, y, z) besteht aus den beiden Termen2 J s,i =

ħk i 1 f (E k + ħk ⋅ vs ) + nv s,i . ∑ V kσ m n 2 .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /1

(A13.7.1)

1

2

Wir diskutieren hier die Teilchenstromdichte. Die elektrische Stromdichte erhalten wir durch Multiplikation mit der Ladung der Teilchen.

280

13 Supraleitung

Zur allgemeinen Auswertung des Terms 1 führen wir eine Taylor-Entwicklung nach der kleinen Energieverschiebung ħk ⋅ vs durch. Dies führt auf Term 1 =

∂f0 1 ħk i ħk i ∂ f k0 1 ħk j v s, j { f (E k ) + k ħk j v s, j } = ∑ ∑ V kσ m ∂E k V kσ m ∂E k

= −n ni j v s, j .

(A13.7.2)

Dieses Resultat gibt Anlass zur Definition der so genannten normalfluiden Dichte n ni j =

ħ2 k i k j 1 ∑ yk V kσ m

yk = −

(A13.7.3)

∂ f k0 1 1 1 1 . = = ∂E k 2k B T cosh(E k /k B T) + 1 4k B T cosh2 (E k /k B T)

(A13.7.4)

Die Suprastromdichte hat dann die London-Form J s,i = Term 1 + Term 2 = n si j v s, j

(A13.7.5)

mit der suprafluiden Dichte n si j = nδ i j − n ni j ,

(A13.7.6)

die es jetzt für die beiden Fälle auszuwerten gilt. (a) Für freie Fermionen oberhalb der Sprungtemperatur Tc gilt n ni j

=

1 ∂ fk ħ2ki k j ) ∑ (− V kσ ∂ξ k m

=

dΩ k ̂ ̂ ∂ fk ħ 2 k F2 k i k j ∫ d ξ k N(μ + ξ k ) (− ) ∫ m 4π ∂ξ k −μ .// / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / /1



= 13 δ i j





x=ξ k /2k B T

=

N F ħ 2 k F2 1 d ξk 1 δi j ∫ 3 m 4k B T cosh2 2kξBk T −μ .// / / / / 0/ / / / / /1 =3n ∞

dx = nδ i j . 2 cosh x 0 .// / / / / / / / / / /0 / / / / / / / / / / / 1

nδ i j ∫

(A13.7.7)

=1

Das (enttäuschende) Resultat lautet somit n s = nδ i j − n ni j = 0 .

(A13.7.8)

13 Supraleitung

281

(b) Für freie Fermionen unterhalb der Sprungtemperatur Tc erhalten wir dagegen n ni j

=

ħ2ki k j 1 ∑ yk V kσ m

=

dΩ k ̂ ̂ ∂ fk ħ 2 k F2 k i k j ∫ d ξ k N(μ + ξ k ) (− ) ∫ m 4π ∂E k .// / / / / / / / / / / / / 0 / / / / / / / / / / / / / /1−μ



= 13 δ i j





x=ξ k /2k B T

=

N F ħ 2 k F2 1 d ξk 1 δi j ∫ 3 m 4k B T cosh2 2kEBkT −μ .// / / / / 0/ / / / / /1 =3n ∞



nδ i j ∫

dx 2

cosh2 x 2 + ( Δ(T) ) 2k B T .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /0/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 0

=Y(T)

=

nδ i j Y(T) .

(A13.7.9)

Das Resultat lautet somit n si j

= n [1 − Y(T)] δ i j

⎤ ⎡ ∞ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ dx ⎥ δi j . = n ⎢ 1 − √ ⎢ ∫ 2⎥ ⎥ ⎢ Δ(T) 2 0 cosh2 ⎢ x + ( 2k B T ) ⎥ ⎦ ⎣

(A13.7.10)

Zusatzbemerkungen: Es ist bemerkenswert, dass die Temperaturabhängigkeit der Spinn Suszeptibilität χ BCS P (T) [vergleiche (A13.6.9)] und der normalfluiden Dichte n i j (T) im Rahmen der BCS-Theorie durch ein und dieselbe Funktion, nämlich die YosidaFunktion Y(T) beschrieben wird. Dies ist natürlich ein Artefakt der Annahme freier Elektronen und der daraus resultierenden sphärischen Fermi-Fläche. Wir weisen darauf hin, dass n ni j für realistische Fermi-Flächen im allgemeinen ein Tensor zweiter Stufe ist und mit der skalaren Spin-Suszeptibilität χ(T) nichts mehr gemeinsam hat. Auch für Supraleiter mit Anisotropien in der Energielücke stimmen die Temperaturabhängigkeiten von n ni j (T) und χ(T) nicht mehr überein. Das Resultat (A13.7.10) für die suprafluide Dichte n si j erklärt die Euphorie, die im Jahr 1957 bei John Bardeen, Leon Cooper und Robert Schrieffer ausgebrochen war, als den Pionieren der mikroskopischen Theorie der Supraleitung klar wurde, welche zentrale Rolle dem Öffnen einer Energielücke Δ(T) unterhalb der Sprungtemperatur Tc für die Supraleitung zukommt. Für Δ(T) = 0 hat die Yosida-Funktion nämlich den Wert 1 und es gilt deshalb n si j (T) = 0 oberhalb von Tc . Dagegen ist unterhalb der Sprungtemperatur Tc die Energielücke Δ(T) > 0 und daher n si j (T) und somit auch die Suprastromdichte Js von Null verschieden. (c) Wir wollen zunächst die Yosida-Funktion bei tiefen Temperaturen und in der Nähe der Sprungtemperatur analysieren. Für T → 0 zeigt Y(T) ein thermisch aktiviertes Verhalten: √ 2πΔ(T) − Δ(T) (A13.7.11) lim Y(T) = e kB T . T→0 kB T

282

13 Supraleitung

Dies ist gut in Abb. 13.6(b) zu erkennen. Für T → Tc zeigt Y(T) die folgende Temperaturabhängigkeit lim Y(T) = 1 − 2 (1 −

T→Tc

T ). Tc

(A13.7.12)

Die Temperaturabhängigkeit der Londonschen Magnetfeldeindringtiefe ergibt sich mit (A13.7.10) zu √ ms λ L (0) λ L (T) = . (A13.7.13) = √ μ0 n s (T)q 2s 1 − Y(T) Mit der Näherung (A13.7.12) für T ≃ Tc (Δ(T) → 0) erhalten wir näherungsweise folgende Temperaturabhängigkeit λ L (0) . lim λ L (T) = √ T→Tc 2 (1 − TTc )

(A13.7.14)

Wir sehen, dass λ L (T) für T → Tc divergiert. Dies muss so sein, da ja normalleitende Metalle stationäre Magnetfelder nicht verdrängen können. A13.8

Zweiflüssigkeitsbeschreibung der Supraleitung

Bei endlichen Temperaturen existieren in einem Supraleiter Quasiteilchenanregungen (Normalkomponente), deren Geschwindigkeitsfeld vn der Drude-Relaxationsgleichung (

qn E ∂ + Γn ) vn = ∂t mn

genügt, wobei Γn = 1/τ n . Zusammen mit der 1. London-Gleichung (

qs E ∂ , (Γs → 0) + Γs ) vs = ∂t ms ħ qs vs = ∇θ − A ms ms

erhalten wir für die gesamte Stromdichte J = Js + Jn = q s ̃ n s vs + q n n n vn . Mit q s = 2e, q n = e und m s = 2m sowie der Paardichte ̃ n s = n s /2 (n s = n − n n ) erhalten wir die Stromdichte J = e(n s vs + n n vn ) in der Zweiflüssigkeitenbeschreibung. (a) Nehmen Sie eine harmonische Zeitabhängigkeit E(t) = E0 e−ı ωt und J(t) = J0 e−ı ωt an und berechnen Sie die komplexe Leitfähigkeit σ(ω) des Supraleiters aus der konstitutiven Gleichung J = σE. (b) Zerlegen Sie die Leitfähigkeit in Real- und Imaginärteil, σ = σ ′ + ıσ ′′, und bestimmen Sie σ ′ und σ ′′ für die normal- und suprafluide Komponente.

13 Supraleitung

283

Lösung

(a) Die gesamte Stromdichte J = Js + Jn lautet J = (

nn e2 ns + ) E ≡ σ(ω)E −ıω + Γs −ıω + Γn m

(A13.8.1)

mit der komplexen dynamischen Leitfähigkeit des Supraleiters σ(ω) = σs + σn =

e2 nn ns + ). ( m −ıω + Γs −ıω + Γn

Mit der Identität ns 1 lim = ıP ( ) + πδ(ω) Γs →0 −ıω + Γs ω

(A13.8.2)

(A13.8.3)

erhalten wir σ(ω) =

1 nn e 2 1 ns e 2 . [ıP ( ) + πδ(ω)] + m ω m −ıω + Γn .// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0// / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 .// / / / / / / / / / / / / / / / / 0// / / / / / / / / / / / / / / / / 1 Kondensat

(A13.8.4)

Normalkomponente

(b) Trennen wir das Ergebnis (A13.8.4) in Real- und Imaginärteil auf, so erhalten wir mit σ(ω) = σ ′ (ω) + ıσ ′′(ω) ns e 2 πδ(ω) m ns e 2 1 σs′′ (ω) = P( ) m ω 2 1 e τ n n n σn′ (ω) = m 1 + (ωτ n )2 2 ωτ n nn e τn . σn′′ (ω) = m 1 + (ωτ n )2 σs′ (ω) =

(A13.8.5) (A13.8.6) (A13.8.7) (A13.8.8)

Hierbei haben wir Γn = 1/τ n verwendet. A13.9

Energieabsenkung im Grundzustand eines Supraleiters

In der Molekularfeldnäherung nimmt der BCS-Hamilton-Operator des Supraleiters nach der Bogoliubov-Transformation folgende Form an: HBCS = ∑ [ξ k − E k + g k† Δ k ] + ∑ E k [α k† α k − β †k β k ] k

k

Berechnen Sie die Absenkung der Grundzustandsenergie im supraleitenden relativ zum normalleitenden Zustand für T = 0. Den Hamilton-Operator für den Normalzustand erhält man aus obiger Gleichung, indem man den Grenzübergang Δ k → 0 und entsprechend E k → ∣ξ k ∣ macht. Man beachte, dass −ξ∣k∣≤k F = ξ∣k∣≥k F ≥ 0 (Teilchen-Loch-Symmetrie).

284

13 Supraleitung

Lösung

Wir ermitteln zuerst ⟨HBCS ⟩ im Normalzustand, indem wir Δ = 0 setzen. Der Beitrag ∑k E k [α k† α k − β †k β k ] der Bogoliubov-Quasiteilchen liefert keinen Beitrag sowohl bei T = 0 (keine Quasiteilchen angeregt) als auch im Normalzustand. √ Im Grenzfall Δ → 0 erhalten wir mit E k = ξ k2 + Δ2k ≃ ∣ξ k ∣ für den Normalzustand ⟨Hn ⟩ = lim ⟨HBCS ⟩ = ∑ ξ k − ∣ξ k ∣ Δ→0

k

= ∑ ξ k − ∣ξ k ∣ + ∑ ξ k − ∣ξ k ∣ ∣k∣