Feindliches Fernsehen: Das DDR-Fernsehen und seine Strategien im Umgang mit dem westdeutschen Fernsehen [1. Aufl.] 9783839414347

Fernsehen in der DDR war sowohl für die Zuschauer als auch für die Programmmacher mehr als nur das DDR-Fernsehen. Der Bl

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Feindliches Fernsehen: Das DDR-Fernsehen und seine Strategien im Umgang mit dem westdeutschen Fernsehen [1. Aufl.]
 9783839414347

Table of contents :
Inhalt
1 Einleitung
1.1 Bedeutung des Themas und Forschungsbedarf
1.2 Forschungsstand
1.3 Forschungsfragen
1.4 Theoretischer Rahmen und Forschungsmethode
1.5 Editorische Hinweise
1.6 Danksagung
2 Beobachtung und Wettlauf. Die Vorbereitungsund Experimentierphase 1950 bis 1955
2.1 Die Deutschlandpolitik der SED und der Sowjetunion in den 1950er Jahren
2.2 Unter Beobachtung. Die Vorbereitungsphase 1950 bis 1952
2.3 Der Wettlauf hat begonnen. Das Versuchsprogramm 1952 bis 1955
3 Fernsehen für ganz Deutschland. Das reguläre Programm 1956 bis 1959
3.1 Das Selbstbild des DDR-Fernsehens und die ideologischen Ziele der Programmpolitik ab 1956
3.2 Die Ausbildung der Feindbildschemata vom Westfernsehen
3.3 Strategien im Umgang mit der westlichen Konkurrenz
3.4 Das Projekt »Deutschland-Fernsehen«
4 Ankunft als Massenmedium. Das DDR-Fernsehen 1960 bis 1969
4.1 Die Deutschlandpolitik in den 1960er Jahren
4.2 Nach dem Mauerbau: Korrekturen im Selbstbild des DDR-Fernsehens
4.3 Etablierung und Verfestigung des Feindbildes
4.4 Wettbewerbsstrategien zwischen Anpassung und Abgrenzung
5 Ideologische Konkurrenz in friedlicher Koexistenz. Das DDR-Fernsehen 1970 bis 1979
5.1 Die Deutschlandpolitik in den 1970er Jahren
5.2 Das Selbstbild des DDR-Fernsehens nach dem VIII. Parteitag der SED
5.3 Das Feindbild im Zeichen der »ideologischen Diversion«
5.4 Immer wieder sonntags … Berücksichtigung der bundesdeutschen Programmpolitik
6 Unterhaltung als Alternative. Das DDR-Fernsehen 1980 bis 1989
6.1 Außenpolitik der DDR in den 1980er Jahren und die Krise im Inneren
6.2 Im Dialog: Ideologischer Auftrag und Unterhaltungsanspruch im Selbstbild
6.3 »Ätherkrieg« in der »Kommunikationsgesellschaft«. Das Feindbild angesichts neuer Technologien und Programme
6.4 (Re-)Agieren in der Defensive: Der Siegeszug der Unterhaltung
7 Schlussfolgerungen
7.1 Das Selbstbild: Von der ›Waffe‹ im Kalten Krieg zum Unterhaltungs- und Entspannungsmedium
7.2 Feindbildfixierung statt Konkurrenzkampf
7.3 Letztendlich ohne Strategie
7.4 Forschungsausblick
Anhang
Abkürzungen
Kurzbiographien relevanter Persönlichkeiten aus Fernsehen, Hörfunk und Politik
Quellen und Literatur

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Claudia Dittmar Feindliches Fernsehen

H i s t o i r e | Band 15

Claudia Dittmar (Dr. phil.) ist Fernsehjournalistin und lehrt Medienwissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Mediengeschichte und Fernsehforschung.

Claudia Dittmar Feindliches Fernsehen. Das DDR-Fernsehen und seine Strategien im Umgang mit dem westdeutschen Fernsehen

Überarbeitete und aktualisierte Fassung der Dissertation »Das feindliche Fernsehen. Das DDR-Fernsehen und seine Strategien im Umgang mit dem Fernsehen der Bundesrepublik Deutschland«, vorgelegt der Philosophischen Fakultät II der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg im Jahr 2008

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Martin Fisch Lektorat & Satz: Claudia Dittmar Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1434-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

Einleitung .................................................................... Bedeutung des Themas und Forschungsbedarf ........... Forschungsstand ....................................................... Forschungsfragen ....................................................... Theoretischer Rahmen und Forschungsmethode ......... Editorische Hinweise .................................................. Danksagung ...............................................................

Beobachtung und Wettlauf. Die Vorbereitungsund Experimentierphase 1950 bis 1955 ...................... 2.1 Die Deutschlandpolitik der SED und der Sowjetunion in den 1950er Jahren ....................... 2.2 Unter Beobachtung. Die Vorbereitungsphase 1950 bis 1952 ............................................................ 2.3 Der Wettlauf hat begonnen. Das Versuchsprogramm 1952 bis 1955 ............................................................

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3 3.1

3.2 3.3 3.4 4 4.1 4.2 4.3 4.4

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Fernsehen für ganz Deutschland. Das reguläre Programm 1956 bis 1959 ....................... 75 Das Selbstbild des DDR-Fernsehens und die ideologischen Ziele der Programmpolitik ab 1956 ..................................................................... 76 Die Ausbildung der Feindbildschemata vom Westfernsehen .................................................... 117 Strategien im Umgang mit der westlichen Konkurrenz ................................................................ 140 Das Projekt »Deutschland-Fernsehen« ........................ 153 Ankunft als Massenmedium. Das DDR-Fernsehen 1960 bis 1969 ............................. Die Deutschlandpolitik in den 1960er Jahren ............. Nach dem Mauerbau: Korrekturen im Selbstbild des DDR-Fernsehens .................................................. Etablierung und Verfestigung des Feindbildes ............ Wettbewerbsstrategien zwischen Anpassung und Abgrenzung .........................................................

181 182 195 235 262

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6 6.1 6.2 6.3

6.4

Ideologische Konkurrenz in friedlicher Koexistenz. Das DDR-Fernsehen 1970 bis 1979 ............................. Die Deutschlandpolitik in den 1970er Jahren ............. Das Selbstbild des DDR-Fernsehens nach dem VIII. Parteitag der SED ........................................ Das Feindbild im Zeichen der »ideologischen Diversion« ............................................ Immer wieder sonntags … Berücksichtigung der bundesdeutschen Programmpolitik ....................... Unterhaltung als Alternative. Das DDR-Fernsehen 1980 bis 1989 ............................. Außenpolitik der DDR in den 1980er Jahren und die Krise im Inneren ................................................... Im Dialog: Ideologischer Auftrag und Unterhaltungsanspruch im Selbstbild ........................ »Ätherkrieg« in der »Kommunikationsgesellschaft«. Das Feindbild angesichts neuer Technologien und Programme ................................................................. (Re-)Agieren in der Defensive: Der Siegeszug der Unterhaltung ........................................................

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343 344 355

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7 Schlussfolgerungen ..................................................... 7.1 Das Selbstbild: Von der ›Waffe‹ im Kalten Krieg zum Unterhaltungs- und Entspannungsmedium ................ 7.2 Feindbildfixierung statt Konkurrenzkampf .................. 7.3 Letztendlich ohne Strategie ......................................... 7.4 Forschungsausblick ...................................................

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Anhang .............................................................................. Abkürzungen ............................................................. Kurzbiographien relevanter Persönlichkeiten aus Fernsehen, Hörfunk und Politik ........................... Quellen und Literatur .................................................

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1 Einleitung 1.1 Bedeutung des Themas und Forschungsbedarf »Wir sind uns darüber im klaren, unter welchen Bedingungen unser Fernsehen agiert, arbeitet. Wir sind nicht allein im Äther. Jeder kann sich aussuchen, was er sehen will – uns oder die anderen.«1 Was Heinz Geggel, Leiter der Abteilung Agitation des Zentralkomitees (ZK) der SED, 1986 vor den Fernsehmitarbeitern beschrieb, war eine Grundkonstellation des ostdeutschen Fernsehens über seine gesamte Existenz2 hinweg: Fernsehen in der DDR war mehr als nur das DDR-Fernsehen – für die Zuschauer und für die Programmmacher. Der Blick in den Westen bzw. in seine Fernsehprogramme war allgegenwärtig. Der ›Feind‹ im Äther machte dem Fernsehen der DDR nicht nur die Zuschauer abspenstig, er setzte mit seinem Programmangebot auch Maßstäbe und war immer wieder die Meßlatte für die eigenen Leistungen. Eine Fernsehgeschichte der DDR bzw. eine deutsche Fernsehgeschichte im Zeitraum zwischen den 1950er und den 1980er Jahren kann es ohne Beachtung dieses Konkurrenzverhältnisses beider deutscher Fernsehsysteme nicht geben. Aktuellere Untersuchungen arbeiten darum mit einem komparativen Ansatz – verwiesen sei hier auf die DFG-Forschergruppe zur Programmgeschichte des DDR-Fernsehens, in der die vorliegende Arbeit entstand.3 Ergebnis ist eine Programmgeschichtsschreibung, die »Ost«- und »West«-Perspektiven und Entwicklungen aufeinander bezieht. Die Programmentwicklungen sowohl des DDR-Fernsehens als auch des bundesdeutschen Fernsehens werden dabei als Momente eines »kontrastiven Dialogs« verstanden. Eine Arbeit, die sich ganz zentral dem Charakter und den konkreten Umständen dieses – für das DDR-Fernsehen so bedeutenden – Kräftemessens widmet, stand bislang allerdings noch aus. Auf der Ebe-

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[Q] Geggel 1986, S. 134. In der DDR wurde knapp 40 Jahre Fernsehprogramm ausgestrahlt: Am 04.06.1952 startete der inoffizielle Versuchsbetrieb, das offizielle Versuchsprogramm schloss daran ab dem 21.12.1952 an. Zum 02.01.1956 wurde der reguläre Programmbetrieb aufgenommen, seit dem 03.10.1969 sendete das DDR-Fernsehen zwei Programme. Am 31.12.1991 wurde das ostdeutsche Fernsehen abgeschaltet. DFG-Forschergruppe »Programmgeschichte des DDR-Fernsehen – komparativ« 2001-2007. Zu näheren Informationen vgl. die Webseite der Forschergruppe, URL: http://www.deutsches-fernsehen-ost.de/, sowie die Abschlusspublikation Steinmetz/Viehoff 2008.

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Feindliches Fernsehen

ne der ›Planer und Leiter‹4, also der Führungsriege des DDR-Fernsehens und seiner anleitenden Gremien, soll diese Forschungslücke geschlossen werden. Ausgangspunkt sind folgende Thesen: Obwohl in ganz unterschiedliche Gesellschaftssysteme eingebettet, wiesen die konkurrierenden Fernsehsysteme der DDR und der Bundesrepublik eine Vielzahl von strukturellen Berührungspunkten auf: Ein (jedenfalls teilweise) identisches Publikum, eine gemeinsame Sprache und gemeinsame kulturelle Traditionen (bis hin zu identischen Genretraditionen). Insbesondere für das DDR-Fernsehen wird angenommen, dass es seit seinem Beginn unter den Bedingungen und sogar als »Waffe« in der konfrontativen Systemauseinandersetzung existierte. Aber die Annahme kann auch in die andere Richtung verfolgt werden: Das Fernsehen der Bundesrepublik war ebenfalls Teil dieser dialogischen Auseinandersetzung mit Fernsehen und Publikum hinter der deutsch-deutschen Grenze. Dabei muss allerdings einschränkend festgestellt werden, dass sich die direkte Konkurrenzsituation nur in einigen eng umgrenzten Territorien herstellte.5 Trotzdem wurde in der Bundesrepublik zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlicher Intensität auf das DDR-Fernsehen reagiert. So diskutierte man in den 1950er Jahren auf Regierungsebene, wie das einstrahlende Adlershofer Fernsehen als Propagandainstrument der SED abgewehrt werden und wie die ARD-Anstalten das eigene Publikum besser binden konnten. Nach dem Mauerbau sollten die Zuschauer in der DDR gezielt mit Fernsehbildern vom Westen versorgt werden. So richtete sich etwa das ZDF-Magazin Drüben ab 1966 ganz dezidiert an Zuschauer in Ost und West. Auch über einzelne Sendungen hinaus entschieden die Fernsehanstalten vor dem Hintergrund der ostdeutschen Konkurrenz: Das Vormittagsprogramm der ARD wurde beispielsweise 1961 als Alternative zu den schon seit 1958 existierenden Vormittagssendungen im DDR-Fernsehen eingerichtet. Was für das Fernsehen der Bundesrepublik punktuell belegt werden kann, galt für das DDR-Fernsehen während der gesamten Zeit seines Bestehens. Zu dieser These findet sich in der Forschungsliteratur kein Widerspruch. Die häufig thematisierte Grundannahme lautet: Das DDR-Fernsehen reagierte auf das ›Westfernsehen‹, weil große Teile der DDR-Bevölkerung es empfangen konnten und auch intensiv nutz-

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Mit dem Begriff ›Planer und Leiter‹ wurde in der offiziellen Sprache der DDR auf die Ebene der politischen, ökonomischen und kulturellen Funktionäre referiert; gemeint waren also etwa die Staats- und Parteiführung, die Leitungen der Kombinate und volkseigenen Betriebe sowie die Führung der Medien- und Kulturinstitutionen. Der Sender Brocken konnte maximal 200 Kilometer in die Norddeutsche Tiefebene einstrahlen. Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre empfingen nur vier Prozent aller westdeutschen Zuschauer das DDR-Fernsehen gut und weitere fünf Prozent erreichte es in mangelhafter Qualität. Vgl. Infratest 1959; Infratest 1961. Bis Mitte der 1980er Jahre hatte sich die Situation leicht gebessert; jeder sechste bundesdeutsche Haushalt konnte das 1. DDR-Programm und jeder zehnte das 2. Programm empfangen. Vgl. Lee 2003, S. 47.

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Einleitung

ten. Alle einschlägigen Überblicksdarstellungen zum DDR-Fernsehen teilen diesen Ansatz. Aber bisher wurde diesem Phänomen noch keine gesonderte Aufmerksamkeit gewidmet; es fehlt an Beschreibungen und Belegen zur Konkretisierung dieser These. Peter Hoff, dem die Materie so vertraut war wie nur wenigen anderen, hat die Situation 2005 so zusammengefasst: »Bis heute sind in den veröffentlichten Darstellungen, sei es des bundesdeutschen aber auch des DDR-Fernsehens, die Einflüsse ausgespart, die das jeweils andere Programm auf das eigene genommen hatte.«6 Wichtige Erkenntnisse über Motivationen, Entscheidungsstrukturen und politische Hintergründe der von der innerdeutschen Konkurrenz beeinflussten Programmgestaltung des DDR-Fernsehens stehen bislang aus. Die Wechselwirkung zwischen den beiden deutschen Fernsehangeboten (die die DDR-Seite weitaus umfangreicher traf), soll hier also nicht etwa bestritten, sondern im Gegenteil hinterfragt und fundiert dargestellt werden. Wenn es nämlich zutrifft, dass das DDR-Fernsehen in vielfältiger Weise von dem ideologischen und realen Wettstreit mit dem Fernsehen der Bundesrepublik geprägt wurde, muss es dafür auf institutioneller Ebene Beweise geben. Dann muss sich die Geschichte des DDR-Fernsehens auch als Geschichte eines ständigen Kampfes um die eigenen Zuschauer, als Geschichte der Auseinandersetzung mit einem ›Feind‹ darstellen lassen, dessen Eindringen die DDR nicht verhindern konnte. Nicht nur einzelne Sendeformen haben dementsprechend auf westliche Pendants Bezug genommen, sondern die gesamte Programmentwicklung wurde davon beeinflusst. Um dies nachzuvollziehen, wird in der vorliegenden Arbeit auf die Ebene der Fernsehführung fokussiert und die dort stattfindende Thematisierung des bundesdeutschen Fernsehens rekonstruiert. Hierfür werden Programmkonzeptionen, Jahres- und Monatspläne sowie Thesenpapiere zur Arbeit der Fernsehführung und Wirksamkeit des ostdeutschen Fernsehens analysiert.

1.2 Forschungsstand Die vorliegende Arbeit kann an einen teilweise recht gut entwickelten Forschungsstand anschließen, der nach vier Hauptdiskursen unterschieden wird. Zum ersten wird auf Literatur Bezug genommen, die den Einfluss des bundesdeutschen Fernsehens auf das Programm des DDRFernsehens untersucht hat. Zweitens werden Diskussionen zum methodischen Umgang mit dem Thema nutzbar gemacht. Drittens kann auf Forschungsergebnisse zur Rezeption des ›Westfernsehens‹ in der DDR zurückgegriffen werden. Schließlich – viertens – wird auf umfangreiche Erkenntnisse zur Kooperation beider deutscher Fernsehsysteme verwiesen.

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Hoff 2005, S. 103.

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Feindliches Fernsehen

1.2.1 A USEINANDERSETZUNG DES DDR-F ERNSEHENS F ERNSEHEN DER B UNDESREPUBLIK

MIT DEM

»Der Programmdirektor des DDR-Fernsehens hieß Hörzu.«7 – So überspitzt könnte man die Forschungsmeinung zu dem vermeintlichen Einfluss der bundesdeutschen Programmgestaltung auf das DDR-Fernsehen zusammenfassen, jedenfalls bevor sich aktuellere Untersuchungen (und damit auch die Autorin) dem Thema ausführlicher gewidmet haben. Ohne die These zu hinterfragen oder zu belegen, geht der große Teil der Rundfunk- und Fernsehgeschichten bei der Thematisierung des DDR-Fernsehens (sowie des Hörfunks) davon aus, dass es sich stark am Westprogramm orientiert hat.8 Um einige Beispiele zu nennen: Konrad Dussel plädiert noch 2004 für eine getrennte Betrachtung von bundesrepublikanischer und DDR-Rundfunkgeschichte, frei nach dem Motto, ›wenn zwei das gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe‹. Trotzdem betont er die Bedeutung der »direkte[n] Konkurrenzsituation, aus der heraus immer wieder agiert wurde«9. Speziell die Programmentwicklung des Fernsehens in der DDR sieht Dussel stark beeinflusst vom westdeutschen Konkurrenten: »Überhaupt die Bundesrepublik! Die Konkurrenz zum westdeutschen Fernsehprogramm war eine der zentralen Konstanten, die die Entwicklung des DDR-Programms durchweg prägte.«10 Als Beleg für diese Aussage führt Dussel die Abschaffung des sendefreien Montags im DDR-Fernsehen an.11 Die Zuschauer hätten montags nicht gesellschaftliche Arbeit geleistet, wie von der Partei gewollt, sondern Westfernsehen rezipiert; was dazu führte, dass schnell wieder ein eigenes Pro7

Dieses Bonmot geht auf Tilo Prase, einem früheren DDR-Fernsehmitarbeiter und exzellenter Forscher in diesem Bereich, zurück. 8 Ältere bundesdeutsche Literatur zum DDR-Fernsehen, welche die Konkurrenzsituation beider deutscher Fernsehprogramme nur deskriptiv und vereinzelt thematisierte, wird an dieser Stelle nicht ausführlicher diskutiert. Auf einige dieser Forschungsansätze wird später bei konkreten Fragestellungen Bezug genommen. Überblicksweise sei hier verwiesen auf Fischer 1961; Heil 1967; Riedel 1977; Hartmann-Laugs/Goss 1982; Schmidt 1982; Geserick 1986; Geserick 1988; Scharf 1988; Geserick 1989. Das gleiche gilt für gesamtdeutsche Veröffentlichungen zum DDR-Fernsehen, die bezogen auf das Thema dieser Arbeit keinen größeren Erkenntniswert aufweisen, wie Ludes 1990; Riedel 1993; Kuhlmann 1997. Forschungen zu speziellen Aspekten des DDRFernsehens (bzw. zur ostdeutschen Medienkultur) werden an späterer Stelle mit thematischem Bezug aufgegriffen, u.a. Hickethier 1993a; Beutelschmidt 1995; Breitenborn 2003; Bösenberg 2004. 9 Dussel 2004, S. 131. 10 Ebd., S. 172. 11 Hatte das Fernsehzentrum Berlin im ersten Jahr des offiziellen Versuchsprogramms (ab 21. Dezember 1952) noch an jedem Abend der Woche Programm ausgestrahlt, änderte sich dies mit dem Beginn des Fernsehjahres 1954. Im August 1957 nahm man diese Entscheidung zurück und führte wieder ein Fernsehprogramm am Montag ein. Vgl. ausführlich Kapitel 3.3.2.

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Einleitung

gramm für diesen Wochentag initiiert wurde. Es ist geradezu charakteristisch für die verkürzte Darstellung im Forschungsdiskurs, dass er damit die Komplexität der Materie unterschätzt: Tatsächlich wurde der sendefreie Montag in der DDR 1957 speziell im Hinblick auf die (anvisierten) Zuschauer in der Bundesrepublik abgeschafft; das erneut eingeführte Programm an den ersten Montagen diente der propagandistischen Offensive zur Bundestagswahl 1957. Auch die Einführung der alternativen Programmstruktur 1982/83 wird in vielen Standardwerken zur Mediengeschichte sowie in speziellen Darstellungen zum DDR-Fernsehen als Beweis für die starke Orientierung an den Westprogrammen herangezogen.12 Die damit einhergehende Programmreform wird fast ausschließlich als Reaktion auf die Veränderungen im bundesdeutschen Fernsehen interpretiert: In der von Knut Hickethier herausgegebenen »Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland« bewertet Peter Hoff 1993 die ostdeutschen Bemühungen um eine neue Programmstruktur als »taktische Wendungen«. Mit diesen hätte das DDR-Fernsehen – angesichts der bevorstehenden Programmreformen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten – versucht, »die Zuschauer vom ›Westfernsehen‹ weg auf seine Programmschienen zu rangieren«13. Fünf Jahre später benennt Hoff in der ebenfalls von Hickethier editierten »Geschichte des deutschen Fernsehens« die anstehende Einführung kommerzieller Sender und die daraus folgenden Veränderungen im Programm von ARD und ZDF als »Anlaß«14 für die Programmumstrukturierungen in der DDR, welche er dort vor allem als Anpassung an die westdeutsche Konkurrenz deutet. Ebenso argumentiert Wolfgang Mühl-Benninghaus in Dietrich Schwarzkopfs Standardwerk »Rundfunkpolitik in Deutschland«, wobei er die These vertritt, dass die neue Programmstruktur von vornherein als »eine zum Westfernsehen alternative Programmstruktur«15 angelegt wurde. Inhaltliche Strategie der Programmreform war laut Mühl-Benninghaus hauptsächlich die Entpolitisierung der Unterhaltungsprogramme. Auch Gunter Holzweißig stellt in seiner DDR-Mediengeschichte (»Die schärfste Waffe der Partei«) diesen Zusammenhang zwischen Orientierung am bundesdeutschen Fernsehen und Entpolitisierung her: »Der Sektor Rundfunk16/Fernsehen der ZK-Abteilung Agitation hatte stets alle Hände voll zu tun, neue Konzepte zur Bekämpfung ›feindlicher‹ Medien, aber auch für die Anpassung an westliche Sendungen und Programmstrukturen zu entwickeln. […] Die 1982 begonnene ›Verwestlichung‹ des Fernsehens auf dem Unterhaltungssektor gehörte

12 13 14 15 16

Vgl. dazu auch Dittmar 2004a, S. 116-119. Hoff 1993, S. 277. Hickethier/Hoff 1998, S. 405. Mühl-Benninghaus 1999, S. 858. Der Begriff »Rundfunk« bezeichnete im DDR-Sprachgebrauch in der Regel nur den Hörfunk und nicht das Fernsehen. Soweit es sich nicht um direkte Zitate bzw. um Institutionsbezeichnungen handelt, wird dieser Wortgebrauch im Folgenden stillschweigend korrigiert.

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Feindliches Fernsehen

ebenfalls zu den Bemühungen die Zuschauer für die DDR-Kanäle zurückzugewinnen.«17 Diese Argumentation findet sich auch bei Dussel.18 Neben fernsehhistorischen Gesamtdarstellungen verweisen auch aktuelle Monographien auf diesen Zusammenhang. Beispielsweise beschreibt Franca Wolff, dass die Medienpolitik der SED sich von der Einführung des privaten Rundfunks im Westen deutlich beeinflusst zeigte: »Hatte das Fernsehen der DDR bislang versucht, sich der Attraktivität von ARD und ZDF zu erwehren, so war jetzt ein Punkt erreicht, wo ernsthafter Handlungsbedarf bestand. Folglich kam es 1982 zu einer erneuten, staatlich forcierten Programmreform.«19 Woo-Seung Lee kommt zu der gleichen Schlussfolgerung: »Angesichts dessen, daß die ARD und das ZDF ihre Programme zur wesentlichen Erhöhung des Unterhaltungswertes ab 1978 zu reformieren planten, blieb der DDR nichts anderes übrig, als auch ihr I. und II. Programm besser zu gestalten in Richtung auf die verstärkte Unterhaltungsfunktion, was vor allem zu dem massenhaften Einsatz ausländischer Spielfilme und Serien führte.«20 Michael Meyen, der die Rezeption der Westmedien in der DDR untersucht hat, bestätigt ebenfalls den indirekten Einfluss der Westprogramme auf das Angebot des DDR-Fernsehens: »Die Westmedien erlaubten nicht nur, die Nachrichten der eigenen Medien zu überprüfen und auszuweichen, wenn die einheimischen Programme die Erwartungen nicht erfüllten, sondern zwangen das DDR-Fernsehen zugleich, sein Angebot an die Zuschauerwünsche anzupassen.«21 Ehemalige Mitarbeiter des DDR-Fernsehens stützen in ihren Rückblicken diese These. So beschreibt Christa Braumann, 1978 bis 1990 Leiterin der Abteilung Zuschauerforschung, die alternative Programmreform folgendermaßen: »Ihr Grundgedanke war, den massenweisen Einfluß des Westfernsehens zurückzudrängen.«22 Die Daten der Zuschauerbefragungen, die »der Parteiführung periodisch penetrant die sinkende Akzeptanz ihres wichtigsten Massenmediums vor Augen führten«, lösten demzufolge »Nervosität« aus, die in der Programmreform gipfelte. Mit ihr hätte das DDR-Fernsehen eine »Anpassung an die immer stärker auf Unterhaltung orientierenden Hauptabendprogramme von ARD und ZDF vollzogen«.23 Hans Müncheberg, als langjähriger Fernseh-Dramaturg ebenfalls ein ›Insider‹, beschreibt den gleichen Sachverhalt: »Als die bundesdeutschen Sender nach der Einführung des auf Werbeeinnahmen orientierten ›dualen Systems‹ die Höhe der jeweiligen Einschaltquote zum obersten Maßstab des Erfolgs einer Sendung gemacht hatten, meinten die für den DDR-F zuständigen Funktionäre, sich demselben Wertungs-

17 Holzweißig 2002, S. 60. Vgl. auch die ähnliche Argumentation in Holzweißig 1995 und Holzweißig 1997. 18 Vgl. Dussel 2004, S. 179. 19 Wolff 2002, S. 123. 20 Lee 2003, S. 228. 21 Meyen 2002, S. 228. 22 Braumann 1994, S. 532. 23 Ebd., S. 531.

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Einleitung

prinzip unterwerfen zu müssen. 1983 verordnete die Parteiführung dem DDR-F zusätzlich die sogenannte ›alternative Programmkonzeption‹.«24 Und Eberhard Fensch, der seit 1968 Verantwortlicher für Rundfunk und Fernsehen in der Abteilung Agitation war und damit über viele Jahre als ›Schaltstelle‹ zwischen dem Fernsehkomitee und der Abteilung Agitation fungierte, beschreibt ebenfalls eine »Unterhaltungsoffensive«25 im DDR-Fernsehen der frühen 1980er Jahre. Diese hätte Erich Honecker persönlich gefordert, wobei er vor allem auf die vermehrte Ausstrahlung von Spielfilmen und eine an den Westprogrammen angelehnte Unterhaltungsorientierung Wert gelegt hätte. Auch bei diesem Beispiel verweist keiner der genannten Autoren auf eine schlüssige Erklärung für die plötzlich einsetzende oder als latent schon vorab existierende Westorientierung, die sich angeblich in der alternativen Programmstruktur manifestiert hat. Quellen oder andere Belege werden nicht angeführt. Die These von »Reaktion-Gegenreaktion« scheint nicht ein einziges Mal in der Forschungsliteratur hinterfragt oder angezweifelt worden zu sein. So ergab sich nicht die Notwendigkeit, Beweise dafür zu liefern oder die Zusammenhänge näher zu erläutern. Dabei waren die Motive der Akteure, die diese wichtige Umstrukturierung des Fernsehprogramms 1982/83 initiierten, keineswegs so eindimensional wie der Forschungsstand oder die Erinnerungen der Zeitzeugen suggerieren. So findet sich in der hier geleisteten Quellenforschung kein zentrales Dokument, keine Direktive, die Anlass und Ursache der Programmreform eindeutig offen legen und den Zugzwang durch das Westfernsehen thematisieren. Vielmehr war die Orientierung am Westen für die Fernsehführung Anfang der 1980er Jahre sogar deutlich weniger entscheidungsrelevant als in den vorangegangenen Jahrzehnten. Diese Auswahl der Forschungsmeinungen ließe sich weiter fortsetzen und über die hier gewählten Beispiele der Wiederaufnahme des Montagsprogramm und der Einführung der alternativen Programmstruktur ausdehnen. Aber die exemplarische Darstellung sollte ausreichend demonstriert haben, dass eine herausgehobene Rolle der ostwestdeutschen Konkurrenzsituation für die Programmentwicklung des DDR-Fernsehens in der Forschungsliteratur nicht bestritten wird, ganz im Gegenteil herrscht hier eine fast homogene Einigkeit. Allerdings fehlt eine nötige Kontextualisierung des Wettbewerbs beider Fernsehsysteme, was wie dargestellt zu verkürzten bzw. fehlerhaften Einschätzungen führen konnte. Vergleichbare Aspekte der deutsch-deutschen Wettbewerbssituation bzw. des gegenseitigen Bezugnehmens waren auch für andere Medien in der DDR relevant: Die meisten Parallelen in Bezug auf das Fernsehen lassen sich für den Hörfunk rekonstruieren, aber auch die Dokumentar- und Spielfilmproduktion kann auf diese Konstellation hin

24 Müncheberg 2000, S. 249. 25 Vgl. Fensch 2003, S. 197-199.

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untersucht werden. An die neuere Forschungsliteratur26 zu diesen weiteren Schauplätzen des ›Kalten Medienkrieges‹27 zwischen beiden deutschen Staaten möchte die vorliegende Arbeit anknüpfen und sie ergänzen, da sie ihr – wie an gegebener Stelle thematisiert werden soll – wertvolle Anregungen verdankt. Selbstverständlich orientierte sich das DDR-Fernsehen nicht allein am westdeutschen Pendant. Als Teil des übergreifenden ›Fernsehsystems Ostblock‹ bzw. weiter noch eingebunden in globale Zusammenhänge ist es auch im Kontext der internationalen Fernsehentwicklung zu erklären. Dies betrifft unter anderem: • Tradierte Konventionen des Mediums: Genres (wie etwa dokumentarische Genres28 oder Krimiserien und -filme29), Stoffe (wie etwa bei Literaturverfilmungen30 oder in der heiteren Dramatik31), Ästhetiken und Gestaltungsformen usw. • Internationaler Export und Import von Programmen: mit dem Fernsehen der Sowjetunion, mit anderen Staaten des Ostblocks, mit afrikanischen und südamerikanischen Ländern und mit anderen westlichen Staaten (u. a. USA, Frankreich, Großbritannien, Italien). Dieser Programmaustausch war ab 1960 systematisiert und institutionalisiert durch Intervision (Ostblock, Gründung 1960) und Eurovision (Westen, Gründung 1954).32 33 • Weltweit »gemeinsame« TV-Ereignisse: zunächst im Sport (etwa Olympischen Spiele oder Weltmeisterschaften), dann auch in der Politik (etwa Gipfeltreffen, UNO, KSZE) und in der Kultur. Diese global wirksamen Muster wurden aber wiederum vor allem durch das Westfernsehen vermittelt. Die westdeutschen Sender verkörperten die für die DDR naheliegendsten Repräsentanten der internationalen

26 Als für den Gegenstand dieser Arbeit relevante Literatur zum Hörfunk sind hier an erster Stelle Petra Galles Forschungen zu RIAS Berlin und dem Berliner Rundfunk 1945-1949, vgl. Galle 2003, sowie Klaus Arnolds Ergebnisse zum Deutschlandsender während der 1950er und 1960er Jahre, vgl. Arnold 2002, zu nennen. Darüber hinaus sei auf die umfassendere Darstellung des Radios in der DDR von Klaus Arnold und Christoph Classen verwiesen, vgl. Arnold/ Classen 2004, sowie auf die aktuelle Publikation von Edward Larkey zu populärer Musik im DDR-Hörfunk, die ebenfalls Konkurrenzaspekte zum Westen thematisiert, vgl. Larkey 2007. Die gegenseitige Thematisierung von DDR und Bundesrepublik im Dokumentarfilm hat Matthias Steinle analysiert, vgl. Steinle 2003. Zu dokumentarischen Genres im DDR-Fernsehen und darüber hinaus vgl. Steinmetz/Prase 2002; Prase/Kretzschmar 2003; Prase 2004; Prase 2006. 27 Zur Bedeutung der Massenmedien für die Entstehung und den Verlauf des Kalten Krieges vgl. insbesondere als Forschungsüberblick Lindenberger 2004. 28 Vgl. dazu näher Prase 2006. 29 Vgl. dazu näher Brück et al. 2003. 30 Vgl. dazu näher etwa Beutelschmidt/Wrage 2004. 31 Vgl. dazu näher etwa Kusebauch et al. 2007 und Schültzke 2009. 32 Vgl. dazu näher Steinmetz/Viehoff 2008, S. 155. 33 Vgl. etwa Friedrich et al. 2003, Stiehler/Friedrich 2004, Friedrich 2010.

14

Einleitung

Fernsehentwicklung. Diese musste das DDR-Fernsehen vor Augen haben, wenn es sich mit anderen Programmen zu messen suchte, schließlich hatten die eigenen Zuschauer ebenfalls diese direkte Möglichkeit des Vergleichs. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird damit vor allem auf das Wechselverhältnis mit dem bundesdeutschen Fernsehangebot rekurriert; die anderen, internationalen Einflüsse werden an den Stellen angesprochen, wo sie relevant für den Gegenstand sind: So bildete die Sowjetunion bereits durch ihre politische Bedeutung eine wichtige Vororientierung34 für das ostdeutsche Fernsehen, was sich beispielsweise zu wichtigen sowjetischen Jubiläen35 in direkten Themenvorgaben niederschlug. Auch die Einführung des Farbfernsehsystems SECAM erfolgte nach dem Vorbild der Sowjetunion.36 Auf der Ebene von Ästhetik und Gestaltungsformen bestimmter Fernsehgenres sind als gewisses Vorbild – indirekt auch durch das Westfernsehen vermittelt – die Vereinigten Staaten zu nennen.37 Hier waren gestalterische Experimente bereits länger und durchgreifender möglich als in Deutschland, auch weil es im US-amerikanischen Fernsehen zu keiner Unterbrechung des Betriebes durch den zweiten Weltkrieg gekommen und eine Kommerzialisierung von Beginn an inhärent war. Schließlich lassen sich auch über Intervision und Eurovision bestimmte Transfers nachweisen, so etwa über importierte Spielfilme. 1.2.2 M ETHODISCHER U MGANG

MIT DEM

G EGENSTAND

Die Instrumentalisierung des Fernsehens innerhalb des in der DDR allgegenwärtigen Führungsanspruchs der SED ist im medienwissenschaftlichen Diskurs zur DDR-Geschichte umfassend aufgearbeitet worden. Weitreichende Erkenntnisse liegen zu den konkreten Lenkungsmechanismen vor, mit denen das Fernsehen nach den Vorstellungen der Parteiführung angeleitet wurde. Die Fernsehleitung war in ihrer Entscheidungsgewalt demnach keineswegs autonom: In der institutionellen Hierarchie war sie dem Staatlichen Rundfunkkomitee zugeordnet, bis 1968 das Staatliche Komitee für Fernsehen gegründet wurde. Beide Gremien waren formal ›staatliche Organe beim Ministerrat der DDR‹ und unterstanden direkt dem Ministerpräsidenten. Zudem musste sich das Fernsehen in der SED-Medienbürokratie der Abteilung für Agitation und Propaganda38 des Zentralkomitees unterordnen. Diese Abteilung koordinierte die Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Sinne der Partei. Hierfür kontrollierte sie die Medien (neben dem Fernsehen auch die 34 Zum aktuellen Forschungsstand über den Einfluss des sowjetischen Fernsehens auf die Entwicklung des DDR-Fernsehens vgl. Vollberg 2009. 35 Vgl. etwa Dittmar/Vollberg 2008. 36 Vgl. dazu Vollberg 2002, S. 159-167. 37 Vgl. dazu Kapitel 3.3.3. 38 Diese Abteilung wurde häufiger umbenannt, auf die verschiedenen Bezeichnungen und ihr leitendes Personal wird in den einzelnen Kapiteln dieser Arbeit eingegangen.

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Nachrichtenagentur ADN sowie Presse und Hörfunk) und leitete sie an: In ›Argumentationen‹ zu nationalen und internationalen Ereignissen, Informationen zur SED-Politik und Einschätzungen zum Kulturleben wurden Inhalte und Art der Berichterstattung vorgegeben. Damit negierte der Staat die Meinungsfreiheit und baute die Medien weitgehend zu Propagandainstrumenten des eigenen Herrschaftsapparates aus.39 Mit der Medienbürokratie rund um die Abteilung Agitation, den jeweiligen ZK-Sekretären für Agitation und Propaganda, der Agitationskommission und der Rolle der SED-Parteiorganisationen innerhalb einzelner Medien hat sich Holzweißig ausführlicher beschäftigt.40 Eine systematische Übersicht speziell für das DDR-Fernsehen liefert Jochen Staadt in der sogenannten ›Stasi-Studie‹, die der Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin im Auftrag der ARD erstellt hat.41 Lenkungsmechanismen im Fernsehen, speziell die der Nachrichtensendung Aktuelle Kamera, hat zudem Jost-Arend Bösenberg eingehender untersucht.42 Für die ersten Jahre der Rundfunkmediengeschichte in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der frühen DDR sei hier zudem auf die Erkenntnisse von Petra Galle verwiesen. Sie skizziert die institutionelle Anbindung des Rundfunks an die Besatzungsmacht, aufbauend auf dem sowjetischen Modell von Massenkommunikation in Deutschland.43 Zu den leitenden Vorstellungen sozialistischer Medienkonzeptionen, zur Kommunikationspolitik der DDR sowie zur theoretischen Annäherung an Propaganda als ideologisches Kommunikationsmittel hat Klaus Arnold ausführliche Ergebnisse vorgelegt.44 Sie werden durch detaillierte Informationen über die Medienanleitung in der DDR (bzw. vor der Staatsgründung in der SBZ) bis 1971 sowohl auf Ebene des zentralen Parteiapparates als auch in den untergeordneten Sendern und Redaktionen ergänzt.45 Für die letzten Jahre des DDR-Fernsehens sind von der Forschung ebenfalls fundierte Erkenntnisse zusammengetragen worden: Das Fernsehen als Herrschaftsinstrument der SED stellt zum einen Thomas Schuhbauer ausführlicher dar, zum anderen beschäftigt sich Franca Wolff gründlich mit der ideologischen Einbindung des ostdeutschen Fernsehens in das politische System der DDR.46

39 Vgl. u.a. Steinmetz/Viehoff 2008, S. 22-33 sowie Friedrich 2010. 40 Vgl. Holzweißig 2002, S. 8-20, Holzweißig 1997, S. 17-35. 41 Vgl. Staadt 2004, S. 92-98, vor allem das Organigramm zur Verflechtung von Staatssicherheit, SED und staatlichen Institutionen S. 97/98 sowie Staadt et al. 2008. Ausführlicher zu dieser Studie vgl. Kapitel 5.3.3. 42 Vgl. Bösenberg 2004. 43 Vgl. Galle 2003, S. 43-51 sowie 79-109. 44 Vgl. Arnold 2002, S. 31-134. 45 Vgl. ebd., S. 189-205. 46 Vgl. Schuhbauer 2001, S. 39-56 und Wolff 2002, S. 132-153.

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Einleitung

1.2.3 R EZEPTION

DES

›W ESTFERNSEHENS ‹

IN DER

DDR

Medienanalysen im heutigen Sinne, die den Wettbewerb zwischen westdeutschen Angeboten und den eigenen Medien untersucht hätten, gab es in der DDR nicht. Die Zuschauerforschung zum Fernsehen fragte generell nicht nach der Nutzung von westlichen Programmen.47 Zumeist konnten die Akteure der Fernsehführung und ihre vorgesetzten Funktionäre nur spekulieren, wie erfolgreich das Westfernsehen war – ebenso wie die am Fernsehen interessierte Wissenschaft. Die DDRBürger hätten gemeinschaftlich »Augen und Ohren nach Westen gerichtet«48, war dementsprechend die einvernehmliche Expertenmeinung in den ersten Jahren der gesamtdeutschen Forschung zum Thema.49 Im Jahr 1991 schien sich nämlich nach einem (ersten) Blick in die DDRZuschauerforschung zu bestätigen, was die bundesdeutschen Wissenschaftler immer schon vermutet hatten: Die tendenziell nicht sehr hohen Sehbeteiligungen für die DDR-Fernsehprogramme legten den Schluss nahe, dass die Bevölkerung die westdeutschen Programme bevorzugte und sich vor allem im letzten Jahrzehnt des DDR-Fernsehens immer häufiger vom eigenen Fernsehangebot abgewandt hatte.50 Seit 2001 liegen dagegen Forschungsergebnisse zum Rezeptionsverhalten der Ostdeutschen vor, die für eine höhere Popularität des DDR-Fernsehens zu sprechen scheinen. Michael Meyen versucht, die langläufige Theorie der »allabendlichen kollektiven Ausreise«51 zu widerlegen und nachzuweisen, dass die Bedeutung der Westmedien und insbesondere die des Westfernsehens überschätzt worden ist. Dass die These von der virtuellen Republikflucht jahrelang wenig Widerspruch erntete, wundert Meyen dabei nicht: Er vermutet, dass sie »den westdeutschen Journalisten schmeichelte und ihren deutschlandpolitischen Auftrag legitimierte« und es zum damaligen Zeitpunkt »gar nicht vorstellbar schien, dass DDR-Bürger nicht an Informationen aus der ›freien Welt‹ interessiert gewesen sein könnten«.52 Aber eben dieses Desinteresse scheint Meyen nachzuweisen. Durch eine erneute Datenanalyse der DDR-Zuschauerforschung (insbesondere der Sofortresonanzen des Fernsehens) und zusätzliche medienbiografische Interviews kommt er zu dem Ergebnis: Zuschauer in der DDR suchten im Fernsehangebot hauptsächlich Unterhaltung und Entspannung; sie befriedigten dieses Bedürfnis auch durch die eigenen Medien. In den Zeitzeugeninterviews zeigte sich, dass vor allem viele Frauen, die durch die Mehrfachbelastung von Arbeit, Familie und Haushalt über wenig Freizeit verfügten, an den Nachrichtensendungen des West47 Zwei Ausnahmen werden in der vorliegenden Arbeit diskutiert, vgl. Kapitel 5.2.5 und 6.4.1. Vgl. zudem Steinmetz/Viehoff 2008, S. 65. 48 Dohlus 1991, S. 80. 49 Vgl. zu diesem Forschungsdiskurs auch Dittmar 2002, S. 104-107. 50 Vgl. ebd. sowie Hanke 1992. Die Ausführungen Christa Braumanns stützten diese Einschätzung. Vgl. Braumann 1994. 51 Meyen 2002, S. 200. 52 Ebd., S. 228.

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fernsehens wenig Interesse hatten.53 Die von Meyen genutzte Methode kann dabei durchaus kritisch hinterfragt werden, denn gerade die Interviews sind vermutlich nicht frei von ›nostalgischen Einfärbungen‹, was wiederum auf die Ergebnisse und ihre Interpretation zurückwirkt. Meyens Erträge stellen aber trotz dieser Einschränkungen einen wichtigen Beitrag zum Forschungsdiskurs dar. Besonders hervorzuheben sind dabei seine Thesen über die insgesamt höheren Zuschauerzahlen für das DDR-Fernsehen. Hatte HansJörg Stiehler mit seiner Untersuchung zum »Tal der Ahnungslosen« schon gezeigt, »daß dort, wo es technisch möglich war, die Nutzung beider Rundfunksysteme sich nicht ausschloß, sondern daß eher von einer parallelen Nutzung gesprochen werden kann«54, geht Meyen deutlich weiter. Er ermittelte, dass die zwei ostdeutschen Programme mit ihren 20-Uhr-Angeboten im Jahresdurchschnitt mehr DDR-Zuschauer erreichten als die konkurrierenden Westprogramme. Untersuchungen zum Zeitbudget ergaben, dass zur Hauptsehzeit nicht mehr als 55 bis 60 Prozent der Ostdeutschen mit einem eigenen Fernsehen diesen auch eingeschaltet hatten. Bei 35 bis 40 Prozent Sehbeteiligung für die beiden Programme des DDR-Fernsehens ergeben sich demnach für die westdeutschen Angebote Höchstwerte von 20 bis 25 Prozent.55 Dieses Sehverhalten deutet Meyen als stabile Größe, das sich erst mit dem Wendejahr 1989 änderte. Damit versucht Meyen, den in der Forschung häufig thematisierten Rückgang der Zuschauerzahlen in den 1980er Jahren zu widerlegen.56 Allerdings sprechen auch die von der Autorin untersuchten Quellen deutlich für Akzeptanzprobleme am Beginn und in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre, da die Fernsehführung in dieser Zeit die Zuschauerverluste offen thematisierte. Meyens Argumentation diesbezüglich kann also nicht zweifelsfrei gefolgt werden. Unter Rückgriff auf zwei (als Ausnahmen zu betrachtende) Untersuchungen der DDR-Zuschauerforschung positionieren sich Rüdiger Steinmetz und Reinhold Viehoff im Mittelfeld der hier betrachteten Positionen: Sie verweisen auf eine Nutzung von westlichen Programmen

53 Vgl. ebd. sowie Meyen 2003a, Meyen 2003b. Vgl. übereinstimmend Steinmetz/Viehoff 2008, S. 64. Zu Ergebnissen erster medienbiographischer Interviews mit ehemaligen DDR-Zuschauern aus dem Jahre 1992 vgl. Bier 1993. 54 Stiehler 2001, S. 44. Die ironische Bezeichnung »Tal der Ahnungslosen« wurde für die Regionen in der DDR verwendet, in welchen die ca. 15 Prozent der Bevölkerung lebten, die kein Westfernsehen und teilweise auch keine bundesdeutschen Hörfunkprogramme empfangen konnten. Der Empfang war zum einen im Südosten des Landes im Umfeld von Dresden gestört, zum anderen im Nordosten bei Greifswald. Vgl. ebd., S. 14-15. 55 Vgl. Meyen 2002, S. 222. Zur Bedeutung der Zeitbudgetforschung für die Rezeptionsgeschichte des DDR-Fernsehens vgl. auch Lietz 2004. 56 Verweise auf eine deutliche Verschlechterung der Akzeptanz des DDRFernsehens in den 80er Jahren finden sich u.a. bei Hoff 1993, S. 277-281; Hickethier/Hoff 1998, S. 405-406 und Mühl-Benninghaus 1999, S. 858-873.

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in der Größenordnung von vierzig bis über fünfzig Prozent der ostdeutschen Fernsehzuschauer.57 Trotz dieser widersprüchlichen Aussagen ist deutlich geworden: Das DDR-Fernsehen erreichte sein Publikum vor allem durch unterhaltende Angebote. Für die Jahre von 1987 bis 1989 haben Gerhard Gmel, Susanne Deimling und Jürgen Bortz dies bereits 1994 überzeugend nachgewiesen: Vor der Wende waren es vor allem das Unterhaltungsangebot sowie die Ratgebersendungen, die von den Zuschauern positiv bewertet wurden und hohe Reichweiten erzielten. Die Autoren greifen als Erklärung hierfür ebenfalls auf das Eskapismus-Motiv zurück: »Die DDR-Zuschauer suchten entspannende, unterhaltsame und nicht problemorientierte Beiträge, um aus einer Realität auszusteigen, die zu verändern ihnen unmöglich erschien.«58 Dass das ›Erfolgskonzept Unterhaltung‹ auch von den für das Fernsehen verantwortlichen Genossen bewusst genutzt wurde, beweisen die beiden Programmreformen von 1971/72 und 1982/83, mit denen die Unterhaltung zielgerichtet ausgebaut wurde. Der Umkehrschluss, welcher besagt, dass der Erfolg von Unterhaltung mit einer Ablehnung von ostdeutschen Informations- und Publizistikangeboten einherging, ist für den hier behandelten Gegenstand ebenfalls von Interesse: Diese Sendeplätze bewegten die Zuschauer wesentlich eher zum Umschalten und die Programmplaner versuchten, dies durch einen strategischen Abgleich mit den Programmstrukturen von ARD und ZDF zu verhindern. Mit Fokus auf die Unterhaltung kann dagegen konstatiert werden: Das DDR-Fernsehen wurde nicht als langweilig empfunden – »jedenfalls nicht langweiliger als die Westprogramme«59. Meyen stellt fest, dass die Zuschauer die eigenen Fernsehangebote vor allem nutzten, weil sie darin Stars, Schauplätze und den eigenen Alltag wieder erkannten. Für diese »Arbeit an der eigenen Identität« stellten die Westmedien keinen Ersatz dar: »Die Ratgebersendungen waren für das Leben im Osten nicht anwendbar, und Nachrichten sowie Politik-Magazine konnten nur sehr bedingt bei der Orientierung im Alltag helfen.«60 Die Ergebnisse von Meyen deuten darauf hin, dass das DDR-Fernsehen nicht auf ›verlorenem Posten‹ gekämpft hat, wie in der älteren Forschung oft behauptet wurde. Alle Anstrengungen, das Publikum auf den eigenen Kanälen zu halten, schienen nicht vergebens gewesen zu sein. Nichtsdestotrotz sind die Zahlen aber auch als Beleg für eine tatsächlich vorhandene Konkurrenz des westdeutschen Fernsehens zu sehen: Dieses konnte viele Zuschauer für sich gewinnen und hatte mit seinem Angebot einen nachweisbaren Einfluss auf die Akzeptanz der DDR-Programme. Dieses stark ambivalente Verhältnis kennzeichnet Meyen wie folgt: »Setzten sie [die Planer von ARD und ZDF; C. D.] ›massenwirksame Unterhaltungssendungen‹ ein, sank das Interesse an

57 58 59 60

Vgl. Steinmetz/Viehoff 2008, S. 65. Gmel et al. 1994, S. 553. Meyen 2002, S. 225. Ebd., S. 226.

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den Ostkanälen, lief im ›gegnerischen Programm‹ dagegen Publizistik, verbuchte die DDR-Zuschauerforschung höhere Werte als üblich.«61 Für die Autorin sprechen gerade dieses Nebeneinander in der Nutzung von Ost- und Westangeboten sowie der nicht von einer Seite absolut dominierte Konkurrenzkampf für die These des kontrastiven Dialogs. Die Zuschauer hatten die Möglichkeit, auf das »gegnerische« Programm auszuweichen, wenn das Eigene ihnen nicht zusagte – wovon sie unbestreitbar auch regen Gebrauch machten. Damit zwang das Westfernsehen die Programmmacher in der DDR indirekt, ihr Fernsehen den Wünschen des Publikums anzupassen. Wie ernst die Fernsehführung und die in der Parteihierarchie übergeordneten Abteilungen die Anliegen der DDR-Zuschauer nahmen, unterlag während der Geschichte des DDR-Fernsehens einem stetigen Wandel. Vereinfacht kann dies so ausgedrückt werden: Der Stellenwert des eigenen Publikums stieg, je mehr die Ambitionen der DDR-Führung nachließen, mit dem Fernsehprogramm Einfluss auf die bundesdeutschen Zuschauer nehmen zu wollen und je intensiver die Eigenstaatlichkeit der DDR forciert wurde. Der Erfolg des DDR-Fernsehens bei den eigenen Zuschauern hatte dabei einen bereits benannten Preis, nämlich dass Information und Publizistik kontinuierlich zugunsten von Unterhaltungsangeboten zurückgedrängt wurden. Damit veränderte sich aber nicht nur das Programmprofil, sondern auch das Selbstbild der Fernsehführung vom gesellschaftlichen Auftrag des Mediums. 1.2.4 K OOPERATIONEN

BEIDER DEUTSCHER

F ERNSEHSYSTEME

Untersucht man die Konkurrenzsituation beider deutscher Fernsehsysteme, muss auch die Zusammenarbeit von ost- und westdeutschen Fernsehanstalten mit beachtet werden. Hier kann allerdings auf umfangreiche Vorarbeiten zurückgegriffen werden: Mit der Dissertation von Woo-Seung Lee liegen seit 1996 fundierte Forschungsergebnisse zur ökonomischen Grundlage der deutsch-deutschen Fernsehbeziehungen vor, die allerdings erst 2003 publiziert wurden.62 Lee weist dabei überzeugend nach, dass die programmliche Kooperation zwischen DDR und Bundesrepublik nicht einmal in Zeiten verschärfter Systemkonfrontation ganz aufgegeben wurde. Als wichtigste Bereiche der Zusammenarbeit werden von Lee der bilaterale Programmaustausch, Programmein- und -verkäufe sowie die wechselseitigen Dienstleistungen für die Berichterstattung und Programmproduktionen aus dem jeweils anderen Deutschland behandelt. Für das bundesrepublikanische Fernsehen, im speziellen für die ARD, benennt Lee folgende Zielstellungen für die Kooperation: Die Anstalten konnten in der DDR zum einen kostengünstig Programm einkaufen, das nicht synchronisiert werden musste und mit welchem besonders die Dritten Programme befüllt wurden. Zum anderen befürworteten die Programmverantwortlichen die Möglichkeit, den bundesdeut61 Ebd., S. 223. 62 Vgl. hier und im Folgenden Lee 2003. Als Rezension vgl. Beutelschmidt 2004.

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schen Zuschauern Einblicke in das Alltagsleben und die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR zu ermöglichen. Lee stellt heraus, dass der Osten vor allem aus ökonomischem Interesse mit dem Westen zusammenarbeitete: Spätestens mit der vermehrten Ausstrahlung westeuropäischer und amerikanischer Spielfilme wurden hohe Devisenbeträge für Filmeinkäufe benötigt, welche man wiederum durch eigene Programmverkäufe einzuspielen versuchte. Er unterscheidet dabei verschiedene Phasen innerhalb der programmlichen Kooperation zwischen 1952 und 1989. Bis 1969 bestimmte die Nichtanerkennungspolitik der Bundesrepublik auch die Kulturbeziehungen zur DDR, zu denen Lee die Fernseh-Kooperation zählt. Trotzdem gab es in den 1950er bis Mitte der 1960er Jahre einen (unentgeltlichen) deutsch-deutschen Programmaustausch, vor allem durch Sportübertragungen und künstlerische Beiträge, wie Theateroder Musikinszenierungen. Anfang der 1970er Jahre erlebte die Zusammenarbeit, wie auch andere Kulturbereiche, einen Wendepunkt, als sich durch den Grundlagenvertrag und das Vier-Mächte-Abkommen die deutsch-deutsche Situation entspannte. Gegenseitige kommerzielle Programmübernahmen wurden nun im Zuge der Normalisierung des kulturellen Klimas beider deutscher Länder offiziell befürwortet, was den Programmhandel institutionalisierte. Nachdem bis dato gültige Beschränkungen abgeschafft wurden, sichtete die ARD mindestens einmal jährlich in Ostberlin Sendungen des DDR-Fernsehens, die zum Kauf angeboten wurden und auch das ZDF erwarb unter dem neuen Intendanten Dieter Stolte ab 1982 mehr ostdeutsche Produktionen. Programmeinkauf und -verkauf rückten damit ins Zentrum der deutsch-deutschen Fernseh-Kooperation, und die DDR wurde für die bundesdeutschen Anstalten der größte Programmlieferant unter den OIRT63-Ländern. In den 1980er Jahren wurde zudem die direkte Kooperation zwischen west- und ostdeutschen Fernsehinstitutionen intensiver; durch den Ausschnittvertrag64 und das Fernsehabkommen65 basierte sie auf neuen und erweiterten rechtlichen Grundlagen. Zu den deutsch-deutschen Fernsehbeziehungen hat Lee wichtige Grundlagenforschung betrieben, vor allem indem er die Kooperationen anhand zahlreicher bisher unveröffentlichter Quellen dokumentierte. Auf die von ihm recherchierten Statistiken zum Programmaustausch von West nach Ost (und umgekehrt) können weiterführende Studien ohne Probleme aufsetzen. Schwieriger gestaltet sich dies im Hinblick auf Lees Erkenntnisse zur ideologischen Konkurrenz beider deutscher Fernsehprogramme, welche die Kehrseite der programmlichen Kooperation hätte beschreiben sollen, was allerdings weniger gelungen ist. Lee stellt zwar sehr treffend die Schwierigkeiten und Konflikte in den konkreten Arbeitsbeziehungen dar, teilweise ausgelöst durch zwischen-

63 Die »Organisation Internationale de Radiodiffusion et de Télévision« (OIRT), auch als »Intervision« bezeichnet, war der Dachverband der sozialistischen Hörfunk- und Fernsehsender mit Sitz in Prag. 64 Zwischen dem ZDF und dem Fernsehen der DDR, 10.03.1986. 65 Zwischen ARD, ZDF und dem Fernsehen der DDR, 06.05.1987.

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staatliche Dissonanzen wie den Berlin-Status und die Zugehörigkeit des Senders Freies Berlin (SFB) zur ARD.66 Eine Übertragung dieser zu situativ gefassten Parameter der deutsch-deutschen Medienkonstellation in eine medienhistorische oder kommunikationswissenschaftliche Perspektive erfolgt nur unzureichend. Hier kann zukünftige Forschung noch umfassende Ergänzungen liefern. Die vorliegende Arbeit, die der ideologischen Konkurrenz einen zentraleren Stellenwert einräumt, soll an dieser Stelle offen Gebliebenes aufarbeiten.

1.3 Forschungsfragen Das DDR-Fernsehen war ohne Zweifel mehr als eine bloße Reaktion auf das Fernsehen der Bundesrepublik oder ein ›Abklatsch‹ internationaler Fernsehentwicklungen. Seine Individualität und die Kreativität des hervorgebrachten Programms stehen außer Frage. Trotzdem lohnt es zu rekonstruieren, inwieweit die Akteure bei der Konzeption und Gestaltung des Fernsehprogramms von der deutsch-deutschen Medienkonkurrenz beeinflusst wurden. Dies soll für die knapp vierzigjährige Geschichte des DDR-Fernsehens in drei zentralen Bereichen hinterfragt werden: Erstens wird die Rolle des bundesrepublikanischen Gegenübers für das Selbstbild vom eigenen politischen Auftrag untersucht. Hierzu zählen die Relevanz der ost- und westdeutschen Zielgruppen, die Reflexionen zur eigenen Wirksamkeit sowie der Stellenwert der Unterhaltung im Gesamtprogramm. Zweitens soll das Feindbild vom einstrahlenden Westfernsehen, und damit die Art und Weise, in der Informationen über den Konkurrenten gesammelt und ausgewertet wurden, genauer betrachtet werden. Die Absichten, welche seinem Programm unterstellt wurden, müssen aufgezeigt und es muss dargestellt werden, wie herrschende Feindbildschemata verwissenschaftlicht und kanonisiert wurden. Schließlich werden drittens die Strategien dargelegt, die das DDR-Fernsehen im Umgang mit dem ›Gegner‹ entwickelte. Dabei wird hinterfragt, welchen konkreten Einfluss die westlichen Programmstrukturen auf das Fernsehen hatten und wie sich der ständige Spagat zwischen Anpassung und Abgrenzung rekonstruieren lässt. Die schriftlichen Manifestationen der Diskurse innerhalb der höchsten Fernsehgremien, die heute noch in Archiven zur Verfügung stehen, sollen erstmals in Bezug auf Fragestellungen dieser drei thematischen 66 Durch den Sonderstatus von Berlin als Vier-Sektoren-Stadt der Allierten gehörten formal weder die Gebiete in Westberlin zur Bundesrepublik noch die in Ostberlin zur DDR. Vgl. ausführlicher aus militärhistorischer Perspektive Jeschonnek et al. 2002. Allerdings wurde der »Berlin-Status« von beiden deutschen Staaten unterschiedlich interpretiert. Die DDR versuchte nach 1961 die Integration Westberlins in die Bundesrepublik zu verhindern und eine »DreiStaaten-Theorie« durchzusetzen. Sie beharrte deshalb darauf, dass der SFB kein Mitglied der ARD war – was zu einem Störfaktor für Kooperationen im Fernsehbereich wurde.

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Bereiche untersucht werden. Für die Analyse des Selbstbildes ist dabei bisher weitgehend ungeklärt: Wo und wann wurde das Fernsehen der Bundesrepublik in den Überlieferungen des DDR-Fernsehens überhaupt thematisiert? Wie interpretierten diese Papiere die Konkurrenz beider Fernsehsysteme, welche Einschätzungen über den Empfang im jeweils anderen Teil Deutschlands herrschten vor? Wie sah die Fernsehführung die eigene Rolle in Abgrenzung zum westlichen Fernsehen? Den Feindbilddiskurs sollen wiederum Antworten auf folgende Fragen nachvollziehbar machen: Welche Informationen über die bundesdeutschen Anstalten und ihr Programm standen den ostdeutschen Fernsehmachern zur Verfügung und wie gingen sie damit um? Warum und mit welchen Facetten wurde es hauptsächlich als »feindliches Fernsehen« wahrgenommen? Ob aus dem Spannungsverhältnis zwischen Selbst- und Feindbild für das DDR-Programm tatsächlich Produktives erwachsen ist, soll letztlich folgende Frage klären: Konnten die Programmverantwortlichen wirksame Strategien gegen den Erfolg des Westfernsehens in der DDR entwickeln? Ohne Zweifel wäre eine Erforschung der umgekehrten Fragestellungen für das Fernsehen der Bundesrepublik ebenfalls lohnenswert. Auch dort ist das DDR-Fernsehen wahrgenommen worden, auch dort spielten deutschland- und innenpolitische Entscheidungen für den Umgang mit dem (zumindest partiell) um Zuschauer konkurrierenden Gegenüber eine Rolle.67 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann dieser Abgleich mit den entsprechenden Entscheidungsstrukturen des westdeutschen Fernsehens nicht geleistet werden. Der Fokus hier liegt eindeutig beim DDR-Fernsehen. Potentielle Forschungen zum bundesrepublikanischen Fernsehen zwischen den 1950er und dem Ende der 1980er Jahren, die der innendeutschen Konkurrenz Beachtung schenken, werden in der vorliegenden Arbeit aber eine ausführliche Vergleichsfolie finden. Ausgeblendet sind auch die ökonomischen Beziehungen und andere Kooperationen zwischen dem Fernsehen der DDR und der Bundesrepublik, die, wie oben dargestellt, bereits umfassender dokumentiert wurden. Sie werden hier nur thematisiert, wenn sie einen Bezugsrahmen für die Entscheidungen bzw. die Kommunikation der Fernsehführung bilden. Dies führt auch dazu, dass der wichtige Kooperationsbereich des Korrespondentenaustauschs zwischen beiden Staaten hier keine zentrale Rolle spielt, vor allem, da er auf die hier fokussierte Fernsehführung und ihre Wahrnehmung des deutsch-deutschen Fernsehverhältnisses insgesamt weniger Auswirkungen hatte.

67 In ersten Ansätzen wird dies von Lee thematisiert, beispielsweise indem er den Wandel der bundesdeutschen Kommunikationspolitik gegen den Empfang des Ostfernsehens beschreibt (vgl. Lee 2003, S. 52-57), den Wiedervereinigungsaspekt im Programmauftrag von ARD und ZDF hinterfragt (ebd., S. 61-79) oder versucht, sich dem Beziehungsgeflecht zwischen Bund und Fernsehanstalten zu nähern (ebd., S. 79-105).

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1.4 Theoretischer Rahmen und Forschungsmethode 1.4.1 D IE A KTEURSEBENE

DER

›P LANER

UND

L EITER ‹

Den theoretischen Hintergrund dieses Ansatzes bildet eine handlungstheoretisch modellierte Vorstellung vom System DDR-Fernsehen, die sich auf Überlegungen von S. J. Schmidt stützt.68 Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei die Aktanten, also die Handelnden, die das Handlungssystem erst hervorbringen. Sie lassen sich unter systematischen Gesichtspunkten vier elementaren Handlungsbereichen zuordnen: Produktion von Medienangeboten, Distribution an die Zuschauer, Rezeption der Inhalte und Verarbeitung der Rezeption. Den Fokus dieser Arbeit bildet nun der Handlungsbereich der Produktion. Dahinter steht folgende Annahme: Die Medienangebote des DDR-Fernsehens können als Ergebnis von kulturellen Handlungen der Aktanten (Journalisten, Planer, Entscheidungsträger) in einem bestimmten kulturellen Handlungszusammenhang (Programmproduktion, Programmplanung, Leitung des Fernsehens) aufgefasst werden: Diese Ergebnisse werden durch die Aktanten ständig selbst interpretiert und bewertet.69 Damit wird auf den Diskurs rekurriert, den die ›Planer und Leiter‹ führten und der über die überlieferten Akten rekonstruiert werden kann.70 Unter Rückgriff auf Michel Foucault71 wird mit dem Begriff Diskurs eine Menge von Aussagen erfasst, also die Gesamtheit dessen, was zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort gesagt wurde oder vielmehr gesagt werden konnte. Der Begriff beinhaltet damit auch Regeln und Bedingungen, unter denen die Aussagen überhaupt getroffen werden können. Diese Ordnungsprinzipien verändern sich mit der Zeit und in Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Kommunikation, können aber für einen bestimmten Zeitpunkt bzw. eine eng umgrenzte Zeitdauer als weitgehend stabil angesehen werden. Für den Diskurs sind die Prinzipien konstitutiv, und folglich verknüpft er die Aussagen untrennbar mit den Regeln ihrer Aussagbarkeit. D. h. die Bedingungen des Diskurses müssen notwendigerweise akzeptiert werden, wenn man sich im Diskurs äußern will; innerhalb des Diskurses ist ein Aufbrechen der Ordnungsprinzipien unmöglich. Schließlich wird eine Veränderung der Diskursregeln grundlegend sogar verhindert, indem ihre Einhaltung durch negative Sanktionierungen sichergestellt wird. Diskurse übernehmen für die Gesellschaft zentrale Aufgaben, indem sie diskursiv und selektiv Wirklichkeit konstruieren: »Diskurse 68 Zur Konzeption der Handlungsrollentheorie vgl. insbesondere Schmidt 1991 und Hauptmeier/Schmidt 1985 sowie zu Schmidts Übertragung des Modells auf das (westdeutsche) Fernsehsystem Schmidt 1994. Zur Nutzbarmachung dieses Modells auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand vgl. Dittmar 2002, S. 99-104. 69 Vgl. Steinmetz/Viehoff 2001, S. 17-18. 70 Zu den folgenden Ausführungen vgl. Burtscher-Bechter 2004, S. 260-264. 71 Vgl. insbesondere Foucault 1981 [1969]; Foucault 2001 [1972].

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enthalten Wissen, Wissen aber bildet auch Grundlage für Handeln und damit auch für die Gestaltung von Wirklichkeit.«72 Diskurse werden fortwährend durch die Ordnungsprinzipien überformt und Sagbares bzw. Nicht-Sagbares beständig reguliert. Damit wird evident, dass Diskurse nicht nur große Macht ausüben, sondern selbst stark von Machtmechanismen geprägt sind.73 Dies führt dazu, dass eine Analyse von Diskursen nach Foucault vor allem eine Analyse der Macht darstellt. »[E]inzelne Ereignisse« sind in dieser Perspektive »nicht das Ergebnis von Entscheidungen, sondern das Resultat von Machtverhältnissen«74. Das Ziel der Analyse besteht darin, »die Regeln und die Marktmechanismen aufzudecken, die […] für das Erscheinen und Verschwinden diskursiv erschaffener Realitäten verantwortlich sind«75. Konkretisiert für den Diskurs der ›Planer und Leiter‹ des DDRFernsehens bedeutet dies, dass über die Rekonstruktion der Entscheidungen auch eine Rekonstruktion der jeweils gültigen Machtverhältnisse und Machteinflüsse möglich wird. Dies gilt auch, wenn die vorliegende Untersuchung nicht als explizit diskursanalytische Arbeit angelegt ist, sich aber diskursanalytischer Vorstrukturierungen und Herangehensweisen bedient.76 Wenn die ostdeutsche Fernsehführung im Zentrum der hier durchgeführten Untersuchung steht, sind zunächst einige ihrer Eckdaten und Veränderungen dieser Daten zu bestimmen: Von 1953 bis 1956 bezeichnete sie sich als das »Kollegium des Fernsehzentrums Berlin«77, dann wurde sie entsprechend in »Kollegium des Deutschen Fernsehfunks« umbenannt. Seit 1965 führte man die Leitung des DDR-Fernsehens unter »Intendanz des Deutschen Fernsehfunks«. Ab 1968 bis zur Umbruchsbewegung im Fernsehen 1989 lautete der korrekte Titel »Staatliches Komitee für Fernsehen beim Ministerrat der DDR« (kurz Fernsehkomitee). Zunächst dem »Staatlichen Rundfunkkomitee«78 unterstellt, konnte das DDR-Fernsehen damit ab 1968 eine eigenständige Führungsspitze aufstellen.

72 73 74 75 76

Jäger 2001, S. 72. Hervorhebung im Original. Vgl. ebd., S. 73-74. Burtscher-Bechter 2004, S. 263. Ebd., S. 264. Der Nutzen einer diskursanalytischen Erforschung des DDR-Fernsehens, insbesondere im Vergleich mit dem Fernsehen der BRD, sowie deren Methodik ist bereits ausführlich diskutiert worden. Besonders reiche Erträge hat das Forschungsprojekt »Zur Diskursgeschichte der Medien. Gesellschaftliche Selbstbeschreibungen in Mediendiskursen der DDR und BRD« am Forschungskolleg »Medien und kulturelle Kommunikation« (Universität zu Köln, 2002-2005) erbracht. Die Ergebnisse sind dokumentiert in Ruchatz 2005b; vgl. insbesondere die beiden instruktiven Einführungstexte Ruchatz 2005c; Ruchatz 2005a. 77 Dies war der erste der drei Namen des DDR-Fernsehens. Ab 1956 wurde es in »Deutscher Fernsehfunk« (DFF) umbenannt, im Jahr 1972 wurde daraus das »Fernsehen der DDR«. Diesen Namen legte es 1990 ab und nannte sich bis zur Einstellung des Sendebetriebs 1991 wieder »Deutscher Fernsehfunk«. 78 Gegründet am 14.08.1952, vgl. ausführlicher Kapitel 2.3.

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Seit Juli 1954 war Heinz Adameck79 Leiter des Fernsehzentrums in Adlershof, später Intendant des DFF und von 1968 bis 1989 Vorsitzender des Fernsehkomitees. Adameck steht damit für eine personelle Kontinuität in der hier analysierten Gruppe der ›Planer und Leiter‹; viele der diskutierten Einzelentscheidungen und Argumentationen gehen direkt auf ihn zurück. Auf der Ebene der Rundfunkführung waren die Komiteevorsitzenden Kurt Heiß (1952-1956), Hermann Ley (19561962), Gerhart Eisler (1962-1968) sowie nach der Abtrennung des Fernsehens noch Reginald Otto Grimmer (1968-1971) an vielen hier erörterten Diskursen beteiligt.80 Für die Frühzeit des DDR-Fernsehens muss auf Hermann Zilles und Gerhard Probst verwiesen werden, die von 1952 bis 1954 nacheinander das Fernsehzentrum leiteten, sowie auf Hans Mahle, Ernst Augustin und Arthur Nehmzow, welche als wichtige Fernsehpersönlichkeiten Einfluss auf hier untersuchte Fragestellungen nahmen. Im Verlauf der fast vierzigjährigen Geschichte waren auf der Ebene der Abteilungsleiter und damit Mitglieder der Fernsehführung sowie z. T. als Stellvertreter Adamecks folgende Personen für diese Arbeit von besonderer Bedeutung: Werner Fehlig, Dieter Glatzer, Günter Leucht, Heinz Liebeskind, Wolfgang Kleinert, Horst Sauer sowie Dieter Schmotz. Die Fernsehführung konnte allerdings zu keinem Zeitpunkt autonom agieren, sondern war aufs engste mit anleitenden Gremien des staatlichen Medienkontrollapparates sowie mit den zugeordneten Parteiorganisationen verknüpft. Als oberste ›Medienbürokraten‹ müssen dabei die Generalsekretäre81 der SED genannt werden: Walter Ulbricht (1950-1971) und Erich Honecker (1971-1989). Beide mischten sich häufig persönlich in die Medienlenkung ein. Für den Gegenstand dieser Arbeit ist zudem die Abteilung Agitation (einschließlich ihrer Vorgängerorganisationen) unter Verantwortung der jeweiligen ZK-Sekretäre82 für Agitation und Propaganda (früher für Massenagitation und Presse) besonders relevant: Dies war zunächst

79 Zu den wichtigsten Stationen seiner Karriere vgl. die Kurzbiographie im Anhang. Dort sind knappe biographische Angaben mit weiterführenden Literaturhinweisen von relevanten Personen aus der Fernsehführung, ihrer anleitenden Gremien sowie einzelner DDR-Politiker, die im Rahmen dieser Arbeit eine herausgehobene Rolle spielen, versammelt. 80 Die im Amt folgenden Rudolf Singer (1971-1980) und Achim Becker (19801989) hatten dagegen keinen relevanten Einfluss auf die hier beschriebenen Programmentscheidungen und Selbstdarstellungen mehr. 81 Dieser Titel wurde im Wechsel mit der Bezeichnung »Erster Sekretär des ZK der SED« verwendet: Von 1950 bis 1953 war Ulbricht Generalsekretär und anschließend Erster Sekretär bis 1971. Ihm folgte Honecker als Erster Sekretär, nannte sich aber ab 1976 wieder Generalsekretär. 82 Die Sekretäre des ZK für Agitation und Propaganda waren zugleich auch Vorsitzende der Agitationskommission beim Politbüro. Sie waren allerdings nicht zwangsläufig identisch mit den jeweiligen Abteilungsleitern Agitation und Propaganda. Beide Ämter in einer Person vereinte nur Werner Lamberz in den Jahren 1967 bis 1971.

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Hermann Axen (1949-1953), ihm folgte kurzzeitig Fred Oelßner (19531955); später wurden es Albert Norden (1955-1967), Werner Lamberz (1967-1978) und Joachim Herrmann (1978-1989). Heinz Geggel wirkte sowohl in seiner Funktion als Leiter der Westabteilung des ZK (19651973), als auch danach als Leiter der Abteilung Agitation des ZK der SED83 (1973-1989) führend an Entscheidungsprozessen des DDRFernsehens mit. Eine besondere Rolle spielte zudem Eberhard Fensch, der als stellvertretender Leiter84 der Abteilung Agitation von 1968 bis 1989 für den Hörfunk und das Fernsehen in der DDR zuständig war und damit über einen langen Zeitraum als ›Schaltstelle‹ zwischen der Agitationsabteilung und der Fernsehführung fungierte. 1.4.2 D EUTSCHLANDPOLITIK

ALS

H ANDLUNGSRAHMEN

Unter der Bezeichnung »Deutschlandpolitik« werden von Historikern die Bestrebungen zu einer Lösung der Deutschen Frage zusammengefasst, die nach der staatlichen Teilung des Landes im Herbst 1949 die Wiedervereinigung Deutschlands als zentrale Thematik beinhalteten.85 In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass die »nationale Politik«86 und die »Westpolitik«87 der SED zentrale Determinanten für die Anleitung der Medien bildeten. Gerade für die Untersuchung des Verhältnisses vom Ost- zum Westfernsehen kann hier auf einen Erklärungshintergrund zurückgegriffen werden, der für das Thema von fundamentaler Bedeutung ist. Viele Entwicklungen des Fernsehens lassen sich auf grundsätzliche Positionen der Parteispitze gegenüber dem anderen deutschen Staat zurückführen, die in den vierzig Jahren ihres 83 Vorgänger Geggels in diesem Amt waren Georg Hansen (1952-1953), Horst Sindermann (1953-1963), Rudolf Singer (1963-1966), Werner Lamberz (1966-1971) sowie Hans Modrow (1971-1973). Die Leiter der Abteilung Agitation waren zugleich die stellvertretenden Leiter der Agitationskommission. 84 Den Leitern der Abteilung Agitation und Propaganda waren Stellvertreter zugeordnet, die für die einzelnen Bereiche (›Sektoren‹) verantwortlich waren. 85 Vgl. u.a. Lemke 2001b und Hübsch 2002b. Es handelt sich dabei um einen originär westlichen Terminus, der von der SED nur selten gebraucht wurde. In der DDR selbst wurde dieses Politikfeld meist als »Westarbeit« oder bis Mitte der 1950er Jahre als »gesamtdeutsche Arbeit« bezeichnet, vgl. Amos 1999, S. 9 und Nakath 1997, S. 305. 86 Die »nationale Politik« der SED bezeichnete, synonym zur Deutschlandpolitik, die Einstellung der ostdeutschen Parteiführung zu Fragen der staatlichen Einheit Deutschlands und ihre Handlungen, vgl. Amos 1999, S. 8. 87 Dieser Begriff bezeichnet hauptsächlich die deutschlandpolitischen Aktivitäten der SED in der Bundesrepublik und in die Bundesrepublik hinein. Die Westpolitik oder auch »Westarbeit« stellte damit die gesamte operative Umsetzung der deutschlandpolitischen Zielstellungen im Westen Deutschlands dar, wie die allgemeine Propaganda der SED in der Bundesrepublik und in West-Berlin, vgl. ebd., S. 8-9. Die Bezeichnung »Westpolitik« findet sich aber auch als Sammelbegriff für die Politik der DDR gegenüber allen westlichen Staaten, vgl. Howarth 2001, S. 82. Diese Bedeutung ist hier jedoch nicht gemeint.

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Bestehens einem stetigen und tiefgreifenden Wandel unterzogen waren. Vernachlässigt man diesen bilateralen Metadiskurs, an dem zusätzlich noch die (ehemaligen) Besatzungsmächte beider deutscher Länder beteiligt waren, gehen wichtige Kontexte verloren, die für die handelnden Personen und Gremien entscheidungsrelevant waren. Um diese nötige Kontextualisierung zu leisten, werden den in dieser Arbeit behandelten Entwicklungsphasen des DDR-Fernsehens Exkurse zu den wichtigsten deutschlandpolitischen Zielstellungen der SED und den innerdeutschen Beziehungen vorangestellt. Ergebnisse aktueller historiographischer Forschungen können zentrale Entwicklungen in diesen Bereichen rekonstruieren und deuten. Ein etwas umfangreicheres Beispiel illustriert, wie dies im Verlauf der Arbeit erfolgen soll: Im Vordergrund des ersten thematischen Abschnittes steht die Frage, wie die anvisierte deutschlandweite Ausrichtung des DDR-Fernsehens und die Propagierung der deutschen Einheit durch das Fernsehen vor dem Hintergrund der deutschlandpolitischen Interessen der SED zu erklären sind. Eine Erörterung dieser historischpolitischen Rahmenbedingungen ist nötig und der eigentlichen Analyse voranzustellen, da es ohne diese Einordnung zu einer falschen Interpretation der Fernsehüberlieferung kommen könnte. Die Auswertung der überlieferten Pläne und Selbstdarstellungen des Fernsehens würde, isoliert von den politischen Rahmenbedingungen betrachtet, zwei Schlüsse nahe legen: 1. Die politische Führung der DDR hatte ein großes Interesse an der deutschen Einheit. 2. Sie versuchte, das Fernsehen für die Verwirklichung dieses Zieles zu benutzen. Diese Befunde wären schlichtweg falsch, denn die SED, soviel sei vorweggenommen, zielte in den 1950er Jahren mit ihren Bemühungen keineswegs uneingeschränkt auf eine Wiedervereinigung mit der Bundesrepublik. Die nationale Einheit hätte deren Pläne für eine eigenständige und gefestigte DDR sowie letztendlich ihrer eigenen politischen Existenz ein schnelles Ende bereiten können. Eine Verständigung der sowjetischen und westlichen Besatzungsmächte über die Köpfe der deutschen Regierungen hinweg, blieb in den 1950er Jahren ein bedrohliches Szenario sowohl für Walter Ulbricht als auch für Konrad Adenauer. Die ostdeutsche Eigenstaatlichkeit und die Integration der Bundesrepublik in das westliche Bündnis hätten durch eine Einigung der Siegermächte auf ein neutrales Deutschland hinfällig werden können.88 Trotz dieser auf den ersten Blick widersprüchlichen Aussagen lässt sich die Aufgabenstellung des DFF vor dem Hintergrund dieses – in Bezug auf die deutschlandpolitischen Ambitionen der SED sehr bewegten – Jahrzehnts gut herleiten. Für die Forschung stellt sie ein besonders interessantes Feld dar, da sich die Motive und Ziele der SEDFührung innerhalb weniger Jahre stark wandelten: War die Regierung in den frühen Jahren der DDR noch an einer Wiedervereinigung unter sozialistischen Vorzeichen interessiert, erfüllte die Einigungsforderung der SED im Laufe der 1950er Jahre zunehmend eine reine Propagandafunktion. Die darauf folgenden Dekaden weisen dagegen ein recht sta-

88 Vgl. Lemke 1999, S. 149 und Lemke 2001b, S. 511.

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biles politisches Programm der DDR in Bezug auf die deutsch-deutschen Beziehungen auf: In den 1960er Jahren blieb die gesamtdeutsche Auslegung der Politik auf propagandistischer Ebene zwar weiterhin bestehen, die reale Politik der SED richtete sich aber klar gegen eine Wiederherstellung der deutschen Einheit. Um 1969/70 setzte eine Phase ein, in der die DDR die Einheit der deutschen Nation auch offiziell ablehnte. Die SED-Führung strebte nun eine deutsch-deutsche Beziehungspolitik an, die auf eine internationale Anerkennung der DDR zielte und die Bundesrepublik dem Ausland nahezu gleichsetzte. Zur Deutschlandpolitik und Westarbeit der SED in den 1950er Jahren gibt es einen breiten geschichtswissenschaftlichen Diskurs. Für die in dieser Arbeit behandelten Thematik lässt sich die Diskussion vor allem auf zwei Fragen zuspitzen: Wie ernst war es der DDR-Führung im ersten Jahrzehnt des ostdeutschen Staates mit der Absicht, Deutschland wiederzuvereinen? Welche Rolle spielte der nach außen verkündete Vereinigungswille als Propagandainstrument für die SED? Diese Fragen lassen sich aber nur durch die Rekonstruktion eines komplexen Forschungsdiskurses beantworten. Zudem muss die Abhängigkeit der DDR von der Politik der Sowjetunion mit beachtet werden. Unter den Wissenschaftlern, die sich mit der frühen DDR-Geschichte auseinandersetzen, herrscht Konsens über den eingeschränkten Spielraum der SED in Bezug auf die Lösung der deutschen Frage. Die ostdeutsche Führung musste sich mit ihren deutschlandpolitischen Interessen weitgehend den Zielen der sowjetischen Führungsmacht unterordnen.89 Versucht man, Antworten auf die Ausrichtung der SED-Politik in diesem Jahrzehnt zu finden, muss folglich die rekonstruierbare Position des sozialistischen »großen Bruders« der DDR mitbehandelt werden. Aber auch diese Erweiterung greift noch zu kurz, denn ein vollständiges Bild ergibt sich erst, wenn man die Interaktionen der DDR und der Sowjetunion mit den drei westlichen Besatzungsmächten und der Bundesrepublik hinzu zieht. Die Bundesregierung stand dabei selbst vor schwierigen Aufgaben: Auf der einen Seite war eine Überwindung der deutschen Teilung im Grundgesetz explizit festgeschrieben. Auf der anderen Seite gewann im Laufe der 1950er Jahre die politische und wirtschaftliche Integration in Westeuropa sowie die atlantische Partnerschaft mit den USA an Bedeutung. Letztendlich lässt sich die Position der SED nur bewerten, indem das Wechselspiel von Initiativen zu einer Einigung und die Reaktionen darauf mit den jeweils dazugehörigen Intentionen betrachtet wird. Um die unterschiedlichen Forschungsmeinungen vor einem konkreten Hintergrund diskutieren zu können, wird dem ersten Kapitel zum DDR-Fernsehen in seiner Vorbereitungs- und Experimentierphase von 1950 bis 1955 ein kurzer Abriss der wichtigsten deutschlandpolitischen Initiativen der Sowjetunion und der DDR in den 1950er Jahren vorangestellt (Kapitel 2.1). Im entsprechenden Kapitel für die 1960er Jahre soll gezeigt werden, wie die SED-Führung einerseits noch am Anspruch auf die Einheit

89 Vgl. dazu u.a.: Kleßmann 1991; Kleßmann 1997; Schroeder/Alisch 1998; Amos 1999; Lemke 2001a; Pfeil 2001a; Hübsch 2002a.

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der deutschen Nation festhielt, andererseits in der realen Politik aber bereits an einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR – und damit an der Abgrenzung zum Westen arbeitete (Kapitel 4.1). Im darauffolgenden Jahrzehnt ebnete sich die DDR mittels der deutsch-deutschen Vertragspolitik den Weg zur internationalen Anerkennung, welche sie wiederum mit der politischen Maxime von der Verschärfung des ideologischen Klassenkampfs abzusichern versuchte (Kapitel 5.1). Die 1980er Jahre waren geprägt vom Wiederaufleben der internationalen Ost-West-Spannungen, die im Verlauf allerdings dem nüchternen Beziehungsalltag zwischen beiden Hemisphären wich und mit dem Zusammenbruch des SED-Staates endete (Kapitel 6.1). Die wichtigsten Stationen dieser deutsch-deutschen Geschichte sollen die Modifikationen im Selbstbild der ostdeutschen Fernsehführung, das Beharren auf dem Bild vom ›feindlichen Fernsehen‹ und die Versuche des aktiven Handelns im Konkurrenzkampf beider Programme erklären helfen. 1.4.3 F EINDBILD , S ELBSTBILD UND S TRATEGIEN IM » KONTRASTIVEN D IALOG « »Wenn auf Parteiversammlungen vom Gegner die Rede war, wurde die Stimme unwillkürlich gesenkt, als lauere er irgendwo hinter dem mit rotem Fahnentuch verhangenem Podium.«90 Diese Situation, von Mitter und Wolle sehr treffend beschrieben, stellte sich während der gesamten Existenz der DDR immer wieder und allerorts her. Die DDR ist ohne ihren permanenten Blick auf die Bundesrepublik und das gängige Interpretationsmuster des ideologischen Klassenkampfs, das nahezu alle Probleme und Konstellationen zu erklären imstande schien, nicht denkbar: »Die Mentalität der SED-Funktionäre vom Politbüro bis hinab auf die Ebene der Grundorganisationen bleibt unverständlich ohne den Hinweis auf deren neurotische Fixierung auf den ›Gegner‹. Der Gegner war allgegenwärtig, oft war er unsichtbar und nur für ein im Klassenkampf erfahrenes Auge zu entdecken. Aber er steckte überall.«91 Was für den ›Gegner‹ – sprich die Bundesrepublik mit ihrer Regierung an der Spitze – ganz allgemein galt, wurde nahtlos auf ›seine‹ Medien übertragen: Die »ideologische Diversion«92 – so der seit dem Ende der 1960er Jahre übliche Terminus – bestimmte das Bild der westlichen Medien im öffentlichen Diskurs der DDR. Dies traf in Ermangelung von Berührungspunkten der Bevölkerung mit der bundesdeutschen Presse, in erster Linie auf Hörfunk und Fernsehen zu. Wurden Programme, Inhalte oder Meinungen westdeutscher Radio- oder Fernsehsender offiziell thematisiert, war dies scheinbar nur unter dem Generalverdacht der ihnen unterstellten subversiven Absichten möglich. Im internen Sprachgebrauch des DDR-Fernsehens war, wenn das Fernsehen

90 Mitter/Wolle 1993, S. 378. 91 Ebd. 92 Zur Begriffsdefinition, einem Abriss über die Verwendung des Terminus sowie seiner Rolle in den fernsehinternen Diskursen vgl. ausführlich Kapitel 4.3.3.

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der Bundesrepublik angesprochen wurde, konsequent vom »gegnerischen« bzw. vom »feindlichen Fernsehen« die Rede. Vor diesem Hintergrund ist es schlüssig, den in dieser Arbeit benötigten Sammelbegriff für sämtliche Thematisierungen des Westfernsehens durch die ostdeutsche Fernsehführung in entsprechend zugespitzter Weise zu wählen. Es ist daher nicht vom neutraleren »Fremdbild« die Rede, sondern vom »Feindbild«. Das Determinatum »Bild«, macht dabei bereits deutlich, dass es hier keineswegs um die Wiedergabe von realen Fakten über die Bundesrepublik oder das bundesdeutsche Fernsehen geht, die in schriftlichen Hinterlassenschaften des DDR-Fernsehens überliefert sind. Sondern es werden mentale Bilder untersucht, die sich die Verfasser der Texte von eben diesen Institutionen gemacht haben. Und im Gegensatz zu den positiven Darstellungen zu dem als ›großen Bruder‹ verehrten Sowjetstaat und dessen Medien, handelte es sich hier durchweg um negativ konnotierte Auslegungen. Darum soll im Folgenden in Anlehnung an Silke Satjukow und Rainer Gries das Feindbild93 als »Ensemble negativer Vorstellungen verstanden werden, das eine bestimmte Gruppe von einer gegnerisch perzipierten Gruppe besitzt«94. Werden dagegen die zentralen Topoi des Feindbildes thematisiert – beispielsweise der Remilitarisierungsvorwurf gegenüber der Bundesrepublik in den 1950er Jahren –, geschieht dies in Abgrenzung dazu eher unter den Bezeichnungen »Feindbildnarrative« oder »Feindbildmotive«.95 Das Bild vom Westfernsehen, welches die SED-Führung, die Staatssicherheit, die ostdeutschen Wissenschaftler und Journalisten und nicht zuletzt die leitenden Funktionäre in Adlershof fortwährend vor Augen hatten, war nicht statisch. Wie diese Arbeit zeigen wird, trug es aber fortwährend ablehnende Züge und war nicht auf Verständigung, sondern auf Kampf angelegt. Wirkliche ›Neutralität‹ gegenüber Informationen über ARD, ZDF und Dritte Programme sowie die in den 1980er Jahren hinzugekommenen privaten westdeutschen Fernsehsender gab es nicht – der ›Feindbild-Filter‹ wurde für sämtliche erhobene und gesammelte Daten und Berichte ›aktiviert‹. Dies ist der Grund, warum die Kapitel dieser Arbeit, die sich einerseits mit den Materialsammlungen des DDR-Fernsehens über die westliche Konkurrenz und andererseits mit dem Zerrbild, der diesen Sendern unterstellten ideologischen Absichten beschäftigen, auf das »Feindbild vom Westfernsehen« fokussieren. Dort soll dargestellt werden, wie mit Akribie versucht wurde, den ›Gegner im Äther‹ zu analysieren, seine Zielstellungen zu interpretieren und seine Entwicklungen

93 Feindbilder werden hier selbstverständlich nicht als ›Erfindung‹ des Sozialismus gedeutet, sondern sie haben eine lange Geschichte, und ihre Deutungsmacht reicht bis in die Gegenwart. Vgl. hierzu u.a. Flohr 1991. 94 Satjukow/Gries 2004b, S. 846 sowie Satjukow/Gries 2004a, S. 16. Zu sozialistischen Feindbildern vgl. zudem ausführlich den kompletten Sammelband Satjukow/Gries 2004c. 95 Vgl. ausführlicher Kapitel 3.2.2., welches auch die Verwendung dieser Begriffe durch Monika Gibas erörtert, vgl. Gibas 2004.

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nachzuvollziehen. Der Schwerpunkt liegt dabei auch auf der Frage, wie vordergründig das Feindbild bei den einzelnen Darstellungen war, denn hier gab es durchaus ein breiteres Spektrum. Von der Fernsehführung sind zahlreiche Datensammlungen vor allem über ARD und ZDF überliefert, die technische, wirtschaftliche, institutionelle und programmpolitische Entwicklungen thematisieren. Diese scheinen weniger immer gleiche Vorwürfe an das westliche Fernsehen reproduziert zu haben, sondern sollten präzise Informationen über seine Programme und Strukturen liefern. Aber auch diese weniger ideologiebehafteten Berichte waren Teil eines Diskurses über die westliche Konkurrenz, der hier nur als Feindbilddiskurs bezeichnet werden kann. Die Integration dieser vermeintlich objektiveren Daten über das bundesdeutsche Fernsehen und – so eine Hypothese dieser Arbeit – die geringe Nutzung der Erkenntnisse durch die ostdeutsche Fernsehführung deckt sich mit den Forschungsergebnissen zur Funktion von Feindbildern: Sie sind weder Orientierungshilfen, noch Orientierungshypothesen, sondern Orientierungsdiktate, welche sämtliche Informationen und Ereignisse auf kategorische Art ordnen. Diese Orientierungsdiktakte entstammen als Leitbilder dem Ordnungsdiskurs in der DDR, also der Makroebene des gesamten ostdeutschen Diskurszusammenhangs.96 Sie wirken aber als Diktate auch – und das ist hier von besonderer Bedeutung – im Orientierungsdiskurs (Mesoebene), in dem die hier betrachteten ›Planer und Leiter‹ agierten. Damit sind die Feindbilder ›von oben‹ vorgegeben; sie wurden aber im Diskurs der Fernsehführung bestätigt, die sich zumeist von den Diskursregeln und ideologiekonformen Thematisierungen nicht lösen konnten. Die staatlich konstruierten Leitbilder (bzw. Feindbilder) wurden von der Fernsehführung über das Fernsehen an ihr Publikum vermittelt, womit die Orientierungsdiktate in den Selbstvergewisserungsdiskurs (Mikroebene) überführt werden.97 Diese Diktate weisen eine hohe Konsistenz auf und sind schwer modifizierbar; an ihnen wird über lange Zeiträume festgehalten, auch wenn widersprechende Informationen zur Verfügung stehen.98

96 Leitbilder werden im Folgenden verstanden als »thematische Bündel von Handlungsanweisungen«, womit an eine Definition von Sascha Trültzsch angeschlossen wird, vgl. Trültzsch 2009, S. 148. Danach sind Leitbilder maßgeblich dafür verantwortlich, »dass Werte, Einstellungen und Lebensstile in einer Kultur« vermittelt werden. Zu den Leitbildern im ostdeutschen Fernsehen vgl. ausführlicher auch Vollberg 2009. Der fernsehtypische Diskurs, in dem u.a. diese Leitbilder wirksam wurden, wird mit Hilfe eines dreischichtigen Ebenenmodells rekonstruiert, das die Forschergruppe »Programmgeschichte des DDR-Fernsehen – komparativ« für die Analyse von Entscheidungsstrukturen entwickelt hat. Zum Modell vgl. ausführlicher Trültzsch 2009, S. 97-154. 97 Vgl. Spillmann/Spillmann 1989, S. 31. Zur analytischen Rekonstruktion der Diskursebenen des DDR-Fernsehens vgl. ausführlicher Hartinger et al. 2004, S. 16-24 sowie Trültzsch 2009, S. 134-144. 98 Vgl. Satjukow/Gries 2004b, S. 846.

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Die Feindbildforschung verweist zudem zu Recht auf die duale Struktur des Feindbilddispositivs, welche negativen Leitbildern immer betont positive gegenüberstellt.99 Wie weiter oben schon angedeutet, kann dem Feindbild vom Westfernsehen ein »Freundbild« vom Fernsehen der Sowjetunion bzw. den TV-Sendern der befreundeten sozialistischen Staaten zugeordnet werden.100 Gleichzeitig wurde eine positive Abgrenzung vom bundesdeutschen Fernsehen auch in Bezug auf die eigene Wahrnehmung geschaffen und damit ein hier als »Selbstbild« bezeichnetes Eigenbild des DDR-Fernsehens installiert. Der Begriff wird vor allem in der Sozialpsychologie im Bereich der Selbstkonzeptforschung101 verwendet, kann aber auch auf Gruppen in Form der kollektiven Konstruktion von Selbstzuschreibungen übertragen werden.102 Das hier untersuchte Selbstbild thematisiert fortwährend den positiv besetzten politischen Auftrag der SED-Führung an das Fernsehen: Es soll der Politik und den gesellschaftlichen Vorstellungen der Partei zum ›Sieg‹ verhelfen. Die Kriegsmetapher ist dabei kein Zufall, denn der Sieg des Sozialismus denkt immer den Krieg gegen den Kapitalismus (bzw. Imperialismus) sowie die Hoffnung auf dessen Niederlage mit. Die schlagkräftige ›Waffe‹ in diesem Krieg wollte das DDR-Fernsehen sein.103 Das Selbstbild, das die Fernsehführung von dem Medium hatte, welchem es vorstand, wurde dabei wiederum häufig über die Abgrenzung vom Fernsehen in der Bundesrepublik formuliert. Beide Bilder konnten offenbar nur als positive bzw. negative Vergleichsfolie des anderen Konturen entwickeln, wobei das ›Selbstwertgefühl‹ der DDRFernsehführung oft genug vom Vergleich mit dem westlichen Gegenüber abhing: Konnte sie selbst im unterstellten ideologischen Konkurrenzkampf ›punkten‹, wurde dies euphorisch bejubelt; feierte dagegen der ›Gegner‹ Erfolge, dämpfte dies die Stimmung erheblich. Gleichzeitig wurden Selbst- und Feindbild zwar vorsichtig, aber kontinuierlich den politischen Entwicklungen, besonders den sich verändernden deutsch-deutschen Beziehungen, angepasst. Diese permanente Bezugnahme und der Abgleich des eigenen Selbstbildes mit dem Fernsehen der Bundesrepublik (bzw. präziser mit dem Bild, welches man von diesem konstruierte) wurde bereits von Rüdiger Steinmetz und Reinhold Viehoff als bedeutende Bedingungen des DDR-Fernsehens erkannt und als Aspekte seiner Programmge-

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Vgl. u.a. ebd., S. 848 und Satjukow/Gries 2004a, S. 16-21. Die Autoren sprechen von »einer psychosozialen Notwendigkeit« bei der Markierung von ›Freunden‹ auf der einen und der Fixierung von ›Feinden‹ auf der anderen Seite, vgl. ebd. S. 19. Vgl. zum Freundbild der Sowjetunion und ihres Fernsehprogramms Vollberg 2007, sowie ausführlicher Vollberg 2009. Vgl. ausführlich Mummendey 2006. Diese Übertragung wird auch in anderen Disziplinen vorgenommen, beispielsweise in der Geschichtswissenschaft, vgl. Wedl et al. 2007. Vgl. zum Gebrauch des ›Waffenbegriffs‹ als Funktionsbeschreibung des DDR-Fernsehens das Kapitel 3.1.5.

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schichte beschrieben: Mit dem Begriff des »kontrastiven Dialogs«104 wurde das Wechselspiel von Frage und Antwort innerhalb einer Politik der Abgrenzung bezeichnet, »eine Art interaktiver Gesprächssituation, die aber nicht auf Verständigung, sondern auf ›Kontrast‹ angelegt war«105. Die deutsch-deutsche Grenze war durchlässig für die Programme von Hörfunk und Fernsehen, das Publikum teilweise identisch. In gleicher Weise, wie sich beide deutsche Staaten in Abgrenzung zueinander konstituiert hatten und existierten, referierten auch ihre elektronischen Medien auf das Pendant im anderen Deutschland. Dieser kontrastive Dialog kann zwar grundsätzlich für die Medien in der DDR und der Bundesrepublik vorausgesetzt werden, allerdings in deutlich unterschiedlicher Intensität. Für das westdeutsche Fernsehen können solche Bezugnahmen nach gegenwärtiger Forschungslage nur bis zu den 1970er Jahren und punktuell für einzelne Sendungen nachgewiesen werden. Hauptgrund dafür ist die ungleiche staatliche Anbindung und die Funktion der Medien in beiden deutschen Ländern: Während in der Bundesrepublik die Staatsferne der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF de jure festgelegt war (und zum großen Teil auch von den politischen und programmproduzierenden Akteuren unterstützt wurde), waren die Medien der DDR weitgehend Herrschaftsinstrumente von Partei und Staat. Sie sahen sich fortwährend im ideologischen Konkurrenzkampf mit den Medien des ›Klassenfeindes‹ und räumten ihnen damit – wenn auch mit abgrenzendem Gestus – unvergleichbar mehr Raum ein.106 Konkret lässt sich der kontrastive Dialog auf Seiten des ostdeutschen Fernsehens rekonstruieren, wenn man neben dem Selbstbild, welches in Abgrenzung vom Feindbild konstruiert wurde, auch seine Strategien im Umgang mit dem westdeutschen Fernsehen dokumentiert und interpretiert. Passend zu den schon eingeführten Kriegsmetaphern kommt dabei mit »Strategie«, in dieser Arbeit der dritte Untersuchungsbereich neben Selbst- und Feindbild, ein weiterer Begriff militärischen Ursprungs hinzu.107 Unter Strategie wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein genauer Plan des eigenen Vorgehens verstanden, der dazu dient ein militärisches, politisches, psychologisches o. ä. Ziel zu erreichen. Dabei versucht man von vornherein, diejenigen Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen können, einzukalkulieren.108 Im militärischen Kontext bezeichnet Strategie allgemein die Kunst der Kriegsführung, besonders die Fähigkeit, einen entscheidenden Einfluss auf den Ablauf der Auseinandersetzung zu nehmen und diese so möglichst vorteilhaft für die eigene Seite zu gestalten. Der Begriff ist zudem vor allem mit den Bereichen Politik und Wirtschaft verbunden, wo politische bzw.

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Steinmetz/Viehoff 2001, S. 10. Steinmetz/Viehoff 2008, S. 16. Vgl. ebd. Dies trifft bereits auf den Wortursprung im Griechischen zu, woraus es als »Heeresführung« übersetzt werden kann. Auch heute noch wird mit dem verwandten Begriff »Strategem« die Kriegslist bezeichnet. Vgl. Bibliographisches Institut Software 2000.

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ökonomische Strategien eingesetzt werden, um einen politischen Willen durchzusetzen oder ein Unternehmen kommerziell erfolgreich zu führen. Alle drei Dimensionen des Begriffs treffen auf das zielgerichtete Handeln der ostdeutschen Fernsehführung zu: Taktische Programmentscheidungen wurden als Momente eines ›Fernsehkrieges‹ getroffen, der innerhalb der großen Ost-West-Auseinandersetzung an der deutschdeutschen ›Klassengrenze‹ tobte. Mit dem strategischen Handeln sollten dabei politische Ziele durchgesetzt werden, indem das Medium Fernsehen als Propagandainstrument ge- bzw. missbraucht wurde. Gleichzeitig ging es neben einer Konkurrenz der Weltanschauungen auch um eine ökonomische Konkurrenz, bei der auf einem gemeinsamen Markt um Käufer bzw. Zuschauer geworben wurde.109 Vor diesem Hintergrund soll in den einzelnen Entwicklungsphasen des DDR-Fernsehens untersucht werden, inwieweit programmliche, strukturelle und organisatorische Entscheidungen im Hinblick auf die Konkurrenz durch das westliche Fernsehen getroffen wurden. Wie hat die Fernsehführung versucht, den Erfolg des Westfernsehens einzudämmen; und in welchen Bereichen lässt sich rekonstruieren, dass Entscheidungen direkt vom Programmangebot des Gegenspielers beeinflusst wurden? Dabei soll auch hinterfragt werden, in welchem Verhältnis die Reaktionen und Taktiken zum jeweils vorherrschenden Selbst- und Feindbild standen, ob sich Ergebnisse dieser Diskursfelder als konkretes Handeln manifestiert haben oder ob vielmehr die mentalen Bilder einem tatsächlich am Wettbewerb orientierten Vorgehen abträglich waren. 1.4.4 Q UELLEN

UND

Q UELLENKRITIK

Methodisch wird die genannte Zielstellung dieser Arbeit durch eine quellenkritische Aktenanalyse erreicht, in welcher Dokumente aufgearbeitet werden, die von der Fernsehführung überliefert sind: Dies umfasst Programmpläne, Konzeptionen zur eigenen Aufgabenstellung und Wirksamkeit, Protokolle von Sitzungen und Diskussionen sowie thematisch relevanter Schriftwechsel innerhalb des Fernsehens und mit den anleitenden Gremien. Hierfür wurde der »Schriftgutbestand Fernsehen«110 im Deutschen Rundfunkarchivs in Potsdam-Babelsberg und die betreffenden Überlieferungen im Bundesarchiv Berlin auf die Thematik des kontrastiven Dialogs hin untersucht. In Letzterem sind dabei

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In der DDR gab es selbstverständlich kein am Werbemarkt orientiertes Fernsehen, bei dem der Erfolg von Sendungen ausschließlich an erreichten Zielgruppenquoten gemessen wurde. Trotzdem war die Nutzung des bzw. später der beiden Programme durch die ostdeutsche Bevölkerung (phasenweise auch durch die westdeutschen Zuschauer) ein Erfolgskriterium, das großen Einfluss auf die Beurteilung durch die anleitenden Gremien und die letztendlich entscheidende SED-Führung hatte. Vgl. hierzu ausführlicher Salhoff 2001.

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zuallererst der Bestand des Fernsehkomitees111, darüber hinaus des Rundfunkkomitees sowie die im Schriftgut der »Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR« (SAPMO) erhaltenen Akten der SED-Kreisleitung Fernsehen, der Abteilung Agitation des ZK der SED, der Abteilung Kultur, der Westabteilung und relevante Protokolle und Vorlagen des SED-Politbüros von entscheidender Bedeutung.112 Die genannten Bestände sind erst teilweise erschlossen und durch Findbücher gezielt zugänglich, in den anderen Fällen musste auf noch nicht systematisch erfasstes Material zurückgegriffen werden. Zusätzlich ergänzen Dokumente aus dem Archiv der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in Berlin diese Arbeit, gerade was den Feindbilddiskurs über das bundesdeutsche Fernsehen betrifft. Dabei handelt es sich ausschließlich um sachbezogene Berichte und nicht um personenbezogene Informationen, es werden also weder Namen von ›Betroffenen‹ im Sinne des Stasi-Unterlagengesetzes113 noch von Mitarbeitern des Ministeriums genannt, so dass eine Verletzung des Anonymisierungsgebotes nach Paragraph 32 von vornherein ausgeschlossen wird. Insgesamt konnte hier allerdings nicht so systematisch wie in den oben genannten Archiven recherchiert werden, da zum einen keine Findbücher oder Findkarteien zur Verfügung standen. Zum anderen erlaubten die Regularien keine komplette Bestandserhebung, sondern die Auswahl des einzusehenden Schriftguts wurde nach Verständigung über ein konkretes Thema von einem Sachbearbeiter der Behörde vorgenommen.114 Das überlieferte Schriftgut aller drei Archive stellt für diese Untersuchung eine »Quelle« dar – d. h. es ermöglicht, vergangene Wirklichkeit zu rekonstruieren, Tatsachen, Ereignisse und Zusammenhänge zu ermitteln.115 In der Systematik der Quellenkunde werden »Akten«, wie in diesem Fall die des DDR-Fernsehens sowie assoziierter Gremien und Abteilungen, den »Überresten«116 zugeordnet. Sie dienten in erster Linie Verwaltungszwecken, als Merkmal einer geordneten Geschäftsführung, nicht jedoch der Instruktion und Beeinflussung der Nachwelt. Darum kann generell davon ausgegangen werden, dass sie mit einem ho-

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Unter der Signatur DR 8, Bestand Fernsehkomitee und Vorgängergremien, Umfang: 240 Aktenordner, 42,5 laufende Meter. Hinzu kommen kleinere Bestände, die von einzelnen Büros führender Persönlichkeiten überliefert wurden, z.B. von Werner Lamberz und Joachim Herrmann. Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz í abgekürzt StUG) vom 20.12.1991, letzte Änderung am 05.02.2009. Zu den Schwierigkeiten externer Forschung in diesem Archiv vgl. auch die Beschreibungen von Hermann Weber und Siegfried Mampel, die unverändert aktuell sind. Vgl. Weber 1994 und Mampel 1996, S. 11-12. Vgl. Definition der historischen Quelle in Asendorf et al. 1994, S. 518. Vgl. die klassische Dreiteilung nach Johann Gustav Droysen, u.a. in Droysen 1925.

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hen Grad an Authentizität die Interessen, Motive und Ziele der Personen widerspiegeln, die in den analysierten Institutionen auf den verschiedenen Ebenen Entscheidungen getroffen haben.117 Einschränkend muss allerdings beachtet werden, dass Akten prinzipiell fragmentarisch sind. Von der gesamten internen Kommunikation der Fernsehführung ist nur ein Bruchteil schriftlich fixiert und überliefert worden. Viele Entscheidungen und Pläne wurden in mündlicher Form, sei es von Angesicht zu Angesicht oder über das Telefon, besprochen, entschieden und im Nachhinein nur teilweise oder gar nicht schriftlich festgehalten. Diskussionen und Auseinandersetzungen wurden nicht immer protokolliert und wenn dies geschah, dann häufig in verkürzter, zusammenfassender Form. Dieser (normale) Prozess wurde durch die spezifische Situation des DDR-Fernsehens und seine feste Einbindung in die Herrschaftsstrukturen des SED-Staates noch verstärkt: Entscheidungen waren hier generell weniger auf Durchschaubarkeit und Nachvollziehbarkeit angelegt, vieles wurde über informelle Beziehungen und Kontakte geregelt. Darum sind viele Argumentationen und Entscheidungsprozesse für die Medienhistoriker heute nicht mehr zu rekonstruieren, auch wenn sie sich durch das Heranziehen anderer Zeugnisse behelfen können, wie in diesem Fall der angrenzenden Institutionen oder Veröffentlichungen in Zeitungen usw. Auch Zeitzeugen, deren Erinnerungsfunktion durch Selektion und Interpretation beeinflusst ist, können diese Lücke nicht komplett schließen.118 Hinzu kommt, dass nicht mehr vollständig geklärt werden kann, wo Papiere gezielt der Überlieferung entzogen worden oder Akten im Prozess der Archivierung unbeabsichtigt verlorengegangen sind.119 Trotzdem stellt der weitgehend geschlossene Bestand der Fernsehkomiteeakten (sowie ihrer Vorgängerinstitutionen) einen Glücksfall für die hier angestrebte Untersuchung dar. In ihm wurden fast durchgängig als vertraulich eingestufte Akten aus einem Zeitraum von nahezu vierzig Jahren erhalten und der wissenschaftlichen Nutzung zugänglich gemacht. Anhand der originalen Systematik der Fernsehführung, die Beschlussvorlagen und Protokolle der einzelnen Jahre durchnummeriert hat, lässt

117 118

119

Vgl. Asendorf et al. 1994, S. 23. Die vorliegende Arbeit fokussiert auf der Rekonstruktion des internen Diskurses der Fernsehführung anhand des überlieferten Schriftguts. Auf zusätzliche Interviews mit Zeitzeugen wurde verzichtet, weil die zu erwartenden Aussagen an Genauigkeit nicht an die der vorliegenden Archivalien heranreichen können. Trotzdem wurden kontextuell sowohl dokumentierte Gespräche mit ehemaligen Fernsehmitarbeitern, vgl. Steinmetz/Viehoff 2008, S. 599, als auch die Memoirenwerke einiger Zeitzeugen einbezogen, vgl. u.a. Müncheberg 2000; Böhme 2002b; Fensch 2003. Anhand der in dieser Arbeit vorgelegten Quellenbelege zu Entscheidungen etc. würden sich darüber hinaus Zeitzeugenbefragungen als darauf aufbauende Forschung anbieten. Letzteres trifft auch auf den DR8-Bestand zu, wo mindestens zwei Bände als verschollen gelten.

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sich bereits ablesen, dass ein Großteil des Geschäftsschriftguts tatsächlich erhalten ist. Neben den Einschränkungen durch die Überlieferungssituation muss bei der kritischen Quellenanalyse beachtet werden, dass Akten im Allgemeinen der Perspektive ihrer Verfasser verpflichtet sind, was ihrer Aussagekraft Grenzen setzt.120 Aufgrund der engen Abhängigkeit des DDR-Fernsehens von der Anleitung durch die SED-Gremien ist zu erwarten, dass die schriftlichen Überlieferungen weitgehend den Vorstellungen und Zielen des von der Partei vorgegebenen Weltbildes entsprechen. Nicht nur stilistisch sind die Fernsehakten vom ›SED-Jargon‹ geprägt, sondern auch ihre Inhalte mussten herrschenden Normen angepasst sein. Allerdings wird hier davon ausgegangen, dass der Grad der Anpassung durchaus variierte und auch aus diesem Grund die anvisierten Quellen eine nähere Untersuchung lohnen. Der Kontrollanspruch der SED war zwar totalitär, trotzdem ließ er sich nicht total durchsetzen. Auch im Kreis der Fernsehführung gab es Spielräume; und eine Rekonstruktion von Gedankengängen, alternativen Überlegungen und Initiativen ist durchaus lohnenswert. Zwar waren diese nicht immer von Erfolg gekrönt, nichtsdestotrotz zeichnen sie die Stimmung und Bewegung dieser Institution nach. Grundsätzlich müssen die überlieferten Akten als Quellen interpretiert werden, um Denkmuster der Verantwortlichen tatsächlich offenzulegen. Diese Interpretation wird methodisch als Dokumentenanalyse121 durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine qualitative Methode, die bereits vorhandenes Material erschließt und ähnlich wie die historische Quellenkunde bzw. -kritik arbeitet.122 Die Daten müssen dadurch nicht erst durch den Forscher gesammelt werden, was sich vor allem bei Gegenständen anbietet, bei denen eine direkte Erhebung unmöglich ist.123 Somit ist die Dokumentenanalyse »vor allem dann wichtig, wenn es sich um zurückliegende, um historische Ereignisse handelt«124. Abhängig von den Merkmalen der analysierten Dokumente kann dabei auf deren Erkenntniswert geschlussfolgert werden.125 Der Ablauf einer Dokumentenanalyse wird mit Mayring126 wie folgt strukturiert:

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Vgl. Asendorf et al. 1994, S. 23. Für ein Muster einer Dokumentenanalyse, die sich mit einem adäquaten Gegenstand beschäftigt, vgl. Hans-Jörg Stiehlers bereits erwähnte Studie »Leben ohne Westfernsehen« (Stiehler 2001, S. 81-114). Aus dieser Untersuchung entstammt auch der Hinweis auf die Methode nach Mayring; vgl. Mayring 2002. Weiterführend zur Methode vgl. Lamnek 1995, S. 191-196. Vgl. Mayring 2002, S. 47. Zur historischen Quellenkritik und -interpretation vgl. ausführlich Pandel 2006. Vgl. Mayring 2002, S. 49. Ebd., S. 47. Mayring nennt sechs dieser Charakteristika: Art des Dokuments, dessen äußere (Zustand) und innere (Inhalt) Merkmale, dessen Intendiertheit, dessen Nähe zum Gegenstand (zeitlich, räumlich, sozial) sowie dessen Herkunft. Vgl. ebd., S. 48. Vgl. ebd., S. 48-49.

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1. Formulierung der Fragestellung 2. Definition und Sammlung des Ausgangsmaterials 3. Quellenkritik: »Nach den […] genannten Kriterien wird eingeschätzt, was die Dokumente aussagen können, welchen Wert sie für die Beantwortung der Fragen haben.«127 4. Interpretation des gesammelten Materials Dieses Analyseprogramm entspricht wie erwähnt formal weitgehend der historischen Methode Quellenanalyse128, was der mediengeschichtlichen Ausrichtung der Arbeit geschuldet ist. Auch der vierte Schritt, die Interpretation, wird somit von einem geschichtswissenschaftlichen Verständnis geprägt. In ihr bilden die rekonstruierbaren, übergeordneten gesellschaftlichen Diskurse einen vorstrukturierenden Kontextrahmen für die Deutung der Einzeltexte. Als übergeordnete Diskurse sind dabei der zwischenstaatliche Diskurs beider Teile Deutschlands (und ihrer Bündnispartner), der Herrschaftsdiskurs der SED-Gremien bzw. des DDR-Staatsapparates sowie der der ›Planer und Leiter‹ des Fernsehens relevant. Diese Kontextrahmen bilden nicht nur historische Hintergründe, die das Verständnis der Quellen ermöglichen, sondern liefern Deutungsmuster für die Intentionen, Argumentationen und Strategien ihrer Verfasser. Damit klärt die Interpretation jeweils folgende Fragen: • Welche Bedeutung verband der Verfasser mit seiner Niederschrift? • In welchem Bedeutungszusammenhang steht die Niederschrift? • Welche Zielsetzung war damit beabsichtigt? Zwischen Kontextrahmen und Quellenbedeutung bewegt sich die Interpretation spiralförmig, es wird zum einen also nicht nur vom Rahmen auf den einzelnen Text, sondern stets auch von der Einzelquelle auf den Gesamtzusammenhang geschlossen. Zum anderen wird die Interpretation in dieser Spiralbewegung immer detaillierter und damit genauer.129 Der Geschichtswissenschaftler Hans-Jürgen Pandel hat darauf hingewiesen, dass die historische Interpretation »als hermeneutische Operation zu begreifen«130 ist; und in diesem Sinne arbeitet die vorliegende Analyse auch mit hermeneutischen Methoden. Diese werden aus einer geschichtswissenschaftlichen Tradition heraus benutzt und folgen dem

127 128

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Ebd., S. 48. Vgl. dazu etwa die Ausführungen bei Hans-Jürgen Pandel. Er unterscheidet vier Operationen bei der historischen Quellenanalyse und -interpretation: 1. Fragestellung; 2. Heuristik (Sammeln und Durchsicht der historischen Materialien); 3. Quellenkritik: Äußere (formale) Kritik (Glaubwürdigkeit der Textgestalt) und innere Kritik (Glaubwürdigkeit der Quellenaussage); 4. Interpretation. Vgl. Pandel 2006, S. 149-182; ähnlich auch Metzler 2004, S. 56-62. Vgl. Pandel 2006, S. 149-182. Vgl. ebd., S. 149.

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Verständnis von Pandel.131 Begründet ist das Einschlagen einer hermeneutischen Richtung in den vielen Lücken, die der rekonstruierbare Diskurs aufweist: Akten wurden der Überlieferung absichtlich oder zufällig entzogen, ihre Inhalte spiegelten stets nur das ›Sagbare‹ wieder, und schließlich enthalten sie nur sehr wenig Hinweise auf den gesellschaftlichen und mentalitätsgeschichtlichen Rahmen ihrer Entstehung. Diese Lücken verlangen nach einer verstehenden, deutenden Behandlung, wie sie hermeneutische Verfahren insbesondere in der geschichtswissenschaftlichen Prägung anbieten. Die Grenzen und Fehler der hermeneutischen Methodik132 werden dabei berücksichtigt und die Hermeneutik aufgrund der berechtigten Kritik133, die sie in der Medienwissenschaft erfahren hat, auch nicht als ›reine‹ Analyse verwendet. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung dient sie pragmatisch als historische, heuristische Methode, um Hypothesen zu entwickeln, welche das Verstehen von Quellen organisieren sollen. Diese Methodik findet sich auch in ähnlichen mediengeschichtlichen Studien.134 Im Prozess des Verstehens und der Analyse ist eine schon im Material enthaltene Fremdheit zu beachten, auf die bereits Karl-Heinz Schmidt hingewiesen hat. Er untersuchte Dokumente aus dem innersten Machtzirkel der DDR auf den darin geführten Dialog über die Deutschlandpolitik und beschrieb vier Dimensionen dieser Fremdheit: Erstens müsse das Denken einer politischen Elite135 nachgezeichnet werden, was einem außerhalb der Elite stehenden Beobachter nicht aus eigenen biografischen Kontexten heraus gelänge. (Die führenden Persönlichkeiten der anleitenden Gremien gehörten dieser Elite zwangsläufig an; aufgrund der herausragenden Stellung des Fernsehens im Mediensystem der DDR kann auch dessen Leitung zu diesem Kreis gezählt werden.) Zweitens hätte es der Historiker hierbei mit einem hochgradig ideologisch bestimmten Denken zu tun, welches ohne Berücksichtigung der herrschenden Ideologie des Marxismus-Leninismus die dahin-

131

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Vgl. dazu insbesondere auch Pandel 1991; vgl. darüber hinaus Pandel 2004, S. 110-123. Auch in der Medienwissenschaft findet die Hermeneutik (wieder) Verwendung, vgl. dazu einführend Faulstich 2002, S. 92-98. Zur Hermeneutik als qualitative Methode der Sozialwissenschaft vgl. weiterführend Mayring 2000, S. 27-29; Mayring 2002, S. 121-126 sowie umfassend Kurt 2004. Zur Hermeneutik als geisteswissenschaftliche Methode vgl. die instruktive und detaillierte Einführung bei Danner 1998, S. 31-117. Einen Vergleich der (literaturwissenschaftlichen) Hermeneutik mit anderen Verfahren der Textanalyse bietet Früh 1998, S. 49-55. So etwa das Fehlen einer gesellschaftlichen Analyse, der hohe subjektive Anteil des Interpretierenden, die zumeist intransparenten Interpretationsgrundlagen, die unzureichende systematische Aufarbeitung von Kontexten, die fehlende Empirisierbarkeit und Validierbarkeit von Interpretationen usw. Zu einer jüngeren Kritik hermeneutischer Verfahren vor allem bezogen auf die Film- und Fernsehanalyse vgl. Trültzsch 2009, S. 24-28. Vgl. Arnold 2002, insbesondere S. 215 und Schuhbauer 2001, S. 36-37. Zur politischen Funktionselite der DDR vgl. ausführlicher Schneider 1994.

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terstehenden Handlungsmotive nicht offenbare. Drittens brächte der zeitliche Abstand zum Geschehen eine Fremdheit mit sich, die selbst ehemaligen Anhängern der Ideologie in der Gegenwart ein Verständnis ihres einstigen Sinnen und Trachtens schwer fallen ließe. Viertens müsse es aufgrund des letztendlichen Scheiterns des sozialistischen Systems der DDR sowie der ehemaligen Ostblockstaaten vermieden werden, den Verlauf der Geschichte als unaufhaltsam auf den Untergang im Jahr 1989 zustrebend zu interpretieren (teleologische Sicht).136 Diese Fremdheit muss als entscheidende Voraussetzung des Verstehens akzeptiert werden, wobei Verstehen nicht »Verteidigen, Verzeihen oder Akzeptieren«137 bedeute. 1.4.5 P HASIERUNG Die vorliegende Arbeit ist sowohl chronologisch als auch systematisch gegliedert: Für den Zeitraum von 1950 bis 1989 geht sie den oben genannten Fragestellungen in fünf Phasen nach, wobei in den einzelnen Phasen ab 1956 die drei Teile der Analyse – Selbstbild, Feindbild und Strategie – getrennt untersucht werden. Das Jahr 1950 wird als Anfangspunkt der Darstellung gewählt, da zu diesem Zeitpunkt die aktive Vorbereitung auf ein ostdeutsches Fernsehprogramm einsetzte: Die erste Gruppe von Technikern bezog im zeitigen Frühjahr eine provisorische Baracke in Berlin-Adlershof; im Juni wurde der erste Spatenstich für das spätere Fernsehzentrum gesetzt und mit ersten Bildübertragungen experimentiert. Der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) startete im gleichen Jahr ein inoffizielles Versuchsprogramm. Ein Wettlauf hatte begonnen, den die zeitgenössische Presse beobachtete und der von Zeitzeugen erinnert wird. Zwar sind aus dieser Zeit keine Originaldokumente überliefert, die diese Motivation der ostdeutschen Führung beim Aufbau des Fernsehens thematisieren, aber als ›Vorgeschichte‹ des später in den Akten dokumentierten Agierens darf dieser Zeitraum nicht unbeachtet bleiben (Kapitel 2.2). Die Gruppe der Fernsehführung, die im Zentrum dieser Untersuchung steht, konstituierte sich als »Kollegium des Fernsehzentrums Berlin« erst am 3. Dezember 1953; zu diesem Zeitpunkt wurde bereits seit einem Jahr ein offizielles Versuchsprogramm ausgestrahlt. Bis zum Beginn des regulären Programmbetriebes des DFF Anfang 1956 bleibt die Quellenlage jedoch so schwierig, dass für diese Phase auf die thematische Dreiteilung noch verzichtet wurde. Trotzdem lassen sich für das inoffizielle (ab 4. Juni 1952 ausgestrahlte) sowie das offizielle (am 21. Dezember 1952 gestartete) Versuchsprogramm bereits wichtige Motive im innerdeutschen Konkurrenzkampf belegen, so dass diese so ausführlich wie es die Quellen- und Literaturlage gestattet, dargestellt werden sollen (Kapitel 2.3). Die eigentliche Untersuchung von Selbstund Feindbild sowie den Strategien im Umgang mit dem westdeutschen Konkurrenten setzt, darauf aufbauend, mit dem Sendestart des DFF am 136 137

Vgl. Schmidt 1998, S. 11-12. Zum vierten Punkt vgl. auch Kapitel 6.1. Schmidt 1998, S. 12.

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2. Januar 1956 ein (Kapitel 3). In den ersten Sendejahren bis 1959 sind für diese Arbeit der gesamtdeutsche Auftrag des DFF und seine Auswirkungen auf die politische Agenda der Fernsehmacher und das Fernsehprogramm selbst von Interesse. Fortgesetzt wird die konsequente Dreiteilung der Analyse über die anschließenden Jahrzehnte: In den 1960er Jahren etablierte sich das Fernsehen als Massenmedium und begann sich bereits wieder vom Publikum hinter der innerdeutschen Grenze zu distanzieren (Kapitel 4). Die intensive Zuwendung zu den DDR-Zuschauern und die forcierte Anpassung an die Wünsche dieses Publikums kennzeichneten das darauffolgende Dezennium (Kapitel 5). In den 1980er Jahren verstärkte sich dieser Trend noch einmal, indem das Fernsehen mit einer ›alternativen Programmgestaltung‹ um Zuschauer warb (Kapitel 6). Den Endpunkt dieser Analyse bildet schließlich die Umbruchsbewegung, die im Wendeherbst 1989 auch das Fernsehen der DDR grundlegend veränderte. Zwar existierte das DDR-Fernsehen noch bis zum 31. Dezember 1991 weiter, aber unter so gänzlich veränderten Rahmenbedingungen (Wegfall der politischen Medienlenkung, Umstrukturierung der Fernsehführung), dass sie eine Fortschreibung der vorliegenden Untersuchung ausschließen. Die ›Selbstfindung‹ des Fernsehprogramms in der Zeit bis zum Sendeschluss 1991, der Wegfall des indoktrinierten Feindbildes und die Auseinandersetzung mit einer Konkurrenz ganz neuer Art haben mit den Untersuchungsgegenständen dieser Arbeit wenig gemein. Diese letzte Phase des DDR-Fernsehens – als ein »Staatsfernsehen ohne Staat«138 – wird darum nicht ausführlich behandelt. Eine kurze Zusammenfassung der Entwicklungen und ein Verweis auf die dazu vorliegenden Forschungsergebnisse finden sich am Ende der Untersuchung. Die durch die Kapiteleinteilung vorgenommene Phasierung des Zeitraums von 1956 bis 1989 lehnt sich weitestgehend an die Phaseneinteilung von Steinmetz und Viehoff an.139 Die vorliegende Arbeit orientiert sich damit an der Genese der Programmentwicklung des Fernsehens, die sich wiederum auch mit den in dieser Arbeit beobachteten Entwicklungen erklären lässt. Ein wichtiges Argument für diese Entscheidung war zudem die Schaffung günstiger Voraussetzungen für

138 139

Steinmetz/Viehoff 2008, S. 487. Phasierung: 1952-1955 »Ein neues Medium sendet – Da lacht der Bär«, 1956-1960 »Massenmedium und Rumpelkammer«, 1961-1969 »Aufbau des Sozialismus – Mit dem Herzen dabei«, 1970-1979 »Die Partei will keine Langeweile«, 1980-1989 »Stagnation und Anpassung an internationale Standards«, 1990-1991 »Staatsfernsehen ohne Staat – Aufbruch und Sendeschluss«, vgl. ebd., S. 7-13. Eine geringe Abweichung der vorliegenden Arbeit gibt es nur für das Jahr 1960, welches die Autorin bereits zur Etablierungsphase in den 1960er Jahren zählt. Hier wird der vergleichsweise stärkere Einfluss der Deutschlandpolitik deutlich, in der mit dem »Deutschlandplan« der SED von 1960 eine Zäsur vorliegt, die diese Einteilung begründet.

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vergleichende Untersuchungen, z. B. von Feind- und Freundbildern im DDR-Fernsehen, die Anschlussforschungen leisten könnten. Einzige Ausnahme in der chronologischen Vorgehensweise dieser Arbeit bildet das Kapitel zum »Deutschlandfernsehen«-Projekt in der DDR (Kapitel 3.4). Dem letztendlich gescheiterten Versuch, ein DDRProgramm eigens für die Zuschauer in der Bundesrepublik zu schaffen, gebührt in dieser Arbeit ein besonderer Stellenwert. Die Geschehnisse vereinen dabei Selbstreferenzielles, einen ausgeprägten Feindbilddiskurs sowie strategisches Agieren in einer ›Melange‹, so dass eine thematische Trennung in diese drei Bereiche hier nicht sinnvoll erscheint. Zeitlich liegen die Ereignisse zwischen dem ersten Planungsstadium und der Ablehnung des Projektes durch die DDR-Staatsführung überschneidend in den 1950er und 1960er Jahren. Die dahinterstehende Idee ist dabei allerdings viel mehr dem gesamtdeutschen Anspruch des Fernsehens der 1950er Jahre verhaftet, weshalb die Ausführungen zum »Deutschlandfernsehen« anschließend an diese Phase dargestellt werden. Sie bilden damit quasi ein ›Zwischenspiel‹ zwischen diesem Jahrzehnt und dem anschließenden Dezennium. Mit der Gesamtdarstellung des Zeitraumes von 1950 bis 1989 soll letztendlich eine Forschungslücke geschlossen werden: Bisher liegen Ergebnisse zum hier untersuchten Gegenstand erst für die Zeitinseln 1958 bis 1963 (im Umfeld des Mauerbaus)140, 1968 bis 1974 (Start des zweiten Programms, erste Programmreform)141 und 1981 bis 1985 (Einführung der ›alternativen Programmstruktur)142 vor. Damit mussten viele wichtige Entwicklungen und Zusammenhänge bislang unbeachtet bleiben, welche entweder auf die Umwälzungen hin liefen oder die Folgen dieser Veränderungen bildeten. Diesen Phänomenen wird in der vorliegenden Untersuchung durch eine zusammenhängende Darstellung über die knapp vierzigjährige Geschichte des DDR-Fernsehens umfassend nachgespürt.

1.5 Editorische Hinweise Die vorliegende Arbeit basiert auf der Auswertung zahlreicher Quellen, die in dieser Form bisher nicht veröffentlicht wurden und außer durch Vor-Ort-Recherchen in den betreffenden Archiven nicht zugänglich sind. Ergebnis dieser Forschung soll darum auch eine systematisierte Darstellung relevanter Akten und ihrer Aussagen sein, wobei der Anspruch vertreten wird, die wichtigsten Stellen direkt zu zitieren, um damit die einstigen Entscheidungsträger selbst ›sprechen‹ zu lassen. Viele Argumente und Diskursbeiträge müssen natürlich verknappt und indirekt wiedergegeben werden, damit die Lesbarkeit dieser Arbeit erleichtert wird. Zudem werden sie, wie es eine wissenschaftliche Methodik verlangt, kontextualisiert, interpretiert und bewertet. Trotzdem 140 141 142

Vgl. Dittmar 2007. Vgl. Dittmar 2002; 2003; 2004b; 2005. Vgl. Dittmar 2004a.

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plädiert die Autorin für die wörtliche Wiedergabe wichtiger Stellungnahmen, um damit eine authentische Rekonstruktion des Diskurses zu gewährleisten, dem sich dieser Forschungsansatz verpflichtet fühlt. Doppelte An- und Abführungen kennzeichnen im Folgenden alle direkten Zitate, die mit einer verkürzten Literatur- oder Quellenangabe im Fußnotenapparat nachgewiesen werden. Die knappe Zitierform durch Name und Erscheinungsjahr verweist dabei auf Literatur, also veröffentlichte Fachliteratur, fiktionale Werke bzw. Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge. Vollständige Angaben hierzu finden sich im angehängten Literaturverzeichnis. Steht dagegen vor der Angabe von Verfasser bzw. Institution und Jahreszahl ein »Q« in eckigen Klammern, handelt es sich um eine Quelle, deren vollständige Angaben im Quellenverzeichnis nachgewiesen werden. Dort wird – geordnet nach Archiven – Verfasser, Jahr, Titel der Quelle (ggf. eine Original-Bestandskennzeichnung), Datierung und Signatur aufgeführt. Einfache An- und Abführungen markieren eine uneigentliche Sprachverwendung, die der präziseren Benennung von Zusammenhängen dient, ohne der gehobenen Sprachebene einer wissenschaftlichen Arbeit angemessen zu sein. Auch DDR-spezifische Begriffe, die an der jeweiligen Stelle nicht direkt einer Quelle entnommen sind, werden so gekennzeichnet. Durch Kursivschreibung sind sowohl die Titel von Sendungen und Zeitschriften als auch Textemphasen hervorgehoben. Im Text verwendete Abkürzungen werden zumeist bei der ersten Nennung vollständig ausgeschrieben, stets aber im Abkürzungsverzeichnis nachgewiesen. Veränderungen in direkten Zitaten wie Flexionsänderungen, Auslassungen oder Ergänzungen sind durch eckige Klammern im Zitat markiert, größere Veränderungen und Zusätze darüber hinaus durch die Initialen »C. D.« hervorgehoben. Wenn in der vorliegenden Arbeit von ›Planern und Leitern‹, Entscheidungsträgern, Genossen, Mitarbeitern und Mitgliedern der Fernsehführung die Rede ist, schließt dies weibliche Akteure ein, auch wenn diese in den verantwortlichen Positionen wesentlich seltener anzutreffen waren. Die ausschließliche Verwendung männlicher Formen stellt keine Stellungnahme zur Geschlechterfrage dar, sondern geschieht allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit.

1.6 Danksagung Während der Forschungsarbeiten zu der vorgelegten Arbeit sowie ihrer Niederschrift habe ich Unterstützung durch eine Reihe von Personen erfahren dürfen, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Mein Doktorvater Prof. Dr. Reinhold Viehoff hat mit seiner konstruktiven Betreuung diese Arbeit gefördert. Ihm gilt mein herzlicher Dank für seine Kritik, seine Ermunterung und sein großes Interesse am Thema. Verbunden bin ich Herrn Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler für die Übernahme des Zweitgutachtens. Auch er hat die Anfertigung dieser Arbeit mit Anregungen und Hinweisen unterstützt. 44

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Zu Dank verpflichtet bin ich zudem den Mitarbeitern der genutzten Archive für die gewährte freundliche Unterstützung, insbesondere Elvira Langguth und Jörg Fischer aus dem Deutschen Rundfunkarchiv Potsdam-Babelsberg, Ulf Rathje im Bundesarchiv Berlin sowie Gerhard Halamoda vom Archiv der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in Berlin. Margarete Keilacker, die das Medienarchiv im Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften der Universität Leipzig verwaltet, verdanke ich wertvolle Literaturhinweise. Die intensive und immer angenehme Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Susanne Vollberg hatte eine große Bedeutung für das Gelingen dieser Arbeit, wofür ich äußerst dankbar bin. Für rege Diskussionen sowie kollegiale Unterstützung innerhalb des Teilprojekts »Programmentwicklung« der DFG-Forschergruppe möchte ich mich zudem herzlich bei Prof. Dr. Rüdiger Steinmetz, Judith Kretzschmar, Markus Schubert, Thomas Heimann und Thomas Wilke bedanken. Anregungen und wertvolle Hinweise verdanke ich auch verschiedenen Diskussionen innerhalb der gesamten Forschergruppe. Ich danke insbesondere Claudia Böttcher, Corinna Schier und Uwe Breitenborn. Einen wichtigen Förderer hat diese Arbeit aber leider viel zu früh verloren. Dem 2006 verstorbenen Tilo Prase verdanke ich viele kluge Gedanken zum Gegenstand und stets fruchtbare Diskussionen, vor allem aber eine warmherzige, motivierende Begleitung bei der Entstehung dieser Arbeit. Für die Vereinbarkeit von Familie und diesem Dissertationsprojekt haben meine Eltern, Schwiegereltern und mein Schwager Großes geleistet, ich danke ihnen dafür von Herzen. Meine beiden Töchter waren für mich eine große Motivation, die Arbeit voranzubringen. Wichtigster Ansprechpartner in wissenschaftlicher wie in persönlicher Hinsicht war aber während der gesamten Zeit mein Mann Florian Hartling. Ihm verdanke ich bohrende Fragen und penible Kritik, aber auch Begeisterung für meine Arbeit.

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2 Beobachtung und Wettlauf. Die Vorbereitungs- und Experimentierphase 1950 bis 1955 Schon zu Beginn lag der Westen vorn und setzte die Maßstäbe für die ostdeutsche Konkurrenz: In den Jahren 1950 bis 1952, als in der DDR Vorbereitungen zur Ausstrahlung eines Fernsehprogramms getroffen wurden, experimentierte der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) bereits mit einem inoffiziellen Versuchsprogramm. Um die Frequenzen zu belegen, die ihm von der Internationalen Wellenkonferenz zugeteilt worden waren, zog das »Fernsehzentrum Berlin« am 4. Juni 1952 nach (Kapitel 2.2). Ein halbes Jahr später begannen beide Programme ihren »Offiziellen Versuchsbetrieb«: Das DDR-Fernsehen startete am 21. Dezember 1952, Stalins 73. Geburtstag – und damit genau vier Tage vor dem NWDR, der ab dem ersten Weihnachtsfeiertag regulär Sendungen ausstrahlte. Das Versuchsstadium endete für das westdeutsche Fernsehprogramm mit der Ablösung des NWDR-Fernsehens durch das gemeinsame ARD-Programm »Deutsches Fernsehen« am 1. November 1954. Das ostdeutsche Fernsehzentrum Berlin strahlte bis zum Jahresende 1955 sein offizielles Versuchsprogramm aus und begann am 2. Januar 1956 als »Deutscher Fernsehfunk« sein reguläres Programm. In diesen Jahren des Aufbaus und Experimentierens beobachteten beide deutsche Staaten die Fernsehentwicklung im jeweils anderen Land. Sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik war man bemüht, zu den Entwicklungen jenseits der deutsch-deutschen Grenze aufzuschließen (Kapitel 2.3). Für das inoffizielle Versuchsstadium lässt sich dies anhand zeitgenössischer Pressedarstellungen und dokumentierter Zeitzeugenaussagen nachweisen. Für die Phase des offiziellen Versuchsbetriebs kommen auf ostdeutscher Seite überlieferte Fernsehunterlagen hinzu. Diese belegen auch, dass das DDR-Fernsehen von Anfang an die SED-Politik propagandistisch flankieren sollte. Das traf im Besonderen für die deutschlandpolitischen Zielstellungen der DDRFührung zu: Die öffentlichen Kampagnen zur ›Wiederherstellung der Deutschen Einheit‹ sollten vom Fernsehzentrum unterstützt werden (Kapitel 2.1). Schon im frühesten Stadium wurde somit eine Orientierung auch auf westdeutsche Zuschauer von der Politik vorgegeben, obwohl der Empfang des DDR-Fernsehens in der Bundesrepublik noch nicht problemlos möglich war. Aufgrund technischer Unterschiede bei der Abstrahlung des Programms konnten zu diesem Zeitpunkt die Zuschauer in Ost- und Westdeutschland nur das Fernsehen ihrer eigenen »Zone« empfangen. 47

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2.1 Die Deutschlandpolitik der SED und der Sowjetunion in den 1950er Jahren Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs änderten die Alliierten ihre Pläne für das besiegte Deutschland: Der 1943 in Teheran erörterte Plan, Deutschland in mehrere Kleinstaaten zu unterteilen, wurde aufgegeben. Stattdessen sollte die deutsche Einheit bewahrt und lediglich Besatzungszonen der Siegermächte geschaffen werden. Die Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 räumte den jeweiligen Oberbefehlshabern die Gewalt über ihre Besatzungszonen ein, was zu stark unterschiedlichen Entwicklungen in den vier Zonen führte.1 Bekannte Stationen dieser Politik stellten 1947 die Schaffung der amerikanisch-britischen Bizone, die Truman-Doktrin2, die Einbeziehung der Westzonen in den Marshallplan3 und die Gründung der deutschen Wirtschaftskommission in der SBZ dar. Die zunehmenden Differenzen zwischen der Sowjetunion und den westlichen Alliierten führten bis zum Herbst 1947 zu einer Wende in der Haltung der Siegermächte. Nun deuteten die Zeichen auf eine Teilung Deutschlands hin: Die Amerikaner, Engländer und Franzosen planten den Aufbau eines marktwirtschaftlichen und parlamentarisch-demokratischen deutschen Staates im Westen. Die Sowjetunion zielte auf die Bildung eines kommunistisch geführten Oststaates. Grundsätzlich hielten beide Seiten aber an der Möglichkeit fest, einen einheitlichen deutschen Staat zu schaffen. Auch die Gründung der Bundesrepublik am 23. Mai 1949 und die Proklamation der DDR am 7. Oktober 1949 änderten nichts daran, dass beide Seiten die Zweistaatlichkeit offiziell als Provisorium auf dem Weg zur Einheit ansahen. Was zunächst als Zwischenlösung angelegt war, etablierte sich im folgenden Jahrzehnt als nahezu unumstößliche Anordnung beider deutscher Staaten: Die Teilung des Landes in zwei Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen und Zugehörigkeiten innerhalb des weltweiten Ost-West-Konflikts. Für die ostdeutsche Führung werden im vorliegenden Kapitel folgende Phasen und Zäsuren auf dem Weg zur weitgehenden Negierung der Deutschen Einheit beschrieben: Von 1950 bis 1952 verfolgte die SED durchaus noch das Ziel, Deutschland unter sozialistischen Vorzeichen wiederzuvereinen. In die Zeit zwischen Sommer 1952 und der innenpolitischen Krise 1953 schwanden 1

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Die Sowjetunion, die USA und Großbritannien waren nach dem Zweiten Weltkrieg die Siegermächte in Europa. Das zeitweise besetzte Frankreich wurde nachträglich zur Sieger- und damit auch zur Besatzungsmacht erklärt. Die Doktrin geht auf den US-amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman (1945-1953) zurück. Er verkündete am 12.03.1947 einen neuen außenpolitischen Grundsatz, wonach die USA zukünftig allen vom Totalitarismus bedrohten Staaten Beistand leisten wolle. Die Eindämmungspolitik (ContainmentPolitik) gegenüber der Sowjetunion bildete ein Fundament des Kalten Krieges. Benannt nach dem US-Außenminister George C. Marshall (1880-1959). Das »European Recovery Program« war das wichtigste amerikanische Wiederaufbauprogramm, dessen wirtschaftliche Hilfe den vom Zweiten Weltkrieg zerstörten Staaten Westeuropas zugute kam.

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diese ›Illusionen‹ der DDR-Führung, welche anschließend bis Mitte 1955 in einer Art »Latenzphase«4 verharrte: Offiziell herrschte weiterhin eine gesamtdeutsche Orientierung vor, intern bekannte sich die SED aber bereits zum eigenstaatlichen Weg der DDR. Ende 1955 verkündete Nikita Chruschtschow seine »Zwei-Staaten-Theorie«, welche fortan auch von der DDR vertreten wurde. Vor dem Hintergrund der maßgeblichen Entwicklungen wird dieser Abschnitt zwei zentralen Fragen nachgehen: Erstens, ob und wann die Sowjetunion und die DDR die Einheit Deutschlands tatsächlich anstrebten? Zweitens, welche Funktion erfüllte die ritualisierte Selbstdarstellung der SED als Verfechterin der deutschen Wiedervereinigung? Mit Beginn des hier behandelten Jahrzehnts hatte sich die internationale politische Lage im Umfeld des Koreakrieges verschlechtert. Die Auseinandersetzung zwischen Nord- und Südkorea wurde als ›Stellvertreterkrieg‹ geführt und zeigte den Bruch der ehemaligen Alliierten des Zweiten Weltkrieges: Sie spalteten sich zunehmend in die kommunistischen Staaten unter Führung der Sowjetunion und Chinas und die westlichen Länder als Verbündete der USA. Im Sommer 1950 steckten zudem die innerdeutschen Beziehungen in einer Krise. Sie wurde zu einem großen Teil durch die westlichen Pläne zu einer Wiederbewaffnung der Bundesrepublik ausgelöst.5 Die Sowjetunion setzte in dieser Situation auf eine Friedensinitiative, um »aus dem festgefahrenen weitgehend propagandistischen ›Stellungskrieg‹ herauszukommen«6: Im Oktober 1950 tagte die Außenministerkonferenz des Ostblocks in Prag und veröffentlichte am 21. Oktober einen gemeinsamen Vorschlag zu einem Friedensvertrag. Dieser hatte die deutsche Wiedervereinigung zum Ziel und wurde als »Prager Deklaration« bzw. als die »Prager Deutschland-Beschlüsse«7 bekannt. Diese Erklärung wiesen die Westmächte zurück, stattdessen forderten sie gesamtdeutsche Wahlen und wünschten regelmäßige Treffen, die indes ergebnislos endeten. Im November 1950 versuchten Josef Stalin und Otto Grotewohl die Bildung eines paritätisch besetzten »Gesamtdeutschen konstituierenden Rates« zu initiieren und übermittelten diesen Wunsch den Westmächten im sogenannten »Grotewohl-Brief«. Die Volkskammer übergab dem Deutschen Bundestag unter der Parole »Deutsche an einen Tisch« ein Acht-Punkte-Programm, das der Bundestag am 9. März 1951 jedoch negativ beantwortete. Im Mai des gleichen Jahres präsentierte Ulbricht den Plan zu einer Volksbefragung in beiden Teilen Deutschlands, um über die ›Remilitarisierung der Bundesrepublik‹ und einen Friedensvertrag abstimmen zu lassen. Die Losungen gegen die ›Wie-

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Lemke 2001b, S. 282. Die Westalliierten verstärkten ihre Truppen in der Bundesrepublik und ließen die Gründung von beweglichen Polizeikräften in einer Stärke von 30.000 Mann zu. Lemke 2001b, S. 132. Auszüge veröffentlicht in Kleßmann 1991, S. 463.

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derbewaffnung Westdeutschlands‹8 gehörten fortan zum festen Repertoire der ostdeutschen Propaganda. Bezüge zu der eigenen ›Kasernierten Volkspolizei‹ und den sowjetischen Besatzungstruppen in der DDR wurden dabei nicht hergestellt.9 Die Volksbefragung stieß im Westen nur auf eine schwache Resonanz. Dafür forderte die Bundesregierung in Absprache mit den Alliierten weiterhin gesamtdeutsche freie Wahlen und hielt an dieser Politik auch in den nächsten Jahren fest. Verhandlungen mit der Regierung der DDR lehnte sie zudem kategorisch ab, da sie diese nicht als demokratisch legitimiert anerkannte. Nur die Bundesrepublik war ihrer Meinung nach durch die Wahlen von 1949 vom deutschen Volk eingesetzt worden. Hieraus leitete die Bundesregierung ihren Alleinvertretungsanspruch ab, der 1955 durch die Hallstein-Doktrin10 zementiert wurde. Die Politik der Bundesrepublik befand sich damit im Spannungsfeld zweier unterschiedlicher Zielstellungen: Auf der einen Seite stand die im Grundgesetz explizit festgeschriebene Überwindung der deutschen Teilung. Auf der anderen Seite gewannen die politische und wirtschaftliche Integration in Westeuropa sowie die atlantische Partnerschaft mit den USA zunehmend an Bedeutung. Anfang der 1950er Jahre überwog folglich eine politische Linie, in der zwar der Anspruch auf Wiedervereinigung formal aufrechterhalten wurde, die Wiederherstellung der Souveränität aber Vorrang genoss. Als Folge des Korea-Krieges lehnten die Westeuropäer einen militärischen Beitrag Westdeutschlands und die damit einhergehende Aufrüstung nicht mehr kategorisch ab. Unter diesen Voraussetzungen war 1951/52 der Weg zur militärischen Integration der Bundesrepublik in die westliche Allianz bereitet. Die dafür erforderliche Souveränität wurde in der Kopplung der Verträge zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und dem Deutschlandvertrag11 im Mai 1952 besiegelt. Diese Entwicklungen führten zu einer erneuten deutschlandpolitischen Initiative der Sowjetunion ab Februar 1952. Am 10. März 1952 forderte die Regierung der Sowjetunion die drei westlichen Alliierten auf, unverzüglich Verhandlungen aufzunehmen, um eine gesamtdeutsche Regierung zu bilden. Der sowjetische Entwurf eines Friedensvertrages, der ein militärisch neutrales Deutschland mit eigenen Streitkräften zum Ziel hatte, ging als erste »Stalin-Note« in die Geschichte ein.12

8

Im Sprachgebrauch der DDR-Medien wurde die Bundesrepublik in der Regel entweder als »Westdeutschland« oder »die BRD« bezeichnet. 9 Vgl. Arnold 2002, S. 144. 10 Die Doktrin wurde nach dem Staatssekretär im Auswärtigem Amt Walter Hallstein (1901-1982) benannt. Sie drohte allen Staaten, welche diplomatische Beziehungen zur DDR aufnehmen würden, mit einem Abbruch der Beziehungen seitens der Bundesrepublik. 11 »Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (Deutschlandvertrag)«. Vgl. Auszüge der geänderten Fassung vom 23.10.1954 in Kleßmann 1991, S. 470-471. 12 Vgl. u.a. die umfangreiche Diskussion und die Quellenabdrucke in Zarusky 2002a.

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Die Westmächte lehnten die Offerte als Propaganda gegen die Integration der Bundesrepublik in den Westen ab. Auf die erste Note folgten noch weitere, die ebenfalls abgewiesen wurden. Spätestens im September des gleichen Jahres wurde offensichtlich, dass die Initiative gescheitert war. Schon im April 1952 verordnete die Sowjetunion der SED darum einen abrupten Kurswechsel, worunter auch die militärische Aufrüstung der DDR fiel, die Stalin nun explizit forderte. Einen Monat später begann die Abriegelung der innerdeutschen Grenze: Stalin betrachtete diese nicht mehr als Demarkationslinie, sondern wollte sie als gefährliche Grenze gesichert sehen.13 Die 2. SED-Parteikonferenz im Juli 1952 proklamierte daraufhin den planmäßigen ›Aufbau des Sozialismus‹ in der DDR.14 Dies verstärkte einen Kurs hin zu einem dauerhaften Staat und einer Vertiefung der innerdeutschen Spaltung. Am 5. März 1953 starb Stalin. Unter seinen Nachfolgern plante insbesondere Lawrenti Berija ein neues Programm zur Wiedervereinigung Deutschlands und eine Kurskorrektur der SED-Politik, die auf eine Demontage Ulbrichts zuzulaufen schien.15 Am 17. Juni 1953 kam es in der DDR zu einem Volksaufstand, den sowjetische Panzern eindämmen mussten.16 Neun Tage später wurde Berija in Moskau gestürzt und während einer Sitzung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) unter Vorsitz von Nikita Chruschtschow verhaftet. Unter dem Vorwurf, er hätte seine eigene Diktatur errichten wollen, wurde ihm ein geheimer Prozess gemacht, der für Berija mit dem Todesurteil endete. In der Führung der KPdSU hatten sich damit die Kräfte durchgesetzt, die prinzipiell für den Erhalt der DDR plädierten und eine dogmatische Linie hin zu einer abgrenzenden Deutschlandpolitik anvisierten. Die SED konnte parallel dazu auf einen veränderten Kurs setzen. Sie konzentrierte ihre Kräfte künftig auf die Stärkung der DDR und forcierte deren ›sozialistischen Aufbau‹. Allerdings sollte damit nicht mehr vorrangig eine grundlegende Voraussetzung für eine Wiedervereinigung Deutschlands geschaffen werden. Stattdessen wurde der eigenstaatliche Weg fortgeführt, auch um den Preis, dass die DDR und die Bundesrepublik weiter auseinanderdrifteten.17 Die Sowjetunion und die Westmächte tauschten unterdessen weiterhin diplomatische Noten aus. Im August wurde trotz der andauernden Machtkämpfe in der Sowjetunion eine Note zur Einberufung einer Friedenskonferenz und der Bildung einer Provisorischen Gesamtdeutschen Regierung übermittelt. Die Außenministerkonferenz der vier Besatzungsmächte Ende Januar 1954 in Berlin blieb durch die widersprüchlichen Haltungen zwischen sowjetischen und westlichen Politi-

13 Vgl. als Zeitdokument den »Bericht der Grenzpolizeibereitschaft Halberstadt, 29.5.1952«, veröffentlicht in Hoffmann et al. 1993, S. 106-109. 14 Vgl. das Referat von Ulbricht, 09.07.1952, ebd., S. 118-119. 15 Vgl. Loth 1994, S. 198-209; Lemke 2001b, S. 253-260. 16 Zur Berichterstattung über die Ereignisse im NWDR-Fernsehen und im Fernsehen der DDR vgl. Rüden 2004. 17 Vgl. Lemke 2001b, S. 277.

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kern ohne Ergebnis und kann als beidseitige »Propagandaaktion«18 gewertet werden. Die DDR setzte die Initiative »Deutsche an einen Tisch« fort und verlangte, dass die Deutschen selbst über die Einheit beraten müssten. Die Regierung in Bonn erwiderte, dass die Wiedervereinigung nur durch die Alliierten verhandelt werden könne. Auf dem IV. Parteitag im März 1954 bekräftigte Ulbricht formal eine Politik der Wiedervereinigung, forderte als Voraussetzung aber eine Angleichung der Verhältnisse in der Bundesrepublik an die der DDR. Die ablehnende Haltung Frankreichs zur Ratifizierung der Verträge über eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) führte im November 1954 zu einem neuen – allerdings nur kurzfristigen – Angebot des Ostens an den Westen: Die Bildung einer Konföderation aus der DDR und der Bundesrepublik. Diese Konföderation war als Kompromisslösung konzipiert. Einerseits sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass mittlerweile zwei souveräne Staaten existierten, andererseits setzte man einen politischen Einigungswillen auf beiden Seiten voraus. Mit der Ratifizierung der »Pariser Verträge« durch den Bundestag am 26. Februar 1955 war der erste Konföderationsplan der ostdeutschen Regierung aber schon wieder vom Tisch. Die Bundesrepublik besaß nun eine (bis 1990 eingeschränkte) Souveränität und trat der Westeuropäischen Union (WEU) als dem kollektiven Beistandspakt der wichtigsten Länder in Westeuropa bei. Bis zum Mai schritten die Westintegration der Bundesrepublik und die Ostintegration der DDR weiter voran: Bundeswehr und Nationale Volksarmee (NVA) wurden gegründet, die Bundesrepublik trat der NATO, die DDR dem Warschauer Pakt19 bei. Damit wurde eine kurz- oder auch nur mittelfristige deutsche Wiedervereinigung zunehmend unrealistisch. Im Sommer 1955 kam es dann auch zu einem Einschnitt in der Deutschlandpolitik der Alliierten, der sich bereits seit längerem angedeutet hatte: Auf der Genfer Gipfelkonferenz der vier Großmächte im Juli 1955 wurde erneut keine Einigung in der Deutschlandfrage erzielt. Das folgende Außenministertreffen am gleichen Ort (27. Oktober bis 15. November 1955) verlief ebenfalls ergebnislos. Schon direkt nach Beendigung des Genfer Gipfels hatten Chruschtschow und Bulganin in Ost-Berlin einen neuen Grundsatz vorgestellt, der fortan als »ZweiStaaten-Theorie« oder »Zwei-Staaten-Doktrin« bezeichnet wurde: Auf deutschem Gebiet waren demnach zwei deutsche Staaten mit unterschiedlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnungen entstanden, was die Lösung des deutschen Problems zu einer schwierigen Angelegenheit werden ließe. Die sowjetische Führung betonte, dass eine solche Lösung nicht auf Kosten der Interessen der DDR gehen dürfte: Im Falle einer Wiedervereinigung sollten darum die ›sozialistischen Errungenschaften der DDR‹ gewahrt bleiben. Im September 1955 nahmen nicht nur die Bundesrepublik und die Sowjetunion diplomatische Beziehungen miteinander auf. Im gleichen Jahr schlossen auch die

18 Ebd., S. 308. 19 Das Bündnis wurde am 14.05.1955 geschlossen und im Ostblock als »Warschauer Vertrag« bezeichnet.

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Sowjetunion und die DDR einen Staatsvertrag, der Ostdeutschland formal volle Souveränität verlieh.20 Diese Schritte wiesen den Weg in eine längerfristige Zweistaatlichkeit Deutschlands. Auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 verkündete Chruschtschow unter Berufung auf Lenin das Prinzip der »friedlichen Koexistenz«, das die Status-quo-Politik fortschrieb. In den Jahren 1957/58 folgte eine Wiederbelebung der Idee einer Konföderation beider deutscher Staaten. Ulbricht unterbreitete der Bundesrepublik einen Vorschlag, der einen gesamtdeutschen Rat als Vorstufe für eine spätere Wiedervereinigung vorsah. Die SED formulierte das Angebot aber stark nach ihren eigenen Interessen und hielt die Annahme von Anfang an für wenig wahrscheinlich. Sie hoffte aber, dass sich die bundesdeutsche Debatte über eine Konföderation auf den Bundestagswahlkampf im Herbst auswirken würde. Erwartungsgemäß wurde die Initiative vom Westen nicht aufgegriffen, aber auch die Diskussion in der westdeutschen Bevölkerung blieb weitgehend aus. Trotzdem hielt die DDR noch bis in die 1960er Jahre am Plan eines Staatenbundes fest, allerdings zunehmend in rein propagandistischer Funktion. Den im März 1958 von der Bundesrepublik unterbreiteten »Globke-Plan«21 sowie den »Deutschlandplan« der SPD, beides letztendlich ebenfalls Pläne für eine Wiedervereinigung, ignorierte wiederum die Sowjetunion. Einen Wendepunkt in der Geschichte des Kalten Krieges stellte die zweite »Berlin-Krise«22 bzw. das »Berlin-Ultimatum« dar: Im November 1958 machte die Regierung in Moskau einen Vorstoß zur Umwandlung Westberlins in eine entmilitarisierte Stadt als eine selbständige politische Einheit. Die Note setzte eine Frist von sechs Monaten, innerhalb der die Westmächte ihren Abzug aus Berlin vorbereiten sollten. Die NATO-Ratstagung im Dezember 1958 lehnte die sowjetischen Forderungen entschieden ab. Im Mai 1959 wurde allerdings deutlich, dass Moskau nicht unter allen Umständen am Ultimatum festhalten würde. Die Konferenz der Außenminister der Vier Mächte in Genf, zu der als »Berater« auch Vertreter der Bundesrepublik und der DDR geladen waren, brachte nur einen Aufschub der Krise. Nach einem Treffen von Chruschtschow mit dem US-Präsidenten Dwight Eisenhower im September 1959 und mit seinem Nachfolger Präsident John F. Kennedy Anfang Juni 1961 begann zwischen der USA und der Sowjetunion ein Prozess, der in einer Übereinkunft über die Abgrenzung der gegenseitigen Interessensphären endete. Damit war auch das »Ritual der Wiedervereinigungsbeschwörungen« vom Tisch und es wurde durch die »nüchterne Formulierung politischer Minimalpositionen«23 ersetzt. Für die SED bedeutete dies den Wandel ihrer

20 In Auszügen veröffentlicht in Judt 1998a, S. 549. 21 Benannt nach dem damaligen Staatssekretär im Bundeskanzleramt Hans Globke (1898-1973). 22 Als erste »Berlin-Krise« wird die Blockade West-Berlins durch die Sowjetunion vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 bezeichnet. 23 Kleßmann 1997, S. 89.

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»Deutschland- zur Anerkennungspolitik«24, auch wenn offiziell am Grundgedanken der Einheit der deutschen Nation festgehalten wurde. Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 war die deutsche Wiedervereinigung aber faktisch in eine weite – genauer in 28jährige – Ferne geraten. Vor dem aufgezeigten Ablauf der Ereignisse soll nun der ersten Frage nachgegangen werden, ob und zu welchem Zeitpunkt die Sowjetunion und die DDR die Einheit Deutschlands tatsächlich anstrebten. Für den Anfang der 1950er Jahre gibt es, wie im Folgenden dargelegt, zwei vorherrschende Positionen: Ein Teil der geschichtswissenschaftlichen Forschung geht davon aus, dass die Zweistaatlichkeit von der SED seit der Gründung der DDR klar favorisiert wurde. Der andere Teil sieht es dagegen als erwiesen an, dass die junge DDR noch bis ungefähr 1952 eine schnelle Wiedervereinigung realisieren wollte. Die Wiederherstellung der nationalen Einheit Deutschlands wäre der erstgenannten Position zufolge zwar sowohl von der Bundesrepublik als auch von der DDR immer wieder als Zielstellung formuliert worden, aber faktisch stellte die Blockintegration beider Länder das Existenzrecht des jeweils anderen in Frage. Als reine Propaganda schätzt demnach der Historiker Johannes Kuppe alle deutschlandpolitischen Aktivitäten der SED in der ersten Hälfte der 1950er Jahre ein. Sie hätten nur der Stabilisierung des eigenen Herrschaftsbereiches, der Verhinderung der Westintegration der Bundesrepublik und der Förderung einer kritischen Haltung der Bundesbürger gegenüber dieser Westorientierung gedient. Kuppe wertet die ostdeutsche Initiative »Deutsche an einen Tisch« als Propaganda-Kampagne, die eine Wiedervereinigung auf angeblich demokratischer, in Wirklichkeit aber sozialistischer Basis, bewerben sollte. Zur gleichen Zeit vollzog die DDR, z. B. durch den Ausbau der innerdeutschen Grenzanlagen und die Erschwerung des innerdeutschen Reiseverkehrs, die Teilung in der Praxis.25 Auch der Geschichtswissenschaftler Klaus Schroeder teilt die Meinung, dass dem frühen SED-Staat letztendlich nicht an einer Wiedervereinigung Deutschlands gelegen sein konnte. Er sieht in der DDRPolitik von 1949 bis 1952 einen verdeckten Widerstand gegen das »Offenhalten der deutschen Frage« durch die sowjetische Führung, die die SED-Spitze mit der Schaffung »neuer Realitäten« verhindern wollte.26 Eher zuzustimmen ist aber der zweiten Forschungsposition, die für 1950 bis 1952 von einer ehrlichen Motivation der ostdeutschen Führung ausgeht, Deutschland nach ihren Vorstellungen wiederzuvereinen. Anhand umfangreicher Analysen weist die Historikerin Heike Amos in der nationalen Politik der SED eine Entwicklung nach, die mehrfach Veränderungen durchlief. Sie kommt zu dem Schluss, dass von 1949 bis 1952/53 »ein ernster Wille der SED-Führung angenommen werden [kann], Deutschland nach dem Bild der ›antifaschistisch-demokrati-

24 Lemke 2001b, S. 424. 25 Vgl. Kuppe 2004, S. 113-114. 26 Schroeder/Alisch 1998, S. 119.

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schen Ordnung‹ der DDR wiederzuvereinen«27. Amos zufolge verfolgte die SED mit ihren teilweise spektakulären Aktionen in dieser Zeit nicht ausschließlich agitatorische Absichten: Die »Deutsche-an-einenTisch-Bewegung«, die Volkskammerappelle an den Bundestag, der Vier-Mächte-Notenwechsel sowie der erhebliche personelle und materielle Aufwand sollten tatsächlich zu einer Wiedervereinigung führen. Auch der Historiker Michael Lemke sieht in den ersten Jahren der DDR ein Konzept vorherrschen, das ein deutschlandpolitisches Kurzzeitprogramm mit dem Ziel einer Wiedervereinigung beinhaltete. Dieses wäre von der SED und der KPdSU getragen worden. Er bezeichnet die Zeit vom Herbst 1949 bis Mitte 1951 als »Illusionsphase«28 der SED-Deutschlandpolitik. Lemke zufolge ging es der ostdeutschen Führung in den ersten beiden Jahren der DDR noch nicht ausschließlich um die Sicherung des eigenen Staates, stattdessen verfolgte sie gleichzeitig die Hoffnung, die neue Ordnung der DDR auf die Bundesrepublik ausdehnen zu können.29 Der Illusionsgehalt und fehlende Realitätsbezug dieser Vorstellungen wurden durch das Scheitern der Grotewohl-Offerte und die fortschreitenden Verhandlungen der Bundesrepublik zur EVG 1951 zunehmend offensichtlich. Für das folgende Jahr 1952, in das die »Geburtstunde« des DDRFernsehens fällt, ist die Frage nach den Einigungsintentionen von SED und Sowjetunion noch schwieriger zu eruieren. Sie führt zu einem der kontroversesten Debatten in der Zeitgeschichtsforschung: Inwiefern war die DDR »Stalins ungeliebtes Kind«30 und welche Absichten verfolgte der sowjetische Regierungschef mit seinen Anstößen zur Bildung einer gesamtdeutschen Regierung, den sogenannten »Stalin-Noten«?31 Diese Debatte weist eine gewisse Brisanz auf, da sie letztendlich um die Frage kreist, wer die deutsche Teilung zu verantworten hat. Trotzdem interessiert sie hier nur am Rande. Dies hat zwei Gründe: Es handelt sich zum einen nur um eine recht kurze Phase, die zeitlich noch vor dem Beginn des inoffiziellen Fernsehversuchsprogramms lag. Selbst wenn man den Verfechtern der These, dass Stalin die Offerten ernst meinte, Recht gäbe: Mit der schnell offensichtlich gewordenen Ablehnung durch den Westen hatte sich die Situation schon wieder grundlegend verändert. Offenbar sah Stalin die Idee eines neutralen Deutschlands bereits im Mai 1952 als gescheitert an. Als im Sommer 1952 das erste Programm in Adlershof ausgestrahlt

27 28 29 30

Amos 1999, S. 337. Lemke 2001b, S. 114. Vgl. Lemke 2001b, S. 505. Zum Titel und der These vgl. Loth 1994 und Loth 2002. Loth versucht mit den in den 1990er Jahren zugänglich gewordenen Parteiarchivbeständen der SED nachzuweisen, dass Stalin keine DDR wollte und stattdessen eine parlamentarische Demokratie für ganz Deutschland anstrebte. Die DDR wäre darum »ein Produkt des revolutionären Eiferns von Walter Ulbricht, der sich vor dem Hintergrund westlicher Abschottungspraxis entfalten konnte«, Loth 1994, S. 10. 31 Einen sehr guten Überblick über die kontroverse Literatur zu diesem Diskurs bietet Zarusky 2002b.

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wurde, ließ die Sowjetunion die DDR bereits den Aufbau des Sozialismus forcieren. Zum anderen kann die Position Stalins in diesem Fall nicht mit der Haltung der SED gleichgesetzt werden. Selbst die Forscher, die Stalins Angebot als ernst gemeint bewerten, gehen davon aus, dass die SED die sowjetischen Absichten nicht unterstützte. Loth markiert den Widerspruch in den Absichten der sowjetischen und der ostdeutschen Deutschlandpolitik folgendermaßen: Stalin hatte ein echtes Interesse an einem vereinten Deutschland. Seine Noten seien darum als ein ehrliches Kompromiss-Angebot zu werten, für das er bereit war, einen hohen Preis an die Deutschen zu zahlen.32 Das Interesse der SED bestand dagegen bereits zu diesem Zeitpunkt vor allem in der Sicherung ihrer Macht im Osten.33 Auch Lemke, der die sowjetische Initiative als eine von Stalin tatsächlich angestrebte Zwischenlösung der deutschen Frage einschätzt, kommt zu diesem Schluss: Er charakterisiert das Verhalten der SED in dieser Zeit als einen Spagat zwischen offizieller Zustimmung zu den sowjetischen Offerten und latenter Ablehnung.34 Der Zeitraum ab Mitte 1952 wird in der Geschichtsforschung weniger kontrovers diskutiert. Im Sommer 1952 nahm das Fernsehen in Adlershof seinen inoffiziellen Versuchsbetrieb auf. Währenddessen befand sich die ostdeutsche Führung laut Lemke in einer Phase »deutschlandpolitischer Desillusionierung«35. Zwar schwankte die DDR-Führung im Zuge ihrer innenpolitischen Krise 1953 noch einmal und befand sich kurzfristig in einer deutschlandpolitisch relativ offenen Lage. Letztendlich aber wurde der Weg zur kurz- und mittelfristig unumkehrbaren Zweistaatlichkeit weiter beschritten. Die folgenden Jahre 1953 bis Mitte 1955 können als »Latenzphase«36 der SED-Deutschlandpolitik beschrieben werden, in der zwar offiziell noch eine gesamtdeutsche Orientierung vorherrschte, sich die Sowjetunion aber intern zum eigenstaatlichen Weg der DDR bekannte. Ulbricht hatte zu diesem Zeitpunkt kein Interesse mehr an einer Einigung der Ost- und Westmächte in der Deutschlandfrage. Die wirtschaftlich immer weiter erstarkende Bundesrepublik vor Augen, war ihm klar, dass die Hoffnung auf eine Übernahme des sozialistischen Systems in Westdeutschland jeder Grundlage entbehrte. Eine kurzfristige Wiedervereinigung hätte den Fortbestand der DDR definitiv gefährdet. Die weitgehend einheitlich vertretene These, dass die SED in den 1950er Jahren nur auf einer propagandistischen Ebene die Forderung nach einer deutsch-deutschen Einigung erhob, tatsächlich aber andere Ziele verfolgte, stützt auch der ehemalige Bundesminister Egon Bahr. Er beruft sich dabei auf ein Gespräch, dass er mit dem DDR-Staatssekretär Michael Kohl geführt hatte, in dem dieser erklärte: »Wir, die DDR, haben in den 50er und frühen 60er Jahren (›Deutsche an einen

32 33 34 35 36

Vgl. Loth 1994, S. 184. Vgl. ebd., S. 168. Vgl. Lemke 2001b, S. 214-219. Ebd., S. 511. Ebd., S. 282.

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Tisch‹) einen Vorschlag nach dem anderen gemacht, wir wussten genau, es wird abgelehnt. Es war ganz einfach für uns.«37 Bahr beurteilt die ostdeutschen Vorstöße damit als reine politische Propaganda, die als Bestandteile des Kalten Krieges zu bewerten sind. An dieser Stelle stellt sich die zweite wichtige Frage: Warum hielt die SED offiziell am Ziel der deutschen Einheit fest und welche Funktion erfüllte die ritualisierte Darstellung des eigenen Willens zur Einigung in der deutschen Frage? Zum einen lag dies in der Haltung der Sowjetunion begründet, die – wie die fortgesetzten Initiativen zeigen – sich noch eine Hintertür in der Deutschlandfrage offen halten wollte. Eine nach außen hin gegensätzliche Position zu dieser Politik konnte die DDR-Führung nicht wagen. Ihre eigenen Absichten mussten stets unter dem Deckmantel des Einigungswillens verfolgt werden, auch wenn sie durchaus Spielräume besaß, z. B. bei der Gestaltung ihrer Westarbeit. Zum anderen kamen innenpolitische Zwänge hinzu, die durch das Fehlen wirtschaftlicher und außenpolitischer Erfolge hervorgerufen wurden. Lemke zufolge hatte die »gesamtdeutsche Rhetorik der Parteiführung kompensatorischen Charakter«38. Die Bevölkerung hoffte in den 1950er Jahren durchaus noch auf eine Wiedervereinigung, was viele sogar von einer Republikflucht abgehalten hätte. Eine offizielle Absage an das Ziel der Wiedervereinigung hätte die Spannungen in der DDR eskalieren lassen können. Es soll dabei nicht unerwähnt bleiben, dass auch die Bundesrepublik ihren Anteil an der Manifestierung der zweistaatlichen Verhältnisse hatte. Auch dort liefen die tatsächlichen politischen Interessen und die Aufrechterhaltung des Einigungsgedankens in gegensätzliche Richtungen. Als Beispiel für die Forschungen, die sich dieser Perspektive annehmen, sei hier Andreas Hillgruber aufgeführt. Er gehört zu den Historikern, die eine in den 1950er Jahren mögliche Einigung Deutschlands als von vornherein realitätsfern beurteilen. So konstatiert er, dass es eine neutrale Rolle Deutschlands abseits der großen Politik nicht hätte geben können. Für die Westmächte war Hillgruber zufolge die Spaltung Deutschland sogar der sicherste Weg. Er bot einen zweifachen Schutz, einerseits vor einer möglichen Expansion der Sowjetunion nach Westen, andererseits vor einem zum Teil befürchteten Rückfall der Deutschen in den Nationalismus. In der Öffentlichkeit trug die deklamierte Zielsetzung einer Wiedervereinigung ›in Frieden und Freiheit‹ auch nach der Grundsatzentscheidung für die Westintegration und gegen eine zeitnahe Einheit Deutschlands dazu bei, die »Langfristigkeit der Spaltung zu verdecken und zu verdrängen«39. Im Prinzip betonten also beide deutsche Staaten während des gesamten Jahrzehnts die Absicht einer schnellen Wiedervereinigung, obwohl es für sie nur noch realitätsferne Langzeitprogramme gab. Vieles, was in den Überlieferungen des DDR-Fernsehens zur Forderung nach einem einheitlichen deutschen Staat zu finden ist, lässt sich mit dieser,

37 Bahr et al. 2002, S. 39. 38 Lemke 2001b, S. 513. 39 Hillgruber 2004, S. 17.

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die Realitäten verschleiernden, Propaganda begründen. Dabei muss allerdings eingeräumt werden, dass dieser Ansatz auch die Gefahr einer zu großen Vereinfachung eines sehr komplexen Bewusstseinsprozesses birgt: Weder Ulbricht noch Adenauer waren grundsätzlich antinational oder separatistisch eingestellt, beide strebten langfristig eine deutsche Wiedervereinigung an.40 Sie glaubten nur nicht an eine Lösung der deutschen Frage unter den herrschenden Bedingungen des Kalten Krieges. Zudem gab es in den Führungen beider deutscher Staaten immer wieder vehemente Verfechter der deutschen Einheit.41 Für die ostdeutsche und die sowjetische Perspektive muss zusätzlich noch die Dimension des grundsätzlich ideologisch geprägten Charakters ihrer Systeme betrachtet werden. Der Historiker Gerhard Wettig macht dies am Beispiel von Stalins Noten deutlich.42 Zwar wollte Stalin seiner Meinung nach nicht wirklich mit den westlichen Regierungen über ein neutrales Deutschland verhandeln. Die Noten aber als reine Propagandamaßnahmen abzustempeln, wäre Wettig zufolge irreführend. Stalin und seine Mitarbeiter hätten aus der festen Erwartung heraus gehandelt, dass die politische Kraft der Arbeiterklasse eines Tages den Sieg der Sowjetunion über alle gegnerischen Staaten bringen würde. Diese unbeirrbare Hoffnung schloss danach ein, dass Westdeutschland – dessen Integration in das westliche Bündnis Stalin zufolge nicht mehr aufzuhalten war – irgendwann doch gegen genau diesen westlichen Block rebellieren würde. Dann sollte sich die Bundesrepublik an das Friedensangebot der Sowjetunion erinnern und sich letztendlich dem sowjetischen Weg anschließen. Für Wettig waren »im Falle der UdSSR die ideologischen Überzeugungen kein Beiwerk, sondern Kern des Denkens und Handelns«43. Lemke schließt sich dieser Position in seiner Analyse der SEDPolitik an. Der Widerspruch zwischen dem Ziel der nationalen Einheit und einer Politik, die stetig Fakten schuf, um diese zu verhindern, hat sich so für die Handelnden nicht dargestellt: »Der Glaube an den weltweiten Sieg des Sozialismus und an den Triumph der Sowjetunion überdeckte viele Widersprüche in den eigenen Handlungen. An Marx und Engels anknüpfende Vorstellungen, daß die nationale Frage der sozialen untergeordnet sei, verhießen die letzte große Lösung: Irgendwann, über welchen Weg auch immer, würde das sozialistische Gesamtdeutschland geschaffen sein.«44 Wenn im Folgenden die strategischen Ziele der Einheitspropaganda und der Westarbeit dargelegt werden, widerspricht das den dargestellten Auffassungen keinesfalls. Obwohl die ostdeutsche Führung den in der Bevölkerung tief verwurzelten

40 Vgl. Lemke 1999, S. 145-146. 41 Für die DDR benennt Amos die Politiker Franz Dahlem, Rudolf Herrnstadt, Anton Ackermann und für die zweite Hälfte der 1950er Jahre die Funktionäre um Karl Schirdewan und Kurt Vieweg als Befürworter einer gesamtnationalen Entwicklung Deutschlands nach dem Vorbild der DDR, vgl. Amos 1999, S. 338. 42 Vgl. Wettig 2002, S. 195-196. 43 Ebd., S. 196. UdSSR steht für »Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken«. 44 Lemke 2001b, S. 49.

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Einheitsgedanken agitatorisch für ihre Zwecke genutzt hat, bedeutete dies keine absolut distanzierte Position der SED zu diesem Thema. Die Deutschlandfrage behielt trotz der Instrumentalisierung durch die SED eine nationale und teilweise patriotische Dimension. Die in diesem Abschnitt gestellte Aufgabe, die gesamtdeutsche Ausrichtung und die Einheitspropaganda des DDR-Fernsehens zu erklären, führt an dieser Stelle weg von der allgemeinen Deutschlandpolitik hin zu der Westpolitik der SED. Die Westpolitik zielte auf die politische Einflussnahme in der Bundesrepublik, letztendlich mit dem schon thematisierten Ziel, Westdeutschland nach sozialistischen Vorstellungen zu verändern. Hierfür bediente sich die Parteiführung eines hochzentralisierten und umfangreichen Westapparates. Geführt wurde er von den Verantwortlichen im SED-Politbüro sowie speziellen Abteilungen und Gremien im Zentralkomitee der SED. Eine umfangreiche Bedeutung kam der 1949 geschaffenen ZK-Westkommission zu, da sie die Westarbeit der verschiedenen Institutionen koordinieren sollte. Hierzu zählten auf der mittleren Ebene die Westapparate der Nationalen Front, der Blockparteien und der Massenorganisationen.45 Die Westkommission wurde in den folgenden Jahren mehrfach umgeformt und umbenannt: Ab 1953 trat sie unter dem Namen »Ausschuß für Deutsche Einheit« auf. Nach 1956 ging sie in der Hermann Matern unterstellten »Kommission für die Arbeit nach Westdeutschland« auf. Unter dem Vorsitz von Albert Norden hieß sie ab 1959 »Kommission für gesamtdeutsche Arbeit beim Politbüro«. Später wurde die ZKWestkommission unter »Abteilung 62« bzw. »Abteilung 70« geführt. 1965 übernahm Heinz Geggel ihre Leitung. Seine Kompetenzen wurden aber ab Dezember 1965 vom Staatssekretariat für gesamtdeutsche Fragen unter Staatssekretär Joachim Herrmann beschnitten, das 1967 in »Staatssekretariat für westdeutsche Fragen« umbenannt wurde. Letzteres wurde 1971 vom »Institut für Internationale Politik und Wirtschaft« abgelöst. Auch die ZK-Westabteilung wurde erneut umorganisiert, stand nun wieder unter Nordens Leitung.46 Um zwischen Propagandaaktivitäten der SED und zwischenstaatlichen Offerten sauberer trennen zu können, soll hier die Unterteilung der SED-Westarbeit in vier Ebenen nach Amos aufgegriffen werden: Sie unterscheidet zwischen einer staatlich-offiziellen, einer instrumentell-gesteuerten, einer geheimdienstlich-verdeckten und einer öffentlich-propagandistischen Ebene der DDR-Deutschlandpolitik.47 Die staatlich-offizielle Ebene ist im Rahmen der Ausführungen zur Deutschlandpolitik bereits behandelt worden. Sie umfasst die bilateralen Angebote und zwischenparteilichen Offerten der DDR-Führung an die Bundesrepublik. Unter der instrumentell-gesteuerten Ebene fasst Amos die teilweise offenen und teils konspirativen Kontakte zwischen westdeutschen Persönlichkeiten und ostdeutschen Funktionären zusammen. Die geheimdienstlich-verdeckte Ebene stellt die Westarbeit

45 Vgl. ausführlich Amos 1999. 46 Zur Entwicklung des Westapparates vgl. Arnold 2002, S. 178-189. 47 Vgl. Amos 1999, S. 336.

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des Ministeriums für Staatssicherheit dar. Für den Gegenstand dieser Arbeit können die beiden letztgenannten Ebenen, also die personenbezogenen sowie die geheimdienstlichen Kontakte, ausgeblendet werden, da sie die politischen Zielstellungen des Fernsehens nicht berühren. Die öffentlich-propagandistische Ebene der Deutschlandpolitik ist dagegen für die Umsetzung der Ziele der SED durch das Fernsehen von besonderer Bedeutung. Die Anvisierung eines gesamtdeutschen Publikums stellte einen Teil der öffentlich-propagandistischen Westarbeit dar. Für die Propagierung ihrer jeweiligen nationalen Ziele und ihre Kampagnen in der Verhandlung der Deutschlandfrage brauchte die SED die Medien. Dass das Fernsehen den Zielstellungen der Partei dienlich sein könnte und sollte, stand von Anfang an außer Frage. Vor diesem Hintergrund erscheint die gesamtdeutsche Ausrichtung des Fernsehens absolut schlüssig. Die SED-Führung versuchte während des gesamten Jahrzehnts, Einfluss auf die Entwicklungen in der Bundesrepublik zu nehmen. Sie strebte an, bestimmte politische Gruppen für ihre Ziele zu gewinnen, wie die Anhängerschaft der SPD, aber auch das bürgerliche Lager: In die gesamte bundesdeutsche Bevölkerung sollte eine DDR-freundliche Stimmung getragen werden. Als die technischen Voraussetzungen eine Einstrahlung des DFF in das Gebiet der Bundesrepublik ermöglichten, wurden umgehend Sendungen für das westdeutsche Publikum im Programm eingerichtet. Die Einheitspropaganda der SED, die auch über das Fernsehen kommuniziert wurde, erfüllte den gleichen Zweck. Die DDR sollte als der Verfechter der deutschen Wiedervereinigung dargestellt werden. Als die Schuldigen für das Scheitern der Initiativen wurden die bundesdeutsche Regierung und die Westmächte vorgeführt. Diese Strategie sollte zum einen die Westdeutschen vom friedlichen und kooperativen Charakter des ostdeutschen Staates überzeugen, zum anderen zu einer ablehnenden Perspektive gegenüber ihrem eigenen Staat beitragen. Die Menschen auf der östlichen Seite der innerdeutschen Grenze sollten mit den gleichen Argumenten in der DDR gehalten werden. Die gesamte Westarbeit der SED führte auf allen Ebenen zu hohen Kosten und einem riesigen Aufwand an Personal, Zeit und ohnehin knappen materiellen Ressourcen. Als Beispiel sei hier auf den »Papierkrieg« verwiesen, wie die Broschüren- und Flugblattkampagnen in die Bundesrepublik genannt wurden. Trotz der ständigen Papierknappheit wurde immer wieder tonnenweise Propagandamaterial über die innerdeutsche Grenze geschleust. Landtags- oder Bundestagswahlen, geplante Streiks sowie große Demonstrationen oder Kundgebungen waren Anlässe für wahre Papierfluten. Die Printmaterialien wurden häufig Briefen beigelegt, um westliche Kontrollen zu erschweren und Beschlagnahmungen durch die bundesdeutsche Post zu verhindern. Parteifunktionäre, deren Angehörige und ganze Schulklassen wurden abgestellt, die Briefe zu adressieren und anschließend wurden sie aus allen Teilen der DDR verschickt.48

48 Vgl. Lemke 2001b, S. 94-98; Arnold 2002, S. 129.

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Letztendlich war aber all diese Mühe vergeblich. Größere oder dauerhafte Erfolge wurden durch die Westarbeit nicht erzielt.49 Weder die von der SED umworbene SPD noch die Kreise des Bürgertums traten in einen Dialog mit der SED. Die große Mehrheit der Bundesbürger ließ sich durch die ostdeutsche Propaganda nicht von ihrer negativen Einstellung gegenüber der DDR abbringen. Hinzu kam, dass das Wesen des ostdeutschen Staates immer offensichtlicher wurde: So konnte die ostdeutsche Wirtschaft dem Vergleich mit der westdeutschen nicht standhalten. Durch die Niederschlagung des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 hatte der SED-Staat seinen totalitären Charakter und seine Abhängigkeit von der Sowjetunion mit abschreckender Deutlichkeit offenbart. Eine bessere Alternative zum demokratischen Verständnis der Bundesrepublik konnten die Westdeutschen in der Diktatur der SED nicht erkennen. Die Bevölkerung in der DDR ließ sich ebenfalls weder vom propagierten Feindbild der Bundesrepublik noch von der Überlegenheit des sozialistischen deutschen Staates überzeugen. Immer mehr Menschen versuchten, die DDR zu verlassen. Im Jahr 1961 konnte sie nur noch die Errichtung einer Mauer davon abhalten. Mit diesem Schritt hatte die DDR aber ihre eigene Propaganda ad absurdum geführt und ihr Scheitern in Mauersteinen manifestiert. Trotz dieses letztendlichen Misserfolges muss die Deutschland- und Westpolitik der SED für das gesamte Jahrzehnt als Folie für die politische Zielstellung des DDR-Fernsehens betrachtet werden. Nur so lassen sich einzelne Kampagnen und Entscheidungen der Fernsehführung in einem größeren Kontext untersuchen, was in den folgenden Kapiteln geschehen wird.

2.2 Unter Beobachtung. Die Vorbereitungsphase 1950 bis 1952 Die gerade gegründete westdeutsche Fachzeitschrift Fernseh-Informationen beobachtete schon 1950 einen »Wettlauf zwischen Ost und West«50 bei den Vorbereitungen zur Ausstrahlung von Fernsehprogrammen. Dieser Einschätzung ist zuzustimmen, obwohl sich diese Früh- bzw. Vorphase der deutsch-deutschen Fernsehkonkurrenz nicht mit Originaldokumenten belegen lässt. Nach bisherigen Kenntnissen sind aus den betreffenden Jahren keine schriftlichen Quellen überliefert, die diese Motivation der ostdeutschen Führung beim Aufbau des Fernsehens thematisieren. Allerdings weisen sowohl die Aussagen der Rundfunkleitung in der zeitgenössischen Presse als auch die Erinnerungen von Zeitzeugen in diese Richtung. Auch der Fernsehforscher Peter Hoff wertet den eher stillen Konkurrenzkampf als Wettlauf: »Der Aufbau des Fernsehens in der West- und in der Ostzone wurde bald

49 Vgl. Amos 1999, S. 350. 50 O.N. 1950, S. 7.

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zum (durch niemanden und nirgendwo erklärten) Wettlauf im geteilten Nachkriegs-Deutschland.«51 In der Forschung geht man davon aus, dass diese Konkurrenzsituation seit der Wiederaufnahme der Rundfunktätigkeit im Mai 1945 eher als Motor denn als Bremse in der Entwicklung der institutionellen und technischen Grundlagen der Rundfunkmedien wirkte. Noch zugespitzter argumentiert Hoff, dass das Nachkriegsfernsehen in Deutschland dem Kalten Krieg gar sein Entstehen verdankt. Demzufolge unterstützte die Sowjetische Militäradministration 1947 Hans Mahles Pläne zur Vorbereitung eines Fernsehbetriebs in Ostdeutschland aus politischem Kalkül heraus. Die Sowjets hätten befürchtet, dass die Fernsehversuche der Vorkriegs- und Kriegszeit in den westlichen Besatzungszonen schnell wieder aufgenommen würden und entsprechend reagiert.52 Tatsächlich beschloss der Verwaltungsrat des NWDR in Abstimmung mit der britischen Militärregierung am 3. August 1948, einen Fernsehversuchsbetrieb in Hamburg aufzubauen. Auf einer Pressekonferenz führte der NWDR am 25. September 1950 erstmals ein Programm vor. Am 27. November 1950 und somit gut eineinhalb Jahre vor dem ostdeutschen Fernsehen begann der Sender ein inoffizielles Versuchsprogramm mit dem Namen »Nordwestdeutscher Fernsehdienst« (NWDF) auszustrahlen. Aber auch für das bundesdeutsche Fernsehen wird in der Forschung konstatiert, dass es auf die Entwicklungen in der jungen DDR reagiert hat. Hickethier stellt diese Konkurrenz als eine wichtige Motivation Werner Nestels heraus, der am Aufbau des bundesdeutschen Fernsehens maßgeblich beteiligt war. Nestel hätte demzufolge den Programmstart des NWDF forciert, weil er verhindern wollte, dass die DDR vor dem Westen mit einer Fernsehausstrahlung begann. Gleichzeitig befürchtete er, ansonsten den Anschluss an die westeuropäische Entwicklung zu verlieren.53 Die parteikonforme Lesart in der DDR begründete den frühen Fernsehbeginn in Westberlin ebenfalls mit der besonderen politischen Situation.54 Trotz des eigenen Vorsprungs hatte man die Entwicklungen in OstBerlin ständig vor Augen. Wenige Tage vor dem Start des Versuchsprogramms vermeldeten die Fernseh-Informationen, dass im Ostsektor

51 Hoff 2005, S. 20. 52 Vgl. Hoff 2002b, S. 63-65. Auch die interne Geschichtsschreibung des DDRFernsehens geht davon aus, dass ab 1947 die Aufnahme eines Fernsehdienstes geprüft wurde, vgl. Glatzer et al. 1977, S. 21 und Hempel 1977, S. 48. Zwei Jahre später beschlossen die Deutsche Wirtschaftskommission und die sowjetische Militärverwaltung offiziell den Aufbau eines Fernsehprogramms, vgl. Heil 1967, S. 35-36. Die Regierung Grotewohl konnte dementsprechend 1949 das Vorhaben öffentlich machen, vgl. Selbmann 1998, S. 16. Im selben Jahr begann die Projektierung eines Fernsehzentrums in Berlin. 53 Vgl. Hickethier/Hoff 1998, S. 70. 54 Vgl. Acksteiner 1982, S. 61-62.

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Berlins »gegenwärtig mit bemerkenswerter Intensität am Aufbau eines Rundfunk- und Fernsehtechnischen Institut gearbeitet«55 würde. Dies entsprach den Tatsachen: Im zeitigen Frühjahr 1950 bezog die erste Gruppe von Technikern eine provisorische Baracke in Berlin-Adlershof, um das Baugeschehen für das Fernsehzentrum verfolgen zu können.56 Am 11. Juni 1950 wurde in einer feierlichen Zeremonie der erste Spatenstich gesetzt.57 Der Spiegel58 berichtete, dass bereits zwei Tage später »in einer Baubude in Adlershof die erste Probe-Bildsendung«59 ausgestrahlt wurde. Manfred Hempel erinnert sich, dass im Oktober des gleichen Jahres die Premiere einer direkten Bildübertragung vor Pressevertretern stattgefunden hatte.60 In der Programmzeitschrift Der Rundfunk61 wurde 1950 erstmals über den gegenwärtigen, technischen Stand des Fernsehens in der DDR berichtet, allerdings ohne Angaben, wann ein erstes Programm ausgestrahlt werden würde.62 Im Sommer 1951 ging man in der Bundesrepublik von weiteren Fortschritten beim Aufbau des ostdeutschen Fernsehkomplexes aus.63 Zwar thematisierten die politischen Instanzen der DDR das neue Medium kaum, aber die westlichen Beobachter werteten dies völlig zu Recht nicht als Zeichen von Gleichmut. Das DDR-Fernsehen befand sich nach wie vor in einem konzeptionellen Stadium, während der NWDR schon Probesendungen ausstrahlte. Es entsprach der DDR-eigenen Kommunikationspolitik, vor diesem Hintergrund das Fernsehen nicht

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O.N. 1950, S. 7. Vgl. DFF 1957, o.S. Vgl. [Q] Kleinert 1962, S. 18. Zur Rolle des Spiegels als regelmäßiger Beobachter des bundesdeutschen Fernsehens in den 1950er Jahren, vgl. Bartz 2002. Christina Bartz verweist darauf, dass anhand der Spiegel-Berichterstattung die Breite des westdeutschen Mediendiskurses über das Fernsehen sehr gut rekonstruiert werden könne, weil dieser häufig die im Diskurs vorherrschenden Positionen ironisch aufgreifen würde. Da es auf ostdeutscher Seite kein vergleichbares politisches Magazin gab und der Spiegel regelmäßig auch über das DDR-Fernsehen berichtete, wird in der vorliegenden Arbeit ebenfalls bei einigen Fragen auf die Darstellung von Spiegel-Autoren zurückgegriffen. O.N. 1953, S. 30. Vgl. Hempel 1977, S. 48. Seit 1946 erschien die ostdeutsche Hörfunk-Programmzeitschrift Der Rundfunk. Nach der Bildung des Staatlichen Rundfunkkomitees 1952 lautete der Untertitel »Organ des Staatlichen Rundfunkkomitees der Deutschen Demokratischen Republik«. Im März 1953 wurde der Name in Unser Rundfunk geändert. Sechs Jahre später wurde wieder ein neuer Titel eingesetzt, der das Fernsehen explizit mit einschloss: Funk und Fernsehen der DDR. Den letzten Namen, den die Zeitschrift über das Ende des DDR-Fernsehens hinaus behalten sollte, erhielt sie 1969: FF dabei. Unter dieser Bezeichnung erschien sie bis 1996. Bis heute wird sie als Beilage der Fernsehzeitung TV Today für Abonnenten aus den neuen Bundesländern herausgegeben. Vgl. u.a. Kiehle 1950, S. 6. Vgl. o.N. 1951, S. 8-10.

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öffentlich zu bewerben. Die beobachteten Fortschritte gab es allerdings tatsächlich: Am 17. Juli 1951 wurde in Adlershof Richtfest für den ersten Bauabschnitt gefeiert. Laut Hempel, Dussel und Hoff wurden bereits ab dem 1. August 1951 Versuchssendungen mit Bild und -tonsignalen ausgestrahlt.64 Heil und Geserick verweisen auf die erste öffentliche Vorführung eines Fernsehbildes am 11. Januar 1952, als Präsident Wilhelm Pieck, Ministerpräsident Grotewohl und sein Stellvertreter Ulbricht sich vor einem Empfangsgerät versammelten.65 In der DFF-Geschichtsschreibung wurden erste Versuchssendungen auf März 1952 datiert. Schon im Herbst 1951 waren demnach die Mitarbeiter von der Baracke in die ersten Räume des endgültigen Baus übergesiedelt.66 Ein halbes Jahr später wurde laut Hempel von Hermann Axen ein erstes Redaktionskollektiv im Fernsehzentrum eingesetzt.67 Über die zukünftigen Reichweiten des ostdeutschen Fernsehangebotes waren die Fernseh-Informationen ebenfalls informiert, wobei natürlich die Tatsache, dass auch die Westsektoren erreicht werden würden, besonderes Interesse hervorrief: »Dies würde – immer das Vorhandensein von Geräten mit Mehrkanal-Empfang vorausgesetzt – zwei erstaunliche Auswirkungen haben: einmal die erste ost-westliche ›Fernsehüberschneidung‹ und zum anderen eine mögliche Betreuung von insgesamt etwa 4.5 Millionen Menschen, von denen rd. 2.2 Millionen im westlichen Bereich ansässig sind.«68 Die Entscheidung, aus dem Fernsehzentrum in Berlin-Adlershof mit einem inoffiziellen Versuchsprogramm auf Sendung zu gehen, fiel allerdings erst im Frühsommer 1952. Und damit just zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Konfrontationen im Kalten Krieg ganz praktisch auch auf die Medien auswirkten. Das britische Militär hatte das Haus des Rundfunks in der Charlottenburger Masurenallee abgeriegelt, welches der Berliner Rundfunk seit 1945 nutzte. Seitdem lag das unter sowjetischer Kontrolle stehende Gebäude wie eine Exklave in der britischen Besatzungszone. Nach Grenzstreitigkeiten der DDR und der Sowjetunion mit der britischen Militärbehörde, u. a. um die Gebiete Steinstücken und Staaken, sperrte die Britische Militärregierung am 3. Juni 1952 das Rundfunkhaus mit Stacheldraht ab. Die Mitarbeiter des Rundfunks durften ihren Arbeitsplatz zwar verlassen, aber nicht wieder betreten. Prominentester Eingeschlossener war Karl-Eduard von Schnitzler. Der Berliner Rundfunk konnte vorerst nur aus einem Provisorium senden. Der Aufbau des neuen Funkhauses in der Ostberliner Nalepastraße69 war noch nicht vollständig abgeschlossen, als der Sendebetrieb komplett dorthin umziehen musste. Im Haus des Rundfunks verblieb nur eine sowjetische Wachmannschaft.

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Vgl. Hempel 1977, S. 48; Dussel 2004, S. 144 sowie Hoff 2005, S. 33. Vgl. Heil 1967, S. 37; Geserick 1989, S. 77. Vgl. DFF 1957, o.S. Vgl. Hempel 1977, S. 48. O.N. 1951, S. 8. Das Funkhaus in der Nalepastraße 18-50 in Berlin-Oberschöneweide war von 1956 bis 1990 zentraler Sitz des DDR-Hörfunks.

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Trotzdem wurde es erst 1956 dem Westberliner Senat übergeben. Dieser stellte es dem neu gegründeten Sender Freies Berlin zur Verfügung. Die Anweisung, zu dieser Zeit einen Fernseh-Versuchsbetrieb aufzunehmen, resultierte wiederum aus der Konkurrenz mit dem NWDR: Im Oktober 1951 hatte dieser sein Fernsehen auf der »Deutschen Industrieausstellung« öffentlich vorgestellt und sendete weiter zwei Programme, eines im Hamburger Raum und eines in Berlin. Hans Müncheberg gibt an, dass Mahle schon im Frühling 1952 darauf drängte, den Abstand zwischen dem Start des westlichen Fernsehprogramms und dem Beginn eigener Sendungen nicht zu groß werden zu lassen.70 Zudem geriet das Ostberliner Fernsehen unter Druck und musste die Sendefrequenz belegen, die ihm die Europäische Wellenkonferenz in Stockholm zugeteilt hatte. Hoff verweist darauf, dass die Gefahr bestanden hätte, dass diese sonst an das Westberliner NWDR-Programm vergeben worden wäre.71 Müncheberg formuliert es so: »Das war bereits eine Auflage: Macht was, sonst geht uns die Frequenz flöten, und man wusste ja, die Bundesrepublik und andere waren weiter in der Entwicklung des Fernsehens.«72 Müncheberg und Hoff beziehen sich in ihren Darstellungen auf ein autorisiertes Interview der Arbeitsgruppe »Geschichte der Fernsehkunst« des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden mit Wolfgang Kleinert. Kleinert, von Mai bis September 1952 Leiter des »Zentrallaboratoriums und Fernsehzentrums«, erinnert sich, dass der Generalintendant des DDR-Rundfunks, Kurt Heiß, ihm am 3. Juni 1952 eröffnete: »Wir müssen morgen anfangen zu senden, so, als ob wir richtiges Programm haben! Wir müssen jetzt jeden Tag mit mehr als einer Stunde ›draußen‹ sein, zu einer feststehenden Zeit, um die Frequenz zu belegen, die uns auf der Internationalen Wellenkonferenz zugeteilt worden ist.«73 Selbmann erinnert sich an die gleiche Situation ebenfalls sehr lebendig: »›Der Äther ist aufgeteilt, die Gier aller Stationen auf gute Sendemöglichkeiten ist groß. Sendet!‹ – so sagte Heiß – ›sendet, was ihr wollt: Filme oder Standbilder, nur sendet, damit wir diese Frequenz besetzt haben und auch auf Dauer behaupten, ohne daß andere Stationen die Gelegenheit nutzen können, sie zu kapern und für sich zu okkupieren‹. Es tobte der Kalte Krieg.«74 Einen Tag später, am 4. Juni 1952, wurden Heiß’ Forderungen realisiert: Das Programm am ersten Sendetag des inoffiziellen Versuchsbetriebes bestand aus einem provisorischen Testbild, der Fernseh-Uhr, einem Bild-Nachrichtendienst und abgespielten Kurzfilmen der DEFA.

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Vgl. Müncheberg 2000, S. 10. Vgl. Hoff 2002b, S. 81 sowie Hoff 2005, S. 44. Mühl-Benninghaus 1993a, S. 119, Diskussionsbeitrag Müncheberg. Müncheberg/Hoff 1984, S. 15. Diese Darstellung ist allerdings schwer zugänglich, das hier verwendete Exemplar befindet sich im DRA Potsdam-Babelsberg. Die obige Aussage ist auch zitiert in Müncheberg 2000, S. 12; gekürzt ebenso in Hickethier/Hoff 1998, S. 101-102. 74 Selbmann 1998, S. 21.

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Das erste Bild der ersten Ausgabe der Aktuellen Kamera zeigte das abgeriegelte Rundfunkhaus in der Masurenallee.75 Die Tatsache, dass man nun, genau wie der NWDR, Versuchssendungen ausstrahlte, trug die Rundfunkleitung auch in die Öffentlichkeit: Mitte August gab es sowohl eine Meldung »Vom Stand des Fernsehens in der DDR«, als auch eine Radiosendung zum gleichen Thema, die der Berliner Rundfunk – und nach Westen gerichtet – der Deutschlandsender76 ausstrahlte. Gegenüber der eigenen Bevölkerung ging es vor allem darum, die noch nicht am Markt erhältliche Fernsehempfangstechnik vorsichtig anzupreisen: »Hier richtet sich das Bestreben der Konstrukteure darauf, diese in ihrem Aufbau unerhört komplizierten Apparate zu einem möglichst geringen Preis herauszubringen, um das Fernsehen auch tatsächlich für jeden erschwinglich zu machen.«77 Schon zwei Monate später musste Kleinert in seiner Position als stellvertretender Vorsitzender des Rundfunkkomitees die Erwartungen jedoch deutlich dämpfen: Nicht der Individual-, sondern der Gemeinschaftsempfang in Betrieben, Kulturhäusern, Schulen sowie öffentlichen Gebäuden wäre das Ziel der Fernsehgeräteindustrie und der staatlichen Leitung des Fernsehens. Die Begründung erfolgte in sozialistischer Simplizität: »Unsere Werktätigen sollen die ersten sein, die in den Genuß des Fernsehens kommen.«78 In der Mediengeschichtsforschung gibt es unterschiedliche Positionen zu der Frage, welche Rezeptionsart die DDR-Führung für das Fernsehen präferierte: Hoff konstatiert, dass der Individualempfang von vornherein das Ziel gewesen sei.79 Dagegen führt Dussel an, dass erst die Ereignisse des 17. Juni 1953 zur Rückstellung des kollektiven Fernsehempfangs und zur Förderung des Privatkonsums führten.80 Geserick beurteilt die frühen Planungen zu Kollektivempfang und Heimempfang dahingehend, dass sie von Anfang an als zwei sich ergänzende Rezeptionsweisen angedacht wurden.81 Die hier untersuchten zeitgenössischen Darstellungen unterstützen am ehesten die Einschätzung Hoffs. Der Rückstand in der Geräteproduktion legte den Gemeinschaftsempfang als provisorische Lösung na-

75 Vgl. den Rückblick des DFF anlässlich seines 10jährigen Bestehens: [Q] Kleinert 1962, S. 1. 76 Der Deutschlandsender war die offizielle DDR-Hörfunkstation mit einem Programm für westdeutsche Hörer (daneben gab es noch einige getarnte Stationen, vgl. Kapitel 3.1.1). Er wurde im Oktober 1948 eingerichtet, um die Deutschlandpolitik der SED zu unterstützen. Nachdem die Partei endgültig vom Ziel einer Wiedervereinigung Abstand genommen hatte, wurde aus dem Deutschlandsender 1971 die »Stimme der DDR«. Vgl. ausführliche Darstellung in Arnold 2002. Das bundesdeutsche Pendant war der Deutschlandfunk (1960-1993, seit 1994 einer der Sender des Deutschlandradios). 77 O.N. 1952e, S. 11. 78 Kleinert 1952, S. 2. 79 Vgl. Hickethier/Hoff 1998, S. 107. 80 Vgl. Dussel 2004, S. 145. 81 Vgl. Geserick 1989, S. 69.

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he. Kleinert gab diesen Mangel aber nicht zu. Er versuchte sogar, den florierenden Markt für Fernsehempfänger in der Bundesrepublik als negatives Beispiel darzustellen. Zwar habe »das Fernsehen bei uns einen Stand erreicht, der verheißende Perspektiven eröffnet«, aber hier gäbe es »keine Sensationsmeldungen und kapitalistische Marktschreierei« wie in Westdeutschland und Westberlin: »Dort wurde um das von den amerikanischen Imperialisten finanzierte und gelenkte Fernsehen ein wahrer ›Fernsehrummel‹ entwickelt, der die privilegierten und kapitalkräftigen Vertreter der Frontalpolitik ermutigen sollte, sich einen Fernsehempfänger zu ungewöhnlich hohen Preisen zu kaufen.«82 Die ostdeutsche Industrie konnte den Bedarf an Fernsehgeräten dagegen nicht decken. Im Jahr 1954 vertröstete man die Leser der Programmzeitschrift, dass in Kürze Apparate in ausreichender Zahl in den Handel kommen sollten. Noch fehlten allerdings die Röhren für die Miniaturserie, die nicht in der erforderlichen Stückzahl produziert werden konnten.83 Diese Realität wurde aber weitestgehend ausgeblendet, stattdessen versuchte Kleinert mit dem eigenen Versuchsprogramm zu trumpfen. Er argumentierte, dass es zur Zeit gar kein NWDR-Fernsehprogramm gäbe: »Bereits kurze Zeit nach dem großen Lärm um das Fernsehen wurde bescheiden in einer kleinen Notiz bekannt gegeben, daß vorerst aus finanziellen Gründen die Fernsehversuchssendungen eingestellt werden müssen und voraussichtlich erst am Jahresende wieder aufgenommen werden.«84 Ganz anders wäre dies in Adlershof: Im laufenden, erfolgreichen Versuchsbetrieb würden sich die technischen und künstlerischen Mitarbeiter des Fernsehzentrums schon auf den Beginn der offiziellen Fernsehsendungen vorbereiten.85 In der Phase des inoffiziellen Versuchsprogramms war somit zum ersten Mal eine Konkurrenz beider deutscher Fernsehprogramme gegeben. Sie blieb aber aufgrund technischer Differenzen nur eine sehr theoretische Option für die Zuschauer: Das DDR-Fernsehen sendete mit dem Abstand von 6,5 MHz zwischen Bild- und Tonfrequenz (OIRNorm oder ORI-Norm), während der Abstand beim Fernsehen in der Bundesrepublik nach der verwandten CCIR-Norm (auch ICCR-Norm genannt) 5,5 MHz betrug.86 Für die Zuschauer in der »Ostzone« bedeu-

82 Kleinert 1952, S. 2. 83 O.N. 1954a, S. 19. 84 Die von Kleinert angegebene Unterbrechung hat es so nicht gegeben. Kleinerts Äußerung bezieht sich entweder auf die Drohung des NWDR-Verwaltungsrats, den Fernsehbetrieb in Berlin zum 01.07.1952 einzustellen, falls keine finanzielle Regelung für das Berliner Programm getroffen würde. Die Budget-Entscheidung fiel zwar erst am 21.09.1952, der Programmbetrieb wurde aber nicht unterbrochen. Oder Kleinert spielt darauf an, dass Hamburg, wo sich die Mitarbeiter auf den Start regulärer Sendungen vorbereiteten, vom 20.10. bis 25.12.1952 das Berliner Programm übernahm, vgl. Wagner 2003, S. 33. 85 Vgl. Kleinert 1952, S. 2. 86 Der Rundfunk erklärte die funktechnische Besonderheit, vermutlich um den interessierten Lesern zu erläutern, warum sie das westliche Programm nicht mit Bild und Ton empfangen konnten: »Die Sendenorm entspricht derjenigen,

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tete dies, dass sie mit ihren Geräten, die keinen Adapter besaßen, entweder nur das Bild oder ausschließlich den Ton des NWDR-Programms empfangen konnten. Diese Zuschauer waren allerdings alles andere als zahlreich: Hoff verweist auf Angaben des Regisseurs Günter Puppe, nach denen es bei Ausstrahlungsbeginn im Juni 1952 lediglich sieben private Fernsehteilnehmer im Ostsektor Berlins gab.87 Zwei Monate später existierten Wolfgang Kleinert zufolge ca. 20 Fernsehgeräte, hauptsächlich sowjetische Empfänger mit einem 9-Zoll-Bild sowie einige Eigenbaugeräte.88 Zu Beginn des offiziellen Versuchsprogramms am 21. Dezember 1952 waren es laut Wolfgang Stemmler dann schon 57 Fernsehapparate.89 Hoff spricht für den gleichen Zeitpunkt von etwa 7090, die DDR-Fernsehführung im Nachhinein fast durchgängig von 75 Geräten, verteilt auf Fernsehstuben und einzelne Haushalte.91 Auch wenn die Zahlen leicht divergieren, Fakt ist: Es gab 1952 nur sehr wenige Geräte und die Zuschauerzahl stieg erst langsam an. Wollte man mit diesen Fernsehapparaten im Ostteil Berlins das westliche Programm empfangen, kamen weitere Einschränkungen hinzu: Die sowjetischen Empfänger ließen sich nur auf einen Kanal einstellen. In den Fernsehstuben und bei öffentlich aufgestellten Geräten war darüber hinaus nur das Programm des Fernsehzentrums Berlin erlaubt. Die Fernseh-Informationen hatte diese Situation schon 1951 vermutet und darum eine »Wirkung« des NWDR-Angebots in der DDR negiert: »Was aber die gegenseitige Beeinflussung politischer Natur betrifft, so ist diese auf der östlichen Seite von vornherein nicht gegeben: weitgehender Gemeinschaftsempfang und die Einrichtung aller Heimempfänger für Einkanal-Betrieb werden die Teilnahme am westlichen Fernsehdienst vollständig ausschliessen.«92 Aber auch für die Westberliner dürfte das ostdeutsche Programm keine Konkurrenz oder Alternative zum Programm des NWDR gewesen sein: »In den Westsektoren wird es zunächst nicht anders sein, sofern nicht der Westbewohner unter Ausnutzung des für ihn günstigen Währungsgefälles sich eigens für den Empfang des Ostprogramms ein

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die in der Sowjetunion und in den Volksdemokratien üblich ist, und zwar der OIR-Norm. Der Bildsender arbeitet auf einer Frequenz von 99,9 Megahertz, der Tonsender auf 106,4 Megahertz, so daß der Abstand der beiden Trägerfrequenzen von Bild- und Tonsender, im Gegensatz zu der im Westen üblichen CCIR-Norm mit einem Abstand von 5,5 Megahertz, 6,5 Megahertz beträgt.« Kiehle 1953, S. 20. Vgl. Hoff 2002b, S. 81. Vgl. [Q] Kleinert 1962, S. 2. Vgl. Stemmler 1993, S. 78. Vgl. Hoff 2002b, S. 7. Vgl. u.a. Probst 1957, S. 2. O.N. 1951, S. 9. Der Gemeinschaftsempfang verlor aber zugunsten des Privatempfangs an Bedeutung, womit dieses Hindernis überwunden wurde. Der gängige Apparat »Leningrad T 2« konnte allerdings die im Frequenzband III ausgestrahlten westlichen Programme tatsächlich nicht empfangen.

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Gerät im Ostsektor beschafft – eine Handlungsweise, die angesichts der Erfahrungen auf dem Rundfunkgebiet und der völlig polisierten Programmtendenz des Ostens kaum ausgeübt werden dürfte.«93 Die Schlussfolgerung deckt sich mit der hier skizzierten Argumentation: »Voraussetzungen für Fernsehkrieg [waren] kaum gegeben«94. Trotzdem blieb die Situation der gegenseitigen Beobachtung bestehen. Im Oktober 1952 plante das Fernsehzentrum Berlin den Start seines regulären Versuchsprogramms für den Beginn des Jahres 1953. Der Oberingenieur und technische Leiter Ernst Augustin spielte in einem Interview mit der National-Zeitung auf die westdeutsche Konkurrenz an, die in dem Wettlauf um das inoffizielle Testprogramm ja die Nase vorn gehabt hatte: »Wenn wir Anfang des nächsten Jahres ein richtiges, offizielles Zwei-Stunden-Programm haben, dann muß hier alles einwandfrei klappen. Wir arbeiten hier nicht wie im Westen: zuerst Riesenreklame und dann minderwertige Leistungen – nein, bei uns wird alles genaustens durchdacht, erprobt und verbessert, ehe wir mit unserem Fernsehbetrieb an die Öffentlichkeit treten.«95 Tatsächlich wurde der Sendestart des Fernsehzentrums Berlin auf den schon erwähnten Ehrentag Stalins im Dezember 1952 vorverlegt. Das Programm des ersten »offiziellen« Fernsehabends war dem Anlass angepasst: Um 20:00 Uhr eröffnete Hermann Zilles das Programm, anschließend folgte die Aktuelle Kamera. Fernsehen aus der Nähe betrachtet hieß der Film zur Vorstellung des Fernsehzentrums. Zu Ehren von Stalin wurden dann eine »Volkskunstsendung« Für ewige Freundschaft und ein sowjetischer Dokumentarfilm ausgestrahlt.96 Allerdings sollte die Ausrichtung des Sendestarts auf Stalins Jubiläum nicht überbewertet werden. Die Präferenz zu symbolischen Daten gehörte wie das Zelebrieren von Jahrestagen zu den hervorstechenden Merkmalen der DDR-Gesellschaft.97 Dies änderte sich während ihrer gesamten Bestehenszeit nicht. Der Umstand, dass Stalins Geburtstag vor dem Termin lag, den der NWDR für seinen Programmstart anvisiert hatte, war für die DDR-Führung auch ausschlaggebend gewesen. Selbmann, der 1952 der Rundfunkleitung angehörte, erinnert sich ebenfalls daran, dass Stalins Geburtstag keineswegs der Anlass für die offensichtliche Eile war, sondern eher zweitrangig im Entscheidungsprozess um den Beginn des Programms blieb. Er wertet den frühen Sendebeginn als Reaktion auf die rasche Entwicklung des bundesdeut-

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O.N. 1951, S. 9. Ebd., S. 8. O.N. 1952b. Vgl. u.a. die Ankündigung in Der Rundfunk, o.N. 1952a, S. 11; einen Rückblick auf das Programm dieses Tages und Eindrücke vermittelte die Beschreibung von Karl Schnog zwei Wochen später in der Rundfunkzeitung, vgl. Schnog 1953, S. 11. Zu Erinnerungen von Fernsehmitarbeitern an diesen Tag vgl. Müncheberg/Hoff 1984, S. 29-35. 97 Zur Inszenierung solcher symbolischer Daten im DDR-Fernsehen am Beispiel der Jahrestage der ›Großen Sozialistischen Oktoberrevolution‹, vgl. Dittmar/ Vollberg 2008.

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schen Fernsehens und die Möglichkeit, dass dessen Programme in das Gebiet der DDR einstrahlen könnten. Das entschlüsselte Motto dabei: »›Unbedingt noch im Dezember 1952!‹ hieß vor allem: Unbedingt vor der BRD!«98 Selbmann schätzt diesen Wettlauf um den früheren Sendebeginn sogar als ein erstes, deutliches Zeichen der Unterlegenheit des ostdeutschen Fernsehens gegenüber dem starken Konkurrenten im Westen ein: »Es war offensichtlich, daß sich die DDR von Anfang an in Zugzwang befand und alles tun musste, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Das Datum – der Geburtstag des ›genialen Stalin‹ – schien gerade recht, auf diesen Fernsehstart aufmerksam zu machen und dabei doch zu kaschieren, daß er vor allem Teil einer Auseinandersetzung zwischen David und Goliath war.«99 Ähnlich sah es Der Spiegel knapp vier Monate nach dem Start der beiden deutschen Programme und berichtete, dass die Sowjetzone im Fernsehen »einen einsamen Sieg über Westdeutschland«100 errungen hätte. Das Nachrichtenmagazin ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass dieser Triumph des Ostfernsehens nicht das tatsächliche Kräfteverhältnis widerspiegelte. Mit einiger Häme konstatierte es: »Von diesem Erfolg haben sich Intendant Hermann Zilles und sein 900köpfiger Stab im ›Fernseh-Zentrum Adlershof‹ bis heute nicht erholt. Sie produzieren jeden Tag von acht bis zehn abends ein Programm, das seiner Erzeuger so gründlich spottet, daß jedes antikommunistische Kabarett der Westberliner Konkurrenz dagegen verblaßt.«101 Auch die FernsehInformationen bewerteten 1956 rückblickend die ersten Programmjahre sehr negativ und beschrieben die Konkurrenz zum Westen zu Ungunsten des DDR-Fernsehens: »Wer vor einigen Jahren die Darbietungen sah, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich um ein Seminar für Anfänger handelte, in dem die ersten Grundbegriffe der Kameraführung, Überblendung, Ausleuchtung usw. geübt wurden. Damals war der schon etwas länger arbeitende West-Berliner Fernsehdienst auf jeden Fall haushoch überlegen, trotz räumlicher Begrenztheit und trotz grösster Sparsamkeit, die ihm auferlegt worden war.«102 Aber der Erfolg der DDR im Terminwettlauf muss die bundesdeutschen Medienakteure trotzdem getroffen haben. Nachdem sie den eigentlich für 1953 geplanten Programmstart mit Hilfe zusätzlicher Mittel auf Weihnachten 1952 vorverlegt hatten, waren sie doch nur als zweite deutsche Fernsehstation auf Sendung gegangen: »Der Stachel saß allerdings tief, von den Adlershofern überrundet worden zu sein. Eine solche Schlappe durfte den erfolgsverwöhnten Westdeutschen nicht noch einmal passieren, und sie passierte auch nicht noch einmal.«103 Der Westen war bei allen nachfolgenden Entwicklungen schneller als die ostdeutsche Konkurrenz: Das Fernsehen ging eher zum

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Selbmann 1998, S. 30. Ebd., S. 30-31. O.N. 1953, S. 30. Ebd. O.N. 1956b, S. 386. Dussel 2004, S. 145.

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regelmäßigen Programmbetrieb über, erweiterte als erstes sein Angebot um ein zweites Programm und führte vor dem DDR-Fernsehen das Farbfernsehen ein. Das Angebot von Dritten Programmen machte es seinen Zuschauer dann nicht nur zuerst, sondern auch als einziges deutsches Fernsehen – das DDR-Fernsehen konnte diese nie realisieren.

2.3 Der Wettlauf hat begonnen. Das Versuchsprogramm 1952 bis 1955 Für die Zeit des regulären Versuchsprogramms lässt sich erstmalig ein dichteres Bild vom politischen Auftrag und der gesamtdeutschen Orientierung des DDR-Fernsehens rekonstruieren. Die Programmverantwortlichen äußerten sich zu diesen Themen in der Presse und versuchten die politische Ausrichtung des neuen Mediums der Öffentlichkeit darzulegen. Diese Darstellungen und einige interne Unterlagen, die aus diesen Jahren überliefert wurden, lassen Aussagen über die Aufgabenstellung und das anvisierte Publikum zu. Von Anfang an gab es demnach einen klar formulierten politischen Auftrag an das Fernsehen: »Das Fernsehzentrum ist eine staatliche politische Institution, deren gesamte Arbeit der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands und dem Kampf um die Erhaltung des Friedens dient. Unmittelbar verbunden mit diesen Zielen ist das Programm. Mit den neuen propagandistischen und agitatorischen Möglichkeiten des Fernsehens hat es die Werktätigen von der Richtigkeit der Politik von Partei und Regierung zu überzeugen und sie für die Lösung der Aufgaben auf dem Gebiete des neuen Kurses zu begeistern und zu mobilisieren.«104 Im Selbstbild des Fernsehens dominiert bereits in den frühesten Quellen die Unterwerfung unter den Willen der politischen Führung. Als Instrument der Partei sollte und wollte man helfen, die politischen Zielsetzungen zu propagieren. Dies wurde keineswegs nur in internen Papieren festgehalten, sondern auch in der Öffentlichkeit formuliert. Der Sendeleiter Arthur Nehmzow stellte es in der Rundfunkzeitung prominent heraus: »Fernsehen – ein neuer politischer Faktor« übertitelte er seinen Beitrag 1954. Darin betonte er: »Es muß jedoch hier einmal festgestellt werden, daß das Fernsehen in hohem Maße agitatorisch politische Funktionen erfüllt«. Ziel war ein Fernsehen mit dem »Charakter eines kollektiven Propagandisten, Agitators und Organisators«.105 Dass die Aufgabe des Fernsehens, zur Wiedervereinigung Deutschlands beizutragen, so prominent formuliert wurde, darf nicht erstaunen. Obwohl sich die Regierung 1954 bereits auf einen politischen Kurs festgelegt hatte, der vor allem die Stärkung einer eigenständigen DDR anstrebte, erlebte die ostdeutsche Einheitspropaganda eine Hochphase. Die SED wollte sich durch die »Deutsche an einen Tisch«-Initiative als Verfechterin der Wiedervereinigung in beiden Teilen Deutschlands

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[Q] Nehmzow 1954, S. 1. Nehmzow 1954, S. 19.

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profilieren. Die Instrumentalisierung des Fernsehens zur Vermittlung dieser Propagandaoffensiven passt da sehr gut ins Bild. Diese Entwicklung hatte allerdings schon deutlich früher eingesetzt. Als im Dezember 1952 das offizielle Versuchsprogramm startete, fasste Hermann Zilles, damals Leiter des Fernsehzentrums, die Aufgaben und Ziele des neuen Mediums für die Leser der Rundfunkzeitung zusammen: »Unseres Lebens reiche Fülle – das soll der Inhalt unserer Fernsehsendungen sein!« Ein wichtiger Bestandteil dieser Fülle war auch für ihn die Profilierung der einheitswilligen DDR auf Kosten der angeblich ›antinational‹ gesinnten Bundesrepublik. Die Sendung Das nationale Forum war beispielsweise konzipiert als »eine Tribüne der deutschen Patrioten […] im Kampf gegen die Versklavungs- und Kriegspolitik der amerikanischen und westdeutschen Monopolherren, eine Tribüne des nationalen Freiheitskampfes!«106 Neben dieser frühen anti-westlichen Propagandasendung, spielte der Gedanke der deutschen Einheit auch in nahezu allen anderen Programmbereichen eine wichtige Rolle. Das Sportprogramm sollte »die Sportler im Kampf um die Einheit des deutschen Sports unterstützen«, auch die Jugend sollte im »Kampf um Einheit und Freiheit der deutschen Nation« geführt werden und das Fernsehspiel würde ebenso »in hoher künstlerischer Gestaltung die Fragen des nationalen Befreiungskampfes« präsentieren. In der öffentlichen Selbstdarstellung des Fernsehens lässt sich demzufolge schon für die Jahre 1952 bis 1955 nachweisen, dass die SED von dem neuen Medium Hilfestellung bei der Umsetzung ihrer deutschlandpolitischen Zielstellungen einforderte. Diese in das Fernsehen gesetzten Hoffnungen konnten sich aber nur erfüllen, wenn es in die westdeutschen Gebiete sendete. Die doppelte Zielstellung lautete demnach: Indoktrination des eigenen Volkes bei gleichzeitiger Infiltration des Westens. Innerhalb der Versuchsphase des Programms aus Adlershof wurden die ersten Voraussetzungen hierfür geschaffen, indem die Sendeanlagen an der deutsch-deutschen Grenze verstärkt wurden. Mit dem Übergang zum regulären Sendebetrieb des DFF nahm die gesamtdeutsche Ausrichtung des Senders eine zentrale Stellung ein. Doch noch einmal zurück zur Experimentierphase des Fernsehens. Pit Klemm, Chefredakteur des Fernsehzentrums Berlin, betonte im Januar 1953 den Testcharakter des Programmbetriebes: »Wenn wir unser Fernsehprogramm als ein Versuchsprogramm bezeichnen, so nicht nur deshalb, weil mit diesem Programm die Fernsehtechnik in der Praxis noch weiter erprobt und vervollkommnet werden soll – ein Versuch ist auch die Programmgestaltung.«107 Zweieinhalb Jahre später hatte das Fernsehen das technische Versuchsstadium fast vollständig hinter sich gelassen, weshalb die Junge Welt fragte »Warum noch ›Versuchs‹Programm?«108 Der Sendeleiter Arthur Nehmzow verwies als Antwort auf die Erfolge der letzten Jahre, fügte aber hinzu: »Doch um das Wort Versuch endgültig zu streichen, sollten noch einige Voraussetzungen

106 107 108

Hier und im Folgenden Zilles 1952, S. 2-3. Klemm 1953, S. 19. Vgl. hier und im Folgenden Müller 1955, o.S.

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Beobachtung und Wettlauf

geschaffen werden: Vor allem geht es darum, das Programm interessanter, abwechslungsreicher zu gestalten und seine Qualität zu erhöhen.« Im Januar 1956 meinte man, diese Ziele erreicht zu haben. Auch weitere Fortschritte im Ausbau des Sendernetzes ermöglichten, das Versuchsstadium endgültig abzuschließen. Die institutionelle Entwicklung des Fernsehens belegt dabei schon im Versuchsstadium eine starke staatliche Lenkung: Im Zuge der II. Parteikonferenz der SED im Juni 1952 und Ulbrichts Verkündung des planmäßigen Aufbaus des Sozialismus sollte neben zahlreichen anderen Institutionen auch der Rundfunk zentralisiert werden. Daraufhin wurde am 14. August 1952 die »Verordnung über die Bildung des Staatlichen Rundfunkkomitees« erlassen, welches im September seine Arbeit unter Vorsitz des alten Generalintendanten Kurt Heiß aufnahm. Über Heiß schwärmte die ostdeutsche Programmzeitschrift Der Rundfunk: »Es konnte einfach keine andere Wahl geben […]. Es ist die Persönlichkeit, die sich nach dem ersten flüchtigen Zusammentreffen einprägt und das einzig mögliche Urteil zuläßt: Dies ist der Mann, in dessen Händen der Rundfunk liegen muß.«109 Allerdings löste vier Jahre später, am 1. August 1956, Hermann Ley Heiß in seinem Amt ab. Heiß wurde kurze Zeit später zum Generalsekretär der »Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland« ernannt, die den Abschluss von Kulturabkommen der DDR mit befreundeten Staaten förderte. Bereits am 21. August 1952 wurde das Fernsehzentrum Berlin zum eigenständigen Intendanzbereich im Rundfunkkomitee und unterstand so schon in der Zeit des inoffiziellen Versuchsbetriebes dessen zentraler Leitung. Dabei trat es die Nachfolge der Vorbereitungskommission für das Fernsehen an, die in der Generalintendanz des Rundfunks gebildet worden und deren Leiter Wolfgang Kleinert gewesen war. Kleinert berief man als Stellvertreter des Vorsitzenden ins Rundfunkkomitee, als neuer Leiter des Fernsehzentrums wurde der bisherige Chef des Deutschlandsenders, Hermann Zilles, eingesetzt. Dieser wurde allerdings schon nach einem reichlichen Jahr seines Postens enthoben. Hoff vermutet hinter der »Affäre Zilles« die bewusste Absetzung der »WestEmigranten« durch die SED-Führung (Zilles hatte 1946 bei dem Vereinigungsparteitag von KPD und SPD das Rheinland vertreten).110 Für kurze Zeit übernahm der Leiter der Fernsehbetriebstechnik, Gerhard Probst, den Posten. Dass dieser aber eher ein Praktiker war, hatte Der Rundfunk schon 1952 verkündet, als Probst noch Chefingenieur des Hörfunks war: »Allzuoft trifft man ihn nicht auf seinem Schreibtischstuhl an […]. Viel eher kann man dem großen, breitschultrigen Mann in den unteren Stockwerken begegnen, dort, wo die Ingenieure am Werk sind, wo das technische Herz des Funkbetriebes pulst.«111 Er blieb von 1953 bis 1954 eine Interimslösung in der Position des Fernsehchefs.

109 110 111

O.N. 1952d, S. 8. Vgl. Hickethier/Hoff 1998, S. 185. O.N. 1952c, S. 8.

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Die erste Sitzung des »Kollegiums des Fernsehzentrums Berlin«, fand am 3. Dezember 1953 statt.112 Neben organisatorischen und institutionsinternen Punkten stand bei dieser Sitzung bereits die Programmverteilung auf die einzelnen Wochentage im Vordergrund. Im September 1954 gab sich das Kollegium ein erstes Statut, in dem es sich zu der Verpflichtung bekannte, »mit allen Mitteln und Möglichkeiten für die Wahrung der Staatsdisziplin einzutreten«113. Man wollte die »Verbindung mit den Massen der Bevölkerung« suchen, »eingedenk dessen, daß ein gutes Programm nur durch die engste und unlösliche Verbundenheit der Mitarbeiter des Fernsehzentrums mit dem Volk erreicht werden kann«. Auch dieses Dokument belegt, wie der eigene politische Auftrag verstanden wurde. Auffällig ist, dass bereits hier eine »operative[n] Programmgestaltung« gefordert wurde, ein Terminus der später für das strategische Reagieren auf das Programm des bundesrepublikanischen Fernsehens verwendet wurde. Heinz Adameck wurde im Juli 1954 neuer Leiter des Fernsehens in Adlershof. Er konnte diese Position bis 1989 halten und war damit die Person, die das DDR-Fernsehen am stärksten geprägt hat. Auf der Ebene der Abteilungsleiter wurde der Führungswechsel 1954 positiv beurteilt. Die Amtszeit von Gerhard Probst fand wenig Lob: »Obwohl Kollege Probst mit einem sehr hohen Elan an die Aufgabe der Leitung des Fernsehzentrums herangegangen ist und eine Reihe von Erfolgen zu verzeichnen waren, hat sich doch seine Doppelfunktion für das Fernsehzentrum als nachteilig erwiesen.«114 Probst verblieb auf seinem Posten im Ministerium für Post- und Fernmeldewesen als stellvertretender Minister und Chef der Fernsehtechnik. Willi Zahlbaum ernannte man zum Stellvertreter Adamecks, Chefredakteur wurde Dieter Glatzer. Im Oktober 1955 verfasste die Fernsehführung einen Bericht, der die Versuchsphase evaluierte: »Über die Programmtätigkeit des Fernsehens in der Deutschen Demokratischen Republik«115. Unter dem für die Leitung wichtigen Aspekt der »prinzipiellen politischen Aufgaben des Fernsehprogramms« wurde festgelegt: »In der DDR dient das Fernsehen als politische Institution, wie die Presse und der Rundfunk, der Festigung der Arbeiter- und Bauernmacht und damit der Erhaltung des Friedens und der Schaffung eines einheitlichen, demokratischen Vaterlandes.«116 Das Selbstbild vom politischen Auftrag hatte sich also schon während der inoffiziellen und regulären Versuchsphase gefestigt. Dies galt in Bezug auf die politische Funktion als Instrument der SED im Allgemeinen genauso wie für die spezielle propagandistische Unterstützung der deutschlandpolitischen Absichten der Partei.

112 113 114 115

116

Vgl. [Q] Fernsehzentrum Berlin, Betriebsleitung 1953. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1954, S. 2-3. [Q] Fernsehzentrum Berlin, Kaufmännische Leitung 1954, S. 1. Vgl. hierzu sowohl das abgedruckte Faksimile als auch die ausführliche Auswertung in Hoff 2002b. Das Dokument wird im Bundesarchiv seit 2004 unter einer neuen Signatur geführt, es ist hier also trotz unterschiedlicher Signaturen die gleiche Fassung gemeint, die auch Hoff verwendet. [Q] o.N. 1955c, S. 1.

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3 Fernsehen für ganz Deutschland. Das reguläre Programm 1956 bis 1959 Als der Deutsche Fernsehfunk Anfang 1956 begann, sein reguläres Programm auszustrahlen, verstand er sich als Fernsehsender für ganz Deutschland. Was auf westlicher Seite als »Westplan« bezeichnet wurde, existierte in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre tatsächlich. Dies lässt sich zum einen im Programm, z. B. anhand der Sendungen des Telestudio West, nachweisen. Zum anderen wird es durch zahlreiche Verweise in Programmkonzeptionen und Darstellungen zur politischen Zielstellung des Fernsehens belegt. Das Fernsehen sollte für die SED eine Doppelstrategie im Programmauftrag erfüllen: Im Osten ging die politische Führung von einer abschätzbaren Gruppe von bisher politisch indifferenten Zuschauern aus, bei denen das Fernsehen Überzeugungsarbeit zu leisten hatte. Im Westen galt es, ein ganzes, bisher politisch fehlgeleitetes Volk für die ideologische Wahrheit der DDR zu gewinnen (Kapitel 3.1). Dabei sah sich das DDR-Fernsehen in einer ideologischen Konkurrenz zum Fernsehen der Bundesrepublik. Diesem wirtschaftlich und technisch zunehmend überlegenen Programm unterstellte es eine antisozialistische Propagandafunktion im Dienste der Bundesregierung. Von dem politischen System in Westdeutschland versuchte das DDRFernsehen seinerseits ein Feindbild zu verbreiten, das es als militaristisch, imperialistisch und faschistisch stigmatisierte (Kapitel 3.2). Auch innerhalb der Programmplanung kann dieser Konkurrenzgedanke nachgewiesen werden: Bei Programmentscheidungen orientierte sich das DDR-Fernsehen an Innovationen in westlichen Fernsehprogrammen. Es versuchte, mit bundesdeutschen Entwicklungen mitzuhalten, z. B. durch die Wiedereinführung des Montagsprogramms 1957. Mit großem Ehrgeiz versuchte es auch, bestimmte Sendeformen vor dem Westfernsehen zu etablieren, wie bei der Einführung von regelmäßigen Sendungen zur Thematik Landwirtschaft (Kapitel 3.3). Die Planungen zu einem »Deutschlandfernsehen«, einem eigenen DDR-Fernsehsender speziell für die westliche Bevölkerung, zeigen, wie ernst das Fernsehen den ideologischen Auftrag als gesamtdeutsches Programm genommen hat. Das – letztendlich gescheiterte – Projekt stellt den Höhepunkt der Westausrichtung des DFF dar und belegt gleichzeitig klar den Einfluss der bundesdeutschen Vorstöße zu einem zweiten Fernsehprogramm auf die Projektierung des Senders in der DDR (Kapitel 3.4).

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3.1 Das Selbstbild des DDR-Fernsehens und die ideologischen Ziele der Programmpolitik ab 1956 3.1.1 G AB

ES EINEN

»W ESTPLAN «

DES

DDR-F ERNSEHENS ?

Zum Jahresende 1955 schloss das Fernsehzentrum Berlin sein Versuchsprogramm ab und begann am 2. Januar 1956, anlässlich des 80. Geburtstags1 von Präsident Wilhelm Pieck, das reguläre Programm unter dem Namen »Deutscher Fernsehfunk«.2 Der Name war Programm und keineswegs zufällig gewählt. Müncheberg bemerkt in seinen Erinnerungen, dass die Parteiführung auch den nahe liegenden Namen »Fernsehen der DDR«3 hätte wählen können, die Republik befand sich zu diesem Zeitpunkt schließlich schon im siebenten Jahr ihres Bestehens. Doch die Absichten der SED waren weit reichender: »Wir sollten, neben dem Deutschen Fernsehen der ARD, auch ein Sender für ganz Deutschland sein, vielleicht sogar zu einer Alternative werden.«4 Mit der angestrebten Parallele zur ARD hat Müncheberg sicher recht, denn das »Deutsche Fernsehen« der ARD war zu diesem Zeitpunkt bereits gut etabliert: Der Sendestart am 1. November 1954 lag schon über ein Jahr zurück. Beide Programme vertraten schon im Namen einen gesamtdeutschen Anspruch. Dies lässt vermuten, dass eine Konkurrenz auf beiden Seiten durchaus angedacht war. Der Wettbewerb hatte also längst begonnen, als ein Jahr nach dem regulären Programmbeginn im Dezember 1956 die Voraussetzungen für eine direkte Konkurrenz geschaffen wurden: Das Post- und Fernmeldeministerium der DDR fällte die Entscheidung, den Frequenzabstand zwischen Bild und Ton dem westdeutschen Standard von 5,5 MHz anzupassen. Eine wichtige Motivation für diese Anordnung war, dass die bisherigen technischen Differenzen dem Wunsch, auch nach Westberlin und in die Bundesrepublik zu senden, entgegenstanden.5 Der Spiegel hatte 1956 berichtet, dass schon im November 1955 in einer sorgfältig geplanten Aktion 14 Ost-Fernsehgeräte vom Typ »Rubens« in die Privatwohnungen von Westberliner SED-Mitgliedern ge1 2 3 4 5

Dieser war am 3. Januar, das »Sonderprogramm« zum Geburtstag begann aber schon am 2. Januar. In der Literatur finden sich darum beide Daten. Vgl. als zeitgenössischen Bericht Adameck 1956. Diesen Namen gibt sich das ostdeutsche Fernsehen dann doch noch, allerdings erst im Jahr 1972. Müncheberg 2000, S. 89, Hervorhebung im Original. An dieser Stelle sind die parallelen Entwicklungen im DDR-Hörfunk besonders augenscheinlich. Neben dem Deutschlandsender gab es noch zwei weitere Programme, die an westdeutsche Hörer adressiert waren: Am 17.08.1956 begann der »Deutscher Freiheitssender 904« ein Programm auszustrahlen, das nach dem KPD-Verbot in der Bundesrepublik als eine Art Piratensender der Partei wahrgenommen werden sollte. Ab 1960 ergänzte der »Deutsche Soldatensender 935« das Angebot. Er sollte die Bundeswehrangehörigen im Sinne der SED beeinflussen. Beide Sender wurden erst im Zuge der Entspannungspolitik Anfang der 1970er Jahren aufgegeben, vgl. ausführlich Wilke 2004.

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Fernsehen für ganz Deutschland

bracht wurden, damit diese Genossen »Abend für Abend beobachten, wie Ton und Bild des Ostberliner Fernseh-Senders in den Berliner Westsektoren empfangen werden können«6. Die Rezeptionsbedingungen in West-Berlin beschrieb das Magazin übereinstimmend mit den bereits erläuterten technischen Parametern: das Bild wäre gut, der Ton schlecht zu empfangen. Dieses Problem versuchte die Fernsehführung zu lösen, indem sie den Zuschauern zunächst eine provisorische Lösung anbot: Der Ton wurde 1955 außer auf der üblichen Ultrakurzwelle auch auf Langwelle gesendet. Der Spiegel überliefert eine Ansprache an das westliche Publikum: »In einer Jubiläumssendung im Dezember ließen die Ostberliner ihrem Programm sogar eine Ankündigung vorangehen: ›Wenn Sie in Westberlin den Ton unzureichend empfangen, schalten Sie bitte an Ihrem Rundfunkgerät auf Langwelle…‹«7 Dies schien aber nicht den gewünschten Erfolg gebracht zu haben, so dass man in Kauf nehmen musste, die eigenen technischen Sendenormen aufzugeben, was mit erheblichem Aufwand verbunden war. In einer Pressemitteilung erklärte der zuständige stellvertretende Minister für Post- und Fernmeldewesen, Gerhard Probst, anderthalb Jahre später: »Im Jahre 1957 werden sämtliche Fernsehsender und alle bis dahin produzierten Empfänger auf einen neuen Bild-Ton-Trägerabstand von 5,5 MHz umgestellt, um eine störungsfreie und flächenmäßig größere Versorgung zu erreichen. Es hatte sich gezeigt, daß mit dem alten Bild-Ton-Trägerabstand und der damit verbundenen Kanalbreite von 8 MHz durch die starken Störungen anderer Fernsehsender nur eine etwa 40prozentige Versorgung des Gebietes der DDR möglich war. Das war absolut unbefriedigend.«8 Welche ›anderen Fernsehsender‹ gemeint waren, wurde dabei nicht ausgeführt. Aus technischer Sicht konnten es nur die bundesdeutschen Sender sein, aber man scheute sich offensichtlich, die Einstrahlung von Westfernsehen in die DDR anzusprechen, um damit nicht unfreiwillig Werbung für dieses zu machen. Die angeführte Begründung war insgesamt nicht aus der Luft gegriffen: Tatsächlich ergaben die Zuschauerbefragungen der Jahre 1957 und 1958 Störungen beim Empfang des DDR-Fernsehens, besonders

6

7 8

O.N. 1956c, S. 44. Knut Hickethier schätzt den Artikel des Spiegels als glaubwürdig ein und verweist ebenfalls auf die beschriebenen Vorgänge, vgl. Hickethier/Hoff 1998, S. 138-139. O.N. 1956c, S. 45, Hervorhebung im Original. Probst 1957, S. 3. Diese niedrige Zahl ist als realistisch einzuschätzen, da die offiziellen Verlautbarungen auch in den folgenden Jahren große Defizite in der Versorgung einräumten: Nach der Umstellung und der zeitgleichen Inbetriebnahme des Senders Schwerin wurde Ende des Jahres 1957 bekannt gegeben, dass nun etwa 60-65 Prozent des Gebietes der DDR mit Fernsehen versorgt werden könnten. Durch die Errichtung von Kanal-Umsetzern und UmlenkAntennen konnte dieser Anteil bis zum Anfang des Jahres 1960 auf 70 Prozent erhöht werden, vgl. Heil 1967, S. 44-45.

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im Ausstrahlungsgebiet der Sender Inselsberg und Brocken.9 Die Zuschauer dieser Regionen gaben unumwunden zu, deshalb auf die Westsender auszuweichen. Hierfür stellten sie ihre Geräte provisorisch auf deren Sendenorm um. Dies war mit Sicherheit eine Situation, die die Medienverantwortlichen des SED-Staates auf Dauer nicht hinnehmen konnten, erschwerten die Normen doch die Position des eigenen Fernsehens, gerade in den Gebieten, wo eine Konkurrenz gegeben war. Diese technischen Störungen wurden für die Öffentlichkeit aber als alleiniger Grund angeführt, um sich von der in den sozialistischen Ländern verbreiteten Norm ab- und der westlichen Norm zuzuwenden. Meyen folgt dieser Argumentation und sieht darin – und weniger in der Herstellung günstigerer Rezeptionsbedingungen für das DDR-Fernsehen im Westen – den Grund für die Umstellung.10 Die Untersuchung des zu dieser Zeit dominierenden Selbstbildes wird aber im Folgenden aufzeigen, wie wichtig der Fernsehführung in dieser Phase das Publikum im westlichen Teil Deutschlands war. Diese Ergebnisse stützen die These Gesericks, der die Umstellung »eine folgenschwere Veränderung«11 nennt und auf die Schaffung einer gegenseitigen Empfangssituation zurückführt. Die technische Umstellung erfüllte dabei gleich zwei wichtige Anliegen: Es machte das Einschalten des DDR-Fernsehens in der Bundesrepublik ohne Adapter möglich und verbesserte den Empfang im eigenen Land, gerade in den grenznahen Gebieten der DDR, wo das Westfernsehen als starker Konkurrent bereits etabliert war. Ein ungestörter Fernsehempfang im eigenen Land bot sich zudem als Argument für die Bevölkerung an, schließlich brauchte man für die Umstellung die Kooperation der Zuschauer. In Tageszeitungen, Radio und Fernsehen wurde die technische Modifikation 1957 bekannt gegeben, auch mit dem für die Gerätebesitzer wichtigen Hinweis, dass die Kosten dieser Maßnahme vom Staat getragen würden. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, die Geräte zur Umstellung anzumelden. Der Kundendienst des RFT (Herstellerverbund Rundfunk- und Fernmeldetechnik) führte die technischen Änderungen dann kostenlos durch.12 Nach erfolgreicher Umstellung konnten aber im Umkehrschluss die Zuschauer in der DDR, die in den Einstrahlungsgebieten westdeutscher Sender wohnten, das westdeutsche Programm ohne mühsame Justierungen empfangen. Die Fernseh-Informationen beobachteten schon 1957 einen Aufschwung des Fernsehens und des Geräteabsatzes in der DDR, den sie auch auf die nun unkomplizierte Rezeption bundesdeutscher Sender zurückführten: »Der Empfang auch des westdeutschen

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Solche Störungen durch Überlappungen in den eng benachbarten Trägerfrequenzen von Ost- und Westfernsehen wurden von westdeutscher Seite schon Anfang 1956 vermutet, besonders für die Empfangsbereiche »Inselsberg« (DDR) und »Hoher Meissner« (BRD). Bei den vom »Brocken« genutzten Frequenzen war eine Störung der geografisch nächstliegenden Fernsehsender Westdeutschlands dagegen nicht zu befürchten, vgl. o.N. 1956a, S. 5. 10 Vgl. Meyen 2003b, S. 51-52. 11 Geserick 1989, S. 82. 12 Vgl. o.N. 1957b, S. 2.

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Programms – nach vollendeter Umstellung auf CCIR-Norm in weiten Teilen des Gebietes eine Leichtigkeit – trägt mancherlei dazu bei.«13 Woo-Seung Lee, der Geserick in seiner Argumentation folgt, verweist ebenfalls darauf, dass damit die DDR ungewollt die Initiative ergriffen hatte, die technischen Unterschiede zwischen west- und ostdeutschem Fernsehen zu überwinden und den gegenseitigen Empfang ohne Adapter zu ermöglichen: »Die Schaffung der technischen Grundlage, die ideologisch entgegengesetzten Fernsehprogramme empfangen zu können, drängte die beiden deutschen Fernsehsysteme zur permanenten Konkurrenz um die Zuschauer, was besonders den DFF betraf.«14 An dieser Stelle schätzt Lee die Situation falsch ein: Ungewollt dürfte diese Entscheidung nicht getroffen worden sein. Sie entsprach genau dem von Anfang an klar formulierten politischen Auftrag des Fernsehens, sich der politischen Führung unterzuordnen und mit den Mitteln des Mediums die propagandistischen Ziele der Partei zu verbreiten – auch und gerade an die Zuschauer im Westen. War die Umstellung der Sendenorm nun Teil eines regelrechten »Westplans« des Fernsehens, dessen Umsetzung schon zwei Jahre vorher begonnen hatte? Geserick bekräftigt die Existenz eines solchen »Westplans«15. Er leitet den Plan aber aus dem Ausbau des ostdeutschen Sendernetzes seit 1955 her. Die bereits 1953 in Betrieb genommenen Sender Leipzig und Dresden, die nach dem bis dahin einzigen Sender in Berlin folgten, strahlten ausschließlich in das Territorium der DDR. Dagegen versorgten die Sender, die 1955 errichtet wurden (Berlin-Stadtmitte bzw. Berlin I, Brocken, Inselsberg und Marlow16), zwar einerseits Teile der DDR, waren aber andererseits auch auf die östlichen Gebiete der Bundesrepublik und Westberlin gerichtet. Von daher liegt Geserick mit seiner Datierung richtig. Jörg-Uwe Fischer verweist darüber hinaus auf den Sender Berlin-Köpenick, der ab 1957 zu einer wesentlich verbesserten Empfangssituation des DFF-Programms in ganz Berlin und der näheren Umgebung führte.17 Diese gezielte Platzierung der Anlagen entlang der deutsch-deutschen Grenze wurde auf bundesdeutscher Seite von der zeitgenössischen Fachpresse diskutiert. Die Autoren der Fernseh-Informationen verwiesen 1957 darauf, dass die in den Grenzgebieten installierte Sendetechnik als befremdlich wahrgenommen werden musste: »Überall stehen die Ost-Strahler in Bereichen, aus denen sie etwa zur Hälfte in den Raum nach Westen hineinstrahlen. Ein etwas ungewöhnliches Vorgehen für den Aufbau eines Sendernetzes, das in jedem anderen Land sicher auf Protest der Zuschauerschaft treffen würde.«18 Zudem wäre vom DFF offen kommuniziert worden, dass die acht zu diesem Zeitpunkt betriebenen Fernsehsender nur 40 Prozent des DDR-Gebietes er-

13 14 15 16 17 18

O.N. 1957d, S. 169. Lee 2003, S. 27. Geserick 1986, S. 322 und Geserick 1989, S. 74. Vgl. dazu die Graphik in Sutaner 1956, S. 17. Vgl. Fischer 2003, S. 195. O.N. 1957f, S. 99.

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fassten. Auch eine Erweiterung auf elf Sender würde immer noch nur 45 Prozent der eigenen Bevölkerung versorgen. Diese Zahlen mussten bei den westdeutschen Beobachtern zu der Vermutung führen, dass das DDR-Fernsehen nicht nur ein Publikum im eigenen Land anvisierte, sondern seine Zuschauer auch im Westteil Deutschlands suchte. Der Spiegel berichtete ebenfalls 1957 von einem »Westplan« den die DDR-Regierung bereits zwei Jahre zuvor aufgestellt hätte und dessen proklamiertes Ziel es gewesen wäre, das ostdeutsche Programm in den Westen zu senden – hier hat sich Geserick zu seinen Aussagen inspirieren lassen. Dieser Plan würde auch im selben Jahr weiter umgesetzt, befürchtete das Magazin: »Das Ostzonen-Fernsehen wird schnell, konzentriert und mit großen Mitteln zu einem Propaganda-Instrument im Sinne des ›Westplanes‹ entwickelt.«19 Bleibt noch die Frage: Lassen die Fakten den Schluss auf einen solchen »Westplan« oder die »massive Fernsehoffensive in Richtung Westen«20 überhaupt zu? Meyen bezweifelt dies. Der Westplan war ihm zufolge nur ein »angenehmer Nebeneffekt«21 der Tatsache, dass die Reichweite von Fernsehwellen technisch bedingt von der Höhe des Senderstandorts abhängt. In der DDR befanden sich die höchsten Erhebungen, die sich darum als Standorte für Sender anboten, an der Westgrenze: Im Harz (Sender Brocken) und im Thüringer Wald (Sender Inselsberg). Dem ist zuzustimmen. Die Hinterlassenschaften der Fernsehführung geben aber noch einen weiteren Teil der Antwort auf die Frage nach dem Westplan. Das Wort »Westplan« existiert dort nicht, Meyen irrt, wenn er es als Marketingstrategie des Fernsehens versteht und konstatiert, dass die Senderpositionierung nach außen hin als Westplan verkauft wurde. In den internen Papieren des DDR-Fernsehens dieser Jahre finden sich jedoch zahlreiche Belege dafür, dass das Fernsehen seine Zuschauer sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik suchte. Dies war keineswegs nur ein Nebeneffekt aus den günstigen Sendebedingungen, die ›zufällig‹ Randgebiete der Bundesrepublik mit erreichten. Die DDR wollte es der eigenen Bevölkerung zwar mitunter als einen unbeabsichtigten Effekt verkaufen. Tatsächlich gab es den Begriff Westplan nicht, den Plan mit dem Fernsehen den Westen zu erreichen und zu beeinflussen aber sehr wohl. Er war Bestandteil der öffentlichpropagandistischen Ebene der Westarbeit der SED. Damit gehörten die manipulativen Absichten gegenüber der westdeutschen Bevölkerung zu den wichtigsten politischen und propagandistischen Zielstellungen des DDR-Fernsehens, wie die folgenden Kapitel belegen und erläutern sollen. Sowohl die Positionierung der Sendeanlagen als auch die Änderung der Sendenorm 1957 müssen in diesem Zusammenhang bewertet werden: Mit diesen technischen Voraussetzungen konnte das Fernsehen umsetzen, was die politische Führung Mitte der 1950er Jahre von ihm verlangte.

19 O.N. 1957g, S. 48. 20 O.N. 1958a, S. 43. 21 Meyen 2003b, S. 51.

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Fernsehen für ganz Deutschland

Am deutlichsten lässt sich die Westorientierung durch eine ideologische Zielformulierung nachweisen, die sehr häufig an zweiter Stelle von zentralen Dokumenten benannt wird. Nachdem als wichtigste Aufgabe des DFF die Unterstützung beim Aufbau des Sozialismus in der DDR angeführt wurde, folgte als zweiter Punkt die Hilfestellung beim Kampf um die Wiederherstellung der Deutschen Einheit bzw. der Sieg über Westdeutschland. Als ein Beispiel sei hier auf die Konzeption »Aufgaben und Struktur des Programmsektors im Deutschen Fernsehfunk« aus dem Jahr 1957 verwiesen. Dort wird als bedeutende Aufgabe des Fernsehfunks herausgestellt, dass er zum Kampf um die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands beizutragen hätte, »indem er insbesondere das Leben im Arbeiter- und Bauernstaat als Vorbild für anzustrebende demokratische Verhältnisse in ganz Deutschland zeigt, die Aktionseinheit der Deutschen Arbeiterklasse fördert und die Machenschaften der westdeutschen Imperialisten und Militaristen entlarvt«22. Diese Propaganda für die deutsche Einheit war nicht nur für das eigene Publikum gedacht. Erfüllt werden konnte der propagandistische Auftrag nur, wenn es dem DFF gelang, westdeutsche Zuschauer mit DDRIdeologie zu konfrontieren und ihre Meinungen nach ostdeutschen Vorstellungen zu verändern. Auch in der langfristigen Planung waren die Zielvorgaben in Bezug auf die Westbevölkerung als potentielle Zuschauer fest verankert. Im Jahr 1958 wurde dies für die nächsten 17 Jahre im Voraus in der »Programmperspektive des Deutschen Fernsehfunks bis 1975« festgelegt. Das Dokument ist aber noch aus einem anderen Grund erwähnenswert. Es belegt, dass sich das Fernsehen als Propagandainstrument der Westarbeit der SED im übertragenen Sinne auf ›glattem Parkett‹ bewegte. Leider lässt sich nicht mehr eruieren, wer die Programmperspektive bis 1975 verfasst hat. Dem Autor war aber an einer Stelle ein interessanter Fehler unterlaufen, indem er über das Ziel hinausschoss. Die ritualisierten Forderungen nach einer Wiederherstellung der deutschen Einheit waren der rhetorische Normalfall. In diesem Papier gingen die Planungen für das Fernsehen aber überraschend weit: »So wie die Deutsche Demokratische Republik im Ganzen, so muß der Deutsche Fernsehfunk im Speziellen als Basis für ein einheitliches Deutschland auf und ausgebaut werden. Der Deutsche Fernsehfunk muß eines Tages in der Lage sein, die Fernsehaufgaben für Gesamtdeutschland zu übernehmen.«23 In kühnen Plänen sah der Autor den DFF also schon als Nachfolger der ARD oder als das zweite gesamtdeutsche Programm im wiedervereinigten Deutschland. So weit gingen die Pläne der Partei aber weder im großen deutschlandpolitischen Kontext noch im kleineren Kontext der Fernsehplanung. Die betreffende Passage wurde handschriftlich gestrichen, wahrscheinlich durch den Intendanten Adameck. Der Anspruch, mit dem Fernsehen die westliche Bevölkerung zu erreichen, war allerdings eine echte Forderung der Partei an den DFF.

22 [Q] o.N. 1957b, S. 2. 23 [Q] o.N. 1958b, S. 1-2.

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Zuallererst musste sich dies im Programm niederschlagen. Dabei stand die Leitung des Fernsehens 1956 vor einem Problem: Im Angebot des ostdeutschen Fernsehens fehlte sowohl Programm über als auch für Westdeutschland. In einer Evaluation des Versuchsbetriebes hieß es dazu: »Der patriotische Kampf unseres Volkes spielt eine völlig ungenügende Rolle im Fernsehprogramm. Es fehlen wirksame Beiträge, die den Kampf gegen den Militarismus in Westdeutschland unterstützen und Kriegsverbrecher und andere Reaktionäre entlarven. Zur Unterstützung des gesamtdeutschen Kampfes erhält das Fernsehzentrum die Möglichkeit, mehr Material aus Westdeutschland und Westberlin zu beschaffen.«24 Das gewünschte Programm sollte einerseits Propaganda gegen die Bundesrepublik in der eigenen Bevölkerung sein, aber auch die westdeutschen Zuschauer zu Ungunsten ihres Staates beeinflussen. Zwei Jahre später hatte sich die Situation nicht wesentlich verbessert. Nur wenige Sendungen, wie die Reihe Treffpunkt Berlin25 – wandten sich dezidiert an ein Publikum in ganz Berlin bzw. in beiden Teilen Deutschlands. In einer »Aussprache mit den aktivsten Mitarbeitern des DFF« kritisierte Horst Heydeck am 16. Januar 1957: »Stücke über die Probleme in Westdeutschland gibt es wenig. Es ist eigentlich erstaunlich, wie wenig man über Dinge in Westdeutschland weiß. Der ›Spiegel‹ ist unsere einzige Quelle. Es fehlt das konkrete Material.«26 Die Mitarbeiter wollten zukünftig selbst bei Reisen in den Westen Filmmaterial beschaffen. Sogar die Arbeitsweise der ›klassenfeindlichen Medien‹ diente als Orientierung, um effizient mit dem so erlangten Material zu produzieren. So schlug Müncheberg vor, ähnlich wie der Spiegel mit einem Archivierungsprinzip zu arbeiten, um schneller und aktiver in der Programmgestaltung reagieren zu können. Zukünftig sollten die Informationen über den Westen, z. B. über den Städtebau und das Wohnungsproblem, kontinuierlich gesammelt werden. Zur Zentralisierung dieser Aufgaben wurde von Adameck kurzfristig eine »Gruppe für Konterpropaganda« mit zwei Redakteuren eingesetzt.27

24 [Q] o.N. 1955b, S. 3. 25 Erste Sendung am 02.05.1956. Vgl. Hickethier/Hoff 1998, S. 187-188; Hoff 2003, S. 4-5 (Seitenangaben entsprechen dem ausgedruckten Webdokument, zur Problematik dieser posthumen Veröffentlichung Hoffs, vgl. ausführlicher Dittmar 2007, S. 219-221). 26 Hier und im Folgenden: [Q] Sekretariat des Kollegiums 1957, S. 2-3. Im Gegensatz zum DDR-Fernsehen verfügte der Rundfunk für den Deutschlandsender über ein Korrespondentennetz in der Bundesrepublik, wenn auch letztendlich nicht im von der Rundfunkführung gewünschten Umfang. Arnold verweist für die Jahre 1953/54 auf zehn legale Korrespondenten, hinzu kamen noch das zahlenmäßig schwächere »konspirative Netz« von Berichterstattern, vgl. Arnold 2002, S. 312-314. 27 Die Redaktionsgruppe wurde am 30.01.1957 gebildet. Sie unterstand der Hauptabteilung Aktuelle Politik und wurde von Horst Heydeck geleitet.

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3.1.2 B UNDESTAGSWAHLKAMPF 1957

IM

DDR-F ERNSEHEN

Das Jahr 1957 stellt einen Wendepunkt bei der Berücksichtigung des westdeutschen Publikums im Programm des DFF dar. Bereits im Februar verfasste die Abteilung Agitation/Presse-Rundfunk28, die die Medien im Sinne der SED anleitete, den Agitationsplan »Für eine ideologische Offensive gegen die Politik des Militarismus der Bonner Regierung«. Die SED führte in dieser Zeit einen scharfen Propagandafeldzug gegen die Bundesrepublik, der sich bis zu den Bundestagswahlen im gleichen Jahr immer mehr zuspitzte.29 In der Behandlung der deutschen Frage war sowohl bei den ehemaligen Besatzungsmächten als auch im Austausch beider deutscher Staaten eine gewisse Stagnation eingetreten, die der SED wenig Nutzen brachte. Ihre Hoffnungen ruhten deshalb auf einem Regierungswechsel in der Bundesrepublik. Die Regierung Adenauers zu stürzen, war schon seit Jahren ein Kernziel der SED-Westarbeit. Nun sollte die ostdeutsche Propaganda helfen, sie durch die Abwahl der CDU/CSU zu entmachten: »Wir führen diese Agitation unter der Losung: ›Um Deutschlands Einheit zu erreichen, muß Krupp und Adenauer weichen.‹«30 Dahinter standen Hoffnungen, eine sozialdemokratisch geführte Bundesrepublik eher auf sozialistischen Kurs bringen zu können bzw. eine DDR-freundlichere Politik zu erreichen. Als ›Nebeneffekt‹ sollte der eigenen Bevölkerung immer wieder das Versagen der westlichen Regierung, besonders in Bezug auf die Wiederherstellung der deutschen Einheit durch die Medien vermittelt werden. Dass die Bundesrepublik bei den DDR-Bürgern damit diskreditiert wurde, war der SED-Führung, angesichts einer stetig ansteigenden Zahl von Republikflüchtigen, sehr willkommen. Die Führung des Propagandaapparates der SED war sich Anfang 1957 allerdings bewusst, dass sie mit ihren Medien nur eine begrenzte Wirkung auf die Bundesbürger erzielen konnte. Die Ziele waren zwar hoch gesteckt, an der Realität kamen sie aber nicht vorbei: Die parteikonforme Presse wurde jenseits der Grenze so gut wie gar nicht wahrgenommen, und Radio und Fernsehen der DDR erreichten nur Randgebiete des Westens. Im Fernsehen fehlten zudem immer noch spezifische Sendungen für das westdeutsche Publikum. Die Agitationsabteilung verfasste darum den Plan, die Medien indirekt, über die Vermittlung der eigenen Bevölkerung, wirken zu lassen: Die DDR-Bürger sollten, angeleitet durch die Medien, als Besucher im Westen gegen die bundesdeutsche Regierung agitieren.

28 1955 aus dem Zusammenschluss der Abteilungen »Presse und Rundfunk« und »Agitation« hervorgegangen, bestand diese Abteilung nur bis 1957. Dann wurde sie mit der Abteilung »Propaganda« zusammengelegt und in Abteilung »Agitation und Propaganda« umbenannt, vgl. Arnold 2002, S. 192-193. 29 Auch der Deutschlandsender wurde massiv in die Wahlpropaganda eingebunden und dafür sogar noch technisch aufgerüstet, vgl. ebd., S. 394-396. 30 Hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Agitation/Presse-Rundfunk 1957, S. 110. Zum Feindbild Adenauer vgl. Kapitel 3.2.2 dieser Arbeit.

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In einem ersten Schritt müssten hierfür die Bürger des eigenen Landes überzeugt werden: »Durch eine intensive Aufklärung soll der Bevölkerung der DDR das Wesen des deutschen Militarismus deutlich gemacht und auf seine Gefährlichkeit für das Leben des deutschen Volkes und für den Frieden überhaupt hingewiesen werden.« Dabei zielte die Agitation vor allem auf die Emotionen der Bevölkerung, in dem Bewusstsein, das man sich damit auf einem schmalen Grat zwischen negativer Propaganda und Panikmache bewegte: »Es gilt, die richtigen Proportionen zu wahren, Haß gegen der Militarismus zu wecken, nicht aber Angst und Panik in die Bevölkerung hineinzutragen«. Hätten sich die Ostdeutschen dann dieser Meinung angenommen, könnten sie dem Agitationsplan zufolge bei Besuchen in Westdeutschland prinzipienfest auftreten und aufklärend wirken. Das anvisierte Ergebnis des Plans demonstriert, dass komplexe Prozesse hier stark vereinfachend gedacht wurden: Von der beschriebenen »antimilitaristische Agitation« versprach man sich, dass sie die Meinungsbildung in Westdeutschland zugunsten der SED beeinflussen würde. Dieser Plan illustriert auf mehreren Ebenen eine aus heutiger Sicht absurde Fehleinschätzung der Partei. Sie überschätzte zum einen die Wirksamkeit der eigenen, durch die Medien vermittelten, Propaganda. Zum anderen unterschätzte sie die Resistenz der Bevölkerung gegenüber der stereotypen Vermittlung vom Feindbild der Bundesrepublik. Diese blieb nahezu wirkungslos, da die freiheitliche Ordnung und der wirtschaftliche Aufschwung des Westens eine immense Anziehungskraft auf die DDR-Bürger ausübten. Die ostdeutsche Bevölkerung ließ sich für eine Propagandaarbeit im Westen nicht instrumentalisieren, und selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, die Wahlentscheidung der Bundesbürger wäre davon sicher unberührt geblieben. An dieser Stelle offenbart sich einmal mehr, wie sehr es der SED-Westarbeit an Strategien mangelte, die auch aus heutiger Sicht als Erfolg versprechend zu charakterisieren wären. Der hier vorgestellte Plan wurde schon kurze Zeit später nicht weiter verfolgt. Man wandte sich naheliegenderen Taktiken zu: Im Sommer und Herbst des Jahres 1957 strahlte der DFF spezielle Sendungen anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahlen aus und installierte damit ein Programm ausschließlich für die westdeutschen Zuschauer.31 Das Ziel, bundesdeutsche Wahlergebnisse zu beeinflussen, war insgesamt ein Schwerpunkt der SED-Westarbeit. Lemke verweist darauf, dass es schon für Zeitgenossen verwunderlich war, wie viel Aufmerksamkeit und Ressourcen die SED darauf verwendete. Schließlich lehnte sie die freien Wahlen im Westen ideologisch als pseudodemokratische Akte eines kapitalistischen Systems ab. Dahinter stand ein »politischer Pragmatismus«32, der besonders in den Bundestagswahlen eine Chance sah, in die westliche Politik einzugreifen. Vor dem KPD-Verbot 1956 versuchte die SED, den Erfolg der Partei zu forcieren, um durch sie indirekt auf parlamentarischer Ebene in der Bundes-

31 Vgl. [Q] Zapf 1957, S. 3. 32 Lemke 2001b, S. 86.

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republik mit vertreten zu sein und Einfluss auf die Entwicklung des Landes zu gewinnen. Auch nach dem Scheitern dieses Plans durch die juristischen Sanktionen in der Bundesrepublik33 lief der Apparat der SED-Westarbeit, allen voran die Wahlkampagnen der Westkommission, auf Hochtouren. Mit einem immensen Aufwand versuchte sich die SED in den Wahlkampf 1957 einzubringen. Die konkreten Planungen für ein Wahlkampf-Programm im Fernsehen begannen bereits im Juli, vorgesehen waren dabei Reportagen und ein »kleines Wahlmagazin« in den Monaten August und September.34 Auch die Aktuelle Kamera bekam im Juli einen Rahmenplan für die Sendungen zur bevorstehenden Bundestagswahl. In allen Konzeptionen war die Losung »Schlagt Adenauer«35 tonangebend. Mit den Mitteln des Fernsehens sollten die beiden Zielgruppen in Ost und West beeinflusst werden, wobei die westliche Bevölkerung, entsprechend dem Anlass, an erster Stelle rangierte: »Es kommt darauf an: a) die Zuschauer in Westdeutschland zu beeinflussen, nicht Adenauer zu wählen b) die Zuschauer in der DDR zu überzeugen, um wie vieles die Macht der Arbeiter und Bauern dem Bonner Staate überlegen ist.« Doch nicht nur die Aktuelle Kamera erhielt konkrete Vorgaben für das Programm, auch andere Programmsparten sahen ihren ideologischen Auftrag in der Propaganda gegen die zur Wahl stehenden Politiker. Die Redaktion Zeichen- und Puppensatire bereitete sich mit der Sendereihe Zeitgezeichnet36 und mit sieben Folgen eines Puppenkabaretts auf die Bundestagswahlen vor.37 Sogenannte »Wahlbeiträge« steuerten zudem die Redaktionen Dramatische Kunst, Unterhaltung sowie Kultur und Wissen bei.38 Eine besondere Bedeutung kam der Redaktion Landwirtschaft zu, die vier spezielle Sendungen ausstrahlte. Die Zielgruppe der Bauern in Westdeutschland wurde in der Propaganda stets bevorzugt behandelt, da die SED-Regierung der Illusion nachhing, als »Bauernstaat« könnte die DDR Einfluss auf die bundesdeutsche Landwirtschaft nehmen. Im Jahr 1957 schienen die Bedingungen durch die Gründung der EWG günstig. Die Zielsetzung einer gemeinsamen Landwirtschaftspolitik der EWG-Staaten stieß bei den bundesdeutschen Bauern auf Widerstand, wovon die SED zu profitieren hoffte. Ziel der Propaganda vor den Bundestagswahlen war es darum, die bauernfeindliche Agrarpolitik der Regierung anzuprangern: In Die Sorgen des Bauern Schmidthuber wurde die Landwirtschaftspolitik im Wahlprogramm der CDU ›diskutiert‹, um zu folgender »Schlussfolgerung« zu gelangen: »Ein Bauer

33 Eine Auswahl von DDR-Fernsehproduktionen zum Verbot der KPD 1956 wurde vom DRA zusammengestellt, vgl. Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv 2006. 34 Vgl. [Q] Zeitgeschehen/Konterpropaganda 1957, S. 1. 35 Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1957d, S. 1. 36 Erstsendedatum: 07.09.1956, als Nachfolger der Karikaturenreihe Schwarz auf Weiss, vgl. Hoff 2005, S. 217. 37 [Q] Zeichen- und Puppensatire 1957, S. 1. 38 Vgl. [Q] Füssler, S. 1.

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der leben will, muß die CDU schlagen.«39 Eine weitere Sendung brachte zum Ausdruck, »daß ein Bauer der die CDU wählt, sich wie ein Kalb seinen Schlächter selbst wählt!«40 Im Umkehrschluss hofften die SED-Propagandisten, den westdeutschen Bauern die Entwicklungen und Erfolge der DDR-Landwirtschaft nahe bringen zu können. In der Folge Sich regen bringt Segen sollten im August »Knolle und Bauer Fix zeigen, daß bei uns eine gute Saat wächst und das [sic!] letzten Endes auch die Bauern Westdeutschlands so schlau werden und die Großgrundbesitzer entmachten.«41 Der erhoffte bäuerliche Widerstand stellte sich allerdings – parallel zur fehlenden Aktivierung der Arbeiterschaft – nicht ein.42 Im Jahr 1957 gab man sich allerdings noch der Illusion hin, westdeutsche Zuschauer mit Hilfe des Fernsehens von der DDR-Politik überzeugen zu können. Vier Tage vor der Bundestagswahl wurde aus diesem Grund die erste Sendung einer neuen Reihe ausgestrahlt, die das Gesicht des DDR-Fernsehens bis zum Februar 1965 mit prägen sollte: Das Telestudio West.43 Die Programmplanung hatte einen strategisch günstigen Sendeplatz am Samstagnachmittag gewählt. Auf diesem Programmplatz bediente die westliche Konkurrenz zu diesem Zeitpunkt nicht die Interessen der erwachsenen Zielgruppe. Der Spiegel monierte diese Schwachstelle im »Deutschen Fernsehen« und das geschickte Taktieren des Adlershofer Programms bereits im Januar 1958: »Am Sonnabendnachmittag zwischen 16 und 17 Uhr, in einem Zeitraum also, den das Westfernsehen meistens mit Kindersendungen oder Kulturfilmen über Nagetiere ausfüllt, strahlt das Ostfernsehen in die Westberliner Sektoren und in die grenznahen Gebiete der Bundesrepublik ein Sonderprogramm aus, das speziell auf den erwachsenen Bundesbürger zugeschnitten ist.«44 Innerhalb des DDRProgramms war das Telestudio West ebenfalls günstig positioniert, es lief zumeist zwischen einer Unterhaltungssendung und dem abendlichen Sandmännchen in einer attraktiven Sendeschiene. Anfangs noch von verschiedenen Redaktionen gestaltet, wurde die Sendung bereits im nächsten Jahr fest im Programm installiert, wie die langfristige »Programmperspektive des Deutschen Fernsehfunks bis 1975« erklärt: »Der Deutsche Fernsehfunk muß eines der wirksamsten Instrumente im Kampf gegen den westdeutschen Imperialismus und Militarismus sein. Diese Aufgabe kann jedoch mit dem normalen Fern-

39 40 41 42 43

[Q] Höschel 1957, S. 1. Ebd., S. 2. Ebd., S. 1. Vgl. Lemke 2001b, S. 102. Erste Ausstrahlung am 11.09.1957. Einen Überblick über die Sendereihe gibt Fischer 2003, der auch eine interessante Analyse des Logos und der Titelmelodie bietet. Antje Budde gibt als Erstsendedatum den 13.09.1957 an und fasst die programmstrategischen Absichten sowie Inhalte und Dramaturgie der Sendereihe und des Ablegers Telestudio West antwortet auf Arbeiterfragen zusammen, vgl. Budde 2005, S. 126-156. 44 O.N. 1958a, S. 43.

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sehprogramm nicht gelöst werden. Schon heute ist erwiesen, daß spezielle Programmmöglichkeiten für diesen Kampf vorhanden sein müssen. Aus diesem Grund wird 1958 ein Programm ›Telestudio-West‹ geschaffen, daß die Stimme des neuen Deutschland für den Frieden, Demokratie und Sozialismus darstellt.«45 Hoff wertet den Start dieser Reihe insgesamt als »propagandistische Offensive« des DDR-Fernsehens und verortet das Telestudio damit meines Erachtens zutreffend als indirekten Vorläufer von Schnitzlers Schwarzem Kanal.46 Die für diese Sendung typische Methode des Einbauens und Umdeutens von westlichem Fernsehmaterial wurde schon im Telestudio West ›erprobt‹. Dazu benötigte das ostdeutsche Fernsehen allerdings westliche Technologie und erwarb in der Bundesrepublik eine Fernsehaufzeichnungsanlage.47 Die Ähnlichkeit beider Sendungen kann dabei vor allem am Stil und der journalistischen Umsetzung festgemacht werden und nicht an der Zielgruppe. Der Schwarze Kanal wandte sich vorwiegend an das eigene Publikum und weniger an die westdeutschen Zuschauer. Mit der Sendung wurde versucht, die westlichen Medieninhalte, die die DDR-Zuschauer durch das Westfernsehen konsumierten, mit sozialistischen Standpunkten zu korrigieren. Neben der Gestaltung von einzelnen Beiträgen aus den verschiedenen publizistischen Bereichen, die die »Aufklärung«48 der westlichen Bevölkerung zum Ziel hatten, war der Fernsehführung 1957 noch etwas anderes wichtig: Das komplette DFF-Programm musste sich erstmalig den Bedürfnissen der Westzuschauer anpassen, wollte man mit den initiierten Beiträgen Erfolg haben. Das Planungspapier der Sendeleitung zu den Wahlsendungen reflektiert diesen Anspruch: »Das Gesamtprogramm muß so gestaltet sein, daß die westdeutschen Fernsehteilnehmer veranlasst werden, unsere Sender einzuschalten, damit sie so der westdeutschen Propaganda entzogen werden.« Wie diese Gestaltung aber auszusehen hatte, wurde sehr allgemein damit beschrieben, dass das Programm »interessant und allgemein ansprechend« sein müsste. Ob und wie die bundesdeutsche Bevölkerung das Wahlkampf-Programm im DDR-Fernsehen wahrgenommen hat, lässt sich heute nicht mehr untersuchen. Fest steht nur, dass die SED ihr wichtigstes deutschlandpolitisches Ziel 1957 nicht erreichte. Die CDU/CSU erlebte bei den Wahlen ihren größten Erfolg. Zum ersten und einzigen Mal verhalf der Wahlsieg der Partei zur absoluten Mehrheit der Stimmen im Deutschen Bundestag. Adenauer wurde triumphal als Bundeskanzler bestätigt und verblieb in diesem Amt bis zum Oktober 1963.

45 [Q] o.N. 1958b, S. 1, handschriftlich veränderter Text und Hervorhebung im Original. 46 Vgl. Hickethier/Hoff 1998, S. 282-283. 47 Vgl. dazu u.a. o.N. 1958a. 48 Hier und im Folgenden: [Q] Füssler 1957, S. 1-2.

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3.1.3 I DEOLOGISCHE Z IELVORGABEN DAS W ESTPUBLIKUM AB 1957

FÜR

Unberührt von diesem für die SED enttäuschenden Wahlausgang, setzte der DFF auch nach Auslaufen des Wahlprogramms sein spezielles Programm für die Bundesbürger fort. Im November 1957 manifestierte sich dieser Plan im »Beschluß über Sendungen des Deutschen Fernsehfunks für Westdeutschland«. Das Dokument führte zu Beginn noch einmal die beiden technischen Aspekte auf, die ein festes Programm für westliche Zuschauer erst möglich machten: Zum einen war das die Installierung von Fernsehsendern im grenznahen Raum. Man ging davon aus, dass der DFF ein bundesdeutsches Gebiet in etwa zwischen Kiel über Hamburg, Hannover, Kassel bis Bayreuth erreichte. Der zweite Aspekt war die 1956 erfolgte Umstellung der Sender auf CCIR-Norm, womit der Empfang nun ohne den zuvor notwendigen Umbau des Tonteils im Fernsehgerät möglich war.49 Was sollte aber mit diesem Programm erreicht werden? Insgesamt lassen sich drei wichtige Zielstellungen herausstellen. An erster Stelle stand eine Aufgabe, die im Prinzip bis zum Ende des DDR-Fernsehens unverändert erhalten blieb: Die DDR sollte als der bessere deutsche Staat propagiert werden. Diesen Auftrag hatte Walter Ulbricht persönlich den Rundfunkmedien während des V. Parteitags der SED erteilt. Er forderte, dass die DDR als Beispiel wahrhafter Demokratie wirken solle. Dies hätten die Medien zu unterstützen und gleichzeitig das gesamte sozialistische Lager unter Führung der Sowjetunion positiv darzustellen, um der antisowjetischen Hetze des Westens wirksame Sendungen entgegenzusetzen. Auf dieses Referat Ulbrichts bezogen sich 1958 alle wichtigen Selbstdarstellungen von Rundfunk und Fernsehen.50 Sendungen, die sich an das westdeutsche Publikum wandten, hatten darüber hinaus eine zweite wichtige Funktion zu erfüllen, die bereits angesprochen wurde. Sie sollten die westliche Bevölkerung (und als zusätzlichen Effekt die erreichten DDR-Zuschauer) überzeugen, dass der SED-Staat weiterhin ein großes Interesse an einer Wiedervereinigung mit der Bundesrepublik hatte. Diese Einheit hätte aber nur unter sozialistischen Vorzeichen realisiert werden können. Darum wurde die DDR als »Vorbild eines zukünftigen Deutschlands« beworben. Nur sie hätte demnach die Richtung »des einzig realen Weges zur friedlichen demokratischen Wiedervereinigung Deutschlands«51 weisen können. Institutionell wurde diese Zielstellung 1957 der »Gruppe Konterpropaganda« zugewiesen: »Die wichtigste Aufgabe dieser Gruppe besteht darin, zur Festigung der DDR und zur Stärkung ihrer Autorität als Keimzelle eines geeinten demokratischen Deutschlands im Bewußtsein aller Deutschen beizutragen.«52 Mit der Einführung von Telestudio West wurde der Staffelstab bereits ein dreiviertel Jahr später weiterge49 50 51 52

Vgl. [Q] Deutscher Fernsehfunk 1957, S. 1. Vgl. u.a. [Q] Ley 1958, S. 1. [Q] Deutscher Fernsehfunk 1957, S. 2. [Q] Kollegium des Deutschen Fernsehfunks 1957, S. 3.

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geben: Als Hauptaufgabe des neuen Programmbestandteils wurde die »Propagierung der DDR als Basis eines künftigen friedlichen wiedervereinigten demokratischen Deutschlands«53 festgelegt. Die dritte anvisierte Funktion stellte eine Besonderheit der 1950er Jahre dar und blieb auf dieses Jahrzehnt beschränkt: Der Versuch, die westdeutsche Bevölkerung zum organisierten Aufbegehren gegen ihre staatliche Ordnung zu aktivieren. Diese angestrebte Manipulierung, mit dem Ziel die westliche Gesellschaft zu spalten, verlor sich mit der Abschottung der DDR durch den Mauerbau 1961. In den 1950er Jahren gab es in der Westarbeit der SED eine starke Tendenz, deutschlandpolitische Themen und soziale Aktionen miteinander zu kombinieren.54 Kampagnen gegen die Pariser Verträge wurden beispielsweise mit der Forderung nach Lohnverbesserungen und mehr Mitbestimmungsrechten für die bundesdeutschen Arbeiter verknüpft. So sollten soziale Anliegen verschiedener gesellschaftlicher Schichten für die Interessen der SED instrumentalisiert werden. Man hoffte darauf, dass einmal ausgebrochene Streiks von der SED gelenkt werden und eine Krise des westdeutschen Systems herbeiführen könnten. Einen Höhepunkt in der Beeinflussung von Streiks in der Bundesrepublik sieht Lemke in den Jahren 1955/56. Während Hamburger Arbeiter auf der Howaldt-Werft um mehr Lohn kämpften und in Kassel die Henschel-Beschäftigten in einen Ausstand traten, versuchte die SED den Streik politisch und organisatorisch zu unterstützen.55 Das Fernsehen wurde in diese Absichten eingebunden, es wurde angehalten, in die verschiedenen politischen Aktionen in der Bundesrepublik »direkt und operativ« einzugreifen. Man wollte die Arbeiter, einzelne Schichten oder Städte direkt ansprechen und Proteste provozieren. Die Situation der Hafenarbeiter in Hamburg oder die »Verfolgung der Gewerkschaften« in Kassel wurden als Beispiele aufgeführt.56 Sie belegen dabei auch, dass sich die ehrgeizigen Pläne auf ausgewählte Teile der Bundesrepublik richteten. Komiteemitglied Heinz Liebeskind plante ausdrücklich in den sogenannten »konterpropagandistischen« Sendungen, die westlichen Gebiete besonders zu berücksichtigen, in denen der DFF zu empfangen war.57 Um die aufgeführten Kernabsichten zu realisieren, wurde zum 1. Dezember 1957 ein eigenes Redaktionskollektiv »Telestudio West« gegründet, das dem Chefredakteur unterstand. Wie wichtig der Fernsehführung diese Aufgabe war, beweist die zügige Schaffung der materiellen Voraussetzungen für diese Pläne: Es wurden fünf zusätzliche

53 [Q] Telestudio West 1958, S. 1. 54 Der Deutschlandsender hatte ebenfalls stets ausführlich über tarifliche Auseinandersetzungen und Streiks in der Bundesrepublik zu berichten. Wie beim DFF sollte das Programm die Hörer dazu motivieren, ökonomische Streiks zu politischen Aktionen auszuweiten. Auch hier verlor sich diese Tendenz in den 1960er Jahren, vgl. Arnold 2002, S. 371-376, S. 638. 55 Vgl. Lemke 2001b, S. 100-101 und S. 300-302. 56 [Q] Deutscher Fernsehfunk 1957, S. 2-3. 57 Vgl. [Q] Liebeskind/Theek 1958, S. 2.

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Planstellen eingerichtet, 30 weitere Spielfilme von der DEFA angekauft und Mittel für den Erwerb von Fremdmaterial sowohl aus dem sozialistischen wie auch aus dem kapitalistischen Ausland bereitgestellt.58 Bereits ein halbes Jahr später glaubte Adameck, erste Erfolge vermelden zu können. Der »Politische Sendeplan bis zum V. Parteitag« aus dem Jahr 1958 verbreitete einerseits Optimismus, dass die Agitation im Westen schon Wirkung zeigen würde. Andererseits wurde hier demonstriert, gegen welche Grundfesten der bundesdeutschen Demokratie der Kampf geführt wurde: »Immermehr [sic!] begreifen die Arbeiter und Werktätigen in Westdeutschland, daß die wahre Demokratie nur in der DDR existiert. Von diesem Grundgedanken ausgehend, müssen eine ganze Reihe Argumente des Adenauerstaates wie freie Wahlen, Arbeitsfriede, Volkskapitalismus u. a. zerschlagen werden.«59 Die Pläne zur Mobilisierung der westdeutschen Bevölkerung wiesen dabei eine große Bandbreite auf. Dies kann anhand eines Spartenprogramms verdeutlicht werden, das ebenfalls die Westzuschauer, besser gesagt die Westzuschauerinnen, mit ins Visier nahm. Für den DFF wurde 1958 gefordert, dass er umgehend Frauensendungen ins Programm aufnehmen müsse, auch unter dem Aspekt, dass diese Sendungen im Westen »den reaktionären Einfluss auf die Frauen zu brechen und damit den Weg zur wirklichen Gleichberechtigung zu öffnen« hätten.60 Die ›an den Herd verbannten‹ Frauen in der Bundesrepublik waren für die Entscheidungsträger des ostdeutschen Fernsehens also eine ähnlich potentiell aufrührerische Gruppe wie die schon thematisierten Hafenarbeiter. Auch bei ihnen wollte man mit Hilfe von gezielten Sendungen wie Bei uns zu Hause mit Tipps für »Haushalt und die Heimgestaltung« oder Befreiter Haushalt Widerstand gegen die bundesdeutschen Gegebenheiten schüren. Auch in diesen Absichtserklärungen manifestierte sich eine sehr simple Vorstellung von der Wirksamkeit und den Wirkungsmechanismen des eigenen Mediums, auf das später in diesem Kapitel noch eingegangen wird. Neben den allgemeinen Zielstellungen, die bis hierher beschrieben wurden, gab es auch nach der Bundestagswahl spezielle Inhalte, denen sich das Fernsehen annehmen musste. Der DFF hatte nach wie vor den klaren Auftrag, die sowjetische und ostdeutsche Deutschlandpolitik propagandistisch zu flankieren. Ein wichtiges operatives Ziel dieser Politik war es 1958, eine Ausrüstung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen zu verhindern. Die Anti-Atombombenkampagne der SED fand Eingang in zahlreiche Planungspapiere des Fernsehens.61 Zwei Beispiele sind hier markant: Im Januar wurde in den »Richtlinien für die Arbeit der Redaktionen des Staatlichen Rundfunkkomitees«, bezo-

58 59 60 61

Vgl. [Q] Deutscher Fernsehfunk 1957, S. 3-4. [Q] Sekretariat des Intendanten 1958, S. 9. Hier und im Folgenden: [Q] Frauenredaktion 1958, S. 1-3. Auch für den Deutschlandsender stellte die ›Anti-Atomtod‹-Kampagne seit 1957 einen zentralen Programminhalt dar. Arnold weist in den Sendeprotokollen für die sechs Monate zwischen Februar und August 1958 insgesamt 906 Beiträge zum Thema nach, vgl. Arnold 2002, S. 434.

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gen auf den DFF, festgehalten, dass die Aktivierung und Entfaltung der Friedensbewegung besonders wichtig für die Westarbeit der SED wäre. Sie sollte sich – propagandistisch vom Fernsehen unterstützt – zu einer wirklichen Volksbewegung in ganz Deutschland entwickeln und sich gegen die NATO sowie deren angebliche Atombombenpolitik richten.62 Die vertrauliche Konzeption »Für ein interessantes, massenwirksames Fernseh-Programm« griff diese Argumentationen auf: Es wurden »konterpropagandistische Beiträge« eingefordert, »die der Zerschlagung der Bonner Kriegsabsichten und der Mobilisierung der Volksmassen in Westdeutschland für den Kampf gegen die atomare Aufrüstung und für die Sicherung des Friedens«63 dienen sollten. Erfolg war auch dieser propagandistischen Mission nicht beschieden, obwohl die westdeutsche Bevölkerung der Stationierung taktischer Atomwaffen in der Bundesrepublik durchaus skeptisch gegenüber stand. Lemke nimmt die Anti-Atomwaffenkampagne als Beispiel für die »methodische Unzulänglichkeit des Herangehens der SED an aktuelle Probleme«64. Ein typisches Problem war demnach die verwirrende Überfrachtung von Kampagnen mit zu vielen Themen, die in keinem engeren Zusammenhang mit den eigentlichen Argumenten der Propagandaoffensive standen. Auch das Fernsehen war davon betroffen: Die Aufrufe gegen die atomare Aufrüstung sollten mit einer positiven Hervorhebung der ostdeutschen Konföderations-Initiativen und dem von der SED unterstützten Rapacki-Plan65 verbunden werden. Darüber hinaus sollte im selben Zusammenhang »der Kampf gegen rechte sozialdemokratische Theorien und Klerikalismus von Bedeutung«66 sein. Diese Kombination von Botschaften erscheint schon in den Konzeptionen wenig kohärent, in der Umsetzung muss sie die Redaktionen vor große Schwierigkeiten gestellt haben. Am 25. März 1958 beschloss der Bundestag nach heftigen Debatten und gegen die Stimmen der SPD die Ausstattung der Bundeswehr mit Atomwaffen im Rahmen der NATO. Daraufhin startete die DDR eine erneute propagandistische Offensive, innerhalb derer das Thema Atomrüstung für die nächsten Jahre relevant blieb. Dies galt auch für das Fernsehen, wie die »Richtlinien für die aktuell-politische Arbeit im Programm des Deutschen Fernsehfunks für das Winterhalbjahr 1959/ 60« belegen. In diesem Papier wurden die deutschlandpolitischen Zielstellungen der SED klar als Vorgabe für das Gesamtprogramm benannt. Eine zentrale Rolle spielte die fortwährende Propaganda gegen die aufgerüstete Bundeswehr, die der SED zu neuen Verbündeten in der Bundesrepublik verhelfen sollte: »Der mit Atomwaffen ausgerüstete deut-

62 63 64 65

Vgl. [Q] Sekretariat des Kollegiums 1958, S. 5. [Q] o.N. 1958a, S. 3. Lemke 2001b, S. 103. Der polnische Außenminister Adam Rapacki (1909-1970) unterbreitete am 02.10.1957 vor der UNO den Vorschlag, die Tschechoslowakei, Polen und Deutschland zu einer atomwaffenfreien Zone zu erklären. Die Westmächte lehnten diesen Plan ab. 66 [Q] Sekretariat des Kollegiums 1958, S. 5.

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sche Militarismus ist eine ernsthafte Bedrohung aller europäischer Völker und eine tödliche Gefahr für die Bevölkerung Westdeutschlands selbst. Die Bändigung des deutschen Militarismus ist die Hauptaufgabe, die uns mit allen friedlichen Kräften Westdeutschlands, mit Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftlern und allen Friedensfreunden eint.«67 Die Forderung, den militaristischen Charakter der Bundesrepublik zu bekämpfen, leitete sich dabei deutlich weniger aus der historischen Tatsache der Einrichtung der Bundeswehr68 her, sondern aus dem fest installierten Feindbild vom ›wiederbewaffneten Westdeutschland‹. Zwei weitere zentrale Ziele der nationalen Politik der SED wurden in den »Richtlinien« als für das Fernsehen verbindlich charakterisiert. Zum einen unterstützte die SED in den späten 1950er Jahren die sowjetische Forderung nach einem Friedensvertrag mit Deutschland, da sie sich vom Abschluss eines solchen Vertrages eine verbesserte Position der DDR versprach. Das Fernsehen erhielt den Auftrag, diesen Plan in der Bevölkerung populär zu machen. Im Programm des DFF wurde dementsprechend argumentiert, dass der Vertrag den Frieden in Europa festigen und darüber hinaus eine nationale Wiedergeburt Deutschlands als friedliebender, demokratischer Staat ermöglichen könne: »Er würde einen Schlußstrich unter den 2. Weltkrieg ziehen und gleichzeitig im Herzen Europas eine Barriere gegen einen neuen Krieg errichten.«69 Auch hier tritt die Instrumentalisierung des Einheitsgedankens für die kurzfristigen Zielstellungen der SED deutlich zu Tage. Zum anderen hatte die SED ein großes Interesse an der Lösung der »Berlin-Frage« zugunsten der DDR. Hätte das Chruschtschow-Ultimatum zum Erfolg geführt, wäre die DDR durch die Übertragung von Hoheitsrechten weltweit aufgewertet worden. Das Plädoyer für die sowjetische Forderung zur Umwandlung der Westsektoren Berlins in eine »freie« Stadt findet sich im gleichen Papier: »Angesichts der Tatsache, daß Westberlin unter dem Besatzungsregime zu einem gefährlichen Konfliktherd in Europa geworden ist, ist es erforderlich, eine für alle Seiten annehmbare Lösung der Westberlinfrage zu finden. Westberlin wird den Status einer entmilitarisierten Freien Stadt erhalten.« Sowohl für die Realisierung der drei großen Zielvorgaben, die hier diskutiert wurden, als auch für die Vermittlung der vorgestellten inhaltlichen Schwerpunkte benötigte das DDR-Fernsehen Zuschauer in der Bundesrepublik. Dies änderte sich in der in diesem Kapitel untersuchten Zeitphase nicht. Die Planungen diesbezüglich gingen sogar weit über die 1950er Jahre hinaus. Im »Siebenjahrplan« des Staatlichen

67 [Q] Kollegium des Deutschen Fernsehfunks 1959, S. 1. 68 Die Bundesrepublik änderte 1954 ihre Verfassung und stellte 1955 erste Einheiten der Bundeswehr auf. Ein Jahr später wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. In der DDR wurde 1956 die Nationale Volksarmee aus den seit 1952 bestehenden Verbänden der Kasernierten Volkspolizei gegründet. Die allgemeine Wehrpflicht folgte 1962. 69 Hier und im Folgenden: [Q] Kollegium des Deutschen Fernsehfunks 1959, S. 1-2.

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Rundfunkkomitees vom Juni 1959 hieß die Perspektive bis 1965: »Es erwächst die Aufgabe […] das Fernsehprogramm bis 1965 im letzten Winkel unserer Republik in ausgezeichneter Qualität zu strahlen und darüber hinaus immer mehr westdeutsche Fernsehzuschauer an unserem Programm teilhaben zu lassen.«70 Am anvisierten Endpunkt dieser Planungen, im Jahr 1965, hatten sich die Rahmenbedingungen hierfür entscheidend verändert. Wie grundlegend diese Veränderungen waren und welchen immensen Einfluss sie auf das Fernsehen hatten, illustriert auch das Kapitel über das Projekt »Deutschlandfernsehen«. Der ehrgeizige Plan zu diesem ostdeutschen Fernsehprogramm für die westdeutschen Zuschauer war bis 1965 nämlich längst zu den Akten gelegt. 3.1.4 D AS S ELBSTBILD

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Zu dem Aspekt der Konkurrenz gehörte auch die Einschätzung des Erfolges bei den Zuschauern. Im Fall des DDR-Fernsehens wies diese immer mehrere Komponenten auf: Zum einen den Erfolg des eigenen Programms im eigenen Land und im Land des ›Klassenfeindes‹. Zum anderen stand hier aber immer die Akzeptanz des Westfernsehens in der DDR mit auf der Agenda, auch wenn dieses Problem oft nur verschlüsselt formuliert werden konnte. Bisher wurde dargestellt, dass sich der DFF als Programm für ganz Deutschland verstand und welche Zielstellungen er gegenüber dem westlichen Publikum umsetzen wollte. Im Folgenden wird untersucht, wie das DDR-Fernsehen den eigenen Erfolg im Westen beurteilt hat. Wie zu erwarten ist, fiel diese Selbsteinschätzung besonders positiv und optimistisch aus, was anlässlich der »Konferenz zur Verbesserung der Arbeit« im Juli 1957 deutlich wurde: »Täglich gewinnt der Deutsche Fernsehfunk durch seine Sendungen in unserer DDR neue Freunde. Und auch in einigen Gebieten Westdeutschlands und vor allem in Westberlin hat unser Programm zahlreiche Zuschauer gefunden.«71 Mit konkreten Zuschauerzahlen war man allerdings sehr zurückhaltend, in den Fernsehunterlagen selbst wurden keine aufgeführt.72 Dafür wusste die ostdeutsche National-Zeitung 1957 zu vermelden: »Im Hamburger Gebiet schalten regelmäßig 110 000 Adlershof ein und die Rundfunkzeitschriften sahen sich durch zahllose Leserzuschriften veranlaßt, das Programm zu veröffentlichen.«73 Ein grundsätzliches Lob für die Anstrengungen seit dem Beginn des offiziellen Programmbetriebes gab es in der westdeutschen Fachpresse bereits im März 1956: »Kein Zweifel: Dem Fernsehen ist nun auch im östlichen Teil Deutschlands, der soge70 [Q] Staatliches Rundfunkkomitee 1959a, S. 2. 71 [Q] Erste Kommission 1957, S. 1. 72 Man hätte hier auch nur auf westliche Daten zurückgreifen können, deren Wahrheitsgehalt man möglicherweise nicht traute. Ohne diese konnte die ostdeutsche Seite die Zuschauerzahlen im Westen aber nur schätzen, eigene Erhebungen in der Bundesrepublik wurden nicht gemacht. 73 O.N. 1957e. Zum Abdruck des ostdeutschen Fernsehprogramms in bundesdeutschen Programmillustrierten vgl. Ruchatz 2005c, S. 27-28.

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nannten DDR, der Sprung zum publikumsvertrauten Informations- und Unterhaltungsmittel geglückt.«74 Die Fernsehleitung war auf diese Erfolge sichtlich stolz, in der Öffentlichkeit wurde die Anvisierung des westlichen Publikums aber heruntergespielt. Dies ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass der Empfang des Fernsehens in der DDR noch nicht flächendeckend gewährleistet war. So erklärte Adameck 1957 in der Berliner Zeitung: »Da es noch Teile unserer Republik ohne Fernsehempfang gibt, bleibt natürlich als Hauptaufgabe die lückenlose Versorgung unserer Republik; aber die geographisch besonders günstigen Standorte unserer Fernsehsender und zeitweilige günstige atmosphärische Bedingungen brachten uns überraschende Empfangsergebnisse.«75 Angesichts der Anstrengungen, die seitens des Fernsehfunks 1957 unternommen wurden, ein Programm für die Westzuschauer zu schaffen, ist diese Formulierung eher als scheinheilig zu beurteilen. Wie ein Geschenk des Himmels wurde der DFF-Empfang im Westen der DDR-Bevölkerung verkauft, gipfelnd in der Aussage: »Die Freude darüber ist auf beiden Seiten. In Tausenden von Zuschriften kommt Anerkennung für unser Programm zum Ausdruck.« Im gleichen Jahr hatte die Abteilung Außenverbindung während der Leipziger Frühjahrsmesse »Gespräche mit Fernsehteilnehmern« geführt.76 Die 336 interviewten Personen waren zwar keineswegs so ausgewählt, dass sie repräsentative Ergebnisse zugelassen hätten, trotzdem brüstete sich das Fernsehen mit den Ergebnissen: »Die Unterhaltung mit verschiedenen Fernsehteilnehmern aus der DDR und Westdeutschland, die die Möglichkeit zum Empfang beider Programme haben,77 zeigt folgendes Bild: Bei ziemlich gleichen Empfangsbedingungen und Empfangsqualität wird, von einigen Außenseitern abgesehen, zu 60-70 [Prozent, sic!] das Programm des Deutschen Fernsehfunks empfangen, da dieses gehaltvoller und kulturell wertvoller sei. So sagte ein Westdeutscher aus Lübeck, der mit erheblichem Antennenaufwand Mahlow empfängt, daß er zu 80 % das DDR-Programm wegen des höheren Niveaus bevorzugt.«78 Das war eine Meinung, die man gern an die Öffentlichkeit weitergab (die Abteilung Außenverbindung war der Vorgänger der Pressestelle): ›Wir sind dem westdeutschen Programmangeboten gegenüber mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar besser!‹ Diese Argumentation gehörte von da an zum Repertoire der Berichte über Publikumsbefragungen. Ein halbes Jahr später, bei den Zuschauer-Aussprachen auf der Leipziger Herbst-Messe 1957, wurde die

74 O.N. 1956d, S. 173. 75 Hier und im Folgenden: Adameck 1957, o.S. 76 Solche Zuschauer-Aussprachen oder Zuschauerkonferenzen über das DDRFernsehen gab es bis Mitte der 1980er Jahre. Für die Sicht der Beteiligten darauf vgl. Böhme 2002a. 77 Mit dieser Formulierung wurde der Westempfang in der DDR-Bevölkerung als Tatsache eingestanden, ohne dass er gesondert erfasst oder ausgewertet worden wäre. 78 [Q] Abteilung Außenverbindung 1957, S. 2.

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Wertschätzung, die man angeblich beim Publikum im Westen genoss, wieder betont: »Besonders westdeutsche Besucher bzw. Besucher mit der Möglichkeit des Empfangs beider Programme äußerten sich sehr anerkennend über die Qualität unserer Sendungen.«79 Was die Zuschauerzuschriften aus dem Westen anbelangte, musste man 1957 einräumen, dass sie zweigeteilt waren: Einerseits würden den DFF viele Schreiben mit offener Zustimmung zur SED-Politik erreichen, auch wenn die Absender teilweise verschwiegen wurden. Andererseits erhielte der Sender zahlreiche anonyme Drohbriefe.80 Eine polarisierende Wirkung schienen das ostdeutsche Fernsehprogramm und die von der SED-Führung vorgegebenen Nachrichten wohl zu haben. Ambivalent war auch eine Kritik »Zum Schluß noch ein Wort zum Fernsehen«, die 1958 in den obersten Rundfunkkreisen zirkulierte. Es handelte sich dabei um eine ominöse Mitteilung, von der nur bekannt war, dass sie der Intendant des Deutschlandsenders, Heinz Geggel, aus Niedersachsen erhalten hätte. Die Form der Überlieferung spricht allerdings dafür, dass sie für ›bare Münze‹ genommen wurde: Geggel verteilte sie an zahlreiche Funktionäre, u. a. an den Intendanten Adameck, der sie seinerseits an Gerhard Probst im Ministerium für Post- und Fernmeldewesen weiterleitete. In der Kritik hieß es, dass das Fernsehen in Niedersachsen große Verbreitung gefunden hätte, besonders, seit man mit den Apparaten die ostdeutschen Sendungen empfangen konnte. Äußerst beliebt wären dabei die Filme gewesen, die nachmittags gesendet wurden. Auch die sowjetischen Filme im Programm des DFF wären vom unbekannten Verfasser positiv bewertet worden. Er sparte aber auch nicht mit Kritik: »Sehr unbeliebt sind die Rätselsendungen und man ist sehr verärgert darüber. Diese Sendungen werden als ›Idiotischer Kitsch‹ abgelehnt.«81 In den eigenen Papieren des Deutschen Fernsehfunks gab es solche kritischen Beleuchtungen nicht. Auch im Jahr 1959 wurde kurz und bündig erklärt: »Unser Fernsehen erreicht Abend für Abend Millionen Menschen in der DDR und in Westdeutschland.«82 Eine sehr ungenaue Angabe, die keine Aussagen zu den realen Empfangsbedingungen im Westen machte. Infratest hatte aber im gleichen Jahr eine Nutzungsstudie über die Verbreitung des DDR-Fernsehens in der Bundesrepublik durchgeführt, die das westdeutsche Ministerium für gesamtdeutsche Fragen in Auftrag gegeben hat. Ergebnis der Studie war, dass der Fernseh-Sender Brocken maximal 200 km in die Norddeutsche Tiefebene einstrahlen konnte. Die Mittelgebirge schirmten darüber hinaus den Westen und Süden der Bundesrepublik stark ab, was dazu führte, dass nur vier Prozent der Zuschauer im Westen das DDR-Programm in guter Qualität empfangen konnten.83 Diese Zahlen dürften für die DDRFührung eher ernüchternd gewesen sein.

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[Q] Pressestelle 1957, S. 2. Vgl. [Q] Deutscher Fernsehfunk 1957, S. 1. [Q] Adameck an Probst, 22.03.1958, Anlage 1. [Q] Deutscher Fernsehfunk, Kollegium 1959, S. 1. Vgl. Infratest 1959 sowie die Folgeuntersuchung Infratest 1961.

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Allerdings bewertete die westdeutsche Presse die Resultate der Befragung trotzdem als besorgniserregend. Der Spiegel schlussfolgerte, dass die Ergebnisse des Meinungsforschungsinstituts verblüffend seien, besonders was die Einschätzung der Zuschauer zur Qualität des DDRFernsehens betraf. Demnach würde ein Drittel der Bundesdeutschen, die sich gelegentlich oder regelmäßig die Sendungen des DFF ansahen, ein positives Urteil über das Programm fällen. Zuschauer fände der DFF dabei in den grenznahen Gebiete um Kiel, Hamburg, Hannover und Braunschweig, wo rund 140.000 »Fernsehfamilien«84 das Ostfernsehen empfangen konnten. Die Verbreitung des Ostfernsehens hatte Der Spiegel schon zwei Jahre zuvor thematisiert. Dabei bewerteten die Autoren die Rezeption des DDR-Fernsehens im Westen als eine bedrohliche Entwicklung, die es zu beobachten galt. Demnach konnten die Fernsehteilnehmer in Schleswig-Holstein das Programm gut empfangen, ebenso wie Zuschauer in einigen Teilen Bayerns, Hessens und Niedersachsens. Es wurde sogar die Befürchtung geäußert, »daß eines Tages auch die westdeutsche Region mit den meisten Gerätebesitzern, das Ruhrgebiet, im Einflussbereich des ostzonalen Fernsehens liege[n]«85 würde. Ein Jahr später, 1958, schätzte Der Spiegel, dass 200.000 bundesdeutsche Gerätebesitzer das Programm aus Adlershof verfolgen konnten.86 Die im Spiegel dargestellten Ergebnisse, besonders aus dem Jahr 1959, sprechen demnach von einem durchaus vorhandenen Publikum für das DDR-Fernsehen jenseits der deutsch-deutschen Grenze, welches das Programm tatsächlich einschaltete. Das Interesse der westlichen Zuschauer an den Sendungen des Ostens war jedoch »überwiegend außerpolitischer Art«87. Gelobt wurden von den Befragten vor allem Filme und Unterhaltungsprogramme. Die beschriebenen Nutzungsmotive ähnelten damit stark denen der DDR-Zuschauer beim Empfang des Westfernsehens: In der großen Mehrheit erwarteten diese ebenfalls unpolitische Unterhaltung vom bundesdeutschen Fernsehen.88 Folgt man dieser Darstellung, hatte das DDR-Fernsehen zwar sein Ziel erreicht, eine Programmgestaltung zu schaffen, die auch für das Westpublikum interessant war. Die gewünschte ideologische Beeinflussung war dagegen nicht nachweisbar. Die westdeutsche Presse hielt aber eine Manipulierung der westlichen Bevölkerung durch das DDRFernsehen grundsätzlich für möglich. Darum bereitete den bundesdeutschen Beobachtern schon 1956 eine Entwicklung Sorge, die der Spiegel als Abkehr von der »Holzhammer«-Methode der Ideologievermittlung im Fernsehen charakterisierte.89 Dem ostdeutschen Programmangebot wurde nachgesagt, seine politischen und agitatorischen Botschaften zunehmend zuschauerfreundlicher zu gestalten. Dies beobachtete auch die

84 85 86 87 88 89

O.N. 1959c, S. 74-75. O.N. 1957g, S. 48. Vgl. o.N. 1958a, S. 43. O.N. 1959c, S. 74. Vgl. Meyen 2003b, S. 124. Vgl. o.N. 1956c, S. 45.

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Fachzeitschrift Fernseh-Informationen. Im Jahre 1956 stellte sie fest, dass die Programmteile, die wenige Jahre zuvor noch vorwiegend Propaganda sendeten, abgemildert wurden – auch um westdeutsche Zuschauer für das ostdeutsche Programm zu gewinnen: »Sie geben sich harmloser, freundlicher, lockender, verlockender, ohne natürlich auf gelegentliche und durchaus genau berechnete Propaganda zu verzichten. Vielleicht ist diese Taktik weitaus gefährlicher als die Holzhammer-Methode, denn die Propaganda wird unauffällig eingemogelt und gewissermassen nebenbei injiziert.«90 Der Spiegel wiederholte seine Beobachtung anderthalb Jahre später noch einmal fast wortwörtlich: »Die Programmgestalter in Ostberlin haben begriffen, daß Holzhammermethoden, wie sie in früheren Jahren angewandt wurden, die westlichen Zuschauer abschrecken; darum statten sie ihre Programme immer geschickter mit westlichen Beigaben aus. Jazzmusik und selbst Rock ’n’ Roll [sic!] sind nicht mehr verpönt.«91 Sogar dem von der Fernsehführung stark nach agitatorischen Gesichtspunkten konzipierten Telestudio West konnten die SpiegelKommentatoren Positives abgewinnen. Sie unterschieden dabei nach den eher publizistischen und den unterhaltenden Angeboten: »Außer den Schlagwortkommentaren, die kaum geeignet sein dürften, westdeutsche Zuschauer an das Fernsehgerät zu bannen, bringt ›Telestudio West‹ im zweiten Teil seiner Sonnabend-Kaffeestunden-Sendung aber auch Beiträge, die einen Vergleich mit westlichen Programmen standhalten.«92 Als Beispiel wurde ein Dokumentarfilm über Rotchina93 angeführt, der die Kritiker begeistert hatte. Alles in allem war es eine freundliche Beurteilung über die »politische Kaffeestunde«94 des DDR-Fernsehens. Da Der Spiegel zur regelmäßigen Presselektüre der SED-Medienverantwortlichen und der Fernsehgremien gehörte, dürften diese nicht unerfreut über die westdeutsche Werbung für ihr Programm gewesen sein. Zwar wurde keine schriftliche Reaktion auf die Spiegel-Aussagen überliefert, aber aus Kenntnis der Zielstellungen des Fernsehens heraus kann man einiges vermuten. So hätten sich die Verantwortlichen durch die Beurteilungen zur Akzeptanz des DDR-Fernsehens bei den Westzuschauern auf dem richtigen Weg wähnen können. Das herausgehobene Lob der unterhaltenden Funktion der Programme für die Westzuschauer dürfte dagegen weniger positiv aufgenommen worden sein. Schließlich hatten die Fernsehmacher kein Interesse daran, den Westdeutschen einen vergnüglichen Samstagnachmittag zu bescheren, vorrangig ging es ihnen um die Vermittlung politischer Botschaften. Insgesamt lässt sich durchaus eine Thematisierung des Erfolges beim westdeutschen Publikum in den Fernsehunterlagen nachweisen. Geserick kommt 1986 zu dem Urteil, dass die gesamtdeutsche Wir-

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O.N. 1956b, S. 386. O.N. 1957g, S. 48. O.N. 1958a, S. 43.

China – ein Land zwischen gestern und morgen. O.N. 1958a, S. 43.

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kungsabsicht des DFF in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre so weit reichte, »daß die Resonanz des westdeutschen Publikums als wichtigstes Indiz für den Erfolg galt«95. Diese Einschätzung geht sicher ein Stück zu weit, sie kann so aus den Überlieferungen des Fernsehens nicht bestätigt werden. Der Erfolg in der Bundesrepublik war vielmehr ein wichtiger Gesichtspunkt in den Selbstdarstellungen und Planungen, aber er war immer gekoppelt an den Erfolg im eigenen Land. Auch die Einschätzungen über die Wirkung bei den DDR-Zuschauern waren zumeist äußerst optimistisch und wurden durch die zunehmende Zahl von Gerätebesitzern in der DDR bestimmt. Hieß es 1958 noch: »Die Programme unseres Fernsehens informieren und orientieren bereits Hunderttausende Werktätige«96, freute man sich ein Jahr später schon über »minimal 1,5 Millionen Zuschauer«97 des DFF und plante eine eigene Programmzeitschrift für das Fernsehen. Bei der Beurteilung des Programms durch die Zuschauer ließ man durchaus auch kritische Stimmen zu, immer mit der Perspektive, dass das Programm insgesamt auf dem richtigen Weg sei. In der Auswertung der Befragung auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1957 wurde dies so dargestellt: »Bis auf wenige Außenseiter stimmte die überwiegende Mehrzahl darin überein, daß die Gesamtprogrammgestaltung des Deutschen Fernsehfunks gut ist. Es wird betont, daß die Programmgestaltung bedeutende Fortschritte gemacht habe.«98 Nach einer solchen relativierenden Anmerkung konnte man dann auch Meinungen von Minderheiten präsentieren, die möglicherweise aber näher an der Realität waren: »Nur wenige Fernsehteilnehmer bezeichneten das Programm als etwas zu schwer, ebensowenig [sic!] meinten, daß das Programm etwas zu politisch und die Sendungen zu sehr gefärbt seien.« Hier wurden Kritikpunkte aufgeführt, die sich so später nicht mehr in den Unterlagen des Fernsehens finden. Zwar wurde auch in den folgenden Jahrzehnten der fehlende Unterhaltungswert des Fernsehens beklagt, sogar ganz prominent durch die Parteiführung, aber eine Kritik an der politisch-ideologischen ›Färbung‹ des Programms wurde nicht mehr überliefert. Dies kann zum einen daran liegen, dass die Zuschauer

95 Geserick 1986, S. 322. 96 [Q] o.N. 1958a, S. 1. 97 [Q] Jäger 1959, S. 1. Tatsächlich weist die Statistik des DDR-Fernsehens für 1958 317.600 angemeldete Fernsehempfänger aus, 1959 waren es bereits 593.500, vgl. Glatzer et al. 1977, S. 69, 79. Knut Hickethier bestätigt diese Werte, er gibt mit Bezug auf das Statistische Jahrbuch der DDR 317.604 Empfänger für 1958 bzw. 593.479 Geräte für 1959 an, vgl. Hickethier/Hoff 1998, S. 186. Es bleibt allerdings unklar, wie diese Zahlen ermittelt wurden: Das Jahrbuch weist die Geräte nur auf Haushalte bezogen aus und gibt nicht an, mit wie vielen Personen pro Haushalt kalkuliert wurde, vgl. Staatliche Zentralverwaltung für Statistik 1960, S. 238. Schätzt man drei Zuschauer pro Gerät, einem Durchschnittswert mit dem die Zuschauerforschung des DFF arbeitete (vgl. Adameck 1962, S. 75), war 1959 die Anderthalb-Millionen-Grenze tatsächlich überschritten. 98 Hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Außenverbindung 1957, S. 1.

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sich an den ›Gestus‹ ihres Fernsehens gewöhnt hatten und dies aus Resignation in späteren Jahren nicht mehr thematisierten. Zum anderen kann es aber auch einer größeren Vorsicht geschuldet sein, die die Zuschauer in der Folgezeit walten ließen: Bei Befragungen hegten sie Zweifel an der Anonymität ihrer Aussagen und hielten deshalb mitunter ihre wahre Meinung zurück.99 Die Ergebnisse der Zuschauerforschung von 1957 und 1958 wurden intern ausgewertet, sowohl im Kreis des Rundfunkkomitees als auch im Fernsehkollegium, wie die umfangreiche »Verallgemeinernde Zusammenfassung der von der Abteilung Wirkungsforschung festgestellten Wirkungen der Sendungen vom 3.11.57 - 31.1.58« belegt. Diese Darstellung, die sich auf Umfragen in Dresden und Weißenfels stützte, wurde als interne Information und Diskussionsgrundlage verfasst. Gerade darum kann sie als Repräsentation des tatsächlichen Selbstbildes vom eigenen Erfolg gewertet werden.100 In der Analyse wurden die Sendungen nach den erreichten Sehbeteiligungen unterschieden, wobei die schon damals als Prestige-Objekt verstandene Aktuelle Kamera in der Kategorie »Sendungen, die nur mittelmäßige Sehbeteiligung fanden« rangierte. Deren Qualität würden die Zuschauer zwar grundsätzlich positiv beurteilen, aber es wurden Einsprüche sowohl der politisch indifferenten Zuschauer vermerkt, als auch die Kritik der politische Engagierten aufgeschlüsselt: »polit. Positive vermissen oftmals genügende Aktualität u. internat. Breite«. Auch auf den Konsum von Westfernsehen in der DDR-Bevölkerung wies die Zusammenfassung als allgemeines Ergebnis deutlich hin: »Der Unterschied hinsichtlich möglichen Westempfangs zwischen Dresden und Weißenfels hat sich als bedeutsam erwiesen.« Bei der Befragung war bewusst eine Stadt mit und eine Stadt ohne die Möglichkeit der Nutzung von Westprogrammen gewählt wurden, was erwartungsgemäß zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen führte. Intern wurden der Westempfang und die dadurch bedingte Konkurrenzsituation unumwunden zugegeben. Um ein Beispiel zu nennen: Auf einer Mitgliederversammlung der APO Programm101, in der sehr offen debattiert wurde, führte Füssler an: »Es ist nicht besonders notwendig darauf hinzuweisen, dass die Auseinandersetzung mit dem ›Klassenfeind‹ gerade auf dem Gebiet des Fernsehens besonders hart zu führen

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Vgl. Meyen 2003b, S. 22. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Rundfunkkomitee, Deutscher Fernsehfunk 1958, S. 1-13 nach Titelblatt. Die Mehrheit der redaktionellen Mitarbeiter des Fernsehens waren Mitglieder der SED und damit in den Parteigruppen organisiert. Die Betriebsparteiorganisation (BPO) versammelte alle Partei-Mitglieder eines Betriebes. Sie gliederte sich in die Abteilungsparteiorganisationen (APOs) auf, die wichtige Kontrollfunktionen für die Partei ausübten. In den Versammlungen wurde teilweise heftige Kritik geübt, es wurden Strafen bis zum Parteiausschluss verhängt und die Mitglieder mussten sich dem erniedrigenden Ritual der Selbstkritik unterziehen (Zur Selbstkritik vgl. auch Kapitel 3.2.3).

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ist. Etwa 70% unserer Fernsehteilnehmer haben die Möglichkeit einen Westsender zu empfangen.«102 Der Empfang des Westfernsehens und westlicher Radioprogramme war in der DDR zwar nie offiziell verboten, aber der Staat versuchte bereits in den frühen 1950er Jahren, deren Nutzung einzuschränken. Geserick verweist in diesem Zusammenhang auf die »Gummiparagraphen« im DDR-Strafrecht, die die »Verbreitung von Hetznachrichten« und die »Übermittlung staatsgefährdender Äußerungen« unter Strafe stellten.103 Diese Gesetze sollten helfen, die sich verschärfende Konkurrenz zu unterbinden, die die elektronischen Medien der DDR durch ihre westdeutschen Pendants erfuhren. Aus den Überlieferungen des Fernsehens selbst lässt sich für diese Phase eine relative Offenheit in der Kommunikation über das Westfernsehen rekonstruieren. Dafür spricht auch, dass in den Zuschauerinterviews auf der Leipziger Messe durchaus nach diesen Programmen gefragt wurde. Die Darstellung ließ sogar ein Lob des Konkurrenten zu: »Als besser an der Programmgestaltung des Westfernsehens wird von Verschiedenen bezeichnet: Die größere Auflockerung durch kleine Kurzbeiträge […] und die schnellere und unmittelbare Berichterstattung bei internationalen Ereignissen usw. (Eurovision).«104 Hierfür gibt es eine recht simple Erklärung: Die Fernsehführung gestand sich in den 1950er Jahren eine Schwachstelle in der Versorgung der eigenen Bevölkerung ein, die, wie man durchaus zugab, bei den Betroffenen zur Nutzung des Westfernsehens führte. Da die Empfangsbedingungen in den Sendebereichen von Inselsberg und Brocken teilweise sehr schlecht wären, würden die Fernsehzuschauer ›gezwungen‹, das westdeutsche Fernsehen zu empfangen. Dieses technisch bedingte und nicht als repräsentativ bewertete Phänomen, erlaubte die recht ausführliche Thematisierung des westlichen Fernsehangebots, ohne einen großen Einfluss des Westfernsehens auf die DDR-Zuschauer einräumen zu müssen. Diese Erklärung tauchte deshalb zwei Jahre später fast wortwörtlich in der Auswertung einer Zuschauerbefragung erneut auf. Bezogen auf den Kreis Heiligenstadt, der im Einstrahlungsgebiet der bundesdeutschen Sender Hoher Meissner und Torfhaus lag und demzufolge Schwierigkeiten beim Empfang des vom Inselsberg und Brocken abgestrahlten DFF hatte, hieß es dort: »Es wurde uns immer wieder bestätigt, daß mancher seine Antenne auf Westempfang einstellt, obwohl er viel lieber unser Programm sehen würde, das allgemein als besser gegenüber dem Westprogramm bezeichnet wird.«105 Solch positive Meinungen zur Überlegenheit des DDR-Fernsehens gegenüber dem westlichen Programm wurden in mehreren Zuschauerbefragungen dieser Jahre erwähnt. Als letztes Beispiel seien hier noch die Aussprachen anlässlich der Leistungsschau der Technik im Mai 1958 in Zwickau aufgeführt, in denen der Standpunkt, das »DDR-Fern-

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[Q] SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk, APO Programm 1959, S. 12. Vgl. Geserick 1986, S. 323-324. [Q] Abteilung Außenverbindung 1957, S. 3. [Q] Abteilung Außenverbindung 1959, S. 10.

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sehprogramm ist besser als das Westfernsehen«, als eine »vielfach auftretende Äusserung« dokumentiert wurde.106 Der Westempfang wurde also insgesamt nicht geleugnet, offiziell aber als schlechtere Alternative zum eigenen Programm dargestellt, besonders für den Fall, das dieses schlecht zu empfangen sei. Werbung wollte man aber selbstverständlich für das Westprogramm nicht machen, auch wenn es angeblich hinter der Qualität des DFF zurückstand. Als 1959 im Fernsehkollegium die Herausgabe einer Fernsehzeitung konzipiert wurde, war von vornherein klar, dass die bundesdeutschen Fernsehangebote keine Erwähnung finden würden. Dies hatte aber zur Folge, dass man überlegen musste, ob man die anderen Nachbarländer aufnehmen könne. Werner Fehlig, der als Mitglied des Kollegiums eine leitende Funktion in der Redaktion der Fernsehzeitung übernehmen sollte, sprach sich mit der Begründung dagegen aus, dass es bei den Lesern sofort zu Nachfragen käme, wenn man die Programme der benachbarten Länder bekanntgäbe und das der Bundesrepublik nicht.107 Die Negierung des Westfernsehens in der Öffentlichkeit verlangte also Konzessionen, auch aufgrund einer anzunehmenden offenen Kritik durch die Bevölkerung. 3.1.5 I DEOLOGISCHE Z IELSTELLUNGEN

FÜR DAS

DDR-P UBLIKUM

Die, quasi externen, Zielstellungen gegenüber dem westdeutschen Publikum wurden bereits thematisiert. Prägend für das DDR-Fernsehen in den 1950er Jahren war aber auch die interne Aufgabenstellung: das Selbstbild als Agitator für die eigene Bevölkerung. In der Forschung zum Funktionsverständnis der Medien in der DDR wird immer wieder darauf verwiesen, dass hierbei die Forderungen W. I. Lenins an die Presse umgesetzt werden sollten: Medien seien kollektive Propagandisten, kollektive Agitatoren und kollektive Organisatoren der Arbeiterklasse.108 Lenin hatte sich in einem Artikel in der Iskra109 von 1901 und in seinem Buch »Was tun? Brennende Fragen unserer Bewegung« von 1902 zu den Funktionen der Presse geäußert. Im Mittelpunkt der sowjetischen und daran anschließend der ostdeutschen Interpretationen stand dabei folgende Aussage Lenins zur Konzeption der politischen Zeitung in seinem Iskra-Artikel »Womit beginnen?«: »Die Rolle der Zeitung beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Verbreitung von Ideen, nicht allein auf die politische Erziehung und Gewinnung politischer Bundes-

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[Q] Abteilung Aussenverbindung 1958, S. 5 und S. 7. Vgl. [Q] Zapf 1959, S. 2. Vgl. Hickethier/Hoff 1998, S. 96; Mühl-Benninghaus 1993b, S. 9-10; Kuhlmann 1997, S. 10-14; Scharf 1981, S. 60-63. Iskra Nr. 4, Mai 1901. Die Zeitung Iskra (russisch: Der Funke) erschien seit 1900 unter der Federführung Lenins als Organ der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR). Allerdings wandte Lenin sich nach Unstimmigkeiten mit der Redaktion im Jahr 1903 von der Zeitung ab. Sie wurde 1905 eingestellt.

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genossen. Die Zeitung ist nicht nur ein kollektiver Propagandist und kollektiver Agitator, sondern auch ein kollektiver Organisator.«110 Wilfried Scharf konstatiert, dass diese von Lenin benannten Hauptfunktionen und die Grundprinzipien der »Presse neuen Typs«, u. a. Parteilichkeit, Kritik und Selbstkritik sowie Massenverbundenheit, in der DDR seit 1950 auch im Hörfunk und Fernsehen übernommen wurden.111 Dies hatte auch Heil fest in seinem Konzept über den DFF verankert: »Die Funktion des Fernsehens in der Sowjetzone Deutschlands leitet sich definitorisch von der Leninschen Funktionsbestimmung der Presse im revolutionären Russland her […] und geht in ihren Wurzeln auf die dem sowjetischen Erziehungssystem zugrunde liegende pädagogische Konzeption zurück.«112 Heil belegt dies anhand der ihm zur Verfügung stehenden Materialien, also vor allem mit Pressedarstellungen über das ostdeutsche Fernsehen. Decken sich diese Befunde nun mit den Selbstzuschreibungen in den internen Fernsehunterlagen der 1950er Jahren, die für die Forschung jetzt zugänglich sind? Auf Lenin beruft sich das relevante Schriftgut nicht explizit. Sendeleiter Nehmzow formulierte 1954 aber den politischen Charakter des Fernsehzentrums frei nach Lenins Vorgaben als »politische Institution, als Instrument des Arbeiter- und Bauernstaates der DDR, als Propagandist, Agitator und Organisator im Kampf um die Einheit Deutschlands und die Erhaltung des Weltfriedens«113. In den kommenden Jahren finden sich gleichlautende Angaben nur noch sehr vereinzelt, so z. B., wenn 1959 im Siebenjahrplan dem Fernsehen prophezeit wurde, dass es »neben dem Rundfunk eine steigende agitatorische und organisatorische Bedeutung gewinnen«114 werde. Erst im Nachhinein – in der Geschichtsschreibung im Jahr 1977 – berief sich der Chronist des DDRFernsehens Manfred Hempel, auf Lenins Anweisung vom 18. April 1921, die Entwicklung des Fernsehprinzips zu fördern. Er verortete damit den Beginn des Siegeszuges des Fernsehens – gemäß der sozialistischen Geschichtsinterpretation, dass alle historischen Prozesse der Gegenwart ihren Ursprung in der kommunistischen Bewegung haben – in die Sowjetunion und im Umfeld der Großen Oktoberrevolution.115 In den 1950er Jahren schien die klare Unterstellung unter die Ziele und die Anleitung der führenden Partei der DDR aber wichtiger als die drei Funktionsbeschreibungen Lenins gewesen zu sein. Im »Statut des Deutschen Fernsehfunks« von 1957 hieß es dazu: »Der Deutsche Fernsehfunk ist ein politisches Instrument unserer Arbeiter- und Bauernmacht und hat die Aufgabe, durch seine publizistische und künstlerische Programmgestaltung die Politik der Sozialistischen Einheitspartei

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Lenin 1955 [1901], S. 11. Vgl. Scharf 1981, S. 69. Heil 1967, S. 20, Hervorhebung im Original. [Q] Nehmzow 1954, S. 2. [Q] Staatliches Rundfunkkomitee 1959a, S. 2. Vgl. Hempel 1977, S. 47. Zum aktuellen Forschungsstand über den tatsächlichen Einfluss des sowjetischen Fernsehens auf die Entwicklung des DDRFernsehens vgl. Vollberg 2009.

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Deutschlands und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik tatkräftig zu unterstützen.«116 Die »Richtlinien für die Arbeit der Redaktionen des Staatlichen Rundfunkkomitees – Deutscher Fernsehfunk« führen dementsprechend als oberste Prämisse auf: »Daß dem Sozialismus die Zukunft gehört, haben Funk und Fernsehen mit den ihnen eigenen Mitteln in erster Linie an den Hörer und Fernsehteilnehmer heranzutragen.«117 Diese beiden Dokumente können als maßgeblich für das Selbstbild herausgestellt werden. Auch die Konzeption »Für ein interessantes, massenwirksames Fernseh-Programm« von 1958 stellte eine wichtige Positionsbestimmung für die zweite Hälfte der 1950er Jahre dar. Sie ließ es ebenfalls an Deutlichkeit bezüglich der offen kommunizierten Instrumentalisierung durch die SED nicht fehlen: »Der Deutsche Fernsehfunk ist […] ein offensiv anwendbares Mittel in der politisch-ideologischen Arbeit der Partei.«118 Und schließlich sei noch Adameck als Intendant zitiert, der auf der Leitungssitzung der Betriebsparteiorganisation vom 19. Januar 1959 sagte: »Wir haben es in der Hand, aus unserer Arbeit das zu machen, was die Partei von uns verlangt. Das müsste uns doch eine Ehre sein!«119 Adameck attestierte dem Fernsehen damit zwar eine gewisse Handlungsfreiheit, unterstellte es aber generell als ein ausführendes Organ der festen Anleitung der Partei. Was er anschließend relativierend einräumte, klingt fast wie eine Rechtfertigung: »Wir arbeiten doch äusserst selbständig. Es gibt doch kein Prinzip, dass wir alles vorgeschrieben bekommen.« Auch der in den fast 40 Jahren der Fernsehgeschichte in der DDR immer wieder gebrauchte Ausdruck der »Waffe«120 Fernsehen lässt sich bereits für die früheste Phase belegen, wenn auch diesmal über den ›Umweg‹ einer Veröffentlichung zum Fernsehen. Am Beginn des inoffiziellen Versuchsprogramms kündigte Chefredakteur Pit Klemm den Lesern der Programmzeitschrift Der Rundfunk an: »[…] wir Programmleute versprechen Ihnen, im heute beginnenden Jahr alles zu tun, um unser Fernsehen zu einem wirksamen kulturpolitischen Organ, zu einer scharfen Waffe des Friedenskampfes werden zu lassen«121. Wenn Heil die Erziehungsfunktion des ›ostzonalen Fernsehens‹ betont, deckt sich dies vor allem mit einer Aufgabenzuschreibung, die in dem untersuchten Material besonders heraussticht: Da das Fernsehen als eine »politische und kulturelle Institution von erstrangiger Bedeutung«122 verstanden wurde, setzte man die Erziehung zum sozialisti-

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[Q] o.N. 1957f, S. 1. [Q] Sekretariat des Kollegiums 1958, S. 1. [Q] o.N. 1958a, S. 1. Hier und im Folgenden: [Q] SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk 1959a, S. 1. Zum Begriff »Waffe« als umfassende semantische Klammer, die – systemneutral formuliert – den instrumentellen Charakter von Massenkommunikation mit der Intention des Erreichens gesellschaftlicher Wirkungen umschreibt, vgl. Otto/Ruchatz 2005, S. 165-166. Klemm 1953, S. 19. [Q] o.N. 1958, S. 1.

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schen Bewusstsein als oberstes Ziel. In den schon zitierten »Richtlinien für die Arbeit der Redaktionen des Staatlichen Rundfunkkomitees« wurde dies als »vornehmste Aufgabe«123 von Radio und Fernsehen definiert. In den fernsehinternen Papieren stellte man darüber hinaus klar, dass das Fernsehen hierbei allen anderen Medien überlegen war: »Das Fernsehen ist wie kein anderes publizistisches Mittel geeignet, die Massen der Werktätigen zum sozialistischen Bewußtsein zu erziehen.«124 Das positive Bild von der eigenen Wirksamkeit konnte auch nicht durch Zuschauerkritik erschüttert werden, wohl aber durch Kritik der politischen Führung am Fernsehen. Hier wird der Einfluss nicht nur durch Vorgaben, sondern auch durch Beanstandungen und Korrekturen fassbar. Solche heiklen Auseinandersetzungen mit dem ›Auftraggeber‹ hat es in den hier untersuchten Jahren mehrfach gegeben. Um ein Beispiel zu nennen: Im Sommer 1958 kritisierte das ZK der SED am Fernsehen, dass es bis zum V. Parteitag im Juli 1958 einen Aufschwung zu verzeichnen gehabt hätte, danach aber schlechter geworden wäre. Nachdem bei den darauf folgenden Bemühungen der Fernsehführung die Betriebsparteiorganisation nicht genug einbezogen wurde, sieht sich Intendant Adameck zur Selbstkritik verpflichtet: »Man bringt uns ein grenzenloses Vertrauen entgegen, das wir nicht immer rechtfertigen. Eigentlich sieht es doch garnicht so gut aus, wie es der Bildschirm abends zeigt. Von Zeit zu Zeit ist es notwendig, sich daran zu erinnern, dass wir unsere Aufgaben nicht mit der linken Hand machen können.«125 Zukünftig sollten die Genossen der APOs mehr einbezogen werden, was im Programm 1959 sichtbar werden sollte. Aber am Ende dieses Jahres beklagte die Leitung der Betriebsparteiorganisation des DFF immer noch »erhebliche Mängel in der politisch-ideologischen Erziehungsarbeit«126 des Fernsehens. So würden politisch bedeutende Fragen nicht immer schnell genug aufgegriffen, der SED-Parteitag nicht gründlich genug ausgewertet und die Aktuelle Kamera hätte an Schlagkraft und Vielseitigkeit eingebüsst. Es gleicht einer nachträglichen Zensur, was die Genossen den eigenen Kollegen vorhielten. Die Sitzungen der BPO wurden innerhalb des Fernsehens genutzt, um ›falsche‹ ideologische Aussagen einzelner Sendungen abzustrafen. Für das Thema dieser Arbeit sei hier ein Kritikpunkt aufgeführt, der das strikte Selbstverständnis der Abgrenzung zur Bundesrepublik illustriert: Der Fakt, dass es zwei deutsche Staaten gäbe, wäre nicht konsequent genug vertreten worden. Die Unterhaltungsredaktion unter der Leitung von Wolfgang Stemmler hätte zugelassen, »dass in einem Programm des Friedrichstadtpalastes die Formulierung gebraucht wurde ›Künstler aus Deutschland‹, und das zu einem Zeitpunkt, als unsere Republik ihren 10. Jahrestag beging und als in Westdeutschland die Angriffe gegen das Staatswappen der DDR begannen«.

123 124 125 126

[Q] Sekretariat des Kollegiums 1958, S. 1. [Q] Deutscher Fernsehfunk, Kollegium 1959, S. 1. [Q] SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk 1959a, S. 1. Hier und im Folgenden: [Q] SED, Leitung der Betriebsparteiorganisation Deutscher Fernsehfunk 1959, S. 2-17.

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Neben der scharfen Überwachung des Programms durch die hauseigene Parteiorganisation offenbart sich hier noch ein zweiter interessanter Punkt: Während das DDR-Fernsehen sich im Großen immer die Propagierung der deutschen Wiedervereinigung auf die Fahnen schrieb, wurde im Detail sehr genau auf eine Differenzierung zwischen zwei deutschen Staaten geachtet. Sehr sensibel reagierte die Partei zudem auf das Thema Republikflucht. Es galt die absolute Prämisse, jeden, der die DDR verlassen hatte, künftig zu ignorieren. Im Fernsehen durften sich demnach weder die Namen noch die Gesichter von Ausgereisten wiederfinden. Wurde gegen diese Regel verstoßen, führte dies zu strenger Kritik, wie ein weiterer ›Fehltritt‹ Stemmlers beweist: In einer Unterhaltungssendung war Horst Assmy, ein bekannter Spieler der DDR-Fußballnationalmannschaft zu Wort gekommen. Allerdings siedelte dieser kurz bevor die Sendung erneut ausgestrahlt wurde, in die Bundesrepublik über. Die Aussage Stemmlers, dass er von der Ausreise Assmys nichts gewusst hätte, war für die BPO keine Entschuldigung: Die Republikflucht wäre doch in der Tageszeitung Neues Deutschland, dem Zentralorgan der SED, bekanntgegeben worden, wo DDR-Sportler Assmy verurteilt hätten. Das Fernsehen hatte also die klare Anweisung, sich nicht nur an die von der Abteilung Agitation vorgegebenen Richtlinien über Inhalte der Berichterstattung zu halten, sondern auch die eigenen Informationen systematisch mit den im Neuen Deutschland veröffentlichten Stellungnahmen abzugleichen. Schon in den 1950er Jahren diente die von der Partei herausgegebene Zeitung anderen Medien als Maßstab, was im Sinne der politischen Führung wie formuliert und in die Öffentlichkeit gebracht werden konnte und was nicht. Es wurde ausdrücklich kritisiert, Inhalte die dort veröffentlicht wurden, nicht zu beachten. In Zukunft sollten solche Fehler vermieden werden, darum wurde angemahnt, die gesamte sozialistische Gemeinschaftsarbeit zu stärken. Die Mitarbeiter wurden, z. T. namentlich, aufgefordert, sich in der gesellschaftlichen Arbeit des Betriebs stärker zu engagieren. Gerade die leitenden Mitarbeiter des Fernsehens wie Kollegiumsmitglieder und Redaktionsleiter wurden ermahnt, sich nicht nur als fachliche Leiter, sondern vor allem als politische Funktionäre zu sehen. Um die kritisierten Zustände zu ändern, wurde ein Maßnahmeplan beschlossen, der organisatorisch in der Schaffung einer neuen Parteistruktur im Programmsektor des Fernsehens gipfelte. Im Dezember 1959 wurde dementsprechend die Umbildung der APO Programm beschlossen: Die zu groß gewordene Organisationseinheit wurde in drei Abteilungen unterteilt: Programm I (vor allem HA Aktuelle Politik), Programm II (Dramaturgie und Produktionszentrale) und Programm III (Unterhaltung, Kinderredaktion, Jugend und Frauen).127 Folge war eine straffere Führung und Kontrolle durch die Parteistruktur der SED. Zur Kritik durch die Parteiführung sei noch ein weiterer Beleg angeführt. Er demonstriert, wie die Konkurrenz und die daraus resultierende Orientierung am Programm des Westfernsehens zu einem schma-

127

Vgl. [Q] SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk 1959b, S. 1.

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len Grat zwischen Anpassung und Abgrenzung führten. Im Jahr 1958 kritisierte Horst Sindermann, seit 1953 Leiter der Agitationsabteilung im ZK der SED, die ›Westorientierung‹ des DFF: »Die eigene schöpferische Arbeit des Fernsehens ist noch zu gering. Viele Sendungen sind Kopien des westdeutschen kapitalistischen Fernsehens, nur das [sic!] wir ihnen einen besseren Inhalt verleihen.«128 In diesem Spannungsfeld ist das Reagieren und strategische Positionieren des DFF angesiedelt, das im Kapitel 3.3 charakterisiert wird. 3.1.6 R EFLEXIONEN

ÜBER DIE EIGENE

W IRKSAMKEIT

Ein besonders hervorstechendes Charakteristikum des DDR-Fernsehens in den einzelnen Entwicklungsphasen ist die aus den überlieferten Quellen rekonstruierbare Vorstellung seiner Macher über die Wirkung des eigenen Mediums: Damit ist das Medienwirkungsmodell der Fernsehproduzenten angesprochen, also speziell die Einschätzung wie das eigene Programm beim Zuschauer »wirkte«. In den 1950er Jahren war dies ein relativ simples, das sich zuallererst aus der Abgrenzung zu den Vorläufer-Medien herleitete. Schon im Rückblick auf die Versuchsphase wurde 1955 dem »besonderen Charakter des Fernsehens« Tribut gezollt: »Er besteht darin, daß das Fernsehen aufgrund seiner vielseitigen optischen und akustischen Möglichkeiten imstande ist, schneller, unmittelbarer und umfassender als andere politische Institutionen die gesellschaftliche, kulturelle und künstlerische Entwicklung widerzuspiegeln und auf sie aktiv einzuwirken.«129 Interessant ist der Aspekt der direkten Einwirkung, also die unterstellte Fähigkeit des Fernsehens, aktives Handeln bei den Zuschauern auszulösen. Die Medienpraktiker schienen davon auszugehen, dass der eingesetzte Stimulus, in diesem Fall die ideologischen Inhalte der Sendungen im DDR-Programm, notwendig eine voraussehbare Wirkung haben mussten. Dies führte zu bestimmten Zielvorgaben an das Fernsehen. Auf diese Vorgaben wurde in der vorliegenden Arbeit bei der Beschreibung der Aufgabenstellung bezüglich der Westzuschauer eingegangen. Als dort die »Aktivierung« des bundesdeutschen Publikums thematisiert wurde, fußte dies auf genau dieser dem Medium zugeschriebenen Eigenschaft. Insgesamt wurde schon bei den Feierlichkeiten zum 5. Jahrestag des Fernsehens diesem »eine ungeheure Wirkungskraft«130 zugeschrieben. Diese Auffassung von einem sehr wirkungsmächtigen Medium Fernsehen ist in der Medienwirkungsforschung unter dem Namen »Stimulus-Response-Modell« bekannt geworden.131 Dahinter verbirgt sich eine sehr simple, eindimensionale Konzeption der Beziehung zwischen Kommunikator (Fernsehen) und Rezipienten (Fernsehzuschauer): Das 128 129 130 131

[Q] Sindermann an Nielsen, 09.04.1958, S. 1. [Q] o.N. 1955c, S. 1. DFF 1957, o.S. Zur Wirkung von Medien und Medienwirkungstheorien vgl. einführend Merten 1994, vertiefend: Bonfadelli 2004a; Bonfadelli 2004b; Jäckel 2005.

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Fernsehen ›schieße‹ mit seiner Botschaft direkt auf den Betrachter. Sobald seine Botschaften ›treffen‹, würden diese notwendigerweise und unmittelbar wirken, sie erzeugten einen sehr berechenbaren Response. Die Art und Weise der Wirkungen sei dabei allein abhängig vom Stimulus: Gleicher Stimulus erzeuge unabhängig vom jeweiligen Rezipienten zwingend den gleichen Response. Die Analogie des theoretischen Modells zu naturwissenschaftlichen Modellen und physischen Kräften haben das Konzept unter dem Titel »Kanonentheorie« bekannt gemacht. Das Modell geht dabei von folgenden Annahmen aus: Die Gesellschaft stelle eine Masse dar, der Einzelne sei abhängig von Massenkommunikation, um Teil der Masse zu werden. Dadurch würden die Massenmedien – wie das Fernsehen – starke Wirkungen auf den Rezipienten ausüben, der ihnen passiv ausgeliefert sei. Das Stimulus-Response-Modell stellt damit nicht weniger als eine Allmachtstheorie der Massenmedien dar: Es kann kaum überraschen, dass es vor allem zur Messung von Propagandawirkungen eingesetzt wurde. Grundannahmen sind weiterhin die drei Dimensionen Transitivität, Proportionalität und Kausalität. Transitivität beschreibt den grundsätzlichen Charakter des Kommunikationsvorganges, Informationen und Bedeutungen schlicht vom Kommunikator hin zum Rezipienten zu transportieren. Stimuli stellten somit regelrecht physische Elemente dar, die vom Empfänger der Botschaft nur so ›ausgepackt‹ würden, wie sie der Absender ›eingepackte‹. Die Stärke der Wirkung steige proportional zur Stärke des Stimulus: Je öfter, intensiver und direkter eine Botschaft gesendet würde, desto stärker müsse diese zwingend wirken. Die Kausalität beschreibt schließlich den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Stimulus und Response: Eine Wirkung würde nur aufgrund einer bestimmten Ursache eintreten. Das Auftreten einer Ursache führe umgedreht allerdings auch immer zum Erscheinen der gleichen Wirkung. Die Beziehung zwischen einer Konzeption des Fernsehens als Propagandainstrument und dem Einsatz des Stimulus-Response-Modells zur Erklärung seiner Medienwirkungen lässt sich beim DDR-Fernsehen nahezu idealtypisch nachvollziehen: Überlegungen zu den fernsehtypischen Wirkungsmechanismen und daran anschließende Konzeptionen zur Programmgestaltung wurden auf der Ebene der Fernsehführung fast vollständig aus dieser einfachen, theoretischen Perspektive begründet. Die oben bereits erwähnte »ungeheure Wirkungskraft« bezog sich auf die Vorstellung des passiven Rezipienten, der dem Medium ›ausgeliefert‹ wäre und dessen Botschaften reflexionslos absorbiere. So erhielt die Aktuelle Kamera 1957 den Auftrag, die neuesten Verlautbarungen der SED direkt in das Denken der Zuschauer zu überführen: »Ziel der aktuellen politischen Berichterstattung muss es sein, dass sie Beschlüsse des 33. Plenums und das Friedensmanifest in das Gedankengut der Menschen eigepflanzt [sic!] werden.«132 Zwischen den ideologischen Inhalten der Sendungen und der ideologischen Aktivierung der Zuschauer wurde ein direkter, kausaler Zusammenhang hergestellt: Die

132

[Q] o.N. 1957e, S. 1.

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Zuschauer des DDR-Fernsehens hätten aufgrund und im Modus der gesendeten Handlungsanweisungen agiert. Grad und Ausmaß dieser ideologischen Aktivierung wären dabei mit der Häufigkeit und Intensität der Sendung solcher Botschaften gestiegen. Dies wurde 1964 deutlich formuliert, nachdem das bundesdeutsche Fernsehangebot ein Jahr zuvor um das ZDF erweitert worden war und der DFF erneut ein eigenes zweites Programm als Kontrastprogramm zum bisherigen Angebot forderte. Das Westfernsehen wäre im Vorteil gewesen, da es durch ein Mehr an Programm ein Mehr an Wirkung bei den DDR-Zuschauern erreichte. Hier hätte dieser Argumentation der Fernsehführung zufolge dringend gegengesteuert werden müssen, was die Notwendigkeit, alle DDR-Bürger mit dem eigenen Fernsehen zu erreichen, dringender werden ließ. Schließlich sollte vor allem das Abendprogramm, was viele Zuschauer erreichte, diese »mit Information und Sendungen zu geistigen Auseinandersetzungen« politisch beeinflussen. Dabei wäre ein zweiter Kanal von großem Nutzen gewesen: »Diese Wirkung erhöht sich, je mehr Möglichkeiten vor allem während der Hauptprogrammzeit zur Beeinflussung der Fernsehteilnehmer bestehen. Unterschiedliche Interessen der Fernsehteilnehmer können besser durch ein Kontrastprogramm befriedigt werden.«133 Damit ging aber auch eine Vorstellung von Fernsehkommunikation einher, die schlicht eine Übertragung der in den Sendungen ›verpackten‹ Botschaften unterstellte. Unzureichende oder gar falsche politische Aktivierungen bei den Zuschauern waren damit nicht auf deren Anlagen und Einstellungen zurückzuführen. Stattdessen waren die gewünschten Botschaften von den Fernsehproduzenten und damit vom Sender unzureichend verpackt worden. Um ein Beispiel zu nennen: Nachdem die SED-Führung 1959 zunehmend realisiert hatte, dass die deutschlandpolitischen Propagandaaktionen wenig Wirkung im Westen zeigten, wurde vom Fernsehen eine Erweiterung und Verbesserung des Programms für die Westdeutschen gefordert: Die Aktuelle Kamera sollte daraufhin den sogenannten »Kampf für die Lösung der nationalen Frage« und ganz konkret die Forderung nach einem Friedensvertrag zum wichtigsten Inhalt der Sendung machen. Gleichzeitig wurde verlangt, die Berichterstattung aus der Bundesrepublik und Westberlin zu erweitern und vor allem qualitativ zu verbessern.134 Ähnliche Befunde lassen sich für die gesamte Existenz des DDRFernsehens nachweisen, auch wenn die Einschätzung der eigenen Wirksamkeit in späteren Jahrzehnten differenzierter analysiert wurde. Trotzdem gingen die Medienverantwortlichen weiterhin von einer starken Korrelation zwischen Sender und Wirkung aus – sowohl in Bezug auf die eigenen Programme als auch bezüglich der des ›Gegners‹. Im fernsehpraktischen Diskurs und in der politisch-propagandistischen Einordnung des Mediums hat somit eine Vorstellung von Medienwirkung vorgeherrscht, die in der theoretischen Diskussion lange vor dem Start des DDR-Fernsehens in den Orkus der Wirkungstheorien

133 134

[Q] o.N. 1964, S. 9. Vgl. [Q] Deutscher Fernsehfunk, Aktuelle Kamera 1959, S. 2.

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verbannt wurde.135 Das Modell gilt seit Mitte des 20. Jahrhunderts als überholt bzw. wissenschaftlich fragwürdig. In der jüngeren Diskussion wird zudem in Frage gestellt, ob im wissenschaftlichen Diskurs dem Modell überhaupt je eine tatsächliche Gültigkeit unterstellt wurde. Stattdessen wird angenommen, dass es sich dabei um eine künstlich erzeugte, bewusst simpel gehaltene Konstruktion handelte, von der sich komplexere Wirkungsmodelle besonders gut abheben konnten. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass ein enger Zusammenhang existiert zwischen Medienwirkungsforschung und deren Finanzierung durch die Werbeindustrie oder die Medien selbst. Vor diesem Hintergrund ist die theoretische Modellierung eines simplen, abschreckenden Beispiels auch forschungsstrategisch erklärt worden.136 Ohne eine ausführliche Kritik am Stimulus-Response-Modell diskutieren zu können, sollen einige Hinweise auf die Zurückweisung der zentralen Grundannahmen erfolgen: Anstelle eines einfachen Transports von Wirkungsbedeutungen (Transitivität) setzt die Kommunikationsforschung die Annahme eines komplexen Systems von Kommunikationssituation, Rezipientenwissen und ähnlichem für die Wirkung einer Botschaft. Stimuli und Wirkungen stehen keinesfalls in einem proportionalen Zusammenhang, sondern Medienbotschaften werden in höchstem Maße selektiv wahrgenommen und zur Konstruktion von Wirkungen genutzt. Auch das einfache Kausalitätsprinzip ist von der Forschung als ungültig entlarvt worden, Wirkungszusammenhänge können damit nicht kausal erklärt werden, sondern sind streng reflexiv zu rekonstruieren.137 An die Stelle der eindimensionalen Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, Sender und Empfänger, setzen neuere Wirkungsmodelle sehr viel komplexere Erklärungsraster: Diese sind multimodal und rastern sowohl den Sender als auch den Empfänger nach verschiedenen Einflussfaktoren auf. Schließlich geben die aktuelleren Modelle kaum vor, den Wirkungsmechanismus letztgültig klären zu können. In der jüngeren Wirkungsforschung, die auch für das Fernsehen adaptiert wurden, stechen zwei besonders komplexe Modelle hervor: Klaus Mertens konstruktivistisches, trimodales Wirkungsmodell identifiziert drei Gruppen von Faktoren, die selektiv auf die spätere Wirkung Einfluss

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Der österreichische Soziologe Paul Lazarsfeld hatte anhand des US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes bereits 1940 die Ungültigkeit des Stimulus-Response-Modell nachgewiesen: Er stellte fest, das Rezipienten sehr selektiv wahrnehmen und diese Wahrnehmung kaum von den Massenmedien abhingen. Stattdessen deckte er die Bedeutung des engeren, personalen Umfeldes für Medienwirkungen auf und modellierte mit dem »Zweistufenfluss der Kommunikation« das erste komplexere Medienwirkungsmodell. Vgl. dazu Merten 1994, S. 315-317. Zur Kritik am Stimulus-Response-Modell und dessen Einsatz in der Medienwirkungsforschung vgl. Brosius/Esser 1998 sowie Merten 1991. Vgl. dazu ausführlicher: Merten 1994, S. 296-303.

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nehmen: Aussagen des Medienangebots (Stimulus), interne Kontexte des Rezipienten und externe Kontexte der Umgebung.138 Der dynamisch-transaktionale Ansatz von Werner Früh und Klaus Schönbach wurde 1982 das erste Mal systematisch ausgearbeitet und konnte seitdem eine erstaunlich starke Resonanz für sich verbuchen, wie in einer jüngeren Sekundäranalyse nachgewiesen wurde.139 Nach diesem Ansatz ist die Kommunikationswirkung abhängig von der Relativierung des Stimulus, nicht vom Stimulus selbst. Kommunikator und Rezipient werden als Kommunikanten gleichberechtigt im Wirkungsprozess berücksichtigt. Im Prozess der Intertransaktion versuchen Kommunikator und Rezipient, aus der Kommunikation möglichst viel Nutzen zu ziehen. Im Prozess der Intratransaktion wird das Informationsangebot von den beiden Kommunikanten jeweils abhängig von ihrer subjektiven psychischen Verfassung geliefert bzw. verarbeitet.140 Das Modell des dynamisch-transaktionalen Ansatzes ist in jüngerer Vergangenheit im Rahmen einer umfassenden Theorie der Fernsehunterhaltung weiterentwickelt worden.141 Es wird also deutlich: Zwischen den theoretischen Modellierungen sowie den empirischen Erkenntnissen der Wirkungsforschung und den in der Praxis vertretenen vereinfachenden Wirkungsvorstellungen klafft eine unübersehbare Lücke. Sowohl in der Fernsehproduktion als auch in der populären Reflexion über das Medium wird zumeist stillschweigend am klassischen Stimulus-Response-Modell festgehalten. Ergebnisse der Medienwirkungsforschung werden kaum an die Praxis zurückgebunden, was zu einer enormen Theorie-Praxis-Differenz führt.142 Diese Differenz kann nicht nur historisch für die frühen Jahre des Fernsehens konstatiert werden, sie gilt im Großen und Ganzen bis heute fort: In Werbung und Werbewirkungsforschung dominiert das sogenannte »Kontaktmodell«, das beim Verkauf von Werbung sowie bei der Prüfung des Werbeerfolgs zum Einsatz kommt: Dabei wird eine eindeutige Korrelation hergestellt zwischen Häufigkeit und Intensität, mit der ein Rezipient die Werbung wahrnimmt, sowie der Wirkung dieser Werbung. Damit aber »[entpuppt es; C. D.] sich als lupenreines Stimulus-Response-Modell«143. Wenn im Folgenden die Vorstellungen der ›Planer und Leiter‹ des DDR-Fernsehens zur Wirkung ihres Mediums diskutiert werden, geschieht dies stets unter den Bedingungen dieser Theorie-Praxis-Differenz: Obgleich in der Theorie schon viel komplexere Vorstellungen darüber existierten, wie das Fernsehen wirkt und wirken kann, knüpfte die eigene und fremde Kritik an die simple ›Kanonenschuss‹- Metapher an. Damit aber mussten die Ergebnisse dieser Überlegungen aufgrund von falschen Voraussetzungen notwendig verzerrt sein.

138 139 140 141 142 143

Vgl. ebd., S. 309-313. Vgl. Früh/Schönbach 2005. Vgl. Merten 1994, S. 324 sowie Früh 1991. Vgl. Früh et al. 2002 sowie Früh/Stiehler 2003. Vgl. Merten 1994, S. 296. Ebd., S. 325.

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Allerdings hatte man auch schon erkannt, dass die einzelnen Sendungen, wenn sie die Zuschauer stärker zur Auseinandersetzung mit den Problemen mobilisieren wollten, sowohl vom Inhalt als auch von der Form bestimmte Kriterien erfüllen müssten. Dies betraf im Besonderen die Beiträge, die wichtige Aufgaben in der Propaganda gegen die Bundesrepublik erfüllen sollten. Die Redaktion Zeitgeschehen kritisierte dementsprechend an den aktuell-politischen Sendungen zur »nationalen Frage«, dass die bis dato vorherrschende Form der Berichterstattung kaum Anteilnahme auslösen würde und die Argumentation auf der Bildebene zu wenig Beachtung fände.144 Die Journalisten waren sich durchaus bewusst, dass Fernsehen vor allem durch Bilder wirkt. Innerhalb der Positionierung gegenüber anderen Medien war die Abgrenzung zum Hörfunk von besonderer Bedeutung. Im Jahr 1959 trat das Staatliche Rundfunkkomitee zu einer Sitzung zusammen, in welcher die künftige Arbeitsteilung zwischen Rundfunk und Fernsehen diskutiert wurde. Im Zuge der steigenden Zuschauerzahlen des Fernsehens und in Vorbereitung auf ein zweites Fernsehprogramm ging es dabei vor allem um die Verteilung von besonderen Programmaufgaben. Für das geplante »Deutschlandfernsehen« war vorgesehen, dass es die Aufgaben des Deutschlandsenders (also des Radioprogramms) mit übernehmen sollte und damit für die Propaganda der DDR gegenüber und in die Bundesrepublik tonangebend sein sollte. Der Vorsitzende des Rundfunkkomitees Ley schwächte diese Pläne aber ab, indem er darauf verwies, dass die Empfangssituation des DDR-Fernsehens im Westteil Deutschlands der des Ostradios unterlegen wäre. Zudem gäbe es noch mehr als eine Million Rundfunkhörer, die keinen Fernsehapparat besäßen, und deren Bedürfnisse auf jeden Fall zu berücksichtigen wären. Er schlussfolgerte daraus, dass der Hörfunk weiterhin eine wichtige Rolle in der Westpropaganda zu spielen habe.145 Die gemeinsame Leitung von Rundfunk und Fernsehen schien die beiden Medien zunehmend als Konkurrenten wahrzunehmen und das Radio dabei eher defensiv zu beurteilen. Selbstbewusst traten die Rundfunkverantwortlichen in Bezug auf die Überlegenheit des Fernsehens gegenüber anderen Freizeitaktivitäten auf. Heinz Geggel, zu diesem Zeitpunkt Intendant des Deutschlandsenders, warnte sogar vor möglichen Gefahren des Fernsehkonsums. Seine Bedenken spiegeln das Selbstbild von der eigenen Wirksamkeit wider, auch wenn sie heute kurios wirken: »Ist es nicht eine Tatsache, daß dort, wo die Leute Fernsehen haben, heute weniger gelesen wird; daß viele Leute nicht mehr aus der Wohnung herauskommen, nicht mehr an die frische Luft gehen usw. Bei der Programmgestaltung müssen wir das bedenken.« Diese Verdrängung anderer Kulturangebote hätten Publikumsbefragungen bestätigt. Verwiesen wurde auf Interviews mit Fernsehzuschauern während der Leipziger Messe 1957, welche angaben, dass sie durch das Fernsehen kein Kino oder Theater

144 145

Vgl. [Q] Zeitgeschehen 1959, S. 1. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Rundfunkkomitee 1959b, S. 1 und 17.

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mehr brauchen würden.146 Solche Auffassungen wollten die Fernsehmitarbeiter nicht unterstützen. Horst Heydeck verwies darauf, dass ein »normaler Mensch« nicht jeden Abend fernsähe, sondern auch andere, beispielsweise gesellschaftliche Verpflichtungen hätte. Ging jemand diesen Pflichten nicht nach, war er Heydeck schon suspekt: »Diejenigen, die jeden Abend das Programm sehen können, sind vielleicht nicht die wertvollsten unserer Zuschauer.«147 Aber nicht nur anderen Medien und kulturellen Aktivitäten gegenüber fühlte man sich in der Wirkungskraft überlegen, auf die westdeutschen Medien traf das gleiche zu. Gerhard Probst brachte diesen Allmachtsglauben zum Ausdruck: »Unseren Landsleuten in großen Teilen Westdeutschlands kann durch das Fernsehen ein unverfälschtes Bild vom gesellschaftlichen Leben in unserer Republik vermittelt werden. Was der Bürger in Westdeutschland g e h ö r t und g e s e h e n hat, läßt sich durch die volksfeindliche Propaganda der herrschenden Kreise in Westdeutschland nicht ohne weiteres verdrehen.«148 Das sich der ›Klassenfeind‹ ebenfalls des Mediums Fernsehen bediente, wurde an dieser Stelle ausgeklammert. Insgesamt war man sich sicher, mit dem Fernsehen ein wichtiges publizistisches Instrument sowohl für den Klassenkampf gegen die Bundesrepublik als auch für die Stabilisierung der politischen Verhältnisse im eigenen Land in den Händen zu halten. Damit ist aber die Frage angesprochen, wie das Fernsehen von den Zuschauern tatsächlich genutzt wurde und welche Nutzungsmodi seine Macher antizipierten. Bereits in den 1950er Jahren hatte sich die Erkenntnis vom Fernsehen als Unterhaltungsmedium auf Seiten der Produzenten durchgesetzt: Publizistische Inhalte allein würden die Zuschauer nicht befriedigen, erst in der Kombination mit unterhaltenden Formaten konnte das Medium sein Publikum finden. In der ersten nachweisbaren Konzeption, die auf eine Erhöhung der Attraktivität des Fernsehens zielte (»Für ein interessantes, massenwirksames FernsehProgramm«), hieß es über die Unterhaltungssendungen: »Vom Ideenreichtum und von der künstlerischen Qualität der Unterhaltungsprogramme hängt in sehr entscheidender Weise die Popularität des Fernsehens bei den Massen ab. Es sind Programme mit ausgesprochenem Massencharakter, die auf hohem künstlerischen Niveau dem Unterhaltungsbedürfnis der Werktätigen Rechnung zu tragen haben.«149 Der Anlass der Evaluation des bisher gesendeten Programms lässt sich schnell benennen: Das Interesse der Zuschauer am Fernsehen hatte in den Wochen vor der Untersuchung nachgelassen. Häufig wurde gerade das Fehlen von abwechslungsreicher Unterhaltung kritisiert. In der (nicht-repräsentativen) Publikumsbefragung auf der Leistungsschau der Technik im Juni 1958 wurde dieses Problem zum wiederholten Mal thematisiert: »Nach wie vor steht der Unterhaltungssektor im Vordergrund der Wünsche und Kritiken. Mehrfach wurde zum Ausdruck ge-

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Vgl. [Q] Abteilung Außenverbindung 1957, S. 1. [Q] Sekretariat des Kollegiums 1957, S. 2. Probst 1957, S. 2, Hervorhebung im Original. [Q] o.N. 1958a, S. 8.

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bracht, daß unsere gegenwärtigen Unterhaltungssendungen sich nicht jener Reichhaltigkeit und Beliebtheit erfreuen, wie das bei früheren Sendereihen schon einmal der Fall war.«150 Die Forderungen der Zuschauer waren sehr konkret: Bei einem zwischen Unterhaltung und Publizistik aufgeteilten Abendprogramm sollten die unterhaltenden Sendungen als erstes gezeigt werden. Schließlich verfolgten die meisten Zuschauer das Programm nicht bis zum Schluss. Im Wochenprogramm sollte die Unterhaltung besonders am Samstag und Sonntag als Höhepunkt und vor dem größtmöglichen Zuschauerkreis eingesetzt werden. Auch für das Tagesprogramm wurde Unterhaltendes eingefordert, was teilweise mit den als ideologisch besonders wünschenswerten Sendungen kollidierte: Statt des Telestudio West wollten die Zuschauer am Samstagnachmittag neben dem Sport eher unterhaltsame Sendungen oder Filme sehen. Aber nicht das Urteil des Publikums hatte den entscheidenden Anstoß zu der vorliegenden Konzeption gegeben, es war letztendlich der höchsten politischen Führung vorbehalten gewesen, hier die Richtung zu weisen. Die Vorlage bezieht sich deutlich auf SED-Chef Ulbricht, der während des V. Parteitag einen Ausbau der Unterhaltung gefordert hatte. Er glaubte, dass ideologische Ziele damit besser umzusetzen waren. Unterhaltung und Kultur sollten wieder vereint, und »in den Dienst der sozialistischen Bewußtseinsbildung gestellt werden«151. Zum ersten Mal lässt sich hier eine Forderung zur Instrumentalisierung der Unterhaltung finden, die bis zum Ende des DDR-Fernsehens immer wieder formuliert wurde. Ulbrichts Direktive weist dabei erstaunliche Parallelen zur Kritik seines Nachfolgers Erich Honecker auf, die dieser 1971 am Fernsehen übte. Insgesamt scheint es eine Tradition gegeben zu haben, auf sinkende Einschaltquoten mit einer verstärkten Unterhaltungs-Orientierung des Fernsehens zu reagieren, wobei dieser Trend in den 1950er Jahren langsam einsetzte. Den Wert der unterhaltenden Programme als ›Zugpferde‹ für das Gesamtprogramm hatte man nun erkannt und thematisierte ihn mehrfach in einer Weise, die sich fast wortgleich in den Konzeptionen zur ersten Programmreform 1971/72 findet. Bereits 1957 hieß es bei der Konzeption des Herbst- und Winterprogramms: »Die Mitarbeiter der Redaktion Unterhaltung stellen sich die Aufgabe, ihre Sendebeiträge so lebensnah zu gestalten, dass sich die Popularität und Massenwirksamkeit des Sendeprogramms des Deutschen Fernsehfunks weiter steigert und dass die Werktätigen unserer Republik auch durch das Mittel der Unterhaltung neue Kräfte für ihre tägliche Aufbauarbeit gewinnen.«152 Ein Jahr später wurde erneut die Verbesserung der bestehenden unterhaltenden Angebote gefordert und konkret mehr Fernsehspiele und Unterhaltungsprogramme eingeplant.153 Eine quantitative Erweiterung der Unterhaltung hatte begonnen. Hoff verweist in diesem Zusammen-

150 151 152 153

Hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Aussenverbindung 1958, S. 2-5. [Q] o.N. 1958a, S. 8. [Q] Deutscher Fernsehfunk, Redaktion Unterhaltung 1957, S. 2. Vgl. [Q] o.N. 1958a, S. 1.

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hang darauf, dass die Einstellung der Programmschaffenden zur Unterhaltungsfunktion des Fernsehens in den frühen Jahren »sehr pragmatisch«154 gewesen war. Mitte der 1950er Jahre bedeutete Unterhaltung schlicht die Erheiterung des Publikums. Diese wurde zwar als notwendig erachtet, um die Zuschauer an das Programm zu binden, eine Ideologierelevanz wurde ihr aber abgesprochen. Letztendlich hätten die Verantwortlichen sie eher als Nebensache gegenüber den politischen Inhalten gewertet, die sich in Bezug auf die ideologischen Zielstellungen an das Programm erst zu bewähren hatte. Eine Strategie hierfür war die Forderung nach einer »sozialistischen Unterhaltung«155. Darunter verstand man Unterhaltungssendungen, die sich speziell an Werktätige richteten, wie Ihr Wunsch, bitte und Viel Vergnügen sowie spezielle Beiträge für Hausgemeinschaften. Diese Sendungen schienen die Fernsehverantwortlichen allerdings mit der Unterhaltung ausgesöhnt zu haben, und die Mahnung Ulbrichts nach mehr Unterhaltung und Zuschauerorientierung wurde in den Plänen 1958 festgeschrieben. 3.1.7 D AS S ELBSTBILD ALS F ERNSEHEN K ONKURRENZ ZUM W ESTFERNSEHEN

IN DER

Als das Staatliche Rundfunkkomitee 1958 den Plänen und damit der ersten umfangreichen Konzeption zu einem zuschauerfreundlicheren Programm zustimmte, geschah das zweifelsfrei auch im Bewusstsein der Konkurrenz zum einstrahlenden Westfernsehen. Die zahlreichen Anstrengungen, die unternommen werden sollten und in der Planung »Für ein interessantes, massenwirksames Fernsehprogramm« festgeschrieben wurden, folgten auf eine Kritik der zuständigen Abteilung im Zentralkomitee der SED. Nachdem in Zuschaueraussprachen die Unzufriedenheit des Publikums dokumentiert worden war und die Abteilung Agitation und Propaganda kritisch reagiert hatte, sollte nun ein lebensnaheres und künstlerisch anspruchsvolleres Programm erarbeitet werden. Dieses hatte gleichzeitig »offensiver in den revolutionären Prozeß der sozialistischen Umgestaltung unseres gesellschaftlichen Lebens und der sozialistischen Erziehung der Massen«156 einzugreifen. Die veränderten Pläne für das Herbst- und Winterprogramm sollten den DFF dabei in zweierlei Hinsicht im Konkurrenzkampf besser positionieren: Im eigenen Land sollten die Zuschauer durch ein attraktiveres Programm davon abgehalten werden, die Westsender einzuschalten. In der Bundesrepublik erhoffte man sich – trotz des starken Mitbewerbers ARD und seiner Regionalprogramme – neue Zuschauer. Der Intendant Adameck thematisierte das Konkurrenzverhältnis kurze Zeit später in einer Leitungssitzung der Betriebsparteiorganisation in einer Deutlichkeit, die in späteren Phasen wesentlich seltener vorkam: »Der Maßstab ist, wie wir den Gegner schlagen. Sehr oft gibt es 154 155 156

Hoff 2002b, S. 117. [Q] Sekretariat des Kollegiums 1958, S. 8. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1958a, S. 1.

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die Meinung, warum immer das Westfernsehen herangezogen wird. Aber das ist doch der Gegner, den wir überholen müssen.«157 Der Erfolg im Wettbewerb mit dem bundesdeutschen Fernsehen war ein wichtiger Maßstab für den Erfolg überhaupt, dies galt bereits in den ersten regulären Sendejahren des DFF. Die eigenen Programme und Sendungen wurden am Konkurrenten gemessen, nicht nur von den Zuschauern, auch von der Fernsehführung selbst. Bis auf die Sendungsebene hinunter legte man die Meßlatte an, ob die Inhalte mit dem Westen mithalten konnten bzw. mit großem Ehrgeiz besser sein konnten als die Pendants in Westdeutschland. Aber dies galt nicht nur für das Fernsehprogramm. Als 1959 eine eigene Fernsehzeitschrift mit dem Titel »dabei« geplant wurde, schrieb der zuständige Gerhard Jäger: »Zur Erfüllung der politischen Hauptaufgabe, eine Zeitschrift zu schaffen, die den höchsten Ansprüchen genügt und die Westdeutschland voraus ist, muss das Blatt weltoffen, vielseitig, informierend, unterhaltend und das Wissen vertiefend, zugleich kritisch und gewichtig sein.«158 Also wurde auch an die Programmzeitschrift des DFF der Maßstab angelegt, die westdeutschen Fernsehzeitungen zu ›schlagen‹. Den Planern war bewusst, dass man dies nur durch eine gewisse Anpassung an westdeutsche Standards erreichen konnte. Die Zuschreibungen »weltoffen« an erster Stelle und »unterhaltend« konnten sicher die Sympathien der Leser wecken, stellten aber keine Funktionsbestimmungen nach der sozialistischen Pressetheorie dar. Wollte man sich am Westen messen, bedeutete dies erste Abstriche an einem dogmatisch als klassenkämpferisch ausgerichteten Journalismus. Eine Wettbewerbssituation zwischen den beiden Fernsehprogrammen wurde aber nicht nur im Osten Deutschlands beobachtet, auch im Westen nahm man diese wahr. Die westdeutsche Fachpresse erörterte das Konkurrenzverhältnis recht ausführlich: Die Fernseh-Informationen forderten bereits 1956 ihre Leser auf, sich zu vergegenwärtigen, dass das DDR-Programm zunehmend in einen Wettbewerb mit den westdeutschen Fernsehsendern treten würde. Daraus ergäben sich besondere Aufgaben für den Sender Freies Berlin, dem aufgrund dieser Konkurrenz eine Sonderstellung unter den westdeutschen Rundfunkanstalten zukommen würde: »Es wird gut sein, wenn der Westberliner Sender in den Stand gesetzt wird, dass er wendig genug ist, politischen und kulturpolitischen Linien des ostzonalen Fernsehens ebenso zu begegnen, wie ein Gegengewicht zu aktuellen Sendungen zu bieten.«159 Fest steht, dass in den Fernseh-Überlieferungen aus der zweiten Hälfte der 1950er Jahre das Motiv der Positionierung in der Konkurrenz immer wieder thematisiert wurde. In der Planung für die Aktuelle Kamera wurde der tagtägliche Wettbewerb mit all seinen Mühen dargelegt: »In diesem Kampf darf unser Fernsehen dem Klassengegner keine

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[Q] SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk 1959a, S. 3-4. [Q] Jäger 1959, S. 3. Es blieb allerdings bei einer gemeinsamen Hörfunkund Fernsehzeitung, die ab 1959 den Namen Funk und Fernsehen der DDR trug und erst zehn Jahre später FF dabei hieß. O.N. 1956b, S. 387.

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Atempause lassen. Das Fernsehen hat die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung über die kapitalistische auch auf seinem ureigensten Feld täglich und stündlich zu beweisen.«160 Es scheint, als ob diese Auseinandersetzung als großer Kraftakt empfunden wurde, als ein Druck, dem das DDR-Fernsehen standhalten musste. Der Wettbewerb, der an dieser Stelle rekonstruiert werden kann, war keine ›normale‹ Konkurrenz zweier Wettstreiter, die sich an den Zuschauerzahlen messen ließ: Der Gedanke des Ankämpfens gegen den Westen und des Messens an ihm bezog sich immer auf einen ideologischen Kampf, auf eine Konkurrenz zweier entgegengesetzer weltanschaulicher Positionen auf dem Schlachtfeld des Fernsehens. Dies wird auch das folgende Kapitel untersuchen, das sich die Frage stellt, was für einen ›Gegner‹ das Fernsehen in seinen Wettbewerbsmechanismen vor Augen hatte. Das Selbstbild im Wettbewerb sah jedenfalls kein Fairplay im Sinne ›der Bessere wird gewinnen‹ vor. Das Ergebnis, wer bei den Zuschauern erfolgreicher wäre, folgte den ideologischen Maximen des Sozialismus. Da es sich hierbei um die letztendlich siegreiche Weltanschauung handelte, musste auch das sozialistische Fernsehen über das kapitalistische triumphieren. Glatzer führte das den SED-Mitgliedern des Fernsehens 1959 genau so vor Augen, wenn er betonte, »dass wohl jeder an den Sieg des Sozialismus glaubt; das schliesse mit ein, den Sieg über das kapitalistische Fernsehen, wo wir zu jeder Stunde unsere Überlegenheit beweisen müssten«161. Die westdeutsche Sicht ging dabei auch von einem Wettstreit aus, der über die bloße Konkurrenz zweier deutscher Programme hinausgehen würde. Dementsprechend hatte der SFB die »grosse Aufgabe, westliche Gedanken und Kultur darzustellen«162. Den ideologischen Dogmatismus der DDR fand man dagegen im Westen nicht. Obwohl sich die Fernsehführung so kämpferisch gab, beschrieben alle Konzeptionen eher einen defensiven Standpunkt: Man kämpfte in einem Konkurrenzverhältnis, das zu einem Kampf der gegensätzlichen Ideologien hochstilisiert wurde. Dieser Kampf durfte nur gewonnen werden, er durfte aber nicht unter den ›Regeln‹ eines üblichen Konkurrenzkampfes ›laufen‹. Die Fernsehführung war sich der Tatsache durchaus bewusst, dass man diese Konkurrenz 1957 selbst herbeigeführt hatte, als man die beiden deutschen Sendenormen vereinheitlichte. Wie bereits ausgeführt, irrt Lee, wenn er den Empfang des Westfernsehens in der DDR als »nicht bedachte Nebenwirkung«163 beim Ausbau des Fernsehens zum Massenmedium bezeichnet. Die Konkurrenz war von Anfang an vorhergesehen und eingeplant: Sie war der Preis, den man für das gewünschte Profil des DFF als deutschlandweites Programm in Kauf genommen hatte. Dass die permanente Konkurrenz den DFF eher in seiner gesamten Planung und Profilgebung beeinflusste als die westdeut-

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[Q] Deutscher Fernsehfunk, Kollegium 1959, S. 1. [Q] SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk, APO Programm 1959, S. 7. O.N. 1956b, S. 387. Lee 2003, S. 28.

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schen Fernsehanbieter, darin ist Lee zuzustimmen. Dies war aber nicht in erster Linie das Ergebnis einer höheren Attraktivität des Westfernsehens für die DDR-Zuschauer, sondern lag in den beschriebenen ideologisch indoktrinierten Konkurrenzmechanismen begründet. Diese wurden maßgeblich vom »Feindbild« bestimmt, welches das DDR-Fernsehen vom deutschen Konkurrenten hatte.

3.2 Die Ausbildung der Feindbildschemata vom Westfernsehen 3.2.1 D IE

»Ü BERMACHT F ERNSEHENS «

BEGINNENDE

DES WESTDEUTSCHEN

Aus der Zeit des Versuchsbetriebes (1952-1955) und des ersten Programmjahres des DFF (1956) lassen sich keine Informationen über das bundesdeutsche Fernsehen in den Überlieferungen des DDR-Fernsehens nachweisen. Es kann darum vorsichtig vermutet werden, dass zu dieser Zeit Material noch nicht systematisch gesammelt bzw. der Gedanke des technischen »Kräftemessens« nicht schriftlich festgehalten wurde.164 Im ersten Jahr des offiziellen Programmbetriebes schrieb die westdeutsche Presse dem DDR-Fernsehen sogar eine wirtschaftliche Überlegenheit zu. Der Spiegel berichtete im Februar 1956, dass dem Ost-Fernsehen größere finanzielle Mittel zur Verfügung ständen als der westlichen Konkurrenz. Der DFF wäre zudem im Vorteil, da er keine »Lizenzschwierigkeiten« hätte: Er könne jede Theateraufführung direkt übertragen und dürfe neueste Spielfilme noch vor der Kinouraufführung ausstrahlen. Auch mit Devisen wäre er, so Der Spiegel, hinreichend ausgestattet. Ein staatlicher Westgeldfond ermögliche es Adlershof, Künstler aus dem westlichen Ausland zu engagieren.165 Die Fernseh-Informationen stellten im Juni des gleichen Jahres fest, dass die anfängliche, haushohe Überlegenheit des West-Berliner Fernsehdienstes gegenüber der östlichen Konkurrenz nicht mehr bestände. Ost-Berlin wäre es demnach gelungen, den westdeutschen Vorsprung einzuholen: »Es kam dem ostzonalen Programmdienst dabei zugute, dass es seine straffe Organisation erlaubte, eine Konzentration der Mittel und Kräfte vorzunehmen. Finanzen stehen zur Verfügung in einem Umfange, der in keiner Weise mit der Aufbauzeit des West-Berli164

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An dieser Stelle ist Tosse zu widersprechen, der aufgrund der Tatsache, dass das Redaktionsarchiv in Adlershof seit November 1952 westdeutsche Zeitungen bezog, schlussfolgert, es hätte bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eine kontinuierliche Auswertung bundesdeutscher Medien gegeben, vgl. Tosse 2005, S. 42. Da seit dem Start des DDR-Fernsehen auch das westliche Publikum anvisiert wurde, war die Lektüre und Archivierung westlicher Presseerzeugnisse für die journalistische Recherche der Redaktionen unentbehrlich, stellten die Zeitungen und Zeitschriften doch häufig die wichtigsten Quellen zu den Ereignissen in der Bundesrepublik dar. Vgl. o.N. 1956c, S. 45.

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ner Fernsehens verglichen werden kann.«166 Die westlichen Befürchtungen über einen finanzstarken Konkurrenten im Osten sagen zwar wenig über die tatsächlichen wirtschaftlichen (und damit vor allem über die technischen) Verhältnisse aus,167 sie belegen aber einen gegenseitigen sorgenvollen Blick über die Grenze hinweg. Für die Anfangsjahre scheint es, als ob die später so offensichtlichen Rollen des wirtschaftlich und technisch potenten bundesdeutschen Fernsehens und des unterlegenen DDR-Fernsehens noch nicht festgeschrieben waren. Dies änderte sich bereits im folgenden Jahr: Ab 1957 lassen sich im untersuchten Schriftgut des DDR-Fernsehens regelmäßig Informationssammlungen und Vergleiche zwischen den beiden deutschen Fernsehanbietern finden, die bis 1989 fortgesetzt wurden. Zum ersten Mal wurde 1957 die technische Rückständigkeit des Fernsehens gegenüber der westlichen Konkurrenz beklagt, der gleiche Tenor findet sich mit unterschiedlichen Akzenten bis zum Ende des DDR-Fernsehens. Wenn im Folgenden diese Diskussionen nachgezeichnet werden, stehen weniger die wirtschaftlichen Defizite des DFF im Vordergrund, sondern die Beobachtung der westlichen Bedingungen als permanente Folie für die Einschätzung der eigenen Verhältnisse. Das früheste nachgewiesene Dokument ist ein »Vergleich der Sendekapazität zwischen dem westdeutschen Fernsehen und dem Deutschen Fernsehfunk im Januar 1957«, den die Sendeleitung des DFF bei Frieder Mayer, dem Leiter der Abteilung für Fernsehmassenkommunikationsforschung, in Auftrag gegeben hatte.168 Die Methode des Vergleichs war sehr simpel, das westdeutsche Material bestand lediglich aus publizierten Programmplänen. Mayer räumte den Nachteil dieses Vorgehens, nämlich dass damit keine exakte vergleichende Analyse möglich wäre, selbst ein und versuchte die Erwartungen zu dämpfen. Der wesentlichste Befund der Gegenüberstellung waren die Angaben zur Gesamtsendezeit, welche verdeutlichen, dass das westliche Fernsehen ca. ein Viertel mehr Sendezeit füllte als der DFF (6.930 Minuten im Westen zu 5.335 Minuten Sendezeit im Januar 1957). Für die ostdeutsche Seite kann dieses Ergebnis aus heutiger Sicht als realistisch eingeschätzt werden.169 Die Überprüfung der in der Quelle ausgewiesenen Zahlen für das bundesdeutsche Fernsehen ist schwieriger, da nicht mehr zu rekonstruieren ist, auf welche Zahlen sich die Abteilung Fernsehmassenkommunikationsforschung stützte: Vermutlich beziehen sie sich allein auf das »Erste Deutsche Fernsehen« der

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O.N. 1956b, S. 386. Diese sind noch weitgehend unerforscht. Die bisherige Forschung zu den 1950er Jahren widmete sich vor allem der eingeschränkten technischen Entwicklung des DDR-Fernsehens, dem westlichen Embargo für elektronische Technologien und der Rezeptionstechnik, vgl. u.a. Hickethier/Hoff 1998, S. 185. Für die 1960er Jahre vgl. in Ansätzen Heimann 2002. Die Abteilung Fernsehmassenkommunikationsforschung war der Abteilung Wirkungsforschung unterstellt. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Mayer 1957. Vgl. Schubert/Stiehler o.J.

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ARD, ohne Berücksichtigung der Landesanstalten. 1956/1957 sendete die ARD im Durchschnitt bereits vier Stunden tägliches Programm.170 Der Wert für den Monat Januar, der leicht unter diesem Durchschnitt liegt, passt dabei ins Bild, da das Programmvolumen bis zum Jahresende 1957 stetig zunahm. Wie wurde dieses Ergebnis 1957 diskutiert? Die Tatsache, dass der DFF im Durchschnitt 25 Stunden weniger Programm pro Monat sendete, schätzte man nicht als problematisch ein. Die Aufschlüsselung auf die verschiedenen Tageszeiten zeigte zudem, dass der DFF nur im Nachmittagsprogramm deutlich unterlegen war (westdeutsches Fernsehen 2.185, DFF 1.140 Minuten pro Monat). In den Abendstunden war die Bilanz fast ausgeglichen (3.905 zu 3.835 Minuten), vormittags zeigte der DFF sogar rund dreimal soviel Programm wie das bundesdeutsche Fernsehen (360 zu 100 Stunden).171 Ein weiteres Untersuchungskriterium war der Anteil der verschiedenen Programmgattungen, das ebenfalls Verhältnisse aufzeigte, die sowohl Ausgeglichenheit als auch Verschiebungen zu beiden Seiten beinhalteten. So waren der Analyse zufolge die Anteile der politischen Sendereihen nahezu identisch (westdeutsches Fernsehen 935, DFF 950 Minuten pro Monat), ebenso sah es beim Sport (410 zu 400 Minuten) aus. Auch die Bereiche Unterhaltung und Dramatische Kunst waren relativ ausgeglichen. Dagegen strahlte der Westen deutlich mehr Frauensendungen, Jugendfernsehen, Musik, Kulturelles und populärwissenschaftliche Beiträge aus. Der DFF sendete indessen fast doppelt so viele Spielfilme (470 zu 950 Minuten) und wesentlich mehr Kinderfernsehen als der Westen. Schlussfolgerungen wurden aus diesen Zahlen nicht gezogen. Da das Informationspapier ausdrücklich an das Kollegium des Fernsehfunks, also die Fernsehleitung, adressiert war, sollte die Auswertung wahrscheinlich in diesem Gremium erfolgen. Allerdings ist zu dieser Diskussion kein Protokoll o. ä. überliefert. Aber es ist zu vermuten, dass die von Mayer vorgelegten Zahlen nicht folgenlos blieben. Sie lösten dabei keine massiven Programmveränderungen aus – schließlich waren die Ergebnisse auch nicht wirklich brisant. Aber eigene Mängel bei der Akzentuierung des Programms versuchte der DFF sehr wohl abzuändern: Das von Mayer angeführte Ungleichgewicht bei Frauensendungen wurde 1958 durch einen Zuwachs dieser Sendungen im DFF ausgeglichen. Der Ausbau an Programm speziell für weibliche Zuschauer erfolgte offen vor dem Hintergrund der westlichen Konkurrenz. Die einzige Bewertung des Zahlenmaterials stellte 1957 eine abschließende Bemerkung Mayers dar. Bei der Leistungsintensitätsbeurteilung müsse, so Mayer, beachtet werden, dass das bundesdeutsche Fernsehen über bedeutend mehr Zentren, Studios, Übertragungswagen und Mitarbeiter verfüge als der DFF. Die Sendeleitung hatte Mayers

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Vgl. Hickethier 1993b, S. 180. Diese gelegentlichen Sendungen sind nicht mit dem Vormittagsprogramm Wir wiederholen für Spätarbeiter zu verwechseln, das der DFF im Oktober 1958 einführte. Vgl. dazu Kapitel 3.3.1.

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Abteilung offensichtlich mit einem größeren Leistungsvergleich beauftragt, denn er kündigte an, dass weitere und genauere Angaben über das Potenzial des Westfernsehens folgen würden, die jedoch aufwendig recherchiert werden müssten. Noch im selben Monat wurde ebenfalls zum ersten Mal in der DDR-Presse die bessere Ausrüstung des bundesdeutschen Fernsehens thematisiert. In einem Artikel über die »Zukunftspläne unseres Fernsehfunks« in der Tageszeitung der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD) Der Morgen hieß es: »Der Fernsehfunk der Deutschen Demokratischen Republik verfügt zur Zeit nur über das eine Studio [in Adlershof; C. D.]. Es ist bekanntlich das größte Europas, aber dennoch sind täglich über vier Stunden Sendezeit auch für diese Anlage keine Kleinigkeit. Westdeutschland besitzt acht Studios in seinen verschiedenen Ländern. Es wird ebenfalls nur ein Programm gesendet, so daß also jedes Studio weniger belastet ist.«172 Die Argumentationsstrategie, die mit der Erwähnung der westlichen Überlegenheit verfolgt wurde, kennzeichnete auch zukünftig Aussagen über das Fernsehen der DDR: Zwar wäre dieses dem westlichen Fernsehen materiell unterlegen, aber durch größere Motivation und Leistungsbereitschaft würde es trotzdem bessere Ergebnisse erzielen: »Bedenkt man […], daß der Fernsehfunk der DDR im Durchschnitt je Tag einige Minuten mehr Sendezeit aufweisen kann als der westdeutsche, so drückt sich schon darin die Leistungsfähigkeit unseres jungen Fernsehfunks aus.« Die Aussagen zur Sendezeit widersprachen allerdings der vorab beschriebenen internen Untersuchung, die für das bundesdeutsche Fernsehen ca. 3,7 Stunden und für den DFF 3,3 Stunden tägliche Sendezeit auswies. Diese vom Fernsehfunk ermittelten Zahlen wurden aber sicherlich nicht veröffentlicht. Es steht zu vermuten, dass die Aussagen in der Presse sich entweder auf älteren Angaben bezogen oder aber von eigenen, leicht fehlerhaften Beobachtungen der Zeitungsredakteure stammten. Die Einschätzung von intern gesammelten Informationen und die öffentliche Bewertung schienen sich aber im Jahresverlauf 1957 zugespitzt zu haben. Dies beweist der alarmierende Appell des Rundfunkkomitees an das SED-Politbüro im Dezember 1957. Hermann Ley formulierte die Befürchtungen in Bezug auf beide Medien, Hörfunk und Fernsehen, folgendermaßen: »Wir fühlen uns verpflichtet, Euch auf den gegenwärtigen Stand und die geplante technische Entwicklung des Rundfunks und des Fernsehens unserer Republik aufmerksam zu machen, da wir mit großer Sorge sehen, wie wir technisch immer mehr hinter der Entwicklung in Westdeutschland zurückbleiben. Eine solche Entwicklung hat zur Folge, daß wir in der ideologischen Auseinandersetzung mit den Mitteln des Rundfunks und des Fernsehens in eine immer schwierigere Lage geraten.«173 Dem Rundfunkkomitee ging es offenbar um eine Erhöhung der finanziellen Zuwendungen durch den Staat, nachdem die bekannt gewor-

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Hier und im Folgenden: o.N. 1957i. Hier und im Folgenden: [Q] Ley an das Politbüro, 10.12.1957, S. 1.

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denen Pläne für den 2. Fünfjahrplan keine Verbesserung des Etats für die Funkmedien vorsahen. Die starke Konkurrenz im Westen wurde hierbei als Argument angeführt, wobei besonders die Prognose für die kommenden Jahre als besorgniserregend gekennzeichnet wurde: »Die ausserordentlich starke Entwicklung des westdeutschen Rundfunk und Fernsehens, besonders auch in Richtung gegen die DDR, führt dazu, dass wir im Jahre 1960 im Verhältnis zum westdeutschen Rundfunk und Fernsehen noch wesentlich schlechter dastehen, als das heute bereits der Fall ist. Beim jetzt festgelegten technischen Entwicklungstempo hätten wir dann gegenüber Westdeutschland eine Kapazität von nicht einmal 30%. Auf dem Gebiet des Fernsehens würde sich bei dem jetzt festgelegten Entwicklungstempo des Fernsehens der DDR nicht nur ein relatives Absinken gegenüber Westdeutschland ergeben, es ist auch nicht gesichert, dass die jetzige Kapazität des Fernsehens absolut gehalten werden kann.« Die quantitative Ausweitung des bundesdeutschen Fernsehens bezog sich dabei auf die westlichen Ankündigungen, wonach angeblich ein zweites und sogar ein drittes Fernsehprogramm vorbereitet würden. Einerseits hatten Hörfunk und Fernsehen also durchaus ein Eigeninteresse daran, kenntlich zu machen, dass sie sich in einer harten Konkurrenz zum Westen befanden. Mit dieser Argumentation konnte ein gewisser ›Druck‹ auf die politische Führung ausgeübt werden, von dem sich besonders die Fernsehführung eine ökonomische Verbesserung erhoffte. Andererseits war deren Sorge sicher nicht nur vorgeschoben. Gerade das im letzten Kapitel beschriebene Selbstbild in der Konkurrenz sowie der ernsthafte, politisch motivierte Anspruch, auch für ein westdeutsches Publikum zu senden, sprechen für einen tatsächlich empfundenen Wettbewerb. Es scheint, als ob die bessere Ausrüstung des ›Gegners‹ als ›Aufrüstung‹ angesehen wurde, die eigenes ›Nachrüsten‹ erforderte. Die politisch-ideologische Dimension war dem Rundfunkkomitee dabei bewusst und sie wurde auch instrumentalisiert, wenn es so ausführlich über den technischen Rückstand informierte: »Obwohl wir die Schwierigkeiten kennen, die es beim wirtschaftlichen Aufbau gibt, möchten wir doch die Genossen des Politbüros auf diese Tatsachen aufmerksam machen, weil wir der Meinung sind, dass es sich hier um eine ernste politische Frage handelt.« Die den Medien aufgetragenen Funktionen der ideologischen Beeinflussung der Menschen in Ost und West ließen sich also andersherum auch als Argument für eine gute Positionierung im deutsch-deutschen Wettbewerb verwenden, für die die politische Führung Sorge zu tragen hatte. In dem beigefügten »Zahlenmaterial« wurde das Ungleichgewicht in den räumlichen und technischen Kapazitäten zwischen den westlichen Sendern und dem DDR-Fernsehen detailliert ausgeführt. Wieder wurde beklagt, dass das bundesdeutsche Fernsehen über wesentlich mehr Sendezentren und Fernsehstudios verfüge. Auch das geplante Studio in Leipzig hätte demnach an der »Übermacht des westdeutschen Fernsehens«174 nichts ändern können.

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Hier und im Folgenden: [Q] Ley 1957, S. 2.

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Diese ›Übermacht‹ wurde sorgfältig dokumentiert: Sie hätte sich beispielsweise in der Ausstattung mit Übertragungswagen gezeigt, von denen der DFF drei besäße, wohingegen im Westen mit 20 Wagen gearbeitet worden wäre. Auch die Kooperation innerhalb der Eurovision bevorteilte demnach das westliche Fernsehen, da es zehn Prozent seines Programms mit Eurovisionssendungen bestreiten konnte. Das DDRFernsehen sah sich nicht in der Lage, da mitzuhalten. Es fehlten noch immer Verbindungen mit Prag und Warschau, nur in Ausnahmefällen kam es zu Übernahmen aus dem tschechoslowakischen Fernsehen. Die ostdeutsche Seite ging sogar davon aus, dass sich die geschilderten Verhältnisse bis 1960 weiter zu Ungunsten des DFF entwickeln würden. Hierfür führte man bundesdeutsche Pläne als Beleg an, wonach bis zu diesem Zeitpunkt zwei landesweite Programme sowie Regionalprogramme für die Gebiete des Nordwestdeutschen Rundfunks, Hessens und Bayerns beabsichtigt wären. Zudem hatte man Meldungen verfolgt, die die Einführung eines Werbefernsehprogramms, das als Drittes Programm hätte bezeichnet werden können, ankündigten. Der Bericht, der diese Sachverhalte darstellte, wurde nachweislich an die Politbüromitglieder versandt, in den Protokollen der Politbürositzungen findet sich jedoch kein Hinweis auf eine Diskussion dieses Themas. Die politische Führung sah offensichtlich keinen unmittelbaren Handlungsbedarf, was sich auch darin zeigt, dass die Appelle in den nächsten Jahren fortgesetzt wurden. Trotzdem kann das Jahr 1957 als Wendepunkt beschrieben werden: Von da an ziehen sich Vergleiche, die die Unterlegenheit des DDR-Fernsehens gegenüber dem westlichen Konkurrenten beschreiben, kontinuierlich durch die Überlieferungen der Fernsehführung. Das Westfernsehen wurde dabei in vielen Bereichen zu einem Vergleich herangezogen. Protokolle von Sitzungen der Fernsehleitung und hierarchisch höher angesiedelter Gesprächsrunden belegen, dass diese Gegenüberstellung der Normalfall war und nicht als Ausnahme formuliert wurde. Um ein Beispiel zu nennen: Auf der Leitungssitzung am 19. Januar 1959 kritisierte Adameck die Gestaltung der aktuell-politischen Sendungen. Er forderte Verbesserungen und begründete dies: »Jn [sic!] der Technik sind wir auf dem Gebiet der aktuell-politischen Sendungen gegenüber dem Westfernsehen zurückgeblieben.«175 Diese Argumentation bedurfte für die Anwesenden keiner näheren Erläuterung. Es herrschte Konsens darüber, dass die westlichen Sendungen beobachtet wurden und es legitim war, ihre Machart mit der eigenen zu vergleichen. Auch wenn beiden deutschen Programmen, besonders den politisch-publizistischen Sendungen, unterschiedliche Aufgabenstellungen zugeschrieben wurden, herrschte eine Konkurrenz, auch in Fragen der Gestaltung der Sendungen. Dieser hier einsetzende Trend lässt sich ebenfalls über die folgenden Jahrzehnte weiterverfolgen. Ein Phänomen soll an dieser Stelle noch angeführt werden. Neben den zahlreichen Hinweisen auf die Überlegenheit des westlichen Fernsehens finden sich auch positive Darstellungen der eigenen Stärke. Dies

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[Q] SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk 1959a, S. 5.

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meint nicht nur die phrasenhafte Positionierung als der ›moralische‹ Sieger, als Propagandist der besseren Weltanschauung, sondern auch spezifischere Vergleiche von einzelnen Programmbereichen. Als 1959 über eine grundlegende Änderung des Kinderfernsehens nachgedacht wurde, da dieses auf die veränderten Beschlüssen des Siebenjahrplanes zu Bildung und Erziehung abgestimmt werden musste, wurde eine positive Bilanz im Vergleich zum Westen gezogen. Auf der Tagung der Programmkommission Fernsehen der OIR in Berlin formulierten dies DFF-Vertreter im Referat »Für ein sozialistisches Kinderprogramm im Fernsehen der DDR (unter besonderer Berücksichtigung der polytechnischen Erziehung und Bildung)« folgendermaßen: »Das Kinderfernsehen unserer Republik ist inhaltlich unvergleichlich reicher und ausdrucksstärker in der Form, als das bürgerliche Fernsehen für Kinder in Westdeutschland. […] Ein einfacher Vergleich beider Programme beweißt [sic!] das sehr deutlich.«176 Es folgte eine Gegenüberstellung der Sendungen vom 27. September bis 24. Oktober, in der auf Grundlage westdeutscher Programmveröffentlichungen »Themenkreise« verglichen wurden. So wurde u. a. aufgezeigt, dass das DDRKinderfernsehen zehn Sendungen über »weltanschauliche und staatspolitische Themen« gesendet hätte, das westdeutsche dagegen nur sechs. Was mit dieser inhaltlichen Analyse der Sendungen erreicht werden sollte, wurde leider nicht vermerkt. Vermutlich sollte nachgewiesen werden, dass das DDR-Fernsehen seiner erzieherischen und politisch-propagandistischen Funktion pflichtbewusst nachkam. Es bleibt aber ein interessanter Fakt, dass dies im direkten Vergleich zum Konkurrenzprogramm des westdeutschen Fernsehens untersucht wurde. Anscheinend reichte der quantitative Vergleich und die Tatsache, dass das DDR-Fernsehen fast doppelt soviel Sendezeit für Kinder produzierte nicht aus (in der angegebenen Sendeperiode 24 Stunden, für das westdeutsche Kinderfernsehen wurden 13 Stunden ermittelt). Man versuchte sich auch an einfachen Methoden eines qualitativen Vergleichs, wobei dieser Ansatz ebenfalls in den nächsten Jahrzehnten fortgesetzt und verfeinert wurde. Insgesamt stellten diese Vergleiche, die häufig auf im Westen publizierten Zahlen basierten, eine als eher sachlich zu beurteilende Ebene der Auseinandersetzung mit dem Fernsehen der Bundesrepublik dar. Inhaltlich ging es hier vorwiegend um wirtschaftliche und technische Kapazitäten sowie um Pläne zur Erweiterung des Fernsehangebots. Diese Analysen stehen im Gegensatz zu Untersuchungen über die ideologischen Zielstellungen des Westfernsehens, die keine realistische Beurteilung der Verhältnisse darstellten, sondern als reine Unterstellungen zu kennzeichnen sind. In letzteren wurde ein klassisches Feindbild aufgebaut, während die oben vorgestellten Quellen eher die Beobachtung eines Konkurrenten darstellten. Allerdings wurde auch das nüchternere statistische Material genutzt, um den Konkurrenten als übermächtig zu charakterisieren, wovon sich die Rundfunkführung, wie oben dargestellt, strategische Vorteile versprach.

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[Q] Deutscher Fernsehfunk – Kinderfernsehen 1959, S. 48.

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3.2.2 K RIEGSTREIBER A DENAUER . D AS F EINDBILD DER WESTDEUTSCHEN P OLITIK Die ideologischen Absichten, welche dem westlichen Fernsehen unterstellt wurden, waren eng verknüpft mit dem verzerrten Bild der Bundesrepublik, das von der ostdeutschen Führung aufgebaut wurde. Letztendlich wurde das westliche Fernsehen als verlängerter Arm der bundesdeutschen Regierung begriffen. Analog zum eigenen Selbstbild als ›Waffe der Partei‹ unterstellte man ihm, ebenfalls Erfüllungsgehilfe der westdeutschen Politik zu sein. Das Feindbild vom anderen deutschen Staat und seiner politischen Führung, das von den DDR-Medien verbreitet werden sollte, ist darum an dieser Stelle mit zu betrachten. Es ist in den vorangegangenen Kapiteln bereits angerissen worden, soll aber im Folgenden noch einmal umfassender dargestellt werden. Dies lohnt aus zwei Gründen: Zum einen weisen alle Zuschreibungen in den Fernsehüberlieferungen, die Personen und Institutionen der Bundesrepublik betreffen, in den 1950er Jahren eine Schärfe auf, die in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr erreicht wurde. Dies ist umso beachtlicher, da die DDR damals formal noch eine Wiedervereinigung mit dem westlichen Teil Deutschlands anstrebte. Gleichzeitig wurde aber von der Propaganda ein Bild verbreitet, welches die Bundesrepublik zum feindlich Bösen stigmatisierte. Zum anderen setzten sich die Etikettierungen in Bezug auf das westliche Deutschland, die sich in den Fernsehunterlagen der 1950er Jahre finden, in der gesamten Bestehenszeit des DDR-Fernsehens fort. Zwar änderten sich Intensität und Nuancen des Bildes, der Grundtenor aber blieb bestehen. Die Aussagen und Bewertungen der westdeutschen Politik, die im Schriftgut des Fernsehens überliefert wurden, verdeutlichen dabei zwei Ebenen, die schwer voneinander zu trennen sind: Zum einen die Bilder und Auffassungen, die im Auftrag der politischen Führung durch das Fernsehen vermittelt werden sollten und zum anderen die Stereotypen, die handlungsanleitend für die fernsehinternen Planungen und Entscheidungen waren. Insgesamt lassen sich diese Feindbilder in das ›große‹ Narrativ ›Feindbild Bundesrepublik‹, welches die DDR in den 1950er Jahren kennzeichnete, einordnen. Darum wird im Folgenden auf die Ergebnisse der Feindbildforschung Bezug genommen, wobei zu diesem Jahrzehnt im Besonderen auf die Ergebnisse der Historikerin Monika Gibas eingegangen werden soll.177 Gibas stellt heraus, dass in der DDR das Bild vom eigenen Staat sehr eng mit dem Bild der Bundesrepublik verknüpft war. Sie weist diese Verbindung als das »fundamentale Muster« nach, welches für das Selbstbild der politischen und kulturellen Eliten der DDR konstituierend war. Das Selbstbild der DDR ist demnach aus der »Projektionsfläche und Kontrastfolie« des anderen deutschen Staates entwickelt worden.178 Die Gründe hierfür sieht Gibas darin, dass die politische Führung die Gründung zweier deutscher Staaten als schwere Niederlage er177 178

Vgl. Gibas 2004. Ebd., S. 76.

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lebt hätte. Die Staatsgründung der DDR 1949 stellt sie dabei als Reaktion auf die Konstituierung der Bundesrepublik dar, die den eigentlichen Interessen der ostdeutschen Führung und der Sowjetunion zuwider gelaufen wäre. Ihr ist bei der Beurteilung der historischen Situation 1949 sicher zuzustimmen: Die SED-Führung präferierte zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch einen gesamtdeutschen Nationalstaat. Auf die Veränderungen in den ostdeutschen Zielstellungen im Verlauf der 1950er Jahre geht Gibas leider nicht ein. Ihr Ansatz kann im Rahmen dieser Arbeit trotzdem produktiv für die Untersuchungen zum DDR-Fernsehen verwendet werden. Gibas ermittelte nämlich die Hauptmotive des ›BRD‹-Bildes der 1950er Jahre, indem sie offizielle Verlautbarungen der SED-Führung und propagandistische Einzelschriften analysierte. Für den Forschungsgegenstand der vorliegenden Untersuchung lohnt ein Vergleich dieser von Gibas beschriebenen zentralen Narrative und den Feindbildern in den Überlieferungen des DFF. Zum einen lässt sich das Feindbild der Fernsehführung damit systematischer darstellen. Zum anderen kann man so der Frage nachgehen, ob sich diese Feindbilder komplett in den großen Hauptmotiven verorten lassen oder ob sie Besonderheiten aufweisen. Gibas konstatiert vier große Narrative des Feindbildes ›Westdeutschland‹: Erstens sei die BRD eine Kolonie des US-amerikanischen Imperialismus. Westdeutschland würde zweitens remilitarisiert und damit zur Ausgangsbasis für einen neuen Krieg. Drittens würde der deutsche Imperialismus restauriert, die alten Konzernherren und Militaristen kehrten an die Macht zurück. Schließlich sei die Bundesrepublik viertens als ›klerikal-faschistisches Regime‹ zu entlarven.179 Als Besonderheit dieser Narrative hebt Gibas hervor, dass sie sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Das Hauptmotiv der Stereotypen verortet sie in der Kapitalismus- bzw. Imperialismustheorie des Marxismus-Leninismus: Kapitalismus und Imperialismus wären demnach expansionistische Gesellschaftssysteme, die ihrer wirtschaftlichen Verfasstheit gemäß zum Krieg drängen würden und die zur Ausprägung einer faschistischen Ordnung neigten. Dieses Paradigma wäre für die Politiker und Gesellschaftswissenschaftler der DDR immer ausschlaggebend bei der Beurteilung der Bundesrepublik gewesen. Welche Narrative lassen sich nun auf der Ebene der Fernsehführung nachweisen? Und: Unterliegen sie dem beschriebenen Paradigma? Die Kolonialisierungsthese als erstgenanntes Narrativ fällt heraus, ihre Hochzeit lag vor der hier untersuchten Phase 1955 bis 1959. Topoi dieser Art fanden sich bereits ab 1948 im Sprachgebrauch ostdeutscher Politiker. Wie lange dieses Argumentationsmuster beibehalten wurde, darüber gibt Gibas keine genaue Auskunft. In den Fernsehunterlagen finden sich zwar Forderungen nach der Entlarvung der »Weltherrschaftspläne der USA«180, im Allgemeinen wurde die Bundesrepublik aber als eigenverantwortlich handelnd charakterisiert. Der ›Haupt-

179 180

Vgl. hier und im Folgenden: ebd., S. 87-89. [Q] o.N. 1958a, S. 2.

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feind‹, den die Propaganda darzustellen versuchte, war nicht die USA, sondern die Bundesrepublik Deutschland. Dies wird beim zweiten Narrativ, der Remilitarisierungsthese, sehr deutlich. Dieses Argumentationsmuster kann für die Fernsehüberlieferungen als das am stärksten wirksame herausgestellt werden.181 Bereits aus der Versuchsphase des Fernsehens sind Aussagen überliefert, die die Bundesrepublik als Kriegstreiber darstellten. Auf sie bezogen hieß es 1955: »Wer jedoch Verläumdungen [sic!], Haß, Mißtrauen und chauvinistische Hetze zwischen den Völkern sät, der will nicht Freundschaft, sondern Feindschaft zwischen den Völkern, der will nicht Frieden, sondern Krieg.«182 Zwei Jahre später beteiligte sich der DFF an der »ideologische[n] Offensive gegen die Politik des Militarismus der Bonner Regierung« der Abteilung Agitation. Mit dieser Propagandaoffensive sollte ein Bedrohungsszenario von der Bundesrepublik als gefährlicher ›Feind‹ der DDR durch alle Medien vermittelt werden. Als »Hinweise für die Argumentation« wurde den Medien folgendes Feindbild nahe gelegt: »Die Bonner Politik ist darauf gerichtet, vor allem die DDR zu liquidieren und sie in ihren Herrschaftsbereich einzugliedern. […] Darum braucht Bon [sic!] ein militaristisches Regime.«183 Im Jahr 1958 wurde die »Entlarvung des militaristisch-klerikalen diktatorischen Charakters des Bonner Staates [als] eine wichtige Aufgabe des politischen Kampfes«184 der Medien noch einmal vehement von der politischen Führung der DDR eingefordert. Die Vorgabe wurde als ein Beschluss des V. Parteitages im Schriftverkehr des Fernsehens nun noch häufiger aufgegriffen. Immer wieder wurde beschworen, dass nun »da Westdeutschland zum Zentrum der Kriegsgefahr in Europa geworden ist«, die aktuell-politischen Sendungen des Fernsehfunks »der Zerschlagung der Bonner Kriegsabsichten und der Mobilisierung der Volksmassen in Westdeutschland für den Kampf gegen die atomare Aufrüstung« dienen müssten. Dieses Feindbild von der ›Wiederbewaffnung Westdeutschlands‹ unterstützte viele Ziele der deutschlandpolitischen Position der SED. Die Westintegration der Bundesrepublik konnte anhand der militärischen Eingliederung in die NATO angeprangert und die Bundesrepublik für das Ausbleiben der Deutschen Einheit verantwortlich gemacht werden. Der ostdeutsche Standpunkt hierzu lautete: »Auf der Basis des Militarismus – der Nato-Basis – kann es keine Wiedervereinigung geben.«185 Vor dem Hintergrund der Anklage des Militarismus in der

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Auch für den nach Westen sendenden Deutschlandsender stellte der ›Kampf gegen die Remilitarisierung‹ eines der inhaltlichen Hauptmotive dar. Arnold zufolge versuchte man mit dem Hörfunkprogramm bereits ab 1949 gegen die beginnende Westintegration der Bundesrepublik zu agitieren, vgl. Arnold 2002, S. 276-281. [Q] o.N. 1955a, S. 2. [Q] Abteilung Agitation/Presse-Rundfunk 1957, S. 4. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1958a, S. 2-3. Hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Agitation/Presse-Rundfunk 1957, S. 4-5.

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Bundesrepublik konnte man zudem sehr gut die eigenen Friedensabsichten abheben und ein positives Bild der DDR zeichnen. Dies trifft ebenso für das dritte Hauptmotiv, die Erzählung von der Restauration, zu. Auch diese Ebene des Feindbildes findet sich in den Fernsehüberlieferungen, mit all den von Gibas definierten Inhalten. Die wiederholte Machtergreifung der industriellen und finanzstarken Eliten würde demzufolge den militaristischen Charakter der Bundesrepublik erklären. Hierbei wurde eine deutliche Parallele zur Entwicklung im Nationalsozialismus konstruiert. Für die Verbreitung dieser Idee sorgte die Abteilung Agitation, die den Medien den »Klassencharakter des Militarismus« als Argumentationsmethode empfahl: »Das Bestehen einer Armee bedeutet nicht Militarismus, sondern Militarismus ist eine Erscheinung der kapitalistischen Klassengesellschaft. Er dient den Monopolherren und Junkern zur Erhaltung ihres Ausbeutungssystems und zum Versuch einer Ausdehnung durch Krieg.« Der Fernsehfunk hatte sich dieser Position durchaus angenommen. In den »Richtlinien für die Arbeit der Redaktionen des Staatlichen Rundfunkkomitees – Deutscher Fernsehfunk« hieß es dazu: »Wichtig ist es, den Zusammenhang zwischen Konzentration der großen kapitalistischen Unternehmen und Kriegstreiberei aufzuzeigen.«186 Auch die Thematisierung einer angeblich krisenhaften Entwicklung der kapitalistisch geprägten Länder findet sich häufig in den politischen Erklärungen des Fernsehens. Hierbei wird die ideologische Komponente, die den tatsächlichen Bedingungen in der westlichen Welt widersprach, besonders deutlich. Die krisenhaften Prozesse im anderen deutschen Staat und bei seinen Verbündeten begründete man nicht mit Zahlen oder konkreten Sachverhalten, sondern sie wurden aus den Lehren des Marxismus-Leninismus abgeleitet: »Bei der Gestaltung von Sendungen über das kapitalistische Weltsystem werden die von Lenin charakterisierten Widersprüche des Imperialismus zu Grunde gelegt: 1. Der wachsende Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit. 2. Der wachsende Widerspruch zwischen den imperialistischen Staaten. 3. Der wachsende Widerspruch zwischen den imperialistischen Mutterländern und ihren Kolonien.«187 Dem Vergleichsaspekt zwischen den politischen Blöcken kam dabei eine besondere Bedeutung zu. Den krisenhaften Zügen des kapitalistischen Systems sollte selbstredend die positive Entwicklung der sozialistischen Staaten entgegengesetzt werden. Auch dies wurde weltanschaulich nachgewiesen: »Bei der Gestaltung von Sendungen über das sozialistische Lager soll ausgegangen werden von einem Satz von Karl Marx aus der Kritik zum Gothaer Programm: Der Reichtum einer Nation begründet sich in den Bodenschätzen und der schöpferischen Kraft seiner Menschen. Unter den Bedingungen einer sozialistischen Gesellschaftsordnung bedeutet die folgerichtige Weiterentwicklung dieser Er-

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[Q] Sekretariat des Kollegiums 1958, S. 2. Hier und im Folgenden: [Q] Zeitgeschehen 1959, S. 2.

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kenntnis, dass das Grundgesetz des Sozialismus wirksam wird: Befriedigung der maximalen materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Werktätigen.« Konkret in Bezug auf die Bundesrepublik wurde Ende der 1950er Jahre eine selbstbewusste Position verbreitet, die später, im Angesicht der realen Lebensbedingungen, vorsichtiger formuliert wurde: »Vom Grundsätzlichen her muß die Gegenüberstellung von Kapitalismus und Sozialismus angefaßt werden. Planmäßiger Aufstieg hier, gesetzmäßige Krisenerscheinungen in den kapitalistischen Ländern. Mit besonderer Sorgfalt sind alle Hinweise auf die Konjunkturabflachung im Westen zu verfolgen, je nach Umfang des Materials in Nachricht, Kommentar und Wirtschaftsendung usw. auszuwerten.«188 Das Fernsehen griff dabei auf die offizielle Argumentation der SED zurück. Dass die Partei die Entwicklung in der Bundesrepublik exorbitant falsch beurteilt hat, wird heute von Historikern bestätigt: »Die inzwischen gesellschaftsbestimmende Modernisierung wurde im wesentlichen weiter als Restauration begriffen, was die Konsequenz nach sich zog, die Wirklichkeit im Sinn der dogmatischen Restaurationsthese deuten zu müssen. In dem Maße wie sich z. B. der Lebensstandard im Westen erhöhte, beschrieb ihn die ostdeutsche Propaganda als dessen Verschlechterung.«189 Das Fernsehen versuchte dementsprechend ein negatives Bild von der Bundesrepublik zu verbreiten, das auch den persönlichen Erfahrungen der Ostdeutschen, die in diesen Jahren noch möglich waren, widersprach. Dies gilt auch für den von Gibas beschriebenen Aspekt der Ausbeutung und Unterdrückung der arbeitenden Klasse. Die Abteilung Agitation verwies dabei auf die Funktion des Militarismus in der Bundesrepublik: »Er ist ein Unterdrückungsinstrument im Innern, wobei zuerst und am brutalsten die Arbeiterklasse und ihre Organisationen terrorisiert werden (KPD-Verbot – FDJ-Verbot).«190 Diese angebliche Tatsache wurde allerdings gleichfalls aus dem »Grundgesetz des Kapitalismus« hergeleitet, das der Marxismus-Leninismus bereitstellte: »Sicherung des Maximalprofits durch Ausbeutung, Ruinierung und Verelendung der Mehrheit der Bevölkerung«191. Bleibt noch das vierte Narrativ Gibas’, die Refaschisierungsthese: Auch dieses Erzählmuster lässt sich in den Fernsehunterlagen nachweisen, wenn auch nicht im selben Umfang wie die zwei vorangegangenen. Da es aber in der sozialistischen Propagandakonstruktion schlüssig mit den beiden anderen Motiven verbunden war, durfte es anscheinend im Fernsehen nicht fehlen. Erst die drei Zuschreibungen militaristisch, reaktionär und faschistisch ergaben das komplette Feindbildkonstrukt von der Bundesrepublik.192

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[Q] Sekretariat des Kollegiums 1958, S. 2. Lemke 2001b, S. 242. [Q] Abteilung Agitation/Presse-Rundfunk 1957, S. 6, Hervorh. im Original. [Q] Zeitgeschehen 1959, S. 2. Zum besonderen Charakter des Feindbildnarrativs Faschismus, als einer geradezu universellen Gegnerkategorie, die in der frühen DDR auf den gesamten Westen angewendet wurde, vgl. Classen 2004.

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Wie stark die Motive als miteinander verwoben dargestellt wurden, zeigt folgendes Beispiel: Die Abteilung Agitation beantwortete die Frage, warum es eine »Bonner Atom-Armee« gäbe mit der Begründung: »Hitlers geschlagene Generäle planen Revanche. Die Großmachtträume der Bonner Politiker bedrohen die Völker Europas, in erster Linie das deutsche Volk.«193 Der Militarismus leitete sich dieser Auffassung zufolge aus verbliebenen faschistischen Einstellungen her und die Militarisierung begünstigte wiederum die reaktionären Profiteure eines angestrebten Krieges. Die Sendungen des Fernsehfunks sollten dementsprechend die »Atomkriegspolitik der Adenauer-Clique, die sie im Auftrag der durch sie repräsentierten klerikal-faschistischen Reaktion betreibt«194 entlarven. Mit diesem Zitat ist bereits der letzte Komplex des fernsehinternen Feindbildes von der Bundesrepublik eingeführt, der hier dargelegt werden soll: Die Zuspitzung aller negativen Zuschreibungen auf die Person Konrad Adenauers.195 Wie sehr sich das DDR-Fernsehen in den SEDPlan, Adenauer zu entmachten eingebracht hatte, wurde im vorangegangenen Kapitel zum Wahlkampf 1957 bereits betrachtet. Ein wichtiges Motiv dieser Bemühungen wird an dieser Stelle nachgereicht: Adenauer war das zentrale Sujet der ostdeutschen Feindbildpropaganda der 1950er und frühen 1960er Jahre. Gibas bezeichnet ihn als »negativen Helden«196. Diese herausgehobene Stellung in der rituellen Schuldzuweisung und Denunziation lässt sich auch in den Fernsehunterlagen nachweisen. Im Vorfeld der Wahlen von 1957 wurde die »Hauptaufgabe des Sektors Westdeutschland in der Aktuellen Kamera« in der »Entlarvung Adenauers und seiner CDU-Clique als Hauptfeind des deutschen Volkes« festgelegt.197 Lemke, der das Adenauer-Bild der SED ausführlich untersucht hat,198 verweist auf die Gleichsetzung der Person mit der gesamten Bundesrepublik durch die DDR-Propaganda: »Der erste Bundeskanzler stellte für das SED-Politbüro über zwei Jahrzehnte die allgemeinste Zusammenfassung und Inkarnation der Bundesrepublik dar. Sie war der ›Adenauer-Staat‹, und Adenauer repräsentierte ihn nicht schlechthin; er war die Bundesrepublik.«199 Genau diese Identifikation vollzog auch das DDR-Fernsehen, wenn es 1958 festlegte, dass die Arbeit des DFF »beständig den aggressiven, militaristisch-imperialistischen Charakter des Adenauer-Staates bloßzulegen« hatte. Konkret sollte das Fernsehen dazu beitragen, die »Nato-Atomkriegspolitiker […] zu isolieren und zu

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[Q] Abteilung Agitation/Presse-Rundfunk 1957, S. 5. [Q] Liebeskind/Theek 1958, S. 1. Zum Adenauer-Bild der DDR vgl. ausführlich Hockerts 1996, zu den Medienkampagnen der ZK-Abteilung Agitation und der Agitationskommission vgl. im selben Band Holzweißig 1996. Gibas 2004, S. 94. [Q] o.N. 1957d, S. 1. Vgl. Lemke 1996; 1998. Lemke 1998, S. 103.

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schlagen«200. Auch dies deckt sich mit den Einschätzungen Lemkes, dass die SED Adenauer ab 1957 zum »Atomkanzler« qualifizierte.201 Eine Gleichsetzung von Adenauer und Hitler, die Satjukow und Gries zufolge andere DDR-Medien gern vornahmen,202 findet sich allerdings im untersuchten Material des DDR-Fernsehens nicht.203 Gibas wie Lemke begründen das starke Adenauer-Feindbild auch mit persönlichen Feindschaften zwischen den SED-Eliten und dem Bundeskanzler. Gibas sieht in Adenauers Bekenntnis zum Antikommunismus die Ursache für seine Wahrnehmung als ›Feind‹ der DDR.204 Lemke verweist dagegen auf die persönliche Animosität Ulbrichts gegenüber Adenauer. Diese war laut Lemke nicht ausschließlich ideologischer oder politischer Art, sondern eher auf der Ebene von persönlichen Kränkungen angesiedelt: »Daß der Herr im Palais Schaumburg politisch und weltanschaulich ganz andere Positionen als er vertrat, empörte Ulbricht nicht so sehr wie die Tatsache, daß er als deutscher Staatsmann von Adenauer nicht wahrgenommen wurde und daß dieser sich weigerte, mit ihm in dieser Eigenschaft zu verhandeln.«205 Durch die zentrale Anleitung der Medien, die von dem verhältnismäßig kleinen Personenkreis des innersten Machtzirkels ausging, konnten persönliche Einstellungen, wie die von Lemke beschriebenen, durchaus ausschlaggebend für die Ausformulierung eines Feindbildes sein. An dieser Stelle lässt sich folgende Beobachtung zusammenfassen: Die zentralen Feindbilder der DDR, die durch die oberste Führung der SED initiiert wurden, hat das Fernsehen übernommen und zu verbreiten versucht. Die grundsätzlichen Positionen im untersuchten Quellenmaterial zum DDR-Fernsehen lassen sich vollständig in die gängigen Analysen zur Feindbildkommunikation der DDR einordnen. Sie weisen keine herausragenden Besonderheiten auf, das Fernsehen wurde durch die Abteilung Agitation diesbezüglich genauso angeleitet wie die anderen Medien auch. Programmentscheidungen wurden mit Feindbildnarrativen begründet, die weniger aus aktuellen Anlässen als vielmehr aus der marxistisch-leninistischen Ideologie resultierten. Die Einstellung der Fernsehführung zum anderen deutschen Staat kann damit nur als politisch-konform und ideologiegeprägt charakterisiert werden. Es herrschte die Mentalität der ›Kalten Krieger‹. Selbst wenn es davon abweichende Positionen gegeben hat, konnten oder durften diese nicht schriftlich fixiert werden.

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[Q] Liebeskind/Theek 1958, S. 1. Vgl. Lemke 1998, S. 108. Vgl. Satjukow/Gries 2004a, S. 34. In den Beiträgen des Deutschlandsenders weist Arnold das Motiv »Adenauer als Hitler ohne Uniform« allerdings nach. Beispielhaft führt er einen Kommentar Herbert Gessners und einen Beitrag Karl-Eduard von Schnitzlers, beide aus dem Jahr 1954, an. Vgl. Arnold 2002, S. 362-365. Für die späteren Jahre bezeichnet Arnold die NS-Vergleiche sogar als »Standardelement« des Deutschlandsenders, ebd., S. 436. Vgl. Gibas 2004, S. 100. Lemke 1998, S. 110-111.

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Die inhaltliche Beschäftigung mit der Bundesrepublik und damit einhergehend die Verbreitung von Feindbildern war beim DFF hauptsächlich der »Konterpropaganda« zugeordnet. Diese Form der Publizistik war durchaus wörtlich zu nehmen: Die Propaganda gegen die Bundesrepublik und das Lager der ›kapitalistischen‹ Länder verstand sich als Erwiderung auf westdeutsche Medieninhalte. Hier war bereits das Feindbild der angeblich stetigen antisozialistischen Hetzkampagnen der bundesdeutschen Medien ausschlaggebend, das im folgenden Abschnitt dargestellt wird. Das DDR-Fernsehen wollte diesen angeblichen Kampagnen des Westens mit der eigenen Publizistik immer einen Schritt voraus sein: »Die Konterpropaganda hat mit die Aufgabe, dem Gegner möglichst keine Zeit zu lassen, sich störend in innere Fragen der DDR einzumischen, indem sie ihn ständig in seinen eigenen Problemen angreift und in die Verteidigung drängt.«206 An der konterpropagandistischen Arbeit des DFF beteiligten sich ab 1958 alle Redaktionen, die Verantwortung und die Koordinierung oblagen Liebeskind und dem Stellvertreter des Intendanten Zahlbaum. Die Sendung Telestudio-West verstand sich dabei als ständige und aktuelle Konterpropaganda des DDR-Fernsehens. Die konterpropagandistischen Programmbeiträge verfolgten zwei zentrale Ziele, die fast stellvertretend für den ideologischen Anspruch des gesamten Programms stehen könnten: »Den Zuschauern in Westdeutschland bzw. in Westberlin müssen die Augen geöffnet werden für die realen Verhältnisse in Deutschland. […] Gleichzeitig sollen die Sendungen dazu beiträgen [sic!], noch rückständige Bürger der DDR im Sinne einer klaren Parteinahme für unsere Friedenspolitik zu beeinflussen.« Für die Sendungen der Konterpropaganda war es dabei charakteristisch, dass, wenn ihre Macher über die Wirkungsabsichten nachdachten, sie das westdeutsche Publikum an erster Stelle aufzählten. Die von der SED aufgebauten Feindbilder der Militaristen, Revanchisten und Faschisten, die vermeintlich die Bundesrepublik regieren würden, sollten das Vertrauen der Bundesbürger in ihren Staat schwächen. Die zweite erhoffte Wirkung war, einen Paradigmenwechsel in der Einstellung der eigenen Bevölkerung zu erreichen: Der Westen als Projektionsfläche der Sehnsüchte und Wünsche unzähliger Ostdeutscher sollte zum verzerrten Spiegelbild der friedlichen DDR werden – einem Ort, der Ängste auslöste und keinen Anreiz zur Republikflucht darstellte. 3.2.3 D ER » IMPERIALISTISCHE C HARAKTER DES W ESTFERNSEHENS «. S PIONAGE -P ARANOIA UND U NTERSTELLUNGEN Das politisch initiierte negative Bild von der Bundesrepublik gehörte für das leitende Personal der DDR-Medien zum Alltag. Ob und in welchem Ausmaß sie es auch als Realität ansahen, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Man kann aber sehr wohl nachweisen, dass die Ausdifferenzierung des Feindbildes vom anderen deutschen Staat für die Me206

Hier und im Folgenden: [Q] Liebeskind/Theek 1958, S. 1-2.

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dien immer wieder einen Handlungsrahmen vorgab: Die Aktivitäten der Bundesrepublik wurden demzufolge als per se gegen die DDR gerichtet interpretiert, ihre Medien konnten folglich nur der antisozialistischen Propaganda dienen. Positionierte man sich öffentlich zum westlichen Hörfunk und Fernsehen – wie Willy Perk in seiner Funktion als Erster Stellvertreter des Rundfunkkomitee-Vorsitzenden 1958 – attestierte man diesen Medien, dass sie »in Adenauers Daumenschrauben« gefangen wären und eine »Gleichschaltung« durch die Bundesregierung kontinuierlich betrieben würde.207 Die SED-Führung beschäftigte sich während der gesamten Existenz der DDR mit den westlichen Medien. Information wurden gesammelt, Programme und Sendungen verfolgt und alles ›wissenschaftlich‹ im Sinne der Partei-Ideologie ausgewertet. Auch die Staatssicherheit wurde für diese Zwecke eingespannt. Durch diesen pseudowissenschaftlichen Diskurs wurden Feindbilder der westlichen Medien geschaffen, die auch für die Fernsehführung verbindlich waren.208 Innerhalb dieser Feindbilder hatte das Fernsehen seine Konkurrenten im Westen zu beurteilen und sich selbst dagegen zu positionieren. Was sich konkret aus den Überlieferungen zu diesem Feindbildkonstrukt der westdeutschen Funkmedien beisteuern lässt, soll in die vorliegende Arbeit einfließen. Dies ist umso lohnender, da die Zuschreibungen in den untersuchten Phasen unterschiedliche Konjunkturen erfuhren. Bereits in den 1950er Jahren unterstellte das Fernsehen dem Konkurrenten dementsprechend nur die schlechtesten Absichten. Eine systematische und institutionsübergreifende Beschäftigung mit dem westlichen Fernsehen ist allerdings – im Gegensatz zu den folgenden Jahrzehnten – nicht nachweisbar. Die Thematisierung der angeblichen westlichen Infiltrationsversuche auf die DDR-Bevölkerung erfolgte punktuell, wobei das Muster der Argumentation beinahe rituellen Charakter hatte. Dies soll am Beispiel der Redaktion Unterhaltung verdeutlicht werden: Der Konzeption zum Herbst- und Winterprogramm 1957/58 stellte die Redaktionsleitung einige Bemerkungen zu den Aufgaben der Redaktion voran, die die Ausstrahlung von Unterhaltung zu einem Kampf zwischen Gut und Böse stilisierten: »Der Aufbau des Sozialismus in der DDR vollzieht sich unter den komplizierten Bedingungen einer weiten offenen Grenze zum imperialistischen Lager. Die Feinde des

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Perk 1958, S. 9 und 11. Mit dem Begriff des ›pseudowissenschaftlichen Diskurses‹ soll im Folgenden eine Differenz zur seriösen wissenschaftlichen Forschung markiert werden. Die ›pseudowissenschaftliche‹ Forschung fand an der Parteihochschule »Karl Marx« beim ZK der SED und an der Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig statt. Sie rekurrierte stets auf das staatlich vorgegebene Feindbild vom Fernsehen der BRD und gewann ihre Erkenntnisse nur aus dieser Fiktion. Dagegen setzte die objektivere DDR-Fernsehforschung (Zuschauerforschung, Jugendforschung) auf Datenerhebungsmethoden, die durchaus zu systemkritischeren Ergebnissen kommen konnten und zumeist im Nachhinein ideologisch konform interpretiert werden mussten.

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Sozialismus versuchen unaufhörlich über ihren Rundfunk und durch spezielle Agenturen mit dem Mittel dekadenter, demoralisierender Musik- und Unterhaltungsprodukte den Willen der Volksmassen für den sozialistischen Aufbau zu untergraben und in allen ethischen, moralischen und sittlichen Fragen Chaos und Verwirrung zu stiften. Deshalb muss die Programmgestaltung der Redaktion Unterhaltung ein klarer Ausdruck für den ständigen Kampf gegen den zersetzenden Einfluss der amerikanischen Unkultur sein.«209 Im Selbstbild der Redaktion stellte folglich die Abgrenzung von den westlichen Unterhaltungsangeboten ein wesentliches Moment dar. Dabei wollte man mehr, als sich nur unterscheiden; das eigene Programm wurde als Beitrag einer Auseinandersetzung konzipiert. Diese Konkurrenzsituation wurde in der Terminologie des Kalten Krieges beschrieben: »Die Redaktion Unterhaltung erfüllt ihre Aufgaben mit in der vordersten Linie der ideologischen Front.« Der hier angesprochene ›Kampf‹ wurde weniger um Zuschauer, sondern vielmehr gegen unterstellte, feindliche Absichten eines ideologischen Konkurrenten geführt. Das westliche Fernsehen war allerdings nicht der einzige mediale ›Feind‹, dem sich die Rundfunk- und Fernsehführung ausgesetzt sah. Neben den westdeutschen Hörfunkprogrammen (hier vor allem der RIAS210 und der SFB211) wurde auch das amerikanische Fernsehen öffentlich als potentieller Störenfried für die DDR behandelt. Dies lässt sich zwar nicht mehr im Schriftgut des Fernsehens nachweisen, aber in der ostdeutschen Rundfunk- und Fernsehzeitschrift ist eine umfangreiche, öffentliche Thematisierung der angeblichen amerikanischen »Fernseh-Hetze«212 überliefert. Die als »Organ des Rundfunkkomitees« verfasste Zeitschrift druckte in den 1950er Jahren mehrere Beiträge, die das DDR-Publikum über den antikommunistischen Charakter eines Fernsehprogramms ›aufklärten‹, welches völlig außerhalb ihrer Erfahrungswelt agierte. Das eindrucksvollste Beispiel stellt ein Artikel aus dem Jahr 1958 dar, der von einer amerikanischen Fernsehsendung zur Geschichte der DDR handelt. Die Welt hatte darüber in einem »Eigenbericht aus New York« informiert und Unser Rundfunk übernahm von der westlichen Zeitung in polemisierender Art nicht nur Inhalte und sondern auch den Titel. Brisant war die Sendung der Columbia Broadcasting System vor allem durch die Dokumentation der Ereignisse vom 17. Juni 1953 gewesen. Darin sah die DDR-Rundfunkzeitung dann auch das aufhetzende Moment und kommentierte den Inhalt des Presseberichts zur Sendung scharf: »Sanitätswagen kreisen durch die Straßen, sammeln die Toten und Verwundeten. Hier und da ein Schrei der Angehörigen. Dann nächtliche Stille um das Brandenburger Tor. Der 17. Juni 1953

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Hier und im Folgenden: [Q] Deutscher Fernsehfunk, Redaktion Unterhaltung 1957, S. 2. Vgl. beispielsweise die Artikel »Giftspinne im Äther«, o.N. 1959b und »Der Rias sagte gar nichts«, o.N. 1959a. Vgl. u.a. »Der Advokat der Wallstreet und der SFB«, o.N. 1957a. Hier und im Folgenden: o.N. 1958b.

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geht seinem Ende entgegen. Nahezu 300 Tote und 10000 Verletzte zählt die aufständische Arbeiterschaft… Hoppla! […] Wer will uns weismachen, daß 300 Tote von den Straßen gesammelt wurden, nachdem der von amerikanischen und westdeutschen Agenten organisierte Putschversuch kläglich zusammengebrochen war?« Der Verfasser wertete die Sendung als »USA-Fernseh-Unverschämtheit« und unterstellte den Produzenten antikommunistische Hetze als eine Art von kriegseinleitender Propaganda: »Gift und Haß werden den amerikanischen Fernsehteilnehmern injiziert – als ideologische Vorbereitung eines Atomkrieges. Die amerikanischen Generale brauchen gewissenlose Landsknechte mit vernebeltem Verstand, um ihre Atombomben über deutschen Städten ausklinken zu können.« Die hier verwendete Metapher des Giftes gehörte – wie auch die des ›Gegengiftes‹ – zum festen Repertoire der Kalten-Krieg-Semantik sowohl im Selbst- als auch im Feindbild der Medienbeschreibung.213 Im vorliegenden Beispiel charakterisierte diese Metapher eine den DDR-Zuschauern unbekannte Fernsehsendung. Dieser Sendung wurde damit ein manipulativer Charakter gegenüber dem US-Publikum zugeschrieben, der in schlimmster Konsequenz zur Ausrottung der ostdeutschen Bevölkerung hätte beitragen sollen. Dieses Ausmaß an negativer Zuschreibung übersteigt allerdings deutlich die zeitgenössischen Kommentare zu westdeutschen Fernsehprogrammen, die in diesen Jahren auch quantitativ seltener waren. Das amerikanische Fernsehen stellte also eine Art ›Umweg‹ dar, über welchen dem ostdeutschen Publikum die verheerenden Auswirkungen von nichtsozialistischer Propaganda vermittelt werden sollten – ohne den unerwünschten Nebeneffekt, dabei für Programme zu werben, die die Adressaten dann tatsächlich einschalten könnten. Wie wandelbar das Feindbild vom Fernsehen in den USA dabei war, belegt ein Bericht, der nur anderthalb Jahre später in derselben Zeitschrift erschien: Anlässlich eines Interviews, das Walter Ulbricht der Westinghouse Broadcasting Company am 23. November 1959 gegeben hatte, wurde das amerikanische Fernsehen völlig anders beurteilt: »Das Gespräch, das die Fernsehgesellschaft für rund fünf Millionen Amerikaner ausstrahlte – auch unser Hör- und Fernsehfunk sendete es –, wurde von zehn weiteren amerikanischen Rundfunk- und Fernsehstationen übernommen. Das ist ein gutes Zeichen dafür, daß auch die amerikanische Öffentlichkeit – hier vertreten vom amerikanischen Rundfunk- und Fernsehteilnehmer – immer mehr auf Entspannung und friedliche Verständigung drängt.«214 Es kann kaum überraschen, dass das Bild, welches den Lesern vom Fernsehen auf dem amerikanischen Kontinent vermittelt wurde, ganz von der Konformität der Berichterstattung über die DDR abhing: Gab ein Sender dem ostdeutschen Staatschef eine Plattform, wurde er dafür gelobt, während kritische Berichte als verleumderische, höchstgefährliche Hetze abgeurteilt wurden.

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Vgl. ausführlich Otto/Ruchatz 2005. O.N. 1959d.

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Für die 1950er Jahre muss dabei relativierend angemerkt werden, dass eine kritische Beobachtung der jeweils anderen deutschen Medien nicht auf die DDR beschränkt war. Auch die Bundesrepublik unterstellte dem DDR-Fernsehen die Absicht, Einfluss auf ihre Bevölkerung nehmen zu wollen (was dieses allerdings nach außen auch klar kommunizierte). Der Spiegel verwies 1959 auf einen Infratestbericht im Auftrag des bundesdeutschen Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen, der die Rezeption des DDR-Fernsehens in der Bundesrepublik untersuchte. Das Magazin gab aus diesem Bericht wieder, dass westliche Befürworter der Ostprogramme »in ihrer unkritischen Reaktionsweise als ein Feld für Infiltrationsbemühungen der Kommunisten«215 betrachtet werden müssten. Beim DDR-Fernsehen selbst wurde beobachtet, dass sich der Programmbeirat für das (Erste) Deutsche Fernsehen216 mit den eigenen, nach Westen gerichteten Sendungen beschäftige: 1957 wäre demnach auf einer Sitzung des Gremiums der Einfluss »des sowjetzonalen Fernsehen auf die Zonen-Grenzbevölkerung« diskutiert worden. Nach der ostdeutschen Umstellung der Sendenorm zeigte man sich angeblich beunruhigt über die »zum Teil versteckte, zum Teil gezielte kommunistische Propaganda«.217 Dabei beschäftigte sich das Fernsehkomitee weniger mit der inhaltlichen Aussage, die sich ja im Vergleich zu den eigenen Äußerungen über das Westfernsehen recht moderat ausnahm. Die Tatsache, dass das DDR-Fernsehen die Aufmerksamkeit westlicher Fernsehgremien erregt hatte, war bereits eine Erwähnung wert. Dabei wurde sicher dem Wunsch Rechnung getragen, im Westen als Mitbewerber ernst genommen zu werden. Dies war umso wichtiger, als auch im Rahmen des ideologisch geprägten Feindbilds vom westlichen Fernsehen immer wieder dessen materielle und technische Überlegenheit beklagt wurde. Ein Sachverhalt bereitete der Fernsehführung dabei Ende der 1950er Jahre besonderes Kopfzerbrechen: Die Republikflucht aus der DDR führte auch zu einem Aderlass im Kreis der Kameramänner des DFF.218 Dies durfte allerdings nicht mit der durchaus vorhandenen Anziehungskraft des Westens erklärt werden, sondern wurde allein mit dem feindlichen Abwerben durch das Westfernsehen begründet. Hierbei handelte es sich um ein durchaus reales Problem, was in ideologischer Manier umgedeutet und in das Feinbild-Passepartout eingepasst wurde. Nachdem allein im Januar 1959 vier Kameraleute ›republikflüchtig‹ geworden waren, argumentierte Adameck auf einer Kollegiumssitzung am 19. Februar dieser Vorgabe entsprechend: Er beklagte, dass man es nach dem ersten Fall versäumt hätte, in die Offensive zu gehen

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O.N. 1959c, S. 74. Beratungsgremium der Ständigen Fernsehprogrammkonferenz, zusammengesetzt aus Vertretern der Rundfunk- oder Verwaltungsräte der Landesrundfunkanstalten, gegründet am 26.03.1956. [Q] Deutscher Fernsehfunk 1957, S. 1. Zur Republikflucht unter den Mitarbeitern des Hörfunks vgl. Arnold 2002, S. 405-406.

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und allen Kameramännern klar zu machen, was hier passierte. Die Bundesrepublik würde nämlich für das geplante zweite Programm Kameraspezialisten benötigen, bevorzugt solche, die Informationen über die DDR besäßen. Wer aber diesem Ruf folgen würde, machte sich als »Streikbrecher«219 schuldig. Die Haltung, das bundesdeutsche Fernsehen wäre verantwortlich für das flüchtige Personal, vertrat auch die Leitung der Betriebsparteiorganisation des DFF: »Unklarheiten über den Sieg des Sozialismus und Unklarheiten über den imperialistischen Charakter des Westfernsehens hatten für den Deutschen Fernsehfunk sehr schädliche Folgen, nämlich ein Ansteigen der Republikflucht, besonders aus den Kreisen der Kameramänner und Ingenieure. Es besteht kein Zweifel, dass der Gegner hier planmässige Abwerbung betreibt.«220 Der DFF versuchte dem Problem mit zwei Strategien Herr zu werden. Zum einen sollte die weltanschauliche Erziehung der Mitarbeiter verbessert werden. Unter Einbeziehung der obligatorischen Selbstkritik221 wurde herausgestellt, dass damit die Abwerbung verhindert würde: »Sie könnte jedoch nicht auf fruchtbare Boden fallen, wenn die Rolle der DDR wirklich allen Mitarbeitern klar wäre, wenn nicht insbesondere die APO Technik und Programm die politisch-ideologische Arbeit mit der technischen und künstlerischen Intelligenz vernachlässigt hätten.« Das Kollegium beschloss, »fachliche Schulungen« und »Aussprachen mit den Kameraleuten« zu intensivieren.222 Wichtiger war aber ein eher pragmatischer als ideologischer Vorschlag: Die Kameraleute sollten zukünftig besser entlohnt werden. Es zeigte sich allerdings, dass dieses Vorhaben nicht so einfach zu realisieren war. Zwei Jahre später, auf dem Höhepunkt der Fluchtbewegung aus der DDR, appellierte Adameck darum an das Politbüro, eine Regelung zur höheren Bezahlung der Kameramänner zu schaffen. Er musste dabei zugeben, dass es sich um eine Angelegenheit handelte, »die dem Deutschen Fernsehfunk seit längerer Zeit in der Programmarbeit große Schwierigkeiten macht und die der Deutsche Fernsehfunk trotz zahlreicher Versuche leider nicht allein lösen kann«223.

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[Q] o.N. 1959b, S. 2. Hier und im Folgenden: [Q] SED, Leitung der Betriebsparteiorganisation Deutscher Fernsehfunk 1959, S. 6. In der DDR-Gesellschaft kam dem Konzept der »Kritik und Selbstkritik« große Bedeutung zu. Für die ›Vergebung‹ einer Verfehlung war es notwendig, eigenes Fehlverhalten zu thematisieren. Eine selbstkritische Einschätzung in der Öffentlichkeit konnte dazu beitragen, dass keine weiteren Sanktionen folgten. Nicht zu Unrecht wird das Verfahren mit dem ›brainwashing‹ moderner Psychosekten verglichen, das ebenfalls eine symbolische Trennung vom Individuum und dessen ›schlechter‹ Vergangenheit zelebriert. In beiden Fällen ordnet sich das Individuum damit einer als unfehlbar stilisierten Autorität unter. Vgl. Jessen 1998, S. 33. Die Prozedur der »Selbstkritik« war schon in der Sowjetunion der Stalin-Ära gängige Praxis, vgl. Unfried 2000. [Q] o.N. 1959b, S. 2. Hier und im Folgenden: [Q] Adameck an Norden, 03.06.1961, S. 1-2.

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Die SED-Führung schätzte das Problem offensichtlich als nicht dringend ein, denn Adameck musste vorab Überzeugungsarbeit leisten. Um sein Ziel im Politbüro durchzusetzen, stellte er die positiven Errungenschaften des DFF dar, interessanterweise aus dem Blickwinkel der Konkurrenz: »Unser Fernsehprogramm hat sich bis heute nach seiner Quantität und Qualität zu einem vom Gegner gefürchteten Instrument der Agitation und Propaganda entwickelt. Daran sind die Kameramänner des Deutschen Fernsehfunks entscheidend beteiligt.« Allerdings hätte sich das Programm sehr schnell entwickelt und die Anzahl und Entlohnung der Kameramänner wäre im Verhältnis dazu zurückgeblieben. Dies hätte zu einer hohen Arbeitsbelastung der Betroffenen geführt. Sie wären zudem sehr enttäuscht darüber, »daß der Gegner seit dem 1. Juni mit seinem 2. Programm begonnen hat und wir nicht. Viele Kameramänner sehen darin ein Schwinden ihrer weitergehenden Perspektive, die sie sich in unserem 2. Programm erhofft hatten.« Die eigene politische Führung, die ja gerade die Zurückstellung des zweiten Fernsehprogramms beschlossen hatte, durfte allerdings nicht als verantwortlich an der Situation dargestellt werden. Hier kam das ›feindliche‹ Westfernsehen wieder ins Spiel, indem behauptet wurde, dass es die Unzufriedenheit der Kameraleute systematisch ausnutzen würde. Für den Aufbau seines zweiten Fernsehprogramms benötigte es angeblich ca. 3.000 Mitarbeiter, die es aus DFF-Personal rekrutierte. Im Jahr 1960 wären daraufhin fünf Kameramänner republikflüchtig geworden, im ersten Halbjahr 1961 bereits weitere fünf. Adameck hatte dabei auch Erklärungen parat, wie der Westen diese Anwerbung organisierte: Seine Mitarbeiter bekämen Hetzschriften mit »Anoncen [sic!] aus Westzeitungen«, die Arbeit für Kameramänner anböten. Auch namentlich wären sie angesprochen worden, um sofort in Vertragsverhandlungen zu treten. Der ›Gegner‹ arbeitete ihm zufolge dabei sehr geschickt: »Er benutzt republikflüchtige Kameramänner, um andere nachzuziehen. Z. B. hat einer an unsere Kameramänner Fotos geschickt, auf denen er mit einem Auto abgebildet ist, um den angeblichen Wohlstand Westdeutschlands schmackhaft zu machen.« Als wichtigste Argumente hätte das Westfernsehen bei der Abwerbung der ostdeutschen Mitarbeiter aber die bessere Bezahlung und technische Ausstattung anführen können. Adameck glaubte zu wissen, »daß der Gegner seine vorhandene technische Überlegenheit mit Hilfe seiner Sendungen und bei anderen Gelegenheiten, z. B. zwangsläufigen Zusammentreffen bei internationalen Ereignissen, dazu benutzt, unsere Kameramänner zu beeinflussen. Diese letzte Tatsache und eine Bezahlung, die in der Spitze bei 1500 DM liegt, sind sein stärkstes Zugmittel.« Der DFF, so das Plädoyer Adamecks, könnte dem nur etwas entgegensetzen, wenn er den Mitarbeitern selbst mehr zahlen würde. Die Argumentation des Fernseh-Chefs schmückte dabei faktische Ereignisse mit einer Narration über das angeblich feindliche Fernsehen der Bundesrepublik aus. Die Republikflucht von Mitarbeitern und ihre hohe Qualifikation in einem beruflichen Sektor, für den es im westlichen Deutschland eine Nachfrage gab, waren Realitäten, mit denen sich die Fernsehführung konfrontiert sah. Die dem Westfernsehen unter-

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stellten Abwerbungstechniken, die ja von diesem angeblich bewusst zur Schwächung des Konkurrenten im Osten initiiert wurden, waren dabei mehr als rhetorisches Beiwerk. Sie dienten zum einen dem Zweck, unerwünschte Tatsachen, wie die politische Krise, in der sich die DDR 1961 befand, nicht thematisieren zu müssen. Zum anderen beweist aber die hohe Dichte der ›Erzählung‹, die wie beschrieben sogar einzelne ›Methoden‹ der Abwerbung analysierte, dass es sich hier nicht nur um ein vorgeschobenes Argument handelte. Die Fernsehführung sah tatsächlich eigenen Handlungsbedarf, der sich auch aus dem Feindbild vom Charakter des Westfernsehens ableitete. Tatsächlich wurde die Vorlage »Beschluß über die Neuregelung der Entlohnung der Kameramänner des Deutschen Fernsehfunks« beim Politbüro eingereicht.224 Sie wurde aber nicht mehr behandelt, und mit dem 13. August 1961 verlor sie ihre Dringlichkeit: Zumindest den auf dem Territorium der DDR arbeitenden Kameramännern war der Weg nach Westen nun ebenso versperrt wie den übrigen Ostdeutschen. Die Rolle, die dem Westfernsehen bei der Förderung der Republikflucht unterstellt wurde, korrespondierte dabei mit dem allgemeinen Erklärungsmuster, das die SED-Führung in Bezug auf das Phänomen Republikflucht schon seit Anfang der 1950er Jahre parat hatte. Die Parteileitung suchte die Schuld allein beim ›Klassenfeind‹: Die Bundesrepublik hätte mit Agentenzentralen einen Menschenhandel organisiert, der ideologisch nicht gefestigte Ostdeutsche durch falsche Versprechungen zur Flucht verführen würde. In diesem Zusammenhang bleibt noch ein weiteres Feindbildschema zu rekonstruieren, dass sich für den DFF wie für viele andere Bereiche der DDR in den 1950er Jahren nachweisen lässt. Zum sozialistischen Feindbildnarrativ gehörte in dieser Zeit auch eine Gruppe von ›inneren Feinden‹, die in einen engen Zusammenhang zum ›äußeren Feind‹ gebracht wurden: Agenten und Spione des Westens.225 Lemke beschreibt einen regelrechten »Agentenwahn«226, der mit den Krisenerscheinungen in der DDR Anfang 1953 einsetzte. Feindlichen Agenten wurde auch die Verantwortung für den Volksaufstand im Juni des gleichen Jahres zugeschrieben, was die Paranoia noch verstärkte. Die Spione und Handlanger des Westens waren nun nicht mehr nur als Fluchthelfer gefürchtet, sondern wurden zum verlängerten Arm der Amerikaner und bundesdeutschen Politiker im eigenen Land hochstilisiert. Dieses Misstrauen brachte auch das Fernsehzentrum Berlin zum Ausdruck, als es ein Jahr nach Beginn des offiziellen Versuchsprogramms ein Sicherheitskollektiv gründete. Demzufolge war »mit einer Verschärfung der Sabotage- und Diversionstätigkeit seitens der vom amerikanischen Imperialismus unterhaltenen Westberliner Agentenzentralen zu rechnen«227.

224 225 226 227

Vgl. [Q] Ley 1961. Vgl. Satjukow/Gries 2004a, S. 34-35; Satjukow/Gries 2004b, S. 851. Lemke 2001b, S. 246. Hier und im Folgenden: [Q] Fernsehzentrum Berlin, Kaufmännische Leitung 1953, S. 1.

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Das DDR-Fernsehen sah sich im Visier westlicher Feindzentralen: »Durch eine der letzten Gerichtsverhandlungen gegen eine in unserem Betrieb beschäftigt gewesene Agentin ist klar erwiesen, daß diese Agentenzentralen sich auch besonders für unseren Betrieb interessieren. Aus all diesen Tatsachen entsteht für unseren Betrieb die Verpflichtung, die Sicherheit unseres Betriebes gegen derartige Feinde zu erhöhen.« Ein Sicherheitsingenieur und drei Sicherheitsinspektoren sollten zukünftig »das Fernsehzentrum gegen alle Störungs- und Schädigungsversuche […] schützen«. Im »Statut des Kollegiums des Fernsehzentrums Berlin« wurde 1954 die Angst vor Spionage ebenfalls zum Ausdruck gebracht. Für jedes Kollegiums-Mitglied ergab sich dem Statut zufolge die allgemeine Verpflichtung »die Beschlüsse des Kollegiums an alle zuständigen Mitarbeiter weiterzutragen und für die unmittelbare Auswirkung in den Sendungen tätig zu sein, aber auch Geheimbeschlüsse und -maßnahmen zu achten und mit klassenwachsamer Disziplin zu arbeiten«228. Noch 1957 sah sich das Rundfunkkomitee mit diesem Problem konfrontiert: Man nahm angebliche Spionageabsichten des Westens zum Anlass, Dienst- und Privatreisen von Rundfunk- und Fernsehmitarbeitern stark einzuschränken: »Es gibt Beispiele, die davon zeugen, daß verantwortliche Mitarbeiter bei ihren Reisen nach Westdeutschland Zuwendungen (Fahrtkosten, Zehrgelder usw.) von westdeutschen Stellen entgegen genommen und dafür ihre Anschriften den imperialistischen Spionageorganisationen überlassen haben.«229 Diese Handlungsweise war nicht »mit den Erfordernissen der Sicherheit des Rundfunks und des Fernsehens in Einklang« zu bringen, und darum wurde der Entschluss gefällt: »Alle leitenden Mitarbeiter werden verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß die Anzahl der Reisen nach Westdeutschland und in das kapitalistische Ausland zurückgehen und auf ein Mindestmaß beschränkt werden.« Privatreisen wurden generell untersagt. Hier schloss sich der Kreis wieder: Die Rundfunkleitung wurde von der permanenten Angst geplagt, Mitarbeiter durch Republikflucht zu verlieren. Durch das Sanktionieren von Reisen ins westliche Ausland wollte man die Abwanderung von Fachkräften verhindern. Damit hat man ein Paradoxon geschaffen: In dem Jahr, das die größte Steigerung an Programm für Westdeutsche im DDR-Fernsehen realisierte, wurde gleichzeitig den Mitarbeitern der Zugang zu Informationen über die Bundesrepublik aus erster Hand untersagt. Zukünftig sollte davon abgesehen werden, die Lebenswirklichkeit der Westdeutschen vor Ort zu studieren. Damit konnten die Journalisten auch leichter dazu angehalten werden, sich der Stereotypen über Westdeutschland zu bedienen, die im Interesse der SED lagen.

228 229

[Q] o.N. 1954, S. 2. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1957a, S. 1-4.

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3.3 Strategien im Umgang mit der westlichen Konkurrenz 3.3.1 O RIENTIERUNG

AM › KAPITALISTISCHEN ‹

F ERNSEHEN

Für den DFF lassen sich verschiedene Strategien im Umgang mit dem einstrahlenden westdeutschen Fernsehen aufzeigen. Sie entstanden als Folge eines Selbstbildes, welches das DDR-Fernsehen in der ständigen Konkurrenz zum Westfernsehen sah und aufgrund eines ausgeprägten Feindbildes von diesem Konkurrenzprogramm. Innerhalb der 1950er Jahre kann man diese auf drei Ebenen verorten: orientierende Beobachtung, Einholen und Überholen des Westfernsehens.230 Für einige Abteilungen des Fernsehens kann nachgewiesen werden, dass sie von vergleichenden Beobachtungen westeuropäischer und bundesdeutscher Entwicklungen beeinflusst wurden. Untersucht man die Art der Reaktionen insgesamt, stellt dieses Modell den unteren Bereich einer gedachten Skala über den Charakter und die Intensität der Orientierung dar. Im mittleren Bereich findet sich eine Art Nachhol-Mentalität, im Modus von ›Die haben – wir müssen auch‹-Schema. Dabei wurden Entscheidungen für bestimmte Projekte explizit mit einem nötigen Gleichziehen zu westdeutschen Fernsehentwicklungen begründet. Den obersten Bereich stellt eine Motivation dar, die aus einem unterstellten Wettlauf resultierte, in dem man unbedingt ›die Nase vorn‹ haben wollte. Hierbei schien die Devise zu lauten: ›Wir müssen Erster sein, das Westfernsehen darf keinen Vorsprung erreichen!‹ Nicht nur auf technischer und wirtschaftlicher Ebene beobachtete der DFF das bundesdeutsche Fernsehen und verglich sich mit ihm. Auch den Inhalt des eigenen Programms und dessen Gestaltung stellte man dem westlichen Pendant gegenüber. Bei wichtigen Programmfragen wurden Entwicklungen im westeuropäischen und amerikanischen Fernsehen als Parameter bei der Entscheidungsfindung herangezogen. Dies lässt sich in einigen Fällen anhand des überlieferten Schriftguts nachvollziehen. Zu vermuten ist aber, dass dies noch wesentlich häufiger in der mündlichen Kommunikation geschah bzw. in internen Papieren, die absichtlich der Überlieferung entzogen wurden. Vor dem Hintergrund, dass eine positive Beurteilung westlicher Trends generell dem Feindbild der ›kapitalistischen‹ Medien widersprach, kann diese Zurückhaltung leicht erklärt werden. In den einzelnen Redaktionen und auch innerhalb der Fernsehführung wurde das 230

Dieses Wortspiel bezieht sich auf ein ehrgeiziges Ziel, das Ulbricht auf dem V. Parteitag der SED 1958 verkündete: Bis 1961 sollte als »ökonomische Hauptaufgabe« das bundesdeutsche Niveau des Pro-Kopf-Verbrauchs bei allen wichtigen Lebensmitteln und Konsumgütern eingeholt und überholt werden. Vgl. Protokoll der Verhandlungen des V. Parteitags der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin [Ost], 1959, S. 67-70. Zur wirtschaftshistorischen Einschätzung der Zielsetzung, vgl. Kleßmann 1997, S. 308-319. Bekannt wurde der Slogan »Einholen und Überholen«, der später in »Überholen ohne Einzuholen« abgeändert wurde.

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bundesdeutsche Programm sicher häufig erörtert, wohingegen es in schriftlichen Stellungnahmen seltener Eingang fand. Da sich diese angenommenen Ereignisse nicht mehr rekonstruieren lassen, sollen im Folgenden die Erkenntnisse aus den zugänglichen Quellen dargestellt werden. Sie dokumentieren dementsprechend das legale Ausmaß der Orientierung bzw. die Einstellungen, die Folgen im Programm hinterließen. Insgesamt illustrieren auch sie ein breites Spektrum der Auseinandersetzung mit den westlichen Medien. Im Februar 1958 machte sich die Fernsehführung innerhalb der Planung zur »Programmperspektive des Deutschen Fernsehfunks bis 1975« auch Gedanken über einen Ausbau der Sendezeit. Es wurde eine Programmgestaltung in den Morgenstunden sowie am Vormittag anvisiert, in der z. B. Schul- bzw. Hochschulprogramme und anschließend Programme für Schichtarbeiter ausgestrahlt werden sollten.231 Tatsächlich startete der DFF im Oktober 1958 ein Vormittagsprogramms unter dem Titel Wir wiederholen für Spätarbeiter. Die Konzeption eines Frühprogramms gestaltete sich aufgrund der zögerlich voranschreitenden internationalen Entwicklung dagegen zurückhaltend: »In wie weit in den Morgenstunden noch Programme für bestimmte Schichten der Bevölkerung erforderlich sind, läßt sich heute noch nicht übersehen. Es gibt heute nur in einigen kapitalistischen Ländern ab 6.00 [Uhr] Fernsehprogramme.« Vor diesem Hintergrund stellte man eine Programmerweiterung zurück. Dazu trug sicher auch die Tatsache bei, dass die Bundesrepublik, an der man sich vordringlich orientierte, nicht zu den erwähnten Ländern gehörte. Allerdings hatte man bei der Entscheidung zur Ausstrahlung von Vormittagssendungen nicht auf bundesdeutsche Entwicklungen reagiert, sondern diese sogar vor der ARD eingeführt. Dass es sich bei der Programmbeobachtung um einen gegenseitigen Prozess handelte, macht wiederum eine ARD-Entscheidung deutlich: Ab dem 4. September 1961 führte das Deutsche Fernsehen ebenfalls ein Vormittagsprogramm ein, das von den grenznahen Sendern dezidiert in das Gebiet der DDR ausgestrahlt wurde. Die Entscheidung, vormittags Wiederholungssendungen für ostdeutsche Schichtarbeiter auszustrahlen, fiel nicht zufällig kurz nach dem Mauerbau. Die ARD wollte für alle DDRZuschauer ein Forum zur Information über die Bundesrepublik und die aktuellen Entwicklungen bieten, auch für die, die das Abendprogramm des Westfernsehens nicht verfolgen konnten.232 Dies macht noch einmal deutlich, dass beide deutsche Fernsehprogramme den Anspruch hatten, als ›grenzenlose‹ Medien sowohl in Ostals auch in Westdeutschland zu wirken. Dabei hatten DFF und ARD die Konkurrenz in Bezug auf Sendevolumen und Sendestrukturen im Blick. Hervorzuheben ist die Tatsache, dass beide Programme ihre Strukturen auch für die ›zweite‹ Zielgruppe, die eigentlich außerhalb des eigenen Staates lag, änderten: Das Vormittagsprogramm der ARD konnten anfangs nicht einmal alle bundesdeutschen Zuschauer sehen,

231 232

Vgl. hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1958b, S. 2-3. Vgl. Hickethier 1984, S. 456; Hickethier/Hoff 1998, S. 135.

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die ostdeutsche Bevölkerung war die Hauptzielgruppe. Eine vergleichbare Entscheidung fällte der DFF, als er 1957 – speziell für die Zielgruppe der Westdeutschen – das Montagsprogramm wieder einführte. Für die ARD ist die Initiative zum Vormittagsprogramm allerdings die einzige, die in der Forschung dezidiert auf Entwicklungen im ostdeutschen Fernsehen zurückgeführt und als eine Reaktion darauf gedeutet wird. Dies greift möglicherweise zu kurz, allerdings fehlen dazu bisher nähere Untersuchungen. Für das DDR-Fernsehen blieb das beschriebene Vorgehen jedenfalls nicht auf die 1950er Jahre beschränkt. Einen ersten Hinweis darauf, dass man in der DDR versuchte, strategisch auf die Programmstrukturen des Westfernsehens zu reagieren, findet sich im Protokoll der Kollegiumssitzung vom 4. August 1958. Willy Zahlbaum präsentierte der Fernsehleitung die geplante Programmstruktur für das Herbst- und Winterprogramm 1958/59 und bemerkte dazu: »Bei Betrachtung des Westfernsehens kann man feststellen, daß z. B. Sonnabend nachmittags laufend Unterhaltungssendungen und Sonntags, 14.00 Uhr, neuerdings eine Kinderstunde im Programm zu finden sind. Anschließend folgt dann meist noch eine Aufzeichnung. […] Aus diesen Programmänderungen im Westfernsehen sind Schlußfolgerungen für unser Programm zu ziehen. Das jetzt vorliegende Programm der Redaktion kann deshalb nur als Minimal-Programm angesehen werden. Vorhandene Lücken in unserem Programm sind noch zu schließen.«233 Welche Korrekturen daraufhin eingeleitet wurden, lässt sich aus dem überlieferten Material nicht mehr eruieren. Allerdings setzte sich das Taktieren gegenüber westlichen Programmstrukturen in den folgenden Jahrzehnten fort und kann dann, aufgrund einer besseren Quellenlage, auch präziser nachvollzogen werden. Hier bleibt festzuhalten, dass eine Orientierung am Programm des ›gegnerischen Fernsehens‹ schon in den späten 1950er Jahren begonnen hat. Diese Einschätzung galt auch für einzelne Redaktionen, was eine vertrauliche Stellungnahme der Redaktion Zeichen- und Puppensatire zum geplanten Herbst- und Winterprogramm 1957/58 belegt. Die Redaktion argumentierte vor dem Hintergrund westlicher Fernsehentwicklungen für eine höhere Zahl satirischer und humoristischer Sendungen, gestaltet durch Zeichnungen und Puppen: »Wir glauben, dass sich die Graphik und die Puppe immer mehr im Fernsehprogramm durchsetzen wird. (In den USA, in Südamerika, in England usw. ist die Puppen- und Zeichensendung bereits ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil des Programms. In den USA beispielsweise hat der Fernsehzeichenfilm mit seinen bewusst naiveren Möglichkeiten die naturalistischen DisneyFilme künstlerisch überholt. Im Kapitalismus werden die Möglichkeiten Zeichnung und Puppe in erster Linie für die kommerzielle Werbung verwandt. Offenbar kann man mit diesen Genres grosse Wirkung beim Publikum erzielen.) Es ist also richtig, wenn wir die Zeichen- und Puppenarbeit weiter ausbauen.«234

233 234

[Q] o.N. 1958c, S. 1. [Q] Deutscher Fernsehfunk, Redaktion Zeichen- und Puppensatire 1957, S. 1-2, handschriftlich ergänzt.

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Die Redaktion hoffte, mit dieser Argumentation mehr Sendezeit für ihre Beiträge Zeitgezeichnet, Prof. Köpfchen, Kopfsalat und für neue Projekte durchsetzen zu können. Die eigenen Programmkonzeptionen wurden vor dem Hintergrund paralleler Entwicklungen in westlichen Fernsehprogrammen positiv bewertet: Es wurde darauf verwiesen, dass der DFF die einzige sozialistische Fernsehstation wäre, die regelmäßig bewegliche Graphiken und Puppentrickfilme für Erwachsene ausstrahlte. Auch die ›Spezialisten‹ einzelner Programmgattungen haben also internationale Trends beobachtet, eingeschätzt und zur eigenen Arbeit in Beziehung gesetzt. Dies kann ebenso für die publizistischen Bereiche des Fernsehens nachgewiesen werden. Hier fand sogar eine Art nachträgliche ›Qualitätskontrolle‹ auf der obersten Leitungsebene statt, die die eigene Berichterstattung offen mit dem Programm des bundesdeutschen Fernsehens verglich. In der Leitungssitzung der BPO vom 10. Februar 1959 kritisierte Adameck u. a. die Arbeit der Aktuellen Kamera und des Telestudio-West und zeigte dezidiert auf, in welchen Fällen die westdeutschen Informationssendungen bessere Arbeit geleistet hätten. Hochbrisant war z. B., dass die westliche Konkurrenz, so Adameck, über den sowjetischen Friedensvertragsentwurf für Deutschland vom 10. Januar 1959 schneller berichtet hatte als das DDR-Programm. Im verknappten Protokoll liest sich dies so: Das Fernsehen müsse »in der Lage sein, sofort in der vordersten Front zu stehen, z. B. in den letzten 14 Tagen, nachdem der Entwurf zum Friedensvertrag heraus war. […] Zum Friedensvertrag hat Westfernsehen gezeigt, was die SU vorschlägt. […] Westfernsehen brachte die Fragen und Bilder zum Friedensvertrag. Wir haben es erst Tage später gemacht.«235 Eine ähnliche Diskussion um die Berichterstattung zum Friedensvertrag fand drei Tage später in der Kollegiumssitzung des DFF vom 22. Januar statt. Hier kritisierte Zahlbaum, dass im Westfernsehen mehr Sendungen zum Thema ausgestrahlt wurden als in der DDR.236 Das gleiche Problem sah Adameck bei der Berichterstattung über die erste Mondsonde der Welt, die die Sowjetunion am 2. Januar 1959 gestartet hatte (in westlichen Quellen »Lunik I« genannt, in den sowjetischen Medien und in der DDR hieß sie »Kosmische Rakete«): »Zur kosmischen Rakete war eine Sendung sehr gut, aber der Gegner hat die Kampagne besser geführt, zeigte Bochumer Privatsternwarte, richtige Weltraumatmosphäre. Sie hatten viel früher wertvolle Stimmungsbilder aus Moskau. […] zu der Frage ›Warum ist die Rakete von der SU hochgegangen?‹ gab es drüben früher eine Sendung. Diese Frage hätten wir zuerst stellen müssen.«237 Als letztes Beispiel sei noch auf die Kritik Adamecks an der Sportberichterstattung verwiesen, die den Sieg des DDR-Skispringers Helmut Recknagel bei der Vierschanzentournee 1958/59 zu spät gezeigt

235 236 237

[Q] SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk 1959a, S. 4. SU steht für Sowjetunion. Vgl. [Q] o.N. 1959a, S. 1-2. Hier und im Folgenden: [Q] SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk 1959a, S. 3-4.

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und in seiner Bedeutung falsch eingeschätzt hätte: Zu »Recknagel wollten wir zusammenfassenden Bericht 19 Uhr bringen. Westfernsehen hat es früher gebracht, toll aufgemacht. Bei uns nicht begriffen [sic!], was der Sieg von Recknagel bedeutet. Hätten wir nicht die Aufgabe gehabt, jeden Tag die Bilder zu bringen?« Diese Beispiele belegen auf der einen Seite, dass die Fernsehführung die westdeutschen Informationssendungen kontinuierlich verfolgte und als Maßstab für die eigene Arbeit ansah. Nicht einmal Details in der Gestaltung von Sendungen entgingen dem vergleichenden Blick des Intendanten. Auf der anderen Seite warnte Adameck davor, zuviel vom Westen zu übernehmen bzw. genau zu sondieren, welche Trends sich dort bewährt hätten und welche nicht. So lehnte er beispielsweise das Singen auf der Showtreppe in ostdeutsche Unterhaltungssendungen ab, auch wenn dies im Westfernsehen üblich wäre: »Ich behaupte, dass das Laufen auf der Treppe während der Sendung von Übel ist; das verhindert, dem Künstler näherzukommen. Damit treten wir in falsche Konkurrenz zu dem Westfernsehen, wobei wir sagen müssen, dass die Kritiken drüben auch nicht damit einverstanden sind, und weil wir das nicht gemacht haben, hatten wir solche Resonanz.« Auch wenn dieses vergleichende Taktieren nur anhand von Einzelfällen belegt werden kann, lässt sich doch schlüssig argumentieren, dass westliche Entwicklungen in Entscheidungsfindungsprozesse im DDR-Fernsehen einbezogen wurden. Eine eher zu vermutende Orientierung an den sozialistischen Programmen der Nachbarländer, besonders der Sowjetunion, findet sich dagegen in den überlieferten Materialien deutlich seltener. Wie für die Zuschauer, war auch für die ›Planer und Leiter‹ im DFF der Blick auf das einstrahlende Westfernsehen nahe liegender. Ein potentieller Gedankengang kann dabei aus heutiger Perspektive nur schwer eingeschätzt werden: Ob und inwieweit die ›Macher‹ des Programms realisiert haben, dass im System des staatsfernen, öffentlich-rechtlichen Fernsehens der Bundesrepublik und anderer westlicher Länder mehr Möglichkeiten zur Entfaltung und Innovation lagen, als im eigenen, staatlich gelenkten Programm? Aufgrund der publizierten Zeitzeugendarstellungen kann man vermuten, dass diese Sichtweise zwei Dimensionen enthielt: Zum einen erinnern sich ehemalige Fernsehmitarbeiter an eine Selbstwahrnehmung als Akteure im Kalten Krieg. Demzufolge versuchten sie sich tatsächlich in einem Wettbewerb mit dem Westfernsehen, den sie auch gern gewonnen hätten. Zum anderen waren sie aber auch alle Experten, was Fernsehen anbetraf, und konnten sich sicherlich aufgrund dessen einer gewissen ›professionellen‹ Beurteilung nicht verschließen. Auch sie müssten – zumindest in Ansätzen – realisiert haben, dass das Ostblockfernsehen viele Trends und Neuerungen des Westens, die für die Zuschauer attraktiv waren, aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen nicht umsetzen konnte. Dass die Fernsehführung in einigen Fällen dezidiert versuchte, das Westfernsehen einzuholen bzw. es zu überholen, dürfte diesen Überlegungen noch Vorschub geleistet haben.

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3.3.2 D AS W ESTFERNSEHEN

EINHOLEN

Bei vergleichenden Diskussionen und Argumentationen ist es nicht geblieben. Das westdeutsche Konkurrenzprogramm beeinflusste indirekt das DDR-Fernsehen, da dieses sich durch bestimmte Programmentscheidungen und Sendungen des Westens ›gezwungen sah‹, im eigenen Programm zu reagieren. Ein prominentes Beispiel ist der Wegfall des fernsehfreien Montags 1957, der bis dahin eine Besonderheit des frühen DDR-Fernsehens darstellte. Hatte das Fernsehzentrum Berlin im ersten Jahr des offiziellen Versuchsprogramms noch an jedem Abend der Woche Programm ausgestrahlt, änderte sich dies mit dem Beginn des Fernsehjahres 1954.238 Die Programmzeitschrift Unser Rundfunk pries eine attraktivere Programmstruktur an, die aber ihren Preis hätte: »Das neue, verbesserte Versuchsprogramm stellt an die technischen und künstlerischen Mitarbeiter, an den Studiobetrieb überhaupt, viel höhere Anforderungen als bisher. Aus diesem Grunde ist es verständlich, daß an einem Tag in der Woche, am Montag, nicht gesendet wird.«239 Intern wurde die Entscheidung, dass der sendefreie Montag ein »Tag der theoretischen Arbeit«240 werden sollte, schon auf der erste Sitzung des »Kollegiums des Fernsehzentrums Berlin« verkündet. Neben praktischen Erprobungen neuer Einrichtungen und Geräte sollte am Montag Zeit für einen systematischen »Erfahrungsaustausch zwischen Programmgestalter, Produktion und Technik« bleiben sowie »wissenschaftliche Grundlagen für den Arbeitsablauf« ausgearbeitet werden. Es wurde auch vermutet, dass der Wegfall im Zusammenhang mit den an diesem Tag stattfindenden gesellschaftlichen Zusammenkünften stand, die in der gesamten DDR Usus waren.241 In den Fernsehunterlagen findet sich diese Argumentation allerdings nicht. Während die Streichung des Programms am Montag den Zuschauern 1954 ausführlich erklärt wurde, erfolgte die Wiederaufnahme des Wochentages drei Jahre später kommentarlos. In der Rundfunkzeitung wurde ohne gesonderte Ankündigung ab dem 26.08.1957 wieder ein Montagsprogramm (Abendprogramm ab 20:00 Uhr) abgedruckt und zum Ende des Jahres das Seitenlayout nach »Einführung des Montagsprogramms« komplett umgestaltet.242 Der Gedanke, dass der DFF den Montag wieder zum normalen Programmtag machte, um die DDRZuschauer vom Einschalten des Westprogramms abzuhalten, wurde in 238

239 240 241 242

Einschränkend ist zu bemerken, dass schon zwei Monate später montags in der Programmschiene am Mittag erneut Fernsehprogramm ausgestrahlt wurde. Ausnahmen bildeten zudem die Messezeiten, in denen ein spezielles Programm gezeigt wurde, was auch den Montagabend einschloss. Grundsätzlich wurde der Montag aber als ›fernsehfrei‹ angesehen. O.N. 1954b, S. 17. Hier und im Folgenden: [Q] Fernsehzentrum Berlin, Betriebsleitung 1953, S. 2. Vgl. Dussel 2004, S. 173. Vgl. Unser Rundfunk, 12. Jg., Heft 52, S. 13.

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der Forschung mehrfach vertreten. Dabei wurde immer wieder angeführt, dass die Sendereihe Für den Filmfreund ausgewählt den nach wie vor vorhandenen Mangel an Programm füllen sollte. Dussel schildert die allmontägliche Situation folgendermaßen: »Es konnte allerdings nicht lange verborgen bleiben, dass die wenigsten DDR-Bildschirme deshalb schwarz blieben, und die ARD-Angebote fleißig genutzt wurden. Auch der Montagabend brauchte deshalb ein DDR-Angebot, das gleichermaßen attraktiv wie mit wenig Aufwand zu gestalten war, denn an den Produktionsengpässen hatte sich ja nichts geändert. In dieser Situation besann man sich in Adlershof auf die alten Filmbestände, über die man noch aus bourgeoisen UFA-Zeiten verfügte.«243 Auch Müncheberg erinnert sich dahingehend: »Als der wachsende Einfluss des ›Westfernsehens‹ zum 1.9.1957 das Aufgeben des ›fernsehfreien Montags‹ erforderlich machte und keine ausreichenden Kapazitäten für zusätzliche Eigenproduktionen vorhanden waren, wurde die Idee des ›Montagsfilm‹ geboren, des alten deutschen Archivfilms mit seinem nostalgischen Reiz, aber auch seinen ›ideellen Gefahren‹.«244 Diese Forschungsmeinungen weisen zwar grundsätzlich in die richtige Richtung, sind aber an einigen Stellen unbedingt zu korrigieren. Der geringste Irrtum betrifft dabei noch das Datum der Wiedereinführung, welches, wie bei Dussel, häufig falsch angegeben wird (auch Holzweißig führt mit dem 2. September 1957 ein abweichendes Datum an).245 Alle bisherigen Darstellungen haben den Anlass der Programmeinführung zum 26. August nicht erfasst: Tatsächlich sollte der Montag das DDR-Programm zur Vorbereitung der Bundestagswahl 1957 erweitern. Die Sendeleitung hatte nach eigener Aussage im Sommer 1957 den Auftrag, das Gesamtprogramm so zu gestalten, dass die Westdeutschen den DFF einschalten würden. Diesem Plan zufolge sollten sie dem Wahlkampf im bundesdeutschen Fernsehen entzogen werden. Folgender Entschluss wurde gefasst: »Ab Montag, 26.8., sind bis zum Wahltag die Montage mit interessanten Sendungen geplant.«246 Damit reagierte man also tatsächlich auf die Tatsache, dass der Westen an diesem Wochentag ein normales Programm ausstrahlte. Aber man wollte vorerst nicht die eigene, sondern die westliche Bevölkerung vom ARDProgramm abwerben. Es war also eine doppelte Konkurrenz die sich hier offenbart: Allein wegen des Wettstreits um die eigenen Zuschauer hatte man sich bis dato offenbar nicht gezwungen gesehen, den Montagabend wieder mit Programm zu füllen. Im Wettstreit um die westlichen Zuschauer aber musste man sich den Gegebenheiten des Konkurrenzprogramms anpassen.

243 244 245

246

Dussel 2004, S. 173. Müncheberg 1993, S. 95. Ähnlich erinnert sich der Fernseh-Grafiker HansEberhardt Ernst an die Geburtsstunde des Montagsfilms, vgl. Ernst 2002. Vgl. Holzweißig 2002, S. 203. Die Autoren verweisen nicht auf Quellen. Es ist aber zu vermuten, dass sie sich auf Glatzer beziehen, der den »Übergang zur vollen Sendewoche« irrtümlich für den 02.09.1957 angab. Vgl. Glatzer et al. 1977, S. 57. [Q] Füssler, Sendeleitung 1957, S. 2.

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Es sind keine schriftlichen Belege überliefert, durch wen und wann die Entscheidung getroffen wurde, das Montagsprogramm auch nach den Bundestagswahlen fortzusetzen. Es ist zu vermuten, dass ein Zusammenhang mit der Orientierung auf das Westpublikum bestand: Nach dem für die SED-Führung enttäuschenden Wahlergebnis sollte das nach Westen adressierte Programm weitergeführt und sogar ausgebaut werden. Darüber hinaus war der Fernsehführung bekannt, dass das DDR-Publikum ähnliche Wünsche hegte. Die Pressestelle hatte bereits zwei Tage nach den Wahlen von Leipziger Messebesuchern berichtet, die gefordert hätten, das Montagsprogramm unbedingt beizubehalten und noch mehr Sendungen an diesem Wochentag auszustrahlen.247 Der Montag wurde – entgegen dem, was bisher in der Forschung angenommen wurde – zunächst mit Publizistik, Sport und Dramatischer Kunst gefüllt.248 Zwischen Oktober und Dezember 1957 folgte durchgehend auf die Ausstrahlung der Aktuellen Kamera um 20:00 Uhr die Sendereihe Sport und Musik (Beginn 20:20 Uhr). Im Anschluss zeigte der DFF entweder Ratgebersendungen, Spielfilme oder Dokumentationen. Die Sendereihe Für den Filmfreund ausgewählt, in der alte Kinofilme ausgestrahlt wurden, erhielt ihren festen montäglichen Sendeplatz erst am 27.10.1958. Zuvor waren bereits seit dem 23.11.1957 regelmäßig Spielfilme aus dem Archiv gesendet worden, allerdings nicht explizit am Montag. Von der Wiedereinführung des Montagabendprogramms bis zur Etablierung des legendären Montagsfilms verging also mehr als ein Jahr. Die These, nach der die Fernsehführung 1957 auf den Fakt, dass die DDR-Bevölkerung montags die Westprogramme einschaltete, mit der Ausstrahlung von Archivfilmen reagiert hat, ist so nicht haltbar. Vielmehr ging es vorerst um die Ansprache des westdeutschen Publikums innerhalb der Wahlpropaganda des DFF, nach den Wahlen wurde der Montagabend als ›normaler‹ Programmtag beibehalten. Erst als für den bereits etablierten Archivfilm ein neuer Sendeplatz gesucht wurde, änderte der Montagabend sein Profil. Ein weiteres Beispiel für die Einführung von Programmteilen, die einerseits explizit die Westbevölkerung erreichen und beeinflussen sollten und andererseits auf bereits vorhandene Sendungen des Westfernsehens reagierten, stellten die Frauensendungen des DFF249 dar. Um diese Sendungen realisieren zu können, wurde 1958 die Gründung einer Frauenredaktion angeregt und offen mit der Konkurrenzsituation zum bundesdeutschen Fernsehen begründet: »Wir können und dürfen nicht länger hinter den Fernsehsendern des Westens zurückstehen, die mit fast täglichen Frauensendungen die Frauen in ihrem Sinne beeinflussen. Die Gründung einer speziellen Frauenredaktionim [sic!] Deutschen Fernsehfunk ist deshalb unbedingt erforderlich.«250

247 248 249 250

Vgl. [Q] Pressestelle 1957, S. 3. Vgl. [Q] o.N. 1957c, S. 1. Vgl. dazu auch die ausführliche Darstellung von der Umsetzung des Leitbildes der sozialistischen Frau im DDR-Fernsehen in Vollberg 2009. Hier und im Folgenden: [Q] Frauenredaktion 1958, S. 1-3. Erste Erfahrungen mit Frauensendungen hatte der DFF bereits gesammelt: Am 08.01.1957

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Neben der eigenen weiblichen Bevölkerung sollten die Frauensendungen auch die westdeutschen Frauen ansprechen. Die ideologische Konzeption gab hierfür den klaren Auftrag, »den stärksten Einfluss ausüben, um die Frauen für das Neue sozialistische Leben zu begeistern und sie für den weltweiten Kampf um den Frieden zu gewinnen«. Die Emanzipation der berufstätigen Frau sollte medial vermittelt und unterstützt werden, wobei man sich mit den eigenen Sendungen inhaltlich deutlich vom Westprogramm abheben wollte. Die Sendereihe Bei uns zu Hause sollte beispielsweise Tipps für Haushalt und Heimgestaltung geben – immer mit dem Ziel, darzustellen, wie »alle Familienmitglieder helfen, die Mutter zu entlasten«. Dem westdeutschen Bild der »NurHausfrauen«, welches angeblich vom westdeutschen Fernsehen beworben wurde, sollte ein ostdeutsches entgegengesetzt werden. Geplant war eine Art »Gegenpropaganda« zur Familie Schölermann, der ersten langlaufenden Familienserie im bundesdeutschen Fernsehen. Die 1954 im NWDR-Fernsehen gestartete Serie begeisterte die Zuschauer mit einem eher biederen, bürgerlichen Familienmilieu. Allerdings griff man für die ›Gegenpropaganda‹ (noch) nicht auf das beliebte Serienformat zurück, sondern konzipierte publizistische Magazine, die bestenfalls »kleine erzieherische Szenen aus dem Familienleben bringen« sollten. Aber das DDR-Fernsehen wollte nicht nur mit den unterhaltenden Programmteilen des westdeutschen Fernsehens gleichziehen, auch deren Informationssendungen setzten Maßstäbe. Es fällt auf, dass 1957 in den Fernsehplanungen dem Aktualitätsprinzip als »einer prinzipiellen Besonderheit des Fernsehens« besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde. Das DDR-Fernsehen sollte demnach vermehrt die Möglichkeit nutzen, »aktuelle Ereignisse an den verschiedensten geographischen Orten während ihres Ablaufs oder zumindest kurz danach in einer durch die Bild-Ton-Kombination nahezu vollständigen Widerspiegelung in jedes Haus zu tragen«251. Auch dieses Vorgehen wurde mit der westdeutschen Konkurrenz begründet, wenn auch über ideologische Umwege: »Der Deutsche Fernsehfunk realisiert das Aktualitätsprinzip mit umso größerem Nachdruck, als er sich mit dem vom westdeutschen Rundfunk und Fernsehen verbreiteten, falsch ausgewählten oder falsch interpretierten Aktualitäten auseinanderzusetzen hat, um den Bürgern der DDR (über 50 % können das Westfernsehen empfangen) und vielen westdeutschen Menschen (wir bestrahlen das Gebiet bis zur Linie Hamburg, Braunschweig, Kassel, Hof) die wahren Sachverhalte zu zeigen.« Hierbei hatte man natürlich mit dem schon beschriebenen Rückstand der technischen Ausstattung zu kämpfen, woran sich auch Selbmann bezüglich der 1950er Jahre erinnert: Ihm zufolge war die Situation des Fernsehens kompliziert, da »gleichzeitig in der BRD, die reicher und auch technisch weiter entwickelt war, […] die Nachrichtenübermittlung vorangetrieben wurde. Die ›Tagesschau‹ setzte Maßstäbe.«252 Das ›Ein-

251 252

wurde die Senderubrik Sendung für die Frau eingeführt, in der wöchentlich Ratgebersendungen ausgestrahlt wurden. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1957b, S. 2. Selbmann 1998, S. 36.

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holen des Westfernsehens‹ wurde im Fernsehen, wie auch im gesamten Konsumbereich der DDR zum erklärten Ziel: Dabei sah man sich aber immer wieder mit fehlenden Ressourcen und Finanzen konfrontiert. Genau an dieser fehlenden finanziellen und technischen Ausstattung scheiterte auch die Einführung von Regionalprogrammen, bei denen der Westen vorgelegt hatte. Dieses Projekt soll hier als letztes Beispiel für das Bemühen des DDR-Fernsehens stehen, westliche Entwicklungen aufzugreifen. Nachdem auf einer Konferenz im Januar 1958 ein neues Fernsehstudio in Leipzig beschlossen und dabei erstmals ein Regionalprogramm thematisiert wurde, bestätigte die Fernsehführung im Februar 1958 dieses Vorhaben.253 Die »Programmperspektive des Deutschen Fernsehfunks bis 1975« plante die Ausstrahlung von Regionalprogrammen in der DDR ab dem Jahr 1965. Die ersten Programme sollten im Raum Leipzig und Berlin entstehen, weitere waren nach der Schaffung neuer Fernsehstudios vorgesehen. Deutlich wurde darauf verwiesen, dass in der Bundesrepublik bereits Regionalprogramme vom NDR, vom Hessischen Rundfunk, vom Bayerischen Rundfunk und demnächst wohl auch vom SFB existierten.254 Mit diesen Programmangeboten hätte das DDR-Fernsehen gern Schritt gehalten, konnte aber vor 1990 keine spezifischen Regionalprogramme verwirklichen.255 Das Leipziger Fernseh- und Rundfunkstudio wurde nicht gebaut. Von den optimistischen Plänen aus dem Jahr 1958 blieben nur das Studio Halle sowie das provisorische Ostseestudio Rostock, die wesentlich reduziert die ehemaligen Leipziger Konzepte umsetzten. Mit diesen Studios und Übertragungen aus öffentlichen Sälen der DDR konnte das ostdeutsche Fernsehen zwar einzelne Sendungen aus den verschiedenen Regionen realisieren, die anschließend aber in das zentralistisch organisierte landesweite Programm einflossen. An die westdeutsche Entwicklung konnte es auf diese Weise aber nur mit einer Minimalvariante anknüpfen. 3.3.3 D AS W ESTFERNSEHEN

ÜBERHOLEN

Mitunter ging der Ehrgeiz der Fernsehführung allerdings über das reine Einholen des Westfernsehens hinaus. Unabhängig von wirtschaftlichen Engpässen wollte man sich abzeichnende Entwicklungen im Westen im eigenen Programm vorwegnehmen. Für die Mitarbeiter scheint es eine große Motivation gewesen zu sein, bestimmte Programmformen zeitlich vor dem bundesdeutschen Fernsehen zu verwirklichen, wie das Beispiel der landwirtschaftlichen Sendungen zeigt. Verschiedene politische Entwicklungen hatten dazu geführt, dass das Fernsehen 1956 den Auftrag erhielt, verstärkt die Umstrukturierung der ostdeutschen Landwirtschaft zu propagieren: Seit 1952 war die Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) 253 254 255

Vgl. die ausführliche Darstellung in Hoff 2002a. Vgl. [Q] o.N. 1958b, S. 3. Am 05.07.1990 bildete der DFF fünf Landessender, die Programm aus den zukünftigen Bundesländern zulieferten.

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forciert worden, nach einer Anlaufphase geriet die Kollektivierung aber bereits zwei Jahre später ins Stocken. Ab 1956 versuchte die SED-Führung die auftretenden Probleme mit breit angelegten öffentlichen Kampagnen zu bekämpfen, die bis 1960 intensiviert wurden.256 Hierfür sollten regelmäßige Landwirtschaftssendungen ins DFF-Programm genommen werden, was mittelfristig auch die Bildung einer eigenen Landwirtschaftsredaktion nötig machte.257 Im Vorfeld dieser Gründung und der Konzeption einzelner Beiträge setzte man sich allerdings ausführlich mit dem Status quo von Agrarsendungen im westdeutschen und internationalen Fernsehprogramm auseinander. Hierfür verfasste der spätere Redaktionsleiter Hans Höschel einen Bericht, in welchem als erstes herausgestellt wurde, dass das bundesdeutsche Fernsehen zu jener Zeit noch keine reinen Agrarsendungen ausstrahlte. Höschel zufolge hatte es bisher lediglich sogenannte »Kontaktsendungen‹ im gemeinschaftlichen Abendprogramm gegeben, die fast ausschließlich vom NDR gestaltet worden wären. Als Beispiel führte er die Sendereihe Wege übers Land. Christian Dietrich Hahn plaudert über Gesehenes und Erlebtes258 an, die seit 1955 vom NWDR produziert und in der ARD gesendet worden war. In England und Frankreich hätte es dagegen bereits »Landfunksendungen« gegeben, über deren Inhalt und Sendezeit Höschel aber noch keine Informationen vorlagen.259 Besser informiert zeigte man sich über das US-amerikanische Fernsehen, das ein ausgesprochenes Landwirtschaftsprogramm besessen hätte. Die verschiedenen Sender hätten dem »Farmprogramm«, worunter der Bericht die land- und hauswirtschaftlichen Sendungen zusammenfasste, umfangreiche und günstige Sendezeiten eingeräumt. Hierfür hätten Höschel Beispiele aus dem Staat Wisconsin vorgelegen. An dieser Stelle wird ein interessanter Gegensatz deutlich, der eine Verknüpfung zur Feindbildproblematik herstellt: Während man fernsehintern objektiv amerikanische Fernsehentwicklungen zur Kenntnis nahm, wurde zur gleichen Zeit in der Rundfunk- und Fernsehzeitung Unser Rundfunk auf das heftigste gegen dieses Fernsehen polemisiert. Vor angeblichen Trends aus den USA sind die Leser regelrecht gewarnt worden. So wurde Ralph Edwards This is your life260 als die »FernsehSeelen-Quetsche« und als »Kommerzialisierter Sadismus« bezeichnet,

256 257

258 259 260

Vgl. ausführlich Vollberg 2009. Einzelne Sendungen über landwirtschaftliche Themen waren allerdings bereits zuvor ausgestrahlt worden. Die erste Sendung (Gute Saatvorbereitung – Gute Ernte) lief am 06.02.1953. Vgl. Glatzer et al. 1977, S. 26. Nicht zu verwechseln mit dem bekannten Fünfteiler Wege übers Land von Helmut Sakowski, im DDR-Fernsehen erstmals 1968 ausgestrahlt. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Höschel 1956, S. 1. Ralph Livingstone Edwards (1913-2005) This is your life, zunächst eine Radio-Quiz-Sendung, wurde seit 1952 auf NBC ausgestrahlt und war Amerikas erste Fernseh-Show, in der persönliche Schicksale vorgestellt wurden. Sie lief neun Jahre erfolgreich im Programm und wurde mehrfach imitiert.

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in der das »Fernsehstudio […] in eine Art Folterkammer verwandelt [wird], wo man eine menschliche Seele der Tortur unterwirft«.261 Ebenso kritisiert wurde das Quiz-Format, welches das bundesdeutsche Fernsehen gerade von amerikanischen Vorbildern zu übernehmen begann. Die amerikanische Erfolgsshow The $64,000 Question262 wurde als »Quiz-Schinderei«263 angeprangert. Der Fall des 10jährigen Robert Stroms, der – was in dem Artikel nicht berichtet wurde – 1957 in dieser Show 192.000 Dollar gewann, wurde zum Anlass genommen, die Art der Sendung zu verurteilen: »Ein ›Wunderknabe‹, der […] nie ein richtiges Kind mit natürlichen Spielbedürfnis war« musste demnach Antworten auf die schwierigsten mathematischen Fragen geben. Auch eine Erklärung, warum das amerikanische Fernsehen mit diesen Quizshows aufwartete, lieferte der Autor von Unser Rundfunk: »Was soll diese Sensation um ein Abnormitätenkabinett? Ablenken vom selbständigen, kritischen Denken; anlocken zum Beschauen der Reklamesendungen, die vor- und nachher und zwischendurch aufstrahlen; anlocken zum kritiklosen ›Abkaufen‹ anderer Sendungen, die für den Krieg reif machen sollen.« Diese Argumentation fügte sich in das schon erläuterte Feindbild vom kriegsverherrlichenden amerikanischen Fernsehen ein. Dem Format wurde darüber hinaus attestiert, dass es die Zuschauer nur langweilen könne: »Was soll dieser Quiz-Rummel? Das Publikum sitzt passiv dabei, schwitzt höchstens in tausend Ängsten mit dem Opfer um die Wette – und kann doch nicht mitdenken, nicht urteilen.« Auch in der Bundesrepublik hätten die Zuschauer demzufolge diese Art von Sendungen bereits satt. Dass der DFF allerdings selbst Quizsendung ausgestrahlt hatte, wurde ausgeblendet: Bereits zwischen 1952 und 1954 lief Wer rät mit – wer gewinnt, ab 1955 bis 1957 Sehen-Raten-Lachen. Darüber hinaus prognostizierte der Autor die zukünftige Entwicklung des Formats nicht nur für den Westen falsch, sondern irrte auch für die DDR: Zwischen 1957 und 1964 führte der DFF 31 neue Quizsendungen bzw. Spielshows ins sein Programm ein.264 Eine der bekanntesten war 1958 bis 1959 die Quizsendung Ehe-Ring-Frei! Doch zurück zur Einrichtung von Landwirtschaftssendungen im DDR-Fernsehen: Höschel hatte in seinem Bericht dargelegt, dass Wissenschaftler, Journalisten und Fachberater in der Bundesrepublik seit längerem landwirtschaftliche Sendereihen forderten. Er spekulierte, dass den westdeutschen Stationen hierfür derzeit das Geld fehlen würde. Trotzdem wäre damit zu rechnen, dass spezifische Sendungen mit diesem Themenschwerpunkt bis 1957 auch im bundesdeutschen Fernsehprogramm eingeführt würden. Dieser Entwicklung müsste das DDR-Fernsehen zuvorkommen: »Für uns geht es darum, recht schnell ein solches Programm für die Landbevölkerung zu gestalten, um damit

261 262 263 264

O.N. 1957b und o.N. 1957c. Ausgestrahlt auf CBS (Juni 1955 bis November 1958), ein bekannter Ableger war The $64,000 Challenge (1956 bis1958). Hier und im Folgenden: o.N. 1957h. Zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten von frühen Spiel- und Quizsendungen im West- und Ostfernsehen vgl. Hallenberger 2005, S. S. 262-277.

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einen möglichst grossen [sic!] Vorsprung gegenüber dieser Entwicklung in Westdeutschland zu erhalten.«265 Mit dieser Argumentation schien sich Höschel gegenüber dem Kollegium durchgesetzt zu haben, denn ab dem 10. März 1957 strahlte der DFF Sendungen zur Landwirtschaft aus. Ebenso schnell wurde eine Redaktion Landwirtschaft gegründet, die ab 1959 eigenständig arbeitete. Auch nach außen hin zeigte sich das DDR-Fernsehen stolz auf dieses ›Überholen‹ des westdeutschen Fernsehens. In der Broschüre anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Deutschen Fernsehfunks wurde ausgeführt: »Zu unseren dankbarsten Zuschauern gehören – zahlreiche Briefe beweisen das immer wieder – unsere werktätigen Bauern und Traktoristen der Maschinen-Traktoren-Stationen. Sie vor allem begrüßten es, daß wir im Frühjahr dieses Jahres als erste deutsche Fernsehstation mit speziellen Sendungen für die Landwirtschaft begannen.«266 Insgesamt setzte das Fernsehen der ARD, und bedingt auch die Regionalprogramme, für die Fernsehschaffenden in der DDR uneinholbare Maßstäbe. In den 1950er Jahren war den Verantwortlichen klar, dass die Zuschauer der DDR von der Wahlmöglichkeit zwischen zwei deutschen Programmen rege Gebrauch machten. Für die Mitarbeiter war diese Konkurrenz oft genug auch Ansporn zu eigenen Leistungen oder, wie es Füssler vor der APO Programm ausdrückte: »Wir werden den Feind auch auf unsrem Gebiete schlagen durch ein hohes Niveau und durch künstlerische Meisterschaft in unseren Sendungen.«267 Ob der DFF die ARD ›geschlagen‹ hat, lässt sich heute – ohne Zuschauerdaten für die 1950er Jahre – nicht mehr rekonstruieren. Erst für spätere Phasen kann die Forschung konstatieren, dass die Ostdeutschen im Durchschnitt mehr das eigene als das westliche Fernsehen eingeschaltet haben. Das DDR-Fernsehen nahm sich jedenfalls schon im ersten Jahrzehnt seines Bestehens als ein Medium wahr, das um die Gunst der Zuschauer konkurrieren musste, sowohl im Osten als auch im Westen. Diese grundsätzliche Haltung blieb auch in der nächsten Dekade bestehen. Bis zum Ende der 1960er Jahre wandte sich der DFF aber von dem westdeutschen Publikum ab und machte die DDR-Bevölkerung zur Hauptzielgruppe seines Programms. Der Konkurrenzkampf der deutschen Fernsehprogramme spielte sich damit für ihn hauptsächlich auf dem Territorium der DDR ab, aber das einstrahlende Westfernsehen blieb der ›Gegner‹, an dem er sich messen lassen musste.

265 266 267

[Q] Höschel 1956, S. 2. DFF 1957, o.S. [Q] SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk, APO Programm 1959, S. 12.

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3.4 Das Projekt »Deutschland-Fernsehen« 3.4.1 D AS DOPPELTE »D EUTSCHLAND -F ERNSEHEN « – K ONZEPTIONEN IN DER DDR UND DER B UNDESREPUBLIK Die Pläne für ein zweites Fernsehprogramm268 ab Frühjahr 1959, dessen Hauptzielgruppe die westdeutsche Bevölkerung sein sollte, stellen in doppelter Beziehung einen Höhepunkt in der Orientierung des DDRFernsehens an der Bundesrepublik dar.269 Zum einen lässt sich bei diesem Projekt klar der Einfluss der bundesdeutschen Vorstöße zu einem zweiten Fernsehprogramm belegen. Das DDR-Fernsehen sah sich in der Konkurrenz zum westdeutschen Fernsehen und fürchtete, für den Fall der Ausstrahlung von zwei oder mehr westlichen Programmen in die Defensive zu geraten. Zum anderen sprach die Konzeption eines eigenen Programms, ausgerichtet für das Publikum jenseits der deutschdeutschen Grenze, für die große Bedeutung, die das DDR-Fernsehen den westlichen Zuschauern beimaß. Die ab 1957 im DFF realisierten Sendungen für Westdeutsche sollten zu einem ganzen Fernsehprogramm ausgebaut werden. Das »Deutschland-Fernsehen«270 wurde als eigenständige Einrichtung mit einem eigenen Studiokomplex konzipiert, das unabhängig vom Programm des DFF produzieren und senden sollte: Einer Senderkette entlang der deutsch-deutschen Grenze sollte das Programm im Band IV ausstrahlen.271 Aber all das blieb Wunschdenken der Rundfunk- und Fernsehführung: Das Deutschland-Fernsehen wurde nie realisiert. Fehlende ökonomische Ressourcen wurden ab 1960 angeführt, um das Projekt zurückzustellen. Im folgenden Jahr verschwand es ganz aus der Diskussion, um 1964 noch einmal aufgegriffen zu werden. Nach kurzer Debatte wurde es endgültig fallengelassen. Aber gerade die Geschichte des Scheiterns offenbart auf interessante Weise die Abhängigkeit der Fern268 269

270

271

Vgl. hierzu ausführlich Dittmar 2007. Welch hohe Priorität die Rundfunk- und Fernsehführung der Westpropaganda 1959 einräumte, zeigt die Tatsache, dass zeitgleich zum Deutschlandfernsehen ein zweites Deutschlandsender-Programm über UKW geplant wurde. Ähnlich wie die Konzeption zum Deutschlandfernsehen wurde dieses Projekt später zurückgestellt. Verwirklicht wurde es als kleineres Spartenprogramm: Ab 1960 strahlte der »Deutsche Soldatensender 935« ein Programm für die Soldaten der Bundeswehr aus, vgl. Arnold 2002, S. 399. Die Quellen enthalten die Schreibarten »Deutschland-Fernsehen« und »Deutschlandfernsehen«. In Zitaten wird die jeweilige Schreibung beibehalten, ansonsten die erste Variante verwendet, da sie die ursprüngliche Form darstellt und in der DDR-Presse veröffentlicht wurde. Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, wird der Name nicht weiter in Anführungszeichen gesetzt. Die Sender für den VHF-Bereich werden in Band I (41-68 MHz) und Band III (174-223 MHz) unterteilt, die für den UHF-Bereich in Band IV und V (470790 MHz). Der DFF sendete im Band III. Bei der Konzeption eines zweiten Programms (im frühen, hier thematisierten Planungsstadium als Deutschland-Fernsehen gedacht) ging man von einer Ausstrahlung im Band IV aus.

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sehplanungen von der ›großen Politik‹ der SED im Allgemeinen und der Deutschlandpolitik im Besonderen. Es ist dabei aus heutiger Sicht beinahe kurios, dass weder das in der DDR geplante Deutschland-Fernsehen noch das bundesdeutsche Programm, das den gleichen Namen tragen sollte und später als Adenauer-Fernsehen272 bezeichnet wurde, in seiner ursprünglichen Konzeption verwirklicht wurde. Aus unterschiedlichen Gründen schlugen beide Vorhaben fehl: In der Bundesrepublik wurden zwar in ausreichendem Umfang finanzielle Mittel bereitgestellt und die oberste politische Führung unterstützte das geplante Deutschland-Fernsehen vehement. Trotzdem verhinderten die politischen und juristischen Rahmenbedingungen seine Einführung. In der DDR wäre die Realisierung durchaus konform mit dem ideologischen Auftrag an die Medien gelaufen, hier fehlten aber sowohl der finanzielle Spielraum als auch die Protektion der höchsten Entscheidungsträger. Erst komplett neue Rahmenbedingungen und veränderte Zielstellungen ›beerbten‹ die in Ost und West gescheiterten Deutschland-Fernsehen-Projekte: In der Bundesrepublik wurde es 1963 in veränderter Form als »Zweites Deutsches Fernsehen« (ZDF) realisiert, das östliche Pendant folgte als »DFF II« im Jahr 1969. Für die Idee und die Planungsphase des ostdeutschen Projektes waren der ›Gegner im Äther‹ und sein geplantes ›Regierungsfernsehen‹ allerdings ausschlaggebend. Zwei Hauptgründe wurden für die Schaffung des Programms immer wieder angeführt: Zum einen wurde der politische Bedarf an einem Programm für die westdeutschen Zuschauer formuliert und zum anderen argumentiert, dass man nicht hinter die westdeutschen Fortschritte bei der Schaffung eines zweiten Programms zurückfallen dürfte. Bereits im Dezember 1957 befürchtete das Staatliche Rundfunkkomitee, das den bundesdeutschen Bund-Länder-Streit273 um das Fernsehen verfolgt hatte, gegenüber der westlichen Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten. In einem Brief teilte der Vorsitzende Hermann Ley seine Befürchtungen dem SED-Zentralkomitee mit: »Wir fühlen uns verpflichtet, Euch auf den gegenwärtigen Stand und die geplante technische Entwicklung des Rundfunks und des Fernsehens unserer Republik aufmerksam zu machen, da wir mit großer Sorge sehen, wie wir technisch immer mehr hinter der Entwicklung in Westdeutschland zurückbleiben. Eine solche Entwicklung hat zur Folge, daß wir in der ideologischen Auseinandersetzung mit den Mitteln des Rundfunks und des Fernsehens in eine immer schwierigere Lage geraten.«274 In dem beigefügten »Zahlenmaterial über die Entwicklung des Rundfunks und Fernsehens« wurde zum ersten Mal die Befürchtung einer quantitativen Überlegenheit des bundesdeutschen Fernsehens deutlich, denn es prognostizierte der Bundesrepublik bis 1960 wenigstens drei Fernsehprogramme: Zwei Programme für die gesamte Bundesrepublik, Regionalprogramme für das Gebiet des Nordwestdeutschen Rundfunks, Hessens

272 273 274

Vgl. hierzu ausführlich Steinmetz 1996. Vgl. hierzu überblicksweise Hickethier/Hoff 1998, S. 115-117. [Q] Ley an das Politbüro, 10.12.1957, S. 1.

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und Bayerns und ein Werbefernsehprogramm, das als drittes Programm bezeichnet wurde.275 Die bundesdeutschen Pläne zur Schaffung weiterer Fernsehprogramme, die neben dem »Deutschen Fernsehen« der ARD bestehen sollten, bildeten von da an die ›Folie‹ für die ostdeutschen Konzeptionen zum Deutschland-Fernsehen. Eine gewichtige Rolle spielte hierbei die Auffassung, die der erste deutsche Bundeskanzler von den Medien hatte: Für Konrad Adenauer stellten Presse, Hörfunk und Fernsehen nützliche Instrumente dar, die die politischen Positionen der Bundesregierung unter das Volk bringen sollten.276 Er strebte an, diese Vorstellungen in gesetzliche Grundlagen zu überführen und versuchte, ein Bundesrundfunk- und ein Bundespressegesetz zu initiieren. Hierfür hätte Adenauer die Rundfunkhoheit der Bundesländer einschränken müssen, was diese ab 1953 zu verhindern suchten – die Folge war ein massiver Bund-Länder-Konflikt, der bis 1959 andauerte, ohne dass eine Lösung gefunden wurde. Im Juni 1959 eskalierte der Streit. Bundesinnenminister Gerhard Schröder kündigte ein Bundesrundfunkgesetz an, welches auch ein zweites Fernsehprogramm auf bundesstaatlicher Ebene ermöglichen sollte. Mit den »Kieler Beschlüssen« vom 19./20. Juni 1959 hielten die Bundesländer ihre ablehnenden Positionen dagegen und beschleunigten ihre eigenen Pläne für ein zweites Fernsehprogramm. Daraufhin schwenkte die Bundesregierung auf eine privatwirtschaftliche Lösung um: Sie visierte eine Bundesanstalt mit dem Namen »DeutschlandFernsehen« an, die später häufig als »Adenauer-Fernsehen« bezeichnet wurde. Im Dezember 1959 beauftragte die Bundesregierung, ohne die Öffentlichkeit zu informieren, die »Freies Fernsehen GmbH«277 mit der Schaffung eines zweiten Fernsehprogramms, das innerhalb eines Jahres aufgebaut werden und Anfang 1961 auf Sendung gehen sollte. Im ersten Halbjahr 1960 wurden hierfür erste redaktionelle Strukturen geschaffen und Ausstrahlungsrechte für den neuen Sender erworben. In Vorbereitung auf den Sendestart wurde zudem Programm vorproduziert, an dessen Entstehung prominente Redakteure, Journalisten und Regisseure beteiligt waren.278 Die Entscheidung zu Gunsten der »Freies Fernsehen GmbH« vertiefte die Gräben zwischen der Bundesregierung auf der einen und den Ministerpräsidenten auf der anderen Seite. Die CDU, die sowohl den Bundeskanzler als auch einflussreiche Landeschefs stellte, war gespaltener den je. Im Juni 1960 war der Kanzler entschlossen, Fakten in der Rundfunkfrage zu schaffen. Nachdem wiederum keine Einigung mit den Ministerpräsidenten erzielt werden konnte, gründeten der Bundes-

275 276 277 278

Vgl. ebd., Anhang: Zahlenmaterial über die Entwicklung des Rundfunks und Fernsehens, S. 2. Vgl. hier und im Folgenden die ausführliche Darstellung in Steinmetz 1996. Diese wurde am 05.12.1958 von Reinhold Krause und Heinrich G. Merkel gegründet, vgl. ebd., S. 268-271. Steinmetz verweist u.a. auf Peter von Zahn, Franz Woerdemann, Karl Senne und Reinhard Kleinmann. Vgl. ebd., S. 342-343 sowie 348-357.

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kanzler und der Bundesjustizminister Fritz Schäffer am 25. Juli 1960 die »Deutschland-Fernsehen GmbH«. Die Öffentlichkeit reagierte entrüstet auf diesen überstürzten Schritt Adenauers. Der Vorwurf wurde laut, Adenauer hätte sich ein eigenes Fernsehen als Waffe im Wahlkampf geschaffen, der Bundestag wäre entmündigt und das föderalistische System der Bundesrepublik ausgehebelt worden. Nun ging der Fernsehstreit an das Bundesverfassungsgericht: Die Bundesländer Hamburg (19.08.1960), Niedersachsen (25.08.1960) und Bremen (30. 08.1960) klagten gemeinsam vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Vorstoß Adenauers. Hessen erhob einen Monat später eine eigene Klage in der gleichen Angelegenheit. Das Verfassungsgericht entschied im Sinne der klageführenden Länder und bereitete damit sowohl der »Deutschland-Fernsehen GmbH« als auch der »Freies Fernsehen GmbH« ein schnelles Ende: Am 17. Dezember erließ es eine Einstweilige Anordnung, die einen Sendebeginn des »Deutschland-Fernsehens« oder einem ähnlichen, nicht von der ARD betriebenen, zweiten Programm zum 1. Januar 1961 verbot. Dies wurde im ersten Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. Februar 1961 bestätigt. Das Gericht bekräftigte die Rundfunkhoheit der Länder: Fernsehen in Deutschland musste demnach öffentlich-rechtlich organisiert und staatsfern sein. Kurze Zeit später wurde die »Deutschland-Fernsehen GmbH« aufgelöst und für die »Freies Fernsehen GmbH« begann eine zweieinhalb Jahre dauernde Phase der Liquidation (14. Juli 1961 bis 10. Januar 1964). Erst mit deren Ende war klar, dass die Staatskasse dadurch mit insgesamt 35 Millionen DM belastet worden war. Am 17. März 1961 beschlossen die Ministerpräsidenten, eine neue zentralistisch organisierte Fernsehanstalt einzurichten, die ein zweites öffentlich-rechtliches Fernsehprogramm ausstrahlen sollte. Knapp drei Monate später wurde das ZDF per Staatsvertrag gegründet. Es war in gewisser Weise Adenauers »illegitimes Kind«279, denn es verwirklichte nicht nur personell und materiell (in Bezug auf die Übernahme der Sendezentrale in Eschborn und der technischen Ausstattung) einen Teil des Erbes der »Freies Fernsehen GmbH«. Das ZDF strahlte später zudem Teile von dessen vorproduziertem Programm aus. Auf diese Weise waren im Westen schon über Jahre hinweg, trotz aller politischen Unstimmigkeiten, Fakten in Form von Programm und Investitionen geschaffen worden, während der Osten ein zweites Programm nur in Gedanken formte. Das »Kollegium des Deutschen Fernsehfunks« mit Adameck an der Spitze versuchte drei Monate, nachdem Ley sich beim ZK der SED über die Fortschritte des Westfernsehens beklagt hatte, an die Entwicklungen in der Bundesrepublik aufzuschließen. Im Februar 1958 wurde in einer »Programmperspektive« bis zum Jahr 1975 auch für den DFF eine quantitative Erweiterung vorgeschlagen: Das erste Programm sollte als Hauptprogramm bis 1965 zeitlich erweitert werden. Im gleichen

279

Dieses Zitat geht in der Überlieferung von Karl Holzamer auf Adenauer zurück. Vgl. ebd., S. 249.

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Jahr sollte zusätzlich mit einem zweiten Programm begonnen werden, das bis 1970 ausgebaut und im Zeitraum 1970 bis 1975 wiederum durch ein drittes Programm ergänzt werden sollte.280 Das erste und zweite Programm sollten dabei schwarz-weiß senden und sich durch die Belegung unterschiedlicher Sendezeiten gegenseitig ergänzen. In den parallelen Sendezeiten sollte das zweite Programm zudem »Sendungen ausstrahlen, die spezielle Fachgebieten bzw. Bevölkerungsschichten gewidmet sind« – eine sehr allgemeine Festlegung, die wenige Informationen zum angedachten Charakter des zweiten Programms preisgibt. Das dritte Programm als Farbfernsehen wurde langfristig geplant, wobei eingeräumt wurde, dass die künftigen Sendezeiten »den Möglichkeiten entsprechen [werden], die ab 1970 technisch, finanziell und materiell zur Verfügung stehen«. Die Entwicklung des Farbfernsehens wurde 1958 dementsprechend noch mit einiger Skepsis betrachtet, wobei sich die Prognosen zur Zeitplanung später als sehr zutreffend herausstellten. Tatsächlich wurde das Farbfernsehen 1969 (1958 ging man von 1970 aus) eingeführt, allerdings als zweites und nicht als drittes ostdeutsches Programmangebot. 3.4.2 E RSTER A NLAUF 1959: D IE I DEE ZUM D EUTSCHLAND -F ERNSEHEN Ein reichliches Jahr später war die ostdeutsche Seite zunehmend beunruhigt über die Entwicklungen in der Bundesrepublik. Adameck forderte auf einer Leitungssitzung im Januar 1959 Konsequenzen und versuchte, den Aufbau eines eigenen zweiten Programms zu forcieren. Im Protokoll wurde dies in verknappter Form festgehalten: »Zweites Programm. Wir müssen uns langsam Gedanken darüber machen. Bonn hat beschlossen, dass Programm der Bundespost unterstellt wird. Welchen Charakter geben wir dieses [sic!] Programm?«281 Die Frage schien ernst gemeint zu sein, zu diesem Zeitpunkt deutete noch nichts auf eine Ausrichtung des zweiten Programms in Richtung Westpublikum. Mitte Februar informierte Adameck Ley erneut über die vermeintlich bedrohlichen Entwicklungen im Westen: Die »Bonner Regierung« hätte demzufolge den Beschluss über das »Bundesfernsehen« gefasst, mit dem Ziel »möglichst bis 1960 – unbedingt aber bis 1961 – das erste Bild auszustrahlen«.282 Auf ostdeutscher Seite ständen diesen Plänen laut Adameck nur vage Planungen und zusätzliche Komplikationen durch die Lieferschwierigkeiten der Elektroindustrie gegenüber, die die benötigten 20-Kilowatt-Sender nicht vor 1965 herstellen könnten. Um seinem Vorhaben Nachdruck zu verleihen und die dafür nötige politische Unterstützung zu erhalten, wies Adameck zum einen auf die gesamtdeutschen Aufgaben des DFF hin. Zum zweiten stellte er heraus, dass der DFF zu den bundesdeutschen Entwicklungen aufschließen 280 281 282

Vgl. hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1958b, S. 2. [Q] SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk 1959a, S. 6. Hier und im Folgenden: [Q] Adameck an Ley, 17.02.1959, S. 2.

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müsse: »Wir halten es für erforderlich, daß bis 1961, möglichst noch früher, der Deutsche Fernsehfunk seinen politischen Einfluß nach Westdeutschland so verstärkt, daß gleichzeitig den Bonner Plänen entgegengetreten wird.« Konkret forderte Adameck den Bau eines neuen Studiokomplexes in Berlin, den Ausbau der Richtfunkstrecken und den Einsatz von mindestens zehn neuen Fernsehsendern (im Band IV). In diesem Schreiben benannte Adameck auch zum ersten Mal das angedachte Profil des Zweiten Programms als einen ostdeutschen Sender, der hauptsächlich für die westdeutsche Bevölkerung senden sollte: »Nach den bisherigen Überlegungen müsste dieses neue Programm den Charakter eines Deutschlandsender-Fernsehfunks erhalten.« Weder aus diesem Schreiben noch aus anderen Quellen des überlieferten Schriftguts lässt sich allerdings rekonstruieren, wer dieses Konzept entwickelt und welche politischen Instanzen es befürwortet haben. Sicherlich ging die Idee nicht allein auf Adameck zurück, aber er brachte sie gegenüber der Rundfunkführung ›ins Spiel‹. Fest steht nur, dass auf der Komiteesitzung anlässlich der »Perspektivplanung unter Berücksichtigung einer künftigen Abgrenzung von Rundfunk und Fernsehen« am 21. April diese Pläne bereits bekannt waren.283 Die anvisierte Ausrichtung nach Westen lässt sich aus dem Anlass der Besprechung ableiten: Es ging um die Aufteilung der »Westpropaganda« zwischen Hörfunk und Fernsehen. Im speziellen wurde diskutiert, inwieweit das zweite DFF-Programm Aufgaben des Deutschlandsenders hätte übernehmen können, dem bisher wichtigsten Propagandainstrument der SED gegenüber der Bundesrepublik. Im Grundtenor der Sitzung scheint dem Fernsehen eine größere Wirkung bei der Umsetzung der ideologischen Ziele gegenüber dem Westpublikum zugebilligt worden zu sein. Als Hauptargument für eine Beibehaltung der Westpropaganda im Radio wurden rein technische Aspekte angeführt, da das Fernsehen mit den großen Reichweiten der Lang- und Mittelwellen nicht konkurrieren konnte. Dabei zeichnete sich bereits in dieser Sitzung ab, dass für die Bereitstellung der Mittel für ein zweites Fernsehprogramm an anderer Stelle im Rundfunkbereich hätte gespart und Mitarbeiter versetzt werden müssen. Adamecks weitere Pläne für das Fernsehen, die er in dieser Sitzung vorstellte, muteten tatsächlich sehr ehrgeizig an. Für das erste DFF-Programm verkündete er eine Steigerung der wöchentlichen Stundenzahl von 48,5 Stunden im Jahr 1959 auf 74 Stunden 1965. Das Studio in Leipzig284 sollte 1962 in Betrieb genommen werden, ab 1963 sollte mit dem Neubau eines weiteren Studios in Rostock begonnen werden. Für das zweite Programm strebte Adameck weiterhin einen neuen Studiokomplex in Berlin an. Ab 1962 sollten zunächst acht Stunden Programm pro Woche gesendet werden. Bis 1965 sollte sich die Sendezeit

283 284

Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Rundfunkkomitee 1959b. Seit 1958 plante das DDR-Fernsehen ein Fernseh- und Rundfunkstudio in Leipzig. Nur ein Jahr später wurde das Projekt aufgegeben. Der zweite Fünfjahrplan wurde durch den Siebenjahrplan 1959-1965 ersetzt und in diesem war das Studio nicht mehr vorgesehen, vgl. ausführlicher Hoff 2002a.

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auf 20 Stunden erhöhen. Adameck nahm allerdings bereits zu diesem Zeitpunkt eine wichtige Einschränkung vor, indem er anmerkte: »Das hängt davon ab, was wir von der Industrie bekommen.« Er schien geahnt zu haben, dass die Bereitstellung der Mittel und die Leistungsfähigkeit der Industrie die wahren Hürden für die Erweiterung des Fernsehens auf zwei Kanäle sein würden. In welchen Dimensionen hätte investiert werden müssen, zeigt eine »Aufstellung der benötigten technischen Geräte, Anlagen und Einrichtungen für die erste Ausbaustufe« des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen. Diese Kalkulation vom 8. Juni 1959 bezifferte allein die inländischen Investitionen für die technische Ausrüstung des neuen Senders auf 2,8 Millionen DM285. Für die zu importierende Technik wären darüber hinaus mehr als sieben Millionen DM benötigt worden,286 wobei die Beschaffung von westdeutscher Sendetechnik nicht allein aus finanzieller Sicht ein Problem darstellte.287 Um die ersten Hürden bei der Bereitstellung von Investitionen zu nehmen, fand am 15. Juni 1959 in der Abteilung Transport- und Nachrichtenwesen der Staatlichen Plankommission eine Besprechung statt. Einziger Tagesordnungspunkt war die Einführung eines zweiten Fernsehprogramms. Die Sitzung führte Funktionäre des Zentralkomitees aus der Abteilung Verkehr- und Verbindungswesen, Mitarbeiter des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesens und Ley, in seiner Funktion als Vorsitzender des Staatlichen Rundfunkkomitees, sowie Adameck als Intendant des DFF zusammen. Hinzu kamen Mitarbeiter der Staatlichen Plankommission aus den Zuständigkeitsbereichen Perspektivplanung, Kultur sowie Transport und Nachrichtenwesen. Im Protokoll fällt dabei besonders ins Auge, wie begründet wurde, dass die DDR zügig zu reagieren hatte. Die These von der ›Gefahr im Verzug‹ wurde so bereits zum zweiten Mal in der Geschichte des DDRFernsehens formuliert: »Über die Notwendigkeit einer schnellen Einführung eines 2. Fernsehprogramms in der DDR bestand bei allen Beteiligten volle Übereinstimmung, um der Absicht des Gegners, das Band IV zu belegen, zuvorzukommen.« Wie schon im Frühjahr 1952 glaubte sich die Rundfunkführung in einem Wettlauf mit dem bundesdeutschen Fernsehen um die Indienstnahme von Sendefrequenzen. Nur wurde, im Unterschied zur Situation vor sieben Jahren, jetzt frühzeitig deutlich, dass man in dieser Konkurrenz ökonomisch im Nachteil war und sich bereits Schwierigkeiten bei der Realisierung des Projekts abzeichneten: Für das zweite Programm hätten andere Vorhaben von Hörfunk und Fernsehen in der DDR zurückgestellt werden müssen, da keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung standen. Hoff wertet dies als Zeichen für die »Wichtigkeit, die diesem Vorhaben seiner-

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Die »Deutsche Mark« der Deutschen Notenbank, abgekürzt DM, war die offizielle Bezeichnung der Währung der DDR. Erst 1964 erfolgte die Umbenennung in Mark der Deutschen Notenbank (MDN). Vgl. [Q] Lipfert an Grimmer, 08.06.1959. Vgl. Dittmar 2007, S. 231-232.

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zeit beigemessen wurde«288. Es scheint aber eher das Gegenteil der Fall gewesen zu sein. Die Tatsache, dass kein zusätzlicher Etat für die Pläne zum zweiten Programm existierte, deutet auf ein mangelndes Interesse der Parteiführung hin, die diese Finanzen hätte anweisen können. Die Variante der Umverteilung war ein wenig Erfolg versprechender Kompromiss, den die Rundfunkleitung gern aus der Welt geschafft hätte. Für dieses These spricht auch folgendes ›Nachspiel‹ der Sitzung: Nach der Übersendung des Protokolls beschwerte sich Ley schriftlich bei der Abteilung Transport und Nachrichtenwesen, dass die entscheidende Passage zur Finanzierung des zweiten Programms im Protokoll falsch wiedergegeben worden wäre.289 Als Vermittler und Förderer der Idee eines zweiten Programms wurde hier zum ersten Mal Albert Norden benannt, der zu diesem Zeitpunkt Sekretär des ZK der SED für Agitation und Propaganda sowie Leiter der Agitationskommission beim Politbüro des ZK war. Er sollte bei dem Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission Bruno Max Leuschner und bei dem Leiter der Wirtschaftskommission beim Politbüro, Erich Apel, anregen, Extramittel für die Schaffung des zweiten Programms freizugeben, die nicht vom bisherigen Rundfunketat abgenommen werden sollten. Dieses Vorhaben, das Ley anregte, um den bisherigen Spielraum des Rundfunks nicht zu gefährden, stellte allerdings eine eher vage Aussicht auf Erfolg dar. Schon hier wurde deutlich, dass der Impuls für die Umsetzung der Pläne eher von ›unten‹ – also von der Rundfunkund Fernsehführung – ausging. Zwar unterstützte die Abteilung Agitation und Propaganda die Pläne, eine Protektion von ›oben‹ – von Seiten der SED-Führung – ist nicht nachweisbar. Trotz der sich abzeichnenden Schwierigkeiten erfuhr die Öffentlichkeit im Juni 1959 erstmals von den Plänen zur Schaffung eines zweiten Fernsehprogramms, ohne dass etwas über den Charakter des geplanten Fernsehsenders bekannt wurde.290 Zwar war die Ausrichtung des beabsichtigten Programms nach Westdeutschland zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden und das Projekt wurde konsequent in die fernsehinternen Planungen einbezogen, aber sogar intern wurde die anvisierte Konzeption nicht kommuniziert.291 Allein die Personaldisposition im Perspektivplan von 1959 macht deutlich, dass der DFF ein Büro in der Bundesrepublik mit Korrespondenten in jedem Bundesland einrichten wollte. Kurze Zeit später wurde zudem festgelegt, dass die zukünftigen Mitarbeiter des zweiten Programms in der Redaktion Zeitgeschehen ausgebildet werden sollten.292 Anfang Juli 1959 trat dann in den Planungen des Fernsehens eine neue, veränderte Profilbestimmung für das zweite Programm zutage. Es wurde nun als ein Sender beschrieben, der »einerseits die westdeut-

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Hoff 2003, S. 12. Vgl. [Q] Ley an Lehmann, 20.06.1959, S. 1. Vgl. Vollberg 2002, S. 147 und Dittmar 2007, S. 234. Vgl. [Q] Deutscher Fernsehfunk 1959 sowie [Q] Staatliches Rundfunkkomitee 1959a. Vgl. [Q] Kollegium des Deutschen Fernsehfunks 1959, S. 5.

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schen und westberliner Zuschauer zum aktiven Kampf gegen den westlichen Militarismus mobilisieren soll, andererseits dem Zuschauer in der DDR ein echtes Alternativprogramm zum ersten Programm bieten soll«293. Damit wurde erstmals ein Gestaltungsprinzip formuliert, das zum einen 1964, als erneut über den zukünftigen Charakter des zweiten Programms entschieden wurde, eine Variante zur Realisierung darstellte. Zum anderen durchzog es die Konzeptionen des Fernsehens seit der tatsächlichen Gründung des zweiten Programms 1969, nämlich als Forderung, das zweite Programm alternativ zum ersten zu arrangieren und dem Zuschauer somit eine Wahlmöglichkeit zwischen beiden Programmen zu bieten. Diese Pläne gipfelten 1982/83 in der Einführung der sogenannten »alternativen Programmstruktur«, die die zweite größere Programmreform im DDR-Fernsehen darstellte.294 Im Sommer 1959 gerieten die Planungen für ein zweites Programm zunächst in eine Sackgasse: Die Abteilung Agitation und Propaganda hatte gemeinsam mit der Abteilung Verkehr und Verbindungswesen eine Vorlage für das Politbüro über die Aufnahme des zweiten Fernsehprogramms ausgearbeitet. Da darin die Bereitstellung von erheblichen finanziellen Mitteln gefordert wurde, behandelte sie jedoch nicht das Politbüro, sondern die Kommission für den Siebenjahrplan. Diese stellte die Vorlage zurück und begründeten ihre Haltung vor allem mit dem Hinweis, dass noch nicht feststände, ob die Bundesrepublik überhaupt ein zweites Fernsehprogramm ausstrahlen würde. Eile wäre darum nicht geboten.295 Die eskalierende Auseinandersetzung zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten im Juni 1959 schien die Entscheidungsträger in der DDR wenig beunruhigt zu haben. So lange die Differenzen anhielten, sah man keinen akuten Handlungsbedarf. Insgesamt reichte zu diesem Zeitpunkt der Einfluss der Befürworter nicht aus, das Politbüro – den innersten Machtzirkel der DDR – von den Plänen zu überzeugen, wenn dieses die Zuständigkeit ablehnte. Ob im Anschluss an diese Niederlage die Westorientierung des geplanten zweiten Programms noch einmal debattiert wurde und der alternative Charakter vielleicht als ›Zusatznutzen‹ in die Waagschale geworfen wurde, lässt sich nicht nachweisen, sondern nur vermuten. In der zweiten Jahreshälfte 1959 fehlen umfassendere Nachweise über die Planungen zum zweiten Programm.296

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[Q] Deutscher Fernsehfunk, Aktuelle Kamera 1959, S. 2. Zur Einführung der alternativen Programmstruktur im DDR-Fernsehen vgl. ausführlicher Dittmar/Vollberg 2004. Vgl. die nachträgliche Schilderung der Ereignisse in [Q] Abteilung Agitation und Propaganda, Sektor Rundfunk/Fernsehen 1960, S. 1. Lediglich die Bereitstellung von Personal für das zweite Programm wurde weiter in die Planungen der einzelnen Redaktionen einbezogen.

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3.4.3 Z WEITER A NLAUF 1960: D IE E NTSCHEIDUNG DES P OLITBÜROS Es bedurfte eines zweiten Versuchs der Abteilung Agitation und Propaganda, das Politbüro einzubeziehen. Im März 1960 forderte Ley plötzlich vier Fernsehprogramme für die DDR: Das vorhandene Programm sollte als Schwarz-Weiß-Programm für die DDR-Zuschauer ausgebaut werden. Hinzukommen sollten ein ostdeutscher Bildungskanal, das Propagandaprogramm nach Westen und ein Farbfernsehsender mit Sendungen sowohl für das ost- als auch für das westdeutsche Publikum.297 Einen Monat später nahm die Abteilung Agitation und Propaganda die Entwicklungen in der Bundesrepublik – wo im Bundeskabinett der Rundfunkgesetzentwurf beraten wurde – zum Anlass und versuchte, sie als Druckmittel gegenüber der DDR-Regierung einzusetzen: In den letzten Wochen wäre demnach »eine völlig neue Situation entstanden«, die die Verfasser verpflichten würde, »die Parteiführung gründlich zu informieren«.298 Die Bundesrepublik würde bis zum Januar 1961 über drei Fernsehprogramme verfügen und die Abteilung argumentierte, dass die DDR dringend nachziehen müsste: »Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen würde also das Fernsehverhältnis zwischen unserer Republik und Westdeutschland ab Januar 1961 nicht mehr (wie heute) 1:1, sondern 3:1 stehen.« Der aus der westdeutschen Presse angeblich ersichtliche Charakter der zwei Programme wurde als zusätzliches Argument angeführt: »Beide zielen bewusst auf die Bürger unseres Staates und sehen vor, neben höchstens 10% Werbesendungen ausschließlich Unterhaltung in geschickter Mischung mit politischen Hetzsendungen gegen uns zu bringen!« Es wurde förmlich ein Schreckensszenario heraufbeschworen, um die eigenen Forderungen gut zu positionieren: »Die jetzige Lage erfordert von uns sofortiges Handeln! Darum schlagen wir vor, umgehend mit den Vorbereitungen zu einem II-Fernsehprogramm [sic!] zu beginnen und vorzusehen, am 7. Oktober 1960, spätestens aber im Dezember 1960 – also auf jeden Fall vor Westdeutschland – mit dem zweiten Fernsehprogramm der DDR offiziell zu starten.« Ein drittes Programm wurde dabei vage in Aussicht gestellt, wobei im Gegensatz zu Leys Plänen von »Farbfernsehen oder Fernsehuniversität« die Rede war. Besonders interessant ist der angedachte Charakter des zweiten Programms: Eine Ausrichtung nach Westen war nicht vorgesehen, vielmehr wurde »ein echtes Alternativprogramm« für die DDR-Zuschauer gewünscht. Es erfolgte zwar der Hinweis, dass dieses Fernsehprogramm mit den Sendern Berlin und Dequede299 450.000

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Vgl. [Q] Ley 1960, S. 3. Hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Agitation und Propaganda, Sektor Rundfunk/Fernsehen 1960, S. 1-5, Hervorhebungen im Original. Dequede liegt in der Gemeinde Krevese, im heutigen Landkreis Stendal (Sachsen-Anhalt). Der Fernsehturm von Dequede wurde zwischen 1956 und 1959 errichtet.

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Fernsehgeräte in Westberlin und der Bundesrepublik erreichen könnte, aber diese Zielgruppe stand nicht im Zentrum der Argumentation. Ein kurzfristiger Erfolg war der Initiative der Abteilung Agitation und Propaganda wohl nicht beschienen, denn die erhoffte Erörterung im Politbüro fand erst knapp fünf Monate später statt. In der Zeit zwischen April und September wurden die Pläne allerdings erneut grundsätzlich revidiert. Die Hauptausrichtung auf das Westpublikum wurde nun wieder favorisiert und das Projekt erhielt einen Namen. Er lässt sich erstmals in Pressereaktionen vom 13./14. Juli 1960 nachweisen, die in Ost (Neues Deutschland) und West (Frankfurter Rundschau) ein von der DDR geplantes »Deutschland-Fernsehen« ankündigten.300 Die DDR hatte mit diesem Namen die gleiche Bezeichnung gewählt wie zuvor die Bundesrepublik für ihre geplante neue Bundesanstalt. Es lässt sich heute leider nicht mehr eruieren, welche Interessen hinter dieser Entscheidung standen. Möglicherweise war dies aber auch Zufall und der ostdeutsche Name stellte lediglich die Kurzform von Adamecks Vorschlag eines »Deutschlandsender-Fernsehfunks« dar. Mit dieser Variante wäre zudem eine namenstechnische Parallele zum Deutschlandsender gegeben gewesen, der ja eine Vorbildfunktion für das geplante Fernsehprogramm hatte. Die ostdeutschen Medienverantwortlichen waren dabei nicht die einzigen, die aufgrund der Entwicklungen im anderen deutschen Staat zur Eile drängten. Nachdem die ostdeutschen Pläne bekannt geworden waren, zeigte sich die konservative westdeutsche Presse von den Entwicklungen in der DDR beunruhigt, wie beispielsweise der Rheinische Merkur am 5. August 1960: »Man hat zwar in der letzten Zeit mehrfach versucht, die Situation zu verharmlosen – aber die Wahrheit ist, daß viel mehr Leute, als gut ist (und als man meint), schon heute die Fernsehdarbietungen der Ulbricht-Propagandisten akzeptieren, sei es auch nur ›zur Abwechslung‹. Der zweite Bildschirm-Zirkus des Zonen-Regimes bildet eine ernste Gefahr, zumal er in besonderer Weise auf das Publikum in der Bundesrepublik abgestimmt sein wird, und die raffinierte Mischung von gar nicht so schlechter Unterhaltung und politischen Giftinjektionen muß nicht unbedingt ihre Wirkung verfehlen.«301 Welche Absichten dem »Fernsehfunk in der Zone« und seinem geplanten zweiten Programm auf westlicher Seite unterstellt wurden, brachte Die Welt auf den Punkt: »Das Ziel ist dabei, das Vertrauen zur Bundesrepublik in beiden Teilen Deutschlands zu erschüttern.«302 Die westliche Presse formulierte damit ähnliche Argumente wie die Abteilung Agitation und Propaganda in der DDR. Beide versuchten, mit der Darstellung der ›gegnerischen‹ Pläne zum Fernsehausbau Druck auf die Verantwortlichen auszuüben, bei den eigenen Plänen zum zweiten Programm voranzukommen. So hieß es im Westen: »Unter diesen Umständen scheint Eile geboten, und die Fortsetzung des Rundfunk-Streites wäre schlechterdings anachronistisch. Es geht heute

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Vgl. o.N. 1960b und o. N. 1960a. O.N. 1960c. O.N. 1960f.

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um mehr als um Prestige und zweitrangige Details.«303 Auch die Deutsche Zeitung304 kommentierte: »Mit Verbitterung bemerkten politische Kreise in Bonn dazu, daß Pankow von den Fernseh-Streitigkeiten in der Bundesrepublik profitiere.«305 Im Dezember 1960 wurde im Westen verbreitet, dass der Start des ostdeutschen Deutschland-Fernsehens knapp bevorstünde, wie z. B. im Tagesspiegel: »Das Sowjetzonen-Fernsehen setzt alles daran, noch in diesem Monat mit der Ausstrahlung eines zweiten Programmes zu beginnen, ›um auf jeden Fall Westdeutschland zuvorzukommen‹.«306 Laut der Zeitung wären bereits Versuchssendungen über die Sender in Ost-Berlin und Dequede ausgestrahlt worden. Dass dies eine Falschmeldung war, belegt die Chronologie der Ereignisse in der DDR: Am 13. September 1960 nahm sich das Politbüro endlich des Problems um das zweite Fernsehprogramm an. Hierfür wurde vorab eine Vorlage erarbeitet, welche zumindest auf ›gehobener‹ Funktionärsebene hochkarätig unterstützt wurde.307 Der »Beschlußvorschlag« forderte das Politbüro auf, die Schaffung des DeutschlandFernsehens als »Schwerpunktaufgabe« zu realisieren und die Inbetriebnahme bis spätestens 24. Dezember 1960 anzuordnen.308 Wichtigstes Anliegen war, dass die Staatliche Plankommission und das Finanzministerium die erforderlichen Mittel zusätzlich zum Siebenjahrplan bereitstellen sollten, so dass die »notwendig werdenden Importe durch sofortige Vertragsabschlüsse« hätten gesichert werden können. Das Rundfunkkomitee und der DFF sollten beauftragt werden »sofort qualifizierte redaktionelle, künstlerische und technische Mitarbeiter freizustellen, die umgehend alle redaktionell-künstlerischen Programmvorbereitungen für das ›Deutschland-Fernsehen‹ aufzunehmen haben«. Die Einreicher der Vorlage formulierten hier Maximalforderungen und erzeugten einen hohen Zeitdruck, wobei die dahinter stehende Strategie nur vermutet werden kann. Die Erfahrung des letzten Jahres hatte

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O.N. 1960c. Die Deutsche Zeitung mit Wirtschaftszeitung mit Verlagsort Köln/Stuttgart erschien von September 1949 bis März 1964. Sie war Nachfolgerin der Wirtschaftszeitung (Stuttgart) und ist im Handelsblatt (Düsseldorf) aufgegangen. O.N. 1960e. Der Bezirk Pankow wurde in der westlichen Presse der 1950er und 1960er Jahre als Synonym für die DDR-Regierung verwandt. Am Majakowskiring im Ortsteil Niederschönhausen wohnten die Regierungsmitglieder, bis 1960 die Waldsiedlung bei Wandlitz fertig gestellt wurde. O.N. 1960d. Beteiligt waren: Albert Norden als Mitglied des Politbüros und zuständiger Sekretär, Reginald Otto Grimmer für die Abteilung Agitation und Propaganda, Erich Apel als Leiter der Wirtschaftskommission, der stellvertretende Abteilungsleiter Verkehr- und Verbindungswesen Hubert Egemann, Brook von der Abteilung Maschinenbau und Metallurgie sowie Ernst Lange als Leiter der Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel und schließlich Siegfried Wagner, Leiter der Abteilung Kultur. Das Rundfunkkomitee und der Bereich Fernsehen fehlten, ihre Interessen wurden von Norden vertreten. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Apel et al. 1960, S. 1-7 und Anlage A.

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den Befürwortern des Projekts gezeigt, dass ohne den Einfluss des Politbüros die Finanzierung (und damit ein Beginn der Realisierung des Projektes) nicht zu sichern war. Möglicherweise waren die Fronten zwischen dieser Interessengruppe und der Plankommission schon verhärtet. Norden, der bei dieser Abteilung bisher keinen zusätzlichen Etat für das Projekt hatte erreichen können, drängte nun auf eine Anweisung von oben, der die Plankommission hätte Folge leisten müssen. Möglicherweise versuchte man auch ›hoch zu pokern‹, um bei einer Ablehnung der Pläne zumindest einen guten Kompromiss erzielen zu können. Allerdings ging diese Rechnung nicht auf. Im Ergebnis spielte das Politbüro den Ball an die Plankommission zurück, die wiederum keine Schwierigkeiten hatte, die hohen Forderungen aufgrund fehlender Finanzen abzulehnen. Doch noch einmal zurück zu der eingereichten Vorlage: Die Verfasser versuchten mit ihrer Begründung der vorgeschlagenen Konzeption, an die grundsätzlichen Interessen der Parteiführung an das Medium Fernsehen anzuknüpfen. Dem Deutschland-Fernsehen wurde in der Vorlage ein großes Potential für die Propaganda nach Westen zugeschrieben: »Das Fernsehen hat sich zum wirkungsvollsten Agitationsund Propagandainstrument unserer Partei für die Westzone und Westberlin entwickelt. So errang unser Fernsehen in Westdeutschland und Westberlin eine breite Massenbasis. ›Deutschland-Fernsehen‹ als speziell für den Westen geschaffenes zweites Programm würde diese Massenbasis stark erweitern, ausbauen und festigen.« Auch auf die aktuellen deutschlandpolitischen Zielstellungen der SED wurde eingegangen: »Das nationale Programm unserer Partei zur friedlichen Lösung der deutschen Frage, der ›Deutschlandplan des Volkes‹, kann durch ›Deutschland-Fernsehen‹ täglich Millionen Westdeutschen und Westberlinern erläutert werden, um in ihnen Impulse zu aktiven Handlungen gegen den westdeutschen Militarismus zu wecken.« Hier wurde noch einmal eine hohe Karte ausgespielt: die optimistische Vorstellung, die man von der Wirkungsweise des Fernsehens hatte. Besonders in Bezug auf die westliche Bevölkerung wurde in den Fernsehkonzeptionen seit Jahren die Zielsetzung formuliert, dass man Zuschauer zum aktiven Handeln – wie beispielsweise Streiks und Protestaktionen – anleiten wollte und auch konnte. Ingesamt wurden in der Programmkonzeption im Anhang der Vorlage drei Hauptaufgaben des angedachten, neuen Programms benannt: Zum ersten sollte es die DDR für die westlichen Zuschauer »popularisieren«, zum zweiten den Deutschlandplan bewerben und drittens Propaganda für den Status einer »freien, entmilitarisierten Stadt« Berlin betreiben. Dafür sollten Sendungen konzipiert werden, die »die Familien der Arbeiter und Bauern, die Jugend und die Mittelschichten im westlichen Sendegebiet« als Zielgruppen anvisierten. Auch an Spezialprogramme, wie für die »Briefmarkenfreunde«, wurde gedacht. Wie schon bei den vorherigen Planungsschritten war der vermeintliche ›Wettlauf‹ mit der Bundesrepublik ein gewichtiges Argument in der Begründung: »Wir gewinnen einen Vorsprung, wenn wir mit dem

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›Deutschland-Fernsehen‹ vor dem zweiten Fernsehprogramm der Bonner Regierung beginnen – wir verlieren viel, falls Bonn zuerst da ist.« Allerdings schien es hier nicht mehr nur um die Konkurrenz in Bezug auf die westdeutschen Zuschauer zu gehen. Natürlich hätte ein ostdeutsches Programmangebot speziell für das Westpublikum vor der Einführung eines zweiten bundesdeutschen Programms bessere Chancen gehabt, Zuschauer zu finden. Hintergrund der hier angestellten Überlegungen schien aber vielmehr der Charakter des geplanten Fernsehens in der Bundesrepublik und die Haltung Adenauers im Rundfunkstreit zu sein. Ausführlich zitierte das Papier Adenauer und seine Vorstellungen über das westdeutsche Fernsehen: »Nach meinem Geschmack ist das Fernsehen ein Instrument, daß [sic!] in weite Räume strahlen muß. In welchen Händen sind denn Rundfunk und Fernsehen? Unsere verehrten Ministerpräsidenten glauben in ihren Händen. Nichts von dem!«309 Die einnehmende und resolute Haltung des Bundeskanzlers wurde von den ostdeutschen Medienpolitikern für ihr eigenes Projekt ins Feld geführt. Denn es schien, als würde in der Bundesrepublik ein Fernsehen entstehen, das unter ähnlicher politischer Anleitung agieren würde wie das DDR-Fernsehen. Auch wenn in den ostdeutschen Auseinandersetzungen mit dem Westfernsehen traditionell die Meinung vertreten wurde, dass es sich dabei um ein staatsnahes Fernsehen handelt, welches z. B. den Antikommunismus310 der Bundesrepublik zu popularisieren versuchte – hier schien auch für die ostdeutschen Beobachter eine neue Qualität von staatlicher Lenkung erreicht. Man konfrontierte die eigene Regierung darum bewusst mit den westlichen Plänen zu einem regierungskonformen und zentralistischen Programm: »Nach diesen Maximen betreibt das Bonner Regime den Start eines klerikal-militaristisch-revanchistischen zweiten Fernsehprogramms, das im Januar 1961 mit seinen Sendungen beginnen soll.« Dabei wurden noch einmal die Entwicklungen um die »DeutschlandFernsehen GmbH« und die »Freies Fernsehen GmbH« referiert, auch mit dem Hinweis, dass letztere schon mit der Produktion von Programm auf Vorrat begonnen hätten und auch alle anderen Vorbereitungen auf ›Hochtouren‹ liefen. Die Schlussfolgerung lautete: »Mit diesen sorgfältig und lange geplanten und materiell gut fundierten Maßnahmen würde Westdeutschland das führende Fernsehland Europas, das sich mit seinem Fernsehprogramm seine wirksamsten ideologischen Schleusen in unsere Republik schafft.« Neben der Konkurrenz um das westdeutsche Publikum wurde damit auch wieder der Wettbewerb um die ostdeutschen Zuschauer angeführt. Der straffe Zeitplan für ein ostdeutsches zweites Programm wurde mit dem Vorsprung begründet, den der Westen zu diesem Zeitpunkt bereits hatte. Dieser konnte, so die Funktionäre, »nur zu unseren Gunsten geändert werden, wenn ab sofort entscheidende Sondermaßnahmen im größten Umfang verfügt werden«. Hiermit waren vor allem zusätzliche

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Adenauer auf dem CDU-Parteitag am 27.04.1960, zit.n. ebd. Zum Begriff Antikommunismus vgl. Friedrich 1997.

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Finanzen gemeint, die das Fernsehen dringend benötigte und für deren Bereitstellung die Parteiführung sorgen sollte. Ansonsten, so drohten die Verfasser, würde das DDR-Fernsehen weit hinter die Standards der westlichen Welt zurückfallen: »In der ideologisch-journalistisch-künstlerischen Fernseharbeit ist die DDR der Westzone überlegen, aber in allen technischen Belangen des Fernsehens, vor allem in der Kapazität, sind wir sowohl dem Stand in der Westzone als auch im Weltniveau weit hinterher geblieben. Wenn wir endgültig in die Spitze der europäischen Fernsehländer vorstoßen wollen, und politisch müssen wir das, ist die schnellstmögliche Entwicklung des mehrprogrammigen Fernsehens zur Schwerpunktaufgabe zu erklären.« Um das Politbüro umfänglich über das angedachte Profil des Deutschland-Fernsehens informieren zu können, hatten sich die Verfasser der Vorlage bereits Gedanken über den wöchentlichen Programmablauf des geplanten Senders gemacht. Sie fügten der Beschlussvorlage eine Muster-Programmwoche des DDR-Fernsehens an. Interessanterweise wurde hier festgehalten, dass der wöchentliche Programmablauf des DFF und des Deutschland-Fernsehens so gestaltet werden sollte, »daß ihm echte Alternativen zugrunde liegen«. Es bleibt allerdings unklar, für wen diese Alternativen gedacht waren. Es wurde lediglich festgehalten, dass das Deutschland-Fernsehen sein Hauptprogramm täglich um 19:00 Uhr beginnen sollte, und so »dem Unterhaltungsbedürfnis der westlichen Zuschauer [entspräche; C. D.], die damit für die anschließenden aktuell-politischen Sendungen eingestimmt« würden. Aber von dieser alternativen Gestaltung hätte nicht nur das Westpublikum profitiert, über kurz oder lang wäre das Programm auch in der DDR zu empfangen gewesen. Was auch durchaus so angedacht war, denn die Vorlage forderte von der Industrie, Zusatzgeräte und Fernsehgeräte zu produzieren, die den Empfang des Deutschland-Fernsehens ab Januar 1961 ermöglichen sollten. Da sich kein Hinweis findet, dass diese Geräte zum Export bestimmt waren, muss davon ausgegangen werden, dass sie die DDR-Bevölkerung versorgen sollten. Haben die Autoren tatsächlich übersehen, welche Konkurrenz das Deutschland-Fernsehen für das erste und eigentliche Programm der DDR-Zuschauer, den DFF, geworden wäre? Die Zuschauer hätten zur Vermeidung der ungeliebten publizistischen und aktuellen Sendungen nicht mehr einen Westsender einschalten müssen, eine Haltung, die damals schon verbreitet, aber noch stärker als später gesellschaftlich sanktioniert war. Die Alternative hätte das zweite ostdeutsche Programm bereitgehalten, das zu gänzlich anderen Zeiten als der DFF Unterhaltung angeboten hätte. Der »Vorschlag einer Programmwoche des DDR-Fernsehens« verdeutlicht dies. Die DDR-Zuschauer hätten nun eine gute Alternative zur Aktuellen Kamera und den publizistischen Magazinen gehabt: In dieser Woche hätte sie montags ab 19:00 Uhr bis 20:15 Uhr das Fernsehspiel Die Lawine unterhalten, dienstags hätte Spaß muß sein! Unterhaltungsabend mit H. Lehn auf dem Programm stehen können, mittwochs der Film Die namenlose Insel, donnerstags Zweimal Adam – einmal Eva (Fernsehfilm der Unterhaltung) und so fort.

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Im Anschluss, wenn das »Deutschland-Fernsehen« mit der Publizistik begann, hätte man bequem zum Ersten wechseln können, welches von montags bis sonntags ab 20:00 Uhr Unterhaltendes sendete: Am Montag einen Archivfilm, am Dienstag ein Theaterstück, am Mittwoch die beliebte Rumpelkammer, am Donnerstag ein Fernsehspiel, am Freitag den Film Der Spieler, am Samstag den Unterhaltungsabend mit der großen Show und am Sonntag erst eine Show, dann einen Krimi. Insgesamt wäre das aus dem Blickwinkel der Zuschauer in Ost und West sicher ein Erfolg versprechendes Konzept gewesen: Wer beide Programme empfangen konnte, hätte so die Möglichkeit gehabt, der politischen Indoktrinierung zumindest in den publizistischen Angeboten auszuweichen. Ob dies im Interesse der staatlichen Führung gewesen wäre, bleibt dahingestellt. Neben der Programmwoche bot die Vorlage zudem eine Aufstellung von geplanten Sendereihen, um das Projekt Deutschland-Fernsehen zu veranschaulichen. Hier sticht besonders das geplante »Aktuelle Journal« des Deutschland-Fernsehens heraus. Es ist nicht nur aufgrund seines Namens erwähnenswert, der dem ZDF den Titel seiner Nachrichtensendung vorweggenommen hätte: Die »tägliche politische Hauptsendung« sollte »Heute« heißen. Sondern die Konzeption ist auch deshalb beachtlich, weil sie bewusst moderner und zuschauernäher konzipiert war als die Nachrichten des DFF: »Im Gegensatz zur ›Aktuellen Kamera‹, in der Bildnachrichten aneinandergereiht werden, benutzt HEUTE alle überhaupt möglichen journalistischen Ausdrucksformen. Ausgangspunkt ist dabei das Ereignis, nicht das vorhandene Bildmaterial. Ein namhafter Journalist ist der ›Leitsprecher‹ oder der ›Darbieter‹ des Journals. Sein Stil ist ungezwungen und ganz auf persönliche Tuchfühlung mit dem Zuschauer abgestimmt […].« Hier wurde offensichtlich, dass die Medienverantwortlichen durchaus Pläne zu einer ansprechenden Nachrichtensendung schmiedeten – aber diese keineswegs im Programm für die eigenen Zuschauer, sondern erst im Programm für die Westdeutschen verwirklichen wollten. Auch diese Sendung hätte sicherlich bei der Ostbevölkerung mehr Zuschauer als das Pendant im DFF gefunden, wobei zunehmende Kritik an der Redaktion Aktuelle Kamera gewiss nicht ausgeblieben wäre. Diese beiden Punkte – der alternative Charakter der Programmgestaltung von DFF und Deutschland-Fernsehen und die zuschauerfreundlichere Konzeption des Programms für die Westdeutschen – zeigen Probleme auf, die mit der Umsetzung des Projektes auf die DDRMedienverantwortlichen zugekommen wären. Vielleicht hatten sich diese ja von der Einführung des Deutschland-Fernsehens positive Impulse für beide Programme erhofft? Ob das Politbüro auf diese Schwierigkeiten aufmerksam wurde, kann nicht mehr belegt werden. Die Vorlage schloss mit dem dringenden Appell an die Adressaten: »Um den Bonner Absichten zuvorzukommen und unserer ideologischen Offensive zur Veränderung des jetzigen Kräfteverhältnisses in Westdeutschland mit den wirksamen Mittel des Fernsehens zusätzliche Durchschlagkarft [sic!] zu geben, ist es notwendig, vom Politbüro Sofortmaßnahmen für den Aufbau des ›Deutschland-Fernsehens‹, das

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zweite Programm des Deutschen Fernsehfunks, zu beschließen.« Jedes Politbüromitglied erhielt im Vorfeld der entscheidenden Sitzung ein Exemplar dieser Vorlage. Am 12. September 1960, also einen Tag vor der Debatte im Politbüro, lieferte Adameck an Norden auf dessen Wunsch hin noch einmal Informationsmaterial über das bundesdeutsche Fernsehen, speziell zu den vermeintlichen Vorbereitungen des zweiten und dritten Programms.311 Möglicherweise brauchte Norden eine ›Argumentationshilfe‹ für die anstehende Diskussion. Das übermittelte Material stellte eine im Vergleich zur kurz zuvor präsentierten Vorlage eher nüchterne Analyse der westdeutschen Pressemeldungen zum Stand des Fernsehens dar. Die technischen Vorbereitungen wurden erläutert, insbesondere der Ausbau der Senderstandorte, die in die DDR einstrahlen konnten. Hierzu hätte Bundespostminister Richard Stücklen offiziell geäußert, dass die Pläne für ein zweites Programm die Gebiete »jenseits der Zonengrenze« im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten mit berücksichtigen würden. Es wurde für die erste Ausbaustufe mit einer Einstrahlung des zweiten Westprogramms bis etwa 100 Kilometer in die DDR entlang der Westgrenze gerechnet und im Umkreis von 100 Kilometern um den Sender Berlin-Wannsee. Mit Bewertungen dieser Schätzungen hielt man sich zurück, das Papier versuchte eher die ›abgesicherten‹ Tatsachen – die ja in der Bundesrepublik selbst veröffentlich wurden – zusammenzustellen. Auch die Programm-Vorbereitungen in der Bundesrepublik wurden sehr realistisch betrachtet, wobei die Rolle der »Freies Fernsehen GmbH« herausgehoben wurde. Die Pressemeldungen z. B. über ein vorproduziertes Programm für 13 Wochen wurden durch »eigene Feststellungen nach Gesprächen mit westdeutschen Autoren und Regisseuren« auf vier Monate Vorproduktion im Bereich Dramatische Kunst präzisiert. Die weiteren Pläne zum Programmausbau in der Bundesrepublik wurden ebenfalls sachlich dargelegt. Die Intendanten der Rundfunkanstalten der Länder hätten demnach beschlossen, ein drittes Programm vorzubereiten. Der NDR würde sogar schon zum Jahresende beginnen, ein zweites Programm auszustrahlen. Ein besonders hervorgehobener Fakt könnte die entspannt anmutende Betrachtung der bundesdeutschen Entwicklungen erklären: Es wurde darauf hingewiesen, dass die westdeutsche Fernsehindustrie die notwendigen Zusatzgeräte und Antennen nicht pünktlich zum Beginn des zweiten Programms (angenommen wurde der 1. Januar 1961) liefern könne. Dieses Argument hätte im Politbüro aber gegen die straffe Zeitplanung der ostdeutschen Vorhaben angeführt werden können, die in der Politbüro-Vorlage gefordert wurde. Adameck wollte Norden wahrscheinlich auf den Sachverhalt hinweisen, damit sich dieser eine Strategie zurechtlegen konnte. Das Fehlen ideologischer Zuspitzungen und Einschätzungen in der Darstellung lässt sich insgesamt damit begründen, dass man Norden zusätzliche konkrete Informationen liefern

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Vgl. hier und im Folgenden [Q] Adameck an Norden, 12.09.1960.

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wollte – für die politisch-ideologische Einbettung der Fakten war er selbst der Spezialist. In der Sitzung des Politbüros am 13. September erstattete Norden dann wie geplant Bericht über die Pläne zum zweiten Fernsehprogramm. Schon in dieser Sitzung deutete sich aber ein Scheitern des Projektes an: Norden erreichte vorerst nur, dass die Plankommission beauftragt wurde, dem Politbüro innerhalb von vierzehn Tagen »Vorschläge zu unterbreiten, wie das zweite Fernsehprogramm verwirklicht werden kann«312. Damit zog das Politbüro genau die Instanz zu Rate, die das Projekt bisher eher blockiert als gefördert hatte. Mit einer ablehnenden Stellungnahme war zu rechnen. Vor der entscheidenden Debatte im Politbüro wurden für Norden darum noch einmal die wichtigsten »Fragen zum Beginn des II. Fernsehprogramms in der DDR« zusammengestellt, versehen mit den im Sinne der Fernsehführung ›richtigen‹ Antworten. Dieses Argumentationsmaterial wurde vermutlich vom Rundfunkkomitee als weiteres ›Briefing‹ für Nordens zweites Plädoyer im Politbüro erarbeitet.313 Die schnelle Einführung eines zweiten DDR-Fernsehprogramms wurde darin nachdrücklich gefordert, als Hauptargument diente erneut die angebliche deutsch-deutsche Konkurrenz um die Frequenzbelegung: »Am 1.1.1961 gehen entlang unserer Staatsgrenze in Westdeutschland eine Reihe von Sendern im Band 4 und 5 in Betrieb. Gehen uns, wenn wir nicht gleichzeitig ebenfalls an der Staatsgrenze solche Sender in Betrieb nehmen, dadurch Frequenzen verloren? Diese Frage ist eindeutig mit ja zu beantworten. […] Die Benutzung eines Kanals blockiert eine 2. Verwendung dieses Kanals im Umkreis von 300 km, d. h., daß derjenige, der zuerst diesen Kanal belegt hat, die Möglichkeit des anderen, den Kanal zu benutzen unmöglich macht. […] Unserem Gegner ist diese Geschicklichkeit der Ausnutzung der technischen Mittel und Möglichkeiten durchaus zuzutrauen.« Wie schon in der Konzeption zum Deutschland-Fernsehen, die dem Politbüro vor den Debatten vorlag, wurde ein Zeitdruck erzeugt, dem ›Gegner‹ rasch zuvorzukommen: »Aus allen vorgenannten Argumenten geht einwandfrei hervor, daß mit jeder Verzögerung unseres Handelns dem Gegner Möglichkeiten eingeräumt werden, Einfluß auf das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zu nehmen.« Das bedrohliche Szenarium, welches eintreten würde, wenn die Bundesrepublik mit mehr als einem Programm in die DDR einstrahlen würde, wurde in der Argumentation in aller Breite ausgeführt: Die DDR-Bürger würden die technische Hürde, dass man zum Empfang des zweiten bundesdeutschen Fernsehens Zusatzgeräte benötige, schnell nehmen: »Aus den Erfahrungen beim Empfang des 1. westdeutschen Programms in der DDR ist abzuleiten, daß eine große Zahl von Handwerkern und Bastlern sich selbst und interessierte Bevölkerungskreise mit den entsprechenden Zusatzeinrichtungen für vorhandene Empfänger versorgen.« Zudem würden die Bastler die Zusatzgeräte speziell für den Empfang des West-

312 313

[Q] Politbüro des Zentralkomitees der SED 1960a, S. 4. Vgl. hier und im Folgenden [Q] o.N. 1960b, S. 1-4.

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fernsehens bauen, käme dann später ein zweiter ostdeutscher Kanal dazu, wären diese »Teilnehmer der Wirkung unseres Programms entzogen«. Dies träfe auch für die Zuschauer zu, die sich über den Schwarzmarkt Geräte aus der westdeutschen Produktion besorgten. Insgesamt wäre ein Anstieg in der Nutzung des Westfernsehens zu befürchten, wenn die DDR kein eigenes zweites Programm anböte. Eindringlich wurde vor dieser Entwicklung gewarnt, da sie schnell allzu augenscheinlich würde: Die »Möglichkeiten zum Empfang eines 2. Westprogramms werden ihren sichtbaren Ausdruck durch die Aufstellung von zusätzliche Antennen (West-Antennen) haben. Allein diese Tatsache bringt neue politische Diskussionen über den Empfang von Westprogrammen unter der Bevölkerung mit sich. Gleichzeitig ist uns aus zahlreichen Zuschauerkonferenzen und tausenden von Zuschriften die Forderung der Bevölkerung nach einem 2. Fernsehprogramm in der Deutschen Demokratischen Republik bekannt.« Das zweite ostdeutsche Programm wurde dementsprechend auch befürwortet, um den Westempfang der Bevölkerung, den man mit einer gewissen Resignation als gegeben hinnahm, zu ›kaschieren‹. Mit den zusätzlichen Antennen wären sowohl das bundesdeutsche als auch das ostdeutsche zweite Programm zu empfangen gewesen, womit bei einem Blick über die Dächer das tatsächliche Programm auf den Empfangsgeräten der DDR-Bürger nur hätte vermutet werden können. Als logische Schlussfolgerung aus dieser Argumentation musste das geplante Deutschland-Fernsehen von vornherein auch als attraktives Programm für die ostdeutsche Bevölkerung konzipiert werden. Genau diesen Spagat in der Zielstellung des zweiten Programms nahm die vorliegende Konzeption vor, ohne die DDR-Zielgruppe explizit zu benennen: Einerseits wurde argumentiert, dass das Deutschland-Fernsehen »als erste Aufgabe nach Westdeutschland zu wirken« hätte. Andererseits sollte es dem Zuschauer »ein echtes Alternativprogramm« bieten. Denn: »Findet er das nicht bei uns, schaltet er auf das Westprogramm« – dies hätte sowohl für die DDR als auch für die Westbevölkerung zugetroffen. Generell wurden aber getrennte Zielgruppen festgelegt: die Bundesrepublik und West-Berlin für das Deutschland-Fernsehen, das DFF-Programm sollte dagegen weiterhin seine propagandistischen Aufgaben in der DDR erfüllen. Norden konnte allerdings diese Argumentation der Fernseh- und Rundfunkführung im Politbüro nicht durchsetzen. Am 27. September 1960 stellte die Parteiführung – in Anwesenheit von Ulbricht – die Einführung des Deutschland-Fernsehens aus wirtschaftlichen Gründen zurück: »Angesichts der Tatsache, daß die Devisen für die notwendigen Investitionen gegenwärtig nicht zur Verfügung gestellt werden können, werden die dafür infrage kommenden Genossen beauftragt zu überprüfen, wie das Fernsehprogramm verbessert werden kann ohne Anforderung von Devisen.«314 Da bereits zu diesem Zeitpunkt klar war, dass ohne zusätzliche Mittel und vor allem Devisen das zweite Programm nicht zu realisieren war, kam die Entscheidung einer Ablehnung gleich.

314

[Q] Politbüro des Zentralkomitees der SED 1960b, S. 7.

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Norden versuchte daraufhin, noch einmal bei Ulbricht persönlich zu intervenieren. Er machte ihn auf Unstimmigkeiten im Protokoll der zweiten Sitzung aufmerksam, welches er gerade erhalten hatte und versuchte die Beschlussfassung im Nachhinein nach seinen Präferenzen zu verändern: »Bei unserer Beratung im Politbüro ging es bekanntlich nicht um die Verbesserung des bestehenden Programms, sondern um die Einrichtung eines zweiten Fernsehprogramms. Was die Verbesserung betrifft, so betrachten wir das als unsere ständige Aufgabe. Wenn ich die Ergebnisse unserer Aussprache und Deine zusammenfassenden Bemerkungen richtig verstanden habe, so ist das Politbüro grundsätzlich mit der Einrichtung des zweiten Fernsehprogramms einverstanden, sieht aber im Moment keine Möglichkeiten, dafür Devisen frei zu machen. So müsste m. E. auch der Beschluss formuliert sein mit dem gleichzeitigen Auftrag an Genossen Leuschner, rasch zu prüfen, wie trotzdem ein zweites Fernsehprogramm eingerichtet werden kann.«315 Als revidierte Beschlussfassung schlug Norden folgenden Text vor, der einerseits die Staatliche Plankommission zum sofortigen Handeln gezwungen hätte und andererseits ihm selbst Spielraum gegeben hätte, das zweite Programm weiter zu forcieren: »1. Das Politbüro ist grundsätzlich mit der Einrichtung eines zweiten Fernsehprogramms mit Hauptstoßrichtung nach Westdeutschland zum schnellstmöglichen Termin einverstanden. 2. Das Politbüro nimmt die Mitteilungen der Staatlichen Plankommission zur Kenntnis, dass gegenwärtig keine Devisen für diesen Zweck zur Verfügung stehen. Genosse Leuschner wird beauftragt, festzulegen, welche Arbeiten aus eigenen Mitteln für das zweite Fernsehprogramm sofort in Angriff genommen werden können. 3. Die Genossen der Agitationskommission sowie der Abteilung Agitation und Propaganda werden beauftragt, alle politischen Vorbereitungen für das zweite Fernsehprogramm weiterzuführen und an der stetigen Verbesserung des bestehenden Fernsehprogramms zu arbeiten.« Eine Reaktion Ulbrichts auf Nordens Anliegen ist nicht überliefert. Die Fakten sprechen aber für sich: Der Beschluss des Politbüros wurde nicht revidiert. Bis zum Jahr 1964 lassen sich weder in der Rundfunkoder Fernsehführung noch in der Abteilung Agitation und Propaganda Aktivitäten oder Planungen für ein zweites Fernsehprogramm nachweisen. Ulbricht persönlich hatte sich gegen das Deutschland-Fernsehen entschieden und damit verschwand das Projekt für knapp vier Jahre vollständig von der Bildfläche. Im März 1961 räumte auch Der Tagesspiegel, der noch im Dezember 1960 den kurz bevorstehenden Start des Deutschland-Fernsehens in der DDR vermeldet hatte, ein, dass es »vorerst kein zweites Fernsehprogramm in der Zone«316 geben werde. Als Gründe wurden in Berufung auf einen »Mitarbeiter des Betriebslaboratoriums für Rundfunk und Fernsehen in Berlin-Adlershof« technische Schwierigkeiten angeführt, als wichtigster die ausstehende Anschaffung einer Ampex-Aufzeichnungsanlage, die trotz intensiver Bemühungen nicht aus den USA

315 316

Hier und im Folgenden: [Q] Norden an Ulbricht, 28.09.1960, S. 1-2. O.N. 1961.

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importiert werden konnte. Auch wenn die ostdeutsche Seite es so aussehen lassen wollte, als lägen die Ursachen für das Scheitern des Deutschland-Fernsehens im westlichen Handelsembargo gegen die DDR, entsprach dies nicht den Tatsachen. 3.4.4 M ARGARINE STATT F ERNSEHEN . P RIORITÄTEN DER SED-F ÜHRUNG 1960 Das Politbüro schloss sich der Argumentation der Staatlichen Plankommission an, die zum zweiten Sitzungstermin eine ablehnende Stellungnahme vorgelegt hatte. Leuschner bezifferte darin die erforderlichen Investitionsmittel für das zweite Programm deutlich höher als in der Vorlage des Politbüros. Ingesamt würden 50 Millionen DM benötigt, davon 21,5 Millionen »in harter Währung«317. Letzteres war der entscheidende Punkt, denn an Devisen für Ankäufe in westlichen Ländern mangelte es der DDR erheblich. Schon im Jahr 1960 wären demnach fünf Millionen DM in westlicher Währung fällig gewesen, die nirgendwo anders hätten eingespart werden können. Das Ministerium der Finanzen schlug darum vor, sie der Staatsdevisenreserve zu entnehmen, die sich bis Ende 1960 auf 12,7 Millionen DM belief. Diese eiserne Reserve der DDR an westlichen Währungen war aber bereits für andere Vorhaben verplant: Es gab einen dringenden Bedarf u. a. in der Landwirtschaft, im Berg- und Hüttenwesen sowie in der chemischen und der Zuckerindustrie, der sich auf rund sieben Millionen DM belief. Zudem führte die Plankommission »die Rohstoffversorgung unserer Margarineindustrie« an, für die noch Importen aus diesem Devisenkontingent finanziert werden müssten. Mit dieser Argumentation fuhr Leuschner schwere Geschütze auf: Die DDR-Führung maß der Versorgung ihrer Bevölkerung mit Lebensmitteln und Konsumgütern eine hohe Bedeutung bei. Zwei Jahre zuvor, auf dem V. Parteitag der SED 1958, hatte Ulbricht als »ökonomische Hauptaufgabe« das Ziel bekannt gegeben, das bundesdeutsche Niveau des Pro-Kopf-Verbrauchs bei allen wichtigen Lebensmitteln und Konsumgütern einzuholen und gar zu überholen. Die Praxis sah anders aus: Die Kollektivierung der Landwirtschaft und das starre Planungssystem der Industrie führten Ende der 1950er Jahre zu großen Versorgungsschwierigkeiten in der DDR. Dieser permanente Mangel an bestimmten Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs war einer der Hauptgründe für die stetig steigende Zahl von Menschen, die die DDR in Richtung Westen verließen. Die Lücken in der Versorgung versuchte die Staatsführung darum mit allen Mitteln zu stopfen. Ein Abzug von hierfür dringend benötigten Devisen, zugunsten eines zweiten Fernsehprogramms, war für das Politbüro keine wirkliche Alternative. Zugespitzt formuliert: Vor eine Entscheidung gestellt, war den Genossen die Margarine auf den Broten der DDR-Bürger wichtiger als ein ostdeutsches Fernsehprogramm auf den Bildschirmen der Westdeutschen. 317

Hier und im Folgenden: [Q] Staatliche Plankommission 1960, S. 1-2.

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Genau diese Argumentation findet sich in Leuschners Empfehlung für das Politbüro wieder: Das geplante Deutschland-Fernsehen würde in keinem vertretbaren Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Versorgung der DDR stehen: »Es muß festgestellt werden, daß das vorliegende Programm in seinen Auswirkungen vor allem für Westdeutschland bestimmt ist. Was die DDR betrifft, so würden nach vorliegendem Programm bestenfalls ein Viertel der Besitzer von Fernsehgeräten für den Empfang auf Band IV für das zweite Programm ausgerüstet sein. Ein vollständiges zweites Programm für die DDR würde Gesamtinvestitionen von 250,0 Mio DM erfordern, für die es keine Deckung gibt.« Leuschner musste davon ausgegangen sein, dass die Versorgung der DDR-Bevölkerung den Ausschlag für das Politbüro geben würde und nicht wie von Norden und der Rundfunkführung erhofft, die Propaganda nach Westen und die Konkurrenz mit der Bundesrepublik in der Fernsehversorgung. Die Entscheidung des Politbüros gab Leuschners Strategie Recht: Das Politbüro – und ganz speziell Ulbricht an dessen Spitze – ließ von seiner reservierten Haltung gegenüber dem Projekt Deutschland-Fernsehen nicht ab. Als Hoff konstatierte, dass Ulbricht die Pläne zum Deutschland-Fernsehen favorisiert hätte,318 irrt er. Ihm ist zwar zuzustimmen, wenn er das Projekt Deutschland-Fernsehen als Weiterführung der Bemühungen der SED-Führung um einen medialen Einfluss auf die westdeutsche Bevölkerung wertet. Allerdings überschätzt er Ulbrichts Streben nach einem ›deutschen Weg‹ zur Wiedervereinigung. Der Wunsch, das neue Fernsehprogramm propagandistisch zu nutzen, um eine Wiedervereinigung nach ostdeutschen Vorstellungen durchsetzen zu können, war so auch bei Ulbricht nicht vorhanden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die SED-Führung zu diesem Zeitpunkt längst dem Modell eines eigenstaatlichen Weges der DDR den Vorzug gab und sogar die nach außen gerichtete Wiedervereinigungspropaganda allmählich zurückfuhr. Die massive Systemkrise ab Mitte 1960 lenkte die Aufmerksamkeit der Regierung schlagartig nach innen, da immer offensichtlicher wurde, dass sich die Republikflucht zu einem existentiellen Problem entwickelte. Mit dem Bau der Berliner Mauer im darauffolgenden Jahr stoppte man die Abwanderung, gestand aber auch das Scheitern der bisherigen Deutschlandpolitik ein. Dies bedeutete nicht, dass die Kampagnen der SED in Richtung Bundesrepublik ihre grundsätzliche Bedeutung verloren. In den kommenden Jahren folgten heftige ›antifaschistische‹ Propagandafeldzüge gegen bundesdeutsche Persönlichkeiten. Aber die SED-Führung war zunehmend unzufrieden mit der propagandistischen Arbeit in Richtung Westen, da das Ausbleiben von Erfolgen immer offensichtlicher wurde. Viele Inhalte, die seit Jahren in der West-Propaganda wiederholt wurden, galten als überlebt, was zu »Ermüdungserscheinungen« und »moralischem Verschleiß« führte.319 Außerdem sank der Glaube in der SED-Führung daran, dass sich die Verhältnisse in der Bundesrepublik

318 319

Vgl. Hoff 2003. Lemke 2001b, S. 438.

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so leicht destabilisieren ließen und sich, z. B. durch Wahlen, die Verhältnisse dort völlig ändern könnten. Auch bezüglich der negativen Darstellung der Bundesrepublik im eigenen Land blieben Ergebnisse aus: Viele Unterstellungen und Zuschreibungen hatten einen ritualisierten Charakter und wurden kaum mehr wahrgenommen, schließlich handelte es sich um den rhetorischen Normalfall. Mitunter wurde gar die gegenteilige Wirkung ausgelöst. Lemke belegt dies für die standardisierte Beschimpfung Adenauers in der DDR-Politik: »Dieser ›negative Götzendienst‹ trug zur Popularisierung des Kanzlers nur bei.«320 Dieser Einsicht verschloss sich auch die SED-Führung nicht ganz, was dazu führte, dass bei der späteren Auseinandersetzung mit westlichen Politikern wie Willy Brandt oder Franz Josef Strauß differenziertere Feindbilder vermittelt wurden. Das »Schaufenster«-Konzept und der »Überhol«-Anspruch gegenüber Bundesrepublik verloren ab Mitte 1960 ihre herausgehobene Stellung in der SED-Propaganda. Das Hauptargument in der Vorlage zum Deutschland-Fernsehen, die Konkurrenz zur Bundesrepublik, konnte darum weniger überzeugen. Zwar blieben der Systemwettstreit und die ideologische Konkurrenz beider deutschen Staaten bis zum Ende der DDR erhalten, aber innerhalb des wirtschaftlichen Wettbewerbs herrschten künftig zurückhaltendere Töne vor. Die »letzten ›Aufhol‹-Illusionen«321, die ihren Höhepunkt 1958 bis Anfang 1959 hatten, kehrten sich just in dieser Zeit in uneingelöste Versprechungen um, die die negative Stimmung in der Bevölkerung noch verschärften. Das »Überlegenheitskonzept« der späten 1950er Jahre war gescheitert, der Mauerbau machte dies kurze Zeit später offensichtlich. Fasst man diese Komponenten zusammen, kann ein Erklärungshorizont für die Entscheidung des Politbüros dargestellt werden: Die ideologische Arbeit nach Westdeutschland hatte die Bedeutung, die ihr noch wenige Jahre zuvor beigemessen wurde, verloren. Die SED-Führung konzentrierte sich, bedingt durch wirtschaftliche Probleme und einen immer stärker schwindenden Rückhalt in der Bevölkerung, auf eine innenpolitische Stabilisierung der Krise. Dies war nicht der Zeitpunkt, die knappen Ressourcen der ostdeutschen Wirtschaft und besonders die permanent raren Devisen in ein Fernsehprogramm zu investieren, was einzig auf eine Propaganda in Richtung Westen zielte. 3.4.5 D RITTER A NLAUF 1964: D REI V ARIANTEN

ZUR

A USWAHL

Bis 1964 lagen die Pläne für ein zweites DDR-Fernsehprogramm auf Eis. Währenddessen hatte die Bundesrepublik Fakten geschaffen: Seit dem 1. Juni 1961 strahlte die ARD für eine knapp zweijährige Übergangszeit ein zweites Programm aus. Damit gab es zum ersten Mal ein bundesweites Kontrastprogramm zum »Deutschen Fernsehen« der ARD, auch wenn dieses vorerst noch eng an die Programmstrukturen des ersten Programms angelehnt war. Im gleichen Monat unterzeichne320 321

Lemke 1998, S. 112. Lemke 2001b, S. 421.

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ten die Ministerpräsidenten den ZDF-Staatsvertrag und bestimmten den 1. Juli 1962 als ersten Sendetag der neuen Anstalt. Mit neun Monaten Verspätung wurde das zweite ARD-Programm am 1. April 1963 vom Programm des ZDF abgelöst. Das westdeutsche Fernsehpublikum hatte nun die Wahl zwischen zwei – zumindest weitestgehend – konkurrierenden Programmen, was dazu führte, dass in der Programmplanung den Zuschauerinteressen größere Bedeutung beigemessen wurde. Nach dem ersten erfolgreichen Sendejahr des ZDF reaktivierte auch der DFF seine Planungen zu einem zweiten Programm. In der Konzeption »Probleme der Entwicklung des Fernsehens in der DDR bis zum Jahre 1970« wurden im Februar 1964 drei verschiedene Varianten der zukünftigen Fernsehentwicklung diskutiert und der Abteilung Agitation und Propaganda vorgelegt: Erstens die Inbetriebnahme eines »Deutschlandfernsehens«, zweitens die Realisierung eines Kontrastprogramms für die DDR-Bevölkerung oder drittens den vorerst alleinigen Ausbau des ersten Programms einschließlich der Ausstrahlung regionaler Programme.322 Die Fernsehführung präferierte dabei die dritte Variante, auch wenn die umfänglichsten Überlegungen zum DeutschlandFernsehen aufgestellt wurden. Die Konzeption stellte zunächst die politische Bedeutung des Fernsehens heraus und benannte die beiden ideologischen Schwerpunkte des bestehenden DFF-Programms: Einerseits hat es auf dem Gebiet der DDR »als Mittler zwischen den Massen der Bevölkerung und der Partei und Regierung« zu agieren und gleichzeitig »entscheidende Aufgaben nach Westdeutschland zu erfüllen«. Bezüglich der als zweites genannten Zielstellung räumte man eigene Defizite ein: »Beim jetzigen Stand der Entwicklung des Fernsehens in der DDR werden wir jedoch der nationalen Aufgabe, also der Wirkung nach Westdeutschland nur ungenügend gerecht. Darum brauchen wir für die Aktivierung der westdeutschen Bevölkerung sobald wie möglich ein zweites Fernsehprogramm (Deutschlandfernsehen genannt), das sich unmittelbar an die westdeutsche Bevölkerung und die zur Zeit in Westdeutschland lebenden DDR-Bürger wendet.« Wer mit der letztgenannten Gruppe gemeint war, wurde nicht näher erläutert. Möglicherweise wurde hier die Hoffnung formuliert, mit dem Deutschland-Fernsehen einen Teil der ›republikflüchtigen‹ ehemaligen Ostdeutschen zur Rückkehr in die DDR bewegen zu können. Zum Zeitpunkt, als die Fernsehführung die Diskussion um ein zweites Programm erneut anstieß, schien den Verantwortlichen allerdings nicht klar gewesen zu sein, ob die politische Führung der DDR ein solches Programm befürwortete und zu realisieren plante. Anscheinend fühlte man sich aber in einer defensiven Position, in der man Pläne für eine Wiederbelebung des Projektes Deutschland-Fernsehen bereithalten musste, für den Fall, dass genau dies vom Fernsehen erwartet wurde. Fast verteidigend heißt es dazu: »Es gibt keine andere Institution, die von der Notwendigkeit der Einführung eines zweiten Fernsehprogramms in der Deutschen Demokratischen Republik so überzeugt

322

Vgl. hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1964, S. 1-21.

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ist, wie der Deutsche Fernsehfunk selbst. Bei der Bedeutung, die das Fernsehen überhaupt als Instrument der Agitation und Propaganda erlangt hat, liegt es auf der Hand, daß ein zweites Fernsehprogramm für die politische und kulturelle Entwicklung vor allem in Westdeutschland von entscheidender Bedeutung ist.« Das gesamte Diskussionspapier stellte für die Fernsehführung einen Kompromiss dar. Einerseits signalisierte man Zustimmung für die politische Idee eines Fernsehsenders, der vorrangig Propaganda in die Bundesrepublik hinein senden sollte. Hierfür hatte man bereits einen genauen Aufgabenkatalog für das Deutschland-Fernsehen ausformuliert, der die mediale Umsetzung der deutschlandpolitischen Ziele der SED garantieren sollte: die Aktivierung der westdeutschen Arbeiterklasse, der Kampf gegen die angebliche Atombewaffnung, die Förderung von Widerstand unter den Angehörigen der Bundeswehr und die ›Entlarvung‹ des Antikommunismus in der Bundesrepublik. Zudem sollte der Sender »die Wahrheit über die Deutsche Demokratische Republik in Westdeutschland verbreiten helfen« und »vom Standpunkt der Vorschläge der SED […] ausgehend, das offene deutschen Gespräch […] fördern«. Die bisherigen Erfahrungen des Fernsehfunks mit den propagandistischen Aufgaben, die die politische Führung konkret in Bezug auf das westdeutsche Publikum vorgegeben hatte, konnte man nun vollständig auf das Deutschland-Fernsehen übertragen. Andererseits war man bei der Einschätzung zur Realisierbarkeit dieses Programms sehr skeptisch: Vier Jahre zuvor hatten das Rundfunkkomitee und der Intendant des Fernsehens die damals schon horrenden Investitionen, die für ein zweites Programm benötigt wurden, vor der politischen Führung ›schön geredet‹. Nun übte man sich eher in Schwarzmalerei. Mit einem finanziellen Gesamtaufwand von 214 Millionen DM lägen die Bedarfsforderungen für die Variante I (Deutschland-Fernsehen) »über den bisherigen Vorstellungen«. Für die angegebenen Zahlen traf dies durchaus zu: 1960 wurden die Investitionen in der Vorlage für das Politbüro mit 34 Millionen beziffert wurden, die die Staatliche Plankommission dann auf 50 Millionen korrigiert hatte. Innerhalb von knapp vier Jahren hatte sich das erforderliche Investitionsvolumen also mehr als vervierfacht. Eines der größten Probleme blieb nach wie vor, dass ein neuer Studiokomplex in Berlin benötigt worden wäre, der bereits in der ersten Ausbauphase bis 1968 ca. 27 Millionen DM an Baukosten verursacht hätte. Mit diesen Baumassnahmen und »unter Beachtung der für ein solches Vorhaben notwendigen technischen Vorbereitungs- und Realisierungszeit« begründete die Fernsehführung ihr Hauptargument gegen die Variante des Deutschland-Fernsehens: Dieses hätte nicht vor 1973 mit der Ausstrahlung von Programm beginnen können, »d.h. es würde ein Zeitraum von ca. 10 Jahren vergehen bis zur Verwirklichung dieser heute gestellten Forderungen«. Als weitere Einschränkung wurde der potentielle Versorgungsgrad der Westdeutschen mit dem Deutschland-Fernsehen angeführt: Gemäß der Planungen hätten nur 3,1 Prozent der westdeutschen Bevölkerung das neue ostdeutsche Programm empfangen können. Hätte man die

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Fernsehsender an der Westgrenze im Bereich III das Deutschland-Fernsehen abstrahlen lassen, wäre diese Quote auf maximal 16 Prozent zu steigern gewesen. Dies wäre allerdings mit erheblichen Nachteilen für die ostdeutschen Zuschauer verbunden gewesen, die das erste DFFProgramm dann nur über Band IV hätten empfangen können und sich dafür mit zusätzlichen Empfangsgeräten hätten versorgen müssen. Für die DDR-Bevölkerung hätte die Einführung des DeutschlandFernsehens noch ein weiteres großes Manko haben können: Die Fernsehführung befürchtete, dass, wenn die Variante I realisiert würde, die Einführung eines weiteren DDR-Fernsehprogramms mindestens bis zum Jahre 1980 aus frequenztechnischen Gründen unmöglich wäre. Auf ein Kontrastprogramm, wie es der Westen längst besaß, hätten die DDR-Zuschauer also mindestens 16 Jahre warten müssen. Insgesamt stellten diese Argumente klar heraus, dass die KostenNutzen-Rechnung des Deutschland-Fernsehens eine sehr schlechte war, ganz besonders für das Publikum in der DDR. Dieses hätte sich weiter mit einem Programm begnügen müssen, welches zudem verpflichtet gewesen wäre, Personal an das Deutschland-Fernsehen abzutreten und dadurch keine Programmsteigerung hätte leisten können. Die enormen Kosten des Deutschland-Fernsehens wären zudem für nur ein Sechstel der bundesdeutschen Gesamtbevölkerung aufgebracht worden, da nur diese das Programm hätten empfangen können. In der Gegenüberstellung der drei Varianten plädierte der DFF darum für »die Stabilisierung und den Ausbau des 1. Programms«. Das Sendernetz sollte dabei so erweitert werden, dass es »allen Forderungen für ein weiteres Programm – gleich welcher Zielstellung – gerecht würde«. Diese Offenheit wurde aber eingeschränkt: Damit wäre zu einem späteren Zeitpunkt, der nicht präzise benannt wurde, zwar ein Kontrastprogramm möglich, welches auch die vorgesehenen Bezirksstudios einbeziehen könnte. Das Deutschland-Fernsehen wäre damit allerdings keinesfalls zu realisieren gewesen, da die Studioeinheit in Berlin nicht zur Verfügung gestanden hätte. Die Empfehlung des DFF war 1964 also klar gegen eine Realisierung des Deutschland-Fernsehens gerichtet und bevorzugte eine Variante, die auch langfristig eine Verwirklichung des Projekts Deutschland-Fernsehen ausschloss. Die Rundfunkleitung stimmte mit dieser Stellungnahme überein und entschied am 27. Februar 1964 zugunsten der dritten Variante, dem Ausbau des ersten Programms. Das Thema Deutschland-Fernsehen war damit endgültig vom Tisch. Insgesamt war der (zumindest pro forma diskutierte) dritte Anlauf zu einem Fernsehprogramm für das westdeutsche Publikum 1964 eine Art Zwischenspiel nach der langen Planungspause und vor dem Auftakt der Realisierungsbemühungen zum zweiten Programm ab 1965. Zwar hatte die Idee des Deutschland-Fernsehens die letzten vier Jahre überlebt, aber sie hatte keine Förderer mehr. Die ursprünglich positiv gestimmte Fernseh- und Rundfunkleitung räumte zwar den politischen Bedarf an einem solchen Programm ein, zeigte aber wenig Mut zur Realisierung. Äußerst skeptisch befürchtete sie Nachteile für die DDR-Zuschauer und das eigene erste Programm.

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Als großes Problem sah man dabei an, dass das Deutschland-Fernsehen erst zehn Jahre später hätte realisiert werden können. Mit einem, vom heutigen Standpunkt betrachtet, richtigen Gespür zweifelte die Fernsehführung, ob die deutschlandpolitischen Zielstellungen der DDR in diesem langen Zeitraum konstant bleiben würden: »Es ist daher notwendig zu untersuchen, ob zu diesem Zeitpunkt für ein weiteres Fernseh-Programm noch die Zielsetzung DEUTSCHLANDFERNSEHEN richtig ist.«323 Tatsächlich hatte sich die DDR 1974 dann bereits seit drei Jahren endgültig und offiziell vom Ziel einer deutschen Wiedervereinigung verabschiedet und richtete ihre Politik allein auf die eigene Nationalstaatlichkeit aus. Auch das Fernsehen hatte sich vom gesamtdeutschen Anspruch gelöst und diese Abwendung vom bundesdeutschen Publikum sogar im Namen festgehalten: 1972 war aus dem »Deutschen Fernsehfunk« das »Fernsehen der DDR« geworden. An der ablehnenden Haltung der SED-Führung, die das Projekt schon 1960 scheitern ließ, hatte sich nicht geändert. Es wurden keine ernsthaften Bemühungen unternommen, die Planungen des Projektes voranzutreiben. Dies muss nicht verwundern: Mit dem Mauerbau 1961 hatte sich die DDR nach außen hin sichtbar vom kurz- oder mittelfristigen Ziel der Wiedervereinigung verabschiedet. Auch wenn offiziell, vor allem auf propagandistischer Ebene, noch eine gesamtdeutsche Auslegung der Politik der SED erhalten blieb, in der realen Politik richteten sich die Bestrebungen vor allem auf eine Anerkennung der DDR und die Stabilisierung im Inneren. Die versuchte Einflussnahme auf die westdeutsche Bevölkerung, der in den frühen Jahren der DDR ein großer Stellenwert eingeräumt wurde, hatte diese Bedeutung nun endgültig verloren. Deshalb gab es 1964 keine günstigeren politischen Umstände für eine Förderung des Projektes als vier Jahre zuvor. Die deutliche Zurückhaltung der Fernsehführung innerhalb der ›Machbarkeitsstudie‹ spricht gegen die These Hoffs, der die drei vorgeschlagenen Varianten drei verschiedenen Interessengruppen und ihren politischen Konzeptionen zuordnet.324 Tatsächlich bevorzugte Adlershof deutlich die dritte Variante, die den Fernsehmachern den meisten Spielraum gegeben hätte. Ihre Realisierung hätte sowohl eine Regionalisierung – einen Wunsch den die Fernsehführung, wie Hoff an anderer Stelle nachweist,325 schon lange hegte – als auch eine wirtschaftliche Konsolidierung des Fernsehens mit sich gebracht. Die Regionalisierung und Dezentralisierung scheiterte grundsätzlich allerdings genau wie die frühen Pläne zu einem zweiten Programm an den fehlenden Finanzen für das Fernsehen.326 Die weiteren Planungen zum zweiten Programm seit 1965 und dessen Umsetzung vom 3. Oktober 1969 an hat Vollberg ausführlich un-

323 324 325 326

[Q] o.N. 1964, S. 21, Hervorhebung im Original. Vgl. Hoff 2003, S. 16-20 und zur Kritik an dieser These Dittmar 2007, S. 262-263. Vgl. Hoff 2002a. Vgl. Dittmar 2010, S. 140-144.

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tersucht.327 In den Jahren 1965 bis 1969 war zwar weiterhin der Wunsch, mit den Entwicklungen in der Bundesrepublik mithalten zu können, ausschlaggebend, dem bundesdeutschen Publikum als eigene Zielgruppe wurde aber keine besondere Aufmerksamkeit mehr zuteil. Stattdessen entschied sich die DDR-Führung für die Einrichtung eines Kontrastprogramms für die ostdeutschen Zuschauer, das zudem in Farbe senden sollte. Die schnelle Entwicklung der Technologie des Farbfernsehens wollte man unbedingt in einem ostdeutschen Programm verwirklichen – auch um den DDR-Zuschauern eine zweite Alternative zum Westfernsehen zu bieten.

327

Vgl. Vollberg 2002, S. 151-167; Vollberg 2003a und Vollberg 2003b.

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4 Ankunft als Massenmedium. Das DDR-Fernsehen 1960 bis 1969 In den 1960er Jahren etablierte sich das DDR-Fernsehen als Massenmedium und kam – frei nach Brigitte Reimann1 – im DDR-Alltag an. In dieser Phase hatten sich viele der im vorangegangenen Jahrzehnt entstandenen Strukturen verfestigt, auch die Denk- und Diskursstrukturen der Fernsehführung. Aber es gab ebenfalls entscheidende Veränderungen, die vor allem auf den deutschlandpolitischen Kurs der SED reagierten (Kapitel 4.1). Für die eigene politisch-ideologische Funktionsbeschreibung können die Jahre 1961, 1965 und 1968 als Wendepunkte gelten (4.2.1). Eine wichtige Anpassung an das gewandelte politische Klima war die deutliche Abkehr vom westlichen Publikum: Obwohl nach außen hin noch der Anspruch eines gesamtdeutschen Fernsehprogramms aufrechterhalten wurde, distanzierte sich die Fernsehführung ab 1965 auffallend von den Zuschauern in der Bundesrepublik (4.2.2). Gleichzeitig nahm man das eigene, ostdeutsche Publikum ins Visier, was auch eine neue Sicht auf die Konkurrenz zu den Westsendern einleitete. Das ›Westfernsehen‹ und dessen Konsum im Osten wurden genauer denn je beobachtet, der gesellschaftliche Druck auf die »Westseher« verstärkt (4.2.3). Das DDR-Fernsehen musste sich auch deshalb zunehmend an seiner Akzeptanz bei der ostdeutschen Bevölkerung messen lassen. Im Umkehrschluss führte dies zu einer vorsichtigen Erweiterung der Vorstellungen über Medienwirkungen, wobei die für die Zuschauer ›attraktive Verpackung‹ medial vermittelter Botschaften ernster als bisher genommen wurde (4.2.4). Dies stand auch im Zusammenhang mit dem gestiegenen Interesse der SED-Führung am Fernsehen, welches die Intendanz gerade in der zweiten Hälfte der 1960er Jahren vor nicht geringe Probleme stellte: Zum einen herrschte im Umfeld des 11. Plenums eine äußerst repressive Kulturpolitik vor, in der Spielräume bewusst klein gehalten und die Medien zur Umsetzung der strikten Parteivorgaben gezwungen wurden. Zum anderen gab es aber eine deutliche Tendenz, das Fernsehen danach zu beurteilen, wie erfolgreich es bei den Zuschauern war – besonders angesichts der bis zu drei westlichen Fernsehprogramme, auf die das ostdeutsche Fernsehpublikum ausweichen konnte (4.2.5). Im Feindbilddiskurs wurde die Beobachtung des Westfernsehens gleichzeitig weiter intensiviert und systematisiert. Es wurde begonnen, 1

Brigitte Reimanns Romantitel »Ankunft im Alltag« von 1961 wird aus heutiger Sicht oft als Umschreibung des spezifischen Lebensgefühls in der DDR, besonders der frühen 1960er Jahre, genutzt.

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das Feindbild ›wissenschaftlich‹ zu analysieren und zu kategorisieren, mit dem Ziel, ein vielschichtiges Argumentationsmuster von den ideologischen Absichten des Westfernsehens präsentieren zu können (4.3). In den 1960er Jahren gab es darüber hinaus zahlreiche Versuche des Fernsehens, sich innerhalb des eigenen Programms besser gegenüber der westlichen Konkurrenz zu positionieren. Neben dem strategischen Abgleich der Programmstrukturen waren es einzelne Sendungen bzw. Sendeformen, die mit denen des Westens verglichen und daraufhin verändert wurden. Charakteristisch für dieses Reagieren auf die Angebote des Westfernsehens war dabei ein ständiges Zirkulieren zwischen Anpassung und Abgrenzung (4.4).

4.1 Die Deutschlandpolitik in den 1960er Jahren Im Vergleich zu den spannungsgeladeneren 1950er Jahren bewegte sich die SED-Deutschlandpolitik im folgenden Jahrzehnt zwar insgesamt in ruhigerem Fahrwasser, von einem klaren Konzept und einer einheitlichen Linie der Partei gegenüber dem westlichen Teil Deutschlands konnte aber keine Rede sein. Dies war zum einen dadurch bedingt, dass der Handlungsspielraum der ostdeutschen Führung nach wie vor von dem übergeordneten Ost-West-Konflikt der von den Supermächten geführten Blöcke und besonders durch die dort vertretenen Interessen der Sowjetunion eingeschränkt wurde. Gerade zu Beginn der 1960er Jahre schlugen hier die Wellen des Kalten Krieges noch einmal hoch, verwiesen sei hier auf die Berlin- und die Kubakrise. Andererseits fehlte der SED-Führung auch von innen heraus eine klare Position im Umgang mit der Bundesrepublik, wie das Hin- und Herschwanken zwischen Annäherung bzw. Dialogbereitschaft und Abgrenzungskurs während dieses Jahrzehnts bewies. Im ersten Jahr des neuen Dezenniums setzte die SED-Führung zunächst nach außen hin ihren Kurs fort, auf den Ulbricht im Zuge der Berlinkrise 1959 eingeschwenkt war. Die SED-Führung propagierte, dass die DDR einer Konföderation beider Staaten zustimmen würde, um damit möglicherweise die deutsche Teilung überwinden zu können. Im April 1960 veröffentlichte das ZK der SED einen offenen Brief an die bundesdeutsche Arbeiterschaft, den sogenannten »Deutschlandplan des Volkes«, der neben der Föderation eine Volksabstimmung über den Verzicht auf atomare Rüstung und die Anerkennung des Status quo vorschlug. Dieser Plan verstand sich als Antwort auf den »Deutschland-Plan«, den die SPD im März 1959 vorgelegt hatte. Er trug die Handschrift Herbert Wehners und orientierte sich an militärisch abgerüsteten Zonen (Entspannungszonen) und einer deutschen Föderation. Allerdings war die SPD von dieser Position inzwischen abgerückt: Nach dem Scheitern der Viermächtekonferenz zur Deutschlandfrage nahm sie den Plan bereits im Mai 1959 wieder zurück. Innerhalb der nächsten dreizehn Monate entfernte sie sich immer mehr von den dort formulierten, idealistischen Zielstellungen, die in der Bevölkerung wenig Anklang gefunden hatten. Mit dem Godesberger Programm vom 182

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November 1959 und explizit mit Wehners Erklärung im Bundestag am 30. Juni 1960, dass seine Partei das europäische und atlantische Vertragssystem akzeptiere, verabschiedete sich die Partei von ihrer bisher gültigen Position zur bundesdeutschen Außen- und Deutschlandpolitik. Das Konföderationsangebot der SED, welches strenge Vorbedingungen wie die Anerkennung des Status quo an die Aufnahme von Verhandlungen stellte, konnte in der Bundesrepublik bei keiner Partei auf Interesse stoßen. Dies wiederum und Wehners Anerkennung der Adenauerschen Politik der Westintegration wurde in der DDR als ›Verrat‹ der Sozialdemokraten aufgefasst: Der 30. Juni 1960 wurde zum symbolischen Datum, welches zukünftig immer wieder beschworen wurde, wenn die SED eine Erklärung für ihre zunehmende Differenz zur Bundesrepublik und der Sozialdemokratie benötigte.2 Zwei Monate bevor alle deutschlandpolitischen Initiativen der DDR durch den Mauerbau zur Makulatur werden sollten, präsentierte Ulbricht noch einmal einen »Friedensplan der DDR«. Dieser forderte eine paritätische »Deutsche Friedenskommission«, deutsch-deutsche Verhandlungen und die Aufnahme beider Staaten in die UNO. Mit ihren propagandistischen Offensiven wollte die SED-Spitze aber vor allem von den innenpolitischen Problemen der DDR ablenken, die sich 1960/61 immer mehr zuspitzten. Im Verlauf dieser beiden Jahre schwoll der Flüchtlingsstrom Richtung Westen an und wurde zu einem existentiellen Problem für den ostdeutschen Staat. Vielfältige Ursachen hatten dazu geführt, dass die Ablehnung gegenüber der DDR in der Bevölkerung rasant zunahm. Sie waren wie die wirtschaftlichen Probleme der DDR größten Teils hausgemacht: Die erzwungene und überstürzte Kollektivierung der Landwirtschaft erreichte im sogenannten ›sozialistischen Frühling auf dem Lande‹ 1960 ihren Höhepunkt. Das starre Planungssystem der Industrie führte gleichzeitig zu großen Versorgungsschwierigkeiten. Diese inneren Probleme konnten dabei nicht durch Hilfe von außen kompensiert werden: Die Bundesrepublik kündigte im September 1960 das Interzonenhandelsabkommen und die Sowjetunion weigerte sich weitgehend, der DDR aus den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu helfen. Im Sommer 1961 wurden die Probleme für die DDR-Bevölkerung besonders augenfällig, da es der ostdeutschen Nahrungsmittelindustrie und dem Handel nicht gelungen war, genügend Waren in die Urlaubsregionen der DDR zu liefern.3 Insgesamt herrschte eine ausgesprochen kritische Stimmung in der Bevölkerung und in den Betrieben, was Berichte der SED und des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) dokumentieren. Vereinzelt kam es zu Arbeitsniederlegungen und sogar zu Angriffen auf Parteimitglieder.4 Diese Unzufriedenheit mit den Lebensumständen in der DDR und ihrer politischen Führung wollte die SED-Spitze nicht noch dadurch anheizen, dass sie ihre zunehmende Distanz zu einer möglichen Wie-

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Vgl. Staadt 1993, S. 43. Vgl. Wolle 2005, S. 14. Vgl. Mitter/Wolle 1993, S. 328-350; Schroeder/Alisch 1998, S. 165-166.

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dervereinigung öffentlich machte. Sie hielt mit dem Konföderationskonzept die Fassade der verhandlungswilligen DDR aufrecht. Damit sollte besonders die in der eigenen Bevölkerung vielfach vertretene Hoffnung auf ein vereintes Deutschland nicht endgültig zerstört werden, schöpften aus ihr doch viele Menschen den Glauben an eine bessere Zukunft. In der historischen Forschung zur Deutschlandpolitik der SED wird jedoch heute davon ausgegangen, dass die SED-Führung im Jahr 1960 längst den eigenstaatlichen Weg favorisierte und sogar die bisher intensiv betriebene Wiedervereinigungspropaganda allmählich abschwächte.5 Der Konföderationsplan war die letzte konzeptionelle Initiative in der Deutschlandfrage, die jedoch absichtlich an nahezu unannehmbare Bedingungen geknüpft war. Die Deutschlandpolitik wurde vom absolut unverbindlichen ›nationalen‹ Langzeitprogramm der SED bestimmt. Zwar rückte die DDR vom Anspruch auf die Einheit der deutschen Nation noch nicht ab. Allerdings arbeitete die SED-Führung in der realen Politik bereits an einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR – und damit an der Abgrenzung zum Westen. Belege hierfür sind die »›diskreten‹ Spaltungsaktionen«6, die die veränderte politische Richtung dokumentieren: Im Herbst 1959 wurde ein eigenes DDR-Emblem eingeführt, indem der bis dahin noch einheitlichen schwarz-rot-goldenen deutschen Nationalfahne die Symbole Hammer, Zirkel und Ährenkranz hinzugefügt wurden. Der Landkartenbeschluss vom November 1959 untersagte den Begriff Deutschland auf sämtlichen Karten, die in der DDR verwendet wurden. Der Mauerbau am 13. August 19617 ließ die in der Öffentlichkeit bis dato insgesamt noch vorherrschende gesamtdeutsche Rhetorik zur Farce werden. Für die westliche sowie die ostdeutsche Öffentlichkeit wurde sichtbar, dass die Konsolidierung des eigenen Machtbereichs für die SED Vorrang vor einem Dialog und jedweden Schritten zur Wiedervereinigung hatte. Diese Festigung durch undurchdringliche Abschottung nach außen hielt die SED für nötig: Der »Antifaschistische Schutzwall«, wie die Mauer in der offiziellen Sprachregelung der DDR hieß, war der SED-Propaganda zufolge ein Akt der »Friedensicherung« nach Westen; in Wirklichkeit war er aber nach innen gerichtet. Zugespitzt formuliert nahm die SED-Führung »ihre Bürger im August 1961 als Geiseln«8. Für die DDR-Bürger gab es nun keine Alternative mehr zum Leben im ostdeutschen Staat; sie wurden durch die Mauer gezwungen, sich einzurichten und sich mit den Verhältnissen im eigenen Land zu arrangieren. Von der Forschung ist der Mauerbau darum auch als »der zweite Staatsgründungsakt der DDR«9 bezeichnet worden.

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Vgl. Lemke 2001b sowie Amos 1999. Lemke 2001b, S. 432. Zur Darstellung des 13. Augusts 1961 in den aktuellen Sendungen des Fernsehens in West- und Ostdeutschland vgl. Wilharm 2004. Mitter/Wolle 1993, S. 316. Potthoff 1999, S. 25.

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Ulbricht hatte schon im März 1961 auf der Tagung der Warschauer-Pakt-Staaten auf eine Absperrung zwischen Ost- und Westberlin gedrängt, konnte sie aber bei Chruschtschow (noch) nicht durchsetzen. Erst auf der nächsten Sitzung, die die Ersten Sekretäre der kommunistischen Parteien des Warschauer Paktes vom 3. bis 5. August 1961 in Moskau zusammenführte, fiel die von Ulbricht angestrebte Entscheidung zum Mauerbau. In der DDR wurden daraufhin umgehend die letzten Vorbereitungen für den ›Tag X‹ getroffen. Am 12. August unterzeichnete Ulbricht gegen vier Uhr nachmittags den Befehl zur Ausführung der ›Grenzsicherung‹ und am 13. August veröffentlichte die DDRNachrichtenagentur ADN um 1.11 Uhr erste Nachrichten über Maßnahmen zur Bewachung und Kontrolle der Sektorengrenze in Berlin. Mit diesem Schritt der ostdeutschen Staatsführung waren die Chancen für einen deutsch-deutschen Dialog erst einmal gescheitert. Der Schusswaffengebrauch an der neuerrichteten Mauer, der bereits nach elf Tagen ein erstes Opfer forderte,10 belastete die Beziehungen erheblich. Als ein Jahr später der Mauerflüchtling Peter Fechter vor den Augen zahlreicher West-Berliner verblutete, ohne dass die anwesenden Polizisten und Grenzsoldaten aus Ost oder West Hilfe leisteten, war ein Tiefpunkt erreicht. Die westliche Öffentlichkeit wurde durch das Schicksal Fechners – und die Bilder davon, die fortan zum festen Repertoire der Visualisierung der Teilung gehörten11 – mit der Unmenschlichkeit des Schießbefehls konfrontiert. Die West-Berliner reagierten spontan mit Protesten und Demonstrationen, die sich sowohl gegen die sowjetische Besatzungsmacht in Ost-Berlin als auch gegen die amerikanische im Westteil der Stadt richteten. Den US-amerikanischen Grenzsoldaten wurde vorgeworfen, nicht eingegriffen zu haben, obwohl sie der Vier-Mächte-Status Berlins dazu berechtigt hätte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde in der Bundesrepublik offensichtlich, dass die Bonner Politik der 1950er und frühen 1960er Jahre erfolglos geblieben und die Teilung Deutschlands nicht mehr durch bloße Deklarationen und Einigungsrhetorik zu überwinden war. Ebenso deutlich war, dass die westlichen Verbündeten der Bundesrepublik eher eigene Interessen verfolgten als die Deutsche Einheit zu erzwingen. Dies führte zu einer Wende im westlichen Denken. Ein erstes politisches Umorientieren ging nicht zufällig vor allem von Berlin und von Willy Brandt aus, denn die »Insellage des abgeschnürten und einge-

10 Das erste Maueropfer war der Maßschneider Günter Litfin aus Berlin-Weißensee. Er hatte am 24. August 1961 versucht, den sogenannten Humboldthafen, eine Ausbuchtung im Spreekanal unweit der Charité, zu durchschwimmen. Transportpolizisten töteten ihn mit Schüssen in Genick und Kinn, vgl. Eisenfeld/Engelmann 2001, S. 95-96. Auf westliche Proteste nach diesem Gewaltakt reagierte die SED mit einer Verleumdungskampagne, die eine angebliche Homosexualität und andere Verunglimpfungen über den toten Litfin verbreitete, vgl. ebd. S. 96. 11 Zu den Hintergründen der Aufnahme des Bildjournalisten Wolfgang Bera, zur Bildtradition, die das Foto anspricht sowie zu den Folgen der Berichterstattung in der West-Berliner Presse, vgl. Hamann 2005.

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mauerten West-Berlin schuf ein ganz waches Gespür für die Zwänge und die Notwendigkeiten einer Politik, die den Menschen konkret half«12. Bereits im Dezember 1961 begannen Geheimverhandlungen zwischen dem West-Berliner Senat und Vertretern der DDR über eine Passierscheinregelung, die es den Westberlinern wieder erlauben sollte, den Ostteil der Stadt zu betreten. Vor allem die strittigen Statusfragen, die die DDR durchzusetzen versuchte, verhinderten einen schnellen Erfolg. Erst kurz vor Weihnachten 1963 trat das Verfahren in Kraft und wurde bis Anfang Januar 1964 von 1,3 Millionen Westberlinern zu Verwandtenbesuchen genutzt. Zeitgleich wurde eine weitere deutsch-deutsche Vereinbarung ausgehandelt: der bis 1989 praktizierte Häftlingsfreikauf von in der DDR Inhaftierten durch die Bundesrepublik. Im Dezember 1962 wurden die ersten zwanzig Häftlinge und zwanzig Kinder gegen die Lieferung von drei Eisenbahnwaggons mit Kalidünger für die DDR-Landwirtschaft ›verkauft‹. Drei Monate später führte die DDR ein pauschales ›Kopfgeld‹ pro Häftling ein, das anfangs bei 40.000 DM lag.13 Faktisch ist die DDR durch diese Schritte zum ersten Mal als Gesprächspartnerin der Bundesrepublik akzeptiert worden, was einem vorsichtigen Anerkennen der Realitäten im geteilten Deutschland gleichkam. Hier zeichneten sich Vorboten der zukünftigen Entspannungspolitik ab, die allerdings in jedem einzelnen Schritt mit mühevollen Verhandlungen und geduldigem Ringen verbunden waren: »Aus Dialogbereitschaft wurde wenigstens partiell Dialogfähigkeit.«14 Dies darf aber nicht überbewertet werden, denn die Bundesregierungen unter Adenauer und ab 1963 unter Ludwig Erhard beharrten prinzipiell auf dem Standpunkt, dass die DDR kein Völkerrechtssubjekt sei und handelten weiter im Sinne der Hallsteindoktrin. Im offiziellen Sprachgebrauch der Bundesrepublik war die DDR die »Zone« oder »Sowjetzone«, erst später wurde aus ihr die »sogenannte DDR« oder einfach »Mitteldeutschland«.15 Die außenpolitische Grundsatzposition der Bundesregierung entsprach dabei den Vorgaben der Verfassung von 1949, stimmte aber auch weitgehend mit der öffentlichen Meinung in der Bundesrepublik überein. Die DDR musste daher an einem Abbau ihres negativen Images im Westen interessiert sein, wofür sie groß angelegte öffentliche Kampagnen startete und gleichzeitig ihre verdeckte Westarbeit zu nutzen versuchte. Reisekader16 wurden vor allem auf die SPD und den DGB ›an-

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Potthoff 1999, S. 339. Vgl. Schroeder/Alisch 1998, S. 191. Potthoff 1999, S. 340. Vgl. Mitter/Wolle 1993; Wolle 2005, S. 109. Damit wurden Personen aus der DDR bezeichnet, die aus dienstlichem Anlass oder im Auftrag von politischen Institutionen bzw. in herausgehobener Stellung des öffentlichen Lebens (im Sport, in Kultur und Wissenschaft) in die Bundesrepublik sowie nach Westberlin reisen durften. Für diese galten die ansonsten vorherrschenden Beschränkungen in der Reisefreiheit nicht, dafür

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gesetzt‹, um eine Veränderung der Bonner Deutschlandpolitik zu erreichen. Allerdings hatte der Mauerbau die Rahmenbedingungen für die Westarbeit der SED wesentlich erschwert, der gekappte Reiseverkehr behinderte auch den parteieigenen Infiltrationsapparat. Für ausbleibende Erfolge hagelte es Kritik, die im März 1962 zu einer Reorganisation der Westarbeit führte.17 Das vorrangige Ziel der SED blieb die völkerrechtliche Anerkennung oder zumindest die Anerkennung der Staatlichkeit der DDR durch die Bundesrepublik und perspektivisch durch die internationale Staatengemeinschaft. Im März 1962 wurde diese Position in einem »Nationalen Dokument« mit dem Titel »Die geschichtliche Aufgabe der DDR und die Zukunft Deutschlands« festgeschrieben, das auch eine nachträgliche Legitimation des Mauerbaus leisten sollte. Die Erklärung wurde vom 15. ZK-Plenum der SED veröffentlicht und erkannte die deutsche Nation zwar prinzipiell weiterhin an, betonte aber die Unterteilung in zwei Staaten. Diese Staaten ständen sich zudem feindlich gegenüber, was eine dauerhafte Grenzsicherung nötig mache. Vehementer als bisher vertrat die SED den Standpunkt, dass es eine Wiedervereinigung nur geben könnte, wenn der Sozialismus in der DDR gestärkt sowie Imperialismus und Militarismus in der Bundesrepublik besiegt wären. Die ostdeutsche Führung schloss damit eine gesamtdeutsche Perspektive für beide Länder nicht aus, knüpfte sie aber an eine für die Bundesrepublik unakzeptable Bedingung: Ein zukünftiges geeintes Deutschland hätte das sozialistische Gesellschaftssystem der DDR übernehmen müssen. In den folgenden Monaten fanden in der gesamten DDR ›Aussprachen‹ zum Inhalt der ZK-Erklärung statt. Bei der Bevölkerung blieb die von der Partei gewünschte Begeisterung trotz intensiven Werbens aus. Als Höhepunkt der Propagandakampagne wurde das »Nationale Dokument« im Juni 1962 von den Delegierten des »Nationalkongresses der Nationalen Front« verabschiedet. Auch der VI. Parteitag der SED bestätigte im Januar 1963 die Erklärung noch einmal förmlich. Um zu demonstrieren, wie feindlich und hochgerüstet sich die Blöcke gegenüberstanden, deren Grenze durch Deutschland verlief, brauchte die SED-Propaganda im Herbst 1962 nur die internationalen Nachrichten zu zitieren: Im Oktober führte die Kubakrise die Verbündeten der USA und der Sowjetunion an den Rand eines atomaren Weltkrieges.18 Chruschtschow hatte – auch vor dem Hintergrund der noch immer ungelösten Berlin-Frage – Fidel Castro im Sommer 1962 überzeugt, unter absoluter Geheimhaltung Mittelstreckenraketen auf der Insel installieren zu lassen. Im September entdeckten amerikanische Aufklärungsflugzeuge die Abschussrampen der sowjetischen Raketen. Kennedy ordnete eine Seeblockade Kubas an und demonstrierte die Ernsthaftigkeit der US-amerikanischen Kampfbereitschaft, die auch vor dem Einsatz von atomaren Waffen nicht zurückschrecken würde. Chru-

mussten sie allerdings vom MfS als besonders vertrauenswürdig eingeschätzt werden. Vgl. ausführlich Niederhut 2005. 17 Vgl. Staadt 1993, S. 33-36. 18 Zur Kubakrise vgl. Filippovych/Uhl 2005; Ganser/Eichner 2005; Münger 2003.

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schtschow erklärte sich daraufhin am 28. Oktober bereit, die Atomraketen aus Kuba abzuziehen. Im Gegenzug entfernten die USA ihre Mittelstreckenraketen aus der Türkei. Im Ergebnis war die Kubakrise nicht nur ein Höhepunkt des Kalten Krieges, sondern auch ein Wendepunkt: Mit der atomaren Konfrontation vor Augen reifte auf beiden Seiten die Erkenntnis, dass die Kriegsgefahr eingedämmt werden musste und eine Rüstungskontrolle notwendig geworden war. Im Juli 1963 wurde eine direkte Fernschreibverbindung zwischen dem Kreml und dem Weißen Haus eingerichtet, gleichzeitig begannen schrittweise Abrüstungsverhandlungen zwischen den Großmächten. Die USA setzten nun auf eine Ausgleich- und Entspannungspolitik gegenüber dem sowjetisch beherrschten Block: Mit seiner Rede zur »Strategie des Friedens« am 10. Juni 1963 in der George-WashingtonUniversität begründete Kennedy die sogenannte Konfliktbegrenzungspolitik (Détente). Die Großmächte verzichteten künftig auf direkte militärische Konfrontationen und konzentrierten ihre Interessen auf die Länder, die noch nicht dem westlichen oder östlichen Einflussbereich angehörten. Die Dritte Welt war längst ein Schauplatz von heißen Stellvertreterkriegen geworden, zu der ab Ende 1960 die »amerikanische« Phase des Vietnamkriegs hinzukam. Das weltpolitische Klima wirkte sich auch auf die Deutschlandpolitik beider deutscher Staaten aus. Die Politik der Bundesrepublik geriet in den Sog der amerikanischen Détente-Politik und diskutierte unter den veränderten Vorzeichen den Weg zur Lösung der Deutschen Frage. Am deutlichsten wurde dies in der Haltung der sozialdemokratischen Opposition: Egon Bahr, engster Mitarbeiter Brandts, hielt am 15. Juli 1963 eine Rede vor dem Politischen Club der Evangelischen Akademie Tutzing, in der er als Folge der Kennedy-Politik gegenüber der Sowjetunion eine veränderte Politik der Bundesrepublik gegenüber der DDR forderte. Mit vielen kleinen Schritten müsste ein ›Wandel durch Annäherung‹ erreicht werden. Bahr und Brandt hatten die Chancen erkannt, die Kennedys Friedensstrategie bot. Bis zur Mitte der 1960er Jahre hatte sich diese Position in der SPD durchgesetzt, ab 1969 wurde sie als ›neue Ostpolitik‹ eine Leitlinie der sozial-liberalen Koalition. Die regierende CDU/CSU unter Adenauer hatte dagegen zunächst reserviert auf die amerikanischen Entspannungsbemühungen reagiert. Adenauers Nachfolger Ludwig Ehrhard hatte zwar der Berliner Passierscheinregelung zugestimmt, verharrte aber auf den überkommenen Positionen in der Deutschlandpolitik, was zu einer »Selbstblockade der Regierung«19 führte. Erst mit der Großen Koalition unter Kurt Georg Kiesinger ließen sich ab 1966 auch die Christdemokraten auf den Vorrang der Détente ein. In der DDR hatte Ulbricht im Dezember 1962 auf der SED-Bezirkskonferenz in Cottbus angedeutet, dass sein Land bereit wäre, der sowjetischen Strategie der friedlichen Koexistenz mit einer Umorientierung in der Deutschlandpolitik zu folgen. Die ostdeutsche Zustimmung

19 Maibaum 1998, S. 52.

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zum Passierscheinabkommen wertet Monika Kaiser als ersten »Beweis für die gewachsene Kompromißbereitschaft Ulbrichts«20. Auf dem VI. Parteitag der SED im Januar 1963 machte Chruschtschow deutlich, dass die Sowjetunion die Sicherung der friedlichen Koexistenz beider deutscher Staaten als wichtige Strategie ihrer internationalen Politik verstand. Die SED verabschiedete ein neues Parteiprogramm, das weiterhin eine Konföderation aus DDR, Bundesrepublik und Westberlin vorsah, nun allerdings in wesentlich längerfristigen zeitlichen Perspektiven. Ulbricht regte gleichzeitig ein »Abkommen der Vernunft« an, demzufolge beide deutschen Staaten ihre bestehenden Grenzen anerkennen, die militärische Rüstung stoppen sowie kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen intensivieren sollten. Da die Bundesrepublik auf diesen und einen ähnlich gearteten Brief Ulbrichts an Erhard im Januar 1964 nicht reagiert hatte, schlug Ulbricht im April 1964 öffentlichkeitswirksam einen deutsch-deutschen Zeitungsaustausch vor: Wenn das SED-Zentralorgan Neues Deutschland im Westen verkauft werden dürfte, würde die DDR die Verbreitung der Süddeutschen Zeitung oder anderer Tageszeitungen genehmigen. Die Bundesregierung lehnte dies zunächst ab, stimmte dann aber nach teils heftigen Diskussionen in der Öffentlichkeit dem Austausch zu, der durch die eingetretene Verzögerung aber nicht mehr zustande kam. Kurze Zeit später fand zu Pfingsten 1964 das dritte »Deutschlandtreffen der Jugend«, organisiert von der FDJ, statt. Auch dahinter stand laut Kaiser ein deutschlandpolitisches Interesse Ulbrichts: Er hoffte, dass von dem Treffen ein Signal ausgehen könnte, welches Bewegung in die erstarrten deutsch-deutschen Beziehungen bringen und dem Gespräche auf Regierungsebene folgen könnten.21 Das Pfingsttreffen traf tatsächlich den Nerv der Jugend, allerdings waren nur ca. 25.000 Jugendliche von insgesamt über einer halben Millionen Teilnehmer aus der Bundesrepublik oder Westberlin angereist. Das zeitgleich gegründete Jugendradio »DT64« (DeutschlandTreffen 1964) hielt mit seinem Namen die Erinnerung an das Festival in der DDR noch viele Jahre später aufrecht. Es blieb allerdings das letzte deutschlandweite Jugendtreffen, in späteren Jahren ließ die neue Linie der SED-Politik so viel Annäherung und unkontrollierbare zwischenmenschliche Kontakte nicht mehr zu. Im Juni 1964 demonstrierte der »Vertrag über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit« zwischen der DDR und der Sowjetunion, dass sich Ostdeutschland weiterhin auf die Protektion durch die sozialistische Großmacht verlassen konnte: Das Abkommen gab der DDR eine Bestandsgarantie, die die Existenz zweier souveräner deutscher Staaten als selbstverständlich voraussetzte. Insgesamt stellte der Vertrag eine Art von ›kleiner Lösung‹ gegenüber dem von der DDR ursprünglich angestrebten separaten Friedensvertrag dar. Den im Vertrag festgehaltenen deutschlandpolitischen Kurs behielt die sowjetische

20 Kaiser 1997, S. 161. 21 Vgl. ebd., S. 159-167.

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Führung auch nach dem Sturz Chruschtschows im Oktober 1964 unter dem neuen Parteichef Leonid Breschnew bei. Gestärkt durch diese sowjetische Unterstützung setzte die SED ihre Anerkennungspolitik fort. Anlässlich des 15. Jahrestages der DDRGründung machte Ulbricht noch einmal sehr deutlich, dass seiner Meinung nach niemand vorhersagen könne, wann und unter welchen Bedingungen beide deutsche Staaten wiedervereint werden könnten. Er räumte der Deutschen Frage nur noch eine nachrangige Bedeutung ein, deren Lösung in weiter Ferne stände. Die erste Voraussetzung für eine Annäherung wären demnach gleichberechtigte Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR, die aber nur auf Basis der gegenseitigen Anerkennung stattfinden könnten. Die Zweistaatlichkeit Deutschlands sollte nach dem Willen der SED nun auch im kulturellen Selbstbewusstsein der DDR ihren Niederschlag finden. Auf der zweiten Bitterfelder Konferenz wurde versucht, die Entwicklung einer sozialistischen Nationalkultur zu forcieren. Den ostdeutschen Literaturschaffenden sollte dabei eine besondere Rolle zukommen. Dementsprechend fand im Dezember 1964 ein Kolloquium des Schriftstellerverbandes zum Thema »Die Existenz zweier deutscher Staaten und die Lage der Literatur« statt, bei der die Theorie zweier getrennter deutscher Literaturen an ein internationales sozialistisches Publikum vermittelt werden sollte. Allerdings wurden auf dem Kolloquium auch kritische Stimmen ostdeutscher Autoren laut, was Staadt zufolge bei der politischen Führung zu dem Entschluss führte, zuallererst die eigenen Künstler zu disziplinieren: »Die Schriftstellerjagd war eröffnet.«22 Das 11. Plenum des ZK der SED wurde im Dezember 1965 zum »großen Autodafé«23, das Romane, Theaterstücke, Filme und Fernsehspiele und ihre Produzenten öffentlich anprangerte.24 Außenpolitisch war die SED weiterhin um internationale Anerkennung bemüht, mit dem Ziel die Hallstein-Doktrin langfristig auszuhöhlen. Im Februar 1965 konnte Ulbricht diesbezüglich einen ersten Erfolg verbuchen: Während einer Reise in die Vereinigte Arabische Republik (Ägypten) wurde er vom Präsidenten Gamal Abd el Nasser mit den Ehren eines Staatsoberhaupts empfangen.25 Für Ulbricht war es der erste offizielle Besuch in einem nichtsozialistischen Land. Obwohl dies noch nicht mit einer diplomatischen Anerkennung gleichzusetzen war, stoppte die Bundesrepublik trotzdem ihre Wirtschaftshilfen für Ägypten. Zu einem weiteren Erfolg verhalf das Internationale Olympische Komitee der DDR, als es im Oktober 1965 zuließ, dass sie zu den Olympischen

22 Staadt 1993, S. 122. 23 Mitter/Wolle 1993, S. 376. 24 Zu den Auswirkungen des 11. Plenums auf das DDR-Fernsehen, vgl. ausführlicher Kapitel 4.2.5. 25 Bereits seit 1954/55 hatte die DDR ohne Erfolg versucht, über den Abschluss von Handelsverträgen eine Anerkennung durch Ägypten zu erreichen. Vgl. Lemke 2001a, S. 75.

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Spielen des Jahres 1968 in Grenoble und Mexiko mit eigenen Mannschaften26 antreten durfte. Auch wenn die Medien jeden internationalen Kontakt der DDR frenetisch feierten, weitere diplomatische Erfolge blieben zunächst aus: Auf der Ebene von Botschaften nahm bis 1969 kein Staat außerhalb des Ostblocks diplomatische Beziehungen auf, als erstes Dritte-Welt-Land erkannte Kambodscha die DDR am 8. Mai 1969 vollgültig an. Im April 1965 versuchte die SED noch einmal in bedrohlicher Weise, Stärke in der Berlinfrage zu demonstrieren. Auf dem Verhandlungsweg hatte Ulbricht hier keinen Erfolg verbuchen können, selbst die Sowjetunion hielt im Vertrag mit der DDR am Status von Berlin als eigenständiger politischer Einheit fest. Hoffnungen der SED, Westberlin eines Tages dem Territorium der DDR einverleiben zu können, schienen in weite Ferne gerückt. Umso empfindlicher reagierte die ostdeutsche Regierung auf angebliche Ansprüche Westdeutschlands auf Westberlin. Nachdem der Bundestag beschlossen hatte, eine Sitzung in der Kongresshalle in Westberlin abzuhalten, um damit die Zusammengehörigkeit von Berlin und der Bundesrepublik symbolisch sichtbar zu machen, startete die DDR aus Protest das größte Militärmanöver ihrer Geschichte. Während der Bundestagssitzung am 7. April donnerten ostdeutsche MiG-21 und sowjetische Düsenjäger entgegen den alliierten Abmachungen im Tiefflug über die Kongresshalle. Diese militärische Drohgebärde stellte den »letzten dramatischen Akt des Kalten Krieges«27 im geteilten Berlin dar, zukünftig verzichtete der Westen auf derartige Demonstrationen und der Osten stellte den Status Berlins zumindest nicht mehr mit militärischen Aktionen in Frage.28 Die DDR wurde in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre nicht durch eine Politik des Kalten Krieges, sondern durch die Entspannungspolitik der Bundesrepublik vor neue Herausforderungen gestellt, die sich bis 1966 deutlich abzuzeichnen begann. In diesem Jahr kam auf beiden Seiten Deutschlands wieder Bewegung in die Deutschlandpolitik. Die SED zielte auf einen gesamtdeutschen Dialog, der den außenpolitischen Interessen der Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt entgegenzukommen schien: Die sowjetische Führung hoffte 1966 angesichts der Bestrebungen Frankreichs, sich aus der Militärorganisation der NATO zu lösen, dass Westeuropa die Bindungen an die NATO und die USA insgesamt lockern könnte. Die SED hatte darum den Auftrag, die SPD zu einer Neuorientierung ihrer außenpolitischen Position zu bewegen, die wiederum Einfluss auf die Bundesregierung ausüben sollte.

26 Beide deutschen Mannschaften mussten unter der schwarz-rot-goldenen Fahne mit dem Olympia-Emblem antreten und marschierten zu der Musik von Beethovens »Ode an die Freude« in die Olympiastadien ein. 27 Wolle 2005, S. 110. 28 Militärische Drohgebärden gegen die Bundesrepublik wurden allerdings fortgesetzt. Im gleichen Jahr ›probte‹ das Herbstmanöver »Oktobersturm« den Kampf der NVA sowie ihrer Verbündeter gegen die Bundeswehr, der mit dem Szenario der Vernichtung des ›Aggressors‹ Bundesrepublik endete, vgl. Maibaum 1998, S. 48-49.

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Am 7. Februar 1966 schickte das ZK der SED einen »Offene[n] Brief an die Delegierten des Dortmunder Parteitages der SPD und an alle Mitglieder und Freunde der Sozialdemokratie in Westdeutschland«, in dem sie der SPD eine Aktionseinheit gegen die Politik der Bundesregierung vorschlug. Die Sozialdemokraten entschlossen sich daraufhin, zum ersten Mal eine Kontakt-Offerte der SED zu beantworten: Am 18. März schlug der SPD-Parteivorstand eine öffentliche Diskussion der Deutschlandkonzepte von SED und SPD in beiden Ländern vor. Zeitgleich signalisierte auch die Bundesregierung Gesprächsbereitschaft und das Auswärtige Amt übersandte am 25. März 1966 eine Note der Bundesrepublik zur deutschen Friedenspolitik. Schon einen Tag später veröffentlichte die SED ihre Antwort an die SPD in der SED-Parteizeitung Neues Deutschland und schlug einen Redneraustausch beider Parteien auf den Veranstaltungen der SED in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) und der SPD in Essen bzw. Hannover vor. Auch eine Fernsehdiskussion wurde erwogen, die die SED allerdings schon Anfang April absagte.29 Das gleiche Schicksal traf auch den Redneraustausch: Zuerst wurde das ursprünglich für Mai geplante erste Meinungsduell in Karl-Marx-Stadt auf Juli verschoben. Ende Juni zog die SED das Angebot dann endgültig zurück und begründete dies offiziell mit dem im Bundestag verabschiedeten Gesetz über das freie Geleit der SED-Redner in der Bundesrepublik.30 Die Entscheidung zur Absage war auf der Politbürositzung vom 21. Juni gefallen, die dem Parteiendialog einen Einfluss auf die deutschlandpolitischen Strategien der SPD absprach. »Ulbrichts Versuch einer ›Umarmung‹ und ›Aussöhnung‹ mit den Sozialdemokraten«31 war gescheitert, der Ton gegenüber der SPD wurde wieder schärfer. Die Absage des Redneraustauschs beendete das »letzte gesamtdeutsche Scheingefecht der SED«32. Laut Kaiser kamen SED- und KPdSUFührung im Herbst 1966 darin überein, dass eine Thematisierung von Vorstellungen über eine Wiedervereinigung künftig vermieden werden müsste und man »solche Parolen auch nicht mehr als Propagandamittel ge- bzw. missbrauchen dürfe«33. Das Thema einer zumindest in ferner Zukunft möglichen Wiedervereinigung beider deutscher Staaten berührte immer noch die Wünsche und Hoffnungen der ostdeutschen Bevölkerung. Diese Zukunftsvisionen liefen aber den eigentlichen politischen Interessen der DDR immer deutlicher zuwider, weswegen sich die SED-Führung zunehmend davon distanzierte.

29 Vgl. Prase 2002, S. 189. 30 Der Bundestag strebte ein Gesetz für »freies Geleit« der ostdeutschen Redner in der Bundesrepublik an, was eine befristete Freistellung von der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik bedeutet hätte. Am 11. Mai protestierte die DDRRegierung erstmals gegen diese Pläne, weil darin eine Erweiterung des Geltungsbereiches von Bundesgesetzen enthalten war. 31 Kaiser 1997, S. 246. 32 Staadt 1993, S. 165. 33 Kaiser 1997, S. 247.

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Die ostdeutsche Führung favorisierte nun wieder die althergebrachte Strategie ihrer Westarbeit. Durch öffentliche Aufrufe und die Agitation der Reisekader versuchte sie, einen Keil zwischen die Basis der SPD und deren Führung zu treiben und die bundesdeutschen Arbeiter und Gewerkschaftsanhänger für eine Anerkennungskampagne der DDR zu gewinnen. Im eigenen Land war sie bemüht, die enttäuschten Hoffnungen auf Ergebnisse des deutsch-deutschen Dialogs zu kompensieren: Auf der bereits erwähnten Politbürositzung am 21. Juni wurde die Vorbereitung des zweiten Fernsehprogramms gebilligt.34 Im Herbst 1966 sah sich die SED-Führung erstmals mit einer Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten konfrontiert, wertete es klassenkämpferisch als »Gipfel des Verrats« und schoss mit Ulbrichts Worten sofort »propagandistisches Sperrfeuer«.35 Die große Koalition unter Kiesinger ergriff mit einer veränderten Ost- und Deutschlandpolitik auch schnell die Initiative: Erstmals lautete die Maxime nicht mehr, dass eine Entspannung in Europa durch die Wiedervereinigung Deutschlands möglich würde, sondern umgekehrt die Wiedervereinigung Deutschlands nur als Ergebnis der Entspannung in Europa. Die SED-Führung reagierte mit erheblicher Verunsicherung auf den neuen Kurs der Bundesregierung und vollzog einen abrupten Kurswechsel in ihrer Deutschlandpolitik hin zu einer rigiden Abgrenzungsstrategie. Die ostdeutsche Führung befürchtete, in einen politisch-ideologischen Zangengriff genommen zu werden, bei der die Bundesrepublik mit allen Mitteln der psychologischen Kriegsführung versuchen würde, den Osten aufzuweichen und zu unterwandern. Sie war gleichsam gefangen in ihrem ideologischen Weltbild, was sich auch in einer »übersteigerten Kriegs- und Existenzpsychose«36 äußerte. Man zweifelte zwar nicht an der Überlegenheit des sozialistischen Systems, fürchtete sich aber vor der »schleichenden Konterrevolution«37 im Inneren. Eine Wiedervereinigung Deutschlands wurde von nun an auch in der Öffentlichkeit als derzeit »nicht real« eingeschätzt und Ulbricht griff in den Medien die von SED-Verfassungsrechtlern entwickelte These von zwei Staaten in einer Nation auf. Auch sprachlich wurden gesamtdeutsche Bezüge weitgehend eliminiert, so wurde beispielsweise aus der westdeutschen »SPD« im offiziellen DDR-Sprachgebrauch die »SP«. Im Februar 1967 wurde das im Dezember 1965 eingerichtete Staatssekretariat für »gesamtdeutsche Fragen« in ein Staatssekretariat für »westdeutsche Fragen« umbenannt. Dies entsprach auch den Forderungen der sowjetischen Führung, die von den ostdeutschen Verbündeten eine akzentuierte Abgrenzungspolitik verlangte und auch die Erleichterung innerdeutscher Kontakte zu verhindern suchte. Die Entspannungsbemühungen der KiesingerRegierung tangierten die Interessen der Sowjetunion vor allem durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Rumänien im Januar

34 35 36 37

Vgl. [Q] Politbüro des Zentralkomitees der SED 1966. Kaiser 1997, S. 248. Ebd., S. 263. Wolle 2005, S. 150.

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1967. Damit unterlief die Bundesrepublik zwar ihre eigene außenpolitische Leitlinie im Sinne der Hallsteindoktrin, was für die DDR erst einmal positiv hätte sein können. Sie tat dies aber vor allem, um die Rumänen bei ihren Emanzipationsbestrebungen gegenüber der Sowjetunion zu unterstützen. Breschnew reagierte, indem er die gesamten Warschauer-Pakt-Staaten darauf einschwor, keine Normalisierung ihrer Beziehungen zur Bundesrepublik zuzulassen, bevor diese die DDR anerkennen würde. Damit sicherte er den Bestand und die Interessen der DDR und konnte gleichzeitig Auflockerungstendenzen im sozialistischen Lager unterbinden. Da Ulbricht diese Forderung fortan vehement vertrat, wurde sie unter dem Namen »Ulbricht-Doktrin« bekannt. Die Bundesrepublik konnte daraufhin in ihrer Ostpolitik bis 1969 keine großen Fortschritte mehr erzielen, die Anerkennung Rumäniens »öffnete nicht das Tor zum Osten, sondern schlug es wieder zu«38. Bis zur Konstituierung der sozialliberalen Koalition unter Brandt 1969 herrschte auch im innerdeutschen Dialog quasi Funkstille. Die Maximalpositionen, die beide Länder in der Frage der Anerkennung vertraten, verhinderten praktische Schritte zur Entspannung und Normalisierung der Beziehungen: »Es war die Zeit, in der Wettbewerb in Konfrontation und Dialog im Mix aus Sprachlosigkeit und haltloser Verleumdung versanken.«39 Die DDR-Führung arbeitete unterdessen weiter an der Abgrenzung zur Bundesrepublik. Im Februar 1967 kündigte sie mit einem Gesetz zur »Staatsbürgerschaft der DDR«, die seit 1913 bestehende einheitliche deutsche Staatsbürgerschaft auf. Der VII. Parteitag der SED im April 1967 machte noch einmal öffentlich deutlich, dass eine Wiedervereinigung nicht mehr das Ziel der DDR war. Das Konzept einer Konföderation wurde nicht mehr erwähnt, es wurde ausschließlich eine Normalisierung der Beziehungen zur Bundesrepublik und die staatliche Anerkennung gefordert. Im folgenden Jahr regte Ulbricht eine neue Verfassung an, welche mit enormem propagandistischem Aufwand in der Öffentlichkeit ›diskutiert‹ wurde. Sie revidierte den gesamtdeutschen Geltungsanspruch der Verfassung von 1949 und formulierte in Artikel acht lediglich eine Art von Wiedervereinigungswunsch, der allerdings nur mit einer Übertragung des sozialistischen Systems auf ganz Deutschland einhergehen könnte. Die Volkskammer stimmte der Verfassung am 26. März 1968 zu und ließ sie am 6. April durch einen Volksentscheid bestätigen.40 Während der Ereignissen im »Prager Frühling« (Frühjahr und Sommer 1968) stand die DDR-Führung von Anfang an auf Seiten der Sowjetunion und gehörte zu den schärfsten Gegnern des tschechoslowakischen Reformkurses. Sie setzte ihre Position mit größter Härte auch in der eigenen Bevölkerung durch. In der Bundesrepublik übernahm am 28. September 1969 die Koalitionsregierung Brandt/Scheel die politische Macht. Brandts Verhand-

38 Kaiser 1997, S. 260, Hervorhebung im Original. 39 Prase 2002, S. 189. 40 Zum Verfassungstext vgl. Hildebrandt 1992, S. 235-273.

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lungsangebot an die DDR, das er im Oktober 1969 übermittelte, enthielt feste Absichtserklärungen zur ›Neuen Ostpolitik‹ sowie eine generelle Bereitschaft der Bundesrepublik zu verbindlichen Abkommen. Der Bundeskanzler signalisierte damit, dass er die Staatlichkeit der DDR nicht weiter bestritt und betonte gleichzeitig das Fortbestehen der deutschen Nation. Dem bereits sechs Jahre zuvor formulierten Konzept vom »Wandel durch Annäherung« sollten nun Taten folgen. Für die DDR bedeutete dieser Kurswechsel der bundesdeutschen Politik Chance und Gefahr zur gleichen Zeit. Dem großen Ziel der SED-Führung, die völkerrechtliche Anerkennung der DDR durchzusetzen, war die Entspannungspolitik der Bundesrepublik durchaus dienlich. Die Kehrseite der Medaille war den SED-Strategen aber auch bewusst: Die DDR war ein Kind des Kalten Krieges. Würde die Blockkonfrontation in Europa überwunden werden, konnte dies auch das Schicksal des ostdeutschen Teilstaates besiegeln. Die DDR wäre möglicherweise nicht zu halten, sollte die Sowjetunion ihr Interesse an der DDR verlieren und ihre Militärpräsenz zurückziehen (diese These fand in den Ereignissen des Jahres 1989 durchaus ihre Bestätigung). Die DDR ließ sich darum nur in kleineren Schritten auf Angebote der Bundesrepublik ein und versuchte gleichzeitig ihre Abgrenzungspolitik voranzutreiben. So polemisierte Ulbricht gegen Brandt und die »Einheit der Nation«, indem er die »soziale Frage« vor die »nationale« stellte und konstatierte, dass es zwischen den Imperialisten und dem werktätigen Volk der DDR keine nationale Einheit geben könnte. Die DDR befand sich spätestens seit 1969 auf dem »dünne[n] Eis der Entspannungspolitik«41. Im folgenden Jahrzehnt war die SED-Führung vorrangig bemüht, auf diesem in Richtung internationaler Anerkennung voranzukommen, ohne durch eine Entspannung im Inneren oder eine zu große Nähe zur Bundesrepublik darauf einzubrechen.

4.2 Nach dem Mauerbau: Korrekturen im Selbstbild des DDR-Fernsehens 4.2.1 D IE U MSETZUNG DER SED-P OLITIK IM F ERNSEHEN M AUERBAU UND BEGINNENDER E NTSPANNUNGSPOLITIK

ZWISCHEN

Im Vergleich zu den 1950er Jahren fallen im Selbstbild besonders zwei Kontinuitäten ins Auge: die Selbstwahrnehmung des Fernsehens als ›Waffe der Partei‹ im Allgemeinen und die Propagierung der Deutschlandpolitik der SED im Besonderen. Beides kann nicht überraschen, denn dass das Fernsehen den Interessen der Partei unterstellt war, blieb eine Konstante in der gesamten Entwicklung des DDR-Fernsehens. Aber entsprechend den Kurswechseln in der Außen- und Deutschlandpolitik veränderte sich die Art und Weise, wie der politische Auftrag formuliert und der ideologische Konkurrenzkampf zum Fernsehen der Bundesrepublik wahrgenommen wurde. 41 Wolle 2005, S. 151.

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Für die kontinuierliche Anleitung durch die SED und die Bereitschaft der Mitarbeiter diese umzusetzen, sorgte nicht zuletzt die Parteiorganisation des Fernsehens. Dabei blieb die ›Kampfansage‹ an den politischen ›Feind‹ im Westen ein zentraler Argumentationsstrang. Im Jahr 1960 hat die APO Programm dieses Selbstbild im Rechenschaftsbericht auf den Punkt gebracht: »Wir und unser Programm sind in den Händen unserer Partei und unseres Staates das aktuellste und schlagkräftigste Instrument in der propagandistischen und agitatorischen Arbeit. Es muss allen Genossen und Kollegen klar werden, dass wir in diesem Sinne an vorderster Front stehen, da unsere Hauptaufgabe immer und überall bei allen Sendebeiträgen darin besteht, den Gegner aufzuspüren, anzugreifen und zu schlagen. Von dieser Grundüberlegung her muss täglich unser Programm durchdacht und auch ergänzt werden.«42 Im Selbstverständnis der Akteure war durchaus verankert, dass Fernsehen in der DDR nicht zum Selbstzweck produziert wurde, sondern an erster Stelle dessen Propagandafunktion stand. Dies wurde in den Beschlüssen des Fernsehens auch thematisiert. So wurde beispielsweise für die Fernsehmacher im Jahr 1966 als vordergründige Aufgabe genannt, die Programmschiene am Abend so zu gestalten, dass die politischen Botschaften die Bevölkerung besser erreichten. Glatzer, der diese Strategie für das zweite Halbjahr 1966 präzisierte, räumte dabei sehr offen ein, was in der DDR das Qualitätskriterium des Fernsehens ausmachte: »Vor allem mit dem Abendprogramm hat der Deutsche Fernsehfunk seine ideologischen Aufgaben zu erfüllen. Von der Qualität des Abendprogramms hängt die Zahl und das Urteil seiner Zuschauer ab. Von der Qualität des Abendprogramms hängt es in erster Linie ab, ob die inhaltlichen Absichten auf ein Millionenpublikum wirken und ob Aufwand und Nutzen in einem brauchbaren Verhältnis stehen.«43 Der Staat investierte in das Medium, erwarte dafür aber einen konkreten ›Nutzen‹. Glatzer forderte demzufolge »hochwirksame […] Programmteile«, die nach dem herrschenden Verständnis von der Wirkung des Fernsehens zu veränderten Auffassungen und Handlungen beim Zuschauer führen sollten. Die militärische Assoziation der ›Waffe‹ Fernsehen rührte nach wie vor von dem ideologischen Kampf gegen den Klassengegner her, der auch in Bezug auf die westdeutschen Medien immer mitgedacht wurde. In einem Strategiepapier zur Entwicklung der Informationspolitik im DFF hieß es 1965 dazu: »Die Fernsehjournalisten stehen in der täglichen Auseinandersetzung mit dem Westfernsehen an der vordersten Front des Klassenkampfes. Ihnen ist eine der reaktionsschnellsten und taktisch beweglichsten ideologischen und politischen Waffen der Partei in die Hand gegeben.«44 Diese Argumentation deckte sich mit dem politischen Selbstbild der DDR-Medien insgesamt: Die vierte Journalistenkonferenz des ZK der SED hatte sich im Dezember 1964 das Motto

42 [Q] SED, APO – Programm 1960, S. 5. 43 [Q] Glatzer 1966, S. 8. 44 [Q] o.N. 1965a, S. 6.

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»Ideologische Waffe der Partei für Frieden und Sozialismus« gegeben, als zentrale Kategorie der Selbstbeschreibung aller ostdeutschen Medien: »Die Journalisten der DDR sind Zeugen und Mitgestalter der gewaltigsten Umwälzung in Deutschlands Geschichte. Presse, Rundfunk und Fernsehen sind die ideologische Waffe der Partei – jener Kraft, die an der Spitze dieser Umwälzung steht.«45 Wie das Fernsehen diese ›Waffe‹ zu führen hatte, bestimmten dabei die konkreten Zielvorgaben der SED. Im Laufe des Jahrzehnts ergaben sich durch die veränderten politischen Rahmenbedingungen unterschiedliche Schwerpunkte in den Zielstellungen, die das Fernsehen für sich formulierte. Diese sollen im Folgenden nachgezeichnet werden. Einen ersten entscheidenden Einschnitt stellte der Mauerbau dar. Noch im Januar 1960 hatten die Redaktionen immer wieder betont, die sogenannte Lösung der deutschen Frage wäre an Vorbedingungen geknüpft: Beide deutsche Staaten hätten zuvor Vereinbarungen über den Atomverzicht, die Militär- und Rüstungsbegrenzung zu treffen sowie die Bildung eines gesamtdeutschen Ausschusses zur Vorbereitung eines Friedensvertrages zu beschließen. Das Fernsehen verbreitete zudem die Forderungen der SED-Führung, dass die »anormale Lage in Westberlin« schnell zu beseitigen wäre und Berlin eine freie entmilitarisierte Stadt werde müsste.46 Der wichtigste Tenor im Fernsehprogramm aber waren die Lobeshymnen auf die DDR-Wirtschaft, hier sei noch einmal an Ulbrichts Losung vom ›Überholen des Westens‹ aus dem Jahr 1958 erinnert. Dies alles änderte sich nach dem 13. August 1961. Für die zweite Jahreshälfte 1961 und das Jahr 1962 lassen sich zwei neue Schwerpunkte in den politischen Vorgaben feststellen: Zum einen war dies die Forderung nach einem unterhaltenden Programm, das Ablenkung für die Zuschauer schaffte. Zum anderen sollte nun verstärkt die DDR-Nation propagiert werden. In den Tagen und Wochen nach dem Mauerbau überprüften viele Hauptabteilungen und Redaktionen die Programmpläne für das kommende Herbst- und Winterprogramm und arbeiteten ›Ergänzungen‹ ein, die der neuen politischen Situation angepasst waren. So sollte die Redaktion Landwirtschaft nun dazu beitragen »Klarheit in den Köpfen der Bauern über das Kräfteverhältnis in der Welt«47 zu schaffen, da sich dieses Verhältnis laut den DDR-Ideologen zugunsten des sozialistischen Lagers verändert hatte. Um die Wirtschaftssendungen des DDR-Fernsehens »auf die Höhe der neuen Aufgaben zu heben«, sollte die Hauptabteilung Wirtschaft propagieren, dass der »nach dem 13.8.61 erreichte politische Aufschwung […] überall in wirtschaftliche Aktivität ungewandelt werden« müsse. Die Beiträge sollten gleichzeitig helfen, »eine optimistische Stimmung zu verbreiten, Haß gegen unsere Feinde zu wecken […] und

45 Entschließung der 4. Journalistenkonferenz des ZK der SED in ZK der SED 1967, S. 276. 46 Vgl. u.a. [Q] HA Aktuelle Politik 1960b, S. 6. 47 [Q] Redaktion Landwirtschaft 1961, S. 1.

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allen Bürgern der DDR klarzumachen, daß jeder etwas tun kann und tun muß, um die DDR zu stärken«48. Der Hauptabteilung Unterhaltung fiel die Aufgabe zu, ihre politischen Inhalte kurzfristig um zwei zentrale Punkte zu erweitern: Zum einen sollte den Zuschauern vermittelt werden, »dass das Leben in unserer Deutschen Demokratischen Republik täglich schöner wird, dass sich die moralisch-politische Einheit zwischen Partei und Bevölkerung festigt und sich das kulturelle Leben entwickelt«. Zum anderen wurde »ein neues Heimatgefühl auf dem Boden der DDR«49 beschworen. Besonders deutlich nahm die Jugendredaktion auf den Mauerbau Bezug und stellte sich die Aufgabe, mit der »ideologische[n] Grenzgängerei«50 der Jugend aufzuräumen: »Die am 13. 8. 1961 erfolgte exakte und solide Durchführung der Maßnahme der Regierung unserer Republik zur Sicherung des Friedens haben neue Ausgangspunkte für die Sendungen des Jugendfernsehens geschaffen. Der Schlag vom 13. August hat auch den zurückgebliebensten Jugendlichen die Überlegenheit des Sozialismus, seine Kraft und Stärke vor Augen geführt.« Auch heikle Fragen, wie etwa: »Was verstehen wir unter Freiheit?«, »Machen wir eine Politik der Stärke?« oder »Bedeutet das, auf unsere Verwandten schießen?« wollte die Redaktion aufgreifen, um sie im Sinne der SED »viel prinzipieller, parteilicher, offener und vor allem schneller« zu beantworten: »Die Hauptaufgabe für das Jugendfernsehen besteht jetzt darin – ohne in irgendeiner Weise eng und sektiererisch zu werden – das Klassenbewusstsein unter der Jugend zu entwickeln.« Neben den ›Selbstverpflichtungen‹ der Redaktionen, ihre Inhalte der nach dem Mauerbau herrschenden Situation anzupassen, überwog die Forderung nach attraktiven Sendungen, die die Zuschauer von den Westkanälen fernhalten sollten. Besonders die westdeutsche Berichterstattung über die Folgen der Grenzziehung für die Menschen in Ost und West hielten die Medienlenker der DDR für gefährlich in Bezug auf die Moral der eigenen Bevölkerung. Im eigenen Fernsehen sollten die Argumente des bundesdeutschen Hörfunks und Fernsehens darum widerlegt und verstärkt die aktuelle Position der DDR zur Deutschen Frage in den Mittelpunkt gerückt werden. Für das Weihnachtsprogramm 1961 wurde diese Aufgabe vom Programmdirektor Walter Heynowski mit augenscheinlichem Zynismus formuliert: »Die Weihnachtstage haben beim Deutschen und seinem Gemüt eine grosse Bedeutung. Wer Weihnachten am meisten beschert, der hat die grossen Sympathien. Versuchen wir also, eine ›schöne Bescherung‹ zu arrangieren. Dazu kommt noch, dass wir dieses Jahr das Festprogramm sehr spannend und unterhaltend gestalten sollten, um der psychologischen Rühre des Gegners etwas entgegenzusetzen. (Das weinende Mütterchen kann mit Kerzen und Lametta und Ge-

48 [Q] HA Wirtschaft 1961, S. 2. 49 [Q] HA Unterhaltung 1961, S. 1. 50 Hier und im Folgenden: [Q] Jugendfernsehen 1961, S. 1.

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schenken nicht zu ihren Enkelkindern usw.).«51 Das Schicksal vieler auseinander gerissener deutscher Familien wurde von Heynowski damit nicht nur äußerst distanziert beurteilt, sondern auch auf ein Motiv versuchter westlicher Beeinflussung der DDR-Bevölkerung reduziert. Kritische Positionen oder auch nur Zwischentöne, die in Nuancen von der offiziellen Parteihaltung zum Mauerbau abwichen, wurden im Schriftgut des Fernsehens dieser Zeit nicht überliefert. Die ablehnende Haltung und die enttäuschten Hoffnungen vieler Ostdeutschen nach der endgültigen Schließung der westlichen Grenzen haben dabei sicherlich auch die Fernsehmitarbeiter geteilt. Eine schriftliche Manifestation solcher differenzierender Beurteilungen war allerdings nicht möglich. Angesichts der Repressionswelle, die bis Ende 1961 über die DDR hinwegrollte, war Kritik ein Tabu. Die hier untersuchten Planungs- und Diskussionspapiere waren ihrem Charakter nach grundsätzlich kein Ort für divergente politische Äußerungen. Trotzdem fällt für die frühen 1960er Jahre eine besondere Intensität in der Argumentation für die Partei ins Auge, Spielräume scheint es hier weniger als in anderen Phasen gegeben zu haben. Auch wenn persönliche Meinungen der Verantwortlichen unsichtbar bleiben, lohnt eine Skizzierung der für die 1960er Jahre typischen Zielformulierungen. Ein zentrales Thema, welches das Fernsehen für die SED nach dem Mauerbau vermitteln sollte, war die Eigenständigkeit und »nationale Rolle« der DDR. Was 1961 noch mit dem besonderen Heimatgefühl beschrieben wurde, war ein Jahr später schon präziser vorgegeben, wie die Programmplanung der Chefredaktion Reportagen und Dokumentationen belegt: »Ausgehend von den Erkenntnissen des Nationalen Dokuments und des 15. und 16. Plenums des ZK der SED sieht die Chefredaktion ihre Aufgaben darin, stärker als bisher die nationale Rolle der DDR in der gesamten Sendetätigkeit zu betonen. Es gilt, dem Zuschauer zu Bewußtsein zu bringen, dass nach der Abspaltung Westdeutschlands vom deutschen Nationalverband die DDR die Zukunft der gesamten deutschen Nation verkörpert.«52 Im folgenden Jahr wurden die veränderten Schwerpunkte in der SED-Politik, die sich besonders aus den Entspannungsbemühungen der sowjetischen Führung ableiteten, in die Konzeptionen des Fernsehens übernommen. Die rigide Haltung, dass ein wiedervereintes Deutschland nur hätte sozialistisch sein können und die nähere Zukunft Deutschlands allein in der friedlichen Koexistenz läge, sollte im Fernsehen beworben werden: »In einer Vielzahl von Sendungen wollen wir, ausgehend von den Feststellungen der Genossen Chruschtschow und Walter Ulbricht, nachweisen, daß hier, in der DDR, das wahre Vaterland der Deutschen ist, daß die Taten und das Selbstbestimmungsrecht des arbeitenden Volkes in der DDR die friedliche Koexistenz in Deutschland

51 [Q] Heynowski 1961, S. 1. Tatsächlich machte u.a. das »Kuratorium Unteilbares Deutschland« seit 1959 und verstärkt nach dem Bau der Mauer jährlich an Weihnachten in Plakatkampagnen auf die Situation der Teilung aufmerksam, vgl. Maibaum 1998, S. 53. 52 [Q] Chefredaktion Reportagen und Dokumentationen 1962, S. 1.

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durchsetzen werden, daß die Bonner Politik bankrott ist, daß die Vorschläge der DDR für die friedlichen Beziehungen der beiden deutschen Staaten immer mehr an Boden gewinnen und sich schließlich auch in Westdeutschland durchsetzen werden. […] Wir wollen die Gewissheit verbreiten, daß ein einheitliches Deutschland nur ein sozialistisches Deutschland sein wird und die westdeutsche Arbeiterklasse diesen Weg gehen wird, inspiriert vom Beispiel der DDR.«53 Diese Position gehörte im weiteren Verlauf der 1960er Jahre zum festen Repertoire, wenn es um die Thematisierung einer möglichen Lösung der deutschen Frage ging. Im Jahr 1967 gab die Abteilung diesbezüglich noch einmal eine klare Argumentationsstrategie vor, die von der Intendanz an alle Bereiche des DFF weitergeleitet wurde, mit der dringenden Empfehlung sie zu berücksichtigen.54 In den Argumentationshinweisen hieß es, aus heutiger Sicht sehr pathetisch: »Wenn in Westdeutschland des Volkes eigen sein wird, was des Volkes Hände schaffen, dann wird das ›deutsche Problem‹ gelöst sein. Dann wird die Straße zur Zusammenarbeit und Verbindung der beiden deutschen Staaten und ihrer Bürger endlich und endgültig frei sein.«55 Doch zurück zur ersten Hälfte der 1960er Jahre: Wie schon beschrieben, wurde der Begriff »Mauer« in der DDR-Terminologie für die Grenze durch Berlin nicht geduldet, aber auch darüber hinaus wurde die deutsch-deutsche Grenze selten konkret thematisiert. Eine Ausnahme stellte die Übertragung der teilenden Grenze auf die Unterteilung der westdeutschen Bevölkerung in angeblich progressive und rückständige Teile dar: »Wir wollen in vergleichenden und KonterSendungen den Nachweis führen, daß die Frontlinie in Deutschland nicht längs der Grenze verläuft, sondern mitten durch Westdeutschland zwischen den Werktätigen und allen Menschen guten Willens einerseits und den Imperialisten andererseits, die auf das tote Pferd des Militarismus und des Revanchismus setzen.«56 Nicht umsonst wurden hier Sendeformen betont, die vergleichend oder ›konternd‹ auf Inhalte westlicher Medien zu reagieren hatten. Nach dem Mauerbau nahm die Bedeutung der Konterpropaganda zu, schließlich sah sich die DDR mit einer kritischen Berichterstattung über das Auseinanderdriften der beiden Teile Deutschlands konfrontiert. In manchen Beschreibungen des eigenen politischen Auftrags klingt es fast, als hätte der DFF hauptsächlich als Abwehrorgan gegen westliche Propaganda bestanden: »Journalisten und Künstler im Deutschen Fernsehfunk dürfen keine Sekunde lang vergessen, daß die von ihnen gestalteten Sendungen immer Tausende Zuschauer in beiden deutschen Staaten haben. Jeder Sendebeitrag muß deshalb auch – unmittelbar oder mittelbar – bewusst als Angriff auf die antinationalen Positionen der

53 [Q] o.N. 1963a, S. 15. 54 Vgl. [Q] Kennecke an die Mitglieder der Intendanz, die Leiter selbständiger Bereiche, die Direktoren der Studios, 26.07.1967. 55 [Q] Abteilung Agitation 1967, S. 7. 56 [Q] o.N. 1963a, S. 15.

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Bonner Ultras konzipiert werden.«57 Oder wie es Norden 1965 formulierte: »Es geht darum, ihre Störmanöver gegen uns zu stören. In diesem ideologischen Kampf bin ich für Antiraketen-Raketen.«58 Um in der Konterpropaganda auf Originalbilder des bundesdeutschen Fernsehens zurückgreifen zu können, wurde Ende 1961 verfügt, dass mit sofortiger Wirkung mehr »Sendungen des westzonalen Fernsehens, die für die Konterpropaganda geeignet sind«59 abgefilmt werden sollten. Diese hatten Vorrang vor der Aufzeichnung des eigenen Programms, hier musste – wenn die Kontingente für Westaufzeichnungen benötigt wurden – sogar auf das Abfilmen von Generalproben ausgewichen werden. Angewiesen wurde der tägliche Mitschnitt der Tagesschau, der Berliner Abendschau, sowie aller Ausgaben des Wochenspiegels, des Frühschoppens und den Sendungen Unter uns gesagt sowie Diesseits und jenseits der Zonengrenzen. Bevorzugten Zugriff auf die Aufzeichnungen hatte die Gruppe Der schwarze Kanal. Neben der abgrenzenden Auseinandersetzung mit dem Westen fällt in den Jahren 1963 bis 1966 eine herausgehobene Betonung der Bindung der DDR an die Sowjetunion auf. In Vor- und Nachbereitung des zwischen beiden Ländern geschlossenen Freundschaftsvertrages dominierte in den Fernsehkonzeptionen ein Selbstbild der DDR, das seine Stärke argumentativ aus der Beziehung zum »mächtigsten Land der Welt« ableitete: »Die DDR ist stark, die rasche wirtschaftliche Entwicklung ist gesichert, weil wir mit der Sowjetunion freundschaftlich verbunden sind. Die UdSSR und die anderen sozialistischen Staaten standen und stehen als treue Freunde und Verbündete an der Seite der DDR. Deshalb ist die Politik der Militaristen und Revanchisten gegen die DDR ein dummes und gefährliches Unternehmen. Wer es wagt, die Hand zu erheben, wird vernichtet werden.«60 Auch anlässlich des »20. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus« im Jahr 1965 erhielt das Fernsehen den Auftrag, die Wehrhaftigkeit der DDR, die sich auf die sowjetische Hilfe stützte, im Programm darzustellen: »Die DDR schützt sich gegen jeden Versuch, die Atompolitik Bonns zu verwirklichen, verteidigt ihre Souveränität und ihre Staatsgrenzen und ist durch den Warschauer Vertrag mit der stärksten Weltmacht, dem sozialistischen Lager, brüderlich in Waffenbrüderschaft verbunden.«61 Im November 1965 wurde das Fernsehen erneut angehalten auch im kommenden Jahr mitzuhelfen, der sozialistischen Führungsmacht ein besseres Image in der ostdeutschen Bevölkerung zu verschaffen. Dabei musste man eingestehen, dass es unter den DDR-Bürgern durchaus noch Ressentiments gegen die ehemaligen Besatzer gab. Zweifel hegten die Menschen vor allem daran, dass die sowjetische Führung eine Wiedervereinigung Deutschlands zulassen würde. Dieses negative

57 58 59 60 61

[Q] o.N. 1964, S. 2, Hervorhebung im Original. [Q] Sektor Rundfunk/Fernsehen 1965, S. 2. [Q] Schmotz 1961, S. 1. [Q] o.N. 1963a, S. 26. [Q] Deutscher Fernsehfunk, Sendeleitung 1965a, S. 3.

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Stimmungsbild wurde, wie alle kritischen Einstellungen, von denen die Partei Kenntnis hatte, als Ergebnis einer Manipulation durch westliche Medien gedeutet, welches wiederum durch das eigene Fernsehen zu widerlegen war: »In unseren Sendungen gilt es vor allem, jene Zuschauerkreise anzusprechen, die noch nicht ihr altes Bild über die Sowjetunion geändert haben, die mit Vorurteilen reagieren, der feindlichen Hetze erliegen und deshalb auch noch nicht die Rolle des Bündnisses UdSSR – DDR für die Erhaltung des Friedens in Europa, für die Lösung der nationalen Frage in Deutschland und den Sieg im Wettstreit mit dem Kapitalismus in Deutschland begreifen.«62 Betrachtet man die Thematisierung der Deutschlandpolitik in den Intentionsbeschreibungen des DFF während der 1960er Jahren, stellt das Jahre 1965 einen zweiten Wendepunkt nach dem Mauerbau dar. Zu diesem Zeitpunkt gab es nicht nur eine quantitative Veränderung, die ›nationale Frage‹ wurde zum dominierenden Motiv in den Konzeptionen und Planungen, sondern auch eine qualitative: Selbstbewusster und vehementer als zuvor wurde der Kurs der SED vertreten, die Wiedervereinigung als Langzeitlösung zu betrachten und die Normalisierung der deutsch-deutschen Beziehungen zu fordern. Wurden »Spaltung« und »Wiedervereinigung« vorher oft umschrieben und nur selten wörtlich benannt, geschah dies nun häufiger. Der zweite Begriff durfte allerdings nur noch in der Negation verwendet werden. Dabei wurden zwei wichtige ideologische Grundsatzpositionen vertreten: Erstens, unter den derzeitigen politischen Gegebenheiten wäre die Herstellung der deutschen Einheit ausgeschlossen: »Nur die DDR hat eine nationale Konzeption, die nur das eine Ziel haben kann: Sicherung des Friedens. Eine Wiedervereinigung im Zeichen der Atompolitik findet niemals statt.«63 Zweitens, die Teilung Deutschlands, die der Westen verursacht hätte, würde nicht den Frieden in Europa bedrohen und zöge keinen Handlungsbedarf nach sich: »Die Kriegsgefahr geht nicht von der Spaltung aus. Die Spaltung ist das Werk der westdeutschen Imperialisten und REvanchisten [sic!]. Sie sind die Gefahr für den Frieden.« Für die Fernsehführung war es in den folgenden Jahren nicht immer leicht, einerseits die Langfristigkeit der deutschen Teilung zu vermitteln und anderseits die DDR weiterhin als verhandlungsbereit darzustellen. Adameck räumte 1967 vor seinen leitenden Mitarbeitern ein, dass diese Situation schwierig zu handhaben war: »Es gibt viele Unklarheiten zu der Feststellung, dass auf lange Sicht mit dem Nebeneinanderbestehen von zwei deutschen Staaten zu rechnen ist.«64 Die Abteilung Agitation hätte dem Fernsehen aber die klare Argumentationslinie vorgegeben, dass die Bundesrepublik nicht nur die Teilung Deutschlands verschuldet hätte, sondern nun auch die Verantwortung für die

62 [Q] Schmotz/Nehmzow 1965, S. 11. 63 Hier und im Folgenden: [Q] Deutscher Fernsehfunk, Sendeleitung 1965a, S. 3, Hervorhebung im Original. 64 [Q] Beckmann 1967, Anhang: Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen von der Intendanzsitzung, S. 1.

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Unumkehrbarkeit des Prozesses trage: »Die Ursache dieses langen Nebeneinander liegt in der westdeutschen Politik begründet.« Laut dieses ideologischen Standpunktes konnte die Rolle der DDR nur im Herbeiführen normaler Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten bestehen. Demzufolge nahm diese Position, hinter der das Interesse der DDR nach diplomatischer Anerkennung stand, seit 1965 einen hohen Stellenwert in den politischen Argumentationen des Fernsehens ein: »Dabei gilt es, immer wieder die Erkenntnis zu wecken und zu vertiefen, daß der Weg zur Sicherung des Friedens in Europa über die friedliche Verständigung mit der DDR und die Anerkennung ihrer Existenz und des Status quo geht; daß der Kurs der Ultras und die Hallstein-Doktrin die Bonner Clique in die Isolierung führen muß.«65 Das ostdeutsche Streben nach Anerkennung durch die Weltgemeinschaft wurde propagandistisch mit dem Kampf gegen den »Bonner Alleinvertretungsanspruch« gleichgesetzt. Die Abteilung Agitation und Propaganda forderte das Fernsehen darum 1965 auf, zur Flankierung der ersten diplomatischen Erfolge mehr internationale Berichterstattung in das Programm aufzunehmen. Zum einen sollte diese ›Weltoffenheit‹ im Fernsehen »Einfluß auf die Entwicklung des Staatsbewußtseins der Bürger der DDR«66 nehmen und »direkt und indirekt ihre Bereitschaft in Wirtschaft und Landwirtschaft, Kunst und Kultur mit größeren Leistungen für ihren Staat einzutreten« fördern. Zum anderen sollte es auch ein Signal an die Bundesrepublik sein, dass sich die DDR auf internationalem Parkett bewegte: »Sie [die internationale Berichterstattung; C. D.] hilft unseren westdeutschen Zuschauern, sich von der Illusion freizumachen, es werde den Bonner Machthabern gelingen, einen Alleinvertretungsanspruch durchzusetzen und, gestützt auf diesen Anspruch, mit den Mitteln des verdeckten Krieges die DDR zu liquidieren.« Das Fernsehen sollte seine Zuschauer davon überzeugen, dass der ostdeutsche Staat das Recht besäße, eigenständig und international zu agieren: »die DDR vertritt auch in den internationalen Beziehungen die Interessen des deutschen Volkes. Nicht die Hallstein-Doktrin, sondern die deutsche Friedensdoktrin liegt im Interesse der Nation.« Die entscheidenden Akzente im Selbstbild des Fernsehens über seine ›nationale Mission‹ setzten in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts die veränderten Positionen der Bundesrepublik zur DDR und deren Auswirkungen auf das deutsch-deutsche Verhältnis. Das Fernsehen sah sich vor die Herausforderung gestellt, mit dem eigenen Programm der bundesdeutschen Entspannungspolitik entgegenzuwirken, die als aggressive Kampagne des Westens ausgelegt wurde:67 »Auch unter Berücksichtigung der neuen Vorgänge in Bonn und der zu erwartenden Versuche im Westfernsehen, die Massen auf die ›neue‹ Politik der Monopole festzunageln, ist die politisch-ideologische Konzeption für die Sendetätigkeit des Deutschen Fernsehfunks 1967 taktisch und strategisch die

65 [Q] Schmotz/Nehmzow 1965, S. 2. 66 Hier und im Folgenden: [Q] Programm- und Sendeleitung 1965, S. 8-9. 67 Vgl. Kapitel 4.3.2.

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Grundlage für unsere Anstrengungen, der demagogischen Kampagne der Monopolbourgeoisie offensiv entgegenzutreten.«68 Im Zuge der 1966 erstmals von der SPD erwiderten Kontaktofferte der SED wurde das Fernsehen angehalten, den Zuschauern die politisch erwünschte Deutung der Ereignisse nahe zu bringen: »der Deutsche Fernsehfunk [wird] verpflichtet, mit konkreten Beiträgen wirksamer den Kampf gegen das staatsmonopolistische System in Westdeutschland zu führen und den Sinn des Briefwechsels zwischen SED und SPD herauszuarbeiten, der vor allen darin besteht, in Westdeutschland demokratische Veränderungen herbeizuführen«69. Gleichzeitig musste die Abgrenzung zur SPD forciert werden, auch indem der Partei eine Handlungsfähigkeit innerhalb der bundesdeutschen Politik abgesprochen wurde. Adameck appellierte diesbezüglich an die Intendanz des Fernsehens: »Die sozialdemokratischen Minister haben alle früheren Prinzipien preisgegeben. Sie sind bzw. werden noch völlig korrumpiert. Die eigentliche Alternative für die progressiven Kräfte Westdeutschlands ist der Sieg des Sozialismus.«70 Fortgesetzt wurde vor diesem Hintergrund das mediale Werben um eine besondere DDR-Identität, ein Bewusstsein in der Bevölkerung für die eigenständige Nationalität der DDR und eine ostdeutsche Nationalkultur. Diesen Auftrag erhielt das Fernsehen direkt von der politischen Führung des Landes: Der Beschluss des Politbüros zur Auswertung des 12. ZK-Plenums wies den DFF an, ein Programmkonzept zu erarbeiten, mit dem die viel beschworene Stärke und Überlegenheit der DDR gegenüber dem westdeutschen System propagiert werden konnte. Wichtige Stichworte, die daraufhin in den Sendekonzeptionen des DFF nicht mehr fehlen durften, waren das Staatsbewusstsein, der Stolz auf die sozialistischen Errungenschaften und die Liebe zum sozialistischen Vaterland – all dies sollte durch möglichst viele Fernsehsendungen den Zuschauern vermittelt werden.71 In den Planungen für das Jahr 1967 wurde ein Teil dieser Forderungen ungewohnt prominent als Hauptaufgabe formuliert: »Die ideologische Grundaufgabe des Deutschen Fernsehfunks besteht darin, unter Ausnutzung aller fernsehspezifischen Mittel einen wachsenden Beitrag zur Entwicklung des DDR-Bewußtseins seiner Zuschauer zu leisten.«72 Dies sollte unter anderem erreicht werden, indem die Thematisierung des ostdeutschen Alltags und die Berichterstattung über die ›nationale Politik‹ stärker verzahnt wurden. Das Ziel lautete, »die Trennung zwischen der Behandlung der DDR-Probleme und von Problemen zu überwinden, die mit der Erfüllung der nationalen Mission der DDR zusammenhängen«73. Westthemen im Programm sollten künftig stärker

68 [Q] Schmotz 1966a, S. 2, Hervorhebung im Original. 69 [Q] Glatzer 1966, S. 2. 70 [Q] Beckmann 1967, Anhang: Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen von der Intendanzsitzung, S. 1. 71 Vgl. [Q] Glatzer 1966, S. 1. 72 [Q] Kleinert 1967, S. 1. 73 Hier und im Folgenden: [Q], Schmotz/Glatzer 1966, S. 7-8

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mit einem Bezug zur DDR versehen und die Darstellung der Bundesrepublik sollte noch mehr als bisher mit der positiveren Entwicklung in der DDR verglichen werden. Dieser Auftrag erging auch an die Sendungen zur Konterpropaganda, welche nun »die richtigen Proportionen zwischen der ›Entlarvung‹ und der prinzipiellen Darstellung unserer Politik« herzustellen hatten. Für den Schwarzen Kanal wurde die Frage aufgeworfen: »Wie erreichen wir vor allem, daß unsere Konterpropaganda das sozialistische Bewußtsein des DDR-Zuschauers entwickeln hilft […]?« Hier fand eine gewisse Aufgabenverschiebung statt, das DDR-Publikum wurde von nun an als relevanteste Zielgruppe eingeschätzt. Dieser Befund deckt sich mit einer beginnenden, generellen Abwendung von den Zuschauern in der Bundesrepublik. Was für die publizistischen Sendungen das Staatsbewusstsein war, war für die künstlerischen Sendungen des DFF die »Nationalkultur«. Für den Intendanzbereich »Kunst und Kulturpolitik« lautete demzufolge 1965 nach dem VI. Parteitag der SED die entscheidende Aufgabe, »mit allen Mitteln die Entwicklung der sozialistischen Nationalkultur zu fördern«74. Die Nationalkultur wurde dabei als dem Staatsbewusstsein zugehörig definiert: »Kultur als fester Bestandteil des gesellschaftlichen Gesamtbewusstseins ist eine spezifische Form des gesellschaftlichen Bewußtseins.«75 Folglich sollten Sendeformen gefördert werden, von denen sich die politische Führung erhoffte, dass sie »bei der sozialistischen Bewußtseinsbildung eine hervorragende Rolle spielen« würden: die Gegenwartskunst, aber auch die Kulturinformation. Einen dritten und letzten Wendepunkt in den politischen Funktionsbeschreibungen des Fernsehens gab es im Jahr 1968. Nachdem die SED-Führung der DDR eine neue Verfassung gegeben hatte, verschwand der ›nationale‹ Aspekt aus den Intentionsdarstellungen. Für alle Gattungen galt in den späten 1960er Jahren stattdessen als politischer Auftrag, »die DDR allseitig zu stärken«76. Dabei sollte das Fernsehen »den ausserordentlich vielseitigen Einfluss […] nutzen, den es auf die Durchdringung aller Seiten der Lebensweise des Volkes mit sozialistischer Ideologie, sozialistischer Kultur und sozialistischer Tradition besitzt«77. Ziel war es, die DDR-Bürger zu überzeugten Sozialisten zu erziehen: »Im Mittelpunkt der Arbeit des Fernsehens steht […] die allseitige Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeit in der sozialistischen Menschengemeinschaft der DDR.« Die ›sozialistische Gemeinschaft‹ in der DDR als neue Zukunftsvision löste die Thematisierung der deutschen Frage ab. Die Begriffe »Einheit«, »Wiedervereinigung« und »nationale Mission« kamen in

74 [Q] Intendanzbereich Kunst und Kulturpolitik 1965, S. 19. 75 Hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1969a, S. I/A 28. 76 [Q] Wissenschaftliche Arbeitsgruppe 1969a, S. 1. 77 Hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1969b, S. I/A3I/A 5.

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den politischen Konzeptionen des Fernsehens nach 1967 so gut wie nicht mehr vor. Im Frühjahr 1968 wurde noch einmal betont, dass sich der Fernsehfunk für eine distanzierte Wahrnehmung der Bundesrepublik einsetzen sollte, die alle Gemeinsamkeiten zwischen beiden deutschen Ländern negierte: »Wir müssen die Sache mit dem ›deutschen Schicksal‹ erläutern und darstellen, dass es sich um zwei verschiedene Schicksale handelt – das Schicksal des deutschen Volkes einerseits und das unvermeidliche Schicksal des westdeutschen Monopolkapitals andererseits.«78 Alle Sendungen, die die Bundesrepublik behandelten, sollten künftig eine ›Außenperspektive‹ einnehmen und vermitteln, dass die Entwicklungen in beiden Teilen Deutschlands nicht miteinander verwoben wären: »Wir müssen […] in unseren Beiträgen, die sich mit der Klassenauseinandersetzung mit und in Westdeutschland beschäftigen, stets von unserem Standpunkt ausgehen: ›Unabhängig von dem, was in Westdeutschland geschieht, gehen wir in der Deutschen Demokratischen Republik unseren klaren und guten Weg weiter.‹« Mit diesen Vorgaben schien es für die Fernsehführung ab 1968 wieder einfacher geworden zu sein, die politischen Grundlinien der SED im Programm zu realisieren. Die schwierige Phase war vorüber, in der die Balance zwischen Annäherung und Abgrenzung, zwischen langfristig noch bestehender Hoffnung auf ein geeintes Deutschland und dem Forcieren der Eigenstaatlichkeit mit internationaler Anerkennung im Vordergrund gestanden hatte. Die Würfel waren gefallen – die DDR konzentrierte sich auf die eigene Entwicklung, versuchte, die Beziehungen zur Bundesrepublik zu normalisieren und wollte damit die Tür zur weltweiten Anerkennung öffnen. Adameck thematisierte die neue Sicherheit in einer Rede vor der Betriebsakademie im Juli 1968: »Es ist angenehm, heute hier über unsere Vorhaben für das kommende Jahr zu sprechen und einige Worte zur Erläuterung unserer Vorgabe für 1969 zu sprechen. Es ist leichter für uns geworden, diese nächste Phase unserer Arbeit zu überblicken. […] Wir besitzen ideologische Leitlinien für unsere Tätigkeit für eine lange Zeit hinaus. […] Unsere Planung für die vor uns liegende Programmperiode ist fundierter, unsere Aufgabe in der großen Offensive der sozialistischen Ideologie liegt uns klar vor Augen.« Für Adameck lautete die wichtigste Zielstellung: »Wir müssen die Überzeugung ausbilden und festigen, daß nur der Sozialismus die Lebensfragen der Deutschen in dieser Zeit zu lösen vermag.«79 Der Programmdirektor und Stellvertreter Adamecks, Dieter Schmotz, formulierte die Selbstverpflichtung der Fernsehverantwortlichen folgendermaßen: »Unser sozialistischer Staat, unsere Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur – auch die Massenmedien – entwickelten und entwickeln sich nach den Gesetzen des Sozialismus. Die Erfolge sind für jeden sichtbar. Das schmerzt besonders unsere Feinde. Die Nachfolger der Nazis in Bonn konnten uns schaden. Den Vormarsch haben

78 Hier und im Folgenden: [Q] Deutscher Fernsehfunk, Intendanz 1968, S. 8. 79 [Q] Betriebsakademie des Deutschen Fernsehfunks 1968, S. 1-2.

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sie nicht aufhalten können. Wir Fernsehmitarbeiter wissen das. Unser ganzes Streben und Bemühen konzentriert sich deshalb auf die Aufgabe, Partei und Regierung zu helfen, das neue sozialistische Denken, Fühlen und Handeln all unserer Zuschauer zu festigen und sie für die Lösung der großen aber schonen [sic!] Aufgaben bei der Vollendung des Sozialismus zu begeistern.«80 Mit der »Stärkung« bzw. »Vollendung« der sozialistischen Gemeinschaft war die generelle ideologische Linie für das Fernsehen vorgegeben, auf diese Formulierungen konnte es in den nächsten Jahren immer wieder zurückgreifen. Das fragilste Thema blieb aber die Auseinandersetzung des Fernsehens mit der Beziehung zwischen Bundesrepublik und DDR, oder wie es in der DDR-Terminologie hieß, die »Entwicklung des politisch-ideologischen Klassenkampfes zwischen Kapitalismus und Sozialismus«81. Hier stellte sich das Fernsehen zukünftig auf weniger geradlinige, sondern komplexere Prozesse ein: »Die vor uns stehende Entwicklungsetappe wird sowohl von einer rapiden Verschärfung als auch von grosser Kompliziertheit des ideologischen Kampfes geprägt sein.« Dies erklärt, warum die ideologischen Leitlinien in diesen Jahren von einer »Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe« vorformuliert wurden, um anschließend in die Jahrespläne und andere Konzeptionen übertragen zu werden. Dieser Gruppe gehörten u. a. Hans-Joachim Seidowsky, Gerhard Kaiser, Kurt Ottersberg und Dieter Glatzer an – alles Fernsehmitarbeiter mit einer akademischen Ausbildung an der Parteihochschule. Um die vom Fernsehen verlangten Leitlinien zu verwirklichen, verordneten sie dem DFF die konsequente Propagierung von ›Bildern‹, unterteilt in ein Gut-Böse-Schema: »das sozialistische Fernsehen [hat] als zuverlässiges Instrument der Partei der Arbeiterklasse einen wirkungsvollen Beitrag zur weiteren Ausprägung des Staatsbewusstseins, des Freundbildes, des Weltbildes und des Feindbildes und damit zur Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins zu leisten«. Dass dies vorbildlich gelungen wäre, wurde im Rückblick auf das Fernsehprogramm von 1968 sogar statistisch nachgewiesen. An 79 Abenden – von 111 geplanten und somit einer Planerfüllung von 71,15 Prozent – waren Sendungen zum »Selbstbild«, »Freundbild«, »Feindbild« oder »Weltbild« ausgestrahlt worden. Ausgewertet wurden in der statistischen Erfassung die Verteilung der einzelnen ›Bilder‹ auf die Monate des Jahres 1968 sowie die »Aufgliederung nach Stoffen und Sendungen«82. Es wurde ermittelt, dass am häufigsten Sendungen zum Selbstbild ausgestrahlt wurden, gefolgt von Weltbild und Feindbild, deutliches Schlusslicht war die Vermittlung des Freundbildes. Korrespondierend zur quantitativen Auswertung legten auch die einzelnen Abteilungen Rechenschaft über ihre Beiträge zur Propagierung von ideologisch geprägten Bildern ab. Bei der Konterpropaganda

80 [Q] Schmotz 1968, S. 12-13. 81 Hier und im Folgenden: [Q] Wissenschaftliche Arbeitsgruppe 1969b, S. 2-10, Hervorhebungen im Original. 82 Vgl. hier und im Folgenden [Q] Schmotz 1969b (fehlende Paginierung).

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dominierte entsprechend ihrem Aufgabenprofil das Feindbild: Den Redaktionen zufolge war die Polemik gegenüber der ›gegnerischen‹ Propaganda in den Kommentaren, Glossen, Kurzdokumentationen sowie im Schwarzen Kanal und der Tele-BZ83 »offensiver« und »prinzipieller« geführt worden. Gleichzeitig wären 1968 in »der Auseinandersetzung mit dem Klassenfeind« neue Aspekte des Feindbildes erschlossen worden, beispielsweise mit der Quatrologie Piloten im Pyjama der Dokumentarfilmer Heynowski und Scheumann oder dem Fernsehroman Ich – Axel Cäsar Springer. Die »Dramatische Kunst« resümierte dagegen, beiden Richtungen gerecht geworden zu sein. Das Freundbild wäre im gesamten Jahresprogramm entsprechend den Leitlinien gestaltet und das »wissenschaftlich fundierte Feindbild« noch facettenreicher vertreten worden. Als wesentlichster Befund wurde im Jahresbericht herausgestellt, dass das DFF-Programm an sozialistischem Profil gewonnen hätte. Die Thematik der sogenannten ›Vollendung der sozialistischen Gesellschaft‹ wäre »zum wichtigsten Wesenszug des Programms« geworden. Nachdem der DFF 1969 begonnen hatte, auf zwei Kanälen zu senden, konzipierte die Fernsehführung umgehend einen weiteren Ausbau des Programms bis 1980. In einem höchstvertraulichen84 Strategiepapier für das Politbüro, verfasst von der »Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe« unter Werner Fehlig, wurden die Pläne für das nächste Jahrzehnt offengelegt: Bis 1980 sollte es drei Fernsehprogramme in Farbe geben, wobei das dritte Programm als Bildungsfernsehen konzipiert war. Alle drei Programme sollten Regionalprogramme – »zur Mobilisierung der Zuschauer für räumlich begrenzte konkrete Aufgaben«85 – ausstrahlen können. Die Zuschauer sollten »vollständig« mit »qualitativ hochwertige[n] Empfanggeräten« ausgestattet sein, die auch das »Satelliten-Fernsehprogramm der sozialistischen Staatengemeinschaft« an dem die DDR beteiligt sein wollte, zeigen würden. In Vorbereitung dieser hochgesteckten Ziele sollte bis 1975 »der entscheidende Schritt für die Entwicklung des sozialistischen Fernsehens vollzogen werden«. Die nachfolgenden Jahre bescherten dem DDR-Fernsehen allerdings eine andere Entwicklung: Angepasst an die Forderungen der neuen DDR-Führung unter Honecker wurde das Unterhaltungsprofil des ostdeutschen Fernsehens verstärkt und es begann, sich Schritt für Schritt vom Selbstbild als ›sozialistisches Fernsehen‹ zu verabschieden.

83 Zur Magazinreihe Tele-BZ vgl. ausführlicher Budde 2005, S. 156-175. 84 Die Formulierung bzw. der Stempel »Vertraulich« findet sich in sehr vielen strategischen Papieren der Programmplanung. Im vorliegenden Manuskript ging die Geheimhaltung des »Vertrauliche[n] Arbeitsmaterial[s]«, soweit, dass angeordnet wurde, die Vorlage sofort nach der Beratung im Staatlichen Komitee für Fernsehen einzuziehen. Nicht einmal die Fernsehführung selbst durfte Manuskripte behalten. 85 Hier und im Folgenden: [Q] Fehlig 1969, S. 4.

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4.2.2 V OM ›O RGANISATOR DES WESTDEUTSCHEN W IDERSTANDS ‹ ZUM ›S CHAUFENSTER DER DDR‹ Welche allgemeinen Zielstellungen das Selbstbild des DDR-Fernsehens in den 1960er Jahren prägten, hat der letzte Abschnitt rekonstruiert. Dabei wurden die Zielvorgaben für das Publikum in der Bundesrepublik ausgeklammert. An dieser Stelle soll nun folgenden Fragestellungen nachgegangen werden: Welche Rolle spielte das westdeutsche Publikum für die Fernsehführung in den 1960er Jahren? Hat sich die Relevanz der Zuschauer im Westen in Folge des gewandelten Selbstbildes des DDR-Fernsehens verändert? Wenn ja, welche Folgen hatte dies für das Programm des DDR-Fernsehens? Zu Beginn der 1960er Jahre herrschte noch der Anspruch vor, der auch im vergangenen Jahrzehnt prägend gewesen war: Das Fernsehen glaubte sich in der Position, eine »Wende in der westdeutschen Politik«86 herbeiführen zu können. Selbstbewusst wurde eruiert, dass die politischen Sendungen des DDR-Fernsehens kritische Kreise in der Bundesrepublik fördern und damit politische Fakten geschaffen werden könnten. Das Fernsehen sah sich als Organisator des westdeutschen Widerstandes gegen die Politik der Bundesregierung: »In allen Schichten der westdeutschen Bevölkerung hat das Nachdenken darüber begonnen, wie Westdeutschland aus der Sackgasse herauskommen kann, in die es von Adenauer geführt wurde. Die Aufgabe [des Fernsehens; C. D.] besteht darin, die Volkskräfte in ihrem Auftreten gegen die konkreten Auswirkungen der Rüstungspolitik zu unterstützen und zugleich zu helfen, dass sie sich unter Führung der westdeutschen Arbeiterschaft im aktiven Auftreten gegen den westdeutschen Militarismus einigen und sich zur Verteidigung der demokratischen Rechte zusammenfinden.« Hierfür wurden Sendungen wie Die Drachensaat, Der Weg in den Rhein, Die bundesdeutsche Fibel und Was kostet Strauss konzipiert und zwischen Januar und März 1960 ausgestrahlt. Adameck zufolge konnte das DDR-Fernsehen in der dargestellten Art wirksam werden, da es im Westen nicht nur eine große Anhängerschaft besaß, sondern auch weil die bundesdeutsche Regierung die Rezeption des Ostfernsehens nicht verhindern konnte: »Noch werden unsere demokratischen Zeitungen, Bücher und Filme von den Bonner Polizeibütteln konfisziert. Dennoch ist die DDR jeden Tag bei Millionen westdeutscher und westberliner Familien – wo ein Fernsehapparat im Zimmer steht – ein gerngesehener Gast, der oft auch ›Freund‹ genannt wird.«87 Unter umgekehrten Vorzeichen wurde hier von Adameck die Situation beschrieben, die er ansonsten für die DDR zu beklagen wusste: Die grenzüberschreitende Rezeption des deutschen Fernsehens, die technisch und administrativ nicht zu unterbinden war. Welchen Stellenwert das Publikum im Westteil Deutschlands auch aufgrund dieser Empfangskonstellation hatte, beweist eine Selbstdarstellung der im September 1960 gegründeten Hauptabteilung Aktuelle 86 Hier und im Folgenden: [Q] HA Aktuelle Politik 1960b, S. 6-8. 87 Adameck 1960, S. 119.

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Kamera. Hier wurde zum einen auf die fast eine Million ostdeutscher Fernsehapparate verwiesen, an denen rund zwei Millionen DDR-Zuschauer das DFF-Programm verfolgen würden. Zum anderen referierte die Konzeption aber auf »Millionen Menschen in der Westzone und in Westberlin«, welche die Sendungen des DFF empfangen würden, die – hier findet sich wieder die eben beschriebene Argumentation Adamecks – »sich nicht wie Rundfunkwellen stören oder wie Zeitungen und Druckschriften verbieten lassen«.88 Die westdeutsche Zielgruppe stufte man als nahezu gleichrangig gegenüber dem ostdeutschen Publikum ein, wobei sogar davon ausgegangen wurde, dass im Westen insgesamt mehr Zuschauer als in der DDR erreicht würden.89 Die Westarbeit der SED war auf die grenzüberschreitende Wirkung, die man dem Fernsehen zuschrieb, angewiesen, da Printmedien und politische Broschüren aus der DDR tatsächlich schwer in die Bundesrepublik zu bringen waren. Im Februar 1961 wurde diesbezüglich die Bedeutung des Fernsehens für die Propagierung des ostdeutschen Staates in der Bundesrepublik noch einmal betont: »Der Deutsche Fernsehfunk ist zur ›größten Tageszeitung der DDR‹ geworden. Für viele Bürger Westdeutschlands und Westberlins wird der Deutsche Fernsehfunk nach den Schröderschen Grenzsperrmaßnahmen90 zum wichtigsten Informationsmittel über die DDR.«91 Nach dem 13. August 1961 traf diese Einschätzung der Mitarbeiter der Hauptabteilung Politik mehr denn je zu: Einerseits gab es – zumindest für alle West-Berliner – kaum mehr eine Möglichkeit, das propagandistisch aufbereitete Bild der DDR, welches vom ostdeutschen Fernsehen verbreitet wurde, mit den realen Lebensbedingungen im

88 [Q] Aktuelle Kamera 1960, S. 1. 89 Adameck ging in der Prognose für das laufende Jahr 1960 von über 3,3 Millionen Ostzuschauern und bis zu 5,25 Millionen Westzuschauern aus. Zwei Jahre später hatte er die Zahlen schon deutlich nach unten korrigiert: Er berichtete in der Zeitschrift Einheit, dass der DFF 1962 die Zuschauerzahl von zwei Millionen DDR-Bürgern erreichen würde. Dem ständen drei Millionen westdeutsche und westberliner Rezipienten gegenüber. Stolz zitierte er die britische Tageszeitung The Guardian vom 24. Juni 1960, die vermutete, dass »das ostdeutsche Fernsehprogramm das einzige der Welt ist, das außerhalb des Landes von mehr Menschen gesehen wird, als innerhalb«, vgl. Adameck 1960, S. 119-121 und Adameck 1962, S. 84. 90 Die dem Bundesinnenminister Gerhard Schröder zugeschriebenen »Grenzsperrmaßnahmen« gingen auf die DDR selbst zurück: Am 29.08.1960 erließ das DDR-Innenministerium eine »Anordnung über das Betreten der Hauptstadt der DDR Berlin durch Bürger der deutschen Bundesrepublik«, die Besuchern aus dem Westteil der Stadt die Einreise nur noch mit einer gültiger Aufenthaltgenehmigung erlaubte. Zehn Tage später wurde die Genehmigungspflicht für Bundesbürger, die Ostberlin besuchen wollten, auf unbefristete Zeit ausgedehnt. Die Bundesrepublik kündigte daraufhin am 30. September 1960 kurzfristig das Interzonenabkommen. Es trat allerdings auf Beschluss vom 29. Dezember ab 1. Januar 1961 wieder in Kraft. 91 [Q] HA Politik 1961, S. 1.

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Land abzugleichen. Andererseits verschlechterten sich zugleich auch die Gestaltungsmöglichkeiten der SED-Westarbeit, denn die nun geschlossene Grenze behinderte auch die Reisekader und erschwerte die Einfuhr von ostdeutschen Propagandamaterialien noch zusätzlich. Unter diesen Vorzeichen, besonders durch die Einschränkung alternativer Agitationsmöglichkeiten der DDR gegenüber den Bundesbürgern, wäre zu erwarten gewesen, dass die SED den Ausbau der ›Westarbeit‹ des Fernsehens anordnete. Dass dies nicht geschah, sondern im Gegenteil die Westpropaganda Schritt für Schritt zurückgefahren wurde, trug den sich veränderten Deutschlandkonzepten der ostdeutschen Parteiführung Rechnung. Ab 1965 versuchte sich der DFF in einer Art Doppelstrategie: Auf der einen Seite wurde der Anspruch aufrechterhalten, ein gesamtdeutsches Programm zu senden und das Westpublikum weiterhin als Zielgruppe benannt. Auf der anderen Seite wurden spezifische Sendungen, die hauptsächlich für das westliche Publikum konzipiert waren, aus dem Programm genommen. Gleichzeitig negierte das Fernsehen nun den politischen Auftrag von der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik. Direkt nach dem Mauerbau sollten die Sendungen des DFF die ideologischen Interpretationen der neu geschaffenen Verhältnisse noch in beiden Teilen Deutschlands verbreiten, allerdings war das Westpublikum dabei schon deutlich in die zweite Reihe gerückt. Für die Hauptabteilung Wirtschaft lautete die Devise Anfang September 1961: »Alle unsere Sendungen müssen einmal den Zuschauern in der Republik klar die Perspektive aufzeigen, sie zu neuen Produktionstaten anregen, wie auch noch vorhandene Fehler und Mängel beseitigen helfen. Zum anderen aber müssen sie den Gegner treffen, seine Machenschaften entlarven und damit auch dem westdeutschen Zuschauer zeigen, daß wir am längeren ökonomischen Hebel sitzen, daß die Zukunft auf Seiten des Sozialismus liegt und die DDR das wahre Vaterland der Deutschen ist.«92 In vielen anderen gleichartigen Konzeptionen dieser Monate nach dem Mauerbau wurden die Westzuschauer nicht mehr separat thematisiert. Knapp zwei Jahre später stellte der DFF noch einmal weiter reichende Überlegungen »Zur Wirkung des DFF-Programms auf die westdeutsche und westberliner Öffentlichkeit« an, die bereits eine veränderte Wirkungsabsicht deutlich werden ließen: Nicht mehr die Anleitung zum organisierten Widerstand gegen die in der Bundesrepublik herrschenden Verhältnisse stand im Mittelpunkt, sondern die Information über die DDR und das Werben für die sozialistische Staatengemeinschaft: »Der Deutsche Fernsehfunk ist mit seinem Programm das Fenster, durch das Millionen Menschen in Westdeutschland und Westberlin in das sozialistische Deutschland und darüber hinaus in die gesamte sozialistische Welt blicken. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen in Westdeutschland und Westberlin bietet der Deutsche Fernsehfunk die

92 [Q] HA Wirtschaft 1961, S. 1.

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wirksamste Möglichkeit, ein objektives Bild vom Leben in den sozialistischen Ländern zu vermitteln.«93 In der Konzeption wurden die Sendungen aufgelistet, »die in exponierter Weise dazu angetan sind, die Wahrheit nach Westdeutschland und Westberlin zu tragen«. An erster Stelle stand dabei die Aktuelle Kamera mit der Sendereihe Im Blickpunkt: »Diese Sendung ist besonders wichtig, weil sie sofort zu aktuellen politischen Ereignissen unseren Standpunkt vermittelt. Weitere Sendungen [der Aktuellen Kamera; C. D.] wenden sich unmittelbar an bestimmte Bevölkerungsschichten in Westdeutschland und Westberlin und tragen besonderen, zweckbestimmten Erfordernissen der Agitation Rechnung.« Neben den tagesaktuellen Sendungen sollte vor allem das Flaggschiff der Konterpropaganda beim Westpublikum punkten, welches man gut platziert dachte: »Im Abendprogramm des Montags – im Anschluß an geschätzte Reprisenfilme – entlarvt der Fernsehkommentator von Schnitzler die verlogenen Sendungen des westdeutschen Fernsehens, allgemein bekannt unter dem Begriff ›Der schwarze Kanal‹.« Auffällig ist eine Einschränkung, die bei der Beschreibung der Sendung gemacht wurde: »Ausgangspunkt dieser Betrachtungen ist vor allem die Politik der DDR!« Nicht die ›Probleme‹ in der Bundesrepublik sollten die Konzeption der Sendung bestimmen und Anlass für die aufzugreifenden Themen sein, sondern allein die Positionen der ostdeutschen Politik. Das zu vermittelnde Selbstbild der DDR, in Abgrenzung zum ›anderen‹, negativ zu bewertenden, Deutschland, hatte Vorrang vor der bloßen Vermittlung des ›Feindbildes Bundesrepublik‹ bekommen. Weitere Sendungen die benannt wurden, waren das Telestudio West und die Tele-BZ, letztere wandte sich vor allem an ein Publikum in Westberlin. Die Schaufensterfunktion gegenüber dem bundesdeutschen Publikum wurde auch in den folgenden Jahren als Bestandteil des politischen Auftrages formuliert, allerdings nicht mehr mit der gleichen herausgehobenen Stellung in der SED-Propaganda wie zuvor. 1968 hieß es: »Als ein ›Schaufenster nach dem Westen‹ erfüllt unser Programm […] eine wichtige internationale politische Aufgabe.«94 Als Begründung für diesen Programmauftrag wurden selbstbewusst »500.000 westberliner und 4,5 Millionen westdeutscher Fernsehfamilien« angeführt: »Sie interessieren natürlich Sendungen, in denen das Rätsel für viele westdeutsche Bürger enthüllt wird, wie bei uns in der DDR ohne Monopole, ohne kapitalistische Klassenherrschaft und Kettung an die USA dieArbeiter [sic!] undBauern [sic!] unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ein neues Leben, der Wohlstand für die Werktätigen aufgebaut wird.« Gerade in offiziellen Dokumenten des Fernsehfunks, die auch eine gewisse ›Außenwirkung‹ hatten, wurde bis 1968 am gesamtdeutschen Profil des Fernsehens festgehalten. Sowohl die übergeordneten Planungen für das Fernsehjahr 1968 als auch die Kooperationsfestlegungen

93 Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1963c, S. 1-3, Hervorhebung im Original; vgl. auch die ähnlich lautende Aussage in Adameck 1962, S. 84. 94 Hier und im Folgenden: [Q] Schmotz 1968, S. 9.

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zwischen der Deutschen Post und dem Deutschen Fernsehfunk aus dem Jahr 1968 benannten die westdeutschen Zuschauer noch mit großer Selbstverständlichkeit als Zielgruppe des DFF.95 Spätestens ab 1965 wurde aber in internen Papieren deutlich, dass sich der politische Auftrag gegenüber dem bundesdeutschen Publikum verändert hatte. Dies schlug sich im Programm nieder: In der ersten Jahreshälfte wurden alle Sendungen, die sich ausschließlich an westdeutsche Zuschauer wandten, aus dem Programm genommen. Prominentestes Beispiel ist das Telestudio West, welches am 19. Februar 1965 nach fast 300 Folgen abgesetzt wurde. Seine Nachfolge trat das Magazin Objektiv an, das außenpolitische Themen nun vorwiegend für ein DDR-Publikum aufbereitete. Die einzige Ausnahme bildete die Sendung Von und mit der KPD, die weiterhin ausgestrahlt wurde.96 Die Sendung Tele-BZ wurde zwar beibehalten, aber ihre Ausrichtung bezog jetzt auch die DDR-Zuschauer mit ein: Die »Beiträge der Tele-BZ fügten sich harmonisch in die Gesamtkonzeption ein. Vorwiegend widmete sich die Sendereihe den Passierscheinvereinbarungen und trug dazu bei, die Störmanöver der Ultras bloßzustellen. Das ist umso höher zu bewerten, da es der Redaktion auch gelang, die notwendigen Probleme für die DDR-Bürger verständlich zu machen.«97 Neu war ab 1965 eine viel skeptischere Einschätzung der Wirkungsmöglichkeiten des Fernsehens über die innerdeutsche Grenze hinweg. Adameck trug diese Zweifel an seine engsten Mitarbeiter weiter, nachdem er über die Sitzung des Politbüros vom 16. November 1965 und eine »Beratung« Ulbrichts mit Schriftstellern informiert worden war – kurz vor dem 11. Plenum des ZK der SED.98 Angeregt durch Ulbrichts Standpunkt verkündet er über die »Arbeit nach Westdeutschland«: »1. Unsere Argumentation muß so sein, daß die Feststellung ›Der Sozialismus siegt!‹ auch von Westdeutschen gedacht und gefühlt wird. 2. Die westdeutschen Menschen denken anders, da sie aus einer anderen Welt kommen. Sind nicht in der Lage, das aus eigener Kraft abzustreifen. 3. Nicht verkennen: Sie kommen aus einer alten Welt.«99 Damit räumte er ein, dass es für das Fernsehen keine einfache Aufgabe war, die ostdeutsche Ideologie und die Leitbilder des Sozialismus an die bundesdeutschen Zuschauer zu vermitteln. Trotzdem handelte das Fernsehen nach der Devise, dass es zumindest gelingen müsste, die

95 Vgl. Dittmar 2002, S. 108-109. 96 [Q] Deutscher Fernsehfunk, Sendeleitung 1965b, S. 6. Arnold weist für den gleichen Zeitraum eine Umstrukturierung im Programm des Deutschlandsenders nach, bei der die Berichterstattung über die Bundesrepublik zurückging. Obwohl nach wie vor die Bundesrepublik als Zielgebiet nicht aufgegeben wurde, sendete der Deutschlandsender nun ebenfalls verstärkt für das eigene Land, vgl. Arnold 2002, S. 477, S. 501-502. 97 [Q] Deutscher Fernsehfunk, Sendeleitung 1965b, S. 6. 98 Vgl. zur Kritik der SED-Führung am Fernsehen während des 11. Plenums und ausführlicher zu dieser Quelle Kapitel 4.2.5. 99 [Q] o.N. 1965c, S. 1, handschriftlich korrigiert.

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Westdeutschen über die DDR zu informieren und positive Einstellungen gegenüber dem sozialistischen Gesellschaftssystem zu wecken. Wie viel distanzierter die Einflussmöglichkeiten des DDR-Fernsehens auf das westdeutsche Publikum innerhalb weniger Jahre wahrgenommen wurden, zeigt ein Vergleich der Programmkonzeptionen für die Bundestagswahlen 1961 und 1965. Kurz vor dem Mauerbau wurden noch selbstsicher Sendungen geplant, die geeignet wären, »die fortschrittlichen Kräfte in Westdeutschland bei den diesjährigen Bundestagswahlen zu unterstützen und die Machenschaften der Bonner Militaristen und Revanchisten zu entlarven«100. Die Hauptabteilung Politik strahlte im Sommer 1961 neben den periodischen Sendungen zahlreiche separate Beiträge aus. Beispielsweise sollte die Dokumentation Was ist ein Menschenleben wert? die angeblich »menschenfeindliche Politik« der Adenauer-Regierung aufdecken. Darüber hinaus wurde die »Gruppe Klein«101 beauftragt, eine Art medialen Gegenpart zur sogenannten »Adenauer-Propaganda während der Bundestagswahlen« zu bilden und mit eigenen Sendungen den Wahlkampf der CDU/CSU zu stören. Sie hatte dabei zum einen die »Gefahren« darzustellen, die sich aus Sicht der SED durch die »aggressiven Politik der Adenauer-Regierung« für die bundesdeutsche Bevölkerung ergäben. Zum anderen sollten sich die Sendungen der »Gruppe Klein« vor allem »mit der sozialen Demagogie« der westlichen Regierung auseinandersetzen. Zwar waren die Beiträge anlässlich dieses Wahlkampfs und der folgenden Wahlberichterstattung schon nicht mehr mit der gleichen Intensität wie 1957 geplant und ausgestrahlt worden, aber sie wurden grundsätzlich nicht hinterfragt, sondern mit einer gewissen Tradition fortgesetzt. Im Jahr 1965 änderte sich dies allerdings grundlegend: In einem ausführlichen Diskussionspapier erörterte die Hauptabteilung Politik die »Tätigkeit des Deutschen Fernsehfunks während der Vorbereitung der Bundestagswahlen« und legte dabei eine sehr skeptische Einschätzung vor.102 Die Rezeptionsbedingungen für das DDR-Fernsehen in der Bundesrepublik wurden jetzt kritischer – und damit realistischer – als jemals zuvor beurteilt. Die Zahl der Fernsehgeräte in den Gebieten, die der DFF im Westen erreichen konnte, hätte sich dementsprechend zwar erhöht, aber der »Anreiz« das ostdeutsche Programm einzuschalten, wäre schon deswegen geringer geworden, weil die meisten Zuschauer vier Fernsehprogramme zur Auswahl hätten. Die Möglichkeiten, mit den eigenen politischen Sendungen konkrete Wirkungen zu erzielen, wurden erstmals als sehr gering eingeschätzt. Begründet wurde dies mit der angeblichen Übermacht der politischen

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Hier und im Folgenden: [Q] Deutscher Fernsehfunk, Intendanz 1961, S. 1-3. Benannt nach ihrem Leiter Günter Klein. Dieser leitete 1961/62 als Stellvertreter Glatzers die Hauptabteilung Aktuelle Politik und führte als sogenannter »Leiter des Fernseh-Programms« den Vorsitz in der »Gruppe Klein«, aus der später die Chefredaktion Reportagen und Dokumentationen hervorging. Vgl. Steinmetz/Viehoff 2008, S. 185. Vgl. hier und im Folgenden [Q] HA Politik 1965, S. 1-2.

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Berichterstattung im westlichen Fernsehen. ARD und Dritte Programme hätten demnach die Zahl politischer Sendungen ständig erhöht. In der Interpretation der politischen Redakteure des DDR-Fernsehens konnte dies nur als verheerender Feldzug der bundesdeutschen Imperialisten und Faschisten ausgelegt werden: »Wir stehen also vor dem groß angelegten Versuch der Bonner Rüstungsmillionäre und ihrer Handlanger, das wachsende politische Interesse der westdeutschen Bevölkerung für die Gewinnung eben dieser Bevölkerung als willenlose Werkzeuge ihrer Politik mit den Mitteln übler chauvinistischer Demagogie, mit dem Appell an niedrigste Instinkte zu missbrauchen. Hier wiederholt sich, wie Genosse Walter Ulbricht es auf dem 9. Plenum sagte, die Politik und die Praxis des 3. Reiches ohne eine Hitlerpartei und mit veränderten Methoden fortzusetzen.« Um diese Kampagne der westlichen Medien ›übertönen‹ zu können, wären laut der Hauptabteilung Politik große Anstrengungen des DFF nötig gewesen, die aber nicht zu realisieren waren – aus Gründen, die nicht näher benannt, aber als hinreichend bekannt vorausgesetzt wurden. Deswegen plante die Abteilung ein ›Minimalprogramm‹: »Wenn wir angesichts dieser vom Gegner in Gang gebrachten chauvinistischen Offensive unsere Politik des Friedens nach Westdeutschland tragen wollen, müssten wir eigentlich sowohl die Zahl wie auch die Qualität unserer Sendungen bedeutend steigern. Eine deutlich spürbare Steigerung der Zahl unserer politischen Sendungen scheitert gewiß an einer Reihe von Hemmnissen, die wohl bekannt sind. Es bleibt uns nur der Versuch, mit einer gründlicheren und tieferen Argumentation an die Westdeutschen heranzukommen.« Aber selbst dieses Minimalziel wurde noch eingeschränkt durch einen Verweis auf die fehlenden Fähigkeiten der Bundesdeutschen, die ostdeutschen Argumentationen überhaupt verstehen und intellektuell verarbeiten zu können: »Dabei muß man allerdings den Hinweis des Genossen Norden auf der 20-Jahr-Feier des Rundfunks beachten, daß der westdeutsche Zuschauer, von Springers ›Bild‹, vom westdeutschen Fernsehen und Radio bewusst verdummt, ein im Vergleich zum Zuschauer in der DDR sehr niedriges allgemeines Bildungsniveau besitzt.« Diese kritische Einschätzung wurde als Argument für ein abgespecktes Aufgabenprofil bei der propagandistischen Flankierung der Bundestagswahlen benutzt. Dabei wurde eingeräumt, dass man weit hinter Erwartungen zurückbleiben müsste, die von einer Wirkung des DFF auf das Wahlergebnis ausgingen: »Hauptaufgabe des Deutschen Fernsehfunks müßte es sein, die Deutsche Friedensdoktrin so offensiv nach Westdeutschland zu tragen, daß zumindest in einem Teil Westdeutschlands die Mehrheit der Wähler sich für alle Kandidaten entscheidet, die aktiv gegen die atomare Aufrüstung Westdeutschlands in irgendeiner Form, gegen die Macht der Rüstungsmillionäre und gegen ihre Notstandsgesetze auftreten. Da wir dieses Ziel wohl kaum in den noch verbleibenden fünf Monaten erreichen werden, scheint es unsere reale Aufgabe zu sein, die Westdeutschen in unserem Einflussgebiet ein Stück vorwärts zu bringen auf dem Weg des Kampfes für ihre Befreiung von der Macht der Rüstungsmillionäre und Atomstrategen.«

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Diese Position wurde in den folgenden Jahren beibehalten. Im April 1967 hob Adameck noch einmal deutlich hervor, dass sich die DDR, und damit auch ihre Medien, nicht die Aufgabe stellte, die bundesdeutsche Gesellschaftsordnung zu verändern. Dies überließen sie dem erhofften Lauf der Entwicklung des weltweiten Sozialismus – und den Westdeutschen: »Wir sind dem westdeutschen Imperialismus eine ganze historische Etappe voraus. Auch in Westdeutschland wird eines Tages der Imperialismus überwunden. Aber das ist Sache der Westdeutschen und der Westberliner. […] Es ist auch Sache der Westdeutschen, sich mit der Schützenhilfe der Sozialdemokraten für Kiesinger und Strauß auseinanderzusetzen.«103 Eine logische Folge dieser veränderten Position war, dass für den folgenden Bundestagswahlkampf im Jahr 1969 keine gesonderten Programmkonzepte des DFF mehr existierten. Lediglich die Begleitung des Wahlkampfs im westlichen Hörfunk und Fernsehen wurde innerhalb der allgemeinen Analysen zur Sendetätigkeit der ›gegnerischen Medien‹ ausgewertet. Bundesdeutsche Wahlen waren aber zukünftig für den DFF kein Anlass mehr, ein gezieltes Sonderprogramm für das westliche Publikum auszustrahlen. Die Berichterstattung über Wahlkampf und Wahlergebnisse in der Bundesrepublik war in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre vorrangig als Negativpropaganda für die eigene Bevölkerung konzipiert. Anlässlich der ostdeutschen Volkskammer- und Bezirkstagswahlen 1967 setzte man sogar auf einen Vergleich der beiden deutschen Wahlsysteme, um die DDR-Bürger von den Vorteilen der ostdeutschen Einheitslistenregelung zu überzeugen. Die Dokumentation Wahlen hüben und drüben sollte »die Überlegenheit der sozialistischen Demokratie und unseres demokratischen Wahlsystems gegenüber dem Wahlbetrug in Westdeutschland zeigen«104. In späteren Jahren verzichtete man allerdings auf derartige Gegenüberstellungen und es steht zu vermuten, dass die Verantwortlichen die kritische Haltung der DDR-Bevölkerung gegenüber den ostdeutschen Wahlmöglichkeiten und den immergleichen Wahlergebnissen nicht weiter anfachen wollten. Es bleibt zusammenfassend festzuhalten, dass sich das Fernsehen während des hier untersuchten Jahrzehnts zwar noch nicht von den Westzuschauern verabschiedet hatte, es aber aufhörte, in sie zu investieren. Weder im Programm noch in den ideologischen Zielsetzungen wurden ihnen eigene ›Nischen‹ eingeräumt. Die DDR-Zuschauer waren in den Mittelpunkt der Bemühungen des Fernsehens gerückt, ein Prozess, der sich nach dem VIII. Parteitag der SED 1971 noch intensiver fortsetzte.

103

104

[Q] Adameck 1967, S. 4. Auch der Deutschlandsender propagierte 1967 den von der SED initiierten Kurswechsel in der Deutschlandpolitik. Die staatliche Anerkennung der DDR und die Instrumentalisierung linker Gruppierungen in der Bundesrepublik für dieses Vorhaben prägten von da an die politische Zielvorgabe des Senders, vgl. Arnold 2002, S. 551. [Q] o.N. 1967c, S. 7.

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4.2.3 Z WISCHEN A KTIONISMUS UND A KZEPTANZ . D AS A GIEREN IN DER K ONKURRENZ ZUM W ESTFERNSEHEN Auch in diesem Jahrzehnt wurde die Position im gefühlten ideologischen Konkurrenzkampf mit dem Westfernsehen als ein wesentlicher Faktor im Selbstbild des Fernsehens kontinuierlich hinterfragt. Es wurde weiterhin die Vorstellung vertreten, dass die Fernsehprogramme beider deutschen Länder über die Grenze hinweg den Wettstreit der gegensätzlichen Ideologien austragen würden: »In Deutschland wird der ideologische Kampf der beiden Weltsysteme immer mehr mit Hilfe des Fernsehens geführt. Das sozialistische Fernsehen der DDR und das kapitalistische Fernsehen Westdeutschlands stehen sich täglich in über 12 Programmstunden gegenüber.«105 Das Selbstbild in dieser Konkurrenz wurde dabei im Wesentlichen von zwei Determinanten bestimmt: Dem Konzept, das bessere Weltbild zu vertreten und der Einschätzung, einem technisch überlegenen ›Gegner‹ gegenüberzustehen. Wie schon in den Anfangsjahren des DFF versuchte die Fernsehführung auch in der Phase des verstärkten Programmausbaus, die Sowjetunion zu bewegen, in den ›Medienkrieg‹ über die deutsch-deutsche Grenze hinweg zu investieren: »In diesem Fernsehkampf sind die Ideen der Programme und ihre hervorragende Verwirklichung durch die persönliche Einsatzbereitschaft eines jeden Fernsehmitarbeiters entscheidend. In dieser ideologischen, fachlichen und moralischen Seite ist das DDR-Fernsehen überlegen, aber noch ist der Gegner auf einem weiteren entscheidenden Gebiet besser: der technischen Ausrüstung. Wir bitten die Sowjetunion, uns einige technische ›Fernsehwaffen‹, die dem Weltstand entsprechen, zur Verfügung zu stellen.« Der DFF erbat sich vor allem Anlagen zur magnetischen Aufzeichnung und Wiedergabe von Fernsehsendungen, größere Mengen Magnetband und Kameratechnik. Diese Wünsche leitete Adameck an die zuständigen Politbüromitglieder, wie Albert Norden als dem Vorsitzenden der Agitationskommission, weiter und bekam aber zumeist – wie auch in diesem Fall – eine abschlägige Antwort.106 Dass es in diesem ›Fernsehkampf‹ vor allem um Zuschauer ging, wurde oft nur sehr verklausuliert in den Zielstellungen einzelner Bereiche formuliert. Der anstehende 20. Jahrestag der DDR führte dazu, dass dem Fernsehjahr 1969 und dem Festprogramm auch dahingehend besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde. Der Leiter der Hauptabteilung Unterhaltung, Günter Herlt, räumte in Vorbereitung des ›Republikgeburtstages‹ »eine besonders hohe Verantwortung« aller »an der Befriedigung des Unterhaltungsbedürfnisses beteiligten Programmbereiche« ein, »durch massenwirksame, optimistische, gehaltvolle Sendungen dazu beizutragen, daß das Jubiläum unserer Staatsgründung ein schwungvoller, begeisternder Höhepunkt im Leben unserer Gesellschaft wird«.107 Dabei müsse vor allem der ›Einfluss‹ des Westfernsehens be105 106 107

Hier und im Folgenden: [Q] Gecht 1963, S. 1. Vgl. [Q] Büro Norden an Adameck, 20.02.1963. Hier und im Folgenden: [Q] Herlt 1968, S. 1-2.

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grenzt werden: »Gerade in dieser Etappe unserer Arbeit wird die fachliche Meisterschaft eine politische Kennziffer, weil wir durch mitreißende Programme sozialistischer Prägung dem Feind bei seiner zu erwartenden verstärkten Hetzkampagne den Boden im Wirkungsbereich unserer Sender entziehen müssen.« Der Unterhaltungsbereich des DFF stellte sich darum für 1969 als erste und wichtigste von zehn Hauptaufgaben: »Ideenreiches, ständiges Ringen mit jeder Sendung um die Gewinnung der Zuschauermehrheit für unser Gesamtprogramm«. Eine echte Mehrheit konnte man aber nur erreichen, wenn man ein wenigstens adäquates, wenn nicht besseres Programm als der Westen ausstrahlte. Diese Auffassung teilten auch die ostdeutschen Parteifunktionäre und übertrugen den übergreifenden Konkurrenzkampf zwischen der DDR und der Bundesrepublik auf die Gestaltung ihrer Medienangebote. Dabei musste Norden 1960 gestehen, dass der Westen hier Maßstäbe setzte, die die DDR-Journalisten nicht ignorieren konnten. Mit seiner Argumentation bot er allerdings eine fast absurde Begründung für die fehlende Attraktivität der ostdeutschen Medien, besonders der DDR-Presse: den Journalisten, der sich mit allen Mitteln von den westdeutschen Kollegen abheben will, sei es mit bewusst schlechten Artikeln: »Weil der Journalist des Kapitalismus, um seine Ware zu verkaufen, sie sehr oft mit Glanz feilbietet, meinen manche sozialistischen Journalisten, ihre Artikel müßten glanzlos sein. Da jener geistreich-spritzig schreibt, fühlen sie sich zur Langweiligkeit verpflichtet. Sie sind auf dem Holzweg. Nicht nur im Inhalt, sondern auch in der interessanten Darbietung muß der sozialistische Journalismus den kapitalistischen schlagen.«108 Augenfällig ist: Wenn diese Konkurrenz des Fernsehens in den 1960er Jahren thematisiert wurde, ging es zunehmend um die eigenen Zuschauer, das westliche Publikum fiel deutlich dahinter zurück. Dem entsprach auch, dass die Diskussionen über die Rezeption des bundesdeutschen Fernsehens in der DDR an Schärfe zunahmen, schließlich war die ostdeutsche Zielgruppe jetzt wichtiger als je zuvor. Unübertroffen kritisch wurde das Verfolgen westlicher Programme 1961 während der Aktion »Blitz – kontra NATO-Sender« eingeschätzt, wobei diese Ereignisse klar zeitlich begrenzt blieben und auch als solche singulären Vorkommnisse bewertet werden müssen. Nicht zufällig kletterten die FDJ-Trupps wenige Wochen nach dem 13. August 1961 auf die Dächer und verdrehten die in Richtung Westen eingestellten Fernsehantennen oder sägten sie ganz ab: Die politisch konformen Jugendlichen sollten helfen, die DDR-Zuschauer von der Rezeption der aktuellen Informationssendungen des Westens abzuhalten. Der Versuch, die Bevölkerung in dieser Beziehung einzuschüchtern, war Bestandteil der inneren Mobilmachung und der Repressalien gegenüber allen kritischen Stimmen nach dem Mauerbau. Die durch die Grenzschließung geschockten DDR-Bürger waren für die politische Führung unberechenbar, weswegen vor den Kommunalwahlen am 17. September eine ungewohnte Nervosität herrschte.

108

Norden 1960, S. 19.

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In dieser Atmosphäre mussten sich die FDJ-Mitglieder in der ersten Septemberhälfte 1961 allerorts öffentlich verpflichten, keine westlichen Hörfunk- oder Fernsehprogramme einzuschalten. Sie folgten damit einer Vorgabe des ZK-Sekretariats, das am 6. September folgende Direktive veröffentlichte: »Es ist nachzuweisen, daß jedes Abhören feindlicher Sendungen dem Feind Vorschub leistet und den Schutz der Heimat erschwert. Im Zuge der Auseinandersetzung ist anzustreben, daß die Besitzer von Fernsehgeräten freiwillig den Kanal für Westfernsehen ausbauen lassen. […] Ab sofort ist das organisierte Westfernsehen und die Verbreitung westlicher Nachrichten strafrechtlich zu verfolgen.«109 Die FDJler warteten derart angestachelt nicht auf ›freiwillige‹ Maßnahmen der Bevölkerung, sondern stiegen zwischen dem 5. und 9. September den sogenannten »Ochsenköpfen« – also den Zuhörern und -schauern, der vom Ochsenkopf im Fichtelgebirge abgestrahlten westlichen Programme – aufs Dach. Ein längerfristiger Erfolg war dieser isolierten, den spezifischen Umständen direkt nach dem Mauerbau geschuldeten Kampagne nicht beschieden. Schon während der Aktion gab es Zweifel und kritische Stimmen, auch von Seiten der beteiligten FDJ. Als die Führung der Jugendorganisation am 18. September zum Rapport im Politbüro antreten musste, war die Stimmung dort angesichts der mit 99,96 Prozent gewonnenen Wahl wesentlich gelöster und die Parteiführung forderte die FDJ nicht zu einer Weiterführung oder gar Ausweitung der Aktion auf.110 Der private Empfang der westlicher Hörfunk- oder Fernsehprogramme wurde in den nächsten Jahren insofern geduldet, als dass es keine Sanktionierungsmaßnahmen im großen Stil gab. Nach wie vor war es allerdings ratsam, das Gehörte und Gesehene nicht in die Öffentlichkeit zu tragen, denn das wurde in den 1960er Jahren noch stärker geahndet als im nachfolgenden Jahrzehnt. Und genau den so erzeugten gesellschaftlichen Druck wollten die für die Medien verantwortlichen SED-Politiker, im speziellen die Abteilung Agitation, ständig erhöhen, um damit das einstrahlende Westfernsehen als Konkurrenz für die eigenen Programme auszuschalten. Ein reichliches Jahr nach der Aktion der FDJ versuchte die Abteilung Agitation angesichts der Zuspitzung der politischen Lage während der Kubakrise, die Medien noch straffer als bisher anzuleiten. Auch gegen den Empfang westlicher Programme sollte dabei verstärkt vorgegangen werden, wobei deutlich herausgestellt wurde, dass die Antennen-Aktion kein nachahmenswertes Modell darstellte: »Die von der Partei und der Nationalen Front gegen das Abhören des Feindrundfunks (Fernsehen) gerichtete Überzeugungsarbeit darf nicht kampagnemäßig geführt werden. Alle Grundorganisationen müssen ständig die Auseinandersetzung darüber führen, daß das Abhören des Feindrundfunks (Fernsehen) unvereinbar mit der Ehre eines jeden DDR-Bürgers ist.«111

109 110 111

Zentrales Parteiarchiv der SED, IV 2/5/14, zit.n. Werkentin 1995, S. 255. Vgl. Staadt 1993, S. 59-61. [Q] Abteilung Agitation 1962, S. 2.

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An dieser Position – keine Gesetzesänderung, keine Einzelaktionen, aber moralischer Druck – wurde die nächsten Jahre festgehalten. Im Jahr 1966 lag mit der ca. 200 Seiten starken Untersuchung »Zum Einfluß des Westfernsehens«, verfasst vom Sektor Rundfunk/Fernsehen der Abteilung Agitation, die bislang umfangreichste Auseinandersetzung zum Thema Westempfang vor. Berichte aus allen Bezirken der DDR wurden darin zusammengestellt und der Abteilung »Parteiorgane« des ZK vorgelegt.112 Die in unterschiedlichen Befragungen erhobenen Befunde waren alarmierend: Bis zu 95 Prozent der Bevölkerung schaltete demnach das Westfernsehen ein. Aus Sicht der Verfasser war der Umstand besorgniserregend, dass sich darunter ein hoher Anteil SED-Mitglieder befand. Die Rezeption würde insgesamt teils verdeckt (z. B. mit Hilfe sogenannter »Nachtantennen«, die nach dem Abendprogramm wieder abmontiert wurden), teils aber auch ganz öffentlich erfolgen. Es wurden Fälle geschildert, bei denen in Betrieben westliche Fernsehprogrammankündigungen kopiert und verteilt wurden. Über die Präferenzen der Zuschauer gab der Bericht ebenfalls Auskunft, die bevorzugten Sendungen im Westprogramm wären demnach Unterhaltungssendungen, wobei Kriminalfilme und Serien besonders häufig in den Befragungen genannt worden wären. Aus den Bezirken wurden aber vor allem Ergebnisse einer Art ›Meinungsforschung‹ weitergegeben, die die Begründungen und Rechtfertigungen der Rezipienten offen legte. Die Palette der Argumentationen war dabei sehr vielfältig und es wurden auch sehr kritische Stimmen wiedergegeben. Beispielsweise wäre gefragt worden, warum nicht jeder nach Westdeutschland reisen dürfe, denn das sei mit ein Anlass, warum so viele die Westsender einschalteten. Oder es wurde argumentiert, dass das Verbot des Westfernsehens ein Ausdruck der Schwäche der DDR wäre. Die Untersuchung hinterfragte darüber hinaus, die »Auswirkungen des Westfernsehens« auf das gesellschaftliche Leben. In einigen Bezirken müssten nämlich Gemeindevertreter- oder gar Parteiversammlungen verlegt bzw. abgesagt werden, da die Teilnehmer lieber die westlichen Programme sehen würden. Auch die Beeinflussungen der Jugend durch das Westfernsehen wurden als besonders gefährlich dargestellt. Insgesamt wurde ein bedrohliches Szenarium entworfen, welches dringend Schritte zur Bekämpfung der Nutzung westlicher Programme nahe legte. Anlässlich des 20jährigen Bestehens des RIAS im Februar 1966 ließ sich die Abteilung Agitation dementsprechend umfänglich darüber aus, »Wie die westlichen Propaganda-Zentralen geschlagen werden« können, so der Titel der Argumentationsvorgabe.113 In dieser heftigen Kampagne gegen den RIAS und andere westliche Stationen warf die Abteilung die Frage auf: »In der Deutschen Demokratischen Republik ist das Abhören der westlichen Radio- und Fernsehstationen gesetzlich nicht untersagt. Brauchen wir Gesetze, um die Bürger der DDR davon zu überzeugen, daß man nicht aus dem Spucknapf trinkt?«

112 113

Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Fischer 1966, S. 1-8. Hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Agitation 1966, S. 4-6.

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Statt einer Gesetzesänderung sollten zunächst alternative Maßnahmen ergriffen werden: Die Abteilung Agitation forderte, den Druck auf die SED-Mitglieder, die westliche Programme einschalteten, zu erhöhen: »Gelegentlich wird das Abhören von Westrundfunk und Westfernsehen in unserer Partei als Kavaliersdelikt hingestellt. Mit meinem [sic!] Eintritt in den freiwilligen Kampfbund unserer Partei hat jedes Parteimitglied die Verpflichtung übernommen, seine Kraft und sein Talent dem Volke, dem Aufbau des Sozialismus zu widmen. Das erfordert, daß kein Mitglied der Partei zu Haus einen Pakt mit dem Klassenfeind schließt, indem er sich von ihm informieren, unterhalten und belehren läßt. Wir informieren uns nicht beim Klassenfeind. Wir lassen uns nicht von ihm unterhalten. Wir belehren alle die, die auf Lügen und Verleumdungen des Klassenfeindes hereinfallen.« Unter dem Motto »In geschlossener Disziplin gegen den Klassenfeind« sollten die Parteimitglieder zuallererst den eigenen Nachwuchs von den westlichen Medienangeboten fernhalten: »Kein Genosse darf seine Kinder zu Heuchlern erziehen. […] Unsere sozialistische Schule braucht keine Ergänzung durch ›Staatsbürgerkunde‹ des westlichen Rundfunks und des Westfernsehens. Wer zulässt, daß die Kinder Westfernsehen oder Westrundfunk hören, sät Zwietracht in die Seele der Kinder, stürzt sie in Gewissenskonflikte.« Der Appell an die Genossen lautete, den Heranwachsenden und Nichtgenossen ein Vorbild zu sein: »Wer selbst Westfernsehen und Westrundfunk hört, nimmt sich das Recht, andere glaubwürdig von der Richtigkeit unserer Sache zu überzeugen.« Die Abteilung Agitation räumte ein, dass dieser ›Kampf‹ gegen die westlichen Rundfunkmedien eine langfristige Maßnahme sein würde und sie nur mit der Disziplin der zu diesem Zeitpunkt 1,7 Millionen Mitglieder starken SED gelingen konnte. Von den Methoden der ›Ochsenkopf-Aktionen‹ hatte man sich bis dahin weit entfernt und gab dies auch unumwunden zu: »Es ist nicht unsere Absicht und nicht unsere Aufgabe, Antennen auf den Dächern zurechtzurücken oder herunterzureißen. Unsere Aufgabe besteht vielmehr darin: Die Antennen des Klassenfeindes in den Köpfen zu entfernen, geduldig jedermann zu überzeugen, daß man in der DDR seinen Kopf trägt und keine vernebelte RIAS-Birne.« Aus den überlieferten Unterlagen des Fernsehens selbst lässt sich ein weniger aufgeregter Umgang mit der Rezeption des Westfernsehens rekonstruieren. Insgesamt waren kritische Darstellungen hier spärlicher gesät, eine genaue Hinterfragung des Westkonsums blieb ein Tabu. Eine regelmäßige Auseinandersetzung mit dem ›Fremdgehen‹ der eigenen Zuschauer fand während der 1960er Jahre lediglich in der Auswertung der Zuschauerumfragen statt. Und selbst dort wurde der Westempfang nur insoweit thematisiert, als dass man immer wieder Regionen mit und ohne Rezeptionsmöglichkeiten des Westfernsehens untersuchte. So wollte man im Frühjahr 1965 wissen, wie der DFF in Rostock

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beurteilt wurde, wo »die Zuschauer so gut wie keine ›Ausweichmöglichkeit‹ haben und praktisch nur unser Programm empfangen«114. Dabei wurde unumwunden zugegeben, dass das westliche Fernsehprogramm eine hohe Anziehungskraft für die DDR-Bevölkerung besaß und es umfänglich rezipiert wurde. Die zurückliegenden Umfragen hatten, obwohl nicht explizit nach dem Westfernsehen gefragt wurde, bei den Verfassern der Studie den Eindruck hinterlassen, dass in Rostock nur aufgrund der mangelnden Empfangsmöglichkeiten der Westprogramme vorwiegend das DDR-Fernsehen angeschaltet wurde. Die Rostocker konnten von den Westprogrammen nur das ZDF sowie den NDR empfangen und dies auch nur mit Spezialantennen oder Konvertern. Davon würden aber – der Studie zufolge – »nach äußerem Eindruck und nach Hörensagen eine Reihe von Zuschauern Gebrauch« machen. Trotzdem, so die Schlussfolgerung, wäre die Gesamtzahl der Westseher gering und stände in keinem Vergleich zu Merseburg-Leuna. Diese Region wurde häufig für eine alternative Stichprobe gewählt; hier gab es einen hohen Arbeiteranteil und gute Empfangsmöglichkeiten des Westfernsehens, was wiederum realistische Befragungsergebnisse zuließ. In Rostock fielen die Bewertungen der DFF-Sendungen aufgrund der geschilderten Rezeptionsbedingungen dagegen positiver als in anderen Gebieten aus. Die Mitarbeiter des Methodischen Kabinetts räumten die fehlende Repräsentativität dabei durchaus ein, was dafür spricht, dass man an realistischen Ergebnissen interessiert war. Die Rostocker Daten bildeten demnach die obere Grenze der positiven Einschätzungen, während der Republiks-Durchschnitt etwas negativer verlief. Allerdings machten die Interviewer im Auftrag des DFF auch genau die gegenteilige Erfahrung: Das DDR-Programm konnte – ob fehlender Vergleichsmöglichkeiten – auch kritischer beurteilt werden. Bei einer Umfrage zur Unterhaltungsschiene des DFF im Herbst 1965 kam heraus, dass die Zuschauer, nach den schlechtesten Sendungen gefragt, die Landwirtschaftsbeiträge und die politische Publizistik im Allgemeinen ganz oben auf die Liste setzten, die Unterhaltungssendungen dagegen am besten abschnitten. Hierzu wurde angemerkt, dass interessanterweise unter den Teilnehmern, die nur den DFF empfangen konnten, die Unzufriedenheit mit den unterhaltenden Angeboten größer war.115 Wahrscheinlich gefielen den Zuschauern, die den direkten Vergleich zwischen den Ost- und Westunterhaltung hatten, die eigenen Produktionen nicht so schlecht, während die, die nur die DFF-Sendungen sahen, im Westen noch bessere Angebote vermuteten. Konkreter durfte nach diesen Bewertungen allerdings nicht gefragt werden, so dass es bezüglich der Westrezeption bei solchen Randbemerkungen blieb. Genauso wenig durfte grundsätzliche Kritik an den politischen Inhalten des Fernsehens geübt werden. Darum wurde auch das negative Abschneiden der politischen Sendungen beschwichtigend

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Hier und im Folgenden: [Q] Deutscher Fernsehfunk, Methodisches Kabinett 1965a, S. 3-4. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Deutscher Fernsehfunk, Methodisches Kabinett 1965b, S. 28-31.

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als Anregung zur besseren Arbeit verstanden: »Trotzdem ist es für die journalistischen Redaktionen gut zu wissen, wie sie in der Gunst des Publikums stehen; es wird dann wieder deutlicher, wie viel auch auf diesen Gebieten noch zu tun ist!« Durch die fehlende Thematisierung des Westfernsehens gegenüber den Befragten kam es mitunter zu paradoxen Phänomenen. So fragten die Interviewer, ob sie mittwochs und samstags Unterhaltungssendungen sähen, ohne dass ein Sender genannt wurde. Für den Mittwoch bestätigten dies 76,4 Prozent und für samstags sogar 90,9 Prozent der Zuschauer. Es wurde aber umgehend eingeräumt, dass aus diesem Ergebnis keine positive Bewertung der DFF-Unterhaltungssendungen abgeleitet werden könnte. Denn erstens wäre nicht erwiesen, ob dem Publikum die einzelnen Sendungen auch gefallen hätten, und zweitens nicht feststellbar, ob Ost- oder Westsendungen rezipiert wurden. Die Zahlen beschrieben dementsprechend nur die Größe des Publikums, mit der die Hauptabteilung Unterhaltung rechnen konnte, »wenn sie mindestens so gut ist wie das Westfernsehen am selben Abend«. Die Fernsehführung war dabei nicht immer so kritisch wie die Zuschauer. Über die Jahre finden sich in den verschiedenen Einschätzungen zum eigenen Programm immer wieder positive Selbstdarstellungen im Vergleich zum Westfernsehen. So wertete der Rechenschaftsbericht der APO Programm 1960 die zurückliegenden Weihnachts- und Jahreswechselsendungen als Programmhöhepunkte und bejubelte »die Erfolge unseres gesamten Festprogramms Ende des Jahres, mit dem wir das Programm des West-Fernsehens förmlich zudeckten. Selbst die Westpresse konnte nicht umhin, uns unsere Erfolge zu bestätigen.«116 Auch in Bezug auf die gesamte Arbeit der Dramatischen Kunst und der Unterhaltung hieß es dort: »Wir können auch auf diesem Gebiet feststellen, dass wir im Wettkampf um die Hirne und Herzen unserer Menschen gegenüber dem West-Fernsehen nicht schlecht abschneiden.«117 In einem »Weltstandsvergleich« der wichtigsten Fernsehländer beurteilte die »Wissenschaftliche Arbeitsgruppe« neun Jahre später das eigene Programm differenzierter. Aber zumindest in einigen Bereichen wurde es als anschlussfähig an die internationale Spitze eingeschätzt. Auf dem Gebiet der sozialistischen Gegenwartsdramatik wäre man demnach führend, die Kinderprogramme hätten internationales Niveau und die Bildungssendungen wären, wenn auch nicht im Umfang, so doch in der Qualität vergleichbar mit den weltbesten Programmen. Allerdings würde der Vorsprung in der aktuellen Sportberichterstattung durch programmpolitische Einschränkungen und technischen Rückstand verlorengehen.118 Die politische Funktion des DDR-Fernsehens schätzte man wesentlich erfolgreicher ein; die ideologischen Inhalte würden von diesem durchaus zufriedenstellend vermittelt. So wäre beispielsweise das DFFProgramm zum »50. Jahrestag der Sozialistischen Oktoberrevolution«

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[Q] SED, APO – Programm 1960, S. 4. Ebd., S. 17. [Q] Wissenschaftliche Arbeitsgruppe 1969c, S. 4.

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1967 dem bundesdeutschen Fernsehen argumentativ und in seiner Wirkung überlegen gewesen: »Es ist einzuschätzen, daß es in hohem Maße gelang, die vorgegebenen Thesen wirkungsvoll in Sendungen umzusetzen und den bewußtseinsbildenden Prozess unter den Zuschauern in der DDR im Sinne der erwünschten Denk- und Verhaltensaktivitäten zu fördern. Der Gegner wurde durch die langvorbereitete breite ideologische Offensive der DDR, die in Millionen westdeutschen und westberliner Familien vorstieß, in die Defensive gezwungen. Er sah sich veranlasst, in einer Vielzahl von Sendungen – sich gleichfalls auf das Oktoberjubiläum hin steigernd – den Versuch zu unternehmen, die Wirkung dieser unserer Einflüsse abzuschwächen.«119 Dass der ideologische Auftrag an das Programm erfüllt wurde, hieß allerdings noch nicht, dass das Programm den Wünschen der Zuschauer gerecht geworden wäre. Dies wurde im Nachhinein wiederum heftig kritisiert, worauf im übernächsten Abschnitt eingegangen wird. Die Konkurrenz zum Fernsehen der Bundesrepublik blieb zusammenfassend betrachtet fest in den Positionsbestimmungen des DFF verankert, die Beschäftigung und die Vergleiche mit dem ›gegnerischen‹ Programm allgegenwärtig. Dass man sich dabei im eigenen Programm viel öfter mit dem westdeutschen Programm auseinandersetzte, als dies umgekehrt der Fall war, scheint Ende der 1960er Jahre auch der Fernsehführung bewusst gewesen zu sein. Aber sie nahm es als Teil der Strategie der »Konterpropaganda« an und stimmte zu, »daß bei der Darstellung unserer Politik unterschwellig die feindlichen Argumente berücksichtigt werden und ihnen im voraus der Boden entzogen wird. So wie die DDR bei allen Bonner Überlegungen und Handlungen ständig dabei ist, müssen die ideologischen Versuche der Störung und Irreführung uns ständig gegenwärtig sein. Das ist nicht defensiv, sondern ermöglicht überhaupt erst, offensiv zu sein.«120 4.2.4 D IE OPTIMALE W IRKUNG . V ORSICHTIGE E RWEITERUNG DES W IRKUNGSMODELLS Welche grundsätzlichen Annahmen bei der Fernsehführung und den Fernsehjournalisten über die Wirkungsweise ihres Mediums vorherrschten, wurde schon im vorangegangenen Kapitel zu den 1950er Jahren dargelegt. Im Folgenden sollen die Positionen erläutert werden, die in den 1960er Jahren hinzukamen bzw. ältere Vorstellungen verdrängten. Im überlieferten Schriftgut wird deutlich, dass beinahe permanent eine Reflexion über die erhoffte Wirksamkeit und eine kritische Auseinandersetzung mit Mängeln im Programm stattfand, von denen man annahm, dass sie die ›Wirkung‹ des Fernsehens schmälerten. Insgesamt wurden die Einschätzungen im Vergleich zum zurückliegenden Jahrzehnt differenzierter und damit realistischer, allerdings ohne die Doktrin der Medienwirkung à la Stimulus-Response in Frage zu stellen.

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[Q] Schmotz 1967, S. 8-9. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1969b, S. I/A 16.

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Diese Entwicklung soll ein Beispiel verdeutlichen: In der ersten Hälfte der 1960er Jahre war die Propagierung der neuen Wirtschaftspolitik der SED eine zentrale Aufgabe des Fernsehens, die in der Wertigkeit gleich nach der ›nationalen Frage‹ rangierte. Beide Themen hingen zusammen, weil immer wieder konstatiert wurde, dass sich der Wettbewerb zwischen Imperialismus und Sozialismus auf ökonomischem Gebiet entscheiden würde. Die Partei versuchte nach dem Mauerbau die ›Vorteile‹ ihres Gesellschaftssystems – vor allem den des zentral gelenkten Wirtschaftssystems – zur Geltung zu bringen, in der Hoffnung das westdeutsche Wirtschaftswunder in anderer Form im Osten nachholen zu können. Da die ökonomische Entwicklung der DDR – aller euphorischer Propaganda zum Trotz – mehr als schleppend verlief, hatte Ulbricht nach dem VI. Parteitag der SED einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel durchgesetzt.121 Im Frühjahr 1963 startete das »Neue Ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft« (NÖSPL), das Leistungsanreize für Arbeiter und Betriebe in die sozialistische Planwirtschaft integrieren sollte. Dem Projekt war allerdings keine allzu lange Lebensdauer beschienen: Schon auf dem VII. Parteitag 1967 wurde NÖSPL durch ÖSS (»Ökonomisches System des Sozialismus als Gesamtsystem«) abgelöst. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings und angesichts der veränderten deutsch-deutschen Beziehungen wurde das Reformprojekt 1969 endgültig abgebrochen. Für das Fernsehen der 1960er Jahre bedeuteten die Bemühungen der SED um wirtschaftliche Konsolidierung einen fortwährenden Druck, mit der Behandlung ökonomischer und landwirtschaftlicher Themen im Programm einen Beitrag zum Erfolg der Parteioffensive zu leisten. So sah sich der DFF 1962 vor die Aufgabe gestellt, sein Programm diesbezüglich auf folgende Schwerpunkte zu konzentrieren: Erstens sollte »die Entwicklung der nationalen Volkswirtschaft« gefördert, zweitens die »Durchsetzung und Einhaltung der oekonomischen Gesetzmässigkeiten des Sozialismus« beworben und drittens, die »Steigerung der Arbeitsproduktivität« erreicht werden.122 Nicht nur die publizistischen Sendungen sollten diese Themen aufgreifen und damit die Ziele der Partei verwirklichen helfen, sondern Wirtschaft und Landwirtschaft sollten »das ganze Programm durchdringen«. Für die Frage nach den Wirkungsvorstellungen ist es an dieser Stelle bemerkenswert, dass in der Vorlage für das Programm aufgrund der erläuterten Zielstellung nicht mehr Sendungen zum Thema, sondern stattdessen eine höhere Qualität der Beiträge gefordert wurde.123 Die

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Weitere Reformversuche zielten vor allem darauf ab, bestimmte soziale Gruppen verstärkt in den ›Aufbau des Sozialismus‹ einzubeziehen. Öffentlich wurden diese Bestrebungen durch das Kommuniqué »Die Frau – der Frieden und der Sozialismus« (Dezember 1961) sowie durch das »Jugendkommuniqué« (September 1963). Zu den Auswirkungen auf den DFF vgl. Vollberg 2009. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1962, S. 1-3. Eine ähnliche Entwicklung gab es auch bei der Wirtschaftsagitation im DDRHörfunk. Auch hier versuchte man in den 1960er Jahren der Wirtschaftspub-

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Devise ›Viel hilft viel‹ wurde als überholt abgelehnt, der Anspruch, eine bestimmte Wirkung zu erzielen, blieb. Eine Weiterentwicklung simplerer Modelle erfolgte nur in Bezug auf die Art und Weise, wie das Fernsehprogramm zum Ziel kommen sollte: »Die Erläuterung oekonomischer Gesetze heißt nicht, mehr Maschinen oder mehr Schweine (obwohl mehr Maschinen und mehr Schweine das Ergebnis aller Sendungen sein müssen) auf den Bildschirm zu bringen, sondern heißt in erster Linie ideologische Auseinandersetzungen zu gestalten, die die Veränderung des Denkens (des politischen und oekonomischen) darstellen und herbeiführen helfen.« Adameck ging weiterhin davon aus, dass es die Maßgabe eines erfolgreichen Fernsehprogramms wäre, kognitive Einstellungen der Zuschauer zu verändern und damit erwünschte Aktivitäten, also zielgerichtetes Handeln, auszulösen: »Das Fernsehen […] ist zur wichtigsten Quelle der Meinungsbildung geworden, es kann Denken und Handeln maßgeblich beeinflussen.«124 Genau dies hatte auch das Politbüro am 29. April 1959 noch einmal von den DDR-Journalisten verlangt: Es käme nicht nur darauf an, das Denken zu beeinflussen und zu verändern, sondern die Medien sollten Aktionen auf allen Gebieten der sozialistischen Umwälzung auslösen und organisieren.125 Dies galt auch für die Wirtschaftagitation im Fernsehen, die die Zuschauer in die Lage versetzen sollte, schnell »die wichtigsten oekonomischen Wahrheiten« zu begreifen und die gewonnenen Erkenntnisse »im täglichen Arbeitsbereich« umzusetzen.126 Gleichzeitig setzten sich die mächtigsten Medienlenker der DDR kritisch mit der Frage auseinander, wie die ideologischen Parolen wirkten, die täglich von den ostdeutschen Medien verbreitet wurden. Dies beweist eine überlieferte Diskussion während der konstituierenden Sitzung127 der Agitationskommission beim Politbüro im März 1963: In Anwesenheit Ulbrichts legten die Funktionäre Probleme der wichtigsten Medien, allen voran des Neue Deutschlands, ebenso von Hörfunk und Fernsehen, offen. Der Grundtenor der Sitzung war dabei, dass die propagandistische Arbeit der Massenmedien nicht mehr ganz so euphorisch und optimistisch eingeschätzt wurde wie noch im vorangegangenen Jahrzehnt. Der neue Vorsitzende des Rundfunkkomitees Gerhart Eisler, der im März 1962 Ley abgelöst hatte,128 brachte dies folgendermaßen auf den Punkt: »wenn die ganze Bevölkerung aus lauter Bolschewiki bestehen würde, hätten wir als Agitatoren es auch nicht ganz leicht, aber immer-

124 125 126 127

128

lizistik mehr Hörer zu sichern, indem unterhaltende Elemente integriert wurden. Vgl. Könne 2004. Adameck 1962, S. 79. Vgl. Norden 1960, S. 16. [Q] o.N. 1962, S. 2. Die Agitationskommission existierte bereits seit 1955, auf der »konstituierenden Sitzung« erfolgte lediglich eine Umstrukturierung, vgl. auch Holzweißig 2002, S. 14-16. Zu den Hintergründen des Führungswechsels vgl. Arnold 2002, S. 477-480.

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hin leichter als jetzt«129. Er zeichnete insgesamt ein durchaus realistisches Bild der DDR-Medien der 1960er Jahre, die zwar die politischen Zielstellungen in ihren Programmen und Ausgaben sehr gut umsetzen, dabei aber oft an den Bedürfnissen von Zuschauern, Zuhörern oder Lesern vorbei sendeten oder schrieben: »Wie wir von oben die Beschlüsse der Partei erklären, wie wir den Massen sagen, was in der Literatur, auf dem Gebiet der Kultur oder in der Industrie gemacht werden muß, diese Kunst beherrschen wir im allgemeinen. Da könnten wir immer eine Eins erhalten. Aber wie das ankommt, das ist eine zweite Sache.« Eisler formulierte dabei auch Zweifel, an einer zu simplen Annahme der Medienwirkung und stellt vor allem die ›Aufnahmebereitschaft‹ der Adressaten in Frage, wenn er über die Angebote der Medien sagte: »Es geht darum, ob das auch wirkt. Denn die Politik der Partei [die die Medien vermittelt; C. D.] stößt zusammen mit dem guten Willen der Massen, aber auch mit ihrem Unverständnis. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Da gibt es den Einfluß des Feindes. Zum anderen wird ein Mensch nicht als Berufssozialist geboren, wie Lenin einmal sagte.« Er erklärte an einem Beispiel – das sehr realitätsnah gewählt war – welche Probleme die Bevölkerung mit den politischen Botschaften der Medien hatte und übte dabei auch Selbstkritik: »wir [haben] bisher gerade auf dieser Grundlage viele Fehler gemacht. Den Bauern erklären wir: Wenn du den Adenauer schlagen willst, Sozialist sein willst, dann baue besser an. Der Bauer will gar nicht ein so guter Sozialist sein, er will auch Adenauer gar nicht schlagen, in seinem Kopf ist da noch ein Nebeneinander, aber die einfache Frage: Wenn du mehr Geld machen willst, dann stecke mehr in die Erde, dann kommt mehr Ertrag heraus, die versteht er.« Damit war angesprochen, dass einerseits die ideologischen Inhalte oft falsch gewählt waren, da sie die realen Probleme der Bevölkerung wenig tangierten, andererseits aber auch die Bereitschaft der Rezipienten nicht idealtypisch war. Allerdings können diese Aussagen nur als eine Art neuer Offenheit in der Kommunikation über Medienwirkung in den höchsten Führungskreisen gedeutet werden, ein Aufbruch zu einem veränderten Umgang mit den Medien war es nicht. Um beim angeführten Beispiel zu bleiben: Die Schlussfolgerung Eislers war nicht, dass dem Bauer die propagandistischen Botschaften ›erspart‹ bleiben sollten, sondern er hatte schlicht besser an die Politik der SED herangeführt zu werden, so dass er schlussendlich in den Besitz des »sozialistischen Bewußtseins« käme. Dies würde ihm wiederum helfen, die in Zeitungen und Rundfunkmedien dargelegte Politik besser zu verstehen. Es ging also auch in diesen Diskussionen letztendlich nur um die Modalitäten der Ideologievermittlung. Die Tatsache, dass hier ein Gremium zusammen saß, was tiefgreifendere Veränderungen hätte durchsetzen können, macht diesen Widerspruch besonders deutlich. Aber immerhin deutete sich ein Paradigmenwechsel in Bezug auf die ›Verpackung‹ der medial vermittelten Botschaften an, der Anfang der 1970er Jahre sehr konkrete Folgen für das Fernsehen hatte. Die Forde-

129

Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1963b, S. 54-57.

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rung nach mehr »Massenwirksamkeit«130 der Medien wurde seit Ende der 1960er Jahre zum alles bestimmenden Schlagwort, unter dem 1972 auch die Programmreform des Fernsehens durchgesetzt wurde. Welchen Anspruch die Sendungen des DFF dementsprechend künftig erfüllen mussten, beschrieb Glatzer im Februar 1969. Da bereits 90 Prozent der DDR-Haushalte Fernsehgeräte besäßen und auch mit dem geplanten zweiten Programm kein extensiver Gerätezuwachs zu erreichen war, sollte – dies wurde sehr technisch erklärt – der Wirkungsgrad erhöht werden: »Der Fernsehboden ist urbar gemacht. Seine intensive Bearbeitung steht auf der Tagesordnung. Eine Optimierung ist nur dadurch zu erzielen, daß pro Gerät ein Optimum an Zuschauern und ein Optimum an Wirkung erreicht wird.«131 Wie dieses ›Optimum der Wirkung‹ zu erreichen wäre, konnten Glatzer und seine »Wissenschaftliche Arbeitsgruppe« nicht beantworten. Sie forderten aber, dass der Frage nach den Mechanismen und Theorien der Wirksamkeit von Fernsehprogrammen im kommenden Jahrzehnt mehr Aufmerksamkeit zuteil werden sollte: »Welche Möglichkeiten gibt es, um von der Meinungsforschung zur Wirkungsforschung zu gelangen? Wie kommen wir zu einer Theorie über die Fernsehwirkung (wie wirkt was auf wen – wann kommt es an)?« Das Kapitel zum Selbstbild in den 1970er Jahren wird im Anschluss zeigen, ob dieser Anspruch realisiert werden konnte und rekonstruieren, inwieweit Medienwirkungsmodelle Eingang in den Diskurs der Fernsehführung gefunden haben. Zunächst soll jedoch das Fernsehen der 1960er Jahre als Gegenstand der ›Kritik von oben‹ betrachtet werden, da dies in der streng hierarchisch regierten und verwalteten DDR eine wichtige Rahmenbedingung darstellte. 4.2.5 F ERNSEHKRITIK

SEITENS DER

DDR-F ÜHRUNG

In den 1960er Jahren wurde das Fernsehen zum Massenmedium und gleichzeitig nahm die Auseinandersetzung der politischen Führung mit dem Fernsehen zu. Dies lässt sich in den Fernsehunterlagen durch eine kontinuierliche Thematisierung der Diskussion und Kritik der Parteispitze belegen: Das Fernsehen war unter die ständige Beobachtung der wichtigsten Funktionäre geraten und musste sich nun damit arrangieren. Ulbricht selbst lobte das Fernsehen mitunter und brachte noch häufiger eigene Anregungen ein, die das Fernsehen umzusetzen versuchte. Beispielsweise berichtete Adameck 1963, dass Ulbricht die Fernsehführung aufgefordert hätte, die Stimmung nach dem VI. Parteitag einmal mit kürzeren Reportagen und Kurzdokumentationen einzufangen. Erwartungsgemäß zog Adameck wenig später ein positives Fazit: »Wir haben das gemacht, und ich muß sagen, daß sich das lohnt.«132 Mit dieser ›Einbringung‹ der DDR-Führungsspitze musste das Fernsehen auch 130 131 132

Zum DDR-Konzept der »Massenverbundenheit« vgl. Bos 1988, zur »Massenwirksamkeit« vgl. Bartz 2005. Hier und im Folgenden: [Q] Glatzer 1969, S. 5-7. [Q] o.N. 1963b, S. 44.

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Ankunft als Massenmedium

zukünftig leben, da Ulbrichts Nachfolger Honecker davon noch wesentlich häufiger Gebrauch machte. Noch bedeutender für das Fernsehen war aber die negative Form der Kritik, von der das Medium keineswegs verschont blieb und die ebenfalls bis zum Ende der DDR durch Ulbricht und später Honecker ›institutionalisiert‹ wurde. Entscheidende Veränderungen und Reformen wurden durch die ›hochrangigsten Fernsehkritiker der Republik‹ eingeleitet. Im Folgenden soll kurz dargelegt werden, dass dieser Prozess nicht erst 1971 mit Honeckers vielzitierter Kritik an der »bestimmten Langeweile« des Fernsehens133 begann, sondern schon die gesamten 1960er Jahre davon geprägt waren. Als besonders prägnantes Beispiel kann die Kritik am Fernsehen im Umfeld des 11. Plenums dienen, das als Kahlschlag-Plenum in die DDR-Geschichte einging.134 Dies war allerdings keineswegs die erste Kritik- und Verbotswelle, die über den Fernsehfunk hinwegrollte. Bereits drei Jahre zuvor, im Dezember 1962, hagelte es anlässlich des Programms zum zehnten Jahrestag des Fernsehens Vorwürfe, u. a. wurde die Ausstrahlung von Fetzers Flucht und Monolog für einen Taxifahrer untersagt. Im November und Dezember 1965 bekam die Programmschelte aber noch einmal eine neue Qualität, die sich neben Aufführungsverboten auch in personellen Konsequenzen niederschlug. An dieser Stelle ist Hoff zu widersprechen, der konstatierte: »Verglichen mit den nachweisbaren Wirkungen, die das 11. Plenum 1965 in den anderen Künsten in der DDR zeitigte, scheint der Deutsche Fernsehfunk und die von ihm produzierte Fernsehkunst von diesem kulturpolitischen Autodafé weitgehend verschont worden zu sein.«135 Im Bericht des Politbüros an die 11. Tagung des ZK der SED, den Hoff ausgewertet hat, wird ein wichtiger Fakt nicht ersichtlich: Die harsche Kritik am Fernsehen hatte schon einen Monat vor dem eigentlichen Plenum begonnen und noch bis nach der Tagung angehalten. Am 26. November 1965 berichtete Adameck seinen führenden Mitarbeitern von der Politbürositzung zehn Tage zuvor und von der »Beratung« Ulbrichts mit Schriftstellern der DDR. Von dieser Intendanzsitzung ist ein Protokoll überliefert, das deutlich macht, wie die Kritik des Politbüros auch das Fernsehen traf und dort aufgenommen wurde. Adameck wird wörtlich mit folgender Aussage zur Politbürositzung zitiert: »Es war der bitterste Tag in meinem Leben.«136 Gleich zu Beginn des Berichts machte Adameck seinen Mitarbeitern deutlich, dass die Situation für den DFF ernst wäre und mit größeren Konsequenzen zu rechnen sei: »Vorab ist zu bemerken: 1. Es handelt sich nicht um eine neue Welle, die vorüber geht. 2. Es geht um eine sachliche Diskussion – nicht um Personen –. Wer aber glaubt, daß er nicht mitmachen kann, muß pausieren. Es nutzt nichts zu sagen, habe es schon immer gewusst oder es musste ja so kommen.« Vor allem drei

133 134 135 136

Vgl. Kapitel 5.2.1. Vgl. ausführlich Agde/Engler 2000. Hoff 2000a, S. 100; gleichlautende Aussage in Hickethier/Hoff 1998, S. 300. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1965c, S. 1-8.

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Fernsehsparten hatte das Politbüro kritisiert und Adameck forderte nun eine »radikale Änderung« in den Hauptabteilungen Kunst und Kulturpolitik, Unterhaltung sowie Programmaustausch und Film. Die Betonung der sachlichen Ebene, die zu keiner Personal- oder Postendebatte führen sollte, strafte er selbst Lügen. Adameck gab bekannt, dass auf Beschluss des Politbüros Heinz Sachs, seit Anfang 1965 Leiter der Hauptabteilung Kunst und Kulturpolitik, von seinem Posten entbunden wurde. Heinz Nahke beerbte ihn und wurde damit zugleich stellvertretender Intendant für den Bereich Kunst und Kulturpolitik. Noch entscheidender als die Absetzung Sachs’ war aber, dass Adamecks eigener Stuhl beträchtlich wackelte. Er war vom Politbüro aufgefordert worden, auf der anstehenden ZK-Tagung Stellung zu den Problemen im DFF zu nehmen. Dort musste er selbstkritisch auftreten und so verkündete er seinen Kollegen vorab die wichtigste Botschaft, die er vermitteln wollte: »Wir haben erkannt, daß wir auch schuldig geworden sind.« Trotz intensiver Vorbereitung traf Adameck auf der ZKSitzung aber nicht den richtigen Ton. Seine Ansprache während des 11. Plenums geriet zum Debakel und brachte ihm die heftigste Kritik seiner ›Vorgesetzten‹ Albert Norden (ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda) und Rudolf Singer (Leiter der Abteilung Agitation beim Politbüro), aber auch aus den eigenen Reihen des Fernsehfunks ein. Wenige Tage nach dem Plenum fand eine Sitzung der Abteilung Agitation mit der Intendanz und der »Zentralen Parteileitung« (ZPL) des Fernsehens statt, die deutlich machte, wie tief die Kritik der Parteiführung am Fernsehen ging und wie sehr Adameck selbst ins Visier der Kritiker geraten war. Norden fasste die Stimmung auf dem 11. Plenum folgendermaßen zusammen: »Die Arbeit des Deutschen Fernsehfunks wurde auf dem Plenum kritisch, in einigen Bereichen sehr kritisch eingeschätzt. Es handelt sich sowohl um ernste Mängel in der Leitungstätigkeit als auch um ideologische Probleme.« Abweichend zu Adamecks Einschätzung bewertete Norden die Bereiche Dramaturgie, Unterhaltung und Jugendfernsehen als die problematischsten im DFF.137 Singer forderte anschließend, dass der Kritik des Plenums Konsequenzen folgen müssten: »Es ist jetzt notwendig, einen sehr konkreten Plan der Auswertung des 11. Plenums zu haben, der sagt, was geändert werden muß und wie es geändert wird. Wir wollen nicht über die Sünden von gestern sprechen. Doch wenn wir die Sünden von morgen verhindern wollen, dann müssen wir die ›Leichen‹ ausräumen, die jetzt noch im Keller stinken.« Die gegenständlichen ›Leichen‹ waren dabei vor allem die Fernsehspiele und Beiträge, die laut 11. Plenum nicht gesendet werden durften, nachdem sie für viel Geld produziert wurden: U. a. Strafsache gegen Wellershof (52.700 MDM Produktionskosten), Ärger mit Katja (31.000 MDM) sowie Granit (164.000 MDM). Singer drohte, dass ›Fehlentscheidungen‹, wie die Befürwortung dieser Filme, künftig Karrieren kosten sollten: »Wir haben uns das Manuskript ›Späte Heimkehr‹ angesehen, das nach einer Anordnung des Genossen Fehlig in die Produktion gehen sollte. Dieses Stück ist gelinde gesagt, eine

137

Hier und im Folgenden: [Q] Sektor Rundfunk/Fernsehen 1965, S. 1-17.

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sozialistische Schnulze. Es gibt einige Leute im Fernsehfunk, die das Heu nicht auf dem gleichen Boden haben wie wir. Leute, die nicht mitmachen wollen oder nicht mitmachen können. […] Wir müssen eine Überprüfung unserer Kader vornehmen.« Nachdem schon mehrfach Kritik am Intendanten und seinem Führungsstil angeklungen war, kritisierte Bruno Wagner als Mitglied der Agitationskommission Adameck direkt. Adameck hätte bei seinem Auftritt vor dem 11. Plenum gänzlich versagt. Wagner könnte demnach nicht verstehen, dass er dort verkündet hätte, erst ein Telegramm von dem ostdeutschen Dramatiker Helmut Sakowski habe ihm in letzter Deutlichkeit gezeigt, was auf dem Gebiet der dramatischen Kunst im Fernsehfunk los wäre. Wagner verglich dies mit einer LPG, in der der Vorsitzende erst durch ein Telegramm erfahren würde, was dort passiert. »Solch ein Vorsitzender würde kurzerhand abgelöst.« Dieses Schicksal hat Adameck nicht getroffen, trotz aller kritischen Äußerungen über ihn behielt er seinen Posten. Vermutlich hatte er es geschafft, die entscheidenden Gremien von seiner nach wie vor vorhandenen Kompetenz zu überzeugen, möglicherweise fehlte aber auch ein geeigneter Gegenkandidat. Die Parteiorganisation, vertreten von Malcherek, hielt ihm dies allerdings auf der Sitzung bei Norden, die das 11. Plenum auswertete, vor und versuchte dabei, ihren eigenen Einfluss auf die Fernsehführung auszuweiten: »Genosse Adameck hat nicht genügend die Hilfe der Parteiorganisation in Anspruch genommen. Seine Rede auf dem Plenum war von Geschick und Taktik bestimmt, um aus der Affäre zu kommen. Das geht heute nicht mehr.« Und weiter: »Einige Leute glauben, überwintern zu können und hoffen, daß vielleicht in 1-2 Jahren ihre Stunde schlägt. Die Zusammenarbeit zwischen Dir, Genosse Adameck, und uns muß auf eine andere Plattform gestellt werden. Unsere Hinweise müssen ernster genommen werden. […] Aber wir haben den Eindruck, daß Du manches selber nicht siehst und nicht weißt. Manches wird auch abgedeckt, damit bloß nichts an die große Glocke kommt. […] Dann müssen wir eindeutig und offen sagen: Bei uns wird gegen den Feind gekämpft, und wir erwarten von jedem, daß er mit uns kämpft. Wo sich Schmutz angesammelt hat, muß er ausgekehrt werden.« Adameck selbst übte in der Beratung, wie dies mit Sicherheit von ihm erwartet wurde, Kritik am eigenen Vorgehen. Er beteuerte, dass das Plenum an ihm nicht spurlos vorübergegangen wäre. Im Vorfeld habe er das ganze Ausmaß der Fehler und Mängel in der dramatischen Kunst nicht erkannt. Der Intendant schaffte es aber auch zu betonen, dass die Verantwortung für Fehler nicht nur bei seiner Person läge, sondern auch durch Schwierigkeiten in der Anleitung der Medien begründet wäre, womit er wiederum die Informationspolitik der Abteilung Agitation angriff. Er argumentierte, dass auch andere an seiner Stelle nicht weiterkämen und verwies auf die Fülle seiner Tagesaufgaben. Eine Tendenz würde sich ihm zufolge besonders schädlich auswirken, nämlich eine »Anleitung von zwei Seiten«. Er beklagte, dass derzeit viele Entscheidungen zweimal behandelt und beschlossen würden. Einmal informiere ihn die Abteilung Agitation über bestimmte

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Aufgaben, dann wiederum liefe die Anleitung über den Parteisekretär Heinz Prohl. Der Intendant fügte lakonisch an, dass er seine politischen Entscheidungen früher freier getroffen hätte. Adameck schien also einerseits seine Probleme mit der strafferen Anleitung der Medien nach dem Mauerbau und der internationalen Konfrontation während Berlin- und Kubakrise gehabt zu haben. Diese betraf zwar alle Medien, aber für den DFF war die neue Situation wahrscheinlich stärker spürbar, da sich die politische Führung einige Jahre zuvor noch deutlich weniger für das neue Medium interessiert hatte. Als 1968 – nach dem gescheiterten Prager Reformexperiment und angesichts der dort beobachteten Gefahren einer weniger streng gehandhabten Medienkontrolle – erneut eine Erhöhung der ›ideologischen Wachsamkeit‹ beim Rundfunk und Fernsehen eingefordert wurde, konnte Adameck dies sehr viel besser zum eigenen Vorteil nutzen. Seine Position als Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Fernsehen verlieh ihm einen größeren Handlungsspielraum als er zuvor als Intendant besaß. Andererseits schien es 1965 einen Machtkampf zwischen der Parteileitung und der Intendanz gegeben zu haben, den Adameck mit dem Verbleiben im Amt erst einmal für sich entschied. Beendet war die Kritik an seiner Person damit aber nicht, auch die nachfolgende Parteiaktivtagung im DFF Mitte Januar 1966 stellte Adamecks erneut an den Pranger. Im Protokoll wurde vermerkt, dass fast alle Diskussionsredner massive Kritik an der Arbeit der Intendanz, insbesondere an Adamecks Arbeitsstil geübt hätten.138 Ihm und seinen engsten Mitarbeitern wurde vor allem die Führungskompetenz abgesprochen und kritisiert, dass der DFF nicht wie ein sozialistischer Großbetrieb geleitet würde: »Das Niveau und das System der Leitung entspricht den Anforderungen eines größeren Handwerksbetriebes, was in den ersten Jahren der Entwicklung genügte. Es wird zu viel improvisiert, dem Selbstlauf überlassen. Gegenwärtig ist die Arbeitsatmosphäre durch Hektik, Unsicherheit und Handwerkelei gekennzeichnet.« Dabei wäre Adameck »zu nachgiebig«, seine »Gutmütigkeit [würde] von einigen ausgenutzt«. Schwer gerügt wurde zudem sein »sorgloser Umgang mit staatlichen Mitteln«. Der Intendant stand unter scharfer Beobachtung und konnte sich zukünftig weniger Alleingänge, sogenannte »Einzelentscheidungen«, erlauben. Rückblickend musste er auch diesbezüglich Selbstkritik üben: »Es gab bei mir einen falschen Stolz und die Eitelkeit spielte mir einen Streich. Ich freute mich bei Erfolgen durch ›Einzelentscheidungen‹ mitgewirkt zu haben.« Größere Freiräume waren aber für das Fernsehen nicht vorgesehen. Dagegen sprach seine mittlerweile exponierte Stellung in der Medienund Kulturhierarchie, was Norden in seinem Schlusswort in der Beratung im Dezember 1965 explizit klar machte: »Warum machen wir uns gerade über das Fernsehen solche Sorgen? Man könnte uns entgegen halten, daß in einigen Theatern noch schlimmere Dinge passiert sind. Doch das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, daß das Fernsehen

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Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Parteiorgane des ZK 1966, S. 2-4.

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viele Millionen beeinflusst. Fehler, die wir machen, haben ganz andere Auswirkungen. Es gibt eine ganze Reihe von Ressorts im Fernsehfunk, die sind in Ordnung. Aber es gibt ein Gebiet, da klappt es nicht, das ist das Gebiet der Kunst. Doch es muß klar sein: Die Phase, daß dieses Gebiet als Freihandelszone galt, ist ein für alle mal vorbei. Naturschutzgebiete gibt es nicht.«139 Aber bei aller politisch-ideologischer Anpassung des Programms, gab es eine Maßgabe, die auch in dieser Runde thematisiert wurde. Singer merkte nachdrücklich an, dass es unbedingt nötig wäre, auch die Kritik der Bevölkerung zu beachten: »Wenn wir Fehler in der Programmpolitik machen, führt das dazu, daß viele auf Westfernsehen umschalten.«140 Diese Aussage verdeutlicht das Spannungsfeld, in dem sich das Fernsehen seit Mitte der 1960er Jahre befand: Einerseits war die Kulturpolitik der SED im Umfeld des 11. Plenums ausgesprochen repressiv, Spielräume wurden bewusst klein gehalten. Kunst, Kultur und Medien wurden permanent zur Umsetzung der strikten Parteivorgaben angehalten. Andererseits gab es aber eine deutliche Tendenz, das Fernsehen danach zu beurteilen, wie erfolgreich es bei den eigenen Zuschauern war. An dem Argument, dass diese mehrheitlich die Möglichkeit hatten, auf mittlerweile bis zu drei westliche Fernsehprogramme auszuweichen, kam man nicht vorbei. Außerdem hatten die Zuschauer in den vergangenen Jahren, in denen sich das Fernsehen zunehmend als Massenmedium etablierte, genügend ›Fernseherfahrung‹ sammeln können, um höhere Ansprüche an das Programm zu stellen. Dies räumte Adameck 1962 öffentlich ein: »Qualität ist […] – gerade für ein Fernsehprogramm – ein relativer Begriff: Was gestern noch gut war, kann heute schon zum Durchschnitt gehören und morgen kaum noch tragbar sein. Während der Zuschauer in den Anfängen des Fernsehens fasziniert auf den Bildschirm blickte, die technische Errungenschaft bewunderte und bereit war, Mängel mit dem Argument von den ›Kinderschuhen‹ zu entschuldigen, stellt er heute zu Recht höhere und immer neue Anforderungen.«141 Diese Tendenz der Zuschauerorientierung verstärkte sich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre spürbar. Demzufolge mehrte sich auch die Kritik an Sendungen, die nicht auf die Bedürfnisse des Publikums zugeschnitten waren und denen die geforderte ›Massenwirksamkeit‹ fehlte. Dies betraf zuallererst die publizistischen Programmbestandteile des DFF und allen voran die Aktuelle Kamera. Im Jahr 1966 stand sie nicht nur in internen Diskussionen der Fernsehführung im Zentrum der Kritik, auch die Abteilung Agitation ordnete sofortige Verbesserungen an.142 Darüber hinaus setzten sich die Agitationskommission und die Abteilung Agitation dafür ein, dass sich das Gesamtprogramm besser im Wettbewerb mit dem Westfernsehen positionieren sollte.143

139 140 141 142 143

[Q] Sektor Rundfunk/Fernsehen 1965, S. 22-23. Ebd., S. 4. Adameck 1962, S. 75-76. Vgl. Adamecks Schilderung in [Q] Adameck an Eisler, 11.08.1966. Vgl. [Q] Adameck an Eisler, 12.04.1966 sowie Kapitel 4.4.1.

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Selbstkritisch räumte die Programmleitung des Fernsehens im November 1966 ein, dass das DDR-Fernsehen in dieser Konkurrenz oft den Kürzeren ziehen würde, was vor allem am hohen ideologischen Gehalt der Sendungen läge. Dem Anspruch eines unterhaltenden Programms würde man vor allem mit dem Fremdanteil der Sendungen gerecht: »Es ist in keiner Weise gelungen, dem Zuschauer das Gefühl zu nehmen, daß er von uns andauernd belehrt wird. Ohne Übertreibung muß festgestellt werden, daß Spannung, Lachen, Schmunzeln und Entspannung ohne politisches Engagement im wesentlichen nicht aus unseren eigenen Sendungen dem Zuschauer ermöglicht wird, sondern meist aus Programmen aus dem Ausland, und da besonders mit Hilfe des bürgerlichen Films.«144 Auch in dieser Einschätzung wurden realistische Zuschauermeinungen wiedergegeben und die Kritik der Rezipienten ernster genommen, als dies bisher der Fall gewesen war. So forderte die Programmleitung aufgrund der negativen Zuschauerbeurteilung eine Umstellung des Sonntagsprogramms – in dem sich künftig weniger Ideologie finden sollte. Dabei führte man sogar die westdeutsche Konkurrenz als positives Beispiel an. Eine Analyse dieses Wochentages führte zu der Schlussfolgerung, dass der DFF schlecht beraten wäre, wenn er das bestehende Programm so fortzusetzen würde: »Die Zuschauer haben ein hartes Urteil: ›Laßt uns am Sonntag mit der ›Arbeit‹ in Ruhe‹. Die so reden sind nicht immer nur Spießer. Das hängt vor allem mit der Qualität der Fernsehspiele und der publizistischen Sendungen und dem Bau des Sonntag-Abendprogramms zusammen. Kein Programm in Westdeutschland zeigt sonntags seine politisch engagierte Fernseharbeit, Ausnahmen sind Wahltage.« Kritisiert wurden aber nicht nur einzelne Sendungen oder Programmtage, sondern auch die großen Fernsehereignisse: Im Herbst 1967 bildeten die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der »Großen Sozialistischen Oktoberrevolution« den Höhepunkt des Fernsehjahrs und der Veranstaltungsmarathon dominierte alle Programmbereiche. Im Rückblick war die Fernsehführung allerdings unzufrieden mit der geleisteten Arbeit und thematisierte recht deutlich den eher misslungenen Spagat zwischen ›Pflichterfüllung‹ des ideologischen Auftrags und dem Eingehen auf die berechtigten Wünsche der Rezipienten. Der Monatsbericht für die Intendanz, verfasst von Dieter Schmotz, beklagte vor allem einen »ungewünschte[n] Ballungseffekt« von Sendungen zur Jahrestagsthematik.145 Demnach hätte es der DFF nicht geschafft, die Zuschauer vom Jubiläum zu begeistern, was vor allem an zu vielen Beiträgen zum Thema und zu direkten Aussagen, also einer zu offensichtlichen Propagierung, gelegen hätte. Zukünftig hoffte man eine solche ›Übersättigung‹ des Publikums vermeiden zu können, ohne freilich den ideologischen Auftrag an das Fernsehen zu negieren: »Zuschauerreaktionen des ›Zuviel des Guten‹ werden bei derartigen, noch dazu über lange Zeiträume laufenden Kampagnen nie ganz zu vermeiden sein.

144 145

Hier und im Folgenden: [Q] Programmleitung 1966b, S. 2-3. Hier und im Folgenden: [Q] Schmotz 1967, S. 5-6.

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Wie stark aber eine solche Tendenz auftritt, wird hochgradig davon abhängen, in welchem Maße es besser gelingt, Kenntnisse und Erkenntnisse auf indirektem Wege zu vermitteln.« Diese ›indirekten‹ Methoden der Ideologievermittlung wurden zukünftig häufiger gefordert und man konnte so überambitionierte Programmbestandteile kritisieren: »Nicht vertretbar erscheint jedoch, wenn der Zuschauer durch den Moderator, Spielmeister, Reporter durch die Ansage oder den Kommentar unter Bild immer wieder geradezu ›mit dem Zaunpfahl‹ auf die Bezogenheit [der Sendungen auf das Jubiläum; C. D.] hingewiesen wird, obwohl das Thema für sich imstande war, die bezweckte Assoziation auszulösen.« Wie die bessere Zuschauerorientierung im Fernsehen umzusetzen wäre, dazu machte Parteichef Ulbricht auf dem VII. Parteitag 1967 konkrete Vorschläge, die vor allem auf einen Ausbau des Unterhaltungsprofils zielten. Demnach sollten künftig keine Rückstände auf dem Gebiet der ›sozialistischen Unterhaltungskunst‹ zugelassen werden, da diese durch die zunehmende Freizeit der Werktätigen immer mehr Bedeutung erhielte. Das Fernsehen bekam den Auftrag, nicht nur die Quantität und Qualität der unterhaltenden Sendungen spürbar zu erhöhen (ins Abendprogramm der Woche wurde daraufhin eine dritte Unterhaltungssendung aufgenommen); der Unterhaltungsbereich sollte insgesamt zum selbständigen gesellschaftlichen »Auftraggeber« werden. Die von den Zuschauern geschätzten Unterhaltungsprogramme wurden von nun an als Kern des Profils betrachtet.146 Der VIII. Parteitag forderte die Unterhaltungsorientierung vier Jahre später noch vehementer als die Parteizusammenkunft im Jahr 1967, dabei war der neue Erste Sekretär des ZK der SED, Honecker, die treibende Kraft. Er machte auf dem Parteitag unmissverständlich klar, dass in der Planung und in den Zielstellungen des Fernsehens künftig die DDR-Zuschauer im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen hatten – galt es doch, sie in bewegten Zeiten von der ›virtuellen Republikflucht‹ abzuhalten.

4.3 Etablierung und Verfestigung des Feindbildes 4.3.1 S YSTEMATISIERUNG

DER

B EOBACHTUNG

Die Analyse der westlichen Fernsehkonkurrenz erreichte in den 1960er Jahren eine neue Qualität: Spätestens ab 1965 waren mehrere Bereiche des DFF unter der führenden Rolle der Programm- und Sendeleitung mit der kontinuierlichen und systematischen Auswertung des ›Westfernsehens‹ beschäftigt. Im Jahr 1969 fand diese Entwicklung ihren Höhepunkt, aus diesem Jahr sind mehr Analysen und Beobachtungen überliefert als je zuvor. Dabei hatte das Jahrzehnt für die Fernsehführung mit einem herben Rückschlag begonnen: Das Politbüro stoppte 1960 die Pläne des Fern146

Vgl. [Q] Glatzer 1969, S. 63-64.

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sehkollegiums für ein zweites Programm und machte damit auch die Hoffnung zunichte, schnell an westliche Entwicklungen aufschließen zu können. Die ausführlichen Vergleiche zwischen west- und ostdeutschem Fernsehen, erstellt von den Mitarbeitern des DFF, hatten ihre erhoffte Wirkung verfehlt. Sie konnten die politische Führung der DDR nicht von der Notwendigkeit des Deutschlandfernsehens überzeugen. Es kann darum nicht verwundern, dass Instrumentalisierungsversuche, die die westliche Überlegenheit als Argumentation für verstärkte Investitionen in das eigene Programm anführten, in den folgenden Jahren ausblieben. Stattdessen begann eine Reflexion über das Programm und die Entwicklung des Westfernsehens, die den internen Zirkel der Fernsehführung selbst als Adressaten hatte und weniger die übergeordneten Gremien der Partei- und Staatsführung. Nikolas Tosse hat bereits die Rolle der verschiedenen Archive des DFF als Instanzen der »Westbeobachtung« in den Forschungsdiskurs eingeführt. Allerdings bedarf seine Darstellung für den Gegenstand der vorliegenden Arbeit einiger Ergänzungen und Präzisierungen. Grundsätzlich ist ihm in seiner Beobachtung zuzustimmen, dass in den 1960er Jahren das Redaktionsarchiv systematisch westdeutsche Printmedien in Bezug auf Informationen über das Fernsehen ausgewertet hat.147 Wie diese Informationssammlungen aussahen und wem sie zur Verfügung gestellt wurden, erläutert Tosse indes nicht. Dies soll hier ergänzt werden: Das Redaktionsarchiv verfasste seit 1963 einen monatlichen »Informationsdienst«, der unter der Prämisse der Vertraulichkeit der Fernsehführung, sprich dem Fernsehkollegium, zur Verfügung stand. Darin wurde zum ersten das Fernsehprogramm des Westfernsehens für den kommenden Monat abgedruckt – eine Information, die die Fernsehmitarbeiter, wie schon dargelegt, nicht der eigenen Programmzeitschrift Funk und Fernsehen der DDR entnehmen konnten. Zum zweiten wurden Auszüge aus westdeutschen Zeitungen und Zeitschriften wiedergegeben, die Fernsehkritiken und Beobachtungen zur bundesdeutschen Fernsehlandschaft enthielten. So zitierte der »Informationsdienst« beispielweise im Oktober 1963 ausführlich einen Artikel der Frankfurter Rundschau über die Planungen zu dritten Fernsehprogrammen in der Bundesrepublik. Dieser reflektierte den gegenwärtigen Stand der Vorbereitungen beim Bayerischen Rundfunk, beim Norddeutschen Rundfunk sowie beim Westdeutschen und Hessischen Rundfunk.148 Als ebenfalls relevant erachteten die Mitarbeiter des Redaktionsarchivs in diesem Monat einen Beitrag in der Bonner Rundschau vom 24. Juli 1963 über eine Diskussionsreihe zu Fernsehproblemen, organisiert von der Produktionsfirma Intertel, sowie Interviews mit Fernsehredakteuren über ihre Arbeit in der Stuttgarter Zeitung vom 10. September 1963.149 Des Weiteren wurden zahlreiche Artikel zu einzelnen Sendungen, Programmstatistiken und Programmbewertungen

147 148 149

Vgl. Tosse 2005, S. 42. Über das Dritte Programm, 25. September 1963, vgl. [Q] Deutscher Fernsehfunk, Redaktionsarchiv 1963, S. 7-8. Vgl. ebd., S. 8-10.

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abgedruckt. Wie dieses Beispiel zeigt, sollten die wiedergegebenen westdeutschen Pressestimmen der DDR-Fernsehführung zu Einblicken in aktuelle Entwicklungen des westdeutschen Fernsehens verhelfen. Die Verfasser des Informationsdienstes enthielten sich eigener Wertungen und Kommentare. Dem Fernsehkollegium wurde damit die Möglichkeit gegeben, sich anhand der westlichen Quellen ein Urteil zu bilden, ohne dass über die Informationen ein ›ideologischer Rahmen‹ gestülpt wurde, wie dies in späteren Bezugsquellen für westliche Informationen getan wurde. Einen dritten Schwerpunkt des Informationsdienstes bildete jeweils eine Ausschnittsammlung zu Sendevorhaben des westdeutschen Fernsehens sowie, als vierte Rubrik, die »Fernseh-Nachrichten aus aller Welt«, also Presseartikel zur internationalen Fernsehentwicklung. Zudem wurden der Fernsehführung monatlich Literaturhinweise russischer Publikationen, aber auch westdeutscher Literatur zum wissenschaftlichen Diskurs über das Fernsehen geliefert. Wie dieses Material im Fernsehkollegium wahrgenommen und diskutiert wurde, ist allerdings nicht überliefert. Die untersuchten Quellen belegen dagegen deutlich, dass ab 1965 Informationen über das Westfernsehen von der Programm- und Sendeleitung an die Abteilungen und Redaktionen weitergegeben wurden und diese Angaben von da an einen höheren Stellenwert besaßen. Die Programmleitung, in ihrer zentralen Rolle als Verwalterin der recherchierten Informationen, ließ diese Berichte nun auch in die wichtigsten Planungsdokumente einfließen. So enthält der »Perspektivplan des Deutschen Fernsehfunks bis 1970« aus dem Jahr 1965 einen Abschnitt zur »Entwicklung des westdeutschen Fernsehens«, der den Programmausbau und den Stand des Farbfernsehens thematisiert.150 An dieser Stelle wurden aber die ideologischen Bewertungen des westlichen Fernsehens, in diesem Fall als angeblich reaktionäre Massenprogramme des Bonner Staates, nicht ausgespart. Im Perspektivplan, in den auch vorgesetzte Instanzen wie die Abteilung Agitation Einblick nahmen, wurde die Unterlegenheit des DFF gegenüber den westdeutschen Fernsehanstalten wieder ausführlich und in drastischer Pointierung dargelegt. Dabei wird deutlich, welches Ungleichgewicht die Programmleitung in der Mitte der 1960er Jahre wahrgenommen hat und welche Steigerung dies zu den Darstellungen in den 1950er Jahren bedeutete: »Schon heute steht dem Deutschen Fernsehfunk ein starker, reaktionärer Machtapparat im Äther gegenüber, der fünfmal so viele Leute hat, fünfmal soviel finanziellen Aufwand pro Minute betreibt, mindestens fünfmal soviel Produktionsfläche besitzt, über 50 magnetische Speichermaschinen verfügt, […] bei dem die westdeutsche Tagesschau über mehr Kameras verfügt als der ganze DFF, neunmal mehr Übertragungswagen hat und viermal mehr Auslandskorrespondenten delegiert.« Das bundesdeutsche Fernsehen, das sich nun aus ARD, ZDF und den dritten Programme zusammensetzte, schätzte man, was die Ausstattung anbetraf, als haushoch überlegenen ›Gegner‹ ein.

150

Vgl. Deutscher Fernsehfunk, Programmleitung 1965, im Folgenden S. 62.

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Dies gab man in vergleichbarer Manier auch an die Parteiführung weiter, indem 1966 dem »Bericht der Intendanz und der Zentralen Parteileitung des Deutschen Fernsehfunks über den Stand der Durchführung der Beschlüsse des 11. Plenums des ZK der SED« eine ausführliche Analyse des bundesdeutschen Fernsehens beigefügt wurde. Die dort vollzogenen detaillierten Vergleiche zwischen den Programmen des Westfernsehens und dem DFF weisen ebenfalls ein starkes Ungleichgewicht in Ausstattung, Finanzierung und Personal aus.151 Auch in der umfangreichen Dokumentation zur »Entwicklung der Informationspolitik im Deutschen Fernsehfunk« wurde 1965 den Beobachtungen zur Konkurrenz ein eigener Abschnitt »Die Informationspolitik des Westfernsehens« eingeräumt. Dabei wurde deutlich herausgestellt, dass auch die für das Selbstbild des DFF so bedeutenden politischen Sendungen in der Konkurrenz gesehen wurden: »Die Durchsetzung der sozialistischen Informationspolitik erfolgt in der täglichen Auseinandersetzung mit dem Westfernsehen. Ein Vergleich zwischen dem Westfernsehen und dem DFF läßt eine große Differenz zu unseren Ungunsten erkennen.«152 Die bundesdeutschen Sender würden demnach täglich ca. 165 Minuten aktuelle Informationen senden, die Sendezeit der Aktuellen Kamera betrüge dagegen maximal 85 Minuten. Anders als im vorher genannten Perspektivplan wurden in dem Strategiepapier zu den Informationssendungen die Vorteile der bundesdeutschen Sendungen relativ vorurteilsfrei dargelegt. Dies ging soweit, dass die Qualität der Arbeit der westdeutschen Journalisten gelobt und das gesamte Organisationsprinzip als vorbildhaft dargestellt wurde.153 Der Bereich der Aktualität scheint dabei für viele führende Fernsehmitarbeiter ein sensibler Punkt gewesen zu sein, der offen kommuniziert wurde: In Schulungsunterlagen für die leitenden Mitarbeiter des DFF wurden 1968 die schlechten Arbeitsbedingungen der Redakteure und die fehlenden Ressourcen der Redaktion Aktuelle Kamera beklagt, wobei man die eigenen Defizite besonders in Vergleich zu den materiell besser gestellten westlichen Nachrichtenproduktionen als alarmierend ansah: »Wenn man […] berücksichtigt, welche Anstrengungen der Gegner auf dem Bildschirm macht, um sein System der politischen Information auszubauen und konzentriert in den Dienst des Kampfes gegen uns zu stellen, muß man zu der Auffassung kommen, daß die Dinge hier auf den Kopf, zumindest nicht auf den Füssen stehen.«154 Vor diesem Hintergrund konnten umso vehementer strukturelle Konsequenzen für den Ausbau des journalistischen Sektors eingefordert werden. An dieser Stelle soll noch einmal zu Gegenüberstellungen zurückgekehrt werden, die sich nicht auf einzelne Bereiche, sondern den gesamten DFF bezogen. Verglichen mit den oben genannten Strategieüberlegungen von 1965 ging die Programmleitung unter Führung von

151 152 153 154

Vgl. [Q] Deutscher Fernsehfunk 1966 sowie die Diskussion der Vorlage in Dittmar 2002, S. 118-119. [Q] o.N. 1965a, S. 14. Vgl. Kapitel 4.4.1. [Q] Betriebsakademie des Deutschen Fernsehfunks 1968, S. 20.

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Dieter Schmotz 1966 noch einen Schritt weiter, indem sie ein ausführliches »Diskussionsmaterial zur Beantwortung der Frage: Wie stellt sich der DFF 1967 auf das feindliche Programm ein?« in der Intendanz in Umlauf brachte. Dieses Dokument verdient besondere Aufmerksamkeit, da es eine sehr unzensierte Sicht der Fernsehleitung auf das Westfernsehen und die eigene Positionierung in der Konkurrenz darstellt. Das Material wurde von Schmotz und seinen Mitarbeitern im Auftrag von Adameck erstellt und die Weitergabe erfolgte auf persönliche Anweisung des Intendanten-Büros. Ausdrücklich wurde vermerkt, dass eine Diskussion und Kritik des Papiers nur mündlich zu erfolgen hatte. Damit war eine große Vertraulichkeit gewährleistet, die eine sehr offene und zugleich realistische Einschätzung der Situation ermöglichte. Die »Ausgangsüberlegungen« des Diskussionsmaterials benennen den Anlass, auf den der DFF mit der Untersuchung reagieren wollte: die dem Fernsehen unterstellte Rolle bei der Vermittlung der bundesdeutschen Politik nach dem Vollzug der großen Koalition. Das herrschende ideologisch-dominierte Feindbild von einem westdeutschen Fernsehen, welches angeblich gelenkt durch das Großkapital und korrupte Politiker antikommunistische Propaganda verbreitete, wurde dabei den neuen politischen Realitäten der Bundesrepublik angepasst. Angesichts dieser aktuellen Tendenzen sah sich das DDR-Fernsehen mehr denn je in der Rolle, »den Gegner im Äther zu entlarven«155. Das Diskussionspapier versuchte nun dieses Vorhaben weniger auf einer weltanschaulichen Ebene anzugehen, sondern betrachtete es von einer pragmatischeren, wirkungsorientierten Seite: »Von der politischideologischen Konzeption her sind wir auf die Auseinandersetzung mit dem Gegner gerüstet. Es bleibt die Frage zu stellen: […] Werden die wichtigen und richtigen Absichten und Anliegen von hoher Warte, mit tiefer und verständlicher Gedankenführung, mit großem Informationswert, in interessanter, neuartiger, origineller und massenwirksamer Weise publizistisch und künstlerisch gestaltet?« bzw. »Ist das Gesamtprogramm so vielseitig, abwechslungsreich, interessant, unterhaltend und die anderen Bedürfnisse der Zuschauer befriedigt, daß die politisch profilierten Sendungen nachhaltig wirken können?« Antworten auf diese Fragen versuchte man im Vergleich beider deutscher Fernsehlandschaften zu finden, wobei neben den bereits ›tradierten‹ Gegenüberstellungen in den Bereichen Programmvolumen, Verhältnis von Erstsendungen und Wiederholungen, Genreproportionen und thematische Analyse auch gänzlich neue Bereiche bedacht wurden: Die Unterscheidung zwischen emotionaler und rationaler Umsetzung des Programmauftrages und die statistische Zuweisung des Stimmungsgehalts der Sendungen (in der Unterteilung belehrend/besinnlich/ernst/heiter/informativ/unterhaltend) stellten erstmalig den Versuch dar, den Grad der Unterhaltsamkeit des Programms zu messen. Gerade in diesem wichtigen Punkt wurden in der Auswertung eigene Defizite eingeräumt: »In diesem Jahr gab es ein relatives Absin-

155

Hier und im Folgenden: [Q] Schmotz 1966, S. 2-12. Hervorhebungen im Original.

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ken der besinnlichen, heiteren und lustigen Sendungen und ein Zunehmen der ernsten. […] Diese Entwicklung muß für 1967 gestoppt werden. Hier liegt quer durch alle Bereiche die Hauptschwäche: Es fehlt das Feuilleton, die Satire, das Kabarett, die Komödie, Lustspiele u.a.« Dabei kam man nicht umhin, den ›Gegner‹ in gewisser Weise für seine bessere Strategie zu loben und diese als vorbildlich für den DFF herauszustellen: »Wir können optimistisch und in der Position des Stärkeren und des Zukünftigen leben, arbeiten, lernen und kämpfen, aber wir sind immer ernst, wenn wir die Wirklichkeit darstellen. Dem Feind gelingt es, seine schlechte Welt liebenswert, freudig, spaßig, besinnlich, traditionsgebunden, konfliktlos und die Probleme belanglos darzustellen.« Anerkennung wurde dem westdeutschen Fernsehen zudem für seine kulturpolitischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Sendungen gezollt und sogar die im Vergleich zum DDR-Fernsehen umfangreichere Berichterstattung des Westens über die Länder des Ostblocks wurde positiv erwähnt. Als Konsequenz dieses Vergleichs wurde eine stärkere Beobachtung des westlichen Programms angeregt und vor allem ein strategisches Reagieren auf die Programmstrukturen des westlichen Fernsehens gefordert. Wie die Beobachtung des Westfernsehens im Zusammenspiel der verschiedenen beteiligten Bereiche in den 1960er Jahren praktiziert wurde, soll an dieser Stelle beleuchtet werden. Hier ist zum ersten der Mitschnitt westlicher Sendungen im DFF zu nennen, die sogenannte Westaufzeichnung. Tosse verweist diesbezüglich auf das Filmarchiv, in dem seit 1958 das Programm des bundesdeutschen Fernsehens vom Bildschirm abgefilmt wurde.156 Im Februar 1960 beschloss das Fernsehkollegium darüber hinaus den »Aufbau eines systematischen Dienstes für die Aufzeichnung und Auswertung des Westfernsehprogramms«157, der den Mitschnitt der Sendungen Die Tagesschau, Das Mitteldeutsche Tagebuch, Der internationale Frühschoppen, Unter uns gesagt, Blick in die Zeit, Die Rote Optik aber auch politische Kabarettsendungen wie Lach- und Schießgesellschaft zum Auftrag hatte. Das Abfilmen dieser Sendungen hatte Vorrang vor dem Mitschnitt des eigenen Programms.158 Die zuständigen Mitarbeiter wurden laut Tosse 1970 als »Gruppe Abfilm« bezeichnet. In den 1960er Jahren findet sich in den Komiteevorlagen allerdings vorwiegend die Bezeichnung »Gruppe Aufzeichnung des feindlichen Programms«159 bzw. »Westaufzeichnung«160. Sie unterstand der Hauptabteilung Politik und die einzelnen Redaktionen waren berechtigt, von der Gruppe Aufzeichnungen auszuleihen. Es wurde allerdings Buch darüber geführt, welche Redaktion sich wie viel Material zur Verfügung stellen ließ.

156 157 158 159 160

Vgl. hier und im Folgenden: Tosse 2005, S. 43. Vgl. [Q] HA Aktuelle Politik 1960a. Vgl. Mühl-Benninghaus 1999, S. 827, wobei Tosse sich auf Mühl-Benninghaus bezieht, dabei allerdings die Quelle falsch zitiert. Vgl. u.a. [Q] Programmleitung 1966, Anlage 1. [Q] Programmleitung 1966, S. 1.

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Neben dem Mitschnitt wurden zum zweiten umfassende Informationen über das bundesdeutsche Programm gesammelt. Auch hier spielte die Gruppe Westaufzeichnung eine wichtige Rolle, da sie in »Abhörprotokollen« Inhaltsangaben aktueller Sendungen erfasste. Diese wurden ab 1966 in einer Referatskartei (Handkartei) systematisiert. Ebenfalls der Programm- und Sendeleitung unterstellt, ergänzte die Abteilung Programmdokumentation die Arbeit der oben genannten Gruppe. Sie erstellte ab Mitte der 1960er Jahre ein »Informationsmaterial«, das den »Informationsdienst« des Redaktionsarchivs ablöste. Dieses Material wurde, wiederum unter dem Hinweis »streng vertraulich«, der Intendanz, den Bereichsleitern und der Zentralen Parteileitung zur Verfügung gestellt. Die Zusammensetzung der Informationen hatte sich gegenüber 1963 stark gewandelt: Nun wurde monatlich das westliche Programm im Nachhinein statistisch erfasst und ausgewertet, teilweise unter Bezugnahme auf die Abhörprotokolle. Neuerungen im Programm wurden explizit vorgestellt. Die Tagesschau wurde in Themenkomplexe unterteilt und detaillierte Themenanalysen betrieben. Den größten Teil des Materials aber nahmen Abhandlungen zum ideologischen Gehalt und der unterstellten »gefährliche[n] psychologische[n] Propaganda gegen die DDR«161 ein. Dabei wurde vor allem das eigene Feindbild vom Westfernsehen referiert und Zitate der Abhörprotokolle eingepasst, die ›neutraleren‹ Informationen über die Konkurrenz scheinen nebensächlicher geworden zu sein. Diese Tendenz der vorwiegend weltanschaulich geprägten Auseinandersetzung mit dem Westfernsehen kann auch organisationsgeschichtlich nachgewiesen werden. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre gab es einige Umstrukturierungen im DFF, wovon auch die Mitarbeiter betroffen waren, die Informationen zum Westfernsehen sammelten und auswerteten. So wurden Anfang 1968 insgesamt sechs vorher getrennte Archive in einem neuen »Zentralarchiv« zusammengefasst, wobei mit dieser Zentralisierung auch den gewachsenen Aufgaben der Westbeobachtung Rechnung getragen werden sollte. Dafür wurde in das Archiv eine »Leitstelle für Information und Dokumentation« integriert, welche die verfügbaren Informationen über das bundesdeutsche Fernsehen systematischer erfassen und reflektieren sollte. Sie unterstand direkt der »Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe« unter der Leitung von Adamecks Stellvertreter Glatzer, während das Zentralarchiv der Programmdirektion zugeordnet war.162 Die »Wissenschaftliche Arbeitsgruppe« war von nun an federführend bei der Analyse und Präsentation der Informationssammlung tätig. Diese Gruppe gestandener Ideologen war dabei vorrangig bemüht, das Fernsehen wissenschaftlich im gesellschaftlichen Kontext zu verorten, Leit- und Feindbilder zu entwickeln und damit die Planung und Leitung des DFF zu unterstützen. Die Daten zur westdeutschen Fernsehentwicklung wurden jetzt fest in einem ideologischen Interpretationsrah-

161 162

[Q] Programm- und Sendeleitung, Abteilung Programmdokumentation 1965, S. 39. Vgl. Tosse 2005, S. 49-53.

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men eingepasst, der den Vorgaben der SED entsprach. Dies war vom Fernsehkomitee durchaus beabsichtigt: So ließ es 1970 für das Abfassen von »Feindanalysen« eigene Kriterien erarbeiten, die verbindlich festlegten, unter welchen inhaltlichen Richtlinien und Klassifikationen das Fernsehen der Bundesrepublik ausgewertet werden müsse. Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass bereits aus dem Jahr 1969 eine hohe Zahl von Berichten und Einschätzungen über das westliche Fernsehen überliefert wurde. Das Interesse der »Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe« beschränkte sich dabei keineswegs auf die Bundesrepublik, auch die internationale Entwicklung wurde analysiert, wie der »Weltstandsvergleich nach ausgewählten Parametern auf dem Gebiet des Fernsehens« aus der Feder der genannten Gruppe belegt. In diesem wurde die Fernsehentwicklung der sozialistischen Staaten der in den ›imperialistischen‹ Ländern gegenübergestellt. Neben der Zuordnung der Fernsehsysteme in ein Gut-Böse-Schema aufgrund ihrer angeblich positiven sozialistischen bzw. zu verurteilenden kapitalistischen ideologischen Zielstellung, wurde auch die Entwicklung einzelner Programmsparten verglichen. Hier übte man durchaus Selbstkritik, indem der DDR nur in den Bereichen Gegenwartsdramatik und Kinderfernsehen ein internationales Niveau bescheinigt wurde. Unter den sozialistischen Fernsehnationen fiele der Arbeitsgruppe zufolge das sowjetische Fernsehen mit seiner Koordination mehrerer zentral gelenkter Programme sowie dort ausgestrahlter historischer Dokumentationen und Bildungssendungen positiv auf. Polen fand mit seinen »politisch engagierten Filmserien«163 Erwähnung. Ein breitgefächerteres Lob wurde allerdings dem »imperialistischen Fernsehen« zuteil. Über das britische Fernsehen hieß es: »Das englische Fernsehen, insbesondere BBC, bestimmt (wenn auch unter anderen gesellschaftspolitischen Vorzeichen) den internationalen Standard in der Informationspolitik in Bezug auf Aktualität und Einzugsbereich.« Italien wurde Respekt für seine musikalischen Unterhaltungssendungen gezollt, dem japanischen Fernsehen das »entwickelste Bildungsprogramm der Welt« attestiert und der USA eine Dominanz »auf dem Gebiet der Kriminalund Abenteuer-Serien« zugestanden. Was das Fernsehen der Bundesrepublik anbetrifft, so wurde dies – ohne die Paradoxie dieser Aussage zu reflektieren – positiv als führend im Bereich der antisozialistischen Propaganda dargestellt: »Das westdeutsche Fernsehen verfügt über die meisten Erfahrungen und die raffiniertesten Methoden der antikommunistischen und antisowjetischen Publizistik und publizistisch-künstlerischen Mischformen. Ein speziell ausgebauter Zweig der dramatischen Produktionen richtet sich unmittelbar gegen den wachsenden Einfluß der DDR auf westdeutsche Bürger.« In diesem Zusammenhang mutet auch die herausgehobene Bewertung der bundesdeutschen Programmaufzeichnung des DDR-Fernsehens befremdlich an: »Die ARD ist die einzige bekannte Fernsehorganisation der Welt, die für Zwecke des ideologischen Klassenkampfes und der Konterpropaganda ein sozialistisches Fernsehprogramm (DFF)

163

Hier und im Folgenden: [Q] Wissenschaftliche Arbeitsgruppe 1969c, S. 4-6.

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vollständig elektronisch aufzeichnet.« Hier klingt vor allem Bewunderung für die technischen Möglichkeiten des bundesdeutschen Fernsehens an, die nicht recht zur inhaltlichen Aussage zu passen scheint. Dahinter offenbart sich aber auch die übliche Paranoia, einem technisch hochgerüsteten ›Gegner‹ gegenüberzustehen, der alle zur Verfügung stehenden Mittel gegen die DDR einsetzt. Die umfangreichen statistischen Angaben zur Fernsehproduktion, Finanzierung und den Rezeptionsbedingungen mit denen der Bericht schließt, belegen ein reales Interesse der Verfasser an der Weitergabe von Daten, Entwicklungsdarstellungen und Beziehungsgeflechten des internationalen Fernsehmarktes. Allerdings wurde gerade bei der Beschreibung des westdeutschen Fernsehens auf die schematisierten Interpretationsmodi zurückgegriffen. Unter dem Diktum einer ›objektiven‹ Gegenüberstellung, der dem Bericht anhaftet, führte dies zu solchen paradoxen ›Belobigungen‹ für die dem Westfernsehen unterstellte ideologische Unterwanderung der DDR. Insgesamt lassen sich die Berichte der »Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe« und ihre Forschungsinteressen nicht allein – hier ist Tosse durchaus zuzustimmen – »auf die Bestätigung präjudizierter Wertungen reduzieren«164. Bevor in den nächsten Kapiteln den in den 1960er Jahren herrschenden ideologisch geprägten Feindbildern von der Bundesrepublik und ihren Medien nachgegangen wird, folgt an dieser Stelle noch ein letzter Beleg für das im Jahr 1969 stark gestiegene Interesse an Darstellungen über das westdeutsche Fernsehen. Im untersuchten Jahr fanden die Analysen über die »Programmtätigkeit des Westfernsehens« Eingang in die Monatsberichte, in denen Programmdirektor Schmotz Rechenschaft über das gesendete Programm des DFF gegenüber dem Fernsehkomitee ablegte. Diese Berichte dokumentierten nun nicht mehr nur die eigene Programmentwicklung, sondern in ausführlichen Anlagen auch die der westlichen Fernsehsender. Das ist umso höher zu bewerten als die Analysen damit einem erweiterten Kreis der führenden Mitarbeiter des Fernsehfunks zugänglich wurden: Außer dem Komitee und allen Direktoren erhielten weitere namentlich aufgeführte Mitarbeiter regelmäßig die Monatsberichte.165 Besonderes Gewicht maßen die Darstellungen dabei den »Neuheiten, Absichten« und »kommende[n] Vorhaben« von ARD, ZDF und den Dritten Programmen bei.166 Neben technischen Innovationen wurden hier vor allem neue Sendungen vorgestellt, sowie zahlreiche Programmankündigungen und -hinweise wiedergegeben. Aber auch die institutionelle Entwicklung der westdeutschen Sendeanstalten wurde akribisch verfolgt, so beispielsweise als im Oktober 1969 der Koordinierungsausschuss von ARD und ZDF neue Regelungen zur Programmabstimmung festlegte.167

164 165 166 167

Tosse 2005, S. 55. Vgl. Verteilerliste u.a. in [Q] Schmotz 1969c. Vgl. ebd., Anlage 3, S. 1. Vgl. [Q] Schmotz 1969d, Anlage E, S. 1.

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Darüber hinaus interessierte die Verfasser unter Schmotz’ Leitung die »Feindplanung«168 zu besonderen Jahrestagen oder Feierlichkeiten im DDR-Festkalender. Im Monatsbericht November 1969 wurde solch eine Prognose zum Programm des westlichen Fernsehens im Leninjahr 1970169 abgegeben. Sie kam zu dem Ergebnis, dass der ›Gegner‹ gezielt versuchen würde, das ostdeutsche Publikum zum Jubiläum durch anziehende Sendungen, wie die Durbridge-Krimis, abzuwerben. In der eigenen Sendetätigkeit wolle das Westprogramm dann »die ›sicher gut und richtig gemeinten‹ Ideen Lenins durch die Darstellung der ›Wirklichkeit‹ in den sozialistischen Staaten zu widerlegen« versuchen. Wie die Beispiele zeigen, bewegten sich auch die Monatsberichte der Programmleitung im Spannungsfeld zwischen der Weitergabe von in westlichen Medien recherchierten Informationen über das bundesdeutsche Fernsehen und der Reproduktion sowie Aktualisierung des Feindbildes vom ›gegnerischen‹ Fernsehen. Allerdings nahm dabei im Vergleich zu den 1950er Jahren zum einen die Intensität und Systematisierung der Beobachtung zu. Zum anderen war der Diskurs über die westliche Entwicklung innerhalb der Fernsehführung nun fest etabliert, was bedeutete, dass sogar die zentralen Planungs- und Rechenschaftsberichte von der Thematik durchdrungen waren. 4.3.2 D IE »B ONNER M ÖCHTEGERNKRIEGER « » WESTLICHEN P ROPAGANDA -Z ENTRALEN «

UND IHRE

Analog zu den Darstellungen der Feindbildnarrative über die Bundesrepublik in den 1950er Jahre werden im Folgenden Kontinuitäten und Innovationen in Bezug auf die vom Fernsehen vermittelten Stereotype in den 1960er Jahren untersucht. Die Hauptmotive, die schon im vorangegangenen Jahrzehnt eingeführt und etabliert wurden, werden dabei kurz in ihrer Relevanz für das folgende Dezennium betrachtet. Der Schwerpunkt dieses Abschnitts liegt bei dem modifizierten Feindbild der zweiten Hälfte der 1960er Jahre, welches den veränderten Rahmenbedingungen sowohl in der Politik der Bundesrepublik als auch in der Deutschlandpolitik der SED Rechnung trug. Begonnen wird jedoch mit den Aspekten des Feindbildes vom anderen deutschen Staat, die zuallererst eine Konstanz der bereits tradierten Charakterisierungen darstellten. Hier kann noch einmal auf die Unterteilung nach Gibas zurückgegriffen werden, die eine begründete Systematisierung erlaubt.170 Drei der vier von Gibas benannten Hauptmotive, die sich bereits für die 1950er Jahre als relevant für den internen Diskurs der Fernsehführung herausgestellt haben, erfahren in den 168 169

170

Hier und im Folgenden: [Q] Schmotz 1969e, Anlage A, S. 1-2. In diesem Jahr wäre der Revolutionsführer 100 Jahre alt geworden. Das Jubiläum wurde in der DDR mit der Ausrufung eines ganzen »Leninjahres« begangen. Vgl. Gibas 2004, S. 87-88 und Kapitel 3.2.2. Zwar hat Gibas diese Motive nur für die 1950er Jahre beschrieben, ihre Überlegungen können an dieser Stelle aber durchaus weitergeführt werden.

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1960er Jahren eine Fortsetzung: die Remilitarisierungsthese in ihrer Abwandlung zum Militarismusnarrativ, die Restaurations- bzw. Imperialismusthese und der Vorwurf einer klerikal-faschistischen Tendenz des bundesdeutschen Staates.171 Diese werden hier getrennt untersucht, wobei völlig außer Frage steht, dass sie intensiv miteinander verwoben waren. Auch die im Folgenden vorgestellten Beispiele verknüpfen mehrheitlich mindestens zwei Narrative miteinander. Das stärkste und am häufigsten vertretene Argumentationsmuster blieb die These von der Bundesrepublik als militaristischem Staat, von dem eine permanente Kriegsgefahr ausgehen würde. Dieses Motiv findet sich in dem untersuchten Material über die gesamten 1960er Jahre hinweg. Einige Beispiele sollen das illustrieren: Die Parteiführung des Fernsehens schätzte regelmäßig die aktuelle politische Lage ein und stellte dabei immer wieder »der beharrlichen Friedenspolitik des sozialistischen Lagers« den westdeutschen »Militarismus als Hauptstörenfried« in der »internationale[n] Arena« gegenüber.172 Dementsprechend interpretierte sie die politische Weltlage als Reaktion auf die »zunehmende Aggressivität des Adenauer-Regimes« und eruierte, dass »diese wahnsinnige, menschenfeindliche Politik heute nur mit einer völligen Isolierung der Bonner Möchtegernkrieger enden kann«. Der Friedenswille des ostdeutschen Staates sollte als Gegenposition hierzu propagiert werden, indem die jeweiligen Initiativen der DDR und der Sowjetunion, wie der ostdeutsche »Friedensplan« oder die Friedensvertragsforderungen, in Ost und West beworben worden. Die Parteileitung verpflichtete sich 1960 feierlich, ihren Beitrag zu diesen Propagandakampagnen zu leisten und dem ›westdeutschen Militarismus‹ entgegenzutreten: »An der Lösung dieser begeisternden Aufgabe mitzuarbeiten, den Deutschen Fernsehfunk zur scharfen Waffe in den Händen unserer Partei zu machen, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln den Kampf gegen Militarismus und Krieg, für Frieden und Sozialismus zuführen – das ist uns eine edle und hohe Verpflichtung.« Die Genossen erklärten, dass »sie ihre Kräfte nicht schonen werden, um diese Verpflichtung in Ehren zu erfüllen«. Welche Sendungen im folgenden Jahr konzipiert wurden, um »die Machenschaften der Bonner Militaristen und Revanchisten zu entlarven«173 wurde an anderer Stelle bereits untersucht.

171

172 173

Das erstgenannte Narrativ Gibas’, die These von der Bundesrepublik als einer Kolonie des US-amerikanischen Imperialismus, war schon in den 1950er Jahren von marginaler Bedeutung. In den 1960er Jahren gab es vereinzelt Theorien zum amerikanischen Einfluss auf die Bundesrepublik und ihre Medien. Da der RIAS immer wieder Gegenstand ostdeutscher Analysen und heftiger Kritik war, wurde dadurch die Rolle der USA häufiger thematisiert. Dem bundesdeutschen Fernsehen wurde mitunter vorgeworfen, mit der Ausstrahlung von US-Produktionen amerikanische Leitbilder vermitteln zu wollen, vgl. u.a. [Q] Schmotz 1969a, S. 5. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1960a, S. 1-2. [Q] Deutscher Fernsehfunk, Intendanz 1961, S. 1.

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Insgesamt fällt bei dem betrachteten Motiv eine starke Monotonie in Form häufiger, fast wortgenauer Wiederholungen auf, was dessen Konstanz für die erste Hälfte der 1960er Jahre belegt. Drei Jahre später hieß es mit großer Ähnlichkeit zum Zitat von 1960: »der Störenfried in Europa ist Bonn, der Kampf gegen die westdeutschen Ultras, gegen die Überreste des Krieges ist lebensnotwendig für das deutsche Volk«174. Ebenso monoton wurde die »Bonner Atompolitik«175 als Beleg für die angeblich kriegstreiberischen Absichten der Bundesregierung ins Feld geführt. Noch 1965 wurde »die Verhinderung der atomaren Rüstung in Westdeutschland zu einer Schlüsselfrage« stilisiert: »Atomwaffen in den Händen der Revanchisten und Militaristen bedeuten äußerste Gefahr fürdie [sic!] Sicherheit der Völker Europas, die Verstärkung eines Brandherdes in Europa und versperrt den Weg zu normalen Beziehungen beider deutscher Staaten.«176 Nach Bildung der großen Koalition 1966 wurden die inhaltlichen Schwerpunkte des Motivs an die neuen Kampagnen der SED angepasst. Die Militarisierungsthese wurde nun vor allem im Zusammenhang mit der Verurteilung der Notstandsgesetzgebung thematisiert. Darauf wird hier allerdings erst bei der Betrachtung der neuen Tendenzen im Feindbild eingegangen. Nachfolgend werden die verbleibenden beiden Motive nach Gibas für die 1960er Jahre rekonstruiert. Die dritte These, die Erzählung vom Revanchismus und Imperialismus, nahm auch in diesem Jahrzehnt breiten Raum ein. Der Imperialismus hätte dabei einerseits eine internationale Komponente besessen, so wurde beispielsweise 1969 eine von Moskau organisierte »Offensive gegen den Hauptfeind der Menschheit, den Imperialismus«177 gefordert. Andererseits war das konkretere Feindbildmotiv des westdeutschen Imperialismus häufiger und akzentuierter vertreten. Im Jahr 1965 wurde in Vorbereitung des kommenden Programmjahres verlangt, die »Auseinandersetzung mit der revanchistischen und chauvinistischen Ideologie der reaktionären Kräfte der westdeutschen Monopole«178 als eine der ideologischen Grundfragen fest im Programm zu verankern. Zwei Jahre später übertrug Adameck das tradierte Feindbild mühelos auf die neue politische Situation in der Bundesrepublik: »Die Lage in Westdeutschland entspringt nicht nur Krisenerscheinungen, sondern entspricht dem Charakter des deutschen Imperialismus. Sie wird bewusst organisiert durch den jetzt regierenden reaktionären Kern des Monopolkapitals.«179 In der Vorgabe des Fernsehkomitees für das Programmjahr 1970 wurde vom DFF verlangt, »Grundüberzeugungen, Charakterzüge und Verhaltensweisen bewusster sozialistischer Persönlichkeiten« zu för-

174 175 176 177 178 179

[Q] o.N. 1963a, S. 15. [Q] Deutscher Fernsehfunk, Sendeleitung 1965a, S. 3. [Q] Schmotz/Nehmzow 1965, S. 1. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1969a, S. I/A 7. [Q] Programm- und Sendeleitung 1965, S. 5. [Q] Beckmann 1967, Anhang: Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen von der Intendanzsitzung, S. 1, handschriftlich korrigiert.

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dern. Eine der wichtigsten Grundüberzeugungen, die vermittelt werden sollte, war demnach »das Selbstbewusstsein des Bürgers eines sozialistischen Staates, der die Rolle der DDR im Klassenkampf zwischen Sozialismus und Imperialismus begreift, seinen Feind, den westdeutschen Imperialismus genau kennt und von Stolz auf die DDR sowie von dem Bedürfnis durchdrungen ist, schöpferisch seine ganze Kraft für die ökonomische, politische, kulturelle und militärische Stärkung dieses Staates einzusetzen«180. Der Dualismus zwischen Sozialismus und Imperialismus blieb auch Ende der 1960er Jahre ein starkes Motiv, das das Selbst- als Feindbild der DDR-Gesellschaft definierte. Das Fernsehen sollte den Stolz auf den sozialistischen deutschen Staat, gesteigert zu einem spezifischen ostdeutschen Nationalgefühl, vermitteln. Dabei war vorgegeben, dass dieses positive Bild der DDR bestenfalls vor dem negativen der Bundesrepublik zu erschaffen war. Das vierte und letzte Motiv nach Gibas ist die Demaskierung der Bundesrepublik als ›klerikal-faschistisches Regime‹. Dieses Narrativ schlug sich aufgrund der heftigen von der SED initiierten Kampagnen gegen prominente bundesdeutsche Politiker am offensichtlichsten im Fernsehprogramm nieder und ist bisher auch am besten dokumentiert. Die Angriffe gingen dabei nicht nur vom ostdeutschen Staat, sondern maßgeblich auch von der Sowjetunion und Polen aus.181 Seit 1959 stand der Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer im Mittelpunkt einer groß angelegten Kampagne,182 1960/61 richteten sich weitere Aktionen gegen den Kanzleramts-Staatssekretär Hans Globke183 sowie gegen den Verteidigungsminister Franz Josef Strauß. Nach 1963 ebbten diese Propagandafeldzüge langsam ab, erreichten aber 1965 einen nachgelagerten Höhepunkt, als der Bundespräsident Heinrich Lübke als »KZ-Baumeister« angeklagt wurde. Die DDR trat mit ihrer Beteiligung an den inhaltlichen und personellen Kampagnen eine »Flucht in die Ideologie« an, um von der Systemkrise abzulenken, mit der sich die Staatsführung seit dem Beginn des Jahres 1960 konfrontiert sah.184 Das Politbüro, und hier vor allem Norden, band die Medien in massive Kampagnen gegen ein angeblich renazifiziertes Westdeutschland ein,185 wobei auch das DDR-Fernsehen zur Verbreitung der angeblichen Enthüllungen instrumentalisiert wurde.186 Eine herausgehobene Rolle im Programm spielte dabei die

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[Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1969b, S. I/A 3. Vgl. Prase 2006, S. 77. Der Fall »Fall Oberländer« wurde ausführlich in Wachs 2000 aufgearbeitet. Zu den SED-Kampagnen vgl. darin besonders Kapitel II, »Ex oriente lux? Oberländer im Fadenkreuz Albert Nordens«, S. 191-316. Zum Diskurs um Globke in der Bundesrepublik vgl. Jacobs 1992. Vgl. ausführlich Lemke 1993. Wie der Deutschlandsender diese Kampagnen führte, dazu vgl. das Programmbeispiel ›Antifaschistische‹ Kampagnen in Arnold 2002, S. 452-476. Zur »DEFA-Methode« vgl. Steinle 2003, S. 135-151. Die beschriebenen Kampagnen stellten dabei keine Ausnahme dar. Den DFF erreichten regelmäßig Anweisungen verschiedener Instanzen, die Kampa-

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DEFA-Reihe Archive sagen aus des Ehepaars Thorndike, aber auch die bekannten Enthüllungsfilme von Heynowski Mord in Lwow (1960) und Aktion J (1961) wurden mehrfach im DDR-Fernsehen ausgestrahlt. Neben diesen, teilweise von Norden konkret in Auftrag gegebenen Produktionen, waren es im DFF vor allem die tägliche Aktuelle Kamera und das Telestudio West, welche dem Fernsehpublikum ›Beweise‹ für die Täterschaft der prominenten Bundesbürger präsentierten.187 Die angegriffenen Personen waren dabei für die SED im übertragenen Sinne Statisten in einem propagandistischen Schlagabtausch, der sich tatsächlich gegen die Bundesrepublik als Staat richtete. Um Vergangenheitsbewältigung und die Aufarbeitung von Schuld ging es nur vordergründig, wofür schon die völlige Abstinenz einer Diskussion der Rolle von DDR-Prominenten spricht.188 Diese war in der DDR tabuisiert, die Schuld innerhalb des Systems durfte nur auf Seiten des ›Klassengegners‹ gesucht und gefunden werden – tauchten Verbindungen zu hochrangigen ostdeutschen Persönlichkeiten auf, wurden diese Beweise zurückgehalten.189 Albert Norden musste z. B. im Zusammenhang mit dem Eichmann-Prozess vorsichtiger agieren. Es bestand die Gefahr, dass die DDR-Generäle Arno von Lenski und Vincenz Müller einer Mittäterschaft an Eichmanns Verbrechen angeklagt werden konnten.190 Die westdeutschen Protagonisten konnten aus ostdeutscher Sicht, wie schon dargelegt, beliebig ausgetauscht werden, ›Hauptgegner‹ war und blieb der bundesdeutsche Staat und seine Führung. Die Parteiorganisation des Fernsehens formulierte es 1960 folgendermaßen: »Der Hauptstörenfried i[m …] Ringen der Völker um Frieden Abrüstung und Entspannung ist die klerikal faschistische Clique in Bonn. Vor Jahrzehnten lehrte Lenin, dass der deutsche Imperialismus und Militarismus eine wesentliche Besonderheit hat, sie besteht in der besonderen Aggressivität. Wie wahr ist das, was Lenin vor Jahrzehnten feststellte. In Gestalt der Adenauer, Schröter [sic!], Strauss, Oberländer, Brandt u.a., in Gestalt des Bonner Staatsapparates und Militärapparates ihrer konkreten Taten wird das täglich bewiesen.«191

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gnen initiierten und dabei oft das Material für diese zur Verfügung stellten. Beispielsweise regte der Bereichsleiter für die »Entlarvung des Charakter des Bonner Staates« der Westkommission beim Politbüro, Arne Rehahn, 1964 eine DFF-Kampagne gegen die Verletzung der Menschenrechte in der Bundesrepublik an. Der Anlass, der dafür genutzt werden sollte, war der angebliche Überfall der bundesdeutschen Polizei auf eine Leserversammlung der Zeitschrift Heute im Juni 1964. Vgl. [Q] Rehahn an Singer, 25.06.1964. Vgl. ausführlich Prase 2006, S. 78-100. Für die restliche Bevölkerung galt eine Verschärfung der Bestrafungspraxis gegen ehemalige NS-Straftäter, die zur Verhängung mehrerer Todesstrafen führte, vgl. Lemke 1993, S. 161. Die Dokumente, die als Nachweise für die Anklagen dienten, wurden vor allem vom MfS beschafft, was sowohl bedeute, dass das Ministerium Quellen recherchierte als auch selbst anfertigte und fälschte. Vgl. ebd., S. 163. [Q] SED, APO – Programm 1960, S. 2.

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Für diese These spricht zudem, dass auch nach Abflauen der Anklagewelle die Diskreditierung der Bundesrepublik als angeblich renazifizierter Staat eine zentrale Forderung an das Fernsehen blieb. Die Propaganda sollte fortgesetzt werden, weil die Medienkampagnen der frühen 1960er Jahre ihre erhoffte Wirkung verfehlt hatten: Weder verlor der westdeutsche Staat in größerem Umfang an internationalem Ansehen oder konnte sich die DDR als antifaschistisches ›Gegenstück‹ zur Bundesrepublik etablieren, noch bekämpfte der ostdeutsche Staat damit seine innenpolitischen Krisenerscheinungen. Dies tat der Feindbildlegende von der renazifizierten Bundesrepublik keinen Abbruch: Im Jahr 1964, anlässlich des 15. Jahrestag der DDR, verpflichtete sich das Fernsehen erneut in »einer Vielzahl von publizistischen und künstlerischen Sendungen« nachzuweisen, dass der »Bonner Staat […] der ›Naturschutzpark‹ der alten Faschisten und Militaristen [wäre; C. D.], die mit den Monopolen die Macht ausüben, revanchistische Ziele verfolgen und einen dritten Weltkrieg vorbereiten«192 würden. Ein Jahr später wollte die Hauptabteilung Politik in Vorbereitung der Bundestagswahlen in ihren Sendungen den Beweis führen, »daß die heutige Bonner Politik die Politik Hitlers ohne eine Nazipartei und mit geänderten Methoden ist«. Dafür sollten in den Beiträgen »die Reden, die Maßnahmen, die Strategie und Taktik der Bonner Politiker zu derjenigen Hitlers und seiner Regierung in vergleichende Beziehung«193 gesetzt werden. Vor dem Feindbild der angeblich faschistisch ausgerichteten und regierten Bundesrepublik ließ sich der ›antifaschistische‹ ostdeutsche ›Friedensstaat‹ zu gut absetzen, um dieses Argumentationsmuster fallen zu lassen. Es blieb auch in den kommenden Jahrzehnten ein festes Paradigma in der Darstellung der Bundesrepublik, das von der Fernsehführung immer wieder reproduziert wurde. Ende der 1960er Jahre bzw. Anfang der 1970er Jahren wechselte dabei bloß das ›Label‹ unter dem dieses Stereotyp gepflegt wurde, aus dem ›faschistischen‹ bzw. ›renazifizierten‹ Westdeutschland wurde die ›neonazistische‹ BRD. An dieser Stelle gilt das weitere Interesse den Modifizierungen und Ergänzungen des Feindbildes ab Mitte der 1960er Jahre. Die Fernsehführung reagierte – größtenteils angeleitet durch die Abteilung Agitation – sensibel auf die Veränderungen und neuen Ausrichtungen der bundesdeutschen Politik. Dafür spricht auch, dass schon ein Jahr vor Bildung der großen Koalition, nach den Bundestagswahlen 1965, eine Umorientierung in der Präsentation des politischen ›Gegners‹ gefordert wurde. Die Programm- und Sendeleitung, die die Intendanz des DFF über die Vorbereitung des kommenden Programmjahres informierte, schlug diesbezüglich Alarm: »Um das Wesen der nationalen Frage in Deutschland und die neuen Bedingungen des Kampfes gegen Monopolherrschaft und Militarismus zu verstehen, ist es dringend notwendig, die neuen Merkmale des staatsmonopolistischen Systems der Bevölkerung zu erläutern. Die alten Vorstellungen über den Kapitalismus ge-

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[Q] Programmleitung 1964, S. 4. [Q] HA Politik 1965, S. 4.

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nügen um so weniger, als die Monopolherren und ihre Ideologen die Veränderungen in der Herrschaftsform des Monopolkapitals als eine Veränderung im Wesen des Imperialismus hinstellen und durch die Erfindung neuer Theorien von der ›Industriegesellschaft‹, der ›formierten Gesellschaft‹ u. a. große Anstrengungen machen, um den volksfeindlichen Charakter ihrer Herrschaft zu verschleiern.«194 Hierfür fehlten im damaligen Plan für das Jahr 1966 die geeigneten Sendungen, weshalb die Programmleitung vor allem die Hauptabteilung Politik anhielt, mehr Dokumentationen zur »nationalen Politik« vorzubereiten. Dafür sollten bei Bedarf auch Kapazitäten der DEFAStudios gebunden werden. Es wurde akzeptiert, dass dies zu Lasten anderer Produktionen gehen könnte, was den hohen Stellenwert der Forderung belegt. Zudem wurde vehement beklagt, dass die Fernsehdramatik die Verhältnisse im Westen Deutschlands ungenügend widerspiegeln würde. Im Rückblick resümierte Programmdirektor Schmotz 1969, dass diese Mängel 1967 und 1968 weitgehend beseitigt worden wären.195 Ab 1965 war tatsächlich, so die Einschätzung Tilo Prases, »eine neue Qualität filmischer Auseinandersetzung erreicht worden«196, was sich besonders im Bereich der Dokumentarischen Genres anhand der Produktionen von Heynowski & Scheumann nachweisen lässt.197 Trotzdem sind auch kritische Positionen zur Darstellung der Bundesrepublik aus jenen Jahren überliefert, was dafür spricht, dass die Ansprüche im Vergleich zu den Vorjahren gewachsen waren. Im April 1967 äußerte sich Liebeskind in einer Diskussion der Intendanz zu diesem Problem: »Ich habe die Stücke vieler Autoren gelesen und festgestellt, daß sie hinter der Entwicklung zurückgeblieben sind. Die Vorstellungen über Westdeutschland sind zu primitiv.«198 Die Forderung nach einem differenzierteren Bild von der Bundesrepublik wurden dabei nicht zufällig im zeitlichen Umfeld des VII. Parteitages formuliert. Dieser Parteitag, der vehementer als zuvor die Normalisierung der Beziehungen zur Bundesrepublik und die staatliche Anerkennung der DDR eingefordert hatte, hinterließ deutliche Spuren im Feindbilddiskurs der Fernsehführung. Für eine kurze Zeit wurde ein verändertes, gemäßigteres Bild propagiert: Es stand völlig unter dem Duktus, das deutsch-deutsche Verhältnisses auf ein ›normales‹ Maß an diplomatischen Beziehungen zu reduzieren. Dies schien auch eine neutralere und distanziertere Thematisierung des Westens zu bedeuten. So wurden die ideologischen Zielstellungen für das bundesdeutsche Publikum deutlich zurückhaltender formuliert, sowohl was die gesetzten Ziele als auch deren verbale Umsetzung betraf.

194 195 196 197

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Hier und im Folgenden: [Q] Programm- und Sendeleitung 1965, S. 6-8. Vgl. Kapitel 4.2.1. Prase 2006, S. 164. Zur neuen Art der Feindporträts zählen dabei Der lachende Mann (1966), Geisterstunde (1967), Piloten im Pyjama (1968) der Dokumentaristen Heynowski & Scheumann. [Q] Liebeskind 1967, S. 4.

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In den Zielstellungen für die Programmtätigkeit nach dem Parteitag hieß es dazu: »In unseren Argumentationen werden wir unseren westdeutschen Zuschauern erklären, […] daß im Interesse des Friedens normale und vernünftige Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten, zwischen ihren Regierungen, gegenseitige Anerkennung und volle Gleichberichtigung [sic!] dringend notwendig sind« und, »daß die DDR seit zwei Jahrzehnten bereit ist, alles erdenklich [sic!] für Verständigung und Frieden zu tun, während die Regierung Westdeutschlands stets mit gesteigertem Revanchismus und zugespitzter Feindseligkeit gegen die DDR antworteten [sic!], ja sich sogar sozialdemokratischer Minister als Erfüllungsgehilfen an der gefährlichen CDU-CSU-Politik beteiligen«.199 Zwar wurde, wie das Zitat belegt, an tradierten Ressentiments gegenüber der Bundesrepublik festgehalten, wobei man die neue Regierungskonstellation – wie schon dargelegt – als Verrat der SPD angeprangerte. Die Anschuldigungen hatten aber insgesamt an Schärfe verloren. Dieser Umschwung blieb allerdings eine kurze Episode. Schon im Juli 1967 gab die Abteilung Agitation dem Fernsehen wieder eine härtere Gangart vor. Nachdem das Angebot der DDR, die Beziehungen beider Länder um den Preis der Anerkennung zu entkrampfen, keine schnellen Früchte trug, wurde gegen den anderen deutschen Staat erneut heftiger polemisiert. Zukünftig sollte der Bundesrepublik verstärkt die Schuld für das gespaltene Verhältnis beider Länder zugesprochen werden: »Die Entwicklung der westdeutschen Bundesrepublik von einer scheindemokratisch manipulierten Kanzlerherrschaft zur kaum noch verhüllten totalitären Herrschaft des staatsmonopolistischen Kapitalismus zeigt, daß sich die Politik der Bonner Regierung immer weiter von den nationalen Interessen der Deutschen entfernt.«200 In den folgenden Jahren wurde die Bundesrepublik dementsprechend häufig als »Spalterstaat« tituliert und charakterisiert.201 Die zitierte Vorgabe der Abteilung Agitation belegt darüber hinaus die deutliche Anpassung des Feindbildes an die politischen Veränderungen nach 1966: Das Narrativ von der machtvollen Adenauer-Regierung (das nach 1963 zunächst auf den neuen Kanzler Erhard übertragen worden war) wurde in das neue Stereotyp von der ›Herrschaft des staatsmonopolistischen Kapitalismus‹ überführt. Die Theorie vom staatsmonopolistischen Kapitalismus, welche im Wesentlichen auf Lenin zurückgeht, erfuhr Mitte der 1960er Jahre in ihrer Anwendung auf die Bundesrepublik eine Renaissance in der DDR.202 In Kombination mit der von ostdeutscher Seite geübten Kritik an der Vorbereitung der Notstandsgesetzgebung wurde die Bundesrepublik zu einer »Notstandsdiktatur der Monopole«203 stilisiert. Gleichzeitig erlaubte das da-

199 200 201 202 203

[Q] o.N. 1967b, S. 18-19. [Q] Abteilung Agitation 1967, S. 6. Vgl. u.a. [Q] o.N. 1969, S. 10. Vgl. als zentrale Publikation des Instituts für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED Hemberger 1965. [Q] Abteilung Agitation 1967, S. 7.

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raus abgeleite Feindbildschema eine stärkere Integration neuer Aspekte und auch Personenkreise, die außerhalb der bisher dominanten Bereiche Regierung und Militär standen. Das beste und zugleich auch gut dokumentierte Beispiel ist die ostdeutsche Medienkampagne zur Person Axel Springers.204 Dass Springer dabei zum Symbol des oben genannten Kapitalismus-Modells stilisiert wurde, entsprach sowohl den zeitgenössischen Beobachtungen als auch den Intentionen der SED. In der DDR-Wochenzeitung Sonntag, herausgegeben vom ostdeutschen Kulturbund, las sich dies 1970 folgendermaßen: »Die Figur Springer, die zweifelsohne mit ›Welt‹ und ›Bild‹ das Weltbild von 20 Millionen Lesern prägt (also die Hälfte der wahlberechtigten Bundesbürger), interessiert uns nur deshalb, weil diese Sumpfblüte des staatsmonopolitischen Kapitalismus als Demonstrationsobjekt bestens geeignet ist.«205 Den Höhepunkt der Springer-Debatte bildete dabei der Fernsehroman Ich – Axel Cäsar Springer, der zwischen 1968 und 1970 ausgestrahlt wurde. Die ›monopolistischen‹ Aspekte des in der DDR reproduzierten Feindbildes von Springer lassen sich in zwei Argumentationslinien unterteilen: Zum einen wurde der stetig wachsende ›Springer-Konzern‹ als typisches Beispiel für die Expansion eines Unternehmens innerhalb des Monopolkapitalismus dargestellt. Die ›staatsmonopolistische‹ Perspektive wurde dabei laut der Kritik an Springer durch seine besonderen Beziehungen zu den Regierungskreisen in der Bundesrepublik erklärt, die eine Durchdringung von Finanz- und Staatsmacht darstellten.206 Zum anderen wurde Springer vorgeworfen ein »Meinungsmonopol« errichten zu wollen, indem er sein Presseimperium zur Manipulierung der bundesdeutschen Bevölkerung nutzte. Unter dem Schlagwort »Bewusstseinsindustrie« wurde den westdeutschen Medien dabei generell unterstellt, dass sie, kontrolliert durch die ›Monopolkapitalisten‹, die Rezipienten gezielt beeinflussen wollten.207 Der letztgenannte Aspekt lässt sich sehr gut mit einer weiteren Beobachtung in Verbindung bringen: Untersucht man das Feindbild, das die DDR-Fernsehführung in ihren Konzeptionen und Profilbeschreibungen jener Jahre hinterlassen hat, fällt auf, dass ab 1965 stark auf den unterstellten Antikommunismus und den versuchten Einfluss der Bundesrepublik auf die DDR fokussiert wurde. Ohne Zweifel gehörte dieses Motiv seit der Gründung der DDR zum Ensemble der dem Westen unterstellten Absichten, ab Mitte der 1960er Jahre nahm es aber sowohl quantitativ als auch qualitativ neue Dimensionen an. Der »Antikommunismus a la Springer«208 wurde zu einem wichtigen Bestandteil des

204

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Während der gesamten 1960er Jahre beschäftigte sich die DDR-Medien mit Springer und seinen Presseprodukten, am intensivsten jedoch in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts. Vgl. ausführlicher Bartz/Ruchatz 2005. Böhme 1970. Vgl. Bartz/Ruchatz 2005, S. 75 sowie als zeitgenössische Darstellung Knipping 1960. Vgl. u.a. [Q] Wissenschaftliche Arbeitsgruppe 1969c, S. 3. [Q] Schmotz 1966, S. 2.

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Feindbildsujets von der Bundesrepublik. Nach 1966 wurde das Motiv auf die regierende Große Koalition übertragen und argumentiert, dass diese »dem Gift des Antikommunismus in ihrer revanchistischen-neonazistischen Konzeption [einen; C. D.] Hauptplatz eingeräumt« hätte. Als »Zielscheibe[n]«209 dieser westlichen Propaganda wurden vor allem die Sowjetunion und die DDR ausgemacht. So warnte die Abteilung Agitation die DDR-Medien bereits im Jahre 1965 vor einer »antisowjetischen Kampagne«210 der Bundesrepublik und Westeuropas. Zwei Jahre später beobachtete man mit großem Argwohn, wie die Sowjetunion anlässlich ihres 50. Jahrestages im Westen dargestellt wurde. Was die angeblich gesteigerte Diversionstätigkeit gegen den ostdeutschen Staat betraf, so präsentierte die Abteilung Agitation den Medienvertretern 1966 eine Erklärung, die aus heutiger Sicht historische Tatsachen ad absurdum führte. Sie ist auch deshalb an dieser Stelle von besonderer Bedeutung, da sie die SED-konforme Interpretation des Mauerbaus Mitte der 1960er Jahre wiedergibt: »Die verstärkte Hetze gegen die DDR datiert vom 13. August 1961, dem schwarzen Freitag der Bonner Regierung. Seit dem Bau des antifaschistischen Schutzwalls wurde vor aller Welt deutlich, daß die Politik der Bonner Regierung in eine [sic!] Sackgasse gelandet ist, aus der es kein Entrinnen gibt, es sei denn, es erfolgt eine grundlegende Wende der Politik in Westdeutschland. Die Bonner Herren, die Deutschland gespalten haben, die in den drei westlichen Zonen die deutsche imperialistische Vergangenheit restaurierten, können nicht zwei Dinge zur gleichen Zeit haben: entweder Atomwaffen oder Frieden in Europa, entweder Revanchismus oder Wiedervereinigung. Atomwaffen und Revanchismus schließen Frieden und Wiedervereinigung aus. Deshalb bauen die Bonner Herren, die die DDR einkassieren möchten, in ihrer Politik auf die Aufweichung, deshalb verstärken sie die Hetzsendungen gegen die DDR.«211 Der Bundesrepublik wurde nicht nur wie selbstverständlich die Schuld an der Teilung Deutschlands gegeben, ihrer politischen Führung unterstellte man auch, mittels der Medien einen »Krieg« gegen die DDR zu führen. Dieser hätte laut den ostdeutschen Ideologen im Ergebnis dazu führen sollen, die SED zu entmachten: »Der ›verdeckte Krieg‹, mit dem sie [die Bonner Herren; C. D.] die Machtverhältnisse in der DDR ändern möchten, beinhaltet ein System von politischen, psychologischen, subversiven und militärischen Kampfmethoden. Die Bonner Machthaber lassen nichts unversucht, um den Boden für konterrevolutionäre Aktionen aufzubereiten. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die westdeutschen Rundfunk- und Fernsehstationen.« Das Motiv der psychologischen Kriegsführung – hier zwar noch nicht als solches benannt, aber durchaus als dieses beschrieben – wurde zum Ende der 1960er Jahre und verstärkt in den 1970ern das dominante Erklärungsmuster für die den westdeutschen Medien unterstellte ideologische Diversionstätigkeit. Die Semantik des Militärischen, die dabei

209 210 211

[Q] o.N. 1967a, S. 1. [Q] Leuschner 1965, S. 1. Hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Agitation 1966, S. 2-3.

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Verwendung fand, stellte nur eine Weiterführung bereits etablierter Metaphern dar: Allen voran war es der Begriff der Medien als »Waffen«, die schon den Diskurs der 1950er Jahre prägten und zwar sowohl als Selbstbeschreibung (die Waffen in den Händen der Partei) als auch für die Darstellung des ›Gegners‹. Der Kriegsmetapher bediente sich im gleichen Jahr auch eine Publikation der Abteilung Agitation/Propaganda der SED-Bezirksleitung Schwerin, um die westdeutsche Rundfunk- und Fernsehpolitik zu analysieren. Unter dem Titel »Unternehmen Wellenkrieg« präsentierte die Broschüre ein detailliertes Feindbild der bundesdeutschen Rundfunkmedien, mit dem erklärten Ziel die DDR-Zuschauer zu einem »›nein‹ zu den Sendern des kalten, lauen und heißen Krieges«212 zu bewegen. Den Lesern des Heftes versuchte man drastisch vor Augen zu führen, was der Konsum westlichen Fernsehens angeblich anrichten konnte: In Schwerin hatte ein 17-jähriger eine Frau brutal überfallen – und die ›Schuld‹ an der Straftat wurde nun westlichen Kriminalfilmen untergeschoben. Nach Ansicht der Autoren führten Spielszenen im Fernsehen direkt zu Handlungen der Rezipienten. Wenn es sich bei den konsumierten Programmen um »das Gift aus dem Äther« handelte, waren diese Handlungen demnach ferngesteuert und entsprachen den Intentionen der Programmbetreiber. Auch in dieser Veröffentlichung stand das Feindbild von den westlichen Medien, die die DDR-Zuschauer bewusst manipulieren würden, im Zentrum der Argumentation. Die gesamte Darstellung versuchte dabei Wissenschaftlichkeit zu suggerieren, indem westliche Pressetexte sowie Fernsehereignisse als ›Belege‹ zitiert wurden, um daraus folgendes Resümee zu ziehen: »Eine Analyse westdeutscher Rundfunk- und Fernsehprogramme ergibt das Bild einer raffiniert zusammengestellten Mixtur, die auf alle menschlichen Interessengebiete abgestimmt ist. Man will den Verstand und das Gefühl der Menschen in Besitz nehmen, um sie den antihumanitären Zielen anzupassen, die man sich im politischen Bereich gesetzt hat.« Auch dieses Beispiel zeigt, dass das Feindbild der westdeutschen Medien Mitte der 1960er Jahre zumindest im SED-Diskurs sehr präsent war. Hinzu kam, wie weiter unten beschrieben, eine intensive Auseinandersetzung der ostdeutschen Presse mit diesem Thema. Das Feindbildnarrativ sollte offensichtlich bei der Bevölkerung etabliert werden, um den moralischen Druck gegen das Einschalten westlicher Sender zu erhöhen. Dass diese Strategie nicht von Erfolg gekrönt war, belegen alle zur Verfügung stehenden Daten über die Rezeption bundesdeutscher Programme in der DDR. Bemerkenswert ist an diesen und anderen Beispielen dabei auch die offensichtliche ›Doppelzüngigkeit‹, die den Schilderungen zum Feindbild innewohnt. Eigene Handlungen und Aktionen des bundesdeutschen Fernsehens unterlagen komplett unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben. Die DDR-Führung warf den BRD-Medien genau das Vorgehen vor, welches sie selbst betrieb: Eine gezielte und kontinuierliche Propaganda, mit der die DDR-Medien höchst offiziell beauftragt waren

212

Hier und im Folgenden: Bezirksleitung Schwerin der SED o.J. [1966].

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und zu der man sich innerhalb des Selbstbildes einzelner Medien auch offen bekannte. Bestimmte Vorstellungen in die Köpfe der Rezipienten zu ›transportieren‹ und somit ideologisch zu wirken, wurde in den eigenen Funktionszuschreibungen durchweg positiv konnotiert. Das traf allerdings nicht für die westlichen Medien zu: Was bei den ostdeutschen Medien legitim und im erzieherischen Sinne auch ›notwendig‹ schien, wurde bei den ›gegnerischen‹ als abzulehnende ›Meinungsmanipulation‹ gebrandmarkt. Bevor im folgenden Abschnitt auf die im letzten Zitat schon angesprochene, besondere Rolle des Fernsehens innerhalb dieses Feindbildes ausführlicher eingegangen wird, soll eine letzte Modifizierung im Diskurs vorgestellt werden. Ab Mitte der 1960er Jahre glaubte die Fernsehführung zu verschiedenen Anlässen eine veränderte Ausrichtung in der Propaganda der bundesdeutschen Medien zu erkennen und versuchte darauf zu regieren. Diese Beobachtungen standen zwar nicht im Widerspruch zu den von der Abteilung Agitation vorgegebenen Interpretationen über die ›feindlichen Medienaktivitäten‹, aber sie stellten eine spezifische Deutung der Westbeobachtung im DFF dar. Demzufolge sah sich das DDR-Fernsehen vor den Bundestagswahlen 1965 mit einer tendenziell zurückhaltenderen Berichterstattung über die DDR konfrontiert, die aber nichtsdestotrotz als gefährlich eingeschätzt wurde. Die Hauptabteilung Politik beschrieb das Problem gegenüber der Intendanz 1965 und präsentierte gleichzeitige ›Gegenmaßnahmen‹. Die politischen Sendungen sollten die großen Veränderungen in der Bundesrepublik publik machen, die sich – wie man zu beobachten glaubte – im Denken der DDR-Bürger vollzogen hatten. Dies wäre gerade jetzt nötig, da »die Hunger-und-Elend-Propaganda gegen die DDR wegen völliger Erfolglosigkeit eingestellt worden ist und einer raffinierten Hetze gegen die sozialistische Ordnung, gegen ihre Moral, gegen ihre Kultur Platz gemacht hat.«213 Programmdirektor Schmotz ließ ähnliche Beobachtungen in die Auswertung der Sendetätigkeit des DFF und der westlichen Fernsehprogramme zum sowjetischen Revolutionsjubiläum einfließen. Bei ihm wurden die Feststellungen allerdings weniger als Appelle zu einem ›defensiven‹ Reagieren im eigenen Programm benötigt, sondern Schmotz wertete die vermeintlichen Veränderungen als Erfolge der ostdeutschen Politik: »Es zeugt von der Macht unserer Ideen, daß das feindliche Fernsehen längst aufhörte, offene, auf den Sturz des Sozialismus zielende, konterrevolutionäre Losungen zu verbreiten. Es ist ihm offensichtlich auch nicht gelungen – Rezensionen und Leserstimmen in der westdeutschen Presse bestätigen die Auffassung – für das starre Beharren Bonns auf den Positionen des kalten Krieges, des Revanchismus und seiner Rolle als antikommunistische und antisowjetische Speerspitze in Europa Boden zu gewinnen.«214 Ob die westlichen Medien nun antikommunistische Propaganda ausstrahlten oder nicht, dies blieb – wie das Zitat illustriert – den Inter-

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[Q] HA Politik 1965, S. 7. [Q] Schmotz 1967, S. 9.

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pretationen der ostdeutschen Beobachter überlassen. Je nach Anlass und Intention konnte hier eine Intensivierung oder eine (ebenso riskante) Zurückhaltung in der Ausrichtung der bundesrepublikanischen Medien beobachtet werden. In den 1970er Jahren wurde das Zirkulieren zwischen diesen beiden Extremen noch prägender für den gesamten Diskurs über die Westmedien. Das geschaffene Feindbild von der bundesdeutschen Politik und ihren Medien trug letztendlich beide Varianten: Wie es Schmotz in der zitierten Beobachtung zum Ausdruck brachte, wurde die Bundesrepublik als per se antikommunistisch regiert interpretiert. Die westlichen Medien wurden demzufolge nur unterschiedlich instrumentalisiert, je nachdem welche Strategien in der ideologischen Beeinflussung der DDR-Bevölkerung gerade am erfolgversprechendsten waren. 4.3.3 D IE » SCHWARZE R ÖHRE «. N EUE T ENDENZEN »M ASSENSUGGESTION UND L ÜGEN « IM W ESTEN

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»Die schwarze Röhre« betitelte Sendeleiter Schmotz 1961 seinen Artikel in der Leipziger Volkszeitung, in dem er sich über das Wesen des westdeutschen Fernsehens ausließ: »Seit Jahren versuchen die Drahtzieher um Adenauer, die Globkes, Strauß’, Schröder und Eckardts das westzonale Fernsehen mit seinen zehn Millionen Zuschauern in die Hand zu bekommen und zum einflußreichen, betrügerischen Lautsprecher Bonner Atompolitik zu machen.«215 Diese Auffassung vom politisch korrumpierten Fernsehen der Bundesrepublik stellte das politischkonforme Feindbild des Konkurrenten dar, auf das auch im internen Diskurs der Fernsehführung immer wieder zurückgegriffen wurde. Bildeten die Informationssammlungen, mit zum Teil sachlichen Fakten, das eine Ende der Skala, war Schmotz’ in die Öffentlichkeit getragene Bewertung das andere Ende.216 Im Folgenden wird den besonderen Aspekten des Feindbildes vom bundesrepublikanischen Fernsehen nachgegangen, die charakteristisch für die 1960er Jahre waren. Der zentrale Vorwurf, der dem westlichen 215 216

Schmotz 1961. Die DDR-Presse beschäftigte sich seit Anfang der 1960er Jahre häufig und immer auf das Härteste polemisch mit dem Fernsehen der Bundesrepublik. Besonders zum zehnjährigen Bestehen des DFF wurde versucht, dessen Konkurrenten öffentlich zu diskreditieren. Die angebliche Abhängigkeit von der Bundesregierung stand dabei im Mittelpunkt der Kritik. In der NationalZeitung vom 15.12.1962 hieß es beispielsweise: »Heute ist das westdeutsche Fernsehen im wesentlichen gleichgeschaltet auf die antinationale Bonner NATO-Konzeption. Es hat sich damit selbst ausgeschaltet und jeden Anspruch verloren, zu deutschen Patrioten sprechen zu dürfen.« Harnisch 1962. Einen Tag später formulierte es die Leipziger Volkszeitung ganz ähnlich: »Unter dem Missbrauch des Namens ›Deutsches Fernsehen‹ benutzen es die NATO-Politiker als Mittel der reaktionär-militärischen Erziehung der westdeutschen Bevölkerung und versuchen ihr ›trojanisches Pferd‹ auf elektronischen Wegen in unsere Republik zu bringen.« Wecks-Lehnert 1962.

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Fernsehen dabei immer wieder gemacht wurde, war die »Hetze« gegen die DDR. Diese Schelte sagt allerdings mehr über die Ängste der Medienpolitiker der DDR als über die Realitäten im bundesdeutschen Fernsehsystem aus. Dem Fernsehen wurde, wie anderen westlichen Medien auch, unterstellt, die DDR unterwandern und die sozialistische Gesellschaftsordnung stürzen zu wollen. Hierbei hatten die ostdeutschen Medienverantwortlichen besonders die Sendungen im Visier, die sich wie Wir sprechen für die Zone bzw. Die Zone hat das Wort, Diesseits und jenseits der Zonengrenze und Mitteldeutsches Tagebuch explizit mit der DDR befassten. 1963 hieß es fernsehintern über diese Sendungen, dass sie »den westdeutschen und westberliner Zuschauern ein vollkommen entstelltes Bild über die DDR – wie auch über die anderen sozialistischen Länder – […] vermitteln«217 wollten. Der ›Gegner‹ verfolgte mit diesen zugespitzten, kontinuierlichen Sendungen grundsätzlich die Absicht, Verwirrung zu stiften und bestimmte Bevölkerungsschichten in der DDR gezielt zu beeinflussen. Zwei Jahre später analysierte die Abteilung Programmdokumentation im Auftrag der Programm- und Sendeleitung minutiös die »Massensuggestion und Lügen im westdeutschen Fernsehen«218. Als »psychologische« und »suggestive« Hauptmotive wurden dabei die Darstellung des Ostens als unberechenbar (in der Fortsetzung der »Hetze« seit der russischen Oktoberrevolution 1917), die Reduzierung der DDR auf eine »sowjetische Kolonie« sowie die Propagierung der Bundesrepublik als einzig wahren demokratischen deutschen Staat ausgemacht. Die Untersuchung wollte den Beweis führen, dass die verschiedenen bundesdeutschen Fernsehsender in ihren Sendungen eine einheitliche, politisch definierte Linie umzusetzen hätten. Ein Beispiel, welches den besonderen Unmut der Verfasser heraufbeschwor, war dabei die angebliche Diskreditierung der politischen Führung der DDR: »Nicht nur im Zusammenhang mit der ›Deutschlandinitiative‹, sondern in allen Sendungen, die sich mit der DDR befassen, wird in schamloser, unseriöser Weise gegen den Genossen Walter Ulbricht, die Partei, Regierung und Volkskammer gehetzt. Die nahezu gleichförmigen Formulierungen lassen auf zentral gelenkte massenpsychologische Parolen schließen.« Konkret nahmen die Verfasser Anstoß an der Berichterstattung über Ulbrichts Ägyptenbesuch 1965, welcher von den DDR-Medien frenetisch als außenpolitischer Erfolg gefeiert wurde. Die kritische Berichterstattung in der Bundesrepublik, besonders ein ARD-Interview mit Präsidenten Gamal Abd el Nasser vom 18. Februar, wurde dementsprechend scharf gerügt. Das Beispiel belegt vor allem, dass befürchtet wurde, die Botschaften des Fernsehens würden die Zuschauer an negative Darstellungen der DDR gewöhnen und dabei einen kognitiven Effekt erzielen. Beklagt wurde, dass Ulbricht in diesem Interview als »Marionette des sowjetischen Imperialismus in Deutschland« bezeichnet wurde: »Diese Unverfrorenheit, – einem ausländischen Staatsober-

217 218

[Q] o.N. 1963, S. 3. Hier und im Folgenden: Vgl. [Q] Programm- und Sendeleitung, Abteilung Programmdokumentation 1965, S. 36-39.

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haupt gegenüber das Staatsoberhaupt der DDR so zu bezeichnen, muß als außerordentlich massenwirksam eingeschätzt werden. Obwohl es schwer vorstellbar ist, daß diese Formulierung wörtlich in Kairo gebraucht wurde, wirkt auf den deutschen Zuschauer das, was er am Bildschirm hört und sieht. Und wenn Journalisten es sich leisten können, in einem solchen Tone vom Genossen Ulbricht zu sprechen, muß der Zuschauer zu der Annahme kommen, ›da muß doch was dran sein‹.« Als Brüskierung wurden zudem Meinungen westlicher Politiker zur Wiedervereinigung empfunden, die diese in Diskussionsrunden geäußert hatten. Dieses Thema lehnte der Bericht grundsätzlich ab, an anderer Stelle wird die »Einheitsrederei« als gefährlich bezeichnet. Zur Stellungnahme der Bundespolitiker heißt es: »In den Sendungen, die sich mit der Wiedervereinigung befassten, lauteten die Antworten auf die Frage, ob man mit der SED oder Ulbricht (das Wort ›Herr‹ gehört nicht in das Vokabular dieser Leute) verhandeln könne: ›Es geht mit Ulbricht sicher nicht.‹ (Barzel, Mende, Wehner, 17.2.) Besonders schäbig-abwertend formulierte Wehner noch zusätzlich: ›…Chefs des Staatsrats oder wie das Ding überhaupt heißt…‹ wobei er seine unsympathischen Gesichtszüge noch zu einer Grimasse verzerrte.« Die von den Autoren beklagte Verunglimpfung ostdeutscher Politiker kam in diesem Fall nicht ohne die üblichen Ressentiments gegenüber der politischen Führung der Bundesrepublik aus. Viele solcher Beispiele, in der Argumentation der Verfasser ›Beweise‹, hat der vorgestellte Bericht zusammengetragen. Als ein Ergebnis präsentierte er eine Aufzählung von »Lügen und grobe[n] Widersprüche[n]«, die den westdeutschen Fernsehsendungen nachgewiesen worden seien. Noch bemerkenswerter ist eine Liste über »Termini, die der Massensuggestion dienen sollen«. U. a. wären folgende Begrifflichkeiten, die angeblich zentral herausgegeben wurden, in den Fernsehbeiträgen absichtlich monoton wiederholt worden: »SED-Machthaber in Ostberlin«, »totalitärer Staat«, »Ostvölker« sowie »das israelfeindliche Ulbricht-Regime«. Es wird deutlich, dass auch innerhalb der Fernsehführung begonnen wurde, das Feindbild vom bundesdeutschen Fernsehen ›wissenschaftlich‹ zu analysieren und zu kategorisieren. Es blieb dabei nicht bei einer reinen Beobachtung, sondern aufgrund gesammelter ›Daten‹ wurden theoretische Erkenntnisse abgeleitet, um ein vielschichtiges Feindbild von den ideologischen Absichten des Westfernsehens präsentieren zu können. Auch diese ›Verwissenschaftlichung‹ erfuhr in den 1970er Jahren eine deutliche Fortsetzung. Gleichzeitig wurden die ab 1965 beobachteten neuen Tendenzen in der Politik der Bundesrepublik auf ihre Auswirkungen für die Medien hinterfragt. Hier glaubten die ostdeutschen Beobachter ebenfalls, ›neue Töne‹ ausmachen zu können, die sich konkret in einer moderateren Fernseh-Berichterstattung über die DDR zeigen würden. Dies wurde am Beispiel einer der angeblich zentralen antikommunistischen Sendungen des Westfernsehens belegt. In der Sendereihe Diesseits und jenseits der Zonengrenze hätte sich demnach eine spürbare Änderung herauskristallisiert, die auf das Konzept der ›beweglichen Ostpolitik‹ von Bundesaußenminister Gerhard Schröder reagieren würde: »Während

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früher eine plumpe antikommunistische Propaganda mit der Hauptstoßrichtung gegen die Partei und den Genossen Walter Ulbricht betrieben wurde und über Jahre hinaus fast nur der antifaschistische Schutzwall Gegenstand der Sendungen war, versucht der SFB jetzt mit anderen Themen und Methoden Einfluss zu gewinnen.«219 Mit Beiträgen wie Ferien vom Alltag oder Elbsandsteingebirge (beide vom August 1964) würden positive Realitäten der DDR eingeräumt. Auch innerhalb des gesamten Programms und besonders in Bezug auf die sensible Thematik der Deutschlandfrage wurde beobachtet, dass eine »begrenzte Anerkennung der Realitäten in der DDR« die »dogmatischen Schemata aus der Adenauerzeit« abgelöst hätten. Diese ›Entschärfung‹ der Darstellung Ostdeutschlands, von den Adlershofern in tagesaktuellen und publizistischen Sendungen beobachtet, führte möglicherweise zu einer Ausweitung des Feindbildes auf andere Programmbereiche. Im gleichen Dokument charakterisierte die Abteilung Programmdokumentation u. a. die Regionalprogramme, das Werbefernsehen und die künstlerischen Sendungen als besondere ideologische Gefahren. Im Westen sollte die »Propaganda der Konsumgüter« demnach die »Arbeitsmoral« positiv beeinflussen, während »die künstliche Erzeugung von Bedürfnissen (Marketing)« die »beabsichtigte Wohlstandsideologie« auch in der DDR verbreiten helfe. Als ebenfalls bedenklich sowohl für ostdeutsche als auch für westdeutsche Zuschauer wurden unterhaltende Sendungen eingeschätzt. Die künstlerischen Programme wie Fernsehspiele und Filme propagierten demnach eine abzulehnende bürgerliche Lebensweise. Zuständig für »die Kultivierung dekadenter Lebensgefühle« hätten sie zudem besonders auf die Jugend einen schlechten Einfluss. Das Sujet vom »formierten Amüsierbetrieb des Westens«220 blieb von da an, gerade in der Profilbestimmung der eigenen Unterhaltung, ein oft zitiertes Stereotyp. Aber auch das Motiv der differenzierteren Darstellung der DDR im westlichen Fernsehen wurde zum Dauerthema. Immer wieder glaubte man, neue Ausrichtungen in der Berichterstattung über den Osten wahrzunehmen, die allerdings zunehmend als mindestens ebenso gefährlich wie die ›traditionelle‹ Adenauer-Propaganda eingeschätzt wurden. Die »Wissenschaftliche Arbeitsgruppe« im DFF begründete diese These 1969 folgendermaßen: Sie eruierte, warum »der ideologische Klassenkampf gegen den Sozialismus zunehmend raffinierter geführt« würde: »Hinzu kommt, dass sich in jüngster Zeit die Propagandamaschineri [sic!] des Gegners unter dem Eindruck der Erfolge der DDR mehr und mehr genötigt sieht, scheinbare ›Zugeständnisse an Tatsachen‹ zu machen. Dieser Trick dürfte in seiner Endkonsequenz darauf hinauslaufen, sich ›nüchtern‹ und ›real‹ denkend zu geben, um umso mehr die Chance zu haben, Gehör für Argumente der ideologischen Diversion zu finden.«221 Also auch positive Wertungen über die DDR

219 220 221

Hier und im Folgenden: [Q] Programm- und Sendeleitung, Abteilung Programmdokumentation 1965. [Q] Herlt 1968, S. 3. [Q] Wissenschaftliche Arbeitsgruppe 1969b, S. 11.

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sowie Bilder und Töne, die eigentlich dem Anerkennungsbedürfnis der SED-Politiker hätten entgegen kommen müssen, wurden innerhalb des gängigen Feindbildes interpretiert. Dieses Feindbild ließ sich am Ende der 1960er Jahre auf den auch im Zitat verwendeten, festen Terminus der »ideologischen Diversion« eingrenzen. Das »Kleine Politische Wörterbuch« definierte diesen Begriff 1973 als »eine Hauptform des Klassenkampfes und Bestandteil der psychologischen Kriegführung im Rahmen der Globalstrategie des Imperialismus gegen den Sozialismus« und »Ausdruck des sich verschärfenden ideologischen Kampfes zwischen den beiden entgegengesetzten Gesellschaftssystemen«.222 Die ideologische Diversion zielte demnach hauptsächlich darauf, die bürgerliche Ideologie in die sozialistischen Länder einzuschleusen, den Einflussbereich des Sozialismus einzuschränken, die Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung zu unterwandern sowie fremde und feindliche Lebensweisen zu bewerben. Damit sollten laut der Wörterbuchcharakteristik die Voraussetzungen geschaffen werden, um »die sozialistische Ordnung auf lange Sicht auch für den Einsatz anderer, vor allem militärischer Kampfmethoden, sturmreif zu machen, die der Imperialismus auch unter den Bedingungen der Durchsetzung der Politik der friedlichen Koexistenz im Arsenal des antisozialistischen Kampfes bereithält.« Zu den Organen der ideologischen Diversion gehörten auch die westlichen Massenmedien, die das »antikommunistische Gift« systematisch verbreiten würden. Die ideologische Diversion als dominanter Argumentations- und Beschreibungsmodus begann sich bereits in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre durchzusetzen. Es entstanden zahlreiche ›wissenschaftliche‹ Publikationen, die interessierten Kreisen in der DDR den Begriff und das dahinter stehende ideologische Modell erläutern sollten.223 Gleichzeitig fand das Szenario auch Eingang in den fernsehinternen Diskurs, besonders als Konzept zur Wirkungsweise der bundesdeutschen Medien wurde es immer wieder thematisiert.224 Eine besondere Rolle spielte die »ideologische Diversion« in den Berichten der Staatssicherheit, allerdings in der rein sprachlich variierten, aber synonym gebrauchten Form der »politisch-ideologischen Diversion« (abgekürzt mit PID). Siegfried Mampel, der die Bekämpfung dieser vermeintlichen Diversion als eine der Hauptaufgaben des MfS

222 223

224

Hier und im Folgenden: Böhme et al. 1973, S. 345-346. Hier sei u.a. auf die Publikationen des Instituts für Internationale Beziehungen, Sektion Auslandsinformation »Ideologische Diversion. Psychologischer Krieg. Antikommunismus« (Lange/Institut für Internationale Beziehungen 1968a) und »Methoden und Instrumente der ideologischen Diversion« (Lange/Institut für Internationale Beziehungen 1968b) verwiesen. Aber auch im folgenden Jahrzehnt wurde das Thema immer wieder aufgegriffen, vgl. u.a. Wirth 1978. ›Grundlagenforschung‹ zur ideologischen Diversion westdeutscher Medien betrieb zudem die Sektion Journalistik der Leipziger Universität, vgl. dazu Holzweißig 1997, S. 180-181. Vgl. Dittmar 2002, S. 118-131.

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rekonstruiert hat, weist den Begriff innerhalb dieser Institution ab 1966 nach.225 Ihm zufolge initiierte das MfS nach 1971 verstärkt Forschungen über den Charakter der politisch-ideologischen Diversion, die zwischen 1972 und 1987 zu mehreren ›wissenschaftlichen‹ Arbeiten, darunter auch Dissertationen, führten. Im Archiv der Birthler-Behörde lassen sich aber bereits für das Jahr 1969 Berichte nachweisen, die westliche Hörfunk- und Fernsehprogramme innerhalb des neuen Konzepts analysieren. So stellte u. a. eine Auskunft über die »Stellung und Rolle der westdeutschen und Westberliner Rundfunk- und Fernsehanstalten im System der politisch-ideologischen Diversion gegen die DDR«226 Informationen über die rechtliche und institutionelle Organisation des bundesdeutschen Rundfunksystems zusammen. Darauf basierend wurden die Einflussnahme der Regierung und ihrer Parteien sowie »anderer Zentren der politisch-ideologischen Diversion« wie des Kuratoriums Unteilbares Deutschland oder des Bundes der Vertriebenen auf diese Medien ›nachgewiesen‹. Ähnlich verfuhr ein »Gutachten über die Rolle des ›Zweiten Deutschen Fernsehens‹ im System der politisch-ideologischen Diversion gegen die Deutsche Demokratische Republik« des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte Berlin, das ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem MfS entstand. Darin wurde das ZDF als Instrument der ideologischen Diversion ›entlarvt‹: »Mit der Gründung des ZDF wurde nicht nur eine zweite Zentrale zur Manipulierung der westdeutschen Bevölkerung, sondern auch eine weitere Institution geschaffen, mit deren Hilfe die westdeutsche Bundesregierung bestrebt war und ist, ihre aggressive Politik des Antikommunismus und der Beseitigung des Status quo wirksamer und nach einheitlichen Grundsätzen zu propagieren.«227 Diese Art der Informationssammlungen und Bewertungen von Stasi-Mitarbeitern sind für den Gegenstand der vorliegenden Arbeit von Interesse, da nachgewiesen wurde, dass man sie zumindest teilweise der Fernsehführung zur Verfügung stellte.228 Damit beeinflussten sie direkt den fernsehinternen Feindbilddiskurs über das westdeutsche Radio und Fernsehen. Im folgenden Kapitel zu den 1970er Jahren wird darum auf diese externen Sammlungen gesondert eingegangen, auch weil ihre Quantität in diesem Jahrzehnt beständig stieg.

225 226 227 228

Vgl. Mampel 1996, S. 37. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1969, S. 6-26. [Q] Deutsches Institut für Zeitgeschichte Berlin 1969, S. 3. Vgl. Dittmar 2004a, S. 155.

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4.4 Wettbewerbsstrategien zwischen Anpassung und Abgrenzung 4.4.1 S ENDEPLÄTZE

UND

S ENDUNGEN

IN DER

K ONKURRENZ

Auch in den 1960er Jahren versuchte das DDR-Fernsehen, sich durch Veränderungen der eigenen Programmstruktur besser gegenüber der westlichen Konkurrenz zu positionieren. In vielen Fällen hatte dieses strategische Agieren direkte Auswirkungen auf das DFF-Programm. In anderen Fällen wurden taktische Überlegungen angestellt und nachdrückliche Empfehlungen aufgrund der beobachteten westlichen Entwicklung gegeben, die Vorhaben gingen jedoch über das Planungsstadium nicht hinaus. Im Folgenden werden aus beiden Bereichen Beispiele vorgestellt, belegen sie doch das für diese Phase typische Muster der Entscheidungsfindung innerhalb der Fernsehführung: Die westliche Konkurrenz wurde permanent beobachtet und man versuchte, im eigenen Programm darauf zu reagieren. Grenzen wurden diesen Bestrebungen allerdings durch die wirtschaftlichen und politisch-hierarchischen Strukturen gesetzt, so dass die Wünsche des Fernsehkollegiums bzw. später des Fernsehkomitees nicht immer umgesetzt werden konnten. Ein erstes Beispiel für die erfolgreiche Angleichung an das westliche Programm lässt sich aus den Plänen rekonstruieren, welche die Programm- und Sendeleitung der Fernsehführung für eine Überarbeitung der Sendestruktur im Jahr 1966 nahe legte. Hier wurde ein Ausbau des Vormittagsprogramms für notwendig erklärt, um der westlichen Konkurrenz in dieser Zeit das Feld nicht mehr allein überlassen zu müssen: »Eine Verlängerung von 12.00 – 12.30 Uhr wird empfohlen, weil ARD und ZDF ab Januar 1966 gemeinsam ihr Vormittagsprogramm speziell für die DDR gestalten und ab 12.00 Uhr profiliert politische Informationssendungen ausstrahlen.«229 Tatsächlich endete das Vormittagsprogramm 1966 im Durchschnitt erst um 12:45 Uhr und wurde somit, wie gefordert, den Programmstrukturen des Westfernsehens angepasst. Auch die dem Fernsehen übergeordneten Gremien der ostdeutschen Medienlenkung machten sich in dieser Zeit Gedanken darüber, wie die Programmpolitik des DFF auf die Angebote des Westfernsehens reagieren konnte. So forderte Norden 1965 die Fernsehmitarbeiter auf, das Samstagabendprogramm besser von der westlichen Konkurrenz abzuheben: »Denkt bei Eurer Arbeit daran, daß wir dagegen sind, daß die Leute das Westfernsehen einschalten. Es gibt auch taktische Fragen der Programmpolitik. Ist es z. B. nicht wirksamer, wenn wir sonnabends um 20.00 Uhr die westlichen Unterhaltungssendungen mit einem guten Film kontern, anstatt zur gleichen Zeit selbst Unterhaltungssendungen zu machen. Manchmal gleichen sich die Genres zu sehr.«230 Dieser Vorschlag Nordens wurde allerdings nachweislich nicht umgesetzt: Auch 1966 und 1967 stand der Samstagabend im Zeichen der Shows

229 230

[Q] o.N. 1965b, S. 4. [Q] Sektor Rundfunk/Fernsehen 1965, S. 24.

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und Spielsendungen sowie der Aufführung von Unterhaltungs- und Ernster Musik. Norden beließ es indes nicht bei den Vorschlägen zum Wochenendprogramm, sondern bestellte die Fernsehführung im Frühjahr 1966 noch einmal zu einer Beratung »über das Westfernsehen und ein besseres Fernsehprogramm des Deutschen Fernsehfunks« ein. Von dieser Besprechung sind leider weder ein Protokoll noch ausführliche Ergebnisse überliefert, allein ein nachfolgender Briefwechsel zwischen Adameck und Eisler bezeugt die Reaktion des Fernsehchefs auf die Vorschläge Nordens. So räumte Adameck ein, dass die Sendungen zwischen 17:00 und 19:30 Uhr verbessert werden müssten, da zu dieser Zeit die Westprogramme besonders attraktiv wären. Montags wurde im DFF in dieser Sendeschiene bisher u. a. die Sendung Von und mit der KPD gesendet, hier schlug Adameck eine Verschiebung vor.231 Die Sendung wurde künftig am letzten Mittwoch des Monats nach der zweiten Ausgabe der Aktuellen Kamera gegen 22:15 Uhr ausgestrahlt.232 Die 19:00 Uhr-Schiene am Montag wurde ab April 1966 zweimal monatlich mit der Sendung Umschau, produziert von der Wissenschaftsredaktion, und alternierend durch einen populärwissenschaftlichen Film besetzt.233 Dies beweist, dass selbst politische Sendungen weichen mussten, damit der DFF in der Konkurrenz bestehen konnte. Von und mit der KPD war 1965 als einzige Sendung, die sich ausschließlich an ein westdeutsches Publikum wandte, nicht abgesetzt worden. Nun wurde ihr ein weniger prominenter Sendeplatz zugewiesen, in der Hoffnung, die erste Sendeschiene des Abendprogramms für die eigenen Zuschauer attraktiver zu gestalten als die Angebote von ARD und ZDF. Im gleichen Jahr hatte Programmdirektor Schmotz innerhalb der Intendanz die Frage aufgeworfen, wie sich der DFF 1967 auf das feindliche Programm einzustellen hätte. Als wichtiges Problem benannte Schmotz das strategische Reagieren auf westliche Programmstrukturen: »Ist es möglich, mit unseren wichtigen, engagierten Sendungen in die ›Löcher‹ und schwachen Stellen zu kommen, die der Feind in seinem Programm hat oder senden wir gerade dann wichtige Sendungen, wenn der Feind durch Unterhaltung die Leute abzulenken sucht?«234 Schmotz empfahl damit eine Taktik, die in den 1970er Jahren kennzeichnend für das Agieren des DFF in der Konkurrenz werden sollte. Ab 1971 wurde regelmäßig versucht, das Abendprogramm der einzelnen Wochentage strategisch gegenüber dem Westprogramm zu gestalten:235 Wie es Schmotz vorgeschlagen hatte, wurden die eigenen publizistischen Sendungen, die den politisch-ideologischen Auftrag des Fernsehens erfüllen sollten, an Tagen gesendet, an denen ARD und ZDF ebenfalls Publizistik ausstrahlten. Der Einschätzung der Fernseh-

231 232 233 234 235

Vgl. [Q] Adameck an Eisler, 12.04.1966, S. 1. Vgl. [Q] Schmotz 1966b, S. 1. Vgl. Programmstruktur ab April 1966, in [Q] Schmotz 1966b, Anlage 1. [Q] Schmotz 1966a, S. 4. Vgl. Kapitel 5.4 sowie ausführlich Dittmar 2002, S. 136-144.

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führung zufolge war an diesen Tagen das westdeutsche Fernsehen für die DDR-Zuschauer weniger attraktiv,236 dies waren die ›Löcher‹ im Programm, die man für die eigenen Botschaften nutzen wollte. Sendete das Westfernsehen dagegen die im Osten favorisierten Serien und andere Unterhaltungssendungen, blieb den Adlershofern nur die Möglichkeit, selbst Unterhaltung auszustrahlen. Aber bereits 1966 begann der DFF, die Gestaltung der einzelnen Wochentage mit denen des Westfernsehens zu vergleichen, um daraus Rückschlüsse für die eigene Programmplanung zu ziehen. Wie auch im folgenden Jahrzehnt ging es zuallererst um die Sendeplätze für die Publizistik, wobei sich allerdings nach Einschätzung der Programmleitung für dieses Jahr noch kein großer Handlungsbedarf zeigte. So resümierte Schmotz’ Bericht, dass die westlichen Sender auf den Programmplätzen der Publizistik im DFF kein allzu attraktives Programm ausstrahlten: »Mit Ausnahme des Donnerstag steht unsere Publizistik zu Zeiten im Programm, die von unterhaltenden Sendungen des Gegners kaum gestört wird.«237 Allerdings ging Schmotz in dieser Einschätzung fast ausschließlich vom Programm der ARD aus, denn die Sendungen des ZDF offerierten dem Publikum alternativ zu den gängigen ›politischen‹ Sendungen des DDR-Fernsehens durchaus Unterhaltsames: So sendete das Zweite während des montäglichen Schwarzen Kanals bevorzugt Filme, auf dem Sendeplatz der Publizistik am Dienstag um 21:20 eine Krimiserie und mittwochs, wenn der DFF um 21:40 publizistische Sendungen ausstrahlte, zeigte das ZDF dramatische Kunst.238 Am Donnerstagabend war die Ausgangslage für die ostdeutschen Sendungen Prisma und Objektiv, wie Schmotz beobachtet hatte, tatsächlich schwierig: Sie mussten mit einem Spielfilm oder dramatischer Kunst in der ARD sowie der Unterhaltung im ZDF konkurrieren. Die Überlegungen von Schmotz zeigen, dass die Fernsehführung Mitte der 1960er Jahre im Zuge der Abkehr vom Westpublikum und der verstärkten Hinwendung zu den eigenen Zuschauern begonnen hat, die Wochengestaltung unter Berücksichtigung des Westprogramms zu planen. Allerdings orientierte sich der DFF vorerst hauptsächlich an der ARD. Dies sollte sich 1971 ändern: Durch die Einführung sogenannter Schutzzonen239 für politische Sendungen in einem Koordinierungsver-

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237 238 239

Die neueren Forschungen scheinen diese Annahme der ostdeutschen Fernsehführung zu bestätigen. So stellt Meyen fest, dass die DDR-Zuschauer mehrheitlich unterhaltende Formate in den westlichen Programmen präferierten, vgl. Meyen 2003b, u.a. S. 124. [Q] Schmotz 1966a, ohne Seitenangabe, fortlaufend S. 15. Vgl. ebd., Anlagen zu Programmstrukturen im tabellarischen Vergleich. Die ›Schutzzonen‹ waren Teil bestimmter Koordinierungsbestrebungen zwischen beiden bundesdeutschen Sendern, die bereits im ZDF-Staatsvertrag festgelegt waren. Es ist Hickethier zuzustimmen, der konstatiert, dass die Koordinierung von ARD und ZDF »das Entstehen einer Konkurrenz zwischen beiden Programmen verhindern und statt dessen einen ›Kontrast‹, eine abgeschwächte Konkurrenz, erzeugen [sollte]. Der Kontrast sollte den Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht gefährden

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trag zwischen ARD und ZDF war es nun möglich, Sendeplätze für die eigene Publizistik festzulegen, an denen beide westlichen Programme politische Sendungen oder ähnliche Formate ausstrahlten. Neben dem dargelegten strategischen Abgleich der Programmstrukturen gab es noch eine weitere Ebene, auf der sich die ostdeutsche Fernsehführung in den 1960er Jahren mit dem Westfernsehen auseinandersetzte: Einzelne Sendungen bzw. Sendeformen wurden mit denen des Westens verglichen und programmatische Entscheidungen offen vor dem Hintergrund der herrschenden Konkurrenz getroffen. Charakteristisch für dieses Reagieren auf die Angebote des Westfernsehens war dabei ein ständiges Zirkulieren zwischen Anpassung und Abgrenzung. Wie dies in der Praxis aussah, wird im Folgenden anhand von vier Beispielen illustriert: dem Jugendfernsehen, der Nachrichtensendung Aktuelle Kamera, der Berichterstattung über die Olympischen Spiele sowie den Unterhaltungssendungen des DDR-Fernsehens. Im November 1960 erhielt der DFF den ideologischen Auftrag, Tendenzen »westlicher Dekadenz«240 unter Jugendlichen der Republik entgegenzutreten. Die Heranwachsenden bekämen diese besonders durch die westlichen Medien vermittelt und vorgelebt. In einer Diskussion innerhalb des Fernsehkollegiums wurde daraufhin beschlossen, in direkte Konkurrenz zu beliebten westlichen Jugendsendungen zu treten, um so die jungen Zuschauer an das DDR-Programm zu binden. Die Jugend- und Kinderredaktion wurde befugt, die Nachmittagssendung am Donnerstag grundlegend zu verändern: »Für diese Zeit ist regelmässiger und öfter als bisher eine bunte, vielseitige Sendung mit Musik und Tanz und anderen Hobbys der Jugend zu entwickeln, die als Gegengewicht zur Sendung der ›Teenager-Club‹ und ›Hit-Parade‹ wirkt.« Die Fernsehführung wies die ausführende Redaktion damit an, sich einerseits an den westlichen Sendungen zu orientieren, schließlich war ihr bewusst, dass diese Programme ihren Anklang auch unter den ostdeutschen Jugendlichen fanden. Folglich sollten auch die DFF-Sendungen unterhaltsamer gestaltet und den Interessen der jungen Zuschauer besser angepasst werden. Andererseits hatten sie in ideologischer Hinsicht als ›Gegengewicht‹ zu fungieren; statt der den Westsendungen unterstellten Werbung für eine bürgerlich-kapitalistische Lebensweise sollten die neuen Jugendsendungen die Leitbilder der sozialistischen Gesellschaft propagieren. Die Jugendlichen blieben auch in den folgenden Jahren im Visier der Fernsehführung; immer wieder wurde mit neuen Maßnahmen versucht, die politische Beeinflussung dieser Zielgruppe zu intensivieren. Auch quantitativ schlugen sich diese

240

und das Angebot von politisch bildenden und informativen Sendungen vor einer harten Konkurrenz durch Fiktion und Unterhaltung im anderen Programm schützen.« Hickethier 1993b, S. 204; vgl. weiterführend ebd., S. 203-210. Hier und im Folgenden: [Q] HA Kinder-, Jugend- und Wochenendredaktion 1960, S. 1-3.

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Initiativen nieder: Die DDR-Statistik verweist auf einen Anstieg der DFF-Jugendprogramme zwischen 1960 und 1965 um fünf Prozent.241 Eine andere Sendung des DDR-Fernsehens stand wie keine zweite unter Beobachtung der politischen Führung und deren Medienverantwortlichen: die Aktuelle Kamera. Daher ist es nahe liegend, dass gerade die Nachrichtensendung, die den ideologisch als wichtig angesehenen Bereich der Aktuellen Information abdeckte, immer wieder mit den Angeboten des Westfernsehens verglichen wurde. Die 1960er Jahre bildeten diesbezüglich keine Ausnahme. In den ersten Jahren jener Dekade agierte man dabei noch vor dem Hintergrund der doppelten Konkurrenz, also begleitet von dem Wunsch, um die Zuschauer sowohl in der DDR als auch im Westen zu kämpfen. Was die eigenen Zuschauer betraf, ging die Fernsehführung offen davon aus, dass diese auch westliche Nachrichten zur Information über das Weltgeschehen nutzten. Im November 1960 wandte sich Norden darum wiederholt mit energischer Kritik an Adameck und forderte den DFF auf, besonders die internationale Berichterstattung der Aktuellen Kamera zu verbessern – schließlich könnten die Zuschauer hier direkte Vergleiche zwischen Ost- und Westprogramm ziehen, was bei den nationalen Nachrichten weniger der Fall war. Norden bemängelte beispielsweise Beiträge zum Bürgerkrieg in Guatemala, welche veraltete Informationen verbreitet hätten, die vom Westen bereits 24 Stunden zuvor widerlegt worden wären. Er warnte die Intendanz des DFF: »Auf diese Weise wird die ›Aktuelle Kamera‹ unglaubwürdig – und nichts Schlimmeres kann Euch passieren.«242 Die Fernsehführung wurde aufgefordert, sich intensiv mit der Redaktion auseinanderzusetzen und sie für die besondere Konkurrenzsituation – die hier sehr optimistisch eingeschätzt wurde – zu sensibilisieren: »Die Genossen der Aktuellen Kamera müssen sich darüber klar sein, dass ihr Produkt die am meisten verbreitete ›Zeitung‹ ist und wahrscheinlich von einer siebenstelligen Zahl Westdeutscher gesehen wird. Das verpflichtet zu einer verantwortungsvoll redigierten, korrekten und wirklich aktuellen Information; sonst schlägt Euch die westdeutsche ›Tagesschau‹, weil sie dann von den Zuschauern als besser und aktueller empfunden wird.« Drei Monate später leitete die Hauptabteilung Politik Maßnahmen ein, um die Nachrichtenproduktion zu beschleunigen: Ein Nachrichtenzentrum sollte Beiträge künftig schneller fertigen und abnehmen. Es wurde dafür mit Fernschreibern von ADN und UPI, neuem Telexanschluss, Bildschreibern, modernem Tricktisch, Fotoarchiv sowie Vorführgeräten für Film- und Fernsehmaterial ausgestattet. Dies alles geschah mit dem Ziel, aktuelle Informationen nicht später als das bundesdeutsche Fernsehen zu zeigen: »Das Fernsehen der DDR hat sich jetzt

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Vgl. die jährlichen Sendestunden des DDR-Fernsehens im Bereich der Kinder- und Jugendprogramme. 1960 wurden 330 Stunden gesendet, 1965 waren es bereits 347 Stunden. Vgl. Staatliche Zentralverwaltung für Statistik 1989, S. 325. Hier und im Folgenden: [Q] Norden an Adameck, 21.11.1960, S. 1-2. Hervorhebungen im Original.

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in der Aktualität und politischen Berichterstattung einen ersten Platz erobert. Der Zuschauer erwartet sofortige Information. Keine Sekunde dürfen wir dem Gegner das Feld der politischen Berichterstattung allein überlassen. In der praktischen Arbeit heißt das, sofortiges Handeln.«243 Aber auch in den nächsten Jahren wurde die Aktuelle Kamera dafür kritisiert, dass sie zu langsam auf internationale Ereignisse reagierte. So untersuchte die Fernsehführung 1963 die Wirkung des DFF auf das westdeutsche Publikum und bemängelte erneut, dass die Redaktion nicht schnell genug über aktuelles Bildmaterial aus allen sozialistischen Ländern, besonders der Sowjetunion, verfüge. Dies würde dazu führen, dass das westdeutsche Fernsehen die Nachrichten zuerst melden könne und der DFF an ideologischer Wirkung einbüße: »In der täglichen politischen Auseinandersetzung kommt es darauf an, daß der DFF als erster unseren Standpunkt darstellt und dem Gegner durch Zeitverlust nicht das Feld für seine falsche Berichterstattung überläßt.«244 Im gleichen Jahr bemängelte die Abteilung Agitation zudem, dass die zwei Ausgaben der Aktuellen Kamera am Abend und ihre Wiederholung für die Spätarbeiter am nächsten Tag nicht ausreichten, um das Informationsbedürfnis der Zuschauer zu befriedigen. Nachdem diese die Nachrichten des Vortages der Presse entnehmen konnten, verlangten sie aktuellere Informationen im vormittäglichen Fernsehprogramm, die dann »noch warm«245 sein sollten. Ideen, wie die Situation zu verbessern wäre, fand die Agitationsabteilung in den Programmplänen des Westfernsehens. Sie machte den DFF auf die Internationale Fernsehpresseschau aufmerksam, welche die ARD vormittags ausstrahlte und schlug vor, ebenfalls eine solche Sendung ins Programm zu nehmen. Auch die Sendezeit sollte sich am westlichen Pendant orientieren, es wurde empfohlen, sie zum Abschluss des Spätarbeiterprogramms oder zu Beginn des Nachmittagsprogramms auszustrahlen. Neben der ARD wurde auch der SFB als Sender aufgeführt, an dem sich der DFF in punkto Informationsvermittlung ohne Kostenaufwendungen ein Beispiel nehmen könnte. Die Abteilung Agitation verwies darauf, dass der DFF sein Testbild bisher überwiegend mit Musik unterlegte, während die Berliner Konkurrenz dies variierte: »Wir haben beobachtet, daß das SFB-Fernsehen zu seinem Testbild Musik bringt, und dazwischen politische Wortsendungen vom SFB-Hörfunk (meist informativer Art, Schulfunk, Wirtschaftspolitik, Auslandshilfe usw.). Hier wird also eine Möglichkeit genutzt, um den Zuschauer an der ›Röhre‹ zu halten und man nutzt – ohne daß das die Redaktionen des SFB-Fernsehens belastet – den Hörfunk aus. Kann man daraus keine Schlüsse ziehen in punkto Informationspolitik durch den DFF?« Hier wird eine Sicht der Abteilung Agitation auf die westdeutschen Programme erkennbar, die tatsächlich in echten Konkurrenzstrategien verortet war. Einer genauen Beobachtung der ›Mitbewerber‹ folgten Vorschläge, wie man mit gleichen oder ähnlichen Methoden erfolgreich

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[Q] HA Aktuelle Politik 1961, S. 1. [Q] o.N. 1963c, S. 4. Hier und im Folgenden: [Q] Janns 1963, S. 1-2.

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sein könnte. Der unterschiedliche ideologische Anspruch und das anderenorts intensiv gepflegte Feindbild blieben dabei außen vor. Die westlichen Sender ARD und SFB wurden als starke Konkurrenten wahrgenommen, die in ihren Programmen ausgereifte und nachahmenswerte Strukturen und Sendungen entwickelt hatten. Diese im eigenen Programm aufzugreifen, gelang allerdings nicht immer: Eine Presseschau wurde im DDR-Fernsehen auch in den folgenden Jahren immer wieder angestrebt, aber nicht realisiert. Das Gleiche traf für den Vorschlag zu, das Testbild mit DDR-Hörfunknachrichten zu unterlegen, dieser Plan wurde ebenfalls nicht verwirklicht. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch für die Aktuelle Kamera selbst rekonstruieren. Sie musste sich vor allem an der westdeutschen Tagesschau messen lassen, wobei die institutionellen und systemimmanenten Unterschiede zwischen den zwei Redaktionen weitestgehend negiert wurden. Als die Fernsehführung 1965 erneut intensiv die »Entwicklung der Informationspolitik im Deutschen Fernsehfunk« diskutierte, waren dem zugrunde liegenden Material ausführliche Darstellungen zur Struktur, Arbeitsweise und Ausstattung der Tagesschau beigefügt.246 Aus diesen wurden mehrfach Rückschlüsse auf die Arbeit der eigenen Redaktion gezogen. Generell wurde vermerkt: »Wenn wir mit der Entwicklung Schritt halten wollen, müssen wir weltweiter, aktueller und umfassender informieren, als das bis jetzt der Fall ist.« Dies könnte man, der Konzeption zufolge, am ehesten erreichen, wenn man sich an der erfolgreichen Arbeitsweise westlicher Nachrichtenredaktionen orientierte: »Die ›Tagesschau‹ arbeitet also seit langem nach einem Prinzip, welches heute von allen modernen NachrichtenInstitutionen praktiziert wird und welches wir erst noch durchsetzen wollen: Ideen- und Schlußredakteur gibt Aufträge an Realisatoren und übernimmt die Endkontrolle.« Diesem als vorbildlich dargestellten Arbeitsprinzip konnten die Abläufe in der DDR-Nachrichtenredaktion allerdings auch zukünftig nicht angepasst werden. Sie hätten damit u. a. im offenen Widerspruch zu den Anleitungsmechanismen der beteiligten Institutionen der Nachrichtenlenkung gestanden.247 Aber es gab Vergleiche mit westlichen Nachrichtensendungen, die durchaus Folgen für die Redaktion der Aktuellen Kamera hatten. Im Juni 1965 wurde als ein weiteres Manko beklagt, dass der DFF nicht über eigene Kommentatoren verfügte, die eine regelmäßige Kommentierung aktueller Ereignisse gewährleisteten: »Der Deutsche Fernsehfunk stellt sich immer wieder ein Armutszeugnis aus, wenn zur Kommentierung besonderer Ereignisse Kommentatoren anderer Institutionen verpflichtet werden.«248 Dabei fiele besonders ins Gewicht, dass die westlichen Sender hier wesentlich besser ausgestattet wären. Es wurde vehement gefordert, den 35 Kommentatoren, die man im westlichen Fernsehen

246 247 248

Vgl. hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1965a, S. 14-15 sowie Anhang 1: Die Informationspolitik des Westfernsehens. Zur politisch-ideologischen Anleitung der Aktuellen Kamera vgl. ausführlich Bösenberg 2004. [Q] o.N. 1965a, S. 27.

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ermittelt hätte, wenigstens einen im DDR-Fernsehen gegenüberzustellen. Ein dreiviertel Jahr nach dieser Kritik wurde die Senderubrik »Der aktuelle Kommentar« in das Tagesprogramm des DFF aufgenommen. Nachdem Erich Selbmann Chefredakteur der Aktuellen Kamera geworden war, gründete er eine Kommentatorengruppe speziell für diese Sendung. Von nun an standen Journalisten wie Günther Herlt, Günther Leucht, Karl-Eduard von Schnitzler und Heinrich Grote jederzeit für redaktionelle Einsätze bereit. Kommentiert wurde nun – ähnlich wie es 1965 vom westlichen Fernsehen berichtet wurde – beinahe täglich, was dazu führte, dass Selbmann 1970 sogar vor einer Überkommentierung warnte.249 Eine ähnlich regelmäßige Auseinandersetzung mit der direkten Fernseh-Konkurrenz gab es außerhalb des Nachrichtenbereichs nur noch in einem weiteren, ebenfalls prestigeträchtigen Gebiet: dem Sport. Hier waren es vor allem die Großereignisse wie Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften, die die Fernsehführung immer wieder zu Vergleichen und Reaktionen auf das Westprogramm herausforderten. Noch 1960 konnte der DFF auf diesem Gebiet punkten. Die Übertragung der Olympischen Winterspiele aus dem amerikanischen Squaw Valley war nach Einschätzung von Andreas Horn und Jasper A. Friedrich gelungener als die des Westfernsehens. Auch für die Sommerspiele im gleichen Jahr in Rom hat der DFF daraufhin die Devise herausgegeben, für jedermann sichtbar besser als der Westen zu sein. Tatsächlich erntete das ostdeutsche Sportfernsehen viel Lob für die Gestaltung der Olympiaübertragung und in der ostdeutschen Presse wurde eine erneute Überflügelung des Westfernsehens verkündet.250 Vier Jahre später änderten laut Lutz Warnicke die westlichen Sender sogar ihre ursprüngliche Konzeption für die Übertragung der Winterspiele in Innsbruck und passten sie denen des DFF an. Dem bundesdeutschen Fernsehen war demnach viel an einem Erfolg im Wettstreit um Zuschauer gelegen, so dass man sich schon im Voraus um gleiche Ausgangspositionen bemühte. Dies kann als Beispiel dafür gelten, dass eine Orientierung an den Programmplänen des jeweils anderen deutschen Fernsehens auch in umgekehrter Richtung erfolgte. Anlässlich der Sommerspiele aus Tokio sendeten das ost- und westdeutsche Fernsehen 1964 identische Abendsendungen, da das japanische Fernsehen den europäischen Anstalten Direktübertragungen zur Verfügung stellte, die sowohl die Eurovision als auch die Intervision nutzte.251 Bis zum Jahr 1967 hatten sich die deutsch-deutschen Fernsehverhältnisse aber insgesamt zu ungunsten des DDR-Fernsehens entwickelt. Die Vorbereitung der Olympischen Sommerspiele 1968 in Mexiko-City stand in den vertraulichen Konzeptionen ganz unter dem Motto: »Wie erreicht der DFF, nicht schlechter zu sein als der Gegner, möglichst besser?«252 Schon die Formulierung weist klar darauf hin, dass man der

249 250 251 252

Vgl. Bösenberg 2004, S. 224-225. Vgl. Horn/Friedrich 2004, S. 124-132 sowie Warnicke 2007, S. 343-344. Vgl. Warnicke 2007, S. 344-347. Hier und im Folgenden: [Q] HA Sport 1967, S. 3.

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westdeutschen Olympiaberichterstattung eine hohe Qualität zugestand und es als Herausforderung ansah, mit dieser zu konkurrieren. Einige Fakten dieses Fernsehwettstreits sollen verdeutlichen, vor welchen Problemen die Hauptabteilung Sport 1968 stand. Durch die Verträge zwischen OIRT und EBU (European Broadcasting Union, Europäische Rundfunkunion) konnte das DDR-Fernsehen zwar ebenso wie das bundesdeutsche Fernsehen über 114 Stunden Programm als Ausgangsbasis verfügen, die westdeutschen Sender waren allerdings vor Ort wesentlich besser ausgestattet. Da die Gunst der Zuschauer vor allem durch Zusammenfassungen und Studioberichte erworben werden konnte, war es ein großer Vorteil, dass ARD und ZDF in Mexiko rund um die Uhr über ein Sonderstudio verfügten. Das DFF-Olympiastudio konnte dagegen nur 16-mal für 15 Minuten senden, ansonsten musste das Studio in Berlin übernehmen. Trotz dieser Bedingungen – die in den folgenden Jahren eher noch schwieriger wurden – blieb die Konkurrenz eine hohe Motivation für die Mitarbeiter des Sportfernsehens. Die Fernsehführung sah gerade im Sport ein Aushängeschild des DDR-Fernsehens, welches sich immer wieder an den Leistungen des Westfernsehens messen lassen musste. In den 1970er und den 1980er Jahren waren ihre Vorgaben anlässlich der Sendungen zu Olympischen Spielen geprägt von Vorschlägen, wie das ›gegnerische‹ Fernsehen zu schlagen war und welche Qualitäten das ostdeutsche Programm hierfür entwickeln musste. Ein letztes Beispiel soll demonstrieren, wie schwierig die Balance zwischen Affirmation und Abgrenzung gegenüber der Konkurrenz auszutarieren war: Eine häufige Forderung an die Unterhaltungssendungen des DDR-Fernsehens war, dass sie sich einerseits die hohe Qualität der westlichen Sendungen zum Vorbild nehmen sollten, andererseits hatten sie sich auch deutlich von ihnen abzuheben. Welcher der beiden Ansprüche überwog, hing nicht zuletzt von dem politischen ›Klima‹ ab, das in der DDR und besonders in ihrer Kulturpolitik herrschte. Im Rechenschaftsbericht der APO Programm wurde 1960 beispielsweise in deutlichen Worten verlangt, dass in den DFF-Unterhaltungssendungen, speziell in Shows und Spielsendungen, »Grundmängel«253 zu beseitigen wären. Besonders die »Spielmeister« und Moderatoren – namentlich wurden Horst Lehn, Heinz Quermann, Wolfgang Reichardt, Wolfgang Lippert254 und Wolfgang Brandenstein genannt – wären zu wenig engagiert, es schiene »als wären sie eingeengt, als wäre die Arbeit, die sie machen, eine Last, die sie erdrückt«. Ihnen würden neue Einfälle fehlen, aber vor allem würde es an »Gediegenheit, Klugheit und gekonnte[m] Auftreten« mangeln. In Sachen Individualität und Können von Spielmeistern wurde der Westen als Vorbild hingestellt: »Es stimmt traurig, wenn man WestSendungen sieht, die von der Idee her einer alten Welt angehören und

253 254

Hier und im Folgenden: [Q] SED – APO Programm 1960, S. 20-21, Hervorhebung im Original. Wolfgang Lippert (1924-1995), vgl. Angaben im Anhang. Nicht zu verwechseln mit dem Sänger und Entertainer gleichen Namens (geb. 1952).

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wenn dort Charme und Eleganz über den Sender gehen. Wir brauchen das.« Im DFF fehlte es demnach an Sendungen, die von den Zuschauern nicht in erster Linie etwas fordern würden, sondern vielmehr dazu beitrügen »Freude, Entspannung und Erholung« zu vermitteln, konkret mangele es an »Sendungen, bei denen der Zuschauer scheinbar unbeteiligt ist«. Dies wünschten sich die Zuschauer von der Unterhaltung. Allerdings wurde sofort einschränkend vermerkt: »Es soll hier gleich gesagt werden, dass das nicht bedeutet, unsere kulturpolitische Grundabsicht zu ändern oder in Zukunft diese Sendungen abzubauen.« Dabei wird deutlich, dass den Kritikern, in diesem Fall der Parteileitung des Fernsehens, durchaus bewusst war, wie schwierig der Grad zwischen der Erfüllung von Zuschauerwünschen nach ›unpolitischer‹ Unterhaltung und der Einhaltung ideologischer Vorgaben an das Fernsehen war. Aber selbst von der parteipolitischen Basis des Fernsehens wurde zu dieser Zeit eine ›Lockerung‹ in der Zusammenstellung der Unterhaltungssendungen gefordert und der Westen durfte zumindest für die Art der Präsentation als Vorbild dienen. Als Reaktion auf den Mauerbau wurde die Hauptabteilung Unterhaltung dagegen anderthalb Jahre später erneut dazu angehalten, in ihren Sendungen eine »stärkere Betonung des Inhalts und der politischen Aussage der Sendungen«255 zu gewährleisten. Wie schon dargelegt, sollte die Unterhaltung ebenso wie die anderen Bereiche des Fernsehfunks helfen, die DDR in ihrer Überlegenheit zum Westen darzustellen und ein neues Heimatgefühl zu vermitteln. Die Distanz zur Bundesrepublik wurde betont, auch in Bezug auf die westliche Fernsehkonkurrenz. So sollten ostdeutsche Themen und Persönlichkeiten in den Mittelpunkt der Sendungen gestellt und damit die DDR-Spezifik der Unterhaltung verstärkt werden. Beispielgebend dafür wurden die Sendungen Kreuzverhör aus Sympathien, Ein Lied für Sie, Gesucht und gefunden sowie Ein Schlager aus Berlin genannt. Insgesamt ging es nun vor allem um Abgrenzung zu vergleichbaren Formaten des bundesdeutschen Fernsehens: »Es wird darauf ankommen, die Sendungen so zu gestalten, dass wir uns auch auf dem Gebiet der Unterhaltung von den Sendungen des Westfernsehens noch mehr als bisher unterscheiden.« Dies blieb nicht der einzige ›Kurswechsel‹ in Bezug auf die Auseinandersetzung mit der westlichen Konkurrenz. Schließlich lebte dieses Genre noch mehr als andere von Innovationen und gerade in Bezug auf neue Trends sowie Spielformen war die Vergleichbarkeit zu den Westsendungen immer gegeben. Für eine Rekonstruktion des Zirkulierens zwischen dem Aufgreifen von im Westen entwickelten und erprobten Show- und Spielformaten und dem Versuch eine eigene Identität zu entwickeln, sei auf den aktuellen Forschungsstand verwiesen.256

255 256

Hier und im Folgenden: [Q] HA Unterhaltung 1961, S. 1-2. Für die 1950er Jahre vgl. hierzu Hoff 2005; Mühl-Benninghaus 2006, für die 1960er Jahre überblicksweise Steinmetz/Viehoff 2008, S. 188-194 sowie für beide Jahrzehnte Breitenborn 2003.

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4.4.2 D IE » SCHWARZE R ÖHRE «

ALS

V ORBILD

Einen Kompromiss zwischen Orientierung und Abgrenzung gegenüber dem westlichen Fernsehprogramm suchte die Fernsehführung in den 1960er Jahren auch bei Programmentscheidungen, die über einzelne Sendeplätze und Sendungen hinausgingen. Das beste Beispiel für diesen Spagat ist die Einführung und der Ausbau des Werbefernsehens257 in der DDR seit 1959.258 Im bundesdeutschen Fernsehen war das Werbeprogramm zu diesem Zeitpunkt bereits fest etabliert: Schon 1952 hatte der NWDR geplant, Werbefernsehen auszustrahlen, die Initiativen hierzu schlugen jedoch fehl.259 So war es der Bayerische Rundfunk, der am 3. November 1956 die Vorreiterrolle übernahm und Werbesendungen in sein Programm integrierte. Nachdem 1957 die Gerichte diese Praxis billigten, schlossen sich die anderen Anstalten an. Die ostdeutsche Fernsehführung lehnte dieses Werbeprogramm des Westens über die gesamten 1960er Jahre hinweg als eine unzulässige Beeinflussung der Zuschauer ab. Die Sender würden das Werbefernsehen dazu nutzen, »das Gefühl des andauernden Fortschritts zu erhalten« sowie »ständig neue Bedürfnisse zu wecken«.260 Dies würde nicht nur die Interessen der Industrie am Absatz ihrer Produkte befriedigen, sondern auch eine staatlich gewünschte »Wohlstandsideologie« fördern, die letztendlich zur Ausbeutung der arbeitenden Klasse beitrüge. Parallel zu diesem negativen Bild westlicher Werbesendungen – und unter Ignorierung der sich daraus ergebenden Widersprüche – hatte die Fernsehführung 1959 eine eigene Konzeption der politischgesellschaftlichen Funktionen von Fernsehwerbung entwickelt. Den Zuschauern sollte das ostdeutsche Werbefernsehen dabei den Fortschritt des Gesellschaftssystems demonstrieren, genau wie es dem Westen vorgehalten wurde: Angekündigt als »ein Spiegel der Erfolge« sollte es helfen, »den Menschen […] in der Praxis des Lebens zu zeigen: Produktion ist nicht Selbstzweck; gut arbeiten bedeutet im Sozialismus gut leben«.261 Ein Jahr zuvor war die Rationierung der Lebensmittel abgeschafft worden und die industrielle Bruttoproduktion stieg 1959 gegenüber dem Vorjahr um zwölf Prozent. Besonderes das Wachstum 257

258

259 260 261

Zum Werbefernsehen in der DDR vgl. die ausführliche Darstellung von Tippach-Schneider 2004. Auch dort wird davon ausgegangen, dass die westliche Konkurrenz entscheidend zur Etablierung des Werbeprogramms beigetragen hat. Allerdings wird eher auf Presseveröffentlichungen als auf fernsehinternes Schriftgut Bezug genommen, die in der vorliegenden Arbeit analysierten DFF-Konzeptionen finden sich bei Tippach-Schneider nicht. Auch wenn die Konzeptionen aus dem Jahr 1959 stammen, wurde das Werbefernsehen erst ab 1960 sowohl im Programm als auch in der strukturellen Anbindung an den DFF wirklich präsent. Es prägte den Fernsehbildschirm der 1960er Jahre und wird darum auch in diesem Kapitel behandelt. Vgl. Witting-Nöthen 2000, S. 18-19. Hier und im Folgenden: Programm- und Sendeleitung, Abteilung Programmdokumentation 1965, S. 32-33. Hier und im Folgenden: [Q] Kodeberg 1959, S. 1-3.

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der Chemischen Industrie war ein Hauptanliegen der SED, was Ulbricht im November 1958 mit dem »Chemieprogramm« auf der Chemiekonferenz in Leuna deutlich machte. Im nächsten Jahr fanden die dort präsentierten Parolen unter dem Motto ›Chemie gibt Brot, Wohlstand und Schönheit‹ Eingang in den Siebenjahrplan. Durch ein »buntes und amüsantes Kaleidoskop von Begegnungen mit der neuen Chemie in Haushalt und Betrieb, bei Vergnügen, Sport und Camping« sollte das Werbefernsehen das Chemieprogramm propagieren. Dahinter stand die Absicht der SED, mit größeren Produktpaletten den ostdeutschen Lebensstandard anzuheben, um bei der Bevölkerung Akzeptanz für das System zu gewinnen. Dass diese Strategie zumindest teilweise aufging und sich die DDR zu dieser Zeit in einer Konsolidierungsphase befand, bewiesen die rückläufigen Flüchtlingszahlen: Sie fielen 1959 auf den niedrigsten Stand seit der Staatsgründung. Am 1. Juni 1959 wurde Produktwerbung in das ostdeutsche Fernsehprogramm aufgenommen, zunächst als Notizen für den Einkauf. Im März 1960 wurde der Titel in Tinas tausend Tele-Tips geändert und schließlich auf den Namen verkürzt, unter dem die Sendung bis 1976 im Programm des DDR-Fernsehens verblieb: Tausend Tele-Tips. Die Einführung vollzog sich dabei unter einem doppelten Konkurrenzkonzept zur Bundesrepublik. Auf einer ersten Ebene wurde das Werbeprogramm als Propagandainstrument innerhalb der Systemkonkurrenz und der ökonomischen Hauptaufgabe, den Westen einzuholen, verstanden: »Ohne Zweifel kommt dem Werbefernsehen […] eine bedeutende Aufgabe im friedlichen, ökonomischen Wettstreit der beiden gesellschaftlichen Systeme in Deutschland zu. In diesem Sinne ist das Werbefernsehen keine angenehme aber nutzlose Unterhaltung, sondern eine massenwirksame politische Agitation gegen das Gerede vom ›Wirtschaftswunder im goldenen Westen‹ und ein sinnfälliger Beweis wie sich der Sozialismus auch in Deutschland anschickt den Kapitalismus in seiner Bonner Hochburg in kurzer Frist zu überflügeln.« Die zweite Ebene war die der Fernsehkonkurrenz. Die im Westen gezeigte Werbung erreichte auch die DDR und das ostdeutsche Pendant sollte dem dort Gesehenen etwas entgegensetzen. Unter dem Motto, den »Einfluss des Westens ausschalten«, hieß es als weitere Begründung für die Pläne, das Werbefernsehen im Jahr 1960 auszubauen: »Wenn schon die vorstehenden politischen und ökonomischen Gründe es erfordern, der Werbesendung im Programm des Deutschen Fernsehfunks einen angemessenen Platz einzuräumen, ist dieses auch notwendig, um der Westsendung direkt wirksam entgegenzutreten. Es ist bekannt, dass nicht wenige Zuschauer gerade diesen kurzweiligen Sendungen den Vorzug geben und einige originelle Ideen wie ›Kiwitt‹ und volkstümliche Melodien wie ›Quelle-Qualität‹ und ›Kühle Condor‹ bei uns in vieler Munde sind.« Gleichzeitig war die Abgrenzung zur westlichen Form der Fernsehwerbung ein entscheidendes Anliegen der Produzenten, schließlich wollte man nicht in den Ruf geraten, ›kapitalistische‹ Sendeformen ins Programm zu nehmen: »Das Werbefernsehen kann und darf nichts mit der aufdringlichen marktschreierischen Reklame unseligen Angeden-

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kens gemein haben, die ein zwangsläufiger Ausfluss des anarchischen und rücksichtslosen Konkurrenzkampfes der Kapitalisten war. Inhalt und Form der neuen Werbesendung [im DFF; C. D.] werden durch unsere gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt.« Die gesellschaftskonformen Funktionsbestimmungen waren dementsprechend als Bedarfslenkung, volkswirtschaftliche Aufklärung sowie Geschmacksbildung deklariert. Darüber hinaus sollten die Werbesendungen die sozialistische Lebensweise propagieren – selbstverständlich in Abgrenzung zu den Modellen, die die westliche Werbung zeigte: »Die Formen unserer gesellschaftlichen Verhältnisse – sozialistische Brigaden, Produktionsgenossenschaften, die neuen sozialistischen Feiern, die Gleichberechtigung der Frau, usw. – sind anziehend und nachahmenswert zu gestalten. Autoren und Regisseure müssen bewusst den Gegensatz zum Werbefernsehen und der Reklame des Westens herausarbeiten, wo bürgerliches Denken und Selbstsucht, meist in dem heute modernen amerikanischen Gewand der hohlen Pracht und manirierten [sic!] Blasiertheit propagiert werden.« Über die ideologischen Zielstellungen eines künftigen Werbeprogramms lagen 1959 also bereits detaillierte Überlegungen vor. Die Realisierung der Vorhaben gestaltete sich allerdings schwieriger, wie Tippach-Schneider für die Anfangszeit resümiert: Der »Weg vom politischen Willen zur praktischen Umsetzung [war] relativ beschwerlich und vor allem am Anfang von Zufällen, Improvisationen und Aktionismus gekennzeichnet«262. Doch auch während der gesamten 1960er Jahre blieb der Status des Werbefernsehens im DFF kompliziert. Tippach-Schneider führt dies auf den ungelösten Widerspruch zwischen dem bildungspolitischen Anspruch, den das DDR-Fernsehen an sein Programm erhob, und dem Wunsch nach einer Maximierung der Einnahmen durch das Werbefernsehen zurück.263 Entweder wollte man das ökonomische System der DDR bewerben oder man erfüllte Wünsche der Industrie nach Reklamesendungen für ihre Produkte. Anfang der 1970er Jahre kam erschwerend hinzu, dass die Industrie vor ernsten Versorgungsengpässen stand, besonders Konsumgüter konnten nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung gestellt werden. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung über die Kluft zwischen Warenangebot und Nachfrage war groß. Das Werbefernsehen, aufgrund des permanenten Mangels seiner ureigenen Funktion beraubt, wurde von der politischen Führung der DDR zunehmend kritisiert. Interessanterweise war es die angebliche Ähnlichkeit zur westlichen Werbeindustrie, mit dem die ostdeutsche Werbung ins Abseits gestellt wurde: 1971 wurde auf einer ZK-Sitzung moniert, dass die Fernsehwerbung kapitalistische Werbemethoden und Werbetheorien kritiklos übernähme. Außerdem würde die Werbung bürgerliche Lebensgewohnheiten verbreiten und große Mittel volkswirtschaftlich uneffektiv einsetzen. Selbstkritisch räumte die Hauptabteilung Werbefernsehen daraufhin ein, dass sie sich in der zurückliegenden Zeit zu sehr an der westlichen Werbung

262 263

Tippach-Schneider 2004, S. 53. Vgl. ebd., S. 107.

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orientiert und damit ein falsches Prestigedenken bei den eigenen Zuschauern gefördert hätte. Doch auch mit diesen Einsichten konnte die Abteilung nicht verhindern, dass die Fernsehwerbung letztendlich abgesetzt wurde. Im Januar 1975 erließ der Ministerrat der DDR ein Werbeverbot für die Industrie, im Dezember des gleichen Jahres wurde die Einstellung des Werbefernsehens zum 15. Februar 1976 eingeleitet. Tippach-Schneider sieht die Ursachen hierfür in einem gründlichen Scheitern des Anspruchs, mit dem Werbefernsehen die sozialistische Lebensweise propagieren zu können, und in der mangelnden Unterscheidung der ostdeutschen Werbung zu westlichen Werbeformen und -strategien.264 Der Versuch des DDR-Fernsehens, sich gegenüber der bundesdeutschen Konkurrenz mit eigenen Angeboten besser zu positionieren, war misslungen. Man hatte auf einem Gebiet zu konkurrieren versucht, in dem die Bundesrepublik überlegen war und blieb: Den Lebensstandard der Westdeutschen, besonders in Bezug auf die Versorgung mit Konsumgütern, konnte die DDR bis zu ihrem Ende nicht aufholen. Zwischen 1960 und 1969 gab es, genau wie in den vorangegangenen Jahren, im DDR-Fernsehen noch weitere Fälle, in denen frei nach dem Motto, ›dieses und jenes hat der Westen, wir brauchen das auch‹ agiert wurde. Nachdem das Werbefernsehen hier ausführlicher präsentiert wurde, sollen abschließend noch einige Beispiele ergänzt werden. Die wichtigste Entscheidung, die vor dem Hintergrund der westlichen Konkurrenz getroffen wurde, war die Einführung eines zweiten Fernsehprogramms inklusive der Farbfernsehtechnologie.265 Ab 1965, und damit zwei Jahre nachdem das ZDF auf Sendung gegangen war, wurden die Forderungen der Fernsehführung und ihrer übergeordneten Instanzen lauter, den »Rückstand unseres Fernsehens gegenüber dem Westen«266 nicht zu groß werden zu lassen. Das Präsidium des Ministerrats schloss sich am 22. Dezember 1966 dieser Argumentation an und ordnete den Sendebeginn des zweiten DDR-Fernsehprogramms im Jahr 1973 an. Ein Jahr später entschied sich das Gremium für eine vorfristige Realisierung, wobei erneut mit der bundesdeutschen Fernsehentwicklung argumentiert wurde, der schnell etwas entgegengesetzt werden müsse. Auf Beschluss des ZK-Politbüros vom 6. Februar 1968 wurde der Sendestart auf den 20. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1969 festgelegt. Letztendlich ging das zweite Programm sogar bereits am 3. Oktober 1969 auf Sendung. Mit der Planung und Einführung des zweiten DFF-Programms ging die Entscheidung für das französische Farbfernsehsystem SECAM einher. Hier schloss sich die DDR-Regierung im März 1969 dem von der Sowjetunion gewählten System an, auch wenn dies zukünftig bedeutete, dass beide deutsche Staaten unterschiedliche Normen verwendeten. An dieser Stelle wird deutlich, wie sich die Prioritäten der politischen Führung innerhalb von zehn Jahren verändert haben: Hatte man

264 265 266

Vgl. ebd., S. 150. Vgl. hierzu ausführlich Vollberg 2002. [Q] Norden an Stoph, 26.10.1965, S. 2.

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1959 noch erwogen, einen eigenen ostdeutschen Fernsehkanal für das bundesdeutsche Publikum einzuführen, war diese Zielgruppe 1969 nicht mehr relevant. Die DDR installierte ein zweites Programm aus Sorge um die eigenen Zuschauer, mit zwei parallelen Programmangeboten konnte man sich besser gegen die einstrahlenden westlichen Sender positionieren. Dass dabei zumindest die Farbtechnologie nicht mehr kompatibel war, störte die Entscheidungsträger wenig: Die Zuschauer in der DDR empfingen mit den dort verkauften Geräten das Westprogramm nur schwarz-weiß. Die politische Führung hoffte, dass das Westprogramm so an Attraktivität verlor. Gleichzeitig konnten die Westzuschauer das Ostprogramm ebenfalls nur ›farblos‹ verfolgen, aber dieses Manko war mittlerweile bedeutungslos geworden. Die Zuschauer in der Bundesrepublik wurden eher als ein willkommenes ›Abfallprodukt‹ der eigenen Technologie gesehen, die über die DDR hinausstrahlte, entscheidungsrelevant waren sie nicht mehr. Dies änderte nichts an der Tatsache, dass man das Westfernsehen als Konkurrenten betrachtete, der im Kampf um die ostdeutschen Zuschauer sehr gute Karten hatte. Also nutzte das DDR-Fernsehen jede Gelegenheit, ARD und ZDF in eben diese zu schauen. Außerhalb des Programmbereichs waren es immer wieder die technischen Innovationen, die der DFF bei der westlichen Konkurrenz neidvoll registrierte. So wurden in den 1960er Jahren auch die Fernsehteams, die in der DDR drehten und die Technik, die sie zur Verfügung hatten, genau beobachtet. Allerdings war den Fernsehspezialisten bewusst, dass die modernen Ausrüstungen der Westjournalisten in der DDR nicht so schnell wie gewünscht zur Verfügung stehen konnten. Ein Beispiel aus dem Jahr 1964 verdeutlicht dieses Dilemma: Die Internationale Redaktion des DFF berichtete der Intendanz und Albert Norden von den Dreharbeiten zur Reportage Dresden 1964, produziert für die ARD, und lobte besonders die Speziallichttechnik sowie die Tonaufnahme und -wiedergabegeräte. Die Redaktion empfahl eine solche Ausstattung auch für die DDR-Fernsehteams. Allerdings sah sie die Beschaffung dieser Technik in der DDR als schwierig an. Zwar hätte sich der Direktor der Technischen Universität Dresden, Kurt Schwabe, interessiert gezeigt, Entwicklungsarbeiten für eine solche Licht- und Tontechnik zu veranlassen, der Beginn einer Produktion in der DDR wäre aber nicht durchsetzbar.267 Aber nicht nur im Bereich der aktuellen Produktion, sondern auch in den künstlerischen Programmbereichen verfügte der Westen über technische Standards, um den ihn die DFF-Mitarbeiter beneideten. Hier sei auf die Forderung nach mehr filmischen Produktionsmitteln verwiesen, die Intendanz und Parteileitung des Fernsehens gegenüber dem ZK der SED 1966 erhoben. Zukünftig sollten mehr Fernsehauftragsproduktionen im DEFA-Studio realisiert und der DFF-interne Einsatz von Filmtechnik ausgebaut werden.268 Begründet wurde dies mit den umfangreichen Kooperationsbeziehungen des westdeutschen Fernsehens

267 268

Vgl. [Q] Deutscher Fernsehfunk, Internationale Redaktion 1964, S. 3. Vgl. [Q] Deutscher Fernsehfunk 1966, Beilage 5, S. 5.

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zu Film-Atelier-Gesellschaften, welche es diesem ermöglichten, deutlich häufiger mit filmischen Mitteln produzierte Fernsehfilme und -spiele als Studio-Kammerspiele auszustrahlen. Vor diesem Hintergrund forderte die Fernsehführung, dass nun auch der DFF die Studiowände verlassen und mittels Filmtechnik die Stoffe der sozialistischen Gegenwart für das Fernsehen umsetzen müsste. Die Beispiele zeigen, dass sich das DDR-Fernsehen bemühte, zu den technischen Fortschritten des Westens aufzuschließen, obwohl es sich insgesamt in einer schwierigeren wirtschaftlichen Situation befand. Das Westfernsehen verkörperte dabei den für den DFF naheliegendsten Repräsentanten der internationalen Fernsehentwicklung. Diesen musste das DDR-Fernsehen vor Augen haben, wenn es sich mit anderen Programmen zu messen suchte, schließlich hatten die eigenen Zuschauer ebenfalls diese Möglichkeit des Vergleichs. Innerhalb des hier diskutierten Jahrzehnts hatten sich die wirtschaftlichen und technischen Potenzen beider Fernsehländer aber auseinander entwickelt. Das DDRFernsehen war in einen ›Rückstand‹ geraten, der in den folgenden Dekaden noch größer wurde. Dies sollte nicht ohne Auswirkungen auf das Selbst- und Fremdbild sowie das Agieren in der Konkurrenz bleiben.

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5 Ideologische Konkurrenz in friedlicher Koexistenz. Das DDR-Fernsehen 1970 bis 1979 In den 1970er Jahre ebnete sich die DDR mittels der deutsch-deutschen Vertragspolitik den Weg zur internationalen Anerkennung. Die politische Maxime von der Verschärfung des ideologischen Klassenkampfs sollte gleichzeitig die äußerliche Entspannung ideologisch absichern (Kapitel 5.1). Für das DDR-Fernsehen bedeuteten die endgültige Abkehr vom gesamtdeutschen Auftrag und die ausschließliche Hinwendung zum DDR-Publikum, dass es sich mehr als je zuvor an den Wünschen der eigenen Zuschauer orientieren musste. Mit der Programmreform von 1971/72 und auch in den Folgejahren wurde das Unterhaltungsprofil des Programms ausgebaut (Kapitel 5.2.1 und 5.2.5). Im theoretischen Diskurs über die Wirkungsmöglichkeiten des Fernsehens wurden nun Thesen zur politisch-ideologischen Manipulation der Zuschauer durchgängig an Darstellungen zur Freizeit- und Entspannungsfunktion des Mediums gekoppelt (Kapitel 5.2.2). Zugleich rückte die westliche Konkurrenz noch stärker ins Blickfeld der Fernsehführung, zumeist unter dem Credo der ideologischen Konkurrenz des DDR-Fernsehens zu den Programmen des bundesdeutschen Fernsehens (Kapitel 5.2.3 und 5.2.4). Dem einstrahlenden Fernsehen der Bundesrepublik wurde dabei nach wie vor unterstellt, die Zuschauer gezielt abwerben zu wollen, um sie ideologisch zu beeinflussen. Pseudowissenschaftliche Untersuchungen unterschiedlicher Institutionen sollten dieses Feindbild systematisch belegen (Kapitel 5.3). In der eigenen Programmplanung versuchte das DDR-Fernsehen, strategisch auf die Strukturen des Westfernsehens zu reagieren: Gegen attraktive Programmangebote des Westens wurden eigene ›massenwirksame‹ Sendungen gesetzt. Sendete der ›Gegner‹ ein für die DDRZuschauer weniger anziehendes Programm, versuchte man die vom Publikum geschmähte Publizistik unterzubringen (Kapitel 5.4).

5.1 Die Deutschlandpolitik in den 1970er Jahren Der wichtigste personelle Wechsel in der Geschichte der DDR – die Absetzung Ulbrichts und die Nachfolge Erich Honeckers 1971 – bedeutete nicht nur einen Einschnitt in der Deutschlandpolitik, sondern war möglicherweise auch ursächlich mit dieser verwoben. Ein Teil der For-

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schung1 geht davon aus, dass Ulbricht und Honecker seit dem Annäherungskurs der sozialliberalen Koalition 1969 unterschiedliche Vorstellungen über eine angemessene Reaktion der DDR entwickelt hatten, wobei Ulbrichts Auffassung zunehmend das Misstrauen der sowjetischen Führung heraufbeschworen habe. Dies sei entscheidend für die Demontage Ulbrichts durch Honecker gewesen. Ein ausgewähltes Beispiel aus der ›Vorgeschichte‹ zum Sturz Ulbrichts soll dies illustrieren: das geheime Treffen zwischen Leonid Breschnew und Honecker am 28. Juli 1970 in der Nähe von Moskau. Honecker versuchte Breschnew davon zu überzeugen, dass Ulbricht eine schrittweise deutsch-deutsche Annäherung favorisieren und entgegen den sowjetischen Vorgaben auf intensive Kontakte und Verhandlungen mit der Brandt-Scheel-Regierung setzen würde.2 Breschnew dagegen befürwortete ein weiteres Auseinanderdriften beider deutscher Staaten. Deutlich formulierte er gegenüber Honecker, dass eine Annäherung den Interessen der Sowjetunion widerspräche: »Die Existenz der DDR entspricht unseren Interessen, den Interessen aller sozialistischer Staaten. Sie ist das Ergebnis unseres Sieges gegenüber Hitlerdeutschland. Deutschland gibt es nicht mehr, das ist gut so. Es gibt die sozialistische DDR und die imperialistische Bundesrepublik.« Ganz explizit gab er dem aufstrebenden Honecker die sowjetische Zielsetzung für die deutsch-deutschen Beziehungen stakkatohaft zu Protokoll: »Die Trennung zwischen DDR und BRD schärfer. Die verwandtschaftlichen Bindungen werden loser und weniger. […] Westdeutschland ist im Verhältnis zur DDR wie jeder Dritte, jeder andere Staat Ausland.« Diese Aussage Breschnews gab die sowjetische Grundhaltung vor, die für das Jahrzehnt bestimmend blieb. Inwieweit Ulbricht dieser Position tatsächlich widersprochen hat und seine Pläne davon abwichen, wird widersprüchlich bewertet. Entgegen der Position von Kaiser und Mählert argumentieren andere Forscher, dass auch Ulbricht, genau wie Honecker und Breschnew, die einheitliche deutsche Nation negierte und damit die sozialistische Gesellschaftsordnung über die nationale Frage stellte. Schroeder und Alisch interpretieren die Dissenspunkte zwischen der KPdSU-Führung und Ulbricht eher als »Mißverständnisse[n]« denn als »prinzipielle[n] Meinungsverschiedenheiten«. Die Sowjetunion selbst hätte demnach auf eine Unterstützung der SPD durch die SED im Wahlkampf gedrängt. Eine Zusammenarbeit mit der neuen Bundesregierung unter der Zielstellung einer wirtschaftlichen Stärkung der DDR von Seiten Ulbrichts könne daher nur »mit einiger Interpretationskunst […] als ›Eigenmächtigkeit‹ angesehen werden«.3 Die unterschiedlichen Wertungen können an dieser Stelle nebeneinander stehen bleiben. Für den Gegenstand dieser Arbeit ist es nicht zwingend relevant, ob und inwieweit Ulbricht 1970/71 eine Politik verfolgte, die die DDR in einen Widerspruch zur Linie Moskaus hätte füh-

1 2 3

Diese Meinung wird u.a. vertreten in folgenden Publikationen: Kaiser 1997, Mählert 2004, Steininger 2002. Vgl. hier und im Folgenden: Breschnew/Honecker 1991, S. 281-286. Vgl. Schroeder/Alisch 1998, S. 206-210. Vgl. darüber hinaus Schmidt 1998.

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ren können. Entscheidend ist dagegen, welch hohen Stellenwert die Deutschlandpolitik in dieser Zeit besaß und wie entsprechende Vorstellungen der KPdSU-Führung aussahen. Honecker hatte diesbezüglich 1970 ein gutes Gespür bewiesen, was dazu beitrug, dass er schon im folgenden Jahr die erhofften Früchte ernten konnte: Am Nachmittag des 3. Mai 1971 verkündeten DDR-Fernsehen und Hörfunk die Nachricht, dass Walter Ulbricht seinen Posten als Erster Sekretär des Zentralkomitees aus Altersgründen in jüngere Hände gegeben hatte. Damit war die »Ära Ulbricht« beendet und die »Ära Honecker« eingeläutet.4 Zu diesem Zeitpunkt war bereits Bewegung in die deutsch-deutschen Beziehungen gekommen. Der nach außen hin sichtbarste Beweis waren die Gipfelbegegnungen zwischen Brandt und Stoph gewesen, die im März 1970 in Erfurt und in einer zweiten Runde im Mai in Kassel stattfanden. Dieses erste offizielle Treffen von Spitzenpolitikern beider Länder seit 23 Jahren, die noch unter Ulbrichts Diktat organisiert und durchgeführt wurden, hatten der DDR-Führung deutlich die Vor- und Nachteile der neuen deutsch-deutschen Situation vor Augen geführt: Obwohl die Gespräche zu wenig greifbaren Resultaten führten, waren sie doch ein Prestigegewinn für die ostdeutsche Regierung und versprachen perspektivisch das Zustandekommen eines ergebnisorientierten deutsch-deutschen Dialoges. Die negative Seite der Medaille war aber, dass die ostdeutsche Bevölkerung große Hoffnungen in die beginnenden Kontakte setzte. Der spontane Applaus der Bevölkerung galt in Erfurt dem westdeutschen »Willy« (Brandt), was dem ostdeutschen »Willi« (Stoph) missfallen musste und die Staatssicherheit alarmierte.5 Diese Risiken im Blick, entschied sich die SED-Führung trotzdem für weitere Vertragsverhandlungen. Zu welchen Ergebnissen diese führten, wird zusammenfassend referiert, wobei erst im Anschluss auf die ostdeutschen Strategien der ›Risikobegrenzung‹ eingegangen wird. Da schon in Kassel deutlich wurde, wie komplex die Materie war und wie schwierig es werden würde, die Interessen beider Länder adäquat zu berücksichtigen, verlegte man die Gespräche zunächst auf die Ebene der zuständigen Staatssekretäre und widmete sich kleineren, lösbaren Problemen. Nach einer ›Denkpause‹ trafen am 27. November 1970 erstmals Egon Bahr und Michael Kohl zusammen, um über Verkehrsprobleme zu verhandeln. Nach nicht weniger als 42 Gesprächsrunden in Ost-Berlin und Bonn wurde am 17. Dezember 1971 das Transitabkommen und am 26. Mai 1972 der Verkehrsvertrag unterschrieben. Beide Verträge ergänzten das am 3. September 1971 unterzeichnete Viermächte-Abkommen über Berlin6 und traten mit diesem am 3. Juni 1972 in Kraft. Die vereinbarten Reiseerleichterungen waren für die Bundesrepublik ein großer Gewinn, bereits 1972 stieg die Zahl der West-Berliner, die die DDR oder Ost-Berlin besuchten, sprunghaft

4 5 6

Zum Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker vgl. ausführlich Kaiser 1997 sowie Naumann/Trümpler 1990. Vgl. Maibaum 1998, S. 69-72; Steininger 2002, S. 325. Vgl. u.a. Steininger 2002, S. 337-349; Abdruck des Abkommens in Auszügen ebd., S. 385-388.

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an. Auch der Transitverkehr zwischen Bundesrepublik und West-Berlin nahm aufgrund der neuen Regelungen zu. Im Laufe der Verhandlungen hatte es laut Maibaum eine »leichte Klimaveränderung«7 zwischen den Parteien gegeben, der Weg zu einer Intensivierung der Vertragspolitik war frei. Im Juni 1972, nach Inkrafttreten des Viermächte-Abkommens und der Ratifizierung der Verträge von Moskau und Warschau, begannen dementsprechend die Verhandlungen über einen deutsch-deutschen Grundlagenvertrag. Hinter den Verhandlungsführern Bahr und Kohl agierten dabei die Regierungsführer beider Länder. Auf Seiten der DDR traf nun Honecker die Entscheidungen, der sich jedoch – deutlicher als Ulbricht zuvor – bei der Führung der Sowjetunion absicherte. Während eines Treffens der Ostblockführer am 31. Juli 1972 auf der Krim zeigte sich, dass der große Bruder die DDR nicht mehr wie am Ende der Ulbricht-Ära in Bezug auf deutschlandpolitische Schritte zurückhalten, sondern eher drängeln musste. Während Honecker unter den herrschenden Bedingungen eher auf eine Strategie des Abwartens setzte, wollte Breschnew, dass die DDR der Bundesregierung entgegenkam, auch um die Sozialdemokraten bei eventuell anstehenden Neuwahlen zu stärken. Daraufhin traf sich Honecker am 7. September mit Bahr und in den Verhandlungen wurde ein wichtiger Durchbruch erzielt. Nach einem längeren zähen Ringen, nunmehr nur noch um die Details und Konkretisierungen, und einem erzielten Kompromiss über die Formulierung unterschiedlicher Auffassungen über das Nationenverständnis, wurde der Grundlagenvertrag am 21. Dezember 1972 unterzeichnet.8 Potthoff führt an, dass der Vertrag seinen Namen zu Recht trug, allerdings nur in dem Sinne, dass er Grundlagen für die Beziehungen beider Länder regelte – weitere grundsätzliche Fragen, wie die der Nation, blieben ungelöst.9 Sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR hatten im Vertragswerk Zugeständnisse machen müssen, vorab formulierte Maximalforderungen hatte keines der beiden deutschen Länder durchsetzen können: Die DDR hatte die volle Anerkennung im völkerrechtlichen Sinne durch die Bundesrepublik nicht erreicht (weshalb es auch im Juni 1974 nicht zum Austausch von Botschaften, sondern nur von Ständigen Vertretungen kam), auch wenn der Artikel 6 garantierte, dass die Bundesrepublik die Hoheitsgewalt der DDR, ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit respektieren würde. Zudem war die DDR nun angehalten, ausländische Diplomaten und Medien ins Land zu lassen, wobei gerade die Staatssicherheit zukünftig bemüht war, die Folgen dieser Öffnung zu überwachen und zu reglementieren.10 Trotzdem überwog aus ostdeutscher Sicht der erzielte Erfolg: Aus der »Zone« bzw. der »sogenannten DDR« war eine DDR ganz ohne Anführungszeichen geworden. Der einzige ›Schönheitsfehler‹ aus ost-

7 8

Maibaum 1998, S. 73. Veröffentlicht im Bundesgesetzblatt 1973, II, S. 423 ff. Abdruck in Steininger 2002, S. 389-392. 9 Potthoff 1997, S. 36. 10 Vgl. dazu sehr ausführlich Staadt 2004 bzw. Staadt et al. 2008.

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deutscher Sicht blieb die Tatsache, dass der Vertrag kein völkerrechtliches Verhältnis zwischen den Vertragspartnern DDR und Bundesrepublik konstituierte – obwohl die SED dies immer wieder behauptete. Ungeachtet dessen ermöglichte der Grundlagenvertrag der DDR den Weg zur internationalen Anerkennung, die Hallstein-Doktrin war damit Geschichte. Die Schweiz war das erste westliche Land, das die DDR völkerrechtlich anerkannte und zwar bereits am 20. Dezember 1972, einen Tag vor der Unterzeichnung des Vertrages. Bis 1978 vollzogen 123 Staaten diesen Schritt. Am 18. September 1973 wurden beide deutschen Länder zudem als Mitglieder Nr. 133 und 134 in die Vereinten Nationen aufgenommen. Am Verhandlungstisch der »Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa« (KSZE) saßen die DDR und die Bundesrepublik gleichberechtigt nebeneinander.11 In der Bundesrepublik wurden Nutzen und Risiken des Vertrages dagegen heftig diskutiert. Die Debatten zur Ost- und Deutschlandpolitik bestimmten den Wahlkampf für die vorzeitigen Bundestagswahlen vom 19. November 1972. Letztendlich konnte die Brandt-Regierung mit einem beeindruckenden Wahlsieg ihre Position legitimieren, damit war auch die »Wahlhilfe der DDR«12 von Erfolg gekrönt. Gleichzeitig sicherte die Mehrheit der Koalitionsregierung die Billigung des Bundestages zum Grundlagenvertrag am 11. Mai 1973. Der Bundesrat stimmte zwar zunächst gegen das Vertragswerk, lehnte dann aber die Anrufung eines Vermittlungsausschusses ab. Nach dem Austausch der Ratifizierungsnoten trat der Vertrag am 21. Juni 1973 in Kraft. Daran konnte auch eine Verfassungsklage Bayerns nichts mehr ändern, da das Bundesverfassungsgericht am 31. Juli 1973 entschied, dass der Grundlagenvertrag mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Die Quintessenz des Vertrages für die Bundesrepublik hat Bahr kurz nach der Unterzeichnung in einem vielzitierten Satz zusammengefasst: »Auf die Frage eines Journalisten nach meinen Erwartungen erklärte ich: ›Bisher hatten wir keine Beziehungen, jetzt werden wir schlechte haben, und das ist der Fortschritt.‹«13 Diese ›schlechten‹, aber weiterhin produktiven Beziehungen bestanden auch unter dem nächsten Bundeskanzler fort. Nachdem Brandt am 6. Mai 1974 als Folge der Agenten-Affäre um Günter Guillaume zurücktreten musste, übernahm Helmut Schmidt das Kanzleramt. In den Jahren zwischen seinem Amtsantritt bis 1980 wurden über ein Dutzend Abkommen und Protokolle zwischen Bundesrepublik und DDR unterzeichnet. Nicht umsonst wurden diese Jahre als »zweite Phase der

11 Die KSZE-Schlussakte bedeutete für die DDR Chance und Schwierigkeit zugleich. Einerseits betrachtete sie ihn als völkerrechtlichen Vertrag, der die bestehenden Grenzen absicherte. Andererseits stand gerade der als Korb III bezeichnete Text (über Grundsätze der Zusammenarbeit im humanitären Bereich, die Erleichterung von menschlichen Kontakten über die Blockgrenzen hinweg sowie freien Informationsaustausch) nicht im Einklang mit den tatsächlichen Lebensbedingungen in der DDR. Vgl. Howarth 2001. 12 Steininger 2002, S. 355. 13 Bahr 1996, S. 424.

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Deutschlandpolitik«14 charakterisiert. Rückblickend kann das Verhältnis beider deutscher Regierungschefs als »bei aller beibehaltenen Distanziertheit mehr und mehr entkrampft«15 beschrieben werden. Aber die deutsch-deutsche Vertragspolitik mit den erzielten Verständigungen beleuchtet nur einen Teil der DDR-Geschichte dieses Jahrzehnts. Der andere Teil der SED-Deutschlandpolitik waren mannigfaltige Strategien der ›Risikobegrenzung‹ nach innen, die für den Gegenstand dieser Arbeit von großer Bedeutung sind. Grund dafür war die nicht unberechtigte Sorge der Partei, die Annäherung an die Bundesrepublik könne die Stabilität des geschaffenen Gesellschafts- und Herrschaftssystems gefährden. Für dieses System war die Bedrohung von außen eine wichtige Legitimation. Die neue Ostpolitik der Bundesregierung barg hierfür ein großes Risiko: »Nichts war […] gefährlicher als eine Entdämonisierung des Feindes. In den Augen der SED-Führung war dieser Feind umso bedrohlicher, je sanfter er auftrat.«16 Die ideologische Absicherung der äußerlichen Entspannung funktionierte seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre über ein verändertes Selbst- und Feindbild der DDR: Übergeordnet stand nun die Theorie, dass sich durch politische und militärische Entspannung der ideologische Klassenkampf verschärfen würde. Nach ostdeutscher Lesart war demnach das sozialistische Staatensystem durch wirtschaftliche und wissenschaftliche Erfolge gestärkt worden, während der Imperialismus viele Niederlagen einstecken musste. Als Folge davon würde das Monopolkapital nun keine direkte Aggressionspolitik mehr betreiben, sondern wäre zu einer schleichenden Unterwanderung der DDR und anderer sozialistischer Staaten übergegangen. Die Hauptmethode dafür wäre die ideologische Diversion, die – wie die Ereignisse in Prag 1968 gezeigt hätten – zur schleichenden Konterrevolution führen könnte. Getreu dieser Thesen wurden in den 1970er Jahren alle nach außen sichtbaren Verhandlungserfolge mit einer verstärkten ideologischen Abgrenzung quittiert. So warnte das Politbüro das ZK der SED im April 1972 nach dem beschlossenen Transitabkommen und während der Verhandlungszeit des Verkehrsvertrages, dass der derzeitige Entspannungsprozess von einer »Verschärfung der ideologischen Auseinandersetzung« begleitet wäre. Nach Abschluss des Grundlagenvertrages wurde erneut versucht, die Abgrenzung voranzutreiben: Der Kreis der ›Geheimnisträger‹, denen jegliche West-Kontakte verboten waren, wurde erweitert und die Staatssicherheit weiter aufgewertet. Gleichzeitig setzte die SED-Führung alles daran, die eigene Identität zu stärken und die politische Losung von den zwei deutschen Nationen nach außen hin sichtbar zu machen.17 Damit wurde ein Prozess fortgesetzt, der mit der aufkommenden Entspannungspolitik seinen Anfang genommen hatte: Seit Bildung der großen Koalition 1966 »wurden Zug um Zug alle gesamtdeutschen Bezüge aus der Parteiideologie ent-

14 15 16 17

Vgl. Potthoff 1997, S. 38. Maibaum 1998, S. 88. Mitter/Wolle 1993, S. 381. Zum Zwei-Nationen-Konzept der SED vgl. Schmidt 1996.

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fernt«18. Dass die Bundesrepublik Anfang der 1970er Jahre als Ausland interpretiert wurde, zeigen die Tilgung der Bezeichnungen »deutsch« bzw. »Deutschland«, die bei zahlreichen Institutionen zu Umbenennungen führte: Aus der »Deutschen Akademie der Wissenschaften« wurde die »Akademie der Wissenschaften der DDR«, die »Nationale Front des demokratischen Deutschland« nannte sich fortan »Nationale Front der DDR«, der »Deutschlandsender« hieß künftig »Stimme der DDR« und – an dieser Stelle besonders wichtig – aus dem »Deutschen Fernsehfunk« wurde das »Fernsehen der DDR«. Auf den Text der Nationalhymne wurde in der Folgezeit verzichtet, der Passus »Deutschland einig Vaterland« passte nicht mehr ins politische Konzept. Genau zum 25. Jahrestag wurde die Zwei-Nationen-Theorie auch in der Verfassung der DDR verankert. Seit dem 7. Oktober 1974 lautete der Artikel 1 nicht mehr: »Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat deutscher Nation. […]«19, sondern: »Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. […].«20 Offiziell wurde nun zwischen der »sozialistischen Nation«, die die DDR als Staat mit eigener Staatsangehörigkeit repräsentierte, und der »deutschen Nationalität« unterschieden, die lediglich die Volkszugehörigkeit charakterisierte. Die Botschaft der neuen Verfassung, die Honecker initiiert hatte, war deutlich – aber deswegen für die DDR-Bevölkerung noch lange nicht nachvollziehbar: Von nun an gab es in der ostdeutschen Ideologie und Rechtspraxis zwei Nationen, zwei Staatsbürgerschaften und eine deutsche Nationalität. Gleichzeitig hatte die Verfassung in Artikel 6 noch einmal akzentuierter die Anbindung der DDR an die Sowjetunion festgeschrieben. Dass sie diplomatisch das internationale Parkett betreten hatte, versuchte die DDR nach innen mit einer gewissen ›Weltoffenheit‹ zu demonstrieren. Die Partei zeigte sich bereit, einige Reglementierungen zu lockern: Honeckers beiläufige Bemerkung 1973, dass in der DDR jeder nach Belieben die westlichen Medien ein- und ausschalten könne, führte gegenüber weiten Teilen der Bevölkerung zu einer stillen Akzeptanz des Konsums westlicher Medien. Zugleich wurde der »Kleinkrieg«21 gegen die Jugendkultur eingestellt, Mode- und Musikstile wurden großzügiger akzeptiert, womit lange Haare, kurze Röcke und sogar die »Blue Jeans« endgültig Einzug in die DDR hielten. Auf den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten im gleichen Jahr versuchte sich die DDR als moderner, weltoffener Staat zu präsentieren. Quasi im selben Atemzug versuchte man die westlichen Einflüsse einzudämmen, wobei der DDR-Führung besonders der west-östliche

18 Staadt 1997, S. 934. 19 Verfassung vom 9. April 1968. In: Gesetzesblatt der Deutschen Demokratischen Republik, 1968, Teil I, S. 199. Zitierte Ausgabe: Hildebrandt 1992, S. 236. 20 Verfassung vom 7. Oktober 1974. In: Gesetzesblatt der Deutschen Demokratischen Republik, 1974, Teil I, S. 432. Zitierte Ausgabe: Hildebrandt 1992, S. 236. 21 Mählert 2004, S. 119.

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Besucherstrom ein Dorn im Auge war. Dies fand seinen Ausdruck in der Verdopplung der Umtauschsätze im November 1973, wobei die DDR damit natürlich auch finanzielle Interessen realisierte. Sehr empfindlich reagierte die SED-Spitze zudem auf die nach dem Grundlagenvertrag akkreditierten bundesdeutschen Journalisten im Land, die sich nicht immer an die Auflagen der DDR-Informationspolitik hielten. Im Dezember 1975 wurde darum der Spiegel-Korrespondent Jörg Mettke ausgewiesen.22 Ein Jahr später traf das gleiche Schicksal den ersten ständigen Korrespondenten der ARD in der DDR: Lothar Loewe musste das Land verlassen, nachdem sein Kommentar, an der deutsch-deutschen Grenze gebe es die Anweisung, auf Menschen wie auf Hasen zu schießen, einen willkommenen Anlass darstellte. Eine »Tendenz zur Überreaktion«23 zeigte die DDR nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Prominenteste Beispiele sind die Ausbürgerung Wolf Biermanns am 16. November 1976 und der Hausarrest für den reformkommunistischen Systemkritiker Robert Havemann, der im gleichen Monat verhängt wurde. Insgesamt verursachte diese harte Linie der Parteiführung einen Wendepunkt der DDR-Geschichte: Schroeder beschreibt es als das »schnelle Ende der Hoffnungen«24 und Mählert betont, dass es sich dabei um mehr als nur eine neuerliche Krise des Systems oder einen kulturpolitischen Klimawechsel handelte. Die Biermann-Ausbürgerung und die folgenden Restriktionen gegen seine Sympathisanten markierten einen »Einschnitt, in dessen Folge große Teile der kritischen DDR-Intelligenz resignierten«25. In den folgenden Jahren verließen immer mehr Künstler und Schriftsteller das Land, das kulturelle Leben in der DDR dünnte weiter aus.26 Aber auch andere Teile der Bevölkerung kehrten der DDR den Rücken, indem sie sich auf die in der KSZE-Akte zugesicherte Freizügigkeit beriefen: Nach oft langjährigen Schikanen verließen 1976 15.188 von ihnen als Flüchtlinge oder Übersiedler das Land, von 1977 bis 1980 folgten jährlich mehr als 12.000 Menschen.27 Insgesamt können jene Jahre als Phase des wirtschaftlichen Niedergangs und der Stagnation charakterisiert werden. Der deutschlandpolitische Kurs der SED in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre lässt sich schnell zusammenfassen. Auf dem IX. Parteitag 1976, der insgesamt die führende Rolle der Partei und die Beziehungen zur Sowjetunion bekräftigt hatte, wurden deutschlandpolitische Erwägungen weitgehend außen vor gelassen. Lediglich die Formel von der

22 Ihm wurde »grobe Verleumdung« der DDR vorgeworfen, nachdem er über Zwangsadoptionen berichtet hatte. 1978 musste das Ostberliner Büro der Zeitschrift ganz schließen. 23 Maibaum 1998, S. 90. 24 Schroeder/Alisch 1998, S. 227. 25 Mählert 2004, S. 129. 26 Zu den Folgen für das Fernsehen, durch Abwanderung von Schauspielern, Regisseuren, Autoren und Dramaturgen, vgl. Hickethier/Hoff 1998, S. 408. 27 Vgl. Schroeder/Alisch 1998, S. 229-232.

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»friedlichen Koexistenz«28 wurde bestätigt. Nach sozialistischer Auffassung bildete sie das auch für die beiden Teile Deutschlands geltende Prinzip der Beziehungen zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen. Honecker, der sich seit 1976 Generalsekretär nannte und als Nachfolger Stophs im selben Jahr Vorsitzender des Staatsrates wurde, zeigte sich an ›normalen‹, konfliktarmen bilateralen Beziehungen interessiert. Die Lösung von Sachfragen stand im Vordergrund. Diese wurden meist unterhalb der Regierungsebene verhandelt. Bundeskanzler Schmidt bemühte sich, 1978 mit Honecker direkte Gespräche aufzunehmen, die telefonisch durchaus zustande kamen und sogar ein offizieller Besuch Schmidts wurde erwogen. Zu dieser Zeit fielen jedoch, wie Potthoff es ausdrückt, »die ersten Schatten des sich verdunkelnden Ost-West-Himmels über die noch vorwiegend sonnige deutsche Landschaft«29. Das internationale Klima und vor allem das Verhältnis der Supermächte verschlechterten sich zu dieser Zeit deutlich: Verwiesen sei hier auf die forcierte Aufrüstung der Sowjetunion, den Afghanistan-Einmarsch, den westlichen Boykott der Olympischen Sommerspiele in Moskau und den NATO-Nachrüstungsbeschluss. Im Herbst 1979 untersagte Breschnew ein Treffen zwischen Honecker und Schmidt, das auch im folgenden Jahr nicht stattfinden konnte. Hatte sich das deutsch-deutsche Verhältnis noch eine Weile im Gegenwind des neuen Ost-West-Konflikts relativ normal gestalten können, brachte das Jahr 1980 eine Wende. In der DDR-Führung setzte sich wieder ein schärferer Abgrenzungskurs durch, welcher spätestens mit der Geraer Rede Honeckers im Oktober 1980 deutlich wurde. Schon ein Jahr zuvor hatte auch der Druck nach innen wieder deutlich zugenommen. Die DDR verschärfte im Juni 1979 das politische Strafrecht, wobei das Gesetz gegen staatsfeindliche Hetze erweitert wurde. Das neue Jahrzehnt schien sich als ›Eiszeit‹ anzukündigen. Tatsächlich zeigten sich aber schon bald die ersten Anzeichen des in den sozialistischen Staaten einsetzenden Tauwetters, welches letztendlich auch vor der DDR nicht halt machen sollte.

5.2 Das Selbstbild des DDR-Fernsehens nach dem VIII. Parteitag der SED 5.2.1 D ER K AMPF GEGEN EINE » BESTIMMTE L ANGEWEILE «. D IE P ROGRAMMREFORM VON 1971/72 Wurden im vorangegangenen Abschnitt bedeutsame Determinanten der Deutschland- und beginnenden Außenpolitik der DDR vorgestellt, wird nun die wichtigste innenpolitische Zäsur der 1970er Jahre ins Zentrum der Betrachtung gerückt: Nach dem Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker stellte der VIII. Parteitag der SED vom 15. bis 19. Juni 1971 ei28 Zum SED-Konzept über die »friedliche Koexistenz« vgl. als zeitgenössische Darstellung Institut für Internationale Politik und Wirtschaft der DDR 1977. 29 Potthoff 1997, S. 63.

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nen signifikanten Wendepunkt dar, der direkte Folgen für das Selbstbild des DDR-Fernsehens hatte. Bereits unmittelbar nach Honeckers Amtsantritt gab es Anzeichen einer innenpolitischen Entspannung. Hinweise auf eine neue Kulturpolitik mit (kontrollierten) Zugeständnissen und erweiterten Spielräumen weckten bei Künstlern und Kulturschaffenden Hoffnungen auf mehr schöpferische Freiheit. Diese Linie bestätigte der VIII. Parteitag, der ähnliche Erwartungen bezüglich verbesserter Lebensbedingungen auf einen Großteil der DDR-Bürger übertrug. Mit »dem ehrgeizigen Programm der ›Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik‹ [sollte] die stets fragile Systemloyalität der Bevölkerung durch eine Strategie der Massenwohlfahrt erreicht werden […]: mehr Konsum, mehr ›kleine Freiheiten‹, mehr Unterhaltung«30. Als wichtigstes Ziel wurde die Steigerung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes proklamiert. Neben Lohn- und Rentenerhöhungen sollte ein intensivierter Wohnungsbau die Lebensbedingungen erleichtern. Zwar stand die Kulturpolitik auf diesem Parteitag nicht im Mittelpunkt der Diskussionen, trotzdem thematisierte Honecker neue kulturpolitische Akzente und umriss auch gesellschaftliche Ansprüche an das Fernsehen. Es sollte seine journalistische Arbeit verbessern und durch eine lebensnahe, packende und überzeugende Darstellung des DDRAlltags helfen, die Aufgaben bei der Vollendung des Sozialismus zu lösen. Das Niveau aller künstlerischen Programme und der Unterhaltungswert der Sendungen sollten gesteigert werden, mehr als zuvor hätte das Fernsehen dabei die Meinungen und Stimmungen der Werktätigen zu berücksichtigen.31 Bekannt geworden ist Honeckers Forderung nach einem spannenderen Programm: »Unser Fernsehen, das auf gute Leistungen zurückblicken kann, sollte verstärkt bemüht sein, die Programmgestaltung zu verbessern, eine bestimmte Langeweile zu überwinden, den Bedürfnissen nach guter Unterhaltung Rechnung zu tragen, die Fernsehpublizistik schlagkräftiger zu gestalten und den Erwartungen jener Teile der werktätigen Bevölkerung zu entsprechen, deren Arbeitstag sehr zeitig beginnt und die deshalb schon in den frühen Abendstunden Zuschauer wertvoller Fernsehsendungen sein möchten.«32 Die Probleme auf dem Weg zur sogenannten ›entwickelten sozialistischen Gesellschaft‹ machten auch eine Veränderung der medialen Kommunikation nötig. Honeckers Klage über eine ›bestimmte Langeweile‹ im Fernsehen traf Anfang der 1970er Jahre durchaus ins Schwarze: Überholte Formen im Programm trieben die Zuschauer virtuell in die Arme des ›Klassengegners‹ – auf die Kanäle von ARD und ZDF. Wollte das Fernsehen dies (zumindest teilweise) verhindern, musste es moderner und vor allem unterhaltsamer werden. Eine Programmreform sollte die

30 Steinmetz et al. 2002, S. 15. 31 Vgl. [Q] Zentrale Parteileitung/Staatliches Komitee für Fernsehen 1971, S. I/810. 32 Honecker 1971.

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»Qualität und Massenwirksamkeit der Sendungen«33 verbessern: Schließlich konnte der DFF seine ideologischen Botschaften nur einer Bevölkerung vermitteln, die das eigene Programm auch einschaltete. Diese Reform wurde bereits zum Jahreswechsel 1971/1972 realisiert. Die größte strukturelle Veränderung war dabei die Verkürzung der Aktuellen Kamera von dreißig auf zwanzig Minuten Sendezeit.34 Die Nachrichten sollten künftig vor allem »tagesaktuell«, stimmiger zusammengesetzt und dadurch interessanter für die Zuschauer werden. Im Anschluss wurde die magazinartige Informationssendung Zehn vor acht ausgestrahlt. Allerdings wurde diese bei den Zuschauern populäre Variante der abendlichen Informationsvermittlung schon im September 1972 wieder rückgängig gemacht: Die Sendedauer der Aktuellen Kamera betrug wieder 30 Minuten und Zehn vor acht wurde offiziell aus Kostengründen eingestellt. Adameck erinnert sich allerdings an die direkte Anweisung Honeckers, zur ursprünglichen Sendeplatzgestaltung zurückzukehren, da diesem durch die Verkürzung der Nachrichten die innenpolitische Berichterstattung zu kurz gekommen wäre.35 Eine dauerhafte Veränderung der Programmstruktur stellte dagegen die Erweiterung des Angebots an Ratgebersendungen dar, welche sich bis zum Ende des DDR-Fernsehens großer Popularität erfreuten. Eine zeitgleiche Reform der Programminhalte führte auch zu einer Neugestaltung der fiktionalen Sendungen. Der Wandel des Fernsehens nach den medienpolitischen Neuorientierungen des Jahres 1971 lässt sich aber nicht nur an Veränderungen im Programm festmachen. Das Selbstverständnis der Akteure hatte sich gewandelt, gerade auch im Hinblick auf die Abgrenzung zum ›feindlichen Fernsehen‹ des Westens. Was sich schon in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre angedeutet hatte, wurde nun ein fester Grundsatz: Für die Agitation Richtung Westen konnten keine großen Kräfte mehr aufgebracht werden. Das Konzept des gesamtdeutschen Auftrags des Programms wurde im Zuge der allgemeinen politischen Kursänderung vollständig aufgegeben. Es gab im Programm des DDR-Fernsehens keine Sendung mehr, die sich explizit an die westdeutschen Zuschauer wandte. Die Wirkungsmöglichkeiten auf die westdeutsche Bevölkerung wurden von der Fernsehführung nun als minimal eingeschätzt. Äußeres Zeichen hierfür war auch die Umbenennung des »Deutschen Fernsehfunks« in »Fernsehen der DDR« im Jahr 1972. Das Massenmedium Fernsehen wurde jetzt vor allem als Propagandainstrument für die eigene Bevölkerung ausgebaut: mit zwei Programmen, einem stetigen Anstieg der Sendestunden und einer stärkeren Orientierung an den Bedürfnissen des Publikums. Der VIII. Parteitag hatte dem Fernsehen die Aufgabe erteilt, sich stärker an den Wünschen der Zuschauer zu orientieren. Dies wollte die Fernsehführung im Anschluss an den Parteitag schnellstmöglich umsetzen, wie Adameck seinen Kollegen darlegte: »Die Grundsätze der Pro-

33 Vgl. [Q] Trautzsch 1971. 34 Vgl. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1971a. 35 Vgl. Steinmetz/Prase 2005.

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grammgestaltung im ganzen ebenso wie die Konzeption der Bereiche, die thematischen Vorschläge für die einzelnen Sendungen ebenso wie die Methoden des journalistischen oder künstlerischen Herangehens müssen das treffen, was der Parteitag als Ausgangpunkt für unser aller Arbeit formuliert hat: die wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse des Volkes, also auch die bessere Befriedigung der Erwartungen der Zuschauer, die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen.«36 Zugleich mahnte er eine kritische Haltung zur eigenen Programmleistung an: »Selbsttäuschung und Illusionen bringen uns den Veränderungen unseres Programms nicht einen Schritt näher, weil sie uns den Blick für die wirklichen gesellschaftlichen Erwartungen und die Ansprüche der Zuschauer verschliessen.« Adameck schloss sich Honeckers Kritik rückhaltlos an und führte seinen Mitarbeitern zahlreiche Beispiele vor Augen, die die Forderungen der Parteiführung rechtfertigen würden: So räumte er u. a. ein, dass »unsere Fernsehjournalistik […] nicht frei von Zügen der Langeweile [ist], die durch Einseitigkeit und Wiederholung in der Thematik, durch ermüdende und stereotype Einheitskonzeptionen, durch einseitig-didaktisches Herangehen, ungenügende Lebensnähe, entsteht«. Diese Aussagen zu den explizit politischen Programmformen zeigen, dass es sich hier um einen wahrhaften Paradigmenwechsel im Anspruch an die Programmgestaltung handelte. Ein sensibler Punkt, die Parteilichkeit des sozialistischen Fernsehens, wurde angesprochen und ihre Ausführung sehr direkt kritisiert. Schematische Darstellungen und Phrasenhaftigkeit wurden plötzlich angeprangert, nachdem sie seit Beginn des DDR-Fernsehens zum ritualisierten Gestus gehörten. Diesen Umschwung gestand Adameck offen ein, als er höhere Standards für die Aktuelle Kamera anordnete: »Dabei dürfen wir nicht ungerecht sein und niemanden von den Mitarbeitern der Aktuellen Kamera für Dinge verantwortlich machen, für die er nicht verantwortlich war. Manches, was heute noch an Traktoren über den Bildschirm rollt, an oberflächlichen Betriebsberichten auftaucht, haben wir vor nicht allzu langer Zeit selbst gefordert.« Die Kritik des VIII. Parteitags am Fernsehen ermöglichte neue Töne in den wichtigsten Kategorien der Selbstzuschreibungen der Fernsehführung: In den Gedanken zur eigenen Wirksamkeit und der Positionierung in der ideologischen Konkurrenz. Diese werden im Folgenden untersucht. Gleichzeitig führten die veränderten Rahmenbedingungen der deutsch-deutschen Verständigungspolitik zu einer Neubewertung des Selbstbildes innerhalb des Konzeptes von der friedlichen Koexistenz. Schließlich mündeten die Zielstellungen im Umfeld der Programmreform von 1971/72 längerfristig in der Forderung nach einem kontrastierenden Programmangebot der zwei DDR-Fernsehprogramme und bereiteten damit die nächste Programmreform Anfang der 1980er Jahre vor.

36 Hier und im Folgenden: [Q] Zentrale Parteileitung/Staatliches Komitee für Fernsehen 1971, S. I/7-II/3.

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5.2.2 W IRKUNGSVORSTELLUNGEN . A LTER W EIN IN NEUEN S CHLÄUCHEN Das Schlagwort der Programmreform war die ›Erhöhung der Massenwirksamkeit‹. Dies bedeutete nicht allein den Wunsch, die Attraktivität der Programme zu steigern, sondern das Konzept schloss konkrete Medienwirkungsvorstellungen ein. Das Fernsehen war vehement aufgefordert worden, die ideologische »Wirkung« seiner Programme auszubauen. Schon knapp zwei Jahre zuvor, im Januar 1970, hatte sich das Fernsehkomitee gegenüber der Agitationskommission beim ZK der SED verpflichtet, mit der Fernsehpublizistik die »bewußtseinsbildende Wirkung auf alle Zuschauer«37 zu steigern. Nach der Kritik des VIII. Parteitages wurde das Programm verstärkt auf die Interessen der Zuschauer ausgerichtet. Dieser von nun an wichtigste gesellschaftliche Auftrag des Fernsehens hatte das Ziel, die ideologische Wirksamkeit des Gesamtprogramms zu erhöhen. An der tradierten Vorstellung der Fernsehideologen, mit dem eigenen Programm »Wirkungspolitik« betreiben zu können, die schon in den 1950er und 1960er Jahren prägend gewesen war, hatte sich dabei nichts geändert. Nur wollte man nun mit dem gesamten Angebot den gesellschaftlichen Auftrag zur »Festigung des sozialistischen Bewusstseins des Volkes und für das geistig-kulturelle Wohl der Bürger der DDR«38 erfüllen. Gleichzeitig wurde dem Konzept vom massenhaften Empfang des Mediums ein besonderer Tribut gezollt und die Vielfältigkeit der Fernsehwirkung betont. In einem Arbeitspapier der Abteilung Agitation hieß es dazu: »Das Fernsehen wirkt […] außerordentlich intensiv und vielgestaltig auf das Bewusstsein der Werktätigen und auf die Befriedung ihrer wachsenden geistig-kulturellen Bedürfnisse ein. Das starke Masseninteresse, das dem Fernsehen entgegengebracht wird, macht es diesem Medium möglich, besonders ausgeprägt geistigen Einfluß auf Menschen aller Klassen und Schichten, aller Altersgruppen, jedes Bewusstseins- und Bildungsstandes zu gewinnen.« Die feste Stellung des Fernsehens als Massenmedium war explizit zu einem wichtigen Argument innerhalb des Wirkungsdiskurses geworden. Die Verantwortlichen gingen in den 1970er Jahren aber nicht nur davon aus, dass das Fernsehen durch seinen hohen Verbreitungsgrad den eigenen ›wirkungspolitischen‹ Absichten besonders gerecht wurde. Alle Anstrengungen, die darauf gerichtet waren, seine »reichen Wirkungsmöglichkeiten« bestmöglich zu etablieren, lassen sich auch mit dem Wissen um die besondere Überzeugungskraft des Mediums erklären. Die authentische und emotionalisierende Wirkung von bewegten Bildern, rezipierbar im privaten, familiären Umfeld, wurde dabei als anderen Medien überlegen eingeschätzt: »Das Fernsehen vereinigt einige der wichtigsten Möglichkeiten der anderen Massenmedien in sich. 37 [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1970a, S. 1. 38 Hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Agitation des Zentralkomitees 1975, S. 2.

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Es bringt das Wichtigste in lebendigem Wort und lebendigem Bild mit unvergleichlicher Unvermittelbarkeit ins Haus. Seine Aussagen wirken dadurch dokumentarischer und authentischer.«39 Auf einer Betriebsdelegiertenkonferenz des Fernsehens wehrte sich der höchstrangige Medienanleiter der DDR, Werner Lamberz (Politbüromitglied und ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda) 1976 zwar einerseits gegen den Vorwurf, er würde das Fernsehen bevorzugen. Andererseits gestand er die ideologischen Vorteile des Mediums ein, wobei er noch einmal das generelle Selbstverständnis der sozialistischen Medieninstrumentalisierung betonte: »Alle Medien bei uns sind gleichwertig und unentbehrlich als Instrumente der Partei. Jedes Medium hat seinen eigenen festen Platz und seine spezifischen Wirkungsmöglichkeiten. Zusammen bilden sie unser erprobtes ideologisches Orchester. […] Die Partitur der Partei hat Noten genug für alle. Wenn aber mit Vorliebe gemeint sein soll, daß Fernsehen einen politisch verfassten Menschen besonders fasziniert wegen seiner mehrdimensionaler Wirkungsmöglichkeiten, wegen der neuen Qualität politischer, publizistischer, künstlerischer Ausstrahlungskraft, wegen des unmittelbaren, intensiven Einflusses auf Millionen, – dann ist das sicher richtig.«40 Lamberz hob außerdem hervor, dass die Wirksamkeit des Fernsehens von einem »Privileg« herrühre, »das es gegenüber allen anderen Medien besitzt: die Gedanken und Empfindungen der Menschen unseres Landes bei der Beschäftigung mit den Parteitagsdokumenten hörbar und sichtbar zu machen«. Kein anderes Medium wäre demnach besser geeignet, Parteidirektiven und Staatspolitik an die Bürger zu vermitteln. Schon 1969 hatte Glatzer das Potential des Fernsehens hoch gelobt, angesichts dessen es »eine unverzeihliche Unterlassungssünde« wäre, »in der Arbeit der Massenmedien der DDR den Kampf um das Bewusstsein von Millionen nur aus der Tagespresse heraus zu führen«.41 Neu am Diskurs über die Wirkungsmöglichkeiten des Fernsehens war eine starke Kopplung von Thesen zur politisch-ideologischen Manipulation und der Freizeitfunktion des Mediums für die Nutzer. Die Abteilung Agitation machte auf das nicht zu unterschätzende Dilemma in der spezifischen Wirkungsweise aufmerksam. Sozialistisches Fernsehen wäre demnach ein Instrument politischer Orientierung und ideologischer Erziehung, gleichzeitig aber auch geistig-kultureller Bereicherung, Entspannung und Unterhaltung. In der Programmgestaltung müsste stets die Einheit dieser Faktoren berücksichtigt werden: »Es ist ebenso falsch, Forderungen nachzugeben, die der Ausfüllung der politisch-ideologischen Funktion des sozialistischen Fernsehens abträglich sind, wie es unvertretbar ist, das legitime, stark ausgeprägte Bedürfnis der Zuschauer nach Entspannung und Unterhaltung zu ignorieren. Das Fernsehen trägt eine riesige Verantwortung dafür, dass sich alle Bürger

39 [Q] Fernsehen der DDR, Wissenschaft und Technik 1974, S. VD XXIV/1/74/5. Hervorhebung im Original. 40 Hier und im Folgenden: [Q] Lamberz 1976, S. 1-19. 41 [Q] Glatzer 1969, S. 21-22.

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im Sozialismus wohlfühlen.«42 Adameck schwor seine Mitarbeiter dementsprechend darauf ein, dass es keine »Trennung zwischen politischer Schlagkraft und Massenwirksamkeit geben«43 könne. Der Spagat zwischen den zwei großen Aufgaben Ideologievermittlung und Unterhaltung war spätestens mit der Kritik Honeckers am Fernsehen ins Zentrum der fernsehinternen Analysen gerückt. Die Frage, ob das Fernsehen durch die stärker betonte Unterhaltungsfunktion entpolitisiert wurde, findet sich in zahlreichen fernsehinternen Diskursen und Konzepten zwischen 1970 und 1975. Für den Anfang der 1970er Jahre lässt sich der Grundtenor dieser Diskussionen auf folgende Formel Adamecks zusammenfassen: »Die Unterhaltung macht nicht weniger und nicht mit geringerer Kraft ›Politik‹ als die Publizistik.«44 Adameck verwehrte sich entschieden gegen den Verdacht der »Entpolitisierung« und forderte eine übergreifende Auslegung von Politikvermittlung durch das Fernsehen: Unterhaltung hätte demnach nicht nur die Rolle der Lokomotive im Programm zu spielen und bloße ›Zutreiberdienste‹ für publizistische Formate zu leisten. Stattdessen wäre die Befriedigung des Unterhaltungsbedürfnisses der Zuschauer ebenso wichtig wie Publizistik, Kunst oder ernste Musik. Die Aufgabe, das Gesamtprogramm unterhaltsamer zu gestalten, trüge ihm zufolge »politischen Charakter […], und zwar hochpolitischen Charakter«. Diese Auffassung hätte sogar der Westen geteilt: »Das hat der Gegner übrigens längst begriffen. Mit Spott werden von ihm diejenigen bedacht, die unter Politik nur die Tagesschau oder die Kommentare oder die politischen Gesprächssendungen im Fernsehen verstehen und nicht den ungeheuren Einfluss begreifen, der von den nur scheinbar ›unpolitischen Genres‹ der Unterhaltung, der Musik, der Serien ausgeht.« Für das eigene Selbstbild bedeutete dies, dass die Wirkungsvorstellungen auf die unterhaltenden Formate ausgedehnt wurden. Nicht mehr allein die direkte Einflussnahme der politischen Sendungen wurde betont, sondern die indirekte Wirksamkeit der gesamten Bandbreite des Programms herausgestellt. Der VIII. Parteitag hatte Adameck demnach in der Auffassung bestärkt, dass Politik einen breiten Inhalt habe: »Wenn die tägliche Versorgung mit tausend kleinen Dingen Staatspolitik ist, dann sind auch die Befriedigung des Entspannungsbedürfnisses und der Rat in den kleinen täglichen Angelegenheiten und die Schlagermusik Politik. Dann ist auch im Sport und in der Unterhaltungsveranstaltung und im Kinderfernsehen Politik nicht nur das politische Wort. Dann haben alle Gattungen und alle Genres in ihrer besonderen Form, indem sie gesellschaftliche Bedürfnisse und die Erwartungen von Hunderttausenden besser befriedigen, ihren politischen Einfluss.«45

42 [Q] Abteilung Agitation des Zentralkomitees 1975, S. 6. 43 [Q] Sekretariat des Komitees 1974, Notizen, S. 1. 44 Hier und im Folgenden: [Q] Zentrale Parteileitung/Staatliches Komitee für Fernsehen 1971, S. I/18-I/19 und IV/11. 45 Vgl. zur Ideologievermittlung in den unterhaltenden Genres u.a. Pfau 2002. Hier wird am Beispiel der Familienserien belegt, wie nach dem VIII. Parteitag

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Unter dem Motto »Die Spezifik des Fernsehens wieder entdecken« hieß es bereits 1970 zu dieser Problematik in dem vertraulichen Fernsehkomitee-Papier »Probleme der Wirkungspolitik«: Zum politischen Auftrag gehörte es auch »die Kunst der gezielten Nebenwirkungen zu üben«46. Es wäre keineswegs sinnvoll, den politischen Auftrag als solches gegenüber dem Zuschauer zu thematisieren oder zunehmend journalistische Elemente in Gattungen zu integrieren, die dafür nicht konzipiert wären: »Die Unterhaltung verwirklicht die ideologischen Leitlinien nicht direkt, sondern vermittelt. Ihre Aufgabe ist es nicht zu argumentieren, sondern ihre Aufgabe ist es, bestimmte Gefühle zu wecken und zu festigen, bestimmte Stimmungen zu schaffen, bestimmte Erkenntnisse über heitere Erlebnisse zu vermitteln.« Auch hier erfolgte ein Verweis darauf, dass dem »Feindprogramm« von Beobachtern genau diese Wirkungsmechanismen zugeschrieben wurden. Das Fernsehkomitee zitierte einen Spiegel-Bericht über die sozialliberale Bundesregierung und das ZDF, in dem es hieß: »Die politischen Fernsehprogramme sind in ihrer Einflussnahme nur eine Oberflächenreizung, verglichen mit der auch politisch wirksamen Etablierung von Leitbildern und Wertvorstellungen, wie sie in unterhaltenden Sendungen erfolgt.« Der Autor mache sich demnach über Leute lustig, die sich nur mit den politischen Kommentaren beschäftigten und meine, sie sähen sich ›die falschen Sendungen‹ an. Die eigentliche, massenhafte Bewusstseinsbildung durch das Fernsehen geschehe in Unterhaltungssendungen und Fernsehserien, in denen Politik nicht thematisiert, sondern Verhaltensweisen ›unterschwellig‹ vermittelt würden. Gleichzeitig versuchte Adameck das eigene Fernsehen von dem des ›Gegners‹ zu unterscheiden, ohne sich jedoch in der Sache abheben zu können: »Da wir eine andere Grundeinstellung zur Aufgabe des Fernsehens haben, haben wir eine prinzipiell andere Haltung zum Verhältnis zwischen politischen und unterhaltenden Sendungen. Beide Gattungen haben eine gemeinsame Aufgabe: den Menschen zu helfen, sich ihre neue Gesellschaft aufzubauen. Aber sie haben an diese gemeinsame Aufgabe in spezifischer Weise heranzugehen: beide mit Gefühl und Verstand, aber die einen mehr von der Seite des wissenschaftlichen Verstandes her, die anderen mehr von der Seite der Emotion, der gesellschaftlichen Gefühle her.« Obwohl Adameck dies 1971 vehement abgestritten hatte, lässt sich in den Folgejahren beobachten, dass auch das rein politische Moment im Fernsehprogramm eine Umbewertung erfuhr. Vorsichtig wurden nun die Grenzen der politischen Agitation thematisiert. Ein Beispiel aus dem Jahr 1974 belegt dies für den sensiblen Bereich der Wirtschaftspropaganda. Adameck warnte in einer geheimen Beratung des »Leiter-

die Forderung nach mehr Attraktivität für den Zuschauer und politisch-ideologische Wirkungsabsichten verbunden wurden. 46 Hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1970b, S. 4243.

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aktivs«47 davor, »in alte Auffassungen wirtschaftspolitischer Einwirkung des Fernsehens auf die Gesellschaft zurückzufallen«. Zwar wäre die Innenpolitik der »vorderst[e] Kampfabschnitt« und die Wirtschaftspolitik die »Hauptfront«, aber das Fernsehen sollte nicht versuchen, selbst Politik zu machen. Es könnte keine »Regeldinge in Ordnung« bringen, sondern seine Sache wäre es, »auf Einsichten, auf Erkenntnisse, auf Motivationen zu wirken«. Was die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Zuschauer anbelangte, wäre das Fernsehen dazu da, »den Kopf klar [zu] machen, damit die Hände richtig arbeiten«. Insgesamt könne es aber nicht die Arbeit der gesellschaftlichen Leitungen ersetzen. Aus diesen Worten Adamecks spricht eine gewachsene Skepsis gegenüber der reinen Politikvermittlung durch das Medium Fernsehen. Ein Jahr später forderte Adameck die APO-Sekretäre und das Komitee auf, »als Grundproblem der Fernseharbeit [zu] diskutieren, dass ›politischer‹ zu senden nicht heisst, unwirksamer zu senden, dass politisch sein aber auch nicht automatisch heisst, ›besser‹ zu sein«48. Der Anspruch an das Fernsehen, seine Zuschauer tatsächlich zu erreichen, hatte selbst das Zentrum der politischen Agitation erreicht. Als Beleg dafür dient folgendes Beispiel: Im Jahr 1975 bereitete sich das Fernsehen auf den nächsten Höhepunkt des politischen Zyklus’ der DDR vor, nämlich den IX. Parteitages der SED vom 18. bis 22. Mai 1976. Die Planungen zur Inszenierung des Parteitages im Fernsehen belegen deutlich den Wunsch der Fernsehführung, das Ereignis möglichst ›zuschauerfreundlich‹ präsentieren zu können. Zwar wurde plattitüdenhaft betont, dass das Fernsehen die politisch-ideologischen Ziele des anstehenden Parteitags zu vermitteln hätte, aber Adameck gab auch klare Anweisungen, wie im Programm eine Übersättigung der Zuschauer bezüglich dieser Thematik vermieden werden sollte. Er forderte die Abteilungsleiter und Parteisekretäre auf, dafür zu sorgen, dass das Wort »Parteitag« nicht überstrapaziert würde. Schließlich wolle man die »Leute nicht totmachen, bevor der Parteitag beginnt«. Glatzer, der die konkreten Vorbereitungen des Fernsehens auf den Parteitag koordinierte, bat die Abteilung Agitation, dem Fernsehen eine »straffe, konzentrierte Berichterstattung«49 der wichtigsten Veranstaltungen des Parteitages zu ermöglichen. Mit dem Ziel einer »emotional wirksamen Berichterstattung« sollte vorab mit der Abteilung geklärt werden, welche protokollarischen Ereignisse gezeigt werden müssten, welche vernachlässigt werden könnten und wo im Zuge einer höheren Zuschauerfreundlichkeit Interviews Redeausschnitte ersetzen könnten.

47 Leiteraktivberatungen griffen, laut dort gegebener Erklärungen, positive Erfahrung des sowjetischen Fernsehens auf. Sie fanden in unregelmäßigen Abständen statt und führten Komiteemitglieder sowie ausgewählte Abteilungsleiter zusammen. Dort Gehörtes hatten alle Teilnehmer für sich zu behalten, auf eine Auswertung in den Kollektiven sollte ausdrücklich verzichtet werden. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Arbeitsgruppe beim Vorsitzenden 1974, S. 1-3. 48 [Q] Arbeitsgruppe beim Vorsitzenden 1975, S. 9. 49 Hier und im Folgenden: [Q] Glatzer 1975, S. 9-9a.

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5.2.3 »E NTWEDER WIR ODER DER G EGNER «. D IE IDEOLOGISCHE K ONKURRENZ IM Z ENTRUM DES S ELBSTBILDES Die veränderten Vorstellungen über die eigene Wirksamkeit und der hohe Stellenwert der Zuschauerfreundlichkeit des Programms waren in den 1970er Jahren aufs engste verknüpft mit einer starken Thematisierung der ideologischen Konkurrenz zu den Programmen des Westens. Weder in früheren Jahrzehnten noch in den folgenden 1980er Jahren nahm der Diskurs zur eigenen Position im ›ideologischen Klassenkampf‹ breiteren Raum im Selbstbild der Fernsehführung ein. Die Fernsehführung sah sich einem »tägliche[n] Kampf um die Herzen und Hirne der Zuschauer an einer ideologisch offenen Grenze«50 ausgesetzt. Diese Grenze und der Feind, der darüber einzudringen versuchte, wurden immer wieder aufgegriffen. Fast beschwörerisch mahnte das Fernsehkomitee 1970, dass diese Thematisierung keinen rein rhetorischen Charakter haben dürfte, sondern überaus ernst genommen werden müsse: »Fernsehen arbeitet unter den Bedingungen der offenen ideologischen Grenze. Der politische Charakter des Massenmediums springt in die Augen. Der Gegner, der über große Kräfte und Mittel gebietet, ist keine Abstraktion, den man zwar aus wissenschaftlichen Gründen erwähnen muss, der aber uns und unsere Zuschauer nicht betrifft.«51 Obwohl die Zuschauerforschung keine Zahlen über die Rezeption westdeutscher Programme ermittelte, wurde immer wieder mit großer Selbstverständlichkeit auf die Konkurrenz zwischen eigenen und westlichen Programmen hingewiesen. Da das Fernsehen mittlerweile einen hohen Stellenwert im DDR-Alltag besaß und zugleich der Empfang bundesdeutscher Programme weniger sanktioniert war als in den vorangegangenen Jahrzehnten, wurde dem Wettbewerb große Aufmerksamkeit zuteil. So wurde bereits 1970 argumentiert: »Für das Fernsehen gilt viel gnadenloser als für andere Massenmedien: Entweder voll wirksam oder überhaupt nicht wirksam. Entweder wir oder der Gegner.«52 In den 1970er Jahren war die Rezeption von Fernsehen tatsächlich eine alltägliche Erfahrung geworden; die Zuschauerstatistik besagt, dass mehr als die Hälfte aller DDR-Bürger zwischen 20:00 Uhr und 21:30 Uhr das Gerät einschaltete – entweder das ostdeutsche Programm oder die ›gegnerischen Kanäle‹. Das Fernsehkomitee war sich darüber im Klaren, dass das Medium längst den Reiz des Neuen verloren hatte und die Zuschauer sich jeden Abend neu entschieden, welchem Kanal sie den Vorzug gaben: »Mit dem Prozeß des ›Gewöhnens‹ unserer Zuschauer an das Fernsehen hat sich gleichzeitig das Herangehen nach dem Prinzip des ›Auswählens‹ stärker entwickelt.«53 Dass die Fernsehführung den Konsum des Westfernsehens dabei so offen und direkt diskutieren konnte, verdankte sie einer beiläufigen Be50 51 52 53

[Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1971b, S. C/9. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1970b, S. 15. [Q] o.N. 1970a, S. 1. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, S. 31. Hervorhebung im Original.

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merkung Erich Honeckers. Dieser hatte in seinem Bericht an die 9. Tagung des Zentralkomitees der SED im Mai 1973 darüber geklagt, dass die Regierungskreise in der Bundesrepublik versuchten, den Grundlagenvertrag in einer für sie vorteilhaften Weise auszulegen. Auf diesen Sachbehalt bezog sich folgender vielzitierter Satz: »Die westlichen Massenmedien, vor allem der Rundfunk und das Fernsehen der BRD, die ja bei uns jeder nach Belieben ein- oder ausschalten kann, machen daraus gar kein Geheimnis.«54 Bei den Menschen in der DDR kam von der Botschaft Honeckers allerdings weniger die (übliche) Kritik am Westen an, sondern vor allem, dass der SED-Chef dem ostdeutschen Publikum die Rezeption westlicher Massenmedien freistellte und diese damit als normalen legalen Vorgang kennzeichnete. Für die Verantwortlichen im DDR-Fernsehen führte dies wie erwähnt dazu, dass man die westliche Konkurrenz freier benennen konnte. Gleichzeitig fühlte sich die Fernsehführung in ihrem Bedrohungsszenario vom ›Feindlichen Fernsehen‹ weiter bestärkt und es scheint fast, als wurde Honeckers Botschaft für einen noch intensiveren Wettbewerb verantwortlich gemacht: »Die westlichen Massenmedien, vor allem der Rundfunk und das Fernsehen der BRD, die ja bei uns jeder nach Belieben ein- und ausschalten kann, bestrahlen fast das ganze Territorium der DDR. Jeder von uns weiß, daß der offene Klassenkampf im Äther täglich neu gewonnen werden muß.«55 Aber natürlich konnte man dem SED-Generalsekretär keinen Vorwurf machen, dem westlichen Fernsehen dagegen immer. So wurde argumentiert, dass die bundesdeutschen Sender, bestärkt durch den nun liberaleren Umgang mit dem Westempfang in der DDR, eine »Offensive« gestartet hätten, um »mit Hilfe einschneidender Veränderungen im Programmbau stärker auch auf die Fernsehgewohnheiten in der DDR einzuwirken«.56 In den Jahren 1975 und 1976 wurde der Fernsehführung zudem, was sehr selten vorkam, sogar quantitativ verifiziert, wie intensiv der Konsum des westlichen Fernsehens in der DDR war. Umfragen des »Instituts für Meinungsforschung beim ZK der SED« zum Fernsehen bestätigten die Befürchtungen der Fernsehführung. Auf die indirekte Frage nach dem Westempfang: »Wie reagieren Sie, wenn Ihnen Sendungen des Fernsehens der DDR nicht gefallen?« antworteten 1975 ganze 53,2 Prozent und 1976 immerhin noch 45,8 Prozent der Befragten: »Ich schalte einen anderen Sender ein.«57 Über die Ergebnisse dieser Umfrage wurde Erich Honecker persönlich vom ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda, Werner Lamberz, informiert.58 In dieses Bild passt, dass Adameck 1974 sogar den Westempfang im eigenen Haus eingestehen musste. Als »eine Schande« bezeichnete er die »Westfernsehseherei in Fernsehräumen« und beklagte, diese würde »ungeniert betrieben, selbst in Leiterzimmern und während der

54 55 56 57 58

Honecker 1975, S. 235. [Q] Kreisleitung Fernsehen der DDR 1975, S. 5. [Q] o.N. 1975, S. 2. [Q] Abteilung Agitation 1976, S. 7. Vgl. [Q] Lamberz an Honecker, 30.04.1976.

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Arbeitszeit«.59 Die Fernsehmitarbeiter würden dabei ausnutzen, dass die Rezeption der westdeutschen Sender auch beim DDR-Fernsehen nicht verboten wäre, allerdings war es laut Adameck eine »ideologisch[e] Frage«, die Sender nicht einzuschalten. Das Selbstbild vom Kampf um die Zuschauer an der ›ideologischen Front‹ diente der Fernsehführung in den 1970er Jahren aber auch dazu, die wirtschaftliche Position des Fernsehens zu stärken und bei den entscheidenden Gremien die Freigabe von Finanzmitteln zu bewirken, ähnlich wie sie es schon in früheren Jahrzehnten gehandhabt hatte. So forderte das Fernsehkomitee bereits 1970 – mit Verweis auf die Bedeutung des Fernsehens und seine spezifische Situation in der Konkurrenz zum westdeutschen Programm – eine Absicherung der Produktionsbasis für den Planungszeitraum 1971 bis 1975. Damit »die Waffe Fernsehen volle Wirksamkeit«60 erlangen könnte, müssten die Informationsjournalistik und Fernsehpublizistik sowie die sozialistische Dramatik und Unterhaltung ausgebaut, mehr Fremdproduktionen angekauft sowie der Farbanteil erhöht und der Wiederholungsanteil gesenkt werden. Die Fernsehzuschauer würden all dies erwarten, schließlich war ihnen anlässlich des 20. Jahrestages der DDR die Entwicklung des zweiten Programms in bunten Farben geschildert worden und sie zahlten mittlerweile monatlich zehn Mark für beide Programme.61 Aber die Zuschauerwünsche schienen als Argument allein nicht auszureichen: Deutlich wurde vor dem Hintergrund des herrschenden Feindbildes von der politisch-ideologischen Diversion die Bedeutung der eigenen Position herausgestellt und Forderungen formuliert: »Halbheiten verträgt diese Waffe nicht. Dazu ist sie politisch zu brisant.« Und weiter: »Höchste Qualität, Schnelligkeit, absolute Produktionsund Sendesicherheit des sozialistischen Fernsehens sind unter diesen Umständen staatspolitische Notwendigkeiten erster strategischer Größenordnung. Es geht nicht um Türme und Fassaden, es geht um neue Technik, damit das Fernsehen bis 1975 überlebt und der Zuspitzung der Klassenauseinandersetzung gewachsen ist.« Dieses Argumentationsmuster wiederholte sich drei Jahre später in einer Konzeption zur langfristigen Planung des Fernsehens, in der es vor allem um wirtschaftliche und technische Aspekte ging. Als erster Schritt in der Beweisführung für eine dauerhafte wirtschaftliche Planungssicherheit wurde die Bedeutung des Mediums allgemein herausgestellt und in den politisch-administrativen Strukturen verortet: »Das Fernsehen der DDR trägt, wie der Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom 7. November 1972 feststellt, unsere Politik und Ideologie täglich zu Millionen Menschen und wirkt maßgeblich auf die Ausprä-

59 Hier und im Folgenden: [Q] Arbeitsgruppe beim Vorsitzenden 1974, S. 11. 60 Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1970a, S. 1-2. 61 Die Rundfunkgebühr setzte sich nun folgendermaßen zusammen: Hörfunk 2 Mark; Hörfunk und I. Fernsehprogramm 8 Mark; Hörfunk, I. und II. Fernsehprogramm 10 Mark. Eingezogen wurden diese Gebühren vom Postzeitungsvertrieb. Sie waren allerdings keineswegs kostendeckend für die Institutionen, die DDR subventionierte ihre Rundfunkmedien in erheblichem Umfang.

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gung sozialistischer Überzeugungen, Denk- und Verhaltensweisen ein. Es stellt die schnellste und unmittelbarste Verbindung zu den Massen her und ist ein wichtiges politisches Führungsinstrument der Partei.«62 Im zweiten Argumentationsschritt wurde die Position in der ideologischen Konkurrenz beschworen: »Die Entwicklung des Fernsehens der DDR muß den sich verschärfenden ideologischen Klassenkampf, die Systemauseinandersetzung mit dem Imperialismus und allen Erscheinunsformen [sic!] seiner Ideologie berücksichtigen. Die Strategie und Taktik des programmpolitischen Vorgehens unseres Fernsehens und der Entwicklung seiner technischen Basis muß das strategische und taktische Vorgehen der Massenmedien des Gegners und seine Absicht, durch technische Abhängigkeiten die politische Schlagkraft des sozialistischen Fernsehens zu begrenzen, beachten.« Vor dieser doppelten Argumentationsstrategie konnten dann die Forderungen zum finanziellen und technischen Ausbau der zwei DDR-Sender formuliert werden. Was technische Innovationen betraf, so äußerte die Fernsehführung in den 1970er Jahren vor allem Bedenken hinsichtlich der Entwicklung der Satellitentechnik. Im Jahr 1970 glaubte man, dass der Heimempfang von Satellitenfernsehen bereits in zwei Jahren möglich wäre.63 Obwohl sich diese Prognose nicht bestätigt hatte, wurde 1974 weiter davon ausgegangen, dass bei der »Produktion und Verbreitung der Programme […] Satelliten eine immer größere Rolle spielen«64 würden. Diese Entwicklungen in der Distributionstechnik vor Augen wurde das im Grunde seit Jahrzehnten stagnierende Selbstbild in der Konkurrenz schlicht um die neuen technischen Aspekte erweitert: »Die Bild und Ton verbreitenden Wellen der Funkmedien überspringen die Grenzen und können das Bild der Wahrheit mit sich tragen, aber auch die Lüge und die ideologische Diversion. Rundfunk und Fernsehen müssen täglich und stündlich dem Klassengegner entgegentreten, der seine Massenmedien gegen den Sozialismus einsetzt, und um die Zuwendung ihrer Zuschauer ringen. Die Beschränkungen des Fernseh-Weitempfangs fallen durch die Entwicklung der Satellitentechnik immer mehr. So erweitert sich diese Front des ideologischen Klassenkampfes.« Eine Aufrüstung der sozialistischen Staaten und der DDR mit Satellitentechnik wurde in den folgenden Jahren immer wieder mit dieser neuen ›Front‹ in der Klassenauseinandersetzung begründet. Aber es würde zu kurz greifen, das Selbstbild des Fernsehens im ideologischen Klassenkampf allein auf eine Außenwirkung gegenüber den Gremien zu reduzieren, die u. a. über die wirtschaftlichen Grundlagen der Sender entschieden. Eben diese Institutionen und dem Fernsehkomitee übergeordnete Abteilungen schrieben dem Fernsehen genau die Attribute zu, die in den oben zitierten Argumentationen vorherrschen. Lamberz bestätigte dies 1976: »Es ist kein Zufall, daß sich das Wort über die Medien im Parteiprogramm in unmittelbarer Nachbar-

62 Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1973b, S. VD XXXIV/7/73, 1-2. 63 Vgl. [Q] o.N. 1970a, S. 1. 64 Hier und im Folgenden: [Q] Fernsehen der DDR, Wissenschaft und Technik 1974, S. VD XXIV/1/74/5-8.

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schaft befindet zu den Erfordernissen des ideologischen Kampfes und der Auseinandersetzung mit allen Erscheinungsformen der bürgerlichen Ideologie. Es ist ganz sicher: Die notwendige Steigerung der Qualität unserer Arbeit ergibt sich ebensosehr aus den Prozessen der weiteren sozialistischen Gesellschaftsentwicklung wie auch aus den Anforderungen des internationalen Klassenkampfes. Ich muß nicht erst lange erklären, daß das Fernsehen an dieser Front einen wichtigen Abschnitt hält.«65 Und er hob eine weitere angebliche »Spezifik des ideologischen Kampfes« hervor, den die Fernsehmitarbeiter zu beachten hätten: »Ihr seid nicht nur ein Träger der ideologischen Auseinandersetzung mit dem Feind. Ihr seid als Teil des sozialistischen Journalismus in der DDR auch ein bevorzugtes Objekt seiner ideologischen Kriegsführung. Das ergibt sich – man kann es nicht leugnen – mit innerer Logik aus seiner Koexistenz-Konzeption des unbewaffneten Eindringens in die sozialistischen Länder, ihrer Erosion, Aufweichung und Zersetzung.« Die der Bundesrepublik unterstellte »Koexistenz-Konzeption«, die Lamberz hier ansprach, diente als wichtigste Begründung für die Eigenwahrnehmung der Fernsehführung als Gegenpart innerhalb eines ideologischen Klassenkampfes. Das Erklärungsmuster stellte insoweit ein Novum gegenüber den vorangegangenen Jahrzehnten dar, als es auf die deutsch-deutsche Annäherung der 1970er Jahre reagierte und einen Interpretationsrahmen für die veränderte politische Lage bot. Als offizielle Lesart der neuen Wettbewerbsbedingungen war es eng mit dem Selbstbild in jener Zeit verbunden und wird im Folgenden vorgestellt. 5.2.4 D IE »F RIEDLICHE K OEXISTENZ «

IM

F ERNSEHDISKURS

Im einleitenden Abschnitt zur Deutschlandpolitik wurde bereits erläutert, dass die ideologische Absicherung der äußerlichen Entspannung ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre über ein verändertes Selbst- und Feindbild der DDR organisiert wurde: Übergeordnet stand nun die Theorie, dass sich durch politische und militärische Entspannung der ideologische Klassenkampf ständig verschärfen und die Bundesrepublik anstelle einer direkten Aggressionspolitik verstärkt auf eine Unterwanderung der DDR mit Hilfe der ideologischen Diversion setzen würde. Diese Kampfparole galt im Besonderen für die deutsch-deutsche Medienkonkurrenz. Die diplomatische Annäherung beider Staaten wurde demnach nicht als ›Entspannungsprozess‹ interpretiert, sondern als ein verschärfter Kampf gedeutet. Immer wieder wurde dabei betont, dass der ›Gegner‹ permanent versuchte, mit Hilfe der Medien Einfluss auf die Bevölkerung der DDR zu nehmen. Glatzer hatte dies schon 1969 in seiner Habilitationsschrift ›wissenschaftlich‹ analysiert: »Es ist […] zu berücksichtigen, dass uns mit einem hochgerüsteten Apparat der ideologischen Diversion ein Gegner gegenübersteht, der zwar vom politischen Staatsgebiet, keineswegs aber vom Feld der ideologischen Auseinandersetzung vertrieben ist und mit allen Mitteln der Massenverführung an jedes ideologische Zurückbleiben, an jedes Versäumnis in 65 Hier und im Folgenden: [Q] Lamberz 1976, S. 30-31.

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sozialistischer gesellschaftlicher Bildung und Erziehung anzuknüpfen versteht.«66 Auch weitere wichtige Schritte in der Annäherungspolitik beider Länder konnten das Konzept der befürchteten »ideologischen Diversion« nicht verdrängen. Sieben Jahre nach Glatzers Einschätzung bestätigte Lamberz 1976 dessen Haltung: »Sie, die Imperialisten, wurden zwar objektiv zur Entspannung gezwungen, aber subjektiv ließen sie sich auf die Entspannung ein, weil sie auf die Fortsetzung und Steigerung kapitalistischer Prosperität hofften. Sie glaubten mit ihrer Wirtschaftskraft die Bedingungen der friedlichen Koexistenz für sich, für das Eindringen in den Sozialismus, seine Aushöhlung und seinen Wandel erfolgreich nutzen zu können.«67 Die Führungsebene des Fernsehens beschäftigte sich mit den veränderten Bedingungen für ihr Programm besonders in Folge des VIII. Parteitages der SED. Auf einer Beratung des Parteiaktives am 9. Juli 1971 fasste Adameck dies folgendermaßen zusammen: »Der Parteitag hat uns darauf hingewiesen, dass wir mit einer weiteren Verstärkung des ideologischen Klassenkampfes zu rechnen haben. Er unterstrich erneut die Grundaufgabe der Massenmedien, durch die Immunisierung unserer Bevölkerung gegen das Gift des Antikommunismus zur ideologischen Abgrenzung beizutragen. […] Kampf gegen antikommunistische Diversion heisst daher, Verständnis für folgende Fragen auszubilden: friedliche Koexistenz ist harter Klassenkampf und führt nicht zur Annäherung, sondern zur Abgrenzung von der imperialistischen BRD.«68 Adameck betonte, dass sich daraus der klarere Auftrag an das Fernsehen ableitete, »in erster Linie ein so attraktives und massenwirksames sozialistisches Programm zu machen, dass weniger Bürger den Wunsch verspüren, ihr Informations- und Unterhaltungsbedürfnis mit Hilfe des Westfernsehens zu befriedigen«. Die für die 1970er Jahre charakteristische Zielstellung, die Massenwirksamkeit zu erhöhen, war ursächlich mit dem Feindbild vom bundesdeutschen Fernsehen verbunden: Das eigene Programm musste auch attraktiver werden, um die Zuschauer von der Rezeption der Westsender abzuhalten. Gelänge dies nicht, hätten sich laut dieser ideologischen Position Schreckensszenarien bis hin zum befürchteten Ausbruch einer Konterrevolution, angestiftet durch die westlichen Medien, bewahrheiten können. Die Wirkungsabsichten des Fernsehens bezogen sich darum ausschließlich auf das eigene Land. Die einstigen Hoffnungen, mittels der sozialistischen Medien die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik beeinflussen zu können, waren längst ad acta gelegt. Das wichtigste Ziel war allein die Abwehr der feindlichen Medien. Die entsprechende Parole, hier von Lamberz vorgetragen, lautete: »Wir haben

66 [Q] Glatzer 1969, S. 321-322. 67 [Q] Lamberz 1976, S. 27. 68 Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Zentrale Parteileitung/Staatliches Komitee für Fernsehen 1971, S. II/10 - II/11.

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nicht die Absicht die Revolution zu exportieren, aber die Einfuhr von Konterrevolution wird schon gar nicht zugelassen.«69 Die innerdeutschen Verhandlungen und die neue Vertragspolitik bedeuteten für das Fernsehen vor allem, dass es seine Zuschauer mit der von der Partei vorgegebenen Interpretation der Ereignisse vertraut machen musste. Im Jahresplan 1975 hieß es dazu: »Eine […] wesentliche Seite der Programmarbeit besteht darin, in den Sendungen der Informationspolitik, der Publizistik und Kunst Millionen Zuschauern das Wesen und die Ursache der Wende im internationalen Kräfteverhältnis, der internationalen Lage und Beziehungen und den revolutionären Charakter der sozialistischen Friedenspolitik bewusst zu machen. Unsere Sendungen sollten die Verschärfung des ideologischen Kampfes zwischen Sozialismus und Imperialismus unter den Bedingungen der Durchsetzung der friedlichen Koexistenz zwischen den Staaten entgegengesetzter Gesellschaftssysteme verdeutlichen.«70 Ein Jahr später, im Plan für das Jahr 1976, wurde es als wichtigste Aufgabe des Fernsehens bezeichnet, »die Idee der internationalen Entspannung zu propagieren«71. Vor allem die aktuellen Informationssendungen müssten »die Zuschauer befähigen, sich in der Dialektik des Kampfes um internationale Entspannung zurecht zu finden«. Das Fernsehen sollte helfen, den Menschen der DDR »die Fragen [zu] beantworten, die sich […] [ihnen] Tag für Tag aus eigenen Überlegungen und fremden Quellen aufdrängen« würden. Um dies zu erreichen, sollte ein breiterer Zuschauerkreis für die Aktuelle Kamera akquiriert werden, für den es zur »täglichen Gewohnheit« werden sollte, sich mit Hilfe der Sendung »über das internationale Geschehen und über den Standpunkt der Partei zu den Ereignissen zu unterrichten«. In vertiefenden Sendungen, wie Kurz-Dokumentationen, Kommentaren, Interviews und Magazinbeiträgen, sollte daran anknüpfend die Idee der friedlichen Koexistenz anschaulich gemacht werden. Dabei wurde in den Planungen immer wieder betont, dass hierbei mit einer »einfache[n] Sprache« und »anschaulichen Bildern« gearbeitet werden müsste. Als besonders wichtig wurde die Aufgabe des Fernsehens eingeschätzt, bei den Zuschauern Sympathien für die richtige Seite zu mobilisieren und das gängige Feindbild von der Bundesrepublik weiterhin zu propagieren. Der Entspannungsprozess hatte zweifellos Hoffnungen unter der DDR-Bevölkerung geweckt, denen es nun entgegenzutreten galt: »Angesichts bestimmter Illusionen über das Wesen der Herrschaftsverhältnisse in der BRD und der Ziele der in Bonn regierenden Koalition ist es notwendig, regelmässig daran zu erinnern, daß die Existenz des realen Sozialismus in der DDR und in denBruderländern [sic!] der herrschenden Kreisen in der BRD stets ein Dorn im Auge bleiben wird und daß ständige Verteidigungsbereitschaft und Wachsamkeit erforderlich sind.« Adameck hatte seine Mitarbeiter aufgefor-

69 [Q] Lamberz 1973, S. 6. 70 [Q] Adameck 1974, S. 4. 71 Hier und im Folgenden: [Q] Direktor für Programm- und Produktionsplanung 1975, S. I./1-5.

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dert, solche Zusammenhänge sachlich darzustellen, »doch nicht ohne Leidenschaft«, wobei »Leidenschaften allein gegen den Klassenfeind [zu] richten« wären.72 Allerdings führte der Entspannungsprozess auch dazu, dass sich das Fernsehen differenzierter mit der Bundesrepublik auseinandersetzte. Anweisungen hierzu wurden aber nur zögerlich und vorsichtig formuliert. Adameck versuchte 1974 seinen engsten Mitarbeiterstab auf das veränderte bilaterale Klima einzustimmen, wobei dies eher in floskelhaften Umschreibungen als in konkreten Programmanweisungen geschah. Auf einer Leiteraktivtagung formulierte er den veränderten Anspruch an das Programm unter Bezugnahme auf Honecker wie folgt: »Unsere kommunistischen Bemühungen um die friedliche Koexistenz gehen weiter. Das bedeutet, daß an die Stelle glasklarer Konfrontation mehr und mehr differenzierte ideologische Kämpfe und neue Kampfformen treten, ›breitere Fronten und vielfältigere Methoden‹.«73 Konkreter wurde Adameck im Kreise des Fernsehkomitees: »Wir müssen prüfen, wie wir mit denSendungen [sic!] in Einklang mit dem Gesellschaftlichen [sic!] Entwicklungsprozeß bleiben.«74 Als wichtigstes Beispiel nannte Adameck die Sendung Der Schwarze Kanal. Sie wäre zwar weiterhin notwendig, müsste aber in vielen Bereichen verändert werden, denn sie sei schließlich »in der Periode des kalten Krieges« entstanden. Nun stelle sich die Frage, ob sie sich von diesem Konzept schon gelöst und auf die neue Bedingungen eingestellt hätte. Die neue Aufgabe der Sendung wäre es, in der Systemauseinandersetzung nachzuweisen, »daß der Gegner mit der Entspannung auch seine eigenen Absichten verfolgt«. Differenzierter müsste von nun an allerdings die Auswahl der kritisierten bundesdeutschen Politiker vonstatten gehen: »Man muß sich prinzipiell daran halten, sich nicht mehr mit Politikern auseinanderzusetzen, mit denen wir verhandeln.« Mehr Sorgfalt und Ausgewogenheit wurde auch für die künstlerischen Formate eingefordert, die sich mit dem Kapitalismus auseinanderzusetzen hatten: Für Fernsehfilme »mit antiimperialistischer Thematik«, als Beispiele werden Das unsichtbare Visier und die Reihe Fernseh-Pitaval75 genannt, forderte der Jahresplan des Fernsehens für 1976, dass »Tendenzen einer primitiven Schwarz-Weiss-Malerei unter allen Umständen zu vermeiden« seien. Es wurde die Vermittlung eines »realistische[n] Feindbild[es]« verlangt, welches die »Gefährlichkeit der imperialistischen Politik nicht dadurch verniedlicht, […] dass ihre Repräsentanten als blosse Karikaturen erscheinen«.76 In der Konzeption einzelner Sendungen galt es von nun an ein Feingefühl zu wahren, welches nicht immer leicht aufzubringen war:

72 [Q] Arbeitsgruppe beim Vorsitzenden 1975, S. 5. 73 [Q] Arbeitsgruppe beim Vorsitzenden 1974, S. 3. Adameck bezog sich dabei auf die Rede Honeckers zur Eröffnung des Parteilehrjahres 1974/75 im damaligen Karl-Marx-Stadt am 21. Oktober 1974. Vgl. Honecker 1974. 74 Hier und im Folgenden: [Q] Sekretariat des Komitees 1974, S. 32. 75 Vgl. dazu ausführlicher Wilke 2007. 76 [Q] Direktor für Programm- und Produktionsplanung 1975, S. I/33.

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Einerseits hatte die Propaganda gegen den bundesdeutschen Staat nicht nachzulassen, andererseits durften DDR-Verhandlungstaktiken nicht durch kontraproduktive Medienkampagnen gestört werden. Adameck sah diese Schwierigkeiten in der Erfüllung der ideologischen Vorgaben durchaus und versuchte seine engsten Mitarbeiter darauf einzustellen. Er diagnostizierte 1975, dass »das Fernsehkollektiv […] von der Dialektik Koexistenz/ revolutionärer Kampf stärker auf politische Belastbarkeit geprüft werden«77 würde. Diese Bestandsaufnahme traf zweifellos zu, wobei sich die Prioritäten bis Ende der 1970er Jahre eher wieder in Richtung ›revolutionärer Kampf‹ verschoben und die Rücksichtnahme auf westdeutsche Befindlichkeiten viel seltener thematisiert wurde. Während der gesamten 1970er Jahre ging die Propagierung des Feindbildes dabei einher mit der ständigen Beschwörung des Freundbildes von der sozialistischen Staatengemeinschaft im Allgemeinen und der führenden Rolle der Sowjetunion im Besonderen. In Beschreibungen des politischen Auftrages des Fernsehens wurde die besondere Rolle der Sowjetunion stets thematisiert. Formelhafte Zuschreibungen wie »die Sowjetunion als den Quell der sozialistischen Macht« sowie die enge Bindung an die Großmacht als »das Unterpfand aller Siege« und der »Lebensgrundlage für das Wohl und Glück unseres Volkes und daher auch jedes einzelnen Kollektivs, jeder Familie, jeder Persönlichkeit« gehörten zum Standardrepertoire.78 Sie stehen für die Doppelstrategie, mit der die DDR-Führung die befürchteten negativen Folgen der Entspannungspolitik abzuwehren versuchte: Neben der verschärften Abgrenzung gegenüber dem ›Klassenfeind‹ Bundesrepublik wurde die enge Bindung an das ›Bruderland‹ Sowjetunion als Garant für die weitere Existenz des ostdeutschen Staates angesehen. Im Programm des DDR-Fernsehens wurde versucht, das Freundbild mit allen zur Verfügung stehenden Gattungen zu vermitteln. Im Jahr 1975 wurde beispielsweise gefordert, »mit hervorragenden publizistischen und künstlerischen Berichten und Filmen auf Entdeckungsreise im Leben der Sowjetvölker zu gehen«79, während die Journalistik gleichzeitig den Zuschauern nahe bringen sollte, was die Sowjetunion in der Vorbereitung und der Auswertung des XXV. Parteitages der KPdSU bewegte. Sendungen wie das Moskauer Journal sowie die schnelle und aufwendig synchronisierte Ausstrahlung von sowjetischen Fernsehfilmen, Serien und Kinospielfilmen zielten darauf, die sowjetische Lebensweise beim DDR-Publikum zu bewerben. Auch die eigenen Fernsehspiele sollten sich der Thematik der deutsch-sowjetischen Freundschaft annehmen und die Unterhaltungssendungen die sowjetische Kultur veranschaulichen. In den ostdeutschen Shows sollten der Systemwettstreit und die siegreiche Position der Sowjetunion sogar anhand der engagierten Musiker deutlich werden: »Es muss 1976 die Aufgabe gelöst werden, mit

77 Hier und im Folgenden: [Q] Arbeitsgruppe beim Vorsitzenden 1975, S. 1-7. 78 [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1976, S. 4. 79 Hier und im Folgenden: [Q] Direktor für Programm- und Produktionsplanung 1975, S. I./11-13.

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dem Auftreten hervorragender Unterhaltungsinterpreten und -ensembles aus der Sowjetunion zu beweisen, dass die Leistungen der Kunst und Kultur, die der Sozialismus auf eigener Grundlage hervorbringt, den Erzeugnissen der kapitalistischen Vergnügungsindustrie überlegen sind.« Der Bezug zum Feindbild der Bundesrepublik wurde dabei nicht nur wie hier im Detail hergestellt, sondern auch im größeren Zusammenhang: Immer wieder wurde argumentiert, das Fernsehen müsste ein positives Bild von der Sowjetunion verbreiten, um der »verschärfte[n] antisowjetische[n] Propaganda des Gegners«80 etwas entgegenzusetzen. Ähnliche Rechtfertigungsstrategien finden sich auch bei einer letzten wichtigen Zielstellung, die sich für das Fernsehen aus der Propagierung der Koexistenz-These ergab. Mit der deutsch-deutschen Annäherung ging eine Abgrenzung in der Nationenfrage einher. Die SED setzte alles daran, die eigene Identität zu stärken und die politische Losung von zwei deutschen Nationen nach außen hin sichtbar zu machen. Für das Fernsehen bedeutete dies Anfang der 1970er Jahre vor allem, dass es mit Hilfe der publizistischen Sendungen »maximal zur Entwicklung und Festigung des sozialistischen Staatsbewußtseins aller Schichten der Bevölkerung beizutragen«81 hatte. Die Aktuelle Kamera wurde angehalten immer wieder zu betonen, dass die DDR »der sozialistische deutsche Nationalstaat«82 wäre. Der politische Auftrag, die Entwicklung des Staatsbewusstseins zu unterstützen, war dabei für alle DDR-Medien verpflichtend. Um dieser Forderung der SED-Führung gerecht zu werden, organisierte der »Verband der Deutschen Journalisten« wissenschaftliche Konferenzen, die dieses Thema erörterten. Im Dezember 1970 wertete man beispielsweise Vorschläge der Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität aus. Die Medienvertreter wurden darin geschult, »Argumentation[en] zur Entwicklung des sozialistischen Staatsbewusstseins«83 zu vermitteln und erhielten Anleitungen zur journalistischen Umsetzung der theoretischen Modelle. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, nachdem die Zwei-Nationen-Theorie auch in der Verfassung verankert worden war, trat das Thema in den Funktionszuschreibungen des Fernsehens erneut in den Vordergrund. Als Vorwand für eine verstärkte Bewerbung der eigenständigen DDR-Nation wurde ein altbewährtes Szenario beschworen, indem westdeutschen Medien die Initiative zu einer antisozialistischen Kampagne unterstellt wurde, auf die die ostdeutschen Medien nun zu reagieren gezwungen wären: »Da die imperialistische Propaganda die nationale Frage missbraucht, um den Verlauf der internationalen Entwicklung aufzuhalten, muß unsere Auffassung über die Nation, die Nationalität und die nationale Frage anschaulich erklärt werden.«84 Im

80 81 82 83

[Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1976, S. 5. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1970a, S. 1. [Q] Herlt 1971, S. 1. [Q] Forschungsgruppe Planung der Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität 1970, S. 1. 84 [Q] Direktor für Programm- und Produktionsplanung 1975, S. I./5.

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Fernsehen wurde dies 1976 nicht nur in den konterpropagandistischen Sendungen versucht, auch die dramatischen Produktionen hatten dieses Thema aufzugreifen. Die außenpolitischen Forderungen der DDR nach staatlicher und nationaler Selbstbestimmung hatten dabei auch zu einem Wandel in den gewählten Begrifflichkeiten geführt: Wurde Anfang der 1970er Jahre vom Fernsehen verlangt das »sozialistische Staatsbewusstsein« zu propagieren, verpflichtete sich das Fernsehen 1976 dazu, ein »sozialistisches Nationalbewußtsein« und »sozialistischen Patriotismus« zu fördern.85 Ausdrücklich wurde betont, dass diese Gefühle eine »konsequente Abgrenzung gegenüber bürgerlich-nationalistischen und revanchistischen Konzeptionen (wie sie in und von der BRD vertreten werden) im großen wie im kleinen« bedeuteten. Intensiver als je zuvor wollte man der bundesdeutschen Ansicht entgegenwirken, die einheitliche deutsche Nation würde fortbestehen. Auch darum sollte das Fernsehen die »sozialistische Nationalkultur« sowie die »sozialistische Lebensweise« bewerben.86 Der Anspruch an das Fernsehen, eine Identifikation der Zuschauer mit dem Staat bzw. der Nation zu fördern blieb auch in den folgenden Jahren diskursbestimmend. Dabei wurde zunehmend als wichtig erachtet und auch thematisiert, dass die ostdeutschen Programme ein »Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit in unserem Staat«87 zu vermitteln hätten. Angesichts dieser breiten Aufgabenpalette, mit der die politische Führung das Fernsehen bedachte, verwundert es nicht, dass gleichzeitig eine gewisse ›Erfolgskontrolle‹ betrieben wurde. Nachdem sich Honecker 1971 persönlich so stark für Veränderungen im Fernsehprogramm eingesetzt hatte, wurden im Laufe des Jahrzehnts die Leistungen und Schwächen des DDR-Fernsehens immer wieder diskutiert. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre offenbarte sich dabei erneut Handlungsbedarf, der allerdings erst mit der Einführung der »alternativen Programmstruktur« 1982 zu vorzeigbaren Ergebnissen führte. 5.2.5 Z WISCHEN

ZWEI

P ROGRAMMREFORMEN . S TRUKTUR AB 1975

P LANUNG DER KONTRASTIERENDEN

Der Erfolg der Programmreform von 1971/72 wurde in den folgenden Jahren immer wieder hinterfragt. Erste Schlussfolgerungen über die Fortschritte des Fernsehens »im Hinblick auf politische Schlagkraft und Massenwirksamkeit seiner Programme«88 bot im Dezember 1972 eine Analyse des Instituts für Meinungsforschung beim ZK der SED. Diese bescheinigte dem Fernsehen eine gestiegene Bedeutung als Instrument der politischen Massenarbeit, da sich die Zahl der Fernsehteilnehmer noch einmal erhöht hatte. Explizit wurde darauf verwiesen, dass nicht nur die Freizeitbeschäftigung ›fernsehen‹ an sich zugenommen hatte 85 86 87 88

Hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1976, S. 5-6. [Q] Sekretariat des Komitees 1976, S. 6. [Q] Sekretariat des Komitees 1978, S. 2. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1973c, S. 1-13.

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(was ja auch das Sehen der westlichen Programme einschloss), sondern es wurde eine größere Zuwendung zum Programm des DDR-Fernsehens gelobt. Positive Zuschaueraussagen zu den einzelnen Programmbereichen hätten dieses Untersuchungsergebnis bestätigt. Insgesamt war demnach das Informationsbedürfnis der Zuschauer gewachsen, während ihr Anspruch auf Unterhaltung und Entspannung konstant blieb. Als Erfolg wurde verbucht, dass mehr als die Hälfte der Befragten der Aktuellen Kamera Aktualität und Informationsgehalt zusprachen. Der Umkehrschluss, dass beinahe 50 Prozent dies nicht taten, wurde nicht näher betrachtet. Aus heutiger Sicht stärkt es aber das Urteil, dass gerade die tägliche Nachrichtensendung zur negativen Beurteilung des DDR-Fernsehens durch die Zuschauer beitrug. Die Umfrage bestätigte die schon traditionellen Kritikpunkte des Publikums: Nur ein Drittel der Befragten gestand der Aktuellen Kamera Vielseitigkeit zu, beim Kriterium »Interessantheit« war der Anteil sogar noch geringer. Positiver fiel das Urteil der Zuschauer über die publizistischen Sendereihen aus. Das größte Publikum erreichte das innenpolitische Magazin Prisma, während das außenpolitische Pendant Objektiv nur halb so viele DDR-Bürger interessierte. Wichtigstes Zugpferd des DDR-Fernsehens war der Umfrage zufolge der Unterhaltungsbereich, mehr als der Hälfte der Befragten beurteilten diese Sendungen besser als zuvor. Hierfür sprachen auch die ermittelten Zuschauerzahlen, z. B. für die Familienserie Die lieben Mitmenschen,89 die bis zu 5,5 Millionen Zuschauer einschalteten oder Ein Kessel Buntes, von dem 92 Prozent aller Befragten angaben, ihn regelmäßig zu sehen. Diese positiven Befunde wurden sogleich als Anreiz für einen Ausbau des ideologischen Gehalts dieser Sendungen interpretiert: »Hier zeigt sich, daß neue Möglichkeiten entstanden sind, intensivere Arbeit in Richtung sozialistischer Meinungs- und Bewusstseinsbildung zu leisten.« Nur zehn Monate später, im November 1973, hinterfragte das Fernsehkomitee erneut, ob die Programme diesem Anspruch gerecht wurden. Verhalten optimistisch erklärte die Fernsehführung dabei, dass das Fernsehen seit der Parteikritik von 1971 »operativer, streitbarer und parteilicher«90 geworden wäre. Als wichtigstes Ergebnis wurde das Urteil von Arbeiterforen wiedergegeben, wonach spürbarer geworden war, »dass es unser Fernsehen ist«. Die identitätsstiftende Funktion des Fernsehens und die Abgrenzung von den bundesdeutschen Programmen, deren Konsum eingeräumt wurde, waren zu einem wichtigen Kriterium geworden. Insgesamt musste man aber eingestehen, dass der größte Teil der Beschlüsse der VIII. Parteitages bezüglich des Fernsehens noch nicht realisiert worden wäre und kritische Äußerungen der Parteispitze über das Fernsehen noch immer an der Tagesordnung waren. Dem unumstößlichen Ritual folgend, zogen sie jedes Mal eine ausführliche Selbstkritik nach sich.

89 Ausgestrahlt wurden zehn Folgen der Serie zwischen 1972 und 1974, vgl. ausführlich Pfau 2002. 90 Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1973a, S. 1.

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Der Grundtenor im Selbstbild blieb so auch in den nächsten Jahren verhalten, selbst wenn immer wieder positive Beteuerungen eingestreut wurden, wie etwa die Parole »Das Wort des VIII. Parteitags wurde eingelöst.«91 Wiederholt führte man die Befunde von 1973 an, wie die Zunahme des Fernsehkonsums und eine bessere Bewertung des Programms. Als wichtigste Forderung von Zuschauern und vorgesetzten Instanzen wurde allerdings immer wieder ein höherer Unterhaltungswert genannt, der noch nicht zufriedenstellend umgesetzt worden wäre.92 Dies zeigten auch die Zuschauerzahlen, die nach dem Anstieg 1973 in den folgenden zwei Jahren wieder sanken.93 Die Lösung des Problems wurde ab 1975 in einer stärkeren Profilierung beider DDR-Sender gesehen. Das Konzept einer kontrastierenden Programmstruktur zwischen erstem und zweitem Programm war zwar bereits 1968 erstmals formuliert worden, aber erst jetzt bestimmte es den Diskurs der Fernsehführung nachhaltig. Nur »mit Hilfe b e id e r sozialistischer Fernsehprogramme« könnte es demnach gelingen, »die geistig-kulturelle Entwicklung noch wirksamer zu befriedigen und den gestiegenen Erwartungen und differenzierten Bedürfnissen der Zuschauer noch besser zu entsprechen«.94 Tatsächlich lag hier ein großes Problem, denn das erste Programm war deutlich erfolgreicher und markanter in seiner Programmgestaltung als das zweite. Programmverschiebungen vom zweiten ins erste Programm verstärkten dies zusätzlich: Häufiger wurden beliebte Programmformate aus dem zweiten herausgelöst und ließen es als »gesichtslosen Sender«95 zurück. Die von den Zuschauern geforderte Unterhaltung wie beispielsweise Shows und Spielsendungen wurden vor allem im ersten Programm ausgestrahlt. Das zweite Programm nahmen die Zuschauer dagegen oft als »Wiederholungssender« oder aufgrund der Sendereihe Für Freunde der russischen Sprache als »Russensender« wahr und nutzten es nur punktuell als Ergänzung zum Hauptprogramm des ersten Kanals.96 Das Hauptargument, mit dem eine bessere Programmkoordination zwischen beiden Sendern und eine Aufwertung des zweiten Programms gefordert wurden, war von Anfang an die westliche Konkurrenz. Wenn den Zuschauern die laufende Sendung im ersten Programm nicht zusagte, sollten sie im zweiten zu den wichtigsten Sendezeiten interessante Sendungen finden, »die sie vom Abschalten oder Umschalten auf das Programm des Gegners abhalten«97. Zukünftig sollte demzufolge »die Reserve, die in einem II. sozialistischen Fernsehprogramm liegt, voll ausgenutzt werden«, was ein selbständiges Programmprofil inklusive einer eigenen Nachrichtensendung bedeuten würde.

91 92 93 94

[Q] Arbeitsgruppe beim Vorsitzenden 1975, S. 3. Vgl. u.a. [Q] o.N. 1975. Vgl. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, S. 3-6. [Q] Direktion für Programm- und Produktionsplanung 1975, S. 2, Hervorhebung im Original. 95 Schubert/Stiehler 2002, S. 55. 96 Vgl. Vollberg 2002, 2003b, 2004, 2009. 97 Hier und im Folgenden: [Q] Glatzer 1975, S. 23.

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In den folgenden Monaten machten sich die betreffenden Abteilungen ausführliche Gedanken über eine Neuprofilierung der Programme. Der Direktor für Programm- und Produktionsplanung Schmotz erstellte eine umfassende Konzeption, welche die Probleme des zweiten Programms offen darlegte.98 Auch Schmotz gab die eindringliche Empfehlung, den Sender so weiterzuentwickeln, dass er ein gleichzeitig massenwirksames und zum Ersten kontrastierendes Programm ausstrahlte, um »die Zuschauer an uns zu binden und ein Abwenden zum feindlichen Fernsehen zu verhindern«. Die Rezeption von ARD und ZDF schätzte er als bedeutend ein und stützte sich dabei auf erhebliche Abweichungen, die sich bei einem Vergleich der Zeit-Budget-Untersuchungen des Statistischen Zentralamtes mit den von der Zuschauerforschung ermittelten Ergebnissen ergeben hätten: Der Prozentsatz von Befragten, die angaben, in einer bestimmten Zeit ferngesehen zu haben, lag deutlich über den ermittelten Werten für die DDR-Sendungen. Die Fernsehführung sah in den folgenden Jahren zunehmend Handlungsbedarf bei der Zuschauerabwanderung, befürchtete man doch weitere Verluste durch eine neue Sendestruktur von ARD und ZDF ab Jahresbeginn 1978. In den längerfristigen Zielstellungen des Komitees fanden sich daraufhin bereits 1977 genau die Pläne, die knapp fünf Jahre später die sogenannte ›alternativen Programmstruktur‹ kennzeichneten: die »Kontrastierung und gegenseitige Ergänzung beider Programme mit dem Ziel, dem Zuschauer täglich eine echte Alternative zwischen zwei unterschiedlichen, jedoch gleichwertigen Programmen des sozialistischen deutschen Fernsehens zu bieten, um so aus dem Potential der Zuschauer neue, breite Schichten für unser Fernsehen zu gewinnen«99. Die Forderungen wurden von höchster Ebene abgesegnet: Günter Mittag, Sekretär des ZK für Wirtschaft, und Joachim Herrmann, ZK-Sekretär für Agitation, unterbreiteten Honecker diese Vorschläge, mit denen er sich einverstanden zeigte.100 Trotzdem blieb eine Umsetzung der Pläne in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre noch reines Wunschdenken. Es gelang der Fernsehführung nicht, für das zweite Programm ein spezifisches Profil zu entwickeln. Die geforderte eigenständige Nachrichtensendung wurde ebenso wenig realisiert wie die große Anzahl von zeitnahen Wiederholungen aus dem Ersten reduziert werden konnte. Hinzu kamen die nach wie vor schlechten Empfangsmöglichkeiten für das zweite Programm, die sich im Laufe der Jahre nur sehr langsam verbesserten und Ende 1979 erst bei 87 Prozent lagen. Dies alles führte dazu, dass das Zweite vom Publikum nach wie vor nur sporadisch angenommen wurde. Die Fernsehverantwortlichen blieben sich dieses Mankos bewusst. Die Abteilung Agitation erklärte 1978, dass sich aufgrund wirtschaftlicher Einschränkungen eine Vollversorgung mit dem zweiten Programm erst in einem Zeitraum bis 1990 realisieren ließe. Bis 1985 sollte es

98 99 100

Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Direktion für Programm- und Produktionsplanung 1975, S. 6-23. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, S. 1-2. Vgl. [Q] Mittag und Herrmann an Honecker, 15.06.1978.

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demnach aber gelingen, die Alternativgestaltung zwischen beiden Sendern substantiell zu verbessern.101 Tatsächlich konnte der nächste Anlauf in den Bemühungen der Fernsehführung zu Beginn des folgenden Jahrzehnts langfristig die Abneigung der Zuschauer gegen das Zweite abbauen. Die Verantwortlichen unternahmen nun nachhaltigere Schritte, auch weil sie sich erneut durch die Entwicklungen in der bundesdeutschen Fernsehlandschaft unter Druck gesetzt fühlten. Gleichzeitig hatte sich durch diese neue Konkurrenzsituation und zusätzliche gesamtgesellschaftliche Faktoren das Selbstbild der für das Fernsehen verantwortlichen Gremien weiter gewandelt. Dieser Prozess setzte aber bereits Ende der 1970er Jahre ein, was abschließend an einem Beispiel verdeutlicht werden soll. Im Jahr 1979 thematisierte die Abteilung Agitation erstmals eine Erhöhung des Filmimports aus westlichen Ländern, um damit die Attraktivität des Fernsehens zu steigern: Zwar sollten keine Filme eingeführt werden, »in denen Gewalt, Brutalität und Horror dargestellt werden (brutale Western, Krimis usw.). Hier machen wir dem Gegner keine Konkurrenz.«102 Aber das Fernsehkomitee wurde aufgefordert, eine größere ideologische Toleranz beim Ankauf von Filmen walten zu lassen. Der Maßstab beim Import von Filmen sollte zukünftig sein, dass sie »nicht im Gegensatz zu unserer Politik, Ideologie, Kultur und Lebensweise stehen. Dabei sind wir nicht eng. Wir können nicht erwarten, daß Filme, die im Kapitalismus entstehen, mit unserer Linie identisch sind oder sie direkt fördern.« Die Abteilung hatte erkannt, dass mit einem attraktiven Fremdprogramm und insbesondere mit westlichen Spielfilmen die geforderte Massenwirksamkeit des DDR-Fernsehens erreicht werden konnte. Genau diese Strategie verhalf beiden ostdeutschen Kanälen nach der Programmreform von 1982/83 tatsächlich zu wesentlich besseren Einschaltquoten. Hierfür wurde in Kauf genommen, dass sich das DDR-Fernsehen der 1980er Jahre deutlich von dem unterschied, was ein Jahrzehnt früher als wichtigster Maßstab angelegt worden war: die weitere Entwicklung zum sozialistischen Fernsehen. Im Jahr 1970 hatte das Fernsehkomitee diese Entwicklung noch fest im Blick gehabt: In der »Zielstellung für 1980« wurden drei Fernsehprogramme in Farbe in Aussicht gestellt, wobei das erste und zweite komplexen Charakter haben und der gleichen politisch-ideologischen Zielstellung dienen sollten. Das dritte Programm war als Bildungskanal konzipiert, um das sozialistische Bildungssystem zu unterstützen. Der Empfang aller drei Programme sollte dabei flächendeckend in bester Qualität gewährleistet werden.103 Wie die oben zitierte Bestandsaufnahme der Abteilung Agitation aus dem Jahr 1979 zeigt, verhinderten die

101 102 103

Vgl. [Q] Fensch 1978, S. 4. Hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Agitation 1979, S. 8. Vgl. [Q] o.N. 1970b, darin: 3. Die Entwicklung der Fernsehprogramme, Zielstellung für 1980, S. 7.

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wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die zögerliche technische Entwicklung104 eine Umsetzung dieser ehrgeizigen Ziele. Aber auch die ideologischen Zielstellungen des Fernsehens hatten sich in dieser Phase verändert: Der Anspruch, ein sozialistisches Programm auszustrahlen, musste zunehmend hinter der Zuschauerorientierung und der Forderung nach Massenwirksamkeit zurücktreten. Eine wichtige Ursache dieser Entwicklung war ein trotz oder gerade durch die politische Annäherung beider deutscher Staaten nach wie vor starkes Feindbild der Bundesrepublik und ihrer Medien. Die von Honecker geforderte Unterhaltungsorientierung im Gesamtprogramm wurde auch damit begründet, dass die »Anstrengungen des Gegners abgewehrt werden [müssten; C. D.], durch ein Mehrangebot leichter Programme Einfluß auf die Zuschauer in der DDR zu gewinnen«105. Insgesamt waren die Führungsgremien des DDR-Fernsehens noch immer von der manipulativen Wirkung des Mediums Fernsehen überzeugt, erkannten aber zunehmend auch die Freizeit- und Entspannungsfunktion des Fernsehens an. Gerade diese Kombination schürte allerdings die Furcht vor dem Programmangebot des Westfernsehens. So war es nach Auffassung von Dieter Glatzer geradezu »gefährlich, den Einfluss dieser Instrumente imperialistischer psychologischer Kriegsführung zu unterschätzen«106. Wie sich dieses starke Feindbild während der 1970er Jahre im Diskurs der Fernsehführung manifestiert hat, wird daher im folgenden Kapitel nachgezeichnet.

5.3 Das Feindbild im Zeichen der »ideologischen Diversion« 5.3.1 Z WISCHEN O BJEKTIVITÄT UND P OLEMIK . F EINDBILDDISKURS DER F ERNSEHFÜHRUNG Seit Mitte der 1960er Jahre wurden unter der führenden Rolle der Programm- und Sendeleitung systematisch und konstant Informationen über das bundesdeutsche Fernsehen ausgewertet. Am Ende des Jahrzehnts verstärkte sich dieser Trend und blieb für die gesamten 1970er Jahre charakteristisch: In Akten aus dem Umfeld des Fernsehkomitees lässt sich die Angst vor der »ideologischen Diversion«107 des ›gegnerischen‹ Fernsehens auch durch die Akribie nachweisen, mit der man Daten über ARD und ZDF sammelte. In vielfältiger Weise wurden Informationen recherchiert und analysiert, Vergleiche zum eigenen Programm gezogen und Prognosen für künftige Entwicklungen erarbeitet. Die Analysen und Berichte wiesen dabei sehr unterschiedliche Herangehensweisen und Beschreibungsmodi auf: Das Spektrum reichte 104 105 106 107

Zu den wirtschaftlichen und personellen Schwierigkeiten sowie den fehlenden technischen Modernisierungen vgl. Heimann 2002. [Q] Direktion für Programm- und Produktionsplanung 1975, S. 40. [Q] Glatzer 1969, S. 22. Zum Konzept der »ideologischen Diversion« vgl. Kapitel 4.3.3.

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von sachlichen Auswertungen der Programmstruktur westlicher Sender bis zu detaillierten Themenanalysen unterstellter medialer Störversuche des Westens, die dem Ziel dienen würden, die DDR zu beseitigen. Für letztere war das Konzept von der angeblichen »ideologischen Diversion« der ›gegnerischen‹ Medien das dominante Erklärungsmuster. Die sachliche und die ideologische Auseinandersetzung mit den bundesdeutschen Konkurrenzsendern wurden dabei nun häufig miteinander verwoben. Gleichzeitig konnten betont sachliche Analysen widerspruchslos neben Darstellungen stehen, die vordergründig auf die Verfestigung des Feindbildes orientierten. Der unterschiedliche Charakter der Untersuchungen war auch ein Resultat verschiedener Autorschaften innerhalb der diversen Institutionen, die sich in den 1970er Jahren mit dem Thema westlicher Hörfunk- und Fernsehprogramme beschäftigten. Zuerst wird jedoch ein Überblick über den fernsehinternen Diskurs gegeben, der wiederum mit Beispielen beginnt, die für einen sachlichen Informationsaustausch über die Programme des Westens stehen. Hier müssen an erster Stelle die zahlreichen Darstellungen zu Programmstrukturen westlicher Fernsehanstalten erwähnt werden, die sich während des gesamten Jahrzehnts nachweisen lassen. Vor allem die Programmdirektion des DDR-Fernsehens, der die Programmplanung unterstand, sammelte Informationen zur Sendestruktur von ARD und ZDF, übermittelte sie den gleichrangigen Abteilungen und bezog sie in die eigene Arbeit ein.108 Den Entwürfen zur Programmstruktur des eigenen Fernsehens wurden beinahe fortwährend die neuesten Erkenntnisse zu den Programmplänen von ARD und ZDF beigefügt.109 Mitunter finden sich auch dezidierte Strukturpläne der dritten Programme.110 Häufig wurden die Programmstrukturen auch im direkten Vergleich zum ersten oder zu beiden Programmen des DDRFernsehens abgebildet.111 Zu besonderen Anlässen wurden zudem nicht nur die Schemata der Programmstrukturen verglichen, sondern das konkrete, geplante Programm für einzelne Zeiträume ausführlich gegenübergestellt.112 Bei solchen wichtigen Sendezeiträumen (wie beispielsweise beim Programm an den Weihnachtsfeiertagen und zum Jahreswechsel) finden sich auch in der nachträglichen Beurteilung des gesendeten Programms Vergleiche zwischen dem DDR-Fernsehen und dem

108 109 110

111 112

Zu den strategischen Überlegungen, die aus Kenntnissen über bundesdeutsche Programmstrukturen resultierten, vgl. Kapitel 5.4. Vgl. beispielsweise [Q] Programmdirektion 1972, Anlage: Voraussichtliches Programmschema. So wurde z.B. der Programmjahresplanung 1973 ein Programmschema beigefügt, welches neben ARD und ZDF auch die dritten Fernsehprogramme für Bayern und Hessen, Nord 3, Südwest 3 sowie das Westdeutsche Fernsehen darstellte. Vgl. [Q] Programmjahresplanung 1973. Vgl. u.a. [Q] Direktion für Programm- und Produktionsplanung 1974b, Anlage: DDR-F I, ARD, ZDF. Dies geschah u.a. anlässlich des 50. Jahrestages der UdSSR 1972, der zudem mit dem stets besonders aufmerksam in der Konkurrenz zum Westen konzipierten Jahresendprogramm zusammenfiel. Vgl. [Q] Prohl 1972.

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Programm des ›Gegners‹.113 Die Programmdirektion übernahm darüber hinaus die Aufgabe, den Vorsitzenden des Staatlichen Komitees für Fernsehen, Adameck, zu informieren, sobald sie Kenntnis von größeren Programmstrukturveränderungen der westlichen Sender hatte. Dies erfolgte in einem ausgesprochen sachlichen, allein auf die Wiedergabe der recherchierten Informationen beschränkten Stil.114 Für einen ähnlich objektiven Blick auf das westliche Fernsehen können Berichte angeführt werden, die vordergründig auf einen Vergleich mit den Kapazitäten und Realitäten des DDR-Fernsehens ausgelegt waren. Diese Gegenüberstellungen verschiedener programmbezogener und ökonomischer Parameter lassen sich seit 1957 nachweisen, sie dokumentieren mit fortschreitender Fernsehentwicklung eine zunehmende ›Unterlegenheit‹ des DDR-Fernsehens. Gemessen am Programmumfang, den Zuschauerzahlen, wirtschaftlicher Potenz und technischer Ausstattung konnte das Fernsehen in Adlershof nicht mit dem vermeintlichen Konkurrenten in der Bundesrepublik Schritt halten. Allerdings wurden Ursachen dieser Entwicklung in den Untersuchungen konsequent ausgespart. So wurde weder thematisiert, dass das Versorgungsgebiet von ARD und ZDF in der Bundesrepublik schlicht größer war und sich allein aus dieser Tatsache auch andere Programmquantitäten ableiten ließen. Noch durfte auf die Gründe für die finanzielle und technische Rückständigkeit des DDR-Fernsehens eingegangen werden. Das Scheitern der ehrgeizigen Pläne, die Bundesrepublik wirtschaftlich zu überholen, die man noch im vorangegangenen Jahrzehnt in das Zentrum der Propaganda gestellt hatte, war schließlich ein Tabuthema. Auch in streng internen Papieren der Führungsgremien des Fernsehens beschränkten sich die Autoren der Expertisen allein auf die ermittelten Daten und prognostizierten Entwicklungen, ohne dabei den Versuch zu unternehmen, Ursachen dafür offen zu legen. Als sich das Fernsehkomitee 1970 mit Vorhersagen zur Entwicklung des Mediums innerhalb der nächsten fünf Jahre beschäftigte, erhob es auch einen »Weltstandsvergleich der Programmleistungen und der materiell-technischen Basis für die Programmproduktion «.115 Dieser internationale Vergleich belegte die führende Rolle jener Länder, die die DDR der Sphäre der kapitalistischen Staaten zuordnete: Bei den Parametern »Programmleistungen und Rezeptionsbedingungen« führten überragend die USA und Japan mit 13 bzw. 10 zentralen Fernsehprogrammen und punkteten zudem noch mit einem hohen Farbanteil. Gegen diese Spitzenreiter mutete die Entwicklung in der Bundesrepublik zwar eher bescheiden an, verglichen mit der Situation in der DDR zeigte sich aber trotzdem eine deutliche Überlegenheit des westdeutschen Fernsehens. Im Bundesgebiet und Westberlin wurden bis zu drei Programme ausgestrahlt und ab 1975 rechnete die Erhebung mit einer kompletten Versorgung durch ein drittes Programm. Zudem sah

113 114 115

Vgl. u.a. [Q] Programmdirektion 1977, S. 3. Vgl. z.B. [Q] Direktion für Programm- und Produktionsplanung, Abt. Sendeplan 1975. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1970b, Anlage 1, S. 1-5.

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die ostdeutsche Fernsehführung bereits 1970 eine Entwicklung voraus, die weniger als 15 Jahre später Realität werden sollte: »Es ist damit zu rechnen, daß ein viertes, kommerzielles Programm, dessen Träger ausschließlich Konzerne und Monopolvereinigungen sind, aufgebaut wird.« Dass die DDR bei dieser Entwicklung nicht mithalten konnte, musste an dieser Stelle der Diskussion gar nicht mehr thematisiert werden, die bloßen Zahlen sprachen für sich. Ebenso realistisch schätzte der »Weltstandsvergleich« die Position der DDR beispielsweise bezüglich der Anzahl betriebener Farbfernsehgeräte ein, wo sie mit großem Abstand Rang 11 belegte (mit einem für 1969 ermittelten Wert von 1.500 Geräten) und die USA mit 20,1 Millionen Apparaten den ersten Platz einnahm. Auch bei der Entwicklung des Satellitenfernsehens wurde bereits 1970 deutlich, dass die Intervision hinter den Möglichkeiten der Eurovision zurückbleiben würde. Wie schon in einer ähnlich angelegten Untersuchung aus dem Vorjahr wurde im vorliegenden Konzept nach besonders entwickelten Programmsparten und Genres im internationalen Vergleich gefragt. Da sich die Einschätzungen gleichen, werden sie an dieser Stelle ausgespart.116 In alarmierender Weise wurde in einem dritten Untersuchungscluster die »Materiell-technische Basis« des DDR-Fernsehens beurteilt. Während die stationäre und mobile Produktionstechnik für die Farbsendungen dem Weltstand entspräche, sehe dies für die im Programm dominierenden Schwarz-Weiß-Sendungen ganz anders aus. Sie würden mit einer Ausstattung produziert, die gemessen an der internationalen Entwicklung acht bis 14 Jahre ›überaltert‹ wäre. Verwiesen wurde auf Anlagen mit einem hohen Wartungs- und Reparaturaufwand, für die Ersatzteile immer schwerer zu organisieren waren, wie beispielsweise für immer noch eingesetzte Dia- und Epiabtaster aus dem Jahr 1952. Dieses im Komitee diskutierte Vergleichsmaterial stellt insgesamt in seiner scharfen Diagnose der Unterlegenheit und technischen Rückschrittlichkeit des DDR-Fernsehens eine Ausnahme dar. Nichtsdestotrotz flossen auch in den nächsten Jahren Betrachtungen zur internationalen Entwicklung und besonders Vergleiche mit dem bundesdeutschen Fernsehen in die Konzeptionen der Fernsehführung ein. So erstellte die »Wissenschaftliche Arbeitsgruppe« 1971 einen »Überblick über die Programmentwicklung und die Ausstattung mit Kräften und Mitteln des Fernsehens der BRD«, der ausführlich Daten zur Finanzierung, zum Personal und zur technischen Ausrüstung westlicher Sender diskutierte.117 Im Vergleich zu der umfangreichen Erhebung von 1966118 hatten sich die Zahlen zwar leicht zugunsten des DDR-Fernsehens verändert – was sich auch damit erklärt lässt, dass die Regionalprogramme nicht mehr mit einberechnet wurden – insgesamt

116 117

118

Vgl. [Q] Wissenschaftliche Arbeitsgruppe 1969c und Kapitel 4.3.1. Hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen, Wissenschaftliche Arbeitsgruppe 1971, S. 13-15. Vgl. auch Dittmar 2002, S. 119123. Vgl. [Q] Deutscher Fernsehfunk 1966, Beilage 4: Daten über das westdeutsche Fernsehen.

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hinkte es aber weiter hinter dem Westen her: So errechneten die ›Wissenschaftler‹ folgende Verhältnisse zwischen ARD/ZDF und dem DFF: • Finanzkraft der Sender: 3 : 1, • Mittel, die für eine Sendeminute zur Verfügung standen: 1,3 : 1 119 • Wert der materiell-technischen Basis 3,4 : 1. Dabei musste man allerdings eingestehen, dass diese Proportionen noch nichts über die Leistungsfähigkeit der Technik aussagten: Der Rückstand der technischen Anlagen zum »Welthöchststand« wurde nun mit acht Jahren beziffert, während das bundesdeutsche Fernsehen über modernste Ausstattung verfügen würde. Aufgeholt hatte das DDR-Fernsehen dagegen bei der Zahl fester Mitarbeiter, die für 1970 mit 5.154 angegeben wurde. Zu den »Festen« von ARD und ZDF errechnet sich damit ein Verhältnis von 2,3 : 1. Wesentlich schlechter stand die DDR aber bei dem Vergleich der Lohnfonds eben dieser Mitarbeiter da, hier ergab sich eine Proportion von 6,7 : 1. Eine durchaus vergleichbare Größe stellte wiederum die Programmleistung in Sendeminuten dar. Die Arbeitsgruppe errechnete anhand der aus den Jahrbüchern von ARD und ZDF entnommenen Daten ein Verhältnis von 1,3 : 1. Den ansonsten vorwiegend in der bundesdeutschen Presse recherchierten Fakten120 stand ein zweiter Schwerpunkt des Berichts gegenüber: Neben betont sachlichen Informationen wurden die Programmstrukturen von ARD und ZDF auf ihren ideologischen Gehalt hin ›untersucht‹. Mit dieser Kombination aus recherchierten Daten und unterstellten propagandistischen Absichten gehört das Informationspapier der »Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe« zu jenen überlieferten Materialien, die in diesem Jahrzehnt den Diskurs zur Auseinandersetzung mit dem bundesdeutschen Fernsehen dominiert hatten. Zwischen 1970 und 1977 wurden meist mehrere Berichte pro Jahr verfasst, die Entwicklungen in der Bundesrepublik mit dem politisch konformen Feindbild vom ideologisch divergenten ›Westfernsehen‹ kombinierten. Ende des Jahres 1971 befürchteten die Programmverantwortlichen dementsprechend eine »Erhöhung des politischen Masseneinflusses im Sinne der Bonner Politik«: Das ZDF wollte angeblich seine Programmstruktur verändern, auf Veranlassung der CDU/CSU. Ziel wäre eine stärkere Politisierung des Gesamtprogramms. Besondere Besorgnis äußerte der Bericht darüber, dass die westlichen Sender weiterhin bemüht wären, »sich objektiver zu geben« – auch bei der Darstellung der DDR und anderer sozialistischer Länder. Mit aktuellen und historischen Reportagen würde sie zwar immer noch zielgerichtet die DDR angreifen, aber dabei weniger überspitzt argumentieren. »Plumper Antikommunismus« würde vermieden, zum Teil sogar sowjetische Produktionen ausgestrahlt. Möglicherweise haben diese attestierten Trends Befürchtungen bei der Fernsehführung ausgelöst, dass die westdeutschen Dar-

119

120

Das Verhältnis von konkreten Ausstattungsmodulen war sogar noch viel schlechter. So standen den mittlerweile ostdeutschen Studios 93 Fernsehstudios von ARD und ZDF gegenüber. Zu den verwendeten Pressematerialien vgl. Dittmar 2002, S. 121.

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stellungen glaubwürdiger vermittelt werden könnten als die eigene Propaganda. Wie bereits dargelegt, wurden nur wenige Jahre später Überlegungen zu einer differenzierteren Vermittlung von Feindbildern im eigenen Programm angestellt. Insgesamt schienen die zusammengetragenen Erkenntnisse über das bundesdeutsche Fernsehen in den Augen der Fernsehführung so brisant gewesen zu sein, dass sie keinem größeren Adressatenkreis zugänglich gemacht werden durften. Mit dem Manuskript ist eine handschriftliche Notiz überliefert, vermutlich von Adameck, die den Verbleib des Berichts regelte: »in den Panzerschrank!« lautete die Anordnung. In den folgenden Jahren wurden Untersuchungen zu Programmvorhaben des ›gegnerischen‹ Fernsehens jedoch zumindest auf Ebene der Komiteemitglieder offener kommuniziert, allerdings waren die Berichte auch deutlicher auf die ihm unterstellten ideologischen Absichten ausgerichtet. Damit präzisierten sie lediglich das omnipräsente Feindbild und regten kaum Vergleiche zum eigenen Programm an. Um ein Beispiel zu geben: Werner Fehlig, Direktor für Programmplanung, fügte 1977 programmpolitischen Konzeptionen eine Analyse bedeutsamer »Programmabsichten der gegnerischen Massenmedien«121 bei, mit dem Ziel, deren verstärkte ideologische Diversionstätigkeit nachzuweisen. Diese hätte sich zum einen in einer generell antikommunistischen Propaganda von ARD und ZDF gezeigt, die gegen die Sowjetunion und die mit ihr verbündeten Staaten gerichtet war. Auch dies ist typisch für den Feindbilddiskurs innerhalb der Fernsehführung, welcher immer wieder das westliche Bild vom Ostblock kritisierte. Zum anderen strahlten die bundesdeutschen Sender angeblich wiederholt Anti-DDR-Kampagnen aus, was sich in Informationsbeiträgen, aber auch in dramatisch-künstlerischen Sendungen niedergeschlagen hätte. Diese Kampagnen stellten den realen Sozialismus verzerrt dar, propagierten die Einheit der Nation, indem gesamtdeutsche Kulturwerte betont würden, und diffamierten die Partei- und Staatsführung der DDR. Zudem beklagte die Fernsehführung eine »auf Aktionsauslösung zielende Propaganda«, zu der sie die Fernsehberichterstattung über DDR-intern sensible Themen wie Ausreise und Dissidenten zählte. Hauptsorge Fehligs war zu diesem Zeitpunkt aber, dass ARD und ZDF danach streben würden, ihr Programm unterhaltsamer zu gestalten. Ihm zufolge suchten die Sender nach neuen Möglichkeiten der Massenbeeinflussung und Manipulation – gegenüber der eigenen Bevölkerung und um stärker auf die DDR einwirken zu können.122 Als programmpolitische Schritte, die diesen Absichten dienten, wurde u. a. die Aufhebung des Schutzzonenabkommens zwischen ARD und ZDF für Montag und Mittwoch genannt. Dies hätte laut der Analyse Fehligs dazu geführt, dass die ARD zukünftig auf dem Sendeplatz montags 20:15 Uhr eine dramatische Spielserie zeigte (statt wie bisher politische Magazine) und auch am Mittwoch im Anschluss an die Tagesschau massenwirksame Fernsehspiele ausstrahlte. Im ZDF wurden dafür

121 122

Hier und im Folgenden: [Q] Direktor für Programmplanung 1977, S. 7. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Fehlig 1977, Anlage 4, S. 1-3.

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dienstags bereits um 19:30 Uhr Unterhaltungssendungen wie Dalli, Dalli dargeboten und am Freitagabend zum Beginn des Hauptabendprogramms mit eigenen Krimiserien aufgewartet. Entschieden wies Fehlig darauf hin, dass dieser neue Trend nicht den bisher erhobenen Befunden einer fortschreitenden Politisierung des Gesamtprogramms (die man wie oben dargestellt schon 1971 beobachtet hatte) widersprach. Die Aufhebung der sogenannten ›politischen Schutzzonen‹ bedeutete keine Einschränkung der politisch-publizistischen Wirkungsmöglichkeiten des ›Gegners‹. Es wäre ganz im Gegenteil dessen volle Absicht, die Massenwirksamkeit der Vermittlungsformen und die aktuelle Flexibilität auf informationspolitischem Gebiet weiter zu erhöhen. Die westliche Fernsehunterhaltung, enttarnt als versteckte Ideologievermittlung, war in den 1970er Jahren auch ein Thema für den breiteren ›wissenschaftlichen‹ und öffentlichen Diskurs in der DDR. Der langjährige Herausgeber des Kino- und Fernseh-Almanachs Prisma, Horst Knietzsch, veröffentlichte 1972 beispielsweise einen polemischen Text der bundesdeutschen Publizisten Michael Buselmeier und Günter Schehl über die »Bedürfnis-Anstalt«, mit dem Untertitel »Zur Funktion und Dialektik trivialer Fernsehunterhaltung in der BRD«123. Knietzsch stellte dem Beitrag seine eigene Einschätzung voran, die sich von den Feindbildmotiven in der Diskussion der Fernsehführung nicht wesentlich abhob: »Zahlreiche Unterhaltungssendungen der Fernsehstationen in der BRD werden eindeutig genutzt, um den Zuschauer in seinen geistigen Ansprüchen zu reduzieren, ihn auf eine Verbraucherideologie einzustimmen, die sein politisches Bewußtsein verkümmern läßt. Durchaus legitime Unterhaltungsbedürfnisse werden auf diese Weise mißbraucht und umfunktioniert. Dem Zuschauer werden Leitbilder vorgesetzt, die zu seiner geistigen Entmündigung beitragen.«124 Auch im fernsehinternen Diskurs wurden, unter Verwendung der gleichen Argumente, die bundesdeutschen Unterhaltungssendungen immer häufiger als bedrohlich für die DDR charakterisiert. Im Jahresplan des DDR-Fernsehens für 1976 wurden die eigenen Redakteure dazu aufgerufen, die »raffinierte[n] Praktiken der ideologischen Diversion aufzudecken«, zu denen auch »die im Gewand der Unterhaltung verpackte Propaganda der westlichen Lebensweise« gehören würde.125 Sehr ausführlich widmete sich 1977 die Hauptabteilung Information des Staatlichen Rundfunkkomitees der »Rolle der Unterhaltungssendungen im BRD-Fernsehen«, als sie die unterstellten Hauptrichtungen der ideologischen Diversion des westlichen Hörfunks und Fernsehens im zweiten Halbjahr 1976 analysierte.126 Diese politische Auslegung bundesdeutscher Pressestimmen zur Fernsehunterhaltung wurde

123 124 125 126

Vgl. Buselmeier/Schehl 1972. Knietzsch in ebd., S. 242. [Q] Direktor für Programm- und Produktionsplanung 1975, S. I./32. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Rundfunk, Hauptabteilung I 1977, Anhang: Zur Rolle der Unterhaltungssendungen im BRDFernsehen, S. 1-7.

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höchstwahrscheinlich auch den Mitgliedern des Fernsehkomitees zur Verfügung gestellt, entweder vom Rundfunkkomitee selbst oder von Werner Lamberz, in dessen Bürounterlagen der Bericht überliefert ist. Die Hauptabteilung Information unterstellte in dem Report den »herrschenden Kräfte[n] der BRD auf die ideologische Offensive des Sozialismus mit einer Reihe von Maßnahmen« zu reagieren, »um die Hörfunk- und Fernsehmedien der BRD noch massiver zur geistigen Manipulierung und als Instrument der ideologischen Diversion einzusetzen«. Während im Selbstbild des Fernsehens oft die These vertreten wurde, die eigene Propaganda müsste verstärkt werden, da der ›Klassenfeind‹ im Westen so heftig polemisierte, setzte man im Feindbild auf die umgekehrte Argumentation: Die im Grunde überlegene sozialistische Propaganda zwinge die Entscheidungsträger im Westen dazu, nach noch wirksameren Methoden der Beeinflussung der ost- und westdeutschen Bevölkerung zu suchen. Dabei wären die unterhaltenden Formate verstärkt ins Blickfeld geraten und ihnen würde ein zunehmend hoher Stellenwert eingeräumt, weil sie besonders viele Zuschauer erreichten. Als Beleg zitierte der Bericht eine Aussage von ZDF-Programmdirektor Gerhard Prager, der 1975 im TV-Courier erklärt hätte, dass sich bei den Unterhaltungssendungen die Bevölkerung zu einer Gruppe zusammenfände, »auf deren Kopf gezielt wird – mit den Mitteln der Entspannung«. Günter Gaus, Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin, wird in der Beweisführung für diese These mit einem Zitat aus Der Arbeitgeber wiedergegeben, wonach das Publikum durch Unterhaltungssendungen viel stärker zu beeinflussen wäre, als durch informierende Genres: »Politische Sendungen erzeugen allenfalls ein Hautjucken, die unbewusste Beeinflussung durch Unterhaltungssendungen geht viel und oft bedenklich tiefer. Welche Klischees, welche Assoziationen, welche Vorstellungen von der Gesellschaft, in der man lebt und leben sollte, hervorgerufen werden, läßt sich mit den Wirkungen, die ein politisches Magazin oder ein Kommentar gibt, überhaupt nicht vergleichen.« Die westlichen Unterhaltungssendungen dienten laut der Untersuchung zum einen dem Ziel, die Zuschauer zu ›entpolitisieren‹, indem sie sie von den systemimmanenten Problemen der Bundesrepublik ablenkten. Zum anderen hätten sie eine systemstabilisierende Wirkung, da sie antisowjetische und nationalistische Einstellungen verfestigen würden, emanzipationsfeindliche und hierarchisch-patriarchalische Verhaltensweisen propagierten sowie ein über die Zerfallserscheinungen des Kapitalismus hinwegtäuschendes Heile-Welt-Szenario verbreiteten. Mit diesen Einschätzungen, die sich zwar objektiv mit Puzzleteilen aus dem bundesdeutschen Mediendiskurs über das Fernsehen schmückten und die Thesen auf konkrete Sendungen von ARD und ZDF bezogen,127 hatten sich die Autoren insgesamt deutlich von einer bloßen

127

So wurde für die Propagierung hierarchisch-patriarchalischer Verhaltensweisen auf Krimi-Serien wie Der Kommissar und Derrick verwiesen und für die in Unterhaltungssendungen verpackte Forderung nach Ruhe, Ordnung und Sicherheit die Sendungen XY ungelöst und Vorsicht Falle benannt.

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Faktendarstellung entfernt. Die Interpretation im Sinne des parteiideologisch konformen Feindbildes der westdeutschen Medien bildete den Fokus der Berichte. Dies traf ganz besonders auf Darstellungen zu, die in den 1970er und 1980er Jahren Eingang in den fernsehinternen Diskurs fanden, aber aus der Feder zahlreicher anderer Institutionen stammten. Auf diese externen Quellen wird im Folgenden eingegangen. 5.3.2 W ESTMEDIEN UNTER B EOBACHTUNG . B ETEILIGTE I NSTITUTIONEN UND INHALTLICHE S CHWERPUNKTE Mit der Begründung, dass »Fernsehen und Rundfunk der BRD und Westberlins […] künftig in noch stärkeren Maße eine Schlüsselrolle in der ideologischen Diversion gegen die DDR«128 spielten, wurde 1972 eine Reorganisation der institutionalisierten ostdeutschen Beobachtung westlicher Medien beschlossen. Die verschiedenen Abteilungen, die an der »qualifizierten, kontinuierlichen Führungsinformation über politisch und ideologisch wesentliche Tendenzen […] der Feindpropaganda« beteiligt waren, mussten ihre Aufgaben zukünftig besser koordinieren, wofür vor allem eine straffere einheitliche Leitung sorgen sollte. Gleichzeitig wurden identische Informations- und Analyseformen festgelegt, die sowohl den Erfordernissen der tagesaktuellen Aufgaben als auch der langfristig angelegten ideologischen Arbeit angepasst sein sollten. Diese Umstrukturierung betraf auch die Informationssammlungen zum bundesdeutschen Fernsehen innerhalb des DDR-Fernsehens. Die Ergebnisse längerfristiger Beobachtungen wurden von nun an in vierteljährlichen Berichten über die »Hauptlinien der gegnerischen Fernseh- und Rundfunkpropaganda« zusammengefasst, in denen jeweils die als neu wahrgenommenen inhaltlichen und methodischen Entwicklungstendenzen sichtbar gemacht werden sollten, die angeblich für die ideologische Arbeit von Bedeutung waren. Diese Informationen verfasste das »Institut für Internationale Politik und Wirtschaft«129 (IPW) in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Komitees für Rundfunk und Fernsehen sowie der Westabteilung des Zentralkomitees. Bestimmt waren sie für die Mitglieder und Kandidaten des Politbüros. Die genannten Institutionen erhielten zudem den Auftrag, regelmäßig längerfristige Analysen zu erstellen, die sich auf bestimmte Aspekte der »Feindpropaganda« (ausgewählte Themen bzw. bestimmte Ziel-

128 129

Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1972, S. 1-4. Auf Beschluss des Politbüros vom 06.07.1971 wurde die Auflösung des Staatssekretariats für westdeutsche Fragen, des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte und des Deutschen Wirtschaftsinstituts eingeleitet. Gleichzeitig wurde das Institut für Internationale Politik und Wirtschaft mit Sitz in Ostberlin gegründet. Zum Direktor ernannte man 1971 Herbert Häber, 1973 wurde Max Schmidt sein Nachfolger und blieb bis 1990 im Amt. Seit 1975 besaß das Institut das Recht, Promotionen (Promotion A) zu verleihen, 1985 folgte das Habilitationsrecht (Promotion B). Zu ausführlicheren Darstellungen über das Institut vgl. Alisch 1996 und Klein 1999.

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gruppen wie Arbeiter, Jugend, Frauen usw.) zu konzentrieren hatten.130 Diese Zusammenstellungen waren für einen erweiterten Personenkreis bestimmt: Neben dem Politbüro zählten hierzu die Ersten Sekretäre der Bezirksleitungen sowie die Abteilungsleiter des Zentralkomitees. Koordiniert und geplant wurden beide Analysetypen von der Direktion des IPW, die sich dafür mit der Abteilung Agitation und der ZK-Westabteilung abstimmte. Einen zweiten Typus der Beobachtung stellten die sogenannten »operativen Führungsinformationen« dar: Täglich 8:00 Uhr hatten das Rundfunkkomitee (in Zusammenarbeit mit dem Komitee für Fernsehen) und die Abteilung Agitation eine 30 bis 40 Zeilen lange Information an den oben aufgeführten, erweiterten Adressatenkreis zu übermitteln, um diesen Personen die aktuellen Elemente westlicher »Fernsehund Rundfunkpropaganda« darzustellen. Dabei sollte im Besonderen die Berichterstattung über die DDR und die diesbezüglich unterstellten »Hauptargumente« herausgestellt werden. Jeweils samstags wurden diese Tagesergebnisse vom IPW, den genannten Komitees und der Westabteilung zu Wochenberichten zusammengefasst, die auch Ausblicke auf geplante Sendungen der folgenden Woche enthielten. Gleichzeitig wurden bereits etablierte Maßnahmen der Westbeobachtung weitergeführt, wie beispielsweise der tägliche Mitschnittdienst zu politischen Beiträgen in Hörfunk und Fernsehen sowie die längerfristigen Informationsmaterialien des Rundfunkkomitees. Das Fernsehkomitee wurde allerdings nachdrücklich aufgefordert, bessere Voraussetzungen für eine systematische Analyse des westlichen Fernsehens zu schaffen. Offenbar war das Rundfunkkomitee in der Erstellung der verlangten Berichte produktiver und das Fernsehen sollte dem nacheifern. Dies wurde in den folgenden Jahren tatsächlich versucht, wie die zahlreichen überlieferten Reporte aus den Fernsehabteilungen belegen, die die Beobachtung des Westfernsehens mit den geforderten, ideologischen Interpretationsmustern verbanden. Im Folgenden sollen einige Beispiele illustrieren, wie die ›Untersuchungen‹ der verschiedenen Institutionen angelegt waren und welche Themen den Medienanalysten dabei am Herzen lagen. Der früheste Bericht stammt noch aus der Zeit vor der beschriebenen Umstrukturierung: die Information »Hauptlinien und charakteristische Methode der gegenwärtigen Feindpropaganda gegen die DDR über Rundfunk und Fernsehen« entstand im März 1971 unter Federführung der ZK-Westabteilung. Schon zu diesem Zeitpunkt wurden Recherchen unterschiedlicher Bereiche zusammengeführt, die allerdings zeigen, wie weit gestreut die Westbeobachtung war. Namentlich waren an dem Bericht die Komitees für Rundfunk und Fernsehen, das Staatssekretariat für westdeutsche Fragen, das Ministerium für Staatssicherheit, das Deutsche Wirtschaftsinstitut, das Deutsche Institut für Zeitgeschichte und das Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrates beteiligt.131

130 131

Vgl. hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1972, S. 2-4. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Westabteilung des Zentralkomitees 1971, S. 1-8.

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Der Bericht analysierte die vermeintlich »politisch-ideologische Feindtätigkeit der Rundfunk- und Fernsehsender der BRD und Westberlins gegen die DDR« im Zeitraum August 1970 bis Februar 1971 anhand ausgewählter Hörfunksendungen des Deutschlandfunks, des SFB, des RIAS sowie anhand von Fernsehbeiträgen der ARD und des ZDF. Das weitere Augenmerk lag auf geplanten institutionellen und konzeptionellen Veränderungen der Anstalten, die als Schaffung von strafferen »Grundlagen für die antikommunistische psychologische Kriegsführung« interpretiert wurden. Die in dem Papier formulierten ›Erkenntnisse‹ können dabei stellvertretend für viele andere Berichte stehen, denn auch in den Folgejahren wurden die hier dargestellten Themenkomplexe im Mittelpunkt zahlreicher ›Analysen‹ behandelt. Der Bericht suggerierte alarmierende Entwicklungen unter der 1969 gewählten sozialliberalen Bundesregierung, welche die politischideologische Diversion nicht nur verstärkt hätte, sondern »vor allem variantenreicher, flexibler und demzufolge gefährlicher« gestaltete. Dem »Sozialdemokratismus« wurde dabei insgesamt eine antikommunistische und konterrevolutionäre Politik vorgeworfen, die zudem revanchistische und nationalistische Züge tragen würde. An den etablierten Feindbildschemata über die politische Führung der Bundesrepublik hatte sich wenig geändert, die neuen parteipolitischen Konstellationen konnten mühelos in vorhandene Stereotype überführt werden. An übergreifenden Bezügen zur aktuellen Politik fällt lediglich die Propagierung der SED-Abschottungspolitik ins Auge, die die deutschdeutsche Vertragspolitik im Inneren zu begrenzen suchte: Den bundesdeutschen Medien unterstellte man diesbezüglich massive Kampagnen, die die »These von einer angeblich existierenden ›Einheit der deutschen Nation‹« bewerben würden. Die »Rundfunk- und Fernsehpropaganda« entfachte demzufolge »eine regelrechte Kampagne nationalistischer Hysterie«. Gleichzeitig versuchte man sich gegen die objektivere Berichterstattung westlicher Medien zu wehren, die mit der veränderten Ostpolitik der Bundesregierung einherginge: Die Verfasser des Berichts warnten vor angeblich konterrevolutionären Angriffen, wie den Forderungen nach der »Verbesserung des Sozialismus« bzw. nach seiner »Vermenschlichung«. Dass die Wirtschaft der DDR als permanent krisenhaft beschrieben würde, war nach Ansicht der Verfasser eine weitere Hauptlinie der westlichen Berichterstattung.132 Die betreffenden Medienberichte konn-

132

Wie sensibel die Staats- und Parteiführung auf westliche Berichte zur DDRWirtschaft reagierte, belegt eine fast kuriose ›Gegendarstellung‹ Erich Honeckers in der sogenannte »Oberhemdendebatte«. Per Fernschreiben informierte der Parteichef 1975 sämtliche Kreis- und Bezirkssekretäre darüber, dass die Massenmedien der BRD derzeit verbreiteten, die DDR habe Anzüge und Oberhemden zu extrem niedrigen Preisen an BRD-Firmen verkauft. Dies entspräche nicht den Tatsachen und sei nur als Diversionsversuch zu bewerten: »Diese Meldungen sind Teil einer Kampagne, die von der BRD aus gegenwärtig zur Diskreditierung der Volkswirtschaft und des Außenhandels der DDR geführt wird. Der Gegner verfolgt dabei die Absicht, von seiner ei-

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ten innerhalb der DDR-Ideologie nur als Angriffe gegen die Grundfesten des Sozialismus interpretiert werden: »Die Diffamierung des ökonomischen Systems des Sozialismus und der Wirtschaftspolitik der Partei soll Pessimismus hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des sozialistischen Staates erzeugen, Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidungen der Parteiführung und der Staatsorgane und zugleich Misstrauen hinsichtlich einer vorgeblichen ›Abhängigkeitspolitik‹ gegenüber der Sowjetunion wecken.« Der Bericht konstruierte somit ein Bedrohungsszenarium, das zum einen das Konzept der »ideologischen Diversion« an konkrete Themen der westlichen Berichterstattung koppelte und zum zweiten die ›Wirkungsmacht‹ der bundesdeutschen Medien über die Maßen erhöhte. Dies ging sogar soweit, dass den Medien unterstellt wurde, sie wären für die wirtschaftlichen Probleme der DDR mit verantwortlich: Indem sie die SED-Bestrebungen zur ökonomischen Ertragssteigerung torpedierten, z. B. durch die Kritik an der von der Partei propagierten Mehrschichtarbeit, richteten sie einen konkreten wirtschaftlichen Schaden an. Vor dem Hintergrund eines solch starken Medienwirkungsglaubens erstaunt es nicht, wenn der Bericht eine große Sorge darüber zum Ausdruck brachte, dass die bundesdeutsche Radio- und Fernsehberichterstattung der DDR fehlende demokratische Grundsätze vorwarf: »Das sozialistische System wird als unvereinbar mit demokratischen Freiheiten verleumdet. Stereotyp wird behauptet, in der DDR herrsche eine Minderheit über die Mehrheit.« Es wurde zwar nicht explizit erklärt, dass diese Argumentation in der ostdeutschen Bevölkerung ernste Zweifel an der SED-Politik nähren konnte, aber sie wurde generell als gefährlich eingestuft. Man schien ihr nur mit permanenter Beobachtung und monoton warnender Thematisierung begegnen zu können. Weitere Schwerpunkte der Diversionstätigkeit, die der Bericht ›nachwies‹, waren die westliche Berichterstattung über das Thema Republikflucht sowie angebliche Kampagnen gegen die Verteidigungsund Kulturpolitik. Den Sendern wurden zudem Angriffe auf die führende Rolle der Partei, den Marxismus-Leninismus, das sozialistische Staatsbewusstsein, den proletarischen Internationalismus sowie das Bündnis zwischen DDR und Sowjetunion unterstellt. Damit wurden im vorliegenden Bericht quasi alle für den SED-Staat identitätsstiftenden Bereiche als Zielscheiben westlicher Propaganda markiert. Das hier skizzierte Feindbild von der destruktiven Ausrichtung westdeutscher Medien dominierte den gesamten Diskurs über Hörfunk und Fernsehen der Bundesrepublik seit Anfang der 1970er Jahre. Im Jahr 1970 hatte die »Forschungsgruppe Planung« der Sektion Journalistik an der Karl-Marx-Universität eine »Diagnose« der Ausgangsituation über die »ideologische Diversion des Bonner Staates und mit ihm kooperierende Organisationen und Institutionen« erstellt, die bereits zu vergleichbaren Ergebnissen wie das oben vorgestellte Konzept der

genen Krise abzulenken und der DDR Schaden zuzufügen.« [Q] Honecker an die 1. Bezirks- und Kreissekretäre der Partei 1975, S. 1.

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Westabteilung gekommen war.133 Im »Verband der Deutschen Journalisten« war dieses Material verbreitet und diskutiert worden. In der Folgezeit variierte in den von unterschiedlichen Bereichen erstellten Berichten zwar das Spektrum der Vorwürfe gegen die westlichen Medien, im Grunde blieben die ›Hauptargumente‹ aber die gleichen. An dieser Stelle sollen exemplarisch einige Stellungnahmen unterschiedlicher Institutionen demonstrieren, wie sich einerseits die Argumentationen fortwährend wiederholten und es den Autoren dabei andererseits doch gelang, immer neue Themen in die Narration von der ideologischen Diversion zu integrieren. So verfasste die Abteilung Agitation auch nach der Neuverteilung der Aufgaben innerhalb der westlichen Medienobservation eigene Stellungnahmen, die beispielsweise im Jahr 1972 aller 14 Tage über die »zunehmende aggressive antikommunistische Argumentationen und Hetze gegen die DDR in den westlichen Rundfunk- und Fernsehsendern« informierte. Einem solchen Bericht vom Dezember 1972 zufolge beschäftigten sich die bundesdeutschen Medien gezwungenermaßen mit den außenpolitischen Erfolgen der DDR, die sie aber durch angebliche Kampagnen gegen die innenpolitische Entwicklung zu schmälern versuchten. Hierfür würden laut der Information u. a. Differenzen zwischen Volk und Regierung konstruiert, es würde »immer wieder von der ›Furcht der SED vor einer ideologischen Aufweichung der Bevölkerung der DDR‹ gefaselt«134. Dass aber gerade der vorliegende Bericht tatsächlich ein Beispiel jener Angst darstellte, diese Ironie wurde selbstverständlich nicht reflektiert. Stattdessen wurden die oben eingeführten Themenkomplexe im vorliegenden Papier noch weiter ergänzt, indem beklagt wurde, dass die ›feindlichen‹ Radio- und Fernsehprogramme die ostdeutsche Bildungs- und Kirchenpolitik angriffen. Auch das Rundfunkkomitee arbeitete nicht ausschließlich den gemeinsamen Stellungnahmen mit dem IPW zu, sondern brachte weiterhin eigene Berichte in Umlauf. Die Hauptabteilung I beschäftigte sich beispielsweise über Jahre hinweg ausführlich mit angeblichen Angriffen gegen die Militärpolitik der SED. Wie genau das westliche Programm für diese Beurteilungen beobachtet wurde, belegt der Rückblick auf das zweite Halbjahr 1972: Seine Verfasser zählten die bundesdeutschen Hörfunk- und Fernsehprogramme aus, die sich mit der DDR befassten und errechneten einen Prozentsatz von Sendungen, die die Militärpolitik thematisierten. Der Bericht führte an, dass zwischen Juli und Dezember 1972 insgesamt 3.409 Sendungen zur DDR-Thematik registriert wurden, wovon sich 373, d. h. 11 Prozent, gegen die Militärpolitik gerichtet hätten. Dabei wären die Führung und die Politische Hauptverwaltung der NVA, die patriotische Wehrerziehung der Jugend und die sozialistische Militärkoalition verleumdet worden.135

133 134 135

Vgl. [Q] Forschungsgruppe Planung der Sektion Journalistik der Karl-MarxUniversität 1970. Hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Agitation 1972, S. 1. [Q] Staatliches Komitee für Rundfunk, Hauptabteilung I 1973, S. 1.

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Zwei Jahre nach Beginn der KSZE-Konferenz in Helsinki erhob die Abteilung I immer noch die gleichen Vorwürfe gegenüber den westlichen Medien. Aufgrund desselben Untersuchungsprofils und der stereotypen Referenz an das dominante Feindbildschema kam sie auch für das 1. Halbjahr 1975 zu dem Ergebnis, dass die bundesdeutschen Funkmedien »die Funktion von imperialistischen Störzentren und der politischen Desinformation gegen Fortschritte im internationalen Entspannungsprozeß«136 erfüllten. Sie verbreiteten demnach Misstrauen und antikommunistische Vorbehalte gegen die Koexistenz-Politik des Ostblocks. In Auswertung des zweiten Halbjahres 1976 wurde diesen Medien dann eine imperialistische »Nach-Helsinki-Strategie« gegen die sozialistischen Staaten vorgeworfen, wobei die Sender »ihre antikommunistische Wühltätigkeit« vor allem gegen die erfolgreiche Außen- und Militärpolitik der Sowjetunion weiter gesteigert hätten.137 An dieser Stelle bleibt noch zu erwähnen, dass das IPW seine Reporte im gleichen rhetorischen Modus wie die hier vorgestellten Untersuchungen verfasste. In den periodischen Berichten thematisierten die Autoren die permanente Wiederholung immergleicher »Tendenzen und Argumente« sogar. So musste beispielsweise über den »Beobachtungszeitraum« Februar 1974 eingeräumt werden, dass die bereits im Januar festgestellten Schwerpunkte der Feindpropaganda »unverändert beibehalten« wurden.138 Im gesamten Bericht wird immer wieder auf die »Fortsetzung« von Kampagnen verwiesen, ist von Verleumdungen die Rede, die »unvermindert« anhielten und sich im »Rahmen der bekannten grundsätzlichen Argumentationslinien« bewegten oder es werden Einmischungen angeklagt, die »wie bereits im Vormonat« vonstatten gingen. Um die geforderten Berichte verfassen zu können, wurde anscheinend äußerst intensiv nach »neue[n] Einzelargumente[n]« gesucht und jede »modifizierte Method[e] für eine ›operative‹ gegnerische Einflußnahme« akribisch beschrieben. Zusätzlich zu den zyklischen Berichten verfasste das IPW im gleichen Zeitraum auch umfangreiche Informationen über einzelne bundesdeutsche Radio- und Fernsehsender, die an dieser Stelle nur aufgezählt werden können: Im September 1973 entstand ein »Informationsmaterial« zum Deutschlandfunk, im Februar 1974 über den SFB, im Juni 1974 über den RIAS, im November 1974 zur ARD und den Landesrundfunkanstalten sowie im Februar 1975 über das ZDF.139 Diese Berichte fassten recherchierte Informationen zur Organisationsstruktur, den gesetzlich verankerten Aufgaben und zur Programmstruktur der jeweiligen Anstalten zusammen und verknüpften sie mit Einschätzungen zu den ihnen unterstellten Methoden der Manipulierung. Die ausgewählten Institutionen entsprachen dabei, auch in der Reihenfolge,

136 137 138 139

Vgl. [Q] Staatliches Komitee für Rundfunk, Hauptabteilung I 1975, S. 1. [Q] Staatliches Komitee für Rundfunk, Hauptabteilung I 1977, S. 1. Hier und im Folgenden: [Q] Institut für Internationale Politik und Wirtschaft 1974, S. 1-3. Vgl. den Rückblick in [Q] Institut für Internationale Politik und Wirtschaft 1975, ohne Paginierung.

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dem Feindbild im übergreifenden Konzept der ideologischen Diversion: In allen Berichten der beteiligten Institutionen (auch in denen der Staatssicherheit) wurde am eindringlichsten vor den Sendungen von Deutschlandfunk, RIAS und dem SFB gewarnt.140 Abschließend soll ein letztes Beispiel belegen, wie weit sich das Konzept von der angeblichen Unterwanderung der DDR durch westliche Hörfunk- und Fernsehprogramme während der 1970er Jahre im ›wissenschaftlichen‹ Diskurs der DDR etablieren konnte. Am Ende des Jahrzehnts war durch die oben beschriebenen Institutionen ein solcher ›Fundus‹ an Informationen erstellt und das Interpretationsmuster für diese Recherchen so weit vereinheitlicht worden, dass die sogenannte ideologische Diversion zum Lehrstoff geworden war. Nachdem vor allem an der Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität in Leipzig im Laufe der 1970er Jahre verschiedene Diplomarbeiten und Dissertationen zu diesem Thema entstanden waren, folgte 1979 ein erstes »Lehrheft« für alle Journalistik-Studenten: »Zur ideologischen Diversion von BRD-Funkmedien gegen die DDR«141 von Hans Kubach und Willy Walther. Als verbindliches Studienmaterial sollte es den Studierenden »helfen […], das Wesen der ideologischen Diversion zu erfassen, das gegen die DDR eingesetzte Instrumentarium des Klassengegners genauer kennenzulernen und Einblick in wesentliche Methoden der ideologischen Diversion durch Funkmedien zu gewinnen«. Diese Kenntnisse wurden als »Voraussetzungen« bezeichnet, die die Studenten benötigten, um »in ihrer künftigen praktischen journalistischen Arbeit die offensive Auseinandersetzung mit dem Klassenfeind wirksamer führen« zu können. Im folgenden Jahrzehnt kam eine Fülle von Publikationen mit der gleichen Aufgabenstellung hinzu, in denen das Konzept ›weiterentwickelt‹ und immer wieder propagiert wurde. An dieser Entwicklung war allerdings noch eine weitere Institution federführend beteiligt, die im bisherigen Überblick ausgespart wurde: das Ministerium für Staatssicherheit. Dem MfS kam in der Beobachtung der westlichen Medien eine solch große Bedeutung zu, dass dies im Folgenden in einem eigenen Abschnitt dargestellt wird. 5.3.3 I M K AMPF GEGEN DIE ›H ETZSENDUNGEN ‹ DES W ESTENS . D IE S TAATSSICHERHEIT ALS M EDIENANALYST DER B UNDESREPUBLIK Als das Konzept von der ideologischen bzw. politisch-ideologischen Diversion vorgestellt wurde, ist bereits angesprochen worden, dass das MfS deren vermeintliche Bekämpfung als eine der wichtigsten Aufgaben ansah. Während Siegfried Mampel verstärkte Forschungen über den Charakter der politisch-ideologischen Diversion innerhalb des MfS erst seit 1971 nachweist,142 konnten im vorangegangenen Abschnitt Be140 141 142

Zur Charakterisierung des SFB als »ideologischer Pfahl im Fleische der DDR« vgl. beispielsweise Dittmar 2002, S. 128-129 sowie Dittmar 2003. Hier und im Folgenden: Kubach/Walther 1979. Vgl. insbesondere auch die Auswahlbibliographie von Diplom- und Promotionsschriften in ebd., S. 139. Vgl. Mampel 1996.

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richte aus dem Archiv der Birthler-Behörde eingeführt werden, welche schon im Jahr 1969 die westlichen Hörfunk- und Fernsehprogramme innerhalb des neuen Feindbildschemas analysierten.143 Im hier behandelten Jahrzehnt stieg die Anzahl von Analysen, Berichten und Publikationen der beteiligten MfS-Abteilungen stark an. Diese Informationssammlungen der Stasi-Mitarbeiter sind für den Gegenstand der vorliegenden Arbeit von Interesse, da sie die im letzten Abschnitt dargestellten Quellen ergänzten. Darüber hinaus kann nachgewiesen werden, dass sie zumindest teilweise der Fernsehführung zur Verfügung gestellt wurden und direkt deren Feindbilddiskurs über das westdeutsche Radio und Fernsehen beeinflussten. Dass es das MfS dabei nicht bei der Beobachtung westlicher Medien beließ, sondern versuchte, selbst Einfluss auf die bundesdeutsche Berichterstattung zu nehmen, bestätigt eine Studie der Historischen Kommission der ARD in Zusammenarbeit mit dem Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin. Neun Wissenschaftler unter Leitung Jochen Staadts werteten von 2002 bis 2004 rund 200.000 Seiten Aktenmaterial in ost- und westdeutschen Archiven aus, vorwiegend die Staatssicherheits-Unterlagen der Bundesbeauftragten in Berlin. Im Ergebnis stellt die 1.095 Seiten starke Untersuchung ›Stasi‹-Aktivitäten in den Rundfunkanstalten beider deutschen Staaten dar. Diese Studie, deren Resultate für die Rekonstruktion des DDR-Feindbildes über die westlichen Medien von Bedeutung sind, wurde 2004 in einer auf 480 Seiten gekürzten Fassung für die Presse veröffentlicht. Vier Jahre später wurden ähnlich umfangreiche Auszüge unter dem Titel »Operation Fernsehen« publiziert. Aufgrund einer einstweiligen Verfügung war das Buch jedoch nur für kurze Zeit regulär im Handel erhältlich.144 Im Rückgriff auf diese bisher publizierten Auszüge können die wichtigsten Ergebnisse dargestellt werden. Demzufolge bestätigt die Studie die Spionagetätigkeit der Stasi in den westdeutschen Rundfunkanstalten, der Geheimdienst hatte mehr als 100 Spitzel auf die Sender der ARD angesetzt.145 Die Studie konzentriert sich dabei einerseits auf die Bespitzelung der in der DDR akkreditierten Korrespondenten (und der nur kurzzeitig in der DDR arbeitenden ›Reisejournalisten‹) und andererseits auf die versuchte Einflussnahme der Stasi auf das Programm und das Personal westlicher Medien.146

143 144

145 146

Vgl. Kapitel 4.3.3. Vgl. Staadt 2004 und Staadt et al. 2008. Zur öffentlichen Berichterstattung zum Thema und den juristischen Schwierigkeiten der Publikation 2004 vgl. Dittmar 2004a, S. 146-148. Zu den Problemen der Veröffentlichung von »Operation Fernsehen« vgl. Wrage 2009. Zu dem besonders bizarren Beispiel des Ehepaars Ortrud und Karl-Heinz Reinsch, das den SFB ausspionierte, vgl. Staadt 2004, S. 146. Die Initiatoren der Studie, der damalige Intendant des WDR und ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen sowie MDR-Intendant Udo Reiter, erhofften sich von der Untersuchung Ergebnisse über die Zusammenarbeit eigener Rundfunk- und Fernsehmitarbeiter mit dem MfS. Nach Enthüllungen über »Stasi-Zuarbeiten« im MDR, war der Forschungsauftrag im Januar 2002 vergeben worden.

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Sie belegt, dass es dem MfS trotz großer Anstrengungen nicht gelang, die Programmgestaltung oder wichtige Entscheidungsgremien des bundesdeutschen Fernsehens zu manipulieren. In westlichen Redaktionen gab es weniger ›Inoffizielle Mitarbeiter‹ als bisher vermutet worden war. Große Überraschungen in persona zahlreicher bisher nicht enttarnter Stasispitzel hat es nicht gegeben. Allerdings war das DDRFernsehen selbst mit IMs intensiver durchsetzt als vorher angenommen. Erfolgreicher waren SED und Staatssicherheit bei der Lancierung ihnen genehmer Informationen oder gezielter Desinformationen, die sich in der bundesdeutschen Berichterstattung nachweisen lassen. Vor allem Reisekorrespondenten waren von DDR-»Betreuern« manipuliert worden. Dies geschah, indem Ansprechpartner vor Ort den Journalisten ›getürkte‹ Informationen vermittelten oder ihnen von der Stasi instruierte Interviewpartner zuführten. Damit hatten die DDR-Reportagen die Situationen nicht immer entsprechend der Realität schildern können, sondern nur gemäß offizieller Vorstellungen. Die bisher veröffentlichten Ergebnisse der Studie geben dabei wenig Auskunft darüber, wie das MfS über den Westen recherchierte Daten systematisiert und ausgewertet hat. Dazu wird im Folgenden auf die Recherchen der Autorin zurückgegriffen. Sie belegen, dass mehrere Abteilungen der Staatssicherheit sehr unterschiedliche Erkenntnisse zusammengetragen, analysiert und an verschiedene Institutionen weitergeleitet haben. Federführend waren dabei die beiden Hauptabteilungen II (Spionageabwehr, die u. a. auch die Bespitzelung von in der DDR akkreditierten Journalisten übernahm) und XX (Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion) sowie die »Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe« (ZAIG). Letztere war 1965 eingerichtet worden, ihre Vorläufer waren die 1953 gebildete Arbeitsgruppe »Information« sowie die 1960 gegründete »Zentrale Informationsgruppe«.147 Eine der wichtigsten Aufgaben der bis zu 423 Mitarbeitern starken Abteilung, die in der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg agierte, war die Auswertung westlicher Massenmedien und die Erarbeitung von Lageeinschätzungen für die Partei- und Staatsführung. Das MfS kooperierte dabei seit dessen Gründung eng mit dem Institut für Internationale Politik und Wirtschaft. Zunächst schien das IPW Anfang der 1970er Jahre sogar Aufgaben der ZAIG und anderer an der Beobachtung westlicher Medien beteiligter MfS-Abteilungen übernommen zu haben. Bei der Umstrukturierung auf Ebene aller damit beauftragten Institutionen wurde das MfS nicht erwähnt. Spätestens seit 1974 verfasste die ZAIG aber wieder eigene Berichte als »Hinweise« anlässlich besonderer ›Höhepunkte‹ in der den bundesdeutschen Medien nachgesagten Diversionstätigkeit. Einige Beispiele sollen im Folgenden demonstrieren, welche Anlässe und Themen die ZAIG im hier behandelten Jahrzehnt aufgriff. Einen solchen besonderen Anlass stellte der 25. Jahrestag der DDR im Oktober 1974 dar. In Vorbereitung auf diesen runden ›Republikge-

147

Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik o.J.

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burtstag‹ registrierte die ZAIG bei den ›gegnerischen‹ Radio- und Fernsehsendern »eine Zunahme von Beiträgen […], in denen in direkter bzw. indirekter Form gegen den 25. Jahrestag der DDR gehetzt wird«148. In rund 50 ausgewerteten Sendungen analysierte die ZAIG dabei drei grundsätzliche Angriffsrichtungen: Erstens fiel den Stasimitarbeitern eine angeblich verstärkt nationalistische Propaganda ins Auge, die mit einer »Propagierung angeblicher Widersprüche zwischen der SED und der Bevölkerung der DDR in den Auffassungen zur Nation […] und zum Prozeß der Abgrenzung von der BRD« einherginge. Zweitens hätten die »Feindsender« die Masseninitiative in Vorbereitung des Jahrestags herabgewürdigt und verunglimpft. Sie bemühten sich, in der Bevölkerung Zweifel an den Erfolgen der sozialistischen Wirtschaftspolitik zu säen. Drittens würden die Sender gezielt Gerüchte im Hinblick auf den Republikgeburtstag verbreiten, um »unter der Bevölkerung der DDR Unsicherheit auszulösen und falsche Erwartungshaltungen zu suggerieren«, z. B. über geplante Erleichterungen für Westreisen oder Amnestien für politische Häftlinge. Die ZAIG nahm aber auch unterstellte thematische Schwerpunkte in westlichen Medien zum Anlass, »Hinweise« für die übergeordneten Instanzen im MfS und für die DDR-Führung zu erstellen. Im folgenden Jahr zeigte sich die ZAIG dementsprechend besorgt darüber, dass die bundesdeutschen Massenmedien versuchten, die Menschen in der DDR aufzufordern, verstärkt Ausreiseanträge zu stellen.149 Behandelte die westliche Berichterstattung sensible Themen wie Republikflucht und Ausreisebewegung, wurde dies gesondert und sehr präzise registriert.150 Den Medien wurde dabei unterstellt, DDR-Bürger, die sich mit derartigen Absichten trügen, »›erfolgversprechende‹ Verhaltensweisen zu offerieren« und Unschlüssige zur Antragstellung zu ermutigen. Den wichtigsten Anlass, um in mehreren Berichten die Staatsführung über westliche Medienreaktionen zu informieren, bot im Jahr 1975 aber die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte. Die ZAIG sammelte die Presse- und Rundfunkstimmen direkt nach Abschluss der Verhandlungen im August 1975 sowie in den kommenden Monaten. Im Oktober konnten die Stasimitarbeiter ein Abflauen der Berichterstattung über das Thema KSZE vermelden, gaben dabei allerdings keineswegs Entwarnung zu den beobachteten propagandistischen Bemühungen, die Vereinbarungen im Sinne ihrer Ideologie umzudeuten: »Die gegnerischen Massenmedien verfolgten weiterhin Bestrebungen, die

148 149 150

Hier und im Folgenden: [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1974b, S. 1-11. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1974a. Auch das IPW glaubte im Februar 1974 zu beobachten, dass ARD und ZDF mit einer Berichterstattung über verschiedene Fluchthilfeorganisationen und detaillierten Darstellungen gelungener Fluchtversuche Bürger zum illegalen Verlassen der DDR anstifteten. Besonders in Vormittagsprogrammen, die sich eigens an die DDR-Bevölkerung richteten, ermuntere man zur Republikflucht. Vgl. [Q] Institut für Internationale Politik und Wirtschaft 1974, S. 4.

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Bedeutung und Verbindlichkeit der Grundprinzipien abzuwerten und die Absichtserklärungen zur Zusammenarbeit in humanitären und anderen Bereichen in den Vordergrund zu schieben.«151 Den Verfassern des Berichts wurde in der Bundesrepublik zu wenig über die im Vertrag festgelegte Anerkennung des Status quo in Europa und die vereinbarte Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten einzelner Staaten berichtet, die in der DDR als wichtiger Schritt in Richtung internationale Anerkennung gefeiert wurden. Was in den ostdeutschen Medien dagegen wenig Beachtung fand – wie die Zusagen der DDR zur Wahrung der Menschenrechte – nahmen sie im Westen als »Überbetonung«wahr, die nur dem Zweck diente, Diskussionen und Unruhe unter der Bevölkerung auszulösen. Im Herbst sah sich die ZAIG dann erneut umfänglichen Diversionsbestrebungen des ›Gegners‹ ausgesetzt. Die Verfasser der Berichte versuchten dies nachzuweisen, indem sie programmorganisatorische, strukturelle und sendetechnische Veränderungen innerhalb des westlichen Radio- und Fernsehangebots anführten. Genau wie die DDR-Fernsehführung und die anderen vorgestellten externen Verfasser derartiger Informationen, charakterisierte die ZAIG Neuerungen in den bundesdeutschen Programmstrukturen allein als »Überlegungen und taktische Varianten für die politisch-ideologische Diversionstätigkeit«152. Dieses Interpretationsmodell war dabei so variabel, dass jede in den westdeutschen Medien beobachtete Entwicklung eingepasst werden konnte. Für den Bereich des Fernsehens waren das 1975 beispielsweise demoskopische Untersuchungen, die ARD und ZDF vornahmen, um die Programmstrukturen an die veränderten Lebensbedingungen ihrer Zuschauer anzupassen. Gleichzeitig interessierten die Berichtschreiber die umfangreichen Sendezeiten, die aktuelleren politischen Sendungen mit mehr Direkt-Reportagen und stärkerer Live-Atmosphäre sowie die präzisere Zielgruppenansprache der Sender. Letzteres war der ZAIG 1978 sogar einen ausführlichen Einzelbericht wert.153 Auch 1976 beobachtete die ZAIG genau, welche Inhalte die Berichterstattung der westlichen Medien über die DDR bestimmten. Wieder fand sich in diesem oft als Krisen- oder Schicksalsjahr der DDR beschriebenen Zeitraum ein besonderes Motiv, das die Beobachter der Staatssicherheit beunruhigte: Es war das von der DDR hausgemachte Thema der Ausbürgerung Wolf Biermanns, dessen propagandistische Ausnutzung man den westdeutschen Medien im Dezember vorwarf. Diese würden »das provokatorische Auftreten Biermanns in der BRD, die Aberkennung seiner Staatsbürgerschaft der DDR und die damit zusammenhängende Reaktion feindlich-negativer Kräfte in der DDR zum Anlaß einer großangelegten, besonders gegen die Rolle der Partei und

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Hier und im Folgenden: [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1975b, S. 1. Hier um im Folgenden: [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1975a, S. 2-18. Vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1978.

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der sozialistischen Staatsmacht gerichteten Hetzkampagne«154 nehmen. Die Aufmerksamkeit, die die ZAIG dem Biermann-Fall zollte, beweist nachträglich, dass den Stasi-Mitarbeitern schon direkt nach den entscheidenden Schritten der DDR-Führung bewusst war, dass hier ein die Bevölkerung polarisierendes Ereignis vollzogen wurde. Eine auffällige Häufung von Berichten der MfS-Abteilungen über das westdeutsche Fernsehen lässt sich für die Jahre 1978 und 1979 nachweisen. Anlass waren Befürchtungen der Stasimitarbeiter, dass die Fernsehsender durch neue Programmstrukturen zum Jahresende 1979 die politische Wirksamkeit ihrer Programme erhöhen könnten. Zwischen August 1978 und November 1979 wurden immer wieder aktualisierte Berichte über die westlichen Programmpläne, mit einem besonderen Fokus auf die Programmentwicklung der ARD, verfasst. Diese Informationen wurden nachweislich auch dem Leiter der Abteilung Agitation des ZK der SED, Heinz Geggel, übermittelt. Sie waren als streng geheim gekennzeichnet und die Exemplare mussten nach Ansicht an das MfS zurückgegeben werden. Fast alle Berichte waren mit dem Hinweis versehen: »Die Information darf wegen unmittelbarer Quellengefährdung nicht offiziell ausgewertet werden« bzw. »Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.« Sie stammten also – zumindest teilweise – von verdeckten Informanten, die Zugang zu Planungsunterlagen der Anstalten hatten. Im ersten nachweisbaren Bericht dieser ›Informationsserie‹ heißt es dazu: Durch »eine zuverlässige inoffizielle Quelle wurde streng vertraulich erarbeitet«, dass die westlichen Fernsehanstalten für Ende 1979/Anfang 1980 tiefgreifende Veränderungen der Programminhalte und -strukturen planten.155 Allerdings war der Inhalt der Darlegungen wenig spektakulär. Die angekündigten Programmänderungen waren bereits oder wurden kurze Zeit später über die bundesdeutsche Presse verbreitet. Welchen konkreten Nutzen die Informationen für die DDR-Führung hatten, darauf blieben die Berichte eine Antwort schuldig. Auch die Tatsache, dass die derart informierten Institutionen zumeist in keiner Weise reagierten, lässt vermuten, dass die Stasiberichte eher den eigenen Informationsvorteil demonstrieren wollten, als den DDR-Medien konkrete Hilfestellung innerhalb der Konkurrenz zu den bundesdeutschen Medien zu leisten. Nichtsdestotrotz wurden die Informationssammlungen im folgenden Jahrzehnt noch intensiviert und die Berichtzyklen verkürzt: Seit 1981 verfasste die ZAIG neben Berichten zu ›Schwerpunktthemen‹ der angeblichen ideologischen Diversion und Informationen über Sender und Programmstrukturen auch periodische Berichte, in Form von »Monatsübersichten« zu den unterstellten Einwirkungsversuchen westlicher Funkmedien. Die Weitergabe dieser detaillierten Berichte lässt sich bis auf die Ebene der Fernsehführung rekonstruieren.

154 155

[Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1976, S. 1. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Hauptabteilung XX 1978, S. 1.

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5.4 Immer wieder sonntags … Berücksichtigung der bundesdeutschen Programmpolitik 5.4.1 D IE W OCHENTAGE M ONTAG

BIS

D ONNERSTAG

Programmdirektor Dieter Schmotz hatte schon 1966 darauf gedrängt, in der eigenen Programmplanung stärker auf die Sendestrukturen des bundesdeutschen Fernsehens zu reagieren. Aber erst fünf Jahre später setzte sich die von ihm vorgeschlagene Strategie durch und wurde zu einem wichtigen Kriterium bei der Konzeption des ostdeutschen Fernsehprogramms: Seit 1971 wurde regelmäßig versucht, vor allem das Abendprogramm der einzelnen Wochentage ›taktisch‹ gegenüber dem Westprogramm zu gestalten. Man gestand sich dabei offen ein, dass die eigenen Kanäle mit den westdeutschen Angeboten um die Gunst der Zuschauer konkurrieren mussten und bemühte sich, Schaden zu begrenzen. Um die (von den DDR-Zuschauern am wenigsten geschätzte, aber ideologisch hoch bewertete) Publizistik156 an den DDRZuschauer zu ›bringen‹, sollte es vermieden werden, diese auszustrahlen, wenn der alternative DDR-Sender oder das westdeutsche Fernsehen mit besonders attraktiver Unterhaltung lockten. Dieser Ansatz war im hier untersuchten Jahrzehnt nicht die einzige ›Strategie‹ im Umgang mit dem einstrahlenden Westfernsehen, aber an diesem Beispiel lässt sich plausibel darstellen, wie intensiv man sich mit dem ›Gegner‹ beschäftigte. Darum wird im Folgenden darauf fokussiert, wobei frühere Forschungsergebnisse der Autorin zu diesem Thema157 hier weitergeführt und ergänzt werden. Für zwei weitere Belege des Reagierens auf das westliche Programm sei ausschließlich auf die bereits publizierten Ergebnisse verwiesen, sie brauchen hier nicht noch einmal dargelegt zu werden: Zum einen ist dies die ostdeutsche Diskussion um die Ausstrahlungszeit der Hauptnachrichtensendung Aktuelle Kamera, die in diesem Jahrzehnt unter Bezug auf die Veränderungen in ARD und ZDF geführt wurde.158 Zum anderen gerieten auch einzelne Formate – wie die Fernsehpublizistik – bedingt durch bundesdeutsche Entwicklungen unter Druck. Die Fernsehführung versuchte daraufhin mit den beobachteten Innovationen Schritt zu halten.159 Doch zurück zur Sendeplatzpolitik: Bereits das Jahresprogramm 1973 war – was ganz dezidiert eingeräumt wurde – so geplant worden, dass es die Programmgestaltung der Westsender stärker als zuvor üblich berücksichtigte.160 Wirklich zufrieden war Schmotz, nun offiziell »Direktor für Programm- und Produktionsplanung«, mit dieser Strate156

157 158 159 160

In Anlehnung an den zeitgenössischen Sprachgebrauch wird im Folgenden von ›Fernsehpublizistik‹ bzw. ›Fernsehjournalistik‹ gesprochen. Zur Ausdifferenzierung und zu den in diesem Jahrzehnt verantwortlichen Redaktionen vgl. ausführlicher Prase 2006, besonders S. 151-160. Vgl. Dittmar 2002, S. 136-142. Vgl. ebd., S. 131-136. Vgl. ebd., S. 142-144. Vgl. [Q] Programmdirektion 1972, S. 1.

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gie allerdings nicht. Anfang 1974 beklagte er, dass das Publikum weiterhin jeden Abend die Möglichkeit hätte, entweder im eigenen Programm oder in den Sendungen von ARD und ZDF Unterhaltung zu konsumieren. Schmotz zufolge vermochten es die Zuschauer damit, »sich aktuell-politischen, vertiefenden publizistischen innen- und außenpolitischen Programmbeiträgen des sozialistischen DDR-Fernsehens kategorisch und gezielt zu entziehen«161. Dies müsste die Fernsehführung nachdenklich stimmen, forderte Schmotz. Allerdings stehen diese Beobachtung und ihre kritische Bewertung in Bezug auf die zwei DDR-Kanäle in direktem Widerspruch zur ansonsten vehement geforderten ›alternativen Programmgestaltung‹. Anscheinend förderte man zwar die Wahlmöglichkeit zwischen zwei unterschiedlich akzentuierten Fernsehprogrammen, um die Zuschauer auf den eigenen Kanälen zu halten und ein Umschalten auf die Angebote des ›Klassenfeindes‹ zu verhindern. Die publizistischen Sendungen wollte man aber keiner Konkurrenz aus dem eigenen Lager aussetzen und schuf in aller Stille quasi ›Schutzzonen‹, die sich nicht wesentlich von denen zwischen ARD und ZDF unterschieden. Die Programmplaner waren dabei über die Selektionsentscheidungen ihres Publikums gut informiert, da die Zuschauerforschung auch die Zuwendung zu einzelnen Genres erhob. Im Jahr 1976 errechnete diese beispielsweise eine durchschnittliche Sehbeteiligung für die Publizistik in der 20:00-Uhr-Achse von nur 16,1 Prozent, denen deutlich höhere Werte für die DDR-Dramatik (40,1 Prozent), die Unterhaltung (42,8 Prozent) oder für den Einsatz ausländischer Filme (42,5 Prozent) gegenüberstanden. Diese Werte entsprachen auch den Angaben, die die Zuschauer regelmäßig bei Befragungen machten. Demnach standen Unterhaltungsprogramme an der Spitze der ›Wunschrangliste‹, dicht gefolgt von Spielfilmen, Fernsehfilmen, Serien und Krimis. Auch die Sportsendungen rangieren in der Gunst der Zuschauer deutlich vor Beiträgen politisch-publizistischer Art.162 In den 1970er Jahren schätzte die Fernsehführung – diese Interessen ihrer Zuschauer vor Augen – neben dem Wettbewerb zwischen den beiden ostdeutschen Programmen die westdeutsche Konkurrenz als entscheidendes Kriterium für den Erfolg der eigenen Sendungen ein. Schmotz forderte eindringlich, dass die politischen Programmbeiträge des DDR-Fernsehens nicht der Konkurrenz bundesdeutscher Unterhaltungsangebote ausgesetzt werden dürften, sondern nur an Tagen ausgestrahlt werden sollten, an denen das Westfernsehen ebenfalls journalistische Formate offerierte: »Der geplante Einsatz von (DDR-) Publizistik an anderen Sendetagen als im gegnerischen Fernsehen ist unzweckmäßig und führt zu Zuschauerverlusten an politisch-publizistischen Programmbeiträgen des DDR-Fernsehens.«163 Um die journalistischen Beiträge bei den Zuschauern zu profilieren, sollten von nun an »stören-

161 162 163

[Q] Direktion für Programm- und Produktionsplanung 1974b, S. 4. Vgl. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, Abschnitt: Zum Profil des I. und II. Programms, S. 3. [Q] Direktion für Programm- und Produktionsplanung 1974b, S. 6.

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de Einflüsse« westlicher Programme vermieden und Sendungen mit niedrigen Quoten auf andere Sendeplätze verlegt werden.164 Wie dies im Laufe der 1970er Jahre gehandhabt wurde, sollen im Folgenden die Programmabende der einzelnen Wochentage im ersten Programm verdeutlichen. Der Fokus liegt dabei auf der Sendeschiene, die im Anschluss an die Aktuelle Kamera ausgestrahlt wurde.165 Zwar wurden auch häufiger Überlegungen für die 19:00-Uhr-Achse sowie für das gesamte zweite Programm erörtert, sie alle zu rekonstruieren würde an dieser Stelle allerdings zu weit führen. Grundsätzlich waren sie aber ähnlichen Argumentationsmustern wie beim hier analysierten Hauptabendprogramm im publikumswirksamsten DDR-Sender unterworfen. Auf das Spätprogramm wird ebenfalls nur in Einzelfällen eingegangen, was sich auch damit begründen lässt, dass die Programmplaner hier vor der westlichen Konkurrenz ›kapitulierten‹. Wie Werner Fehlig, der Nachfolger Schmotz’ als Direktor für Programmplanung, 1977 vermerkte, lag dies daran, dass für die Programmzeiten außerhalb des größten Zuschauerinteresses die Mittel fehlten: »Um die Qualität der Fernsehsendungen zu den Hauptsehzeiten zu verbessern, müssen die geistigen und materiellen Kapazitäten kompromißlos auf diese Aufgabe konzentriert werden. […] Damit bleibt die Wirkungsbreite unseres I. Hauptabendprogramms Montag bis Freitag nach 21.30 Uhr begrenzt und die höhere Massenwirksamkeit beim gegnerischen Programm (Dienstag, Mittwoch und Donnerstag je eine Kriminalserie in dieser Zeitachse). Dem Spätprogramm des Gegners (ab 22.30 Uhr Tagesthemen, ab 23.00 Uhr Wiederholung von unterhaltsamen Krimis und Fernsehspielen) kann gegenwärtig nicht wirkungsvoll begegnet werden.«166 Montag

Der Anfang der Sendewoche stellte die Ausnahme von der oben erwähnten Regel dar, da das DDR-Fernsehen an diesem Abend die westliche Konkurrenz weniger zu fürchten brauchte als an anderen Wochentagen. Mit der Senderubrik Für den Filmfreund, in der Spielfilme älteren Datums, teilweise sogar noch aus der Zeit vor 1945, ausgestrahlt wurden, erreichte es sein Publikum. Das Westfernsehen bot am Montagabend keine wirkliche Alternative für die DDR-Zuschauer, wie das Fernsehkomitee 1977 erleichtert feststellte: Der »Gegner [übt; C. D.] mit politischen Magazinen 20.00 Uhr (ARD) und diversen Magazinen für verschiedene Interessentengruppen 20.15 Uhr (ZDF) montags sicher keine[sic!] sehr großen Einfluß auf unsere Zuschauer«167 aus. Folglich erzielte das DDR-Fernsehen an diesem Tag auch die höchste Sehbeteiligung der gesamten Woche (1975 waren das 57,5 und 1976 immerhin noch 53,9 Prozent), was allerdings für die Programm164 165 166 167

Vgl. [Q] Direktion für Programm- und Produktionsplanung 1974a, S. 2. Zu den im DDR-Fernsehen verwendeten Platzmustern, also die Aufgliederung von Programmplätzen, vgl. ausführlicher Prase 2006, S. 156. [Q] Fehlig 1977, S. 5. Hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, Abschnitt: Zum Profil des I. und II. Programms, S. 4-5.

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planer nur »das Optimum des Erreichbaren im Profil, jedoch noch nicht in der Qualität« bedeutete. Sie lobten zwar den »Erholungs- und Entspannungswert« des Programmabends für die Zuschauer, der »geistige Anspruch« der ausgestrahlten Sendungen wurde dagegen kritisiert. Den Filmabend am Montag durch ein anderes, eventuell publizistisches Programm zu ersetzen, wurde aber nicht diskutiert. Dem standen die festen Zuschauererwartungen entgegen, die man erfüllen musste, um seine Massenwirksamkeit auch zukünftig nicht zu gefährden. 1971 eruierte die Programmdirektion, dass bis zu 80 Prozent der Zuschauer wünschten, den Montagsfilm beizubehalten, wobei sie mehr Filme aus der Nachkriegszeit und aus dem Ausland sehen wollten.168 Diese Filme mussten angekauft werden, was den Programmplanern einiges Kopfzerbrechen bereitete: Die vom politischen Standpunkt aus favorisierten Filme der Sowjetunion kamen bei den Zuschauern weniger gut an, überdies herrschte auch hier eine Unterversorgung. Die Sowjetunion gab jährlich nur 50 bis 60 Filme für das Ausland frei und in der DDR hatten die Kinos hierfür ein Vorkaufsrecht. Außerdem dauerte die Produktion der Synchronisationsfassungen oft zu lange. Filme aus dem nichtsozialistischen Ausland hielt der Markt dagegen zur Genüge bereit, hier lagen die Probleme anders. Die Filme der starken Produktionsländer Indien, Hongkong und Japan hielt die Fernsehführung ausschließlich für den asiatischen Markt geeignet, bei Filmen US-amerikanischer oder italienischer Herkunft hatten man dagegen ideologische Bedenken: Diese Länder produzierten der Programmdirektion zufolge »größtenteils Filme mit Themen, die menschenfeindlich sind (Horror, italo-western, Porno-Welle)«. Als Ausweg blieb nur, aufzukaufen, was die Sowjetunion an publikumswirksameren Filmen anbot (z. B. die Fernsehreihe Russischer Winter) und diese durch Produktionen aus bisher weniger bekannten Filmländern zu ergänzen (beispielsweise aus Südamerika oder Nordafrika). Hinzu kamen ›unverfänglichere‹ Produktionen kapitalistischer Länder, wie z. B. eine Staffel Filme mit Jean Marais oder mit Louis de Funès (Balduin-Reihe) aus Frankreich. Dieser Mix konnte die Zuschauerinteressen durchaus zufriedenstellen, trotzdem blieb auch in den nächsten Jahren die Forderung bestehen, im Montagabendangebot vermehrt auf die inhaltliche Qualität der ausländischen Filme zu achten, um die große und stabile Zuschauerschaft nicht zu enttäuschen. Im Anschluss an den Montagsfilm strahlte das Erste Schnitzlers Schwarzen Kanal aus, wobei den Programmplanern durchaus bewusst war, dass zu diesem Zeitpunkt die vorher hohen Zuschauerzahlen rapide absanken. Für einen Großteil des Publikums war der Fernsehabend mit dem Erklingen der Titelmusik des Schwarzen Kanals beendet. Im Volksmund entstand daraufhin der Witz zum angeblichen Begriff ›Schnitz‹: »Was ist ein Schnitz? Das ist die Zeiteinheit vom Auftau-

168

Vgl. hier und im Folgenden [Q] Programmdirektion 1971, Abschnitt: Der Filmeinkauf – der Montag-Abend-Film, S. 10a-10b.

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chen eines bestimmten Kopfes auf dem Bildschirm bis zum Ausschalten des Fernsehers.«169 Dienstag

Ganz anders sah die Situation am Dienstagabend aus, an dem seit 1973 verstärkt publizistische Sendungen ausgestrahlt wurden (1973 an 20 und 1974 an 25 Programmabenden), woraufhin die Einschaltquoten kontinuierlich sanken.170 Hierbei war nicht nur das negative Zuschauerurteil über das gezeigte Programm ausschlaggebend, sondern auch die westliche Konkurrenz, wie Schmotz nicht ohne Ironie feststellte. Die publizistischen Beiträge ständen dienstags und donnerstags gegen Unterhaltungssendungen im Westprogramm: »Dadurch wird die Entscheidungshilfe für unser Programmangebot nicht gerade gefördert.«171 Unter diesen Vorzeichen blieb den Programmplanern keine andere Wahl, als die journalistischen Beiträge auf diesem Sendeplatz zurückzufahren: 1975 wurde dort nur noch neun Mal und 1976 sieben Mal Publizistik ausgestrahlt. Mit Erfolg: Die Sehbeteiligung stieg 1975 auf 21,5 und 1976 auf 30,1 Prozent an, sie erreichte damit wieder Werte wie vor 1973.172 Aber die Konkurrenz des Westfernsehens blieb ein starker Faktor: Die ARD strahlte häufig Unterhaltung à la Klimbim oder Was bin ich? aus, im ZDF liefen Spiel- oder Fernsehfilme. Das Fernsehkomitee mahnte darum eindringlich, auf die »Schwächen« im eigenen Programm zu achten. Und eben solche fanden sich auch an den Abenden, an denen die Zuschauer von der Publizistik ›verschont‹ blieben. Am Dienstagabend Serien zu senden, schätzte Schmotz bereits 1974 aufgrund der eingeschränkten Auswahl der Produktionen, die zur Verfügung standen, als uneffektiv ein. Ab Mitte der 1970er Jahre prägten den Dienstagabend vorwiegend dramatische Eigenproduktionen und Spielfilme. Nach wie vor hatte ein ideologiehaltigeres Programm nur in Ausnahmefällen eine Chance. Es durfte nur sogenannte »Spitzenpublizistik« eingesetzt werden, welche realistische Lebensfragen aus außergewöhnlicher Sicht und mit aktuellem Bezug zu behandeln hatte. Mittwoch

Eine Chance, Informationssendungen auch außerhalb des ›Spitzenbereiches‹ unterzubringen, bot sich am Mittwochabend. Diese Entscheidung war ebenfalls eine Reaktion auf das westliche Fernsehprogramm, das aufgrund der zwischen ARD und ZDF vereinbarten ›Schutzzonen‹ an diesem Tag ausschließlich journalistische Sendungen ausstrahlte. Dies gestand Schmotz 1975 auch offen ein. Er verwies darauf, dass es für die DDR-Publizistik dienstags und donnerstags schwerer war, in der 169 170 171 172

Wolf 2000, S. 197. Vorher wurde zwischen 20:00 und 21:00 Uhr Unterhaltende Dramatik ausgestrahlt und erst ab 21:00 Uhr hatte die Publizistik einen festen Sendeplatz. [Q] Direktion für Programm- und Produktionsplanung 1974b, S. 6. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, Abschnitt: Zum Profil des I. und II. Programms, S. 6-8.

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Konkurrenz zum Westfernsehen zu bestehen als am Mittwoch. Dies hätte eine Auswertung von Daten zum Westempfang ergeben, die durch die Diskrepanz zwischen Angaben der Zuschauerforschung und von Zeit-Budget-Untersuchungen des Statistischen Zentralamtes ermittelt worden wären. Über mehrere Jahre sei beobachtet worden, dass mittwochs bessere Resonanzwerte erzielt wurden.173 Um die Zuschauer mit den DDR-Magazinen und Dokumentationen zu erreichen, wurden diese Sendungen mittwochs 20:00 Uhr im ersten Programm ausgestrahlt und nur in Ausnahmefällen durften herausragende publizistische Beiträge dienstags oder sonntags gezeigt werden: »Damit soll erreicht werden, daß unsere vertiefenden Sendungen bzw. besonders meinungsbildende Programmbeiträge nicht mehr unterhaltenden Sendungen im gegnerischen Fernsehen gegenüberstehen.« Aber auch dieses taktische Manöver ging nur bedingt auf. Mit dem vermehrten Einsatz publizistischer Sendungen (1975 waren es 19, 1976 insgesamt 31 Beiträge) sanken die Zuschauerzahlen rapide ab. Lag die Sehbeteiligung in den Jahren von 1968 bis 1974 zwischen 34 und 41 Prozent, erreichte sie 1976 mit 27,7 Prozent den niedrigsten Wert seit acht Jahren. An den Publizistik-Abenden waren es 1976 im Durchschnitt sogar nur 18,7 Prozent, drei Sendungen (Spanien nach Franco, Woher der Wind weht, Neun unter einem Hut) blieben sogar unter der Zehn-Prozent-Marke.174 Das Fernsehkomitee fällte dementsprechend 1977 ein geradezu vernichtendes Urteil über diesen Programmabend. Zwar erzielte das zweite Programm mit der Ausstrahlung von Serien eine überdurchschnittlich hohe Sehbeteiligung, die in einigen Fällen sogar über der Quote des Ersten lag. Allerdings erreichten beide Programme zusammen nicht mehr als 15 Prozent Sehbeteiligung, was als viel zu geringe Resonanz für zwei Sender kritisiert wurde. Da an diesem Tag nicht ausschließlich der ›Zuschauerdieb‹ aus dem Westen verantwortlich gemacht werden konnte, fielen die Schlussfolgerungen auf das eigene Programm zurück. Nur mit schlagkräftigeren journalistischen Beiträgen könnte es gelingen, das Publikum an das DDR-Programm zu binden. Donnerstag

Auch der Donnerstagabend ist ein gutes Beispiel dafür, dass das strategische Reagieren auf das bundesrepublikanische Fernsehen keine Erfolgsgarantie für die ostdeutschen Programmstrategen war. Als die Planer 1972 nach einem festen Sendeplatz für das innenpolitische Magazin Prisma suchten, wählten sie den Donnerstag in der Erwartung, hier weniger Gegenwind aus dem Westen zu bekommen: »Diese Sendungen, die bisher auf weniger günstigen Sendeplätzen rund 15 bis 25 % Sehbeteiligung erreichten, erhalten damit bessere Bedingungen für Massen-

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Hier und im Folgenden: [Q] Direktion für Programm- und Produktionsplanung 1975, S. 24 und 49. Hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, Abschnitt: Zum Profil des I. und II. Programms, S. 9-11.

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wirkung. Sie stehen gegen spezifische journalistische Sendungen des Gegners im ARD-Programm.«175 Diese Taktik ging nicht auf: Von 1970 bis 1972 waren am Donnerstagabend dramatische Sendungen und Serien ausgestrahlt worden, die durchschnittlich 35 Prozent der Zuschauer erreichten. Seit 1973 belegte Prisma den Sendeplatz um 20:00 Uhr, ab 1975 abwechselnd mit dem außenpolitischen Magazin Objektiv. Die Sehbeteiligung verringerte sich daraufhin um die Hälfte und der Donnerstag wurde zum resonanzschwächsten Abend der Woche.176 Nach 1972 beklagten die Programmplaner dementsprechend regelmäßig die Schwierigkeiten des Wochentages, die auch daraus resultierten, dass das zweite DDR-Programm an diesem Abend ›unter Ausschluss der Öffentlichkeit‹ Für Freunde der russischen Sprache177 sendete. Schmotz resignierte geradezu vor der Situation, in der das aus politischen Gründen eingesetzte Programm die fehlende Kontrastierung der DDR-Sender nach sich zog, was wiederum zu einer »ständigen und berechtigten Zuschauerkritik« führte. Schmotz blieb nur zu mahnen, dass dies »das Umschalten zum feindlichen Fernsehen« begünstigte.178 Die ostdeutschen Magazine mussten demzufolge auch an diesem Tag ›Spitzenleistungen‹ erbringen, denn die Maßstäbe setzte offensichtlich der ›Feind‹. Zwar strahlte die ARD wie oben dargestellt donnerstags Publizistik aus; das ZDF sendete allerdings ab 19:30 Uhr ›große Unterhaltung‹, »deren Massenwirksamkeit es anraten läßt, unbedingt unserem Donnerstag-Profil große Aufmerksamkeit zu schenken.«179 Spätestens in der frühen »Zweitachse« ab 20:30 Uhr wurde darum auch wieder ein entspannendes Programm eingefordert, um das (verbliebene) Publikum bei der Stange zu halten. Der Einsatz bewährter Unterhaltung würde demnach, »die Einwirkung der gegnerischen Unterhaltungssendungen« einschränken und »die gegnerische Sendeachse« um 21:00 Uhr, in der die ARD einen Krimi startete, »durch unsere Unterhaltungssendungen gebrochen«.180 Auch fünf Jahre später rechtfertigte man die Unterhaltungssendungen der Zweitachse und zeigte großes Verständnis für das Publikum, dem man zuvor die Sendungen der Publizistik ›zugemutet‹ hatte: »Das ohnehin große Bedürfnis der Fernsehzuschauer nach Unterhaltung und Entspannung dürfte donnerstags zu dieser Sendezeit besonders stark sein. Denjenigen Zuschauern, die unser I. Programm ab 19.00 Uhr verfolgen, wurde um 20.30 Uhr bereits 1 ½ Stunde mehr oder weniger intensive Aufmerksamkeit (an einem Werktag!) abverlangt mit Sendun-

175 176 177 178 179 180

[Q] Programmdirektion 1972, S. 9. Vgl. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, Abschnitt: Zum Profil des I. und II. Programms. Zu dieser Sendereihe vgl. ausführlicher Vollberg 2002, S. 173, 176 sowie Vollberg 2004, S. 88-89, 103. [Q] Direktion für Programm- und Produktionsplanung 1974b, S. 5. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, Abschnitt: Zum Profil des I. und II. Programms, S. 13. [Q] Programmdirektion 1972, S. 9.

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gen der 19.00-Uhr-Achse: ›VERKEHRSMAGAZIN‹, ›PROF. KAUL‹, ›ELTERNSPRECHSTUNDE‹, ›BILDUNGSFERNSEHEN‹, danach AKTUELLE KAMERA und Publizistik. Es ist zu überlegen, wie dem legitimen Bedürfnis der Zuschauer nach Unterhaltung und Entspannung mit einem entsprechenden Programm nachzukommen wäre.«181 Importierte Filme, dramatische Eigenproduktionen und Unterhaltungssendungen setzten diese Forderung auch zukünftig um. 5.4.2 D AS P ROGRAMM AM W OCHENENDE – F REITAG BIS S ONNTAG Freitag

Mit dem Freitagabend begann das Wochenendprogramm und damit die drei wichtigsten Programmabende der Sendewoche, die eine hohe Zahl von potentiellen Zuschauern versprachen. Bereits 1970 wurde die Programmplanung darum beauftragt zu prüfen, ob Freitagabend 20:00 Uhr nicht ein günstiger Sendeplatz für eine feste Publizistikschiene wäre. Die Programmdirektion analysierte mehrere Varianten und kam zu dem Ergebnis, dass »eine generelle Publizistik-Achse […] wenig populär«182 bei den Zuschauern wäre. Selbst eine (nicht immer zu gewährleistende) »Auslandspublizistik mit großem Erlebniswert« würde nur geschätzte 30 Prozent der Zuschauer erreichen, bei »DDR-Publizistik (Spitze!)« wäre gar nur mit 15-20 Prozent zu rechnen. Wen die verbleibenden Zuschauer einschalteten, darüber war die Programmplanung bestens im Bilde: Das ZDF erreichte freitags um 20:15 Uhr mit der Krimi-Serie (Der Kommissar, XY – unbekannt) im Osten eine durchschnittliche Sehbeteiligung von 70 Prozent. Vor dem Hintergrund dieser starken Konkurrenz riet die Programmdirektion dazu, die bis dahin im ersten Programm ausgestrahlte Naturserie und den anschließenden Spielfilm beizubehalten. Diese konnten immerhin knapp 30 Prozent der Zuschauer binden – wären stattdessen publizistische Beiträge gesendet worden, hätten noch mehr Zuschauer auf den Westen umgeschaltet. Nach dem VIII. Parteitag der SED wurde allerdings erneut beklagt, dass das wichtige Wochenendprogramm nicht den Erwartungen der Zuschauer entspräche: »Hier sind die Zahlen der potentiellen Zuschauer am höchsten, hier ist aber auch die Differenz zwischen potentiellen und tatsächlichen Zuschauerzahlen am größten.«183 Daraus konnte es nur eine Schlussfolgerung geben: »Im Rahmen der Grundaufgabe, unter allen Umständen das I. Programm für Millionen Zuschauer anziehender zu machen, hat die massenwirksamere Gestaltung der Hauptprogramme am Freitag, Sonnabend und Sonntag erstrangige Bedeutung.« Für den Freitagabend bedeutete dies – unter Berücksichtigung der nach wie vor starken westlichen Konkurrenz – noch mehr Unterhaltsa181 182 183

[Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, Abschnitt: Zum Profil des I. und II. Programms, S. 13-14, Hervorhebung im Original. Hier und im Folgenden: Programmdirektion, Programmplanung 1970, S. 5. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1971, S. 3-16.

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mes im Programm. Die Naturserie, die in ihrer Resonanz nachgelassen hatte, wurde durch eine rotierende Ausstrahlung von Teletoto, Rumpelkammer und neuen Quizformaten ersetzt. Auch mit der eher beliebigen Spielfilmausstrahlung war man nicht mehr zufrieden und bediente sich dafür im zweiten Programm: Die dort erfolgreiche Filmothek der ›besonderen Filme‹ wurde ins Erste verschoben und auch mit ›kapitalistischen‹ Importen befüllt: 1972 wurden Filme wie Die nackte Insel (Japan) und Ein Hauch Glückseligkeit (England) ausgestrahlt. Ab 1973 wurden auf diesem Sendeplatz zudem häufiger Serien aus dem eigenen Land oder den sozialistischen ›Bruderländern‹ gesendet. Mit dieser Unterhaltungsorientierung hatten die Programmplaner durchaus Erfolg: Rückblickend wurde 1977 die Ausstrahlung von importierten Serien und Spielfilmen sowie Eigenproduktionen wie Die Lindstedts gelobt. Die 20:00-Uhr-Achse hatte mit 10 Prozent mehr Zuschauern den größten Resonanzzuwachs gegenüber dem Vorjahr erzielt und wurde von den Zuschauern als das beste Programm der Woche eingeschätzt. Publikumsmagneten waren dabei die Importserien mit Werten um die 50 Prozent Sehbeteiligung, z. B. 1976 für Geheimnisse des Meeres von Jacques Cousteau oder die tschechoslowakische Krimiserie Zeman.184 Unter diesen Umständen konnten die Programmplaner in der Zweitachse wieder mit Publizistik aufwarten, verbanden dies allerdings mit der Forderung, dass sie massenwirksam zu sein hätte. Unter »Berücksichtigung der Programmgestaltung des Gegners« ergab sich demnach 21:00 Uhr eine günstige Möglichkeit für den Einsatz kulturpolitischer Magazinbeiträge und Wissenschaftsreportagen sowie anderer betont unterhaltsamer journalistischer Sendungen.185 Ab 21:30 Uhr sollte der Fernsehabend im ersten Programm mit vorwiegend heiteren und besinnlichen Spielfilmen ausklingen. Die positive Bewertung des Programmabends durch die Zuschauer stimmte die Fernsehführung auch in Bezug auf die folgenden Abende hoffnungsvoll: »Das Niveau des Freitagabendprogramms – als erster Abend des Wochenendes – könnte vielleicht dazu beitragen, unsere Zuschauer für die folgenden Sendungen des Wochenendes für unsere Sender zu gewinnen.«186 Samstag

Zumindest für den Folgeabend traf die vorsichtig optimistische Prognose zu – der Samstagabend gehörte meist der großen Fernsehshow und bescherte dem Fernsehen stabile Zuschauerzahlen (mit Werten um die 40 Prozent Sehbeteiligung). Spitzenreiter war dabei eine Sendung, die nach dem VIII. Parteitag ins Programm genommen wurde: Ein Kessel Buntes erreichte durchschnittlich mehr als 60 Prozent der Zuschauer. 184 185 186

Vgl. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, Abschnitt: Zum Profil des I. und II. Programms, S. 16. [Q] Programmdirektion 1972, S. 10. Hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, S. 1718, Hervorhebungen im Original.

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Nachdem die Sendung etabliert wurde, war die Programmdirektion daher auch in Bezug auf die westliche Konkurrenz optimistisch eingestellt: »Der Einfluß des gegnerischen Programms am Sonnabend kann durch qualitativ gute Leistungen mit dem Gesamtprogrammensemble in starkem Maße zurückgedrängt werden.«187 Neben dem ›Kessel‹ brachten in den folgenden Jahren vor allem die Unterhaltungsreihen Da liegt Musike drin, Die goldene Note, Mit Lutz und Liebe und Klock 8, achtern Strom dem DDR-Fernsehen hohe Zuschauerzahlen.188 Trotz der anhaltend positiven Resonanz für die genannten Sendungen war das Resümee der Fernsehführung im Jahr 1977 weniger euphorisch, ging sie doch davon aus, dass der Samstagabend im Sommer und Winter die größte potentielle Sehbeteiligung (ca. 91-94 Prozent) hatte. Die höchsten tatsächlich ermittelten Werte lagen aber 1976 zwischen 60 und 70 Prozent, was nur eine Schlussfolgerung zuließ: Auch an diesem Wochentag schalteten viele Zuschauer das ›feindliche‹ Programm ein, besonders wenn sie mit den eigenen Sendungen unzufrieden waren und im Westen Attraktiveres lockte: »Das ›Umschalten‹ wird unseren Zuschauern bei schwachen Programmen doppelt leicht gemacht, da ARD entweder ›große‹ Unterhaltung oder Spielfilme bringt, ZDF (alternierend) ebenfalls!« Sonntag

In der Wertigkeit der drei Wochenendtage wurde der Sonntagabend (bzw. der Abend eines Feiertages) als der wichtigste angesehen: »Die Sonntage beeinflussen nicht nur allgemein die Stimmung von Millionen im Hinblick auf die neue Arbeitswoche; über die Mundpropaganda am Montagmorgen bildet sich auch vor allem vom Sonntagsprogramm her die Meinung über die Gesamtqualität des Fernsehprogramms.«189 Mit diesem Abend war das Fernsehkomitee bereits 1971 unzufrieden gewesen und hatte »eine radikale Änderung« hin zu mehr Unterhaltung gefordert. Auf dem ›Wunschzettel‹ der Fernsehführung standen dabei »Hauptwerke der Dramatischen Kunst mit größter Massenwirkung, […] Kriminalprogramme mit sozialistischem Charakter, […] Spielfilme mit hohem Wert […] und […] künstlerische Attraktionen«. Das Fernsehen setzte diese Forderungen in den folgenden Jahren um und präsentierte ein gemischtes Programm mit der Grundtendenz »Unterhaltung, Spannung, Heiterkeit«190 – sprich fernsehdramatische Eigenproduktionen wie Polizeiruf, heitere Dramatik, Unterhaltungssendungen (z. B. Schätzen Sie mal), Spielfilme und einzelne Werke der Gegenwartsdramatik. Die besten Zuschauerresonanzen fanden die Kriminalfolgen sowie einzelne Schwänke und auch insgesamt hatte der Sonntagabend relativ stabile Einschaltquoten im Bereich von ca. 35 Prozent 187 188 189 190

[Q] Programmdirektion 1972, S. 11. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, S. 18-20. Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1971, S. 5. Hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, S. 2022.

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Sehbeteiligung (und lag damit gleichauf mit den Durchschnittswerten der gesamten Woche). Ein anderes Programm, z. B. publizistische Sendungen am wichtigsten Wochentag, wäre aus ideologischer Sicht wünschenswert gewesen – angesichts der feindlichen Konkurrenz wie dem ARD-Tatort aber offensichtlich undenkbar. Die zwei publizistischen Beiträge, die 1976 auf diesem Sendeplatz ausgestrahlt wurden, erreichten unbefriedigende (Eine Minute Dunkel macht uns nicht blind mit 13,2 Prozent Sehbeteiligung) bzw. ernüchternde Ergebnisse (Auf Leninschem Kurs mit 6,8 Prozent). Die Fernsehführung wusste, dass die Zuschauer an diesem Abend Unterhaltsames sehen wollten – und das DDR-Fernsehen musste diesem Wunsch nachkommen, wollte es in der Konkurrenz bestehen. Diese Erkenntnis hatte im Laufe der 1970er Jahren an Bedeutung gewonnen. Wurde noch 1970 vehement gefordert, die Rolle der Fernsehpublizistik im Programm zu stärken – auch mit der Begründung, dass ARD und ZDF ihre politische Publizistik ausbauen würden191 – war die Haltung der Programmplaner gegenüber den journalistischen Sendungen bis 1977 wesentlich differenzierter geworden. Zwar hatte sich der Publizistik-Anteil im ersten Programm nicht wesentlich verändert,192 aber offensichtlich hatte sich ihr Stellenwert gewandelt. Was man 1970 noch beim ›Gegner‹ beobachtet hatte, nämlich dass ARD und ZDF angeblich »die journalistischen Hauptsendungen bewusst und attraktiv verpackt zu den sehergünstigsten Zeiten ein[setzten; C. D.] und […] in der Programmkonzeption der Politik das Primat«193 gäben – wurde in der eigenen Programmplanung nicht mehr umgesetzt. In den Programmzeiten mit der höchsten Zuschauerresonanz, wie an den Wochenendabenden, war die Publizistik jetzt seltener vertreten. Vielmehr wurde nun die »Erwartung nach Unterhaltung und Entspannung in guter Qualität« als »allgemeine gesellschaftliche Funktion des Fernsehens« bezeichnet, welche »am Wochenende besonders stark ausgeprägt« wäre.194 Die Führungsriege des DDR-Fernsehens hatte die Erfüllung der Zuschauerbedürfnisse in ihr politisch-ideologisches Selbstbild integriert, was auch aus der besonderen Konkurrenzsituation zum Fernsehen der Bundesrepublik resultierte.

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192 193 194

Vgl. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1970a, S. 2-3. Die ostdeutsche Fernsehführung ging davon aus, dass ARD und ZDF ihre politisch-publizistischen Sendungen seit 1962 von 485 auf 970 Minuten pro Woche verdoppelt hätten. Vgl. für die Jahre bis 1974 die Spartenprofile im I. und II. Programm in Schubert/Stiehler 2002, S. 39. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1970a, S. 2. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1977, S. 19.

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6 Unterhaltung als Alternative. Das DDR-Fernsehen 1980 bis 1989 Drohte Anfang der 1980er Jahre im Ost-West-Konflikt noch ein Wiederaufleben des Kalten Krieges, so setzten die Supermächte USA und Sowjetunion spätestens nach dem Amtsantritt Michail Gorbatschows 1985 auf eine Politik des Dialogs. Auch in den innerdeutschen Beziehungen war die frostige Atmosphäre vom Anfang des Jahrzehnts nicht von Dauer, sondern wich der nüchternen Realität bilateraler Beziehungen: Die Bundesrepublik gewährte der DDR wirtschaftliche Hilfe, die den ökonomischen Kollaps vorläufig verhinderte. Im Gegenzug machte die SED Zugeständnisse in humanitären Fragen. Gleichzeitig setzte sie aber auf einen strikten Abgrenzungskurs gegenüber den Reformen in der Sowjetunion sowie auf Repressionen gegen Dissidenten und Abweichler im eigenen Land. Letztendlich blieben die Maßnahmen erfolglos: Ausreisebewegung, Montagsdemonstrationen, Mauerfall sowie Entmachtung der SED und ihres Medienmonopols besiegelten im Wendeherbst 1989 das Ende der DDR (Kapitel 6.1). Das DDR-Fernsehen war zu Beginn des Jahrzehnts geprägt von politischen und wirtschaftlichen Zwängen, Zuschauerverlusten und der Unzufriedenheit des Publikums mit dem eigenen Fernsehangebot, besonders dem zweiten Programm. Gleichzeitig verschärfte sich die Konkurrenzsituation mit dem bundesdeutschen Fernsehen noch einmal: Angesichts der bevorstehenden Einführung eines dualen Rundfunksystems mit zusätzlichen privaten Fernsehanbietern versuchten sich ARD und ZDF den Zuschauern mit attraktiven Programmen zu empfehlen. Mit der Einführung der »alternativen Programmstruktur« wollte das DDRFernsehen 1982/83 seine Akzeptanz beim Publikum steigern, ohne sich tatsächlich mit den veränderten Wettbewerbsbedingungen auseinandersetzen zu können. Die alternative Programmgestaltung blieb bis zum Umbruch 1989 das Konzept, mit dem es sich als massenwirksames und volksverbundenes Fernsehen zu profilieren suchte, wobei der politische Erwartungsdruck und die straffe Lenkung des Fernsehens durch die Parteiführung stärker waren als je zuvor (Kapitel 6.2). Die Fernsehführung war in den 1980er Jahren bestens über die Etablierung des dualen Rundfunksystems in der Bundesrepublik informiert: Erkenntnisse, mit immensem Aufwand von der Staatssicherheit zusammengetragen, wurden dem Fernsehkomitee durch die Abteilung Agitation zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug lieferte die Fernsehführung Informationen, über die sie aufgrund der verstärkten Kooperation mit ARD und ZDF verfügte. Dabei wurde ein Feindbild gepflegt und kanonisiert, das nach wie vor von größtem Misstrauen gegenüber der 343

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unterstellten ideologischen Diversion der westdeutschen Medien geprägt war. Die eruierten Pläne des Westfernsehens fanden allerdings zunehmend weniger Eingang in den Diskurs der Fernsehführung bzw. wurden in einer neuen Form von ›Sprachlosigkeit‹ nicht mehr kommuniziert. Die wirtschaftliche Schwäche des DDR-Fernsehens setzte dem ersehnten Gleichziehen mit den Konkurrenten immer deutlichere Grenzen – wie im Bereich der Satellitentechnik – und dieses Manko wurde nur noch punktuell thematisiert (Kapitel 6.3). Ohne eine echte Strategie im Konkurrenzkampf entwickeln zu können, versuchte das Fernsehen mit vorwiegend internationalen Filmen, Serien, Shows und den beliebten Ratgebersendungen auf den besten Sendeplätzen gegen die westlichen Sender und ihr verstärktes Unterhaltungsprofil anzukommen. Die Besetzung der Programmabende im Wochenverlauf orientierte sich dabei weniger als im vorangegangenen Jahrzehnt am Programm von ARD und ZDF, deutlich wurde aber eine nochmalige Aufwertung der Unterhaltung gegenüber der (politischen) Publizistik. Die Fernsehführung gestand sich das Sehverhalten ihres Publikums, das zwischen westlichen und östlichen Angeboten hin- und herwechselte, offen ein und war vor allem bemüht, diesen Status quo zu halten und nicht noch mehr Zuschauer zu verlieren (Kapitel 6.4).

6.1 Außenpolitik der DDR in den 1980er Jahren und die Krise im Inneren Eine Deutschlandpolitik der SED gab es im hier betrachteten Jahrzehnt nicht mehr, sie war offiziell zur Außenpolitik der DDR gegenüber der Bundesrepublik und Westberlin geworden. Aber dies ist nicht der Grund, warum das vorliegende Kapitel nicht allein auf das deutschdeutsche Verhältnis fokussiert, sondern die DDR-Politik in Richtung Ost und West darzustellen versucht. Dies liegt vielmehr im spezifischen Agieren der ostdeutschen Führung in den 1980er Jahren begründet, welche sich gegenüber der Bundesrepublik in eingefahrenen Bahnen zwischen Normalisierungsbestreben und Abgrenzung bewegte, ab Mitte des Jahrzehnts aber zusätzlich einen Abgrenzungskurs gegenüber der Sowjetunion ansteuerte. Diese Koordinaten der SED-Politik bildeten den zeithistorischen Rahmen für den propagandistischen Auftrag an das Fernsehen und damit für das Selbstbild der Fernsehakteure. Gleichzeitig wird auf die Krisenerscheinungen und das Ende der DDR eingegangen, wobei Klarheit darüber herrscht, dass beide Phänomene erst im Nachhinein fassbar waren. Die politischen Akteure (und die Menschen insgesamt) handelten und lebten in einer politischen Realität, die in keiner Weise eine plötzliche Implosion der Sowjetunion, einen raschen Fall der Mauer und das schnelle Ende der DDR implizierte. Die Wissenschaft darf darum aus dem heutigen Kenntnisstand heraus keine Messlatte anlegen, die frei nach dem Motto ›wenn man vom Rathaus kommt, ist man klüger‹ urteilt.

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Zu Beginn dieses Jahrzehnts befanden sich Ost und West im sogenannten »Zweiten Kalten Krieg«1: Zwischen den Machtblöcken waren neue Feindseligkeiten ausgebrochen, die zu einem Rüstungskreislauf führten und bei den Menschen in Europa die Angst vor einem Atomkrieg wachsen ließ. Im Zuge dieser konfrontativen Zuspitzung nahm die Abhängigkeit der DDR von der Sowjetunion sogar noch zu. Die ostdeutsche Außenpolitik war den strategischen Zielen der Sowjetunion untergeordnet; Verträge und Gesetze (u. a. das Grundgesetz der DDR) regelten das Verhältnis zwischen beiden Staaten. Ost-Berlin schien unauflöslich an die Brudermacht und die Parteiführung in Moskau gebunden zu sein; enge ökonomische Beziehungen, die Präsenz sowjetischer Streitkräfte in der DDR und die nach wie vor geltende Breschnewdoktrin schienen dies festzuschreiben.2 Die Teilung Europas, die nach sowjetischer und ostdeutscher Interpretation das ewige Ergebnis der Nachkriegsordnung symbolisierte, stand nicht zur Debatte. Die deutsch-deutschen Beziehungen selbst waren im ersten Jahr des Dezenniums spannungsgeladen: Während die Bundesregierung unter Schmidt und Genscher, die das Wahlergebnis vom Oktober 1980 in ihrer Politik und in ihrem Handlungsspielraum bestärkt hatte, weiter auf eine Normalisierung der Beziehungen setzte, riskierte Honecker die Verschlechterung der bestehenden Kontakte. Eine drastische Erhöhung der Mindestumtauschsätze am 9. Oktober 1980 kam einem Affront gleich, der vier Tage später durch die »Geraer Forderungen« Honeckers noch untermauert wurde: Der Generalsekretär verlangte vor Parteifunktionären in Gera, die Bundesrepublik sollte die DDR-Staatsbürgerschaft anerkennen, die »Zentrale Erfassungsstelle« in Salzgitter auflösen, die Ständigen Vertretungen in Botschaften umwandeln sowie den Grenzverlauf der Elbe neu regeln.3 Diese, in den nächsten Jahren monoton wiederholten, Ansprüche Honeckers standen ganz im Zeichen der Abgrenzungs- und Anerkennungsbemühungen der DDR. Sie sollten der ostdeutschen Interpretation der deutsch-deutschen Beziehungen als Verbindungen zweier deutscher Staaten, die füreinander Ausland waren, zu völkerrechtlichem Status verhelfen. Internationale Faktoren der Ost-West-Spannungen und der Wandlungsprozess in Polen verstärkten diese Abgrenzungspolitik noch. Es wird aber auch konstatiert, dass Honecker die Bundesrepublik absichtlich brüskiert hat, um bei den sowjetischen Bündnispartnern Befürchtungen über einen zu engen Kontakt beider deutscher Länder zu zerstreuen. Demzufolge war Honecker seit April 1980 unter sowjetischer Beobachtung und besorgt um sein politisches Schicksal, schließlich hatte er selbst zehn Jahre zuvor seinen Vorgänger Ulbricht bei Breschnew wegen seiner unkalkulierbaren Deutschlandpolitik ›angeschwärzt‹ und damit seine Ablösung vorbereitet.4 Auch die Angst vor Bespitzelung durch die eigenen Genossen, eine mögliche Hintertrei-

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Potthoff 1999, S. 203. Vgl. ausführlicher Wagensohn 2000. Als Kurzdarstellung vgl. Below 1997. Zu Argumenten für diese These vgl. Mählert 2004 und Potthoff 1999.

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bung bei der KPdSU-Führung sowie die Hardliner in den eigenen Reihen trugen zu einem Konfrontationskurs gegenüber der Bundesrepublik bei: »Alles zusammengenommen, Raketen, Moskau, Stasi, Apparat, Polen und eigene Ängste, stimmten den politischen Grundtenor jedenfalls zuerst einmal auf Abschottung und Abgrenzung.«5 Die Geraer Rede war aber auch in anderer Beziehung eine »Pflichtübung«6: Honecker musste wissen, dass die Bundesregierung diese Forderungen politisch nicht durchsetzen konnte, selbst wenn sie gewollt hätte. Sie erklärte sich in der Folgezeit nur bereit, die Staatsbürgerschaft zu »respektieren«, die anderen Punkte waren nicht verhandelbar. Trotzdem sandte die Bundesregierung im folgenden Jahr Signale für eine Wiederannäherung. Diese Politik gipfelte im Dezember 1981 im Besuch Schmidts am ostdeutschen Werbellinsee. Die ostdeutsche Seite wertete diesen deutsch-deutschen Gipfel als großen Erfolg der Außen- und Sicherheitspolitik, der insgesamt die Staatlichkeit der DDR aufgewertet hätte. Tatsächlich blieben die Ergebnisse des Treffens mager. Das gemeinsame Kommuniqué schrieb einen Minimalkonsens beider Regierungen fest, vor allem aber wurde demonstriert, dass sich die zwei deutschen Staaten um einen Abbau der Spannungen in Europa bemühten. Das Hauptinteresse der Bundesrepublik bestand Potthoff zufolge darin, das politische Klima zwischen beiden Ländern aufzuwärmen, um den Weg für substanziellere Verbesserungen frei zu machen.7 Allerdings lagen auf dem Treffen auch dunkle Schatten: Zum einen wurde gleichzeitig in Polen das Kriegsrecht verhängt, was zu schweren Repressionen und Massenverhaftungen unter General Wojciech Witold Jaruzelski führte. Die Dramatik der Ereignisse drängte den Besuch fast in den Hintergrund. Zum anderen unterband die DDR etwaige Sympathiebekundungen für Schmidt mit immensem Aufwand – ein zweites Erfurt durfte es 1981 nicht geben. Die geradezu gespenstische Atmosphäre beim Besuch Schmidts in Güstrow zeigte den Fernsehzuschauern in Ost und West unfreiwillig die repressive Seite des Systems: Knapp 40.000 Mitarbeiter der Staatssicherheit und des Innenministeriums sicherten die Straßen und verhinderten somit spontane Reaktionen. Der Regierungswechsel in der Bundesrepublik 1982 führte zu keinen wesentlichen Umbrüchen oder Erneuerungen in der Deutschlandpolitik des Westens. Auch der neue Bundeskanzler Helmut Kohl sah es als wichtigste Ziele an, die Folgen der Teilung besonders für die Ostdeutschen erträglicher zu machen sowie im Westen das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit nicht weiter schwinden zu lassen. Ob in seiner Amtszeit vor 1989 die Perspektive einer möglichen Wiedervereinigung stärker betont wurde als in der Vorgängerregierung unter Schmidt, wird in der Forschung unterschiedlich beurteilt: Einige Historiker gehen davon aus, dass die schwarz-gelbe Koalition unter Kohl ein Offenhalten der Deutschen Frage sowie die Unvereinbarkeit der politi-

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Potthoff 1999, S. 177. Maibaum 1998, S. 91. Vgl. Potthoff 1999, S. 193.

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schen und sozialen Systeme deutlicher als zuvor kommunizierte.8 Andere werten dies als Mythen um den späteren »Vereinigungskanzler« und konstatieren, dass dieser den Begriff »Wiedervereinigung« in seiner Kanzlerschaft mied und ihn erst mit dem Mauerfall im Kontext des Weges zur Deutschen Einheit gebrauchte.9 Für die SED änderte sich unter der neuen Führung in der Bundesrepublik tatsächlich wenig. In einer Art von »Nebenaußenpolitik« hatten die Parteien CDU und CSU der ostdeutschen Parteispitze schon vorab signalisiert, dass sie nach einem Wechsel für die Berechenbarkeit der deutsch-deutschen Beziehungen und konstruktive Politik gegenüber der DDR einstehen würden. Die zwischenstaatlichen Kontakte erfuhren in der Folgezeit sogar einen Aufschwung und Honecker wurde zum umworbenen Gesprächspartner aller westdeutschen Parteien. Nakath bekräftigt, dass auch die SED an einer Kontinuität in der Deutschlandpolitik interessiert war, worunter sie vor allem eine Fortführung der offiziellen politischen Beziehungen verstand.10 Zu einem ersten Spitzengespräch zwischen Bundespräsident Karl Carstens, Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Honecker kam es bereits anlässlich der Trauerzeremonie für Generalsekretär Breschnew am 14. November 1982. Die SED setzte aber zunehmend auch auf persönliche Kontakte von Politbüromitgliedern zu bundesdeutschen Politikern sowie auf informelle Dialogkanäle zu Parteigrößen und Wirtschaftsvertretern. Gerade die innerdeutschen Wirtschaftsbeziehungen wurden für die DDR-Führung in den folgenden Jahren immens wichtig. Honeckers Subventionspolitik, mit der seit 1971 versucht wurde den Lebensstandard in der DDR anzuheben, hatte nach zehn Jahren zu großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten geführt. Ökonomisch stand die DDR bereits zu diesem Zeitpunkt am Rande des Zusammenbruchs.11 Als die Sowjetunion 1981 ankündigte, die jährlichen Eröllieferungen von 19 auf 17 Millionen Tonnen zu reduzieren, verschärfte sich die Situation zusätzlich. Der Staat war im westlichen Ausland bereits hoch verschuldet und Ressourcen für eine Modernisierung der DDR-Wirtschaft fehlten gänzlich, für die SED hatte gewissermaßen der »Überlebenskampf«12 begonnen. In dieser Situation ließ sich die DDR-Führung auf einen ›Tauschhandel‹ in Form von Zugeständnissen in humanitären Fragen gegen wirtschaftliche Hilfe ein, die die deutsch-deutschen Beziehungen bis zur Wiedervereinigung charakterisieren sollten. Ein Milliardenkredit bundesdeutscher Banken, vermittelt zwischen Franz Josef Strauß und Alexander Schalck-Golodkowski, trug im Sommer 1983 erheblich zur ökonomischen Stabilisierung der DDR bei. Ein Jahr später folgte ein zweites Darlehen über 950 Millionen DM. Die Kredite waren zwar

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Vgl. Schroeder/Alisch 1998, S. 267; Schöllgen 1999, S. 166; Grünbaum 1999, S. 19; Kuppe 1999, S. 265 sowie Glaab 1999, S. 247. 9 Vgl. Potthoff 1999, S. 205 und Rode 1996, S. 97. 10 Vgl. Nakath 1997, S. 316. 11 Vgl. Mählert 2004, S. 134; Wolle 1998, S. 203 sowie Oldenburg 1994, S. 15. 12 Schroeder/Alisch 1998, S. 255.

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selbst nicht an einzelne Forderungen gebunden, die DDR zeigte sich daraufhin aber in wichtigen Fragen kooperativ: Grenz- und Transitverkehr gingen zukünftig unkomplizierter vonstatten, der Mindestumtauschsatz für DDR-Besucher wurde gesenkt, Häftlingsfreikäufe und genehmigte Ausreisen von DDR-Bürgern nahmen zu. Für die Rentnerreisen von Ostdeutschen wurde die Aufenthaltsdauer verlängert. Die wichtigste Gegenleistung war der Abbau der Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze, zu der sich die DDR aber bereits 1981 im Rahmen einer UN-Konvention verpflichtet hatte. Die Zugeständnisse endeten allerdings beim Schießbefehl. Für Honecker stand er nicht zur Debatte: Die Humanisierung des ostdeutschen Systems im Tausch gegen Finanzhilfen hatte ihre Grenzen, wo »die Insignien der Souveränität und das Herrschaftsmonopol tangiert wurden«13. Hierzu gehörte auch, dass die von Honecker als innerdeutsche »Koalition der Vernunft« bezeichnete Kooperationspolitik von einem harten innenpolitischen Abgrenzungskurs begleitet wurde. Die Ereignisse in Polen hatten der ostdeutschen Parteiführung gezeigt, dass eine Oppositionsbewegung, in diesem Fall die freie Gewerkschaft SolidarnoĞü, die führende Rolle der Staatspartei in Frage stellen konnte. Um zu verhindern, dass der polnische Funke in der DDR zündete, wurde der visafreie Reiseverkehr nach Polen eingestellt. Gleichzeitig versuchte die SED in altbewährter Manier die eigene Partei, die Massenorganisationen und Blockparteien institutionell zu festigen und für die anstehenden Aufgaben zu mobilisieren. Die politische Propagandaarbeit wurde verstärkt und der Überwachungsstaat weiter ausgebaut. Oppositionelle Gruppen in der DDR, die häufig im kirchlichen Umfeld entstanden waren, wurden unterdrückt und – im Jargon der Staatssicherheit – ›Zersetzungsmethoden zugeführt‹.14 Den deutsch-deutschen Beziehungen tat dies keinen Abbruch: Am 13. Februar 1984 trafen Kohl und Honecker anlässlich der Trauerfeier für den Generalsekretär der KPdSU, Juri Andropow, erstmals persönlich zusammen. Diese Form von »Beerdigungsdiplomatie« hatte in den 1980er Jahren Konjunktur, allein drei Parteichefs der Sowjetunion wurden zwischen 1982 und 1985 zu Grabe getragen.15 Im Jahr 1984 wuchs sowohl in der Sowjetunion als auch in den USA das Befremden über die Annäherung beider deutscher Staaten. Die amerikanische Regierung befürchtete, die Bundesrepublik könnte sich zugunsten der deutsch-deutschen Beziehungen aus der atlantischen Partnerschaft zurückziehen und in der amerikanischen Presse wurde sogar über Geheimverhandlungen zwischen der BRD und der DDR spekuliert. Die Bundesregierung fühlte sich genötigt, am 25. Juli eine

13 Potthoff 1999, S. 222. Erst im April 1989 wurde der Schießbefehl schließlich außer Kraft gesetzt. 14 Zu »Maßnahmen der Zersetzung« vgl. Raschka 2001, S. 25-30. Zur Opposition im Umfeld der Kirche und zur Friedensbewegung vgl. Wolle 1998, S. 254271 sowie ausführlich anhand von Quellentexten Meckel/Gutzeit 1994. 15 1982 starb Leonid Breschnew, 1984 Juri Andropow und 1985 Konstantin Tschernenko.

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Erklärung abzugeben, dass beide Teile Deutschlands keine Sonderwege einschlagen wollten und weiterhin an den eingegangenen Bündnissen im Ost- bzw. westlichen Block festhalten würden. Daraufhin entrüstete sich aber die sowjetische Presse, wie die westdeutsche Regierung dazu käme, für die DDR zu sprechen und sich in deren innere Angelegenheiten einzumischen. Als Honecker im August 1984 Moskau besuchte, machte ihm der neue Generalsekretär Konstantin Tschernenko unmissverständlich klar, dass die sowjetische Führung die »finanziellen Kopplungsgeschäfte der DDR mit Bonn«16 entschieden ablehnte. Honecker musste daraufhin seinen geplanten Besuch in der Bundesrepublik absagen.17 Allerdings währte auch Tschernenkos Amtszeit nur kurz. Bereits das folgende Jahr 1985 brachte eine deutliche Entkrampfung der internationalen Beziehungen: Der Amtsantritt Michail Gorbatschows läutete den beginnenden Frühling in den Ost-West-Beziehungen ein. Ein erstes Gipfeltreffen zwischen Gorbatschow und Ronald Reagan im November 1985 zeigte, dass die beiden Supermächte auf eine umfassende Dialogpolitik setzten. Die deutsche Zweistaatlichkeit war für Gorbatschow zu diesem Zeitpunkt allerdings noch kein Thema. Sein Blick richtete sich vielmehr nach innen, ihm war bewusst, dass den großen wirtschaftlichen Problemen der Sowjetunion nur mit umfangreichen Veränderungen beizukommen war.18 Gorbatschow kündigte schnell tiefgreifende Umgestaltungen an, die alle Bereiche der Gesellschaft betreffen sollten (Perestrojka) und propagierte eine Politik der Offenheit (Glasnost). Die DDR zeigte sich gegenüber diesen Modernisierungsbestrebungen reformunfähig, zu sehr fürchtete man die Konsequenzen im eigenen Land. Die Hoffnung der Ostdeutschen auf Veränderungen wurde schon mit dem XI. Parteitag der SED im April 1986 nachhaltig enttäuscht, verkündete dieser doch vor allem politische und personelle Kontinuität. Die DDR versuchte zukünftig, dem sowjetischen Reformexperiment ein eigenes, konservatives Modell entgegenzusetzen und propagierte einen, wie es Honecker wiederholt ausdrückte, »Sozialismus in den Farben der DDR«. Besonders harsch gab Kurt Hager 1987 die ablehnende Einstellung der SED-Führung in einem Interview mit dem Stern wieder, das auch das Neue Deutschland nachdruckte. Seine rhetorische Frage: »Würden Sie, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?«19 löste große Empörung in der Bevölkerung aus. Eine Folge der Entspannungsbemühungen Gorbatschows war auch, dass er sich im Vergleich zu seinen Vorgängern weniger in die Deutschlandpolitik der SED einmischte. Er hatte die Breschnew-Doktrin außer Kraft gesetzt und betont, dass die Sowjetunion keine herausgehobene Rolle in der sozialistischen Gemeinschaft mehr einnehmen wollte. Diesen neuen Spielraum nahm die DDR-Führung gern an, zu-

16 17 18 19

Potthoff 1999, S. 239. Vgl. Stephan 2001. Vgl. ausführlicher Wagensohn 2000. Pragal/Völklein 1987.

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mal die Bundesregierung 1985 wieder finanzielle Zusicherungen machte: Mit der erweiterten Swing-Vereinbarung20 wurde der zinslose Überziehungskredit auf 850 Millionen DM bis zum Jahr 1990 erhöht. Die hierfür geforderte Gegenleistung war für die DDR relativ einfach zu erfüllen: Zukünftig verhinderte sie die Einreise von Asylanten, vor allem aus Sri Lanka, die bisher über den Flughafen Berlin-Schönefeld nach Westberlin und die Bundesrepublik gekommen waren. Potthoff kritisiert diesen Schritt in Richtung einer »problematischen Normalisierung« der deutsch-deutschen Beziehungen, bei der die Bundesrepublik finanzielle Hilfe nicht mehr für humanitäre Erleichterungen gewährte, sondern für »einen Akt der Inhumanität« verwendete.21 Ebenfalls kritisch kann die Unterzeichnung des im Grundlagenvertrag als Folgevereinbarung vorgesehenen Kulturabkommens am 6. Mai 1986 bewertet werden. Vereinbart wurde eine Zusammenarbeit in Kultur, Kunst, Bildung und Wissenschaft, mit dem hehren Ziel, die gegenseitige Kenntnis des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens zu vertiefen. Kritiker befürchteten allerdings, dass die DDR die Vereinbarung nutzen könnte, um die Kontakte zwischen Wissenschaftlern und Künstlern zu lenken und zu kontrollieren. Bereits im zweiten Jahr von Gorbatschows Amtszeit konnte die DDR noch mehr ersehnte Früchte der veränderten weltpolitischen Lage ernten: Als Höhepunkt der SED-Deutschlandpolitik besuchte Honecker im September 1987 die Bundesrepublik. Im Nachhinein hat er selbst das Jahr 1987 als »Schicksalsjahr für die DDR« bezeichnet, denn es offenbarte zwei separate Entwicklungen. Zum einen hatte das außenpolitische Prestige der DDR das höchste Niveau erreicht: Die westdeutschen Politiker gaben sich in der DDR quasi die Klinke in die Hand, ein regelrechter »Polittourismus«22 führte Ministerpräsidenten und Amtsträger nach Ostberlin. Die 750-Jahr-Feier Berlins wurde in der geteilten Stadt weitestgehend getrennt begangen, wobei die ostdeutsche Seite die Rolle Berlins als Hauptstadt der DDR zu betonen suchte. Sie konnte den zahlreichen internationalen Gästen eine gewisse Weltoffenheit des SED-Staates präsentieren und durch die strikte Trennung der Feierlichkeiten gleichzeitig die Zweistaatlichkeit vor Augen führen. Als vom 7. bis 11. September der auf Intervention Moskaus mehrfach verschobene Besuch Honeckers in der Bundesrepublik stattfinden konnte, war es das erste Mal in der Geschichte beider deutscher Staaten, dass ein Generalsekretär der SED und DDR-Staatsratsvorsitzender den anderen Teil Deutschlands bereiste. Die politisch-demonstrative Wirkung war außerordentlich und bedeutete zugleich Honeckers größten außenpolitischen Triumph, wurde er doch mit fast allen militäri-

20 Swing nannte man den Überziehungskredit im innerdeutschen Handel, den die Bundesrepublik der DDR seit 1949 immer wieder zeitlich befristet gewährte. Seit den 1960er Jahren benutzte die bundesdeutsche Regierung die SwingVereinbarung regelmäßig als politisches Druckmittel gegenüber der DDR. 21 Potthoff 1999, S. 250. 22 Ebd, S. 276.

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schen und protokollarischen Ehren empfangen.23 Es wehten zwei Fahnen souveräner, gleichberechtigter deutscher Staaten und die Militärkapelle der Bundeswehr spielte die Nationalhymne der DDR. Mit dem Empfang des ostdeutschen Staatschefs in Bonn schien die SED am Ziel ihrer Anerkennungsbemühungen angelangt: Auch wenn es nach wie vor keine völkerrechtliche Anerkennung durch die Bundesrepublik gab, entstand für die Zuschauer und die Bevölkerung der Eindruck eines bedeutenden offiziellen Staatsbesuches. Mit dieser Symbolik wurde die Zweistaatlichkeit Deutschlands besiegelt und die Akzeptanz der DDR im Westen hatte ihren Höhepunkt erreicht. Gleichzeitig öffnete Honecker der Besuch in Bonn das Tor zu den großen westlichen Hauptstädten: Schon einen Monat später fuhr er zum offiziellen Staatsbesuch nach Belgien, Anfang 1988 wurde er in Paris empfangen. Die Kehrseite dieser Aufwertung der DDR durch den Westen waren die zunehmenden innenpolitischen Schwierigkeiten, mit denen sich Honecker konfrontiert sah. Ein Vorfall an der Berliner Mauer im Juni 1987 war beispielhaft für die Frustrationen der DDR-Bevölkerung und die repressive Reaktion des Staates: Jugendliche Rockfans, die einem Westberliner Konzert vor dem Reichstag zuhören wollten, wurden von der Staatsmacht brutal zurückgedrängt. Trotz des großen Polizeiaufgebotes forderten die ca. 3.000 Menschen in der Straße »Unter den Linden« den Abriss der Mauer und Freiheit, zugleich wurden »Gorbatschow«-Rufe laut. Das harte Eingreifen, auch gegen westliche Journalisten, wurde vom bundesdeutschen Fernsehen gezeigt und trug die Bilder damit zurück in die DDR. Über das Westfernsehen hatten die DDR-Zuschauer im gleichen Monat vom energischen Appell Ronald Reagans erfahren, der am 12. Juni 1987 am Brandenburger Tor Gorbatschow aufforderte, die Berliner Mauer niederzureißen. Dagegen wirkte die Tischrede Kohls während Honeckers Besuch weniger gewagt. Aber auch er beklagte die Trennung durch die Mauer, mahnte den Frieden an der innerdeutschen Grenze sowie die Einhaltung der Menschenrechte an und betonte die unterschiedlichen Auffassungen beider Länder in der nationalen Frage. Wie vorab vereinbart, übertrugen sowohl das DDR-Fernsehen als auch das bundesdeutsche Fernsehen diese Rede, die Hoffnungen bei den DDR-Bürgern wecken konnte. Das Prinzip Hoffnung nährte in Ansätzen auch das nach mehreren Treffen zwischen SED und SPD im August 1987 präsentierte Grundsatzdokument »Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit«. Beide Parteien attestierten sich darin eine gewisse Reformfähigkeit bei der Lösung gesellschaftlicher Fragen, betonten aber gleichzeitig das scheinbar zeitlich unbefristete Nebeneinander beider Systeme.24 Es wurde allerdings schnell klar, dass mit der SED-Politik kein Grund zum Optimismus gegeben war: Nachdem der öffentlichkeitswirksame Besuch Honeckers vorüber war, wurden die Repressionen im Verborgenen intensiviert. Selbst in der Partei begann eine Phase der

23 Es fehlte nur die große Motorradeskorte, vgl. Maibaum 1998, S. 102. 24 Vgl. Schroeder/Alisch 1998, S. 292-293.

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Säuberungen, z. B. wurde ein Disziplinarverfahren gegen Rolf Reißig eingeleitet, einem der Mitverfasser des SPD-SED-Dialogpapiers. Im Winter 1987/88 ging das SED-Regime rigoros gegen Dissidenten und Abweichler vor. Bei einer Durchsuchung der Umweltbibliothek der evangelischen Zionskirche in Ost-Berlin nahmen am 25. November 1987 DDR-Sicherheitsorgane mehrere Mitglieder von Friedens- und Umweltgruppen fest. Am Rande der traditionellen Demonstration zum Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 17. Januar 1988 wurden rund 120 Protestler – darunter auch Künstler und Prominente – von der Staatssicherheit unter dem Vorwurf der Zusammenrottung sowie der Verbreitung nicht genehmigter Losungen festgenommen. Insgesamt handelte es sich dabei um die umfassendste Verhaftungsaktion seit dem 17. Juni 1953. Ihren eigenen Medien, die zu diesen Ereignissen schwiegen, vertrauten die Menschen in der DDR zu diesem Zeitpunkt immer weniger. Schon die Verharmlosung des Reaktorunglücks von Tschernobyl im Frühjahr 1986 hatte die Voreingenommenheit der SED-Informationspolitik überdeutlich werden lassen. Hinzu kam, dass die ostdeutsche Führung ab 1987 jede Form von Auseinandersetzung mit der sowjetischen Innenpolitik in den Medien ablehnte. Reden Gorbatschows und anderer KPdSU-Politiker durften laut Politbüro-Beschluss vom 20. Oktober zukünftig nur noch »auszugsweise oder zusammengefaßt veröffentlicht«25 werden. Das Fass zum Überlaufen brachte für viele an den sowjetischen Entwicklungen interessierte Bürger allerdings das Sputnik-Verbot im November 1988. Die deutschsprachige sowjetische Monatszeitschrift wurde von der Postzeitungsliste gestrichen, was einem Verbot gleichkam und heftige Proteste in der Bevölkerung auslöste. Während in Ungarn weitere Reformen veranlasst wurden, in Polen am runden Tisch Verfassungsentwürfe diskutiert wurden, sank im Osten Deutschlands die Hoffnung auf Veränderung. Auch im sozialistischen Lager geriet die DDR »zusehends aufs Abstellgleis«26. Die Antwort vieler Ostdeutscher auf diesen Kurs bestand darin, ihrem Land den Rücken zu kehren. Was in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre Systemkritiker, Künstler und Intellektuelle vorgemacht hatten, betraf nun auch weite Teile der ›normalen‹ Bevölkerung: Waren es 1984 rund 32.000 Bürger, die einen Ausreiseantrag gestellt hatten, warteten 1988 110.000 Menschen in der DDR auf die Genehmigung zur Ausreise in den Westen. Obwohl die Ausreisewilligen diskriminiert und teilweise kriminalisiert wurden,27 gelang es der Staatsmacht nicht die »Ausreisebewegung« zu stoppen. In dieser Phase seit 1988 wurde die Deutschlandpolitik zunehmend zum innenpolitischen Problem der DDR, wobei die Handlungsfähigkeit der Regierung insgesamt in Frage stand. Angesichts der tiefen politischen und gesellschaftlichen Krise gelang es der SED-Führung nicht,

25 SAPMO-BArch DY 30/J IV 2/2/2244, zit.n. Wolff 2002, S. 92. 26 Potthoff 1999, S. 281. Vgl. auch Wagensohn 2000, S. 308. 27 Zur Bekämpfung der Ausreisebewegung durch das MfS vgl. Raschka 2001, S. 37-44.

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ihre Deutschlandpolitik neu zu definieren. Die Bundesregierung, die in dieser Zeit immer wieder betonte, dass sie kein Interesse an einer Zunahme der inneren Schwierigkeiten der DDR hätte, hielt an der nüchternen Normalität bilateraler Beziehungen fest. Welche dramatischen Entwicklungen im Jahr 1989 ihren Höhepunkt fanden, ließ sich im Vorhinein weder im Osten noch im Westen erahnen. Hatte Honecker noch anlässlich der Festsitzung zum 500. Geburtstag Thomas Müntzers am 19. Januar versichert, die Mauer werde »in fünfzig und auch in hundert Jahren noch bestehen bleiben«28, überschlugen sich im selben Jahr die Ereignisse.29 Zunächst versuchte die ostdeutsche Regierung durch eine deutlich höhere Zahl an Ausreisegenehmigungen dem innenpolitischen Druck ein Ventil zu öffnen. Dies brachte allerdings eher die gegenteilige Wirkung: Im ersten Halbjahr 1989 stieg die Zahl der Anträge weiter an und eine zunehmend sensibilisierte Öffentlichkeit begann das Ausmaß der Krise zu begreifen. Bei den Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 entfielen nach offiziellen Angaben 98,85 Prozent der Stimmen auf die Kandidaten der Einheitslisten, obwohl es schon zuvor öffentliche Boykotterklärungen gegeben hatte. Von Oppositionellen wurden zum ersten Mal in 200 Wahllokalen in Berlin Kontrollen durchgeführt, vielerorts Wahlfälschungen festgestellt und diese publik gemacht. Einen Monat später löste das MfS eine Demonstration gegen den Wahlbetrug auf. Im Sommer 1989 war die DDR bezüglich der Ausreisebewegung nicht mehr Herr der Lage: Am 27. Juni zerschnitten der ungarische Außenminister Gyula Horn und sein österreichischer Kollege Alois Mock bei Sopron in einem symbolischen Akt den Stacheldrahtzaun an der gemeinsamen Grenze. Ohne Rücksprache mit der Regierung der DDR öffnete Ungarn am 10./11. September endgültig seine Grenzen nach Westen. Zehntausende DDR-Bürger reisten daraufhin nach Ungarn und flohen anschließend weiter nach Österreich und in die Bundesrepublik. Im August 1989 mussten die Ständige Vertretung in Ost-Berlin sowie die Botschaften der Bundesrepublik in Prag, Budapest und Warschau wegen Überfüllung für den Besucherverkehr geschlossen werden. Trotz dieser Fluchtbewegung, die durch westliche Fernsehberichte allgegenwärtig war, feierte die DDR-Führung am 7. Oktober den 40. Jahrestag der Staatsgründung in gewohnter Inszenierung. Die FDJ zog in Ost-Berlin mit Fackeln an der Ehrentribüne vorbei, auf der sich auch der sowjetische Staatschef Gorbatschow befand. Dieser betonte vor der Presse die Notwendigkeit von Reformen, woraus im Volksmund die vielzitierte Wendung »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben« wurde.30 In mehreren Städten der DDR fanden zur selben Zeit Demonstrationen statt, auf denen Zehntausende für Meinungsfreiheit und

28 Erich Honecker am 19. Januar 1989 auf einer Tagung des Thomas-MüntzerKomitees im Berliner Staatsratsgebäude, veröffentlich in »Neues Deutschland« vom 20. Januar 1989, zit.n. ebd., S. 286. 29 Als knappe Gesamtdarstellung vgl. Lindner 1998. 30 Gorbatschow sagte tatsächlich: »Wenn wir zurückbleiben, bestraft uns das Leben sofort.« Honecker/Gorbatschow 1993 [1989], S. 256.

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Reformen eintraten. Die Demonstrationen wurden teilweise brutal aufgelöst und über tausend Menschen in Haft genommen. Zur »Montagsdemonstration« in Leipzig kamen am 9. Oktober 1989 ca. 70.000 Menschen, eine Woche später forderten bereits rund 100.000 Demonstranten demokratische Reformen. Die SED-Führung verständigte sich daraufhin, den – ahnungslosen – Parteichef Honecker abzusetzen und wählte Egon Krenz am 18. Oktober zum neuen Generalsekretär. Am 7. November trat Ministerpräsident Willi Stoph zusammen mit der gesamten DDR-Regierung zurück, einen Tag später, anlässlich der 10. Tagung des ZK der SED, das gesamte Politbüro. Doch auch dieser Personalaustausch, der in der Öffentlichkeit keine Hoffnung auf eine wirkliche Wende zuließ, konnte die sich überstürzenden Ereignisse nicht aufhalten: Auf einer Pressekonferenz verkündete Günter Schabowski am Abend des 9. November eine Neuregelung der Ausreisebestimmungen. Das DDR-Fernsehen übertrug live, als Schabowski folgenden, vom ZK genehmigten, Politbürobeschluss verlas: »Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe oder Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Genehmigungen werden kurzfristig erteilt.«31 Auf Nachfrage eines Journalisten erklärte Schabowski, das neue Reisegesetz trete sofort in Kraft. Nachdem die ARD-Tagesschau die Meldung, dass die DDR die Grenze geöffnet hat, als Aufmacher platzierte, drängten Tausende von Ost-Berlinern nach West-Berlin. Kurz vor Mitternacht öffneten sich die ersten Schlagbäume an der Mauer.32 Mitte November verwehrten die Blockparteien in der DDR-Volkskammer der SED die Gefolgschaft. Innerhalb kürzester Zeit verfielen die Strukturen innerhalb der SED, Anfang Dezember hatte die Partei bereits 600.000 ihrer 2,3 Millionen Mitglieder verloren. Am 3. Dezember lösten sich die zentralen Führungsgremien der Partei selbst auf. Unter dem Namen »SED – Partei des Demokratischen Sozialismus« (PDS) erfand sich die alte Partei daraufhin neu. Am 13. November hatte die Volkskammer den Dresdner Parteisekretär Hans Modrow zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. In Berlin sowie in zahllosen Städten und Gemeinden versuchten nun »Runde Tische« die Geschäfte der Parlamente und Verwaltungen zu überwachen. Im Januar 1990 wurde das SED-Medienmonopol Geschichte: In Erfurt erschien die Thüringer Allgemeine als erste unabhängige Tageszeitung der DDR. Am 5. Februar beschloss die Volkskammer die Gewährung der uneingeschränkten Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit. Rundfunk, Fernsehen und die Nachrichtenagentur ADN unterstanden nun auch offiziell nicht mehr der Regierung. Bis zu den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 verblieben die deutsch-deutschen Verhandlungen in einer Art Schwe-

31 Krenz 1994 [1989], S. 238. 32 Zur »Chronik des Mauerfalls« vgl. ausführlich Hertle 1996. Zur Fernsehberichterstattung über die Ereignisse am 9. November 1989 in der DDR und der Bundesrepublik vgl. Steinmetz 2004.

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bezustand.33 Unter dem fortwährenden Druck der Straße und den Forderungen der Demonstranten nach einem einheitlichen Deutschland trafen Kohl und Modrow am 19. Dezember in Dresden erstmals zusammen. Sie einigten sich zunächst auf eine Absichtserklärung zu einer Vertragsgemeinschaft, die im Frühjahr 1990 beschlossen werden sollte. Beim Gegenbesuch am 13. Februar in Bonn befanden sich alle Parteien bereits im Wahlkampf, der Regierung Modrow wurde als Interimslösung nur begrenzte Handlungsfähigkeit zugestanden. Der Wahlausgang mit einem deutlichen Votum für den zügigen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ermöglichte anschließend umgehende Einigungsverhandlungen. Unter der demokratisch legitimierten Großen Koalition in der DDR, die Ministerpräsident Lothar de Maizière anführte, wurden der Staatsvertrag zur Schaffung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion sowie am 31. August 1990 der Einigungsvertrag zum Abschluss gebracht.34 Im Februar 1990 waren in Ottawa auf der ersten gemeinsamen Tagung von NATO und dem Warschauer Pakt »Zwei-plus-vier-Konferenzen« zwischen beiden deutschen Regierungen und den Siegermächten über einen Weg zur Einheit vereinbart worden. Möglich wurde dies, nachdem Gorbatschow zwei Tage zuvor dem bundesdeutschen Kanzler zugesichert hatte, dass die Deutschen über ihren inneren Einigungsprozess selbst bestimmen dürften. Nach zahlreichen Gesprächsrunden auf Beamten- und Ministerebene wurde am 12. September 1990 in Moskau der »Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland« von den Außenministern unterzeichnet.35 Damit war der Weg zur (Wieder)Vereinigung beschritten, die de facto den Beitritt der DDR zum Bundesgebiet bedeutete. Am 3. Oktober 1990 trat der Einigungsvertrag in Kraft; nach dem Abschluss der Ratifizierungsverfahren in den beteiligten Staaten erhielt Deutschland am 15. März 1991 seine bis dato eingeschränkte Souveränität zurück.

6.2 Im Dialog: Ideologischer Auftrag und Unterhaltungsanspruch im Selbstbild 6.2.1 E RWÜNSCHT : D IE Q UAL DER W AHL . E INFÜHRUNG DER » ALTERNATIVEN P ROGRAMMSTRUKTUR « 1982 Betrachtet man die Lage des DDR-Fernsehens zu Beginn der 1980er Jahre, drängen sich Parallelen zum Anfang des vorangegangenen Jahrzehnts geradezu auf: Wieder waren die Zuschauerzahlen rückläufig und erneut war es der erste Mann im Staat, der energisch eine Verbesserung des Fernsehprogramms forderte und schließlich durchsetzte. Im Jahr 1980 kritisierte Honecker in einer Rede vor Kreissekretären der SED die Gestaltung der Aktuellen Kamera, verlangte Korrektu33 Zum Wahlkampf und -ergebnis vgl. Grünbaum 1999, S. 75-94. 34 Vgl. Walter 1999 und zum Einigungsvertrag Schäuble 1997. 35 Vgl. Weidenfeld et al. 1999.

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ren in der Struktur beider Programme und machte Vorschläge zur Geschichtsdarstellung im Fernsehen. Adameck versicherte ihm daraufhin, dass das Fernseh-Kollektiv dies als Aufforderung verstanden hätte: Alle Anstrengungen wären seitdem darauf gerichtet, die Qualität der Programme zu erhöhen und die Programmgestaltung zu verbessern.36 In einem ersten »Maßnahmeplan« bereitete die Fernsehführung eine Programmreform bereits zum Jahresbeginn 1981 vor. In diesem frühen Planungsstadium wurden schon die Hauptforderungen festgelegt, die knapp zwei Jahre später die neue Programmumgestaltung kennzeichnen sollten: eine alternative Programmgestaltung, Beweglichkeit der Programmpolitik, gezielter Einsatz von Wiederholungen und Erhöhung des Anteils eigenproduzierter Sendungen.37 Die Umsetzung zum angestrebten Zeitpunkt gelang dem Fernsehkomitee allerdings nicht, so dass Honecker seine Kritikpunkte noch einmal öffentlichkeitswirksam wiederholte. Im Bericht des Zentralkomitees an den X. Parteitag im April 1981 erklärte er: »Nachdem das Fernsehen der DDR in den letzten Jahren durchaus wirksame Programmleistungen auf den Bildschirm gebracht hat, geht es jetzt vor allem darum, daß das gesamte Programm, einschließlich einer weiteren Verbesserung der alternativen Gestaltung des I. und II. Programms, noch besser den hohen Maßstäben unserer gesellschaftlichen Entwicklung und den vielseitigen Interessen und Ansprüchen der Millionen Zuschauer gerecht wird.«38 Mit diesen Worten – die sehr an seine Kritik am Fernsehen im Jahr 1971 erinnern39 – gab Honecker den Startschuss für die Einführung der sogenannten »alternativen Programmstruktur«, die de facto die zweite große Programmreform des DDR-Fernsehens darstellte.40 Die ›Planer und Leiter‹ des Fernsehens arbeiteten nun gemeinsam mit der Abteilung Agitation intensiv an Verbesserungsvorschlägen, die im Februar 1982 in einem ausführlichen Diskussionspapier zusammengefasst wur-

36 Vgl. [Q] Adameck an Honecker, 16.06.1980. 37 Vgl. [Q] Direktor für Programmplanung 1980b. Vgl. zu dieser Planungsphase ausführlicher Dittmar 2004a, S. 120. Zur Programmreform und den dazu überlieferten Quellen, vgl. ebd. S. 120-123. 38 Zit.n. [Q] Parteiorganisation der SED, Fernsehen der DDR, Zentrale Parteileitung 1982, S. 2. 39 Zum Vergleich: Auf dem VIII. Parteitag der SED sagte Honecker: »Unser Fernsehen, das auf gute Leistungen zurückblicken kann, sollte verstärkt bemüht sein, die Programmgestaltung zu verbessern, eine bestimmte Langeweile zu überwinden, den Bedürfnissen nach guter Unterhaltung Rechnung zu tragen, die Fernsehpublizistik schlagkräftiger zu gestalten und den Erwartungen jener Teile der werktätigen Bevölkerung zu entsprechen, deren Arbeitstag sehr zeitig beginnt und die deshalb schon in den frühen Abendstunden Zuschauer wertvoller Fernsehsendungen sein möchten.« Vgl. Kapitel 5.2.1. 40 Offiziell wurde die Umgestaltung der Fernsehprogramme – im Unterschied zu deren Neuprofilierung Anfang der 1970er Jahre – nicht als »Reform« bezeichnet, weder in der Öffentlichkeit noch fernsehintern. Aus der heutigen Forschungsperspektive kann sie allerdings durchaus als die zweite und letzte größere Programmreform des DDR-Fernsehens identifiziert werden.

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den.41 Auch in diesem Entwurf wurde das bisherige Fernsehprogramm in einer Art kritisiert, die fast wortwörtlich Argumente der frühen 1970er Jahre wiederholte. Besonders die Eintönigkeit des Fernsehens wurde bemängelt, das noch zu viele mittelmäßige und langweilige Sendungen ausstrahlen sowie den Erwartungen der Zuschauer und ihrem Unterhaltungsbedürfnis nicht gerecht würde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Honecker selbst als höchste Instanz über diesen Planungsentwurf entschieden hat und die Reform damit endgültig auf den Weg brachte. Eberhard Fensch, damals stellvertretender Leiter der Abteilung Agitation, erinnert sich an folgende Reaktion des Generalsekretärs: »Ich besitze eine Mappe mit Vorschlägen für eine alternative Programmgestaltung, die wir Erich Honecker zuleiten, um seine Reaktion zu testen. Eigenhändig schrieb er auf den Mappendeckel ›So + nur noch besser‹. In dieser Hinsicht hat er wohl die gleichen Erwartungen wie ein ›Normalzuschauer‹.«42 Am 15. Oktober 1982 diskutierten das Sekretariat der Zentralen Parteileitung des Fernsehens und das Fernsehkomitee auf einer gemeinsamen Sitzung, »wie die Schere zwischen dem Anspruch der Zuschauer und dem gesendeten Programm weiter geschlossen werden kann«43. Erwartungsgemäß beschlossen beide Gremien die von Honecker abgesegneten Programmänderungen. Dieser überwachte selbst die Vorbereitungen zur Einführung der neuen Struktur und trieb die beteiligten Fernseh- und Parteiabteilungen zur Eile an. So musste sich Joachim Herrmann Anfang November vor ihm rechtfertigen, warum das Programm nicht schneller umgestaltet werden konnte. Die Lösung war so simpel wie typisch für die DDR-Mangelwirtschaft: Die Fernsehzeitung FF dabei benötigte ob ihrer primitiven Produktionsbedingungen eine Vorlaufzeit von mindestens sechs Wochen. Sie wurde im Tiefdruckverfahren hergestellt und über diese Technik verfügte in der gesamten DDR nur eine einzige, zudem veraltete Druckerei, die volle vier Wochen für den Druck der 1,5 Millionen Exemplare brauchte.44 Am 13. Dezember 1982 war es dann aber soweit: Die beiden Sender führten die ›alternative Programmstruktur‹ ein.45 Die zentrale Aufgabe dieses neuen Sendeschemas, die Alternative zum ersten Programm dauerhaft in dessen zweiten Programm zu schaffen, war dabei alles andere als neu. Sie existierte seit Einführung des zweiten Programms und ihre Umsetzung wurde seitdem regelmäßig bemängelt. Gleichzeitig bezog sich die viel beschworene Alternativgestaltung dabei eindeutig auf die DDR-Programme. Von einer Alternative zum ›Westfernsehen‹ war nicht die Rede, auch wenn das aus heutiger Sicht

41 Vgl. [Q] Abteilung Agitation 1982 sowie Dittmar 2004a, S. 120-121. Zum Entwurf der Fernsehmitarbeiter vgl. [Q] Leucht et al. 1982. 42 Fensch 2003, S. 197-198. 43 [Q] o.N. 1982a, S. 3. 44 Vgl. [Q] Herrmann an Honecker, 05.11.1982; Dittmar 2004a, S. 122 sowie Fensch 2003, S. 193-194. 45 Allerdings wurden nicht alle angestrebten Veränderungen sofort realisiert, die meisten Umstellungen wurden im Laufe der folgenden Monate vollzogen.

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(und möglicherweise auch damals schon) in der Begrifflichkeit mit assoziiert werden kann. Stattdessen wurde als wichtigstes Ziel gefordert, die Attraktivität des zweiten Programms zu steigern und sein Image als »Wiederholungssender« oder »Russenprogramm« zurechtzurücken. Nur in der Kombination zweier Vollprogramme, die dem Publikum echte Wahlmöglichkeiten – im Sinne einer ›Qual der Wahl‹46 – offerierte, sah die Fernsehführung die Möglichkeit, dem DDR-Fernsehen zu einer bessere Akzeptanz bei den Zuschauern zu verhelfen. Beide Programme sollten darum erneut ihre ›Massenwirksamkeit‹ steigern und dafür vor allem dem Publikumswunsch nach Unterhaltung besser nachkommen. Dass diese Forderungen nicht von heute auf morgen umgesetzt werden konnten, darüber waren sich die Programmplaner im Klaren. Eine schnelle und einfache Lösung, die den Bedürfnissen des Publikums entgegen kam, war daher, die kritisierten Sendungen zumindest von den attraktivsten Sendeplätzen zu verbannen: Die Order lautete, die interessantesten Programme nur zu den Zeiten mit der höchsten Zuschauerbeteiligung auszustrahlen. Dieser Anspruch – ebenfalls keine wirklich innovative Idee47 – wurde zu einer zentralen Forderung der Reform, denn hier lägen die »größten Reserven, mit dem vorhandenen schnell zu Qualität zu gelangen«48. Um 20:00 Uhr sollten demzufolge möglichst beide Programme den Massengeschmack der Zuschauer befriedigen und gleichzeitig alle Möglichkeiten nutzen, sich gegenseitig »Bälle zuzuwerfen«49 – also wechselseitig füreinander zu werben und sich untereinander zu ergänzen. Wie schon 1971 wurde immer wieder betont, dass die Meßlatte für Erfolg die Akzeptanz des Publikums war. Und das Grundbedürfnis der Zuschauer hatte sich seitdem nicht verändert: Sie wollten vor allem unterhalten werden. Also galt es erneut, Langeweile, vor allem in überholten Sendeformen, zu überwinden. Das gipfelte in dem Aufruf: »Kampf der Routine: Nicht einfach Sendungen so machen, wie sie immer gemacht wurden. Bei jedem Projekt genau durchdenken, was muß heute anders und vor allem besser gemacht werden als gestern.«50 Dieser Anspruch sollte vor allem in den Unterhaltungssendungen umgesetzt werden. Das Erfolgsrezept hierfür hatte die Agitationsabteilung den Fernsehmitarbeitern in ihren Empfehlungen gleich mitgeliefert: »Leicht und locker. Aber nicht seicht und niveaulos.«

46 Vgl. Adameck 1982: »Es wäre mir schon recht, wenn auch für unser Fernsehen das alte Sprichwort Geltung fände: ›Wer die Wahl hat, hat die Qual‹. Eine Alternative kann doch nur sein, wenn die Zuschauer die Wahl haben zwischen zwei guten Sendungen und nicht zwischen einer guten und einer mittelmäßigen.« 47 Vgl. zu den vorangegangenen Bemühungen in diese Richtung Kapitel 5.4. 48 [Q] o.N. 1982a, S. 9. 49 [Q] Leucht et al. 1982, Kapitel: Hauptrichtungen der Programmentwicklung des DDR-Fernsehens für die volle Verwirklichung des Beschlusses des X. Parteitages, S. 2. 50 Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1982a, S. 11-13.

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6.2.2 D IE A LTERNATIVE

ZUM

W ESTFERNSEHEN ?

Für den Gegenstand dieser Arbeit ist in Bezug auf die Programmreform von 1982/83 vor allem die Frage interessant, inwieweit die Konkurrenz zum bundesdeutschen Fernsehen den Ausschlag für die durchgeführten Veränderungen gab. Fakt ist, dass Anfang der 1980er Jahre viele DDRBürger allabendlich ›virtuell‹ die deutsch-deutsche Grenze überwanden und das Fernsehprogramm des ›Klassenfeindes‹ konsumierten. Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass dem DDR-Fernsehen etwa eine Hälfte der ostdeutschen Zuschauer verblieb, während die andere den Programmen der Bundesrepublik den Vorzug gab. Unbestritten ist zudem, dass das beliebte ›Westfernsehen‹ just in der hier betrachteten Zeitspanne attraktiver, oder – präziser formuliert – unterhaltsamer wurde, bereiteten sich doch ARD und ZDF auf die privatwirtschaftliche Konkurrenz vor.51 Einen Zusammenhang zwischen den Programmänderungen im Vorfeld der geplanten Einführung des dualen Rundfunksystems und der neuen »alternativen Programmstruktur« des DDR-Fernsehens in einer Art von »Reaktion-Gegenreaktion« konnte die Autorin aber – entgegen der herrschenden Forschungsmeinung – bereits widerlegen.52 Die Ankündigung, dass die bundesdeutsche Fernsehlandschaft umstrukturiert wird, hat die alternative Programmreform nicht ›ausgelöst‹, vielmehr handelte es sich um ein Zusammenspiel von Faktoren, in dem die westdeutsche Konkurrenz eine Größe bildete.53 In den überlieferten Quellen der 1980er Jahre gehörte die häufig wiederholte Floskel vom verschärften ideologischen Konkurrenzkampf mit dem ›gegnerischen Fernsehen‹ nach wie vor zum ideologischen Standardrepertoire. Eine wirkliche Thematisierung des Problems und eine Diskussion von Strategien gegen die erneut stärker werdende Konkurrenz gab es allerdings nicht. Untergründig spielten die sich abzeichnenden Veränderungen in der Bundesrepublik zwar eine Rolle, aber eine wirklich offensive Auseinandersetzung damit war anscheinend nicht möglich. Die Einführung des dualen Systems wurde nur selten verbalisiert und auch dann nur beiläufig und wenig konkret. In keinem überlieferten Dokument wurde sie direkt oder indirekt als Auslöser oder Ursache für die alternative Programmreform benannt. Die zunehmende Unterhaltungsorientierung und das alltägliche Ausstrahlen von Fremdprogramm, auch aus dem nichtsozialistischen Ausland und der Bundesrepublik, führte in der Forschung häufig zu der Einschätzung, dass das DDR-Fernsehen seit Beginn der 1980er Jahre 51 Vgl. u.a. Bleicher 2001, S. 504-508. Bleicher konstatiert eine Verstärkung des Unterhaltungsanteils im Programm als frühzeitige Strategie gegen die drohende Programmkonkurrenz bereits ab dem Jahr 1978. 52 Vgl. ausführlich Dittmar 2004a. Zum bis dato vertretenen Forschungskonsens vgl. dort S. 116-118. 53 Zu dieser Einschätzung gelangten auch Stiehler und Schubert, wobei sie das Resultat aus den Ergebnissen der Programmstrukturanalyse ableiteten. Vgl. Schubert/Stiehler 2004.

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mehr vom Konkurrenzkampf mit der Bundesrepublik beeinflusst war als je zuvor. Tatsächlich kam es in Konzeptionen und Einschätzungen des eigenen Programms seltener als z. B. in den Jahren der ersten Programmreform um 1970/71 zu einer Thematisierung der westlichen Konkurrenz. Eine wirkliche, umfassende Orientierung an den Entwicklungen im Westen, wie es sie gerade in der Anfangszeit des DDR-Fernsehens gegeben hat, kann für die Einführungszeit der alternativen Struktur nicht nachgewiesen werden. Am deutlichsten sprechen noch die ehrgeizigen und umfangreichen Materialsammlungen, die Sender und Strukturen im Westen dokumentierten, für einen direkten Einfluss der bundesdeutschen Entwicklungen. Mit riesigem Aufwand recherchierte vor allem das MfS Daten über das bundesdeutsche Fernsehen. Dahinter stand ein Feindbild, das nach wie vor von größtem Misstrauen gegenüber den unterstellten Absichten der ›ideologischen Diversion der Feindmedien‹ zeugte. Ein wichtiges Beispiel für die Beiläufigkeit, mit der die herrschende Wettbewerbssituation innerhalb der Fernsehführung kommuniziert wurde, stellt die für die Programmreform entscheidende Sitzung des Fernsehkomitees und der Parteileitung am 15. Oktober 1982 dar. Man hatte sich für dieses Treffen ausdrücklich vorgenommen, Probleme offen anzusprechen. Dazu hieß es: »Es gehört bekanntlich zum marxistisch-leninistischen Führungsstil unserer Partei, sich stets ein klares Bild von der Lage zu machen.«54 Allerdings wurden die schwierige, spannungsgeladene politische Situation in der Systemkonfrontation Anfang der 1980er Jahre und die durch die Einführung des dualen Systems in der Bundesrepublik verschärfte Konkurrenz zum Westfernsehen nur mit dem lapidaren Zusatz angerissen: »Dies gilt um so mehr, wenn sich die Kampfbedingungen verändern und die Anforderungen wachsen, wie sich das gegenwärtig in besonderer Schärfe zeigt.« Dieser Einwurf musste wohl genügen, vielleicht auch weil sich jegliche Diskussion über Ursachen und Bewertung der »Kampfbedingungen« von vornherein verbot. Aus heutiger Perspektive scheint es, als ob der Spielraum der Fernsehfunktionäre hier im Vergleich zur Frühzeit des DDR-Fernsehens und auch gegenüber den Jahren der ersten Programmreform noch enger geworden war. Ähnlich ›schwammig‹ wurde schon ein Jahr zuvor in Vorbereitung der alternativen Struktur gefordert, dass das Fernsehen der DDR »mit beiden Programmen seinen Masseneinfluß in der täglichen Auseinandersetzung mit den 3 Fernsehprogrammen des Gegners«55 auszubauen hätte. Auch dies war eine Formulierung, die Anfang der 1980er Jahre offensichtlich fest ins ideologische Repertoire gehörte. Sie findet sich, um noch ein letztes Beispiel aufzuführen, auch in dem Planentwurf für das Fernsehjahr 1983: Wieder hieß die programmpolitische Aufgabe für das DDR-Fernsehen, »die tägliche Auseinandersetzung mit dem Gegner noch offensiver zu führen«56.

54 Hier und im Folgenden: [Q] o.N. 1982a, S. 1. 55 [Q] Leucht et al. 1982, S. 6. 56 [Q] o.N. 1982b, S. 1.

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Mit Heinz Geggel lässt sich zumindest ein hochrangiger Medienfunktionär benennen, der Mitte der 1980er Jahre mehrere Male Tacheles redete und die eigene Wettbewerbssituation mit den bundesdeutschen Programmen ausführlich reflektierte. Er war Leiter der Abteilung Agitation beim ZK der SED und somit befugt, die DDR-Medien, darunter auch das Fernsehen, ideologisch zu führen und zu kontrollieren. Ort der offenen Thematisierung des Wettstreites im Äther war aber ein anderes Gremium, das ebenfalls von der Agitationsabteilung angeleitet wurde und sich in dieser Zeit zu einer wichtigen Instanz innerhalb des Fernsehbetriebes entwickelt hatte: die eigene Kreisparteileitung (kurz Kreisleitung) des DDR-Fernsehen. Sie wurde am 23. Mai 1984 gebildet57 und ermöglichte fortan eine noch straffere politische Einflussnahme auf die verschiedenen Produktionsteile in Adlershof. Auf einer Tagung der Kreisleitung im Mai 1986 hielt Geggel das Schlusswort und kam dabei zu einer – im Vergleich zu den üblichen Lobeshymnen über die eigene Wirksamkeit – fast realistisch anmutenden Einschätzung: »Wir sind uns darüber im klaren, unter welchen Bedingungen unser Fernsehen agiert, arbeitet. Wir sind nicht allein im Äther. Jeder kann sich aussuchen, was er sehen will – uns oder die anderen. Wir haben uns zu fragen, was haben die, was haben wir, sind wir besser? Hier liegt eine große Verantwortung der Genossen, die die Sendung machen, aber vor allem auch derjenigen, die die Programme gestalten. Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat müssen wir uns die Frage stellen: Wie können wir besser sein als die andere Seite, überzeugender? Gelingt das immer? Nein! Aber das müssen wir anstreben, darum muß man den Kampf führen. Und ich weiß, der Kampf im Fernsehen wird so geführt.«58 Schon ein halbes Jahr zuvor hatte er, ebenfalls als Schlussredner auf der Oktober-Tagung 1985, die alternative Programmstruktur als Strategie gegen die westliche Konkurrenz verteidigt. Es wäre »die Aufgabe, die uns die Partei gestellt hat«59, dafür zu sorgen, dass das Fernsehen seine Zuschauer fand: Darum müssten »zwei vollwertige Fernsehprogramme« ausgestrahlt werden, »bei denen der Bürger der DDR, bevor er zum dritten, vierten und fünften greift, eine echte Auswahl beider sozialistischer Fernsehprogramme hat«. Im Kreise der führenden Parteifunktionäre des Fernsehens sprach Geggel deutlich aus, wo er die Chance im Kampf um die eigenen Zuschauer sah: »Das Fernsehen der DDR steht bekanntlich in einer offenen Feldschlacht mit der anderen Seite. Viele von uns erinnern sich an die Zeit, wo wir auf das Westfernsehen so ein bisschen geguckt haben wie das Karnickel auf die Schlan-

57 Die SED-Kreisleitung Fernsehen war Teil der SED-Kreisleitung Treptow, da Adlershof verwaltungsrechtlich dem Ost-Berliner Stadtbezirk angehörte. Sie war dem ZK-Sekretariat der SED unterstellt und wurde direkt von der Abteilung Agitation angeleitet. Damit wurde die Verbindung des Sendezentrums in Adlershof zum ZK verkürzt und die ideologische Schulung der Mitarbeiter intensiviert. Vgl. Wolff 2002, S. 134. 58 [Q] Geggel 1986, S. 134. 59 Hier und im Folgenden: [Q] Geggel 1985, S. 5-9.

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ge, was wir alles für Versuche unternommen haben, um uns dieses westlichen Fernsehens zu entledigen. Die Zeiten sind längst vorbei. Wir stellen uns bewusst dieser offenen Feldschlacht […]. Wir haben zwei Programme, sie haben drei. Die treffen sich im Raum, und wir können sie nur schlagen, wenn wir besser sind, wenn wir interessanter sind, wenn die Leute gern unser Fernsehen sehen.« Es scheint als hätte Geggel mit seinen offenen Worten den anwesenden Genossen Mut machen wollen: »In dieser Feldschlacht sehen wir, unabhängig von Licht und Schatten, sehr gut aus. Das muß sogar gelegentlich die andere Seite bescheinigen. Ihre schlechte Politik aber verkaufen sie häufig leider recht gut. Unsere Aufgabe muß darin bestehen, unsere gute Politik immer besser zu ›verkaufen‹. Entschuldigt mir diese flaxe Bemerkung, aber darum geht es.« Dieses Eingeständnis eines attraktiveren bundesdeutschen Fernsehens, das eine eigene Positionierung erzwang, stellte eine Form der wirklichkeitsnäheren Betrachtung dar. Trotzdem bedeutete es nur eine Ausnahme von der Regel, wie der ›Umkehrschluss‹ der Kreisleitung auf der folgenden Sitzung im Dezember 1985 belegte. Der Erste Sekretär der Kreisleitung Johannes Schäfer formulierte hier wieder einen vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden Ansatz zur selben Problematik: »Wir müssen natürlich auch mit der Tatsache fertig werden, daß das DDR-Fernsehen in der BRD Wirkung erzielt hat und daß die gegnerischen Fernsehanstalten alles einsetzen, um dem entgegenzuwirken.«60 Es ist überflüssig zu erwähnen, dass die Realität anders aussah. Interessanter ist die Frage, wie der erneute ›Unterhaltungsschub‹ der alternativen Programmstruktur und besonders der Einsatz westlicher Spielfilme und Serien auf das Selbstbild der Fernsehführung zurückwirkten. 6.2.3 U NERWÜNSCHT : D IE »E NTIDEOLOGISIERUNG DES P ROGRAMMS « Auch wenn die Umstrukturierung der DDR-Sender nicht ursächlich aus den bundesdeutschen Fernsehentwicklungen resultierten, stand hinter dem Anspruch, zwei alternative und massenwirksame Programme auszustrahlen, natürlich auch der Gedanke, damit der westlichen Konkurrenz besser begegnen zu können. Eine andere Strategie sollte es bis zum Herbst 1989 nicht geben; die Forderung nach der Umsetzung der alternativen Struktur blieb als wiederkehrende Maxime erhalten, bis das DDR-Fernsehen unter komplett veränderten politischen Rahmenbedingungen neue Wege einschlagen konnte. Im Prinzip stand die Fernsehführung Anfang der 1980er Jahre vor dem gleichen Dilemma wie in den vorangegangenen Jahrzehnten: Nach wie vor lautete der ideologische Auftrag der ostdeutschen Führung an das Fernsehen, den Zuschauern die SED-Politik schmackhaft zu machen. Dies konnte aber nur mit Programmen verwirklicht werden, die tatsächlich eingeschaltet – und eben nicht von den konkurrierenden Angeboten des Westfernsehens verdrängt wurden. Die Order Honeckers, 60 [Q] Schäfer 1985, S. 28-29.

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das eigene Fernsehen unbedingt massenwirksamer zu gestalten, resultierte natürlich aus dem Wunsch heraus, sich das beliebte Medium weiterhin und noch intensiver als zuvor nutzbar zu machen. Die alternative Programmstruktur versuchte dies umzusetzen, wobei zumindest die offiziellen Darstellungen immer wieder den eigenen Charakter der Programme betonten: »Das Fernsehen der DDR hat seine bewußtseinsbildende Wirkung und seinen Masseneinfluß auf die Bevölkerung der DDR spürbar zu erhöhen. Es hat dazu insbesondere d i e Wirkungsmöglichkeiten auszuprägen und zu fördern, über die nur das sozialistische Fernsehen verfügt.«61 Was genau stellte sich die Parteiführung in diesem Jahrzehnt vor, wenn sie den Wirkungsmöglichkeiten des Fernsehens eine so hohe Bedeutung beimaß? Die »aktive Verbreitung unserer sozialistischen Ideologie« sollte einerseits über innen- und außenpolitische Informationen erfolgen, anderseits über »die geistig-kulturelle Bereicherung und Unterhaltung im weitesten Sinne des Wortes«.62 Agitation und Unterhaltung wurden dabei als einheitliche Aufgabe verstanden. Aus Sicht der Fernsehführung war es das Ziel der politischen Propaganda, »die Verbundenheit der Bürger unseres Landes mit ihrem Staat, ihr Vertrauen in die Politik von Partei und Regierung weiter zu festigen und produktiv zu machen für die Auseinandersetzung um Krieg und Frieden, für den Leistungszuwachs auf allen Gebieten unserer Wirtschaft«. Allabendlich hatte das Fernsehen auch seine zweite wichtige Funktion zu erfüllen: Durch ein unterhaltendes und entspannendes Programm die DDR-Bürger von allen negativen Erscheinungen des eigenen Staates abzulenken. Die zwei Sender sollten »das Wohlbefinden der Bürger in ihrem Staat« stärken, damit würden sie einen unmittelbaren »Beitrag zur Politik« leisten. Angesichts des immer offensichtlicher werdenden Niedergangs der Wirtschaft, der sich bereits in einigen Versorgungsengpässen zeigte, und des wachsenden Unmuts über staatliche Gängelung in der Bevölkerung war das eine nachvollziehbare Argumentation. Das Ziel der alternativen Programmstruktur, zwei Sender mit vorwiegend unterhaltsamen Programmen zu installieren, entsprach somit auf der einen Seite den Wünschen des Publikums, auf der anderen denen der Politik. Die Fernsehführung setzte vor diesem Hintergrund auf eine Art Doppelstrategie: Einerseits sollten Filme und Serien (auch aus dem kapitalistischen Ausland) das Publikum binden, andererseits versuchte man, dennoch ein eigenes DDR-Profil zu wahren bzw. sogar auszubauen. Denn gerade dieser identitätsstiftende Part des ostdeutschen Fernsehens war politisch höchst erwünscht und gleichzeitig geeignet, der westdeutschen Konkurrenz etwas entgegenzusetzen – was tatsächlich sogar über den Untergang der DDR hinaus im Programm der nachfolgenden ostdeutschen Sendeanstalten funktionierte. Insgesamt hatte diese Strategie aber nur bedingt Erfolg, gerade die Ausstrahlung von Kinofilmen aus aller Welt erwies sich in mehrerlei Hinsicht als problematisch. Hauptsächlich als Zugpferde für die eige-

61 [Q] Direktor für Programmplanung 1980b, S. 1. Hervorhebung im Original. 62 Hier und im Folgenden: [Q] Direktor für Programmplanung 1984, S. 2-4.

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nen Sendungen ins Programm genommen, setzten diese Filme Maßstäbe, an denen sich selbstproduzierte Beiträge messen lassen mussten, was die Programmplaner durchaus reflektierten: »Je massenwirksamer das internationale Angebot in unserem Programm ist, um so größer ist für die von uns selbst produzierten Sendungen die Chance, auf ein grundsätzlich unserem Programm gegenüber aufgeschlossenes Publikum zu stoßen, um so härter sind jedoch seine Qualitätsmaßstäbe.« Aber die westliche Konkurrenz, die man sich ins eigene Programm geholt hatte, bestach nicht nur durch eine hohe Qualität, an der die DDR-Sendungen oft scheiterten. Sondern die Spielfilme waren auch im günstigsten Fall ›unpolitisch‹, sozialistische Ideologie spielte in ihnen selbstverständlich keine Rolle. Dieses Vorgehen stieß bei manchem linientreuen Genossen auf Unverständnis, wie der Direktor für Programmplanung H. Jentner im Nachhinein einräumte und gleichzeitig die politische Notwendigkeit eines attraktiven Programms verteidigte: »Die anfänglich bei manchen Leitern, Künstlern und Publizisten vorhandenen Zweifel an der Richtigkeit einer alternativen, voll auf Massenwirksamkeit orientierten Programmgestaltung sind im Ergebnis der von der Parteiorganisation geleisteten Erziehungsarbeit wie auch der praktischen Erfahrungen wenn auch nicht völlig überwunden, so doch wesentlich zurückgedrängt worden. Diese praktischen Erfahrungen belegen, daß ein Programm, für dessen Konzipierung und Bau die Massenwirksamkeit zum zentralen Kriterium gemacht wird (natürlich immer davon ausgehend, daß wir dieses Programm gestalten), den besten Beitrag zur ideologischen Arbeit leistet. Es ist seit dem 13.12.1982 keinesfalls zu einer ›Entideologisierung‹ des Programms gekommen.«63 Gegen den Vorwurf des Ideologie-Verlustes musste sich das Fernsehen nicht nur in den eigenen Reihen wehren, der »Klassenfeind« schlug in dieselbe Kerbe. Der Agitationsabteilung lag die Mitschrift64 eines Deutschlandfunk-Beitrages vom 22. Februar 1983 vor, der über die neue Programmstruktur im DDR-Fernsehen berichtete. Dort fragte der Kommentator Gottfried Paulsen: »Aber nun zwischen ›Frau Luna‹, Jack London und Rockmusik, wo bleibt die Politik?« Gleichzeitig entlarvte und belächelte der Radiobeitrag die ideologische Strategie, die hinter der alternativen Programmreform steckte: »Um zu verhindern, daß sich der Klassenfeind auf Filzlatschen ins Heim des DDR-Bürgers einschleicht, so sieht es die SED, soll dem Entspannungs- und Unterhaltungsbedürfnis der Werktätigen mehr stattgegeben werden. Ganz listig will man nun den Klassenfeind mit seinen eignen Waffen schlagen. Mit seinen Krimis, Komödien, Dramen, mit den großen Regisseuren und Mimen aus dem kapitalistischen Westen. Dem muß man dafür zwar Devisen zahlen, aber sie werden schließlich im ideologischen Kampf ausgegeben, und das ist eine gute Investition. Doch ist zu zweifeln, ob die Rechnung aufgeht. Nach allen Erfahrungen dürfte die Befriedigung des Wunsches nach mittelmäßiger und gehobener Unterhal-

63 [Q] Direktor für Programmplanung 1983a, S. 3. Hervorhebung im Original. 64 Mitschrift des Staatlichen Komitees für Rundfunk, Redaktion Monitor. Hier und im Folgenden [Q] Paulsen 1983, S. 1-2.

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tung kaum einen Einfluß auf die politische Gesinnung des einzelnen Bürgers haben.« Die Forschung zur Medienrezeption in der DDR bestätigt Paulsens Einschätzung insofern, dass viele Zuschauer das Fernsehen vor allem als Mittel zur Entspannung genutzt und die politischen Inhalte dabei wenig beachtet haben.65 Die Parteiführung – mit Honecker an der Spitze – beurteilte dies aber völlig anders und hielt strikt am ideologischen Auftrag des Fernsehens fest. Eberhard Fensch erinnert sich an die Zeit zwischen 1982 und 1984: »Fortan wollen wir uns stärker als bisher an den tatsächlichen Bedürfnissen der Zuschauer orientieren als an dem, was wir gemeinhin als politischen Bildungsauftrag verstehen. Das Fernsehen ist nach Honeckers Verständnis – was uns Herrmann auch immer wieder explizit mitteilt – ›Teil des Parteiapparates und wie eine Abteilung des Zentralkomitees zu behandeln‹. Daran ändert sich nichts. Nur: Es soll interessanter, zuschauerfreundlicher umgesetzt werden.«66 Um das Agieren in der Konkurrenz näher analysieren zu können, wird im Folgenden auch für die letzte hier behandelte Zeitphase das Selbstbild der DDR-Fernsehführung mit Hinblick auf den erteilten politischen Auftrag rekonstruiert. Neben einer Skizzierung der politischen Indoktrinierung im zeitlichen Umfeld der Programmreform67 liegt der Fokus auf der Entwicklung in den Folgejahren. 6.2.4 F ERNSEHEN VON S OZIALISMUS

»T RENNLINIE K APITALISMUS «

AN DER UND

Betrachtet man das in den 1980er Jahren im DDR-Fernsehen ausgestrahlte Programm, insbesondere das Angebot an westlichen Filmen, Serien und anderen Unterhaltungssendungen, liegt der Schluss nah, dass die Fernsehführung einen größeren eigenen Spielraum hatte und eine gewisse Liberalisierung in Bezug auf die politische Indoktrination wäre zu vermuten. Tatsächlich lässt sich das Gegenteil nachweisen: Der politische Erwartungsdruck und die straffe Lenkung des Fernsehens durch die Parteiführung waren stärker als je zuvor. Am ehesten ist diese Entwicklung noch durch die äußeren politischen Determinanten zu erklären: Ein Wiederaufleben des Kalten Krieges und die gleichzeitig angespannte innenpolitische Lage ließen die eingefahrenen Bahnen der politischen Instrumentalisierung fortleben und wirkten sogar verschärfend auf die Situation der Fernsehschaffenden: Die zunehmend prekäre wirtschaftliche Situation der DDR (die auch die Finanzen des Fernsehens betraf) und die anhaltende politische Gängelung hatten in der Bevölkerung eine Unzufriedenheit entstehen lassen, die in Abwanderungswellen in den Westen Signale setzte. Gleichzeitig verwehrte

65 Vgl. Meyen 2003a und Meyen 2003b. 66 Fensch 2003, S. 197. 67 Vgl. ausführlicher Dittmar 2004a, S. 131-136.

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sich die DDR-Führung gegen jegliche Kritik an der eigenen Linie und instrumentalisierte die Medien für ihre ›Vogel-Strauß-Politik‹.68 Anfang der 1980er Jahre, während die alternative Programmstruktur geplant und realisiert wurde, bildeten die Beschlüsse des X. Parteitages der SED den politischen Bezugsrahmen, auf den die Fernsehführung immer wieder referierte. Dieser Parteitag brachte zwar keine neuen Impulse für die Entwicklung der DDR, verkündete er doch hauptsächlich die Fortsetzung der »Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik«. Aber Honecker hatte diese Veranstaltung, ebenso wie schon den VIII. Parteitag zehn Jahre zuvor, genutzt, um die Medien auf den Kurs der Partei einzuschwören. Ihre Funktion wurde dabei klar definiert, sie sollten nach wie vor schlagkräftige Waffen in der Auseinandersetzung mit dem Westen sein und helfen, die sozialistische Ideologie bei der eigenen Bevölkerung zu verbreiten: »Die Massenmedien spielen in unserer Zeit eine außerordentliche Rolle. Sie sind ideologische Kampfinstrumente in den Händen der Arbeiter-und-Bauern-Macht wie auf der anderen Seite in den Händen der imperialistischen Bourgeoisie.«69 Dem Fernsehen selbst wurde im Bericht des Zentralkomitees der konkrete Auftrag erteilt, die alternative Programmgestaltung zu verbessern. Ohne die geringsten Brüche wurden fünf Jahre später die Dekrete des XI. SED-Parteitags vom April 1986 als richtungweisende ideologische Doktrin in sämtliche Konzeptionen der Fernsehführung übernommen. Für alle Mitarbeiter, die nicht »das Glück hatte[n]« am Parteitag teilnehmen zu können, bedeute dies laut Adameck, dass sie »die Materialien des Parteitages, vornean den Bericht des Generalsekretärs, natürlich weiter gründlich studieren, […] diskutieren [und] realisieren« müssten.70 Allerdings hatte der Parteitag im gleichen Maße wie er keine politischen und personellen Neuerungen für die gesamte DDR bewirkte, auch in Bezug auf das Fernsehen vor allem Kontinuität verkündet. Dabei wurde das Fernseh-Programm weniger kritisch bewertet als auf dem vorangegangenen Parteitag, wie Adameck im Kreis des Komitees versicherte: »Das Fernsehen konnte seinen Ruf verbessern und das wurde auch auf dem XI. Parteitag anerkannt. Jetzt kommt es darauf an, die Erwartungen zu erfüllen, die in das Fernsehen gesetzt werden.«71 Das sollte in bewährter Manier geschehen, schließlich hatte Honecker auch dieses Mal eine Verbesserung der alternativen Programmgestaltung gefordert. Adameck trug diesen Auftrag an die Komiteemitglieder und damit an die einzelnen Bereiche des Fernsehens weiter. Er

68 In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre findet sich beispielsweise immer wieder die fast beschwörend wirkende Formel, dass das Fernsehen zu dokumentieren hätte, dass das »Vertrauensverhältnis zwischen Partei und Volk noch nie so eng war wie heute« ([Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1986a, S. 1). 69 [Q] Parteiorganisation der SED, Fernsehen der DDR, Zentrale Parteileitung 1982, S. 1. 70 [Q] Adameck 1986, S. 1. 71 Hier und im Folgenden: [Q] Sekretär des Komitees 1986, S. 5.

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verlangte eine zuschauerfreundlichere Programmgestaltung: »Der Kundendienst, auch der politische, muß verbessert werden.« Das Programm hätte die Beschlüsse, Aufgaben und Ideen des XI. Parteitags offensiv zu verbreiten: »Der Kurs des Parteitags ist noch attraktiver und lebendiger durch das Fernsehen zu vertreten.« Die Selbstverpflichtungen nach dem Parteitag waren gleichlautend zu denen der vorangegangenen Jahre und hätten sich möglicherweise genauso nach dem folgenden Parteitag wieder ›aus der Mottenkiste‹ holen lassen – wäre der XI. Parteitag nicht der letzte in der Geschichte der SED gewesen.72 So sah das DDR-Fernsehen bis zur Wende 1989 seine Aufgabe als »Chronist der Erfüllung der Beschlüsse des XI. Parteitages«73. Die eigene politische Funktion als Sprachrohr der Partei wurde von der Führungsebene des Fernsehens in den 1980er Jahren insgesamt noch häufiger als in den vorangegangenen Jahrzehnten thematisiert und in Untergebenenmanier positiv bewertet. Ausdrücklich wurde 1982 auf die Konstanz der Medienpolitik verwiesen, unabhängig von der Entwicklung der Deutschlandpolitik – anscheinend war man durch das Wiederaufleben des Kalten Krieges auf neue Konstellationen gefasst: »Die Verantwortung der Fernsehleitung und des Fernsehkollektivs […] verlangt: das Machtinstrument, das uns die Partei anvertraut hat, täglich politisch absolut sicher zu handhaben; unter allen Bedingungen, auch bei jähen Wendungen in der Klassenauseinandersetzung, alle Aufträge der Parteiführung, unseres Generalsekretärs Genossen Honecker vollständig auszuführen.«74 Wie weit diese politische Eingebundenheit ging und wie umfangreich die vom Fernsehen selbst zugebilligte Einflussnahme der politischen Instanzen war, davon zeichnet die Selbstverpflichtung im »Arbeitsplan« des Fernsehkomitees ein Bild: »Die politische Führungstätigkeit des Staatlichen Komitees sichert unter Leitung des Vorsitzenden die präzise Erfüllung der Beschlüsse des X. Parteitages, der Plenarsitzungen des Zentralkomitees und der daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen für die Fernseharbeit sowie aller Festlegungen und Weisungen der Parteiführung in hoher Qualität. Von der konzeptionellen Vorarbeit bis zur Sendung, über die Planung, die Wochenrapporte und die täglichen Rapporte wird auf der Grundlage des Politischen Kalenders, der Informationen und Argumentationen die parteilich zuverlässige, einheitliche und geschlossene politische Führung des Programms in jeder Sendeminute gewährleistet und straff kontrolliert.«75 Das Fernsehen war nach wie vor in erster Linie ein ausführendes Organ der Parteiführung und eingeschränkt in eigenen Entscheidungen. Diese offizielle Sichtweise hatte sich auch im letzten Jahrzehnt der DDR nicht geändert. In dem Punkt gab es keinen Spielraum für Kritik

72 Der nächste reguläre Parteitag hätte 1991 stattfinden sollen, wurde dann auf 1990 vorverlegt und letztlich abgesagt. Die Vorbereitungen der Fernsehführung für diesen geplanten XII. Parteitag liefen aber bereits seit 1987. 73 [Q] Programmplanung 1987, S. 4. 74 [Q] Leucht et al. 1982, S. 3. 75 [Q] Sekretär des Komitees 1981, S. 1.

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oder Diskussionen, was Heinz Geggel 1985 noch einmal klar formulierte: »Wir haben und brauchen im Fernsehen, daran hat es eigentlich nie Zweifel gegeben, eine bedingungslose Verwirklichung der Politik der Partei, der Beschlüsse der Partei. Darüber gibt es überhaupt keine Debatte. Und die hat es auch nie gegeben, und das ist richtig so.«76 Um diese ›bedingungslose Verwirklichung der Politik der Partei‹ zu gewährleisten, wurden die Führungsstrukturen des Fernsehens permanent überprüft und häufig genug kritisiert. In der Analyse »Zur Arbeit des Fernsehens der DDR« wurde 1982 personelle Fehlersuche betrieben, wobei die Abteilung Agitation die Ursachen für falsche Entscheidungen in der Programmgestaltung klar bei den Mitarbeitern vor Ort sah. Oft wären persönliche Verantwortlichkeiten unklar, was dazu führte, dass wichtige Entscheidungen »gar nicht, zu spät oder nicht verbindlich genug getroffen«77 würden. Adameck wurde ein noch strafferer Führungsstil angeraten und darauf verwiesen, dass der »Produktionsorganismus des Fernsehens […] Kombinatscharakter« trüge. Die Fernsehproduktion hätte demnach eine Größenordnung erreicht, »die objektiv nur noch mittels einer straffen, wissenschaftlich fundierten Führungstätigkeit beherrschbar« wäre.78 Angesichts dieser Ermahnungen forderte Adameck kurze Zeit später von seinen Mitarbeitern erneut loyale Gefolgschaft sowie die Übernahme persönlicher Verantwortung durch die Bereichsleiter. Allen Komiteemitgliedern und dem Sekretariat der Zentralen Parteileitung wurde das »Grundprinzip sozialistischer Leitungstätigkeit« nochmals nachdrücklich ans Herz gelegt: »Es ist ähnlich wie bei der Armee. Der Vorsitzende muß sich voll auf seine Leiter verlassen können, wie ein Feldherr auf seine Kommandeure.«79 Dieser ›Feldherr‹ wiederum beteuerte seine eigene Zuverlässigkeit dem ersten Mann im Staat. In einem Brief an Honecker hatte Adameck schon 1980 bekräftigt: »Ich kann Dir im Namen unseres Parteiaktivs versichern, daß sich das Zentralkomitee unter Deiner Führung auf unsere Parteiorganisation und unsere Belegschaft voll verlassen kann.«80 Er gab Honecker in diesem Brief eine persönliche Garantie für die ideologische Zuverlässigkeit des Fernsehens: »Ich betrachte es als meine persönliche Verantwortung, politische Sicherheit des Fernsehprogramms in allen Teilen dem Zentralkomitee und Dir strikt zu garantieren.« Dass das Fernsehen gegenüber der Parteiführung absolut zuverlässig zu sein hatte, wurde in den 1980er Jahren wiederum in erster Linie mit seiner entscheidenden Bedeutung in der ideologischen Systemauseinandersetzung begründet. Diese wurde, besonders in der ersten Hälfte

76 [Q] Geggel 1985, Blatt 12. 77 Hier und im Folgenden: [Q] Abteilung Agitation 1982, S. 3-4. 78 Die Abteilung Agitation verwies dabei auf insgesamt 7.500 Fernsehmitarbeiter, die zu diesem Zeitpunkt in 120 Berufsgruppen und an 60 räumlich voneinander getrennten Produktionsstätten arbeiteten und jährlich 12.000 Sendungen herstellten. 79 [Q] o.N. 1982a, S. 7. 80 Hier und im Folgenden: [Q] Adameck an Honecker, 16.06.1980.

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des Jahrzehnts, als zugespitzt empfunden und verbalisiert, was durchaus den politischen Gegebenheiten der erneuten Ost-West-Spannungen entsprach. Fernsehfunktionäre wie Leucht, Sauer, Schmotz und Liebeskind beschrieben dementsprechend die herausgehobene Bedeutung des Fernsehens: »An der Trennlinie von Sozialismus und Kapitalismus, von der NATO und den Staaten des Warschauer Vertrages, ist unter allen Bedingungen zu gewährleisten, daß sich die Partei stets auf das Instrument Fernsehen verlassen kann, daß es sicher und zuverlässig geführt und gehandhabt wird.«81 Und Heinz Geggel bestärkte sie 1986 in dieser Auffassung: »Seine Funktion übt unser Fernsehen aus als Teil der Funktion der sozialistischen Deutschen Demokratischen Republik an der Trennlinie zum Imperialismus mit dem Nachbarstaat Bundesrepublik Deutschland als der Hauptmacht des Kapitalismus auf dem europäischen Kontinent. […] In diesem Spannungsfeld des Kampfes zwischen Sozialismus und Kapitalismus, in dieser Aufgabe, hier in der DDR einen solchen realen Sozialismus geschaffen zu haben und weiter zu schaffen, der ausstrahlt nach Westeuropa und vor allem in die Bundesrepublik Deutschland – da hinein gehört die Aufgabenstellung des Fernsehens der Deutschen Demokratischen Republik.«82 Auch wenn in den ideologischen Leitlinien weiterhin festgehalten wurde, dass der Sozialismus in der DDR Missionscharakter in Richtung Westen hatte – vom Fernsehen wurde dies nicht mehr erwartet. Die Westzuschauer waren für offizielle Statistiken und fernsehinterne Verlautbarungen schlicht nicht mehr existent. Eine der wenigen nachweislichen Ausnahmen stellt die bereits angesprochene Schlussrede Heinz Geggels 1985 vor den Fernsehgenossen dar, in der er auch das westliche Publikum als Ansporn zu qualitativen Leistungen aufführte, um deren Gunst man mit dem Westfernsehen konkurrieren würde: »Wir müssen so eine Qualität sichern, daß die Leute Interesse haben an unserem Programm, auch über unsere Grenzen hinaus, in Westberlin, in den Randgebieten zur DDR. Wir wollen auch bei ihnen eindringen, mit unseren Ideen, mit unserer Friedenspolitik, mit den Vorzügen unserer sozialistischen Gesellschaftsordnung. […] So sehe ich die Aufgabe, diese Auseinandersetzung mit dem Westfernsehen zu führen.«83 Geggels in diesem Kreis formulierte Zielstellung war aber insgesamt in der hier betrachteten Phase des DDR-Fernsehens vernachlässigbar – der sich aus der so empfundenen ›Systemkonkurrenz‹ abgeleitete Auftrag an das Fernsehen war ein anderer: Wie schon in den 1970er Jahren lag der Fokus beim DDR-Zuschauer und dessen zu fördernder Verbundenheit mit dem eigenen Staat. Vor allem die eigenproduzierten Filme, Shows und Magazine hatten identitätsstiftend zu wirken; sie sollten dazu beitragen, die Zuschauer in das Programm einzubeziehen, dem Programm Ratgebercharakter zu verleihen und dafür zu sorgen, »daß die Zuschauer unser Fernsehen als ihr Fernsehen betrach-

81 [Q] Leucht et al. 1982, S. 154. 82 [Q] Geggel 1986, S. 134-135. 83 [Q] Geggel 1985, Blatt 9.

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ten«84. Es galt die wiederkehrende Devise, dass sich die zwei DDRSender als »volksverbundenes Fernsehen [zu] profilieren«85 hätten. Diese Aufgabe war keine leichte und eine sehr politische obendrein. Es verwundert daher wenig, dass im gesamten Jahrzehnt diesbezüglich Verbesserungen angemahnt wurden. Im Plan für 1986 hieß es, dass ein Wirkungszuwachs des Fernsehens daran zu messen wäre, wie es gelänge, bei den Zuschauern »ein Gefühl echter Lebensfreude und gesunden Optimismus zu erreichen und zu bestärken – das Gefühl, in dieser sozialistischen Gesellschaft, in diesem Lande zu Hause und geborgen zu sein.«86 Angesichts der ständig wachsenden Zahl ausreisewilliger DDR-Bürger – zwischen 1984 und 1988 verließen mittlerweile bis zu 40.000 jedes Jahr ihr Land – war die Förderung des Heimatgefühls unter der Bevölkerung ein ebenso dringlicher wie schwieriger Auftrag. Mit Blick auf die Politik gegenüber der Bundesrepublik (im SEDJargon »Politik des Dialogs« bzw. »Friedens- und Dialogpolitik unserer Partei«) war das Fernsehen mit der Aufgabe betraut, dem Publikum den veränderten diplomatischen Umgang beider Länder verständlich zu machen. Dies galt insbesondere für die tägliche Nachrichtensendung Aktuelle Kamera. Die Annäherung, welche in wechselseitigen Staatsbesuchen gipfelte, weckte in der DDR-Bevölkerung Hoffnungen, die es wiederum mit Hilfe des Fernsehens zu zerstreuen galt: »Das Programm unseres Fernsehens muß den Zuschauern helfen, sich in der zugespitzten Klassenauseinandersetzung zurechtzufinden.«87 An diesem Auftrag scheiterte das DDR-Fernsehen – jedenfalls im Sinne der ideologischen Intention, was vor allem die niedrigen Einschaltquoten für die Aktuelle Kamera und andere politische Sendebeiträge belegen. Allerdings gab es auch Ausnahmen und eine sollte hier Erwähnung finden, da sie den Gegenstand dieser Arbeit in mehrfacher Hinsicht berührt: Als Bundeskanzler Helmut Schmidt Ende 1981 die DDR besuchte, schnellten die Zuschauerzahlen der Aktuellen Kamera (19:30 Uhr im ersten Programm) in nie gekannte Höhen: Am 11. und 12. Dezember lagen sie bei über 36 Prozent, am 13. Dezember sogar bei 50,4 Prozent.88 Nach den Erhebungen des Fernsehens standen diesem Ergebnis die durchschnittlichen Quoten der Nachrichtensendung von sieben bis 18 Prozent gegenüber, wobei die Schätzung im einstelligen Bereich realistischer anmutet. Diesen »bemerkenswerten Vorgang« berichtete Eberhard Fensch umgehend seinem Vorgesetzten Joachim Herrmann, versehen mit dem Hinweis, dass dies »absolut einmalige Zahlen in der Geschichte der Aktuellen Kamera« waren. Fensch belässt es allerdings bei der reinen Tatsachenübermittlung. Eine irgendwie geartete Bewertung oder Interpretation dieser Ergebnisse verbot sich wohl von selbst, hätte man sich dabei doch eingestehen

84 [Q] Direktor für Programmplanung 1984, S. 3. 85 [Q] Programmplanung 1987, S. 3 86 [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1985, S. 46. 87 [Q] Direktor für Programmplanung 1983b, S. 3. 88 Hier und im Folgenden: [Q] Fensch an Herrmann, 06.01.1982.

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müssen, dass das Interesse der DDR-Bürger am Nachbarn und den deutsch-deutschen Beziehungen offensichtlich ungebrochen groß war. Gleichzeitig muss es die ostdeutschen Zuschauer besonders interessiert haben, wie das eigene Fernsehen den Besuch darstellte, die Fakten (bzw. deren Interpretation durch die bundesdeutschen Journalisten) hätten sie schließlich auch der Tagesschau oder der heute-Sendung entnehmen können. Ein ähnliches Interesse, begründet in vergleichbaren Motiven des Publikums, erreichte die Aktuelle Kamera erst knapp acht Jahre später wieder, im Wendeherbst 1989. Zu diesem Zeitpunkt fand das DDR-Fernsehen mit seinen täglichen Nachrichten und Sondersendungen auch über einen wesentlich längeren Zeitraum als nur an drei Ausnahmetagen sein Publikum. Damit erreichte es schließlich das in den 1980er Jahren immer wieder aufgestellte Ziel, eine echte Orientierungsfunktion für die Zuschauer im Klassenkampf mit dem ›Gegner‹ zu sein – indem es das Ende eben dieses Klassenkampfes dokumentierte.

6.3 »Ätherkrieg« in der »Kommunikationsgesellschaft«. Das Feindbild angesichts neuer Technologien und Programme 6.3.1 I M W ESTEN VIEL N EUES . I NFORMATIONSFLUSS ZWISCHEN F ERNSEHFÜHRUNG , A BTEILUNG A GITATION , M F S UND P OLITBÜRO Wenn im vorangegangenen Kapitel gezeigt werden konnte, dass die Einführung der alternativen Programmstruktur im DDR-Fernsehen nicht allein durch westliche Entwicklungen ausgelöst wurde, bedeutet das nicht, dass die ostdeutsche Fernsehführung über die anstehenden Veränderungen der bundesdeutschen Medienlandschaft nicht informiert war. Ganz im Gegenteil: Das ›bewährte‹ Beobachtungssystem der Westmedien, das in den 1960er Jahren systematisch aufgebaut und in den 1970er Jahren effizienter gestaltet worden war, wurde in diesem Jahrzehnt sogar noch einmal erweitert. Insbesondere die beauftragten Einheiten der Staatssicherheit häuften Berichte und Informationssammlungen in nicht gekanntem Umfang und einer Detailversessenheit an, die letztendlich in keinem Verhältnis zu einem irgendwie gearteten ›Nutzen‹ dieser Erkenntnisse gestanden haben konnten. Die Menge an überliefertem Material lässt auf besonders große personelle Ressourcen schließen, die gebunden wurden, um diese Berichte zu verfassen. Welche Zwecke die vor allem durch das eigene Feinbild verzerrten und immer der Ideologie des Klassenkampfes untergeordneten Einschätzungen auch erfüllten – einen echten Vorteil im »Ätherkrieg«89 haben sie bei weitem nicht gebracht. Trotzdem soll im Folgenden dargestellt werden, welche neuen Akzente es bei der Beobachtung westlicher Rundfunkmedien in den 1980er Jahren gegeben hat, welchen fernsehinternen und -externen Quellen die vorliegen-

89 [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Abteilung Agitation 1981, S. 3.

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den Erkenntnisse entstammten und wie sie das herrschende Feindbild von den Programmen des Westfernsehens überformten. Es waren in erster Linie die Etablierung des dualen Rundfunksystems und technische Neuerungen wie der Satellitenempfang, die im Osten für Gesprächsstoff in den informierten Kreisen der hochrangigen Medienfunktionäre sorgten. Seit Ende der 1970er Jahre interessierten sich das Fernsehkomitee und die Abteilung Agitation brennend für die geplanten Umstrukturierungen im Fernsehen der Bundesrepublik.90 Die Informationen über diese Vorgänge stammten größtenteils aus der Feder verschiedener Abteilungen der Staatssicherheit sowie des IPW und wurden nachweislich der eigenen Fernsehführung zur Verfügung gestellt. Möglicherweise wollten die beteiligten Institutionen damit den Wettbewerb zwischen den deutschen Programmen zu Gunsten des DDR-Fernsehens beeinflussen, namentlich in Zeiten, wo die westliche Konkurrenz noch stärker zu werden drohte. Dies ist im Wesentlichen nicht gelungen, was vor allem an den eingeschränkten Möglichkeiten des DDR-Fernsehens lag, auf die Entwicklungen im Westen zu reagieren. Auch die starre politisch-ideologische Instrumentalisierung des Fernsehens trug zu diesem Scheitern bei. Keinesfalls war ein gestörter Informationsfluss zwischen den Institutionen, die systematisch die westliche Medienlandschaft beobachteten und analysierten, und den ostdeutschen Fernsehverantwortlichen der Grund für den Misserfolg. Dieser Informationsfluss schien im Gegenteil gut funktioniert zu haben. Eberhard Fensch, verantwortlich für Fernsehen und Hörfunk in der Abteilung Agitation, versorgte die Fernsehführung regelmäßig mit Material des MfS über die konkreten Vorbereitungen von ARD und ZDF auf die möglicherweise anstehende private Konkurrenz. So sendete er beispielsweise 1980 ein Material an Joachim Herrmann zurück, welches er »[a]uftragsgemäß […] mit der Leitung des Fernsehens ausgewertet«91 hätte. Die betreffende Information des MfS vom 12. August 1980 gibt u. a. Auskunft über die Pläne von ARD und ZDF zu einem gemeinsamen bundesweiten Vormittagsprogramm sowie die internationalen Spielfilmankäufe der ARD und die Spielfilmplanung des ZDF. In der Regel lief die Auswertung des Stasi-Materials folgendermaßen ab: Die Abteilung Agitation erhielt Originalberichte des MfS von Heinz Geggel, die dann von Fensch bearbeitet wurden. Diese Berichte enthielten, so betonte Fensch mehrfach, für die Abteilung neue, vorher nicht bekannte Informationen bzw. ergänzten Bekanntes um neue Aspekte. Fensch schickte daraufhin erstens Zusammenfassungen an seinen Chef Joachim Herrmann und leitete zweitens »[a]lle wichtigen Hinweise aus dem Ausgangsmaterial«92 an Heinz Adameck weiter. Of-

90 Spätestens seit die Ministerpräsidenten im Mai 1978 die Einführung von Kabelpilotprojekten beschlossen hatten, wurde in der Bundesrepublik eine breite Debatte geführt, die die neuen Technologien in einen argumentativen Zusammenhang mit dem Beginn von kommerziellen Programmen brachten. Vgl. Hickethier/Hoff 1998, S. 320-322. 91 [Q] Fensch an Herrmann, 03.09.1980. 92 [Q] Fensch an Herrmann, 04.02.1982, S. 2.

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fiziell erfuhr Adameck nicht, woher die Berichte stammten, die strenge Auflage zur Vertraulichkeit und der Hinweis auf Quellengefährdung dürften ihm aber Anhaltspunkte genug gewesen sein. So hieß es beispielsweise in einem Begleitbrief Fenschs an Adameck: »Es ist wichtig, daß niemand erfährt, woher dieses Material kommt oder auch nur Vermutungen anstellen kann, welches die Quelle ist. Entsprechend bitte ich Dich, es zu behandeln.«93 Im Jahr 1982 erhielt Adameck auf diesem Weg erwiesenermaßen Informationen über die Pläne von ARD und ZDF zur Nutzung eigener Fernsehsatelliten,94 zu den Programmvorhaben beider Sender zum 50. Jahrestages der Machtergreifung des Nationalsozialismus im Januar 1983 sowie über die langfristigen Programmplanungen im Zeitraum bis 1984.95 Welchen Gebrauch Adameck von den Berichten machte, darauf soll weiter unten eingegangen werden. Zunächst wird noch aufgezeigt, dass die Weitergabe von Nachrichten über das westliche Fernsehen auch in die entgegengesetzte Richtung funktionierte: Mitunter bekam Eberhard Fensch Informationen aus dem Kreis der Fernsehführung und leitete diese an seinen Vorgesetzten Heinz Geggel weiter und dieser möglicherweise an das MfS. Letzteres kann allerdings nur vermutet und nicht bewiesen werden. Zwei Beispiele belegen diesen Informationsfluss: Zum einen ist überliefert, dass Fensch ein Informationsmaterial »über die Absichten der ARD auf dem Gebiet der Fernsehunterhaltung«96 an Geggel übersandte, das er wiederum von Horst Rentz, einem leitenden Mitarbeiter der Unterhaltungsabteilung des DDR-Fernsehens bekommen hatte. Wie Rentz an die Abschrift einer Presseinformation der ARD-Programmdirektion gekommen war, klärte Fensch nicht auf, er berichtete Geggel nur, dass Rentz »in dessen Besitz […] gelangt ist«. Die Pressemitteilung resümierte ein Gespräch über die Rolle der Unterhaltung im Fernsehen, zu dem am 20. November 1979 in München Pressevertreter und führende Mitarbeiter der Fernseh-Unterhaltungsabteilungen der ARD sowie der Programmdirektor Dietrich Schwarzkopf zusammengekommen waren. Dass Letzterer hier die Ansicht vertrat, der Stellenwert der Unterhaltung im Programmangebot müsste gestärkt werden, schien die Beobachter in der DDR besonders zu interessieren. Schwarzkopf verwies auf die öffentliche Diskussion in der Bundesrepublik, in der das Argument eine große Rolle spielte, dass erst das kommerzielle Fernsehen dem Zuschauer vielfältige Unterhaltung bringen würde. Im DDR-Feindbild der bundesdeutschen Medien spielten die unterhaltenden Fernsehformate seit Jahrzehnten eine herausgehobene Rolle.97 Die westlichen Unterhaltungssendungen wurden dabei in einem

93 [Q] Fensch an Adameck, 18.05.1982. 94 Vgl. ausführlicher Dittmar 2004a, S. 155. 95 Vgl. [Q] Fensch an Herrmann, 15.06.1982 und [Q] Fensch an Adameck, 18.05.1982. 96 Hier und im Folgenden: [Q] Fensch an Geggel, 17.01.1980. 97 In den 1980er Jahren wurde dieser Diskurs zudem in einem quasiwissenschaftlichem Umfeld weitergeführt. Verwiesen sei hier auf das Kapitel »Unter-

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pseudowissenschaftlichen Diskurs immer wieder als versteckte Ideologievermittler ›enttarnt‹. Zugleich befürchteten die Medienfunktionäre zu verschiedenen Anlässen, dass ARD und ZDF danach streben würden, ihre Programme unterhaltsamer zu gestalten, um damit die Massenbeeinflussung und Manipulation der eigenen Bevölkerung auszubauen sowie gleichzeitig ihre Wirkung auf die DDR-Zuschauer zu erhöhen. Anfang der 1980er Jahre waren diese beiden schon historischen Aspekte des Feindbildes vor dem Hintergrund der Umstrukturierungen westdeutscher Rundfunkmedien quasi aktueller als je zuvor; und Aussagen wie die oben aufgeführten von Schwarzkopf scheinen die ostdeutsche Paranoia perfekt bedient zu haben. Das zweite Beispiel beweist, dass leitende Genossen des Fernsehens die verstärkte Kooperation98 bzw. die Möglichkeiten für Gespräche mit Vertretern von ARD und ZDF nutzten, um Erkenntnisse über die Pläne der Anstalten zu ›gewinnen‹. So hatte Adameck den Intendanten des ZDF, Dieter Stolte, am 20. Mai 1985 anlässlich eines Empfangs zur Einführung des neuen Korrespondenten Werner Brüssau getroffen. Was Adameck im Gespräch mit Stolte über dessen Pläne zur Etablierung der aktuellen Programmstruktur und zur Profilierung der Informationssendungen erfuhr, gab er an Heinz Geggel weiter. Geggel wiederum informierte Joachim Hermann über die Aussagen Stoltes.99 Gleichzeitig schien Geggels Interesse an der Kooperation zwischen dem DDR-Fernsehen und den öffentlich-rechtlichen Anstalten der Bundesrepublik geweckt worden zu sein, denn er beauftragte Adameck mit einer diesbezüglichen Analyse und daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen. Eine Woche später übersandte Adameck pflichtschuldig eine »Information über den Stand der Beziehungen mit den BRD-Fernsehorganisationen ARD und ZDF«100. Darin heiß es, dass sich die Beziehungen auf den An- und Verkauf von Programmen und auf die Gewährung kommerzieller Dienstleistungen erstrecken würden. Zudem leistete man gegenseitige Unterstützung für Korrespondenten und Berichterstatter. Der Umfang der Geschäfte mit dem ZDF wäre im Verhältnis zur ARD seit Jahren relativ gering. Genaue Daten über den Export von DDRFernsehprogrammen waren beigefügt. Durch die intensivere Kooperation in den folgenden Jahren musste Adameck noch mehrmals Rapport über die Zusammenarbeit mit den

98

99 100

haltung unter den Bedingungen des ideologischen Kampfes« in Peter Spahns Standardwerk »Unterhaltung im Sozialismus«, vgl. Spahn 1980, S. 130-145. Die Thematisierung von Unterhaltung im Verständnis der Arbeiterbewegung sowie in der sozialistischen Lebenswelt kam offensichtlich nicht aus, ohne das Zerrbild der »imperialistischen Unterhaltungsindustrie« (S. 133) zu bemühen. Zu den veränderten Rahmenbedingungen der Kooperation zwischen ostund westdeutschen Fernsehstationen sowie der Kommerzialisierung der Beziehungen vgl. Lee 2003, S. 225-352. Vgl. [Q] Geggel an Hermann, 28.05.1985 sowie abgedruckte Zitate in Dittmar 2004a, S. 144. [Q] Adameck an Geggel, 03.06.1985.

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westdeutschen Fernsehsendern leisten, was wiederum an die Weitergabe aller gesammelten Daten über die Kooperationspartner gekoppelt war. So informierte Adameck 1987 Herrmann ausführlich über das Fernsehabkommen zwischen dem DDR-Fernsehen sowie ARD und ZDF.101 Dieses Abkommen wurde auf Beschluss des Sekretariats des ZK der SED vom 8. April 1987 möglich. Für das ostdeutsche Fernsehen unterzeichnete Adameck am 6. Mai den Vertrag, für die ARD ihr Vorsitzender Willibald Hilf und für das ZDF Intendant Dieter Stolte. Die Schilderung seines persönlichen Eindrucks vom Zeremoniell der Vertragsunterzeichnung musste der Abteilung Agitation vor Augen führen, dass die Kooperation dem gesamten Ansehen der DDR diente und das ostdeutsche Fernsehen als gleichrangiger Partner behandelt wurde. Adameck berichtete, dass ARD und ZDF »die Fahnen beider Staaten« zeigten, im ZDF »war die DDR-Fahne vor dem Hauptgebäude aufgezogen«. Diese Symbolik wurde besonders herausgestellt, schien sie doch öffentlichkeitswirksam die völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik zu beweisen, die es im vollen Umfang jedoch nie gegeben hat. Gleichzeitig war man für die zeremoniellen Gesten besonders sensibilisiert, schließlich sollte Honecker selbst wenige Monate später die Bundesrepublik besuchen – und auch bei diesem Anlass scheuten die Institutionen der Bundesrepublik sich nicht vor protokollarischen Ehren für den DDR-Staatschef. Detailliert gab Adameck weiterhin Auskunft darüber, welches Interesse die bundesdeutschen Anstalten auch zukünftig an der Übernahme von DDR-Programmen und einer Zusammenarbeit auf künstlerischdramatischem Gebiet – bis hin zu möglichen deutsch-deutschen Koproduktionen – hätten. Er schilderte dabei immer wieder seine eigene Reaktion auf die Wünsche und Angebote von Hilf und Stolte und erklärte, er hätte freundlich auf die innerstaatliche Regelung verwiesen, die hierfür Genehmigungen durch das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) voraussetzten. Weiterführende Projekte wie Koproduktionen würden zudem gesonderter Vereinbarungen bedürfen. Es war Adameck also wichtig ›nach oben‹ zu kommunizieren, dass er den Spielraum, der ihm von der SED-Führung eingeräumt wurde, ausnutzte – ohne seine Kompetenzen zu überschreiten. Zugleich leitete Adameck alle Eindrücke weiter, die er während des Besuchs beim ZDF in Mainz und bei der Besichtigung des Südwestfunks in Baden-Baden gewinnen konnte: von der Auflistung aller leitenden Personen, die an den Gesprächen beteiligt waren bis hin zur Einschätzung, dass es sich bei dem Sendezentrum in Mainz um das modernste in Europa handelte. Seiner Schilderung konnte Adameck noch zwei Berichte anfügen, die auflisteten, was die Delegation zusätzlich in Erfahrung bringen konnte: Der Report »Einige Fakten über technische, materielle und finanzielle Fonds von ZDF und ARD« beinhaltete detaillierte Daten über die westdeutschen Anstalten als sachli-

101

Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Adameck an Herrmann, 11.05.1987, S. 1-4 sowie die Anlagen 1-2. Zu den Einzelheiten des Fernsehabkommens vgl. Lee 2003, S. 265-276.

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che, unkommentierte Informationen. Die Darstellung »Einige Meinungen und Fakten von leitenden Mitarbeitern der ARD und des ZDF zu der zukünftigen Medienentwicklung in der BRD« prognostizierte u. a. die Weiterentwicklung des Satelliten- und Kabelfernsehens, der Tontechnik und des computergesteuerten Fernsehbetriebes. Insgesamt waren es umfangreiche Erkenntnisse aus erster Hand, die Adameck Herrmann zur Verfügung stellen konnte. Dass diese wirklich als bedeutsam eingeschätzt wurden, beweist die Tatsache, dass Herrmann den kompletten Bericht umgehend an Honecker weiterleitete.102 Aber noch einmal zurück zu den Erkenntnissen, die die verschiedenen Institutionen über die Entwicklungen im bundesdeutschen Mediensystem einige Jahre zuvor gesammelt hatten. Auch diese Informationen wurden nicht nur an die Leitung des Fernsehens übermittelt, sondern gleichfalls der DDR-Staatsführung zur Verfügung gestellt. Diese schien sich explizit für die Einführung des dualen Rundfunksystems interessiert zu haben: Herbert Häber, seit 1971 Direktor des IPW und ab 1973 Leiter der Westabteilung des ZK, übersandte Honecker am 7. Dezember 1984 die Materialien »Zum Stand der Einführung von privatkapitalistischem Hörfunk und Fernsehen in der BRD und in Westberlin«103. Häber, der seit Mai 1984 auch Mitglied des Politbüros war, holte sich beim Staatschef persönlich »das Einverständnis«, diese Information, die das IPW ausgearbeitet hatte, »den Genossen des Politbüros zur Kenntnis bringen« zu dürfen. Diese Verteilung an alle Mitglieder des Politbüros zeigt, wie wichtig das Thema der DDR-Führung war. Ausführlich wurde in der »Information für das Politbüro« der bundesdeutsche Diskurs um die Einführung privater Rundfunkanbieter dargestellt, sowie die Schaffung der rechtlichen Grundlagen nachgezeichnet. Zudem wurden konkrete Vorhaben benannt, sowohl der privatwirtschaftlichen Sender (mit Sat.1 als erstem Satellitenprogramm) als auch der öffentlich-rechtlichen, die ebenfalls mit neuen Programmen aufwarten sollten (3sat). Insgesamt war dieses Papier weniger ideologiebehaftet als andere Papiere des IPW, im Vordergrund standen die recherchierten Fakten. Allerdings gingen die Verfasser davon aus, dass durch das »privatkapitalistische System […] auf die bestehenden Anstalten der ARD und des ZDF dahingehend« eingewirkt würde, »sich inhaltlich und personell noch mehr an die konservative Linie anzupassen«. Diese Tatsache wurde als alarmierend eingeschätzt, folgende Befürchtung kam hinzu: »Die Errichtung eines privatkapitalistischen Hörfunkund Fernsehsystems in der BRD eröffnet auch den multinationalen Medienkonzernen, insbesondere denen der USA, neue Möglichkeiten, sich unmittelbar an der Manipulierung der Bevölkerung der BRD und Westberlins zu beteiligen.« Interessanterweise war nicht von einer Wirkung auf die DDR-Zuschauer die Rede, hier schien man die sich deutlich abzeichnende Entwicklung der Empfangstechnik zu ignorieren – oder hoffte sie dauerhaft unterbinden zu können.

102 103

Vgl. [Q] Herrmann an Honecker, 12.05.1987. Hier und im Folgenden: [Q] Häber an Honecker, 07.12.1984.

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6.3.2 N EUE S PRACHLOSIGKEIT ÜBER DIE U NTERLEGENHEIT . D ER D ISKURS AUF E BENE DER F ERNSEHFÜHRUNG Im vorangegangenen Abschnitt wurde gezeigt, dass Informationen über die Entwicklungen in der Bundesrepublik zwischen den einzelnen Abteilungen und Gremien zirkulierten. Im Folgenden wird kurz nachgezeichnet, wie die eruierten Erkenntnisse Eingang in die Konzeptionen und den Diskurs auf Ebene des Fernsehkomitees fanden oder in einer neuen Form von ›Sprachlosigkeit‹ nicht mehr kommuniziert wurden. Die Planentwürfe und Konzeptionen im zeitlichen Umfeld der Programmreform, also Anfang der 1980er Jahre, enthielten noch zahlreiche Informationen über Stand und Entwicklung des bundesdeutschen Fernsehens. Am augenfälligsten sind die umfassenden Darstellungen in der Konzeption »Abrechenbare Schritte für einen raschen Leistungszuwachs des DDR-Fernsehens in den 80er Jahren« aus der Feder von Günter Leucht und seiner AG zur Umstrukturierung des Programms. Die dort beigefügten detaillierten Anlagen zu Programmstrukturüberlegungen von ARD und ZDF und ihren Planungen zum Satellitenfernsehen gingen dabei auf Informationen vom MfS zurück, die der Fernsehführung von der Agitationsabteilung übermittelt wurden. Die Anlage »Strukturüberlegungen von ARD und ZDF« gibt Auskunft darüber, wie sich die Fernsehführung 1982 die anstehenden Veränderungen vorstellte. Sie ging davon aus, dass ARD und ZDF zum Jahresbeginn 1984 neue Programmstrukturen einführen würden und dies die letzten wären, die beide Anstalten in einem Koordinierungsabkommen abstimmten. Mit Einführung des Satellitenfernsehens ab 1985 würde, nach Einschätzung von Leucht und seinen Mitarbeitern, die Programmgestaltung vorrangig durch gegenseitige Konkurrenz bestimmt sein.104 Aus diesem Grund wollte das ZDF ein eigenes Vormittagsprogramm entwickeln. Zudem beabsichtigte es, das Programm im neuen Sendeschema großflächiger zu gestalten, d. h. möglichst jeden Abend Sendeabläufe zu schaffen, in denen Programme in der Länge von 60 bis 120 Minuten ausgestrahlt werden könnten. Hierfür würde das heutejournal von 21:00 Uhr auf 21:45 Uhr verlegt. Zunehmend sollten Sendungen live gesendet werden, mehr Übertragungen aus Theatern sowie von sportlichen oder politischen Veranstaltungen wären geplant. Dies schien den ostdeutschen Fernsehverantwortlichen ein genereller Trend zu sein, denn sie gingen davon aus, dass auch die ARD »›Live‹ in den 80er Jahren groß schreiben« wolle. Folge davon wäre eine beweglichere Struktur, in der mehr Programmänderungen als bisher anfielen. Diese Beobachtung der westlichen Entwicklung blieb nicht ohne Folgen für die eigene Planung: Auch bei der Konzeption der alternativen Struktur spielte die Forderung, eine dynamischere Programmstruktur zu schaffen, eine wesentliche Rolle. Geggel räumte einen Zusammenhang dieses Trends in Ost und West ein, als er 1985 den Erfolg des 104

Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Leucht et al. 1982, Anlage III, 2 »Strukturüberlegungen von ARD und ZDF«, S. 1-2.

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neuen Programmschemas bewertete – allerdings nicht ohne zumindest im Ansatz einen Unterschied zu benennen bzw. die Grenzen ähnlichen Vorgehens aufzuzeichnen: »Wir glauben, daß es in den letzten Wochen und Monaten interessante Ansätze gegeben hat, eine bestimmte Routine zu überwinden, beweglicher zu werden, operativer zu werden, auch einmal das Programm zu durchbrechen. […] Im übrigen, wenn man die andere Seite beobachtet, versuchen sie auch, in dieser Richtung zu wirken, mehr Beweglichkeit in ihr Programm zu kriegen. Das führt bei ihnen fast zu Exzessen manchmal, die wir nicht mitmachen sollten. Es zeigt aber, daß auch die andere Seite nach mehr Operativität und Beweglichkeit strebt. Das hängt mit der ganzen Entwicklung, mit den politischen Notwendigkeiten zusammen, das gilt für Freund und Feind. In dieser Richtung müssen wir weiter denken.«105 Neben der Programmgestaltung waren es vor allem die Pläne westlicher Fernsehsender zur Ausstrahlung von Satellitenprogrammen, die die Fernsehführung in den 1980er Jahren beschäftigten und zu eigenen Positionierungen zwangen. In der Anlage »Vorhaben von ARD und ZDF zum Satellitenfernsehen«106 wurden genaue Prognosen über den quantitativen Ausbau der öffentlich-rechtlichen Programme aufgestellt. Diese stimmten – im Gegensatz zu den Informationen über die Programmstrukturentwicklungen von ARD und ZDF – allerdings nicht immer mit den tatsächlich realisierten Projekten überein.107 Auch wenn die Vorhersagen nicht alle zutrafen, führten sie doch zu einem erheblichen Druck auf die Fernsehführung. Sie sah sich genötigt zu erörtern, wie das Fernsehen künftig in dieser Konkurrenzsituation bestehen könnte: »Sollte der DDR in absehbarer Zeit ein geostationärer Satellit zur Ausstrahlung von Fernsehsendungen für den Direktempfang zur Verfügung stehen, entsteht die Frage, ob über die Zielstellung des X. Parteitages hinaus (zwei vollwertige alternative Programme) ein neues 3. Fernsehprogramm entwickelt werden muß, das nur über Satellit abgestrahlt wird. Unser Standpunkt ist, daß – auch im internationalen Vergleich – die Forderung nach einem solchen Programm äußerst stark werden wird und ein 3. Programm unbedingt vorbereitet werden muß.« Allerdings wurde sofort eingeräumt, dass dieses Projekt wirtschaftlich nicht zu verwirklichen war. Es fehlten Produktionskapazitäten und Valutamittel, die nötig gewesen wären, um Sendungen für ein derartiges zusätzliches Fernsehprogramm zu realisieren. Als Minimallösung wurde ein Spezialprogramm aus Nachrichten, Sport und Filmen, ausgestrahlt über Satellit diskutiert – für das freilich ebenfalls weder Geld noch Personal vorhanden war. Die resignierende Schlussfolgerung führte zu einer Verschiebung des Projekts – in eine Zukunft, von der wir heute wissen, dass es zu dieser Zeit zwar Satellitenprogramme, aber kein DDR-Fernsehen mehr gab: »Um ein 3. Fernsehprogramm vor dem Jahr 2000 nicht völlig auszuschließen, wäre es denkbar, im Zeitraum bis 1990 mit der Vorbereitung eines 3. Programms zu beginnen,

105 106 107

[Q] Geggel 1985, Blatt 5-6. Hier und im Folgenden: [Q] Leucht et al. 1982, Anlage I, S. 3 sowie S. 7-8. Vgl. ausführlicher Dittmar 2004a, S. 140-141.

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über dessen Realisierung erst in den 90er Jahren entsprechend den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten entschieden werden könnte.« Das Beispiel Satelliten-Fernsehen zeigt deutlich, wie die wirtschaftliche Schwäche dem ersehnten Gleichziehen mit der Konkurrenz Grenzen setzte. Fünfzehn Jahre zuvor war das DDR-Fernsehen mit der Einführung eines zweiten Programms (1969) zumindest noch in der Lage gewesen, quantitativ mit dem bundesdeutschen Fernsehen mitzuhalten. Zwar erreichte der zweite Sender keine mit dem ZDF in der Bundesrepublik vergleichbare Publikumswirkung, aber immerhin konnte man ein zweites, farbiges Fernsehprogramm ›vorweisen‹. In den 1980er Jahren war selbst ein solches ›pro forma‹-Gleichziehen unmöglich geworden. Die Potentiale der bundesdeutschen Medienlandschaft, zukünftig durch die Konkurrenz zwischen öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Rundfunkbetreibern weiter ausdifferenziert, und die des ›Staatsfernsehens‹ der DDR differierten mehr als jemals zuvor. Derart frustrierende Erfahrungen waren für das DDR-Fernsehen auch ›im Kleinen‹ im hier behandelten Jahrzehnt eher die Regel als die Ausnahme. Schon im Umfeld der ersten Programmreform 1971/72 war die wirtschaftliche, personelle und technische Überlegenheit des bundesdeutschen Fernsehens zu vielen Anlässen beklagt worden. Dabei wurden häufig Vergleiche zwischen den beiden Konkurrenten angestellt, die diese Ungleichheit bis in kleinste Details belegten. Solche gegenüberstellenden Berechnungen finden sich im überlieferten Fernsehschriftgut der 1980er Jahre nicht mehr. Mit der fortschreitenden technischen Entwicklung hatte das DDR-Fernsehen nicht aufholen können, sondern war immer weiter ins Abseits geraten. Eine Thematisierung dieses Mankos erfolgte nur noch punktuell und besonders in Fällen, wo man mit gleichen Inhalten um die Zuschauer konkurrierte. So wurde u. a. in mehreren Konzeptionen zur Berichterstattung von Olympischen Spielen die technische und finanzielle Dominanz des Westfernsehens gesondert herausgehoben. Es hieß beispielsweise in Vorbereitung auf die Olympischen Winterspielen 1984 in Sarajevo geradezu neidvoll: »Der Gegner scheut weder Mittel noch Mühen und dürfte auch die von JRT angebotenen Extras (z. B. Panorama-Kameras für 100 Dollar/15 MIN) nutzen.«108 Das finanzstärkere Westfernsehen verfügte zudem bei wichtigen Sporthöhepunkten über größere Personalressourcen, wie eine Gegenüberstellung der zu entsendenden Fernsehmitarbeiter anlässlich der Berichterstattung von der Fußball-Weltmeisterschaft 1982 in Spanien zeigte: Der Chefredaktion Sport des DDR-Fernsehens lagen Informati-

108

[Q] Chefredaktion Sport 1983, S. 5. Die Abkürzung JRT steht für Jugoslovenska Radio-televizija, den Rundfunk Jugoslawiens. Die der Sportredaktion vorliegenden Informationen dürften dabei auch geheimdienstlichen Recherchen entstammen, da z.B. die MfS-Hauptabteilung XX in ihren periodischen ›Informationen‹ über die Pläne von ARD und ZDF dezidiert Angaben zur Olympiaplanung beider Anstalten machte. Vgl. bezüglich der Vorbereitung der Olympischen Spiele in Sarajevo 1984 [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Hauptabteilung XX 1982b, S. 4.

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onen vor, wonach ARD und ZDF insgesamt 72 Mitarbeiter nach Spanien schickten, wohingegen sie selbst nur sieben Berichterstatter delegieren konnten.109 Generell finden sich in den Planungsunterlagen für Programmhöhepunkte wie Olympische Spiele und andere Großereignisse immer wieder gesonderte Abschnitte mit den »Programmvorhaben des BRDFernsehens«. Diese dienten trotz der technischen Unterlegenheit offenbar als Leistungsanreiz, denn die Maxime lautete nicht nur bei den Spielen in Sarajevo: »Dem BRD-Fernsehen wird kein Vorsprung in der Berichterstattung gelassen.«110 Einen ähnlichen Status wie die internationalen Sportveranstaltungen nahm das Berlin-Jubiläum 1987 ein.111 In Vorbereitung darauf wurde neben den Vorhaben des Westberliner Senats (also das Westberliner Festprogramm) auch das geplante Programm von ARD und ZDF genau analysiert. Der Abteilung Programmstrategie und -planung lagen schon im März 1986 Informationen vor, welche Shows (z. B. Wir reisen nach Berlin, Mai 1987), Dokumentationen (Berlin hüben und drüben) und Fernsehfilme (H. H. Borgelt: Der Bettler vom Kurfürstendamm) anlässlich der 750-Jahr-Feier ausgestrahlt werden würden. Die Erkenntnisse sollten auch in diesem Fall genutzt werden, um die eigene fernsehmediale Aufbereitung des Ereignisses der Konkurrenz anpassen zu können. Ziel war es, den Zuschauern die ostdeutsche Interpretation des Jubiläums zu vermitteln: »Das Programm zum 750. Jahrestag Berlins wird so gestaltet, daß die Auseinandersetzung mit dem Gegner von Anfang an offensiv geführt wird und unsere Themen, unsere Sicht stets im Zentrum der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit bleiben.«112 Programmannotationen von ARD und ZDF flossen aber nicht nur bei Höhepunkten in die Fernsehplanung ein, sondern wurden auch im regulären Betrieb zur Kenntnis genommen. Dies geschah allerdings nicht mehr im selben Umfang wie in den 1970er Jahren. Die sieben bis acht Wochen im Voraus verfassten Monatspläne des Fernsehens enthielten noch 1980 routinemäßig Informationen über wichtige Sendevorhaben von ARD und ZDF, die aus den offiziellen Programmvorschauen westdeutscher Sender stammten. Vergleichende Darstellungen der Programmstrukturen von ARD und ZDF und den beiden ostdeutschen Sendern wurden dabei nicht mehr angefertigt. Mit dem Wegfall dieser

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Vgl. [Q] Chefredaktion Sport 1982, S. 5. [Q] Chefredaktion Sport 1983, S. 1. Dies galt auch für das MfS: In gesonderten Berichten analysierte die ZAIG einerseits die befürchteten Meinungsäußerungen westlicher Rundfunkmedien zur 750-Jahrfeier Berlins (vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1986b). Andererseits sammelte sie systematisch alles, was an Programmannotationen für das Jubiläum zu beschaffen war, zumeist Originalunterlagen westlicher Sendeanstalten (vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1987, Anlage 4). [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1986b, S. 2.

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Pläne ab 1981 fehlte künftig auch der feste Platz für die Hinweise zu den »Programmabsichten des BRD-Fernsehens«. Sie tauchen im weiteren Verlauf eher sporadisch in Programmunterlagen des Fernsehens auf und spielten – gerade im Vergleich zum expandierenden pseudowissenschaftlichen Diskurs über die ideologischen Absichten westlicher Fernsehprogramme – eine untergeordnete Rolle. 6.3.3 S AMMEL - UND D EUTUNGSWUT . F EINDBILDER DER W ISSENSCHAFT UND DER S TAATSSICHERHEIT Während die periodische Beschäftigung mit dem westlichen Fernsehen auf Basis verhältnismäßig objektiver Daten innerhalb der Fernsehführung rückläufig war, hatten die vermeintlich akademische Auseinandersetzung mit dem bundesdeutschen Programm und die geheimdienstliche Beobachtung der Sender in den 1980er Jahren Hochkonjunktur. Beide Diskurse beeinflussten das Bild vom westdeutschen Konkurrenten, das sich die leitenden Fernsehmitarbeiter machten. Dass sie über Materialien verfügten, die das MfS gesammelt und häufig genug in das starre ideologisch-konforme Feindbildschema gepresst hatte, wurde schon thematisiert. Wie dieses Feindbild der involvierten Abteilungen der Staatssicherheit aussah, wird weiter unten dargestellt. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine geradezu ausufernde Beschäftigung mit den unterstellten ideologischen Absichten des Westfernsehens nicht auf den DDR-Geheimdienst beschränkt blieb. Im behandelten Jahrzehnt wurden umfangreiche ›wissenschaftliche‹ Qualifikationsarbeiten und Standardwerke zum Fernsehen der Bundesrepublik verfasst, die es in diesem Umfang zum eigenen, ostdeutschen Fernsehen keineswegs gegeben hat. Obwohl sie eine Fülle von Details zum herrschenden Feindbildparadigma zusammentragen, die überaus anschaulich sind, können die Publikationen an dieser Stelle nur kurz vorgestellt werden. Eine umfassende – und dem Gegenstand sicher angemessene Behandlung – würde den Rahmen dieses Kapitels weit überschreiten und auch die fokussierte Untersuchungsebene verlassen. Die Arbeiten von Sylvia und Friedhelm Acksteiner leiteten Anfang der 1980er Jahre eine intensive Beschäftigung mit dem Thema ein. Erstere legte 1981 ihre Dissertationsschrift zur Promotion A113 an der Karl-Marx-Universität Leipzig, Sektion Journalistik mit dem Titel »Untersuchungen zur Rolle der ›Tagesschau‹ des BRD-Fernsehens (ARD) als Mittel imperialistischer Meinungsmanipulation und ideologischer Diversion« vor. Acksteiner hatte sich zum Ziel gesetzt einen Beitrag zur systematischen Forschungsarbeit der Sektion Journalistik zu leisten, indem sie die angeblich imperialistischen Massenmedien charakterisieren und ›entlarven‹ wollte. Hauptanliegen der Untersuchung war es, »die Grundlinien und Methoden bürgerlicher Manipulation des Fernsehens, speziell bei der Verbreitung von Fernsehnachrichten, durchschaubar zu machen und damit von dieser Seite her den Klas113

Die Promotion A ermöglichte das Führen des Doktorgrades, während die Promotion B der Habilitation entsprach.

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sencharakter des bürgerlichen Fernsehens der BRD aufzudecken«114. Die Autorin hatte dafür 135 Ausgaben der Tagesschau gesichtet und daraus deren ›Hauptmanipulationsmethoden‹ abgeleitet. Der Ansatz Friedhelm Acksteiners war umfassender, als er 1982 eine Arbeit verfasste, die sich mit dem gesamten bundesdeutschen Fernsehen und dessen Geschichte beschäftigte: »Die Entwicklung des Fernsehens der BRD und Westberlins als ein ideologisches Machtinstrument der Monopolbourgeoisie«, Untertitel: »Ein Beitrag zur vertiefenden Erkenntnis der Funktion kapitalistischer Massenmedien in der Gegenwart«. Was Acksteiner dabei zusammentrug, war keineswegs neu: Westliche Fernsehsender würden die eigene Bevölkerung manipulieren und einen festen Platz innerhalb der ideologischen Diversion gegen die DDR einnehmen.115 Das Rundfunk- und Fernsehsystem wäre durch die imperialistischen Alliierten geformt worden und ehemalige faschistische Rundfunk- und Fernsehmitarbeiter hätten seine Entwicklung geprägt.116 Auch gegenwärtig befände sich das Westfernsehen in direkter Abhängigkeit von der herrschenden Klasse und deren Interessenvertretern, die die Werktätigen unterdrückten und bestehende gesellschaftliche Verhältnisse zu stabilisieren suchten.117 Dass gerade die Thesen von Acksteiner Eingang in den Diskurs der Fernsehführung fanden, beweist der Ort der Publikation: Acksteiners Arbeit wurde als Diskussionsmaterial »Theorie und Praxis« von der Programmdirektion des Fernsehens der DDR veröffentlicht. Eine ähnlich umfangreiches Buch über »Das Fernsehen der BRD«, speziell seine »Strukturen – Inhalte – Methoden« stellte 1986 Klaus Preisigke vor. Ebenfalls an der Sektion Journalistik der Karl-MarxUniversität Leipzig entstanden (Wissenschaftsbereich Journalistische Methodik), wurde Preisigkes Arbeit in den »Beiträgen zur Film- und Fernsehwissenschaft« der Hochschule für Film und Fernsehen der DDR »Konrad Wolf« veröffentlicht. Auch dieser Autor unterwarf sich dem Paradigma, dass es sich bei den westlichen »Massenmedien um Waffen handelt«, denen »eine zentrale Bedeutung im Arsenal des Klassengegners zukommt«.118 Dementsprechend untersuchte er »den Klassenkampf auf Ätherwellen« und kennzeichnete das Fernsehen als eingebunden »in den ideologischen Machtapparat der Monopolbourgeoisie«. Das Fernsehprogramm wurde dabei von Preisigke als »politische Waffe«119 analysiert, die Informationssendungen als »Polittheater«120 abqualifiziert und die unterhaltenden Formate als »Ideologie in netter Form«121 beanstandet. Neue Aspekte boten u. a. Preisigkes Analysen

114 115 116 117 118 119 120 121

Acksteiner 1981, S. I. Beide Arbeiten sind u.a. im DRA Potsdam-Babelsberg einzusehen. Vgl. Acksteiner 1982, S. 54. Vgl. ebd., S. 128. Vgl. ebd., S. 224-226. Hier und im Folgenden: Preisigke 1986, S. 7-9. Ebd., S. 54. Ebd., S. 75. Ebd., S. 146.

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von der Wohnzimmerdroge Fernsehen und den »Kinder[n] als Fernsehopfern«122 sowie zur Rolle bundesdeutscher Korrespondenten in der DDR, die er mit »Einmischung als Auftrag«123 charakterisierte. Aber auch mit den Arbeiten von Acksteiner und Preisigke schien das ›wissenschaftliche‹ Feld noch nicht ausreichend bestellt worden zu sein, obwohl sich mittlerweile eine regelrechte Kanonisierung der Feindbildschemata über das westliche Fernsehen nachweisen lässt. Im April 1988 wurde noch eine weitere thematisch relevante Dissertationsschrift (Promotion A) eingereicht, diesmal an der Parteihochschule »Karl Marx« beim ZK der SED. Manfred Zeimer nahm sich darin der »Aktuelle[n] Tendenzen in der Reaktion des Rundfunks und Fernsehens der BRD auf die erfolgreiche Politik der SED« an und legte eine »Studie zur ideologischen Systemauseinandersetzung« vor. Neben den üblichen Vorwürfen an das westliche Fernsehen stellte die Arbeit im Gegenzug die Rolle der Massenmedien in der DDR als schlagkräftige Instrumente der SED heraus, was selbstverständlich als überaus positive Verquickung von Politik und Medien gewertet wurde.124 Schließlich spielte das ideologisch geformte Feindbild der bundesdeutschen Medien über die Forschung hinaus – wie auch schon in den 1970er Jahren – eine wichtige Rolle bei der Ausbildung angehender Journalisten. Dafür wurden die neuesten ›Erkenntnisse‹ in zahlreichen Unterrichtsmaterialien und »Lehrheften«125 reproduziert. Zweite große Heimstätte des Feindbildes vom bundesdeutschen Fernsehen war das Ministerium für Staatssicherheit. Dieses betrieb in den 1980er Jahren einen immensen Aufwand, um die SED-Führung über Entwicklungen im Westfernsehen auf dem Laufenden zu halten. Auch hier wird angesichts der Materialfülle nur das Gesamtspektrum beschrieben und auf wenige Einzelaspekte näher eingegangen. Zunächst zur Arbeit der ZAIG, deren Funktion schon im Kapitel zu den 1970er Jahren beschrieben wurde. Spätestens seit 1981 verfasste diese Gruppe neben Berichten zu ›Schwerpunktthemen‹ der unterstellten ideologischen Diversion und Informationen über bundesdeutsche Sender und Programmstrukturen auch periodische Berichte, in Form von »Monatsübersichten« zu Einwirkungsversuchen westlicher Funkmedien. In diesen wurden die Sendebeiträge, die sich mit der DDR beschäftigten, erfasst, nach Themen geordnet und teilweise sogar heruntergerechnet bis auf die Ebene von Sendeminuten, wie ein Beispiel aus dem Jahr 1981 zeigt: Für den Berichtszeitraum vom 1. bis 24. April erfasste die ZAIG 148 Beiträge, die angeblich Angriffe gegen den X. Parteitag und seine Beschlüsse darstellten, was sich vor allem in Kritik an der Direktive zum Fünfjahrplan (1981 bis 1985) geäußert hätte. Die Verfasser hatten hierfür 895 Sendeminuten dokumentiert und ihrer Meinung nach machten diese Sendungen sowohl vom Umfang als auch

122 123 124 125

Ebd., S. 186. Ebd., S. 205. Vgl. Zeimer 1988. Vgl. Kubach/Walther 1979 und Walther et al. 1982.

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von der inhaltlichen Schärfe den Schwerpunkt der Diversion im analysierten Zeitraum aus.126 Im hier behandelten Jahrzehnt wurde aber nicht nur das Programm selbst beobachtet, gerade die strukturellen Veränderungen und technischen Innovationen im bundesdeutschen Fernsehen waren für die ZAIG von Interesse. Beispielsweise wurde die Internationale Funkausstellung (IFA) 1983 in der Monatsübersicht vom September in der Rubrik »Maßnahmen und Orientierungen zur angestrebten Erhöhung der Wirksamkeit der politisch-ideologischen Diversion« ausführlich analysiert. Die ostdeutschen Beobachter stellten misstrauisch fest, dass die westlichen Hörfunk- und Fernsehsender diese Messe zu einer intensiven Selbstdarstellung nutzten, wobei sie auch neue Sendevorhaben und -techniken propagieren würden: »Insgesamt sollte in massiver Weise der Eindruck vermittelt werden, man befände sich auf dem Weg der ›Kommunikationsgesellschaft‹.«127 Beunruhigt zeigten sich die Berichterstatter zudem darüber, dass an den Informationsständen auf der IFA Versorgungsgebiete zukünftiger europäischer TV-Satelliten angegeben wurden, die fast die gesamte DDR einschlossen. Im September 1985 trug die ZAIG zusammen, was ARD und ZDF über ihren Umgang mit der neuen privatwirtschaftlichen Konkurrenz verlauten ließen, z. B. über neue Sendekonzepte und das »Präsentatoren«-Prinzip der Nachrichtensendungen.128 Diese monatlichen Berichte lassen sich bis zum August 1989129 nachweisen, wahrscheinlich wurden sie aber – den Rhythmus weiterführend – bis November 1989 verfasst. Neben periodischen Abhandlungen erstellte die ZAIG zahlreiche Einzeldarstellungen über Sender, Redaktionen und Sendungen. Sämtliche Fernsehsender130 der Bundesrepublik (also ARD, ZDF sowie die Dritten Programme, Deutsche Welle, seit ihrer Einführung dann auch die privaten Anbieter) wurden regelmäßig und umfangreich von den Stasimitarbeitern mehrerer hierfür zuständiger Abteilungen beurteilt. Das ZDF stand diesen Darstellungen zufolge quasi unter Dauerbeobachtung. Dabei scheint die wirtschaftliche Situation des Senders von besonderem Interesse gewesen zu sein, möglicherweise verfügte das MfS diesbezüglich auch über eine stete Quelle: Im Jahr 1980 recherchierte es eine detaillierte Information über den ZDF-Haushaltsplan.131 Zwei Jahre später legte die Hauptabteilung XX eine ausführliche »In-

126 127 128 129 130

131

Vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1981c, S. 1. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1983, S. 14. Vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1985a, S. 12-13. Vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1989d. Dies galt auch für Radiosender, wobei besonders der Deutschlandfunk unter regelmäßiger Beobachtung stand, vgl. u.a. vom April 1989 [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1989c. Vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit 1980.

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formation über die finanzpolitische Situation und geplante Programmveränderungen des ›Zweiten Deutschen Fernsehens‹ in der BRD«132 vor. Aber auch aus den späten 1980er Jahren sind solche dezidierten Berichte überliefert, z. T. unter Bezugnahme auf interne Sitzungen, wie beispielsweise die des ZDF-Fernsehrates 1988 in Westberlin.133 Im Januar 1988 widmete sich die ZAIG erneut mit einem gesonderten Bericht dem ZDF. In diesem wurde u. a. auf die Konkurrenzsituation zur ARD und den privaten Programmen sowie auf die Funktion der Unterhaltung in diesem Wettstreit um Zuschauer eingegangen.134 Nur zehn Monate später folgte die bis dato umfangreichste Analyse über den Mainzer Sender aus der Feder der ZAIG: die »Zusammenfassung von Erkenntnissen über das ›Zweite Deutsche Fernsehen‹ (ZDF) der BRD«. Die Autoren setzten sich u. a. mit den Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit der Anstalt, der Struktur und Funktion von Leitungsgremien sowie der politische Aufgabenstellung auseinander. Ausführlich wurden die Programmstruktur, ihre wichtigsten Programmsäulen und die inhaltliche und politische Ausrichtung erörtert. Dabei wurde ein Feindbild konstruiert, welches das ZDF als gefährliche, staatliche Institution der Bundesrepublik kennzeichnete, die neben der Manipulierung der eigenen Bevölkerung vor allem die politisch-ideologische Diversion gegen die DDR zum Ziel hatte: »Beim ZDF handelt es sich, obwohl als öffentlich-rechtliche Anstalt proklamiert, um ein Instrument imperialistischer Propaganda im Herrschaftssystem der BRD.«135 Politisch sei es »von Anbeginn an weiter rechtsstehend als die ARD einzuordnen« und sein »Gesamtprogramm weitgehend darauf ausgerichtet, den reaktionären und aggressiven Charakter des Imperialismus zu verschleiern« und die »antikommunistische Bedrohungslüge zu verbreiten«. Zu diesem Bericht gab es ein direktes Pendant, das das »Erste Deutsche Fernsehen« der ARD behandelte und vom Januar 1988 datiert. Dieser Bericht nutzte die gleichen Kriterien zur Analyse und artikulierte die gleichen Vorurteile (z. T. finden sich hier wortgleiche Formulierungen), nur die Gesamteinschätzung des Programms fiel anders aus. Demzufolge kam es »in den letzten Jahren – trotz Zunahme des Einflusses rechtskonservativer Kräfte in der ARD – nicht zu einer durchgängigen Intensivierung der antikommunistischen Propaganda«. So fänden sich in der ARD »eine Anzahl von Sendungen, in denen zur Erhöhung eigener Glaubwürdigkeit eine relativ sachliche Berichterstattung und Kommentierung über die DDR«136 erfolgte. Dies war ein seltenes Beispiel für eine ›positive‹ Einschätzung, denn gerade den ARD-

132 133 134 135 136

Vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Hauptabteilung XX 1982a. Vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1988b. Vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1988a. Hier und im Folgenden: [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1988d, S. 2-4, 12. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1988c, S. 24.

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Sendeanstalten wurde oft unterstellt, dass sie hauptsächlich dafür existierten, staatsfeindliche Hetze gegen die DDR zu verbreiten. Im Fokus des Feindbildes stand seit seiner Gründung der Sender Freies Berlin.137 Durch »sein[e] geographisch[e] Lage innerhalb des Territoriums der DDR und sein[e] umfangreich[e] sendetechnisch[e] Basis« würde der SFB die »Schlüsselposition bei der ideologischen Einwirkung in die DDR« einnehmen.138 Das Vormittagsprogramm, das der SFB in Kooperation mit ARD und ZDF produzierte, diente demzufolge nur dazu, die DDR-Bürger gegen den eigenen Staat aufzubringen: Dort ausgestrahlte Wiederholungen von »Filme[n] und Unterhaltungssendungen sind nur das unumgängliche Beiwerk zur Hauptabsicht, möglichst viele politische ›Informationen‹ an die DDR-Zuschauer heranzubringen«. Auch die bereits erwähnte ARD-Studie von Jochen Staadt widmet sich dem SFB deshalb ausführlicher und belegt, wie die Stasi bemüht war den Sender zu unterwandern, auszuspionieren oder Einfluss auf sein Programm zu nehmen.139 Neben Daten über den Berliner Sender sammelte die ZAIG auch permanent Informationen über alle weiteren Anstalten, so z. B. im April 1985 über den Hessischen Rundfunk140 und im Juli 1989 über den Norddeutschen Rundfunk141. Die Ergebnisse Staadts belegen, dass sogar das kleinste Mitglied, der Saarländische Rundfunk, der der DDR schon geographisch wenig nah stand, argwöhnisch beobachtet wurde. Das Interesse der ZAIG beschränkte sich allerdings nicht auf die öffentlich-rechtlichen Sender, sondern bezog, sobald sie tätig wurden, die privat-kommerziellen Anbieter mit ein. Seit Mitte der 1980er Jahre hatte die ZAIG ihrem Feindbild dabei eine neue Komponente hinzugefügt: Die fortschreitende Entwicklung der Kommunikationstechnologie (insbesondere im Satelliten- und Kabelbereich, bei der VideoSpeichertechnik und der Entwicklung von Video- und Bildschirmtext) schürte bei den Stasi-Beobachtern die Angst vor dem »freien Fluß der Informationen«142. Neue, grenzüberschreitende Möglichkeiten der Satellitendistributionstechnologie veranlassten die ZAIG zur intensiven Beobachtung, von wem und wie diese Technik genutzt wurde. Die Informationssammlungen und Bewertungen innerhalb der herrschenden Feindbildschemata wurden so komplett auf die neuen Sender »Sat.1« und »RTL plus« übertragen.143 Noch im November 1989 legte

137 138 139 140 141 142 143

Vgl. Dittmar 2002, S. 127-129; 2003 und 2004a, S. 150-151. Hier und im Folgenden: [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1989g, S. 1 und 8. Vgl. Staadt 2004 und Staadt et al. 2008. Vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1985b. Vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1989f. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1986c, S. 4-11. Aber auch die aus dem Ausland einstrahlenden Sender fanden Beachtung, z.B. die britischen Programme »Sky Channel« und »Music Box« sowie das

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die ZAIG einen ersten ausführlicheren Bericht zu Sat.1 vor, dem zu diesem Zeitpunkt einzigen, in der DDR großflächig terrestrisch zu empfangenden privaten Fernsehsender. Sat.1 wurde dabei als politisch äußerst rechtsstehend und reaktionär charakterisiert, immer bemüht, konservative Wertvorstellungen zu vermitteln sowie mit Hilfe unterhaltender Sendungen antikommunistische Propaganda zu verbreiten – gezielt in das Gebiet der DDR hinein: »Sie sind bestrebt, durch massenattraktive Programme, in denen Spielfilme, Serien, Quizsendungen, Sportberichterstattung und Werbung dominieren, zahlreiche Rezipienten an ihre Sender zu binden, um die für ihre Finanzierung erforderlichen Werbeeinnahmen verbuchen zu können. Zugleich werden damit Grundvoraussetzungen für die Manipulierung bzw. ideologische Beeinflussung der Zuschauer in der DDR geschaffen.«144 Eine besondere Rolle bei den diversen Institutionen der Westbeobachtung spielte allerdings die Analyse von RIAS-TV. Ihrer BetreiberOrganisation USIA (United States Information Agency) wurde als »USA-Auslandspropagandabehörde«145 und »Trägerinstitution für psychologische Kriegsführung gegen die Warschauer Vertragsstaaten«146 nicht nur die Nähe zum US-Außenministerium, sondern auch zur CIA unterstellt. Den Programmauftrag von RIAS-TV sahen die Analysten dementsprechend eindeutig in der ideologischen Unterwanderung der DDR, hätte sich der Sender doch auf die Fahnen geschrieben, die Zuschauer »mit freier Information zu versorgen«147. Insgesamt sah sich das MfS durch die wachsende Zahl neuer Programme wieder einmal mit einer verstärkten ideologischen Diversion konfrontiert: »Das betrifft vor allem die grenznahen Territorien der DDR zur BRD und Westberlin, die bereits gegenwärtig einer intensiveren Propaganda durch den Gegner ausgesetzt sind.«148 Die privaten Fernsehanstalten würden dabei große Anstrengungen unternehmen, um der DDR zu schaden: »Im Rahmen einer aufgelockerten Programmgestaltung orientieren sich die Sender (was ihre DDR-Einwirkungen anbelangt) u. a. auf die Unterstützung oppositioneller Kräfte in der DDR, besonders unter der Jugend. Bestärkt werden dabei Anhänger ›unabhängiger‹ Friedensgruppen und ›Umweltschützer‹.« Dies würde bis zur Vermittlung von »Erfahrungen bei Grenzdurchbrüchen« gehen. Dass die kommerziellen Sender im Vergleich zu den öffentlichrechtlichen Anstalten weniger personelle Verknüpfungen zur bundesdeutschen Politik hatten, wurde dabei paradoxerweise nicht als Gegen-

144 145 146 147 148

französischsprachige Programm »TV 5«. Interesse herrschte zudem an den nichtkommerziellen deutschen Programmen »3sat« und »1 Plus« sowie den diversen lokalen Fernsehprogrammen. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1989e, S. 11. [Q] Institut für Internationale Politik und Wirtschaft 1988, S. 4. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Hauptabteilung I 1987, S. 5. [Q] Institut für Internationale Politik und Wirtschaft 1988, S. 2. Hier und im Folgenden: [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Hauptabteilung I 1987, S. 5-6.

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argument ideologischer Absichten bezüglich der DDR-Zuschauer gewertet, sondern als zusätzlicher Pluspunkt: »Der private Status der Sender bietet die Möglichkeit, ideologische Diversion ›unabhängiger‹ zu betreiben. Offizielle Stellen können sich erforderlichenfalls von diesen Sendern und deren Programm distanzieren.« Letztendlich wurden die privaten Sender damit als unterhaltsamere Form des BRD-Staatsfernsehens interpretiert. Schwerpunkt der gen Westen gerichteten Medienbeobachtung des MfS bildeten aber nach wie vor die öffentlich-rechtlichen Programme der Bundesrepublik. Neben den schon erwähnten Monatsberichten der ZAIG gab es eine weitere periodische Berichtsform, die – gerade in Bezug auf die Fakten der Programmplanung und strukturellen Rahmenbedingungen – die kontinuierlichste und ausführlichste Beobachtung des bundesdeutschen Fernsehens dokumentiert: die, mitunter monatlich verfassten,149 »Information[en] über Planungs- und Programmvorhaben der ›Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands‹ (ARD) des ›Zweiten Deutschen Fernsehens‹ (ZDF) und andere medienpolitischen Entscheidungen« im jeweiligen Berichtszeitraum. Für die dargelegten Beziehungen zwischen dem MfS, den medienanleitenden Gremien der DDR und der Fernsehführung in Adlershof ist von besonderer Bedeutung, dass – wie der Verteiler beweist – diese Informationen auch an Heinz Geggel und Joachim Herrmann weitergegeben wurden.150 Sie enthielten häufig Originalprogrammpläne der Anstalten sowie Annotationen zum Einsatz von Fernseh- und Spielfilmen; ihre Vertraulichkeit wurde, im Vergleich zu anderen Berichten, als besonders hoch eingestuft. Insgesamt hielten diese Darstellungen im Laufe der 1980er Jahre die Abteilung Agitation und damit auch Adameck und das Fernsehkomitee über die Vorbereitung und Einführung des dualen Systems in der Bundesrepublik sowie über dessen Auswirkungen im Programm von ARD und ZDF auf dem Laufenden. Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass in Einzelberichten in vergleichbarer Manier auch einzelne Sendungen und Abteilungen der bundesdeutschen Anstalten ›beurteilt‹ wurden. Um beim ZDF zu bleiben: Im Juni 1986 legte die ZAIG eine »Einschätzung der Fernsehnachrichtensendungen ›Heute‹ und ›Heute-Journal‹ und der Redaktion ›ZDF-Aktuell‹« vor. Diesen Sendungen wurde eine ideologische Kampagne schlimmster Sorte gegen die DDR unterstellt: »Gezielt wird versucht, durch die Art und Weise der Berichterstattung […] DDR-Bürger zu staatsfeindlichen bzw. das Ansehen der DDR schädigenden Handlungen zu animieren.«151 Ergänzt wurden diese Einschät-

149 150 151

Die Periodizität der von der Autorin eingesehenen Berichte schwankt zwischen monatlich, viertel-, halb- und jährlichen Darstellungen. Vgl. u.a. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1980b. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1986a, S. 4.

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zungen durch eine Analyse von Parametern, die ideologisch weniger aufgeladen waren, wie beispielsweise Sendezeiten und Präsentationsformen (u. a. Einsatz von Bildern und Computergrafiken). Im Oktober 1987 wurden dementsprechend die Tagesschau, die Tagesthemen und die Redaktion ARD-Aktuell analysiert. Neben den Nachrichtensendungen nahm die ZAIG regelmäßig alle innen- und außenpolitischen Magazine von ARD und ZDF (z. B. Kennzeichen D im November 1988, Der Weltspiegel im Februar 1986, Auslandsjournal im Februar 1989), aber auch die Kultursendungen (Aspekte im Februar 1989) ins Visier. Sogar der NDR-Sendung Die aktuelle Schaubude widmete die Gruppe 1980 einen ausführlichen »Auskunftsbericht«. Glaubt man diesem, war Die aktuelle Schaubude eine besonders gefährliche Sendung für die gesamte DDR, die mit unpolitischer Unterhaltung gezielt auf die Zuschauer einwirkte. Die Einblendung der Fan-Post-Anschriften im Studio anwesender Künstler und Musikgruppen diente demnach dazu, ostdeutsche Jugendliche »zur Aufnahme von gesetzeswidrigen Kontakten« zu motivieren.152 Ein Dorn im Auge waren den Analysten auch die Grüße in die DDR am Ende der Sendung, mit denen »zweifelsfrei der Gedanke der ›deutschen Einheit‹ wachgehalten bzw. erweckt werden« sollte. Als ob dies nicht schlimm genug wäre, mutmaßten die Autoren zudem, dass es sich bei diesen Grüßen um einen verdeckten Informationskanal handelte: »Die ohne Anschrift erfolgende Grußübermittlung in Orte der DDR läßt außerdem den Schluß der geheimdienstlichen Nachrichtenübermittlung zu.« Die Arbeit der ZAIG ergänzte in den 1980er Jahren vor allem das Institut für Internationale Politik und Wirtschaft der DDR. Auch vom IPW wurden regelmäßig Quartalseinschätzungen zur »Propaganda feindlicher Funk- und Fernsehsender (Tendenzen und Argumente)« verfasst sowie Halb- bzw. Jahresanalysen »Zu Hauptlinien und Zielsetzungen der gegen die DDR gerichteten antisozialistischen Propaganda«. Hinzu kamen »Interne Informationen« zu besonderen Ereignissen bzw. bei Umstrukturierungen in den westdeutschen Medien, die als besonders wichtig eingeschätzt wurden. So verfasste das Institut beispielsweise im Dezember 1983 eine Information über »Personelle und institutionelle Veränderungen in den Führungsgremien der elektronischen Massenmedien in der BRD und Westberlin nach dem Bonner Regierungswechsel«. Auf 25 Seiten wurden dabei das medienpolitische Umfeld und die personalpolitischen Veränderungen in den westdeutschen Hörfunk- und Fernsehsendern analysiert. Die Autoren kamen zu der Einschätzung, dass mit der christlich-liberalen Koalition »das Monopolkapital der ideologischen Beein-

152

Im Juli 1988 – also genau zwei Jahre später – wurde erneut eine »Einschätzung der Fernsehnachrichtensendungen ›Heute‹ und ›Heute-Journal‹ und ›Diese Woche‹« verfasst. Hier und im Folgenden: [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1980a, S. 2-3.

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flussung der Bevölkerung zunehmende Bedeutung«153 beimäße. Die Bundesbürger sollten demzufolge zu einer »›geistigen Wende‹, die im wesentlichen auf die Verbreitung konservativer Ideologien und eine noch unmittelbarere propagandistische Unterstützung der Regierungspolitik ausgerichtet ist« bewegt werden. Zudem hatte man Befürchtungen bezüglich der »grenzüberschreitenden Propaganda«: Die Medien Hörfunk und Fernsehen würden von der neuen Führung der Bundesrepublik dazu benutzt, »mit ideologischen Mitteln eine Destabilisierung der sozialistischen Länder auszulösen«. Solche dramatischen Schilderungen antisozialistischer Intentionen des westdeutschen Rundfunks, die es auch schon bei den vorangegangenen bundesdeutschen Regierungen gab, führten wiederum dazu, die permanente Überwachung beizubehalten und weiterhin alle Medieninhalte auszuwerten, die die DDR betrafen. In vierteljährlichen Charakterisierungen der »gegnerischen Hörfunk- und Fernsehsender«154 wurden inhaltliche Linien, vor allem der tagesaktuellen Berichterstattung über die DDR, dargestellt. Sie arbeiteten die »thematischen Schwerpunkte« heraus, wie beispielsweise »[d]ifferenziertere Versuche zur Abwertung der sozialistischen Errungenschaften der DDR im 35. Jahr ihres Bestehens«. Die Autoren gingen davon aus, dass sich alle journalistischen Äußerungen, die die DDR oder andere Ostblockstaaten betrafen, antisozialistischen Ideologien zuordnen ließen. Diese unterstellten westlichen Leitlinien glaubten sie gegenüber der DDR-Führung (für die diese Einschätzungen letztendlich bestimmt waren) offenlegen zu müssen. Vor diesem Hintergrund wurde aufgezeigt, was, wann und wie die westlichen Medien über die DDR berichteten. Zum Beispiel: »Als Standardthemen für eine permanente Verleumdung des Sozialismus nutzten die Feindsender die Vorgänge in der Prager BRD-Botschaft.«155 Zudem wurde die innenpolitische Berichterstattung observiert und kritische Beiträge mit offensichtlicher Schadenfreude kommentiert: »Es musste mehrfach eingestanden werden, daß durch die fortdauernden ökonomischen Krisenprozesse und eine Reihe von politischen Skandalen und Pannen der Bonner Regierung die Positionen der BRD in der internationalen Arena Schaden erlitten haben.« In den Jahresanalysen wurde ähnlich verfahren. Auch hier ging es darum, »Merkmale psychologischer Kriegsführung des Imperialismus«156 zu entlarven. Die Verfasser hielten die Aufdeckung westlicher

153 154

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Hier und im Folgenden: [Q] Institut für Internationale Politik und Wirtschaft 1983, S. 1. Vgl. hier und im Folgenden beispielsweise [Q] Institut für Internationale Politik und Wirtschaft 1984. Diese Quartalseinschätzungen wurden dann in Halb- bzw. Jahresanalysen zusammengefasst. Im Oktober 1984 wurde die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Prag, in der sich über 150 ausreisewillige DDR-Bürger aufhielten, wegen Überfüllung vorübergehend geschlossen. Hier und im Folgenden: [Q] Institut für Internationale Politik und Wirtschaft 1981, S. 1-23.

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Strategien für wichtig und nötig: »Im Berichtszeitraum (Mai 1980 – März 1981) wurde deutlich, daß der Imperialismus an der Schwelle der 80er Jahre mehr denn je alles daran setzt, um mit dem Einsatz aller seiner ideologisch-propagandistischen Mittel der Friedensstrategie des Sozialismus entgegenzutreten, die wachsenden Widersprüche und Gebrechen seines Systems zu verschleiern und die verstärkte materielle Kriegsvorbereitung ideologisch zu rechtfertigen.« In aufgesetzter Wissenschaftlichkeit wurden die »Angriffe« den Themenfeldern kontra »Entspannung und Rüstungsbegrenzung« und gegen »die Partei der Arbeiterklasse sowie auf Theorie und Praxis des realen Sozialismus« zugeordnet. In vielen Unterpunkten wurde »nachgewiesen«, welche »imperialistischen Propagandakampagnen« in den vorangegangenen elf Monaten geführt wurden. Besonders groß war die Paranoia der mit den westdeutschen Medien beschäftigten Geheimdienstler, wenn in der DDR wichtige Ereignisse ins Haus standen: Vor dem X. Parteitag der SED gab es gesonderte Berichte, die die bundesdeutsche Berichterstattung lange vor dem Parteitag analysierten.157 Das gleiche Prozedere kann zum 35. und 40. Republikgeburtstag, für die 750-Jahrfeier Berlins sowie für die 5., 7. und 9. Tagung des ZK der SED nachgewiesen werden. Betrachtet man den Gesamtzeitraum der 1980er Jahre, kann eruiert werden, dass mit den offensichtlicher werdenden Krisensymptomen der DDR der Ton in den Darstellungen immer schärfer wurde. Berichtete das bundesdeutsche Fernsehen über derart sensible Themen, hatten die Beobachter gleich den Schuldigen für die negativen Entwicklungen im eigenen Land ausgemacht: Im August 1989 warf die ZAIG den Westmedien eine »[g]roß angelegte Kampagne zur Inspirierung und Organisierung des ungesetzlichen Verlassens der DDR« vor, indem sie besonders unter den DDR-Touristen in Ungarn »Torschlußpanik«158 auszulösen versuchten, um sie zu ›illegalen Grenzübertritten‹ zu ermutigen. Im September zielte dementsprechend eine »großangelegte Hetz- und Verleumdungskampagne gegen die DDR« darauf ab, »eine Krisensituation und die Unausweichlichkeit tiefgreifender Reformen in der DDR zu suggerieren«.159 Im Oktober 1989 wurde den bundesdeutschen Programmen dann unterstellt, dass sie »den Ruf nach Freiheit und Reformen« in der DDR herbeiredeten. Zudem würden sie den neuen Generalsekretär des ZK der SED, Egon Krenz, diskreditieren und Diskussionen über eine »Wiedervereinigung«160 anheizen.

157

158 159 160

Vgl. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1981a; [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1981b. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1989d, S. 1. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1989a, S. 1. [Q] Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 1989b, S. 2.

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Schlussfolgernd lag die Verantwortung für die, in den Augen der Staatsführung beunruhigenden, Vorgänge in der DDR eindeutig bei den Medien des deutschen ›Klassengegners‹. Es kann als ironische Pointe der Geschichte betrachtet werden, dass die Beobachter im Auftrag des MfS dieses Mal so völlig Unrecht nicht hatten: Die Fernsehprogramme aus der Bundesrepublik, die den DDR-Bürgern im Wendeherbst 1989 die Ereignisse vor der eigenen Haustür unzensiert darboten, hatten zumindest partiell Anteil am Erfolg der friedlichen Revolution in der DDR.161 Hauptsächlich war es aber natürlich das Verdienst der Menschen, die sich mutig für Meinungsfreiheit und andere demokratische Werte einsetzten – während gleichzeitig die Verfasser obiger Berichte bis in die letzten Tage der DDR ein verzerrtes Feindbild vom Westen vertraten.

6.4 (Re-)Agieren in der Defensive: Der Siegeszug der Unterhaltung 6.4.1 K ONKURRENZKAMPF

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Im letzten Kapitel wurde beschrieben, dass die Einführung des dualen Rundfunksystems in der Bundesrepublik und die technologischen Innovationen in den 1980er Jahren in der DDR sehr genau beobachtet und auf mehreren Ebenen des politischen und medienanleitenden Systems ausgewertet wurden. Dabei wurde ein Feindbild gepflegt und kanonisiert, das nach wie vor von größtem Misstrauen gegenüber der unterstellten ideologischen Diversion westdeutscher Medien geprägt war. Allerdings führten weder das radikale Feindbild noch die gesammelten Informationen zu relevanten Resultaten im Konkurrenzkampf zwischen dem DDR-Fernsehen und dem in die DDR einstrahlenden Fernsehen der Bundesrepublik. Zwar gab es einzelne Reaktionen der ostdeutschen Fernsehführung in Adlershof, aber von einer wirklichen Strategie gegen den Erfolg der bundesdeutschen Sender kann nicht die Rede sein.162 Vergleicht man die Aussagen über die ›Gefährlichkeit‹ der Westmedien, die für die SED-Führung verfasst wurden, mit den Direktiven an das DDR-Fernsehen, so lässt sich ein erstaunliches Ungleichgewicht feststellen: Theoretisch hätte der Konkurrenzkampf mit dem bundesdeutschen Fernsehen die höchste Priorität besitzen müssen, in der Praxis spielte er aber eine eher untergeordnete Rolle. Es kann zum einen spekuliert werden, dass sich nach mehr als 25 Jahren Wettstreit um die Zuschauer eine gewisse Resignation bei den Verantwortlichen eingestellt hatte, gerade da die wirtschaftliche und technische Überlegenheit des Westens immer deutlicher wurde. Ein Beispiel hierfür ist die Diskussion um die Einführung eines dritten DDR-Programms und der zugrunde liegenden Satellitentechnik, die be161 162

Zum Mauerfall und der westlichen Berichterstattung vgl. u.a. Steinmetz 2004; Schuhbauer 2001, S. 203-215. Vgl. Dittmar 2004a, S. 157-175.

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reits im letzten Kapitel thematisiert wurde: Die fortschreitenden Entwicklungen in der Bundesrepublik deutlich vor Augen (umfangreiche Informationen lagen vor), wurde sofort das Gleichziehen der DDR gefordert. Allerdings musste man im selben Atemzug einräumen, dass es keine Kapazitäten für eine solche quantitative Zunahme des Fernsehens gab. Anders als bei der aus dem Konkurrenzkampf resultierenden Einführung des zweiten Programms 1969, musste man in den 1980er Jahren vor den westlichen Innovationen kapitulieren. Zum anderen war es der Charakter des eingeschränkten Diskurses über die westliche Konkurrenz, der tatsächliche ›Wettbewerbsstrategien‹ von vornherein ausschloss: Wer – wie Adameck und seine leitenden Genossen – die eigenen Stärken und Schwächen und die des Konkurrenten nicht offen thematisieren durfte, sondern sich verbal nur in bereits tradierten Selbst- und Feindbildern bewegen konnte, der entwickelte nicht plötzlich wirksame Erfolgsmodelle im Konkurrenzkampf. Es blieb also auch in den 1980er Jahren, bedingt durch die umfassende und strikte Anleitung und Kontrolle des Fernsehens durch die Parteiführung, im Großen bei Absichtserklärungen im Kampf mit dem ›Gegner‹. Eine typische Forderung von Adameck lautete: »Die Programmpolitik des Gegners ist zu analysieren und ihr durch eine eigene, offensive Konzeption zu begegnen.«163 Daraufhin wurden zumeist vage Überlegungen angestellt, deren Resultate kaum mehr nachweisbar sind. Im Kleinen, auf der Ebene von Redaktionen, Sendungen und einzelnen Programmplätzen, kann die Orientierung an und eine Art Kräftemessen mit dem bundesdeutschen Fernsehen dagegen eindeutig belegt werden. Auch wenn es sich bei diesen anvisierten Strategien und taktischen Manövern nicht um eine wirkliche ›Erfolgsgeschichte‹ handelt, lohnt sich ein Blick auf die dahinter stehenden Gedankengänge und Argumente der ostdeutschen Fernsehverantwortlichen allemal. Wo lassen sich Reaktionen und Initiativen bezüglich der allgegenwärtigen westlichen Konkurrenz rekonstruieren und unter welchen Bedingungen wurden sie erprobt? Medienanalysen im heutigen Sinne, die den Wettbewerb zwischen westdeutschen Angeboten und den eigenen Medien untersucht hätten, gab es in der DDR auch in diesem Jahrzehnt nicht. Die Zuschauerforschung zum Fernsehen fragte nicht nach der Nutzung von westlichen Programmen. In den 1980er Jahren wurde diese Rezeption nur in einzelnen Spezialstudien vom Zentralinstitut für Jugendforschung wissenschaftlich und statistisch erfasst. Eine solche Arbeit stammt aus dem Jahr 1987, sie erörterte »Probleme der ideologischen Klassenauseinandersetzung auf dem Gebiet der elektronischen Massenmedien«. Hier wurden das Nutzungsverhalten von Jugendlichen und ihre Zuwendung zu westlichen Unterhaltungsangeboten beschrieben. Die Autoren konnten dabei nur eine Strategie vorschlagen, um die jugendlichen Zuhörer und Zuschauer für die DDR-Medien zu gewinnen: »Attraktive eigene Angebote sind gegenwärtig die beste Möglichkeit, die Einflussmöglichkeiten des Gegners zurückzudrängen.«164

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[Q] Sekretär des Komitees 1984, Zitat von Adameck, S. 3. [Q] Müller/Stiehler 1987, S. 4.

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Mit der alternativen Programmstruktur versuchte man diese Taktik noch besser in der Programmplanung des Fernsehens umzusetzen, allerdings ohne wirkliche »Quotenvergleiche« für einzelne Sendeplätze zu haben. Gerade bei der Besetzung der Programmabende im Wochenverlauf war es demnach mehr ein Verteilen der Sendungen auf einerseits bewährten Programmplätzen. Dies wurde in den Konzeptionen damit begründet, dass die Zuschauer tradierte Programmschemata bevorzugen würden, und angedachte Umstrukturierungen wurden aus diesem Grund abgelehnt. Andererseits bezog man die Informationen über die Programmstruktur von ARD und ZDF schon seit der ersten Programmreform von 1971/72 offen in die eigene Planung mit ein. In den 1980er Jahren wurde dabei, genau wie im vorangegangenen Dezennium, versucht, mit den eigenen Möglichkeiten die größtmögliche Resonanz beim Publikum zu erzielen: Die am meisten Erfolg versprechenden Sendungen setzte man zu Zeiten der größten ›Sehbereitschaft‹ der Zuschauer ein, also um 19:00 oder 20:00 Uhr. Vor allem die knappen finanziellen Ressourcen setzen dem Fernsehen Grenzen, was sich beim Ankauf von Fernseh- und Kinofilmen zeigte. Im Prinzip stand Adameck, wie viele andere Betriebsleiter in diesem Jahrzehnt, vor der Aufgabe, den vorhandenen Mangel bestmöglich zu verwalten und trotzdem die Fassade eines funktionierenden, erfolgreichen Geschäfts aufrecht zu erhalten. Obwohl eine der Forderungen bei der Einführung der alternativen Programmstruktur lautete, eine beweglichere Struktur zu schaffen, setzte die Fernsehführung auch auf die Konstanz und Verfestigung etablierter Programmabläufe.165 Für das Profil im »Spiegel der Tage« lautete das Ziel 1983 »standardisierte Programmplätze zu schaffen, um stabilere Sehgewohnheiten und Verläßlichkeiten auszuprägen«.166 Die festen Strukturen sollten vor allem durch die Aktuelle Kamera, Ratgebersendungen sowie das Kinder- und Jugendprogramm (z. B. das Sandmännchen) geschaffen werden. Dies ist weitgehend gelungen, im Gegensatz zur propagierten inhaltlichen Qualitätssteigerung im Abendprogramm. Auch vier Jahre nach Einführung der alternativen Programmstruktur wurde sie rigoros und durchaus selbstkritisch eingefordert: »Die Vertiefung und weitere Ausgestaltung des alternativen Programmangebotes um 20.00 Uhr erfordert vor allem, bei der Konzipierung, Entwicklung, Realisierung und Beurteilung aller Programme, die in dieser Spitzensehzeit eingesetzt werden, keinerlei Abstriche in der Qualität mehr zuzulassen. […] Überbleibsel der Ideologie, daß weniger gelungene Sendungen für das 2. Programm durchaus gut genug seien, müssen restlos überwunden werden.«167 Gerade die Abendsendungen sollten gegenüber dem ›feindlichen Fernsehen‹ aufholen, da gab sich die Fernseh-

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Das eine schließt das andere nicht aus: In standardisierten Strukturen können Live-Sendungen o. ä. starre Abläufe durchbrechen, ohne dass der Zuschauer irritiert wird und sofort neue Erwartungen an den Sendeplatz stellt. [Q] Leucht et al. 1982, Anlage II/5, S. 1. Hier und im Folgenden: [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1986a, S. 4-7.

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führung couragiert: »Für diese 20.00-Uhr-Programme haben die Stellvertreter des Vorsitzenden/Komiteemitglieder […] die persönliche Verantwortung […]. Um die Sicherung der Qualität dieser Sendungen muß ein regelrechter Kampf organisiert werden.« Dieser Kampf ums Publikum stand an jedem Wochentag unter neuen Vorzeichen – je nachdem wie attraktiv die bundesdeutsche Alternative für die DDR-Zuschauer war. Schließlich hatte das Gros des Publikums jeden Abend die Möglichkeit auszuwählen – im günstigsten Fall aus mittlerweile bis zu sieben Sendern.168 Grundsätzlich war diese Situation nicht neu, ausgenommen der größeren Programmvielfalt westdeutscher Anbieter, wobei die wichtigste Konkurrenz nach wie vor von ARD und ZDF ausging. Die Programmprofile der Wochentage dieser beiden Sender wurden allerdings in den Planungsunterlagen der 1980er Jahre nicht mehr so ausführlich thematisiert. Eine mögliche Erklärung ist, dass sich die westdeutschen Programmstrukturen jetzt flexibler gestalteten und nach Aufhebung der ›Schutzzonen‹ keine Aufteilung in feste Publizistik- oder Unterhaltungsabende mehr möglich war. Damit ging auch die Chance für das DDR-Fernsehen verloren, im eigenen Programm ›taktisch zu manövrieren‹. Trotzdem herrschte weiterhin ein deutliches Bewusstsein dafür vor, dass man mit Filmen, Serien, Shows und den beliebten Ratgebersendungen am besten gegen die westlichen Sender und ihr verstärktes Unterhaltungsprofil ankommen konnte. Deshalb sind die Diskussionen und Planungen für die einzelnen Wochentage auch unter dem Konkurrenzaspekt zum Fernsehen der Bundesrepublik geführt worden, was im Folgenden dargestellt wird. Montag

Wie schon in den 1970er Jahren stellte der Montag die Ausnahme von obiger Regel dar. An diesem Tag machten sich tatsächlich eher die beiden DDR-Programme gegenseitig Konkurrenz und zwar so, dass es der Fernsehführung auch wieder nicht recht sein konnte: Die publizistischen Sendungen im zweiten Programm konnten sich gegenüber dem traditionell beliebten Archivfilm im Ersten nicht durchsetzen. Im Jahr 1980 – wohlgemerkt bereits nach ersten größeren Bemühungen, das zweite Programm konkurrenzfähiger zu machen – lagen die Sehbeteiligungen für die Sendereihen Antworten und Augenzeugen der Geschichte, die montags 20:00 Uhr ausgestrahlt wurden, bei 0 bis 0,7 Prozent. Die Abteilung Agitation bemängelte wiederholt, dass sie im »Schatten des Montagsfilms« lägen, den die Zuschauer deutlich präferierten.169 Trotzdem hielt man – vorläufig – an diesem Publizistik-Sendeplatz fest. Im Programmjahr 1983 wurde nur für die 19:00-Uhr-Achse eine bessere, auf Alternativen zielende Programmgestaltung realisiert: In der 168

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Gemeint sind neben den zwei DDR-Sendern, ARD und ZDF (je nach Wohnort in unterschiedlicher Qualität empfangbar) sowie regional bedingt einem dritten Programm und schließlich in den späten 1980er Jahren Sat.1 und RIAS-TV für Berlin. [Q] Abteilung Agitation, Sektor Rundfunk/Fernsehen 1980, S. 2.

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Regel konnte das Publikum dort zwischen einer Ratgebersendung im ersten und einer dramatischen Abenteuerserie im zweiten Programm wählen.170 Danach schalteten die meisten Zuschauer die oben erwähnte Reihe Für den Film- und Fernsehfreund im Ersten ein. Dies änderte sich Mitte der 1980er Jahre als die 19:00-Uhr-Schiene im zweiten Programm u. a. spezielle Musiksendungen für Jugendliche, wie Musikbox, Stop! Rock! und Dixieland bot und im Anschluss vorwiegend Kinound Fernsehfilme ausstrahlte. Damit konnte das Zweite tatsächlich Zuschauer gewinnen, die durchschnittliche Zuschauerbeteiligung stieg in der ersten Jahreshälfte 1986 von 6,5 auf 11,5 Prozent.171 Gleich blieb allerdings der Sendeplatz des Schwarzen Kanals, der im ersten Programm nach dem Montagsfilm ausgestrahlt wurde – und genauso wenig änderte sich das Desinteresse der Zuschauer an dieser Sendung. Dienstag

Hatte in den 1970er Jahren der Donnerstagabend die geringste Sehbeteiligung erreicht, so wurde 1980 der Dienstag als »der schwächste Tag der Woche«172 charakterisiert. Dementsprechend sollte zukünftig eine Ratgebersendung zu Beginn der Hauptsehzeit im ersten Programm Zuschauer akquirieren und sie um 20:00 Uhr mit einer dramatischen Eigenproduktion bzw. einem internationalen Fernsehspiel auf dem Kanal halten. Mit speziellen Sendungen wollte man zeitgleich im Zweiten junge Leute ansprechen.173 Mitte der 1980er Jahre wurde um 20:00 Uhr im ersten Programm 14-täglich internationale Spielfilme als Film ihrer Wahl gesendet, in den dazwischen liegenden Wochen die eigene Fernsehdramatik ausgestrahlt. Von dieser wurde 1985 gefordert, dass sie »unbedingt in besserer Qualität und Massenwirksamkeit als bisher«174 eingesetzt werden müsste. Das zweite Programm wurde auf das erste abgestimmt: Die Alternative zum Film ihrer Wahl bildeten eigene Unterhaltungssendungen, Fernsehdramatik und beispielsweise das Fernsehtheater Moritzburg. Sendete dagegen das Erste DDR-Dramatik, musste das Zweite mit internationalen Spiel- oder Fernsehfilmen aufwarten. Wirklich erfolgreich war diese Strategie allerdings nicht; die Fernsehführung blieb mit der Resonanz am Dienstagabend unzufrieden. Mittwoch

Der Mittwoch eröffnete als dritter Tag in Folge das Abendprogramm im Ersten um 19:00 Uhr mit einer Ratgebersendung und stand später – als Überbleibsel aus der Zeit der bundesdeutschen Schutzzonen – im Zeichen der DDR-Publizistik. Nach der Aktuellen Kamera und einer Natur- oder Tierserie wurde 1983 um 20:30 Uhr der »Konzentrations-

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Vgl. [Q] Leucht et al. 1982, Anlage II/5, S. 4. Vgl. [Q] Sauer 1986, S. 54. [Q] Direktor für Programmplanung 1980, S. 2. Vgl. [Q] Leucht et al. 1982, Anlage II/5, S. 5. Hier und im Folgenden: [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1986a, S. 8-9.

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platz für Spitzenpublizistik«175 vorgehalten. Dieser Superlativ erklärt sich aus fortwährenden Problemen mit diesem Programmplatz, u. a. weil die Qualität der journalistischen Sendungen die Zuschauer häufig nicht überzeugen konnte. Im Zweiten wurde dagegen Unterhaltung ausgestrahlt: Um 19:00 Uhr mit Berühmte Schauspieler im Film und um 20:30 Uhr zumeist die Unterhaltungssendung Zwischenlandung. Im Zuge erster Bemühungen, das zweite Programm attraktiver zu gestalten, hatte die Fernsehführung 1980 den Beginn des Hauptabendprogramms auf 19:00 Uhr vorverlegt. Von nun an wurde immer wieder betont, dass die 19:00-Uhr-Achse fast so wichtig wäre wie die Programmschiene eine Stunde später. Am Mittwoch konnte besonders das Zweite in dieser Sendezeit punkten und erreichte bis zu 25 Prozent Zuschauerbeteiligung,176 beinahe ein Rekordwert für diesen Sender. Gleichzeitig wurde aber betont, dass das Interesse der Zuschauer an den Sendungen des ersten Programms nicht nachgelassen hatte – dies hätte nämlich als Hinweis auf die stets befürchtete Entideologisierung des Programms gelten können. Die Fernsehführung feierte die gestiegene Publikumsresonanz in der 19:00-Uhr-Achse an vier von sieben Wochentagen jedenfalls ausdrücklich als Erfolg im Konkurrenzkampf mit den bundesdeutschen Programmen: »Im 2. Programm gelang es besonders mittwochs, dienstags, sonntags und donnerstags Zuschauer zu gewinnen, was vor allem im Hinblick auf die Vorabendprogramme des Gegners wichtig ist. Der Zuwachs ging nicht auf Kosten der politisch-ideologischen Wirkung unseres Programms, da in der Regel weder die Aktuelle Kamera noch publizistische Sendungen an Sehbeteiligung einbüßten.«177 Dieser Erfolg war allerdings nicht von Dauer. Schon kurz nach der Programmreform konnte allein die Mittwoch-Variante des gesamten Vorabendprogramms wirklich beim Publikum punkten und zwar auch nur dann, wenn ›gegen‹ die Ratgebersendung im Ersten ein Spielfilm im Zweiten lief.178 Trotzdem blieb der Mittwoch in den folgenden Jahren einer der resonanzstärksten Wochentage mit durchschnittlich 45,7 Prozent Zuschauerbeteiligung für beide Programme, wobei das Zweite fast doppelt soviel Zuschauer akquirieren konnte wie das Erste.179 Donnerstag

Am Donnerstag stand im ersten Programm 19:00 Uhr die Rubrik »dramatische Kurzserie« auf dem Plan, gefolgt von der Aktuellen Kamera und den Magazinen Prisma bzw. Objektiv. Um 20:30 Uhr ging es mit seichterer Unterhaltung (z. B. der Rumpelkammer) weiter und um 21:15 Uhr mit Kulturellem. Das Zweite sendete schon um 19:00 Uhr Unter175 176

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[Q] Leucht et al. 1982, Anlage II/5, S. 6. Hierfür sorgten 1980 Spielfilme mit Vittorio de Sica, Gerard Philippe, Marlene Dietrich u.a. internationalen Schauspielstars. Vgl. [Q] Abteilung Agitation, Sektor Rundfunk/Fernsehen 1980, S. 1. [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen 1980, Anlage 1, S. 1. Vgl. [Q] Direktor für Programmplanung 1983a, S. 16. Vgl. [Q] Sauer 1986, S. 54.

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haltendes, was beim Publikum gut ankam; danach strahlte es allerdings ›unter Ausschluss der Öffentlichkeit‹ die Senderubrik Für Freunde der russischen Sprache aus.180 Gerade diese Auswahl um 20:00 Uhr – zwischen politischen Magazinen und unattraktivem ›Russenprogramm‹ – goutierten die Zuschauer häufig mit einem Umschalten auf die Westsender. Die Agitationsabteilung beklagte dementsprechend 1982: »Donnerstags existiert jetzt die ungünstigste Alternative.«181 Letztendlich triumphierte der Wunsch, die Zuschauer zu erreichen, über den Anspruch, einen für das Freundbild von der Sowjetunion wichtigen Programmbaustein beizubehalten: Nach zwölf Jahren wurde die Rubrik Für Freunde der russischen Sprache aus dem Abendprogramm genommen und ins späte Nachmittagsprogramm ›abgeschoben‹.182 Seit 1985 strahlte das zweite Programm auf dem frei gewordenen Sendeplatz mit Krimi nach acht internationale Filme aus.183 Und auch im Ersten lief nun Unterhaltung statt Publizistik in Form eigenproduzierter Unterhaltungssendungen wie Außenseiter-Spitzenreiter, Bong, Spielspass, Schlagerlotto usw. Die Magazine Prisma bzw. Objektiv durften erst im Anschluss daran – gegen 20:45 Uhr – ausgestrahlt werden. Nach der zweiten Ausgabe der Aktuellen Kamera, und damit im Spätprogramm, wurden für eine kleine Zielgruppe Beiträge zur internationalen politischen Publizistik gesendet. So gestaltet kam der Donnerstagabend bei den Zuschauern ab 1985 gut an, was die Programmplaner anspornte, diesen Effekt auszubauen. Zukünftig hofften sie im Konkurrenzkampf mit dem Wochenendprogramm der westlichen Sender besser mithalten zu können: »Das Angebot am Wochenende, ab Freitag, 19:00 Uhr, wird 1986 in der Auseinandersetzung mit dem Gegner eine noch zentralere Rolle spielen. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit an das Familienprogramm am Sonnabend und Sonntag höhere Qualitätsmaßstäbe anzulegen.« Freitag

Traditionell war der Freitagabend im ersten Programm der Serienabend: Nach der Naturserie um 19:00 Uhr folgte die dramatische Serie eine Stunde später, nur unterbrochen durch die Aktuelle Kamera. Ab 21:00 Uhr sah die Programmplanung seit 1983 eine »Konzentration von populärer DDR-Unterhaltung zum Wochenendauftakt«184 vor, beispielsweise das Sportquiz. Zwei Jahre später liefen hier allerdings vorwiegend Spielfilme, die als bessere Alternative zur Serie im ersten Programm angesehen wurden. Im Zweiten sollten zunächst das Magazin Entdeckungen im Alltag und eine verbesserte Variante der Sendung Antworten ab 19:00 Uhr für das »politische Profil« des Programms sorgen. Spätestens seit 1985 wurden aber auch auf diesem Sendeplatz 180 181 182 183 184

Vgl. [Q] Leucht et al. 1982, Anlage II/5, S. 7. [Q] Abteilung Agitation 1982, S. 5. Vgl. Vollberg 2004, S. 103. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1985, S. 88-93. Hier und im Folgenden: [Q] Leucht et al. 1982, Anlage II/5, S. 8.

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entweder eigene Unterhaltungsprogramme (z. B. Wunschbriefkasten) oder internationale Unterhaltungssendungen ausgestrahlt. Ab 19:30 Uhr sendete man bereits seit Anfang der 1980er Jahre Unterhaltung in Form von Musik und Spielfilmen bzw. Theaterübertragungen, nur die 21:00 Uhr-Ausgabe der Aktuellen Kamera durchbrach dieses Sendemuster. Ab 1986 gab es allerdings für die Programmplaner die Möglichkeit, mit den Nachrichten fließend zwischen 21:30 und 22:00 Uhr zu beginnen, je nachdem wie lang der um acht Uhr begonnene Spielfilm oder eine herausragende Sportübertragung dauerten.185 Der Freitag bietet ein gutes Beispiel dafür, dass bei der Platzierung einzelner Sendungen vergleichbare Formate des bundesdeutschen Fernsehens direkt in den Blick genommen wurden. Auf einer Sitzung der Zentralen Parteileitung wurden 1983 Ausrichtung und Sendeplatz des Kulturmagazins186 diskutiert. Klaus Hilbig – Leiter der Abteilung Kunst/Kulturpolitik – schlug vor, den kulturpolitischen Charakter des Magazins mit Orientierung auf ein entsprechend großes Publikum beizubehalten. Als geeigneten Sendeplatz empfahl er Freitag, 22:00 Uhr – vor der ZDF-Sendung Aspekte. Dahinter stand die Absicht, die an Kultur interessierten Zuschauer nicht dem Westprogramm zu überlassen, sondern sie 20 Minuten vor Beginn von Aspekte mit dem eigenen Kulturmagazin auf einem DDR-Sender zu halten. Würde das Kulturmagazin so antreten, verkündeten die Programmplaner optimistisch, »könnte der Gegner in kontinuierlicher Weise geschlagen werden«187. Tatsächlich wurde das Magazin bis 1986 vierzehntägig auf dem vorgeschlagenen Sendeplatz ausgestrahlt, später wechselte es jedoch in die Spätachse am Donnerstag. Insgesamt war die Neuprofilierung der Sendung aber erfolgreich, sie konnte sich als einzige ihrer Art im Programm halten und zwar bis zum Ende des DDR-Fernsehens. Samstag

Der Samstagabend bot den Zuschauern zumeist die Wahl zwischen einer Unterhaltungssendung und einem importierten Spielfilm. Im ersten Programm wurde um 19:00 Uhr eine Kurzserie ausgestrahlt und im Anschluss an die Aktuelle Kamera folgte die große Show mit beim Publikum besonders beliebten Sendungen wie Ein Kessel Buntes oder Klock 8. An etwa zwölf Samstagen im Jahr sendete man zur Abwechslung internationale Spielfilme. Für das Zweite erhofften sich die Planer in der neuen Struktur ab 1982 eine besonders anspruchsvolle Alternative zum ersten Programm: Mit dem Fernsehen ins Theater sollte Theaterübertragungen, Musiktheater und verfilmtes Theater in die ostdeut-

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Vgl. [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1985, S. 94; [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1986a, S. 11. Diese Sendung wurde im Zuge der ersten Programmreform konzipiert und eingeführt, die Auftaktfolge lief am 13.04.1973. Vgl. Steinmetz/Viehoff 2008, S. 322 sowie Hickethier/Hoff 1998, S. 399. [Q] Fernsehen der DDR, Zentrale Parteileitung 1983, Anlage 1, S. 4.

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schen Wohnzimmer bringen.188 Aber nur drei Jahre später forderte die Abteilung für Programmstrategie, dass die Alternative zur Show im Ersten ein internationaler Kinofilm oder erstklassige TV-Dramatik im Zweiten zu sein hätte. Zudem müssten an den Samstagen, die im ersten Programm Spielfilme boten, unbedingt massenwirksame Unterhaltungssendungen im Zweiten vorgehalten werden.189 Die Massenwirksamkeit blieb auch 1986 und in den verbleibenden Jahren das wichtigste Kriterium für den Samstagabend: »Der Kampf um die Zuschauer gerade auch am Samstag erfordert, daß innerhalb der bewährten Reihen keine Qualitätsunterschiede zugelassen und auch die Einzelsendungen zu höherer Popularität geführt werden.«190 Sonntag

Der Sonntagabend blieb von der zweiten Programmreform weitgehend unberührt, nachdem er bereits im Zuge der ersten Reform gründlich umstrukturiert worden war: Nach dem Telelotto und den Nachrichten folgten auch in den 1980er Jahren im ersten Programm alternierend ostdeutsche Fernsehspiele, die Krimi-Serie Polizeiruf 110 als ostdeutsches Pendant des Tatorts, Unterhaltungssendungen wie Schätzen Sie mal oder Beiträge der Heiteren Dramatik. Im Zweiten stand ab 19:00 Uhr der Sport auf dem Plan, danach ein internationaler Spielfilm, u. a. aus der Reihe Lachen mit… Nur wenn das Erste ausnahmsweise einen Spielfilm zeigte, hatte das Zweite einen Fernsehfilm zu senden.191 Nach Einführung der alternativen Struktur machte die Fernsehführung 1983 auf ein Problem aufmerksam, das alle Wochentage betraf und das in obiger Darstellung nicht erläutert wurde: Die Zuschauer waren mit Programmumfang und Qualität des Spät- bzw. Nachtprogramms äußerst unzufrieden, da ab 22:00 Uhr zumeist echte »Lückenfüller«192 gesendet wurden. Dass für dieses Problem dringend eine Lösung gefunden werden musste, leitete der Direktor für Programmplanung aus der innerdeutschen Konkurrenz ab: »Teilweise wird das Programm so früh beendet, daß über längere Zeit nur der Gegner mit seinen Programmen präsent ist. […] Dieser Zustand ist schnell zu ändern.« In den Folgejahren wurden im Spätprogramm mit dem Hinweis auf die Bedürfnisse der Schichtarbeiter vor allem Wiederholungen populärer Sendungen ausgestrahlt. Zu früh durfte das Programm zukünftig nicht enden. Es musste zu jeder Zeit sichergestellt sein, dass in einem der beiden Programme – in der Regel im Ersten – nicht vor 23:45 Uhr Sendeschluss war.193 188 189 190 191 192 193

Vgl. [Q] Leucht et al. 1982, Anlage II/5, S. 9. Vgl. [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1985, S. 95. [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1986a, S. 12. Vgl. ebd., S. 13. Hier und im Folgenden: [Q] Direktor für Programmplanung 1983a, S. 17. Vgl. [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1986a, S. 14.

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6.4.2 D AS DDR-F ERNSEHEN ALS »H EIMKINO «. S PIELFILMIMPORTE UND F REMDPROGRAMM Im letzten Abschnitt wurde erläutert, wie das Abendprogramm einer typischen Sendewoche des DDR-Fernsehens in den 1980er Jahren aussah. Nicht zu übersehen ist dabei, wie häufig nach der zweiten Programmreform in einem oder sogar auf beiden Kanälen internationale Spielfilme zur besten Sendezeit ausgestrahlt wurden.194 Diese Filme standen hoch in der Gunst des Publikums und besonders diejenigen, die einen Blick über den eigenen staatlichen Tellerrand gestatteten, erfreuten sich großer Beliebtheit.195 Honecker persönlich hatte darum einen vermehrten Einsatz von Filmen im Fernsehen gefordert und die Wünsche des Partei- und Staatschefs obsiegten auch über (nachträglich erinnerte) Zweifel der Abteilung Agitation: »Wir haben politisch motivierte Skrupel, dem Beispiel der Westprogramme zu folgen und zu jener Sendezeit der Unterhaltung den Vorrang zu geben. Genau darauf aber zielt, wenngleich ein wenig verklausuliert, Erich Honeckers Forderung nach einer ›echt alternativen Programmgestaltung‹, worunter er vor allem Spielfilme versteht.«196 Der häufige Filmeinsatz brachte allerdings nicht nur ideologische Probleme mit sich, sondern – angesichts knapper finanzieller Mittel – in erster Linie auch praktische, schließlich mussten viele Filme importiert werden. Beim Einkauf von Kino- und Fernsehfilmen wurde dem DDR-Fernsehen die wirtschaftliche Überlegenheit der bundesdeutschen Sender immer wieder deutlich vor Augen geführt. Im Jahr 1986 klagte die Abteilung für Programmstrategie und -planung zum wiederholten Mal: »Der Erwerb von Spitzenfilmen vollzieht sich erfahrungsgemäß in einem harten Kampf mit dem Gegner und ist die Krönung im ständigen Ringen um den Qualitätskern. Gegner sind die westdeutschen Fernsehanstalten und die Vertreter der BRD-Filmwirtschaft.«197 Was den Mitarbeitern der Abteilung Internationaler Programmaustausch, die für die Ankäufe zuständig waren, die Arbeit erschwerte, war die Tatsache, dass sich die Fernsehführung Premieren im Programm des DDR-Fernsehen wünschte. Auch hier gestand man sich offen ein, dass die eigenen Zuschauer die Westprogramme rezipierten und Filme, die sie dort bereits sehen konnten, wenig Aussicht auf hohe Einschaltquoten hatten. Absolute Priorität hatte demnach die Beschaffung massenwirksamer Spielfilme für das 20:00-Uhr-Programm, wobei die Devisen vor allem für Erstaufführungen verwendet werden sollten, also solche Filme die vorher weder im Kino noch im bundesdeutschen Fern194

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Im Jahr 1985 gab es allein sieben feste Reihen, in denen ausschließlich Spielfilme ausgestrahlt wurden: Für den Film- und Fernsehfreund, Lachen mit…, die sogenannte Schauspieler-Reihe, die Krimi-Reihe, den Film ihrer Wahl sowie den Sommerspaß und den Film im Aufbruch. Vgl. Stiehler 2004 sowie Meyen 2003a, S. 68-69. Fensch 2003, S. 197. [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1986a, S. 3.

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sehen zu sehen waren.198 Um diese Premieren im eigenen Programm zu sichern, musste die Ausstrahlung mühevoll erworbener Filme mitunter, entgegen eigener Pläne, vorverlegt werden. Erhielten die Programmplaner Informationen darüber, dass ARD oder ZDF die gleichen Filmrechte erworben hatten und sie vor der DDR zeigen wollten, handelten sie schnell. So wollte man beispielsweise 1984 eine Reihe von KarlMay-Filmen im Jahresendprogramm ausstrahlen, bis Hans-Joachim Seidowsky, Leiter des Internationalen Programmaustauschs, in Erfahrung brachte, dass das ZDF diese Filme bereits im Herbst zeigen wollte, woraufhin sofort eine Vorverlegung beschlossen wurde.199 Bei Spielfilmankäufen konnte sich das DDR-Fernsehen in der Regel keine ausgefeilten Selektionskriterien leisten, sondern die mit den Anschaffungen beauftragten Mitarbeiter wussten, dass sie sich wohl oder übel mit dem eindecken mussten, was schnell und preiswert zu bekommen war: »Da wir im internationalen Preiskampf nicht konkurrieren können, setzen wir auf: die Sicherung schnellerer und damit früherer Informationen, den daraus resultierenden schnelleren, sicheren Entschluß zum Ankauf, die weitere mögliche Ausnutzung von Schwachpunkten unserer Gegner.«200 Die leitenden Gremien des Fernsehens waren darüber informiert, wie dubios diese Geschäfte teilweise getätigt werden mussten. Aber weil die internationalen Filme im Programm so erfolgreich waren, drängten sie die zuständige Abteilung dazu, diese Methoden weiterzuführen. Klaus Raddatz, erster Stellvertreter Adamecks, bemerkte diesbezüglich auf der Kreisleitungstagung im Februar 1986: »Einen beachtlichen Teil des Erfolges des Gesamtfernsehens der letzten Monate haben bekanntlich die Genossen vom Internationalen Programmaustausch weggetragen – oder besser herbeigeschafft. Wir sind sicher, daß das so bleibt […]. Es ist deshalb zu begrüßen, wenn sie sich vornehmen, den Filmmarkt der sozialistischen Länder, einschließlich eigener und fremder Archive, noch genauer zu kennen und schnell auszuschlachten; noch raffinierter die Widersprüche auf dem kapitalistischen Markt auszunutzen, um für uns etwas herauszuschlagen, und noch gerissener die Tatsache auszunutzen, daß auf diesem Markt letztendlich für Geld alles zu haben ist – und den Kreis der Genossen zu vergrößern, der dieses etwas schlitzohrige Geschäft auch wirklich versteht.«201 Auch Günter Leucht erkannte die Schwierigkeiten an: »Es handelt sich wirklich um einen echten Kampf, […] diese Filme heranzuschaffen.«202 Als »Boykott des Imperialismus« beklagte er, dass viele Lizenzverträge von ARD und ZDF die Formel ›Gesperrt für den weiteren deutschsprachigen Raum‹ enthielten – und diese Filme somit für die

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Vgl. [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1985, S. 4. Vgl. [Q] Martin 1984, S. 4. [Q] Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung 1986a, S. 3. [Q] Raddatz 1986, ohne Seitenzahlen. Laufende Paginierung S. 35. Hier und im Folgenden: [Q] Leucht 1985, S. 10.

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DDR nicht zu erwerben waren. Gleichzeitig verbreitete Leucht einen beherzten Optimismus, als er beispielsweise verkündete, zu Weihnachten mit einer legal erworbenen Lizenz den berühmten Film ›Gandhi‹203 senden zu können, und zwar als erste europäische Fernsehstation. Die getätigten Käufe und die Ausstrahlungspolitik schienen das Prestige des DDR-Fernsehens gesteigert zu haben. Schließlich schafften sie Attraktivität für das eigene Publikum und – lange nachdem man den gesamtdeutschen Anspruch aufgegeben hatte – mitunter sogar für bundesdeutsche Zuschauer. Was Leucht darüber der westdeutschen Presse entnommen hatte, berichtete er im Oktober 1985 sichtlich stolz den Genossen weiter, denn das Studium westlicher Zeitungen war nur für die Führungsriege der Partei eine Selbstverständlichkeit: »Nebenbei gesagt, die ›Welt am Sonntag‹ hat jetzt in der vergangenen Woche verglichen, was so die verschiedenen Fernsehstationen, die in Westberlin empfangbar sind einschl. der Kabelstationen zu bieten hatten. Sie sind zu der Erkenntnis gekommen, eigentlich die einzigen, die wirklich etwas zu bieten haben, waren die beiden Ostprogramme, im II. Programm abends ›Asso‹204 20.00 Uhr, mit berühmten Schauspielern und um 21.30 Uhr im I. Programm den ›Forsythe‹205-Film [sic!].«206 Die Lobeshymnen auf den Erfolg der Spielfilmpolitik im eigenen Fernsehen waren allerdings nur die eine Seite der Medaille: In altbewährter Manier versuchte man sich gleichzeitig (zumindest verbal) von der westlichen Konkurrenz abzusetzen. Adameck verwahrte sich auf einer Kreisleitungssitzung im Juni 1985 ausdrücklich »gegen die Flut der banalen westlichen Unterhaltungsindustrie«207. Streng forderte er harte Qualitätskontrollen für den Einsatz von Fremdprogrammen: »Auch vor jedem Leiter dieses Bereiches steht die Notwendigkeit, am Anfang der Entscheidungen präzise zu bestimmen, was in unsere Politik passt und was nicht in unser Programm gehört.« Zu oft habe es Korrekturen im Programm sowie unnötige Synchronisationen gegeben, weil ausländische Spielfilme bzw. Serien angenommen wurden und sich dann herausgestellt hätte, das deren politische und künstlerische Qualität zuvor nicht konsequent genug beurteilt worden war. Er betonte, dass diese Entscheidungen immer von einem politischen Standpunkt aus getroffen werden müssten: »Unser Fernsehen ist ein Instrument der Partei und damit ein Instrument der beschlossenen Politik. Dazu gehört, daß im Fernsehen selbstverständlich keine Programme etwas zu suchen haben, die die Verwirklichung dieser richtigen, guten Politik stören oder behindern.«

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»Gandhi«, USA, Großbritannien, Indien 1982. Regie: Richard Attenborough. »Asso«, Italien 1981. Regie: Franco Castellano, Giuseppe Moccia. In der Reihe Lachen mit… Adriano Celentano, 06.10.1985, Fernsehen der DDR II, 20:00 Uhr. »Das Schicksal der Irene Forsyte«, USA 1949. Regie: Compton Bennett. 06.10.1985, Fernsehen der DDR I, 21:30 Uhr. [Q] Leucht 1985, S. 11. Hier und im Folgenden: [Q] Adameck 1985, S. 11-25.

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Wie sich die Abteilung Agitation die ›Idealbesetzung‹ für Spielund Fernsehfilme im Zuge der alternativen Programmgestaltung vorstellte, machte sie im ersten Rückblick auf das Programm nach der Reform deutlich: Für das Fernsehen sei es eine der wichtigsten programmpolitischen Aufgaben, kontinuierlich ein dem hohen Bedarf entsprechendes Filmangebot zu sichern. Es gelte dabei, den Anteil solcher Filme zu erhöhen, die »zugleich politisch und künstlerisch wertvoll und massenwirksam«208 wären. Drei Jahre zuvor hatte der Direktor für Programmplanung den Anspruch auf ideologische Wirkungen durch den Einsatz von Filmen noch vehementer artikuliert und optimistisch mit den Publikumsinteressen in Einklang gebracht: »Gleichzeitig wurde mit Filmen, die einen spannenden politischen Hintergrund enthielten, eine bestimmte Programmlinie entwickelt, die von den Zuschauern voll akzeptiert wurde. Mit diesem Spielfilmangebot wurde das Fernsehen der DDR auch in Vorbereitung des 35. Jahrestages der Befreiung besonders bei der Ausprägung antifaschistischen und antiimperialistischen Bewußtseins, vor allem unter der jungen Generation, wirksam […].«209 In der Planungsphase zur alternativen Struktur waren die Töne diesbezüglich, mit wenigen Ausnahmen, diplomatischer geworden und die Internationalität des Filmangebots wurde von nun an sogar als (welt-)politische Erziehung der eigenen Bevölkerung verkauft: »Vom nationalen, vom sozialistischen Verständnis ausgehend, richten wir unseren Blick auf den ganzen Erdball und ordnen die Beiträge der internationalen Film- und Fernsehkunst […], die geeignet sind, das Weltbild unserer Zuschauer zu erweitern, in das Gesamtprofil unseres sozialistischen Fernsehens ein.«210 Auch die Ausstrahlung westdeutscher bzw. westeuropäischer Filme konnten Leucht und seine Planungskommission als konform zum ideologischen Auftrag bewerten, indem sie betonten, dass damit humanistische Tendenzen in den ›gegnerischen‹ Systemen unterstützt würden: »Als Ausdruck unserer Verbundenheit mit den fortschrittlichen Künstlern kapitalistischer Länder, die von den Positionen eines aktiven Humanismus den Imperialismus bekämpfen, bemühen wir uns um die Werke humanistischer Kunst der Gegenwart, wie auch um das Erbe der humanistischen Weltkultur.« Dieser Trend einer Liberalisierung, im Sinne der Internationalisierung des Filmangebots, verstärkte sich Mitte der 1980er Jahre nicht nur im Programm selbst, sondern er lässt sich auch in der Rhetorik der Planungspapiere und internen Kommunikation nachweisen. Zwar betonte man weiterhin die Bedeutung eigenproduzierter Fernsehfilme für die Identifizierung der Bürger mit ihrem Staat, räumte aber ein: »Zugleich ist an dem im Leben bewährten Prinzip festzuhalten, unseren Zuschauern in ihrem Programm alles zu bieten, was Film und Fernsehen der Welt an Gutem, Humanistischem, Spannendem, Unterhaltsamen hervorgebracht haben und hervorbringen.«211 Um dabei nicht das Selbst-

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[Q] Geggel, Abteilung Agitation 1983, S. 4. [Q] Direktor für Programmplanung 1980a, S. 12. Hier und im Folgenden: [Q] Leucht et al. 1982, S. 98-99. Hier und im Folgenden: [Q] Direktor für Programmplanung 1984, S. 4.

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bild vom eigenen Anspruch als ein sozialistisches Programm ändern zu müssen, wurde die Ausstrahlung von Filmen aus befreundeten wie ›gegnerischen‹ Ländern einfach in das politische Profil integriert: »Das sozialistische Profil unseres Programms wird sowohl durch die hohe politisch-künstlerische Qualität und Massenwirksamkeit der unmittelbar von uns selbst produzierten Sendungen bestimmt als auch durch die Sendungen, die wir aus dem internationalen Angebot nach unseren Kriterien auswählen, bearbeiten, ins Programm bringen.« Die klare Schlussfolgerung als Botschaft an die Programmplaner lautete, dass auch ein Fernsehabend mit Spielfilmen auf beiden Programmen ein Erfolg sein konnte – auch wenn dabei keine ostdeutsche Produktion auf dem Spielplan stand: »Die Erkenntnis, daß eine schwache Sendung niemals eine echte Alternative zu einer guten sein kann, hat sich weiter durchgesetzt. Das schließt auch die Anerkennung des Prinzips ein, als Alternative zu einem massenwirksamen Spielfilm im einen Programm eher einen weiteren populären Spielfilm im anderen einzusetzen, als eine schwache eigene Sendung. Nach Lage der Dinge wird es auch künftig notwendig sein, verschiedenartige Spielfilme inund ausländischer Herkunft als Alternativprogramme ›gegeneinander‹ einzusetzen.«212 Bei der Auswahl internationaler Filme richtete man sich dabei – auch wenn dies in der ersten Hälfte der 1980er Jahre verbal noch mit ideologischen Einschränkungen versehen werden musste – maßgeblich nach dem Publikumsgeschmack: »Gezielt wird auf die erfolgsträchtigen Genres: auf große Filme, die aus oder im Einklang mit unserer Sicht zu Fragen der Zeit Stellung nehmen; auf Filme, die Weltgeltung erlangen und mit unseren humanistischen Anliegen übereinstimmen; aber auch und ganz besonders Kriminal- und Abenteuerfilme, große historische Filme, massenwirksame Filmkomödien, wirklich herausragende Politkrimis, Filme großer Gefühle.«213 In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre durften die Programmstrategen auf solche Referenzen an die politische Passfähigkeit der Filme verzichten. In der Konzeption für 1988 verwies die Programmplanung schlicht darauf, »daß die gesellschaftliche Meinung über die Gesamtpalette des ›Heimkinos‹ in hohem Maße davon abhängt, daß in dichterer Folge Spitzenfilme geboten werden, von denen die ganze Gesellschaft spricht«214. Einschränkungen bei der Auswahl der Filme waren alles in allem weniger politischer, sondern eher moralischer Art: »Insgesamt ist sorgsam darauf zu achten, daß wesensfremde Erscheinungen, wie z. B. Brutalitäten, in unserem ›Heimkino‹ nichts zu suchen haben.« Ansonsten war – wie die Bandbreite ausgestrahlter Spielfilme zeigt – das DDR-Fernsehen gerade in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts offen für zahlreiche Spielarten filmischer Unterhaltung, auch um den Preis, dass man sich damit häufig den Westen ins eigene Programm holte.

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[Q] Direktor für Programmplanung 1983a, S. 20. [Q] Direktor für Programmplanung 1983b, S. 21. Hier und im Folgenden: [Q] Programmplanung 1987, S. 10.

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6.4.3 Z USCHAUERVERLUSTE STOPPEN . WETTBEWERB IN ENGEN G RENZEN Auch wenn die westlichen Fernsehprogramme von der Fernsehführung in Adlershof in den 1980er Jahre weit seltener als im letzten Jahrzehnt thematisiert wurden, war die Konkurrenzsituation den Genossen nach wie vor präsent. Dabei hatte man sich mit dem Erfolg des Westfernsehens weitgehend arrangiert; im Grunde zielten die Bemühungen der Fernsehführung vor allem darauf, nicht noch mehr Zuschauer zu verlieren und einen gewissen Status quo zu wahren. Damit blieben Versuche, welche dezidiert Zuschauer für das DDR-Fernsehen zurückgewinnen sollten, Ausnahmen und wurden nicht verstetigt. Hierfür waren innovative Strategien vonnöten, wie weiter unten das Beispiel von Elf99 zeigt. In der Regel gehörte das Verständnis vom Zuschauer, der sich abwechselnd den Programmen des Westfernsehens und denen der DDR zuwendet, aber zum Alltag der Fernsehführung. Der vielleicht deutlichste Beleg hierfür datiert aus dem Jahr 1980: Angesichts einer ›Schocksituation‹, die sämtliche vorangegangenen Bemühungen, die Programmstruktur des DDR-Fernsehens günstig auf die des Westens abzustimmen, ad absurdum geführt hätte, beschrieb Adameck den Status quo so deutlich wie selten zuvor. Anlass war die geplante Einführung der Sommerzeit in der Bundesrepublik im Frühjahr 1981, an der sich die DDR zunächst nicht beteiligen wollte. Obwohl die Entscheidung in Bonn bereits 1978 gefallen war,215 schlug die ostdeutsche Fernsehführung erst im November 1980 Alarm, vier Monate vor dem Stichtag. Adameck wandte sich an Herrmann und übersandte ihm eine Einschätzung, was die unterschiedlichen Zeitzonen für das DDRFernsehen und seine Konkurrenzsituation zu den bundesdeutschen Sendern bedeuten würden.216 Die Vorverlagerung von ARD, ZDF und Dritten Programmen um eine Stunde gegenüber dem DDR-Fernsehen war aus Adamecks Sicht ein wahres Schreckenszenarium und legte – offenbar tradierte – Ansichten offen, die sonst nicht ausgesprochen wurden bzw. nicht in schriftlicher Form überliefert sind. Eine Sorge Adamecks war dabei, dass freitags bis sonntags um 20:00 Uhr, wenn die DDR ihre Unterhaltungssendungen, Fernsehfilme und Serien begann, die Wochenendhauptprogramme des Westfernsehens bereits seit einer Dreiviertelstunde auf Sendung waren. Damit hätte das DDR-Fernsehen keine Chance mehr gehabt, das Gros der Zuschauer zurückzugewinnen, welches nämlich nicht die Aktuelle Kamera, sondern die Nachrichten des ZDF bzw. das westliche Vorabendprogramm verfolgte. Bisher hatten diese Zuschauer, die erst 20:00 Uhr zu einem DDR-Programm wechselten, günstigere »Umsteigebedingungen«, wie Adameck es ausdrückte. Er schlug als Sofortmaßnahme vor, die Eigenwerbung für das Hauptabendprogramm zu intensivieren: »der Werbereiz muß so stark 215 216

Geregelt durch das Zeitgesetz vom 25. Juli 1978. Vgl. hier und im Folgenden: [Q] Adameck an Herrmann, 27.11.1980, Hervorhebung im Original.

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werden, daß Zuschauer mitten aus laufenden BRD-Sendungen zu uns umsteigen und nicht nur wie bisher in ›bequemen‹ Schaltachsen«. Zusätzlich forderte Adameck, dass das 19:00-Uhr-Programm verbessert werden müsste, welches durch die veränderten Anfangszeiten gegen die ARD-Tagesschau sowie gegen das Abendprogramm von ARD und Dritten Programmen bestehen müsste. Die Massenwirksamkeit der betroffenen Ratgebersendungen, dramatischen Kurz- und Naturserien im Ersten sowie der Jugendsendungen, Spielfilme und Unterhaltungssendungen im Zweiten sollte verstärkt werden. Wie dies genau gewährleistet werden könnte, beantwortet Adameck nicht – er merkte lediglich an, dass die genannten Maßnahmen »durch zusätzliche Leistungssteigerungen erst noch erwirtschaftet und gesichert werden« müssten. Die problematischste Folge der drohenden deutsch-deutschen Zeitverschiebung sah Adameck allerdings in der neuen Nachrichtenkonstellation aller Sender: Die Aktuelle Kamera würde demnach zeitlich nach der heute-Sendung und der Tagesschau laufen. Damit würde zum einen der permanent als Kampf um die »Erstinformation« interpretierte Wettlauf der Nachrichtenverbreitung für die ostdeutsche Informationssendung verloren gehen, zum anderen hätte die Aktuelle Kamera wohl noch mehr Zuschauer an das Westfernsehen abtreten müssen: »Die Hauptausgabe der Aktuellen Kamera steht dann gegen das Hauptabendprogramm (u.a. Filme, Serien, Unterhaltung, Fernsehspiele) aller drei BRD-Programme (bisher hatte um 19.30 Uhr nur ZDF schon das Hauptabendprogramm).« Ein konkreter Vorschlag, wie man den Folgen dieser neuen Situation begegnen könnte, wurde nicht unterbreitet. Das Diskussionspapier äußerte sich lediglich zur zweiten Nachrichtenschiene im ersten Programm, denn die Spätausgabe der Aktuelle Kamera wäre unter den veränderten Umständen gegen 21:30/21:45 Uhr zeitgleich zu den Tagesthemen sowie Spätfilmen und spezieller Publizistik im ZDF gesendet wurden. Hier schlug Adameck eine Doppelstrategie vor: Erstens sollte die journalistischen Qualität der Spätausgabe verbessert und zweitens sollten zeitgleich im Zweiten beliebte Spielfilme oder Abenteuer- und Krimiserien wiederholt werden, um das Publikum auf jeden Fall von den Tagesthemen abzuhalten. Alle Sorgen Adamecks waren letztendlich unbegründet, denn die DDR und die Bundesrepublik führten 1981 die Sommerzeit gemeinsam ein. Trotzdem zeigt die Reaktion Adamecks deutlich, welchen Einfluss westdeutsche Programmstrukturen auf die eigenen Planungen hatten und wie ehrlich sich die ostdeutsche Fernsehführung – wenn es nötig war – den Erfolg der bundesdeutschen Programme bei den DDR-Zuschauern eingestand. Dass sie sich dabei besonders sensibel verhielt, wenn es die Konkurrenzsituation der Nachrichtensendungen betraf, lässt sich auch für die Zeit vor und nach Adamecks Befürchtungen hinsichtlich einer möglichen Zeitverschiebung belegen. Bereits im Umfeld der ersten Programmreform Anfang der 1970er Jahre wurden dazu zahlreiche Überlegungen angestellt: Sie betrafen einerseits die Sendezeit der Nachrichten, die die günstigste Platzierung gegenüber der Tagesschau und der heute-Sendung gewährleisten sollte und andererseits veränderte Präsentationsformen, welche die ostdeut-

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sche Fernsehführung bei den tagesaktuellen Sendungen des Westfernsehens genau beobachtete. Diese Überlegungen wurden in den Konzeptionen der zweiten Programmreform 1982 wieder aufgenommen; erneut wurde daraus abgeleitet, dass die DDR-Nachrichtensendung angesichts der starken Konkurrenz qualitativ verbessert werden müsste. Die Redaktion sollte die politische Wirksamkeit der Hauptausgabe um 19:30 Uhr weiter steigern: »Dabei ist tagtäglich mit Kampfgeist der Tatsache Rechnung zu tragen, daß die Sendung mitten zwischen den beiden aktuell-politischen Hauptsendungen des BRD-Fernsehens liegt, was zusätzliche Anforderungen an das Niveau der in der Aktuellen Kamera vermittelten Informationen und Argumentationen stellt.«217 Der Hauptvorwurf an die Aktuelle Kamera lautete dabei, dass sie den politischen Auftrag nicht wirksam genug umsetzte. Die Inhalte der Nachrichten wurden also als durchaus konform zu den Vorstellungen der DDR-Führung eingeschätzt, was angesichts der strengen Zensurregelungen bei dieser Sendung nicht verwundert. Kritisiert wurde nur, dass die sorgsam ausgewählten Informationen zu wenige Zuschauer erreichten und sie so keine ›bewusstseinsbildende‹ Wirkung in weiten Kreisen der Bevölkerung entfalten konnten. Folglich beklagte die Abteilung Agitation ein »mangelndes Vermögen mit einzelnen Beiträgen und mit der gesamten Sendung ›Politik zu machen‹«218, was wiederum zu »politischen Fehlern, Ungenauigkeiten und Wirkungseinbußen«219 führen würde. Da die Aktuelle Kamera nach wie vor als ›Waffe‹ innerhalb des deutsch-deutschen Schlagabtauschs betrachtet wurde, waren solche Wirkungsverluste besonders schmerzhaft. Unabhängig von den Inhalten der Sendung – die für viele Zuschauer im direkten Gegensatz zu ihren Alltagserfahrungen standen – waren allein schon die zunehmend veralteten Darbietungsformen der Aktuellen Kamera für das anvisierte Publikum wenig attraktiv, besonders im Vergleich zu den westdeutschen Alternativen. Mit der Vorbereitung und Etablierung des dualen Rundfunksystems verstärkte sich dort der schon in den 1970er Jahren begonnene Trend zur Visualisierung und zu aufgelockerten Präsentationsformen der Nachrichten.220 Forderungen der politischen Führung an die Aktuelle Kamera zielten 1982 auf ebensolche Verbesserungen. Zuverlässiger als bisher sollten wichtige innenund außenpolitischen Ereignisse des Tages ausgewählt und nach einem politisch durchdachten Konzept fernsehgemäß umgesetzt werden: »Entschieden gilt es, eine Reihe von Mängeln in der inhaltlichen, journalistischen, bildmässigen und technischen Gestaltung der Aktuellen Kamera zu überwinden.«221

217 218 219 220 221

[Q] Abteilung Agitation 1982, S. 9. Fast wortgleich auch in [Q] Parteiorganisation der SED, Fernsehen der DDR, Zentrale Parteileitung 1982, S. 12. [Q] Abteilung Agitation 1982, S. 9. [Q] o.N. 1982a, S. 6. Vgl. Hickethier/Hoff 1998, S. 374-377 und S. 472-475. [Q] Parteiorganisation der SED, Fernsehen der DDR, Zentrale Parteileitung 1982, S. 12-13.

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Allerdings durften die geforderten Verbesserungen nicht um den Preis einer – auch hier befürchteten – Entideologisierung erfolgen, ganz im Gegenteil: Die Handlungsfähigkeit der Journalisten blieb weiter eingeschränkt. Eine Thematisierung oder gar Kritik der z. T. von höchster Stelle geübten Zensur sowie der grundsätzlichen Sanktionierung von Informationen war nicht möglich. Demzufolge wurde auch in den folgenden Jahren vor allem eine ansprechende Präsentation immergleicher Bilder angemahnt, denn schließlich war das politisch festgelegte Hauptsujet der Nachrichten nicht verhandelbar: »Die Aktuelle Kamera baut 1988 weiter Aktualität, politische Genauigkeit, journalistische Meisterschaft und die Bildkultur ihrer Sendungen aus. Höchste Aufmerksamkeit verlangt immer wieder die Darstellung der Aktivitäten der Partei und Staatsführung in bester Qualität.«222 Diese strikte Vorgabe führte letztendlich dazu, dass die DDR-Nachrichten auch in den 1980er Jahren ihre Akzeptanz unter der Bevölkerung nicht steigern konnten. Die 1982 geforderte Abschaffung von »Routine und Ideenarmut in bezug auf die fernsehgemäße Gestaltung von Nachrichten«223 konnte in der Praxis erst gelingen, als mit der Umbruchsbewegung im Spätherbst 1989 die politische Gängelung der Nachrichtensendung schlagartig endete und die Aktuelle Kamera im Osten Deutschlands zur meistgesehenen Informationssendung avancierte.224 Kurz vor Ende der DDR konnte sie sich damit erstmals tatsächlich gegen die Konkurrenz von Tagesschau und heute durchsetzen. Damit erfüllte die Aktuelle Kamera, quasi posthum, einen sehnlichen Wunsch sowohl der DDR-Führung als auch der leitenden Fernsehgremien. Neben der Nachrichtengestaltung lassen sich in den 1980er Jahren, genau wie in den mehr als 25 vorangegangenen Programmjahren, Bereiche benennen, in denen sich die Leitung des Fernsehens der gesammelten Informationen über das ›Westfernsehen‹ bedient und sich in vielfältiger Art und Weise an den bundesdeutschen Programmen orientiert hat.225 An dieser Stelle soll allerdings ein – sehr prominentes – Beispiel genügen, um zu demonstrieren, dass das Agieren in der Konkurrenz bis zum Wendeherbst 1989 zum Alltag der Führungsgremien des DDR-Fernsehens gehörte. Es handelt sich um das Jugendmagazin Elf99226, dessen Geschichte und vor allem systemdestabilisierende Rolle in den Umbruchsmonaten Oktober bis Dezember 1989 journalistisch und wissenschaftlich ausführlich aufgearbeitet wurde.227 Es war sicherlich ein ganzes Bündel an Motiven, welches die SEDFührung und das Fernsehkomitee 1988 veranlasst hat, eine Neukonzep-

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[Q] Programmplanung 1987, S. 3. [Q] Abteilung Agitation 1982, S. 9. Vgl. Wolff 2002, S. 11. Zur Heiteren Dramatik und Serienproduktion, vgl. Dittmar 2004a, S. 165166. Zu Familienserien und ihrer westlichen Konkurrenz, vgl. Pfau 2009. Erste Ausstrahlung am 01.09.1989. Namensgeber für den Titel war die Adlershofer Postleitzahl. Vgl. allen voran Schuhbauer 2001 und für weitere Arbeiten dessen ausführliches Literaturverzeichnis.

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tion des Jugendfernsehens und die Einführung einer kompletten Nachmittagsschiene für diese Zielgruppe ins Visier zu nehmen. Jugendliche Zuschauer mit diesem neuen Programm von der westdeutschen Konkurrenz zurückzugewinnen, war aber zweifellos eine der wichtigsten Absichten. Die politische Konzeption der Sendung leitete ihre Notwendigkeit daher schon in den frühen Planungsphasen aus der verstärkten Konkurrenz westlicher Kinder- und Jugendsendungen her. Bereits im November 1988, als das geplante Projekt noch unter dem Terminus »Einführung eines gestalteten Nachmittagsprogramms für (Kinder) und Jugendliche« bzw. »Jugendnachmittagsprogramm«228 geführt wurde, referierten die an der Konzeption beteiligten Personen auf die Dominanz der Westmedien in diesem Programmbereich und auf das dahinter stehende Feindbildmotiv der ideologischen Diversion. Dass die ostdeutschen Zuschauerzahlen für die bundesdeutschen Nachmittagsprogramme dabei wahrscheinlich beträchtlich überschätzt wurden – wie Hans-Jörg Stiehler angesichts fehlender Erhebungen nur vermuten kann229 – stützt die hier vertretene These der Fixierung auf ein Feindbild, welches nicht per se an die Realität gebunden sein musste. Margot Honecker war als Ministerin für Volksbildung eine hochrangige Unterstützerin des Projektes und wurde bis zum Herbst 1989 in alle Entscheidungen einbezogen, die die Sendung betrafen. Auch sie befürwortete die Konzeption als Mittel der Wahl, den Einfluss der westlichen Fernsehsender zurückzudrängen: »Damit können Bedürfnisse und Erwartungen einer Altersgruppe befriedigt werden, die im gegenwärtigen Sendeprofil ungenügend berücksichtigt wird, die aber die Hauptzielgruppe ideologischer Beeinflussung durch Medien der BRD ist.«230 Hier wurde folglich auch noch im Herbst 1989 ein Feindbild abgerufen, das gleichlautend in den vorangegangenen Jahrzehnten immer wieder angeführt worden war: Letztendlich waren die tatsächlichen Zuschauerverluste (deren Nachweis durch qualitative Methoden man ja nicht zuließ) nicht ausschlaggebend für die Entscheidungen, sondern die eingespielten negativen Vorstellungen, die sich die Verantwortlichen von den ›feindlichen‹ Fernsehprogrammen machten. Die Fernsehführung ging detailliert auf den primär ideologisch gefassten Konkurrenzaspekt ein. In der entscheidenden Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees, welches am 18. Januar 1989 das Grundkonzept von Elf99 beschloss, hieß es dazu: »Angesichts des massiven Ausbaus der besonders an die Jugend gerichteten Programme der Fernsehstationen der BRD und von Berlin (West) (wöchentlich ca. 24 Stunden für Kinder und Jugendliche in ARD und ZDF; im ZDF: ›Logo‹ – Nachrichten für Kinder – seit 9.1.1989 regelmäßig montags bis donnerstags – sowie weitere Kinder- und Jugendsendungen in SAT 1 und in RIAS-TV) gilt es, die Absichten des Gegners zu durchkreuzen, mit

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Vgl. Schuhbauer 2001, S. 71. Vgl. Stiehler 1991, S. 121. [Q] Honecker, Margot an Herrmann, 14.11.1988.

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seinen elektronischen Medien Einfluß auf Kinder und Jugendliche der DDR zu gewinnen.«231 Nun hat die in der vorliegenden Arbeit durchgeführte Untersuchung von Motiven und Strategien im Umgang mit der westlichen Konkurrenz an mehreren Beispielen demonstrieren können, dass solche Verweise auf die starken bundesdeutschen Programme für die Fernsehführung auch eine Erfolg versprechende Möglichkeit war, Unterstützung für die eigenen Pläne einzuwerben. Darum muss die alarmierende Darstellung vom Erfolg des Westfernsehens bei Jugendlichen auch als ritualisierte Beschwörung eines Feindbildstereotyps bewertet werden, das – formuliert für die Entscheidungsträger in einem hochrangigen Parteigremium – ein unterstützendes Argument für die Bewilligung zusätzlicher Mittel sein sollte. Wie schon gezeigt wurde, gehörte dies seit den 1950er Jahren quasi zum Standardrepertoire bei Genehmigungsverfahren größerer Projekte, in denen das Fernsehen stets auf die Unterstützung von Gremien und führenden Persönlichkeiten angewiesen war. Trotzdem greift es zu kurz, die Rolle westdeutscher Jugendsendungen bei der Entstehung von Elf99 darauf zu reduzieren, dass sie als ›Alibi‹ für die Forderung nach Extramitteln zur Finanzierung und technischen Ausstattung der geplanten Sendung fungierten. Zwar lagen der politischen Führung und den Fernsehmitarbeitern keine genauen Zahlen über die Rezeption von Westmedien unter der DDR-Jugend vor; insgesamt gingen sie aber von hohen Einschaltquoten aus und schätzten diese Tatsache als bedrohlichen Fakt ein. Der Aspekt der ideologischen Konkurrenz war mehr als eine leere Plattitüde: Gerade die Gesinnung des Nachwuchses wollte man nicht der Beeinflussung durch das Fernsehen des ›Klassengegners‹ preisgeben. Im Gegenteil hoffte man, in dieser Zielgruppe mit eigenen Sendungen »die Liebe zum sozialistischen Vaterland zu entwickeln, [sie; C. D.] von der Perspektive des Sozialismus zu begeistern, eine sozialistische Lebensweise auszuprägen und klare Positionen in der Klassenauseinandersetzung zu fördern«. Dafür waren das DDR-Fernsehen und die übergeordneten Abteilungen bereit, neue Wege zu gehen und eine Sendung ins Programm zu nehmen, die deutliche Ähnlichkeiten zu westlichen Formaten aufwies. Thomas Schuhbauer, der die Entstehung von Elf99 genau recherchiert und dargestellt hat, glaubt, dass die innovative Strategie der Sendung aus »der immer größer werdenden Fixierung auf das Programm des ›Gegners‹ aus dem Westen«232 herrührte. Dies hätte sich schon in der Tatsache gezeigt, dass die Ausstrahlungszeiten der neuen Sendeschiene nicht aus den Freizeitbudgetforschungen über Schüler und Lehrlinge in der DDR abgeleitet wurden, sondern sich an den Anfangszeiten der Westsendungen für diese Zielgruppe orientierten.233 Aber auch das gesamte, für das DDR-Fernsehen neue Konzept der Sendung, mit größeren Freiräume für die jungen Journalisten sowie

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Hier und im Folgenden: [Q] Staatliches Komitee für Fernsehen beim Ministerrat der DDR 1989, Anlage 1, S. 2. Schuhbauer 2001, S. 74. Vgl. Stiehler 1991, S. 120-121.

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›modernisierten‹ Leitlinien, waren Schuhbauer zufolge ein »Reflex auf einen Standard, den die Programme von ARD, ZDF, SAT 1 und RIASTV gesetzt hatten«234. Dies hätte sowohl die formelle Gestaltung (Unterhaltung als tragendem Element und das verwendete Zapping-Muster) als auch die Themenauswahl betroffen, so dass die DDR-Jugendsendung den »gut sichtbaren Aufkleber ›Made like in West Germany‹«235 getragen hätte. Der ideologische Auftrag, die Jugend für das von der SED angeleitete Medium zurückzugewinnen und wieder den politischen Werbebotschaften der Partei zugänglich zu machen, hätte dabei im klaren Gegensatz zum modernen ›Auftritt‹ der Sendung gestanden. Gerade im letzten Punkt ist Schuhbauer rückhaltlos zuzustimmen. Im vorangegangenen Kapitel zum Selbstbild der Fernsehführung konnte deutlich nachgewiesen werden, dass die ideologische Indoktrination der Zuschauer als politischer Auftrag vom Fernsehen nach wie vor nicht hinterfragt wurde und verschiedene Anleitungsmodalitäten sogar noch strikter als in zurückliegenden Phasen waren. Das Ausmaß der Orientierung an Formaten des Westfernsehens ist dagegen nicht typisch für die 1980er Jahre und stellt eher eine Ausnahme als die Regel in Bezug auf das Gesamtprogramm dar. Die von Schuhbauer beobachtete Fixierung auf bundesdeutsche Sendungen, die in der Konzeptionsphase von Elf99 zu Recht so konstatiert wurde, war insgesamt nicht stärker als in den vorangegangenen Jahrzehnten ausgeprägt. Wie weiter oben ausgeführt, war eine so hohe Anpassung an mediale Präsentationsformen für bestimmte Formate wie die Aktuelle Kamera immer noch ein Tabu. Bei anderen Sendungen, wie beispielsweise den ostdeutschen Familienserien, lässt sich zwar die gleiche Tendenz nachweisen, aber bei keiner könnte man zusammenfassend zum gleichen Schluss wie Schuhbauer über Elf99 kommen: »Es war in allen Teilen aus der Defensive gegenüber den Programmen des Westfernsehens entstanden, deren kulturelle Hegemonie über die Jugend in der DDR zurückgedrängt werden sollte.«236 Dabei muss angemerkt werden, dass die Motive bei der Einführung der Sendung nicht so monokausal waren, wie es Schuhbauer darstellt: Die von ihm zitierten Ausführungen über die ideologische Konkurrenz zum Westfernsehen sprengten keineswegs den Rahmen der tradierten Verweise auf den Wettbewerb um die eigenen Zuschauer – wie bereits dargestellt gehörten diese seit langem und immer noch zum Standardrepertoire in der ›Antragslyrik‹ der Fernsehführung. Die Entwicklung, die die Sendung durchlief, nachdem sie planmäßig am 1. September 1989 gestartet war, kann hier abschließend fast als Ironie in der DDR-Fernsehgeschichte beschrieben werden: Das primäre Ziel, jugendliche Zuschauer für das Ost-Fernsehen zu rekrutieren und sie zugleich für politische Themen zu begeistern, gelang – allerdings nicht im Sinne der ›Erfinder‹. Die junge Redaktion von Elf99 probte als erste im Gefüge des DDR-Fernsehens im Oktober 1989 den Widerstand

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Schuhbauer 2001, S. 78. Ebd., S. 79. Ebd., S. 78.

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gegen die üblichen Sanktionen der Fernsehführung bei nichtkonformer Berichterstattung und übte Druck auf die Chefredaktion aus.237 Einzelne Redakteure, die sich für eine Öffnung des Themenspektrums sowie eine kritischere Berichterstattung einsetzten, unterwanderten die Zensurmechanismen und machten die Sendung »zum wichtigsten Faktor der DDR-Medienöffentlichkeit«238 im Wendeherbst 1989. Zumindest zwei Ereignisse lassen sich klar benennen, bei denen Elf99 sogar eine aktive Rolle beim politischen Umbruch spielte: Der Rücktritt Harry Tischs239 nach einer Diskussion in der Sendung, in der er die Vertrauensfrage stellte sowie die Aufdeckung des »Wandlitz«-Skandals240. Einer der letzten Versuche des Fernsehens, sich am westlichen Konkurrenten zu orientieren und diesen – quasi mit den eigenen Mitteln, nachgestellt im DDR-Programm – im Wettstreit um Zuschauer zu schlagen, war zum Wegbereiter eines neuen Medienverständnisses geworden. Die Journalisten von Elf99 nahmen sich daraufhin die gleichen, oder vielmehr sogar größere Freiheiten als die Berichterstatter im bundesdeutschen Fernsehen heraus und leisteten so einen Beitrag zur Demontage der alten SED-Eliten. Gleichzeitig stand die Entwicklung – wie Schuhbauer nachgewiesen hat – exemplarisch für den »Umbruch im Fernsehen«241, der sich parallel zur politischen Umbruchssituation im Herbst 1989 vollzog.242 Im Selbstbild der Journalisten ersetzten die Forderungen der neuen pluralistischen Öffentlichkeit die Anleitung durch die SED-Gremien, die mit der schwindenden Beherrschung ihrer Medien auch ihre eigene Herrschaft abtreten mussten.243

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Vgl. ausführlich ebd., S. 131-310. Ebd., S. 350. Am 26.10.1989 wurde eine Diskussionsrunde von Elf99 mit jungen Gewerkschaftern und Tisch aufgezeichnet, in der dieser heftig kritisiert wurde und seinen Rücktritt anbot. Nachdem in der Redaktion kontrovers diskutiert wurde, ob man die Sendung ausstrahlen sollte, gab der verantwortliche Redakteur Berhard Büschel die nötige Freigabe. Sie wurde am 28.10.1989 gesendet. Am 02.11.1989 trat Tisch als Vorsitzender des FDGB zurück. Wandlitz war eine Waldsiedlung nördlich von Berlin, in der die höchsten SED-Funktionäre mit ihren Familien äußerst privilegiert wohnten. Der Elf99Reporter Jan Carpentier versuchte am 20.11.1989 erstmals die Siedlung zu zeigen, wurde abgewiesen und berichtete einen Tag später darüber. Am 23.11. fand daraufhin ein Pressetermin in Wandlitz statt, über den Carpentier eine Reportage fertigte, die skandalöse Zustände offenbarte. Höhepunkt des Films, der am 24.11. im zweiten Programm ausgestrahlt wurde, war die Aussage Kurt Hagers, der Wandlitz mit einem Internierungslager verglich. So der erste Teil des Titels von Schuhbauers Analyse. Als Chronik der medienpolitischen Ereignisse zwischen Oktober 1989 und Oktober 1990 vgl. Claus 1991, S. 17-116 sowie vom September 1989 bis März 1990 Richter et al. 1990. Dies meint keineswegs, dass Elf99 oder das ostdeutsche Fernsehen die ›Wende‹ und die darauf folgenden Ereignisse ausgelöst hätten. Das Fernsehen hat auf seine Weise dazu beigetragen, Veränderungen voranzutreiben, hat selbst Veränderungen durchlebt und diese letztendlich nicht überlebt.

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Am 4. November 1989 unterbrach das DDR-Fernsehen seine laufenden Sendungen, um die Protestkundgebung vom Berliner Alexanderplatz mit mehr als einer halben Million Demonstranten ins Programm zu nehmen. Mit dieser dreistündigen Liveübertragung, welche die Auftritte der Redner ohne zusätzliche Sprecherkommentare sendete, demonstrierte das Fernsehen den vollzogenen Wandel seiner politischen Berichterstattung. Noch war es aber die angestammte Fernsehführung, die die Entscheidung zur Übertragung der Demonstration getroffen hatte – allerdings ohne Rückversicherung bei den vorgesetzten Gremien. Besonders die Abteilung Agitation war aber bereits seit dem 19. Oktober in die Bedeutungslosigkeit abgedriftet, nachdem Heinz Geggel in einer letzten ›Donnerstags-Argu‹244 auf das bisherige Meinungsmonopol der Institution verzichtet hatte.245 Nach außen erschien es darum, als hätte das DDR-Fernsehen die Seiten gewechselt; vielmehr hatten sich die Protagonisten aber erneut dem Schwenk der Parteispitze angeschlossen: Das Fernsehkomitee hatte der Liveschaltung erst zugestimmt als klar war, dass auch die SEDFührung an der Kundgebung teilnehmen würde. Der wendige Adameck versuchte daraufhin in den folgenden Wochen seine Fernsehführung von der »Kontrollinstanz zum Reformmotor umzudeklarieren«246, allerdings ohne Erfolg. Was die Übertragung am 4. November ausgelöst hatte, nämlich den Anspruch der Fernsehmacher, Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung zurückzugewinnen, ließ sich nicht mehr stoppen.247 Adameck, der anstrebte, das Fernsehen weiterhin mit verdeckter Unterstützung der SED führen zu können, verlor schnell an Rückhalt in den Redaktionen. Am 21. November trat er von seinen Ämtern zurück, andere Komiteemitglieder folgten ebenso wie die Kreisleitung Fernsehen. Am 1. Dezember berief der kurz zuvor gewählte Ministerpräsident Hans Modrow einen Nachfolger für Adameck und ernannte Hans Bentzien zum Generalintendanten. Drei Wochen später wurde die formale Stellung des Fernsehens als Einrichtung des Ministerrates nochmals bestätigt, noch war es keine öffentlich-rechtliche Anstalt und konnte weder vom Parlament noch von den oppositionellen Gruppen kontrol-

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So wurden die Besprechungen der Abteilung Agitation genannt, die jeden Donnerstagmorgen um 10:00 Uhr im ZK-Gebäude am Werderschen Markt stattfanden. Seit 1973 versammelte Geggel Chefredakteure und hochrangige Medienfunktionäre zu einer Art Pressekonferenz, die Inhalte und Sprachregelungen für die Berichterstattung vorgab. Vgl. die Mitschrift von Geggels Ansprache in Bürger 1990, S. 227. Schuhbauer 2001, S. 189. In den folgenden Monaten haben DFF-Vertreter immer wieder versucht, auf dessen Rolle in der Herbstrevolution aufmerksam zu machen und das neue Selbstbild der Fernsehschaffenden ganz zentral an die Ausstrahlung vom 4. November gekoppelt. Vgl. beispielsweise die Podiumsdiskussionen mit Hans Bentzien, Manfred Pohl und Detlef Schrader während der Mainzer Medientage im Mai 1990, veröffentlicht in Hall 1990. Zur kritischeren Aufarbeitung der eigenen Geschichte einiger Fernsehakteure vgl. Hempel 1990.

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Unterhaltung als Alternative

liert werden.248 Stattdessen wurde ein »Runder Tisch Fernsehen« eingerichtet, an dem Vertreter der Kirche und Initiativgruppen mitwirkten. Im Januar 1990 war das SED-Medienmonopol allerdings endgültig Geschichte: Mit der Thüringer Allgemeinen erschien in Erfurt die erste unabhängige Tageszeitung der DDR; gleichzeitig erklärten die SEDBezirkszeitungen ihre Loslösung von der Partei. Die Volkskammer verabschiedete am 5. Februar ein neues Mediengesetz, das die uneingeschränkte Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit in der DDR festschrieb und jegliche Zensurmaßnahmen ausdrücklich untersagte.249 Zugleich entzog der Beschluss Fernsehen, Hörfunk und die Nachrichtenagentur ADN der Aufsicht der Regierung und erklärte die Institutionen zu ›Volkseigentum‹. Daraufhin wurde am 13. Februar ein »Medienkontrollrat« mit Vertretern von Kirchen, Jüdischer Gemeinden, Parteien und Gruppierungen des Runden Tischs in Berlin gegründet.250 Ein neuer, oder besser ein wiederbelebter alter Name machte die immer offensichtlicher werdende Entwicklung hin zu einer Wiedervereinigung auch für das Fernsehen nach außen hin sichtbar: Am 12. März 1990 wurde aus dem »Fernsehen der DDR« erneut der »Deutsche Fernsehfunk (DFF)« mit dem gesamtdeutschen Symbol des Brandenburger Tors als Senderkennung. Drei Tage später wurde der Sender laut Ministerratsbeschluss zur unabhängigen öffentlich-rechtlichen Einrichtung erklärt, die sich aus Gebühren, Werbung und Programmverkäufen finanzieren sollte. Die gemeinsame Leitung des DFF oblag nun dem Generalintendanten Bentzien sowie dem neuen Intendanten des ersten Programms, Michael Albrecht und dem Intendanten des zweiten Programms, Bernhard Büchel. Am 5. Juli hatte der DFF fünf Landessender gebildet, die Programm aus den Bezirken zulieferten. Aus dem »Runden Tisch Fernsehen« wurde am 25. Juli 1990 der Fernsehrat des DFF. Angesichts großer wirtschaftlicher Probleme und massiver Zuschauerverluste gewann die Diskussion um die Zukunft des DDR-Fernsehens an Bedeutung und Schärfe. Die Frage schien nun, ob und in welcher Form die fünf neuen Bundesländer ein eigenständiges Fernsehen benötigten. Bentzien und Albrecht warben, unterstützt von der Belegschaft und dem Personalrat des DFF für den Plan »O3«; sie wollten aus dem Fernsehfunk ein zentralistisches, drittes öffentlich-rechtliches Programm für Gesamtdeutschland machen. Auf der anderen Seite forderten die CDU/CSU- Bundestagfaktion ebenso wie die SPD, die Anstalten ARD und ZDF sowie der Interessenverband der privaten Fernseh- und Rundfunkanbieter die komplette Auflösung des DFF.251

248

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250 251

Vgl. Beschluß über das Fernsehen der DDR und den Rundfunk der DDR vom 21.12.1989, In: Gesetzesblatt der DDR, Teil I Nr. 26 vom 29.12.1989, S. 273. Abgedruckt in Kutsch 1990b, S. 294 und Claus 1991, S. 135. Vgl. Beschluß der Volkskammer über die Gewährleistung der Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit vom 05.02.1990, In: Gesetzesblatt der DDR, Teil I Nr. 7 vom 12.03.1990, S. 39-40. Abgedruckt in Kutsch 1990b, S. 307 und ausführlich diskutiert in Kutsch 1990a. Vgl. Graf/Graf 1991. Vgl. Kammann 1992.

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Dass Bentziens Vorstellungen keine ausreichende Unterstützung fanden, zeigte seine Entlassung durch den Ministerrat am 31. Mai 1990: Die Regierung hatte damit ein klares Signal gegen »O3« gesetzt. Den Nachfolge-Kandidaten des Ministerrats, Gero Hammer, lehnte der Medienkontrollrat ob seiner Vergangenheit als NSDAP-Funktionär ab, so dass der Posten bis zum 15. Oktober 1990 verwaist blieb und Albrecht die Geschäfte kommissarisch weiterführte. Rudolf Mühlfenzl wurde nach längeren Kontroversen schließlich als Rundfunkbeauftragter für die neuen Länder eingesetzt und stand damit auch dem DFF vor. Es war Teil des Einigungsvertrages gewesen, dass ein solcher Beauftragter ernannt wurde, der über die Zukunft des ehemaligen DDRFernsehens zu entscheiden hatte. Die Bestimmungen legten fest, dass der Sender entweder in Anstalten der Länder umgewandelt werden sollte oder am 31. Dezember 1991 automatisch eingestellt würde. Ein Überleben als Mehrländeranstalt auf Basis eines Staatsvertrages – auf den Leitung und Belegschaft nun ihre Hoffnungen richteten – kam allerdings nicht zustande. Eine eigenständige Institution Ostfernsehen sollte es ab 1992 nicht mehr geben, die ihr angedachten Aufgaben sollten neu zu gründende Landesrundfunkanstalten wahrnehmen. Mühlfenzl wickelte den DFF ab und sorgte für die Aufrechterhaltung des Sendebetriebs unter dem Sendernamen »DFF-Neue-Länderkette« bis zum Stichtag – aus vielerlei Gründen allerdings mit wenig Sympathie auf Seiten der ihm unterstellten Mitarbeiter. Im Februar 1991 unterzeichneten Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen den Staatsvertrag zur Gründung des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), die zweite geplante Mehrländeranstalt aus den ehemaligen DDR-Bezirken im Norden wurde nicht realisiert: Das Land Brandenburg gründete mit dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) eine eigene Anstalt, Mecklenburg-Vorpommern trat dem NDR bei und Ostberlin entschied sich für die Zugehörigkeit zum SFB.252 Vereinbarungsgemäß beendete das Silvesterprogramm vom 31. Dezember 1991 nach knapp 40 Jahren die Geschichte des DDR-Fernsehens. MDR und ORB nahmen ihre Arbeit auf; wobei sie bis heute beliebte Sendungen des einstigen DDR-Programms wiederholen – so dass es bei den Zuschauern noch nicht endgültig der Vergangenheit angehört.

252

Zur frühen Integration des DFF-Programms in die Programme von ARD und ZDF vgl. Bleicher 1992.

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7 Schlussfolgerungen Damit ist die 39-jährige Geschichte des DDR-Fernsehens diskutiert als eine Geschichte der ›kämpferischen‹ Auseinandersetzung mit dem bundesrepublikanischen Fernsehen, dem so verstandenen ›Gegner im Äther‹. Wie gezeigt wurde, war dies stets ein Kampf um die ostdeutschen Zuschauer, die zu einem Großteil das ›feindliche Fernsehen‹ konsumieren konnten und somit ständig Vergleichsmöglichkeiten hatten. Während zu Beginn sogar noch intensiv um westdeutsche Zuschauer geworben wurde, blieb am Ende vor allem ein resignierendes Einlassen auf unterhaltende Formate, importierte Filme bis hin zu einer Jugendsendung im Modus von ›Made like in West Germany‹, um das eigene Publikum auf den DDR-Kanälen zu halten. Damit mussten sich die großen Hoffnungen, das Fernsehen als ›ideologische Waffe im Klassenkampf‹ und als Indoktrinationsinstrument für die Bevölkerung einsetzen zu können, letztendlich doch zerschlagen. Wie deutlich geworden ist, wurde die Mischung zwischen publizistischen Sendungen, an deren politischen Inhalten der Staatsführung gelegen war, und vom Publikum nachgefragten unterhaltenden Programmen am Ende deutlich in Richtung der Publikumswünsche ›abgeschmeckt‹. Somit kann die Geschichte des ostdeutschen Fernsehens auch als eine Geschichte falsch verstandener Wirksamkeit des Mediums interpretiert werden. Die vorliegende Untersuchung hat die Entwicklung des DDR-Fernsehens analytisch über Veränderungen dreier zentraler Kategorien erarbeitet: So wurde untersucht, wie sich das Selbstbild der Fernsehmacher verschob, wie die staatlich vorgegebenen Feindbilder von der Bundesrepublik und den westdeutschen Funkmedien modifiziert wurden sowie mit welchen Strategien das Fernsehen versuchte, die eigenen Ziele in Auseinandersetzung mit dem ›gegnerischen‹ Medium zu erreichen. Diese Veränderungen werden abschließend resümiert und um einige Ausblicke auf den zukünftigen Forschungsbedarf ergänzt.

7.1 Das Selbstbild: Von der ›Waffe‹ im Kalten Krieg zum Unterhaltungs- und Entspannungsmedium Die Entwicklung des Selbstbildes lässt sich hervorragend am gescheiterten Projekt des »Deutschland-Fernsehens« nachvollziehen: Während die DDR-Regierung in den späten 1950er Jahren noch davon träumte, mit einem eigenen Fernsehsender die ostdeutsche Ideologie via Bildschirm in die Bundesrepublik zu transportieren, waren diese Pläne zwei Jahrzehnte später gänzlich unerfüllt zu den Akten gelegt. Offiziell wurde sogar geleugnet, dass es solche Absichten je gegeben hätte; »Ade417

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nauer und seine Hintermänner«1 hätten dies in jenen Jahren nur erfunden, um ihre eigenen Fernsehpläne voranzutreiben. Das Beispiel Deutschland-Fernsehen demonstriert damit eindringlich, welchen Veränderungen das DDR-Fernsehen in vier Jahrzehnten in seinem Verhältnis zum Publikum hinter der Mauer, aber auch gegenüber der westlichen Fernsehkonkurrenz unterworfen war: Während der Vorbereitungs- und Versuchsphase sowie zu Beginn des regulären Programmbetriebes ab 1956 verstand sich der DFF als Fernsehsender für ganz Deutschland. Das Fernsehen sollte für die Parteiführung eine Doppelstrategie im Programmauftrag erfüllen: Im Osten hatte es Überzeugungsarbeit für den Aufbau der DDR zu leisten und die Zuschauer auf die Politik der SED-Regierung einzuschwören. In der Bundesrepublik sollte es das bestehende System destabilisieren helfen sowie für die DDR und ihren sozialistischen Weg zur Wiedervereinigung werben. Damit war auch die Konkurrenzsituation zum Fernsehen der Bundesrepublik aus Sicht der ostdeutschen Programmmacher in den 1950er Jahren eine doppelte: Zum einen konkurrierte das Fernsehen auf ostdeutschem Territorium mit dem einstrahlenden Westfernsehen um die eigenen Zuschauer. Zum anderen bemühten sich die Fernsehverantwortlichen darum, in der Bundesrepublik ein neues Publikum für das DDR-Fernsehen zu akquirieren. Hinzu kam, dass sowohl die politische Führung als auch die Fernsehleitung eine sehr simple Vorstellung über die Wirkung der Medien vor Augen hatte, als sie diese ideologischen Zielstellungen formulierten. Sie gingen davon aus, dass die eingesetzten Reize, in diesem Fall die klassenkämpferischen Inhalte der Sendungen, notwendig vorhersehbare Effekte haben mussten. Eine Besonderheit der 1950er Jahre bildete dabei die Hoffnung, kurzfristig aktives Handeln bei den Zuschauern auszulösen. Diese ›Aktivierung‹ erhoffte man sich besonders beim bundesdeutschen Publikum, indem die Bevölkerung zum organisierten Aufbegehren gegen ihre staatliche Ordnung aufgerufen wurde. 1957 hatte man im DFF-Programm deutliche Anstrengungen unternommen, die Westdeutschen im Bundestagswahlkampf zu beeinflussen. Dies war aber bereits ein letzter Höhepunkt in den Bemühungen der SED-Propaganda, die bundesdeutschen Verhältnisse mit Hilfe der Medien so zu verändern, dass ein geeintes Deutschland unter sozialistischen Vorzeichen doch noch hätte möglich werden können. Der haushohe Sieg Adenauers 1957 war nicht zuletzt auch ein Beleg dafür, dass das DDR-Fernsehen die hohen Erwartungen an seine Westpropaganda nicht erfüllen konnte. In diesem Sinne war das Projekt Deutschland-Fernsehen konzipiert worden, doch die Initiative kam zu spät: Als Rundfunkkomitee und Fernsehintendanz die Idee 1959 formulierten und das Projekt Gestalt anzunehmen begann, brauchte die SED-Führung es nicht mehr. Die Prioritäten der Machthaber in der DDR hatten begonnen, sich so zu verschieben, dass für eine Realisierung des zweiten Programms mit einer Hauptausrichtung auf westdeutsche Zuschauer keine Mittel bereitge-

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Walther et al. 1982, S. 44.

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Schlussfolgerungen

stellt wurden und das Projekt damit zum Scheitern verurteilt war. Als politische Zielstellung wurde die Propagierung ostdeutscher Wiedervereinigungsbestrebungen zudem spätestens mit der Abschottung der DDR durch den Mauerbau 1961 obsolet. Dies bedeutete nicht, dass sich das Fernsehen und die politische Führung kurzfristig vom Auftrag verabschiedet hatten, mit dem Medium Fernsehen in die Bundesrepublik hinein zu ›wirken‹. Aber einen bedeutenden Vorrang vor anderen Projekten, der nötig gewesen wäre, ein solch aufwändiges und kostenintensives Unterfangen wie das Deutschland-Fernsehen tatsächlich zu realisieren, wurde der Westpropaganda nach 1959 nicht mehr eingeräumt. Als sich das Politbüro ein Jahr später, angesichts knapper Finanzmittel, zwischen einem neuen Fernsehsender als Agitator in Richtung Westen und den Bedürfnissen der eigenen Bevölkerung entscheiden musste, wurde das DeutschlandFernsehen zu den Akten gelegt. Ein zweites DDR-Programm war von da an nicht mehr vorgesehen. Revidiert wurde diese Position erst Mitte der 1960er Jahre, als mit dem Wunsch, die DDR-Bevölkerung materiell und kulturell besser zu versorgen, auch das Fernsehen wieder in das Blickfeld der politischen Führung rückte: Es wurde aber nun nicht mehr vorrangig als Propagandainstrument im Sinne des Kalten Krieges verstanden, sondern sollte als Freizeit- und Unterhaltungsmedium dabei helfen, dass sich die Ostdeutschen mit ihrem Staat arrangierten. In den 1960er Jahren hatte sich das Fernsehen als Massenmedium etabliert; viele der im vorangegangenen Jahrzehnt entstandenen Strukturen waren gefestigt. Dies galt auch für die Denk- und Diskursstrukturen der Fernsehführung zum politischen Selbst- und Feindbild. Trotzdem war dieses Jahrzehnt auch gekennzeichnet von entscheidenden Veränderungen, mit denen vor allem auf den deutschlandpolitischen Kurs der SED reagiert wurde. Für die eigene politisch-ideologische Funktionsbeschreibung können die Jahre 1961, 1965 und 1968 als Wendepunkte charakterisiert werden: Direkt nach dem Mauerbau 1961 forderten die ostdeutschen Medienlenker ein unterhaltsames Programm, das die Zuschauer vom politischen Geschehen ablenken sollte. Zum anderen wurde in der Folgezeit verstärkt die DDR-Nation durch das Fernsehen propagiert. Betrachtet man die Thematisierung der Deutschlandpolitik in Intentionsbeschreibungen des DFF, so fällt auf, dass die ›nationale Frage‹ 1965 zum dominierenden Motiv in den Konzeptionen wurde. Selbstbewusster und vehementer als zuvor wurde der Kurs der SED vertreten, die Wiedervereinigung als Langzeitlösung zu betrachten und die Normalisierung der deutsch-deutschen Beziehungen zu fordern. Nachdem die SED-Führung der DDR drei Jahre später eine neue Verfassung gegeben hatte, verschwand der ›nationale‹ Aspekt allerdings wieder aus den Absichtserklärungen des Fernsehens. Für alle Gattungen galt in den späten 1960er Jahren stattdessen als politischer Auftrag, die DDR ›allseitig zu stärken‹. Eine wichtige Anpassung an das gewandelte politische Klima stellte zudem die deutliche Abkehr vom Publikum jenseits der deutschdeutschen Grenze dar: Obwohl nach außen hin noch der Anspruch ei-

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nes gesamtdeutschen Fernsehprogramms aufrechterhalten wurde, distanzierte sich die Fernsehführung ab 1965 auffallend von den Zuschauern in der Bundesrepublik. Im Gegenzug nahm man das eigene, ostdeutsche Publikum ins Visier, was auch eine neue Sicht auf die in der DDR herrschende Fernsehkonkurrenz zu den Westsendern einleitete. Das Westfernsehen und dessen Konsum im Osten wurden genauer denn je beobachtet und es wurde energisch versucht, den gesellschaftlichen Druck gegenüber den ›Westsehern‹ zu verstärken. Das DDR-Fernsehen musste sich in den 1960er Jahren auch deshalb zunehmend an seiner Akzeptanz bei der ostdeutschen Bevölkerung messen lassen. Im Umkehrschluss führte dies zu einer vorsichtigen Erweiterung der Vorstellungen über Medienwirkungen, die die Fernsehführung äußerte, wobei die für die Zuschauer ›attraktive Verpackung‹ medial vermittelter Botschaften ernster als bisher genommen wurde. Dies stand auch im Zusammenhang mit dem gestiegenen Interesse der SED-Führung an dem sich etablierenden Medium, welches Intendanz und Parteileitung des Fernsehens gerade in der zweiten Hälfte der 1960er Jahren vor große Probleme stellte: Zum einen herrschte im Umfeld des 11. Plenums und darüber hinaus eine äußerst repressive Kulturpolitik der SED vor, in der Spielräume bewusst klein gehalten und Kunst, Kultur und Medien zur Umsetzung strikter Parteivorgaben gezwungen wurden. Zum anderen gab es aber eine deutliche Tendenz, das Fernsehen danach zu beurteilen, wie erfolgreich es bei den Zuschauern war. Schließlich hatte das ostdeutsche Fernsehpublikum mittlerweile mehrheitlich die Möglichkeit, auf bis zu drei westliche Fernsehprogramme auszuweichen. Die Protektion der Staatsführung, die dem Deutschland-Fernsehen gefehlt hatte, wurde vor diesem Hintergrund dem zweiten DFF-Programm zuteil: 1966 beschloss das Präsidium des Ministerrates, der als Regierung der DDR fungierte, ein zweites Programm schnellstmöglich zu realisieren. Es konnte daraufhin bereits am 3. Oktober 1969 mit der Ausstrahlung beginnen. Mit dem Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker wurde das Fernsehen zur ›Chefsache‹: Der neue Mann an der Spitze der DDR nahm starken Einfluss auf das Medium und fällte alle wichtigen Entscheidungen persönlich. Einen Spielraum, Projekte von der Bedeutung eines zweiten Fernsehprogramms zu planen, ohne auf direkte Anweisung der Staatsführung zu handeln, gab es nun nicht mehr. Das DeutschlandFernsehen blieb auch in dieser Beziehung ein einmaliges Phänomen. Die von Honecker vehement geforderte Unterhaltungsorientierung im Gesamtprogramm lässt sich dabei auch mit der Angst begründen, dass die westlichen Sender mit ihren zunehmend unterhaltsamen Programmen die DDR-Zuschauer noch stärker als zuvor ideologisch beeinflussen könnten. Die einzige Lösung schien darin zu bestehen, sich diesem Trend, der Zuschauersympathien einbrachte, anzuschließen. Damit begann sich das Fernsehen aber auch schrittweise vom Selbstbild eines »sozialistischen Fernsehens« zu verabschieden. Während sich die DDR in den 1970er Jahren mittels der deutsch-deutschen Vertragspolitik den Weg zur internationalen Anerkennung ebnete, sollte die politische Ma-

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Schlussfolgerungen

xime von der ›Verschärfung des ideologischen Klassenkampfs‹ die äußere Entspannung ideologisch absichern. Für das Fernsehen bedeuteten die endgültige Abkehr vom gesamtdeutschen Auftrag und die ausschließliche Hinwendung zum DDR-Publikum, dass es sich mehr als je zuvor an den Wünschen der eigenen Zuschauer orientieren musste. Mit der Programmreform von 1971/72 und auch in den Folgejahren wurde das Unterhaltungsprofil des Programms ausgebaut. Im theoretischen Diskurs zu den Wirkungsmöglichkeiten des Fernsehens wurden nun Thesen zur politisch-ideologischen Beeinflussung der Zuschauer durchgängig an Darstellungen zur Freizeit- und Entspannungsfunktion des Mediums gekoppelt. Zugleich rückten die westlichen Sender noch stärker ins Blickfeld der Fernsehführung und wurden zumeist unter dem Credo ihrer ideologischen Konkurrenz zum DDRFernsehen diskutiert. Eine so häufige und breit gestreute Thematisierung des Westfernsehens im Diskurs der Fernsehführung hatte es weder zuvor gegeben noch blieb sie im darauffolgenden Jahrzehnt auf solch hohem Niveau erhalten. Die Jahre um die erste Programmreform bildeten damit den Höhepunkt in der Ausrichtung am westlichen Pendant. Trotz aller vorangegangenen Bemühungen war das ostdeutsche Fernsehen Anfang der 1980er Jahre erneut geprägt von politischen und wirtschaftlichen Zwängen, Zuschauerverlusten sowie der Unzufriedenheit des Publikums. Besonders das zweite Programm, das sich bisher nicht mit einem eigenen Profil etablieren konnte, stieß bei den Zuschauern auf Ablehnung. Der politische Erwartungsdruck und die straffe Lenkung durch die Parteiführung waren stärker als zuvor, nachvollziehbar in Zeiten, in denen sich ein Wiederaufleben des Kalten Krieges vollzog. Gleichzeitig war die innenpolitische Lage angespannt: Die zunehmend prekäre ökonomische Situation der DDR (die natürlich auch die Finanzen des Fernsehens betraf) und anhaltende politische Gängelung hatten in der Bevölkerung eine Unzufriedenheit entstehen lassen, die bereits mit Abwanderungswellen in den Westen Signale setzte. Zu diesem Zeitpunkt verschärfte sich auch die Konkurrenzsituation zum westlichen Fernsehen noch einmal, das sich angesichts der Einführung eines dualen Rundfunksystems samt privaten Fernsehanbietern den Zuschauern mit attraktiven Programmen zu empfehlen suchte. Mit der »alternativen Programmstruktur« trachtete das DDR-Fernsehen 1982 danach, seine Akzeptanz beim Publikum zu steigern, ohne sich tatsächlich mit den veränderten Wettbewerbsbedingungen auseinandersetzen zu können. Die Idee des neuen Sendeschemas – die Alternative zum ersten dauerhaft im zweiten Programm des DDR-Fernsehens zu schaffen – war dabei alles andere als neu. Seit das Zweite 1969 zu senden begonnen hatte, wurde es von den Zuschauern als »Wiederholungssender« oder »Russenprogramm« kritisiert. Ab 1979 wurden Neustrukturierungen forciert, um die Attraktivität dieses Programms zu steigern. Die zweite große Programmreform Ende 1982 sollte endgültig zwei Vollprogramme schaffen, die den Zuschauern echte Wahlmöglichkeiten offerierten. Die alternative Programmgestaltung blieb dabei bis zum Umbruch 1989 das Konzept, mit dem sich das Fernsehen als massenwirksam und volksverbunden zu profilieren suchte.

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7.2 Feindbildfixierung statt Konkurrenzkampf Die Medien in der Bundesrepublik und ganz besonders die grenzüberschreitenden Hörfunk- und Fernsehsender beschäftigten die Führungsriege der DDR in exorbitantem Ausmaß. Über die gesamte Existenz der DDR hinweg wurden Informationen gesammelt, Programme und Sendungen verfolgt und alles ›wissenschaftlich‹ im Sinne der SED-Ideologie ausgewertet.2 Auch der Geheimdienst, das Ministerium für Staatssicherheit, wurde für diese Zwecke eingespannt. Durch diesen pseudowissenschaftlichen Diskurs wurden Feindbilder westlicher Medien geschaffen, die auch für die Fernsehführung verbindlich waren. Innerhalb dieser Feindbilder hatte das DDR-Fernsehen seine Konkurrenz im Westen zu beurteilen und sich selbst dagegen zu positionieren. Neben dem Feindbild des westlichen Fernsehens wurde in der vorliegenden Arbeit auch untersucht, wie die Bundesrepublik im überlieferten Schriftgut des DDR-Fernsehens innerhalb der jeweiligen Jahrzehnte charakterisiert wurde. Das Feindbild vom anderen deutschen Staat und seiner politischen Führung stand naturgemäß in engem Zusammenhang mit den abschreckenden Szenarien, die der Osten über dessen Medien konstruierte. Beide Aspekte zusammen ergeben ein umfassendes Bild darüber, wie im fernsehinternen Diskurs der Westen und die westliche Fernsehkonkurrenz wahrgenommen wurde und innerhalb der herrschenden Diskursregeln thematisiert werden konnte. Bereits in den 1950er Jahren unterstellte das DDR-Fernsehen dem Konkurrenten demgemäß nur die schlechtesten Absichten. Eine systematische und institutionsübergreifende Beschäftigung mit dem westlichen Fernsehen, die für das DDR-Fernsehen relevant gewesen wäre, ist allerdings – im Gegensatz zu den folgenden Jahrzehnten – nicht nachweisbar. Ab 1957 lassen sich im untersuchten Schriftgut aber regelmäßige Informationssammlungen und Vergleiche zwischen den deutschen Fernsehsendern rekonstruieren, die bis 1989 fortgesetzt wurden. Zum ersten Mal wurde dabei 1957 die technische Rückständigkeit gegenüber der westlichen Konkurrenz beklagt, der gleiche Tenor findet sich mit unterschiedlichen Akzenten bis zum Ende des DDR-Fernsehens. Angebliche westliche Infiltrationsversuche in die DDR-Bevölkerung wurden in den 1950er Jahren dementsprechend noch eher punktuell thematisiert, wobei das Muster der Argumentation bereits rituellen Charakter hatte: Von Anfang an versuchte das Fernsehen, die zentralen Feindbilder der DDR von der Bundesrepublik, die durch die oberste Führung der SED initiiert wurden, zu übernehmen und zu verbreiten. Die grundsätzlichen Positionen im untersuchten Quellenmaterial lassen sich dabei vollständig in die gängigen Analysen zur Feindbildkommunikation der frühen DDR einordnen. Sie weisen keine herausragenden Besonderheiten auf, denn das Fernsehen wurde durch die Abteilung Agitation diesbezüglich genauso angeleitet wie andere Medien auch. Ebenso wurden Programmentscheidungen mit Feindbildnarrati2

Zu dieser als ›pseudowissenschaftlich‹ charakterisierbaren Forschung vgl. die Erläuterung in der Einleitung, vgl. Kapitel 3.2.3, Fußnote 208.

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ven begründet, die weniger aus aktuellen Anlässen als vielmehr aus der marxistisch-leninistischen Ideologie resultierten. Die von der SED aufgebauten Feindbildnarrative über Militaristen, Revanchisten und Faschisten, die vermeintlich die Bundesrepublik regieren würden, sollten dabei das Vertrauen der Bundesbürger in deren Staat schwächen. Die zweite erhoffte Wirkung war, einen Paradigmenwechsel bei der eigenen Bevölkerung zu erreichen: Der Westen als Projektionsfläche der Sehnsüchte und Wünsche unzähliger Ostdeutscher sollte zum verzerrten Spiegelbild der friedlichen DDR werden, zu einem Ort, der Ängste auslöste und keinen Anreiz zur Republikflucht darstellte. Die Einstellung der Fernsehführung zum anderen deutschen Staat kann damit in diesem Jahrzehnt als politisch-konform und ideologiegeprägt charakterisiert werden. Es herrschte die Mentalität der ›Kalten Krieger‹. Selbst wenn es davon abweichende Positionen gegeben hat, konnten oder durften diese nicht schriftlich fixiert werden. Im Feindbilddiskurs der 1960er Jahre nahm die Intensität und Systematisierung der Beobachtung des Westfernsehens zu. Spätestens ab 1965 waren mehrere Bereiche des DFF unter führender Rolle der Programm- und Sendeleitung mit der kontinuierlichen und methodisch abgestimmten Auswertung des Westfernsehens beschäftigt. Im Jahr 1969 erreichte diese Entwicklung ihren Höhepunkt, denn aus diesem Jahr sind mehr Analysen und Beobachtungen überliefert als je zuvor. Zugleich wurde verstärkt versucht, das Feindbild vom bundesdeutschen Fernsehen ›wissenschaftlich‹ zu analysieren und zu kategorisieren, um ein vielschichtiges Argumentationsmuster von den ideologischen Absichten des Westfernsehens präsentieren zu können. Federführend war dabei die »Wissenschaftliche Arbeitsgruppe« des DDR-Fernsehens, der Analyse und Präsentation der Informationssammlung zum bundesdeutschen Fernsehen oblag. Diese Gruppe gestandener Ideologen war vorrangig bemüht, das Fernsehen wissenschaftlich im gesellschaftlichen Kontext zu verorten, Leit- bzw. Feindbilder zu entwickeln und damit die ›Planer und Leiter‹ des DFF zu unterstützen. Die Daten zur westdeutschen Fernsehentwicklung (und etwas abgeschwächt auch die des internationalen Fernsehgeschehens) wurden von da an fest in einen ideologischen Interpretationsrahmen eingepasst, der den SED-Vorgaben entsprach. Dies war vom Fernsehkomitee durchaus beabsichtigt, denn es ließ 1970 für das Abfassen von ›Feindanalysen‹ sogar eigene Kriterien erarbeiten, die verbindlich festlegten, unter welchen inhaltlichen Richtlinien und Klassifikationen das Fernsehen der Bundesrepublik ausgewertet werden musste. Die Auffassung vom politisch korrumpierten Fernsehen der Bundesrepublik stellte das ideologisch-konforme Feindbild des Konkurrenten dar, auf das im internen Diskurs der Fernsehführung immer wieder zurückgegriffen wurde. Der zentrale Vorwurf, der dem westlichen Fernsehen dabei immer wieder gemacht wurde, war die »Hetze« gegen die DDR. Dieses Argument sagt selbstredend mehr über die Ängste der ostdeutschen Medienpolitiker aus als über die Realitäten im bundesdeutschen Fernsehsystem. Wie auch anderen westlichen Medien wurde dem Fernsehen unterstellt, die DDR unterwandern und die sozialisti-

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sche Gesellschaftsordnung stürzen zu wollen. Als ›psychologische‹ und ›suggestive‹ Hauptmotive wurden die Darstellung des Ostens als unberechenbar, die Reduzierung der DDR auf eine »sowjetische Kolonie« sowie die Propagierung der Bundesrepublik als einzig wahren demokratischen deutschen Staat ausgemacht. Dabei wurde allzeit betont, dass die verschiedenen bundesdeutschen Fernsehsender eine einheitliche, politisch definierte Linie in ihren Sendungen umsetzen würden. Mit den Veränderungen in der bundesdeutschen Ostpolitik ab 1965 glaubten die Beobachter zudem, ›neue Töne‹ im Westfernsehen ausmachen zu können, die sich in einer moderateren Fernseh-Berichterstattung über die DDR zeigen würden. Diese ›Entschärfung‹ in der Darstellung Ostdeutschlands konnte allerdings die traditionellen Befürchtungen keineswegs widerlegen, sondern wurde ganz im Gegenteil als noch perfidere, weil versteckte Strategie interpretiert. Logisch resultierend wurde das Feindbild vom bundesdeutschen Fernsehen zukünftig auch auf andere Programmbereiche ausgeweitet. Regionalprogramme, Werbefernsehen und künstlerische Sendungen wurden von da an als besondere ideologische Gefahren für die DDR gekennzeichnet. Insgesamt begann sich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre die ›wissenschaftliche Theorie‹ der ideologischen Diversion als dominanter Argumentations- und Beschreibungsmodus durchzusetzen. Es entstanden zahlreiche pseudowissenschaftliche Arbeiten, die den Begriff und das dahinter stehende ideologische Modell einem breiteren akademischen Publikum erläutern sollten. Gleichzeitig fand das Szenario der ideologischen Diversion auch Eingang in den fernsehinternen Diskurs; besonders als Konzept zur Wirkungsweise bundesdeutscher Medien wurde es von nun an immer wieder thematisiert. Hauptmotive im Feindbild vom anderen deutschen Staat, die bereits in den 1950er Jahren relevant für den internen Diskurs der Fernsehführung waren, erfuhren in den 1960er Jahren eine Fortsetzung: die Remilitarisierungsthese in ihrer Abwandlung zum Militarismusnarrativ, die Restaurations- bzw. Imperialismusthese und der Vorwurf einer klerikal-faschistischen Tendenz des bundesdeutschen Staates. Das letztgenannte Narrativ schlug sich dabei aufgrund heftiger, von der SED initiierter Kampagnen gegen prominente Politiker der Bundesrepublik am offensichtlichsten im Programm des DFF nieder. Die angegriffenen Personen, wie Theodor Oberländer, Hans Globke und Heinrich Lübke, waren dabei für die SED – im übertragenen Sinne – Statisten in einem propagandistischen Schlagabtausch. Ihre Rollen waren austauschbar, ›Hauptgegner‹ war und blieb der bundesdeutsche Staat. Um Vergangenheitsbewältigung und Aufarbeitung ging es nur vordergründig, was schon die völlige Abstinenz einer Diskussion der Rolle von DDR-Prominenten belegt. Diese war in der DDR tabuisiert, die Schuld durfte nur auf Seiten des ›Klassengegners‹ gesucht und gefunden werden; tauchten Verbindungen zu hochrangigen ostdeutschen Persönlichkeiten auf, wurden diese Beweise zurückgehalten. Die Anklagewelle ebbte Mitte der 1960er Jahre ab, auch weil die Medienkampagnen ihre erhoffte Wirkung verfehlt hatten: Weder verlor der westdeutsche Staat in größerem Umfang an internationalem Anse-

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hen oder konnte sich die DDR als ›antifaschistisches Gegenstück‹ zur Bundesrepublik etablieren, noch bekämpfte der ostdeutsche Staat damit seine innenpolitischen Krisenerscheinungen. Trotzdem wurde das Fernsehen von seinen übergeordneten Abteilungen weiterhin aufgefordert, die Bundesrepublik als renazifizierten Staat zu diffamieren. Vor dem Feindbild der faschistisch ausgerichteten und regierten Bundesrepublik ließ sich der ›antifaschistische‹ ostdeutsche ›Friedensstaat‹ zu gut absetzen, um dieses Argumentationsmuster fallen zu lassen. Es blieb auch in den kommenden Jahrzehnten ein festes Paradigma in der Darstellung der Bundesrepublik, das von der Fernsehführung immer wieder reproduziert wurde. Ende der 1960er Jahre bzw. Anfang der 1970er Jahre wechselte dabei bloß das ›Label‹ unter dem dieses Stereotyp gepflegt wurde, aus dem ›faschistischen‹ bzw. ›renazifizierten‹ Westdeutschland wurde die ›neonazistische‹ BRD. Ebenso problemlos konnte das Feindbild der Bundesrepublik an die politischen Realitäten nach 1966 angepasst werden: Die negative Charakterisierung der Adenauer-Regierung (die nach 1963 zunächst auf den neuen Kanzler Erhard übertragen worden war) wurde in das neue Stereotyp von der ›Herrschaft des staatsmonopolistischen Kapitalismus‹ verwandelt. Die Theorie vom staatsmonopolistischen Kapitalismus, welche im Wesentlichen auf Lenin zurückgeht, erfuhr Mitte der 1960er Jahre in ihrer Anwendung auf die Bundesrepublik eine Renaissance in der DDR. In Kombination mit der von ostdeutscher Seite geübten Kritik an der geplanten Notstandsgesetzgebung wurde die Bundesrepublik zu einer »Notstandsdiktatur der Monopole« stilisiert. Gleichzeitig erlaubte das daraus abgeleite Feindbildschema eine stärkere Integration neuer Aspekte und auch Personenkreise, die außerhalb der bisher dominanten Bereiche Regierung und Militär standen, wie beispielsweise die Person Axel Springers. Auch im folgenden Jahrzehnt, den 1970er Jahren, wurden im Umfeld des Fernsehkomitees akribisch Daten über ARD und ZDF recherchiert und analysiert, Vergleiche zu den eigenen Sendern gezogen und Prognosen für zukünftige Entwicklungen erarbeitet. Die Berichte wiesen dabei sehr unterschiedliche Herangehensweisen und Beschreibungsmodi auf: Das Spektrum reichte von der sachlichen Auswertung der Programmstruktur westlicher Sender bis zu detaillierten Themenanalysen unterstellter medialer Störversuche des Westens, die dem Ziel gedient hätten, die DDR zu beseitigen. Für letztere war das Konzept von der versuchten »ideologischen Diversion« der ›gegnerischen‹ Medien das vorherrschende Erklärungsmuster. Die sachliche und die ideologische Auseinandersetzung mit den bundesdeutschen Konkurrenzsendern wurden dabei nun häufig miteinander verwoben. Gleichzeitig konnten betont sachliche Darstellungen widerspruchslos neben Darstellungen stehen, die vordergründig auf die Verfestigung des Feindbildes orientierten. Der unterschiedliche Charakter der Untersuchungen war auch ein Resultat der verschiedenen Autoren und Institutionen, die sich in den 1970er Jahren mit dem Thema der westlichen Hörfunk- und Fernsehprogramme beschäftigten. Nachdem die institutionalisierte ostdeutsche

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Beobachtung westlicher Medien 1972 reorganisiert wurde, verfassten neben den Staatlichen Komitees für Rundfunk und Fernsehen auch das Institut für Internationale Politik und Wirtschaft sowie die Westabteilung des ZK der SED regelmäßig Berichte über die bundesdeutschen Rundfunk- und Fernsehsender. Gleichzeitig erhöhten die verschiedenen Abteilungen des MfS die Zahl ihrer Analysen und Publikationen zur westlichen Medienlandschaft noch einmal deutlich. Diese aus Sicht der Fernsehführung externe Beschäftigung mit dem Gegenstand des ›feindlichen Fernsehens‹ wirkte auf den fernsehinternen Diskurs zurück, da viele der von anderen Institutionen eruierten Informationen der Fernsehführung zur Verfügung gestellt wurden. Ihr Feindbilddiskurs war dementsprechend von der Vorstellung geprägt, dass nach Abschluss der KSZE-Verhandlungen sowie der Umsetzung des Grundlagenvertrags zwischen Bundesrepublik und DDR der ›Gegner‹ seine Diversionsversuche intensiviert hätte. Dem einstrahlenden Fernsehen der Bundesrepublik wurde dabei nach wie vor unterstellt, die Zuschauer gezielt abwerben zu wollen, um sie ideologisch zu beeinflussen. Dieses Feindbild wurde auch in den 1980er Jahren weiter gepflegt und kanonisiert. Dabei wurde das ›bewährte‹ Beobachtungssystem der Westmedien, das in den 1960er Jahren systematisch aufgebaut und in den 1970er Jahren effizienter gestaltet worden war, in diesem Jahrzehnt noch einmal erweitert. Insbesondere die Staatssicherheit häufte Berichte und Informationssammlungen in nicht gekanntem Umfang und einer Detailversessenheit an, die letztendlich in keinem Verhältnis zu einem wie immer auch gearteten ›Nutzen‹ dieser Erkenntnisse gestanden haben konnten. Die Menge an überliefertem Material lässt auf große personelle Ressourcen schließen, die gebunden wurden, um diese Berichte verfassen zu können. Welche Zwecke die vor allem durch das eigene Feinbild verzerrten und immer der Ideologie des Klassenkampfes untergeordneten Einschätzungen auch erfüllten, einen echten Vorteil gegenüber den westlichen Medien haben sie bei weitem nicht gebracht. Neben der geheimdienstlichen Beobachtung des Fernsehens hatte auch die pseudowissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem bundesdeutschen Fernsehsystem in den 1980er Jahren Hochkonjunktur. In diesem Jahrzehnt wurden umfangreiche akademische Qualifikationsarbeiten und Standardwerke zum westlichen Fernsehen verfasst, die es in diesem Umfang zum eigenen Fernsehen in der DDR keineswegs gegeben hat. Beide Diskurse – geheimdienstlicher und pseudowissenschaftlicher – beeinflussten das Bild vom westdeutschen Konkurrenten, das sich die leitenden Mitarbeiter des DDR-Fernsehens machten. Dabei waren es in erster Linie die Etablierung des dualen Rundfunksystems und technische Neuerungen wie der Satellitenempfang, die im Osten für Gesprächsstoff in den informierten Kreisen hochrangiger Medienfunktionäre sorgten. Die Fernsehführung war in den 1980er Jahren bestens über diese Entwicklungen informiert: Erkenntnisse, mit immensem Aufwand von der Staatssicherheit zusammengetragen, wurden über die Abteilung Agitation dem Fernsehkomitee zur Verfügung gestellt. Dieses nutzte im Gegenzug die verstärkte Kooperation mit ARD und ZDF, um Informationen zu erlangen und weiter-

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Schlussfolgerungen

zugeben. Die eruierten Pläne des Westfernsehens fanden allerdings zunehmend weniger Eingang in den Diskurs der Fernsehführung bzw. wurden in einer neuen Form von ›Sprachlosigkeit‹ nicht mehr kommuniziert. Die wirtschaftliche Schwäche des DDR-Fernsehens setzte dem ersehnten Gleichziehen mit den Konkurrenten, wie etwa im Bereich der Satellitentechnik, immer deutlichere Grenzen, und dieses Manko wurde nur noch punktuell thematisiert. Bestimmend im Diskurs der Fernsehführung war und blieb bis zum Herbst 1989 das Feindbild vom westdeutschen Fernsehen, zunehmend losgelöst von sachlichen Informationen über einen Mitbewerber im Kampf um das eigene Publikum. Letztendlich waren die ostdeutschen Zuschauerzahlen für die westlichen Angebote – deren Nachweis durch qualitative Methoden man ja auch nicht zuließ – nicht ausschlaggebend für die Entscheidungen der Fernsehführung in diesem Konkurrenzkampf. Stattdessen dominierte immer wieder das Ensemble eingespielter negativer Vorstellungen, die sich die Verantwortlichen von den ›feindlichen‹ Fernsehprogrammen machten. Die Thematisierung des westlichen Fernsehens im überlieferten Schriftgut der DDR-Fernsehführung entsprach demnach tatsächlich einem klassischen Feindbild. Die typischen sozialpsychologischen Aspekte von Feindbildern fielen bei der hier vorgelegten Analyse markant ins Auge: In einem rigorosen Grenzregime wurden in den untersuchten Diskursen ›Freund‹ und ›Feind‹ markiert, die Fernsehsender befreundeter Nationen als vorbildhaft beschrieben und wesentlich häufiger noch die westlichen, besonders die bundesdeutschen, Fernsehprogramme, als feindliche Angebote stigmatisiert. Die Selbstdefinition als sozialistisches Fernsehen vollzog sich dabei immer im Kontrast, also im Gegensatz zu dem anderen deutschen Programm, das als moralisch und ideologisch minderwertig diskreditiert wurde. Das Westfernsehen wurde so zur negativen Spiegelung des Selbstbildes der DDR-Fernsehverantwortlichen, das Feindbild damit auch konstituierend für das Selbstbild. Das ›feindliche Fernsehen‹ wurde insgesamt – abgesehen von wenigen Ausnahmen – innerhalb des »Regelwerkes der Feindbildkonstruktion«3 thematisiert: In einer Art ›Worst-Case-Szenarium‹ ging die ostdeutsche Fernsehführung immer wieder davon aus, dass die ideologischen Absichten des Westfernsehens grundsätzlich gegen die DDR gerichtet waren. Die ökonomische Potenz hinter dieser angeblich weltanschaulichen Mission wurde als sehr hoch eingeschätzt, was zu einer übertriebenen Gefahrenwahrnehmung führen musste. In einer monolithischen Feindbestimmung wurde zudem fortwährend die Geschlossenheit des ›Gegners‹ überschätzt; die DDR-Fernsehfunktionäre beschrieben die bundesdeutsche Politik und die Medien des Landes als Einheit. Das Westfernsehen wurde dementsprechend zum bedrohlichen, zentral gelenkten ›Feind‹ erklärt. Innerhalb dieses Szenariums unterlagen eigene Handlungen und Aktionen der Westsender unterschiedlicher Bewertungsmaßstäbe. Beispielsweise beurteilte man die ›politische Agitation‹ des DDR-Fernsehens oder befreundeter Nationen

3

Satjukow/Gries 2004a, S. 31-32.

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positiv, während die gleiche, unterstellte Verhaltensweise auf Seiten des Westens als verwerflich charakterisiert wurde. Diese Gestaltungsregeln weisen für die untersuchten Diskurse eine hohe Konsistenz und Kontinuität auf, auch wenn, wie gezeigt wurde, die Zuschreibungen in den untersuchten Phasen unterschiedliche Ausprägungen erfuhren.

7.3 Letztendlich ohne Strategie Bereits in der ersten Hälfte der 1950er Jahre, als das DDR-Fernsehen geplant und mit dem Programm experimentiert wurde, beobachtete die Ostseite die Fernsehentwicklung in der Bundesrepublik – und umgekehrt. In der Phase der Versuchsprogramme war man sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik bemüht, zu den Entwicklungen jenseits der deutsch-deutschen Grenze aufzuschließen. Nach dem offiziellen Programmstart des DFF 1956 wurde dieser Konkurrenzgedanke nachweislich auch für die Programmplanung relevant: Bei Programmentscheidungen orientierte sich das DDR-Fernsehen an Innovationen westlicher Fernsehprogramme. Es war bestrebt, mit bundesdeutschen Entwicklungen mitzuhalten, z. B. durch die Wiedereinführung des Montagsprogramms 1957. Mit großem Ehrgeiz versuchte man auch, bestimmte Sendeformen früher als das Westfernsehen zu etablieren, so geschehen als regelmäßige Sendungen zur Thematik Landwirtschaft forciert wurden. In den 1960er Jahren gab es darüber hinaus zahlreiche Versuche, sich innerhalb des eigenen Programms besser gegenüber der westlichen Konkurrenz zu positionieren. Hierzu gehörten u. a. der Ausbau des Vormittagsprogramms und die Verdrängung weniger publikumswirksamer Sendungen wie Von und mit der KPD aus Sendeachsen, in denen der Westen ein besonders attraktives Programm ausstrahlte. Gleichzeitig wurde Mitte der 1960er Jahre im Zuge der Abkehr vom Westpublikum und verstärkten Hinwendung zu den eigenen Zuschauern begonnen, die komplette Wochengestaltung dezidiert unter Berücksichtigung des Westprogramms zu planen. Vorerst orientierte sich der DFF dabei hauptsächlich an der ARD, was sich 1971 grundsätzlich änderte: Durch die Einführung sogenannter Schutzzonen für politische Sendungen in einem Koordinierungsvertrag zwischen ARD und ZDF war es dem DDR-Fernsehen von da an möglich, Sendeplätze für die eigene Publizistik festzulegen, an denen beide westliche Programme politische Sendungen oder ähnliche Formate ausstrahlten. Neben dem strategischen Abgleich der Programmstrukturen waren es in den 1960er Jahren einzelne Sendungen bzw. Sendeformen, die mit denen des Westens verglichen und daraufhin verändert wurden. In der vorliegenden Arbeit wurde dies exemplarisch anhand des Jugendfernsehens, der Nachrichtensendung Aktuelle Kamera, der Berichterstattung über die Olympischen Spiele sowie anhand der Unterhaltungssendungen des DDR-Fernsehens gezeigt. Charakteristisch für dieses Reagieren auf die Angebote des Westfernsehens war dabei ein ständiges Zirkulieren zwischen Anpassung und Abgrenzung. Das beste Beispiel 428

Schlussfolgerungen

für diesen Spagat waren Einführung und Ausbau des Werbefernsehens in der DDR seit 1959. Das letztendliche Scheitern dieses Experiments belegt, wie schwierig der Gegenstand für die ostdeutsche Fernsehführung war: Nach Vorwürfen des ZK der SED, dass die DDR-Fernsehwerbung kapitalistische Werbemethoden und Werbetheorien kritiklos übernähme, wurde das Werbefernsehen 1976 eingestellt. Im darauffolgenden Dezennium versuchte das Fernsehen noch stärker, mit der eigenen Programmplanung strategisch auf die Strukturen des Westfernsehens zu reagieren. Die ›taktische‹ Gestaltung vor allem des Abendprogramms der einzelnen Wochentage war zu einem wichtigen Kriterium bei der Konzeption des ostdeutschen Fernsehprogramms geworden. Man gestand dabei offen ein, dass die eigenen Kanäle mit den westdeutschen Angeboten um die Gunst der Zuschauer konkurrieren mussten und bemühte sich, Schaden zu begrenzen. Um die (vom DDR-Publikum am wenigsten geschätzte, aber ideologisch hoch angesiedelte) Publizistik an den Zuschauer zu ›bringen‹, wurde vermieden, diese auszustrahlen, wenn der alternative DDR-Sender oder das westdeutsche Fernsehen mit besonders attraktiver Unterhaltung lockte. Gegen attraktive Programmangebote des Westens wurden indessen eigene ›massenwirksame‹ Sendungen gesetzt. Auch in den 1980er Jahren gab es diese strategische Besetzung der Programmabende im Wochenverlauf noch, aber wesentlich abgeschwächter: Die Programmplaner orientierten sich weniger als im vorangegangenen Jahrzehnt am Programm von ARD und ZDF, deutlich wurde aber eine nochmalige Aufwertung der Unterhaltung gegenüber der (politischen) Publizistik. Ohne eine wirkliche Strategie im Konkurrenzkampf entwickeln zu können, versuchte das DDR-Fernsehen mit vorwiegend internationalen Filmen, Serien, Shows sowie den beliebten Ratgebersendungen auf den besten Sendeplätzen gegen die westlichen Sender und ihr verstärktes Unterhaltungsprofil anzukommen. Nach wie vor gestand sich die Fernsehführung das Sehverhalten der eigenen Zuschauer offen ein, die zwischen westlichen und östlichen Angeboten hin- und herwechselten. Sie war vor allem bemüht, diesen Status quo zu halten und nicht noch mehr Zuschauer zu verlieren. In den knapp vierzig Programmjahren hatte das DDR-Fernsehen demzufolge zwar immer wieder versucht, Strategien im Umgang mit der Konkurrenz zu entwickeln und strategisch auf Strukturen des Westfernsehens zu reagieren, aber mit einer zunehmend schwächer werdenden Tendenz. Spätestens in den 1980er Jahren konnte die vorliegende Untersuchung mehr Resignation als ›Kampfgeist‹ belegen. Ein Beispiel hierfür ist die Diskussion um die Einführung eines dritten DDR-Programms und der zugrunde liegenden Satellitentechnik: Die fortschreitenden Entwicklungen in der Bundesrepublik deutlich vor Augen, wurde sofort das Gleichziehen der DDR gefordert. Allerdings musste man im selben Atemzug einräumen, dass es keine Kapazitäten für eine solche quantitative Zunahme des DDR-Fernsehens gab. Anders als bei der aus dem Konkurrenzkampf resultierenden Einführung des zweiten Programms 1969, musste man in den 1980er Jahren vor den Innovationen der Bundesrepublik kapitulieren.

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Zusammenfassend betrachtet konnte es im gesamten Untersuchungszeitraum gar keine wirklichen Strategien im Umgang mit dem westlichen Fernsehen in der DDR geben, sondern es blieb der sprichwörtliche Kampf gegen Windmühlenflügel. Es war eine Auseinandersetzung mit einem übermächtigen ›Gegner‹, zu dem das Westfernsehen stilisiert wurde, auch um das eigene Feindbild beibehalten und immer wieder aktualisiert abrufen zu können. Der Diskurs im Zeichen des Feindbildes bot keine Orientierungshilfen für die Fernsehführung, sondern fungierte als »Orientierungsdiktat«4: Die Auseinandersetzung über die Konkurrenzsituation war und blieb zensiert, echte Wettbewerbsstrategien konnten so nicht entwickelt werden. Hierfür hätte es u. a. aufrechter Kritik am eigenen Programm bedurft und nicht nur die in der DDR zelebrierte parteikonforme Selbstkritik, die letztendlich nicht an herrschenden Regeln rütteln durfte. Ein Agieren im Wettbewerb mit einem objektiv einzuschätzenden Konkurrenten hat es darum im Großen und Ganzen nicht gegeben. Das so empfundene Ankämpfen gegen den Westen und das Messen an seinen Leistungen bezog sich immer auf einen ideologischen Kampf, auf eine Konkurrenz zweier entgegengesetzter weltanschaulicher Positionen auf dem ›Schlachtfeld‹ des Fernsehens. Obwohl sich die Fernsehführung stets kämpferisch gab, beschrieben alle Konzeptionen eher einen defensiven Standpunkt: Das Feindbild erschien als besonders übermächtig; gleichzeitig wurde so viel Energie in seine Konstruktion wie in die ›Analyse‹ der recherchierten Daten gesteckt, dass diese für andere Aufgaben verlorenging. In vielen Beschreibungen des eigenen politischen Auftrages hat sich der DFF selbst so dargestellt, als würde er hauptsächlich als Abwehrorgan gegen westliche Propaganda bestehen. Albert Norden formulierte es 1965 so: »Es geht darum, ihre Störmanöver gegen uns zu stören. In diesem ideologischen Kampf bin ich für Antiraketen-Raketen.«5 Mit dieser ungeheuren Fokussierung auf das Feindbild war auch die Konstruktion eines produktiven Selbstbildes nicht möglich, das tatsächlich ein stärker identitätsstiftendes und damit erfolgreicheres Programm hätte ermöglichen können. Wie ein solches, produktives Selbstbild und selbstbewusster Umgang mit dem eigenen Potential aussieht, und zu welchen Erfolgen dies führt, zeigen heute der MDR und der RBB6 als Nachfolgeprogramme des DFF im geeinten Deutschland.

7.4 Forschungsausblick Es gilt schließlich noch, Anstöße für weitere fernsehhistorische Forschungen in der Medienwissenschaft zu geben, die an die in der vorgelegten Arbeit eröffneten Probleme und Fragen anschließen könnten. 4 5 6

Spillmann/Spillmann 1989, S. 31. [Q] Sektor Rundfunk/Fernsehen 1965, S. 2. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) entstand 2003 aus der Fusion des ORB mit dem SFB.

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Schlussfolgerungen

Dies umfasst Aspekte, die im Rahmen dieser Arbeit nicht mehr diskutiert werden konnten oder wertvolle Anschlüsse an die vorgestellten Ergebnisse versprechen. Durch die Auswahl und notwendige Eingrenzung des Gegenstandes sowie der Untersuchungsmethode musste die vorliegende Arbeit zwangsläufig zwei wichtige Forschungslücken unbearbeitet lassen und diese auf (potentielle) Anschlussforschungen verschieben: Die Entscheidung, die Ostperspektive innerhalb des kontrastiven Fernsehdialogs zu rekonstruieren, führte dazu, die Westperspektive nicht näher erforschen zu können. Mit dem Fokus auf eine Diskursanalyse anhand des überlieferten Schriftguts der Fernsehführung blieben Zeitzeugen mit ihren retrospektiven Blickwinkeln weitgehend außen vor. Zunächst zu Letzterem: Der Forschungsgegenstand ist insgesamt nach dem Ende der DDR und dem dazugehörigen Fernsehen nur aus schriftlichen, audiovisuellen oder auditiven Quellen zu rekonstruieren. Wie bei allen historischen Forschungen können sich Forscher also prinzipiell kein eigenes, unverfälschtes Bild vom Geschehen machen. Das untersuchte Material bringt dabei grundsätzliche Problematiken mit sich, die die ermittelbaren Ergebnisse beeinflussen. Zum ersten geben die untersuchten Akten fast ausschließlich den offiziellen Diskurs wieder, also das, was in Protokollen, Aktennotizen u. ä. gesagt werden konnte. Das zeigt sich u. a. an der rituellen Beschwörung von Feindbildern und systemkonformen Referenzen auf zentrale politische Ereignisse. Das Nicht-Sagbare findet sich gerade nicht in den Unterlagen wieder, also etwa das Eingeständnis eines tatsächlich erfolgreichen westlichen Fernsehens aufgrund seiner weitgehenden Unabhängigkeit von der Politik und der herrschenden Meinungsfreiheit. Dafür hätte es auch innerhalb der Diskursregeln keine Modi des Ausdrucks gegeben. Darüber hinaus ist aus den Akten selbst – zweitens – nicht immer ersichtlich, welchen Wahrheitsgehalt die niedergeschriebenen Fakten, Einschätzungen und Mutmaßungen haben, und was Übertreibungen, Ausschmückungen oder systemkonforme Unwahrheiten sind. Diese Lücken im Aktenmaterial können durch die Befragung von Zeitzeugen geschlossen werden, die fehlende Informationen liefern würden, interpretieren helfen sowie die Wertigkeit von Aussagen einordnen könnten. Dabei ist allerdings ein grundsätzliches Problem dieser Quellenart zu beachten: Die in Frage kommenden Zeitzeugen rekrutieren sich insbesondere aus den Eliten der Kulturpolitik sowie des Fernsehens, die in der Gegenwart aus verschiedenen Gründen häufig daran interessiert sind, ihre eigene Lebens- und Wirkungsgeschichte neu- oder umzuschreiben. Daraus folgt notwendig eine gewisse subjektive sowie möglicherweise verzerrte Schilderung, für die es wiederum grundsätzlich kein Korrektorat gibt. Nachdem aber mit der vorliegenden Arbeit die ›Aktenlage‹ fundiert dargestellt wurde, sollten – auch im Rückgriff auf die vorgelegten Ergebnisse – Zeitzeugen möglichst bald befragt werden. Wie für andere Untersuchungsgegenstände auch, die u. a. auf die frühen und mittleren Jahre der DDR zielen, wird sich das dafür zur Verfügung stehende Zeitfenster altersbedingt in den nächsten Jahren schließen.

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Zur zweiten größeren Forschungslücke, der ›anderen‹ Seite der Geschichte bzw. des kontrastiven Dialogs: In der vorliegenden Untersuchung wurde sozusagen ein fiktiver Dialogpartner des DDR-Fernsehens rekonstruiert, nämlich eine Vorstellung der DDR-Fernsehleute davon, wie und aus welchen Motiven heraus die Verantwortlichen der bundesdeutschen Fernsehprogramme agiert hätten. Wie deutlich geworden ist, war das Bild von einer enormen Paranoia geprägt, der Osten unterstellte dem Westen ein sehr viel höheres Maß an Beobachtungs- und Reaktionsengagement in Richtung DDR und DDR-Fernsehen, als dieser wirklich leistete. Dass die westdeutschen Fernsehmacher vom anderen deutschsprachigen Programm tatsächlich Kenntnis genommen haben, steht dabei außer Frage. Fraglich ist, wie umfangreich diese Beobachtung war, mit welcher Intensität der Westen tatsächlich die Fernsehentwicklungen im Osten verfolgte. War es nur eine normale Beobachtung unter Fernsehprogrammen in der Konkurrenz, wie etwa zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern oder zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Kanälen? Oder war es eine sehr exklusive Behandlung? Diese ergänzende Untersuchung müsste aus einem Methodenmix aus Aktenanalyse, wie sie die vorliegende Untersuchung durchgeführt hat, und Zeitzeugenbefragung bestehen, wie sie für eine Erweiterung der DDR-Perspektive vorgeschlagen wurde. Erst mit diesen Resultaten für die bundesdeutsche Seite könnte endgültig die Frage nach einem möglichen kontrastiven Dialog beider deutscher Fernsehsysteme beantwortet werden – bis dahin ist eher von einem ›kontrastiven Monolog‹ der DDR-Fernsehführung auszugehen.

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Anhang Abkürzungen ADN APO ARD

BArch BPO BR BRD BStU

CBS CCIR-Norm CDU CIA CSU DDR DEFA DFF DFG DRA EBU EVG EWG FDGB FDJ FS GfK GmbH HA HFF HR IFA IM IPW

Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst Abteilungsparteiorganisation Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland Bundesarchiv Betriebsparteiorganisation Bayerischer Rundfunk Bundesrepublik Deutschland Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Columbia Broadcasting System Sendenorm, benannt nach dem Consultative Committee for International Radio Christlich Demokratische Union Deutschlands Central Intelligence Agency (Auslandsnachrichtendienst der Vereinigten Staaten von Amerika) Christlich-Soziale Union Deutsche Demokratische Republik Ursprünglich: Deutsche Film AG Deutscher Fernsehfunk Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsches Rundfunkarchiv European Broadcasting Union Europäische Verteidigungsgemeinschaft Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Freie Deutsche Jugend Fernsehen Gesellschaft für Konsumforschung Gesellschaft mit beschränkter Haftung Hauptabteilung Hochschule für Film und Fernsehen Hessischer Rundfunk Internationale Funkausstellung Inoffizieller Mitarbeiter (des MfS) Institut für Internationale Politik und Wirtschaft

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JRT KPD KPdSU KSZE LDPD LPG MDR MEZ MfAA MfS MiG NATO NBC NDR NÖSPL NVA NWDF NWDR MHz OIR OIR-Norm OIRT ORB ÖSS PID RBB RFT RGW RIAS SAPMO SBZ SDAPR SECAM SED SFB SPD SU SWF TH TV UdSSR

Jugoslovenska Radio-televizija (Rundfunk Jugoslawiens) Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei der Sowjetunion Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Liberal-Demokratische Partei Deutschlands Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Mitteldeutscher Rundfunk Mitteleuropäische Zeit Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR Ministerium für Staatssicherheit der DDR Mikojan-Gurewitsch (Jagdflugzeug) North Atlantic Treaty Organisation National Broadcasting Company Norddeutscher Rundfunk Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft Nationale Volksarmee Nordwestdeutscher Fernsehdienst Nordwestdeutscher Rundfunk Megahertz Organisation Internationale de Radiodiffusion Sendenorm, u. a. in der DDR, benannt nach der Organisation Internationale de Radiodiffusion Organisation Internationale de Radiodiffusion et de Télévision Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg Ökonomisches System des Sozialismus Politisch-ideologische Diversion Rundfunk Berlin-Brandenburg Rundfunk- und Fernmelde-Technik Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe Rundfunk im amerikanischen Sektor Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (im Bundesarchiv) Sowjetische Besatzungszone Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands Séquentiel couleur à mémoire (französische Fernsehnorm für Farbübertragung) Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sender Freies Berlin Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sowjetunion Südwestfunk Technische Hochschule Television (Fernsehen) Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

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Anhang

UFA UKW UPI US USA USIA WB WDR WEU ZAIG ZDF ZIG ZK ZPL

Universum Film AG Ultrakurzwelle United Press International Vereinigte Staaten (engl. United States) Vereinigte Staaten von Amerika (engl. United States of America) United States Information Agency Westberlin Westdeutscher Rundfunk Westeuropäische Union Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe Zweites Deutsches Fernsehen Zentrale Informationsgruppe Zentralkomitee Zentrale Parteileitung

Kurzbiographien relevanter Persönlichkeiten aus Fernsehen, Hörfunk und Politik Die hier aufgeführten Angaben über ostdeutsche Politiker, Funktionäre und Künstler sollen der Einordnung dieser Personen dienen und weiterführende Literaturhinweise anbieten. Dabei kann weitgehend auf gesicherte Daten und Forschungsergebnisse zurückgegriffen werden. Dies gilt größtenteils auch für das Führungspersonal im DDR-Hörfunk sowie für die in der Untersuchung behandelten Akteure des bundesdeutschen Fernsehens. Die für diese Arbeit bedeutenden Mitarbeiter des DDR-Fernsehens werden durch alle relevanten Informationen charakterisiert, die die Autorin aus eigenen Forschungen bzw. aus Ergebnissen der Forschergruppe zur »Programmgeschichte des DDR-Fernsehens« ermitteln konnte.1 Heinz (eigentlich Heinrich) Adameck (geb. 1921), seit 1951 Mitarbeiter der Generalintendanz des Rundfunks und Leiter der Kaderabteilung, ab 1952 Mitglied des Staatlichen Rundfunkkomitees, 1954-1956 Intendant des Fernsehzentrums, 1956-1968 Intendant des DFF, 1956-1960 Fernstudium an der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften »Walter Ulbricht«, Abschluss: Diplom-Rechtswissenschaftler, 1959-1968 stellvertretender Vorsitzender des Rundfunkkomitees, 1963-1989 Mitglied des ZK der SED, 1968-1989 Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Fernsehen, 1971-1989 Mitglied der Agitationskommission beim Polit1

Diese sind leider oft nicht vollständig, was der Aktenlage geschuldet ist. Wie auch in den Ergebnissen der Forschergruppe gilt: Fehlende Informationen bedeuten nicht, dass betreffende Personen in dieser Zeit keine Funktion ausübten. Vgl. Steinmetz/Viehoff 2008, S. 71 und 600-601. Weiterführende Forschungen können hier sicher viele Lücken schließen, dies war allerdings nicht das Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit.

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büro. Zu Kurzbiographien vgl. Killy/Vierhaus 1995, S. 4; MüllerEnbergs et al. 2003, S. 15; Stroynowski 1989a, S. 6. Erich Apel (1917-1965), 1955-1958 Minister für Schwermaschinenbau, 1958-1963 Leiter der Wirtschaftskommission beim Politbüro des ZK der SED und Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses der Volkskammer, 1960-1965 Mitglied des ZK der SED, 1962 Promotion zum Dr. oec., 1962 Kandidat des Politbüros des ZK und Mitglied des Forschungsrates der DDR, 1963 stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates und Vorsitzender der Staatlichen Plankommission, 1965 erschießt sich Apel nach kontroversen Auseinandersetzungen um die Wirtschaftspolitik mit seiner Dienstwaffe. Zur Kurzbiographie vgl. Herbst et al. 1997, S. 898. Ernst Augustin (1902-1961), Rundfunk- und Fernsehpionier der 1920er und 1930er Jahre, Konstrukteur von »Radiomo« (früher Rundfunkempfänger), Ingenieur bei Siemens, 1931 Betriebsvorsteher für den Rundfunkbetrieb in Berlin, ab 1936 technischer Leiter des Fernsehbetriebes der »Reichs-Rundfunk-Gesellschaft«, 1938 Oberingenieur, 1941 Chefingenieur in der »TOBIS-Filmkunst GmbH«, ab 1949 Oberingenieur im Zentrallaboratorium der Generalintendanz des Rundfunks, 1951 technischer Leiter des Fernsehzentrums Berlin, dann Technischer Direktor des DFF. Ausführlicher vgl. Hoff 2002b, S. 71-80 sowie Hoff 2005, S. 36-43. Hermann Axen (1916-1992), 1949-1989 Mitglied des ZK der SED, 1949-1953 Sekretär des ZK (verantwortlich für Massenagitation und Presse), 1954-1989 Abgeordneter der Volkskammer, 19561966 Chefredakteur des Neuen Deutschland, 1963-1971 Mitglied der Agitationskommission beim Politbüro, 1976-1989 Mitglied der »Arbeitsgruppe BRD« beim Politbüro. Zu Kurzbiographien vgl. Vierhaus 2005, S. 285-286; Müller-Enbergs et al. 2003, S. 34; Baumgartner/Hebig 1996, S. 19; Stroynowski 1989a, S. 35. Autobiographisch vgl. Axen/Neubert 1996. Hans Bentzien (geb. 1927), 1961-1966 Minister für Kultur der DDR, Abberufung wegen »Sabotage der Parteilinie der SED«, 1966-1975 Leiter des Jugendbuchverlages »Neues Leben«, 1975-1977 Leiter der HA Hörspiel im Rundfunk der DDR, 1977-1978 Leiter des Bereiches Dramatische Kunst beim Fernsehen, wiederum Absetzung wegen »Angriffs auf die Kulturpolitik der SED«, 1979-1989 Redakteur für Geschichte beim Fernsehen, Dezember 1989 bis Juni 1990 Generalintendant des DDR-Fernsehens. Zur Kurzbiographie vgl. Hall 1990, S. 243 sowie Riedel 1993, S. 305. Wolf Biermann (geb. 1936), 1953 Übersiedlung in die DDR, seit 1962 Lyriker und Liedermacher, ab 1965 zeitweise Auftritts- und Publikationsverbote, am 16. November 1976 beschließt das SED-Politbüro die Ausbürgerung Biermanns aus der DDR, als Anlass wurde ein drei Tage zuvor stattgefundenes Konzert in Köln angegeben, am 17. November protestieren in einer Petition zwölf führende Intellektuelle der DDR gegen die Ausbürgerung. Weiterführend vgl. Berbig 1994.

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Gerhart Eisler (1897-1968), 1949-1952 Leiter des Amtes für Information in der DDR, Dezember 1952 Abberufung, 1953-1955 freier Journalist, 1956 stellvertretender Vorsitzender des Rundfunkkomitees, 1962-1968 Vorsitzender dieses Komitees. Zur Kurzbiographie vgl. Arnold 2002, S. 693 sowie Herbst et al. 1997, S. 937. Werner Fehlig, 1954-1963 erster Leiter der HA Dramatische Kunst im DFF, Mitglied des Kollegiums des DFF, bis 1970 Leiter der »AG Farbfernsehen«, später Leiter der »Perspektivplangruppe«, welche Dieter Glatzer zugeordnet war. Eberhard Fensch (geb. 1929), 1955-1961 Redakteur, Studioleiter und Direktor des Senders Rostock, 1961 Leiter der Wirtschaftsredaktion bei Radio DDR I, 1966 Mitglied für Wirtschaft im Staatlichen Rundfunkkomitee, 1968-1989 stellvertretender Abteilungsleiter und Verantwortlicher für Rundfunk und Fernsehen in der Abteilung Agitation. Zur Kurzbiographie vgl. Arnold 2002, S. 693, autobiographisch vgl. Fensch 2003. Heinz Geggel (1921-2000), 1956-1960 Intendant des Deutschlandsenders und stellvertretender Vorsitzender des Staatlichen Rundfunkkomitees, 1960-1962 Leiter der Arbeitsgruppe SPD der Westkommission beim Politbüro, 1962 Sekretär der Westkommission, 19651973 Leiter der Westabteilung des ZK, 1971-1989 Mitglied des ZK der SED, 1973-1989 Leiter der Abteilung Agitation des ZK der SED. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 244245; Killy/Vierhaus 1995, S. 213; Stroynowski 1989a, S. 341. Ergänzend vgl. Bürger 1990. Hans-Dieter Glatzer (1926-1985), seit Anfang der 1950er Jahre als Rundfunk- und Fernsehjournalist tätig, zeitweilig als Abteilungsleiter des Mitteldeutschen Rundfunks Leipzig, ab 1954 Chefredakteur des Fernsehzentrums und stellvertretender Intendant, bis 1959 Leiter der HA Aktuelle Politik und Propaganda beim DFF, ab 1960 Leiter der HA Wissenschaft, Promotion und Habilitation, Berufung zum Professor, ab 1969 stellvertretender Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Fernsehen. Zu Kurzbiographien vgl. Baumgartner/Hebig 1996, S. 226; Stroynowski 1989a, S. 356. Reginald Otto Grimmer (1926-1994), 1951-1962 ZK-Sektorenleiter, 1962-1968 stellvertretender Vorsitzender und 1968-1971 Vorsitzender des Rundfunkkomitees, 1971-1989 Sekretär für Agitation der SED-Bezirksleitung Berlin. Zur Kurzbiographie vgl. Herbst et al. 1997, S. 958 sowie Arnold 2002, S. 697. Otto (Emil Franz) Grotewohl (1894-1964), 1949-1964 Ministerpräsident bzw. Vorsitzender des Ministerrates der DDR. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 282-283; Killy/Vierhaus 1996, S. 201-202. Weiterführend vgl. Jodl 1997 und Triebel 2000. Herbert Häber (geb. 1930), 1965-1971 Staatssekretär für gesamtdeutsche Fragen, 1971-1973 Direktor des IPW, 1973-1985 Leiter der Westabteilung bzw. Internationale Politik und Wirtschaft beim ZK der SED, 1978-1986 Mitglied des ZK der SED, 1984-1985 Mitglied des Politbüros des ZK der SED, 1986 Rücktritt. Weiterführend vgl. Nakath/Stephan 1999.

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Kurt Heiß, auch in der Schreibweise Heiss (1909-1976), 1948/1949 Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks Leipzig, 1949-1951 Intendant des Berliner Rundfunks und des Deutschlandsenders, 1951 Generalintendant des DDR-Rundfunks, 1952-1956 Vorsitzender des Staatlichen Rundfunkkomitees, 1957 Generalsekretär der »Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland«, 19591961 Chefredakteur der Ostseezeitung, ab 1961 Chefredakteur der Zeitschrift Humanitas. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 330 und Baumgartner/Hebig 1996, S. 295. Aus zeitgenössischer Sicht vgl. o. N. 1952d. Manfred Hempel, Mitarbeiter beim DDR-Fernsehen und Fernsehforscher, 1969 Promotion, 1977-1978 Mitherausgeber von Darstellungen zur Geschichte des DDR-Fernsehens, vgl. Glatzer et al. 1977 und Programmdirektion des Fernsehens der DDR 1978. Günter Herlt (geb. 1933), 1965 stellvertretender Leiter der HA Kunst und Kulturpolitik, später als Komiteemitglied verantwortlich für den Bereich Unterhaltung, Musik bzw. Leiter der HA Unterhaltung, in den 1970er Jahren Mitglied der Kommentatorengruppe des Fernsehens der DDR, Korrespondent des DDR-Fernsehens in Bonn. Als Erinnerungsliteratur zum DDR-Fernsehen sowie zu biographischen Angaben vgl. Herlt 2007 und Herlt 1995. Joachim Herrmann (1928-1992), 1960-1972 Mitglied der Westkommission beim Politbüro, 1960-1962 stellvertretender Abteilungsleiter beim ZK der SED, 1962-1965 Chefredakteur der Berliner Zeitung, 1966-1971 Staatssekretär für Westdeutsche Fragen, 19711989 Mitglied des ZK der SED, 1971-1978 Chefredakteur des Neuen Deutschland, 1976-1989 Sekretär des ZK der SED (verantwortlich für Agitation und Propaganda 1978 bis 1989), 1978-1989 Mitglied des Politbüros, 1978-1989 Leiter der Agitationskommission beim Politbüro. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 246-347; Killy/Vierhaus 1995, S. 310. Horst Heydeck, Autor und Reporter beim DFF, 1953 Leiter der »Kulturpolitik«, Leiter der Arbeitsgruppe »Tele-West«, 1957 Leiter der »Gruppe für Konterpropaganda«. Walter Heynowski (geb. 1927), seit 1956 Mitarbeit beim DFF, 19591963 Programmdirektor und stellvertretender Intendant, Regisseur zahlreicher Dokumentarfilme, 1963 Wechsel zur DEFA, Arbeit als Dokumentarfilm-Regisseur, ab 1965 Zusammenarbeit mit Gerhard Scheumann, seit 1969 im »Studio H & S«, 1967-1989 Mitglied des Präsidiums des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR. Zur Kurzbiographie vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 356357; Prase 2006, S. 90, zu Biographie und Werk vgl. Steinmetz/Prase 2002, S. 17-31. Willibald Hilf (1931-2004), 1977-1993 Intendant des SWF, 1986-1987 Vorsitzender ARD. Als Nachruf vgl. miha [Michael Hanfeld] 2004. Peter Hoff (1942-2003), Studium der Theaterwissenschaft/Kunstgeschichte in Berlin, Diplom 1966, danach Arbeit am Theater Senftenberg (Dramaturg/Regisseur) und beim DFF (Regieassistent und Autor), ab 1969 wissenschaftlicher Assistent an der Humboldt-

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Universität Berlin, Institut für Theaterwissenschaft/Wissenschaft der darstellenden Kunst, 1972-1993 HFF »Konrad Wolf«, Promotion 1984 an der Humboldt-Universität, 1985 bis 1988 Leiter der Fachrichtung Regie der HFF, 2001-2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt »Programmgeschichte des DDR-Fernsehens«. Als Nachruf vgl. Mühl-Benninghaus 2003. Erich Honecker (1912-1994), 1946-1955 Vorsitzender der FDJ, 19491989 Abgeordneter der Volkskammer, 1949-1989 Mitglied des ZK der SED, ab 1958 Mitglied des Politbüros der SED und Sekretär des ZK, verantwortlich für Sicherheitsfragen, Kaderfragen und »Leitende Parteiorganisation«, 1960-1971 Sekretär des Nationalen Verteidigungsrates, 1971-1989 Erster Sekretär des ZK der SED, ab 1976 Generalsekretär der SED, 1971-1989 Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates, 1975-1989 Vorsitzender des Staatsrates der DDR. Zu Kurzbiographien vgl. Baumgartner/Hebig 1996, S. 336-337; Müller-Enbergs et al. 2003, S. 373-374; Stroynowski 1989a, S. 444. Weiterführend vgl. Lorenzen 2001; Kunze 2001; Autobiographisch: Honecker 1980. Hans Höschel, Mitarbeiter beim DFF seit 1956, 1959 Leiter der Redaktion Landwirtschaft, ab 1963 Chefredaktion Landwirtschaft, 1969 HA Ökonomisches System Landwirtschaft, Mitglied des Kollegiums (Fernsehleitung), Mitglied der Betriebsgewerkschaftsleitung, 1966 Stellvertreter des Intendanten, schließlich Leiter des Studios Rostock. Günter Klein, 1953 Direktor des DEFA-Studios für Wochenschau und Dokumentarfilme, 1961 Stellvertreter Glatzers und Leiter der HA Aktuelle Politik, als sogenannter »Leiter des Fernseh-Programms« Vorsitz in der »Gruppe Klein« (später die Chefredaktion Reportagen und Dokumentationen), 1962 Leiter der HA Politik, 1969 Leiter der HA Aktuelle Information. Wolfgang Kleinert (geb. 1919), 1952-1968 stellvertretender Vorsitzender des Staatlichen Rundfunkkomitees, 1956-1965 Intendant von »Radio DDR«, 1966-1969 stellvertretender Intendant des DFF, 1969-1974 Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatlichen Fernsehkomitees, dann bis 1983 Direktor des DEFA-Studios für Kurzfilme. Zu Kurzbiographien vgl. Baumgartner/Hebig 1996, S. 399 sowie Arnold 2002, S. 701-702. Peter Klemm, genannt Pit Klemm, 1952-1953 Chefredakteur des Fernsehzentrums Berlin und Leiter der Programmabteilung in der ersten Redaktionsgruppe, Mitglied des Fernsehkollegiums, später als Autor für das DDR-Fernsehen tätig. Horst Knietzsch, DDR-Filmpublizist und Kritiker, 1970-1990 Herausgeber des Kino- und Fernseh-Almanachs Prisma. Michael Kohl (1929-1981), 1965-1973 Staatssekretär beim Ministerrat der DDR, 1973 Minister und Bevollmächtigter Botschafter, 19741978 Leiter der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn. Zur Kurzbiographie vgl. Herbst et al. 1997, S. 1000-1001. Egon Krenz (geb. 1937), 1967-1974 Sekretär des Zentralrates der FDJ, 1971-1990 Abgeordneter der Volkskammer, 1973-1989 Mitglied

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des ZK der SED, 1974-1983 Erster Sekretär des Zentralrates der FDJ, 1981-1984 Mitglied des Staatsrates der DDR, 1983-1989 Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED, 1984 Ernennung zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrates (damit zweiter Mann hinter Honecker), 18. Oktober 1989 als Nachfolger Honeckers Generalsekretär der SED, ab 24. Oktober Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, 3. Dezember 1989 Rücktritt. Zur Kurzbiographie vgl. Herbst et al. 1997, S. 1004-1005; autobiographisch vgl. Krenz 2006. Werner Lamberz (1929-1978), 1959-1963 Sekretär des FDJ-Zentralrates, 1963-1966 Leiter der Abteilung Auslandsinformation des ZK der SED, 1966-1971 Leiter der Abteilung Agitation des ZK der SED, 1967-1978 Sekretär des ZK für Agitation und Propaganda, 1971-1978 Mitglied des Politbüros, 1969-1978 Mitglied des Präsidiums des Nationalrates der Nationalen Front. Zur Kurzbiographie vgl. Herbst et al. 1997, S. 1010-1011; Arnold 2002, S. 703. Horst Lehn, Moderator im DDR-Fernsehen, 1961 Leiter der Abteilung Öffentliche Veranstaltungen innerhalb der HA Unterhaltung, danach bis 1967 Leiter der HA Fernsehunterhaltung, 1974-1977 Programmdirektor. Günter Leucht, 1965 Promotion, langjähriges Mitglied der Fernsehführung, 1966 Mitglied der Kommentatorengruppe der Aktuellen Kamera, 1982 Vorsitzender der AG zur Vorbereitung der alternativen Programmstruktur, 1985 Leiter der Abteilung Programmplanung und -strategie, Stellvertreter Adamecks. Bruno (Max) Leuschner (1910-1965), 1950-1965 Mitglied des ZK der SED, 1952-1961 Vorsitzender der Staatlichen Plankommission, 1953-1965 Abgeordneter der Volkskammer, 1955-1965 stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates, 1958-1965 Mitglied des Politbüros des ZK der SED, 1960-1963 Mitglied des Staatsrates, 1961 Minister für die Koordination volkswirtschaftlicher Grundaufgaben beim Präsidium des Ministerrates, ab 1962 ständiger Vertreter der DDR im Exekutivkomitee des RGW. Zur Kurzbiographie vgl. Herbst et al. 1997, S. 1016. Hermann Ley (1911-1990), Zahnarzt, 1944 Promotion zum Dr. med., 1948 Habilitation an der Universität Leipzig, ab 1950 Professor für dialektischen Materialismus und Prorektor für Gesellschaftswissenschaften an der TH Dresden, 1956-1962 Vorsitzender des Staatlichen Rundfunkkomitees, 1962-1968 Direktor des Philosophischen Instituts der Humboldt-Universität Berlin. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 523; Killy/Vierhaus 1997, S. 367; Baumgartner/Hebig 1996, S. 478; Stroynowski 1989b, S. 685; Arnold 2002, S. 704. Heinz Liebeskind, Promotion, ab 1954 Redaktionsleiter beim Fernsehzentrum und zweiter Stellvertreter des Intendanten, Mitarbeiter in der HA Propaganda, 1956 Leiter der Arbeitsgruppe »Aktuell-politische Ereignisse«, ab 1957 Abteilung Zeitgeschehen, ab 1959 stellvertretender Hauptabteilungsleiter Aktuelle Politik & Propa-

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ganda, 1961 (gemeinsam mit Dieter Glatzer) Leiter der Redaktion Zeitgeschehen, 1969 Leiter der HA Ökonomisches System. Wolfgang Lippert (1924-1995), Schauspieler, Moderator, Autor, Sprecher der Aktuellen Kamera und Reporter, bis 1967 Leiter der Redaktion Kulturpolitik im DFF. Hans Mahle, geb. als Heinrich August Ludwig Mahlmann (19111999), 1945-1949 Leiter des Berliner Rundfunks, 1945-1947 Mitglied des ZK der KPD, dann SED, 1949-1951 Generalintendant des Deutschen Demokratischen Rundfunks, 1951 Absetzung als Intendant, 1951-1952 Leiter des für die Entwicklung des Fernsehens zuständigen Zentrallaboratoriums in Berlin-Adlershof, 1952 Entlassung, Gelegenheitsarbeiter in Mecklenburg, Mitarbeiter einer Konsumgenossenschaft, 1953-1959 Chefredakteur der Schweriner Volkszeitung, 1959-1982 Chefredakteur der Zeitung Die Wahrheit in Westberlin. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 546-547; Baumgartner/Hebig 1997, S. 505; Arnold 2002, S. 705. Hermann Matern (1893-1971), Abgeordneter der DDR-Volkskammer, Mitglied des Politbüros der SED, 1950-1954 Vizepräsident und ab 1954 Erster Stellvertreter des Volkskammerpräsidenten, 1957-1960 Vorsitzender des Ständigen Ausschusses für die örtlichen Vertretungen. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 557; Killy/Vierhaus 1997, S. 653; Baumgartner/Hebig 1997, S. 518. Frieder Mayer, 1957 Leiter der Abteilung für Fernsehmassenkommunikationsforschung, welche der Abteilung Wirkungsforschung unterstellt war. Günter Mittag (1926-1994), 1958 Promotion zum Dr. rer. oec, 19581961 Sekretär der Wirtschaftskommission beim Politbüro des ZK der SED, 1962-1989 Mitglied des ZK der SED, 1962-1973 und 1976-1989 Sekretär des ZK der SED für Wirtschaft, 1963-1989 Abgeordneter der Volkskammer, 1963-1971 und 1979-1989 Mitglied des Staatsrates der DDR (ab 1984 als dessen stellvertretender Vorsitzender), 1966-1989 Mitglied des Politbüros des ZK der SED, 1973-1976 Erster stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates der DDR, 1982-1989 Mitglied des Nationalen Verteidigungsrates. Zur Kurzbiographie vgl. Herbst et al. 1997, S. 1031; als Selbstdarstellung vgl. Mittag 1991. Hans Modrow (geb. 1928), 1958-1990 Abgeordneter der Volkskammer, 1966 Promotion zum Dr. rer. oec., 1967-1989 Mitglied des ZK der SED, 1967-1973 Sekretär für Agitation und Propaganda der SED-Bezirksleitung Berlin und ab 1971 Leiter der Abteilung Agitation des ZK der SED, 1973-1989 Erster Sekretär der Bezirksleitung Dresden, November/Dezember 1989 Mitglied des Politbüros, Dezember stellvertretender Vorsitzender der SED-PDS, November 1989 bis März 1990 Vorsitzender des DDR-Ministerrates, 1990-1994 Abgeordneter des Bundestages, 1999-2004 Mitglied des Europaparlaments. Ausführlicher vgl. Küchenmeister 2008; autobiographisch vgl. Modrow 1998.

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Hans Müncheberg (geb. 1929), 1953-1991 Dramaturg und Autor beim DDR-Fernsehen, Leiter der Abteilung für Gegenwartsdramatik. Als Kurzbiographie vgl. Riedel 1993, S. 306; weiterführend vgl. Müncheberg 2000. Heinz Nahke, Dezember 1965 bis Frühjahr 1970 Leiter der HA Kunst und Kulturpolitik bzw. Dramatische Kunst und Kulturpolitik. Arthur Nehmzow (1916-1995), seit 1945 beim DDR-Rundfunk, 1952 Wechsel zum Fernsehzentrum, 1953 Leiter der Abteilung Produktion, 1954 Sendeleiter, 1959 Leiter der HA Produktion, später Verwaltungsleiter und 1969 stellvertretender Vorsitzender des Fernsehkomitees; zur Kurzbiographie vgl. Arnold 2002, S. 706. Werner Nestel (1904-1974), 1947-1956 technischer Direktor des NWDR. Albert Norden (1904-1982), 1949 und 1958-1981 Abgeordneter der Volkskammer der DDR, 1952 Professor für Neuere Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin, 1954/55 Sekretär bzw. Staatssekretär des Ausschusses für Deutsche Einheit, 1955-1981 Mitglied und Sekretär des ZK der SED, 1955-1967 ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda sowie Leiter der Agitationskommission beim Politbüro, 1960-1979 Leiter der Westkommission beim Politbüro, 1963-1979 Mitglied des nationalen Verteidigungsrates, 1967-1979 Leiter der Auslandsinformation und Westabteilung, 1976-1981 Mitglied des Staatsrates. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 628-629; Killy/Vierhaus 1998, S. 438; Baumgartner/ Hebig 1997, S. 604-605. Weiterführend vgl. Podewin 2001. Kurt Ottersberg, 1969 Mitglied der »Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe« in der Leitungsebene des DFF, 1969-1985 Leiter der HA Internationale Verbindungen. Willy (eigentlich Wilhelm) Perk (1905-1991), ab 1949 stellvertretender Chefredakteur des Deutschlandsenders, 1951/1952 Mitarbeiter der ZK-Westkommission, 1952 Rückkehr zum Rundfunk, stellvertretender Intendant bzw. Leiter der Gruppe »Gesamtdeutsche Fragen«, 1956-1959 erster Stellvertreter des Rundfunkkomiteevorsitzenden, 1959 Versetzung zum FDGB. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 649-650; Arnold 2002, S. 708. (Friedrich) Wilhelm (Reinhold) Pieck (1876-1960), 1949-1960 erster und einziger Staatspräsident der DDR. Zu Kurzbiographien vgl. Killy/Vierhaus 1998, S. 665; Baumgartner/Hebig 1997, S. 646; Müller-Enbergs et al. 2003, S. 657-660. Gerhard Prager (1920-1975), ZDF-Programmdirektor 1973-1975. Gerhard Probst (geb. 1912), 1946 Chefingenieur des Senders Dresden, später Chefingenieur des Rundfunks, 1952 Mitglied des Staatlichen Rundfunkkomitees, 1953-1954 Leiter der Betriebstechnik und Kommissarischer Leiter des Fernsehzentrums, 1955 wieder Chef der Fernsehtechnik und als solcher 1956-1975 stellvertretender Minister für Post- und Fernmeldewesen der DDR. Zur Kurzbiographie vgl. Baumgartner/Hebig 1997, S. 669.

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Heinz Prohl, 1965 Parteisekretär des DFF, 1970-1972 Programmdirektor, 1973 Leiter der Arbeitsgruppe »Vorbereitung des Bildungsfernsehens«, 1974 Mitarbeiter in der Programmdirektion. Horst Rentz, langjähriger leitender Mitarbeiter der Unterhaltungsabteilung des DDR-Fernsehens, 1985 Leiter der HA Fernsehunterhaltung, Stellvertreter Adamecks. Heinz Sachs, Anfang bis Ende 1965 Leiter der HA Kunst und Kulturpolitik. Helmut Sakowski (1924-2005), Schriftsteller, Dramatiker, 1971-1974 Vizepräsident der Akademie der Künste. Zu Kurzbiographie vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 724-725. Horst Sauer, Kameramann beim Fernsehen, 1973 Leiter der HA Unterhaltung/Musik, Mitglied des Fernsehkomitees, 1983 Programmdirektor, 1987 Stellvertreter Adamecks. Für ausführlichere Informationen vgl. das biographische Interview in Budde 2006. Günter Schabowski (geb. 1929), 1968 stellvertretender Chefredakteur, 1974 Erster stellvertretender Chefredakteur und 1978-1985 Chefredakteur Neues Deutschland, 1978-1985 Mitglied des Agitationskomitees beim Politbüro des ZK der SED, 1981-1990 Abgeordneter der Volkskammer, 1981-1989 Mitglied des ZK der SED, 19841989 Mitglied des Politbüros der SED und ab 1986 Sekretär des ZK, 1985-1989 Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, Dezember 1989 Rücktritt. Zur Kurzbiographie vgl. Herbst et al. 1997, S. 1065; autobiographisch vgl. Schabowski 1991. Hannes (eigentlich Johannes) Schäfer, Erster Sekretär der SEDKreisleitung Fernsehen der DDR und damit direkt dem ZK der SED unterstellt, Rücktritt am 21.11.1989. Dieter Schmotz, 1961 Sendeleiter des DFF, ab 1966 Programmdirektor und Stellvertreter Adamecks, 1969 Leiter der HA Programmdirektion, 1974-1976 Direktor für Programm- und Produktionsplanung, 1982 Mitglied der Vorbereitungsgruppe zur Einführung der alternativen Programmstruktur. Karl-Eduard (Richard Arthur Gerhard) von Schnitzler (19182001), 1945-1947 Mitarbeiter beim NWDR, 1947-1951 Mitarbeiter beim Berliner Rundfunk und beim Deutschlandsender, ab 1952 Leiter der Kommentatorengruppe des Staatlichen Rundfunkkomitees, 1960-1989 Autor und Chefmoderator des Schwarzen Kanals, 1968-1989 Chefkommentator des DFF. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 757; Baumgartner/Hebig 1997, S. 801; Stroynowski 1989c, S. 1041. Weiterführend vgl. Prase/ Kretzschmar 2003 und Prase 2004. Dietrich Schwarzkopf (geb. 1927), 1966 Programmdirektor Fernsehen beim NDR, 1974-1978 stellvertretender Intendant beim NDR, 1978-1992 Programmdirektor der ARD mit Sitz in München. Weiterführend vgl. Hömberg 2006. Als wissenschaftliche Publikationen vgl. Schwarzkopf 1999. Erich Selbmann (geb. 1926), 1953-1955 Chefredakteur des Deutschlandsenders, 1958/1959 Intendant des Berliner Rundfunks, 19661978 Chefredakteur der Aktuellen Kamera, 1978-1989 stellvertre-

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tender Vorsitzender des Staatlichen Fernsehkomitees und Leiter des Bereiches Dramatische Kunst, 1990 Ruhestand. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 791; Baumgartner/ Hebig 1997, S. 852-853; Stroynowski 1989c, S. 1057; Arnold 2002, S. 713. Als Verfasser vgl. Selbmann 1998. Hans-Joachim Seidowsky (geb. 1932), Promotion 1965 an der Humboldt-Universität Berlin, ab 1969 Mitglied der »Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe« im DDR-Fernsehen, 1973/74 Programmdirektor, ab 1984 Leiter der HA Internationaler Programmaustausch, 1985 Direktor des Internationalen Programmaustauschs, Stellvertreter Adamecks, seit 1957 inoffizieller Mitarbeiter des MfS als »IM Jochen«, später »IM Gerhard«. Zur Kritik an Seidowsky vgl. Knabe 2002, insbesondere S. 111-120. Horst Sindermann (1915-1990), 1945-1947 Chefredakteur der Sächsischen Volkszeitung und der Volksstimme, 1950-1953 Chefredakteur der Freiheit (Halle/Saale), 1953-1963 Leiter der Abteilung Agitation und Propaganda im ZK der SED, 1967-1989 Mitglied des Politbüros, 1963-1989 Abgeordneter der Volkskammer, davon 19761989 Präsident, 1971-1973 stellvertretender Vorsitzender und 1973-1976 Vorsitzender des Ministerrates, 1976-1989 stellvertretender Vorsitzender des Staatsrates der DDR. Zur Kurzbiographie vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 801; Arnold 2002, S. 713. Rudolf Singer (1915-1980), seit 1951 in der DDR, 1952-1963 (stellvertretender) Chefredakteur der Freiheit (Halle/Saale), 1963-1966 Leiter der Abteilung Agitation des ZK der SED und zugleich stellvertretender Leiter der Agitationskommission, 1966-1971 Chefredakteur des Neuen Deutschland, 1967-1980 Mitglied des ZK der SED, 1971-1980 Vorsitzender des Staatlichen Rundfunkkomitees. Zur Kurzbiographie vgl. Arnold 2002, S. 714. Wolfgang Stemmler (geb. 1920), 1949-1951 beim MDR in Leipzig, 1952 beim Hörfunk der DDR, seit November 1952 Redakteur für Theater, Film und Literatur beim DFF, 1953-1965 Leiter der Unterhaltungsredaktion im DDR-Fernsehen, bis 1989 Redakteur bei Prisma. Als Kurzbiographie vgl. Riedel 1993, S. 307. Als Verfasser vgl. Stemmler 1993 sowie Weber/Stemmler 1999. Dieter Stolte (geb. 1934), 1962-1967 Persönlicher Referent des ZDFIntendanten Holzamer, 1967-1976 Leiter der Programmplanung des ZDF, 1973-1976 Fernsehdirektor und stellvertretender Intendant des SWF, 1976-1981 ZDF-Programmdirektor, 1981-2002 Intendant des ZDF, 1984 Mitbegründer von 3sat, seit 2002 Herausgeber der Welt und der Berliner Morgenpost. Zur Kurzbiographie vgl. Hübner 2007 und Munzinger o. J. [2008], jeweils Stichwort »Dieter Stolte«. Willi Stoph (1914-1999), 1950-1952 Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses der Volkskammer, 1950-1989 Mitglied ZK der SED, Abgeordneter der Volkskammer, 1952-1955 Minister des Inneren, 1953-1989 Mitglied des Politbüros, 1954-1962 stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates, 1956-1960 Minister für Nationale Verteidigung, 1962-1964 erster stellvertretender Vorsitzender des

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Ministerrates, 1963/64 Mitglied des Staatsrates, 1964-1973 Vorsitzender des Ministerrates, stellvertretender Vorsitzender des Staatsrates, 1973-1976 Vorsitzender des Staatsrates und damit Staatsoberhaupt der DDR, 1976-1989 Ministerratsvorsitzender und stellvertretender Vorsitzender des Staatsrates, 7. November 1989 Rücktritt. Zur Kurzbiographie vgl. Herbst et al. 1997, S. 1091-1092. Harry Tisch (1927-1995), 1963-1989 Mitglied des ZK der SED sowie Abgeordneter der Volkskammer, 1975-1989 Politbüromitglied und Mitglied des Staatsrates sowie des Präsidiums des Nationalrates der Nationalen Front, 1975-1989 Vorsitzender des Bundesvorstandes des FDGB, November 1989 Rücktritt von allen Ämtern. Zur Kurzbiographie vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 856-857. Walter (Ernst Paul) Ulbricht (1893-1973), 1949-1973 Mitglied des Politbüros des ZK der SED, 1953-1971 Erster Sekretär des ZK der SED, 1960-1973 Vorsitzender des Staatsrates der DDR. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 868-869; Killy/ Vierhaus 1999, S. 133-134; Baumgartner/Hebig 1997, S. 948-949. Weiterführend vgl. Frank 2001 und Wagner 2002. Bruno Wagner, 1958 Promotion, 1965 Mitglied der Agitationskommission, Landwirtschaftsexperte. Willy Zahlbaum (1914-2002), 1947 Redakteur im Funkhaus Grünau und später beim Berliner Rundfunk, 1954-1959 stellvertretender DFF-Intendant und zeitweise stellvertretender Vorsitzender des Rundfunkkomitees, 1960 Direktor und Chefredakteur des DEFAStudios für Wochenschau und Dokumentarfilme, danach Mitglied des Sekretariats des Nationalrates der Nationalen Front, dort Leiter des Büros für städtische Wohngebiete, 1965-1975 Sekretär des Afro-Asiatischen Solidaritätskomitees. Zur Kurzbiographie vgl. Baumgartner/Hebig 1997, S. 1038; Arnold 2002, S. 717-718. Hermann Zilles (1903-1956), 1949-1952 stellvertretender Intendant des Berliner Rundfunks, seit 1950 Leiter der westdeutschen Sendungen im Deutschlandsender. Ab 1952 Intendant des Landessenders Halle, 1952 Mitglied des Staatlichen Rundfunkkomitees und Intendant des Fernsehzentrums, 1953 Entlassung, 1954-1956 Chefredakteur des Feuilleton-Pressedienstes bzw. der Zeitschrift Schatulle. Zu Kurzbiographien vgl. Müller-Enbergs et al. 2003, S. 952953; Baumgartner/Hebig 1997, S. 1046 sowie Hoff 2005, S. 16-17.

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Quellen und Literatur Q UELLEN 2 1. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde

Abteilung Agitation, 1962: Maßnahmen zur Sicherung einer einheitlichen Durchsetzung der zentralen Argumentation. Entwurf. 01.11. 1962. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/9.02/7. Abteilung Agitation, 1966: Wie die westlichen Propaganda-Zentralen geschlagen werden. 19.02.1966. SAPMO-BArch DY 30/IV A 2/ 9.02/22. Abteilung Agitation, 1967: Argumentationshinweise zur Auswertung der 1. und 2. Tagung der Volkskammer. 19.07.1967. BArch DR 8/ 73. Abteilung Agitation, 1972: Information über zunehmende aggressive antikommunistische Argumentationen und Hetze gegen die DDR in den westlichen Rundfunk- und Fernsehsendern in der Zeit vom 20.11.-4.12.1972. 05.12.1972. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.033/ 109. Abteilung Agitation, 1976: Information über die Ergebnisse einer Umfrage des Instituts für Meinungsforschung beim ZK der SED zum Fernsehen der DDR vom März 1976. 19.04.1976. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.033. Abteilung Agitation, 1979: Konzept für eine Aussprache mit der Leitung des Fernsehens. Behandlung der Programmvorschläge des Fernsehens vom 07.02.1979. 12.02.1979. SAPMO-BArch DY 30/ IV 2/2.037/41. Abteilung Agitation, 1982: Zur Arbeit des Fernsehens der DDR, Analyse – Schlussfolgerungen – Maßnahmen. 26.02.1982. SAPMOBArch DY 30/VORL. SED 30114. Abteilung Agitation/Presse-Rundfunk, 1957: Agitationsplan. Für eine ideologische Offensive gegen die Politik des Militarismus der Bonner Regierung. 07.02.1957. BArch DR 8/7. Abteilung Agitation, Sektor Rundfunk/Fernsehen, 1980: Erste Erfahrungen, die im Zuge der Verwirklichung der Maßnahmen zur Profilierung des II. Programms des Fernsehens der DDR gesammelt wurden. 22.08.1980. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.037/41. Abteilung Agitation und Propaganda, Sektor Rundfunk/Fernsehen, 1960: Das II. Fernsehprogramm und sein Stand in Westdeutschland und der DDR. 19.04.1960. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/9.02/86. Abteilung Außenverbindung, 1957: Auswertung der Gespräche mit Fernsehteilnehmern in Leipzig. 20.03.1957. BArch DR 8/482.

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Die Angaben zum jeweiligen Verfasser orientieren sich an der Selbstzuschreibung der Quelle. Deren originale Orthographie wurde in jedem Fall übernommen, auch wenn die Schreibung gleicher Institutionen damit zwischendurch variiert. Ebenso wurden die Datumsangaben in den Titeln der Quellen beibehalten und nicht vereinheitlicht.

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Abteilung Aussenverbindung, 1958: Bericht über die Arbeit der Aussenverbindung auf der Leistungsschau der Technik in Zwickau vom 19. bis 21. Mai 1958. 04.06.1958. BArch DR 8/12. Abteilung Außenverbindung, 1959: Zusammenfassung der diskutierten Themen. Ohne Datum. 1959. BArch DR 8/14. Abteilung Parteiorgane des ZK, 1966: Information über die Parteiaktivtagung im Deutschen Fernsehfunk am 17.1.1966. 19.01.1966. BArch NY 4182/915. Adameck, Heinz, 1967: Ohne Titel. April 1967. BArch DR 8/67. Adameck, Heinz (Ministerrat der DDR, Staatliches Komitee für Fernsehen), 1974: Planentwurf 1975. Komplexer Plan des Fernsehens, Teil I. Aufgaben im Verantwortungsbereich des Staatlichen Komitees für Fernsehen. 30.09.1974. BArch DR 8/143. Adameck, Heinz, 1985: Referat. Protokoll der 5. Kreisleitungssitzung am 26.06.1985. SAPMO-BArch DY 30/499. Adameck, Heinz, 1986: Der XI. Parteitag der SED und die Aufgaben des Fernsehens der DDR. Referat. Kreisleitung der SED, Fernsehen der DDR. Protokoll über die 3. Tagung der Kreisleitung am 9. Mai 1986. 12.05.1986. SAPMO-BArch DY 30/500. Adameck, Heinz an Gerhart Eisler, 1966: Abschrift Brief. 12.04.1966. BArch DR 6/532. Adameck, Heinz an Gerhart Eisler, 1966: Brief und Anlage. 11.08. 1966. BArch DR 6/532. Adameck, Heinz an Heinz Geggel, 1985: Brief und Anlage. 03.06. 1985. SAPMO-BArch DY 30/VORL. SED 35691. Adameck, Heinz an Joachim Herrmann, 1980: Brief und Anlage. 27.11. 1980. SAPMO-BArch DY 30/25943. Adameck, Heinz an Joachim Herrmann, 1987: Brief und Anlage. 11.05. 1987. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.037/42. Adameck, Heinz an Erich Honecker, 1980: Brief. 16.06.1980. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.037/41. Adameck, Heinz an Hermann Ley, 1959: Brief. 17.02.1959. BArch DR 6/281. Adameck, Heinz an Albert Norden, 1960: Brief und Anlage. 12.09. 1960. SAPMO-BArch DY 30/IV 2.028/92. Adameck, Heinz an Albert Norden, 1961: Brief und Anlage. 03.06. 1961. SAPMO-BArch DY 30/IV 2.028/92. Adameck, Heinz an Gerhard Probst, 1958: Brief und Anlage. 22. 03.1958. BArch DR 8/328. Aktuelle Kamera, 1960: Vorlage an das Kollegium des Deutschen Fernsehfunks. 19.09.1960. BArch DR 8/18. Apel, Erich/Brook/Hubert Egemann/u. a., 1960: Zweites Fernsehprogramm der Deutschen Demokratischen Republik, genannt ›Deutschland-Fernsehen‹. Vorlage für das Politbüro des Zentralkomitees. 02.09.1960. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/902/19. Arbeitsgruppe beim Vorsitzenden, 1974: Aufzeichnungen in der Beratung mit dem Leiteraktiv am Dienstag, dem 19. November 74. Anlage zum Originalprotokoll Nr. 46/74. 19.11.1974. BArch DR 8/ 145.

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Arbeitsgruppe beim Vorsitzenden, 1975: Aufzeichnungen von der 1. Auswertung des 14. Plenums durch Gen. Adameck vor den APOSekretären und dem Leiteraktiv am 6. Juni 1975. 10.06.1975. BArch DR 8/147. Beckmann, Sekretariat der Intendanz, 1967: Protokoll der Sitzung der Intendanz am 25. Januar 1967. 27.01.1967. BArch DR 8/60. Betriebsakademie des Deutschen Fernsehfunks, 1968: Seminar für leitende Mitarbeiter des Deutschen Fernsehfunks zur Vorbereitung des 20. Jahrestages der DDR und zur Vorgabe 1969 am 1. Juli 1968. Sonderdruck. Juli 1968. BArch DR 8/84. Büro Norden an Heinz Adameck, 1963: Brief und Anlage. 20.02.1963. SAPMO-BArch DY 30/IV A 2/2.028/66. Chefredaktion Reportagen und Dokumentationen, 1962: Kollegiumsvorlage Nr. 42/62 für das Herbst- und Winterprogramm der Chefredaktion Reportagen und Dokumentationen. 10.07.1962. BArch DR 8/27. Chefredaktion Sport, 1982: Übertragung des Fernsehens der DDR von der Fußball-Weltmeisterschaft 1982 in Spanien vom 13.6. bis 11.7. 1982. 21.04.1982. BArch DR 8/181. Chefredaktion Sport, 1983: Berichterstattung von den Olympischen Winterspielen 1984 in Sarajewo (8.2.-19.2.84) und 1. Entwurf Hauptsendungen im Abendprogramm. 30.08.1983. BArch DR 8/ 184. Deutscher Fernsehfunk, 1957: Entwurf. Beschluß über Sendungen des Deutschen Fernsehfunks für Westdeutschland. 05.11.1957. BArch DR 8/483. Deutscher Fernsehfunk, 1959: Arbeitsplan des Kollegiums des Deutschen Fernsehfunks bis zum 10. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik. 24.06.1959. BArch DR 8/15. Deutscher Fernsehfunk, 1966: Bericht der Intendanz und der Zentralen Parteileitung des Deutschen Fernsehfunks über den Stand der Durchführung der Beschlüsse des 11. Plenums des ZK der SED. Vorlage an das ZK der SED. 23.06.1966. SAPMO-BArch DY 30/ 481. Deutscher Fernsehfunk, Aktuelle Kamera, 1959: Perspektivplan der ›Aktuellen Kamera‹ für das Herbst- u. Winterprogramm 1959/60. 08.07.1959. BArch DR 8/15. Deutscher Fernsehfunk, Intendanz, 1961: Plan des Deutschen Fernsehfunks zu den Neuen Ordnungen und zur Vorbereitung der Wahlen. 05.07.1961. BArch DR 8/22. Deutscher Fernsehfunk, Intendanz, 1968: Grundkonzeption 1969. Entwurf, vorgelegt von der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe. April 1968. BArch DR 8/82. Deutscher Fernsehfunk, Internationale Redaktion, 1964: Bericht über ›Reportage Dresden 1964‹, Sendung für das Westdeutsche Fernsehen, I. Programm. 16.09.1964. SAPMO-BArch DY 30/IV A 2/ 2.028/66. Deutscher Fernsehfunk – Kinderfernsehen, 1959: Vorschläge des Kinderfernsehens für die Tagung der Programmkommission Fernsehen

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der OIR vom 25.-27.11.1959 über Programme für Kinder. Vorlage für das Kollegium Nr. 57/59. 27.10.1959. BArch DR 8/15. Deutscher Fernsehfunk, Kollegium, 1959: Über die Entwicklung und Erweiterung der Programmtätigkeit der Redaktion »Aktuelle Kamera«. 23.11.1959. BArch DR 8/15. Deutscher Fernsehfunk, Methodisches Kabinett, 1965a: Auswertung der Umfrage im Stadt- und Landkreis Rostock vom 4.3.-9.3.1965. März 1965. BArch DR 8/494. Deutscher Fernsehfunk, Methodisches Kabinett, 1965b: Das Unterhaltungsprogramm des Deutschen Fernsehfunks im Urteil seiner Zuschauer. Auswertung einer repräsentativen Umfrage unter 2000 Zuschauern der DDR im September 1965. November 1965. BArch DR 6/180. Deutscher Fernsehfunk, Programmleitung, 1965: Perspektivplan des Deutschen Fernsehfunks bis 1970. 06.02.1965. BArch DR 8/38. Deutscher Fernsehfunk, Redaktion Unterhaltung, 1957: Herbst- und Winterprogramm 1957/58 der Redaktion Unterhaltung (Eigensendungen). Ohne Datum. BArch DR 8/8. Deutscher Fernsehfunk, Redaktion Zeichen- und Puppensatire, 1957: Herbst- und Winterprogramm 1957/58 der Redaktion Zeichen- und Puppensatire. Ohne Datum. BArch DR 8/8. Deutscher Fernsehfunk, Redaktionsarchiv, 1963: Informationsdienst Nr. 5/1963. 17.10.1963. BArch DR 6/549. Deutscher Fernsehfunk, Sendeleitung, 1965a: Der 20. Jahrestag der Befreiung des Deutschen Volkes vom Faschismus und das Programm des Deutschen Fernsehfunks. 20.01.1965. BArch DR 8/492. Deutscher Fernsehfunk, Sendeleitung, 1965b: Bemerkungen zur Sendetätigkeit im 1. Halbjahr und zum Plan für das 2. Halbjahr 1965. 20. 05.1965. BArch DR 8/494. Direktion für Programm- und Produktionsplanung, 1974a: Entscheidungen zur Gestaltung der Programmstruktur des I. und II. Programms. 23.08.1974. BArch DR 8/143. Direktion für Programm- und Produktionsplanung, 1974b: Vorschlag für die Einführung einer neuen, effektiven Programmstruktur für das I. Programm des DDR-Fernsehens. 1. Entwurf. 07.01.1974. BArch DR 8/145. Direktion für Programm- und Produktionsplanung, 1975: Zu programmstrategischen Überlegungen über die weitere Profilierung des I. und II. Programms des DDR-Fernsehens. 27.06.1975. BArch DR 8/151. Direktion für Programm- und Produktionsplanung, Abt. Sendeplan, 1975: Einige Hinweise zur neuen Programmstruktur der ARD und ZDF (1.1.1976 bis 31.12.1977). 15.08.1975. BArch DR 8/151. Direktor für Programm- und Produktionsplanung, 1975: Vorgabe zum Jahresplan des DDR-Fernsehens 1976. Komiteevorlage Nr. 7/75-1. 25.04.1975. BArch DR 8/509. Direktor für Programmplanung, 1977: Problemspiegel. Maßnahmen zur besseren Profilierung und Abstimmung des I. und II. Programms. 01.02.1977. BArch DR 8/160.

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Direktor für Programmplanung, 1980a: Bericht zur Erfüllung ausgewählter Schwerpunkte des Planes im I. Quartal 1980. 30.04.1980. Komiteevorlage Nr. 12-80. BArch DR 8/175. Direktor für Programmplanung, 1980b: Maßnahmeplan zur Erarbeitung einer zentralen programmpolitischen Orientierung für den Zeitraum bis 1985. 07.04.1980. Komiteevorlage Nr. 10-80. BArch DR 8/174. Direktor für Programmplanung, 1983a: Erfahrungen und Schlussfolgerungen aus der Arbeit des Fernsehens der DDR seit dem 13.12.82. 31.05.1983. BArch DR 8/184. Direktor für Programmplanung, 1983b: Vorgabe für den Plan des Jahres 1984. Entwurf. Vertrauliche Dienstsache I-7/25/83. Ohne Datum. BArch DR 8/184. Direktor für Programmplanung, 1984: Vorgabe für den Plan 1985/86. 18.4.1984. BArch DR 8/185. Erste Kommission, 1957: Konferenz zur Verbesserung der Arbeit. 24.07.1957. BArch DR 8/8. Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung, 1985: Vorgabe für den Plan 1986 mit den herausragenden Vorhaben bis zum 40. Jahrestag der DDR. Komiteevorlage Nr. 10-85. 26.04.1985. BArch DR 8/186. Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung, 1986a: Entwurf der Vorgabe für den Plan des Fernsehens der DDR 1987. Komiteevorlage Nr. 17-86. 16.05.1986. BArch DR 8/188. Erster Stellvertreter des Vorsitzenden für Programmstrategie und -planung, 1986b: Programmkonzeption zum 750. Jahrestag der Gründung Berlins. Komiteevorlage Nr. 11-86. 21.03.1986. BArch DR 8/188. Fehlig, Werner (Wissenschaftliche Arbeitsgruppe), 1969: Entwurf einer Vorlage für das Politbüro des Zentralkomitees der SED. Vorlage Nr. 73-16/69 für die Beratung beim Staatlichen Komitee am 28.11. 1969. Ohne Datum. BArch DR 8/502. Fehlig, Werner (Direktor für Programmplanung), 1977: Programmpolitische Planorientierung zur Ausarbeitung der Planaufgaben der Programmbereiche für 1978/79. 31.03.1977. BArch DR 8/160. Fensch, Eberhard (Abteilung Agitation), 1978: Zu einigen Fragen der Entwicklung von Fernsehen und Rundfunk der DDR. 03.04.1978. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.037/40. Fensch, Eberhard an Heinz Adameck, 1982: Brief. 18.05.1982. SAPMO-BArch DY 30/VORL. SED 30113. Fensch, Eberhard an Heinz Geggel, 1980: Brief mit Anlage. 17.01. 1980. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.037/41. Fensch, Eberhard an Joachim Herrmann, 1980: Brief mit Anlage. 03. 09.1980. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.037/41. Fensch, Eberhard an Joachim Herrmann, 1982: Brief. 06.01.1982. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.037/16. Fensch, Eberhard an Joachim Herrmann, 1982: Brief. 04.02.1982. SAPMO-BArch DY 30/VORL. SED 25948.

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Fensch, Eberhard an Joachim Herrmann, 1982: Brief. 15.06.1982. SAPMO-BArch DY 30/VORL. SED 30113. Fernsehen der DDR, Bereich Programm- und Produktionsplanung, 1975: Bemerkungen zu Tendenzen der Darstellung der Sowjetunion im westdeutschen Fernsehen. 29.01.1975. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.033/109. Fernsehen der DDR, Wissenschaft und Technik, 1974: Die Entwicklung der materiell-technischen Basis des Fernsehens der DDR. Informationsmaterial für die Mitglieder des Staatlichen Komitees für Fernsehen. 14.01.1974. BArch DR 8/136. Fernsehen der DDR, Zentrale Parteileitung, 1983: Protokoll der Sitzung des Sekretariats der ZPL vom 10. Juni 1983. 14.06.1983. SAPMOBArch DY 30/489. Fernsehzentrum Berlin, Betriebsleitung, 1953: Protokoll. 1. Sitzung des Kollegiums des Fernsehzentrums Berlin. 08.12.1953. BArch DR 8/1. Fernsehzentrum Berlin, Kaufmännische Leitung, 1953: Dienstordnung für das Kollektiv: »Sicherung des Betriebes«. 23.12.1953. BArch DR 8/1. Fernsehzentrum Berlin, Kaufmännische Leitung, 1954: Protokoll über die Arbeitsbesprechung der Abteilungsleiter am 9.7.54. 12.07.1954. BArch DR 8/2. Fischer (Sektor Rundfunk/Fernsehen), 1966: Zum Einfluß des Westfernsehens. 21.07.1966. SAPMO-BArch DY 30/IV A 2/9.02/68. Frauenredaktion, 1958: Die Bildung einer Redaktion für Frauensendungen im Deutschen Fernsehfunk. 22.02.1958. BArch DR 8/11. Füssler (Sendeleitung), 1957: Gestaltung unseres Programms bis zum 15.9., dem Tag der westdt. Wahlen. 02.07.1957. BArch DR 8/8. Gecht, 1963: Ohne Titel. Februar 1963. SAPMO-BArch DY 30 IV/A 2/ 2.028/66. Geggel, Heinz, Abteilung Agitation, 1983: Zu den Ergebnissen der Fernseharbeit seit Einführung der neuen Programmstruktur (13.12.1982 bis 31.3.1983). Analyse und Schlussfolgerungen. 30. 05.1983. SAPMO-BArch DY 30/VORL. SED 30114. Geggel, Heinz, 1985: Schlußwort. Protokoll 6. Tagung der Kreisleitungssitzung am 11.10.1985. SAPMO-BArch DY 30/499. Geggel, Heinz, 1986: Schlußwort. Kreisleitung der SED, Fernsehen der DDR. Protokoll über die 3. Tagung der Kreisleitung am 9. Mai 1986. 12.05.1986. SAPMO-BArch DY 30/500. Geggel, Heinz an Joachim Herrmann, 1985: Brief. 28.05.1985. SAPMO-BArch DY 30/VORL. SED 38896. Glatzer, Dieter, 1966: Beschluss über die Programmtätigkeit im 2. Halbjahr 1966. 28.05.1966. BArch DR 8/50. Glatzer, Dieter, Wissenschaftliche Arbeitsgruppe, 1969: Zur Beratung des Staatlichen Komitees für Fernsehen am 17. Januar 1969. Material zum Arbeitsplan des Staatlichen Komitees für Fernsehen. 13. 01.1969. BArch DR 8/89.

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Glatzer, Dieter, 1975: Erste Überlegungen des Staatlichen Komitees für Fernsehen zur Vorbereitung des IX. Parteitages. Vorlage für die Abteilung Agitation. 13.06.1975. BArch DR 8/149. HA Aktuelle Politik, 1960a: Aufbau eines systematischen Dienstes für die Aufzeichnung und Auswertung des Westfernsehprogramms. 11. 02.1960. BArch DR 8/17. HA Aktuelle Politik, 1960b: Plan der Sendungen der Abteilung Zeitgeschehen von Januar bis Mai 1960. 13.01.1960. BArch DR 8/17. HA Aktuelle Politik, 1961: Zu einigen Fragen der Organisation, Struktur und der neuen Technik der HA Politik. 21.02.1961. BArch DR 8/20. HA Kinder-, Jugend- und Wochenendredaktion, 1960: Bericht der Jugendredaktion über die gegenwärtige Lage unter der Jugend und einige Schlussfolgerungen für die Sendearbeit des Deutschen Fernsehfunks. 21.11.1960. BArch DR 8/18. HA Politik, 1961: Die Verbesserung der aktuellen Berichterstattung im Deutschen Fernsehfunk. 01.02.1961. BArch DR 8/20. HA Politik, 1965: Entwurf einer Konzeption für die Tätigkeit des Deutschen Fernsehfunks während der Vorbereitung der Bundestagswahlen (19.9.1965). 14.05.1965. BArch DR 8/494. HA Sport, 1967: Olympische Sommerspiele 1968 in Mexiko City im Programm des DFF. 02.08.1967. BArch DR 8/74. HA Unterhaltung, 1961: Einige Konsequenzen für die Gestaltung des Unterhaltungsprogramms nach dem 13. August. 06.09.1961. BArch DR 8/22. HA Wirtschaft, 1961: Gesichtspunkte für eine Veränderung des Programms der HA Wirtschaft. 06.09.1961. BArch DR 8/22. Häber, Herbert an Erich Honecker, 1984: Brief und Anlage. 07.12. 1984. SAPMO-BArch DY 30/J IV 2/10.04/7. Herlt, Günter, 1968: Grundkonzeption für das Unterhaltungsprogramm des Deutschen Fernsehfunks im Planjahr 1969. 09.05.1968. BArch DR 8/84. Herlt, Günter (Aktuelle Kamera, Chefredaktion), 1971: Thesen zur prinzipiellen Abgrenzung der sozialistischen DDR von der Gesellschaftsordnung und Ideologie des Imperialismus in der BRD und anderen imperialistischen Staaten. Vorlage Nr.: 4-71-1. Ohne Datum. SAPMO-BArch DR 8/109. Herrmann, Joachim an Erich Honecker, 1982: Brief. 05.11.1982. SAPMO-BArch DY 30/VORL. SED 30113. Herrmann, Joachim an Erich Honecker, 1987: Brief und Anlage. 12.05. 1987. BArch DY 30/IV 2/2.037/42. Heynowski, Walter, Programmleitung, 1961: Änderung des Weihnachtsprogrammes. 02.11.1961. BArch DR 8/23. Honecker, Erich an die 1. Bezirks- und Kreissekretäre der Partei, 1975: Fernschreiben. Ohne Datum. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.033/ 109. Honecker, Margot an Joachim Herrmann, 1988: Brief. 14.11.1988. BArch DY 30/IV 2/2.037/43.

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Höschel, Hans, 1956: Kurze Einschätzung der westlichen Fernsehprogramme hinsichtlich der Behandlung landwirtschaftlicher Fragen. 08.12.1956. BArch DR 8/7. Höschel, Hans, 1957: Redaktion Landwirtschaft. Plan der Sendung zur Vorbereitung der Bundestagswahlen in Westdeutschland. 26.07. 1957. BArch DR 8/8. Institut für Internationale Politik und Wirtschaft, 1974: Propaganda feindlicher Funk- und Fernsehsender. Tendenzen und Argumente. Beobachtungszeitraum Februar 1974. Ohne Datum. SAPMOBArch DY 30/IV 2/2.033/109. Intendanzbereich Kunst und Kulturpolitik, 1965: Wie unterstützt der Deutsche Fernsehfunk mit den Mitteln der dramatischen Kunst den Prozeß der politisch-ideologischen Entwicklung der Bürger der DDR zur Erfüllung ihrer nationalen Aufgaben? 28.01.1965. BArch DR 8/37. Jäger, Gerhard, 1959: Die Fernsehzeitschrift ›dabei‹. 06.02.1959. BArch DR 8/14. Janns (Abteilung Agitation), 1963: FS-Programm – Nachrichtendienst. 12.09.1963. SAPMO-BArch DY 30/IV A 2/9.02/68. Jugendfernsehen, 1961: Maßnahmen der Jugendredaktion, die sich für die weitere Sendearbeit nach dem 13. August 1961 ergeben. 06.09. 1961. BArch DR 8/22. Kennecke (Sekretär der Intendanz) an die Mitglieder der Intendanz, die Leiter selbständiger Bereiche, die Direktoren der Studios, 1967: Brief und Anlage. 26.07.1967. BArch DR 8/73. Kleinert, Wolfgang, 1962: Information. 05.12.1962. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/9.02/86. Kleinert, Wolfgang, 1967: Die Programmtätigkeit des Deutschen Fernsehfunks im Jahre 1967. Überarbeitete Fassung des Intendanzbeschlusses 83/67 vom 31.10.1966. 07.02.1967. BArch DR 8/64. Kodeberg, 1959: Erweiterung des Werbefernsehens. 02.08.1959. Vorlage Nr. 5/60 (handschriftlich). BArch DR 8/17. Kollegium des Deutschen Fernsehfunks, 1957: Programmperspektive für das 1. Halbjahr 1957 (einschl. August). 14.03.1957. BArch DR 8/7. Kollegium des Deutschen Fernsehfunks, 1959: Richtlinien für die aktuell-politische Arbeit im Programm des Deutschen Fernsehfunks für das Winterhalbjahr 1959/60. 08.07.1959. BArch DR 8/15. Kreisleitung Fernsehen der DDR, 1975: Referat Gen. Hannes Schäfer. Wochenendschulung am 08.11.1975. SAPMO-BArch DY 30/481. Lamberz, Werner, 1973: Einige Gesichtspunkte zur Auseinandersetzung mit der Forderung der Imperialisten nach »Freizügigkeit für Ideen, Menschen und Informationen« in den Beziehungen zwischen Staaten gegensätzlicher Gesellschaftsordnung. Januar 1973. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.033/109. Lamberz, Werner, 1976: Schlußwort auf der Betriebsdelegiertenkonferenz des Fernsehens der DDR am 24. Januar 1976. BArch DR 8/ 510.

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Lamberz, Werner an Erich Honecker, 1976: Brief und Anlage. 30.04.1976. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.033. Leucht, Günter, 1985: Diskussionsbeitrag. Protokoll 6. Tagung der Kreisleitungssitzung am 11.10.1985. SAPMO-BArch DY 30/499. Leucht, Günter, 1986: Bericht für die Komiteesitzung am 09.09.1986. 05.09.1986. BArch DR 8/187. Leucht, Günter/Horst Sauer/u. a., 1982: Konzeption ›Abrechenbare Schritte für einen raschen Leistungszuwachs des DDR-Fernsehens in den 80er Jahren‹. 28.05.1982. Komiteevorlage Nr. 11/1982. BArch DR 8/181. Leuschner, Günter, 1965: Bericht über eine Sitzung in der Agitationskommission des Zentralkomitees zur Berichterstattung von Presse, Rundfunk und Fernsehen über die Sowjetunion. 18.11.1965. BArch DR 6/16. Ley, Hermann, 1957: Zahlenmaterial über die Entwicklung des Rundfunks und Fernsehens. 10.12.1957. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/ 9.02/84. Ley, Hermann, 1958: Bericht an den Ministerrat über die kulturpolitische Arbeit des Rundfunks und Fernsehens. Ohne Datum. BArch DR 8/529. Ley, Hermann, 1960: 10-Jahrplan der Entwicklung von Rundfunk und Fernsehen. 14.03.1960. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/902/84. Ley, Hermann, 1961: Beschluß über die Neuregelung der Entlohnung der Kameramänner des Deutschen Fernsehfunks. Vorlage für das Politbüro beim ZK der SED. 01.06.1961. SAPMO-BArch DY 30/ IV 2/028/92. Ley, Hermann an das Politbüro des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 1957: Abschrift Brief und Anlage. 10. 12.1957. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/9.02/84. Ley, Hermann an Lehmann (Staatliche Plankommission, Abteilung Transport- und Nachrichtenwesen), 1959: Brief. 20.06.1959. BArch DR 6/655. Liebeskind, Heinz, 1967. Ohne Titel. April 1967. BArch DR 8/67. Liebeskind, Heinz/Peter Theek, 1958: Konterpropagandistische Arbeit des Deutschen Fernsehfunks. 30.10.1958. BArch DR 8/12. Lipfert (Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Ministerium für Post- und Fernmeldewesen, Bereich Rundfunk und Fernsehen, Hauptabteilungsleiter) an Otto Grimmer (Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Abteilung Agitation und Propaganda), 1959: Brief. 08.06.1959. BArch DY 30/IV 2/902/ 86. Martin, Bernd, Sekretär des Komitees, 1984: Protokoll der Festlegungen der Komiteeberatung vom 02.07.1984. 03.07.1984. BArch DR 8/185. Mayer, Frieder, Abt. für Fernsehmassenkommunikationsforschung, 1957: Zur Information für die Mitglieder des Kollegiums des Deutschen Fernsehfunks. 01.03.1957. BArch DR 8/7. Mittag, Günter und Joachim Herrmann an Erich Honecker, 1978: Brief und Anlage. 15.06.1978. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.037/2.

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Anhang

Müller, Margit/Hans-Jörg Stiehler (Zentralinstitut für Jugendforschung), 1987: Probleme der ideologischen Klassenauseinandersetzung auf dem Gebiet der elektronischen Massenmedien. Teilbericht zur Untersuchung »Jugendmedien« (Kurzfassung). Januar 1987. BArch DC 4/637. Nehmzow, Arthur, 1954: Die Aufgaben der Chefredaktion und der Sendeleitung des Fernsehzentrums Berlin. 11.03.1954. BArch DR 8/2. Norden, Albert an Heinz Adameck, 1960: Brief. 21.11.1960. SAPMOBArch DY 30/IV 2.028/92. Norden, Albert an Willi Stoph, 1965: Brief. 26.10.1965. BArch DR 6/ 130. Norden, Albert an Walter Ulbricht, 1960: Abschrift Brief. 28.09.1960. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/9.02/86. O. N., 1954: Entwurf eines Statuts des Kollegiums des Fernsehzentrums Berlin. 23.09.1954. BArch DR 8/2. O. N., 1955a: Beschlußvorlage Nr. 36/55 zum Monat der deutsch-sowjetischen Freundschaft. Oktober 1955. BArch DR 8/480. O. N., 1955b: Entwurf. Die Verbesserung des Fernsehprogramms und der Beginn des offiziellen Programms zum Geburtstag des Präsidenten am 3. Januar 1956. Ohne Datum. SAPMO-BArch DY 30/ IV 2/9.02/86. O. N., 1955c: Über die Programmtätigkeit des Fernsehens in der Deutschen Demokratischen Republik. Oktober 1955. BArch DR 8/480. O. N., 1957a: Abschrift. Beschluß des Komitees über Reisen von Mitarbeitern des Rundfunks und des Fernsehfunks ins Ausland und nach Westdeutschland. 26.10.1957. BArch DR 8/483. O. N., 1957b: Aufgaben und Struktur des Programmsektors im Deutschen Fernsehfunk. Ohne Datum, II. Quartal 1957. BArch DR 8/ 482. O. N., 1957c: Beschlußvorlage Nr. 56/57. Programmstruktur. Ohne Datum. BArch DR 8/8. O. N., 1957d: Rahmenplan der Aktuellen Kamera über Beiträge aus Anlaß der bevorstehenden Bundestagswahlen. 30.07.1957. BArch DR 8/8. O. N., 1957e: Rahmenplan der Aktuellen Kamera über die Auswertung des 33. Plenums des ZK der SED und des Friedensmanifestes der kommunistischen und Arbeiterparteien. 13.12.1957. BArch DR 8/ 9. O. N., 1957f: Statut des Deutschen Fernsehfunks. Ohne Datum, II. Quartal 1957. BArch DR 8/482. O. N., 1958a: Abschrift. Für ein interessantes, massenwirksames Fernseh-Programm. Ohne Datum. BArch DR 8/12. O. N., 1958b: Programmperspektive des Deutschen Fernsehfunks bis 1975. 26.02.1958. BArch DR 8/11. O. N., 1958c: Protokoll Nr. 22/58 der Kollegiumssitzung vom 4.8.58 des Deutschen Fernsehfunks. BArch DR 8/10. O. N., 1959a: Protokoll Nr. 2/59 der Kollegiumssitzung am 22.1.1959 des Deutschen Fernsehfunks. BArch DR 8/13.

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O. N., 1959b: Protokoll Nr. 5/59 der Kollegiumssitzung am 19.2.1959 des Deutschen Fernsehfunks. BArch DR 8/13. O. N., 1960a: Entschließung der Delegiertenkonferenz der BPO der SED im Deutschen Fernsehfunk. 20.03.1960. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/902/87. O. N., 1960b: Fragen zum Beginn des II. Fernsehprogramms in der DDR. 19.09.1960. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/028/92. O. N., 1962: Zur Arbeitsweise des Deutschen Fernsehfunks in Auswertung der Materialien zur Vorbereitung des VI. Parteitages der SED. Entwurf. Februar/März 1962. BArch DR 8/489. O. N., 1963a: Konzeption des Deutschen Fernsehfunks bis Jahresende 1963; Sendungen zur Vorbereitung der Wahlen zur Volkskammer und zu den Bezirkstagen. Ohne Datum. SAPMO-BArch DY 30/ IV A 2/2.028/66. O. N., 1963b: Stenografische Niederschrift der konstituierenden Sitzung der Agitationskommission beim Politbüro im Hause des Zentralkomitees, Sitzungssaal des PB, am Donnerstag, dem 14. März 1963. Unkorrigiert. 14.03.1963. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/ 2.106/1. O. N., 1963c: Zur Wirkung des DFF-Programms auf die westdeutsche und westberliner Öffentlichkeit. 07.05.1963. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.037/40. O. N., 1964: Probleme der Entwicklung des Fernsehens in der DDR bis zum Jahre 1970. 06.02.1964. SAPMO-BArch DY 30/IV A 2/2.028/ 66. O. N., 1965a: Entwicklung der Informationspolitik im Deutschen Fernsehfunk. Ohne Datum, Juni 1965. BArch DR 8/40. O. N., 1965b: Erläuterungen zur Programmstruktur 1966. Ohne Datum. Oktober 1965. BArch DR 8/496. O. N., 1965c: Niederschrift meiner handschriftlichen Aufzeichnungen von der Beratung des Intendanten am 26.11.1965. Ohne Datum. BArch DR 8/491. O. N., 1967a: Aussprache bei der Kommission zur Vorbereitung des 50. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Februar 1967. BArch DR 8/64. O. N., 1967b: Die Aufgaben für die Programmtätigkeit des Deutschen Fernsehfunks nach dem VII. Parteitag. Entwurf. April 1967. BArch DR 8/67. O. N., 1967c: Ergänzter und erweiterter Plan des Deutschen Fernsehfunks für die Vorbereitung der Wahlen auf Grund der Lehren und Erfahrungen des VII. Parteitages der SED, des VIII. Parlaments der FDJ und der Tagung der Volkskammer vom 2.5.1967. Mai 1967. BArch DR 8/69. O. N., 1969: Die Vorbereitung des 20. Jahrestages der DDR im 1. Programm des Deutschen Fernsehfunks. Ohne Datum. BArch DR 8/ 501. O. N., 1970a: Zur Sicherung der Produktionsbasis des Fernsehens 197175. Vorlage Nr.: 44-70-12 zur Sitzung des Komitees am 02.10. 1970. BArch DR 8/105.

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Anhang

O. N., 1970b: Die Entwicklung des Fernsehens in der DDR in den Jahren 1971-1975. Vorlage Nr.: 4/70. Ohne Datum. BArch DR 8/98. O. N., 1972: Vorschläge für die Verbesserung der Führungsinformation über die gegnerische Fernseh- und Rundfunkpropaganda. Ohne Datum. SAPMO-BArch DY 30/14358/1. O. N., 1973a: Der Stand der Fernseharbeit und einige herangereifte Probleme der Führungs- und Leitungstätigkeit. Vorlage Nr.: K 84-7323. 21.11.1973. BArch DR 8/133. O. N., 1973b: Konzeption der langfristigen Planung des Fernsehens der DDR und seiner materiell-technischen Basis. Vertrauliche Dienstsache XXIV/7/73. 26.03.1973. BArch DR 8/129. O. N., 1973c: Schlussfolgerungen aus dem VIII. Parteitag und den folgenden Tagungen des ZK der SED für das Programm des DDRFernsehens. Februar 1973. BArch DR 8/128. O. N., 1975: Die Ergebnisse der Arbeit des Fernsehens der DDR zwischen dem VIII. und IX. Parteitag. Vorlage 21-75-23. 22.09.1975. BArch DR 8/151. O. N., 1982a: Für die Beratung mit dem Staatlichen Komitee und dem Sekretariat der Zentralen Parteileitung des Fernsehens am 15. Oktober 1982, 9,00 [sic!] Uhr. SAPMO-BArch DY 30/VORL. SED 30114. O. N., 1982b: Planentwurf 1983, Komplexer Plan des Fernsehens. Teil I: Aufgaben des Verantwortungsbereichs des Staatl. Komitees für Fernsehen. 01.10.1982. BArch DR 8/184 (später geändert in 519). Parteiorganisation der SED, Fernsehen der DDR, Zentrale Parteileitung, 1982: Information für die Grund- und Abteilungsparteiorganisation über eine Beratung des Staatlichen Komitees für Fernsehen und des Sekretariats der Zentralen Parteileitung am 15.10.82. 22.10.1982. SAPMO-BArch DY 30/481. Paulsen, Gottfried, 1983: Änderung der Programmstruktur beim DDRFernsehen. Deutschlandfunk. 22.02.1983, 5.00 Uhr. Mitschrift des Staatlichen Komitees für Rundfunk, Redaktion Monitor. SAPMOBArch DY 30/VORL. SED 30114. Politbüro des Zentralkomitees der SED, 1960a: Protokoll Nr. 43/60 der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees am Dienstag, den 13.9.60 im Sitzungssaal des Politbüros (Reinschrift). SAPMOBArch DY 30/J IV 2/2/724. Politbüro des Zentralkomitees der SED, 1960b: Protokoll Nr. 46/60 der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees am Dienstag, den 27.9. 60 im Sitzungssaal des Politbüros (Reinschrift). SAPMO-BArch DY 30/J IV 2/2/727. Politbüro des Zentralkomitees der SED, 1966: Protokoll Nr. 24/66 der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees am 21. Juni 1966 (Reinschrift). SAPMO-BArch DY 30/J IV 2/2/1063. Pressestelle, 1957: Bericht über die Zuschauer-Aussprachen auf der Leipziger Herbst-Messe 1957. 16.09.1957. BArch DR 8/483. Programmdirektion, 1971: Probleme, Fakten und Argumente für die Durchführung der Zuschauerforen. 16.08.1971. BArch DR 8/113.

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Programmdirektion, 1972: Programmstruktur für das I. und II. Programm des Fernsehens der DDR 1973. Entwurf. Vorlage Nr.: 7872-3. Oktober 1972. BArch DR 8/124. Programmjahresplanung, 1973: Bemerkungen zum Entwurf der Programmstruktur. Vorlage Nr. 83-73. 09.11.1973. BArch DR 8/133. Programmleitung, 1964: Plan zur Vorbereitung und Durchführung des 15. Jahrestages der DDR. 12.06.1964. BArch DR 8/33. Programmleitung, 1966a: Systematische Erfassung der politischen Sendungen des Westfernsehens aus den Abhörprotokollen in einer Referatskartei. 10.06.1966. BArch DR 8/51. Programmleitung, 1966b: Zur Analyse über den Beschluß 43/66 über die Programmtätigkeit 2. Halbjahr 1966. 08.11.1966. BArch DR 8/ 498. Programmleitung, 1967: Monatsbericht Januar 1967. 20.02.1967. BArch DR 8/64. Programmplanung, 1987: Programmpolitische Zielstellungen 1988. 07. 07.1987. BArch DR 8/193. Programm- und Sendeleitung, 1965: Stand der Vorbereitung des Programms 1966 auf der Grundlage der Vorgabe der Intendanz. Ohne Datum. BArch DR 8/43. Programm- und Sendeleitung, Abteilung Programmdokumentation, 1965: Informationsmaterial über Sendungen des westdeutschen Fernsehens und Statistische Analyse für die Zeit vom 1.-21.2.1965. 05.03.1965. BArch DR 8/493. Prohl, Heinz (Programmdirektor), 1972: Gestaltung des Fernsehprogramms im Monat Dezember unter besonderer Berücksichtigung des 50. Jahrestages der Bildung der UdSSR und des Jahresendprogramms. Vorlage Nr.: 76-72-3 für die Stellvertreterberatung am 17. 10.1972. 13.10.1972. BArch DR 8/124. Raddatz, Klaus, 1986: Beitrag »Weitere Aufgaben für das Programm des Fernsehens der DDR in Vorbereitung des XI. Parteitages der SED«. Protokoll 2. Tagung der Kreisleitung Fernsehen. 28.02. 1986. SAPMO-BArch DY 30/500. Redaktion Landwirtschaft, 1961: Vorschläge der Redaktion Landwirtschaft als Ergänzung zum Herbst- und Winterprogramm. 05.09. 1961. BArch DR 8/22. Redaktion Zeitgeschehen, 1959: Vorschläge zum Plan für die aktuellpolitischen Sendungen des Deutschen Fernsehfunks 16.01.1959. BArch DR 8/14. Rehahn, Arne an Rudolf Singer, 1964. Brief und Anlage. 25.06.1964. SAPMO-BArch DY 30/IV A 2/9.02/22. Sauer, Horst, 1986: Ergebnisse der Programmarbeit im Zeitraum 06.01.-30.06.1986. 30.07.1986. Komiteevorlage Nr. 23/86. BArch DR 8/189. Schäfer, Johannes, 1985: Bericht des Sekretariats an die 7. Tagung der Kreisleitung. Protokoll 7. Tagung der Kreisleitungssitzung am 06. 12.1985. SAPMO-BArch DY 30/499. Schmotz, Dieter, Deutscher Fernsehfunk, 1961: Anweisung über die Regelung von Aufzeichnungen. 12.12.1961. BArch DR 8/23.

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Anhang

Schmotz, Dieter, 1966a: Diskussionsmaterial zur Beantwortung der Frage: Wie stellt sich der DFF 1967 auf das feindliche Programm ein? (Analyse der Programme). 05.12.1966. BArch DR 8/57. Schmotz, Dieter, 1966b: Zur Vorbereitung der Fünf-TageArbeitswoche. 07.03.1966. BArch DR 8/49. Schmotz, Dieter, 1967: Monatsbericht Oktober bis 7. November 67. November 1967. BArch DR 8/76. Schmotz, Dieter, 1969a: Einige Tendenzen der politisch-ideologischen Manipulierung im Westdeutschen Fernsehen. 17.04.1969. BArch DR 8/92. Schmotz, Dieter, 1969b: Jahresbericht 1968. Ohne Datum. BArch DR 8/91. Schmotz, Dieter, 1969c: Monatsbericht August 1969. Ohne Datum, September 1969. BArch DR 8/91. Schmotz, Dieter, 1969d: Monatsbericht September / Oktober 1969. Ohne Datum, November 1969. BArch DR 8/502. Schmotz, Dieter, 1969e: Monatsbericht November 1969. Ohne Datum, Dezember 1969. BArch DR 8/502. Schmotz, Dieter, 1976: Disposition für die Vorbereitung, die Durchführung und den Maßnahmeplan zur Intensivierungskonferenz im DDR-Fernsehen. Entwurf. Vorlage Nr. 16/76. 24.09.1976. BArch DR 8/157. Schmotz, Dieter/Dieter Glatzer, 1966: Die Vorbereitung des VII. Parteitages der SED (Teil des Planes 1967). 13.10.1966. BArch DR 8/ 55. Schmotz, Dieter/Arthur Nehmzow, Programm- und Sendeleitung, 1965: Bericht über die beabsichtigte Realisierung der Schwerpunkte aus der Vorgabe 1966 und dem Leitfaden. 08.11.1965. BArch DR 8/496. SED – APO Programm, 1960: Rechenschaftsbericht. 17.02.1960. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/902/87. SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk, 1959a: Auszug aus dem Protokoll der Leitungssitzung vom 19.1.59. 10.02.1959. BArch DR 8/14. SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk, 1959b: Umbildung der APO Programm. 08.12.1959. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/902/87. SED – BPO, Deutscher Fernsehfunk, APO Programm, 1959: Protokoll der Mitgliederversammlung vom 14.11.59 [sic! Gemeint ist der 14. 12.; C. D.]. 15.12.1959. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/902/87. SED, Leitung der Betriebsparteiorganisation Deutscher Fernsehfunk, 1959: Beschluss. Die nächsten Aufgaben in der politisch-ideologischen Arbeit der BPO. 23.11.1959. SAPMO-BArch DY 30/ IV 2/902/87. Sekretär des Komitees, 1981: Arbeitsplan des Staatlichen Komitees für Fernsehen 1982 zur Realisierung des Jahresplans des DDRFernsehens 1982 (in ausgewählten Positionen 1983 bis 1985). Vorlage Nr. 15/81. 18.12.1981. BArch DR 8/179. Sekretär des Komitees, 1984: Protokoll der Festlegungen der Komiteesitzung vom 18.09.1984. 20.09.1984. BArch DR 8/185.

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Sekretär des Komitees, 1986: Protokoll der Festlegungen des Vorsitzenden aus der Komiteesitzung vom 9. September 1986. 11.09. 1986. BArch DR 8/187. Sekretariat des Intendanten, 1958: Politischer Sendeplan bis zum V. Parteitag. 25.04.1958. BArch DR 8/484. Sekretariat des Kollegiums, 1957: Anlage 1 zum Protokoll Nr. 2/57 der Kollegiumssitzung am 16.1.57. Aussprache mit den aktivsten Mitarbeitern des DFF. 16.01.1957. BArch DR 8/6. Sekretariat des Kollegiums, 1958: Richtlinien für die Arbeit der Redaktionen des Staatlichen Rundfunkkomitees – Deutscher Fernsehfunk. 20.01.1958. BArch DR 8/9. Sekretariat des Komitees, 1974: Protokoll Nr. 12/74 über die Komiteesitzung am 26. März 1974 in Potsdam. 29.03.1974. BArch DR 8/ 135. Sekretariat des Komitees, 1976: Gedanken zur Fernseharbeit. Aus den Entwürfen des Programms und Statuts der SED sowie aus der Direktive. 03.02.1976. BArch DR 8/156. Sekretariat des Komitees, 1978: Protokoll Nr. 1/1978 über die Komiteesitzung vom 3. Januar 1978. 06.01.1978. BArch DR 8/163. Sektor Rundfunk/Fernsehen, 1965: Protokoll der Beratung mit Intendanz und ZPL des Deutschen Fernsehfunks beim Genossen Norden über die Aufgaben nach dem 11. Plenum am 22.12.1965. 27.12. 1965. SAPMO-BArch DY 30/IV A 2/2.028/60. Sindermann, Horst an Gerda Nielsen, 1958: Brief. 09.04.1958. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/9.02/7. Staatliche Plankommission, 1960: Realisierung des zweiten Fernsehprogramms. 26.09.1960. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/9.02/19. Staatliche Plankommission, Abteilung Transport und Nachrichtenwesen, 1959: Protokoll über die Besprechung betr. Einführung eines 2. Fernsehprogramms am 15.6.1959. 16.06.1959. BArch DR 6/655. Staatliches Komitee für Fernsehen 1969a: Die Programmtätigkeit des Deutschen Fernsehfunks 1970. Oktober 1969. BArch DR 8/95. Staatliches Komitee für Fernsehen 1969b: Vorgabe 1970. Entwurf. Juni 1969. BArch DR 8/92. Staatliches Komitee für Fernsehen, 1970a: Rolle, Stellung und Gestaltung des Systems der Fernsehpublizistik im Deutschen Fernsehfunk. Vorlage für die Agitationskommission beim ZK der SED. 27. 01.1970. BArch DR 8/98. Staatliches Komitee für Fernsehen, 1971a: Konzeption und Maßnahmen zur Verdichtung der Aktuellen Kamera auf eine tagesbezogene 20-Minuten-Informationssendung.13.12.1971. BArch DR 8/116. Staatliches Komitee für Fernsehen, 1971b: Die Programmtätigkeit des Deutschen Fernsehfunks 1971. Januar 1971. BArch DR 8/107. Staatliches Komitee für Fernsehen, 1976: Arbeitsprogramm des Staatlichen Komitees. Schlussfolgerungen aus der Betriebsdelegiertenkonferenz. 01.03.1976. BArch DR 8/156. Staatliches Komitee für Fernsehen, 1977: Maßnahmen zur besseren Profilierung des I. und II. Programms. 28.04.77. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.033/43.

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Anhang

Staatliches Komitee für Fernsehen, 1980: Information über wichtige Ergebnisse der Fernseharbeit im I. Quartal 1980. 06.05.1980. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.037/41. Staatliches Komitee für Fernsehen beim Ministerrat der DDR, 1989: Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees. Betreff: Einführung eines gestalteten Nachmittagsprogramms des Fernsehens der DDR für Kinder und Jugendliche (Beschluß des Politbüros vom 23. August 1988). Ohne Datum. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/2.037/43. Staatliches Komitee für Fernsehen, Wissenschaftliche Arbeitsgruppe, 1971: Ein Überblick über die Programmentwicklung und die Ausstattung mit Kräften und Mitteln des Fernsehens der BRD. Dezember 1971. BArch DR 8/116. Staatliches Komitee für Rundfunk, Hauptabteilung I, 1973: Bericht über Hauptrichtungen der ideologischen Diversion in den Programmen der Rundfunks und Fernsehens der BRD/WB gegen die Militärpolitik der SED 2. Halbjahr 1972. 10.01.1973. SAPMOBArch DY 30/14359/2. Staatliches Komitee für Rundfunk, Hauptabteilung I, 1975: Bericht über Hauptrichtungen der ideologischen Diversion in den Programmen des Rundfunks und Fernsehens der BRD/WB gegen die Militärpolitik der SED 1. Halbjahr 1975. 09.07.1975. SAPMOBArch DY 30/IV 2/2.033/109. Staatliches Komitee für Rundfunk, Hauptabteilung I, 1977: Bericht über Hauptrichtungen der ideologischen Diversion in den Programmen des Rundfunks und Fernsehens der BRD/WB gegen die Militärpolitik der SED – 2. Halbjahr 1976. 10.01.1977. SAPMOBArch DY 30/IV 2/2.033/109. Staatliches Rundfunkkomitee, 1959a: Perspektivplan bis 1965 (Siebenjahrplan). 27.06.1959. BArch DR 6/655. Staatliches Rundfunkkomitee, 1959b: Sitzung des Komitees am 21.4.59. Tagesordnung: Perspektivplanung unter Berücksichtigung einer künftigen Abgrenzung von Rundfunk und Fernsehen. Ohne Datum. BArch DR 6/655. Staatliches Rundfunkkomitee, Deutscher Fernsehfunk, 1958: Verallgemeinernde Zusammenfassung der von der Abteilung Wirkungsforschung festgestellten Wirkungen der Sendungen vom 3.11.5731.1.58. 24.02.1958. BArch DR 8/11. Telestudio West, 1958: Perspektivplan für die Zeit vom 1.4.58-31.12. 1958. Ohne Datum. SAPMO-BArch DY 30/IV 2/9.02/86. Trautzsch (Büro des Politbüros), 1971: Weitere Maßnahmen des Staatlichen Komitees für Fernsehen zur Verbesserung der Qualität und Massenwirksamkeit der Sendungen des Fernsehens der DDR. Information an das Politbüro. Beschluß des Sekretariats des ZK vom 01.12.1971. 10.12.1971. SAPMO-BArch DY 30/J IV 2/2J/3836. Westabteilung des Zentralkomitees, 1971: Hauptlinien und charakteristische Methode der gegenwärtigen Feindpropaganda gegen die DDR über Rundfunk und Fernsehen. 01.03.1971. SAPMO-BArch DY 30/IV A 2/10.02/157.

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Wissenschaftliche Arbeitsgruppe, 1969a: Vorgabe 1970. Zur Festlegung der Hauptvorhaben. April 1969. BArch DR 8/92. Wissenschaftliche Arbeitsgruppe, 1969b: Die gesellschaftlichen Forderungen an das Fernsehen und die ideologischen Leitlinien seiner Arbeit für den Perspektivplanzeitraum 1971/1975. Entwurf. Februar 1969. BArch DR 8/90. Wissenschaftliche Arbeitsgruppe, 1969c: Weltstandsvergleich nach ausgewählten Parametern auf dem Gebiet des Fernsehens. 07.07. 1969. BArch DR 8/93. Zapf, Ernst, Sekretär des Kollegiums, 1957: Protokoll Nr. 31/57 des Deutschen Fernsehfunks der Kollegiumssitzung am 18.9.57. 18.09. 1957. BArch DR 8/6. Zapf, Ernst, Sekretär des Kollegiums, 1959: Protokoll Nr. 4/59 der Kollegiumssitzung am 12.2.59 des Deutschen Fernsehfunks. 12.02. 1959. BArch DR 8/13. Zeichen- und Puppensatire, 1957: Sendungen der Redaktion Zeichenund Puppensatire zu den Bundestagswahlen. 29.07.1957. BArch DR 8/8. Zeitgeschehen, 1959: Vorschläge zum Plan für die aktuell-politischen Sendungen des Deutschen Fernsehfunks. 16.01.1959. BArch DR 8/ 14. Zeitgeschehen/Konterpropaganda, 1957: Planung der Sendungen zu den westdeutschen Wahlen. 30.07.1957. BArch DR 8/8. Zentrale Parteileitung/Staatliches Komitee für Fernsehen, 1971: Schlussfolgerungen für die Arbeit der Parteiorganisation im DFF aus den Forderungen des VIII. Parteitages der SED an das Fernsehprogramm. Referat Heinz Adameck zur Beratung des Parteiaktives der BPO des DFF am 09.07.1971. SAPMO-BArch DY 30/ 478. 2. Deutsches Rundfunkarchiv Potsdam-Babelsberg

Abteilung Agitation des Zentralkomitees, 1975: Thesen zur Funktion und zu den Aufgaben des Fernsehens der DDR in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. 22.07.1975. DRA Babelsberg, Schriftgut FS, Stellvertreter des Vorsitzenden (1973-1983). AG Fernsehwissenschaft. Sekretariat Glatzer. Ordner: Geschichte des Fernsehens, Sammlung von Dokumenten nach neuer Vorlesungssystematik 1971-1976, 331. Forschungsgruppe Planung der Sektion Journalistik der Karl-MarxUniversität, 1970: Ideologische Leitlinie im sozialistischen Journalismus zur Entwicklung des Staatsbewusstseins der Bürger der DDR. 15.11.1970. DRA Babelsberg, Schriftgut FS, Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Fernsehen (1969-1972). Stellvertreter des Vorsitzenden. Sekretariat Glatzer. Ordner: 291, 14 B 2, Programmplanung. Glatzer, Dieter, 1969: Erfahrungen der Jahresplanung im Deutschen Fernsehfunk. Ein Beitrag zur Theorie und Praxis der längerfristigen Planung der sozialistischen Massenmedien in der DDR. Habilitationsschrift zur Erlangung des Grades eines Dr. phil. habil. an der 462

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Parteihochschule »Karl Marx« beim ZK der SED. Berlin, Dezember 1969. DRA Babelsberg, Schriftgut FS, Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Fernsehen (1969-1972). Stellvertreter des Vorsitzenden. Sekretariat Glatzer. Ordner: 290, 14 B 1. O. N., 1971: Entwurf. Handschriftlich datiert auf Juni 1971. DRA Babelsberg, Schriftgut FS, Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Fernsehen (1969-1972). Stellvertreter des Vorsitzenden. Sekretariat Glatzer. Ordner: Ausarbeitungen. XV 83/15. Programmdirektion, 1977: Zu Erfahrungen in der Programmarbeit zum Jahresende. 06.01.1977. DRA Babelsberg, Schriftgut FS, Vorbereitende Planungsunterlagen, 270/2. Programmdirektion, Programmplanung, 1970: Varianten für den Einsatz publizistischer Spitzenbeiträge im Jahresprogramm 1971. 20.10.1970. DRA Babelsberg, Schriftgut FS, Vorbereitende Planungsmaterialien, 269/1. Schmotz, Dieter, 1968: Die Problematik der Programmgestaltung im Fernsehen der DDR und der Klassenkampf im Äther. Ohne Datum. DRA Babelsberg, Schriftgut FS, Verschiedenes zur Prognose, 60er und 70er Jahre. Staatliches Komitee für Fernsehen, 1970b: Probleme der Wirkungspolitik. Zur Vorbereitung der Vorgabe 1971. Juni 1970. DRA Babelsberg, Schriftgut FS, Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Fernsehen (1969-1972). Stellvertreter des Vorsitzenden. Sekretariat Glatzer. Ordner: Prof. Dr. Glatzer, Programmpolitik, Sammlung von Dokumenten nach neuer Vorlesungssystematik, 14/289. 3. Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik

Deutsches Institut für Zeitgeschichte Berlin, 1969: Gutachten über die Rolle des »Zweiten Deutschen Fernsehens« im System der politisch-ideologischen Diversion gegen die Deutsche Demokratische Republik. 25.03.1969. BStU MfS HA IX 984. Institut für Internationale Politik und Wirtschaft, 1975: Interne Information. Das 2. BRD-Fernsehen (ZDF). Februar 1975. BStU MfSZAIG 25852. Institut für Internationale Politik und Wirtschaft, 1981: Internes Arbeitsmaterial. Information zu Hauptlinien und Zielsetzungen der gegen die DDR gerichteten antisozialistischen Propaganda (Jahresanalyse). Berichtzeitraum Mai 1980 – März 1981. April 1981. BStU MfS-HA IX 14078. Institut für Internationale Politik und Wirtschaft, 1983: Interne Information. Personelle und institutionelle Veränderungen in den Führungsgremien der elektronischen Massenmedien in der BRD und Westberlin nach dem Bonner Regierungswechsel. Dezember 1983. BStU MfS-HA IX 14078. Institut für Internationale Politik und Wirtschaft, 1984: Propaganda feindlicher Funk- und Fernsehsender (Tendenzen und Argumente).

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Beobachtungszeitraum: IV. Quartal 1984. BStU MfS-HA IX 16904 und in MfS SED-KL 1370. Institut für Internationale Politik und Wirtschaft, 1988: Aktuelle Entwicklungstendenzen im Hörfunk- und Fernsehbereich von Westberlin und in der BRD. September 1988. BStU MfS SED-KL 1370. Ministerium für Staatssicherheit, 1980: Information über den Haushaltsplan des ZDF 1980. 27.03.1980. BStU MfS 5700 c. Ministerium für Staatssicherheit, Abteilung Agitation, 1981: Informationsmaterial für die Öffentlichkeitsarbeit 4/1981. MfS SED-KL 3495. Ministerium für Staatssicherheit, Hauptabteilung I, 1987: Zu Aktivitäten des privaten Rundfunks und Fernsehens in Westberlin und der BRD. Ohne Datum. BStU MfS HA I 13510. Ministerium für Staatssicherheit, Hauptabteilung XX, 1978: Geplante Veränderungen in der Programmpolitik und -struktur der BRDFernsehanstalten ab 1979/1980. Information 745/78. 09.08.1978. BStU MfS 5632 b. Ministerium für Staatssicherheit, Hauptabteilung XX, 1982a: Information über die finanzpolitische Situation und geplante Programmveränderungen des »Zweiten Deutschen Fernsehens« (ZDF) in der BRD. 17.02.1982. BStU MfS HA XX/AKG 202. Ministerium für Staatssicherheit, Hauptabteilung XX, 1982b: Zur Situation und Planung der westdeutschen Fernsehanstalten. Information 688/82. 04.08.1982. BStU MfS 5632 b. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1969: Stellung und Rolle der westdeutschen und Westberliner Rundfunk- und Fernsehanstalten im System der politisch-ideologischen Diversion gegen die DDR. BStU MfS-ZAIG 22580. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1974a: Hinweise auf Aktivitäten der Massenmedien der BRD (Fernsehen, Rundfunk, Presse), Bürger der DDR aufzufordern, die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR und die Ausreise in die BRD zu beantragen. 17.02.1975. BStU MfS-ZAIG 5340. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1974b: Hinweise auf die politisch-ideologische Diversionstätigkeit des Gegners gegen den 25. Jahrestag der DDR. 25. 09.1974. BStU MfS-ZAIG 5340. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1975a: Hinweise auf das Vorgehen der gegnerischen Massenmedien, durch organisatorische, technische, personelle u. a. Maßnahmen sich den veränderten Lagebedingungen anzupassen und die politisch-ideologische Diversionstätigkeit gegen die DDR zu verstärken und ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Oktober 1975. BStU MfS-ZAIG 5340. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1975b: Hinweise auf weitere Reaktionen westlicher Massenmedien zu den Ergebnissen der Konferenz über Sicherheit

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und Zusammenarbeit in Europa (Ergänzung der Hinweise vom August 1975). Oktober 1975. BStU MfS-ZAIG 5340. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1976: Hinweise auf die politisch-ideologische Diversionstätigkeit des Gegners unter Ausnutzung der Maßnahmen der DDR gegen Biermann. 20.12.1976. BStU MfS-ZAIG 5340. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1978: Hinweise auf Vorstellungen und Orientierungen führender Vertreter der Feindsender, die Gestaltung ihrer Programme stärker auf spezifische Zielgruppen auszurichten. September 1978. BStU MfS-ZAIG 22590. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1980a: Auskunftsbericht über die Fernsehsendung »Die aktuelle Schaubude«. Beobachtungszeitraum Februar bis Juni 1980. BStU MfS-ZAIG 23260, Bd. 1. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1980b: Information über Programmvorhaben der »Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands« (ARD) des »Zweiten Deutschen Fernsehens« (ZDF) 1980-1981 und zu anderen medienpolitischen Entscheidungen. 12.08.1980. BStU MfSZAIG 3085. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1981a: Hinweise auf in Vorbereitung des X. Parteitages der SED beachtenswerte aktuelle feindliche »Argumentations«Richtungen insbesondere gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Partei. 06.02.1981. BStU MfS-ZAIG 17386. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1981b: Hinweise auf weitere, in Vorbereitung des X. Parteitages der SED beachtenswerte feindliche »Argumentations«Richtungen und Zielstellungen. 08.04.1981. BStU MfS-ZAIG 17386. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1981c: Monatsübersicht über Schwerpunkte der politisch-ideologischen Diversionstätigkeit gegnerischer Funkmedien gegen die DDR. Berichtzeitraum: April 1981. 15.05.1981. BStU MfS-ZAIG 17386. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1983: Monatsübersicht über Schwerpunkte der politisch-ideologischen Diversionstätigkeit gegnerischer Funkmedien gegen die DDR. Berichtzeitraum: September 1983. 18.10.1983. BStU MfS-ZAIG 17387. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1985a: Monatsübersicht über Schwerpunkte der politisch-ideologischen Diversionstätigkeit gegnerischer Funkmedien gegen die DDR. Berichtzeitraum: September 1985. 15.10.1985. BStU MfS-ZAIG 17388. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1985b: Zusammenfassung von Erkenntnissen über den

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Hessischen Rundfunk (HR). April 1985. BStU MfS-ZAIG 23260, Bd. 1. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1986a: Einschätzung der Fernsehnachrichtensendung »Heute« und »Heute-Journal« und der Redaktion »ZDF-Aktuell«. 23.06.1986. BStU MfS-ZAIG 23248. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1986b: Hinweise auf erste beachtenswerte feindliche »Argumentations«-Richtungen zur bevorstehenden 750-Jahrfeier Berlins. 25.11.1986. BStU MfS-ZAIG 17388. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1986c: Information über aktuelle Entwicklungstendenzen zu der vom Gegner geplanten und teilweise schon realisierten Erweiterung bestehender und Inbetriebnahme neuer Formen der elektronischen Medien – insbesondere der Satellitentechnik – in der BRD und in Westberlin und zu ihrer Nutzung für die politischideologische Diversion gegen die DDR und die sozialistischen Staaten. Juni 1986. BStU MfS-ZAIG 17388. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1987: Information über Sendevorhaben der »Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten in Deutschland« (ARD), des »Zweiten Deutschen Fernsehens« (ZDF) sowie weitere medienpolitische Aktivitäten gegnerischer Funkmedien. Information 559/86. 05.01.1987. BStU MfS-ZAIG 5631. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1988a: Information über Aufgabenstellungen für die Arbeit des »Zweiten Deutschen Fernsehens« (ZDF) in Jahren 19881992 sowie weitere medienpolitische Vorhaben elektronischer Medien der BRD und Westberlins. 04.01.1988. BStU MfS-ZAIG 5631. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1988b: Vorhaben des »Zweiten Deutschen Fernsehens« (ZDF) im Rahmen seiner Haushaltsplanung 1988 und medienpolitische Vorhaben anderer Sendeanstalten der BRD. 28.01. 1988. BStU MfS-ZAIG 5631. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1988c: Zusammenfassung von Erkenntnissen über das »Erste Deutsche Fernsehen« der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD). Januar 1988. BStU MfS-ZAIG 20986. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1988d: Zusammenfassung von Erkenntnissen über das »Zweite Deutsche Fernsehen« (ZDF) der BRD. November 1988. BStU MfS-ZAIG 23248. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1989a: Hinweise auf wesentliche »Argumentations«Richtungen gegnerischer Funkmedien zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR. 27.09.1989. BStU MfS-ZAIG 17388.

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Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1989b: Hinweise auf wesentliche »Argumentations«Richtungen gegnerischer Funkmedien zur 9. Tagung des ZK der SED. 31.10.1989. BStU MfS-ZAIG 17388. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1989c: Information über Vorhaben des Deutschlandfunk (DLF) zur Veränderung der Programmstruktur und andere medienpolitische Vorhaben in der BRD. 24.04.1989. BStU MfSZAIG 5631. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1989d: Monatsübersicht über die politisch-ideologische Diversionstätigkeit gegnerischer Funkmedien gegen die DDR. Berichtszeitraum: August 1989. 16.09.1989. BStU MfS SED-KL 5009. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1989e: SAT 1 (Ersteinschätzung). November 1989. BStU MfS-ZAIG 23249. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1989f: Zusammenfassung von Erkenntnissen über den »Norddeutschen Rundfunk« (NDR). Juli 1989. BStU MfS-ZAIG 23249. Ministerium für Staatssicherheit, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, 1989g: Zusammenfassung von Erkenntnissen über den »Sender Freies Berlin« (SFB). Mai 1989. BStU MfS-ZAIG 23251. L ITERATUR Acksteiner, Friedhelm, 1982: Die Entwicklung des Fernsehens der BRD und Westberlins als ein ideologisches Machtinstrument der Monopolbourgeoisie. Ein Beitrag zur vertiefenden Erkenntnis der Funktion kapitalistischer Massenmedien in der Gegenwart. Diskussionsmaterial Theorie und Praxis. Berlin: Fernsehen der DDR. Acksteiner, Sylvia, 1981: Untersuchungen zur Rolle der »Tagesschau« des BRD-Fernsehens (ARD) als Mittel imperialistischer Meinungsmanipulation und ideologischer Diversion. Dissertation zur Promotion A. Sektion Journalistik. Karl-Marx-Universität Leipzig. Leipzig. Adameck, Heinz, 1956: Ab 3. Januar 1956 »Deutscher Fernsehfunk«. In: Unser Rundfunk. Jg. 11 (1956). H. 1. S. 12-13. Adameck, Heinz, 1957: Die Pläne des Fernsehfunks. In: Berliner Zeitung. 22.12.1957. Adameck, Heinz, 1960: Der Deutsche Fernsehfunk. In: Verband der Deutschen Journalisten 1960. S. 118-126. Adameck, Heinz, 1962: Die Rolle des Fernsehens bei der Bewußtseinsbildung seiner Zuschauer. In: Einheit. Zeitschrift für Theorie und Praxis des Wissenschaftlichen Sozialismus. Jg. 17 (1962). H. 11. S. 75-85. Adameck, Heinz, 1982: Zuschauerwünsche werden erfüllt. In: FF dabei. Jg. 37 (1982). H. 51. S. 3. 467

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Achim Saupe Der Historiker als Detektiv – der Detektiv als Historiker Historik, Kriminalistik und der Nationalsozialismus als Kriminalroman 2009, 542 Seiten, kart., 44,80 €, ISBN 978-3-8376-1108-3

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Histoire Anna Ananieva Russisch Grün Eine Kulturpoetik des Gartens im Russland des langen 18. Jahrhunderts Juli 2010, 442 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 46,80 €, ISBN 978-3-8376-1479-4

Nicole Colin, Beatrice de Graaf, Jacco Pekelder, Joachim Umlauf (Hg.) Der »Deutsche Herbst« und die RAF in Politik, Medien und Kunst Nationale und internationale Perspektiven 2008, 232 Seiten, kart., 22,80 €, ISBN 978-3-89942-963-3

Thomas Etzemüller (Hg.) Die Ordnung der Moderne Social Engineering im 20. Jahrhundert 2009, 366 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1153-3

Petra Hoffmann Weibliche Arbeitswelten in der Wissenschaft Frauen an der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1890-1945 November 2010, ca. 442 Seiten, kart., ca. 39,80 €, ISBN 978-3-8376-1306-3

Alexandra Klei, Katrin Stoll, Annika Wienert (Hg.) Die Transformation der Lager Annäherungen an die Orte nationalsozialistischer Verbrechen Dezember 2010, ca. 250 Seiten, kart., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1179-3

David Kuchenbuch Geordnete Gemeinschaft Architekten als Sozialingenieure – Deutschland und Schweden im 20. Jahrhundert August 2010, 410 Seiten, kart., 37,80 €, ISBN 978-3-8376-1426-8

Timo Luks Der Betrieb als Ort der Moderne Zur Geschichte von Industriearbeit, Ordnungsdenken und Social Engineering im 20. Jahrhundert November 2010, ca. 334 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1428-2

Alexander Meschnig Der Wille zur Bewegung Militärischer Traum und totalitäres Programm. Eine Mentalitätsgeschichte vom Ersten Weltkrieg zum Nationalsozialismus 2008, 352 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-955-8

Stefanie Michels Schwarze deutsche Kolonialsoldaten Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika 2009, 266 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1054-3

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