Farbe räumlich denken: Positionen, Projekte, Potenziale 9783035618426, 9783035615951

On color and its spatial effect The interaction between color and architecture determines our perception of space, and

233 97 23MB

German Pages 368 Year 2018

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Farbe räumlich denken: Positionen, Projekte, Potenziale
 9783035618426, 9783035615951

Table of contents :
Inhalt
Teil 1
Tizian hob die Farbe als die eigentliche Substanz der Malerei hervor und machte sie zum wesentlichen Gestaltungselement
Positionen zur Farbe in der Architektur
Farbe sehen und ordnen
Teil 2
Farbe als Flächen-, Struktur und Raumelement
Farbe im architektonischen Kontext
Teil 3
Anhang

Citation preview

Farbe räumlich denken

Kerstin Schultz Hedwig Wiedemann-Tokarz Eva Maria Herrmann

Farbe räumlich denken Positionen Projekte Potenziale

Birkhäuser Basel

Autoren Kerstin Schultz (*1967) Prof. Dipl.-Ing. Architektin Hochschule Darmstadt Architekturstudium an der TU Darmstadt, seit 1997 gemeinsames Büro mit Werner Schulz in Reichelsheim, seit 2008 Professorin am Fachbereich Architektur und Innenarchitektur an der Hochschule Darmstadt Hedwig Wiedemann-Tokarz (*1975) Dipl.-Ing. Architektin Hochschule Darmstadt Architekturstudium an der Mackintosh School of Architecture, Glasgow und Universität Stuttgart, seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Architektur und Innenarchitektur an der Hochschule Darmstadt Eva Maria Herrmann (*1975) Dipl.-Ing. Architektin Architekturstudium an der Hochschule Darmstadt, 2007-2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Stiftungslehrstuhl für Wohnungsbau und Wohnungswirtschaft, TU München, seit 2005 eigenes Büro in München

Das Buch wurde erarbeitet am Fachbereich Architektur und Innenarchitektur der Hochschule Darmstadt www.fba.h-da.de Stiftungsprofessur Caparol Farben Lacke Bautenschutz GmbH und Knauf Gips KG

Inhalt

Teil 1 7 37 77

Farbe zwischen Autonomie und Disposition Positionen zur Farbe in der Architektur Farbe sehen und ordnen Teil 2

96

Farbe als Flächen-, Struktur- und Raumelement

98 102 107 111 126

Farbeinheiten und Flächeneinheiten Dynamische Flächenkompositionen Räumliche Flächenkompositionen Farbe als Strukturelement Farbe als Raumelement

131

Farbe im architektonischen Kontext

132 174 220 274 314

Farbflächen und Raumflächen Autonome Farbstrategien Diffusität, Farbreflexion und Farblicht Lesbarkeit und Orientierung Eigenfarbe und Materialfarbe Teil 3

347

Anhang

348 351 354 357 367

Glossar Personenverzeichnis Stichwortverzeichnis Literaturverzeichnis Bildnachweis

Teil 1

Farbe zwischen Autonomie und Disposition Ellsworth Kelly, Spectrum Colors Arranged by Chance I, 1951, Collage auf Papier, 49,5 × 99,1 cm

Tizian hob die Farbe als die eigentliche Substanz der Malerei hervor und machte sie zum wesentlichen Gestaltungselement.

Tizian, Raub der Europa, 1559/1562, Öl auf Leinwand, 185 × 205 cm 8

Farbe als eigentliche Substanz der Malerei Über Jahrhunderte hinweg beschäftigten sich Künstler und Architekten mit dem faszinierenden Potenzial der Sprachfähigkeit, der Raumbildung und den Wirkungsmechanismen von Farbe. In der Kunst- und Architekturgeschichte wird diese Auseinandersetzung kontrovers geführt, da Farbe tendenziell gefühlsbezogen und subjektiv wahrgenommen wird. Selbst für Immanuel Kant stand die Farbe noch zweifelsfrei im Schatten der Zeichnung, welche als objektivierbares und damit bevorzugtes Medium galt.1 Bereits in der Antike zeigte sich das ambivalente Verhältnis zur Farbe – stand sie doch einerseits für das Illusorische und Nebensächliche, andererseits aber auch für das Leben und die Wahrhaftigkeit.2 Trotz eines teilweise überschwänglichen Umgangs mit Farbe basierte die Auseinandersetzung damit mehr auf Vermutungen als auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, und die exakte Bestimmung von Farbtönen war nicht relevant. Aristoteles mit seinen umfassenden Farbtheorien zählte zu den Pionieren in dem Bemühen, grundsätzliche Erkenntnisse über Farbe zu erforschen, und er war vermutlich der Erste, der sich mit dem Thema der Farbmischungen experimentell und wissenschaftlich befasste (siehe S. 77–95). Er kritisierte den Einsatz von Farbe zu reinen Dekorationszwecken stark und betrachtete die Farbgebung als nachrangig gegenüber der Zeichnung. Die Diskussion, ob der Konturzeichnung eine wesentlich höhere Bedeutung als der Farbe selbst einzuräumen sei, wurde in der italienischen Renaissance erneut aufgegriffen. Die Vertreter der beiden italienischen Kunstzentren Venedig und Rom stritten um den Vorrang der Linie, disegno, oder der Farbe, colore. Die Zeichnung, die einer reflektierten, rationalen und analytischen Bildauffassung zugeordnet wurde, wurde von Rom und Florenz favorisiert, während in Venedig leidenschaftlich und ausdrucksstark mit Farbe gearbeitet wurde. Das Zeichnen stellte aber hierbei nicht nur das rein handwerkliche Beherrschen der Konturzeichnung dar, sondern galt zugleich als intellektuelle Leistung.3 Die verwendete Farbskala war zu dieser Zeit noch recht begrenzt, da die Auswahl der Farben stark von deren Verfügbarkeit abhing. In Venedig gab es jedoch aufgrund seiner strategischen Lage einen belebten Fernhandel, wodurch den Künstlern auch die selteneren Farbstoffe zur Verfügung standen. Einer der führenden Repräsentanten der venezianischen Malerei des 16. Jahrhunderts, Tizian, mit eigentlichem Namen Tiziano Vecellio (1488–1576), ließ die Farbe in einer nie dagewesenen Vielfältigkeit und Wandelbarkeit erscheinen.

1 Kant 1970 nach Weischedel 1996, S. 141 f. 2 Gage 2013, S. 15. 3 Brunner 2003, S. 17–35. 4 Aristoteles „Poetik“ nach Gage 2013, S. 15.

„Wenn jemand mit den schönsten Farben, aber sinnlos etwas anstreicht, kann er nie die schöne Wirkung erzielen wie eine Zeichnung mit weißem Stift.“4 (Aristoteles) Fast abstrakt bestimmte er die Bildaussage allein durch die mit dem Pinsel aufgetragenen Farbflächen. Diese stellen auch den Bildzusammenhang her. Die Farbenpalette ist kontrastreich und vielschichtig nuanciert. Durch

FARBE ALS EIGENTLICHE SUBSTANZ DER MALEREI

9

die detailreichen Farbkompositionen wird eine eigene, leuchtende Bildfarbigkeit im Sinne einer „Farbhandschrift“ erzeugt. Tizians Werk erscheint gerade in Anbetracht der damaligen eingeschränkten Möglichkeiten und im Vergleich zu seinem brauntonigen Spätwerk besonders faszinierend, auch in Bezug auf die spätere Entwicklung moderner Malerei. Der Weg zur neuen Bildsprache – Farbe und Licht als wesentliche Ausdrucksträger Seit Ende des 18. Jahrhunderts arbeiteten Künstler zunehmend unabhängiger von Auftraggebern und wendeten sich neuen künstlerischen Themen und Inhalten zu. Das christliche Weltbild veränderte sich und durch das Bestreben, sich von tradierten Vorstellungen zu befreien, wurden die Weichen für die „moderne Welt“ gestellt. Die Gesellschaft strebte nach mehr Autonomie und Selbstbestimmtheit. Strukturen, die seit dem Mittelalter bestanden, wurden aufgebrochen, und unterschiedliche ideelle Haltungen entstanden in der Kunst ebenso wie in den Bereichen Architektur, Musik, Literatur oder Philosophie. Die zunehmende Unabhängigkeit von alten Denkmustern und Traditionen ging auch mit dem Bruch mit traditionellen Mal- und Farbtechniken einher, was sich besonders in dem Werk von Eugène Delacroix (1798–1863) ausdrückt. Licht, Farben und Kontraste werden bei ihm miteinander in Schwingungen versetzt, und die Zeichnung wird zugunsten einer kraftvollen und ausdrucksstarken Pinselführung vollständig aufgelöst. Delacroix ging es dabei nicht um das Perfektionieren rein handwerklicher Maltechniken, sondern darum, Leuchtkraft, Glanz und Licht in die Malerei zu bringen. Die in Frankreich Mitte des 19. Jahrhunderts vorherrschende Kunstauffassung war stark durch die Kunstschule École des Beaux-Arts („der Salon“) in Paris geprägt, welcher der klassizistische Maler Dominique Ingres (1780–1867) vorstand. Eng angelehnt an die Auffassungen der Antike und der italienischen Renaissance, arbeitete dieser an kühlen, klaren Kompositionen mit wenig Schattierungen und reduziertem Hintergrund. Ingres und seine Anhänger galten als Protagonisten der klassischen Schule und kritisierten die in ihren Augen chaotischen Bildaufbauten, die leuchtend-lebendige Farbgestaltung, die überschwängliche Leidenschaft und die unbeschwerte Zeichentechnik der französischen Romantiker. Zwischen Ingres, Delacroix und ihren Anhängern entwickelte sich ein kunsttheoretischer Streit, der die Diskussion der Renaissance um die Bedeutung von Linie und Farbe in der Malerei wieder entfachte und fast ein halbes Jahrhundert lang die französische Kunstszene beherrschte. Währenddessen entwickelte Delacroix seine Bildsprache mit den Elementen Farbe und Licht als wesentlichen Ausdrucksträgern weiter. Er war ein hervorragender Zeichner, aber erst aufgrund seiner exakten Kenntnisse des optischen Verhaltens von Farben konnte er eine beabsichtigte bildnerische Wirkung, wie beispielsweise in dem Werk „Die Frauen von Algier“ von 1834, erreichen. Die Farbe wurde zum Ausdruck der subjektiven Empfindung des Künstlers, übersteigerte die korrekte Darstellung der 10

5 6 7 8

Signac 1908, S. 37–40. Signac 1908, S. 40. Bocola 2013, S. 128. Bocola 2013, S. 128.

FARBE UND LICHT ALS WESENTLICHE AUSDRUCKSTRÄGER

Realität und erhielt eine bis dahin nie erreichte Autonomie. Delacroix hatte sich intensiv mit den Farbtheorien Michel Eugène Chevreuls (1786–1889, siehe S. 77–95) auseinandergesetzt. Gezielt und fast mathematisch verwendete er den Einsatz komplementärer Farben und Farbkontraste in Form definierter Farbenzusammenstellungen.5 Die Bildkomposition wurde durch die angeordnete Verteilung von Linien und Farben bestimmt. Durch das Nebeneinanderlegen verwandter Farbtöne anhand kleiner Pinselstriche und Schraffuren verbinden sich für den Betrachter in typischer Weise die Farben zu nuancierten, vielfältigen Mischtönen, woraus teilweise eine höhere Leuchtkraft entsteht. (siehe Abb. S. 13) „Er weiß, dass die Wirkung der Komplementärfarben erhöht wird, wenn man sie nebeneinandersetzt, dass sie vernichtet wird, wenn man sie auf der Palette mischt […]“6 (Paul Signac über Delacroix.) Das Phänomen, dass Farben ausschließlich über die Wahrnehmung des Betrachters existieren können und als wandelbar, subjektiv und interaktiv erlebt werden, beschäftigte die nachfolgenden Künstlergenerationen. Sie griffen die Prinzipien des Komplementärkontrastes und der Zerlegung der Bildoberfläche in eine Vielzahl aufeinander abgestimmter, farbenreiner Pigmente auf und entwickelten sie weiter. Jahrzehnte später dankte der Maler Paul Signac in seinem pointillistischen Manifest D’Eugène Delacroix au néo-impressionnisme dem Künstler dafür, Farbe und Maltechniken „von aller Tradition befreit zu haben“. Signac war begeistert von der Art, wie Delacroix die Farbe einsetzte. Aber auch Vertreter des Impressionismus, des Expressionismus, des Fauvismus oder abstrakte Künstler um die Mitte des 20. Jahrhunderts bezogen ihre Inspirationen aus dem Werk Delacroix’. Zudem wurden die gestalterischen Mittel drastisch reduziert. Der scheinbare Widerspruch zwischen künstlerischer Intention und Darstellungsmitteln schien aufgehoben zu sein und führte zu einer völlig neuen künstlerischen Auffassung, in welcher der malerische Vorgang selbst vorrangig wurde.7 Der Bruch mit der Vergangenheit – Farbe als Mittel der Abstraktion Besonders mit den Impressionisten wurden die Farben nun miteinander zum Klingen gebracht und ergaben ein pulsierendes und vibrierendes Miteinander von Licht, Farbe und Atmosphäre. Das Aufbringen der konturlosen Farbflecken löste die Farbe von der Bindung an Gegenstände und ließ sie frei schwingen. Aus der Entfernung wirken diese Farben unbestimmt, aus der Nähe betrachtet bestehen sie aus unzähligen ähnlich großen Elementen aus reiner Farbe. Erst in der Distanz entsteht der Farbdialog und erschließt sich das Bild. Die Wechselwirkung zwischen den unzähligen Farbmolekülen erzeugt beim Betrachter die Bildimpression, welche dem Licht der Natur am gerechtesten erscheint – basierend auf der Lehre des Komplementärkontrastes von Delacroix.8

FARBE ALS MITTEL DER ABSTRAKTION

11

Die Künstler des 19. Jahrhunderts vollzogen einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit. Mit dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt verbreitete sich eine rationalere Denkweise auf Basis erfassbarer Erkenntnisse, die emotionalen, teilweise irrationalen Anschauungen gegenüberstand. Zudem löste man sich von den strengen Regeln der Akademien. Traditionelle, sakrale oder mythologische Bildmotive wurden aufgegeben und die Vergegenwärtigung der Natur sowie deren Verhältnis zur Menschheit wurden zum bestimmenden Motiv der impressionistischen Maler. Einhergehend mit der Vorstellung der Impressionisten, dass die Dinge der menschlichen Wahrnehmung nur in Gestalt ihrer wechselhaften Erscheinungen zugänglich seien, wurde Farbe als determinierte Lokalfarbe, wie sie seit der italienischen Renaissance gelehrt wurde, abgelehnt. In Abhängigkeit von Licht-, Luft- und Zeitverhältnissen wurden Form und Farbe als persönliche Sinneseindrücke erfahren, entsprechend der Wandelbarkeit der Welt und ihres Erlebens in einem bestimmten Moment. Somit wurde der subjektive Wahrnehmungsprozess wesentlich für die Bilderfahrung. Die Differenzierung von Farbe, Form und Inhalt bereitete den Weg in die Abstraktion vor. Das Motiv und die Zeichnung wurden immer uninteressanter. Das Sehen selbst war das Thema des Werkes, nicht das Motiv; der Moment und das Prozesshafte waren ausschlaggebend, nicht das Beständige, Dauerhafte.

Das Motiv ist für mich ohne Bedeutung. Was ich wiedergeben möchte, ist das, was sich zwischen dem Motiv und mir abspielt.9 Claude Monet Gleichzeitig änderte sich die perspektivische Darstellung, die bis dahin in Form eines klassischen Vorder- und Hintergrunddenkens gelehrt worden war und als wesentliches Strukturprinzip gegolten hatte. An die Stelle der Luftperspektive, welche die dunklen und satten Farbtöne der Nähe den hellen und unscharfen Farben des Hintergrunds gegenüberstellt, oder aber der Farbperspektive, welche die warmen Farben in den Vordergrund stellt und die Kühlen in den Hintergrund, tritt die situative, farbenreiche Erscheinung. Helle und dunkle Farbpunkte in gleicher Schärfe werden sowohl im Vorder- als auch im Hintergrund eingesetzt. Schatten erscheinen in den Farben, wie sie gesehen werden. Die Auseinandersetzung mit den miteinander klingenden, leuchtenden, reinen Farben verhalf der malerischen Sprache zu neuem Ausdruck und übte großen Einfluss auf die zukünftigen Malergenerationen aus. Farbe erhielt von nun an eine 12

9

Monet 1880 nach Hofmann 1998, S. 192.

Eugène Delacroix, Landschaft bei Champrosay, um 1849, Öl auf Papier auf Hartfaserplatte, 38,3 × 46,2 cm

Claude Monet, Westfassade der Kathedrale von Rouen, Öl auf Leinwand, 106 × 73 cm

FARBE ALS MITTEL DER ABSTRAKTION

In den Jahren 1892–1893 malte Monet 28 Bilder der Westfassade der Kathedrale von Rouen und leitete damit das Konzept der Serie im Bereich der bildenden Kunst ein. In zahlreichen Bildfolgen hielt Monet die Alltäglichkeit und Sinnlichkeit der Lichterscheinung fest. Diese subjektive Wahrnehmungserfahrung in einem bestimmten Augenblick verlangte die skizzenhaft rasche, kleinteilige Pinselführung.

Paul Cézanne, Montagne Sainte-Victoire, um 1904/06, Öl auf Leinwand, 63,5 × 83 cm

Cézanne entwickelt das Grundmotiv des Bildes gleich einem Farbgewebe aus breiten, flachen Farbflecken heraus und verknüpft die abstrakten Einzelelemente zu einem sinnstiftenden Ganzen.

Manets Malerei mit ihrer starken Beziehung zur Fläche ist in dem Werk „Olympia“ in der Gestaltung bereits so abstrahiert, dass Gustave Courbet es wegen seiner Flächigkeit mit einer Spielkarte verglich.

Edouard Manet, Olympia, 1863, Öl auf Leinwand, 130,5 × 190 cm

autonome und ästhetische Qualität und wurde zum zentralen Gestaltungsmittel. Der den „Stimmungsbildern“ der Impressionisten zugrunde gelegte wissenschaftliche Ansatz wurde von den Pointillisten wie Georges Seurat (1859–1891) systematisch und farbtheoretisch ausgebaut. Physikalische Prozesse der Wahrnehmung wurden nüchtern und konsequent analysiert; vor allem die rationale, klare, technische Komposition wurde bildbestimmend. Georges Seurat ging es um die Art der Malerei selbst, die einem formalen Bildaufbau nach klar definierten Regeln folgte und alle Spontaneität ausschloss. Punktraster und Rauten wurden methodisch exakt in den Primärfarben angelegt; die Bildschrift war mechanisch und unpersönlich. Die Suche nach dem autonomen Bild und dessen Eigengesetzlichkeit bestimmte alles. Wenn auch die Malweise der Pointillisten vielen Künstlern als experimentelle Vorlage diente und besonders die Methode der Farbenzerlegung viele wichtige Impulse lieferte, so wurde doch vor allem kritisiert, dass die Technik der Bilderstellung die Bildaussage ersetzte. „Das Pointillieren, das Aurelieren und dergleichen, das halte ich für wirkliche Entdeckungen; aber man muss schon jetzt dafür sorgen, dass diese Technik nicht – so wenig wie andere – zu einem allgemeinen Dogma wird.“10 (Vincent van Gogh)

10 11

Van Gogh 1888 nach Frank 1997, Band 2, Brief 528, S. 189. Van Gogh 1888 nach Frank 1997, Band 2, Brief 520, S. 182.

Der kühlen und rationalen Malerei des Pointillismus antwortete Vincent van Gogh (1853–1890) mit individuellem Ausdruck. Die eigene Handschrift und die zu größeren Flächen zusammengezogene Reinfarbigkeit kehrten zurück ins Bild. Die Farbflächen des Gemäldes wurden zu einem dichten Gefüge aus übertrieben dick aufgetragenen Strichen, Linien, Punkten und Wellen, ohne dass die gestalterische Kontrolle und Ordnung verloren ging. Nicht mehr das Motiv in seiner Veränderbarkeit war Gegenstand der Betrachtung, sondern die ungebrochene Farbe übernahm jetzt die Führung. Van Gogh war sich seiner freien Arbeitsweise mit Farbe bewusst; er stellte fest: „Ich würde mich nicht wundern, wenn die Impressionisten bald allerlei gegen meine Malweise einzuwenden hätten, die eher durch die Ideen von Delacroix befruchtet ist als durch die ihren. Denn statt genau wiederzugeben, was mir die Augen zeigen, bediene ich mich der Farbe eigenmächtiger, um mich stark auszudrücken.“11 Neben dem Wunsch nach einem persönlichem Ausdruck oder einer eigenen bildnerischen Wirklichkeit versuchten viele Künstler die Ganzheitlichkeit der Bildwirkung wiederherzustellen, die durch die starke Farbenzerlegung aufgelöst schien. Paul Gauguin (1848–1903) erzeugte seinen flächigen Farbzusammenhang über leuchtende Farbfelder und setzte diese in starke Umrisslinien. Paul Cézanne (1839–1906), in dessen Bildern Farbe und der farbig-formale Bildaufbau zum wichtigsten Element wurden, löste die kleingliedrige Pixelhaftigkeit der Impressionisten durch eine verbreiterte Strichführung ab und setzt ihr eine verwobene Malweise entgegen, die zusammenfasste und die Einzelflächen zu einem dichten Gefüge verspannte. Form, Maß und Proportion wurden maßgebend für seine Arbeit. Er entwickelte eine starke, reliefartige, räumliche Bildtiefe

FARBE ALS MITTEL DER ABSTRAKTION

15

durch hintereinandergestaffelte Farbebenen und brachte die Farbe zu intensiver Körperlichkeit und Dichte. Nach Gottfried Boehm lassen die farbigen „taches, tons, plans“ an die „Planimetrie eines Teppichs denken“12. Die Abgrenzung der Flächen erreichte Cézanne durch Kontrastbildung oder deutliche Konturen. Die scharfe Trennung von Farbe und Zeichnung wurde aufgehoben. „Der Kontrast und die Beziehungen der Farbtöne: Darin liegt das Geheimnis der Zeichnung und der Modellierung. Wenn die Töne harmonisch nebeneinander stehen und lückenlos vorhanden sind, modelliert sich das Bild von selbst. Man sollte nicht sagen modellieren, man sollte sagen modulieren.“13 (Paul Cézanne) Cézanne arbeitete mit Reihungen, Staffelungen und Wiederholungen und brachte sie in Spannung und Gleichgewicht. Durch das Setzen kompakter Farbblöcke erreichte er eine neuartige räumliche Wirkung und den Eindruck von Dreidimensionalität. Grüne Farbtöne der Erde tauchen im Himmel wieder auf, Farbreflexe werden eingesetzt, um die Synthese von Körper und Raum herzustellen. Motive sollen „aus der Farbe heraus geboren werden“, und welche Farbtöne miteinander verknüpft werden basiert auf keinem Regelwerk oder starrer Systematik, sondern wird in jedem Bild neu ausgelotet. Die Formen selbst entwickelten sich allein durch Farbkontraste. Die Freiheit von Farbe und Form „Die Farbe muss gedacht, geträumt, imaginiert werden.“14 Mit diesen Worten richtete sich Gustave Moreau (1826–1898), Maler und Lehrer an der École des Beaux-Arts in Paris, an seine Schüler, auf die er mit seiner richtungsweisenden Haltung gegenüber Farbe großen Einfluss ausübte. Für Moreau war es wesentlich, dass seine Schüler eine Vorstellung von Farbe entwickelten, um diese in einer persönlichen Bildsprache zu artikulieren, und weniger dem Sehen als dem Gefühl zu folgen. Einer seiner Schüler war Henri Matisse, der als Mitglied der Gruppe der Fauvisten der Malerei mit Farbe ein neues Gewicht gab. Die Fauvisten gründeten sich als Gegenbewegung zur Flüchtigkeit des Impressionismus und wollten dem dogmatischen und theoretischen Pointillismus entgegentreten. Bei der am 18. Oktober 1905 eröffneten Ausstellung des dritten Pariser Herbstsalons explodierten die Farben und Formen. Fläche, Kontur und die reine Farbe wurde zum Wesentlichen erklärt. Purpurfarbene Flüsse, rotblaue Wälder oder in Safrantöne getauchte Landschaften – die Eigendynamik der Farbe überlagerte die Absicht, die Wirklichkeit nachzuahmen. Darstellungen erscheinen so in der Sichtweise der Maler; die „falschen“ Gegenstandsfarben sind frei von Zuordnungen zu spezifischen Charakteren, Inhalten oder realistischen Wiedergaben. Die Formen wurden vereinfacht, Licht und Schatten ausgeblendet. Mit großer Freiheit nutzten die Fauvisten auch die Lehren Signacs und Seurats, 16

12 13 14 15

Baumann 2000, S. 17. Cézanne 1980, S. 76. Hofstätter 1978, S. 162. Essers 2016, S. 14.

jedoch völlig undogmatisch. Zwar wurden die wichtigen Impulse aus dem Impressionismus übernommen, doch der Schwerpunkt lag auf der Suche nach dem elementaren Zusammenhang von Farbe und Form und nicht auf der Suche nach theoretischer Erkenntnis. Linien und Farben wurden immer individuell gesetzt. Auch van Gogh beeinflusste die Arbeiten der Fauvisten. Eine flächige Darstellungsweise, oft mit fehlender perspektivischer Tiefe, wurde charakteristisch für die Fauves. Unter den Fauvisten war es besonders Henri Matisse (1869–1954), welcher seinen Bildaufbau auf einzigartige Weise, teilweise bildfüllend, mit Farbe konstruierte. Gegenstand und Hintergrund wurden in eine gleichwertige Flächigkeit versetzt. Paul Gauguin (1848–1903) und Édouard Manet (1832–1883), deren Flächenmalerei mit einem völligen Verlust an Tiefenwirkung und Modellierung einherging, übten großen Einfluss auf Matisse aus. Auch Matisse vereinfachte seine Formen stark; Licht und Schatten wurden ausgeblendet. Die planen Farbflächen sollten dem Betrachter keine vorgetäuschten Raumtiefen suggerieren; eine oberflächliche Betrachtung des Bildes und das Sichtbarmachen der aufgetragenen Farbe war die Absicht. Alle Räumlichkeit und Körperlichkeit wurde ins Flächig-Dekorative übersetzt. Gegenstand und Binnenraum sind so gleichberechtigt. Matisse, der nach wie vor Umrisslinien nutzte, die die plakative Wirkung noch verstärkten, wurde vor allem von Paul Signac stark kritisiert. Matisse verteidigte jedoch die Einheit seiner Bildwirkung und sah die Komposition mit Farbflächen im Vordergrund seiner Arbeit. „Die Zerstückelung der Farbe führt zu einer Zerstückelung der Form, des Umrisses. Das Ergebnis ist eine in die Augen springende Oberfläche. Es handelt sich nur um Netzhautreizungen, die jedoch die Ruhe der Oberfläche und der Umrißlinie zerstören.“15 Hatten die Pointillisten die Farbe isoliert und freigestellt, so brachte Matisse sie in ein Gleichgewicht und konstruierte mit Farbe. Farbabstraktion und Ausgewogenheit bestimmten die Komposition, naturalistische Anmutungen wurden durch die entsprechende Farbwahl verfremdet. Alle Farbebenen wurden auf eine Fläche reduziert, die, unabhängig von Vorder- und Hintergrund, durchgängig von großen Farbflächen oder ornamentalen Mustern überlagert wird. Die Arbeit „Das rote Atelier“, 1911, (siehe Abb. S. 18) zeigt anschaulich, wie mittels Farbe Räumlichkeit und perspektivische Wahrnehmung nicht nur verändert, sondern auch vollkommen unterbunden werden können. Die monochrome Farbe erhält hier Gewicht und Dichte. Durch sie wirken alle anderen Teile verstreut und fixiert gleichzeitig. Matisse vollzog hier die Beschränkung eines Bildes dieser Größe allein auf die Farbe Rot. Aufgrund seiner formalen und farblichen Radikalität war „Das rote Atelier“ Wegbereiter für die reine Farbfeldmalerei, bei der es in erster Linie um die Auseinandersetzung des Malers mit der Fläche, dem Betrachterstandpunkt und der monochromen Farbe ging. Mark Rothko (1903–1970) erzählte einmal, er habe „Stunden um Stunden“ vor dem Gemälde sitzend verbracht und es habe sein eigenes Werk wesentlich beeinflusst. Die von Matisse bereits vorgenommene Reduktion von Form und Inhalt hatte Rothko um 1949/50 noch weiter gesteigert.

DIE FREIHEIT VON FARBE UND FORM

17

Henri Matisse, Das rote Atelier, 1911, Öl auf Leinwand, 179,5 × 221 cm

In „Das rote Atelier“ von 1911 erreichte Henri Matisse mittels der alles vereinnehmenden Farbe Rot eine größtmögliche Flächigkeit. Trotz der dargestellten Zweidimensionalität entsteht die Raumvorstellung des Ateliers.

Robert Delaunay, Les Fenêtres sur la ville (1ère partie, 1ers contrastes simultanées), Die Fenster zur Stadt (1. Teil, Simultankontraste), 1912, Öl auf Leinwand, 53,4 × 207 cm

Im Todesjahr von Matisse, 1954, malte Rothko „Homage to Matisse“. In seinen späteren Arbeiten übertrug Matisse die Verschmelzung von Fläche und Bildträger in den Raum und verband auf diese Weise Raum, Fläche, Architektur und Malerei. Er fertigte ein großmaßstäbliches Wandbild an, „Der Tanz“ (erste Fassung, 1931–1933). Matisse wies auf die Schwierigkeit der Maßstäblichkeit hin, die das Anbringen großer Farbflächen auf einer Fläche im Raum mit sich bringt. Die Figuren weisen über die Bildfläche hinaus und erwecken die Vorstellung von Unendlichkeit. Die Begrenzung des Raumes wird aufgehoben: „Es wäre vielleicht wichtig, anzugeben, dass die Komposition das Ergebnis einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Maler und den zweiundfünfzig Quadratmetern Fläche ist. Das moderne Verfahren wurde nicht angewendet, nach dem eine Komposition im gewünschten Maßstab vergrößert auf eine Fläche projiziert und mit Pauspapier übertragen wird. Der Mann, der mit einem Scheinwerfer nach einem Flugzeug sucht, durchstreift den Himmel nicht so, wie es der Flieger macht. Ich hoffe, dass Sie verstehen, wenn ich mich richtig ausdrücke, wie wesentlich der Unterschied zwischen den beiden Einstellungen ist.“16 Das Streben nach Objektivität und Wahrheit

16 Essers, 2016, S. 69. 17 Kandinsky nach Friedel 2007, S. 237 ff.

„In der Malerei ist nichts wahr außer der Farbe“, schrieb Theo van Doesburg (1883–1931) 1930 in seinem Manifest Die Grundlage der konkreten Malerei. Anfang des 20. Jahrhunderts existierten künstlerische Haltungen und Ausdrucksformen, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Die kubistischen Formenzerlegungen demonstrierten anschaulich die Demontage einer bisher wahrgenommenen Realität, einhergehend mit stark abstrahierten Darstellungen und einer maximalen Befreiung klassisch erlernter Anwendungstechniken. Der Expressionismus beherrschte als Kunst, dem seelischen Ausdruck des Künstlers zu entsprechen, die Kunstszene Deutschlands, was unmittelbar mit den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs, dem Zusammenbruch der politischen Ordnung und der wachsenden Anonymität und Armut in den Großstädten zusammenhing. Die „Neue Welt“, die noch von den Impressionisten als lichterfülltes Farbereignis dargestellt worden war, erschien den Malern in Form von Vereinsamung und Isolation. Gefühle und Empfindungen der Maler wurden durch ungebrochene Farbtöne hoher Intensität und starke Kontraste innerhalb großer Flächen ausgedrückt. Künstler wie Franz Marc entwickelten eine eigene Symbolsprache mit Farbe. In Deutschland fanden sich die expressionistischen Künstler vor allem in zwei Gruppierungen zusammen: Der „Brücke“, 1905 gegründet mit Sitz in Berlin, sowie dem „Blauen Reiter“, 1911 in München gegründet. 1910 veröffentlichte der Maler Wassily Kandinsky (1866–1944) seine Schrift Über das Geistige in der Kunst und malte seine ersten ungegenständlichen Improvisationen. Seit 1904 hatte sich Kandinsky vor allem in schriftlicher Form mit der Wirkung, Definition und Qualität von Farbe beschäftigt. Kandinsky war der Überzeugung, die Farbe müsse „von der realen Form befreit werden“, um wirken zu können.17

DAS STREBEN NACH OBJEKTIVITÄT UND WAHRHEIT

19

Nahezu zeitgleich lösten sich in ganz Europa und später auch Amerika Künstler und Wissenschaftler vom Naturvorbild und entwickelten ähnliche Ideen. Als einer der Ersten baute Robert Delaunay (1885–1941) seine „Fensterbilder“ von 1912 allein aus Farbbeziehungen auf und nutzte die simultane Wirkung der Farben. Seine Bilder schienen in einen Zustand der Bewegung versetzt zu sein und entwickelten eine durchscheinende Tiefe. „Ich habe eine simultane Architektur aus Farben gewagt, in der Hoffnung die Impulse, den Zustand einer dynamischen Poesie zu realisieren, und dabei ausschließlich in den malerischen Mitteln zu bleiben, bar jeder Literatur, jeder beschreibenden Anekdote.“18 Eine immer deutlicher werdende Systematisierung der Bildmittel entstand innerhalb der Kunst, und Künstler wie Delaunay widmeten sich den neu gewonnen Erkenntnissen.

Ich fühlte, daß die Farbe ein dynamisches Element ist, das seine eigenen Gesetze hat, das Höhen und Breiten hat.19 Robert Delaunay Die meisten Künstler strebten nach einer universellen Kunst – nicht nur, um neue Bildwelten zu schaffen, sondern auch, um dem ideell angestrebten Wunsch nach Erneuerung der Welt im utopischen Sinne zu entsprechen. Sämtliche Gestaltungsprinzipien wurden neu durchdacht. Die Radikalität in der Anwendung der jeweiligen bildnerischen Mittel war einzigartig für diese Zeit. Das Aufgeben der Zentralperspektive, die Verflachungsmethodik der fauvistischen und expressionistischen Malerei, die radikale Beschränkung der Darstellungsmittel, letztendlich aber auch visionäre Raumvorstellungen führten zu jener abstrakten Kunst, die das 20. Jahrhundert bestimmte. Schon František Kupka (1871–1957) hatte in einem Brief 1905 geschrieben, er glaube nicht, „dass es nötig ist, Bäume zu malen, denn die Leute können auf dem Weg zur Ausstellung bessere sehen“. Mit Kasimir Malewitschs „Das Schwarze Quadrat“ aus dem Jahre 1915 entwickelte sich der Suprematismus als erste konsequent ungegenständliche Kunstrichtung, die den Anspruch auf eine zweckfreie, von jeder Logik befreite Kunst erhob. „Es war dies kein leeres Quadrat, was ich ausgestellt habe, sondern die Empfindung der Gegenstandslosigkeit.“20 Die schwarze Farbe, gebunden an die Form des Quadrates, sucht keinerlei Bezüge mehr zu jeglichen Bildelementen und löst sich von sich sämtlichen Bindungen. Die entstehende vermeintliche, „Leere“ ist die Veranschaulichung der Gegenstandslosigkeit an sich. 20

18 19 20 21 22 23 24

Delaunay 1957, S. 98. Delaunay 1957, S. 229. Malewitsch 1927 nach Faksimile 1980, S. 66. Malewitsch 1916 nach Baurmeister 1983. Van Doesburg 1930 nach Danzker 2000, S. 113. Gassen 1994, S. 28. Janssen 2015.

Malewitsch sah darin ein philosophisches Konzept, das auf alle Bereiche des Lebens Einfluss nehmen sollte und aus dem heraus ein neuer, malerischer Realismus entstand. „Ich dagegen habe in der Null der Formen eine neue Gestalt gefunden und bin über die Null hin aus zum Schöpferischen gelangt, d.h. zum Suprematismus, zum neuen Realismus in der Malerei – zum gegenstandslosen Schaffen. Der Suprematismus ist der Beginn einer neuen Kultur.“21 Schwebende, einfache oder komplexe Objekte im Raum hoben die Vorstellung von oben und unten, endlich und unendlich auf. Die Realität wurde nicht mehr beschrieben, sondern konstruiert, und Farbkräfte erfüllten fortan Bildkompositionen. Konsequent hatte die seit Cézanne zu beobachtende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Umgangsweisen mit Abstraktion zu einer konstruktiven Kunst geführt. Auch zwischen den beiden Weltkriegen arbeiteten die Konstruktivisten weiter am Prinzip streng geometrisierter Kompositionen, denen oftmals ein tektonisches Denken zugrunde lag. Fest definierte Beziehungen und Elemente, die Gesetzmäßigkeiten von Farbe, Proportionslehren und neues Wissen über Sehprozesse wurden bildbestimmend. Eine Nähe zu Bauhaus und De Stijl bestand. Neben Schwarz, Weiß und Grau wurden nur Primärfarben verwendet. Bedeutende Vertreter des internationalen Konstruktivismus wie der Schweizer Künstler Johannes Itten lehrten am Bauhaus die konstruktivistische Farbtheorie oder setzten sich mit räumlich und perspektivisch wirkenden Farbabstufungen und Farbverteilungen im Raum auseinander, so etwa der ebenfalls am Bauhaus tätige deutsch-amerikanische Maler Lyonel Feininger (1871–1956). Künstler wie Theo van Doesburg oder Piet Mondrian (1872–1944) seien, so schrieb Theo van Doesburg 1930 in seinem Manifest Grundlagen der konkreten Malerei, „auf der Suche nach der letzten Reinheit“. Sie lehnten selbst die abstrakte Malerei als unzutreffend ab: „Konkrete Malerei also, keine abstrakte, weil nichts konkreter, nichts wirklicher ist als eine Linie, eine Farbe, eine Fläche.“22 Der niederländische Maler Piet Mondrian, der sich zunächst dem Kubismus zuwandte, entwickelte seine spätere Gestaltungsweise ohne jegliche Formbildung. „Neoplastizismus“ nannte er seinen eigenen Stil. Er konstruierte malerische Flächen, ohne dass eine Bildräumlichkeit entstand. „Die Flächen sind sowohl in ihrer Dimensionierung (Linie) als auch durch ihre Tonwerte (Farbe) imstande, Raum zu gestalten, ohne den Raum perspektivisch visuell auszudrücken“.23 Farben wurden auf die Primärfarben zurückgeführt und durch ein Beziehungsgeflecht aus senkrechten und waagerechten Linien organisiert. „Es war die Linie, die die Farbe befreite“,24 schreibt Kurator Hans Janssen vom Gemeentemuseum Den Haag 2015 im Katalog zur Ausstellung „Piet Mondrian. Die Linie“ im Berliner Gropiusbau. Unter dem Einfluss des Philosophen Jan Schoenmaekers, dessen Vorstellung der Welt auf mathematischen Grundlagen beruhte, begründete Mondrian sein Verständnis von Funktionalität, Geometrie und Logik, welches erstmalig in der Kunstgeschichte aus der Asymmetrie heraus entwickelt wurde. Ähnlich wie Kandinsky will Mondrian die durch seine

DAS STREBEN NACH OBJEKTIVITÄT UND WAHRHEIT

21

Arbeiten aufgeworfenen Fragen auch theoretisch beantworten. Jeder Zufall und jede Willkür soll zu Gunsten eines präzise angelegten Gleichgewichts aller Teile ausgeschlossen werden. Ziel ist es, die universale Harmonie sichtbar zu machen. Um sich von der abstrakten Kunst deutlich zu unterscheiden, erhob Max Bill (1908–1994) den Begriff „Konkrete Kunst“ Mitte der 1930er-Jahre zur allgemeinen Bezeichnung für all diejenigen Richtungen in der Moderne, die vermeintlich objektive und nachvollziehbare Kriterien auf Basis rationaler Konzepte und streng mathematischer Denkweisen entwickelten. Trotz dieser Bildmittel drücken die Werke einen spielerischen und freien Umgang mit Farbe und Form aus. „Die Gestaltungsmittel sind die Farben, das Licht, die Bewegung, das Volumen, der Raum“,25 so Max Bill. Die Vertreter der Konkreten Kunst verordneten sich konsequente, selbst verfasste Gestaltungsregeln. Die Gestaltung ging nicht mehr von einem Abstraktionsvorgang aus, sondern von der unmittelbaren objektiven und autonomen Auseinandersetzung mit konkreten Bildmitteln wie Linie, Farbe, Fläche und Raum. Die von Mondrian und van Doesburg gegründete Künstlergruppe De Stijl verfolgte die Mission, vollkommen neue, allgemeingültig anwendbare Gestaltungsgrundsätze für sämtliche Lebensbereiche und Genres zu artikulieren. Auch die Übertragung dieser künstlerischen Ästhetik auf Bildhauerei, Malerei, Architektur und Innenarchitektur stand im Vordergrund. Van Doesburgs Forderungen gingen dabei sogar so weit, dem universellen neuen Schönheitsbewusstsein im Sinne des Gemeininteresses die individuelle, persönliche Sichtweise unterzuordnen. Die Künstler von De Stijl sahen die ästhetischen Prinzipien mit dem Einhergehen einer neuen Menschheitskultur verknüpft. Sie trieben, wie andere ihrer Generation, mit höchster Ernsthaftigkeit nicht nur ihr gestalterisches Werk voran, sondern erarbeiteten auch die gedankliche Rechtfertigung für ihr geistiges Schaffen. Richard Paul Lohse (1902–1988), Max Bill und Camille Graeser (1892– 1980) gehörten zur sich bereits seit den 1930er-Jahren formierenden Zürcher „Schule der Konkreten“, die auch nach 1945 aktiv war. Unbewusstes oder Spirituelles ließ sich nach der Vorstellung dieser Künstler mit der Konkreten Kunst keinesfalls verbinden. So verwendete Lohse auch für seine Kunst vorzugsweise die Begriffe systematisch, methodisch oder rational. Bill, der 1950 nach Vorbild des Bauhauses in Ulm die Hochschule für Gestaltung gründete, plädierte für exakte, nachvollziehbare und kontrollierbare Gestaltungsmittel. Camille Graeser erforschte mit seiner Malerei Themen wie Rotationen, rhythmische Reduktionen und Additionen, Progressionen oder Degressionen und formulierte diese durch Flächenaufteilungen in Bezug auf die Verhältnisse von Farbmengen. Graeser beschäftigte sich auch eingehend mit der Visualisierung von Rhythmen, Klängen und musikalischen Strukturen. (siehe Abb. S. 27) Doch wurde auch Skepsis gegenüber den durchkomponierten und konstruierten Bildern geäußert. Viele Künstler verweigerten sich der Logik des Rationalen und vollzogen eine radikale Besinnung auf die materielle 22

Präsenz der Farbe als bildnerisches Mittel an sich. So führte ein weiterer Weg auf der Suche nach einer neuen Kunst zur monochromen Malerei, in der allein die Farbe zur Botschaft wurde. Als Wegbereiter der monochromen Malerei gilt heute im Rückblick der Künstler Alexander Rodtschenko, der zu den treibenden Kräften der russischen Avantgarde zählte und die Manifeste des Konstruktivismus entwickelte. Das Triptychon „Reine Farbe Rot“, „Reine Farbe Gelb“ und „Reine Farbe Blau“, von 1921 ist vollkommen ohne Struktur oder Spuren der Fertigung; die Bilder werden zur Farbmaterie. Im Rückblick sagte Rodtschenko 1939: „Ich habe die Malerei zu ihrem logischen Ende gebracht und habe drei Bilder ausgestellt: ein rotes, ein blaues und ein gelbes, und dies mit der Feststellung: Alles ist zu Ende. Es sind die Grundfarben. Jede Fläche ist eine Fläche, und es soll keine Darstellung mehr geben.“26 Für die Beschäftigung mit Monochromie sollte dies jedoch erst der Anfang sein: Mit seiner Arbeit nahm Rodtschenko die späteren Entwicklungen des Abstrakten Expressionismus und der Farbfeldmalerei vorweg. Benjamin Buchloh schreibt hierzu: „Mit Rodtschenkos Einführung des Monochroms werden wir zu Zeugen nicht nur der Befreiung von relationaler Komposition, sondern, was wichtiger ist, der Befreiung von konventionellen Zuweisungen von Bedeutung an Farben zugunsten der reinen Materialität von Farbe.“27 Die Unbestimmbarkeit von Farbe

25 26 27

Bill 1936 nach Du 872 2016, S. 34. Chilova 2013. Buchloh 1986, S. 44.

Durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und aufgrund der Verfolgung durch die Nationalsozialisten emigrierten viele europäische Künstler, Architekten, Wissenschaftler und Philosophen in die USA. Sie brachten wertvolle Impulse in die dortige Kunstwelt, betätigten sich als Lehrer oder gründeten eigene Schulen. Josef Albers (1988–1976), dessen Werk eine herausragende Stellung innerhalb der Konkreten Kunst einnimmt, hatte 13 Jahre lang am Bauhaus gelehrt und wechselte nach der Schließung 1933 an das Black Mountain College in North Carolina. 1959 wurde er Direktor des Department of Design an der Yale University. Mit seinen Lehrtätigkeiten legte Albers die theoretischen Grundlagen für seine spätere, geometrisch abstrakte Malerei. Die Herausarbeitung ihrer poetisch erhabenen Merkmale unterscheidet ihn von den meisten seiner Kollegen. Albers’ Aussagen wie „Meine Lehre ist kein System, ist keine Theorie, sondern eine Anregung zum Sehen, zur Sensibilisierung, zur Schärfung des Sehens“ erläutern sein eigentliches Ziel: die Schulung der Wahrnehmung und des Sehens. Albers’ Beschäftigung mit den Wechselwirkungen und Wechselbeziehungen von Farben macht ihn zu einem der wichtigsten Farbtheoretiker und Farbkünstler des 20. Jahrhunderts. Um „Farbe mit Erfolg anzuwenden, muß man erkennen, daß Farbe fortwährend täuscht“ – so lautete seine These. Statt Gesetze und Regeln von Farbharmonien mechanisch anzuwenden, plädierte er dafür, „einzelne ganz bestimmte Farbeffekte zu erzeugen, indem man z. B. zwei ganz verschiedene Farben gleich oder nahezu gleich aussehend macht. Solches Studium zielt darauf ab, ein sensitives Auge für Farbe zu entwickeln – und zwar experimentell,

DIE UNBESTIMMBARKEIT VON FARBE

23

durch ‚trial and error‘ […]“. Im Besonderen heißt das: „Farbe agieren sehen, wie auch Farbbezogenheiten empfinden“.28 Der Farbe an sich, ihrer Autonomie und Erhöhung, diente Albers’ Interesse, und weniger den formalen und strukturellen Themen der meisten konstruktiven Maler. Die Diskrepanz zwischen Erfassbarkeit, Planbarkeit und Unerklärbarkeit sowie die Vieldeutigkeit visueller Phänomene verdeutlichte Albers anhand des Mediums Farbe, und er spielte immer wieder verschiedene Fassungen, Serien und Variationen seiner Arbeiten durch. Da das visuelle Farbgedächtnis und Farbverständnis des Menschen im Verhältnis zu seinen Wahrnehmungen und dem Gehör relativ schwach ist, erscheint die Farbe unbestimmbar und ungreifbar, sodass Albers im Besonderen ihre Rätselhaftigkeit zum Thema macht. „Nur der Schein trügt nicht“,29 lautet die Erkenntnis von Albers, um die wechselnden Identitäten von Farbe zu charakterisieren. Albers’ ab 1949 entwickelte Bildreihe „Homage to the Square“ beruht auf einer Anordnung, welche die Qua­ drate trotz angelegter Flächigkeit in einer perspektivischen Räumlichkeit und imaginären Tiefe erscheinen lässt. Allein die Organisation der Farbe bestimmt das Bild. Die Bildwirkung ändert sich ausschließlich durch den Wechsel der Farbe. Auch wenn die Farben trotz feinster Abstufungen unterscheidbar sind, sind diese Farben nicht alle in der Nuance wiedererkennbar. Unergründlich sind die Farbwirkungen auf den Betrachter, wobei die Neutralität in den Flächenaufteilungen gewahrt bleibt und strenge Bildstrukturen vorgeben sind. „In den Farben liegen Harmonien und Kontraste verborgen, die von selbst mitwirken und die man sich in anderer Art nicht zunutze machen kann,“30 so äußerte sich bereits Vincent van Gogh. Albers, dessen Interesse dem Zusammenwirken auch disharmonischer oder unkonventioneller Farbklänge bestand, fasste 1963 seine Gedanken in dem Buch Interaction of Color zusammen. Der gegenseitigen Einflussnahme der Farben aufeinander, den Farbüberstrahlungen über die Ränder hinweg und deren gegenseitiger Verwandelbarkeit wird ein meditativer, mystischer Charakter zugeschrieben. In diesem Zusammenhang erscheint die Aussage des Malers Philipp Otto Runge interessant: „Die strenge Regularität ist gerade bei den Kunstwerken, die aus der Imagination und aus der Mystik unserer Seele entspringen, ohne äußeren Stoff oder Geschichte am allernotwendigsten.“31 Albers’ Werk spricht der Bedeutung des Sehens als wahrnehmungsspezifischem Vorgang und Akt der Konzentration eine hohe Relevanz aus. Albers betonte ausdrücklich, dass er mit seiner Arbeit keine Dogmen aufstellen wollte. Sie diente unter anderem dem Erkenntnisgewinn und belegte umso mehr, dass Farbe sich allzu starren und fixierten Festlegungen entzieht.32 Albers’ Malerkollege Ad Reinhardt (1913–1967) zieht aus dieser Erfahrung folgende Schlußfolgerung: „Farbe hat etwas Falsches, Unverantwortliches und Geistloses an sich, etwas, das sich unmöglich kontrollieren läßt.“33 Reinhardt arbeitete seit den 1950er-Jahren mit monochromen Gemälden, meistens in Rot und Blau, die subtile Farbunterschiede innerhalb leicht nuancierter Rechtecke aufwiesen, welche in mehreren Lasurschichten aufgetragen wurden. Dadurch erhielten sie eine nur scheinbare Monochro24

mie. Ab 1953 waren die meisten von Reinhardts Gemälden schwarz. Auf den ersten Eindruck ließ sich kein Kompositionsprinzip oder eine erkennbare Ausdrucksform feststellen. Doch bei intensivem Hinschauen offenbaren sich feinste, samtig anmutende Farbabstufungen und nach längerer Zeit, ähnlich wie bei Albers, auch ein einfaches, anonymes Flächenschema unter dem Schwarz: in Blau, Rot oder Grün. Reinhardt drang mit seinen Bildern, die das Anschauen einfordern und feinste Differenzierungen zum Vorschein bringen, zum Kern der Farbe vor. (siehe Abb. S. 35) Grenzerfahrungen durch Farbe

28 29 30 31 32 33

Albers 1963, nach Albers 1997, S. 20. Liesbrock 2010. Van Gogh 1882, nach Frank 1997, Band 1, Brief 226, S. 178. Haftmann 1965, S. 292. Albrecht 1979, S. 60 ff. Rowell 1980, S. 23.

Noch ein Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich die abstrakte Malerei, die sich jeder Spontaneität und Gestik des Künstlers entsagte, in den USA kaum durchsetzen. Der abstrakte Expressionismus, bekannt unter dem Namen New York School, beherrschte die Kunstwelt und damit die individuelle Ausdrucksform der Kunst. Verschiedenste Tendenzen dieses Begriffs tauchten auf. Emotion und Improvisation standen im Vordergrund, strenge Regeln und Gesetze wurden abgelehnt. Besonders imposant war die Methode des Action-Painting, die einem Ausdruck der Befreiung von den Grenzen der traditionellen Kunst, einhergehend mit der Befreiung vom kleinen Format, von Zwängen, Regeln und Repressionen, gleichkam. Ihr berühmtester Vertreter, Jackson Pollock (1912–1956), spritzte und schleuderte die Farbe ungezügelt auf die Leinwand. Diese spontane und freie Malerei erhebt den Malakt bei vollem körperlichem Einsatz selbst zum Bild. Ende der 1950er-Jahre vollzog sich dann die Abkehr vom gestischen Expressionismus, und ganz eigene Richtungen entstanden, etwa die von Mark Rothko oder Barnett Newman (1905–1970), dessen Werke der Farbfeldmalerei (Color Field Painting) zuzuordnen sind. An die Stelle allgemeingültiger Regelwerke oder impulsiver, expressiver Ausdrucksweisen trat ein Farberlebnis, welches den Raum für persönliche Erfahrungen öffnete. Rothkos monochrome Malerei entwickelte eine Art von Schwebezustand, in dem das Dazwischen genauso bedeutend war wie die konturlos ineinanderfließenden Farbfelder selbst. Der durchlässige Charakter der in zwei bis drei Farbflächen unterteilten Bilder, verbreitet eine geheimnisvolle und mysteriöse Stimmung. Oft werden Begriffe wie „atmen“ und „pulsieren“ für den vom Licht durchleuchteten und nebulösen Eindruck seiner Bilder verwendet. Gleichzeitig vergrößerte Rothko die Formate seiner Bilder, bis sie solche Dimensionen erreichten, dass der gesamte Gesichtskreis des Betrachters beim näheren Betrachten der Werke vollständig eingenommen wird, um einen Zustand der Intimität herzustellen. Eine neue Beziehung zur Räumlichkeit entstand. Rothko wollte die Empfindung von Farbe erlebbar machen und die Distanz zum Bild aufheben. Seine Gefühlswelt war in gewisser Weise Gegenstand seiner expressiven Malerei. Die Gruppe der „Colour Field Painter“ beschäftigte sich in ihren großformatigen, monochromen Bildern rein mit der Farbe als bildnerischem Mittel, deren expressivem Eigenwert und unterschiedlichen

GRENZERFAHRUNGEN DURCH FARBE

25

Erscheinungsformen. Die Auseinandersetzung mit Ausdehnungsverhalten, Abgrenzungsprozessen, dynamisierenden Kräfteverläufen oder der Entwicklung von Räumlichkeit durch Farbe wurde ebenso relevant wie die Beschäftigung mit Wahrnehmungsprozessen. Die Farbfeldmalerei entzog sich bewusst jeglichen gesellschaftlichen Bezügen. Leinwände entstanden, die nichts als Farbe enthielten. Die Monochromie eröffnete die Möglichkeit, diese ohne sichtbare Kompositionsprinzipien, frei von Mythos, Erinnerungen, Assoziationen oder Möglichkeiten der Interpretation zu gestalten. Dabei kam der Auseinandersetzung mit Grenzerfahrungen und Grenzüberschreitungen eine starke Rolle zu. Der Betrachter sollte die koloristische Wirkung unmittelbar, überwältigend und unbegreifbar erleben, ausgelöst durch die Malerei selbst. Farbe, Fläche und Raum wurden als physische Einheit empfunden. Auch der Maler und Bildhauer Barnett Newman beschäftigte sich sehr praxisbezogen mit der Qualität von Farbe. Er selbst brachte das wie folgt auf den Punkt: „What bothers me is color as color, as material, as local.“34 Jeder persönliche künstlerische Ausdruck wurde vermieden, jede Spur des Farbauftrages verschwand. Selbst Künstler wie Piet Mondrian gerieten unter Newmans Kritik. Seine Gemälde seien keine reine Abstraktion. Mondrian gebe lediglich das geometrische Abbild der Natur wieder.35 Newman sah nur in einer nicht geometrischen Kunst den Anfang einer neuen Kunstentwicklung und die künstlerische Selbstbestimmung als vorrangig vor akademischen Regelwerken. Sämtliche Referenzen auf die Wirklichkeit oder deren noch so abstrahierte Darstellung sollten vermieden werden, um eine rein auf dem Sehen basierende Erfahrung zu machen. Newman ging es um die reine Malerei, um darin die Ästhetik des „Sublimen“ neu zu begründen. Mit seinem Bild aus einer Serie von vier Gemälden, „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue III“, (siehe Abb. S. 28) thematisiert Newman die drei Primärfarben und verleiht der Farbe eine semantische Qualität. Rot steht für das Erhabene, es dehnt sich über die Bildgrenzen aus und entwickelt eine überwältigende Wirkung. Durch Gelb und Blau wird die Leuchtkraft der roten Farbe noch potenziert. Barnett Newman ging es immer um die Begegnung zwischen dem Betrachter und dem Bild, um eine persönliche Interaktion. Es ging ihm weniger um die räumliche Wirkung seiner Malerei als um „Erfahrungen mit den Empfindungen in der Zeit“.36 Dennoch übte die übermächtige Präsenz der Farbe in Newmans Bildern eine starke räumliche Faszination aus. Nur konsequent in dieser Zeit war es, dass die Malerei sich schließlich in den Raum hinein entwickelte. 1965 stellte Ellsworth Kelly (1923– 2015) monochrome Farbtafeln in Form einer räumlichen Anordnung auf. Teilweise lehnte Kelly die Farbtafeln einfach an die Wand und versetzte sie so in einen schwebenden Zustand. Kellys unkonventionelle „shaped canvases“ zeugten vom Zusammenspiel von Form, Farbe und Raum und bezogen durch ihre objekthafte Präsenz den architektonischen Kontext mit ein. Bei den Farbtafelgruppen 1968 arbeitete Kelly mit Trapezen oder Rechtecken als Bildträgern, um perspektivisch verzerrte Raumillusionen zu erreichen. Kelly galt als Realist im Umgang mit Farbe und lehnte jede 26

34 Newman 1992, S. 292. 35 Newman 1992, S. 163. 36 Newman 1992, S. 182.

Camille Graeser, Sinfonie der Farbe (Farbensinfonie), 1946/50, Öl auf Leinwand, 70 × 105 cm

Ausgehend vom Grundelement des Quadrats, beruht Graesers „Sinfonie der Farbe“ auf einem grundsätzlich strengen Ordnungsprinzip, welches durch ein einzelnes Störelement in der linken Bildhälfte unterbrochen wird.

Mark Rothko, Orange, Red and Red, Öl auf Leinwand, 1962, 237 × 235 cm GRENZERFAHRUNGEN DURCH FARBE

27

Barnett Newman, Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue III, (Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau III), 1967–1968, Acryl auf Leinwand, 305 × 257,7 cm

Mit dem Color Field Painting bzw. der Farbfeldmalerei werden grundlegende traditionelle Bildauffassungen in der Malerei hinterfragt. Die kadmiumrote Farbfläche beherrscht die Bildfläche, wobei Größe, Format und Farbe sich gegenseitig bedingen. Die Unüberschaubarkeit des Bildformats führt zu einer veränderten Wahrnehmung und zu einer Übermacht der Farbe. Die Monumentalität und gleichzeitige Abstraktion des Bildes übersteigen vertraute Sehweisen. Der vollständig vom roten Farbraum umgebene Betrachter wird auf sich selbst verwiesen.

Ellsworth Kelly, White Angle, 1966, lackiertes Aluminum, 181 × 91,4 × 183,5 cm

Donald Judd, Untitled, 1968, Edelstahl und oranges Acrylglas, 83,82 × 172,7 × 121,9 cm 28

Imi Knoebel, Genter Raum, 1979/80, 449 lackierte Holzteile in variabler Anordnung, Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen

Gerwald Rockenschaub, Embrace Romance Remodeled, Ausstellungsort Halle, Salzburg, Österreicht, 2012. Gerwald Rockenschaub fertigt seine Arbeiten digital an und verwendet Industriematerialien wie PVC.

John M. Armleder, Untitled, (Furniture Sculpture), 1986, Acryl und Emaille auf Leinwand und Kommoden, 250 × 400 × max. 50 cm GRENZERFAHRUNGEN DURCH FARBE

Vergeistlichung oder Mystifizierung der Kunst ab. Ihn interessierte die Dreidimensionalität der Malerei an der Grenze zur Plastik, zwischen Bild und Objekt. Das Verhältnis von Farbmasse und Form war für Kelly entscheidend, sodass er oft Holz oder Aluminium als Trägermaterial benutzte, was die Wahrnehmung des Bildes und dessen Licht- und Schattenqualität wesentlich ausmachte. Ellsworth Kelly wurde Zeit seines Lebens vielen Kunstrichtungen zugeordnet, beispielsweise der konkreten Kunst, der Hard-Edge-Malerei, der Nachmalerischen Abstraktion oder der Farbfeldmalerei. Als sich in den 1960er-Jahren die Minimal Art in New York etablierte, galt Ellsworth Kelly als deren Vorläufer. Ebenfalls parallel zur Farbfeldmalerei entwickelte sich die Arbeit von Donald Judd (1928–1994), einem der bedeutendsten Vertreter der Minimal Art. In seinem 1993 zunächst als Vortrag gehaltenen Essay Einige Aspekte von Farbe im Allgemeinen und Rot und Schwarz im Besonderen erklärte Judd: „Damit es mit der Farbe weitergehen kann, muss sie sich im Raum ereignen.“37 Judd kritisierte an der Malerei, dass sie im Gegensatz zur Skulptur bestenfalls räumlichen Illusionismus erzeuge. Mit seinen freistehenden Raumobjekten befreite er das Bild von der Wand und verzichtete auf jegliche Bildassoziationen. Für Judd traten Farbe und Raum nur gemeinsam in Erscheinung. Als beliebte Farbe setzte er helles Kadmiumrot ein, da es die Gestalt seiner Objekte am besten herausarbeitete, räumliche Präsenz hervorrief und Kanten betonte.38 Im Gegensatz zu den Konstruktivisten, welche Proportion, Gleichgewicht und spannungsvolle Relationen anstrebten, die einem individuellen Ordnungs- und Gestaltungsanspruch folgten, lehnte Judd den kompositorisch erscheinenden Ausdruck ab. Seine Auseinandersetzung mit Farbe stand im engen Zusammenhang mit dem Material. Er verwendete Aluminium, transparente, farbige Acrylglasscheiben, Kupferplatten oder Sperrholz gleichberechtigt mit der Farbe, die er kräftig und je nach Materialkonsistenz so einsetzte, dass deren charakteristische Eigenschaften erhalten blieben. Die verschiedenen Materialqualitäten ergaben über die Reflexionskraft der Farbe und die unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheiten unvorhergesehene Effekte: leuchtend, reflektierend, glühend, den Innenraum füllend. Teilweise entmaterialisierten sich die Flächen, dann wieder wechselte Körperhaftigkeit mit Leere. Reihungen, Serien und Variationen entstanden bei größtmöglicher Anonymisierung der Ordnungsprinzipien. Der Ausstieg aus dem Bild – Farbe im Kontext von Material und Raum In einer 1960 von Max Bill in Zürich gezeigten Ausstellung konkreter Kunst wurden neben ersten Beispielen US-amerikanischer Farbfeldmalerei auch Arbeiten der Gruppe „Zero“ gezeigt. Alle Werke der an „Zero“ beteiligten Künstler waren serieller Art. Auch in der Musik wurden zu dieser Zeit serielle Strukturen entwickelt. Die Dynamik der Bildfläche wurde durch Licht, Bewegung und Material vermehrt in den Vordergrund gestellt. Anstelle von Komposition wurden nun Energiefelder, Raster und 30

37 38 39 40

Elger 1999, S. 115. Elger 1999, S. 17. Liesbrock 2012, S. 17. Liesbrock 2012, S. 6.

Reihungen wesentlich. „Zero“ propagierte den „Ausstieg aus dem Bild“. Farbe wurde weiter in Richtung Monochromie reduziert und die reine Farbe aufgrund ihrer Klarheit verwendet. Die Maxime „Alles neu denken“ führte dazu, dass neue Produkte der Industrie verwendet wurden, aber auch Gebrauchsmaterialien wie Nägel oder Abfallprodukte der Raumfahrt waren eingeschlossen. Der US-Amerikaner Robert Ryman (geb. 1930), eine der zentralen Figuren der monochromen Kunst, fiel mit seiner Kunst in die Zeit von „Zero“. Licht, die Stofflichkeit des Materials und Raum sind für Ryman die wesentlichen Elemente der Kunst. Auf unterschiedlichsten Malgründen wie Leinwand, Tüchern, Metall, Holz, Wachspapier oder Kunststoff experimentierte Ryman insbesondere mit Öl-, Emaille- oder Lackfarbe. Mit der Farbe Weiß beschäftigte sich Ryman vertiefend, da sie das Licht am differenziertesten abbildet und farbliche Nuancen am deutlichsten sichtbar macht. Ryman probierte auch unübliche Methoden der Bildbefestigung und -aufhängung aus. Ein weiterer Ausnahmekünstler dieser Zeit war Gotthard Graubner (1930–2013), der gemeinsam mit den Kollegen von „Zero“ ausstellte. Graubner versuchte, mit Bildobjekten aus Farbe eine räumliche Wirkung zu entwickeln. Seine Arbeiten zeigen eindrücklich die Vielschichtigkeit des künstlerischen Ausdrucks in der Monochromie. Seit 1956 beschäftigte er sich mit minimal nuancierten, subtil modulierten Farbklängen und Farbräumen. Kühle und warme Tonwerte wechseln sich ab. Graubners Thema, die Verkörperung der Farbe, bezieht seine Spannung aus dem Gegensatz zwischen Gestalt und Auflösung und lässt den Eindruck „atmender Bilder“ entstehen. Dafür entwickelt er nach 1960 eine Art kissenförmige Malebene, unterfüttert mit saugfähiger Watte.39 Viele Schichten Farbe oder Lasur lassen vibrierende Unregelmäßigkeiten entstehen und bringen die Farben zum Schwingen. Die Farbe erscheint moduliert. Erst durch das Zusammenwirken und die stimulierende Wirkung der Farben untereinander entstehen der gewünschte Ausdruck und die Lebendigkeit. Allein die Wirkung der Farbe, ihre Elastizität und Durchlässigkeit, ihre physische Schwere oder Nebelhaftigkeit, macht ihr Wesen aus. Graubners Farben sinken tief in den Bildträger ein. 1970 ersetzt Graubner die älteren Werkbezeichnungen „Farbleib“ bzw. „Kissenbild“ durch „Farbraumkörper“. Mit seinen 1968–1971 und erneut 2006–2007 entwickelten „Nebelräumen“ wollte er Sensibilität im Betrachter hervorrufen.40 Vielen Künstlern in dieser Zeit ging es um die Materialität von Farbe, ihre Textur oder Faktur, um Pigmenteigenschaften, Reflexionsverhalten oder Verarbeitungstechniken. Seit Entstehung des radical painting 1978 in New York wurde Farbe erneut zum alleinigen Thema. Eben in der Krise der modernen Kunst in den 1960er-Jahren hatte die Radikale Malerei ihre Wurzeln. Bildhaftigkeit und Objekthaftigkeit wurden immer ambivalenter, die Übergänge zwischen Malerei und Skulptur verschwammen. Das Verhältnis zwischen Farbe und Architektur wurde weiter ausgelotet, das Problem der Illusion des Raumes innerhalb der Flächigkeit des Bildes immer wieder neu ergründet. Bilder entstanden teilweise direkt auf der Wand oder auf saugenden, spiegelnden oder dämpfenden Materialien. FARBE IM KONTEXT VON MATERIAL UND RAUM

31

Jean Baier, Composition/Relief, 1987, Zellulosefarbe auf Metall, 100 × 500 cm, fünf Teile

Die „Metallbilder“, die der Maler und Beuys-Schüler Blinky Palermo (1943– 1977), ehemals Peter Heisterkamp, zwischen 1973 und 1976 in New York entwickelte, wurden direkt auf Aluminiumplatten gemalt. Die mehrfach aufgetragenen Acrylschichten, in peniblen horizontalen Strichen angelegt, wirken auf dem reflektierenden Aluminium, als würden sie vor der Wand schweben. Die Farben stehen in starken Kontrasten zueinander und flimmern, wenn man sie betrachtet. Die mehrfach übereinanderliegenden Schichten resultieren aus dem sich verändernden Konzept während des Malprozesses, den sich Palermo „bei Beginn der Arbeit nicht ausdenken und vorstellen konnte“41, so charakterisierte der Künstler 1975 anlässlich der 8. Bienal de São Paulo selbst seine Werke. Das Interesse des Schweizer Malers Jean Baier (1932–1999) galt der Ästhetik industrieller Fertigung. Er trug mit der Spritzpistole Zellulosefarbe auf hartes, klares Material wie Blech, Aluminium und synthetische Stoffe auf. Seine Oberflächen sind metallisch, emailliert, synthetisch.42 Baiers Arbeit basierte auf einer eigenen Gesetzmäßigkeit, die frei, nicht dogmatisch verordnet war. Er räumte der Anschauung und dem „Erleben“ einen höheren Wert ein als der Mathematik. Trotz der werkimmanenten Struktur und Ordnung hob Baier sich dadurch von den Zürcher Konkreten ab, mit denen er, obwohl deutlich jünger, freundschaftlich verbunden war. Sein Werk zeichnet sich durch stark kompositorisches Arbeiten und eine große Vielfalt an Formen aus vereinfachten Flächen aus. Form und Farbe sind bei ihm spannungsvoll in ein übergeordnetes Gesamtsystem eingewoben, welches durch homogene, rhythmisch gesetzte, teilweise wie zerschnitten wirkende Farbfelder charakterisiert ist. Sein Hauptwerk besteht aus dreidimensionalen Arbeiten im öffentlichen 32

41 Richter 1990, S. 142. 42 Neubert 2014, S. 6.

Raum, wodurch er außergewöhnlich große Dimensionen verwirklichte und Bezüge zur Architektur und Stadt herstellte. Auch innerhalb der Bilder entwickelte sich ein Eindruck von Räumlichkeit und Plastizität; Flächen erscheinen als Volumen, ein Eindruck von Tiefe und Transparenz stellt sich ein. Baier arbeitete mit dem Prinzip der Zerlegung der Bildfläche. Wie Keile schieben sich weiße Spalten in spitzen Winkeln in die kräftigen, satten Farbtöne. So entsteht der Eindruck von Überschneidungen, Verschiebungen, Dehnungen oder Stauchungen. Seine Farbpalette bleibt beschränkt auf Blau, Rot und Gelb in Kombination mit Schwarz, Grau und Weiß. Mit Keramikplatten entwickelte Baier in den 1960er- und 1970er-Jahren künstlerisch gestaltete Fassaden und große Wandbilder, die nicht auf einmal erfassbar sind, sondern in ihrer Länge betrachtet werden müssen, indem man sie abschreitet. Baier hat damit seine Arbeit um den Faktor Zeit erweitert, denn bei jeder neuen Bewegung entstehen wieder neue Beziehungen. Diese Instabilität bezog er in seine Gestaltung mit ein. Durch Farbe wurden Übergänge gebildet, Brüche oder Schwingungen. Alles blieb stabil und beweglich gleichzeitig. Anhand der Arbeiten von Gerwald Rockenschaub (geb. 1952) lässt sich die Entwicklung von der „Wandmalerei“ zur „Raummalerei“ anschaulich darstellen. Hat er 1987 noch Ölbilder gemalt, so bezieht er seine geome­ trischen Farbkompositionen nun direkt auf den Ausstellungsraum. Somit erweitert sich die Malerei und damit die Farbe in den Bereich der Gesamt­ installation, teilweise unter Einbezug von Möbeln und Raumflächen. Der Künstler John M. Armleder (geb. 1948) integriert analog zu Marcel Duchamps (1887–1968) „Readymades“ Gebrauchsgegenstände und stellt sie in einen geometrisch abstrakten Gesamtzusammenhang. (siehe Abb. S. 29) FARBE IM KONTEXT VON MATERIAL UND RAUM

33

Malen heißt nicht Formen färben, sondern Farben formen.43 Henri Matisse Mit der Installation „Genter Raum 1979/1980“ geht der Künstler Imi Knoe­bel­­ (geb. 1940) ebenfalls weit über die herkömmlichen Vorstellungen von einem Gemälde hinaus und arbeitet an der Schnittstelle von Plastik, Installation, Architektur und Malerei. Variabel angeordnete Holzplatten wurden beidseitig mit dem Pinsel lackiert. Sie liegen sortiert in Stapeln auf dem Boden, wirken wie zerlegtes Material und sind nach Farben geordnet. An den Wänden hängen, gleich Bildtafeln, weitere Platten. Knoebel hat die Farben mit Bedacht ausgewählt und kombiniert und sie in den Raum hineinkomponiert. Weitere auf dem Boden geschichtete, gruppierte Holzabschnitte liegen darum herum und wirken wie skulpturale Blöcke. Die Arbeiten der Künstler zum Thema Farbe scheinen unerschöpflich. Von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert erfolgte die Entwicklung der Malerei als eine zunehmende Spezifizierung der Sprache der Farbe. Als schließlich Anfang des 20. Jahrhunderts die Farbe von den Künstlern als eigenes Motiv stark intensiviert wurde, wurden die zahlreichen Facetten ihres Wesens sichtbar. Dass die Farbe über Jahrhunderte hinweg als bloßes Kolorit genutzt wurde, zum Flächenfüllen, zur Formbegrenzung oder zur Objektdarstellung, scheint heute undenkbar. „Malen heißt nicht Formen färben, sondern Farben formen.“44 Dieses Zitat von Henri Matisse charakterisiert treffend das Verständnis des Malers von Farbe. Die verschiedenen künstlerischen Ansätze, die die Wege zur Abstraktion ermöglicht haben, die Suche nach einem starken Ausdruck, der Expression, radikale Kompositions- und Ordnungsprinzipien, aber auch die breit gefächerte Arbeit mit Farbmaterial oder alle Versuche, ihre dreidimensionale Wirkung zu entfalten, gaben der Farbe eine autonome Kraft. Seit Farbe und Form sich von der zwingenden Darstellung der Wirklichkeit trennten, loten sämtliche Künstlergenerationen die Beziehungen von Bildinhalt, Form und Farbe aus, nutzen sie zur Formulierung ihrer künstlerischen Aussagen und erzeugten vollkommen unterschiedliche Bildsprachen. Farbe ist zu immer wieder neuen Aussagen geeignet und vermag unsere statischen und definierten Bildwelten aufzulösen. Das Verlangen und die Suche nach dem Wesen der Farbe, sei es als Material, als raumkonstituierendes Element oder als Ursache des Erhabenen, machen sie zu einem faszinierenden Medium. Donald Judd, für den die Farbe zum wichtigsten Element seiner Arbeit zählte, sieht die Auseinandersetzung mit Farbe als unerschöpflichen Vorgang: „Farbe wird immer auf neue Weise interpretiert werden, so daß ich keineswegs meine, daß meine Art die endgültige ist: Tatsächlich meine ich, daß sie ein Anfang ist. Das Konstante an ihr könnte ihr unendlicher Wandel sein.“45 34

43 Schröder 2013. 44 Schröder 2013. 45 Elger 1999, S. 115.

Ad Reinhardt, Abstract Painting No.5, 1962, Öl auf Leinwand, 60 × 60 cm FARBE IM KONTEXT VON MATERIAL UND RAUM

35

Positionen zur Farbe in der Architektur Adolf Loos, Haus Brummel, Pilsen, Tschechien, 1929

Farbwahrnehmung als individuelles Ereignis In der Architekturdarstellung ist Farbe nicht einmal ein Strich auf der Wand. Sie zeigt sich als Haut, Beschichtung oder Lasur, als Folie oder eingefärbtes Material, mit oder ohne sichtbare Spuren des Anwenders oder Verarbeiters. Farbwahrnehmung ist eine Momentaufnahme in einem sich durch Licht und Umweltverhältnisse permanent wandelnden Kontext. Das eigentliche Wesen von Farbe wird erst durch die Anschauung des Betrachters oder durch eine gestalterische Absicht entfaltet, da Farbe sich allgemeingültiger Aussagen entzieht und ihr sinnliches Erleben mit persönlichen, subjektiven Farbvorstellungen verbunden ist. Dieser Verknüpfungsprozess stellt sich immer wieder neu ein, beeinflusst unseren Farbeindruck und entspricht einem Sammeln und Abgleichen von Erfahrungen. Im Laufe unseres Lebens verändern sich diese Vorstellungen permanent. Daher ist Farbe schwer greifbar und wird häufig als ein riskantes Instrument empfunden, welches allzu leicht durch modische Strömungen manipuliert werden kann. Sie ist als tektonisches Gestaltungsmittel daher nach wie vor umstritten. Zudem gelingt es nur äußerst vage, die ständig variierende Erscheinungsweise von Farben verbal zu formulieren. Unser Auge kann zwar über 7,5 Millionen Farbdifferenzen unterscheiden, aber es ist unmöglich, diese Vielzahl an Zwischentönen zu benennen und sprachlich zu differenzieren. Dies begründet die Schwierigkeit in der Vermittlung von Farbe und Farbvorstellungen; die Kategorisierung und Benennung bringt zwangsläufig eine Auswahl und Schwerpunktsetzung mit sich. Von Naturvölkern ist bekannt, dass einzelne Farben sogar mit zahlreichen unterschiedlichen Bezeichnungen benannt werden, während andere Farbtöne unter einem Begriff zusammengefasst sind. Jede Gesellschaft, Epoche und Kultur hat bisher eigene Farbvorstellungen hervorgebracht. Wenn der Historiker Michel Pastoureau von einer Farbe als einem vielschichtigen kulturellen Gebilde spricht, bezieht er sich auf die Tatsache, dass jede Gesellschaft in ihrem kulturellen Kontext mit den regionalen Möglichkeiten über die Zeit hinweg eigene Zugänge zu Farbe entwickelt hat.1 Somit wurde Farbe über Jahrtausende hinweg mit symbolischen Bedeutungen versehen und semantisch aufgeladen. Immer wieder haben Künstler, Wissenschaftler und Architekten im Laufe der Geschichte versucht, Anwendungsprinzipien zu erstellen und eine Farbsystematik zu formulieren, um einen nachvollziehbaren, gesicherten und objektiven Zugang zur Farbe zu generieren. Die Qualität des Umgangs mit Farbe liegt jedoch nicht in ihrer eindeutigen Erfassbarkeit, Planbarkeit und Disponierbarkeit, sondern im Erleben und im Wahrnehmen ihrer Unbestimmbarkeit. Dies veranlasste wohl den Architekten, Maler, Grafiker und Bildhauer Max Bill (1908–1994) zu seiner Äußerung, „Farbe hat in der Architektur nichts zu tun“.2 Materialfarbigkeit erscheint im Gegensatz zur Farbigkeit von Beschichtungen „ehrlich“ und unverfänglich, während Farbempfinden und eine freie Farbanwendung subjektive, kognitive und emotionale Prozesse sind. 38

FARBWAHRNEHMUNG ALS INDIVIDUELLES EREIGNIS

Der Umgang mit Farbe in der Baukunst aus historischer Sicht

1 Pastoureau 2013, S. 7. 2 archithese 6/94, S. 46. 3 Le Camus 1780. 4 Winckelmann 1764 nach Winckelmann 1808, Band 4, S. 49. 5 Choisy 1873.

Neben der mangelnden Greifbarkeit von Farbe ist die Zurückhaltung vieler Architekten im Umgang mit ihr im Raum auch historisch geprägt. Nicolas Le Camus de Mézières (1721–1789) gehörte zu den ersten Architekten, die die Auswirkungen von Licht, Schatten, Farbe und Proportion auf die menschliche Psyche und die Atmosphäre von Räumen untersuchten. In seinem 1781 erschienenen Werk Le génie de l’architecture, ou L’analogie de cet art avec nos sensations werden erstmalig synästhetische und nicht rein dekorative oder geschmackliche Wirkungszusammenhänge mitbedacht. Letztere waren bis ins 19. Jahrhundert hinein bestimmend für die Farbigkeit in der Architektur, beispielsweise bei schmückendem Beiwerk in Gestalt von stark ornamentierten Wandbehängen, Tapeten oder Verzierungen, die erheblichen Einfluss auf die Anmutung der Innenräume hatten. Erst diese Art der Ausschmückung vervollständigte den Bau, und die farbige Ausgestaltung wurde zu einem zentralen Thema der Architektur. Nicolas Le Camus de Mézières vertrat den Standpunkt, dass der Architekt im Sinne eines ganzheitlichen Raumbildes für die Gesamterscheinung verantwortlich sei, und nicht die beauftragten Dekorationsmaler.3 Das Berufsbild des Peintre d’impression sah jedoch ein breites Aufgabenfeld wie Stuckarbeiten, Ornamentmalerei, Paneel- und Deckenarbeiten vor, welches der Kunstfertigkeit des jeweiligen Handwerkers überlassen wurde. Im selben Jahrhundert ergründete der Archäologe Johann Joachim Winckelmann (1717–1768) als einer der Ersten die Polychromie der Architektur und Plastik im Altertum, definierte aber mit seinen Aussagen auch zeitgleich die klassische weiße Antike als Schönheitsideal. „Da nun die weiße Farbe diejenige ist, welche die mehresten Lichtstrahlen zurückschicket, folglich sich empfindlicher machet: so wird auch ein schöner Körper desto schöner sein, je weißer er ist.“4 Die beeindruckenden weißen Ruinen der antiken Stätten in Rom und Athen galten aufgrund ihrer reinen, weißen Ästhetik als vollkommen. Sie wurden 1873 in der Schrift L’art de bâtir chez les Romains des französischen Architekturhistorikers Auguste Choisy (1841–1909) publiziert, der intensiv die konstruktiven Systeme der klassischen Antike erforschte.5 In Wirklichkeit war die Antike jedoch nicht weiß, sondern farbig. Bildhauerei, Architektur und Malerei arbeiteten Hand in Hand. Allerdings handelte es sich bei der Farbigkeit der Antike nicht um eine dekorative Stilart, sondern um die Absicht, die Wesenshaftigkeit und damit die Identität von Orten und Objekten zu verdeutlichen und zum Teil des Ganzen werden zu lassen. Die bereits im 18. Jahrhundert gewonnenen Erkenntnisse über die Polychromie antiker Architekturen und Plastiken wurden erst Ende des 19. Jahrhunderts anerkannt; sie widersprachen dem rationalen Farbverzicht des Klassizismus. Dessen in der gängigen Vorstellung durch die weiße Antike geprägte Architektursprache setzte auf eine kühle Farbigkeit, weitgehenden Farbverzicht und eine Vorliebe für Steinfarben. Keine äußerlich angebrachte Farbe sollte erscheinen, das Gebäude lediglich durch die monochrome Farbigkeit des Steines bestimmt werden. Dies führte

DER UMGANG MIT FARBE IN DER BAUKUNST AUS HISTORISCHER SICHT

39

im 19. Jahrhundert zu einem Grundsatzdiskurs über die Behandlung von Farbe im Raum. An der intensiven Diskussion, die ausgehend von der Antike geführt wurde, beteiligten sich bedeutende Künstler, Architekten und Wissenschaftler. „Der häufige Missbrauch, der mit Malereien und Farben so leicht gemacht wird, darf uns kein Grund seyn, jede Farbe zu verbannen, und alles, was nicht grau, weiss oder erdfahl ist, kurzweg für bunt zu erklären.“6 Gottfried Semper (1803–1879), einer der dominierenden Architekten und Theoretiker im 19. Jahrhundert, beschäftigte sich intensiv mit dem Thema der Polychromie in der Architektur. Semper wollte die Einseitigkeit des rationalen und kühlen Klassizismus mit seinen Schriften überwinden. Er versuchte unmittelbar auf den Ausdruck der Zeit und den verschwindenden Naturbezug einzugehen, als er schrieb: „Farben sind minder schreiend, als das blendende Weiss unserer Stuckwände“.7 Semper publizierte diese Gedanken 1834 in Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architektur und Plastik bei den Alten, einem Aufsatz, in dem er beschreibt, dass Polychromie natürlich und notwendig sein kann. Semper begründete dies mit der Dauerhaftigkeit und dem Schutz des Materials durch Anstriche. Bei seinen Ausführungen zur Farbigkeit antiker Architektur schwingt bereits mit, dass Farbe eine gesellschaftspolitische Dimension besitzt. Für Semper war Polychromie ein fortwährender Bestandteil der Architektur. In seinen später als „Bekleidungstheorie“ bekannt gewordenen Schriften stellt er die Bedeutung der sichtbaren Oberfläche als eine Form von Gewand für die Raumkonstitution über das verborgene Tragwerk dar. Es sei „gewiss, dass die Anfänge des Bauens mit den Anfängen der Textrin zusammenfallen“.8 Ornament und Farbe basierten demnach auf den ursprünglich die Außenwände formenden Textilien und blieben auch bei deren Ablösung durch massive Gebäude als dekorative Elemente erhalten. Semper interessierte sich weniger für den materialästhetischen Aspekt als für den konstruktiven Zusammenhang von Tragwerk und Hülle, welche sich physisch wie ideell miteinander verbinden. Neuerungen im Zusammenklang von Farbe, Raum und Kunst Im Laufe des 19. Jahrhunderts vollzog sich schließlich eine Wende im Umgang mit Farbe. Die Dekorationsmaler verloren ihre künstlerische Selbstständigkeit, da Architekten vollumfängliche Planungsaufträge übernahmen und Farbe, sei es durch Anstriche oder farbige Materialien, eine neue räumliche und architektonische Relevanz erhielt. Farbe war nun nicht mehr eine zufällig auf die Wand aufgebrachte Dekoration, sondern Teil der räumlichen Komposition, im wahrsten Sinn des Wortes raumkonstituierend oder raumentmaterialisierend. Dies kommt besonders in der Ausgestaltung des Farbkonzepts für den Crystal Palace zum Ausdruck, den der britische Gärtner und Architekt Joseph Paxton (1803–1865) für die erste Londoner Weltausstellung 1851 als gewaltige Konstruktion aus Eisen, Glas und Holz entwarf. Der Architekt und Designer Owen Jones (1809–1874), ebenfalls Brite, entwickelte basierend auf den 40

William Simpson, Innenraum des Crystal Palace, um 1851, Aquarell auf Papier Das zeitgenössische Aquarell zeigt den Innenraum des von Josef Paxton geplanten Crystal Palace mit der Ausmalung nach Plänen von Owen Jones.

6 Semper 1834, S. 42. 7 Semper 1834, S. 42. 8 Semper 1860, S. 227. 9 Jones 1865, S. 11. 10 Olsson, in: Farbe in der Kunst 2010, S. 121. 11 Giedion 2000, S. 181.

Erkenntnissen von Eugène Chevreul (1786–1889) zum Simultankontrast, dem Gesetz der multiplen Proportionen vom englischen Chemiker George Field (1777–1854) und seinen eigenen Studien islamischer Ornamentik ein für die Zeit radikal abstraktes Konzept der Farbgestaltung. Es basierte auf simplen geometrischen Flächen in den Grundfarben Blau, Rot und Gelb, ergänzt durch Weiß, und hatte das Ziel, die monumentale Dimension des Gebäudes zu stärken und gleichzeitig zu strukturieren. Über die große Länge des Gebäudes verschwimmen die Farben nach den Grundsätzen des Komplementärkontrastes in der Ferne miteinander und neutralisieren sich so. Gleichzeitig wird auf die mittlere Distanz der Eindruck von Licht und Schatten betont. In der Längssicht verschmelzen die hellblau gestrichenen Eisenträger mit dem Himmel. Unterhalb der Träger liegen rote Streifen, die im Schatten verschwinden und diesen so verstärken; sichtbar werden sie nur beim direkten Blick nach oben. Die Stützen sind mit schmalen Streifen in den Grundfarben angelegt, immer von weißen Linien getrennt, um ihre Mischung zu verhindern und ihre Leuchtkraft hervorzuheben.9 „Mit dieser Zugangsweise wird der Begriff der atmosphärischen Farbe eingeführt – über ein Jahrzehnt, bevor Impressionisten und Neoimpressionisten anfingen, die Punkttechnik in die Malerei einzuführen“.10 Die gigantischen Dimensionen des Crystal Palace ermöglichten das Konzept der optischen Farbenmischung in der Ferne und führten zu dieser einzigartigen diffusen Verschwommenheit, die in zeitgenössischen Medien mit der Farbwirkung der Gemälde von William Turner verglichen wurde. Sigfried Giedion beschrieb den Crystal Palace in „Space, Time and Architecture“ als „die Verwirklichung eines neuen Baugedankens, für den es kein Vorbild gab“.11 In technischer und ästhetischer Hinsicht galt das Gebäude als Wegbereiter des modernen Bauens in einer Zeit, als in großen Teilen Europas die verschiedenen Arten des Historismus, basierend auf der Suche des Bürgertums nach Identität, die prägenden Stile waren.

NEUERUNGEN IM ZUSAMMENKLANG VON FARBE, RAUM UND KUNST

41

Einer der bedeutendsten Architekten dieser Zeit, Adolf Loos, (1870–1933), wollte dem Historismus die Vorstellung des modernen Menschen entgegensetzen. Folgerichtig entwickelte er die moderne Architektur aus dem Historismus heraus. Er sprach sich gegen jegliches verzierende, historische Dekor und die Imitation von Materialien aus. Er nahm das Semper’sche Prinzip der Bekleidung sowohl in seiner Architektur als auch begrifflich auf und definierte den Wohnraum stark über die Raumbegrenzungsflächen, während er die Konstruktion negierte. Seine funktionellen Planungen beruhten auf von innen nach außen entwickelten Konzepten. Loos verknüpfte räumliche Plastizität mit Farbigkeit und führte über die Farbe eine weitere Wahrnehmungsebene ein. Durch eine starke Materialfarbigkeit und Maserung charakterisierte Oberflächen wie Marmor oder Wurzelholz kombinierte Loos mit in kräftigen Farben gestrichenen Hölzern oder Wand- und Bodenbelägen. Farbe als reines Beiwerk lehnte er ab, stattdessen nutzte Loos sie zur Kontrastierung und zur Verdeutlichung seiner Raumidee. Daher bezeichnete er die kräftigen, reinen Farben als natürliche und „wirkliche“ Farben. Seine breite und von starker Buntheit gekennzeichnete Farbenpalette setzte sich stark von den gängigen abgetönten Farbpaletten ab. Die Raumoberflächen und Raumbegrenzungen hatten dem Prinzip der Bekleidung zu folgen, und eine Verwechslung des bekleideten Materials mit der Bekleidung musste ausgeschlossen werden. „Das heißt: Holz darf mit jeder Farbe angestrichen werden, nur mit Einer nicht – der Holzfarbe.“12 Loos wandte sich somit prinzipiell gegen die „holzfladerei“, die Imitation „harten Holzes“ durch entsprechende Farbstoffe und die Anwendung von nachahmenden Holzfarben. Auf keinen Fall durften günstige Materialien durch Farbe aufgewertet werden. Auch bei der Gestaltung seiner Interieurs folgte Adolf Loos seinen Prinzipien: Die scheinbare Schmucklosigkeit wurde durch zweckmäßige Details, starke Farbigkeit und ausdrucksstarke Materialien gebrochen. So erreichte er die Opulenz bei der Ausgestaltung repräsentativer Innenräume wie zum Beispiel im Haus Brummel in Pilsen: Ein streng axialsymmetrischer Grundriss, bei dem alle Räume durch eine Mittelachse miteinander verbunden sind, wurde statt der herkömmlichen dekorativen Ornamentik mit Belägen, Verkleidungen und Einbaumöbeln aus stark gemaserten und farbintensiven Hölzern oder Steinplatten und Textilien in kräftigen Farben ergänzt. Im Esszimmer wurde eine Wurzelwerktäfelung aus kanadischer Pappel verwendet; das Wohnzimmer ist mit gebeizten Eichenplatten getäfelt. Hinter dem Esszimmer befindet sich das Gelbe Zimmer, das Arbeitszimmer einer späteren Besitzerin. Für Sitzbänke und Einbauschränke nutzte Loos oftmals buntlackierte Sperrholzplatten. Nicht nur Loos erkannte dem Farbwert und der Erscheinung des Materials größte Bedeutung zu. Zeitgleich zu seinen Villenbauten und Interieurs errichtete der Architekt Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969), ebenfalls einer der wichtigsten Vertreter der Moderne und späterer Bauhausdirektor, den Deutschen Pavillon für die Weltausstellung in Barcelona 1929. Mies van der Rohe setzte in diesem Projekt „die stoffliche Opulenz“13 ein, 42

12 13 14

Opel 2010, S. 141. werk, bauen wohnen, 6/2016, S. 9. Opel 2010, S. 173.

Aus Grün wird Olivengrün, aus Roth wird Braunroth. Und in dieser olivengrünen und braunrothen Tapeziersauce sind wir ein ganzes Jahrhundert herumgeschwommen.14 Adolf Loos

Adolf Loos, Haus Brummel, Pilsen, Tschechien, 1929 NEUERUNGEN IM ZUSAMMENKLANG VON FARBE, RAUM UND KUNST

43

Mies van der Rohe, Deutscher Pavillon, Barcelona, Spanien, 1929

Vereinfache deine Formen, um mit Erfolg farbig wirken zu können.15 Fritz Schumacher um räumliche und maßstäbliche Zusammenhänge zu betonen. Flächen sind identisch mit Farbeinheiten, nur handelt es sich hier nicht um Farbe, sondern um Materialien, die bewusst wegen ihrer Oberflächeneigenschaften ausgewählt, entsprechend poliert und behandelt wurden. Ganz im Sinne von Loos wurde Farbe so zum integralen Bestandteil des räumlichen Konzepts.16 Die Anmutung des Materiellen wurde von vielen bedeutenden Architekten zum Gesetz erhoben, welche die Farbigkeit und Wertigkeit von Räumen rein durch den Einsatz von Material anstrebten. Der russische Theoretiker Dimitri Toporkov (1885–1937) sah die Berechtigung des aufflammenden Interesses am Material in dessen Missachtung und Missbrauch in der künstlerischen Produktion des 19. Jahrhunderts begründet. Er formulierte einen engen Zusammenhang zwischen dem Material und einer aus der natürlichen Formbarkeit des Materials abgeleiteten Form. „Das Material muss geformt werden. Diese Forderung hebt die bisherige Geringschätzung des Materials auf. Man darf das Material nicht vernachlässigen, ansonsten verfallen wir erneut der alten Geschmacklosigkeit.“17 Imitationen und an andere Stoffe angelehnte Bearbeitungsweisen wie zum Beispiel geflochtene Porzellankörbe lehnte er strikt ab. „Kurzum, mir scheint, daß das Thema des Materials, das in unserer Zeit so modern ist, Anlaß zu vielen Fehlleitungen und Verirrungen geben kann.“18 Neue Materialien wie Eisen, Beton und Glas, technische Erfindungen und politische Veränderungen riefen zugleich eine neue Zeit des Bauens aus: Unter den neuen Gegebenheiten musste der Mensch sich in seinen Wahrnehmungen vollkommen neu orientieren, Kunst und Architektur mussten zu neuen Haltungen finden. Viele Reformbewegungen kennzeichnen somit den Anfang des 20. Jahrhunderts. 44

15 Schumacher 1907, S. 116. 16 Mack, in: Colours 2001, S. 8. 17 Toporkow aus Rübel 2005, S. 292. 18 Toporkow nach Rübel 2005, S. 294. 19 Olsson, in: Farbe in der Kunst 2010, S. 122. 20 Schumacher 1907, S. 116. 21 Apollinaire, in: Wood 1998, S. 226.

Mit der Gründung des „Deutschen Werkbunds“ 1907 schloss sich eine Vereinigung von Architekten, Künstlern, Kunsthandwerkern und Unternehmern zusammen, die Funktionalität und Materialgerechtigkeit als wesentliche Gestaltungskriterien erachteten, um ein neues, eigenständiges Form- und Qualitätsbewusstsein zu schaffen. Gründungsmitglieder waren unter anderen Peter Behrens (1868–1940), Theodor Fischer (1862–1940), Wilhelm Kreis (1873–1955), Hermann Muthesius (1861–1927), Joseph Maria Olbrich (1867–1908), Karl Ernst Osthaus (1874–1921, Richard Riemerschmid (1868–1957), Fritz Schumacher (1869–1947) und Henry van de Velde (1863–1957). Besonders Muthesius und van de Velde stritten um die Frage nach der Ausrichtung des Werkbundes als Befürworter standardisierter, industrieller Massenproduktion (Muthesius) oder individueller, künstlerisch geprägter Haltungen (van de Velde). Parallel zum Diskurs unter den Künstlern und Architekten entstanden zunehmend flächigere Darstellungsweisen in der Malerei; neue konzeptionelle Wege im Denken wurden beschritten, und aus der Kunst heraus entwickelte sich ein neues Raumverständnis. Hatten sich die Impressionisten Ende des 19. Jahrhunderts bereits für die Loslösung der Farbe von der Form stark gemacht (siehe S. 7–36), so entwickelte sich kurze Zeit später im Expressionismus eine starke bildnerische Dynamik und kraftvolle Farbigkeit über eine neu definierte und abstrahierte Beziehung von Form, Farbe und Fläche. „Wenn die Farbflächen so groß sind, dass keine optische Mischung entsteht, zeigt sich ein Effekt der visuellen Interaktion“.19 Voller Überzeugung veröffentlichte Architekt und Werkbundmitbegründer Fritz Schumacher (1869–1947) 1901 seinen bis heute nachwirkenden Artikel Farbige Architektur. Darin verweist er auf die gegenseitige Beeinflussung von Form und Farbe und bezieht John Ruskins (1819–1900) Gedanken zur Unabhängigkeit von Form und Farbe mit ein. Auch auf die gegenseitige negative Beeinträchtigung von Form und Farbe wird in diesem Kontext hingewiesen.20 Besonders der sich ab 1907 entwickelnde Kubismus sowie das Hervorheben funktionaler und rationaler Kriterien in Gestaltungsprozessen stellten Anfang des 20. Jahrhunderts eine radikal neue Ästhetik dar und lieferten entscheidende Impulse für die moderne Architektur. Die Überwindung der herkömmlichen Raumperspektive und das Entdecken der Simultaneität im Kubismus ließen sich nicht direkt in die Architektur übertragen, inspirierten jedoch in ganz Europa Künstler, Theoretiker und Architekten. Alle bis dahin geltenden Gesetze in der Malerei sollten außer Kraft gesetzt werden. Nicht mehr eine Kunst der Nachahmung, sondern eine Kunst der Vorstellung war gefragt.21 Aber nicht nur der Kubismus, auch die abstrakten Reliefkonstruktionen Wladimir Tatlins (1885–1953), die 1913 mit dem Begriff des Konstruktivismus bezeichnet wurden, oder der Suprematismus Kasimir Malewitschs (1878–1935) standen für neue, unterscheidbare Definitionen individueller Positionen.

NEUERUNGEN IM ZUSAMMENKLANG VON FARBE, RAUM UND KUNST

45

Wenzel Hablik, Esszimmer im Hablik-Haus, Itzehoe, 1923

Wenzel Hablik – Raumkunst und Malerei Der Universalkünstler und Expressionist Wenzel Hablik (1881–1934) galt als einer der produktivsten und experimentierfreudigsten Entwickler seiner Zeit. Als der Architekt Bruno Taut (1880–1938) im November 1919 „Die Gläserne Kette“ gründete, eine der berühmtesten Briefgemeinschaften für Architekten und Künstler, stand Hablik mit Walter Gropius (1883–1969), Hans Scharoun (1893–1972) sowie weiteren Architekten, Schriftstellern und Malern in reger Diskussion über utopische Raum- und Architekturvisionen. Aufgrund der allgemeinen Farbbegeisterung der frühen 1920er-Jahre und dem Wunsch folgend, Architektur, Plastik und Malerei in der Idee des Gesamtkunstwerks zu verbinden, entwarf Hablik beeindruckende Raumkonzepte für zahlreiche Interieurs. Die Gestaltung des Raumes als künstlerische Einheit war das Ziel. Hablik arbeitete zwischen 1921 und 1928 an der Schnittstelle von Malerei, Wandbild und Raumkomposition und schuf seinen eigenen Farbenkosmos. Einflüsse der niederländischen Gruppe De Stijl, aber auch des russischen Konstruktivismus sind in seinen Entwürfen zu finden. Als farbiges Raumkunstwerk entstand 1923 in Itzehoe eine von Wenzel Hablik im eigenen Haus fertiggestellte Decken- und Wandmalerei. Im Sinne einer Webstruktur ergibt sich ein verflochtenes Raumbild aus Farbbändern, die trotz ihrer Asymmetrie als Ganzes ausgewogen erscheinen. Eine Hohlkehle zwischen Decke und Wand diente dem Erstellen einer durchgehenden Farbtextur. Trotz der vielen intensiven Farbtöne und der unterschiedlich breiten, die Richtung wechselnden und sich überkreuzenden Streifen scheint eine kompositorische Ordnung hinterlegt zu sein. Verdichtungen, Konturen und wenige gesättigte, angelegte Flächen werden genutzt, um einzelne Raumelemente wie Möbel oder Öffnungselemente zu einem möglichst geschlossenen Raumbild zusammenzufassen und in die Komposition einzubeziehen. Beispielhaft sei hier das Anlegen goldener Rechtecke an der Deckenfläche für die Positionierung der Beleuchtungskörper genannt. Aber auch kleinteiligere, sich verdichtende Farbelemente an den Wänden sind Teile der Gesamtordnung. Sie erinnern in ihrer abstrakten, architekturartigen Erscheinungsweise an den suprematistischen Künstler Kasimir Malewitsch.22

22 Bartel 2007, S. 26–31. WENZEL HABLIK – RAUMKUNST UND MALEREI

47

De Stijl – Abstraktion durch Farbe Die verstärkte Suche der Künstler nach reinen Ausdrucksmitteln und neuen Raumkonzeptionen im 20. Jahrhundert ließen Farbe, Form, Material und Raum überraschend neue Verbindungen eingehen. Schlüsselfiguren wie Le Corbusier (1887–1965) und Amédée Ozenfant (1886–1966), Kasimir Malewitsch (1878–1935), László Moholy-Nagy (1895–1946), Theo van Doesburg (1883–1931) oder Piet Mondrian (1872–1944) arbeiteten an einer Kunst, welche die wissenschaftlichen und technischen Gegebenheiten ihrer Zeit abzubilden suchte. 1917 bildete eine Gruppe von Malern, Bildhauern und Architekten um den Maler und Theoretiker Theo van Doesburg, den Maler Piet Mondrian sowie den Architekten J. J. P. Oud die niederländische Gruppe De Stijl, für die van Doesburg eine gleichlautende Zeitschrift herausgab. Die Namensgebung „De Stijl“ erfolgte in Anlehnung an Gottfried Sempers unvollendetes Hauptwerk Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten (von 1860/1863), das zu damaliger Zeit heftig diskutierte wurde. Die Protagonisten verfolgten ihre künstlerischen Ziele mit stark reduzierten Mitteln ohne jeglichen persönlichen Ausdruck und zogen ihre Kraft aus einer zum Teil radikalen Vereinfachung. Klarheit, Sachlichkeit und Zweckmäßigkeit galten dabei als oberste Maximen. Sie waren der Überzeugung, aus der Erfindung eines abstrakten, eingeschränkten Systems ein universelles Thema und allgemeingültige Gesetze ableiten zu können. Die 1924 in der Zeitschrift De Stijl von van Doesburg benannten plastischen Grundelemente sind Masse, Fläche, Zeit, Raum, Licht und Farbe. Sie werden funktional und sparsam eingesetzt, unter Beibehaltung vollkommener Ungegenständlichkeit. Es war nur noch zulässig, gerade oder „sanft wogende“, vertikale oder horizontale Linien in Verbindung mit einem auf den Arbeiten Piet Mondrians basierenden Farbspektrum aus den kontrastierenden Primärfarben Blau, Gelb und Rot, ergänzt durch die sogenannten Nichtfarben Schwarz, Weiß und Grau, zu verwenden. Im Mai 1924 veröffentlichte Theo van Doesburg in der belgischen Zeitschrift La Cité den Beitrag La signification da la couleur en architecture. In seinem Artikel hebt van Doesburg die Farbe als das wesentliche Element der Architektur hervor, das die gegenseitigen Bezüge zwischen Objekt und Raum erst herstelle. „Wir haben der Farbe ihren richtigen Platz in der Architektur gegeben und wir behaupten, dass die von der architektonischen Kon­ struktion getrennte Malerei keinerlei Daseinsberechtigung hat.“23 Und ein Jahr später schreibt Theo van Doesburg: „Die neue Architektur gestattet die Farbe organisch als direktes Mittel des Ausdrucks ihrer Beziehungen innerhalb von Raum und Zeit. Ohne Farben sind diese Beziehungen nicht real, sondern unsichtbar.“24 Bestimmend werden die kompositorische Funktion der Farbe, die Spannung und das Gleichgewicht zwischen Farben und Flächen. Farbe soll als gleichwertiges Ausdrucksmittel zu Baumaterialien wie Stein, Stahl oder Glas anerkannt werden. Van Doesburg unterscheidet zwischen dem herkömmlichen Einsatzzweck von Farbe als Anstrich und dem Einsatz 48

23 24

De Stijl, in: Conrads 2013, S. 62. De Stijl, in: Conrads 2013, S. 75.

Gerrit Rietveld, Utrecht, Niederlande, 1924

Theo van Doesburg, Cornelis van Eesteren, Maison Particulière, 1923, Entwurfszeichnung

Maison Particulière, 1923, Theo van Doesburg, Theo van Doesburg, Café l‘Aubette, Entwurfskizze, CorneliusFrankreich, van Eesteren1926 Straßburg, DE STIJL – ABSTRAKTION DURCH FARBE

Jean Albert Gorin schuf von 1947 bis 1956 gleichermaßen künstlerische Werke und architektonische Zeichnungen. Er bezeichnete sich selbst als „Maler-Architekten“. In seiner Raumkomposition von 1930 verfolgt er den zentralen Gedanken des De Stijl.

Jean Albert Gorin, Chromoplastique architecturale, 1930, 51 × 41 cm, Tusche, Gouache, Silberfarbe und Bleistift auf Papier

von Farbe als raumbildendem Element. Über große Flächen und starke Kontraste übernahm die Farbe die Aufgabe der Raumdefinition. In dem Projekt „Maison Particulière“ in Zusammenarbeit mit dem Architekten Cornelis van Eesteren (1897–1988) gelang erstmals die Umsetzung der theoretischen Gedanken in den Raum: Die Prinzipien der Malerei wurden auf den Raum übertragen. Die Farbe nahm nun nicht mehr ganze Raumflächen ein, sondern Farbflächen wurden mit dem Ziel, die Raumflächen und Begrenzungen aufzulösen, bewusst komponiert. Die Farbgestaltung beeinflusst die Wahrnehmung der Raumvolumen derart, dass das Gebäude, obwohl es nach den traditionellen konstruktiven Prinzipien des Mauerwerksbaus errichtet wurde, den offenen Grundriss vorgibt. Das Ergebnis ist die Abstraktion des Raums. Theo van Doesburg formulierte 1918 diese Wirkung in einem Aufsatz in der Zeitschrift De Stijl so: „Die Architektur solle eine konstruktive, geschlossene Skulptur schaffen, welche die Malerei wiederum öffnen würde mit unmodulierten Farben in ausgewogenen Proportionen. Der Architekt stabilisiere, und der Maler destabilisiere.“25 Der Niederländer Gerrit Rietveld (1888–1964), der sich schon früh der De Stijl-Bewegung angeschlossen hatte, setzte in seinem 1924 fertiggestellten Schröder-Haus in Utrecht den Gedanken, dass Farbe und Form gleichberechtigte Elemente der Komposition seien, konsequent um. Das Haus ist eine räumlich bewohnbare Farbplastik, losgelöst von jeglichen Konventionen. Frei montierte farbige Flächen und Stäbe bilden den Raum; das Gebäude löst sich visuell in die Einzelelemente auf. Die Farbskala ist auf Weiß, Grau und Schwarz begrenzt, ergänzt durch Akzente in Blau, Rot und Gelb. Das Gebäude basiert auf dem Grundgedanken reiner Konstruktion, gebildet aus rational aneinandergefügten und voneinander unabhängigen Elementen. Die Montage dieser Elemente bestimmt eine Dynamik, die auf der wechselseitigen Beziehung zwischen Unabhängigkeit und gegenseitiger Verbindung beruht.26 Ab 1923 experimentierte Theo van Doesburg in seinen mit „Contra-­ Composition“ betitelten Bildern mit dynamischen Diagonalen. Er publizierte 1926 in der Zeitschrift De Stijl das „Manifest des Elementarismus“, in dem er die dynamische Diagonale einführt. Der Elementarismus griff Ideen des Dada, von De Stijl, des Futurismus und des russischen Suprematismus sowie der „Prounen“ von El Lissitzky auf, mit dem van Doesburg am Bauhaus in Weimar Kontakt hatte. Die Theorien des Elementarismus setzte van Doesburg im von ihm gestalteten Festsaal des Café l’Aubette in Straßburg um, über den er sagte: „Der Betrachter ist nicht mehr vor dem Gemälde, sondern in diesem angesiedelt“.27 Die in diesem Projekt vollzogene Abkehr vom rechten Winkel führte zum Bruch Mondrians mit der Künstlergruppe De Stijl.28 Die Wände des Festsaales sind mit einer Komposition aus zu den Raumkanten hin diagonal angeordneten, als Relief herausgearbeiteten Rechtecken überzogen. Sie sind mit den starken Grundfarben des De Stijl ausgefüllt und, um Farbinterferenzen zu verhindern, durch weiße Bänder voneinander getrennt. Der Raum sollte nicht auf einen Blick erfasst, sondern durch Bewegung räumlich erlebt werden. 50

DE STIJL – ABSTRAKTION DURCH FARBE

Die Vertreter von De Stijl überlagerten den architektonischen Raum mit einer neuen Interpretationsebene, der Farbe. Alle Gliederungen, Verzierungen und Ornamentik, die bisher für die Architektur wesentlich waren, wurden zugunsten einer Auseinandersetzung mit Körpern, Flächen und Räumen aufgegeben. Sie suchten nach dem Schlüssel für wahrhaft zeitgenössische Architektur und Kunst. Bauhaus – Das Gesamtkunstwerk

25 26 27 28 29

Blotkamp 2000, S. 59. Ruegg 1994, in: Daidalos 51, S. 66–77. Blotkamp 2000, S. 95. Blotkamp 2000, S. 89. Itten 1961.

Als Wegbereiter der klassischen Moderne übte die Gruppe De Stijl auch großen Einfluss auf das von dem Architekten Walter Gropius 1919 in Weimar mitgegründete Bauhaus aus. Gropius, der in Austausch mit Theo van Doesburg stand, lud diesen Ende 1921 nach Weimar ein. 1922 bezog von Doesburg ein Atelier in Weimar und artikulierte in privaten Kursen und Vorträgen seine konstruktivistische Gestaltungsform. Dagegen bestand die gängige Ausrichtung des Bauhaus zu dieser Zeit überwiegend in der Verflechtung von handwerklichen und expressionistischen Ideen. Walter Gropius versammelte als Leiter einen Kreis von führenden Vertretern des Expressionismus, sogenannte „Meister der Form“ und „Werkstattmeister“, mit dem Ziel, die Architektur als Gesamtkunstwerk und führende Gattung mit allen anderen Künsten zu verbinden. Diese programmatische Fokussierung auf die Architektur spiegelte sich jedoch in den Anfangsjahren in der Lehre nicht zwingend wider; eine eigene Klasse für Architektur wurde erst 1927 gegründet. Der Unterricht am Bauhaus entwickelte sich erst schrittweise in Richtung des Leitbilds, nach dem die Künste sich aus der Isolierung lösen und vielfältige Synthesen von Kunst, Architektur, Design, Handwerk und Industrie eingehen sollen. Die Lehrenden, unter ihnen Lyonel Feininger (1871–1956), Johannes Itten (1888–1967), Josef Albers (1888–1976), Paul Klee (1879–1940), Wassily Kandinsky (1866–1944) und Oskar Schlemmer (1888–1943), vermittelten zum Teil stark unterschiedliche ästhetische Standpunkte in Bezug auf Form und Farbe in ihren Kursen. Zunächst war die Lehre und Anwendung von Farbe stark geprägt durch die Theorien Ittens, eines bedeutenden Vertreters des internationalen Konstruktivismus. Als Maler beschäftigte er sich mit den Zusammenhängen von Form und Farbe. Er ordnete den Grundformen bestimmte Farben zu und verband Farben mit Eigenschaften wie Temperatur oder Stimmung. In seinen Kursen schufen die Studierenden Studien zum Nebeneinander von Farben und Farbkontrasten; seine Erkenntnisse veröffentlichte er 1961 in seinem Buch Kunst der Farbe.29 In der Klasse des deutsch-amerikanischen Malers und Karikaturisten Lyonel Feininger setzte man sich unter anderem mit Tiefenwirkungen von Bildarchitekturen durch Farbe auseinander. Es gab zudem eine eigene Werkstatt für Wandmalerei unter der Leitung des Künstlers Wassily Kandinsky und des Malers, Bildhauers und Bühnenbildners Oskar Schlemmer, die auch im Maßstab eins zu eins arbeitete. Kandinsky unterrichtete im Rahmen des Vorkurses die Formenlehre, zu der auch eine umfangreiche Farbenlehre gehörte. Diese entwickelte er bereits in seiner frühen Schrift

BAUHAUS – DAS GESAMTKUNSTWERK

51

Über das Geistige in der Kunst 30 von 1911. Es war das erste seiner Bücher, das sich mit der Theorie abstrakter Zeichen befasste und synästhetisch ausgerichtet war. Durch die Auseinandersetzung mit Theo van Doesburgs Thesen und den Weggang Ittens 1923 setzte sich eine rationalere Haltung durch. Ittens Nachfolger László Moholy-Nagy sprach der Farbe den Wert eines eigenständigen Materials zu, dessen Oberfläche sich durch die Zusammensetzung unterschiedlicher Kombinationen und Konzentrationen von Pigment, Bindemittel und Zuschlagsstoffen bildet. Arbeiten im Raum waren vom Gedankengut des Expressionismus und der kräftigen Farbigkeit der Räume aus der Biedermeierzeit in Weimar beeinflusst. Starke Farben wurden kompletten einzelnen Raumflächen zugeordnet. Dabei schaffte die Abstimmung der unterschiedlichen Farbtöne im Raum besondere Raumeindrücke, zum Beispiel wurden Raumproportionen durch dunkle Decken scheinbar verändert. Gleichzeitig wurden Experimente mit dem Farbauftrag in zahlreichen, fast transparenten Schichten durchgeführt, die farbige Oberflächen mit besonderer Struktur und Tiefe hervorbrachten. Der Bauhaus-Schüler, Künstler und Architekt Andor Weininger (1899– 1986) wurde Mitarbeiter der Wandmalerei-Werkstatt von Kandinsky und beschäftigte sich schon früh mit dem Thema Fläche und Räumlichkeit sowie der Interaktion von Malerei und Architektur. Van Doesburgs Ideen beeinflussten Weininger stark und er führte die Auseinandersetzung mit De Stijl in einer eigenständigen Werkreihe weiter. Seine vielen kleinformatigen Entwürfe sind auf Formate der Wandgestaltung übertragbar und wurden in einer Reihe von Skizzen prozesshaft festgehalten. Wie ein roter Faden ziehen sich die Beschäftigung mit dem Gleichgewicht von Form und Raum sowie die Bemächtigung des Raumes mittels Farbe durch seine Arbeiten (siehe S. 98–102). Ende 1924 entschied sich das Staatliche Bauhaus in Weimar für einen Umzug nach Dessau. Die dort errichteten Bauten zeigen als Antwort auf die neue Architektur den Einsatz von Farbe als eigenständigem Gestaltungselement, das in der Lage ist, die räumliche Erscheinung zu modifizieren und ihre Wirkung als Gesamtkunstwerk auf den Betrachter zu steigern.31 Unter der Führung von Hinnerk Scheper (1897–1957) begann 1925 eine Zeit, in der Farbe nicht mehr dekorativ, sondern nur noch rein auf die Architektur bezogen eingesetzt wurde. Im neuen Bauhaus-Gebäude diente Farbe zum einen dazu, tragende und nicht tragende Elemente zu differenzieren, wurde zum anderen aber auch als Beschichtung auf Decken zur Orientierung eingesetzt. Gropius blieb trotz der zeitgenössischen Diskussionen zur Polychromie, die sich zwischen Le Corbusier, Fernand Léger (1881–1955) und der Gruppe De Stijl abspielten, ein Verfechter der „weißen“ Architektur – zumindest für die Außenhülle von Gebäuden –, die für ihn ein Symbol der Klarheit, Reinheit und konzeptionellen „Durchgeistigung“ der Architektur war.32 Die neu gebauten Häuser der Meister haben weiße Außenfassaden, wurden aber im Inneren mit Farbkonzepten ausgestaltet, die von ihren 52

BAUHAUS – DAS GESAMTKUNSTWERK

Bewohnern konzipiert wurden und so Ausdruck der Verschiedenheit der Persönlichkeiten sind. Paul Klee malte sein Atelier in kontrastierendem Schwarz-Gelb aus, im Haus von Wassily Kandinsky wurden Räume und Zonen durch eine eher pastelltonige Farbpalette differenziert, die jedoch die Räume als Ganzes begreift.33 Neben dem Bauhaus gingen wesentliche Impulse von der 1927 fertiggestellten Stuttgarter Weißenhofsiedlung, auch Werkbundsiedlung genannt, aus. Die Siedlung war Teil der 1927 vom Deutschen Werkbund ini­ tiierten Ausstellung Die Wohnung, die an verschiedenen Orten Stuttgarts stattfand und Bauten international anerkannter Architekten umfasste, welche sich durchweg zum neuen Bauen bekannten. Tätig waren unter anderen die der Gruppe De Stijl angehörenden Künstler J. J. P. Oud und Mart Stam sowie Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe, Hans Scharoun, Le Corbusier und Pierre Jeanneret. Besonders die Architekten von De Stijl und Le Corbusier haben mit ihrer Arbeit viele Analogien zwischen Kunst und Architektur hergestellt. Ihre moderne Architektur fasste als Plattform und Projektionsraum die verschiedenen Disziplinen im Sinne einer Synthese zusammen. Eine wichtige Verknüpfung von Farbe, Raum und Kunst entstand auch über die Möblierung. Neben dem Schaffen eines ästhetischen Gesamtbilds sollte eine komplette Erneuerung der gesamten Umwelt des Menschen erfolgen. Le Corbusier – Von der Wandmalerei zur Raummalerei

30 31 32 33 34 35 36

Kandinsky 1911 nach Kandinsky 1912. Buether 2013. Wick 1983, S. 486. Droste 2015, S. 126f. Choisy 1873. Heer 2009, S. 129. Léger 1946, zitiert nach: Léger 1971, S. 118.

Für den jungen Maler und Architekten Le Corbusier, dessen architektonisches Werk sich zu Beginn in „weiße“ und später in „polychrome“ Phasen gliederte, stellte Auguste Choisys L’art de bâtir chez les Romains 34 eine bedeutsame Inspirationsquelle dar.35 Als Maler allerdings hatte Le Corbusier bereits früh mit der flächenhaften Farbigkeit im Stil des Kubismus gearbeitet und stand in enger Verbindung zu den Gedanken des Malers Fernand Léger. In den 1920er-Jahren entstanden lebhafte Diskurse über Malerei und Architektur sowie die Rolle von Farbe im Raum. Le Corbusier zitierte das Statement seines Freundes Léger, dass Farbe wie Wasser ein menschliches Grundbedürfnis sei.36 Einigkeit herrschte zwischen den beiden über die wesentliche Fähigkeit von Farbe, den Raum zu verändern und aufzulösen, aber während Le Corbusier als Architekt diesen Vorgang als seinen Schaffensbereich betrachtete, beharrte Léger darauf, dass nur ein Maler befähigt sei, Farbkonzepte im Raum umzusetzen. In ihrem Artikel Le Purisme zur puristischen Kunstauffassung – erschienen 1921 in der Zeitschrift L’Esprit Nouveau – formulierten der Maler Amédée Ozenfant und Le Corbusier ihre Theorien zur Anwendung von Farbe in einem von ihnen selbst als „Purismus“ bezeichneten Stil, der auf der Abhängigkeit der Farbe von der Form basiert. Die Farbe ist im Raum nun kein dekoratives Element mehr, sondern entwickelt ihre raumbildende Qualität, indem sie die tatsächliche Raumgeometrie unterstützt. Farbflächen belegen dazu immer ganze Raumflächen, ähnlich den Prinzipien der kubistischen Malerei, welche Gegenstände zu Farbflächen abstrahiert.

LE CORBUSIER – VON DER WANDMALEREI ZUR RAUMMALEREI

53

Jede Farbigkeit muss die Wand respektieren, ihre Form, ihr Volumen und ihren Zweck.37 Alberto Sartoris

Le Corbusier, Innenansichten eines Gebäudes der Weißenhofsiedlung, Stuttgart 1927 54

37 38

Sartoris, in: Circle 1937, S. 212. Von Moos 1966, in: Das Werk 53, S. 413–420.

Im gleichen Zuge beschrieben Amédée Ozenfant und Le Corbusier drei Reihen von Farben, die auf ihren Beobachtungen zur räumlichen Dynamik einzelner Farbtöne basierten, und schufen damit eine konkrete Basis für den Einsatz von Farbe im Raum: „grande gamme“ (große Farbreihe) – die konstruktiven und formerhaltenden Farben, „gamme dynamique“ (dynamische Reihe) – die dynamischen und formverändernden Farben sowie „gamme de transition“ (Reihe des Übergangs) – die Reihe der flächigen Farben. Dies sollte der Anfang von Le Corbusiers Beschäftigung mit Farbe sein, die 1931 in sein 1959 nochmals erweitertes Werk Polychromie Architecturale mündete. In Anlehnung an das Gedankengut des Purismus schrieb der Architekt Alberto Sartoris 1937 in seinem Artikel Colour in interior architecture: „Jede Farbigkeit muss die Wand respektieren, ihre Form, ihr Volumen und ihren Zweck.“37 Mit der „grande gamme“ reduzierte Le Corbusier bereits seit den 1920erJahren Farben auf eine streng eingeschränkte Auswahl von meist mineralischen Farbpigmenten. Dazu gehörten Erdfarben, gelber und roter Ocker, Weiß, Schwarz, Ultramarin und die daraus ableitbaren Farbtöne. Mit diesen Farben wurden Eigenschaften wie Natürlichkeit und Vertrautheit, Zurückhaltung und Ausgewogenheit verbunden. Ihre Anwendung im Raum und ihre charakteristische Zurückhaltung erschienen beherrschbar, ihre scheinbare Neutralität vertiefte die räumliche Plastizität, ohne den Raum zu stark zu manipulieren, ihn zu dekonstruieren oder aber zu stark zu emotionalisieren. Ergänzend zu der architektonisch statischen großen Farbreihe setzte Le Corbusier die dynamische Reihe aus kräftigeren Farben zusammen, die chemisch hergestellt wurden. Hier dominierten Kobaltblau, Veroneser Grün und Zitronengelb, Orange und Chromrot. Aufgrund ihrer starken Sättigung und Farbintensität, aber auch ihres mitunter emotionalisierenden Farbtons können diese Farben den Raum dynamisieren und modifizieren und die Wirkung der Proportionen verändern, die perspektivische Ansicht beeinflussen und Kontraste verstärken. Die Reihe der flächigeren Farben wurde im Sinne dekorativer Farben oberflächengestaltend eingesetzt und umfasst Lasurfarben wie Smaragdgrün oder Karminrot. Der Farbe näherte sich Le Corbusier auch in seinen Bildern, in denen er – der Tradition des Kubismus folgend – das Prinzip der Dissoziation von Form und Farbe im Bildaufbau anwandte. Er löste sich also, wie es Stanislaus von Moos beschreibt, von der „figürlichen Integrität von Form und Farbe “38. Le Corbusier setzte Farbtöne ein, um die Raumwirkung zwischen Raumfassung und Raumfluss zu steuern und zu korrigieren. Gleichzeitig betonte Le Corbusier in seinen Schriften die Bedeutung der Farbe Weiß. Der 1925 im Buch L’Art décoratif d’aujourd’hui erschienene Text Le Lait de Chaux – La Loi du Ripolin ist ein enthusiastisches Plädoyer für ein erfundenes Gesetz, das einen weißen Anstrich zum Übertünchen aller Farben und Dekorationen bei allen Gebäuden fordert. Weiße Farbe dient hier als Symbol für gesellschaftlichen Aufbruch, Erneuerung und Reinigung. Gleichzeitig wird das Weiß als Hintergrund für die bessere Lesbarkeit von farbigen Volumen im Raum verwendet. Dieser weiße Hintergrund wurde bestimmender Teil der Gebäude Le Corbusiers in der Zeit

LE CORBUSIER – VON DER WANDMALEREI ZUR RAUMMALEREI

55

zwischen 1922 und 1931 und diente als vereinheitlichende Basis seiner architektonischen Kompositionen. Vor dem weißen Hintergrund treten farbige architektonische Elemente wie Kamine, Rampen oder Wandscheiben plastisch hervor. Trotzdem unterstreicht Le Corbusier die Bedeutung dieser farbigen Elemente. Er vergleicht ein rein weißes Haus mit einem „Cremetopf“.39 Auf das von Theo van Doesburg und Cornelis van Eesteren 1923 ausgestellte Modell der „Maison Particulière“ reagierte Le Corbusier mit Kritik. Er betonte, dass im Purismus Wände als farbige Einheiten interpretiert würden, die den Raum ausbalancieren.40 Beeindruckt von dessen theoretischen Schriften, gab der Industrielle Henry Frugès Le Corbusier freie Hand bei der Umsetzung seiner Ideen zum Schaffen von standardisierten, günstigen Wohnungen für die Arbeiter seines Sägewerks. So entstand 1924–1926 die Siedlung Frugès in Pessac. Die Formensprache und Proportionen der Wohnhäuser sind bestimmt durch den optimierten Herstellungsprozess. Die Farbe wird hier als der Architektur gleichwertiges Gestaltungsmittel bewusst und gezielt eingesetzt, um räumliche Wirkung zu erzielen. Bisher hatte Le Corbusier Farbe vornehmlich genutzt, um die Körperhaftigkeit der Gesamtform zu betonen und um die zum Teil noch eher rudimentären Vorfertigungstechniken in der Konstruktion zu vereinheitlichen. Bei den Wohnhäusern in Pessac jedoch wurde sie der Form gleichwertig eingesetzt. Die Farbe wird als Fläche auf einen dreidimensionalen Körper aufgetragen, ohne den Anschein zu erwecken, der Körper sei farbig oder etwa „durchgefärbt“. Die Auswahl der Farben ist sorgfältig durchkomponiert; sie erinnert mit einer aus einem erdigen Rot, Himmelblau, Blassgrün und Weiß bestehenden Farbpalette an die Gemälde der Puristen. Die einzelnen Farben übernehmen in der städtebaulichen Komposition bestimmte Aufgaben. In der Straßenansicht wechseln sich weiße und dunkle Flächen ab, um die Uniformität der Geometrie zu durchbrechen und eine scheinbare Tiefenstaffelung zu erzeugen, welche die Abstände zwischen den Häusern größer erscheinen lässt. Das Aufeinandertreffen von hellem und dunklem Farbton an der Gebäudeecke lässt das Volumen der Häuser verschwinden und die Verteilung der Flächen in den Vordergrund treten.41 In den Jahren 1922 bis 1927 schuf Le Corbusier weitere Bauten, deren farbige Ausgestaltung auf dem Gedankengut des Purismus basierte. Der Raum wurde auf architektonische Form und Farbe reduziert. Ganze Raumflächen sind farbig angelegt, um die Plastizität der Architektur zu fördern, den Raumfluss zu unterstreichen und Räume zu fassen. Im von tragenden Wänden befreiten Grundriss der Villa La Roche (1923–1925) setzte Le Corbusier Farbe ganz bewusst als Gestaltungsmittel zur Verstärkung der Plastizität seiner Architektur ein. Sie leitet das Auge und setzt Schwerpunkte. Durch einen mehrschichtigen, teils lasierenden Auftrag der mit Leim oder Öl gebundenen Pigmente erhielt die Farbe eine optische Tiefe und ganz eigene Materialität. Ein vorherrschender cremiger Weißton bildet den Hintergrund für das Spiel mit Fläche, Volumen und Farbe. Im Atrium werden die hellen Flächen durch bewusst gesetzte dunkle Flächen kontrastiert, die wie Schatten zurücktreten und quasi 56

39 40 41 42

Klinkhammer 2011, S. 22. Klinkhammer 2011, S. 23. Le Corbusier 1927, S. 58. Boesinger 1967, S. 193.

Le Corbusier, Farbkonzept für die Siedlung Pessac, Pessac, Frankreich, 1926

Mit der Verwendung von Farbe und der Hilfe der Maurerkelle ist die Schönheit des rohen Betons sichtbar geworden.42 Le Corbusier

Le Corbusier, Unité d’Habitation, Marseille, Frankreich, 1947–1952 LE CORBUSIER – VON DER WANDMALEREI ZUR RAUMMALEREI

Le Corbusier, Maison Guiette, Antwerpen, Belgien, 1926–1927

Le Corbusier, Kloster Sainte-Marie de La Tourette, Éveux bei Lyon, Frankreich, 1956–1960

43 44 45 46

Trautwein 3/2012. Boesinger 1967, S. 193. Klinkhammer 2011, S. 28. Pauly 1997, S. 124.

unsichtbar werden. Es entsteht der Eindruck einer räumlichen Skulptur; Farbe führt zur Verstärkung von Licht und Schatten. Die engen Flure und Durchgänge dagegen werden durch blaue Flächen erweitert. Über Reflexionen, die durch die starke Materialität der Farbe verstärkt werden, beeinflussen sich die Farbflächen gegenseitig.43 Nach Beendigung der Zusammenarbeit mit Ozenfant 1925 brach Le Corbusier mit den vom ihm selbst formulierten Prinzipien und entwickelte seine Konzepte zur Anwendung von Farbe im Raum weiter. Er betrachtete Farbe nun als autonomes, raumbildendes Gestaltungsmittel, gleichrangig zu Grundriss und Schnitt. Farbe war jetzt nicht mehr an die Fläche gebunden, sondern überlagerte und variierte mit eigenem Rhythmus das rigide auf den Maßen des Modulors basierende tragende Skelett der Gebäude. Kräftige Farbtöne stehen collagenartig neben roh belassenem Material wie Sichtbeton, der durch den Einsatz unterschiedlicher Schalungsmaterialien wie ein Relief wirkt. Le Corbusier sagte 1952 in einer Ansprache zur Eröffnung der Unité d’Habitation in Marseille über die sichtbaren, rohen, oft fehlerbehafteten Betonoberflächen: „Die Kontraste haben gewirkt. Mit der Verwendung von Farbe und der Hilfe der Maurerkelle ist die Schönheit des rohen Betons sichtbar geworden.“44 Der in der Frontalansicht sichtbare rohe Beton der Großstruktur der Loggien löst sich in der Schrägsicht durch die Überlagerung mit einer Farbsequenz auf. Die Seitenwände der Balkone sind mit kräftigen Farben bemalt, die in einem von der Fläche unabhängigen komplexen geometrischen System die maximale Variation des monotonen brise soleil schaffen. In den Fluren der Unité durchbricht ein komponiertes Zusammenspiel von Material, Farbe und Tageslicht die Länge und Geometrie des Raums, welches Le Corbusier selbst als „außergewöhnliche und geheimnisvolle Farbsymphonie“45 beschrieb. Inspiriert durch seine Erfahrungen aus der Malerei und Bildhauerei arbeitete Le Corbusier mit dem vollen Potenzial von Farbe als Material im Raum. In der 1955 fertiggestellten Kapelle von Ronchamp bildet ein weißer Anstrich der Innenwände die Leinwand für die Ausbreitung von Farbe durch Reflexion. Nur an wenigen Stellen wird diese Reflexion durch vom Kirchenschiff aus nicht direkt sichtbare, stark farbig angelegte Flächen weiter befeuert. Eine große Anzahl kleiner, in einer tiefen Laibung sitzender, farbig angelegter Glasflächen erzeugt durch einfallendes Tageslicht eine Art sichtbaren Farbnebel im Innenraum, der im Laufe des Tages und mit der Veränderung der Außenbedingungen einen stetig wechselnden Farbeindruck erzeugt.46 In der Krypta des Klosters Sainte-Marie de La Tourette wird das Farblicht durch kräftig farbige Flächen zu einer Gesamtkomposition ergänzt, in der Farbe, Fläche und Raumskulptur interagieren. Durch drei Lichtkanonen, deren Laibungen in den Farben Gelb, Schwarz und Rot angelegt sind, fällt durch Reflexion eingefärbtes Licht, das die farbig angelegten Flächen im Raum erstrahlen lässt. Die blaue Deckenuntersicht wird mit einer in der Komplementärfarbe Gelb angelegten Wandscheibe kontrastiert. Die Kirche selbst ist ein geometrisch einfacher Bau mit spärlichen Lichtquellen, erhält aber, durch den Einsatz von Licht und Farbe, Dynamik sowie eine

LE CORBUSIER – VON DER WANDMALEREI ZUR RAUMMALEREI

59

transzendente poetische Qualität. Die Farbe verstärkt die im Raum erlebbare kraftvolle Wechselwirkung zwischen den in ihm platzierten Volumen und ihrer Umgebung. Der 1946 in der Zeitschrift L’Architecture d’Aujourd’hui erschienene Text L’Espace indicible (deutsch: der unbeschreibliche Raum) beschreibt den außerordentlichen Raumeindruck.47 Mit seinen Claviers de Couleurs, die 1931 bei der Basler Tapetenfirma Salubra erschienen, erschuf Le Corbusier ein Arbeitsinstrument, das mittels eines Schiebers Grundfarben und Kontrastfarben miteinander kombiniert. Sämtliche scheinbar frei zu wählende Farbgruppen waren hier allerdings von Le Corbusier vorgedacht worden. Im Jahre 1933 stellte sein Schweizer Schüler Alfred Roth, der schon die Ausführung und Ausstattung der beiden Häuser Le Corbusiers in der Weißenhofsiedlung übernommen hatte, ein zusammengefasstes Farbenprogramm der modernen Architektur dem Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM) vor. Roth kategorisierte hierfür die Farben einzelner Künstler und Architekten. Er wurde engagierter Wortführer der Moderne. 1949 erläuterte Roth in seinem Text Von der Wandmalerei zur Raummalerei: „Es handelt sich also nicht etwa darum, Farbe in ähnlicher Weise wie in historischer Zeit zu rein dekorativen Zwecken, vornehmlich an Konstruktionsteilen, oder in Form von Ornamenten zu verwenden, sondern darum, der Farbe eine ihrem inneren Wesen entsprechende, durch den architektonischen Rahmen bedingte Entfaltung einzuräumen, um dadurch die architektonischen Ideen zu verdeutlichen und den Gesamteindruck zu vollenden und steigern. Aus Wandmalerei wird damit Raummalerei, was eine Neuerung in der Geschichte der Kunst bedeutet.“48 Bruno Taut – Farbe als Ausdruck einer Utopie Nicht nur die gesellschaftlichen und sozialen Themen im frühen 20. Jahrhundert erhielten durch die bedeutsamen Umbrüche in der Arbeitswelt und der Politik ein neues Gewicht. Auch die Felder der Philosophie und Psychoanalyse gewannen durch Nietzsche und Freud an Bedeutung. Farbe wurde nun nicht mehr als rein gestalterisches Medium betrachtet, sondern als elementares Sinneserlebnis, das auch auf andere Bereiche übergreift. Komponisten wie Alexander Skrjabin und Arnold Schönberg schufen die Gattung der „Farblichtmusik“.49 In diesem Umfeld entwickelt Bruno Taut einen neuen, abweichenden und unorthodoxen Umgang mit Farbigkeit. „Die fortschrittlichsten Architekten verwendeten im Gegensatz zum konservativen Baugeschehen dieser Zeit die Farbe nicht in einem ornamentaldekorativen oder malerischen Sinn, die oft als eine nachträgliche Beigabe zur fertigen Baugestalt hinzukam, sondern als das was sie ist: Sie sollte als Farbe an sich wirken und als solche wurde ihr im Zusammenhang mit der Bauidee eine bestimmte Aufgabe zugewiesen.“50 (Oskar Putz) Der Gedanke, der bei Sempers Beschäftigung mit der Farbigkeit der griechischen Architektur schon mitschwang, nämlich dass Farbe eine gesell60

47 48 49 50 51

Le Corbusier 1946. Roth 1949, S. 56. Brenne 2005, S. 18. Putz, in: UmBau8 1984, S. 37. Putz, in: UmBau8 1984, S. 39.

Bruno Taut, Hufeisensiedlung, Berlin 1925–1930, restaurierter Innenraum, „Tautes Heim“, Ben Buschfeld und Katrin Lesser, 2012

schaftspolitische Dimension besitzt, offenbarte sich auch bei den Bauten und Siedlungen der Klassischen Moderne von Bruno Taut. Parallel zur wiederentdeckten Materialfarbigkeit von Mies van der Rohe setzte Bruno Taut, beeinflusst vom Gedankengut des Expressionismus, in seinen Siedlungen des Sozialen Wohnungsbaus intensive Farben ein. Sie stellten für ihn, gerade in den wirtschaftlich schwachen 1920er-Jahren, eine kostengünstige Möglichkeit dar, die Materialvielfalt der traditionellen Bauten nachzuempfinden, und erlaubten es, in den durch serielle Typisierung oftmals eintönigen Wohnsiedlungen, prägende Orte und räumliche Differenzierungen zu schaffen. Im Kontext der vielerorts herrschenden Armut sollte Farbe gegen das graue Mietskasernenelend als Stifterin von Lebensfreude eingesetzt werden und der Monotonie entgegenwirken; die Architektur sollte über Farbe unmittelbar mit dem Ort verbunden werden. Taut war mit seinen Ideen Vorreiter der Wiedereinführung der Farben im Stadtbild und löste durchaus kontroverse Diskussionen aus.51 Die erste farbige Siedlung Bruno Tauts war die Siedlung Falkenberg. Kurz nach der Einweihung 1913 wurde ihr aufgrund der kräftigen Farbgebung der Name „Tuschkastensiedlung“ verliehen. Eine Komposition aus 14 verschiedenen Farbtönen, die unabhängig von der Anordnung der

BRUNO TAUT – FARBE ALS AUSDRUCK EINER UTOPIE

61

Haustypen komponiert wurde, erzeugt städtebauliche Raumbildungen durch Farbräume.52 Neben der starken künstlerischen Komponente dieser Siedlung hatten Tauts Arbeiten auch eine soziale Komponente. Er realisierte klein- und großmaßstäbliche Bauaufgaben und mit ihnen seine Vision von einer sozialeren Stadt. Auch die Ausrichtung zum Tageslicht war bei Taut ein Kriterium für die Wahl der Farbe, die in seinen Augen durch die Sonne mit Energie aufgeladen und zum Strahlen gebracht wird. Die Farben wurden in Abhängigkeit von der Himmelsrichtung angeordnet. Taut verwendete mineralische, erdpigmenthaltigen Farben, die nicht „rein“ sind, sondern unter dem Mikroskop in allen Farben des Spektrums schillern. Sie können das Sonnenlicht und Tagesstimmungen deshalb viel lebendiger reflektieren.53 Insbesondere in seinem eigenen Haus lotete er 1926 die Möglichkeiten und Extreme der starken Farbigkeit von Innenräumen aus und bezog ihre räumliche Wirkung auf das sich verändernde Tageslicht. Dabei stimmte er Komplementärfarben so aufeinander ab, dass „Buntheit“ durch das Entstehen eines weißen Nachbildes vor dem geschlossenen Auge vermieden wurde. Die im Schatten liegende, leuchtend rote Wohnzimmerdecke wird durch das Grün der umgebenden Wiese kontrastiert; das Chromgelb der Stirnwand interagiert mit dem Ultramarinblau des Nebenzimmers. Hier erzeugt die Farbe keine abstrakte Raumplastik, sondern hat einen direkten Bezug zu der Umgebung und eine unmittelbare Wechselwirkung mit ihr beziehungsweise der angrenzenden Farbfläche.54 Der differenzierte und vielschichtige Umgang mit Farbe bei Bruno Taut zeigt einmal mehr die Möglichkeit, mit Farbe Mittel zur Individualisierung, Identitätsbildung und Unterscheidbarkeit zu generieren. Er gliederte die Farbe, gab ihr klare Zuweisungen, ordnete sie Details zu und unterstellte sie funktionellen Bindungen. Farbe dient als Orientierungsgeber und hat zugleich formende Wirkung: Das Volumen des Baukörpers zeichnet sich klar ab; additive Elemente wie Balkone, Treppen oder Geländer heben sich durch Farbe ab. Es ist Taut gelungen, Farbe gleichberechtigt neben Form und Material zu etablieren – sei es im stadträumlichen Kontext, im nachbarschaftlichen Bereich oder aber im Innenbereich. Als Bruno Taut 1921 in seinem „Aufruf zum farbigen Bauen“ unter der Überschrift „Der Regenbogen“ auf eine „durch Jahrhunderte gepflegte Tradition“ farbiger Baugestaltung verweist, brachte er – fraglos im Anschluss an Semper – die kulturhistorische Dimension der Farbe ins Spiel: Weil „die rein technische und wissenschaftliche Betonung die optische Sinnesfreude getötet“ habe, seien an der Stelle „farbiger und bemalter Häuser“ „grau in graue Steinkästen“ entstanden. An die Stelle der „Matt­ heit und Unfähigkeit“, das neben der Form wesentlichste Kunstmittel im Bauen, nämlich die Farbe, anzuwenden, solle, so argumentierte Taut, der historisch verbürgte „Mut zur Farbenfreude am Innern und Äußern des Hauses“ treten.55 Mit seinem Farbverständnis löste sich Taut von den allzu dogmatischen Konzepten des Bauhaus und begegnete rein ästhetisch begründeten Positionen mit einem neuen Zugang zu sinnlicher Wirkung und Wahrnehmung. 62

52 53 54 55 56 57 58

Brenne 2005, S. 59 f. Brenne im Gespräch mit Cornelia Dörries, Dab-online, März 2006. Ruegg, in: Daidalos 51/1994, S. 75. Taut, in: Bauwelt Fundamente 8 2014, S. 97–98. Daidalos 51/1994, S. 29. Pauly 2008, S. 84. Pauly 2008, S. 46–49.

BRUNO TAUT – FARBE ALS AUSDRUCK EINER UTOPIE

Luis Barragán – Zwischen Tradition und Magie Der mexikanische Architekt Luis Barragán (1902–1988) brachte den expressiven Einsatz von Farbe und Licht im Raum zur Vollkommenheit. Seine Arbeit war stark von regionalen, traditionellen Einflüssen geprägt, aber auch von den Entwicklungen der europäischen Moderne inspiriert. 1924/1925 erregte der Pavillon von Le Corbusier für die Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in Paris, den er während seiner Europareise besichtigte, seine Aufmerksamkeit. Barragán hatte zuvor bei einem Aufenthalt in New York auch den Wiener Architekten Friedrich Kiesler (1890–1965) kennengelernt, von dem er Kenntnisse über europäische Architekturdebatten, den Raumplan von Adolf Loos, die Entwicklungen des Bauhaus und der De-Stijl-Bewegung gewann. Bei seiner zweiten Europareise traf Barragán Le Corbusier persönlich und besichtigte seine Bauten. Dessen Theorien wurden 1926 mit der Veröffentlichung des Werks Vers une Architecture zu einer Offenbarung für die junge Avantgarde in Mexiko. Fortan bestimmten rationelle Raumaufteilungen, eine Einfachheit der Formensprache und das Fehlen jeglicher Ornamente Barragáns Architektur. Nach einer Schaffenspause wurde das Licht zum elementaren Werkstoff seiner Arbeit. Sein Augenmerk lag hierbei auf der Synthese moderner Architektur und mexikanischer Tradition. Dabei empfand Barragán die Farbe „als Vollendung der Architektur. Sie hilft, einen Raum zu vergrößern oder zu verkleinern, zugleich verschafft sie ihm diesen Hauch von Magie, den ein Ort benötigt.“56 Die poetische Qualität von Barragáns Räumen spiegelt die Wirkungskraft von Farbe eindrücklich wider. An seinen Arbeiten zeigt sich deutlich, dass Farbe neben der räumlichen Wirkung auch das atmosphärisch bestimmende Element in der Architektur sein kann, von dem eine starke emotionale Bedeutung ausgeht. „Ich glaube an emotionale Architektur. Es ist wichtig für die Menschheit, dass Architektur durch ihre Schönheit berührt. Obgleich viele gleichwertige technische Lösungen für ein Problem existieren, bietet nur die Architektur dem Benutzer eine Botschaft der Schönheit und Emotion.“57 (Luis Barragán)

Während seiner ersten Europareise (1924/25) besuchte Luis Barragán Griechenland, Spanien und Italien und war von den Bauten der Alhambra und dem Garten des Generalife, einem der ältesten verbliebenen maurischen Gärten, nachhaltig beeindruckt.58

Barragán erzeugte durch das Anlegen großer Farbfelder eine intensive, verdichtete Strahlkraft der Farbe, die sich im Laufe des Tages über alle anderen Bauteile ausbreitet. Die Gebundenheit der Farbflächen an Bauteile oder Baukörper materialisiert und verortet die Farbe einerseits, andererseits findet durch Licht und Reflexion eine Auflösung und Freisetzung der Farbe in den Raum statt. Sie führt zu dieser für Barragán typischen verschmelzenden Komposition aus Raum, Farbe und Licht mit ständig wechselnden Farberscheinungen. Die von Barragán eingesetzten Farben finden sich im Kontext traditioneller mexikanischer Kultur wieder und zeugen von seiner starken persönlichen Verbindung zu seiner Herkunft. In Mexiko ist die Farbe Ausdruck von Tradition, und die Palette lässt sich auf wenige der Natur entstammende Farben reduzieren, die in unzähligen Nuancen fortwährend interpretiert wurden.

LUIS BARRAGAN – ZWISCHEN TRADITION UND MAGIE

63

Luis Barragán, Casa Barragán, Mexiko-Stadt, Mexiko, 1948 64

LUIS BARRAGAN – ZWISCHEN TRADITION UND MAGIE

Das Gesamtwerk Barragáns beinhaltet ein sehr breites Farbenspektrum, welches neben einer mexikanischen Farbpalette der spezifischen Heimatfarben auch auf europäische Einflüsse zurückgreift. Er setzt jedoch kein Grün ein, da dieses durch die Pflanzen und Gärten ergänzt wird, die – neben spiegelnden Wasserflächen, die bei Bewegung vibrierende Bilder erzeugen – in seiner Arbeit eine zentrale Rolle spielen. Unterstützt werden die Farben durch das starke, weiße Zenitlicht Mexikos, das bei direkter Sonneneinstrahlung die kräftigen Farben verblassen lässt und dunkle Schatten wirft, welche die Kanten scharf hervortreten lassen. Die Sichtbarkeit von Mikrostrukturen zum Beispiel im Putz wird durch den Schattenwurf verstärkt. Barragáns farbige Raumflächen steigern diesen Effekt; die Architektur verliert ihre Plastizität und löst sich in Einzelflächen auf.59 Barragáns kritische Reflexion der Moderne und seine Reisen nach Europa führten ihn zu einer durch Empfindung und Bewegung gekennzeichneten Raumvorstellung; dabei strebte er eine inszenierte und durch Begrenzung, Farbe und Licht charakterisierte dynamische Erfahrbarkeit von Raum an. Diese Vorstellung steht im Gegensatz zu den damaligen Entwicklungen und Tendenzen, den gebauten Raum zu entmaterialisieren. Die Auseinandersetzung mit den Bauhaus-Lehrern Johannes Itten und Josef Albers ließ ihn seine eigenen Farbraumexperimente weiterentwickeln und brachte neue Erkenntnisse in Bezug auf Interaktionen und Tiefenwirkungen. Im Raum war seine Vorgehensweise keineswegs akademisch, sondern intuitiv: Er ließ zunächst den Rohbau errichten und entschied dann vor Ort nach ausführlicher Anschauung der so entstandenen Räume und Beobachtung der natürlichen Lichtverhältnisse über die weitere Ausführung. Die Räume entwickelten sich langsam; im letzten Schritt vollendete die Farbe sie. Barragán hatte dabei keine Scheu, bereits getroffene Entscheidungen zu revidieren. Die Farben wurden zunächst auf provisorische Platten aufgetragen und ihre Wirkung wurde vor Ort überprüft. Sie dimensionieren den Raum, staffeln Räume kulissenhaft oder erzeugen fließende Raumbezüge. Barragán nutzte intensiv Skizzen und Arbeitsmodelle im Entwurfsprozess, um die Flächenbezüge und die Lenkung des Lichtes gezielt zu studieren. Zeitlebens verweigerte er eine Erklärung seiner Vorgehensweise, sondern rief den Betrachter dazu auf, durch genaue Beobachtung einen eigenen Eindruck zu gewinnen: „Fragen Sie mich nicht nach diesem oder jenem Werk, suchen Sie nicht, was ich mache, sondern sehen Sie, was ich sehe.“60 Eine Zeit der Möglichkeiten

59 Pauly 1997, S. 150. 60 Pauly 2008, S. 21. EINE ZEIT DER MÖGLICHKEITEN

Unter dem zerstörerischen Einfluss des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges litt ganz Europa. Mit ihrer Machtübernahme hatten die Nationalsozialisten nicht nur das Bauhaus, sondern auch sämtliche avantgardistische Richtungen zerschlagen. Es entstand ein intellektuelles Vakuum. Als man in den Nachkriegsjahren vor allem damit beschäftigt war, die zerstörten Städte wieder aufzubauen, wollte die Mehrheit der Architekten an die Moderne anknüpfen. 65

Lucio Fontana, Fonti di energia, Soffitto al neon, Rauminstallation für „Italia 61“, Turin, 1961, Rekonstruktion im Pirelli-Hangar, Bicocca, Italien, 2017 66

61 62 63

Archithese 6/94, S. 46. Batchelor 2014, S. 35. Brock, in: Vegesack 2000, S. 202–210.

EINE ZEIT DER MÖGLICHKEITEN

Propagiert von der damals einflussreichen Ulmer Schule um Max Bill61, herrschte in Anknüpfung an die Tradition des Bauhauses weiterhin der Einsatz von Wertigkeit suggerierender Materialfarbigkeit und reinem weißen Putz als Ausdruck des neuen Bauens vor. Trotz der Arbeit von Bruno Taut und anderen Farbkonzeptionalisten blieb Farbe als „billiges“ Gestaltungsmittel zunächst in der Nische des sozialen Wohnungsbaus. Einer der Gründe hierfür ist vermutlich die kostengünstige Verfügbarkeit von industriell hergestellten Farben. Aber auch die emotionale Bedeutung von Farbe ließ den Umgang mit ihr riskant erscheinen. So hinterließen die 1960er-Jahre eine zunächst farblose Ästhetik, bis das kurze Zeit später anbrechende Zeitalter der Pop-Art einen wahren Farbenrausch entfachte. Fortschritte in Industrie und Wissenschaft brachten weitere wertvolle Impulse für die Gestaltung. Seitdem William Henry Perkin (1838–1907) 1856 bei chemischen Versuchen mit dem Ziel, Chinin herzustellen, zufällig den ersten synthetischen Farbstoff entdeckt hatte, machte die petrochemische Industrie rasante Fortschritte. Die Vielfalt der Farben und Materialien auf Kunststoffbasis, die leicht und günstig in gleichbleibender Qualität hergestellt werden konnten, wuchs rasant. Bis zum ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gab es bereits mehr als 2000 synthetisch hergestellte Farben, 1939 über 7500 Farbtöne.62 Die Bindung von Farbe an Material löste sich immer weiter auf. Ergänzt durch den zunehmenden Einsatz von Neonbeleuchtung, verändert diese Entwicklung die sichtbare Farbigkeit im Stadtraum grundlegend. So wurde in den 1960er-Jahren Farbe mehr und mehr zum Bestandteil des Raums. Ermöglicht durch die Fortschritte der Industrie – nicht nur in der Herstellung von synthetischen Farben, sondern auch in der Produktion von Kunststoffen und Schaumstoffen – konnten sich nun kräftige Farben flächig über alle Raumflächen und das Mobiliar ziehen. Verner Panton (1926–1988) nutzte diese Entwicklung, um künstliche Raumlandschaften zu erschaffen, die mit ihrem höhlenartigen Charakter den Begriff Cocooning vorwegnahmen und farblich einem malerisches Konzept entsprachen. Panton setzte Farben nicht kontrastierend ein, sondern bildete Farbatmosphären, in denen verwandte Farben an allen Oberflächen des Raums und allen Einrichtungsgegenständen zusammenwirken. Dieses Prinzip der Innenraumgestaltung zeigte sich zum Beispiel in seinem Konzept für das Verlagshaus der Zeitschrift Der Spiegel in Hamburg besonders konsequent. Ergänzt durch expressive Formen von Leuchten, Mobiliar und geometrischen Akustikelementen, entstanden nutzbare dreidimensionale Rauminstallationen. Pantons ganzheitlicher Gestaltungsanspruch wirkt dabei weder brutal funktional noch ausschließlich; seine inszenierten Lebensräume sind artifiziell, farbig, weich und formenstark und entsprechen einem Zeitgeist, der im Widerspruch zur technisch-rationalen Welt und zu politisch totalitären Systemen stand.63 Zeitgleich revolutionierte die Künstlerbewegung „Zero“ seit Mitte der 1950er-Jahre mit einer neuen Bild- und Formensprache die Kunst der Nachkriegszeit. Lucio Fontana verfasste 1946 das Manifesto Bianco, in dem er eine dynamische Kunst forderte, bei der Klang, Licht und Bewegung 67

Verner Panton, Verlagshaus „Der Spiegel“, Hamburg, 1969

Der heutigen Generation fehlt es jedoch an jeglicher Vorstellung. Gegenwärtig haben Farbe und Raum eines gemeinsam: die völlige Vernachlässigung.64 Donald Judd mit einer räumlichen und farblichen Gestaltung in Verbindung gebracht werden sollten.65 Eine neue Sensibilisierung der Umwelt sollte anhand der Klarheit der reinen Farbe und der dynamischen Lichtschwingung im Raum erfolgen. Einfluss auf die Gruppe übten auch die monochromen Bilder von Yves Klein und Piero Manzoni aus. Die Zeichenhaftigkeit von Architektur und die Kommunikation im Stadtraum rückte immer mehr in den Vordergrund. Zeitgleich setzte sich die Pop-Art mit dem Phänomen der Massenkultur und der Schnittstelle zwischen Kunst und Konsum auseinander. Besonders prägnant beschriben dies Robert Venturi und Denise Scott Brown 1972 in ihrem Buch Learning from Las Vegas nach ihrer Beobachtung des von Neonschildern und Werbung dominierten Stadtraums von Las Vegas. Sie prägten für ein funktionales Gebäude, das seine Nutzung nicht über die Architektur, sondern rein über die Verzierung oder Ornamentik und Beschilderung preisgibt, den Begriff decorated shed. Die künstliche Beleuchtung und die Kommerzialisierung des Stadtraums hatten Folgen für die farbige Ausgestaltung des Außenraums und die Stadtatmosphäre. Sie riefen eine völlig andere Raumwahrnehmung hervor, die den Umgang mit Farbe und Material ihrer Zeit widerspiegelt. Dieser setzte sich zulasten des physischen Raumes vor allem mit der Wir68

64 65 66 67 68

Daidalos 51/1994, S. 49. Fontana 1966. Ghirardo 1996, S. 7–28. Daidalos 51/1994, S. 49. Tempkin 2008, S. 176.

kung an der Oberfläche auseinander und repräsentierte in erster Linie die Zeichen der Konsum- und Informationsgesellschaft. In der Zeit nach 1959 entwickelte sich die Postmoderne als ein vielfältiges, bewegliches Konzept, das auf alle Bereiche des Lebens zutraf. Gestalterisch nicht klar zu definieren, setzte sie sich stark von den formalen Ansätzen der vorangegangenen klassischen Moderne ab und forderte eine neue Architektursprache im Sinne stärkerer Kommunikation und Demokratie. Im Unterschied zur Moderne wurden die Bedeutungsinhalte von Architektur den funktionalen Kriterien gleichgestellt und Vielfalt wurde akzeptiert. In der Kunst wurden die Fotografie und der Film als Medien anerkannt. Der Umgang mit Architektur und auch Farbe war spielerischer, manchmal polemisch und oft anachronistisch. Die häufig eingesetzte pastellige Farbigkeit, auffällige Collagen von offensichtlich nur als dünne Haut aufgebrachten Materialien und die Verzierung mit historischen Zitaten blieben aber an der Oberfläche und entwickelten selten räumliche Wirkungen.66 1993 konstatierte der US-amerikanische Bildhauer, Möbeldesigner und Architekt Donald Judd in einem Vortrag, den er anlässlich der Verleihung des Sikkens-Preises hielt: „In der Architektur der Gegenwart, die meistens als ‚postmodern‘ bezeichnet wird, gibt es keinerlei Anzeichen für echte Farbe; falls etwas mehr Farbe darin vorkommt, handelt es sich um eine kleine Dekoration, die vergrößert wurde. In dieser Architektur wird die Farbe mißbraucht, genau wie die mehr oder weniger vorgefertigte Bauweise, die der Ursprung dieses Baustils ist.“67 Judd kritisierte das Fehlen von zeitgenössischen Theorien und Haltungen zur Farbe; er führt Josef Albers und die Gruppe De Stijl als die letzten Künstler mit einer eigenen Farbphilosophie an (siehe S. 7–36). Er selbst stand der von Generationen von Künstlern betriebenen Suche nach einer allgemeingültigen „Sprache der Farbe“ und der Aufladung mit Emotionen kritisch gegenüber. Als Konsequenz wandte er sich den zeitgenössischen Farben der städtischen Umwelt zu und setzte Farbe als unvermischtes, standardisiertes Industrieprodukt nach dem RAL-System ein. Seine Skulpturen ließ er industriell nach im Studio hergestellten Diagrammen fertigen, welche die Anzahl und Größe der einzelnen Einheiten sowie die Anordnung der Farbsequenzen zeigen. Diese wurden sehr bewusst so angeordnet, dass weder Harmonien im klassischen Sinn noch Dissonanzen entstehen; alle Farben sollen die gleiche Präsenz erhalten.68 Die Anwendung von Farbe an sich führte für ihn nicht zwangsläufig zu Qualität. Das Erarbeiten und Entwickeln der Positionen zur Farbanwendung war für Judd ursächliche Aufgabe der Kunst und nie abgeschlossen. Erst durch die Auseinandersetzung mit einer Fragestellung wird Farbqualität freigesetzt und ihre vielseitige Anmutung und Erscheinung ermöglicht. Farbe war für Judd daher gleichberechtigt mit Material und Raum, und er kritisierte den nachlässigen Umgang mit ihr. Unterschiedlichste Herangehensweisen und eine große Unbekümmertheit im Umgang mit Farben prägten das späte 20. Jahrhundert. Die oft dogmatischen und miteinander konkurrierenden Farbtheorien der Moderne schienen abgelöst worden zu sein. Farbe wurde zum unabhänEINE ZEIT DER MÖGLICHKEITEN

69

Adolf Krischanitz mit Helmut Federle (Farbkonzept), Schule und Kindergarten „Neue Welt“, Wien, Österreich, 1994

Helmut Federle, Two Side Painting, 1982, Dispersion und Tempera auf Wellkarton auf Holz, 44,5 × 62 cm

Adolf Krischanitz und Oskar Putz, Siedlung Pilotengasse, Wien, Österreich, 1992 70

gigen Gestaltungsfaktor und oftmals der Architektur nachrangig eingesetzt. Dennoch setzte sich eine breite Architektenschaft dafür ein, sie als Teil eines eigenständigen Entwurfskonzepts zu lesen und sich von ihrer dekorativen Funktion zu lösen. Architekten entwickeln seitdem individuelle und eigenständige Farbhaltungen und Vorgehensweisen. Zur vollen Ausschöpfung der Raumwirkung werden diese konzeptionellen Überlegungen bereits in die Planungsphase integriert. Das Konzept bestimmt, ob Baumaterialien in ihrer eigenen Farbigkeit eingesetzt werden oder ein bewusster Farbanstrich oder Farbelemente die Oberfläche bilden.69 Architektur und die Verbindung zur Kunst

69 70 71

Archithese 6/1994, S. 44. Sauerbruch 2006, S. 228. Ursprung 2002, S. 65.

Die Architekten Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton schreiben über ihre Arbeit: „Farbe vermag es, auf einer Fläche (wie z. B. einer Leinwand) Raum herzustellen. Josef Albers’ lebenslange Suche ist ein gutes Beispiel dafür. Umgekehrt gelingt es, mit farbigen Flächen im Raum die Gesetze der Perspektive scheinbar aufzulösen, wenn Farbe und Tonalität ihre eigenen Tiefen entwickeln. In diesem Spannungsfeld entsteht eine neue Räumlichkeit, in der optischer und physischer Raum quasi oszillieren, eine Räumlichkeit, die sowohl Raumerwartung als auch Sehgewohnheiten in Frage stellt.“70 Sauerbruch und Hutton nutzen Farbe als gleichberechtigtes Entwurfselement, analog zur Gestalt und zum Licht, und formulieren daraus eine eigene Architektursprache. Ihre Farbkombinationen verbinden sich zu vielschichtigen Klängen und sind sensibel auskomponiert. Für den Architekten Richard Meier findet Architektur in weiß ihren deutlichsten Ausdruck. Er idealisiert mit seinen weißen Räumen und Bauten das immaterielle Weiß aus der Zeit des Bauhaus von Walter Gropius. Meier zitiert zudem Aussagen Le Corbusiers, der zeitgenössische Architektur als Spiel zwischen Volumen und Licht bezeichnete. Für Meier verkörpert Weiß das flüchtige Sinnbild ständiger Bewegung, da es zwar immer präsent ist, aber in Abhängigkeit von Licht und Reflexionen aus der Umgebung nie gleichförmig bleibt. Inspiriert von den verschiedenen Auffassungen und Haltungen entstehen gegenwärtig eine Reihe projektbezogener Zusammenarbeiten von Architekten und Künstlern, ganz im Sinne eines Gesamtkonzeptes, wie es bereits zur Zeit des Weimarer Bauhaus angestrebt worden ist. Es werden Farbgestaltungskonzepte entwickelt, die weit über die „Kunst am Bau“ hinausgehen, da die Zusammenarbeit bereits in der frühen Planungsphase beginnt. Der Kunsthistoriker Philip Ursprung beschreibt die Kooperation des Architekturbüros Herzog & de Meuron mit verschiedenen Künstlern wie folgt: „Man ist versucht zu sagen, dass Künstler wie Rémy Zaugg oder ein Fotograf wie Thomas Ruff das Duo Herzog & de Meuron durch ein drittes Instrument zum Trio erweitern.“71 Auch der Architekt Adolf Krischanitz unterstreicht in seinen Schriften die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit: „Neben allen möglichen und vielleicht auch legitimen Versuchen, Farbe ins Spiel zu bringen, wie dies durch die Farbpsychologie, Farbleitsysteme oder Farbtherapie der Fall ist, gilt es hier, dem ganzheitlichen System der Architektur

ARCHITEKTUR UND DIE VERBINDUNG ZUR KUNST

71

das ganzheitliche System der Farbgestaltung im autonomen künstlerischen Sinn an die Seite zu stellen. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig, aber folgerichtig, Künstlerpersönlichkeiten in den Prozess einzubinden, deren Aufgabe es ist, in einem konkreten, immanenten Gestaltungsvorgang an der Planung mitzuwirken.“72 Krischanitz betont dabei die Gemeinsamkeiten im Erleben von Architektur und Kunst im Raum, das immer mit dem persönlichen Erfahrungs- und Erinnerungsschatz abgeglichen wird. Seiner Einschätzung nach soll der Farbe in der Architektur neben den funktionalen und konstruktiven Aspekten mehr Gewicht gegeben werden. „Die Farbe kann hier eine wichtige Rolle spielen, weil sie komplexe Eigenschaften besitzt und mit relativ geringem Aufwand in bestehende Ordnungs- und Orientierungsgefüge eingreifen kann.“73 Um dies zu erreichen, arbeitet Krischanitz in seinen Projekten mit verschiedenen Künstlern zusammen. Im Dialog und durch die Auseinandersetzung mit Ort und Programm entstehen sehr spezifische Konzepte. In Kooperation mit dem Maler Oskar Putz entwickelte er in der Siedlung Pilotengasse in Wien ein von Bruno Taut inspiriertes Farbkonzept. Die städtebauliche Form der gebogenen Zeile wird durch die Farbe gesteigert, der Raum zwischen den Zeilen visuell geweitet und definiert: Auf der konkav gebogenen Seite ist die Farbe von Rot zu Gelb abgestuft und lässt die so entstandene hellere Mitte optisch weiter zurücktreten. Farbe und Form verstärken sich hier gegenseitig durch ihre Parallelität. Als Kontrast dazu werden die Häuser auf der konvex gebogenen Seite durch die komplementären Farben Blau und Gelb beziehungsweise Grün und Rot hart voneinander getrennt. Daraus entsteht der Eindruck, die Zeilen wären unter Spannung gebrochen.74 Eine völlig andere Herangehensweise zeigt Krischanitz beim Farbkonzept für den Kindergarten und die Schule „Neue Welt“ in Wien, das in Zusammenarbeit mit dem Künstler Helmut Federle entwickelt wurde. Die Schule ist in Anlehnung an die umgebende Natur in gedeckten Farben ausgestaltet, wie sie auch im Werk des Malers vorherrschen. Die Materialfarbigkeit von Beton und Eiche wird durch Dunkelgrau, Schwarz und ein Gelbgrün für die rückwärtigen Querwände ergänzt, die den großen, brüstungslosen Fensterfronten gegenüberstehen. Dem durch Vegetation gefilterten Tageslicht werden farbige Lichtreflexionen hinzugefügt. Das Konzept steht der erwarteten Farbigkeit für eine Kinderbetreuungseinrichtung entgegen, doch es erzeugt eine ruhige Atmosphäre mit einer starken Fokussierung auf die umgebende Natur.75 Die Architekten Annette Gigon und Mike Guyer beziehen bei ihren Projekten immer wieder Künstler ein. Die über Jahre konstante Zusammenarbeit mit dem Künstler Adrian Schiess führte zu einer großen Bandbreite von Farbraumkonzepten. „Die faszinierende Farbigkeit dieser Projekte beruht auf der kritischen Offenheit beider Partner: des Malers gegenüber der klaren Strukturiertheit der Architekten und der Architekten gegenüber der anarchischen Qualität der Farbe.“76 Für das erste zusammen erarbeitete Projekt, das Sportzentrum Davos, entwickelte Adrian Schiess im Innenraum ein Farbkonzept, das den neun unterschiedlichen For72

72 Krischanitz 2010, S. 190. 73 Krischanitz 2010, S. 192. 74 Ruegg, in: Steiner 1992. 75 Krischanitz 1994, S. 15–25. 76 Schiess 2004, S. 16. 77 Schiess 2004, S. 25.

Annette Gigon/ Mike Guyer Architekten, mit Adrian Schiess (Farbkonzept) Sportzentrum Davos, Schweiz, 1996, Umbau 2007–2009

maten der Platten der Wand- und Deckenverkleidung jeweils eine Farbe zuweist. Der Rhythmus der Montagereihenfolge bestimmt den Farbklang im Raum. Für den Künstler ist dies: „Ein malerischer Prozess, der letztlich von der architektonischen Struktur gesteuert wurde und auch für ihn selbst viele Überraschungen mit sich brachte.“77 Ganz anders die Vorgehensweise im Neubau eines unterirdischen Hörsaals an der Universität Zürich: Hier vereinen sich drei konzeptionelle Ansätze zu einer Farbrauminszenierung. Von außen ist der Hörsaal nicht sichtbar, lediglich eine wie aquarelliert wirkende Stützmauer aus Ortbeton verweist auf den Neubau: Durch eine reduzierte Zugabe von Pigmenten im Beton entstanden Schichten, deren Farbigkeit von einem satten Pink am Sockel nach oben hin nachlässt. Die Mauer schließt mit einer ebenfalls mit Sichtbetonplatten belegten Terrasse ab, in deren Mitte ein großes Wasserbecken den darunterliegenden Raum nach oben projiziert. Dieses in grellem Pink ausgemalte Becken irritierte zunächst durch seine zum erwarteten Grün komplementäre Farbigkeit und betonte Künstlichkeit. Doch diente dies der Schärfung der Wahrnehmung des Betrachters für die Umgebung. Inzwischen wurde das Becken in einem gelbgrünen Farbton neu gestrichen, da das ursprüngliche Pink sich als nicht lichtecht erwies. Das Innere des Hörsaals wird ebenfalls von intensiver Farbigkeit beherrscht: Alle Wände und Decken sind mit Paneelen verkleidet, die raumakustisch wirken und technische Elemente verbergen. Hochglänzende

ARCHITEKTUR UND DIE VERBINDUNG ZUR KUNST

73

Die Malerei fügt sich in die Architektur ein, verbindet sich mit ihr, und auf diese Weise entfalten die verschiedenen Medien zusammen ihre Wirkung.78 Adrian Schiess

Oberflächen in den Farbtönen Dunkel- oder Hellrosa sowie Blau oder Graugrün spiegeln die hellgrüne Möblierung der Sitzreihen wider. Reflexion und Spiegelung verstärken und mischen die Farben zu einem sich mit dem Licht ständig wandelnden Farbraum, der durch die golden reflektierende Verglasung der Dolmetscherkabinen noch gesteigert wird. Der introvertierte, auf sich selbst bezogene Raum knüpft in seiner Farbigkeit zwar an die Polychromie des Bestandes an, stellt sich aber nicht als Zitat dar, sondern – wie Arthur Rüegg schrieb – als „ein Kontrapunkt – eine ‚Gegenstimme‘ – im Sinne der Musiktheorie, der von der magistralen Beherrschung von Konsonanzen und Dissonanzen lebt.“79 Innerhalb eines zeitgenössischen Diskurses zwischen Architektur und Kunst entsteht auf diese Art – losgelöst von starren Regeln oder Dogmatismus – ein Gesamtkunstwerk, das sich in die unterschiedlichsten Richtungen entwickeln kann. Der Künstler Oskar Putz fasste seine wichtigsten Thesen zum Zusammenwirken von Farbe und Raum 1994 in seinem Artikel Bindung und Autonomie der Farbe am Bau zusammen. Er unterscheidet zwischen der gestalterischen Einheit von Farbe und Architektur und dem autonomen Konzept. Bei Ersterem bildet die Farbe als aktives Element die Idee des baulichen Ganzen. Sie ist an die architektonische Form gebunden und wird zum wesentlichen Anteil der optischen Erscheinung und damit ein bedeutendes Element der Entwurfsidee. Dabei werden einzelnen Elementen Farbqualitäten zugewiesen, zwischen denen wiederum Bezugssysteme hergestellt werden. Ganz anders beim autonomen Konzept: Hier entsteht ein Dialog zwischen Farbe und Architektur, in dem einer der Partner eine dominante Stellung einnehmen kann. „Befreit von der Bindung an die Form hat Farbe die Möglichkeit, sich frei zu entfalten und durch ihre so entstandene Unabhängigkeit ein eigenes Thema zu verfolgen.“80 Sie folgt nicht mehr den räumlichen oder konstruktiven Vorgaben und kann nun „interpretieren, analysieren oder auch parodieren“. Dabei ist die Auswahl 74

78 79 80 81

Schiess, in: Gigon 2012, S. 456. Rüegg, in: Gigon 2012, S. 317. Putz, in: Archithese 6/1994, S. 46. Putz, in: Archithese 6/1994, S. 47.

der Farben zur Umsetzung einer übergeordneten Konzeptidee völlig frei von den rigiden Vorgaben von Farbordnungsschemen oder Harmonielehren: „Die Auswahl der Farben ist prinzipiell offen. Das heißt, jede Farbe kann am Bau verwendet werden. Farbe als physikalische und energetische Erscheinung kann an sich nicht falsch oder richtig sein. […] Die beabsichtigte Wirkung, die mit der Auswahl bestimmter Farben erreicht werden soll, ist das einzige Kriterium dafür, ob eine Farbauswahl richtig oder falsch ist.“81

Annette Gigon/ Mike Guyer Architekten, mit Adrian Schiess (Farbgestaltung), Hörsaal, Universität Zürich, Außenbereich und Innenraum, Zürich, Schweiz, 2002 ARCHITEKTUR UND DIE VERBINDUNG ZUR KUNST

75

Farbe sehen und ordnen Gerhard Richter, 1 024 Farben, 1973, 254 × 478 cm, Lack auf Leinwand

Ólafur Elíasson, The grey colour circle und The constant colour circle, aus The colour circle series, 2008–2009, Polymer-Tiefdruck auf drei Blättern, 170 × 175 cm

Eine Farbe allgemein benennen zu können, heißt noch nicht, sie genau kopieren können. Vielleicht kann ich sagen „Dort sehe ich eine rötliche Stelle“ und kann doch nicht eine Farbe mischen, die ich als genau gleich anerkenne.1 Ludwig Wittgenstein

Farbe sehen

1 2 3 4

Wittgenstein 1979, S. 105 (Unterpunkt 256). Bollnow 1976, S. 232 f. Wittgenstein 1979, S. 60 (Unterpunkt 78). Bollnow 1976, S. 232 f.

FARBE SEHEN

Viele Anwendungen von Farbe erfordern eine möglichst präzise Beschreibung von Farbtönen. Dies trifft vor allem dort zu, wo Konzeption und Ausführung nicht in einer Hand liegen, also zum Beispiel bei der Reproduktion im Druck oder der Umsetzung von Farbe im Raum. Auch die Frage, wie sich die Farbtöne ordnen lassen und wie ihre Wechselwirkungen beziehungsweise Harmonien und Kontraste beschrieben werden können, ist schon seit der Antike für Philosophen, Künstler und Naturwissenschaftler von großem Interesse. Theoretisch existiert eine nahezu unendliche Anzahl von Farbabstufungen, das menschliche Auge kann aber nur bis zu 100 000 Farbtöne sicher unterscheiden. Die Kapazität des Gehirns zur Wiedererkennung von Farbnuancen ist im Vergleich zu anderen Sinneswahrnehmungen relativ gering ausgebildet.2 Über die Schwierigkeit, Farbtöne präzise zu benennen, schrieb Ludwig Wittgenstein: „Die Unbestimmtheit im Begriff der Farbe liegt vor allem in der Unbestimmtheit des Begriffs der Farbengleichheit, also der Methode des Vergleichens von Farben.“3 Sicher unterscheidbar und sprachlich klar benannt sind die Grundfarben der beiden Arten der Farbmischung: Rot, Blau, Gelb, Grün sowie Schwarz und Weiß.4 79

Zum Verständnis des Phänomens Farbe sind also einige Aspekte des Farbsehens wichtig. Absorption und Reflexion bestimmen die Farbe, in der Oberflächen gesehen werden, da sie je nach ihrer Beschaffenheit unterschiedliche Bereiche des sichtbaren Lichtspektrums absorbieren. So reflektiert eine als weiß gesehene Oberfläche alle Wellenlängen und erscheint durch die Mischung wieder als weiß. Eine blaue Oberfläche dagegen absorbiert die gelben Anteile aus dem Licht stärker und reflektiert blaues Licht.5 Das bedeutet, dass die vom Auge gesehene Oberflächenfarbe kein absoluter Wert ist, sondern vom Umgebungslicht und dessen Schwankungen abhängt. Die Farbmischung von Körperfarben entsteht aus den Grundfarben Cyan (Türkis), Magenta (Purpur) und Yellow (Gelb), ergänzt durch Schwarz. Dieses CMYK-Modell ist im Druck gebräuchlich, aber auch alle in der Malerei oder im Raum verwendeten Oberflächenfarben verhalten sich nach diesem Modell der sogenannten subtraktiven Farbmischung.6 Trotz des Einflusses der Lichtfarbe erscheinen bekannte Gegenstände unabhängig vom Umgebungslicht in ihrer erwarteten Farbe, was auf kulturelle Gepflogenheiten und den persönlichen Erfahrungsschatz zurückzuführen ist. Dieses Phänomen wird als Farbkonstanz oder chromatische Adaption bezeichnet und ist eine Anpassungsleistung des Gehirns. So wirkt beispielsweise eine Zitrone auch in der Dämmerung weiterhin gelb; erst bei bewusster Betrachtung erkennt das Auge den Grünton des reflektierten Lichts. Die Maler des Impressionismus wie Claude Monet machten in ihren Bildern die Farbe sichtbar, wie sie losgelöst von der Erwartungshaltung an das Objekt gesehen wird.7 Die Mischung von farbigem Licht oder die Interaktion von Farblicht mit farbigen Flächen folgt den Regeln der additiven Farbmischung. Deren Grundfarben sind Rot, Grün und Blau. Hier wird der Betrachter, dessen persönlicher, praktischer Erfahrungsschatz meist auf der Mischung von Pigmenten wie zum Beispiel im Malkasten beruht, durch die scheinbar unerwarteten Farbtöne überrascht. So ergibt etwa die Überlagerung von grünem und rotem Licht ein gelbes Farblicht.8 Hermann von Helmholtz (1821–1894) schuf 1867 in seinem Handbuch der physiologischen Optik die Grundlage des heutigen Farbverständnisses, indem er in seiner „Drei-Farben-Theorie“ mittels psychophysikalischer Messungen und Untersuchungen nachwies, dass beim menschlichen Farbsehen jede Farbe mittels additiver Mischung aus den primären Spektralfarben Rot, Grün und Blau erzeugt werden kann. Damit war der lang diskutierte Unterschied zwischen den Grundfarben bei der additiven und subtraktiven Farbmischung erklärt. Zudem etablierte Helmholtz die noch heute gebräuchliche Unterscheidung von Farben anhand der drei Werte Buntton (= Farbton), Sättigung und Helligkeit. Trotzdem empfindet das menschliche Auge auch die vierte Farbe Gelb als reine Farbe.9 Das heutige Verständnis für die zum Farbsehen erforderlichen Prozesse in Auge und Gehirn geht auf die Erkenntnisse des Physiologen Ewald Hering (1834–1918), zurück 1878 unter dem Titel Zur Lehre vom Lichtsinne veröffentlicht. Er definierte die vier Farben Blau, Gelb, Grün und Rot als 80

FARBE SEHEN

sogenannte physiologische Grundfarben. Die Entstehung der Farbeindrücke führte er auf neuronale Prozesse im Gehirn zurück. Er stellte fest, dass die Farben Rot und Grün sowie Blau und Gelb sich grundsätzlich ausschließen, das heißt, Rot kann sich zwar ins Bläuliche oder Gelbliche verändern, aber nie ins Grünliche. Diese Beobachtung wurde auch in vielen der früheren Farbsysteme über die Anordnung der Farbtöne abgebildet. Wittgenstein beschreibt dieses Phänomen ebenfalls: „Wem ein Rötlichgrün bekannt wäre, der sollte imstande sein, eine Farbreihe herzustellen, die mit Rot anfinge, mit Grün endet und, auch für uns vielleicht, einen kontinuierlichen Übergang zwischen ihnen bildet. Es würde sich dann zeigen, daß dort, wo wir jedesmal den gleichen Ton, von Braun z. B., sehen, er einmal Braun, einmal Rötlichgrün sähe.“10 Der US-amerikanische Biochemiker George Wald (1906–1997) entwickelte 1967 die noch heute gültige, als „Young-Helmholtz-Theorie“ bekannte Dreifarbentheorie, nach der im Auge für das Farbsehen drei Typen von Zapfen vorhanden sind, nämlich für die Farben Rot, Grün und Blau. Jeder Zapfentyp ist nur für eine Farbe empfindlich; die Mischung entsteht durch den Verarbeitungsprozess im Gehirn. Inzwischen ist bekannt, dass sowohl die Young-Helmholtz-Theorie als auch die Ausführungen von Hering zutreffende Aspekte des menschlichen Farbsehens beschreiben, das funktioniert, indem die Zapfen durch Lichtreize, kombiniert mit neuronalen Prozessen, angeregt werden.11 Diese Prozesse führen zu dem Phänomen, das Josef Albers nach der Beobachtung seiner farbigen Quadrate so beschreibt: „Praktische Übungen demonstrieren durch Farbtäuschung (Illusion) die Relativität und Instabilität von Farbe. Und die Erfahrung lehrt, daß es in der visuellen Wahrnehmung eine Diskrepanz zwischen physikalischem Faktum und psychischem Effekt gibt.“12 Farbe kategorisieren

5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Bachmann 2011, K 09. Bollnow 1976. Siehe S. 7–36. Zwimpfer 2012, S. 74 ff. Welsch 2012, S. 235. Wittgenstein 1979, S. 12 (Unterpunkt 11). Welsch 2012, S. 239. Albers 1963 nach Albers 1997, S. 21. Meerwein 2007, S. 34. Bollnow 1976, S. 232 f.

FARBE KATEGORISIEREN

Zur besseren Anschaulichkeit bei der Sortierung von Farbtönen haben sich geometrische Systeme etabliert, die mit zunehmendem Fortschritt komplexer werden und sich von der einfachen Linie zum Kreissystem sowie weiter zu dreidimensionalen Modellen entwickelt haben. In diesen werden verwandte Farbtöne einander zugeordnet und komplementäre Farbtöne stehen einander meist gegenüber.13 Als Grundmerkmale zur Bestimmung von Farben haben sich dabei die Komponenten Buntton, wie zum Beispiel Rot, Gelb, Grün oder Violett, Sättigung des Bunttons, auch als Intensität oder Nuance bezeichnet, und Helligkeit durchgesetzt. Mit diesen Angaben lassen sich alle Farbtöne in einen Zusammenhang stellen und präzise definieren und somit auch in Druck, Fotografie oder im Raum reproduzieren. Allerdings berücksichtigen diese rein physikalischen Werte nicht die Einzigartigkeit im Charakter vieler natürlicher Pigmente, deren Farberscheinung auch wesentlich davon abhängt, wie fein der Rohstoff gemahlen und mit welchem Bindemittel er verarbeitet wurde.14 81

Trotz aller Bemühungen, ein übergreifendes System zur Ordnung und Beschreibung von Farbe zu finden, ist dies bis heute nicht gelungen. Unterschiedliche Systeme zur genauen Definition von Farbtönen existieren parallel, wobei jedes seine Stärken in Bezug auf bestimmte Anwendungszwecke hat. Eine Auswahl soll im Folgenden vorgestellt werden. Weit verbreitet ist heute das RAL-System, das aus einer gemeinsamen Initiative von Staat und Privatwirtschaft in der Zeit der Weimarer Republik ab 1925 entstand und mit dem Ziel eingeführt wurde, für die fortschreitende Massenproduktion von Gütern die technischen Lieferbedingungen zu präzisieren. Die erste RAL-Farbsammlung umfasste 40 in einem Kreis angeordnete Farbtöne und wurde zu einer heute unter dem Namen „RAL Design System“ bekannten Sammlung ergänzt. Es entspricht dem weltweit genormten CIELAB-System, einem Farbraum, der 1976 von der Internationalen Beleuchtungskommission CIE definiert wurde, um den Zusammenhang zwischen menschlicher Farbwahrnehmung und den physikalischen Ursachen des Farbreizes herzustellen. Das RAL-System dient bis heute als Definitionsgrundlage für Farben, die in der Industrie mit üblichen Pigmenten in nahezu allen Techniken umsetzbar sind. Viele Firmen, wie die Deutsche Bahn oder Telekom, nutzen das System, um ihre Firmenfarben konkret zu definieren. In der aktuellen Ausgabe des „RAL Design Systems“ sind 1 625 Farben definiert, die nach Buntton (H, Hue) – in der Abfolge der Spektralfarben im Kreis angeordnet –, Helligkeit (L, Lightness) – in Ebenen in Richtung Weiß oder Schwarz gestaffelt – und Buntheit (C, Chroma) – konzentrisch zur „Unbuntachse“ in der Kreismitte hin – systematisch geordnet sind. Die Abstände wurden dabei mathematisch definiert. Alle Farbtöne sind mit siebenstelligen Nummern aus Zifferngruppen benannt, die den drei Werten entsprechen. Theoretisch kann jedoch auch jede andere Farbe im System eingeordnet und benannt werden. Damit kann das System auf Farbanforderungen reagieren und ist gut dafür geeignet, einzelne Farbtöne präzise zu definieren.15 Das vom Skandinaviska Färginstitutet entwickelte Natural Color System (NCS) dagegen basiert auf der mathematisch schwer greifbaren menschlichen Wahrnehmung der Abstände zwischen Farbtönen. Es greift auf das erste nach Wahrnehmungsaspekten sortierte, 1878 veröffentlichte System von Ewald Hering zurück. Farbtöne werden nach ihrer relativen Helligkeit sortiert; das bedeutet, jedem Farbton – als Buntton bezeichnet – wird ein Parameter für Buntanteil und Schwarzanteil zugeordnet. Die vier reinen Farbtöne Gelb, Blau, Grün und Rot sind zusammen mit ihren Zwischentönen auf einem Kreis angeordnet und werden in einer Doppelpyramide Richtung Schwarz und Weiß abgetönt. Es entstehen in der Schnittfigur Dreiecke, innerhalb derer die Farben mit ähnlicher Helligkeit durch Hilfslinien verbunden sind. Auch dieses System erlaubt es, alle möglichen Farbtöne einzuordnen, und bleibt trotzdem durch seine Anordnung sehr übersichtlich und anschaulich. Der zugehörige Farbatlas umfasst 1 950 Farbtöne. Durch die Möglichkeit, auf der Wahrnehmung basierende Verwandtschaften auch von kontrastierenden Farben im Farbkörper des Systems aufzufinden, ist das NCS-System eine gute Basis für die Komposition von Farbzusammenhängen.16 82

FARBE KATEGORISIEREN

Spezialisierte Anwendungsbereiche im digitalen Bereich erforderten weitere auf die Anwendung zugeschnittene Systeme, die auf der additiven Farbmischung basieren, wie zum Beispiel das RGB-System. Gleichzeitig kamen ab 1880 durch die industrielle Massenproduktion von fertig gemischten Farben Farbsysteme auf, die von Herstellern zu Verkaufszwecken erstellt wurden. Diese erfüllen zum größten Teil einen rein informativen Zweck, nämlich die Darstellung der verfügbaren Farbtöne, und folgen daher im Gegensatz zu den echten Farbsystemen keiner zwingenden Logik in der Anordnung, auch wenn ihr Name das suggeriert.17 Andere Systeme haben jedoch durchaus einen Anspruch auf Vollständigkeit und einen theoretischen Unterbau, wie die Zusammenarbeit von Le Corbusier mit der Firma Salubra zeigt (siehe S. 60). Farbe und Weltordnung

15 16 17 18

Spillmann 2010, S. 244. Spillmann 2010, S. 278. Temkin 2008, S. 16. Stromer 2005, S. 13 f.

FARBE UND WELTORDNUNG

Die heute übliche Einteilung von Farben nach „Buntart“, also Rot, Gelb, Grün oder Violett, hat sich allmähliche mit dem wissenschaftlichen Fortschritt in den Bereichen der Optik sowie der Entstehung des neuzeitlichen Weltbildes herausgebildet. Wesentliches Einordnungskriterium in der Antike und im Mittelalter war die „Lichthaltigkeit“ von Farbe, die sich am ehesten mit Helligkeit und Glanzgrad beschreiben lässt; gleichzeitig waren die Bezeichnungen von einzelnen Farben noch weiter gefasst – ein Begriff konnte ganze Farbfamilien mit allen Abstufungen umfassen. Aus der Antike stammen auch die ersten, bekannten Versuche, Farben erfassbar, kalkulierbar und berechenbar zu machen. Das mit Timaios betitelte Spätwerk des Philosophen Platon (428–348 vor Christus) enthält in einer in Dialogform gefassten naturphilosophischen Abhandlung über den Kosmos eine „Erklärung der Farben“. In dieser führt er das Farbsehen auf einen vom Auge ausgehenden „Sehstrahl“ zurück, der mit von den Gegenständen ausgehenden Teilchen interagiert. Dabei spielen die Grundfarben Schwarz und Weiß eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung. Diese Farben repräsentieren den im Weltbild der Griechen täglich stattfindenden Kampf zwischen Tageslicht und Dunkelheit. Aus einer weiteren, als „Glänzendes“ benannten Komponente, die er auf die Tränenflüssigkeit im Auge zurückführt, und dem Rot des Feuers ergeben sich die Farbmischungen. Dieses System ähnelt aber mehr einer philosophischen Abhandlung als einer in der Praxis anwendbaren Ordnung.18 Platons Schüler Aristoteles (384–322 vor Christus) entwickelte das erste überlieferte Farbsystem, das bis ins 17. Jahrhundert hinein als Grundlage der bekannten Farbtheorien seine Gültigkeit behielt. Es handelt sich hierbei um ein einfaches lineares System, bei dem sieben Farben die schon von Platon definierten Extreme Weiß und Schwarz verbinden. Aristoteles beobachtete durch farbige Gläser gefiltertes Licht und die Veränderung der Lichtfarbe im Tagesverlauf. Daraus leitete er die Grundfarben Karmesinrot, Violett, Lauchgrün, Tiefblau und Gelb ab, ergänzt durch das Weiß des Tageslichts und das Schwarz der Nacht. 83

Der Engländer Robert Grosseteste (etwa 1168–1253), erster Kanzler der Universität Oxford, beschäftigte sich im frühen 13. Jahrhundert mit dem Werk des Aristoteles. Er hatte beobachtet, dass die Farben nicht nur durch den Buntton, sondern auch durch eine Komponente der Helligkeit bestimmt werden, die er als „Weißsein“ bezeichnet. Da sich die so entstandene Vielfalt der Farben mit ihren Abstufungen nicht mehr in ein rein lineares System einordnen ließ, ergänzte er die auf einer Ebene angeordneten Buntfarben um eine vertikal angeordnete Achse zwischen Schwarz und Weiß. Damit schuf er das erste flächig darstellbare sowie auch dreidimensional interpretierbare System, das er um 1230 in seinem Buch De colore beschrieb. Doch auch dieses System hatte seine Limitationen. Komplexere, räumlich interpretierbare Farbsysteme, die die Darstellung einer größeren Bandbreite von Farbtönen erlaubten, entstanden in der Zeit der Renaissance. Künstler arbeiteten daran, geeignete Systeme für die Mischung von Malfarben zu entwickeln. Leon Battista Alberti (1404–1472) beschrieb in seinem Buch über die Malerei 1435 ein dreidimensionales System, das auf einer Fläche basiert, auf der die Farben Gelb, Grün, Blau und Rot angeordnet sind. Diese dient als Grundfläche für eine doppelte Pyramiden- oder Kegelform mit den „unbunten“ Farben Schwarz und Weiß an den Spitzen. Trotz seines Hintergrundes als Maler liegt der Schwerpunkt von Albertis Schriften in einer theoretischen Betrachtung der Wirkung von Licht und Schatten auf Farbe. Auch Leonardo da Vinci (1452–1519) hielt Licht und Schatten für die wesentlichen optischen Phänomene, da er Farbe wegen ihrer Veränderlichkeit in Abhängigkeit von Licht und Umgebung als nicht geeignet für die Darstellung von Wirklichkeit ansah. Als Maler beschäftigte er sich mit der Frage, ob die aus Gelb und Blau mischbare Farbe Grün als Grundfarbe in ein System aufzunehmen sei, wie Alberti es getan hatte. Diese Überlegung hatte materialtechnische Gründe. Solange Maler in erster Linie mit auf natürlichen Pigmenten basierenden Farben arbeiteten, bedeutete eine Mischung einen Verlust an Brillanz. Erst der Einsatz von Ölfarben, bei denen der Ölfilm um die Pigmente deren chemische Reaktion untereinander verhindert und damit stabilere Farben ermöglicht, führte um 1600 zur Etablierung des für die Malerei gültigen Primärfarbensatzes, bestehend aus Schwarz, Weiß, Rot, Gelb und Blau, aus dem sich alle anderen Farben mischen lassen. Die allgemeine Annahme, dass Farben Modifikationen des weißen Lichts durch Begegnung mit „Dunkelheit“ sind, und damit die Unterscheidung zwischen den „echten Farben“ von Materie und den „augenscheinlichen Farben“ von Lichtphänomenen, blieb lange Zeit gültig. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse von Galileo Galilei (1564–1641) und Johannes Kepler (1571–1630) sowie die Schriften der Philosophen Francis Bacon (1561–1626) und René Descartes (1596–1650) legten im 17. Jahrhundert den Grundstein für das neuzeitliche Weltbild.

84

FARBE UND WELTORDNUNG

Aristoteles

Grosseteste weiß

weiß

gelb

rot

violett

grün

blau

schwarz

schwarz

Alberti

Newton weiß

blau

rot

grün

gelb

schwarz

Aristoteles: ca. 300 v.Chr. Robert Grosseteste: ca. 1230 Leon Battista Alberti: 1435 Sir Isaac Newton: 1704 85

Goethe

Runge

weiß

rot

rp pu

unn ö

el ed

ti g

Ph an ta

ge

Ve rn

an

ur

or

s c hö n

ft un

en si

rot

grün

Ve

r

bl

ge

au

lb

nützlich

st an

ic nl

d

n ei

gu t

ge m

n Si

hk ei t

schwarz

grün

Chevreul

Hering

gelb

t

gr

ro

ün

lb

ge

gelb

ge

lb

schwarz

rot

blau

Johann Wolfgang von Goethe: 1810 Philipp Otto Runge: 1810 Michel Eugène Chevreul: 1839 Ewald Hering: 1878 86

tb ro

ün

gr

au

la

u

bl

blau

rot

rot

gelb weiß

grün

blau

grün

grün

Munsell

Klee weiß

weiß gelb vi et

ro

t

ol t

grau blau

orange

ge

gr

lb

ün

violett

schwarz schwarz

Ostwald

Itten weiß gelb

grün

orange grün

gelb

orange

blau

grün

rot blau

blau

rot

violett

rot

violett schwarz

Albert Henry Munsell: 1915 Paul Klee: 1922 Wilhelm Ostwald: 1930 Johannes Itten: 1961 87

NCS

CIE LAB

weiß weiß

grün

grün

gelb

gelb blau blau

rot

rot

schwarz

schwarz

RAL

HLS grün

cyan

weiß

gelb

weiß

rot blau

schwarz

blau

NCS-System: 1964 CIE LAB-System: 1976 RAL-Design-System: 1993 HLS-System: undatiert 88

rot

magenta

gelb

grün

schwarz

Naturwissenschaftliche Farbordnung – Isaac Newton Ein grundlegend neues, mathematisch begründetes Verständnis der physikalischen Eigenschaften von Farbe entstand mit der Entdeckung des Physikers Isaac Newton (1642–1726), dass sich das Tageslicht mithilfe eines Glasprismas in sieben verschiedene Farben aufteilen lässt und sich durch ein weiteres Prisma wieder zu weißem Licht mischen lässt. Dies war eine bahnbrechende Erkenntnis, denn bis dahin war man davon ausgegangen, dass der bei der Brechung entstehende Regenbogen auf Verunreinigungen im Glas zurückginge und das pure weiße Licht ein „göttliches Geschenk“ sei.19 Newtons Schriften markieren den Beginn der Betrachtung von Farbe als subjektives Produkt des Sehens oder der Wahrnehmung. Er ordnete die sieben Farben des Tageslichtspektrums 1704 in seiner Arbeit mit dem Titel Opticks in der Reihenfolge Rot, Orange, Gelb, Grün, Cyanblau, Ultramarinblau und Violettblau in einem Kreis an. Dieser ist in Segmente unterteilt, deren Größe proportional zur Intensität der jeweiligen Farbe im Spektrum gewählt ist. Außerdem weist Newton den Farben in Abhängigkeit von der Wellenlänge mathematisch definierbare Brechungsgrade zu. Die Radien zwischen den Farben markieren eher theoretisch den Übergang zwischen den Farbtönen, da Newton in seinen Experimenten erkannt hatte, dass die Farben des Lichtspektrums langsam ineinander übergehen. Er ordnete die Farben in einem Kreis an, dessen freie Mitte dem Weiß zugeordnet ist, da die Summe aller angeführten Farben weißes Licht ergibt. Dies ist jedoch rein symbolisch zu verstehen, denn die Betrachtungsebene der Hell- und Dunkelwerte wird im System nicht berücksichtigt; Schwarz kommt nur als Rahmenbedingung in Form der Dunkelkammer für die Versuchsanordnung vor. Die heute noch gebräuchliche Anzahl der sieben Spektralfarben leitet Newton von einer Analogie mit den sieben Tönen der Oktave in der Musik ab und begründet dies mit der eher philosophischen Annahme, dass sich die Harmonie der Farben ähnlich der musikalischen Harmonie bestimmen lasse. Newton betrachtete sämtliche Strahlen im Lichtspektrum als unvermischte, „einfache“ Farben. Dem entgegen stand die Erkenntnis, dass Maler aus den Farben Rot, Gelb und Blau sämtliche Farbtöne erzeugen können – ein Widerspruch, der zunächst ungelöst bleiben sollte.

19 St. Clair 2016, S. 17. NATURWISSENSCHAFTLICHE FARBORDNUNG – ISAAK NEWTON

89

Farbe und Symbolik Mit dem Ziel, alle Zweige der Naturwissenschaften sowie künstlerische und handwerkliche Techniken in eine Systematik einzubeziehen, wählte Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) eine grundsätzlich abweichende Herangehensweise, die den sinnlichen Eindruck in den Vordergrund rückte. Bei seinen Versuchen, Newtons Theorien nachzuvollziehen, stellte er fest, dass sich beim Blick durch das Prisma auf eine weiße Wand nicht wie erwartet die Prismenfarben zeigen, sondern diese lediglich an den Rändern des sich abzeichnenden Schattenbilds erkennbar sind. Daraus leitete Goethe eine Farblehre ab, die ähnlich den tradierten und ihm bekannten Modellen von Aristoteles und da Vinci auf der physikalisch nicht korrekten Annahme basiert, dass die Farben an der Grenze von Dunkel und Hell durch Wechselwirkung zwischen Licht und Dunkelheit, die er als „Finsternis“ bezeichnet, entstehen. Das Licht selbst ist gemäß seiner Auffassung ein „reines“, nicht aus einzelnen Teilen zusammengesetztes Urphänomen. In der 1810 erschienenen Farbenlehre beschrieb Goethe eine bisher nicht vorhandene, auf der Wahrnehmung der physiologisch vom Auge erzeugten Farben basierende Systematik, die er um die Komponente von sinnlichen Eigenschaften ergänzte. Sechs schematisierte Farben in der Reihenfolge Gelb, Grün, Blau, Violett, Purpur (aus heutiger Sicht ein Rot) und Orange sind in einem kreisförmigen Diagramm angeordnet und mit assoziativen Begriffen versehen. Er ordnete die Farben in Abhängigkeit von ihrer Helligkeit einem Pluspol (Gelb) und einem Minuspol (Blau) zu; dabei verknüpfte er den Pluspol mit positiven Konnotationen wie aktiv, Licht, Kraft, Wärme, Nähe und den Minuspol mit den Konnotationen passiv, Schatten, Schwäche, Kälte. Die Pole bilden zusammen mit Rot ein Dreieck im Zentrum. Harmonische Farbzusammenstellungen sollen durch die einander im Kreis gegenüberliegenden Kontrastfarben gebildet werden können. Goethe formulierte mit seinem Farbkreis als Erster die These, dass Farben Emotionen auslösen, und lieferte damit einen Anstoß zur Loslösung der Farbe von anderen Mitteln des künstlerischen Ausdrucks.20 Daher beeinflusste seine Farbenlehre bis ins 20. Jahrhundert hinein bedeutende Künstler wie Johannes Itten, Paul Klee, Josef Albers und Wassily Kandinsky, die ihre eigenen Farblehren auf Goethes Theorien aufbauten. Trotz ihres Einflusses wurde Goethes Farbenlehre bis ins 20. Jahrhundert hinein kontrovers diskutiert. Zu ihren bekanntesten Kritikern gehört der Philosoph Ludwig Wittgenstein, der schrieb: „Die Goethesche Lehre von der Entstehung der Spektralfarbe ist nicht eine Theorie, die sich als ungenügend erwiesen hat, sondern eigentlich gar keine Theorie. Es lässt sich mit ihr nichts vorhersagen“.21 Ebenfalls um 1810 entwickelte Philipp Otto Runge (1777–1810), der seine Gedanken in Briefen mit Goethe austauschte, eine von der Form der Erdkugel inspirierte Farbenkugel mit dem Ziel, ein praktisches System zur Beschreibung der Mischung von Farben darzustellen. Diese Kugel stellt den Zusammenhang zwischen allen Farben proportional, perspektivisch und 90

FARBE UND SYMBOLIK

räumlich her. Als Maler griff Runge auf die drei Grundfarben der subtraktiven Farbmischung Blau, Rot und Gelb zurück und ordnete diese – ergänzt um die Mischfarben Orange, Violett und Grün mit ihren Zwischentönen – auf dem Äquator an. In Richtung der Pole wurden die Farben in gleichmäßigen Abständen jeweils mit Schwarz oder Weiß abgestuft, um den Helligkeitswert der Farben im Ordnungssystem darzustellen. Neben den sortierbaren, abgestuften Farbwerten wies er den Farben ideelle Attribute zu; so ergänzen sich die dem Männlichen und Warmen zugeordneten Farben Gelb und Orange mit den gegenüberliegenden, dem Weiblichen und Kalten zugeordneten Blau- und Violetttönen. Die Expressionisten um Franz Marc griffen das System der Farbkugel fast hundert Jahre später wieder auf, kehrten dabei jedoch die Bedeutung der ideellen Attribute um und ordneten fortan das Blau dem Männlichen, Geistigen zu. Die Farbenkugel behielt ihre Bedeutung bis heute, denn sie ist ein Vorläufer bekannter zeitgenössischer, auf Körperfarben basierender Ordnungen, auch wenn die rein symmetrische Anordnung nach jetzigem Kenntnisstand überholt ist. Die Wechselwirkung von Farben

20 21 22

Glasner 2010, S. 7. Wittgenstein 1979, S. 27 (Unterpunkt 70). Stromer, in: Farbe in der Kunst 2010.

Der Direktor einer Gobelin-Manufaktur und Chemiker Michel Eugène Chevreul (1786–1889) beschäftigte sich mit der Wirkung benachbarter Farben aufeinander, nachdem er festgestellt hatte, dass beim fertigen Webstück oft der Eindruck eines Grauschleiers sichtbar ist, obwohl die Farben der verwendeten Garne für sich gesehen brillant wirken. Die Wechselwirkung der nebeneinanderstehenden pigmentbasierten Farben, die sich bei subtraktiver Mischung von Komplementärfarben zum Grau verdunkeln oder bei günstiger Nachbarschaft gegenseitig zum Leuchten bringen, führt zu diesem Effekt. Chevreul erkannte, dass der Effekt mit der durch die Beschaffenheit des Fadens zusammenhängenden Unschärfe zu tun hatte, welche die Grenze zwischen den Farben ungenau erscheinen liess.22 Um dies in der praktischen Anwendung zu steuern, entwickelte er 1839 ein System zur Bestimmung der Gesetzmäßigkeiten von Farbkontrasten. Dieses basiert wie Goethes Farbkreis auf den drei Grundfarben der subtraktiven Farbmischung Rot, Gelb und Blau, die er zusammen mit dazwischenliegenden Mischfarben in einem Farbkreis mit 72 Feldern anordnete. Zur Mitte des Kreises hin werden die Farben in zehn Stufen heller bis zum Weiß. Die Komponente Schwarz wird in einer dreidimensional nach oben aufgesetzten Kuppel hinzugefügt, in der die Farbtöne ebenfalls in zehn Stufen abgedunkelt sind. Je nach Helligkeit stehen die gesättigten (reinen) Farben an einer anderen Stelle des Radius. So ist zum Beispiel eine als hell wahrgenommene Farbe wie Gelb näher am Zentrum des Kreises angeordnet als das als dunkler wahrgenommene Blau; dadurch erhalten die Farbtonwerte einen angemessenen Platz im Gesamtsystem. Dies ist der erste Versuch, von der Gesamtsymmetrie einer Form abzuweichen, um den Farbtönen einen angemessenen Platz zuweisen zu können. Sich in der Darstellung gegenüberstehende komplementäre Farben hellen sich gegenseitig auf, nicht komplementäre Farben erscheinen nebeneinander „verdreckt“.

DIE WECHSELWIRKUNG VON FARBEN

91

Die Erkenntnisse von Chevreul hatten weitreichenden und langanhaltenden Einfluss auf die Arbeitsweise von Künstlern und Architekten und gaben wichtige Impulse für die sich entwickelnden neuen Ideen. Künstler wie die Maler Eugène Delacroix, der seine Halbtöne nicht durch Mischung mit Schwarz, sondern durch komplementäre Farben erzeugte, und Georges Seurat beschäftigten sich mit den Ideen Chevreuls. Noch im 20. Jahrhundert klingen seine Theorien nach, zum Beispiel bei van Gogh, der mit der Dynamik von komplementären Farben arbeitete, oder Robert Delaunay, der in einer Serie von Bildern mit Kreisen aus konzentrisch angeordneten Farbringen, „Disques“, mit Simultankontrasten experimentierte. Bis heute bildet eine von Chevreul entwickelte Farbreihe von Gegenpaaren mit maximalem Simultankontrast die Grundlage für die zwölf im Schulfarbkasten enthaltenen Farben gemäß DIN 5023. Farbharmonien Eines der heute am häufigsten genutzten Farbsysteme im nordamerikanischen Raum hat seinen Ursprung in den psychovisuellen Experimenten, die der Maler Albert Henry Munsell (1858–1918) um die Jahrhundertwende durchführte. Er entwickelte ein weit ausdifferenziertes Farbsystem, das auf der menschlichen Wahrnehmung basiert. Das baumartige, dreidimensionale Modell veröffentlichte er 1905 in A Color Notation. Hier wurden zum ersten Mal die Komponenten Buntart oder Farbton, Helligkeit oder Tonwert und Sättigung oder Reinheit so miteinander kombiniert, dass die unterschiedlich starke Helligkeit der sogenannten reinen Buntfarben dargestellt werden kann. Diesen Ansatz hatte bereits Chevreul verfolgt, konnte ihn aber nicht in der erforderlichen Komplexität abbilden. Im Gegensatz zu einer mathematischen oder physikalischen Aufteilung sind die Farben nach einer „empfindungsgemäßen Gleichabständigkeit“ differenziert, das heißt, der Abstand zwischen den nebeneinanderliegenden Farbtönen wird vom menschlichen Auge als jeweils gleich eingeschätzt. Im 1915 erschienen Atlas of the Munsell Color System werden die einzelnen Verästelungen des Systems in übersichtlicher Weise als Längs- oder Querschnitte durch den Farbkörper dargestellt. Das auf absoluter Helligkeit beruhende Ordnungssystem von Munsell unterscheidet sich wesentlich vom fast zeitgleich in Deutschland favorisierten System des Chemikers und Philosophen Wilhelm Ostwald (1853– 1932), der die Farben mit Schwarz abstufte. Ostwald, der Beziehungen zum Werkbund pflegte und dem damit Vorstellungen der Materialehrlichkeit geläufig waren, ordnete die Farben nach den drei Variablen Farbgehalt, Schwarzgehalt und Weißgehalt. 1917 erschien Die Farbenfibel, die bis 1930 insgesamt 14 Auflagen erreichte, und im Herbst des selben Jahres Der Farbatlas mit 2 500 Farben, welcher Architekten und Gestaltern helfen sollte, harmonische Farbkombinationen zu finden. Die Ostwald’sche Farbenlehre hatte ihren Höhepunkt in den 1920er-Jahren in Deutschland. Er fungierte in mehreren europäischen Ländern als wichtiger Berater der Farbenindustrie und war bestrebt, in Zusammenarbeit mit der Industrie die 92

FARBHARMONIEN

perfekten reinen Primärfarben zu erreichen. Seine Theorien beeinflussten die Künstler der Gruppe De Stijl um Piet Mondrian, die eine Beschränkung auf ein stark eingeschränktes Spektrum von Primärfarben forderten. Nach der Erkenntnis des deutschen Physikers und Psychologen Gustav Theodor Fechner (1801–1887), dass zwischen Reiz und Empfindung kein gleiches, sondern ein proportionales Verhältnis bestehe, entwickelte Ostwald dreieckige Skalen von Farbtönen, die aus veränderlichen Anteilen von Weiß, Schwarz und je einem Farbton zusammengesetzt sind, wobei die Farbtöne jeweils durch Quadrierung der Schwarzmenge abgestuft sind. Die Dreiecke aller Farbtöne bilden zusammen ein Gesamtsystem in Form eines Doppelkegels, um dessen Äquator die gesättigten Farben Gelb, Orangerot (von Ostwald als „Kress“ bezeichnet) und Rot, Urblau, Eisblau, See- und Laubgrün so angeordnet sind, dass einander gegenüberliegende komplementäre Farben gemischt ein neutrales Grau ergeben. Ostwalds Farbharmonielehre beruht auf der Annahme, dass das harmonische Empfinden von Farbkombinationen durch Gesetzmäßigkeiten beschreibbar ist. Er vertrat die Ansicht, dass nur Farben mit gleichen Schwarz- oder Weißanteilen miteinander kombiniert werden sollten. Bei der Kombination von Farben unterschiedlicher Werte ist darauf zu achten, dass die Stufen zwischen den Farben im Farbkegelmodell immer gleich sind. So lassen sich durch Abgleich der Zahlen und Buchstabenwerte zu jeder beliebigen Farbe im Farbmodell harmonische Farben finden. Ostwalds System ist das erste empfindungsgemäß gleichabständig sortierte Farbsystem, das es erlaubt, Einzelfarben farbmetrisch zu erfassen. Trotz weiter Verbreitung wurde es jedoch in keine Normung übernommen. Beim Versuch, Gesetze für die Harmonie von Farben zu finden, wurden unterschiedliche, wiederkehrende Ansätze verfolgt: Farbharmonien wurden mit Analogien zu musikalischen Harmonien bestimmt oder durch komplementäre Anordnungen und Sortierungen nach Tonwert erstellt. Das Thema der Farbharmonien beschäftigte vor allem viele Künstler, die bis in die Gegenwart hinein versuchen, ihre persönliche Haltung zum Thema Farbe grafisch darzustellen. Viele dieser Systeme erfüllen jedoch keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern bilden das Schaffen und Denken einer einzelnen Persönlichkeit ab. Über die Lehre, Veröffentlichungen und den Diskurs unter Zeitgenossen entwickeln sie trotzdem eine gewisse Reichweite und Bedeutung. Subjektive Farbsysteme Besonders produktiv beim Entwickeln von Farbsystemen und Harmonielehren waren die Lehrer des Bauhaus in Weimar, die diese für ihren Unterricht entwickelten und sie nutzten, um ihre Haltungen zu veranschaulichen. Johannes Itten (1888–1962) veröffentlichte während seiner Zeit als Lehrer am Bauhaus in Weimar seine Farblehre, die auf der Erkenntnis basiert, dass keine absolute Verallgemeinerung möglich ist, da jeder Mensch ein individuelles Farbempfinden hat. Seine Theorien legt er 1961 in dem Buch Kunst der Farbe dar. Darin enthalten sind Ittens Ausführungen SUBJEKTIVE FARBSYSTEME

93

zu den sieben Farbkontrasten sowie den Zusammenhängen zwischen Farbe und Form. Nach der Auseinandersetzung mit den Systemen von Goethe und Runge, Wilhelm von Bezold und Chevreul sowie dem Farbkreis und der Kontrastlehre seines Lehrers Adolf Hölzel (1853–1934) entwickelte Itten ein System, in dem subjektive Farbempfindungen und objektive Grundgesetze kombiniert werden. Die Prinzipien sind in einem Farbstern dargestellt, der sich aus den im Zentrum angeordneten Grundfarben der subtraktiven Farbmischung Gelb, Blau und Rot entwickelt. Die nächste Ebene bilden die sich daraus ergebenden Mischfarben Grün, Violett und Orange. Weitere sechs aus jeweils zwei Zwischenfarben gemischte Farbtöne komplettieren den Stern. Eine Mischung aus drei Grundfarben, die zum Beispiel Braun- oder Olivtöne ergeben würde, ist nicht vorgesehen. Die Anordnung erfolgt von den hellen Gelbtönen zu den dunklen Blautönen; die durch die gewählte Geometrie entstehenden Verbindungslinien sollen Farben zusammenfassen, welche besonders gut harmonieren. Itten vertrat jedoch die These, dass die Harmonie von Farben nicht berechenbar, sondern nur durch das geschulte Auge erkennbar ist. Ittens Bauhauskollege, der Künstler Wassily Kandinsky (1866–1944), hingegen entwickelte eine Farblehre aus dem Prinzip der Synästhesie, der Verknüpfung verschiedener Sinnesbereiche zu einem Gesamtklang. Kandinsky stellte eine Verbindung zwischen Farbe und Form her; er verknüpfte die Farbe Gelb mit dem Dreieck, Blau mit dem Kreis und Rot mit dem Quadrat. Ergänzt wurde dies durch von herkömmlichen Farbenordnungen abweichende Farbreihen, die das räumliche Verhalten von Farben aufzeigen sollen, zum Beispiel eine zurückweichende Wirkung von Gelb und Blau und eine statische Wirkung von Rot. Einen anderen Ansatz wählte Paul Klee (1879–1940), der im Rahmen seiner bildnerischen Formenlehre am Bauhaus eine eigene Farbphilosophie formulierte. Nach Studien der Natur und des Regenbogens stand er sowohl Ostwalds acht Grundfarben als auch dem siebenteiligen, von Newton definierten System kritisch gegenüber und griff dagegen unter anderem auf die Theorien Goethes und Runges zurück. Doch betrachtete er auch diese kritisch, und in seinen Schriften sprach er 1922 über die „Mangelhaftigkeit der Erscheinung des Regenbogens“, dessen aus Beobachtung ermitteltes Farbspektrum einen zu starken Anteil an Blauund Violettönen enthalte. Außerdem vermutete Klee, dass die übliche genannte Anzahl von sieben Farben im Regenbogen alleine dem Wunsch geschuldet sei, hier eine Analogie zur Musik zu schaffen.23 Mit dem Ziel, eine bessere Darstellungsform zu finden, um die „Reinheit des Kosmos“24 abzubilden, skizzierte er in Anlehnung an Ewald Herings Lehre vom Lichtsinne (1920) um 1922 einen Farbkreis, der auf dem An- und Abklingen von Farben beruht. Allerdings benutzte er als Maler im Gegensatz zu Hering die drei Hauptfarben der subtraktiven Farbmischung Blau, Rot und Gelb und die aus deren Mischung entstandenen sekundären Hauptfarben Grün, Violett und Orange. Auf einer vertikalen Achse fügte er die Farben Schwarz und Weiß hinzu, die er in einem ständigen Kampf begriffen sah. Ihre Mischung und ihr Einfluss auf die Buntfarben wurde jedoch nicht genauer 94

23 24 25 26

Klee 1922, in: Oswald 2002, S. 4. Oswald 2002, S. 4. Tempkin 2008, S. 18. Richter 2008, S. 91.

dargestellt. Wie beim Kanon in der Musik, bei dem eine identische Melodie zeitversetzt erklingt und so eine Überlagerung entsteht, entwickelte Klee eine theoretische Vorstellung davon, wie „widerstreitende“ Farben zusammenklingen, wie ein Pendel durch Bewegung und Gegenbewegung im Gleichgewicht bleiben und zu einer Kreisbewegung finden. Mit der Auflösung des Bauhaus endeten auch die Versuche von Künstlern, eigenständige, unabhängige Farbharmonien zu entwickeln. An die Stelle philosophischer oder experimenteller Überlegungen trat schließlich das Bestreben, durch Farbmuster eine definierte und beherrschbare Auswahl aus den fast 17 Millionen möglichen Farbkombinationen, zu generieren. Immer wesentlicher wurde es auch, die Abstimmung der Farbe zwischen verschiedenen Medien, beispielsweise beim Farbdruck, zu gewährleisten und eine weltweite Farbverständigung zu ermöglichen. Der internationale Erfolg von Farbsystemen wie dem Pantone Matching System (PMS) ist Ausdruck einer Zeit, in der sich kulturelle Unterschiede langsam auflösen.25 Aber auch die von Herstellern zu Verkaufszwecken produzierten Farbfächer üben eine Faszination aus. Der Maler Gerhard Richter (geb. 1932) beschäftigte sich während der 1960er-Jahre intensiv mit dem Thema Farbe in der aktuellen Malerei und entwickelte als Reaktion auf die Pop-Art und insbesondere die Kunst Andy Warhols seine sogenannten „Color Chart Paintings“. Er begann mit einem Format, das stark an die Ästhetik der Farbkarten kommerzieller Hersteller erinnerte. Für eine aus vier Bildern bestehende Serie entwickelt er ein System zur Darstellung von Farbtönen, die sich aus drei Grundfarben plus Grau mischen lassen. Diese werden mit der Zahl 4 als Multiplikator bis zur Gesamtzahl von 1 024 Farben soweit ausdifferenziert, bis weitere in der Reihe mögliche Farbtöne für das Auge nicht mehr klar unterscheidbar wären. Gerhard Richter lotete mit dieser Arbeit einerseits – ähnlich den klassischen Farbsystemen – die Anzahl der in der Darstellung unterscheidbaren Farben aus, andererseits entzog er die Farben durch die kalkuliert willkürliche Anordnung dem vom Betrachter erwarteten logischen Zusammenhang. „Die Anordnung der Farbtöne auf den Feldern erfolgte per Zufall, um eine diffuse, gleichgültige Gesamtwirkung zu erzielen, während das Detail anregend sein kann. Das starre Raster verhindert die Entstehung von Figurationen, obwohl diese mit Anstrengung sichtbar werden können. Diese Art von künstlerischem Naturalismus ist ein Aspekt, der mich fasziniert, wie die Tatsache, dass, wenn ich alle möglichen Permutationen gemalt hätte, das Licht über 400 Billionen Jahre brauchte, um vom ersten bis zum letzten Bild zu kommen.“26

SUBJEKTIVE FARBSYSTEME

95

Teil 2

Bridget Riley, Evoë 3, 2003, Acryl und Öl auf Leinwand, 193,3 × 581,4 cm

Bridget Riley nutzt neben der instabilen Erscheinung von Farbe deren Interaktion mit Nachbarfarben und setzt sie in ein Beziehungsgeflecht aus rhythmisierten Linien, Wellen, Bögen oder Rauten. Die Komposition der Farben und Formen vermittelt neben dem Eindruck von Bewegung auch Scheinvolumen oder Scheinräumlichkeit. Die erzeugten Flächenstrukturen werden zum Seherlebnis.

Farbe als Flächen-, Strukturund Raumelement

Ich habe bloßes „Kolorieren“ stets zu vermeiden versucht. Ich möchte eine Farbform schaffen, nicht gefärbte Formen.1 Bridget Riley

Camille Graeser, Drei progressiv bewegte Farbgruppen mit weißem Kern, 1958, Öl auf Leinwand, 32 x 64 cm 98

Die um das Bildzentrum rotierenden Rechteckformen vermitteln den Eindruck von Bewegung und Raum. „Zwei Farbpaare, rot/grün + gelb/violett, polar komplementär angeordnet, lösen eine periphere Bewegung aus, während zwei innere Farbpaare sich entgegengesetzt bewegen. Aus dieser Doppelbewegung resultiert ein weißer, quadratischer Raum, der das exzentrische Energiefeld dieser Konkretion sichtbar macht.“2

Farbeinheiten und Flächeneinheiten

1 2

Riley 2012, S. 115. Camille Graeser Stiftung 2009, S. 81.

Die Wirkung von Farbe entwickelt in der ebenen Fläche, auf strukturiertem Untergrund oder in plastisch-räumlichen Kontexten jeweils spezielle Charakteristika und Qualitäten. Doch worauf sind diese zurückzuführen und welche Absicht und Methodik liegen der jeweiligen Farbanwendung zugrunde? Wie entsteht eine ausbalancierte Flächenkomposition, überlagern sich Farb- und Formenstrukturen oder verräumlicht sich ein Farbgedanke? Bereits auf ebenem Grund lassen sich mittels Farbe Gleichgewichtssysteme, dynamische Prozesse oder Kräftebeziehungen herstellen. Um diese Ergebnisse zu erzielen, legen Künstler ihren Arbeiten in der Regel strenge Ordnungsschemata zugrunde, welche die Zusammenhänge von Fläche und Raum, Form und Farbe genau definieren. Die Beziehung dieser Parameter nimmt Einfluss darauf, ob Flächen sich gegenseitig stabilisieren und Halt geben, Farben sich gegenseitig verdrängen, räumliche Assoziationen entstehen oder der Farbraum sich scheinbar auflöst. Den intendierten Rezeptionen bei der Bildbetrachtung gehen farbsystematische Untersuchungen in Form präziser Proportionsstudien und Abstufungsprozesse der Künstler voraus. Möglichkeiten der plastischen Wirkung von zweidimensionalen Flächen werden ebenso ausgelotet wie die Grenzen der Planbarkeit von Farbereignissen durch dynamische, interaktive Prozesse. Trotz festgelegter Kompositions- und Ordnungsprinzipien entstehen unerwartete Wechselwirkungsmechanismen und Farberscheinungen, so sehr die Farbe auch an geometrische Organisationsformen gebunden wird. Josef Albers, Bridget Riley und andere Künstler fordern die Wahrnehmungsgewohnheiten der Betrachter heraus, indem sie durch komplexe Farbfeld- oder Liniengebilde geometrische Flächenstrukturen entstehen lassen, die räumlich lesbar werden. Farbflächen und Linien wirken durch Kontrast, Parallelität, Versatz, Überschneidungen, Wiederholung, Verschränkung oder Invertierungen räumlich, obwohl es keine „echte“ Dreidimensionalität gibt. Trotz der teilweise strengen, mathematischen Konstruktionen kann sich die Rezeption zugunsten eines irritierenden und spielerischen Eindrucks verändern. Eine Farbe kann innerhalb der gleichen zugrunde gelegten Struktur die Nachbarfarbe schwächen oder gar abflachen, aber auch zum Leuchten oder Vibrieren bringen. Farbintensitäten können zu Dichte gesteigert werden und regelrechte Farbvolumen erzeugen. Ebenso können über Helligkeitsabstufungen Raumillusionen entstehen. Aufbauend auf einem identischen Proportionsraster innerhalb gleicher Formate verändert sich durch die unterschiedlich eingesetzten Helligkeitswerte die Wahrnehmung der Tiefenwirkung. Bei verwandten Farbtönen entsteht ein Eindruck der Überlagerung von transparenten Schichten, die ebenfalls eine räumliche Wirkung erzeugen. Die Anzahl, Art und Größe der innerhalb eines bestimmten Formats oder einer Fläche gewählten Farbeinheiten – seien es Flächenkompositionen oder Linien – bestimmen die Bildraumdefinition und stellen eine spezifische Bildmaßstäblichkeit her. Innerhalb dieser wird das Verhältnis

FARBEINHEITEN UND FLÄCHENEINHEITEN

99

Theo van Doesburg, Zusammensetzung XXII, 1922, Öl auf Leinwand, 45,5 × 43,3 cm

von Farbe zu Fläche und Farbe zu Farbe durch geometrische und hierarchische Ordnungs- und Kompositionsprinzipien definiert. Die daraus resultierende Struktur und Systematik der Farbtektonik legt die Verhältnisse untereinander und damit ein Farben- und Flächengleichgewicht fest. Je nach Kompositionsprinzip wirkt die Bildfläche ruhig und ausgeglichen, verdichtet und komplex oder rhythmisiert und in Bewegung. Ebenfalls relevant für das Erscheinen der Farbe ist neben ihrer Größe die Nachbarfarbe, die Einfluss auf die Korrespondenz und gegenseitige Präsenz der Farbigkeit ausübt. Durch die gewählten Proportionen zueinander – numerisch oder intuitiv –, durch das Steigern von Farbintensitäten und Kontrasten, aber auch durch monochrome Farbfelder entstehen Kräfteverhältnisse allein durch Farbe, die in vielfältigen Austausch miteinander treten und eine hohe Intensität erhalten, je nach Lage und Größe auf der Fläche. Das Thema der abstrakten Komposition, des Ausbalancierens von Farbelementen und der Hervorhebung der Fläche auf dem Bildträger wird von zahlreichen Künstlern aufgegriffen und formuliert. Exakte Proportionen und definierte Verhältnisse der einzelnen Teile zueinander werden oft skizzenhaft, aber präzise auf Millimeterpapier entwickelt, um sie dann auf die Leinwand zu übertragen. Das Denken in Varianten und Serien, das Hinterlegen mit Zahlen und Berechnungen und die Wechsel der Maßstäblichkeiten kennzeichnen die aus vielen Farbabstufungen und Kontrasten bestehenden Arbeiten. Vor allem aber bei der Frage der Beziehung von Fläche und Räumlichkeit gibt es unterschiedliche Herangehensweisen und Positionen. Der Künstler Andor Weininger fasste diese Gedanken zusammen, während er im Bauhaus in der Klasse der Wandmalerei arbeitete und unter dem Einfluss von Theo van Doesburg stand: „Ich fing an, mich zu fragen: Was ist eine Oberfläche? Was ist eine Fläche? Ich fing an, über Zweidimensionalität nachzudenken. Monatelang dachte ich darüber nach. Ich versuchte, Doesburgs Lehren zu verstehen.“3 100

3 4 5

Svestka 1990, S. 32. Jaffé 1967, S. 224. Jaffé 1967, S. 224.

In den Flächenkompositionen der De-Stijl-Künstler gibt die Farbe statt der Perspektive den Bildern Plastizität und Gewicht. Das Anliegen der Gruppe war es, tiefenräumliche Interpretationen zu vermeiden. Daher gilt es, die bildnerischen Mittel, die sich in Dimension und Farbe unterscheiden, miteinander ins Gleichgewicht zu setzen und eine annähernde Wertigkeit zu erzielen. Andor Weininger arbeitete gezielt an den Proportionen der Farbflächen zueinander und an der Beziehung von Farb- und Größenverhältnissen. In zahlreichen Entwicklungsreihen zur Flächengliederung prüfte er, inwieweit die Zweidimensionalität der Flächen bewahrt wird oder ob eine räumliche Illusion eintritt. Immer wieder überprüfte Weininger auch eine ähnliche Farbzusammenstellung in anderer Kombination. Umgekehrt prüfte er dieselbe Farbwahl in alternativen Systemen und Anordnungen. Später entwickelte Weininger seine konsequent in der Fläche gehaltenen Kompositionen in den Raum hinein. In Form von neoplastizistischen Gesetzen, die das rein bildnerische Mittel und dessen Gebrauch bestimmen, definierte der Künstler Piet Mondrian seine Bildauffassung und Malerei als eine „Kunst der reinen Verhältnisse“.4 Der Ausgleich im Bild sollte durch „eine große Oberfläche in NichtFarben und eine eher kleine Oberfläche aus Farbe oder Masse“ erfolgen. „Das Gleichgewicht, das die bildnerischen Mittel neutralisiert und aufhebt, entsteht durch die proportionellen Beziehungen, in denen sie zueinanderstehen und durch die der lebendige Rhythmus erzeugt wird.“5 Da Farbe bereits aus sich heraus Raumtiefe und Plastizität erzeugt, ist die Zuordnung von Element und Farbe raumbestimmend. Auch die Art des Auftrags beeinflusst die wahrgenommene Bildtiefe sowie die Flächen- und Farbenbeziehungen. Je nach Intention entsteht ein bewusst eindimensional-flacher Bildraum mit gleicher Hierarchisierung der Elemente oder eine wahrgenommene Bildtiefe. In seiner Arbeit „Oiseau“ verzichtete Auguste Herbin 1946 bewusst auf den Eindruck von Räumlichkeit und band die Farbe innerhalb der Form unmittelbar an die Fläche. Der Bildaufbau besteht aus vier klar strukturierten Bildteilen innerhalb eines Rahmens. In leuchtenden Grundfarben werden elementare Formen wie Kreise, Quadrate und Dreiecke dargestellt und bilden innerhalb dieser Segmente eine abstrakte Komposition. Herbin entwickelte innerhalb eines klaren Bildaufbaus eine freie Anordnung ohne jegliche räumliche Wirkung. Dies führte zu dem zeichenhaften, schablonenartigen Eindruck, der ohne jeden Anschein einer Bewegung oder eines Vorder- und Hintergrundes gleichmäßig ausbalanciert erscheint. 1942–1944 hatte Herbin seine zentrale Idee, das „alphabet plastique“, entwickelt. Bei diesem Kompositionsprinzip werden Buchstaben, Farben, Formen und Töne in Beziehung zueinander gesetzt. Rot ist zum Beispiel mit dem Kreis und Gelb mit dem Dreieck verknüpft. Diese selbst gesetzte Regel sollte im Sinne einer nachvollziehbaren Zuordnung von Buchstaben, geometrischen Formen und Farben erfolgen und verschaffte Herbin eine Fülle an Variationsmöglichkeiten. Immer wieder entwickelte er daraus neue, methodisch erarbeitete Modifikationen.

FARBEINHEITEN UND FLÄCHENEINHEITEN

101

Piet Mondrian, Victory Boogie Woogie, 1942–1944 (unvollendet), Öl und Papier auf Leinwand, 127 × 127 cm

Andor Weininger, Zehn Skizzen, 1922, Gouache, Wasserfarbe, Farbstift und Bleistift auf Papier, 13 × 19 cm 102

Auguste Herbin, Oiseau, 1946, Gouache, 98,5 × 72 cm

Proportionsskizze zu Oiseau

Dynamische Flächenkompositionen

6 Gage 2204, S. 243. 7 Camille Graeser Stiftung 2015, S. 37. 8 Ebd.

Die Zuordnung von Farbe und Form entwickelte der Künstler Horst Bartnig aus Algorithmen, meist auf Basis des Quadrats, mit denen er einmal konzipierte Serien in allen Variationen darstellte. Obwohl Bartnigs reine Farbkompositionen auf einer exakt berechneten Systematik beruhen, entstehen Farb- und Formkombinationen, die zufällig wirken und das zugrunde gelegte, selbst bestimmte System von Regeln infrage stellen. Im Sinne von Variationsbildern entstehen komplexe Wechselwirkungen zwischen Struktur und Farbe und eine starke visuelle Präsenz mit hohem dynamischem Potenzial. Schon die „Boogie-Woogie“-Bilder von Piet Mondrian (1942) haben einen eigenständigen Bildrhythmus in Form sich scheinbar bewegender, kleiner, mosaikartiger Farbelemente. Diese lösen die durchgehenden Streifen auf und bringen das Auge zum Wandern, sodass der Eindruck des Vibrierens entsteht. Die unbewusste Suche nach einer Bildlogik, die aus einer Wiederholung und Systematik bestünde, lässt den Blick über die Bildfläche schweifen und verhindert dessen unmittelbare Erfassbarkeit. Mondrian hatte in vorbereitenden Skizzen mit gummiertem Klebeband gearbeitet, um die Positionierung der Primärfarben zu prüfen. Entgegen der früheren, strengen Kompositionen Mondrians entsteht bei Victory Boogie Woogie der Eindruck von Rhythmus und Bewegung analog zur Musik. Mondrians Vorliebe galt der amerikanischen Jazzmusik; insbesondere den Boogie Woogie empfand er als reinen Rhythmus. Mondrian hatte 1927 einen bedeutenden Aufsatz mit dem Titel De jazz en de Neo-plastiek veröffentlicht und war der Überzeugung, dass „der Rhythmus, ob optisch oder musikalisch, das verbindende Merkmal von Leben und Kunst sei.“6 Mit der Visualisierung von Musik und Klang beschäftigte sich auch der Künstler Camille Graeser zeitlebens. Er bezeichnete seine Arbeit selbst als „sichtbar gestalteten malerischen Klang, ähnlich der Musik“.7 In seinem „Spiel mit Maß und Wert von Farbe, Form und Linie“8 suchte Graeser den Gesetzmäßigkeiten in der Musik bildhaft zu entsprechen, wie schon Wassily Kandinsky und Paul Klee, die wichtige Vorbilder für ihn waren. Auch Max Bill hatte künstlerische Gestalt-und Formbildungsprozesse mit musikalischen Prinzipien verglichen und sich dabei auf die Fugen von Johann Sebastian Bach bezogen. Analog zu Notenintervallen in der Musik gliederte Graeser seine größer oder kleiner werdenden Flächen und rhythmisierte die Bildoberfläche über kleinere Bildelemente. Damit stellte er Themen wie Bewegung, Dynamik, Rotation, Relation oder Rhythmus vor die Absicht, rein geometrische Kompositionen zu entwickeln. Der Ausbau der Kompositionen Graesers richtete sich je nach Inhalt nach einem bestimmten Prinzip, beispielsweise bei den „Exzentrischen Rotationen“ von innen nach außen. Durch die wechselnde Anordnung immer größer werdender stehender und liegender Formate um einen weißen Kern herum ergibt sich eine Drehbewegung.

DYNAMISCHE FLÄCHENKOMPOSITIONEN

103

Horst Bartnig, Variationen mit vier mal vier Quadraten in vier Farben, 2004, Acryl auf Leinwand, 180 × 255 cm

Eine vollkommene Systematisierung der Elemente und der Farben entwickelte der Künstler Richard Paul Lohse. Lohses Hauptschwerpunkt lag auf der Arbeit mit modularen und seriellen Ordnungen, aus denen heraus Farbbewegungen entstehen: Damit baute er eine Methodik auf, innerhalb derer die Farbflächen autonome Positionen einnehmen. Lohse hob den Gegensatz zwischen Farbe und Form auf. Ohne seine Farbzuordnungen bleibt das Bild für den Betrachter unzugänglich und nicht ergründbar. Nur die Farbe setzt den Bildraum in Bewegung, rhythmisiert, aktiviert oder bringt die Farbelemente zum Rotieren. Thematisch und gezielt ordnete er seinen Bildaufbau auf Basis rein mathematischer Regeln und nicht nach kompositorischen Kriterien. Zahlreiche Schemata dokumentieren seine rationale und durchdachte Arbeitsweise. 104

9 Albrecht, 1979, S. 120. 10 Ebd.

1

2

3

4

Schemata zur Element- und Flächenbildung von Richard Paul Lohse9 1 „Addition und Reihung eines unveränderlich bleibenden Elements in vertikaler und horizontaler Richtung. Diagonale Formen ergeben sich.“ 2 „Progression bzw. Degression der Proportionen, wodurch auch das Element variiert wird.“

3 „Rotation und Drehung um die Mittelachse bei gleich zeitiger Zunahme der Elementbreite im inneren Umlauf und entsprechender Abnahme im äußeren Umlauf. Beide Drehrichtungen lassen sich vertauschen.“ 4 „Zusammenfassung verschiedener Operationen. Es bedarf schon einer farbigen Differenzierung, um den Spiralgang sichtbar zu machen.“10

Richard Paul Lohse, 15 systematische Farbreihen mit 5 gleichen horizontalen Rhythmen, 1950/1962, Öl auf Leinwand, 150 × 150 cm DYNAMISCHE FLÄCHENKOMPOSITIONEN

105

Camille Graeser, Rote Dominante, 1957–1961, Öl auf Leinwand, 72 × 72 cm 106

Räumliche Flächenkompositionen Neben Rotationen, Drehbewegungen oder rhythmisch bewegten Strukturen können gezielt konstruierte Flächenkompositionen aus der Zweidimensionalität der Fläche heraus farbige Bildillusionen bis hin zur Scheinperspektive entwickeln. Je nach Bildordnung und Farbwahl wird Farbe so zum Raum- und Tiefenerzeuger und entfaltet ihre plastische Dimension. Das Umspringen von Farbflächen in Räumlichkeit ist aber mehr als ein Effekt, sondern ein Ergebnis unserer Wahrnehmungsleistung. Der Künstler H. H. Zimmermann beschäftigt sich mit der „Härte und Prägnanz körperlich wirkender Farbflächen“11 und entwickelt mit sparsamen Mitteln Doppeldeutigkeiten in der Wahrnehmung. Die Auseinandersetzung mit Raum und Fiktion ist das zentrale Thema in Zimmermanns Arbeit, was der Künstler wie folgt beschreibt: „Die Faszination des Raumes entspringt immer der Imaginationskraft unserer eigenen Vorstellungen; und diese Kraft wird durch den fiktiven, den nicht vorhandenen Raum in weitaus erregenderer Weise affiziert als durch den tatsächlichen.“12 Die Kraft von Zimmermanns Arbeit liegt in der absoluten Beschränkung der Bildmittel, mit denen allein aus der Ebene heraus ein Ereignisraum entsteht. Der Konflikt zwischen Raum- und Flächenwahrnehmung wird bewusst provoziert. Durch die Verknüpfung von Geometrie und einer bestimmten Farbauswahl entsteht in unserer Vorstellung eine Körperhaftigkeit auf der Fläche. Zimmermann wählt die Farben bewusst und setzt sie mit seinen geometrischen Elementen in Beziehung. „Es ist die Farbe, die die Räume weich oder fest, transparent oder opak erscheinen lässt. Es ist der Bildraum, in dem die Tiefe sichtbar wird, eine Tiefe, die nur hier wirkt und sonst nirgends.“13 Auch der Künstler Josef Albers hat mit seinen Farbinteraktionen nach einfachen Bildstrukturen gesucht, welche die Eigenschaften und Eigenarten der Farbe herausstellen und damit auch räumliche Wirkung entfalten. Albers ging sogar so weit aufzuzeigen, dass innerhalb dergleichen Farb-Bild-Beziehung mehrere perspektivische Raumauffassungen möglich wären.14 Trotz klar erkenntlicher Flächenpositionierung und dem angelegten Farbengleichgewicht wird ein bewusster Widerspruch erzeugt. Besonders deutlich wird dieses Phänomen in Albers’ „Studie zu Tautonym“, zu denen er selbst schreibt: „Ihre Richtung wechselt dauernd. Und je nachdem, wie wir sie anschauen, erscheinen sie konvex oder konkav – Qualitäten, die ihnen selbst gar nicht zu eigen sind. Wir sind es, die sie in eine Richtung lenken und dann in die andere. Ich mag diese Art von Arbeiten, die auf einer scheinbaren Rationalität gegründet sind, die dann aber zum Alogischen und Unerklärbaren führt. Wie jeder sieht, brauche ich keine wirkliche Bewegung, um das Gemälde in Bewegung zu versetzen.“15 11 12 13 14 15

Loskill 2012, S. 33. Loskill 2012, S. 140. Loskill 2012, S. 18. Liesbrock 2010, S. 29. Liesbrock 2010, S. 30.

RÄUMLICHE FLÄCHENKOMPOSITIONEN

107

Proportionsschemata zu Josef Albers’ Homage to the Square16 Aufbauend auf einem identischen Proportionsraster innerhalb gleicher Formate, verändert sich durch die unterschiedlich eingesetzten Helligkeitswerte die Wahrnehmung der Tiefenwirkung. Bei verwandten Farbtönen entsteht ein Eindruck der Überlagerung von transparenten Schichten, die eine räumliche Wirkung erzeugen.17

Josef Albers, Homage to the Square, EK 1a, 1970, Siebdruck, 35 × 35 cm

d

c

b

a

Proportionsskizze zu Josef Albers’ d = a + b Homage to the Square18 Gerade durch die Kontrolle und die absolute Fixierung des kompositorischen Aufbaus wird ermöglicht, die unterschiedlichen Auswirkungen von Farbnachbarschaften und deren Einfluss auf flächige Quantitäten unbeeinflusst zu beobachten. 108

16 17 18 19

Albrecht 1974, S. 88. Albrecht 1974, S. 87. Albrecht 1974, S. 75. Liesbrock 2010, S. 30.

Josef Albers, Homage to the Square, I-S f, 1970, Siebdruck, 34,9 × 34,9 cm

Heinz Liesbrock beschreibt in „Malerei auf Papier. Josef Albers in Amerika“ die „disparate Raumkonstruktion“ in Albers’ „Studie zu Tautonym“. „Aus 5 Farben schafft der Maler ein Feld von aneinanderstoßenden Parallelogrammen, die die Bildfläche in ihrer Breite durchmessen. Dabei wiederholen sich die Binnenflächen aus Grau, Azurblau und Rosa im Wechsel der Farben zwischen den Formen, wobei die Mittelachse des Bildes als Scharnier zwischen ihnen fungiert. Das Tableau dieser ruhig scheinenden Farbflächen verwandelt sich jedoch im Prozess des Sehens bald in eine zutiefst disparate Raumkonstruktion. Die beiden Hälften erscheinen für den Betrachter, blickt er von rechts, in einer Untersicht, schaut er jedoch von links, so zeigen sie sich in Aufsicht“.19

RÄUMLICHE FLÄCHENKOMPOSITIONEN

109

H. H. Zimmermann, Zwischen den Ebenen, 2006, Acryl auf Leinwand, 100 × 100 cm

Josef Albers, Studie zu Tautonym, 1944, Öl und Bleistift auf Löschpaper, 34,9 × 58,1 cm

Farbe als Strukturelement Während die Malerei vornehmlich durch die Bindung an den ebenen Bilduntergrund definiert ist, löst sich das Relief von der Flächenhaftigkeit und erzeugt eine Spannung zwischen Fläche, Struktur und Körper. Es erlangt dadurch sowohl flächig-bildhafte als auch plastisch-skulpturale Eigenschaften. Die Überlagerung der Plastizität der Bildträgers mit Farbe führt zum Erleben eines durchgehend instabilen Zustands. Je nach Abstand, Richtung und Blickwinkel verändert sich der Farbeindruck, bringt neue Lesbarkeiten und vielfältige Lichterscheinungen hervor. Die Interaktion zwischen Farbstruktur und Formstruktur führt zu einem spannungsvollen Dialog; sie bildet Schatten aus und lässt selbst monochrome Untergründe vielfarbig erscheinen. Auch bei geringer Relieftiefe stellen sich bereits eine räumliche Wahrnehmung und damit eine skulpturale Wirkung ein. Reliefarbeiten verwenden Bildschichten und schließen die Mehrdeutigkeit und vielfältige Lesbarkeit des Bildes ein. Ob die Arbeit mit Farbe auf der ebenen Fläche oder auf einem räumlichen, relieffierten Bildträger stattfindet, spielt auch in der Erfassung der beabsichtigten Wirkung eine entscheidende Rolle, da das Moment der Bewegung des Betrachters hinzukommt und so die Wahrnehmung um den Faktor Zeit erweitert. Viele Künstler haben den Schritt vom ebenen Tafelbild zu einer erhabenen Reliefstruktur vollzogen und damit die Schwelle zur Plastik betreten. Die Arbeiten des Künstlers Ben Muthofer, der sich mit unzähligen Variationen von Formbildern und Faltplastiken beschäftigt, die sich über die Form des Dreiecks entwickelten, entfalten eine gleichzeitig flächige und räumliche Wirkung. Reliefarbeiten eröffnen spannungsvolle Interpretationsspielräume zwischen Überlagerungen von Vorder- und Hintergrund, Dichte und Auflösung, Bewegung und Starre. Von ruhigen Flächenkompositionen, seriellen Reihungen bis hin zu vibrierenden Strukturen, welche die Statik des Bildträgers scheinbar auflösen, entstehen durch Vertiefungen, Schichtungen oder Verdichtungen vielfältige Imaginationsräume. Durch den unterschiedlichen Lichteinfall und das so entstehende Schattenbild können selbst Flächen, die mit derselben Farbe versehen wurden, unterschiedlich wirken und so zu einer vielfältigen Farbwahrnehmung führen. Reliefarbeiten bestehen aus flächigen oder geknickten Faltungen, geschichteten Ebenen, bearbeiteten Trägerplatten, seriellen Elementen wie Lamellen, Kugeln oder Würfeln oder skulpturalen Wandobjekten. Sie interagieren mit Strukturen, Texturen, Formen, Licht und Farbe. Die Beziehungen verschiedener Oberflächen zueinander und die Mehrdimensionalität der kompositorischen Anordnung lassen einen Raumeindruck erahnen, ohne diesen genau zu definieren oder einzulösen. Der Künstler Leo Breuer arbeitete in seinen Reliefs seriell mit Leisten oder Holzquadern, die er immer wieder in Anordnung und Ausrichtung variierte und verdichtete. Im Laufe seiner Arbeit löste sich Breuer von den flächigeren, feldhaften Einheiten und Geometrien seiner Malerei und zerlegte diese in immer kleinere Flächen bis hin zum Streifen. Somit wurde FARBE ALS STRUKTURELEMENT

111

112

Leo Breuer, Relief bois, bleu violet sur blanc, vertical cinétique virtuel, 1972, Acryl und Holz, 180 × 130 × 6,3 cm

20 Breuer 1992, S. 32. FARBE ALS STRUKTURELEMENT

die Struktur in Form von horizontaler und vertikaler Überlagerung zum bildbestimmenden Element, und nicht die kompositionelle Ordnung der Elemente auf der Fläche. Rhythmus und Bewegung, das zentrale Thema von Breuers Werk, werden über Farben, Linien und Raster entwickelt. Schon in der Malerei galt Breuers Interesse der Frage nach der raumbildenden Qualität von Farbe an sich, der Farbe als „Raumelement“, welches Räumlichkeit und Bewegtheit ohne klassische perspektivische Konstruktionen entstehen lässt.20 Dynamische Farbakkorde wechseln sich mit starken Kontrasten und Farbperspektiven ab; Farben treten hervor und weichen zurück, sie „leuchten in zweiter Reihe“, bringen analog zu einem Vorhang ein „Dahinter“ zum Vorschein. Figur und Grund erscheinen auf zwei Ebenen. Das Farbengewebe der Reliefs gleicht einer räumlichen Textur. Breuer macht sich hierbei die perspektivische Raumwirkung der einzelnen Farbwerte an sich zunutze. Feine, graduelle Abstufungen wechseln sich mit scharfen Kontrasten ab, erscheinen voller Bewegung und fordern unterschiedliche Betrachterstandpunkte ein. Dabei sind die Zwischenräume wesentlich für das Erfahren der Räumlichkeit. Die Vorstellung der Biegung entsteht nur durch die Farbe. Das Rot tritt hervor, während das Blau deutlich zurücktritt. Das An- und Abschwellen von hell zu dunkel und umgekehrt erzeugt die Plastizität im Bild gleich eines kinetischen Effekts. Auch der Künstler Edgar Diehl arbeitet seit den 1980er-Jahren sowohl theoretisch als auch praktisch zum Thema Farbe und entwickelt Korrespondenzen zwischen Farbe und Form. Auf der Grundlage seiner Farbforschung hat er sich zunächst der Malerei auf Leinwand gewidmet, später dann eine eigene Form von Farbreliefs entwickelt, die einen starken Raumbezug herstellen. Ein flacher Bildträger aus Aluminiumplatten wird durch meist symmetrisches Knicken zu einer reliefartigen Oberfläche, auf die streifenartig die unterschiedlichsten Farbkompositionen aufgebracht werden. Durch die Knickung entsteht eine starke Zäsur in der Fläche, welche die Plastizität verstärkt. Ohne eine starre Farbtheorie anzuwenden, kombiniert Diehl subjektiv gewählte Farben mit ähnlicher Wertigkeit. Dabei stehen warme und kalte Farben nebeneinander, oder die Wirkung des Simultankontrastes wird gezielt eingesetzt. Diehl setzt der ruhigen und flächigen Formensprache des Reliefs starke Farbsprachen gegenüber. Es entsteht eine topografische Bildlandschaft, die im wechselnden Lichteinfall aufgrund der Knickungen und Faltungen trotz identischer Farbigkeit variiert. Gleich einer optischen Täuschung erscheint dieselbe Farbe vollkommen anders. Der Betrachter verfolgt nicht mehr einen zentralperspektivischen „richtigen“ Blickwinkel, sondern wird zur Bewegung vor dem Gemälde regelrecht aufgefordert. Die skulpturalen Reliefarbeiten von Sigurd Rompza kennzeichnet das besondere, fein nuancierte Spiel von Farbe und Fläche, Licht und Schatten. Durch die verschieden ausgerichteten und klar abgegrenzten Seiten der Objekte kommt es zu einer farblichen Modellierung der Oberfläche. Dabei tritt die präzise aufgetragene, geometrische Farbfläche in Korrelation mit der Scharfkantigkeit des Reliefs und führt durch die Überschneidung 113

Edgar Diehl, Anaxagoras III, 2012, Acryl auf Alublech, gefaltet, 72 × 138 × 14 cm 114

Ben Muthofer, m 125, Formbild klein, 2010, Acryl auf Leinwand, 60 × 65 cm FARBE ALS STRUKTURELEMENT

Sigurd Rompza, farb-licht-modulierung, 2005–06, Relief, Acrylfarbe und Lack auf MDF, 30 × 90 × 4 cm

Eine starke räumliche Wirkung entsteht durch Farbe auch bei geringer Relieftiefe. Die Farbflächen definieren den wahrgenommenen dreidimensionalen Körper, unabhängig von der tatsächlichen Knicklinie im Relief.

Klaus Staudt, CB8 in Cölinblau 602, 1970, Polystyrol und Acrylglas, 71 × 71 × 7 cm 116

21 Rompza 2011, S. 35–31. 22 Rompza 1981, S. 36–40. 23 Rompza 2015. FARBE ALS STRUKTURELEMENT

zu einer neuen Interpretation. Ein Grat bildet die Grenze zwischen der Licht- und der Schattenseite eines Objekts und zeigt wirkungsvoll das Potenzial von Farbe als Auslöserin einer plastisch-materiellen, räumlichen und zugleich sinnlichen Wahrnehmungserfahrung. Lichteinfall, Beleuchtungsintensität und Bewegung des Betrachters lassen die Erscheinung variieren und fächern die gleiche Farbe in einen Kanon aus feinen Nuancen und Überlagerungen bis hin zu optischen Täuschungen auf. „Phänomenologisch wird so dieselbe Farbe auf der Lichtseite […] heller als auf der Schattenseite wahrgenommen und erscheint auch hinsichtlich Farbrichtung und Sättigung verändert. Zwei Farben, das Weiß mit berücksichtigt, erscheinen wie vier […].“21 Die Auseinandersetzung mit dem Betrachter zeigt sich deutlich in Rompzas kunsttheoretischen Reflexionen, die in mehreren Bänden publiziert wurden und die Einflüsse auf seine Arbeit sowie als Antwort darauf seine plastischen Interpretationen in Einklang miteinander bringen. Sie können auch wie eine Anleitung zur „Aktivierung des Sehens“ gelesen werden. Rompza erläutert darin vor allem die Bedeutung des Schattens in seinen Reliefs: „der schatten wird in meinen reliefs nicht gemalt, sondern real erzeugt. insofern sind die reliefs auch lichtinstrumente. im gegensatz zu vielen reliefs der moderne ist der schatten auf der reliefoberfläche kein schlagschatten, sondern ein kernschatten.“22 Verstärkt wird diese Wirkung auf den Betrachter durch eine weitere Variation der Farb-Licht-Modulierungen mittels matter und glänzender Farben. Durch die Verwendung der unterschiedlichen Farbmittel gehen die Spiegelungen eine Wechselwirkung zwischen Objekt und Betrachter ein; der Betrachter wird Teil der Kunst. Rompza schreibt in seinen kunsttheoretischen Reflexionen vom 20. und 21. Februar 2013 hierzu: „die glänzende lackfläche in den neuen wandplastiken spiegelt gegenstände, aber man kann sie nur erahnen, nicht wie in einem spiegel deutlich sehen. manchmal – abhängig vom standpunkt des betrachters – sieht man nur farben und licht und raum. das ist von mir so gewollt: repräsentation und präsentation.“23 Weniger aus der geknickten Fläche heraus als mit der Variation von einfachen Grundmodulen arbeitet der Künstler Klaus Staudt als einer der führenden Vertreter der Konkreten Kunst in Deutschland. Trotz der erkennbaren Formen und eines klaren Rasters ergeben seine seriellen Elemente eine kompositorisch vielfältige Struktur. Staudt hat sich in zahlreichen Arbeiten umfassend mit der Farbe Weiß auseinandergesetzt. Ein weiterer Schwerpunkt seines Werks liegt auf Arbeiten mit unterschiedlichsten Materialkombinationen wie zum Beispiel mit Holz und Acrylglas. Staudt erzeugte aufgrund der Wechselwirkungen von Licht, Reflexion und Material eine Plastizität ähnlich einer Topografie. In Zusammenhang mit dem Schattenspiel entsteht eine starke Bildräumlichkeit. Der französich-venezolanische Künstler Carlos Cruz-Diez setzt die Farbe als chromatisches Ereignis ein. Damit gilt er als einer der wichtigsten Vertreter der optischen und der kinetischen Kunst. Durch die Interaktion des Betrachters entsteht ein nicht bis ins Detail planbares Ereignis, welches unter definierten Bedingungen stattfindet und lichtabhängige 117

Carlos Cruz-Diez, Physichromie 1455, 2006, Chromografie auf Aluminium, Kunststofflamellen, 80 × 80 cm, Sammlung Museum Ritter, Waldenbuch

„Physiochromien“ sind Strukturen, die die Ergebnisse aus einer komplexen Forschungsarbeit des Künstlers Carlos Cruz-Diez abbilden. Er untersucht darin die Veränderung der Farbe im Zusammenhang mit der Bewegung des Betrachters und dem einfallenden Licht.

24 Galerie Denise René 1973. FARBE ALS STRUKTURELEMENT

Farbnuancen, chromatische Farbverläufe, Vibrationseffekte oder Verschiebungen der Bildebenen erzeugen kann. Im Werk Physichromie 1455 werden die aufgebrachten Lamellenstrukturen von parallelen, gleich breiten Farbstreifen überlagert und bestimmen so die sich permanent wechselnde Realität des Bildes. Durch die farbliche Vielfalt der Vertikallinien, die von Cruz-Diez als „Chromatic Event Modules“ bezeichnet werden, vermittelt die Frontalansicht den Eindruck mehrerer sich überschneidender, geschichteter und überlagernder Quadrate. Die senkrecht zum Bildgrund aufragenden Lamellen bestehen aus semitransparentem rotem Kunststoff. Das lichtdurchlässige Rot der Lamellen lässt die Farbe in ihrer immateriellen Qualität erfahrbar werden und fließend ineinander übergehende, chromatische Variationen entstehen. Cruz-Diez möchte mit seiner Arbeit die Farbe in den Raum übergreifen lassen. „Aufgabe der Physichromien ist es, die unendliche plastische Fülle hervorzuheben, die entsteht, wenn das Sonnenlicht im Tagesverlauf auf Farben in der Natur trifft. Sie zeigen ebenfalls die Möglichkeiten, welche die Dehnbarkeit des künstlichen Lichtes bietet. Es geht darum, eine andere ‚Stofflichkeit von Farbe‘ eine andere ‚Beschaffenheit von Farbe‘ zu finden, die weder die ewig gleiche mit Pigmenten bemalte Oberfläche, noch die Farbigkeit von Kirchenfenstern ist. Bei den Physichromien handelt es sich um wandelbare Strukturen, die die Farbe in den Raum streuen. Sie schaffen eine Farblicht-Atmosphäre, die je nach Intensität und Position der Lichtquelle und mit der Position und dem Abstand des Betrachters wechselt.“24 Die Arbeit „Scheintrilogie I–III“ (2007) des Künstlers Eckhard Bendin spielt mit dem Wirkungsmechanismus von „Körperfarbe“ und farbigem Schein oder „Reflexion“. Im Gegensatz zu den direkt im Raum erfahrbaren, harten und geschlossenen Oberflächen- und Lichtfarben steht der weiche, offene und raumfüllende Farbschein. Die Farbwahrnehmung tritt einerseits durch die Helligkeit des Grundes in Erscheinung, andererseits auch durch die Bildung der Farbenpaare auf Vorder- und Hintergrund. Bendin bezieht sich dabei auf die Beobachtung Goethes der Wirkung von Farben auf hellem beziehungsweise dunklem Grund und legt dem kombinatorischen Algorithmus von Helligkeitsverhältnissen eine „generative Grammatik“ und damit eine Ordnung zugrunde. Dieser Zusammenhang zwischen Helligkeit und Farbdifferenzierung wird in der Relieftrilogie veranschaulicht. Aus der Zuordnung der prismatischen Farbpaare zueinander (Gelb–Orangerot, Violettblau–Cyan und Magenta–Grün) sowie einem hellen (Gelb, Cyanblau und Grün) beziehungsweise dunklen Grund (Orangerot, Violettblau und Magenta) entsteht eine spezifische Farbigkeit, deren Verschiedenartigkeit sich in Kombination mit den Helligkeitsverhältnissen (Eigen- und Umfeldhelligkeit) sowie mit Abstufungen zwischen Weiß und Schwarz definiert. Doch nicht nur die Wahl der Farbe, auch ihre Erscheinungsweise ist von Bedeutung. Während die sogenannte Körperfarbe klare Objekt- und Raumgrenzen definiert, wirkt der farbige Schein der Farbreflexion, auch Raumfarbe genannt, auf eine raumgreifend-sinnliche Weise. Nicht die Körperfarbe löst das Empfinden aus, sondern die sphärische Wirkung wird durch die das indirekte Licht reflektierende, changierende Raumfarbe generiert. 119

A

B

A B 120

Eckhard Bendin, Scheintrilogie I, Farbgeneration 2/6, 2007, Relief, Acryl auf MDF, 80 × 80 × 8 cm Scheintrilogie II, Farbgeneration 7/6, 2007, Relief, Acryl auf MDF, 80 × 120 × 8 cm

Luis Tomasello, Grille Chromoplastique C, 2012, Relief, Plastik und Aluminium, 25,5 × 25,5 × 6 cm

FARBE ALS STRUKTURELEMENT

Die indirekte Farberscheinung durch Reflexion und die Immaterialität von Farbe ist ein Thema, mit dem sich viele Reliefkünstler auseinandersetzen und das sie immer wieder neu variieren. Der Künstler Luis Tomasello baute für seine Reliefs der Serie „Grille Chromoplastique“ einen über der Fläche schwebenden Gitterrahmen auf. Innerhalb des Rasters füllt sich der gesamte Binnenraum mit einer nebulösen Farbigkeit, die am Boden der jeweiligen Segmente aufgebracht wurde und räumliche Tiefe entwickelt. Die Farbe selbst ist hierbei nicht ersichtlich, jedoch entwickelt sie eine starke Wirkung auf die benachbarten Flächen, die in den Binnenraum abstrahlen. Durch den Farbschein entsteht eine hohe Dichte und Konzentration der Farbe. Trotz der Offenheit des Gitters zum Bildgrund hin erscheinen alle Farben als voneinander abgegrenzt und eigenständig. Farbe, Licht und Bewegung verschmelzen mit der Standortveränderung des Betrachters. Skulptur und Bild verbinden sich. 121

Tanja Locke, Flächenkomposition mit Raumillusion, Farbstudie, Studienarbeit, Hochschule Darmstadt, 2011 122

Die einzelnen, frei komponierten Farbfelder treten in Interaktion und erzeugen mithilfe der Diagonalen den Eindruck von Raumbildung. Dabei ist der weiße Leerraum ebenso wichtig wie die gefüllte Fläche. Die „falsche“ Helligkeit der einzelnen Raumeinheiten bewirkt entgegen dem Tiefeneindruck ein Hervortreten der Elemente auf der Bildfläche.

Deniz Aldemir, Schattenrelief, Studienarbeit, Hochschule Darmstadt, 2011, Relief, Holz, bemalt, Holzstäbe, 100 × 100 × 10 cm

Ausgangspunkt der Arbeit ist ein aus 140 Stäben bestehendes räumliches Gefüge. Nur die vertikal angeordneten Stäbe sind orange und auf einem unsichtbaren rechteckigen Raster angeordnet. Sie bilden die Bezugsebene des Schattenwurfes. Erst der Schatten macht dieses Raster sichtbar und bringt die Farbigkeit in einen neuen Sinnzusammenhang. Die Erhabenheit des Reliefs wird bei frontaler Betrachtung erst durch die permanent sich verändernden Schattenformationen deutlich. FARBE ALS STRUKTURELEMENT

123

Daniela Ludwig, Stabrelief, Studienarbeit, Hochschule Darmstadt, 2011, Acrylfarbe auf Holz, 100 × 100 × 5 cm

Ein Phänomen, das die Farbwirkung auf strukturierten Flächen beschreibt, wird als „Bezold Spreading Effect“ bezeichnet. Es beschreibt die Wahrnehmung von Farben in Abhängigkeit von den umgebenden Farbflächen. Der Farbeindruck variiert, weil der Unterschied zwischen benachbarten Farben durch Überstrahlung optisch vermindert wird. Die vertikal ausgerichteten grünen Felder sind identisch. Lediglich ihre Position auf zwei verschiedenen Ebenen des Wandreliefs führt zu unterschiedlich wahrgenommenen Farbigkeiten. 124

Maria Luisa Kram, Rafael Pfaff, Strukturrelief, Studienarbeit, Hochschule Darmstadt, 2011, Relief, Holz, Papier, bedruckt und gefaltet, 100 × 100 × 10 cm FARBE ALS STRUKTURELEMENT

Die durch Faltung aufgeraute Mikrostruktur ergibt den Farbverlauf, der sich ändert, wenn der Betrachter seine Position wechselt. Eine textilartige, schillernde Anmutung mit zahlreichen Zwischentönen entsteht. 125

Farbe als Raumelement Die Korrespondenz von Architektur und Farbe beginnt mit der Flächenbelegung der Farbe im Raum und interpretiert damit den tektonischen Kontext. Die Überlagerung von Farbe und Raum kann so zu völlig neuen Raumerscheinungen führen. Wird Farbe einem Ort zugewiesen, kann sie den Raum auflösen, verzerren oder verdichten, Flächenhaftigkeit vortäuschen oder Plastizität herausarbeiten. Die im Raum angewandten, miteinander korrespondierenden Farbflächen erzeugen einen eigenen Wirkkreis und verbinden Farbe mit Architektur. Stellen Farbflächen oder grafische Elemente die Ausrichtung des Raums in Frage, zerschneiden sie die Tektonik des Raumgefüges und setzen es neu zusammen. Die daraus resultierende Verfremdung des Raumes kann bis zu seiner scheinbaren Auflösung in ein abstraktes Bild führen. Die Lesbarkeit des Raums wird gebrochen, wenn die angeordneten Farbflächen visuell dominieren und die Raumkonturen soweit in den Hintergrund treten, dass sie nicht mehr klar erkennbar sind. Die Raumproportionen und die perspektivische Wahrnehmung verändern sich, was zu einem völlig neuen Raumeindruck führt. Durch gezielten Einsatz kann die grafische Verwendung von Farbe die Identifikation ihres Trägers und die Gesetzmäßigkeiten des Raumes nahezu aufheben. Der deutsche Künstler Günter Fruhtrunk gestaltete 1979 in Zusammenarbeit mit dem Architekten Paolo Nestler den sogenannten Quiet Room im UN-Hauptquartier in New York mit einer Ausmalung, die stark an seine Gemälde erinnert. Innerhalb Fruhtrunks Flächenmalerei verwirren seine geometrisch abstrakten, ungegenständlichen Bilder. In Reihen angeordnete, kontrastierende Farbflächen beginnen sich scheinbar zu bewegen – ein Effekt, der vor dem Auge durch die Nachbilder von sorgfältig aufeinander abgestimmten Proportionen und Kontrasten entsteht. Nach einem strengen Rhythmus und mit einer klar vorgegebenen Richtung wurden die schwarz-weißen, vektorähnlichen Diagonalstreifen angeordnet. Im Raum entwickeln diese eine stark dynamische Formensprache. Bei der Ausmalung des Quiet Room erzielt ein Muster aus teils fragmentierten, ebenfalls diagonal verlaufenden Streifen, die auf den unterschiedlichen Flächen gegenläufig angeordnet sind, eine Wirkung, die die Raumgrenzen sprengt und die Raumflächen gegeneinander verschiebt. Die Linien, Streifen und Flächen überlagern die Raumgeometrie und führen durch die perspektivische Verzerrung eine neue Interpretationsebene des Raums ein. Die Künstlerin Esther Stocker erzeugt in ihren Bildern mit einfachen Elementen wie Linien und Quadraten sowie einer auf Schwarz, Weiß und einige Grautöne reduzierten Palette durch geringe Störungen den Eindruck von Raumtiefe und Überlagerung. Einzelne Elemente drehen sich aus einem rigiden, vorgegebenen Raster und scheinen dadurch vor oder hinter der Fläche zu stehen. Überträgt Stocker ihre Vorgehensweise auf den Raum, so übernimmt die Perspektive die Funktion des Störfaktors. In einer Installation mit dem Titel „Abstract/Spatial“ in der Kunsthalle Krems erzeugte Stocker mit minimalen Mitteln eine stark fragmentierte 126

Esther Stocker, Abstrakt/Spatial, Raummalerei, Kunsthalle Krems, Österreich, 2016

Günter Fruhtrunk, Diagonale Progression Schwarz-Weiss (Studie II), ca. 1970, Acryl auf Leinwand, 140 × 148,5 cm FARBE ALS RAUMELEMENT

Günter Fruhtrunk und Paolo Nestler, Quiet Room des Sicherheitsrates im UN-Hauptquartier, New York, USA, 1979 127

räumliche Rasterstruktur aus Stabelementen, die Teilstücke von Quadern nachzeichnen. Je nach Standpunkt im Raum bilden sich neue geometrische Zusammenhänge. Die Perspektive erzeugt Diagonalen und sich kreuzende Linien im streng orthogonalen System. Die Künstlerin beschreibt ihr Vorgehen so: „[…] ich mache den Raum wieder zum Bild. Allerdings ein Bild, in das man hineingehen kann. […] Plötzlich kam die Perspektive ins Spiel, die es in dieser Form vorher nicht gab und die natürlich die Komplexität der Arbeit erhöhte.“25 Auf den ersten Blick lässt die Grafik den Raum flach erscheinen, doch dann erhöht sich mit der Möglichkeit, sich quasi im Bild zu bewegen, die Komplexität der Komposition durch den sich ständig verändernden Blickwinkel. Streng orthogonal zu den Raumflächen angeordnete Elemente werden durch die perspektivische Verzerrung zu Diagonalen. An der Schnittstelle zwischen Wandmalerei und Raum arbeitet der niederländische Künstler Jan van der Ploeg. Durch Grafik und starke Farbkontraste entsteht ein Dialog mit dem Raum. Van der Ploeg bezieht sich explizit auf den Kontext und hebt die Grenzen zwischen Wandbild und Architektur auf. „Ich suche immer nach einer guten Lösung für die Architektur, innerhalb der sich das Wandgemälde befinden wird. Darüber hinaus strebe ich verschiedene Arten des Kontrasts an – manchmal formal, manchmal farblich oder rhythmisch […] Wie ich die Farben auswähle? Ich denke, sehr intuitiv; außerdem habe ich bestimmte Lieblingskombinationen, die häufiger auftauchen […].“26 Die abstrakten Wandbilder greifen Themen der klassischen Moderne zum Beispiel von De Stijl auf, indem sie durch Farbe und Form eine Einheit aus Grafik, Wand, Raum und Architektur erzeugen. Formal beziehen sie sich auf die Protagonisten der Minimal-Art und der Konzeptkunst sowie der US-amerikanischen Farbfeld- und Hard-Edge-Malerei. Van der Ploegs Arbeiten sind jedoch – egal ob als Auftragsarbeiten oder für Ausstellungen – immer ortsspezifisch; sie beziehen sich auf den vorhandenen Raum mit seinen Elementen und nutzen vorhandene Blickbeziehungen. Die Form bleibt bei Jan van der Ploeg offen; seine abstrakten Strukturen beginnen und enden nicht mit der Begrenzung der Fläche, sondern könnten sich ins Unendliche weiter fortsetzen. Im „Wall Painting No. 392“ setzt sich die Grafik über den spiegelnden Fußboden weiter fort und greift so mit ihrem oszillierenden Rhythmus aus Zickzackstreifen in leuchtendem Orange weit in den Raum ein.

25 Stocker 2015, S. 90. 26 Wiehager 2016, S. 236. 128

Jan van der Ploeg, Wall Painting No. 392, Clean, 2014, Acryl auf Wand, 320 × 877 cm, Sarah Cottier Gallery, Sydney, Australien

Jan van der Ploeg, Wall Painting No. 240, Untitled, 2008, Acryl auf Wand, 560 × 2 851 cm Aschenbach & Hofland Galleries, Amsterdam, Niederlande

Jan van der Ploeg, Wall Painting No. 379, Untitled, 2014, Acryl auf Wand, 450 × 9 000 cm, MOTI, Breda, Niederlande FARBE ALS RAUMELEMENT

129

Farbe im architektonischen Kontext Ricardo Bofill, Apartmentgebäude La Muralla Roja, Calp, Spanien, 1973

Dominique Coulon & associés, Seniorenwohnheim, Orbec, Frankreich, 2015 132

Decke und Wand: Farbe Weiß RAL 9003, Farbe Rot LC.32.090 – kt.color, Bodenbelag: Linoleum, hellgrau, marmoriert, Typ Forbo Marmoleum Fresco – 3860 silver shadow

Farbflächen und Raumflächen 133

Belegung von Bauteilen 134

Farbzuordnung und Flächenbindung

1 2 3 4

Gage 1998, S. 252. Krischanitz 1991, S. 44. Albrecht 1974, S. 114. Lorenzini 2015, S. 42–45.

Farbe ist an Flächen und Objekte im Raum gebunden. Abhängig von ihrer Größe verändern Farbflächen die wahrgenommene Raumdimension, je nach Wahl ihres Farbtons, ihrer Farbdichte und den Helligkeitswerten. Damit stehen die Raum- und die Farbzuordnung in unmittelbarer Beziehung zueinander. Farbe entwickelt durch ihre Tonwerte und Kontraste auch unabhängig vom räumlich-realen Eindruck eigene Gesetzmäßigkeiten, die der Raumperspektive entgegenstehen oder diese unterstützen. Farbige Flächen können einen Raum schmaler, breiter, tiefer, flacher, größer oder kleiner erscheinen lassen. Somit wirken sie sich perspektivisch und proportional auf den Raum aus. Aber auch Farbwechsel wie scharfkantige Übergänge wirken sich auf die Raumwahrnehmung aus. John Gage beschrieb in einem Aufsatz über Mark Rothko, wie dieser Farben beeinflusste, um eine andere Wirkung und Wahrnehmung zu erzielen, und dass gerade die Farbe Blau „strahlend und nach vorne drängend sein kann oder gedämpft und zurückweichend und dass es sich entsprechend manipulieren lässt um entweder der einen oder der anderen Funktion zu dienen“.1 Im Kontrast zu ihrer Umgebung gesetzte große, dunkle Flächen reduzieren oder verunklären meist die wahrgenommenen Abmessungen des Raums. Als Teil eines Farbverlaufs können sie jedoch den Eindruck einer visuell schwer zu ergründenden Raumtiefe oder unbegrenzten Höhe erzeugen. Farben vermitteln den räumlichen Eindruck durch die Kommunikation untereinander, das heißt ein Farbton tritt in Abhängigkeit von seinen Nachbarn perspektivisch hervor oder zurück. In der Regel gilt bei benachbarten Farbflächen, dass der hellere Farbton scheinbar in den Vordergrund tritt und der dunklere in den Hintergrund. In Überlagerung mit architektonischen Strukturen können diese Wirkungsmechanismen von Farbe ganz neue Betrachtungsebenen aufzeigen. Der Architekt Adolf Krischanitz beschreibt das Zusammenwirken zwischen Farbfläche und Raum so: „Die ordnende Kraft der Farbfläche steht der plastischen Gestalt der Architektur gegenüber. Diese Trennung (Dualität) und Verschmelzung der beiden Systeme ergibt eine dialoge, in ihrer Abwesenheit ‚grammatikalische‘ Abhängigkeit der beiden Komponenten, die erst gemeinsam zur ‚scharfmachenden‘ Verbindung führen.“2 Flächenkompositionen im Raum eröffnen eine neue Interpretationsebene und Lesbarkeit; einem Text ähnlich erschließen sich Aussage, Inhalt und Sinn erst bei genauerer Betrachtung.3 Der persönliche Erfahrungsschatz prägt die Erwartungshaltung des Betrachters an die Farbigkeit von Räumen; so wird zum Beispiel erwartet, dass Bodenflächen dunkler erscheinen als Wandflächen. Dies lässt sich auf das Erleben der Natur zurückführen, in der sich tagsüber die helle Tönung des Himmels über die Landschaft spannt.4 Abweichungen von der gewohnten Vorstellung der Verteilung der Farbflächen im Raum erzeugen eine kurzzeitige Irritation, aus der eine veränderte Raumwahrnehmung entsteht.

FARBZUORDNUNG UND FLÄCHENBINDUNG

135

Architektonischer Raum wird von baulichen Elementen gebildet, die den Raum begrenzen oder gliedern. Das Zusammenwirken ihrer Oberflächen macht den Raum als solchen erlebbar. „Wir sehen die Dinge um uns herum und übermitteln sie unserem Vorstellungsvermögen. Wir sehen die geformten Wände und sind so in der Lage, uns auch von dem Raum, den sie abgrenzen, ein gewisses Bild zu machen. Wir betrachten das Innen nicht länger als einen Raum, in dem wir uns bewegen, sondern als einen, der durch die Form der Wand sichtbar wird“5, so schildert es der Architekt Hans van der Laan. Die Arbeit mit farbigen Raumflächen schafft optische Schwerpunkte; sie ordnet, zoniert und rhythmisiert vorhandene Raumstrukturen. Farbe kann die Idee des Grundrisses unterstützen oder ihn mit neuen Zusammenhängen überlagern. Wird Farbe monochrom eingesetzt, so hat sie einen homogenisierenden Charakter und fasst Räume ähnlicher Nutzung oder Beschaffenheit unabhängig vom Grundriss zu einer Einheit zusammen. Eine durchgehende Farbfläche auf der Ebene des Fußbodens verwebt die Raumgrenzen und schafft raumübergreifende Zonen im Grundriss. Farbwechsel dagegen haben die Wirkung einer Schwelle und setzen damit eine klare Grenze. In der Turnhalle Niederglatt wurden farbige Raumflächen von L3P Architekten als Orientierungsmittel und gleichzeitig als Raumbildner eingesetzt. Innerhalb der einzelnen Funktionsbereiche erstreckt sich die Farbfläche des Fußbodens ohne Schwelle oder Unterbrechung über alle zugehörigen Räume. Sie wird zum Flächenelement, lässt Raumgrenzen diffuser erscheinen und verbindet die zugehörigen Räume zu einer Einheit. In Form einer farbigen Zwei-Komponenten-Versiegelung auf Poly­ urethanbasis erstreckt sie sich nicht nur auf den Fußböden, sondern auch über eine Wandfläche, auf der Sanitärobjekte angeordnet sind. Durch das Einbeziehen der ganzen Raumfläche wirkt die Farbe nicht mehr ausschließlich funktional, sondern radikal verändernd auf den Gesamtraum. Durch Reflexionen auf dem unbehandelten Sichtbeton der Restflächen greift sie auf den gesamten Raum über und verschiebt den visuellen Schwerpunkt. So entsteht vor der unbehandelten Ortbetonwand ganz ohne weitere Abtrennung ein definierter Bereich für Garderobenhaken und Umkleidebänke.

5 136

Van der Laan 1992, S. 38.

Nefa Architects, OPTIMEDIA Media Agency Office, Moskau, Russland, 2015, Wand und Decke: Latexfarbe, matt auf Gipsplatten und Ziegel, Farbton: Hellblau NCS S 2065-R90B

L3P Architekten, Erweiterung Mehrzweck-Zweifach-Sporthalle, Eichi Niederglatt, Schweiz, 2010, Boden und Wand: PU-Beschichtung blau

Der Raumeindruck, den Farbflächen erzeugen, ändert sich mit der Belegung im Raum. Wird nicht der Boden, sondern die Decke in Kombination mit seitlichen Wandflächen eingefärbt, so entsteht ein völlig anderer Raumeindruck. Eine dunkle Decke lastet je nach den Raumproportionen flach auf dem Raum oder wirkt zusammen mit hellen Bezugspunkten, wie zum Beispiel darunter positionierten Leuchten, ähnlich tief wie der Nachthimmel. Dies kann den Eindruck einer dahinterliegenden größeren Ausdehnung erzeugen, die aufgrund von Dunkelheit nicht wahrgenommen wird. Mit diesem Motiv erzeugten Nefa Architects bei der Gestaltung der Büroräume von Optimedia so einem bestehenden Industriegebäude mit einfachen Mitteln einen vielseitig möblierbaren Raum mit hohem Wiedererkennungswert. Fußboden, Möblierung. Leuchtkörper und mit Fenstern durchsetzte Seitenwände sind in Weiß angelegt. Im Kontrast dazu treten die blaue Decke und Rückwand wie Teile eines Nachthimmels in den Hintergrund. Alle technischen Installationen im Deckenraum bleiben sichtbar, verschwinden aber durch die homogenisierende Wirkung der blauen Farbe und die Staffelung von dunklen und hellen Elementen aus dem Fokus der Wahrnehmung. FARBZUORDNUNG UND FLÄCHENBINDUNG

137

Der Architekt Luis Barragán komponierte das Zusammenspiel von farbigen Raumflächen auf solche Weise, dass diese sich aus dem gebauten Volumen herauslösen und eine völlig eigenständige Atmosphäre entwickeln. Barragán setzte die Strahlkraft der Farbe in Beziehung zur Architektur, doch gleichzeitig überhöht sie die architektonischen Elemente. Die scheinbare monumentale Wirkung der großen Flächen wird von subtilen Lichtreflexionen und vielfältigen Farbnuancen wieder aufgehoben. Auf der Dachterrasse seines eigenen Studio-Hauses in Mexiko-Stadt definieren verschieden hohe, durch ihre Farbigkeit wie reine Flächen wirkende Mauern einen abstrakten Raum. Es entsteht ein völlig nach innen gerichteter und von der Umwelt losgelöster Ort der Besinnung.6 Zu einer flächenhaften Kulisse reduziert wirken die gestaffelt angeordneten, farbigen Wände in den Stallungen von San Cristóbal. Die rein funktionale, für die Nutzung optimierte Anlage für Pferde wird durch den Einsatz von präzise aufeinander abgestimmten Wandflächen, die zu farbigen Oberflächen abstrahiert wurden, zu einem poetischen Ort. Das Wasser der Pferdetränke dient als Spiegel und erhöht die Komplexität der Komposition weiter. Auch im Speisezimmer der Casa Gilardi, die ursprünglich für zwei Junggesellen als Ort für Feste entworfen wurde, spielt die Ergänzung der Flächenkomposition durch eine spiegelnde Wasserfläche eine wesentliche Rolle. Das Zimmer wird halb von einem Wasserbecken eingenommen, dessen hintere Ecke mit zwei blauen Wandflächen abschließt, die scheinbar das darüberliegende Oberlicht tragen. Zusätzlich steht eine rote Wandscheibe im Wasserbecken, die jedoch keine tragende Funktion hat, sondern von Barragán eingeführt wurde, um die Komposition zu vervollkommnen. Durch die Spiegelung und ihr nicht sichtbares, unbestimmtes Ende im Oberlicht verlängern sich die Farbflächen ins Unendliche. Bewegt sich die Wasserfläche durch einen Lufthauch, so entsteht ein vibrierendes Flirren; der Fußboden des Raums entmaterialisiert sich an der Wasseroberfläche.7 Einen ähnlichen Dialog zwischen Flächen und Farbe entwickelte der Künstler Peter Roesch zusammen mit Gmür & Geschwentner Architekten für die Erweiterung der Schulanlage Scherr mit seinem Farbkonzept für die Erschließungsräume. Die im Grundriss wie Stadträume angelegten, von einer zentralen Halle abgehenden Flure heben sich durch eine intensive Farbigkeit von den ruhigen, in neutralen Grautönen gehaltenen Klassenzimmern ab. Kräftiges Pink, Orange, Gelb und Blau verleihen dem Gebäude in den Erschließungs- und Gemeinschaftsbereichen eine besondere Identität und trennen sie von den Unterrichtsräumen. Die Räume sind in ein dreidimensionales Puzzle aus Farbflächen zerlegt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Farbflächen immer ganze Raumflächen einnehmen und diese zum Teil über Eck zu unerwarteten neuen Farbkörpern zusammenfügen. Die Farbstruktur entspricht der Raumstruktur, legt aber eine neue Interpretationsebene über den dreidimensionalen Raum.8 Die Farbtöne erhalten ihre besondere Intensität durch den wie bei einem Gemälde erfolgten Farbauftrag in Schichten: Künstlerfarben auf Acrylbasis wurden mit Bürsten horizontal auf in gleicher Technik 138

6 7 8

Barragán 2008, S. 113. Barragán 2008, S. 195. Adam 2003, S. 21.

A

B

Luis Barragán A Casa Gilardi, Mexiko-Stadt, Mexiko, 1976 B Cuadra San Cristóbal, Mexiko-Stadt, Mexiko, 1968 FARBZUORDNUNG UND FLÄCHENBINDUNG

139

Ich erstelle eine Art Partitur, die dann gewissermaßen von einem Maler interpretiert wird.9 Peter Roesch

Gmür & Geschwentner Architekten AG mit Peter Roesch (Farbkonzept), Schulhaus Scherr, Zürich, Schweiz, 2002, farbige Oberflächen: Künstlerfarben auf Acrylbasis auf Ortbeton mit Grundierung Weiß, Farbtöne: Pink, Orange, Gelb und Blau 140

weiß grundierten Ortbeton aufgetragen. Die sichtbaren Schalungsbretter verstärken diesen Effekt und lassen ein Bild entstehen, wie mit Pinselstrichen auf eine Leinwand gemalt. Durch Oberlichter einfallendes Streiflicht verstärkt die malerische Wirkung weiter. Durch das Spiel mit Tages- und Kunstlicht verändern sich die Farbtöne dynamisch im Tagesverlauf und im Wechsel der Jahreszeiten. Der Künstler beschreibt seine Vorgehensweise so: „Ich erstelle eine Art Partitur, die dann gewissermaßen von einem Maler interpretiert wird.“10 Lösen sich Farbflächen von den Geometrien der Raumflächen, so entwickeln sie eine räumliche Autonomie. Ein neues Beziehungsgeflecht innerhalb des Raumgefüges entsteht. Dies geschieht vor allem, wenn die Farbkomposition vor dem Auge stärker wirkt als die geometrischen Raumkanten. Aber auch die Schichtung von Farben anstelle eines homogenen, monochromen Auftrags erzeugt eine besondere, übersteigert wahrgenommene Raumtiefe oder scheinbar verkürzte Dimensionen. Ein in Streifen mit einem Farbverlauf von Weiß nach Schwarz belegter Raum wirkt von den beiden Enden aus betrachtet völlig unterschiedlich. Geht der Blick von Hell nach Dunkel, wirkt der Raum eng und dicht; aus der entgegengesetzten Richtung betrachtet weitet sich der Raum und die helle Rückwand vergrößert optisch die Raumtiefe. Die räumliche Wirkung eines gestaffelten Farbverlaufes ist noch vielschichtiger. Ergänzend zur streckenden und stauchenden Wirkung entstehen um die Bereiche der Grundfarben visuelle Schwerpunkte, die raumerweiternd wirken. Im House of Bols in Amsterdam nutzten die Designer der Staat Amsterdam Creative Agency einen gestaffelten Farbverlauf, um die in einem langen Flur aneinandergereihten Stationen der Geruchsproben mit multiplen olfaktorischen Reizen durch ein visuelles Erlebnis zu unterstützen. Jeder zweite Farbstreifen wird von einer Probierstation besetzt. Diese grafische Gestaltung ist zusätzlich zu ihrer raumbildenden Qualität eine bildliche Referenz an die Markenaussage „mischen und verbinden“ des Likörherstellers. Differenzierte Farbtöne heben Flächen und Volumen deutlich voneinander ab und können durch kalkuliert eingesetzte Tonwerte den Eindruck der Tiefenstaffelung verstärken, ähnlich wie bei einem Bühnenbild. Bei der Gestaltung der Außenbereiche im Sotogrande Legorreta House in Cádiz, Spanien nutzte der Architekt einen Anstrich in kräftigen Farben, welche die skulpturalen Formen von Treppen und Wandscheiben klar voneinander trennen und in der Draufsicht in Zusammenwirkung mit dem hellen Sonnenlicht ihre räumliche Tiefenstaffelung betonen.

9 Stadler 2007, S. 3. 10 Esch 2003, S. 5–10. FARBZUORDNUNG UND FLÄCHENBINDUNG

141

...,staat, House of Bols, Amsterdam, Niederlande, 2007 142

Ricardo Legorreta, Sotogrande Legorreta House, Sotogrande, Spanien, 2004

FARBZUORDNUNG UND FLÄCHENBINDUNG

143

Ganzfarbräume Das Zusammenfassen unterschiedlicher Elemente mit der gleichen Farbe kann die Orientierung durch Abgrenzung vom „Anderen“ erleichtern. Die Farbe schafft eine Zugehörigkeit zu einer gewissen Funktion oder Zuordnung.11 Sind Raumflächen und davor sichtbare Objekte, Installationen und Einbauten im selben Farbton angelegt, so verschwinden sie durch den homogenisierenden Effekt der Farbe optisch. Das Gegenteil wäre das Hervorheben einzelner Elemente durch eine bewusst kontrastierende Farbigkeit. Ein monochromes Umfeld erlaubt ähnlich einer Schwarz-WeißFoto­grafie die Konzentration auf das Wesentliche. Dieser Effekt ist in allen Raummaßstäben wirksam. So legte Le Corbusier in der Villa La Roche im Gegensatz zu den durch Farbe skulptural herausgearbeiteten Räumen der Erschließungsbereiche intimere Räume monochrom an. Der helle Roséton des Esszimmers zieht sich über alle Raumflächen und schafft so eine konzentrierte Atmosphäre für Gespräche. In unerwarteter Weise schufen die Planer der Marques Architekten AG in Zusammenarbeit mit dem Künstler Jörg Niederberger in der Schule Hinter Gärten in Riehen durch Ganzfarbräume eine konzentrierte Lernatmosphäre. Jedem Raumtyp wurde hier eine einzige Farbe zuordnet, die konsequent über alle Oberflächen, Möbel und Einbauten wie Waschbecken und Handtuchspender gezogen wurde. Klassenzimmer sind in einem hellen Gelb gehalten, die Turnhalle in Orange, Flure in Blau und Treppenhäuser und Sanitärräume in Grüntönen. Die Räume beginnen aus sich heraus wie in einem Farblicht zu leuchten; die Farbe scheint sich von den Wänden zu lösen und wie „pudriges Material in der Luft“ zu liegen.12 Die völlig monochrome Umgebung hat Auswirkungen auf ihr Umfeld; die Farbe reflektiert auf alle Gegenstände und Oberflächen und färbt diese scheinbar ein.13 Die Wirkung von monochromen Ganzfarbräumen auf die Wahrnehmung hat der Künstler Ólafur Elíasson in seinen Arbeiten untersucht: Beim Betreten des Raums wird die monochrome Farbigkeit sehr stark wahrgenommen; durch die Verschiebung der Wahrnehmung entkoppelt sich der Raum nach einer kurzen Adaptionsphase von der Umgebung und schafft eine ganz nach innen gerichtete, konzentrierte Atmosphäre. Nach einer Weile lässt die Farbwirkung durch die beim Sehen beteiligten kognitiven Prozesse, bei denen die komplementärfarbigen Nachbilder eine wesentliche, ausgleichende Rolle spielen, langsam nach. Das Gehirn betrachtet „die Farbe nun als das neue ‚Weiß‘ und setzt alle anderen gesehenen Farben in Relation dazu“14. Eine Lehrerin der Schule Hinter Gärten antwortete auf die Nachfrage, ob die starke Farbigkeit in der Schule störend wirke: „Man ist einfach woanders“15.

11 12 13 14 15 144

Meerwein 2007, S. 71. Bachmann 2007, S. 55. Lorenzini 2015, S. 42–45. Elíasson 2006. Bachmann 2007, S. 55.

Daniele Marques, Marques Architekten AG mit Jörg Niederberger (Farbkonzept), Primarschule Hinter Gärten, Riehen, Schweiz, 2006 GANZFARBRÄUME

145

Interaktion des Farbraums Flur mit dem Farbraum Klassenzimmer 146

Farbraum Klassenzimmer GANZFARBRÄUME

147

Anne-Françoise Jumeau + Emmanuelle Marin + David Trottin Périphériques architectes, L‘Autre Canal, Nancy, Frankreich, 2007

Emmanuelle Marin + David Trottin Périphériques architectes, Espace Culturel de la Hague, Beaumont-Hague, Frankreich, 2015, Paneele aus perforiertem Aluminium, farbig eloxiert

148

Bei der Anordnung mehrerer Ganzfarbräume in unterschiedlichen Farbtönen direkt nebeneinander interagieren die Farben an den Schnittstellen. An Oberlichtern und Türen vermischen sich das Blau der Flure und das Gelb der Klassenräume zu einem je nach Tageslichtsituation changierenden Grün. Jörg Niederberger bezeichnet den Einsatz von Farbe in der Schule Hinter Gärten als „eine Verschmelzung des künstlerischen Ansatzes mit der architektonischen Intention“16; Farbe ist hier ein gleichberechtigtes raumbildendes Gestaltungsmittel. Für eine homogenisierende Wirkung ist jedoch nicht allein die Farbe ausschlaggebend. Eine monochrome Farbigkeit kann im Zusammenspiel mit Licht und Schatten, wie beispielsweise bei Faltungen, nicht mehr glättend, sondern expressiv wirken, wie der Saal des Agora Theaters in Lelystad zeigt, der von UNStudio entworfen wurde. Die Wände haben eine komplexe, von der Raumakustik geprägte Geometrie, die durch in den Fugen der Faltung angeordnete Lichtquellen betont werden. Die homogene Einfärbung aller Elemente im Saal in einem dunkeln Rotton ermöglicht es der Form, ihre maximale Wirkung zu entwickeln. Ein umgekehrtes Farbkonzept kann genauso wirksam sein: In der Casa das Artes in Miranda do Corvo (Portugal) nimmt sich der Saal – ein rechtwinkliger, ganz in Schwarz gehaltener Ganzfarbraum – bewusst zurück, und alle Aufmerksamkeit wird auf das Bühnengeschehen gelenkt. Dramatische Farbigkeit, kombiniert mit einer expressiven, vom Schattenwurf unterstützten Form, zeigt sich hier von außen. Das Gebäude steht als Landmarke in Form eines deutlich sichtbaren, durch seine komplette Rotfärbung abstrahierten Körpers an der Schnittstelle zwischen ländlicher Region und Stadt. Im Kulturzentrum Espace Culturel de la Hague behandelten Périphériques architectes alle öffentlich nutzbaren Bereiche als Ganzfarbraum, der sich einmal durch das gesamte Gebäude zieht. In den Foyers bilden prägnante, gefaltete Paneele einen expressiven Raum, der sich nach außen stülpt und dort in Form der Fassadenverkleidung weitergeführt wird. Dieses Prinzip haben die Architekten bereits im Gebäude L’Autre Canal in Nancy angewendet. Auch hier ziehen sich öffentliche Bereiche wie ein „roter Faden“ durchs Gebäude. Diese nehmen, je nach Thema, unterschiedliche Gestalt an, bleiben aber durch die prägnante Rotfärbung aller Oberflächen als zusammenhängendes Motiv lesbar. Im Bereich des Cafés sind die Raumoberflächen glatt ausgeführt und die Raumkanten werden durch Hohlkehlen unscharf. Hier dient die rote Farbe der Homogenisierung. Revisionierbare Paneele mit technischen Installationen fügen sich in die Deckenfläche ein; selbst die Möblierung ist im Farbton des Raums gehalten, sodass dieser zur Bühne für die Nutzer wird.

16 Bachmann 2007, S. 56. GANZFARBRÄUME

149

Eine monochrome Farbigkeit wirkt im Zusammenspiel mit Licht und Schatten, wie beispielsweise bei Faltungen, nicht mehr glättend, sondern expressiv.

FAT – Future Architecture Thinking, Casa das Artes, Miranda do Corvo, Portugal, 2013, Außenhülle: Anstrich auf Putz, Saal: akustisch wirksame Paneele aus durchgefärbtem Holzwerkstoff 150

UNStudio, Agora-Theater, Lelystad, Niederlande, 2007

GANZFARBRÄUME

151

Farbnischen Im Bereich von Nischen, Einschnitten, Durchgängen und Fenstern wird die Tiefe einer Wand, die sich sonst nur als Oberfläche zeigt, erlebbar. Sind Nischen farbig angelegt, so ziehen sie besondere Aufmerksamkeit auf sich und ihre Nutzung. Sie können als eigenständiger Farbraum erlebbar werden, und die Atmosphäre kann stark vom Rest des Raumes abweichen. Gleichzeitig bilden sie einen Rückzugsraum und eine Art Bühne für die Nutzer. Weicht die Auskleidung der Nische in Farbton oder Materialität deutlich von der Wandoberfläche ab, so entsteht der Eindruck einer Schichtung im Sinne einer Offenlegung der Raumoberflächen. In einer großen Schule für 1 200 Schüler von der ersten bis zur neunten Klasse in Frederikshavn (Dänemark) machten Arkitema Architects die gemeinsamen Erschließungszonen durch Farbnischen in unterschiedlichen Primärfarben nutzbar. Die Nischen variieren in ihrer Ausstattung und schaffen so Rückzugsorte für die Kinder der unterschiedlichen Altersstufen. Gleichzeitig tragen sie durch ihre Farbigkeit zur Zuordnung und Orientierung im Gebäude bei. In größerem Maßstab nutzte das Architekturbüro MVRDV dieses Prinzip in dessen in einem ehemaligen Industriegebäude gestalteten Büroräumen. Abgetrennte Zellen, die als Besprechungs- und Aufenthaltsräume unterschiedlicher Größe dienen, wurden wie verglaste Vitrinen dreidimensional im Raum gestapelt und durch Einfärbung in den Grundfarben Grün, Blau und Rot klar wiedererkennbar. Auch ohne Farbigkeit lenkt der starke Hell-Dunkel-Kontrast den Fokus auf eine Nische in einer Bankfiliale in Montpellier von Bigoni Mortemard. Durch die Integration des komplett in Weiß gehaltenen Schalters in eine mit dunkelgrauen Fliesen verkleidete Wand scheint dieser optisch frei im Raum zu schweben. Aufgrund des großen Helligkeitsunterschieds zwischen Nische und Umgebung fokussiert sich die Wahrnehmung auf den hellsten Punkt. Nischen werden in Abhängigkeit vom Konzept als Teil des Raums oder Teil der Wand wahrgenommen. Da sie in der Regel geometrisch nur mit einer Fläche an den Raum anschließen, lassen sie sich leicht durch Schiebeoder Falttüren temporär ausblenden. Dadurch besteht das Potenzial, die Farbigkeit eines Raumes durch Öffnen und Schließen radikal zu verändern. In einem historischen Wohnhaus in Belgien haben dmvA Architecten als Reverenz an die originale Holzvertäfelung eine innere Raumschale aus weißen Platten eingefügt. In geschlossenem Zustand begrenzen weiße Wände und eine weiße Decke einen Raum mit rotem Boden. Werden die Platten geöffnet, offenbart sich das Innere der raumhaltigen Wand und gibt den Blick auf eine in Rot eingefärbte Küchennische mit Stauraum frei. Das Farbbild wird zum Umkehrbild: Die dominante Fläche, nämlich der Boden und die sichtbare Stirnwand, ist jetzt Rot.

152

Bigoni Mortemard Architectes, Bankschalter, Crédit Maritime, Montpellier, Frankreich, 2010, Wandverkleidung: Fliesen dunkelgrau, Nische: Akustikpaneele und beschichtete Holzwerkstoffplatten weiß

MVRDV, MVRDV House, Rotterdam, Niederlande, 2016, grüner Raum: NCS S1070-G40Y, roter Raum: RAL 3020 Verkehrsrot, blauer Raum: RAL 5010 Enzianblau

Arkitema Architects, Nordstjerneskolen, Frederikshavn, Dänemark, 2012, Farben: Grün s1070-G50Y, hochglänzende Farbbeschichtung auf geschliffener Trockenbaukonstruktion FARBNISCHEN

153

In einer reduzierten Form setzte die Architektengruppe Splitterwerk das Konzept der farbig differenzierten Nischen innerhalb einer monochromen, flexiblen Schale im Projekt „Schwarzer Laubfrosch“ um. Auch hier handelt es sich um den Umbau eines Bestandsgebäudes, eines ehemaligen Wohnhauses mit angebauter Feuerwehrgarage, das in mehrere Wohneinheiten unterteilt wurde. Diese weichen in ihrer inneren Gestalt und Grundrissausbildung radikal von gewohnten Typologien ab. Jede Wohnung ist ein Experiment der absoluten Verdichtung von Raum und durch ihre Farbigkeit und Grafik ein unverwechselbarer Ort. In den Bestand wurde auch hier für jede Wohnung eine raumhaltige Wand eingepasst. Diese fasst einen Leerraum in der Mitte ein und integriert in Form von Nischen maßgeschneiderte Wandschränke, die alle zum Wohnen erforderlichen Funktionen beherbergen, welche in einer traditionell geplanten Wohnung eigene Räume einnehmen würden. In den kammerartigen Räumen befinden sich mal eine Küchenzeile, mal ein ausklappbares Bett, fahrbare Wohnzimmermöbel oder eine Badezimmernische. Werden die Nischen geöffnet, greift die Nutzung in den zentralen, funktionsneutralen Leerraum über, der von den Architekten als „multiinzidente Hülle“ bezeichnet wird. Auch Fenster, Oberlichter und Türen werden in gleicher Weise als zuschaltbare Funktionen behandelt. In Abhängigkeit von den Himmelsrichtungen und den je nach Lage im Gebäude variierenden Außenlichtverhältnissen wurde der zentrale Leerraum in kühlen Farbtönen wie Grau oder Reinweiß (bei den nach Süden orientierten Wohnungen) oder in warmen Elfenbeintönen (bei den nach Norden orientierten Wohnungen) angelegt. Bei den nur schwach natürlich belichteten Wohnungen in der Mittelzone wurden kräftige Farben wie Rot und Blau oder Gelb und Orange eingesetzt. Die künstliche Raumbeleuchtung ist ebenfalls in den Funktionsnischen untergebracht und wird als zuschaltbare Funktion analog zu Fenstern, Oberlichtern und Türen betrachtet. Dadurch greift die Farbigkeit der Nischen über Reflexion in den Raum über.17 Im Buntton kräftige oder mit der Umgebung kontrastierende Farbigkeiten können die visuelle Aufmerksamkeit so stark auf sich ziehen, dass Farbflächen körperhaft in Form von Nischen erscheinen, selbst wenn sie räumlich nur als Galerie oder Ecksituation ausgebildet sind. Im Foyer der Konzerthalle Hamer Hall in Melbourne platzierten ARM Architecture den Ticketschalter unter einer Galerie. Der gekurvt mit einer Spitze in den Raum ragende Balkon ist an der Unterseite ebenso wie die Rückwand in einem Signalgelb angelegt und wird als farbiger Schatten auf dem Boden nachgezeichnet. So entsteht ein geschützter, aber leicht auffindbarer Ort für den Verkauf von Eintrittskarten. Die Verschränkung von Farbflächen und Raum erzeugt durch deren Überlagerung optisch wirksame Zonen und Nischen, die sich aus der puren Raumgeometrie nicht ableiten würden.

17 Elser 2004, S. 30–32. 154

Splitterwerk, Schwarzer Laubfrosch, Wohnhaus, Bad Waltersdorf, Österreich, 2004, Ganzfarbraum, Farbnischen definieren Nutzungsbereiche FARBNISCHEN

155

dmvA Architecten, House DM2, Mechelen, Belgien, 2006, Küche in Farbnische 156

ARM Architecture, Hamer Hall, Melbourne, Australien, 2012

Die gelben Farbtöne wurden so ausgewählt, dass sie trotz unterschiedlicher Oberflächen, Materialien und Texturen für das Auge gleich erscheinen: Terrazzo-Boden: R230 G215 B22, Wand und Decke: C11 M0 Y95 K0, Folienbeschichtung auf Möbelelementen, Hochglanz: R236 G194 B0

Studio Niels & BroekBakema, Chemelot Campus, Building24, Sittard-Geleen, Niederlande, 2014, PU-Acrylfarbe Orange RAL 2010 auf MDF FARBNISCHEN

157

Farbinseln Farbinseln sind Orte im Raum, die auch ohne klare räumliche Begrenzung mittels der Kraft der Farbe definiert sind. Der Übergang von der Nische zur Insel ist fließend. Farbinseln können auf unterschiedliche Weise ausgebildet werden – sei es durch Farbflächen, das Zusammenwirken von Farbflächen und Farbkörpern oder durch die Heraushebung einer Form durch Farbe. Maat architettura definierten mit einem zitronengelben Farbton den Essbereich innerhalb eines großen, multifunktional genutzten Hauptraums einer Gründerzeitwohnung. Durch die Beschichtung lediglich zweier Wandflächen und einer Bodenfläche entsteht eine farbliche Raumerscheinung, die die Kraft entwickelt, den mehrfarbigen ornamentalen Fliesenboden zu überspielen. Im Altenpflegeheim Pont-sur-Yonne (Frankreich) hat Dominique Coulon die Erschließungswege als Parcours angelegt, der zum Flanieren einlädt. An den Knickpunkten schaffen Farbflächen in einem Spektrum, das von hellem Rosa bis zu einem kräftigen Rot changiert, auf Wand und Decke Farb­ inseln, die Kommunikations- und Aufenthaltsorte bilden. Farbvolumen, die als Objekte zum Sitzen oder Anlehnen geformt sind, ergänzen die Flächen. Auch ohne das Einziehen von Wänden lassen sich klar definierte Raumsituationen ablesen, die einen hohem Wiedererkennungswert entwickeln, wie zum Beispiel im Combiwerk Delft, einer sozialen Ausbildungsstätte für Menschen mit physischen oder mentalen Einschränkungen. Das Einheitsgrau der Büroteppichfliesen auf der großen Hallenfläche wird von einer Vielzahl monochromer Inseln in unterschiedlichen Farben unterbrochen. Sie werden von Teppichfliesen aus Varianten der Farbtöne Rot, Grün, Blau und Gelb gebildet, die wie die Pixel eines Bildes zusammenwirken. Die Möblierung wiederholt jeweils die im Bodenbelag vorgegebenen Farbschattierungen. Mit diesem Konzept gelingt es den Innenarchitekten von i29, die kostengünstig errichtete Fläche der in monochromen Grau gehaltenen Halle zu beleben; gleichzeitig kann es als Sinnbild für die Vielfalt und Individualität der Nutzer gelesen werden. Um bei der Umnutzung einer ehemaligen Garage zu einem Wohnhaus mehr Raumhöhe für eine Zwischenetage zu schaffen, wurde die Küche von DoepelStrijkers in einer unter das Bodenniveau abgesenkten Vertiefung angeordnet. Diese Ebene bildet durch Sitzstufen, die eine grell-orange Poly­ urethan-Beschichtung erhielten, einen Ort zum Gespräch und Aufenthalt. Starke Farbreflexionen spiegeln sich an der glänzenden Oberfläche der darüber angebrachten Lichtbox aus Polycarbonat und verbreiten die Farbigkeit im Raum. Die Vertiefung im Boden ist Teil einer dreidimensionalen Raumsequenz, die von der ebenfalls etwas tiefer liegenden Straße zum privaten Garten führt.

158

i29 interior architects, Combiwerk Delft, Social Workspace, Delft, Niederlande, 2012 FARBINSELN

159

Als skulpturales, erhabenes Objekt in Form einer Landmarke tritt die in den Raum eingreifende Farbinsel in der Bibliothek der Schule Nordstjerneskolen in Frederkshavn (Dänemark) in Erscheinung. Das mehrgeschossige Farbelement steht im Zentrum des sternförmigen Grundrisses und ist durch sein Volumen und die auffällige Farbe Orange von allen Bereichen der Schule aus erkennbar. Die abgetreppte, pyramidenartige Form lädt zum Sitzen ein und entwickelt eine starke Markanz und Identität in der großen Halle.

Arkitema Architects, Nordstjerneskolen, Frederikshavn, Dänemark, 2012, Farbe: Rot s1580-Y90R, hochglänzende Farbbeschichtung auf geschliffener Trockenbaukonstruktion 160

maat architettura, „Let it Flow“, Wohnung, Turin, Italien, 2006, Epoxidharzbeschichtung auf Boden und Wand, Oberfläche Satin, Farbcode: SIKKENS G8.30.85, (4041 Color Concept)

Dominique Coulon & associés, Altenpflegeheim Pont-sur-Yonne, Frankreich, 2014, Farbtöne Wand und Decke: Weiß RAL 9003, Farbtöne Wände und Decke Insel: Rosa Hell Sikkens F8.11.75 oder Rosa Dunkel Sikkens A8.20.60 FARBINSELN

Folgeseiten: Duzan Doepel, Eline Strijkers mit Stefan Meyer, Arjan Pit i.c.w. Lex-Architects, Parksite, Wohnung, Rotterdam, Niederlande, 2008, Farbe: Epoxidharzbeschichtung, Farbton Orange 161

162

FARBINSELN

163

Farbkörper „Architektur ist ein Wechselspiel von Masse und Hohlraum, voll und leer, Körper und Raum. Körper sind nur wahrnehmbar, wenn sie sich gegen den ungeformten Raum abzeichnen.“18 Farbige Körper erzeugen durch ihren Kontrast zur Umgebung eine große Aufmerksamkeit im Raum. Sie stellen einen Gegenpol zum Raum dar; sie zeigen sich in drei Dimensionen und sind von allen Seiten aus erlebbar. Ihre Wirkung ist abhängig von den Größenverhältnissen der vorhandenen Raumelemente und der Farbigkeit. Farbgleichheit lässt den Körper als Teil der Raumflächen erscheinen, Farbkontraste verstärken die Objekthaftigkeit. In Abhängigkeit von Maßstäblichkeit und Positionierung wirken Körper raumgliedernd oder raumbildend und erlauben die Differenzierung von Nutzungen. Sie können deutlich abgehobene oder abgetrennte Räume mit besonderen Bedingungen oder Anforderungen beherbergen. Durch den Wiedererkennungswert der Farbe lenken sie den Fokus auf ihre Funktion und erleichtern die Orientierung im Raum, auch über mehrere Ebenen eines Gebäudes hinweg. Kleine Farbvolumen sind im Raum klar als additive Elemente ablesbar. Sie lassen ihre Umgebung unangetastet und können zusätzliche Nutzungen hinzufügen, wie zum Beispiel in der ehemaligen Maschinenbauhalle der TU Darmstadt, die in Zwischennutzung ein Kulturprojekt mit dem Namen „603qm“ beherbergte. Verschiedene wie Bausteine wirkende Volumen, die an das Maß des menschlichen Körpers angepasst wurden, stehen hier frei im Raum. Sie heben sich durch ihre in Anlehnung an Gefahrenmarkierungen auf Baustellen in Signalgelb (RAL 1003) gewählte Lackierung deutlich von dem durch Sichtbeton und rohe Oberflächen dominierten Raum ab. Alle für den Betrieb nötigen Funktionen wie Garderobe, Bar, Sitz-, Lounge- und Bühnenelemente lassen sich durch Kombination der gelben Farbkörper in verschiedenen Varianten herstellen. Sie sind frei im Raum verschiebbar und können je nach Erfordernis neu kombiniert werden. Eine ebenfalls signalgelbe größere vorgefertigte Stahlbox in der Außenfassade beherbergt den Eingang und macht die neue Nutzung nach außen hin sichtbar. Die Architektur der Halle mit ihrer rohen, industriellen Anmutung bleibt unberührt, und doch zeigt sich die Intervention deutlich und selbstbewusst durch die vereinheitlichende, im ganzen Corporate Design verwendeten Farbe Gelb. Beim Umbau einer alten Schule zu einem Informationszentrum in Paredes (Portugal) arbeiteten die Architekten von spaceworkers mit einem starken Schwarz-Weiß-Kontrast. Der Innenraum des Bestands wurde komplett mit weißer Farbe überzogen und damit auf die prägnante geometrische Form des Satteldachs reduziert. Sämtliche neue Funktionen wie Shop, Tresen, Projektionsraum und Nebenräume sind in einem fast raumfüllenden, der Geometrie des Bestands folgenden tiefschwarzen Körper untergebracht. Lediglich eine schmale Fuge bleibt zwischen dem Farbkörper und der Hülle frei und erlaubt es so, um das Volumen herumzugehen. Eine Leerstelle in der Raummitte dient als Empfangsbereich. Sie wird durch den durchgehenden schwarzen Bodenbelag gedanklich und visuell dem dunklen Volumen zugeschlagen. 164

18 Janson 2013, S. 250.

Farbige Körper entwickeln durch ihren Kontrast zur Umgebung eine große Aufmerksamkeit im Raum.

Daniel Dolder mit John Lau und Michel Müller, 603qm, Zwischennutzung einer ehemaligen Maschinenbauhalle der TU Darmstadt, 2003–2013, Farbton: RAL 1003, Signalgelb FARBKÖRPER

165

spaceworkers, Umbau einer ehemaligen Schule zum Informationszentrum, Centro de Informação da Rota do Românico, Paredes, Portugal, 2012, Schwarz: RAL 9011, seidenmatt, Weiß: RAL 9010, seidenmatt, Boden: PU-Beschichtung 166

FARBKÖRPER

167

Präzise gesetzte Raumkörper können ihre zonierende Wirkung besonders in großzügigen Raumsituationen voll entfalten. Erstrecken sie sich vertikal über mehrere Grundrissebenen, so ergeben sich wiederkehrende Orientierungspunkte im dreidimensionalen Raumgefüge – insbesondere dann, wenn ihre Ausdehnung und skulpturale Form über Lufträume sichtbar wird. Passt sich die Farbe von Körpern der Umgebung an, so treten sie zurück. Hebt sich die Farbe eines Körpers ab, so betont er seine formale Eigenständigkeit. Licht und damit verbundener Schattenwurf verstärken die Dreidimensionalität. Der Architekt Raúl Sánchez nutzt in seinem Projekt „Duplex Tibbaut“ in Barcelona zwei gegen die Längsrichtung des Raums um 45 Grad gedrehte Körper auf quadratischem Grundriss, um einen offenen Wohngrundriss mit klar definierten Nutzungsbereichen zu organisieren. Einer der Körper beinhaltet diejenigen Funktionen, die der Privatheit bedürfen, wie das Bad und den Schlafraum, der andere ermöglicht die vertikale Erschließung. Die mit Goldpartikeln versetzte Hochglanzoberfläche der Körper bildet einen Kontrast zu den durch einen weißen Anstrich homogenisierten Oberflächen des Gebäudebestands. Die Quader stehen ohne Ausbildung eines sichtbaren Sockels fest auf dem Boden, schließen aber scheinbar kurz unterhalb der Bestandsdecke ab. Dadurch werden ihr Volumen und ihre Eigenständigkeit betont, obwohl sie über eine leicht zurückgesetzte, im Weiß der Raumflächen angelegte Fuge mit der Decke verbunden sind. Es bedarf jedoch nicht zwangsläufig geschlossener Flächen, um ein Volumen als Farbkörper wirksam werden zu lassen. Hebt sich der Farbton deutlich als Kontrast zur Umgebung ab, so werden durchbrochene oder aus Einzelelementen zusammengesetzte Formen zu einem Farbkörper zusammengefasst. Rashid Ali von RA Projects London verbindet die Ebenen einer Wohnung mit einem durchbrochenen blauen Farbkörper. Auch hier übernimmt das Objekt im Grundriss eine wesentliche zonierende Funktion, lässt aber durch seinen Aufbau aus eher geschlossenen Regalelementen und Flächen, die aus schmalen Lamellen gebildet werden, Blickbeziehungen über die gesamte Breite der Raumfläche zu.

168

Rashid Ali/RA Projects, FinHouse, London, Großbritannien, 2015

raul sanchez architects, Duplex Tibbaut, Maisonettewohnung, Barcelona, Spanien, 2017, Farbe: Gold FARBKÖRPER

169

Anish Kapoor, At the Edge of the World, 1998, Fiberglas und Pigment, 500 × 800 × 800 cm 170

Farbvolumen Farbige Volumen zeichnen sich nicht an den Außenflächen ab, sondern füllen das innere Volumen eines Raumes aus. Durch ihre Homogenität wirken sie körperhaft und physisch greifbar. Der Künstler Kyung Woo arbeitete in seiner Rauminstallation mit dem Titel „Green House“ mit diesem Phänomen. Hier wird Farbe als Volumen lesbar; sie füllt den Raum ähnlich einer Wasserfläche scheinbar materialisiert aus. Die untere Hälfte eines Ausstellungsraums ist in einem helleren Blaugrün angelegt und wird im Zusammenwirken mit aufgehängten, an einer imaginären Spiegellinie geknickten Möbelobjekten als wassergefülltes Volumen gelesen, auf dem die Einrichtungsgegenstände zu schwimmen scheinen. Ein ähnliches Bild entsteht durch die im gleichen Rotton eingefärbten Stufen und Wandflächen im Treppenhaus der Casa da Severa in Lissabon. Bei der Umnutzung eines ehemaligen Wohnhauses in ein Kulturzentrum hat der Architekt José Adrião das Gebäude komplett entkernt und mit zwei Farbvolumen wiederaufgefüllt. Das Erdgeschoss scheint in rote Farbe getaucht zu sein. Hier liegen die Nebenräume und die Küche. Über eine Treppe tritt der Besucher in das weiße Volumen des im Obergeschoss gelegenen Restaurants ein. Der Kontrast zwischen räumlicher Enge und Weite wird hier durch den Kontrast zwischen kräftigem Rot und lichtem Weiß ergänzt. Die Kraft von Farbpigmenten, Volumen zu bilden, untersucht der Künstler Anish Kapoor in seinen Arbeiten. Durch das teilweise Ausmalen von Vertiefungen mit meist unangemischtem, satt farbigem Pigment irritieren diese, indem sie scheinbar zwischen Farbfläche und tiefem Raum changieren. Die mit Farbe gefüllten Volumen verlieren ihre wahrnehmbaren Raumgrenzen.19 In der Installation „At the Edge of the World“ hängt eine große, rote Kuppel mit einem Durchmesser von acht Metern und einer Tiefe von fünf Metern über den Köpfen der Betrachter. „Rot ist der Blick eingeschlossen, begrenzt von einem roten Horizont. Nach einer Weile aber scheint die Kuppel in ein Fließen zu geraten; die eigentliche Höhe ist kaum auszumachen, stattdessen beginnt das Rot, immaterielle Formationen von Regen oder von Wolken anzunehmen, das heißt man begreift unwillkürlich die Kuppel über sich als eine Himmelserscheinung, als einen roten Himmel.“20 Das homogene Farbvolumen entwickelt eine eigene Dynamik, die den streng geometrischen statischen Raum auflöst. Der Künstler beschreibt die Wirkung der Farbe: „Es geht darum, etwas aus dem Körper herauszulösen und es zu verwandeln in etwas, was immateriell wäre.“21

19 20 21

Zschocke 2004, S. 176 ff. Drahten 2004, S. 140 f. Drahten 2004, S. 140 f.

FARBVOLUMEN

171

José Adrião, Casa da Severa, Lissabon, Portugal, 2012 172

Han Kyung Woo, Green House at the Corporation of Yaddo Artist Residency Program, New York, USA, 2009, Farbton Weiß: matt weiß, Farbton Grün: Behr Paint P390-1

FARBVOLUMEN

173

Fabio Novembre Studio, TDM5: Grafica Italiana, Ausstellungsdesign, Triennale Design Museum, Mailand, Italien, 2012–2013 174

Autonome Farbstrategien 175

Friederike Tebbe und Müller Reimann Architekten, Innenraumgestaltung, Neubau der Fakultät Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, 2008, Faculty Club, Farbton: Violett/„Matter“ 176

Gestaltung als künstlerische Absicht

1

Tebbe 2009, S. 13.

Farbige Flächenkompositionen, die sich unmittelbar auf die Raumflächen beziehen, respektieren die Grundgeometrie des Raumes. Die Veränderung scheint hier subtil: Die Farbe verschiebt zwar die Gewichtung der Flächen im Raum und schafft neue Zusammenhänge, ordnet sich aber in das bauliche Gesamtgefüge ein. Die Künstlerin Friederike Tebbe befasst sich mit Sehgewohnheiten im Raum und den Möglichkeiten, über Farbe zu kommunizieren. Sie nutzt ihre Ausbildung in Techniken der Malerei, insbesondere die Erkenntnisse über die Zusammenhänge des Sehens, als Basis für ihre Zusammenarbeit mit Architekten. Dabei betont sie die assoziative Kraft der Farbe: „Farbe ist allgegenwärtig, da unsere sichtbare Welt vor allem eine farbige Welt ist. Als primäres Wahrnehmungsmerkmal und emotional aufgeladenes Medium prägt Farbe uns und unsere Umgebung und geleitet uns durch eben diese. Dementsprechend hat jeder zu verschiedenen Farben bestimmte und eigene Vorstellungen und Verbindungen, Vorlieben und Vorbehalte.“1 Früh im Planungsprozess stellt sie sich die Frage nach Material und Oberfläche; die endgültige Lage und Färbung der Flächen wird jedoch im Idealfall erst im real erfahrbaren Raum festgelegt, da sich Blickbeziehungen, Lichtverhältnisse und Atmosphäre nicht vollkommen simulieren lassen. Im architektonischen Kontext kann die Farbe den Raum und seine Nutzung unterstützen. So setzte Tebbe zum Beispiel bei der farbigen Ausgestaltung der Fakultätsräume der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt (in Zusammenarbeit mit Müller Reimann Architekten) Farbe und Material so ein, dass sich im vorgefundenen Materialkontext ein kohärentes Gesamtbild ergibt. Sie definierte, abgestimmt auf die kräftigen Materialfarben des Bodenbelags aus Granit und Holz, sechs Farbtöne, davon vier aus dem Grünspektrum, ein grünliches Grau und ein kräftiges Violett. Diese Farbtöne wurden unter Berücksichtigung des Raumprogramms sowohl die Raumflächen füllend als auch unabhängig von den Bauteilen eingesetzt. Im Raum des Faculty Club schafft eine knapp über dem hohen Sockel unten auf der Wandfläche platzierte, eckübergreifende rechteckige Fläche in einem kräftigen Violett – von Tebbe „Matter“ genannt – eine intime Atmosphäre in einem Raum von großer Höhe. Es entsteht eine Zone für im Sitzen geführte Gespräche. In der Cafeteria dagegen reflektiert eine vollflächig angelegte dunkelgrüne Wandfläche ihre Farbe in den Raum hinein und entfaltet dadurch atmosphärische Wirkung. Anders ging die Künstlerin in einer „murals“ genannten Farbinstallation in der Berliner Galerie Framework vor. Befreit von jedem Programm, setzte Tebbe Farbbänder und -felder entlang einer Wandabwicklung, um die Lesart des Raums zu beeinflussen. Eine Komposition aus liegenden, schmalen, rechteckigen Bändern und dazwischenliegenden, rhythmisch wechselnden stehenden und großflächigen Rechtecken zieht sich über die Raumoberflächen. Die Bänder negieren die Raumecken. Aus dem Wechsel der Farbigkeit, der Größe der Elemente in Relation zum Raum und den dazwischenliegenden freien Flächen, die wie Unterbrechungen wirken,

GESTALTUNG ALS KÜNSTLERISCHE ABSICHT

177

Friederike Tebbe, murals, Farbinstallation, Galerie Framework, Berlin, 2004

baut sich ein Rhythmus auf, der die Geometrie des Raums überspielt. Die Farben bleiben durch die Trennung des Weißraums visuell auf der Wandoberfläche; es entsteht kein Effekt des Vor- und Zurückspringens. Aufgrund ihrer Ausdehnung kann die Grafik nicht mit einem Blick erfasst werden. Die Frage nach Regelmäßigkeiten, Reihung und Takt erschließt sich erst beim Durchschreiten des Raumes. Alle Formen stehen klar voneinander abgegrenzt auf dem neutralen weißen Hintergrund, der die einzelnen Elemente trennt, sodass die Farben jeweils unbeeinflusst wirken, und der als übergeordneter Wirkungsraum gleichzeitig die Komposition zusammenbindet. Entfällt dieser sichtbare Hintergrund, so beginnen die Farben zu interagieren und erzeugen eine eigene Räumlichkeit, die eine reliefähnliche, visuelle Tiefe schaffen kann.2 Flächige Elemente, wie zum Beispiel Rechtecke, wirken eher statisch. Sie können die wahrgenommene Größe eines Volumens durch Zergliederung reduzieren und in einen anderen Maßstab überführen. Durch das direkte Nebeneinander der Farbtöne können auch mosaikartige Eindrücke entstehen, die bei der Anwendung im Raum körperhaft wirken. Der Architekt Alan Chu nutzte eine abstrakte Komposition aus Rechtecken unterschiedlicher Größe, um aus dem Volumen eines einfachen Quaders einen wiedererkennbaren Ort zum Verkauf von Tee zu schaffen, der auf die Gestaltung der Marke abgestimmt ist. In geschlossenem Zustand lassen weder Grafik noch Volumen einen Rückschluss auf die Nutzung zu. Hinter der auffälligen Grafik verbergen sich jedoch funktionale Elemente, die in das Kompositionsprinzip integriert wurden. Gebunden an die Geometrie der Farbflächen, lassen sich verschiedene Türen und Klappen öffnen, welche die Verkaufsfläche nach außen öffnen und den Blick ins Innere des Volumens freigeben. 178

2

Siehe S. 107–110.

Modelle von Farbraumstudien, Ergebnisse eines Workshops in Kooperation mit Prof. Esther Hagenlocher, University of Oregon und Studierenden der Hochschule Darmstadt: Melissa Kellner, Peter Fendrich, Vichard Vong, Jennifer Fruth, Tina Rothenburg, Dorothee Lahr und Irina Schiebelbein, Darmstadt, 2014 GESTALTUNG ALS KÜNSTLERISCHE ABSICHT

179

Alan Chu, Kiosk zum Verkauf von Tee, The Gourmet Tea – Cidade Jardim, São Paulo, Brasilien, 2012 180

GESTALTUNG ALS KÜNSTLERISCHE ABSICHT

181

Dominique Coulon & associés, Kindertagesstätte, Buhl, Frankreich, 2015 182

Farbtöne: Fußboden: Sikkens Z3.37.43, Z8.18.63, Z8.11.75, A0.20.60, Farbtöne Decke: Dunkelrosa Hochglanzlack Sikkens Z2.06.81, Hellrosa matt Sikkens Z2.06.81, Farbtöne Wände: Rot- und Rosatöne Sikkens A9.30.50, A0.20.60, Z3.37.43, Z6.23.60, Z8.11.75, Z8.18.63

Folgeseiten: SelgasCano, La Florida, Büro, Madrid, Spanien, 2008, Boden und Wand: Holzdielen und Ortbeton mit Zwei-Komponenten-Epoxidharzbeschichtung, weiß und gelb

Dominique Coulon entwickelte in der zentralen Halle der Kindertagesstätte in Buhl/Frankreich trotz starker Farbgebung eine fein abgestimmte räumliche Differenzierung. Das Gebäude ist aufgrund seiner unattraktiven Lage stark introvertiert und auf einen zentralen, über Oberlichter erhellten Raum ausgerichtet. Dessen Flächen wurden in zahlreiche einzelne Rechtecke unterteilt, die mit einer Vielzahl von Rot- und Rosatönen in unterschiedlichen Glanzgraden belegt sind. So entstanden kleinere Unterbereiche, die in ihrer Maßstäblichkeit an die Kinder angepasst sind. Ein über einen Teilbereich des Grundrisses eingehängtes Volumen definiert eine Zone mit geringerer Raumhöhe. Die Untersicht dieses Volumens verstärkt als hochglänzend in Dunkelrosa lackierte Fläche die Farbreflexionen im Raum. Alle darüberliegenden Flächen sind weiß und reflektieren das helle Tageslicht, welches die kräftigen Farbtöne leuchten und in der Folge miteinander interagieren lässt. Der Raum ist insgesamt in einen warmen Farbschein getaucht. Durch ihre Zugehörigkeit zu einer Familie von Bunttönen erzeugen die Farben einen ambivalent zwischen Homogenität und Fragmentation schwankenden Raumeindruck. Werden Farbflächen gegen die von den Raumflächen vorgegebene Struktur verschoben, so erzeugen sie eine eigene Dynamik im Raum. Die Architekten von SelgasCano nutzten diesen Effekt in einem kleinen, halb in den Boden eingelassenen Büroraum, um diesen mit der umgebenden Natur zu verbinden. Die Raumflächen sind entlang der Längsrichtung geteilt und als Streifen in weiß, gelb und grün angelegt. Der Übergang von der Gartenwand zum Dach ist über die gesamte Länge als Glasfuge ausgeführt. Im gestreckten Raum entwickelt sich eine windmühlenartige Rotation, die den Blick nach draußen in die Baumkronen lenkt. Die zum Dach hin abgerundeten Raumkanten verstärken die Drehbewegung. GESTALTUNG ALS KÜNSTLERISCHE ABSICHT

183

184

GESTALTUNG ALS KÜNSTLERISCHE ABSICHT

185

Verzahnung von Farbflächen „Befreit von der Bindung an die Form hat Farbe die Möglichkeit sich frei zu entfalten und durch ihre so entstandene Unabhängigkeit ein eigenes Thema zu verfolgen. Die Farbe und die architektonischen Bestandteile Boden, Wände, Decke, Pfeiler können so zu einer Partnerschaft werden, Teile können isoliert oder zusammengefasst werden, ohne der Architektur Rechenschaft abzulegen. Sie kann auch interpretieren, analysieren oder auch parodieren.“3 So beschreibt der Maler Oskar Putz die Wirkung, die entsteht, wenn sich Farbflächen von den Raumbegrenzungsflächen lösen. Wirkt die Farbkomposition vor dem Auge stärker als die geometrischen Raumkanten, so verändert sich die Raumwahrnehmung. Es können sich optische Täuschungseffekte oder perspektivische Verzerrungen ausbilden. Miteinander verzahnte Farbflächen schaffen neue räumliche Beziehungen und Zusammenhänge, denn sie suggerieren einen neuen Formenkanon. Die Maßstäblichkeit der Grafik bestimmt die Wirkung: Je nach Größe der Farbflächen in Relation zu den Raumbegrenzungsflächen werden die Kanten aufgelöst oder ganze Volumen neu definiert. Heinz Bienefeld und sein Sohn Nikolaus setzten im Interieur des Haus Kortmann in Köln Farbe als raumveränderndes Material ein. Durch eine Komposition aus verschiedenen, miteinander verschränkten Farbflächen, die die einzelnen Öffnungen und Bauteile im Raum überspringen, entsteht ein Raumgeflecht aus Farbe. Es entstand eine Wechselbeziehung der Farbtöne untereinander, die eine räumliche Tiefenwirkung hervorruft. Kräftige Farbflächen in kontrastierendem Orange und Violett wurden durch ein mit Marmormehl abgetöntes, zartes Rosa ergänzt. Der Farbauftrag erfolgte in mehreren lasierenden Schichten; die Architekten definierten dafür auch Werkzeug und Arbeitsrichtung. Der Pinselstrich wurde zum Material mit eigenen Oberflächeneigenschaften und erzeugte eine große Tiefe und Lebendigkeit im Zusammenspiel mit dem Tageslicht. Die Farbe verlor ihre Eigenschaft als dünne Deckschicht und wurde zu einem eigenständigen Werkstoff. Weiße Decken und ein matter Metallboden bilden einen neutralen Hintergrund. Durch den beweglichen Standpunkt des Betrachters entsteht ein sich ständig veränderndes räumliches Bild. Im Haus Kortmann erzeugen die verzahnten Farbflächen einen expressiven Raum. Sie können jedoch auch zur Zonierung und Orientierung in einem ansonsten undefinierten Raum eingesetzt werden, wie das Beispiel des Flurs der Manus Klinik in Krefeld von raumkontor zeigt. Collageartig überlagerte rechteckige Farbflächen setzen durch die Gruppierung von ähnlichen Tönen Schwerpunkte im gleichförmigen Grundriss, die zunächst der Akzentuierung und Orientierung dienen. Die einzelnen, sorgsam platzierten Farbflächen verzahnen sich zu einem einheitlichen Ganzen. Die Farbe entwickelt so ein Eigenleben, frei von den Restriktionen der Wandflächen. Mit zunehmender Komplexität und Kleinteiligkeit sowie in Abhängigkeit von klaren oder verschachtelten Raumstrukturen kann durch das Prinzip der Verzahnung eine Illusion im Raum zu erzeugt werden. 3 186

Putz 1994, S. 47.

raumkontor Innenarchitektur, Manus Klinik, Krefeld, 2012

Heinz und Nikolaus Bienefeld, Umbau Haus Kortmann, Köln, 1995 VERZAHNUNG VON FARBFLÄCHEN

187

Die beabsichtigte Wirkung, die mit der Auswahl bestimmter Farben erreicht werden soll, ist das einzige Kriterium dafür, ob eine Farbwahl richtig oder falsch ist.4 Oskar Putz Oskar Putz, Kix Bar, Wien, Österreich, 1987 188

4 5 6 7

Putz 1994, S. 46. Putz 1994, S. 46. Putz 1992. Koning 2002, S. 56.

VERZAHNUNG VON FARBFLÄCHEN

Der Maler Oskar Putz, ein Vertreter der Konkreten Kunst, überträgt seine Konzepte aus der Malerei in den Raum. Bei der Ausgestaltung der Kix Bar in Wien entwickelte er ein völlig autonomes Farbkonzept, das sich den vorhandenen räumlichen Gegebenheiten als gleichwertig gegenüberstellt und diese teilweise überformt. Einzelne Bauteile wurden durch die Farbe zusammengefasst, andere hervorgehoben, zerteilt und neu kombiniert. Putz betrachtet Farbe als „sehr aktives Element der architektonischen Gestaltung“5, das, richtig eingesetzt, Konzept und Idee des Gebauten stärken kann. Er löst die Farbe von der Form und behandelt alle Farbtöne gleichwertig und als mögliche Nachbarn. Dabei organisiert er die Farben unabhängig von den Raumflächen; das Ziel ist die reine Bildwirkung. An den Durchgängen betont die Farbe in der Kix Bar die Funktion der Konstruktion; tragende und lastende Bauteile sind farblich voneinander abgesetzt. An anderer Stelle nutzte Putz über die Raumkanten hinweg angelegte Farbfelder zur Verzahnung von Flächen; so erscheint die als Orange definierte Decke im Zusammenwirken mit einer gleichfarbigen Wand nicht mehr als aufliegende Fläche, sondern wird Teil eines dreidimensionalen Körpers. In eine flache Rundbogennische im rückwärtigen Bereich legte der Künstler eine orthogonale Balkenstruktur, die einerseits die architektonische Form negiert, andererseits durch ihre Farbgebung eine nicht vorhandene Tiefe simuliert. Es ist auf den ersten Blick nicht klar, ob die Farbe echte Elemente betont oder einen räumlichen Eindruck schafft. Die räumliche Wirkung der Farbtöne erzeugt diese Ambivalenz, denn das Rot scheint hervorzuspringen, während ein dunkles Blau Tiefe und Schatten suggeriert. So entsteht ein spannungsvoller Dialog zwischen Farbe und Raum.6 Das gleichberechtigte Verweben von Raum und Fläche fügt eine neue Ebene der Simultaneität von Bild- und Raumwirkung ein. Der niederländische Installationskünstler Krijn de Koning schreibt über die Bedeutung von Farbe: „All diese Dinge erschaffen das, was wir als Raum bezeichnen. Und wenn man diesen verändert oder umbaut, dann entsteht plötzlich etwas völlig anderes – selbst bei kleinsten Interventionen, wie etwa durch den Einsatz von Farbe oder die Platzierung einer Statue innerhalb dieses Raums. Ich finde es sehr interessant, dass das Hinzufügen eines Objekts die Aufmerksamkeit nicht nur auf das Objekt selbst lenkt, sondern auch das Bewusstsein für den umliegenden Raum weckt.“7 Durch das Einführen von Farbe ändert sich auch die Wahrnehmung der umgebenden Flächen. In seiner Rauminstallation mit dem Namen „Dick Bruna Huis“, einer Hommage an den niederländischen Zeichner Dick Bruna, setzte de Koning eine Auswahl von kräftigen Farben ein, die von der reduzierten Farbigkeit des Werks des niederländischen Illustrators inspiriert ist. De Koning folgte zwar den geometrischen Vorgaben eines hausähnlichen, räumlichen Systems, ergänzte dieses aber durch Farbe um eine zusätzliche freiere Interpretationsebene und entwickelte die Raumstrukturen kompositorisch weiter. Auf der Fläche plazierte, präzise in den Achsen und der Verlängerung der Kanten angeordnete Farbwechsel lassen vor dem Auge zusätzliche Kanten entstehen. Die kontrastreiche Anordnung komplementärer Farben wie Blau und Gelb oder Rot und Grün 189

Sauerbruch Hutton, Farbkonzept für die Ausstellung der Fotografien von Ola Kolehmainen, Haus am Waldsee, Berlin, 2014

nebeneinander verstärkt die Wirkung der Kanten und damit den Effekt der räumlichen Verwebung der Flächenfragmente. Nicht nur Flächen, sondern auch ganze Raumvolumen wurden vom Büro Sauerbruch Hutton in der Ausstellungsgestaltung für die großformatigen Architekturfotografien von Ola Kolehmainen in den Galerieräumen im Haus am Waldsee, Berlin, durch Farbflächen neu geordnet. Die farbige Segmentierung des Ausstellungsraumes bezog sich auf die ausgestellten Arbeiten. Die Fotografien Kolehmainens sind aus Einzelteilen zusammengesetzt, die mit leicht versetztem Blickwinkel aufgenommen wurden. Von den Architekten wurden den Bildern sehr große, zum Teil ganze Raumteile ausfüllende Farbflächen entgegengesetzt. Der Deckenspiegel zeigte, dass die großen, rechtwinkligen Farbflächen durch das Überschreiten von Wänden und Raumgrenzen neue Raumzusammenhänge schufen und die vorhandenen Volumen zerschnitten. Durch die harten Farbwechsel, die immer direkt hinter den ausgestellten Fotografien angeordnet waren, schienen die Bilder nicht mehr mit der Wand verbunden zu sein, sondern vor die Wandebene hervorzutreten. Es wurden in Farbton oder Helligkeit stark kontrastierende Farbfelder nebeneinandergesetzt, die sich nach den Gesetzmäßigkeiten des Simultankontrasts gegenseitig verstärkten. Der dreidimensionale Raum wurde abstrakt, während die Bilder durch die Kontraste im Hintergrund stärker räumlich wirkten. Die Farbtöne wurden zusammen mit dem Hängungsplan der Bilder konzipiert, sodass sie in Abhängigkeit vom Motiv dieses durch Kontraste oder Farbharmonien stärkten.8 „Die Räumlichkeit auf den Bildern und die Bildhaftigkeit des Raumes fingen an, miteinander zu korrespondieren und einen sich gegenseitig potenzierenden Dialog einzugehen, der den Besucher vollständig umgab und die Grenzen zwischen Kunst und Architektur verschwimmen ließ“9, so beschrieben die Architekten ihre Konzeption. 190

8 9

Wilson 2014. Sauerbruch 2016, S. 324 f.

Das gleichberechtigte Verweben von Raum und Fläche fügt eine neue Ebene der Simultaneität von Bild- und Raumwirkung ein.

Krijn de Koning, Dick Bruna Huis, Kunstinstallation, Centraal Museum Utrecht, Niederlande, 1999–2005 VERZAHNUNG VON FARBFLÄCHEN

191

„dazzle painting“, getarntes Schiff „USS West Mahomet“, USA, 1918

Tobias Rehberger, New York Bar Oppenheimer, New York, USA, 2013 192

Die Grafik wurde digital auf matte Tapeten und den Bodenbelag gedruckt. Farben: Orange Pantone 151, Rot Pantone 032, Hellgrau Pantone 428, Dunkelgrau: Pantone 430, Schwarz: Reinschwarz

Grafische Überlagerung im Raum Zerschneiden Farbflächen oder Liniengrafiken die Tektonik des Raumgefüges und setzen es neu zusammen, so hat der grafische Einsatz von Farbe eine ähnliche Wirksamkeit wie Tarnstrategien in der Natur und im militärischen Kontext. Starke Farbkontraste erzeugen visuelle Irritationen, wenn sie unabhängig vom Untergrund und basierend auf einer eigenen, dem Objekt oder Raum nicht entsprechenden Logik eingesetzt werden. Nicht zuzuordnende Flächen und Konturen verzerren die Realität und fragmentieren das Gesamtbild. Im Ersten Weltkrieg machte sich die britische Marine dieses Phänomen zunutze. Da es praktisch unmöglich war, Kriegs- und Handelsschiffe mit herkömmlichen Camouflage-Techniken zu tarnen, wurden sie auf Anregung des Illustrators Norman Wilkinson mit großflächigen grafischen Mustern in starken Kontrastfarben bemalt, um Konturen, wirkliche Größe und die Fahrtrichtung bei der Betrachtung durch das Periskop zu verwischen. Diese Strategie zielte eher auf die Verwirrung der optischen Sinne des Gegners ab als auf das tatsächliche Verstecken der Schiffe. Die Muster wurden zum Teil von Künstlern aus der Gruppe der „Vortizisten“ entwickelt, einer mit dem Kubismus verwandten Kunstbewegung in England, die ihren Höhepunkt in der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg hatte. Die Vertreter des Vortizismus hatten das Ziel, eine künstlerische Sprache für die Formen der mechanischen Zeit zu finden; sie lehnten realitätsnahe Darstellungen ab und stellten Bewegung dar, indem sie Objekte in markante Linien und grafische Elemente zerlegten. Für die dazzle painting genannte Tarnstrategie wurden unterschiedliche Bemalungsvarianten und Musterskalierungen an Schiffsmodellen so lange getestet, bis der größtmögliche Verzeichnungseffekt entstanden war. Die Wirksamkeit der Farbmuster blieb jedoch umstritten, da bei guter Wetterlage Fahrtrichtung und Kurs auch über große Entfernungen durch das Periskop erkennbar waren. Auf den Raum übertragen hat dieses Prinzip der zeitgenössische Künstler Tobias Rehberger. Er nutzt die Technik des dazzle painting, um die Wahrnehmung von Räumen zu überformen. Die von ihm entwickelten zweidimensionalen Muster verändern den dreidimensionalen Raum komplett. Grafisch dominante Strukturen aus in spitzem Winkel geknickten Streifen in den Kontrastfarben Schwarz und Weiß, ergänzt durch Orange, überziehen Wände, Möbel und Skulpturen und lassen sie so zu einer Einheit verschmelzen. Erzeugt wird ein optisches Flirren, das Raumkanten und Begrenzungen verschwinden lässt. Linien und Flächen bringen nicht vorhandene neue Kanten und Knicke im Raum hervor, welche die wahre Größe des Raums kaschieren. Spiegel verzerren das Bild weiter. Für die New Yorker Frieze Art Show hat Rehberger seine Frankfurter Lieblingsbar als ein mit tatsächlichem Barbetrieb bespieltes Kunstwerk im Maßstab 1:1 und in genau gleicher Ausstattung im Hôtel Americano in New York nachbauen lassen. Vom Frankfurter Original unterscheidet sich die Bar durch die komplette Neuinterpretation aller Flächen und Möbel aufgrund eines GRAFISCHE ÜBERLAGERUNG IM RAUM

193

A

B

Studentische Übung an der h_da, Darmstadt, 2009 In längs ausgerichteten rechteckigen Modellräumen im Maßstab 1:50 wurde der Einfluss von Farbe, Kontrast und Fläche untersucht. A Linienstruktur B Flächenstruktur C Lichtspiegelung auf Flächenstruktur 194

C

an das Dazzle-Painting-Prinzip angelehnten Muster, das die Funktion der Bar als Katalysator für Kreativität und Veränderung ausdrücken soll. Flächige oder grafische Muster – entweder als Camouflage oder aus grafischer Intention heraus eingesetzt – beeinflussen Räume auch in ihrer geometrischen Ausdehnung. Eine dominante Schwarz-Weiß-Grafik, die aus Kreissegmenten und deren Überschneidung konstruiert wurde, beherrscht die Büroräume von AgoraTIC, einer Firma für digitale Schulungen. Der Architekt Stéphane Malka verlieh damit einer vom Nutzer geforderten offenen, multifunktionalen Struktur Ausdruck, die sowohl klassische Büroarbeit als auch Schulungen und Besprechungen in unterschiedlich großen Räumlichkeiten ermöglicht. Die grafische Gestaltung bildet die flexible Aufteilbarkeit der Räumlichkeiten durch ein System von beweglichen, abgehängten Wandelementen direkt ab. Ihre Drehachsen liegen auf den Rasterpunkten eines Schachbrettmusters in den Farben Schwarz und Weiß, das zusätzlich von der Abbildung der Drehradien der Einzelelemente in der jeweiligen Kontrastfarbe überlagert wird. Spiegel erweitern das räumliche System ins Unendliche und schaffen in einem einfachen, rechtwinkligen Grundriss einen labyrinthischen Raumeindruck. Je nach Position der beweglichen Elemente dehnt der Raum sich optisch aus oder zieht sich zusammen. Das Spiel mit der Erfassbarkeit des Raumes und seiner Konturen war auch Thema bei der Ausgestaltung des Showrooms für das Berliner Modelabel Smeilinener durch das Büro Fingerle&Woeste. In einer ehemaligen Gründerzeitwohnung mit hohen stuckverzierten Decken wurden gliedernde Körper in den Raum gestellt, die Tresen, Umkleide und Podeste aufnehmen. Präzise gesetzte Flächen in kontrastierenden Farben überlagern diese Elemente als eine von der Raumgeometrie unabhängige grafische Ebene. Sie lassen Körper, Wände und Boden zu einem fragmentalen Puzzle verschmelzen, indem sie eine zusätzliche, scheinräumliche Interpretationsebene einführen: Aus der grafischen Gestaltung falten sich Raumvolumen zu dreidimensionalen Farbköpern auf. Es entsteht ein raumveränderndes Spiel zwischen Ebene und dritter Dimension. Ein ähnliches Ziel verfolgt die grafische Gestaltung eines Parkhauses unter einem Wohnhaus in Sydney durch das Künstlerduo Craig&Karl. Zentrales Element ist ein Raumband, das sich als Mittelachse von der Einfahrt durch den Raum bis hinaus in den Garten zieht. Im Zentrum übernimmt die Farbgrafik den Raum komplett; er zerfällt in ein in Gelb- und Grüntönen gestaltetes fragmentales Muster. Der Unort Parkgarage wird durch die Überformung zum Erlebnisraum.

GRAFISCHE ÜBERLAGERUNG IM RAUM

195

Malka Architecture, La Nouvelle Héloïse, flexibel nutzbare Büro- und Schulungsräume der Firma AgoraTIC, Paris, Frankreich, 2016 196

GRAFISCHE ÜBERLAGERUNG IM RAUM

197

198

Fingerle&Woeste, Smeilinener Fashion Showroom & Studio, Berlin, 2007 GRAFISCHE ÜBERLAGERUNG IM RAUM

Folgeseiten: Craig&Karl, 72DP, Parking Lot, Sydney, Australien, 2011 199

200

GRAFISCHE ÜBERLAGERUNG IM RAUM

201

Flächige oder grafische Muster – entweder als Camouflage oder aus grafischer Intention heraus eingesetzt – beeinflussen Räume auch in ihrer geometrischen Ausdehnung.

Kazuyasu Kochi, Wohnhaus, Chiba, Japan, 2014 202

10 Siehe S. 7–36 11 Gage 2013, S. 266.

Der japanische Architekt Kazuyasu Kochi entwickelte durch eine radikale Intervention mittels Farbe und geometrischer Formen ein Wohnhaus für eine Familie, das eine hohe räumliche Dichte mit großer Diversifizierung der Atmosphären und Räume verbindet. In dem in traditioneller Holzbauweise erbauten Bestandsgebäude, ergibt sich eine spannungsvolle Korrespondenz von Konstruktion, Raumstruktur und Farbstruktur. Durch frei im Raster platzierte, dreieckige oder rechteckige Ausschnitte innerhalb der tragenden Struktur entstand ein zentraler Hohlraum im Bestand, an dessen Schnittkanten die Sperrholzstruktur des Bestandes frei liegt. Jede der angeschnittenen Flächen wurde in einem anderen Blau-, Gelb- oder Rosaton angelegt. Die Farben zonieren und fassen zusammen, während die Ausschnitte gestaffelte Durchblicke zulassen. Der Innenraum erhielt eine abstrakte Qualität; eine Komposition aus Form und Farbe überlagert den Raum. Der Architekt selbst vergleicht die Umsetzung seines Konzepts mit der Transformation kubistischer Malerei in den Raum. Das Prinzip der grafischen Überlagerung ist unabhängig von der Größe der Fläche und dem Maßstab wirksam. Farbe und Muster haben auch im Stadtraum das Potenzial, die gesehene Realität zu verändern. Auf dem als Stadtwohnzimmer konzipierten Mimers Plads in Kopenhagen haben die Planer von Topotek 1, BIG und Superflex einen schwarzen Boden mit weißen Linien als verbindendes und ordnendes Element eingesetzt. Verschiedene Sitzelemente, Grillplätze, ein marokkanischer Brunnen und ein Spielplatz wurden in die Bodengrafiken integriert. Die weißen Linien markieren Wege und eine Hauptfahrradroute, umfahren Möblierungselemente und Bepflanzungen und ziehen sich gerade über die künstliche Topografie. Durch ihren Verlauf erzeugen sie, gleich Höhenlinien auf einer Karte, scheinbare Wölbungen im Belag und lassen einen künstlichen Aussichtshügel Teil der Gesamtfläche werden. Kommt als weitere Komponente grafischer Überlagerungen weitere Farbe hinzu, so werden nicht nur Kanten und Geometrien aufgehoben, sondern es entstehen auch optische Effekte, die mit dem Farbsehen direkt zu tun haben. Die Vertreter der Op-Art und der Farbfeldmalerei der 1960er-Jahre beschäftigten sich intensiv mit diesen Phänomenen.10 Der US-amerikanische Maler Gene Davis befasste sich zu dieser Zeit ausschließlich mit der sich gegenseitig beeinflussenden Wirkung von farbigen Längssteifen und deren Auswirkung auf den Raum. 1972 schuf er ein großflächiges Werk mit dem Namen „Franklin’s Footpath“ (siehe Abb. S. 207), bei dem er auf der Straße vor dem Philadelphia Museum of Art auf einer Länge von etwa 126 Metern Längsstreifen einsetzte, die auf das Museum zustrebten und den Betrachter wie in einem Sog mitzogen. Seine Motivwahl begründete er mit der elementaren Gestalt der Streifen selbst, denn diese „schaffen eine einfache Matrix als Träger der Farbe und lenken das Auge nicht zu sehr durch formale Abenteuer ab“.11 Das Prinzip der Streifen übertrugen Petersen Architekten auf einen Baukörper. Der große, abstrakte Quader des BER_AIRPORT HOTEL steht als Solitär im noch nicht bebauten Gewerbegebiet um den neuen Flughafen. Auf das Fehlen von Umgebung reagierten die Architekten mit einem

GRAFISCHE ÜBERLAGERUNG IM RAUM

203

flexiblen, homogenisierenden Konzept von auf die Maße der Fenster angepassten Horizontalstreifen. So entstand eher das Abbild einer Fassade als eine begreifbare Gebäudehülle. Rückschlüsse auf die Gebäudenutzung sind nicht möglich. Für die Farbkomposition griffen die Architekten auf die Standardfarben des Herstellers zurück und ergänzten diese um nur drei Sonderfarben. Die Oberfläche der beschichteten Stahlpaneele ist matt ausgeführt, um Spiegelungen zu vermeiden und die kräftigen Farben in allen Lichtverhältnissen zur Geltung zu bringen. Der Künstler Carlos Cruz-Diez fügte der Streifengrafik durch eine zusätzliche Farbschicht eine vermehrte Komplexität hinzu. So ruft er noch weitere Wechselwirkungen zwischen Farbe und Fläche hervor. Basierend auf Studien der Physik und Chemie, der Physiologie des Sehens und der Optik, definierte er ein eigenes Verständnis von Farbe. Carlos Cruz-Diez verfügt über die Kenntnis von zahlreichen philosophischen und humanistischen Schriften über die Farbwahrnehmung sowie von Arbeiten der Impressionisten und weiterer Vertreter von Farbtheorien aus der Kunst. Für ihn verändert sich die Wahrnehmung von Farbe ständig und ist stark von äußeren Einflüssen und zeitgeschichtlichen Umständen abhängig. Cruz-Diez will mit seinen als „Inductions Chromatiques“ bezeichneten Arbeiten die Veränderlichkeit von Farbe – von ihm als chromatisches Geschehen bezeichnet – durch Aufsplittung in Einzelelemente sichtbar machen. Einige dieser Arbeiten nehmen den Maßstab des Stadtraums ein, wo sie auf großen Flächen unabhängig von der Blickperspektive ihre Wirkung entfalten und den Betrachter zur direkten Interaktion mit dem Kunstwerk verleiten. Auf den Wegen um das Stadion der Miami Marlins der Architekten Populous wurde auf einer Fläche von 1 672 Quadratmetern aus unzähligen Keramikfliesen in den Farben Blau, Grün und Orange ein Streifenmuster mit gleichmäßiger Frequenz verlegt, das von schwarzen Streifen überlagert wird, die in einem abweichenden Abstand aufgetragen wurden. Durch diese Unregelmäßigkeit entstehen mit der Bewegung der Betrachter variierende Farbeffekte, die der Künstler als double-frequency Chromatic Induction bezeichnet. Die Farben sind in kritischer Nachbarschaft zueinander so angeordnet, dass sie interagieren. Der Betrachter nimmt in Miami nicht auf die Oberfläche aufgebrachte Gelb- und Pinktöne wahr. Dieses Phänomen ist als Simultankontrast bekannt, die Wechselwirkung von nebeneinanderliegenden Farbflächen. Es handelt sich dabei um einen physiologischen Korrekturvorgang des Sehorgans, bei dem sich die vom Auge gesehene Farbe in Abhängigkeit von ihrer Nachbarfarbe verändert, und zwar durch Verstärken einer komplementären Nuance auf der benachbarten Fläche.

204

Topotek 1, BIG und Superflex, Platzgestaltung Superkilen, Mimers Plads, Kopenhagen, Dänemark, 2013 GRAFISCHE ÜBERLAGERUNG IM RAUM

205

Petersen Architekten, BER_AIRPORT HOTEL, Berlin, 2012, Fassade: Paneele aus Stahlblech, Beschichtung matt, Standardfarben des Herstellers plus drei Sonderfarben

A Carlos Cruz-Diez, Chromatic Induction in a Double Frequency, Farbige Wege – chromatische Intervention auf den Wegen um das Baseballstadion der Miami Marlins, Miami, USA, 2011–2012 206

A B C

B

C

Diagramm zum Verlegen der Fliesen Farbige Streifen: Blau, Grün und Orange Schwarze Streifen, angeordnet in abweichendem Abstand Chromatischer Effekt als Ergebnis der Überlagerung

Streifen schaffen eine einfache Matrix als Träger der Farbe und lenken das Auge nicht zu sehr durch formale Abenteuer ab.12 Gene Davis

12 Gage 2013, S. 266. GRAFISCHE ÜBERLAGERUNG IM RAUM

Gene Davis, Franklin’s Footpath, Philadelphia, USA, 1972, Farbe auf Asphalt 207

A

B

A B

Die Installation untersucht die Wirkung unterschiedlicher Qualitäten der Raum- und Farbwahrnehmung. Eine raumillusionierende Grafik, mit Farbe aufgebracht, kann durch Illumination ein- und ausgeschaltet werden. Das verzerrte Muster lässt den rechtwinkligen Raum vom Standpunkt des Eingangs aus gesehen scheinbar kippen. Wird ein zusätzliches rotes Licht eingeschaltet, so zeigen sich die wahren Raumkanten wieder. Durch das Phänomen der Farbmetamerie wechselt der Raum zwischen verschiedenen Farbintensitäten und Lesbarkeiten.

208

Aylin Güllüoglu und Asli Filiz Gün, Schachbrettmuster im zerklüfteten Raum, studentische Arbeit an der h_da, Darmstadt, 2011 Florian Siegel und Thomas Heyne, Twisting Room, begehbare Rauminstallation, studentische Arbeit an der h_da, Darmstadt, 2010

Anamorphose Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel erkennbar sind, werden als Anamorphose bezeichnet. Der Begriff wird abgeleitet vom altgriechischen Wort für Umformung. Auf der Fläche wird dieser Eindruck zum Beispiel durch eine starke Längsverzerrung hergestellt; im Raum kann das Bild auch in einzelne Teile aufgesplittert sein. Vom richtigen Betrachtungsstandpunkt aus gesehen, setzt das Auge die Einzelteile korrekt zusammen. Häufig dienten Anamorphosen in der Malerei des Mittelalters dazu, verschlüsselte Inhalte zu verstecken. In der Renaissance wurde die Technik eingesetzt, um bei der illusionistischen Deckenmalerei Gewölbe und bauliche Besonderheiten so auszugleichen, dass vom Standpunkt eines auf dem Boden stehenden Betrachters aus ein stimmiges Bild entstand. In der aktuellen Kunst hat sich die Anamorphose in den Raum verlagert. Der Künstler Georges Rousse lässt in seinen Arbeiten im Raum die Grenzen zwischen Malerei, Fotografie und Raum verschwimmen. Was in der fotografischen Abbildung und vom genau begrenzten Betrachtungsstandpunkt aus als ebenes Bild wahrgenommen wird, erstreckt sich bei Veränderung des Standpunktes dreidimensional im Raum. Rousse setzt seine Arbeiten temporär in realen Räumen um. Oftmals handelt es sich um aufgegebene, verfallende und leer stehende Orte mit vormals industrieller oder militärischer Nutzung. Die Kunstwerke haben nur in der fotografischen Dokumentation Bestand. Die handwerklich aufwendige und analoge Installation steht in enger Beziehung zum Licht und zu den örtlichen Gegebenheiten und setzt einen präzise kalkulierten Bildaufbau voraus. Das aus der Kameraposition wahrgenommene flächige Ganze, welches als klares geometrisches Bild erkennbar ist, verbirgt in der Tiefe des Raumes eine räumlich gestaffelte, teils verzerrte Malerei. Raum und zweidimensionales Bild gehen ineinander über. Durch die Abweichung von Wahrnehmung und Vorstellung, Einbildung und Wahrheit werden Realität und Wirklichkeit hinterfragt; die Rolle der Fotografie als Medium der genauen Abbildung wird infrage gestellt. Die Bilder im Raum werden zunächst auf Skizzen konstruiert, die Rousse dann auf die Mattscheibe seiner Großformatkamera überträgt. Dieses Bild ist Grundlage für die Umsetzung im Raum; die Anordnung von Begrenzungslinien und Farbflächen wird ständig über die Kamera kontrolliert, während der Entwurf in kleinen Schritten in die Einzelelemente im Raum übersetzt wird. Nur von einem Standpunkt aus fügen sich die scheinbar willkürlich im Raum platzierten Farbflächen zum Gesamtbild. Sie scheinen wie auf einer Folie im Raum zu schweben.13

13 Rousse 2010, S. 95–100. ANAMORPHOSE

209

In der ehemaligen Bunkeranlage „Le Magasin aux Vivres“ in Metz vermittelt der Künstler den Anschein einer frei im Raum schwebenden flachen Bildebene, indem er vorgefundene Raumbegrenzungsflächen und tragende Bauteile bemalte, ganz ohne zusätzliche Projektionen, Veränderungen oder Einbauten im Raum. Die Auswahl der Farben wurde in Skizzen getestet und vor Ort finalisiert. Die Farbtöne sind so miteinander ausbalanciert, dass kein Farbton dominiert und nie zwei gleiche Farbfelder nebeneinanderstehen. Die Eigenschaft der Anamorphose, mit der Bewegung im Raum erlebbar zu werden, um sich gleichzeitig wieder aufzulösen, nutzte der Architekt Dominique Coulon im Altenpflegeheim Orbec (Frankreich), um die Gemeinschaftsflächen zu gestalten. Die Erschließungsflure sollen interessante Spazierwege und Aufenthaltsräume für die pflegebedürftigen Bewohner bilden. Die Farbe zeichnet vorhandene Nischen nach, akzentuiert Volumen, bildet Räume oder dekonstruiert sie an anderer Stelle. Nähert man sich einem der größeren Räume, so scheint eine geometrische Form im Raum zu hängen, die sich in Folge in raumgliedernd eingesetzte Farbflächen auflöst. Das Raumerlebnis variiert mit dem Durchschreiten des Raums.14 210

14 Magrou 216, S. 128.

Georges Rousse, „Le Magasin aux Vivres“, Fotografie einer temporären Installation in einer ehemaligen Bunkeranlage, Metz, Frankreich, 1994 ANAMORPHOSE

211

Malka Architecture, Adyax HQ, Büroräume, Paris, Frankreich, 2015 212

Durch das Bedürfnis des Betrachters, die visuelle Irritation zu ergründen, wirken Anamorphosen fokussierend und ziehen die Aufmerksamkeit stark auf sich. Der Architekt Stéphane Malka schuf in einem Loftbüro mit offenem Grundriss durch eine zentral platzierte Anamorphose einen Ruheund Fokuspunkt. Er nutzte dabei die in den Räumlichkeiten vorhandenen strukturellen Elemente und verwandelte diese durch Farbe, um mit einem geringen Budget Zonen für flexible Nutzungen zu definieren und die auf Transformation basierende Firmenphilosophie des Nutzers aus der Internet- und Netzwerkbranche abzubilden. Aus der zentralen Perspektive betrachtet, steht eine Reihe von goldgelben Würfelrahmen hintereinander, zwischen denen das Licht aus Oberlichtern einfällt. Flächen in zwei Gelbtönen, die präzise auf den meerblauen Boden, die Decke und eine vorhandene Stützenreihe aufgebracht wurden, schaffen diese Illusion im Raum, welche die Grenze zwischen Realität und malerischer Abstraktion verwischt. Durch die auffällige Inszenierung blendet das Auge die angrenzenden Arbeitszonen aus. Im Eingangsbereich des von VOX Architects gestalteten Büros der Firma Optimedia in Moskau entstand eine auffällige Inszenierung mit hohem Widererkennungswert: Ein leuchtendblaues, scheinbar schwebendes Quadrat legt sich beim Betreten der Räume wie eine transparente Folie über Bauteile und Einrichtungsgegenstände. Bewegt sich der Besucher weiter auf die Fläche zu, zerfällt sie in ihre Einzelteile, die alle sichtbaren Oberflächen überziehen. Die Grafik wurde mit dem Airbrush-Verfahren auf Möbel aus Corian, den Fußboden aus PVC, den Gipsputz der Wände und die Leitungen der technischen Installationen präzise aufgebracht. Graft Architekten inszenieren in der Installation „Unbuilding Walls“, im Rahmen der Architekturbiennale, in Venedig 2018 das Thema der Mauer, welche sich bei Wechsel des Betrachterstandpunktes in einzelne Scheiben auflöst. Beim Betreten des Pavillons zeigt sich dem Betrachter eine geschlossene schwarze Wandfläche, die bei Annäherung in einzelne im Raum verteilte Ausstellungstafeln zerfällt. Die Gegenseite wird zur Ausstellungsfläche für Projekte, die auf dem ehemaligen innerdeutschen Grenzstreifen entstanden sind. ANAMORPHOSE

213

Dominique Coulon & associés, Altenpflegeheim, Orbec, Frankreich, 2015 214

Decke und Wand: Farbe Weiß RAL 9003, Farbe Rot LC.32.090 – kt.color, Bodenbelag: Linoleum, hellgrau, marmoriert, Typ Forbo Marmoleum Fresco – 3860 silver shadow ANAMORPHOSE

215

VOX Architects, Optimedia, Büroräume, Moskau, Russland, 2017 216

GRAFT, „Unbuilding Walls“, Ausstellung im Deutschen Pavillon im Rahmen der Architekturbiennale, Venedig, Italien, 2018 ANAMORPHOSE

217

218

Boa Mistura, „Poesía“ aus Kunstprojekt „Luz nas Vielas“, Vila Brasilândia, São Paulo, Brasilien, 2017

15 Dekel 2008. ANAMORPHOSE

Die Potenziale der Anamorphose funktionieren im Innenraum genauso wie – in großen Maßstab übertragen – im Stadtraum. Die Mitglieder des Künstlerkollektivs Boa Mistura nutzen dieses Stilmittel in ihrer StreetArt, um die Aufmerksamkeit auf sozial benachteiligte Viertel und Slums zu lenken. In enger Zusammenarbeit mit den Bewohnern werden Farben und Worte ausgewählt, die dann gemeinsam über ganze Straßenzüge hinweg umgesetzt werden. Die Farbe zieht sich homogenisierend über alle Oberflächen, schlecht befestigte Wege und Gassen. Improvisierte Bauten und Strukturen werden unter Mithilfe der Gruppe angemalt. Mit ihrer Leuchtkraft und positiven Wortbotschaften wie „Frieden“, „Licht“ oder „Poesie“ (um nur einige zu nennen) schaffen die Kollektive identitätsstiftende Orte. Auch hier ist die Botschaft nur von einem bestimmten Standpunkt aus lesbar und verschwimmt bei der Bewegung durch das Bild zu einem grafisch abstrakten Muster. In ähnlichen Dimensionen, aber mit einem formal ästhetischen Anspruch arbeitet der Künstler Felice Varini. Auch er nutzt vorhandene Architekturen und öffentliche Räume als Hintergrund. Seine größten Projekte beziehen ganze Bergdörfer oder Festungsanlagen ein. Von einem festgelegten Aussichtspunkt aus erscheint eine geometrische Form, zum Beispiel zwei leuchtendrote Kreise über den Fassaden von Salon-de-Provence bei Marseille/Frankreich. Durchwandert man Landschaft oder Ort, so zeigen sich Fragmente, die ohne den großen Zusammenhang scheinbar keinen Sinn ergeben. Der Künstler schätzt an der Arbeit mit der Landschaft, dass sie die geometrische Form bis zur Unkenntlichkeit beeinflusst: „Wenn man einen Kreis auf eine ebene Leinwand zeichnet, wird der Kreis immer gleich aussehen. Der gezeichnete Kreis behält die Ebenheit der Leinwand bei. Diese Arbeitsmethode empfinde ich als sehr einschränkend, deshalb projiziere ich einen Kreis in Räume hinein, auf Wände oder Bergflanken. Das verändert die Form des Kreises auf natürliche Weise, denn die ‘Leinwand’ ist nicht eben. Eine Bergflanke hat Krümmungen, die den Kreis beeinflussen und dessen Geometrie verändern. Aus diesem Grund brauche ich in meinen Gemälden auch keine komplizierten Formen abzubilden, sondern kann einfach die Schlichtheit der Form nutzen: Die Wirklichkeit der Außenräume verzerrt diese Form ohnehin und erschafft eigene Variationen.15 219

Ólafur Elíasson, Your atmospheric colour atlas, 2009, 21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa, Japan, 2009 220

Diffusität, Farbreflexion und Farblicht 221

Phänomene der Farberscheinung Die Farberscheinung einer Oberfläche wird durch die Farbigkeit ihrer Mikrostruktur definiert, entsprechend dem Farbeindruck eines Gemäldes, welches durch Pinselstriche oder Pixel bestimmt wird (siehe S. 6–35), oder der Farbigkeit eines Textils, welches aus den Einzelfäden im Zusammenspiel mit der Webtechnik gebildet wird. Das Auge ist nicht in der Lage, sehr schnell aufeinander folgende oder zu nah nebeneinanderliegende Lichtreize getrennt voneinander wahrzunehmen; im Grenzbereich entsteht ein visuelles Flirren. Ob Mikrostrukturen zu einer Fläche verschmelzen oder separat wahrgenommen werden können, wird durch ihre tatsächliche Größe in Bezug auf den Betrachtungsabstand definiert. Die Maßstäblichkeit bestimmt hierbei den visuellen Eindruck. So kann sich das Aussehen einer Oberfläche mit sich vergrößernder Distanz radikal ändern – Strukturen verschwimmen und Farben mischen sich zu neuen Tönen. Dieses Phänomen wird auch im Vierfarbdruck genutzt, wo mikroskopisch kleine Rasterpunkte in Blau, Magenta, Gelb und Schwarz gedruckt werden, die je nach ihrer Anordnung und Dichte als unterschiedliche Farbtöne wahrgenommen werden. Als Regel gilt: Je feiner das Raster, umso differenzierter die Farbwiedergabe.1 Zusätzlich kommen die von Eugène Chevreul erforschten Phänomene der verstärkenden oder vergrauenden Wirkung einzelner Farbtöne aufeinander zum Tragen (siehe S. 90–91). Farbverläufe und Farbmischungen Den Effekt der Farbmischung durch kleine, pixelhafte Einheiten nutzen die Architekten von blauraum an der Fassade der Stadtteilschule Bergedorf in Hamburg. Fliesen in vier fein abgestimmten Grün- und Blautönen erzeugen im Gehirn das Bild eines stufenlosen Farbverlaufs. Bei entsprechender Lichtsituation entmaterialisiert sich das Gebäudevolumen durch die Angleichung an die Farbe des Himmels. Auch das Verweben vieler divergenter Farbtöne erzeugt bei entsprechender Dimensionierung der Einzelelemente einen zunehmend homogeneren, beinahe zarten Farbeindruck. In der Immanuel-Kirche in Köln haben die Architekten von Sauerbruch Hutton hinter dem Altar eine leicht flirrende, farbige Wand geschaffen. Deren Einzelelemente wirken bei näherer Betrachtung wie die Fäden eines Textils und bestehen aus kontrastreichen Farben. Die 10,60 Meter hohe, für die Töne der dahinter befindlichen Orgel durchlässige Wandfläche wurde aus leicht konisch ausgeformten Holzlamellen gebildet, die in 18 sich leicht verzahnenden und überschneidenden Reihen angeordnet sind. 26 Farbtöne aus dem Blau-, Grün- und Braunspektrum werden durch einzelne hellrote Akzente mit verschiedenen Sättigungsgraden ergänzt. Durch die Anordnung der Farben bildet sich ein Helligkeitsverlauf nach oben, das aus dem darüber platzierten Oberlicht einfallende Licht verstärkt diesen Eindruck beziehungsweise wird bei Dunkelheit durch verdeckt angeordnetes Kunstlicht nachgeahmt. Trotz ihrer Polychromie formen die Einzelelemente aus der 222

1 2

Zwimpfer 2012, S. 262. Tietz 2016.

Emmanuelle Moureaux, 100 colors no. 18, Forest of Numbers, NACT 10th anniversary, The National Art Center, Tokyo, Japan, 2017

Farbverlauf aus 60 000 in einem regelmäßigen Raster angeordneten Zahlen in 100 Farbtönen.

Betrachtungsdistanz vom Kirchenschiff aus ein unbuntes Gesamtbild, das sich in den ruhigen, durch weiß gewachste Holzoberflächen mit sichtbarer Maserung aus finnischer Birke geprägten Innenraum einfügt.2 Hier zeigt sich, dass sich die Beobachtungen von Chevreul auch in einen größeren Maßstab übertragen lassen. Werden der Kontrast zwischen den Farben der Elemente oder die Maßstäblichkeit größer gewählt, bleiben die Einzelfarben sichtbar. So zonieren eingefärbte Parkettdielen aus Eschenholz in der Übergröße von 20 mal 60 Zentimetern ein von Tham & Videgård Arkitekter gestaltetes Appartement in Stockholm. Durch den einheitliche Boden und das Ineinandergreifen der Farben verbinden sich die Räume zu einer Einheit. Farbgruppen schaffen neue räumliche Zusammenhänge und fassen ähnliche Nutzungen zusammen. Der Übergang zur nächsten Zone zeigt sich durch die Verzahnung mit einer kontrastierenden Farbe. FARBVERLÄUFE UND FARBMISCHUNGEN

223

Sauerbruch Hutton, Altarwand, Immanuel-Kirche, Köln, 2013 Holzleisten in 26 verschiedenen gedeckten Farben, ergänzt durch einzelne hellrote Akzente. 224

blauraum, Stadtteilschule Bergedorf, Hamburg, 2015 FARBVERLÄUFE UND FARBMISCHUNGEN

Fliesen in vier Farben auf Wärmedämmverbundsystem: NCS S 2050-G60Y, NCS S 2030-G40Y, NCS S 2030-B40G, NCS S 2030-B10G 225

Tham & Videgård Arkitekter, Humlegården Apartment, Stockholm, Schweden, 2008 Gefärbtes Holzparkett, mit transparentem Lack versiegelt. 226

FARBVERLÄUFE UND FARBMISCHUNGEN

227

Andreas von Ow, Bob’s Service, Backsteine einer Tankstelle in Wuppertal – Vielfarbigkeit aus einem Farbton durch Schichtung, Acrylbinder auf der Rückwand des Gebäudes, ca. 2,50 × 11 m, Wuppertal, 2013

UNStudio, La Defense Offices, Fassade mit dichroitischen Folien in der Verglasung, Almere, Niederlande, 2004 Interferenzfarben entstehen durch Reflexion von Licht an dünnen, transparenten Schichten innerhalb eines Materials. Wird das Licht sowohl an der Ober- als auch an der Unterseite der Schicht reflektiert, so überlagern sich die zurückgeworfenen Lichtwellen und können sich je nach Wellenlänge gegenseitig verstärken oder aufheben. Die Wellenlänge des zurückgeworfenen Lichts hängt außerdem von der Schichtdicke ab, sodass unterschiedliche Teile des Lichtspektrums absorbiert oder zurückgeworfen werden. Charakteristisch für Interferenzfarben sind ihre überaus hohe Leuchtkraft und das Schillern in Abhängigkeit vom Blickwinkel. Dieses entsteht, weil der Lichtweg innerhalb des transparenten Materials bei schrägem Lichteinfall länger wird und sich so die zurückgeworfene Wellenlänge ändert.3 228

Schema einer dichroitischen Folie: Reflexion von Einzelfarben

Farbschichtungen und Interferenzen

3 4 5 6

Welsch 2012, S. 302 f. Schlereth 2016, S. 1. Schlereth 2012. Schlereth 2012.

Durch die Tiefenstaffelungen, die mehrfach aufgetragene Farbschichten im Raum erzeugen, wird die Raumtiefe überhöht oder scheinbar reduziert. Gleichzeitig entstehen je nach Sättigung diffuse oder komprimierte Farberscheinungen, die Enge, Auflösung, Körperhaftigkeit oder Dichte suggerieren. Bei der Schichtung im Farbauftrag ergeben sich, genauso wie bei der Schichtung von Materialien, in Abhängigkeit von Transparenz, Abstand der Schichten und Materialität unterschiedliche Wirkeffekte. Perforierte, feinmaschige oder transluzente Materialien legen einen Farbschleier über das Dahinterliegende; mit zunehmender Dichte verwischen die Konturen, Kanten und Grenzen. Farben mischen sich, optische Interferenzen kommen zum Vorschein. Der Künstler Andreas von Ow erzeugt in seinen Werken durch Schichtung des Farbauftrags eine Vielfarbigkeit aus nur einem Farbton. Er stellt die Farben für seine Bilder selbst her und greift dabei nicht auf althergebrachte Rezepte zurück, sondern experimentiert mit Pigment, das er aus Fundstücken, Staub oder Früchten herstellt und mit Bindemittel vermischt. Häufig, wie zum Beispiel beim Projekt „Bob’s Service“ in Wuppertal, stammt das Grundmaterial direkt vom Ort der Ausführung; in diesem Fall war es aus den Wänden gewonnener Ziegelstaub. Die so erhaltene Farbe trägt von Ow Schicht um Schicht auf; sie wird immer satter und dichter, nur an den Rändern lassen sich durch das unpräzise Auslaufen der einzelnen Schichten der Prozess und die Entstehung der Farbtiefe erkennen. In der Mitte des Bildes befindet sich der Bereich mit der stärksten Sättigung; die Farbe erhält hier eine fast räumliche Tiefe.4 „Mittels Schichtung wird jedes Bild zu einer Reaktionsfläche der Farbe mit sich selbst.“5 Im Fall von „Bob’s Service“ stellt der Künstler drei Farbfelder mit unterschiedlicher Schichtanzahl nebeneinander, die trotz Verwendung derselben Farbe in drei unterschiedlichen Farbtönen leuchten. Durch die Erhöhung der Schichtanzahl entstehen völlig neue Farbtöne wie ein Rot im Blau. „In beiden Fällen, der Sättigung wie der Interferenz, beginnt die Farbe sich zu vervielfältigen, so scheinbar einfach das Prinzip, so vielfältig und komplex die Sichtbarkeit, die ihm korrespondiert.“6 Eine ebenfalls auf dem Prinzip der Interferenz beruhende, bis zur völligen Diffusität aufgelöste Farbigkeit setzten die Architekten von UNStudio in den Innenhöfen des Bürokomplexes La Defense Offices im niederländischen Almere ein. Die Fassaden zum Hof hin sind von ausgeprägter Buntheit, allerdings sind die Farben nicht greifbar – sie verändern sich in Abhängigkeit von Licht, Umgebungsfarbe und Blickwinkel ständig in einem kaleidoskopartigen Spiel. Dieser Effekt entsteht durch dichroitische Folien im Scheibenzwischenraum. Diese sind aus bis zu 200 optischen Interferenzschichten aufgebaut, wobei jede dieser Schichten für eine bestimmte Wellenlänge des sichtbaren Spektrums durchlässig ist und andere reflektiert. Mit dem Wechsel des Blickwinkels oder des Umgebungslichts werden jeweils andere Reflexionen sichtbar. Gleichzeitig ist das Gesamtsystem durchlässig für das Tageslicht, sodass die Räume im

FARBSCHICHTUNGEN UND INTERFERENZEN

229

Inneren neutral belichtet werden. Die Filterschichten sind so dimensioniert, dass UV-Licht reflektiert und der Wärmeeintrag durch Sonnenlicht verringert wird.7 Bewusst wird hier das funktionale, auf die Büronutzung zugeschnittene Innere mit einer nicht statisch wirkenden Erscheinung der Fassade kontrastiert, die das optische Referenzsystem des Betrachters mit ihrer ständig wechselnden Farbigkeit herausfordert. Schichtung und Transparenzen Bei einem höheren Transparenzgrad der Schichten entsteht aus der Überlagerung von Farbflächen eine direkte Mischung. Die sichtbare Schichtung erzeugt einen Eindruck von räumlicher Tiefe. In einer Serie von Epoxidharzbildern und Rauminstallationen arbeitete der Künstler Peter Zimmermann mit den Effekten der Überlagerung von mit Pigment eingefärbtem Epoxidharz. Unter dem Titel „Schule von Freiburg“ schuf er 2016 im Museum für Neue Kunst in Freiburg eine farbige Rauminstallation, die sich über die Bodenfläche mehrerer Räume zieht. Sieben Schichten farbigen Lacks fließen wie Farbpfützen durch die Räume und füllen diese komplett aus. Die Konturen der organischen Flächen sind klar begrenzt, das Farbspektrum wechselt von Raum zu Raum, und doch entsteht ein Eindruck großer Unbestimmtheit. Die spiegelnden Oberflächen verleihen dem Fußboden eine nicht vorhandene Tiefe; die durchsichtigen Farbschichten mischen sich, und durch Reflexionen greift die Farbe auf die umgebenden Raumflächen sowie die Betrachter über und taucht diese in ihre Farbigkeit. Die präzisen Kanten erscheinen plötzlich unscharf. Auch räumlich gestaffelt lassen sich mit transparenten Farbflächen Farbmischungen erzeugen. Mit laminierten Glasscheiben in den drei Primärfarben Rot, Blau und Gelb erzeugten die Architekten von People’s Architecture Office durch Schichtung einen Farbverlauf über das komplette Farbspektrum. Die großflächigen farbigen Scheiben wurden in den Erschließungszonen der Büroräume eines chinesischen Konditoreiunternehmens quer zur Laufrichtung eingesetzt. Hintereinander angeordnet, verändern sie das Bild des Korridors wie über eine Bildfläche gelegte Farbfolien. Alle anderen Oberflächen sind in Weiß und Grau gehalten und dienen als Hintergrund für die Mischung der Farben. Kommt das durch ein Oberlicht einfallende Sonnenlicht hinzu, so breiten sich die Farben über Reflexionen weiter im Raum aus. Fällt der Blick zum Beispiel durch eine hinterleuchtete gelochte oder mit einem Raster bedruckte Fläche, so legt diese sich wie eine Folie, welche die Konturen verwischt, vor den Hintergrund. Es entsteht zwar eine Farbmischung zwischen den beiden Ebenen, sie hat jedoch nicht die Leuchtkraft der direkten Mischung. Die Architekten Kersten Geers und David Van Severen installierten in einem Saal der Universität Gent einen möbelartigen Einbau, der sich mit einer Fläche aus beweglichen, mit kräftigem Türkis beschichteten Lochblechelementen verschließen lässt. Diese Haut erzeugt einen homogenen Raum, der seine Zweitnutzung als Bibliothek hinter einem Farbschleier verbergen kann. Einzelheiten und 230

7 Baunetzwissen.

Die Überlagerung durchlässiger, farbiger Schichten führt zu Farbmischungen, Verdichtungen und dem Eindruck räumlicher Tiefe.

OFFICE Kersten Geers David Van Severen, Universitätsbibliothek Gent, Belgien, 2014 SCHICHTUNG UND TRANSPARENZEN

231

Schema der Schichtung im Museum Brandhorst a Rohbau b Unterkonstruktion c Gefaltetes Blech d Keramikstäbe

ab

cd

a

c

b

d

Sauerbruch Hutton, Fassade, Museum Brandhorst, München, 2009 232

36 000 Keramikstäbe aus vier unterschiedlichen Tonscherbenfarben mit 23 verschiedenen transluzenten Glasuren.

8 9

Siehe S. 111–125. Sauerbruch 2016, S. 76 f.

störende Elemente geraten in den Hintergrund, ohne die implantierte Nutzung zu verbergen. So entstand eine Raumsituation, die abwechselnd die Nutzung für Veranstaltungen und konzentrierte Arbeit erlaubt. Eine eigene Materialstärke in der semitransparenten vordersten Schicht erzeugt im Zusammenspiel mit der Bewegung des Betrachters, den Geometrien und dem nur teilweisen Durchscheinen von Schichten ein lebendiges Spiel. Kanten und Körper lösen sich auf, verändern sich ständig mit Licht, Schatten, Betrachtungswinkel und Distanz. Das Aussehen ist nicht mehr klar beschreibbar, sondern wird diffus. Die im Abschnitt über die Reliefarbeiten beschriebenen Phänomene8 lassen sich bei Anpassung der Maßstäblichkeit auf Architekturen übertragen. Wichtige Parameter hierbei sind die Maßstäblichkeit, die Anzahl der Elemente, die Relieftiefe und die Farbanordnung. Die Anmutung variiert je nach Abstand und Blickwinkel der Betrachters zur Fläche. Ein Beispiel hierfür ist die Fassade des von dem Büro Sauerbruch Hutton geplanten Museum Brandhorst. Hier ergänzen sich die Farben einer zweischichtigen Mikrostruktur gegenseitig, sodass eine stärkere Farbigkeit entsteht, oder sie heben sich bis zur Vergrauung auf. Alle Baukörper sind mit der gleichen Fassade in Form einer feinen Textur versehen, die aus 3 600 schlanken, vertikal angeordneten Keramikstäben mit den Abmessungen 110 mal 4 mal 4 Zentimeter gebildet wurde. Die Stäbe wurden aus vier verschiedenfarbigen Tonarten gebrannt und mit einer transparenten Glasur in 23 unterschiedlichen Farbtönen überzogen. Aus den daraus möglichen Kombinationen ergibt sich ein sehr breites Spektrum von fein nuancierten Farbtönen. Die Baukörper wurden nach den drei Farbgruppen hell, mittel und dunkel differenziert. Innerhalb der Farbgruppen wurden die Farben gezielt unregelmäßig verteilt, um wiederkehrende Muster zu vermeiden. Ergänzt wird das Bild durch eine dahinterliegende Schicht aus fein gelochten, horizontal geknickten und mit Farbbändern betonten Blechen, die den reflektierten Schall im Straßenraum mindern. Bedingt durch die Abstände zwischen den Stäben, dominieren in der frontalen Draufsicht die horizontalen Bänder der Bleche, in der Schrägsicht kommt die feine vertikale Textur der vorn liegenden Stäbe zum Ausdruck. Durch die flirrende Farbigkeit haben Auge und Kameralinse keine Fixpunkte zur Fokussierung, die Baumasse beginnt zu vibrieren und sich zu den Rändern hin scheinbar aufzulösen. Die diffuse Farbigkeit ist aus der Nähe betrachtet kräftig, verblasst aber in ihrer Wahrnehmung bei zunehmender Betrachtungsdistanz. Die Rot- und Grüntöne des Kopfbaus verschmelzen aus größerer Entfernung zu einem Grauton; andere Flächen nähern sich an die in der Umgebung dominierenden Ockertöne an. Da sich die dreidimensional verwobene Wirkung der Farben in Zeichnungen nicht simulieren lässt, wurden die Farbzusammenstellung und -auswahl mithilfe eines großformatigen Modells im Maßstab 1:70 geplant und anhand von zahlreichen 1:1-Mustern vor Ort überprüft. Trotzdem ermöglichen diese Entwurfswerkzeuge nur eine Annäherung, da sich die tatsächliche Wirkung erst vor Ort im Zusammenspiel der Gesamtfläche entfalten kann.9

SCHICHTUNG UND TRANSPARENZEN

233

Peter Zimmermann, Schule von Freiburg, Museum für Neue Kunst, Freiburg, 2016, mit Pigment eingefärbtes Epoxidharz in sieben Schichten 234

SCHICHTUNG UND TRANSPARENZEN

235

People‘s Architecture Office, 21 Cake Headquarters, Beijing, China, 2012 Glasscheiben in den Grundfarben Rot, Gelb und Blau ergeben durch ihre Schichtung entlang der Hauptwege ein breites Farbspektrum beim Durchqueren der Räume. 236

SCHICHTUNG UND TRANSPARENZEN

237

Licht ist demnach Farbe, und Schatten ist die Abwesenheit derselben.10 William Turner

Interaktion zwischen Farbe und Licht Die plastische Wahrnehmung von Raum erfordert Kontraste, welche durch Helligkeitsunterschiede zwischen Licht und Schatten entstehen. Farbe und Material texturieren oder glätten Flächen. Durch den Unterschied von Helligkeit und Dunkelheit, Reflexion und Stumpfheit lassen sich räumliche Schwerpunkte definieren. Ein natürlich belichteter Raum wandelt sich permanent, da die spektrale Zusammensetzung des Tageslichts natürlichen Schwankungen im Verlauf des Tages, durch die Wetterlage und die Jahreszeiten unterliegt. Rottöne wandeln sich bei nachlassender Lichtstärke zu Braun, Gelbtöne zu Olivgrün. Künstliches Licht dagegen erlaubt bei Ausgrenzung des Tageslichts einen genau steuerbaren, schaltbaren Effekt. Bei der Reflexion wirken Farbton, Farbintensität und Oberfläche eng zusammen. Farb-Licht-Reflexionen bringen Farbe auf Flächen, die an sich nicht farbig sind. Handelt es sich um eine direkte Abbildung auf einer spiegelnden Oberfläche oder einen Farbschatten auf einer matten Wand? Auf glatten bis spiegelnden Oberflächen zeigen sich die Reflexionen bis hin zu Mehrfachreflexionen, über die sich Licht und Farbe weit über ihre Quelle hinaus in den Raum ausbreiten. Durch matte, absorbierende Flächen werden sie geschwächt oder sogar unterbunden. Direkt auftreffendes Licht akzentuiert Raumteile; wird es gelenkt, gestreut oder reflektiert, kann es einen Raum komplett füllen, definierte Bereiche abtrennen oder als diffuses Licht mit konstanter Helligkeit zur Auflösung der Raumkanten führen. In der bildenden Kunst findet die Auseinandersetzung von Künstlern mit Farblicht als raumbildendem oder den Raum auflösendem Material in seiner reinen Form Anwendung, um die Zusammenhänge der optischen Gestaltung und der visuellen Wahrnehmung zu erforschen und so die Grenzen des Möglichen auszuloten. Dem Besucher bieten solche Räume ein von den multiplen Reizen der städtischen Umwelt abgeschirmtes, rein auf die visuelle Wahrnehmung fokussiertes Erleben. Farblicht kann dabei unter entsprechenden Rahmenbedingungen als formbare Substanz wirken – ähnlich einem Material, das nahezu taktil greifbar ist und körperlich erlebt werden kann.11 238

10 Gage 1969, S. 206. 11 Böhme 1997, S. 27 f.

Erin O’Keefe, Silver Paper, gefaltetes Papier, Fotografie, 2012 INTERAKTION ZWISCHEN FARBE UND LICHT

239

a

b

a Spiegelung b Absorption c Teilweise Reflexion d Reflexion auf unebener Oberfläche

c

d

Als Purkinje-Effekt, benannt nach dem Physiologen Johann Evangelist Purkinje (1787–1869), wird das Phänomen bezeichnet, dass sich die Farben bei nachlassendem Licht verändern. Dieser Effekt entsteht dadurch, dass sich im menschlichen Auge für das Tag- und Nachtsehen unterschiedliche Sehzellen befinden. Bei Tageslicht werden vorrangig die Zapfen aktiviert, die auch zum Farbsehen dienen, bei Dunkelheit hingegen die Stäbchen, die auch sehr schwache Lichtreize zu einem Signal verarbeiten können. Letztere erlauben ein monochromatisches Hell-Dunkel-Sehen, da sie nur auf Licht aus einem bestimmten Wellenlängenbereich reagieren.12

Physikalische Grundlagen Für das Entwerfen mit Farblicht ist die Kenntnis einiger physikalischer Grundlagen erforderlich, die hier kurz dargestellt werden sollen. Licht ist der sichtbare Teil des elektromagnetischen Wellenspektrums. Um Lichtphänomene in der Interaktion mit Körpern und Oberflächen beschreiben zu können, hat die Strahlenoptik das vereinfachte Modell der geradlinigen Ausbreitung durch Lichtstrahlen etabliert. Richtungsänderungen entstehen durch Reflexion, Brechung oder Streuung beim Auftreffen auf eine Oberfläche. Von spiegelnden Oberflächen wird der größte Anteil des Lichts zurückgeworfen, wobei der Ausfallwinkel gleich dem Einfallwinkel ist. Matte Oberflächen streuen das Licht in Abhängigkeit von der Körnung der Oberfläche. Strukturierte Flächen erscheinen durch die Schattenwirkung dunkler. Zusätzlich reflektieren helle Oberflächen mehr Licht als dunkle, da Letztere einen Teil der Lichtstrahlen absorbieren, welcher in langwelligere Wärmeenergie umgewandelt wird. Deutlich spürbar wird dieser Vorgang bei der schnelleren und stärkeren Aufheizung von dunklen Flächen durch Sonneneinstrahlung.13 Auch analoge Filmmedien aus der Fotografie bilden Farbveränderungen mittels Licht ab, soweit der Fotograf diese nicht bewusst steuert, während digitale Kameras über den sogenannten Weißabgleich auch in der Abbildung eine Annäherung an die Materialfarbe bei neutralem Licht erstellen können. Die Mischung von farbigem Licht oder die Interaktion von Farblicht mit farbigen Flächen folgt den Regeln der additiven Farb­ mischung. Hier wird der Betrachter, dessen persönlicher, praktischer Erfahrungsschatz meist auf der Mischung von Pigmenten wie etwa im Malkasten beruht, durch die scheinbar unerwarteten Farbtöne überrascht. So ergibt zum Beispiel die Überlagerung von grünem und rotem Licht ein gelbes Farblicht.14 240

PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN

Spiegelung

12 13 14

Welsch 2012, S. 229. Zwimpfer 2012, S. 51–66. Zwimpfer 2012, S. 74–79.

SPIEGELUNG

Die direkte Reflexion von Farbe und Licht bei spiegelnden Flächen führt zu einer gezielten Veränderung der wahrgenommenen Raumdimensionen, da durch die Verzerrung von Proportionen eine Verlängerung der Raumkanten und eine Verschiebung von Begrenzungsflächen stattfinden. Bewegt sich der Betrachter durch den Raum, so bilden sich ständig neue Formen der Perspektive aus; Realität und Wahrnehmung vermischen sich. Zusammen mit der Vervielfältigung aus der Spiegelung wird der Raum als Bild neu aufgebaut. Mit diesem komplexen räumlichen Spiel zwischen Illusion und Wirklichkeit arbeitete der Künstler Daniel Buren in seiner Ausstellung Allegro Vivace in den Räumen der Kunsthalle Baden-Baden. Für die Installation „Acht Farben und ihr Spiegelbild für vier Räume“ unterteilte er einen großen Raum durch ein mit Spiegeln belegtes, mittig angeordnetes Kreuz aus Wandscheiben und besetzte die vorhandenen Raumbegrenzungsflächen mit kräftigen Farben. Die wirklichen und gespiegelten Farbflächen und Wandkanten standen gleichberechtigt nebeneinander. Bei der Bewegung durch den Raum setzten sich immer neue Kombinationen von Farben zu ständig wechselnden Bildern und Raumfragmenten zusammen. Gespiegelte Raumkanten erweiterten den Raum. Nach der Ausstellung blieben von der Arbeit lediglich die Fotos als „Souvenir“. Ein solches Zusammenwirken von Farbe, Nichtfarbe und Spiegelung, das ein abstraktes Raumbild aufbaut, nutzten auch die Innenarchitekten von i29 beim Messestand für die niederländische Zeitschrift Eigen Huis & Interieur. Die raumbildenden Wandscheiben und Bodenflächen waren auf der einen Hälfte mit kräftigen Farben belegt, auf der anderen mattweiß. Ergänzt wurden diese Elemente durch spiegelnde Körper, deren Inneres die eigentlichen Ausstellungsstücke und Funktionen beherbergte. Die Spiegelung beeinflusste die Raumkanten, manipulierte die Perspektive und erzeugte neue Körper im Raum. Rechtwinklige Farbflächen splitteten sich in dynamische Formen auf und „besiedelten“ durch Reflexion und Spiegelung den „farblosen“ Teil des Messestandes. Die Täuschung der räumlichen Wahrnehmung bot dem Besucher bei jedem Schritt neue Perspektiven und bildete gleichzeitig durch seine Abstraktion einen Ort der visuellen Ruhe in der Produktfülle der Messehallen. 241

Daniel Buren, Acht Farben und ihr Spiegelbild für vier Räume, Arbeit in situ, in „Allegro Vivace“, Staatliche Kunsthalle, Baden-Baden, 2011 242

Spiegelfolie und Acrylfarbe, mit Pinsel und Rolle auf Trockenbauwände aufgetragen, Farben: Caillebotte-Gelb und Banyuls-Rot

i29 interior architects, Messestand für die Zeitschrift Eigen Huis & Interieur, RAI Amsterdam, Niederlande, 2015 SPIEGELUNG

Folgeseiten: i29 interior architects, Messestand, Abstraktion des Raums durch Spiegelung 243

244

SPIEGELUNG

245

Steven Holl Architects, Chapel of St. Ignatius, Seattle, USA, 1997 246

Reflexionen ermöglichen der Farbe das „Wandern“ durch den Raum.

Reflexion Auch ohne direkte Spiegelung steigern gezielt platzierte, kräftig farbige Flächen im Zusammenspiel mit reflektierenden Flächen und dem Lichteinfall die Intensität von Farben. Reflektierte Farbe lässt weiße Flächen farbig erstrahlen oder mischt auf farbigen Flächen neue Farbtöne. Reflexionen ermöglichen der Farbe das „Wandern“ durch den Raum. Der Architekt Steven Holl setzt farbiges Licht und dessen Reflexionen als eigenständiges, den Raum konstituierendes Material ein. Mit Farblichtprojektionen schafft er Räume, die völlig losgelöst von der Umgebung sind. In der Chapel of St. Ignatius wirken Licht, Farbe und Textur zusammen. Vom Architekten als „7 bottles of light“ bezeichnete Volumen, deren Oberlichter in unterschiedliche Himmelsrichtungen ausgerichtet sind, projizieren über versteckte Farbflächen eingefärbtes Licht ins Innere des Kirchenraums. Eine weiße Raumschale wird von bewusst gesetzten rechtwinkligen Öffnungen und Schnitten durchbrochen. Dahinter verbergen sich für den Betrachter unsichtbare Wandöffnungen für den Einfall von Tageslicht und Nischen für Leuchten. REFLEXION

247

Breiten sich Farbreflexionen ungehindert aus, so kann ihre Leuchtkraft und Farbigkeit nicht mehr von einer „echten“ Farbfläche unterschieden werden.

UNStudio, The Holiday Home, ICA, Philadelphia, USA, 2006 248

REFLEXION

249

250

Farbe kommt nur auf den verdeckten Flächen und Rückseiten zur Anwendung und wird erst durch die gefärbte Reflexion von Tageslicht und zuschaltbarem Kunstlicht sichtbar. Das verwendete Farbspektrum von grellen Farben, wie fluoreszierendem Grüngelb und Orange, ergibt in Abhängigkeit vom Tageslicht projizierte Farben unterschiedlicher Sättigung und Leuchtkraft, die sich wie ein Nebel in die Wandnischen legen und über den schwarz spiegelnden Boden weiter in den Raum getragen werden. In einer Rauminstallation mit dem Namen „The Holiday Home“ kombinierte UNStudio Licht, Farbe und geknickte Flächen, die sich durch Extrusion und Torsion aus einem archetypischen Hausvolumen entwickeln. Diese Vorgehensweise erzeugte einen eindrücklichen Raum, der die gewohnte Maßstäblichkeit infrage stellte. Die räumliche Irritation wurde verstärkt durch zahlreiche Lichtquellen, die auf den facettierten Oberflächen multiple Schatten warfen und den Eindruck von großer Tiefe und Lebendigkeit weckten. Mehrfachreflexionen auf der sehr glatten, gefalteten Oberfläche füllten den Raum mit intensiver Farbigkeit, die auf alle Flächen übergriff und keinen sichtbaren, klaren Ursprung mehr hatte. Die Erkenntnisse aus dieser räumlichen Erfahrung wurden von den Architekten in größeren Projekten auf funktionale Räume angewandt, wie zum Beispiel in den stark farbigen, vertikalen Foyerräumen des Agora-Theaters in Lelystad, Niederlande.15 Farbreflexionen leiten Farbe weit in den Raum hinein; der Farbschein überträgt sich aus der Fläche heraus auf andere Bauteile und wird so auch an Stellen sichtbar, an denen keine direkte Blickverbindung zu den angelegten Farbflächen besteht. Dominique Coulon nutzte diesen Strahleffekt stark farbiger Flächen auf hochglänzenden Flächen in seinem Kulturzentrum in Isbergues, Frankreich, um die Orientierung im Gebäude zu erleichtern. Hier definiert ein gelbes Raumband die Erschließungsflächen. Es entwickelt durch Reflexion eine so starke Strahlkraft, dass seine Farbigkeit in räumlich begrenzten Situationen, wie in Fluren oder im Treppenhaus, auf alle umgebenden Flächen abfärbt und so von anderen Orten im Grundriss aus sichtbar wird.

15 ICA und Murphy. REFLEXION

Dominique Coulon et associés, Multikulturelles Zentrum, Isbergues, Frankreich, 2013 251

Marlene Oswald, Tina Spinnler, Modell, Studentische Arbeit an der h_da, Darmstadt, 2010, Gipskarton, Lack, Farbe und Kunstlicht, 60 × 60 × 60 cm

Hannah Hein, Relief, 2014, Pappe und farbige Papiere, Studentische Arbeit an der h_da, Darmstadt, 50 × 50 × 10 cm

252

Auf einem gleichmäßigen Raster angeordnete Würfel wurden auf zwei Seiten mit Farbflächen versehen. In der Schrägansicht zeigt sich von allen Seiten ein farbiges Bild – entweder durch tatsächliche Farbflächen oder, bei Drehung um 180°, durch reine Reflexion hervorgerufen.

Cekic Fatih, Rahel Yackob, Azieb Debrom, Modell, Studentische Arbeit an der h_da, Darmstadt, 2010, MDF und Farbe, 60 × 60 × 60 cm

REFLEXION

Farbräume entstehen durch die Reflexion von einer farbigen Wand auf die Umgebung. Je nach Farbton und Lichteinfall wechseln die Stärke der Reflexion und die Intensität der farbigen Atmosphäre.

253

Erin O’Keefe, Things As They Are, Fotografie, 2015 254

Otto Piene, Überdachung Foyer, Universität Konstanz, 1970, Renovierung 2005

Projektion und Farbfilter

16 Böhme 1997, S. 29. PROJEKTION UND FARBFILTER

Projiziertes, durch farbige Gläser gefiltertes Licht hat in der Baugeschichte eine lange Tradition. Das durch Buntglasfenster einfallende Licht wurde in gotischen Kathedralen bewusst als „künstlerisches Material“ eingesetzt. Die damals revolutionäre filigrane Tragstruktur der gotischen Kathedralen erlaubte erstmals den großmaßstäblichen Einsatz von Licht und Farbe als raumveränderndes Element, und zwar in Form von den Innenraum füllenden Farbschatten und Farbreflexionen. Das sorgsam inszenierte Lichtereignis schafft ein erfahrbares Bild für Transzendenz.16 Eingefärbte oder mit farbigen Folien laminierte Gläser verwandeln die Farbe des Tageslichts dauerhaft. Sie erzeugen ein lebendiges, mit den Schwankungen über den Tag variierendes Farblicht, das sich – wie in den folgenden Beispielen dargestellt wird – als Projektion auf Flächen und Gegenstände legt oder ganze Räume mit Farbe füllt. Solche Gläser haben eine Wirkungsweise, die derjenigen der historischen Buntglasfenster ähnelt. Gläser können entweder mit fugenlos flächig zusammengesetzten Folien kaschiert werden, was in der Projektion ein flirrendes Abbild ineinandergreifender Farblichtflächen ergibt, oder ähnlich der Bleiverglasung gerahmt werden. In letzterem Fall wird der Schattenwurf des Rahmens als grafisches Element Teil der Farbprojektion; die einzelnen Flächen bleiben klar begrenzt. 255

Werden die filternden Glasflächen größer oder sind sie monochrom eingefärbt, so verändert sich die Qualität des einfallenden Farblichts. Es entwickelt eine fast greifbare Materialität im Raum, die sich bis zur Wahrnehmung von Körperhaftigkeit steigern kann. Der Architekt Alejandro Muñoz Miranda verwandelte die Flure eines Kindergartens in Granada in Farbräume, die mit intensiver, durch die leichten Lichtschwankungen vibrierender Farbigkeit gefüllt sind. Dies erreichte er mithilfe von großen Fenstern, deren Gläser durch in die Scheibenzwischenräume laminierte Farbfolien zu Filtern wurden. Bei Sonnenlicht ähnelt die Farbe im Raum einem Nebel, dessen Pigmente fast greifbar sind; bei bedecktem Himmel ist der Effekt gedämpfter. Unterschiedliche Farbkompositionen auf den verschiedenen Ebenen helfen bei der Orientierung im Gebäude. Ólafur Elíasson lotet in seiner begehbaren Installation „Your rainbow panorama“ mit farbigen Gläsern die physiologischen Vorgänge des Farbsehens aus. Der Besucher betritt einen kreisförmigen, komplett verglasten Gang. Dessen Scheiben wurden durch die Schichtung von bis zu sechs farbigen Folien zwischen zwei ESG-Scheiben in 58 fein abgestimmten Nuancen aus dem kompletten Farbspektrum eingefärbt. So entsteht der Eindruck, das Innere eines Regenbogens zu betreten. Die Scheiben teilen die Stadt in Farbzonen und führen durch dieses Abweichen vom gewohnten Ausblick zu unerwarteten Veränderungen des Panoramas und zum Hinterfragen des Gesehenen. Bei schnellem Durchqueren herrscht der Eindruck des Farbwechsels vor. Konzentriert sich der Betrachter dagegen einzig auf eine Stelle oder Farbe, so bemerkt er bei längerer Betrachtung mehrere visuelle Ereignisse: Durch die roten Gläser betrachtet, verstärken sich die Kontraste, was dem Effekt ähnelt, der durch den Einsatz von roten Filtern vor der Kameralinse in der Schwarz-Weiß-­Fotografie entsteht. Die hellen Farbtöne dagegen wirken wie Weichzeichner auf das Stadtpanorama. In jeder Farbzone entsteht vor dem geschlossenen Auge ein völlig abweichendes Nachbild in der Komplementärfarbe. Bei längerem Verweilen in einem Farbbereich beginnt die Farbe am Standpunkt zu verblassen; das Gehirn blendet die Veränderung aus, während die Farbigkeit an den Rändern des Gesichtsfelds stärker wird.17

17 Crary 2005. 256

COORDINATION ASIA, The Rainbow Chapel, Shanghai, China, 2015 PROJEKTION UND FARBFILTER

257

Alejandro Muñoz Miranda, Kindergarten, El Chaparral, Albolote, Spanien, 2011 258

PROJEKTION UND FARBFILTER

259

Ólafur Elíasson, Your rainbow panorama, Kunstinstallation, ARoS Aarhus Kunstmuseum, Aarhus, Dänemark, 2011 260

PROJEKTION UND FARBFILTER

Die Wirkung der Farbe kann eine sehr konkrete Kraft entfalten. So viel Kraft, dass sie sich bei bestimmten Lichtverhältnissen zu materialisieren scheint. Einmal, als ich mich in der Kapelle befand, sah ich auf dem Boden ein Rot von einer derartigen Stofflichkeit, dass ich das Gefühl hatte, als sei die Farbe nicht die Wirkung des durch das Fenster einfallenden Lichts, sondern etwas, das einer bestimmten Substanz eignete.18 Henri Matisse 18 Matisse 1888 nach Gage 2013, S. 212. 261

Farblicht Bei durch künstliche Beleuchtung erzeugtem Farblicht können Lichtstärke, Ausbreitung und Lichtfarbe genau definiert und umgesetzt werden. Das verfügbare Farbspektrum künstlichen Lichts ist größer als das des Tageslichts und erlaubt eine Veränderung von Materialfarben bis hin zur völligen Verfremdung. Die Qualität der Farbwiedergabe von Kunstlicht wird vom Leuchtmittel bestimmt, dessen Farbtemperatur in Kelvin angegeben wird. Das als warm empfundene, rot-orange-gelbe Lichtspektrum reicht von etwa 1 500 bis 3 300 Kelvin: Ein Spektrum von 3 300 bis 5 000 Kelvin wird als neutralweißes Licht mit typischem Kunstlichtcharakter wahrgenommen, während das kalt wirkende blaue Lichtspektrum von etwa 5 000 bis 9 000 Kelvin dem Zenitlicht ähnelt. In Abhängigkeit von der Lichtfarbe kann jedem Leuchtmittel eine Farbwiedergabestufe Ra im Bereich von 1 bis 100 zugeordnet werden, wobei alle Stufen über 80 Ra als gute Farbwiedergabe gelten können.19 Nicolas Dorval-Bory Architectes nutzten den sichtbaren Farbunterschied zwischen Leuchten mit verschiedener Farbtemperatur, um ein Loftapartment zu zonieren. Der langgestreckte Wohnbereich ist in neutralem Licht gehalten. An einem Ende des Raums liegt ein Bereich, in dem alle Oberflächen und Gegenstände in einen strahlenden, warmgelben Farbnebel getaucht zu sein scheinen. Alle Wandflächen und Oberflächen des Apartments sind jedoch matt und neutralweiß (RAL 9 010) ausgebildet und dienen lediglich als Hintergrund für die Materialisierung der Lichtfarbe. Fluoreszenzlampen mit einer als neutral wahrgenommenen Farbtemperatur von 4 000 Kelvin beleuchten den Hauptraum. Schlafraum und Bad werden von Natriumdampf-Niederdrucklampen, deren Lichtfarbe mit einer Farbtemperatur von 1 800 Kelvin und einer Wellenlänge von 589 Nanometern im gelben Bereich des Spektrums angesiedelt ist, in einen strahlenden Farbraum verwandelt. Dieser Leuchtentyp ist in der Regel nur für die Beleuchtung von Bereichen gebräuchlich, bei denen die Farbwiedergabe keine Rolle spielt, wie zum Beispiel bei Fußwegen in Außenräumen. Eine frei stehende Wandscheibe, auf der die unterschiedlichen Leuchtentypen installiert sind, scheint den Farbnebel abrupt zu stoppen.

19 Meerwein 2007, S. 43. 262

Übungen zur Proportionierung des Raumes durch Farblicht, Melek Dursun (o.) und Astrid Schmidt (u.), Studentische Arbeit an der h_da, Darmstadt, 2014 FARBLICHT

Folgeseiten: Nicolas Dorval-Bory Architectes, Apartment, Levallois, Frankreich, 2013 263

264

FARBLICHT

265

In der Regel wird das Tageslicht als neutrale Lichtquelle empfunden, während Kunstlicht mit einer hohen Farbtemperatur als kaltes Licht und mit einer niedrigen Farbtemperatur als warmes Licht wahrgenommen wird. Beim Überlagern von Tageslicht mit beispielsweise kaltem Kunstlicht erscheint das sonst als neutral empfundene Tageslicht aufgrund der Farbdifferenz zwischen den Lichtquellen als rot gefärbt. In einer Lissaboner Sprachheilklinik erzeugten MMVarquitectos Farbzonen, die den flexibel durch Schiebeelemente teilbaren Grundriss gliedern. Auch hier bilden die einheitlich weißen Oberflächen den Untergrund für das Spiel mit den Farben des Lichts. Durch die natürlichen Schwankungen des Tageslichts ändert sich die Komposition über den Tagesverlauf hinweg. Farblicht und dessen Reflexionen können den Raum nicht nur einfärben, sondern auch die gesamte Raumwahrnehmung uminterpretieren. Studierende der Hochschule Darmstadt haben einen langen unterirdischen Verbindungsgang zwischen dem Alice-Hospital und den Darmstädter Kinderkliniken durch den Einsatz von farbigen Flächen und farbigem Licht neu strukturiert. Obwohl die einzelnen Farbflächen im Grundriss deutlich unterschiedliche Längen aufweisen, sind sie in der perspektivischen Ansicht durch ihre unterschiedliche Strahlkraft scheinbar gleich lang, was zu einer stark verkürzten Raumwirkung führt. Farbig beschichtete Deckenflächen bilden zusammen mit farbig gefiltertem Licht flächige Raumeinheiten, die durch die asymmetrische Anordnung von Schrift variieren. Es entsteht der Eindruck des Durchschreitens von Farbportalen, deren Flanken allein durch Spiegelung und Reflexion vervollständigt werden.

Julia Baumann, Nina Hofmann und Natascha Roth, h_da, Neugestaltung des Tunnels zwischen dem Alice-Hospital und den Darmstädter Kinderkliniken, Studentische Arbeit an der h_da, Darmstadt, 2015 266

Der Tunnelraum wird durch Farbe und Licht in einzelne Farbzonen segmentiert, die eine optische Verkürzung erfahren.

MMVarquitecto, Sprachheilklinik, Lissabon, Portugal, 2010 FARBLICHT

Blau gefiltertes Kunstlicht überlagert sich mit warmtonigem Tageslicht. 267

Tudor Vlasceanu, Rumänischer Pavillon Biennale, 2010, Venedig, Italien 268

Homogen weiße, leicht spiegelnde Flächen und das von oben einfallende Zenithlicht, als einzige Lichtquelle, lassen die Raumkanten verschwimmen.

Der Künstler Carlos Cruz-Diez erforscht Farbe als völlig autonomes Medium, frei von kulturellen Konventionen und etablierten Sehgewohnheiten. Er strebt die Trennung von Pigment und Objekt an. In seinen als „Chromosaturation“ bezeichneten Räumen, die der Künstler selber als „environments“ benennt, wurde Farbe für die Besucher körperlich erfahrbar; sie sollte sich als erlebbare Situation entfalten. Das „environment“ bestand aus einer Folge von drei räumlich begrenzten, durch starkes Farblicht definierten Zonen. Der Besucher erlebte intensives monochromes Rot, Blau und Grün. Diese Einfarbigkeit fordert die Sehgewohnheiten heraus, da das Gehirn in der Regel die Gleichzeitigkeit verschiedener Farbreize erwartet. An den offenen Übergängen reagierten die Farben nach den Gesetzen der additiven Farbmischung miteinander. Dabei waren die Farben bewusst so gewählt, dass sie den für das Farbsehen zuständigen Sinneszellen im menschlichen Auge entsprechen. Durch seine Dichte und Intensität löste sich das Farblicht von der Fläche und schien greifbar im Raum zu schweben; es wurde vom Betrachter als körperliche Empfindung wie Wärme oder Kälte wahrgenommen. Der Künstler erreichte diese Lichtstärke durch eine Vielzahl von eng nebeneinander platzierten Neonröhren, deren Licht durch Gelatinefilter gefärbt und, diffus gestreut, auf weiße Wände projiziert wurde, die es in den Raum zurückreflektierten. Würfel an den Grenzen zwischen zwei Farbzonen machen die Nuancen der jeweiligen Farben sichtbar. Die Wirkung seiner Arbeiten kalkuliert der Künstler im Vorfeld sorgfältig: „Ich verwende Farben nach ihrer Wirksamkeit; ich wähle Farben, die im Widerspruch zueinander stehen und erziele damit besonders kräftige und auffällige Farbwechseleffekte.20 Auch James Turrell nutzt in seinen Arbeiten das Wissen aus einem Studium der Psychologie und der Mathematik und beruft sich auf die Erkenntnisse von Psychologen wie Wahrnehmungsforschern, insbesondere auf die Arbeit von Wolfgang Metzger aus den 1930er-Jahren, sowie auf zeitgenössische Forschungen am Pomona College in Claremont, USA, über den Effekt von homogenen Farbfeldern. 21 Turrells Werke gehen noch einen Schritt weiter: Er setzt Licht und Farblicht als raumbildendes und den Raum auflösendes Medium ein. Dabei möchte er als Künstler Situationen schaffen, die es dem Besucher ermöglichen, seine Aufmerksamkeit auf den Akt des Sehens zu lenken, indem er dazu angeregt wird, seine erfahrungsbasierten Erwartungen und Annahmen zu hinterfragen. Turrell nutzt physikalische und physiologische Effekte des Sehens, wie zum Beispiel die Verstärkung durch aufeinanderfolgende Komplementärfarben. Auch das „Minimum“ spielt eine große Rolle: die geringste mögliche wahrnehmbare Farb- oder Lichtdifferenz und der von allen Objekten befreite Raum. In solchen sorgsam entwickelten leeren Räumen wird die Wahrnehmung durch kalkulierte visuelle Irritationen selbst zum Objekt.22

20 21 22

Cruz-Diez 2009, S. 83. Brown 1985, S. 42 f. Böhme 1997, S. 28.

FARBLICHT

Folgeseiten: Carlos Cruz-Diez, Chromosaturation, 1965/2004, Ausstellung „Carlos Cruz-Diez. Color in Space and Time“, 2011, Museum of Fine Arts (MFAH), Houston 269

270

FARBLICHT

271

Die Qualität der Lichtsubstanz kann zwar nicht berührt werden, sie ist jedoch körperlich spürbar.26 James Turrell

Der Lichtfarbraum erzeugt den Eindruck einer vor der Wand schwebenden Fläche: James Turrell, Two Blues, Space Division Construction, Rauminstallation, 2008 FARBLICHT

273

Turrell konzipiert aufwendig inszenierte Raumfolgen, die ein eindrückliches konzentriertes Erleben fördern sollen. In einer „Space Division Con­ structions“ genannten Werkserie entwickelte er ein spezifisches Farblicht, welches sich zu einer fast greifbaren Fläche materialisierte. Die Inszenierung bestand aus drei gestaffelten Räumen. Ein komplett dunkler Übergangsraum diente der Vorbereitung, dem Zurücklassen von Sinnesreizen und der Schärfung der Wahrnehmung und Konzentration. Beim Betreten des darauf folgenden, ebenfalls dunklen Betrachtungsraums sah der Besucher ein gleichmäßig aus sich heraus diffus glimmendes Rechteck auf der gegenüberliegenden Stirnwand. Der Adaptionsprozess des Auges ließ dieses nach einer Weile kräftiger erscheinen. Die fehlende perspektivische Wirkung und auf dem Besuch von Ausstellungen basierende Erfahrungen ließen ein flächiges „Bild“ erwarten. Auch bei der Bewegung im Raum blieb diese Vermutung bestehen. Erst ganz nah vor der Wand zeigte sich der Wandausschnitt, der sich in den dahinterliegenden Lichtraum öffnete. Die gesehene Oberfläche des Lichts war nicht real. Diese Illusion entstand durch sorgfältige räumliche Ausarbeitung, die optimale Abstimmung von Wandöffnung und Raumgeometrie, Lichtintensität, Farbton und Sättigung: Die Wände des Betrachtungsraums wurden so ausgeleuchtet, dass kein Licht in den anderen Raumteil floss. Im Lichtraum waren die farbigen Neonröhren verdeckt und rund um den auf eine spitze Kante zulaufenden Ausschnitt angeordnet, dessen Raumkanten gerundet waren. Um die Ablösung der Farbe von der Fläche zu fördern, wurden die Wände in reflektierendem Weiß gestrichen. Die Raumgeometrie und Öffnungsgröße waren so ausgelegt, dass für die Betrachter aus fast allen Positionen die Raumkanten des Lichtraums verdeckt waren. So entstand eine Flächenillusion auf der Wand, gleich einer scheinbar „gestockten Atmosphäre“ von großer Leuchtkraft. Die Bildrezeption wurde zur Interpretationsleistung des Betrachters und ging mit dem ständigen Hinterfragen der Sehvorgänge einher.23 In den nach einem in der Parapsychologie erforschten Phänomen benannten „Ganzfeld Pieces“ entfiel der Rahmen des Betrachtungsraums. Der Betrachter tauchte in ein das komplette Gesichtsfeld ausfüllendes, monochrom farbiges Lichtfeld ein, auch „Ganzfeld“ genannt, das sich scheinbar endlos weit ausdehnte und alle Gesetzte des euklidischen Raums negierte. Der Farbnebel nahm eine fast greifbare Intensität und Stofflichkeit an; die Farbe schwebte partikelartig im Raum. Die komplette Homogenität im Ganzfeldraum stellt das auf dem Wechsel von visuellen Reizen beruhende System des Sehens auf die Probe.24 Bei längerer Betrachtung lässt die Sehfähigkeit stark nach, bis hin zur Reduktion auf die Nichtfarben Schwarz oder Grau. Dies wird als Blank-out-Effekt bezeichnet. Hinzu kommt die visuelle Irritation durch das Fehlen des Horizonts oder der Raumkanten als Orientierungshilfe, was zu einer Beeinträchtigung des Gleichgewichtssinns bis hin zu Schwindel führen kann.25 Durch verborgene Lichtquellen, gerundete Raumkanten und sehr homogen ausgeführte Raum­ oberflächen wurde diese Reduktion möglich.

272

23 24 25 26

Zschocke 2006, S. 144–154. Zschocke 2006, S. 154–164. Hoormann 2007, S. 112–134. Böhme 1997, S. 26.

Dominique Coulon & associés, Schule Simone Veil, Colombes, Frankreich, 2015 274

Lesbarkeit und Orientierung 275

Information und Interaktion Die Orientierung des Menschen im Raum erfolgt in erster Linie intuitiv visuell. Farbe ist dabei von zentraler Bedeutung, da der Mensch die Mehrzahl aller Informationen über dieses Sinnesmedium erhält. Zwar ist zum Erkennen unserer Umwelt mit all ihren Eigenschaften eine Interaktion mehrerer Sinne notwendig – die Wahrnehmung von Raum und das Identifizieren von Dingen vollziehen sich jedoch maßgeblich über optische Eigenschaften wie Größe, Form und Farbe.1 Farbbasierte, räumliche Ordnungs- und Leitsysteme können zu einer Klärung von Raumsituationen führen. Die Farbe dient hierbei einerseits als Medium, um neue Informationen zu transportieren oder zu ergänzen, welche einer bestehenden Raumstruktur nicht entnommen werden können, andererseits als Mittel, um Informationen innerhalb eines komplexen Raum- und Zeichengefüges zu reduzieren und klare Schwerpunkte zu entwickeln. Welche Rolle dabei einer Hierarchisierung der Deutungs­ ebenen zukommt und wie wesentlich markant ausgeprägte Erinnerungselemente sind, zeigt sich besonders, wenn die Lesbarkeit und damit die Orientierung verloren geht. Unbekannte oder labyrinthartige Räume, wie wir sie beispielsweise in den typischen Siedlungsformen einer arabischen Medina vorfinden, verleiten dazu, nach bekannten Ordnungsmustern und Identifikationspunkten zu suchen. Unklare, nicht erfassbare oder unerwartete Raumsituationen, wie sie im dramaturgisch-künstlerischen Bereich vorkommen, können aufgrund von provozierten Wahrnehmungsveränderungen starke Irritationen und Verunsicherung auslösen. Dies tritt vor allem dann ein, wenn ein klar definierter Kontext manipuliert wird oder eine visuelle Illusion entsteht. Im architektonischen Kontext ist – abhängig vom Anforderungsprofil – das Erstellen einer sichtbaren Ordnung elementar. Die Mittel, mit denen sich Räume lesbar gestalten lassen, werden in der Fachdisziplin „Signaletik“ (von französisch signalétique = Kennzeichnung) entwickelt. Farbe wird dabei als elementares Gestaltungsmittel zur Orientierung und als Ordnungsprinzip eingesetzt. Objektive Kriterien, wie die in der Architektur festgelegten Wegeführungen und Abfolgen von Räumen, werden durch mehrschichtige Wahrnehmungsebenen ergänzt. Hierbei finden sich harte und weiche Faktoren für die Orientierung. Auch übergeordnete Aspekte wie spezifische kulturelle Prägungen oder Bedeutungen von Orten spielen eine Rolle. Farbe – als Materialfarbe oder gestaltete Oberfläche – kann als Vermittlerin und Überbringerin raumbezogener Informationen vielschichtig wirken und den Gesamtzusammenhang strukturieren. Renzo Piano und Richard Rogers schufen mit dem Centre Pompidou in Paris 1977 ein Gebäude, dessen Farbkonzept verborgene Zusammenhänge sichtbar macht. Es zeigt eine radikale Maschinenästhetik, der sämtliche gestalterischen Entscheidungen folgen. Wie auf einem Diagramm werden alle Funktionen des Gebäudes direkt abgebildet und über Farbe zugeordnet. Farbe dient hier als Code; sie markiert Erschließungswege genauso wie technische Lei276

1

Buether 2014.

tungsstränge. Diese formen sowohl an den Fassaden als auch im Inneren ein abstraktes grafisches Linienmuster, das im sonst schmucklosen Raum zum dekorativen Element wird. Jede Veränderung der farblichen Codierung verändert auch unsere Wahrnehmung. Je nach Farbwert – sei es in Form bewusster, gut lesbarer Kontraste oder als Teil eines abgestimmten Farbkanons – werden durch die Farbe unterschiedliche Aussagen erzeugt, die in engem Zusammenhang mit der kompositorischen Absicht stehen. Die Anordnung von Linien oder Flächenkomponenten, strukturellen und seriellen Gestaltungen oder raumfüllenden Elementen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tektonischen. Schon das Herausheben oder Negieren von Raumkanten mittels Farbe erzeugt ein neues Raumbild. Lineare Farbwege können als horizontale oder vertikale Streifen die Erkennbarkeit und Verknüpfung von Raumfolgen ermöglichen und Teil eines übergreifenden Raumerlebnisses werden; gestaffelte Farbräume können durch starke Kontraste diese Ablesbarkeit unterbinden. Auf diese Art betont die Farbe weniger oder stärker sichtbar den Wechsel zwischen den Funktionen. Auch besondere Situationen wie Schwellen und Übergangsräume, Lufträume oder Erschließungsräume bedürfen der Ausformulierung innerhalb des räumlichen Gesamtgefüges. Bei Erschließungs- und Lufträumen kann dies über die vertikalen Flächen erfolgen, um Raumzusammenhänge übergeordnet erfahrbar zu machen. Während reine, satte Farbtöne unsere Aufmerksamkeit binden und unmittelbar wie ein Signal empfangen werden, bilden entsättigte Farben, die als Lasur in einem abgestimmten Material- oder Farbkanon eingesetzt werden, raumatmosphärische Gesamtklänge. Der Ausdruck der Farbgebung ist aber nicht allein von der Auswahl des Farbwerts abhängig. Das Einbeziehen des Kontextes und vor allem die Präsenz oder Abwesenheit von Tages- und Kunstlicht sind wesentlich für die gewünschte Wirkung. Durch eine ungünstige Lichtverteilung beziehungsweise unter Einfluss von Licht und Schatten kann die Lesbarkeit der gewünschten Informationen verloren gehen. Mängel in der Raumbildung können ästhetisch nicht durch Farbe behoben werden, aber deren kompetenter Einsatz kann die Architektur unterstützen. Umgekehrt kann der missverständliche Einsatz von Farbe eine architektonische Logik beeinträchtigen.

INFORMATION UND INTERAKTION

277

Übergangsräume Der Begriff des Übergangsraumes kommt aus der Psychoanalytik und beschreibt den Raum zwischen der physischen und psychischen „Innenund Außenwelt“. Auch in der Architektur gibt es den Schwellenbereich zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten. Es ist wichtig, diesem Raum die erforderliche Aufmerksamkeit zu schenken und den Wechsel zwischen verschiedenen Nutzungen und Funktionen intuitiv lesbar zu machen. Übergangsräume können Teil der besonderen Inszenierung von Erschließungsräumen werden und Spannung innerhalb einzelner Raumsequenzen aufbauen. Daher sollte ihnen besonders bei der Integration verschiedener Nutzungen, beispielsweise Wohnen und Arbeiten, eine besondere Beachtung zukommen. In dem Haus mit Atelier auf der Schwäbischen Alb, das kaestle&ocker Architekten (vormals C18 Architekten) für einen Industriedesigner entwarfen, wird das Wohnen mit dem Arbeiten innerhalb eines klaren Volumens verzahnt. Anstelle zwei differenziert ablesbarer Eingänge für das Atelier und das Wohnhaus liegen symmetrisch auf beiden Seiten identische Eingänge. Während der eine Zugang direkt dem Betreten des Ateliers und der Werkstatt dient, erschließt der zweite einen großzügigen Eingangsbereich, der als Verteiler zugleich die Funktionen und die Ebenen über einen Luftraum verbindet. Das Entree liegt auf Straßenniveau, während sich der private Wohn- und Lebensbereich den Hang hinab entwickelt. Eine platzsparende zweiläufige Treppe verbindet die zwei Ebenen. Innerhalb weißer, raumbildender Umgrenzungsflächen artikuliert sich der Treppenraum gleich einer Schlucht. Magisch anziehend und räumlich wirksam im Sinne eines Tors markiert der kräftig blaue Übergangsraum den Wechsel zwischen den Ebenen und vom Öffentlichen zum Privaten. Ein exakt an die hochglänzende Lackierung der Einbaumöbel anschließender, homogener mineralischer Anstrich in tiefem Blau weist dem Besucher mit seiner Leuchtkraft intuitiv den Weg. Verstärkt wird diese Wirkung durch den je nach Tageszeit wechselnden Einfall von Tageslicht durch das rückwärtige Oberlicht, das den Treppenabgang fast ins Immaterielle auflöst. Ein ähnliches Prinzip verfolgten Bernd Zimmermann Architekten mit dem Haus WZ in Ludwigsburg von 2013. Der Umbau eines Wohnhauses aus den 1950er-Jahren zeigt auf einfach Art und Weise, wie Farbe – in diesem Fall die Unfarbe Schwarz – intuitiv eine Zonierung und damit eine klare Orientierung schaffen kann. Die äußere Kubatur des Hauses wurde erhalten, im Inneren jedoch großzügig entkernt und durch Lufträume und Galerien zoniert, welche die einzelnen Ebenen in Form eines Splitlevels miteinander verbinden. Die offene Wohnstruktur wird durch zwei gegenläufige Erschließungsstrukturen gegliedert. Der Mittelpunkt des dreigeschossigen Luftraums im Wohnbereich auf der Gartenebene ist ein im Haus gepflanzter Baum, über dem ein großes Oberlicht für eine ausreichende Belichtung sorgt. Für eine räumliche Dramaturgie sorgt die Farbgebung. Während der komplette Innenraum in Weiß gehalten ist, wurde der konisch zulaufende 278

kaestle&ocker Architekten (vormals C18 Architekten), Haus mit Atelier auf der Schwäbischen Alb, 2008, Farbton Blau, Keim Optil, Farbwert 190 HBW 17 ÜBERGANGSRÄUME

Folgeseiten: Bernd Zimmermann Architekten, Haus WZ, Ludwigsburg, 2013 279

280

ÜBERGANGSRÄUME

281

IDOM, Architekt Gonzalo Carro, Archivo Histórico de Euskadi, Bilbao, Spanien, 2013

282

Die markanten, eingestellten Körper strukturieren die Erschließungs- und Lufträume gleich einem Farbcode.

ÜBERGANGSRÄUME

283

Übergangsraum zwischen Treppenskulptur und Wohnraum im Bereich Boden, Wand und Decke in Tiefschwarz getaucht. Der Wechsel zwischen den Funktionen wird bewusst kontrastreich inszeniert. Durch ein gezieltes Setzen von Raum und Farbe ließen sich im Neubau des Historischen Archivs des Baskenlandes in Bilbao, Spanien, differenzierte Wahrnehmungsräume eröffnen und ein durchgehender Orientierungsstrang ausbilden. Die Architekten von IDOM errichteten mit dem Archiv eine zeitgemäße, offene und transparente Struktur. Von den insgesamt elf Geschossen befinden sich sieben oberirdisch – hier sind die Büros der Verwaltung sowie Lese- und Ausstellungsräume untergebracht. Die umfangreiche Sammlung historischer Schriften befindet sich unterirdisch und nimmt die gesamte Länge und Breite des Grundstücks ein. Verbunden sind die Geschosse über einen zentralen, hohen Luftraum unter einem Oberlicht, wodurch das Tageslicht auch in die Flure des dritten Untergeschosses eindringt. Ergänzt wird das Lichtkonzept durch breite Lichtschächte, die im Hinterhof des Gebäudes angelegt wurden. Aus dem Gegenüber der geschützten unterirdischen Archive und dem hellen, lichtdurchfluteten oberirdischen Baukörper ergibt sich eine spannungsvolle Komposition. Der dominierende Farbton im Gebäude ist Weiß. Zusätzlich erzeugten das Verwenden von ausgewählten Farbakzenten und die Materialwahl eine natürliche Hierarchie der Raumordnung. In den Obergeschossen stehen die innen liegenden Flurzonen farblich in starkem Kontrast zu den Arbeitsbereichen. Gläserne Trennwände lassen das Tageslicht tief in die innere Gebäudemitte einfallen und schaffen so eine irreale, scheinbar grenzenlose Zonierung. Die Funktionen lassen sich somit intuitiv ablesen. Der Zugang zu den Archiven wird durch fortlaufende Streifen an Böden, Wänden und Decken angezeigt, deren Farbe von Stockwerk zu Stockwerk variiert. Auch innerhalb der Archivräume weist der Farbcode den Weg und durchbricht durch Rhythmisierung die Monotonie der langen Flure. Die fahrbaren Archivregale sind ebenfalls im gleichen, kräftigen Farbton – einem leuchtenden Gelb – gehalten. Auch bei der Sanierung eines Hallenbades im Pariser Vororts Bagneux durch Dominique Coulon & associés im Jahr 2014 sorgte die Farbwahl dafür, dass die intuitive Orientierung die Architektur des Gebäudes unterstützt. Vor der Sanierung unterschied sich das unauffällige Gebäude aus Beton kaum von den umgebenden Wohnanlagen. Aus Kostengründen wurde die Grundstruktur des Bestands bewahrt und ein neuer Baukörper eingefügt, der die zusätzlichen Funktionen beinhaltet. Die große, nach Süden ausgerichtete Glasfassade und die Tragstruktur der schräg gestellten Pfeiler wurden beibehalten. War im Bestand noch die Dachkonstruktion sichtbar, so verschwindet diese nun unter einer homogenen, weißen Decke. Die Neustrukturierung der Anlage ermöglicht eine klare räumliche Abtrennung der Funktionen, und zwar nicht durch trennende Wände, sondern über einen Wechsel der Oberfläche, Farbe und Lichtführung. Die Farbe Blau – in Analogie zum Wasser – zieht sich in vielen Facetten durch das Gebäude. Die Oberfläche der Eingangswand wurde mit einer bläulichen Beschichtung mit reflektierenden kleinen Glaskugeln versehen. 284

Dominique Coulon & associés, Schwimmbad, Bagneux, Frankreich, 2014 Farbton Flure: RAL 5004 Schwarzblau, Farbtöne Hallenseite: RAL 9002 Grauweiß und RAL 9003 Signalweiß, Kontrast RAL 5012 Lichtblau, lösemittelfreie mikroporöse Naturfarbe und Betonlack ÜBERGANGSRÄUME

Der Bereich der Tribüne entwickelt über den monochromen Blauton eine klare Zonierung und Körperhaftigkeit. 285

286

ÜBERGANGSRÄUME

287

Für den Innenraum wurde eine Kombination aus verschiedenen Farbtönen gewählt: Schwarzblau für Flure und die Außendecke, Grauweiß für die Hallenseite sowie Signalweiß. Als Kontrast dazu komplettiert der kräftige Farbton Lichtblau die Farbpalette. Für die Beschichtung auf den Wandund Deckenflächen wurden lösemittelfreie mikroporöse Naturfarbe und Betonlack verwendet. Besonders eindrücklich zeigt sich die Wirkung des Zusammenspiels aus Farbe und Licht in den Tribünen. Wie ein Raum im Raum wurde der Tribünenbereich in die Schwimmhalle eingestellt. Die kräftige, homogene Blaufärbung auf Boden-, Wand-, Decken- und Sitzflächen schafft einen visuell fassbaren Übergangsraum. Fast surreal erscheint der messerscharfe Übergang zwischen den Bereichen. Je nach Lichteinfall und -intensität erzeugt die Reflexion der Farbe lebendige Blautöne an der Decke, die im Kontrast zum ansonsten weiß gehaltenen Schwimmbereich stehen. Orientierungssysteme „Allzu häufig werden ‚Orientierungssysteme‘ mit ‚Beschilderung‘ gleichgesetzt und meist erst dann darüber nachgedacht, wenn die Hauptplanungsaufgaben bereits erledigt sind.“ So beschreiben die Autoren des Buches Signaletik – Orientierung im Raum2 die Herausforderung der noch jungen Disziplin. Es ist unbestritten, dass ein gutes Orientierungssystem nicht nur informieren, sondern auch das Raumerlebnis stärken kann und dass damit eine höhere Identifikation mit dem Gebäude stattfindet. Signaletik bezieht sich auf verschiedene Maßstäben, unabhängig davon, ob ihre Elemente additiv zur Architektur hinzugefügt oder im Entwurfsprozess interdisziplinär als Hierarchisierung der Informationen begleitend mitentwickelt wurden. Am Beispiel des Typus Schulbau zeigt sich, wie wichtig eine räumliche Orientierung und gleichzeitig das Herstellen einer lernfördernden Atmosphäre ist. Eine gute Orientierung wird durch Sichtachsen, Raumbezüge und zwei- beziehungsweise dreidimensionales Raumerleben ermöglicht. Um den gleichzeitig ästhetischen und psychologischen Kriterien zu entsprechen wird Farbe als Hilfsmittel eingesetzt, die dazu dient, die Umwelt leichter zu erfassen. Mittels Farbgestaltung können Erschließungswege, Ebenen und Aufenthaltsbereiche differenziert werden, um die Schüler zu leiten. Die räumliche Wahrnehmung ist vom individuellen Bewegungsradius und der eigenen Geschwindigkeit der Nutzer abhängig. In Relation zur Lesbarkeit der räumlichen Struktur stehen die Fügung und Komposition der Bauteile, die visuelle und haptische Qualität von Materialien und Oberflächen sowie die Lichtführung. Die Schule in Schulzendorf von zanderrotharchitekten lebt von raumfüllenden Farbwelten. In einer wachsenden Gemeinde im Berliner Umland wurde ein bestehendes Schulgebäude aus den 1960er-Jahren saniert und erweitert. Zugunsten der städtebaulichen Neuordnung und der Bewahrung des Freiraums wurde der Bestand durch zwei Riegel ergänzt und die Baukörper mit einer neuen, homogenen Fassade zusammengefasst. Die zuvor 288

2

Kling, Krüger 2013.

zanderrotharchitekten, Umbau und Erweiterung der Grundschule Schulzendorf, 2007 ORIENTIERUNGSSYSTEME

Farbtöne Grün NCS S 1075-G-50Y, Orange NCS S 0580-Y-50R, Gelb NCS S 0580-Y, Magenta NCS S 1070-R-20B, Weiß 289

zanderrotharchitekten, Umbau und Erweiterung der Grundschule Schulzendorf, 2007

Diezinger & Kramer, Farbkonzept Herbert Kopp, Imma-Mack-Realschule, Eching, 2006, farbiger Kautschukbelag

290

offenen Höfe wurden zu innen liegenden, verglasten Atrien überformt. Die ehemaligen Außenwände wurden zu Innenfassaden, an denen entlang die neue Erschließung für die Klassenzimmer geführt wurde. Einschnitte im Erdgeschoss verzahnen das Volumen mit dem Freiraum und schaffen ein zentrales Atrium, das für Schulveranstaltungen genutzt werden kann. Die Erschließung schafft durch Aufweitungen und Rückzugsbereiche für die Schüler zusätzliche Lernorte mit besonderen Raumqualitäten. Durch das Gebäude zieht sich ein komplexer öffentlicher Farbraum mit wechselnden Sequenzen über Boden, Wand und Decke. Die Farbflächen strukturieren, markieren und betonen die Raumsequenzen. Der Ausdruck des Raumes wird durch den oberflächlichen Farbauftrag unterstützt und wirkt in Verbindung mit Licht einladend und kraftvoll. Im Vordergrund steht weniger die dekorative Wirkung, als die Absicht, die Nutzer intuitiv zu leiten. Das Farbkonzept folgt einer klaren Strategie: Jede Etage in jedem der zwei Atrien hat eine eigene Farbe, die jeweils einzelnen Bauteilen zugeordnet ist. So findet sich das Grün der Raumdecke in der darüberliegenden Ebene auf dem Boden und auf der innen liegenden Brüstung wieder, was sich im Folgegeschoss mit dem orangen Farbton fortsetzt. Im Gegensatz zum Wechselspiel der Umgänge wird die Vertikalität der Atrien durch die geschossübergreifend benutzten kräftigen Farben Gelb und Magenta und den Lichteinfall über die Oberlichter betont. Die verschiedenen Farben bilden, nebeneinandergesetzt, bewusst erzeugte Kontraste, welche die Setzung der Architektur ablesbar machen. Die großflächige Verwendung der Farbflächen strukturiert den Raum und bietet Orientierung in der ansonsten gleichförmigen Schulstruktur der 1960er-Jahre. Auch Diezinger & Kramer setzten in der Imma-Mack-Realschule in Eching Farbe ein, um die Flure der Klassenräume zu gliedern. In Zusammenarbeit mit dem Künstler Herbert Kopp entwickelten sie ein Farbkonzept zur Definition des „signifikanten Ortes“ in einer undifferenzierten Ortsrandlage zwischen Gewerbegebiet und Neubaugebiet. Die Außenfassaden setzen mit starker Farbigkeit ein Zeichen; ein Fliederton kennzeichnet die Klassenräume und ein Gelbgrün die Flurzonen. Im zentralen Erschließungsraum dagegen wurde die Farbe nur auf den Fußböden weitergeführt; hier wird die Palette um die Töne Senfgelb, Tannengrün, Orange, Hellblau und Rosé ergänzt. Um den Unterhalt des Gebäudes zu vereinfachen und etwaige Reparaturarbeiten günstiger ausführen zu können, wurden alle weiteren Flächen in Weiß gehalten. Durch die Reflexion des Tageslichts von den farbigen Böden nehmen diese Flächen jedoch eine mit dem Tagesverlauf wechselnde, zarte Farbigkeit an. Die Farben definieren Zonen in den Fluren und verweben sich im Bereich des zentralen Foyers zu einem unregelmäßigen Schachbrettmuster. Die Farbauswahl erfolgte nach dem NCS-System und wurde in einem Kautschukbelag umgesetzt.3

3

Paul 2007.

ORIENTIERUNGSSYSTEME

291

Dass Orientierung in Gebäuden nicht zwingend mit der Nutzung der ganzen Farbpalette einhergehen muss, zeigt das Beispiel des Centre des métiers an der Hochschule für angewandte Kunst und Technologie La Cité collégiale in Orléans, Kanada, von ACDF* ARCHITECTURE. Situiert an einem besonderen Ort zwischen der Naturlandschaft eines Flusses und einer stark befahrenen Schnellstraße, liegt das neue Forschungs- und Ausbildungszentrum für Baugewerbe. Die architektonische Gestalt orientiert sich an der Topografie des Ortes und ermöglicht durch ihre flexible Grundstruktur die Anpassung an die programmatischen Anforderungen. Während sich die Werkstätten zur Straße hin orientieren, öffnen sich der Verwaltungstrakt, der Mehrzweckraum und die Unterrichtsräume zur Flusslandschaft hin. Die Zäsur zwischen den Funktionen zeigt sich deutlich in der Auswahl der Farben Schwarz (Werkstätten) und Weiß (öffentliche Bereiche). Einen starken Akzent setzt der gelbe Treppenraum, der sich wie ein Lavastrom von dem schwarzen Block abhebt. Mit dem Umbau des Toni-Areals, ehemals Standort von Europas größtem Milchverarbeitungsbetrieb in Zürich, bestand die Möglichkeit, die auf dutzende Standorte verteilte Hochschule der Künste ZHdK sowie zwei Departements der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW auf einem neuen „Hochschulsupercampus“ zusammenzuführen. Erweitert wurde das Angebot durch kommerziell nutzbare Räumlichkeiten wie Kino, Konzertsaal, Bibliothek und Ausstellungsflächen, gastronomische Einrichtungen sowie hundert Wohnungen. Neben der Integration der vielfältigen Funktionen bestand die Herausforderung für die Architekten darin, die Megastruktur des Objekts mit insgesamt 1400 Räumen sinnvoll zu ordnen, ohne den industriellen Charakter des Ortes aufzugeben. Organisiert wie eine „Stadt in der Stadt“, dient die bestehende Rampenanlage als vertikaler Boulevard, von dem eine Abfolge von Hallen, Plätzen, Lufträumen und kaskadenartigen Treppenräumen abgeht, welche die innere Raumstruktur bildet und die Funktionen verortet. Ein Signaletiksystem aus plastischen Buchstaben und Zahlen gibt Orientierung innerhalb der Hauptstruktur des Gebäudes. Darüber hinaus verbinden interne Flure und Treppen die nach funktionalen Gruppen angeordneten Räume des Hochschulbetriebs. Der Charakter des Industrieensembles bleibt durch die rohen Betonwände und -böden erhalten. Je nach angelagerten Funktionen und damit Materialität und Lichteinfall wirkt das Grau des Betons warm oder kalt. Nur in programmatischen Ausnahmen wurden Akzente zugelassen – so zum Beispiel für die internen Treppenverbindungen, bei denen das Orientierungssystem durch starke Signalfarben ergänzt wurde. Konsequent wurden alle raumseitigen Flächen in einem kräftigen pinken Farbton gestrichen: im Bereich der Wendeltreppe das Metall der Stahlstruktur und des Handlaufs, im angrenzenden Raum sowohl die Gipskartonwand als auch Türblatt und Türzarge. Einen anderen Farbton wählten die Architekten für die studentischen Arbeitsplätze der ZHAW. Im ehemaligen Trockenturm treppen sich die Arbeitsplätze der Studenten über drei Ebenen hinauf. Die räumliche Wirkung der kleinen Kaskade wird zusätzlich durch leichte Nuancen in 292

ACDF* ARCHITECTURE, Centre des métiers, La Cité collégiale, Orléans, Kanada, 2010 ORIENTIERUNGSSYSTEME

293

der Farbpalette verstärkt. So verändert sich der warme Grünton der Arbeitsplatzebenen, Treppen und Brüstungen in seiner Tiefenwirkung von einem dunklen Farbton auf der Fläche über die Höhenstaffelung ins Helle. Vordergrund und Hintergrund erzeugen eine ablesbare Plastizität. Die Vielschichtigkeit verleiht dem Funktionsraum eine wohltuende Lebendigkeit, ohne das Augenmerk von der eigentlichen Bestimmung abzulenken. Eine Kombination aus grafischem Leitsystem und Farbinseln setzten iglesias-hamelin arquitectos in einer Fahrradgarage ein. Farbige Flächen, die sich über Boden, Wand und Decke ziehen und damit weithin sichtbar sind, definieren die Abstellorte für die Fahrräder; Zebrastreifen für die Fußgängerwege und die Nummerierung der Plätze wurden im Farbton der darunterliegenden Ortbetonflächen ausgespart. So entstand mit reduzierten Mitteln eine übersichtliche Gliederung der großen Fläche. Bei dem Projekt „Wohnen mit scharf “ von SUPERBLOCK in Wien wurde das interne Leitsystem bereits in einer frühen Projektphase integriert. Die Wohnanlage mit 51 Einheiten wurde als Beispiel des interkulturellen Wohnens für Bewohner mit unterschiedlichen Bedürfnissen konzipiert. Durch das Aufständern der Wohngeschosse zugunsten der öffentlichen Nutzung der Erdgeschosszone wurde den Bewohnern ein gemeinschaftlich nutzbarer Außenraum ermöglicht. Der gestalterische Ansatz formuliert ein kompaktes Gebäudevolumen, das durch Einschnitte und Negativräume akzentuiert wird. Als Kontrast zum Sichtbeton der auskragenden Balkone und der betongrauen Einfärbung der Fassade steht die bewusst kräftig gewählte Farbgebung der öffentlichen Erschließung in Magenta. Wie eine Schlucht zieht sich der vertikale Erschließungsraum durch das Volumen und gibt den Bewohnern horizontale und vertikale Orientierung. So begleitet der intensive Farbton mit Signalwirkung die Bewohner vom Außenraum in die privaten Wohnräume und bildet den Wiedererkennungswert der Anlage. Ergänzt wird die bewusste Gegensätzlichkeit der Farben und Volumen durch das im Innenraum aufgewalzte Muster im Treppenhaus.

294

EM2N mit Bivgrafik GmbH (Signaletik), Toni-Areal, Zürich, Schweiz, 2014 A Kleine Kaskade, Arbeitsplatz: Farbtöne Wand und Brüstung Grüntöne NCS S 1030-G30Y, NCS S 2030-G30Y, NCS S 3030-G30Y, Treppen, Brüstung Außen NCS S 1030-G30Y, NCS S 2020-G30Y, NCS S 2030-G30Y, NCS S 3030-G30 B Treppenverbindung: Farbtöne Wand und Türen NCS S 1060-R20B, Treppe/Stahlstruktur Pink NCS S 1060-R20B

A

B

ORIENTIERUNGSSYSTEME

295

296

iglesias-hamelin arquitectos mit Verónica Gorri (Grafik), Bike Station CTPM, Madrid, Spanien, 2012, Farbtöne: Blau NCS S 1050-B20G, Grau NCS S 2010-B, Schwarz NCS S 9000-N ORIENTIERUNGSSYSTEME

SUPERBLOCK, Wohnanlage „Wohnen mit scharf“, Wien, Österreich, 2014, Farbton: Magenta 297

Dominique Coulon & associés, Schule Simone Veil, Colombes, Frankreich, 2015 298

Farbtöne: Orange Sikkens D6.58.58, entspricht RGB-Wert 240/118/44, Grau Sikkens F2.05.55, entspricht RBG-Wert 157/151/143, Rosa Sikkens Z8.18.63, entspricht RGB-Wert 224/152/173

Farbsequenzen und Raumsequenzen Farbe als Gestaltungselement kann in verschiedenen Dimensionen aktiv ihre Wirkung entfalten und die Metamorphose von der Fläche zum Raum vollziehen. In den Werken des Architekten und Malers Rupprecht Geiger (1908–2009) geht es konsequent um Reduktion, Klarheit und Autonomie von Farbe, die von der Form losgelöst betrachtet wird. Seine Interpretation von Farbklängen beschränkt sich auf zweidimensionale Grundflächen, die jedoch in ihrer Intensität und Anordnung – als Kontrast oder in einer chromatischen Modulation ineinander übergehend – eine unerwartete dreidimensionale Raumwirkung ergeben. Die Interaktion von Farbe und Form fordert die Wahrnehmung der Betrachter heraus und lässt verschiedene Interpretationen und Entstehungsweisen von Raum zu. Als autonomes System interpretiert auch der französische Architekt Dominique Coulon Farbe, allerdings als „dynamisches System eigener Art und eigenen Rechts“. Farbe begleitet die Architektur nicht, sondern erreicht erst durch eine Methode der Überlagerung, des Widerspruchs die Raumwahrnehmung. Die Negierung der geometrischen Form beziehungsweise der vorhandenen Raumkanten ermöglicht es erst, die Farbe als zusätzliches Medium einzusetzen und eine neue plastische Beziehung sowie damit eine veränderte Wahrnehmung zu erzeugen. Das Ausloten der Möglichkeiten an der Schnittstelle von Fläche zu Raum erzeugt vielfältige Ausdrucksformen, welche die intuitive Wahrnehmung fördern oder bewusst in Unordnung bringen. Beide Herangehensweisen werden als Methoden zugunsten der Vitalisierung des Raumes herangezogen. Die visuelle Überformung der Innenräume Dominique Coulons ist Kalkül, um dem Betrachter das Gewohnte zu entreißen. Farbe und Farbkontraste versteht er wie Material und Form als Werkzeuge, um bestimmte Atmosphären zu kreieren. Architektur hat Einfluss auf ihre Nutzer – nicht nur auf physischer und auf Verhaltensebene, sondern auch in einer expressiven, emotionalen Form. Gerade bei Schulgebäuden kommt die unkonventionelle Herangehensweise von Coulon zum Tragen; hier wirkt exakte Geometrie im Zusammenspiel von Licht und kraftvollen Farben. Der Neubau der Schule „Simone Veil“ in Colombes, Frankreich musste ein großes Raumprogramm auf kleiner Grundfläche unterbringen. Kindergarten, Grundschule, Sporthalle, Kantine und eine Bücherei wurden entsprechend dem jeweiligen Bedürfnis nach gemeinschaftlicher Nutzung vom öffentlichen Erdgeschoss bis in die oberen, „privaten“ Geschosse gestaffelt. Die Tiefe des Volumens wird durch Vor- und Rücksprünge, einen zentralen Luftraum für Ein- und Ausblicke sowie durch die Materialwahl belebt. Je nach Altersstufe sind die Funktionen über Materialität und Farbcodes geordnet. Während den Grundschülern die reine Materialfarbe von Holz und Beton vorbehalten ist, befinden sich die Kindergartenkinder in einem farbigen Universum. Orange, Pink und Rosa weisen den Weg – in den Gängen, Höfen und der Sporthalle. Bewusst gleichen sich die Kreuzungspunkte nicht, um zusätzliche Aufenthaltsqualitäten zu generieren.

FARBSEQUENZEN UND RAUMSEQUENZEN

299

Dominique Coulon & associés, Schule Simone Veil, Colombes, Frankreich, 2015 300

Da die Parzelle in der urbanen Situation keine Freiflächen mit Aufenthaltsqualität erlaubt, wurde die Dachfläche als Pausenhof, Spielplatz und Schulgarten aktiviert. Die Architekten wählten ein bewusst autonomes, dynamisches System der Überlagerung. Unabhängig von der geometrischen Form stehen die Farbraumsequenzen im hartem Kontrast zum Raumfluss und entfalten erst mit dem Lichteinfall ihre Wirkung. Geometrie, Farbfläche und Schattenwurf ergeben ein immer neues Spiel. Farbe wird zu einem Element der Erfahrung. Während die Böden der Pausenhöfe mit einem Sportbelag aus farbigem EPDM-Granulat ausgeführt wurden, wählte man für die Innen- und Außenwände Acrylfarbe beziehungsweise eingefärbten Putz mit den Farbtönen Orange, Grau und Rosé. FARBSEQUENZEN UND RAUMSEQUENZEN

301

NIKKEN SEKKEI, Ryohin Keikaku, PARTY, Terminal 3, Narita International Airport, Japan, 2015 302

Das bauliche und farbige Orientierungssystem von Terminal 3 am Narita International Airport, Japan ist ein Beispiel für einen kreativen Umgang mit den Anforderungen an eine klare Orientierung. Der Flughafen Tokyo-Narita wurde zur Entlastung des Hauptstadtflughafens Haneda in den 1970er-Jahren gebaut. Im Zuge der letzten Erweiterung 2015 wurde das Terminal 3 für Billigfluglinien errichtet. Die Architektur wurde auf das Wesentliche reduziert; anstelle homogener abgehängter Decken und digitaler Anzeigetafeln wurde auf Farbe und universell gültige Symbole gesetzt. Im Vorausblick auf die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokyo verwendete man ein Leitsystem aus blauen und roten Laufbahnen, wie man sie aus der Leichtathletik kennt. Die Bahnen bestehen aus PUR-Kunststoffbelägen mit EPDM-Granulaten, die in Turnhallen zum Einsatz kommen und eine angenehme Lauffläche bieten. Alle notwendigen Informationen wurden mit weißer Farbe direkt auf den Bahnen ablesbar gemacht. Sichtbeton und hellgraue Böden bilden den zurückhaltenden Hintergrund, ohne den die Farbcodierungen – Blau für den Himmel und damit den Abflug, Rot für die Erde und damit die Ankunft – nicht lesbar wären. Wie schmal der Grat zwischen Fläche und Raum ist und wie ein Farbcode zur Raumsequenz werden kann, zeigte das Ausstellungsprojekt TDM5: Grafica Italiana von Fabio Novembre im Triennale Design Museum in Mailand im Jahr 2012. Das Museum repräsentiert die bedeutendste Sammlung italienischen Designs der Moderne und legt neben der Hauptausstellung in einem wechselnden Ausstellungszyklus den Fokus auf verschiedene Themen. Mit Fabio Novembres Ausstellungsdesign für TDM5: Grafica Italiana wurde der Vielfalt des italienischen Grafikdesigns eine außergewöhnliche Bühne gegeben. Wie ein aufgeschlagenes, leeres Notizbuch ragen sieben zwei Meter hohe Wände in den Raum und fordern den Besucher auf, sich – physisch und intellektuell – zwischen die Seiten zu begeben. Der Sprung in die dritte Dimension der ansonsten zweidimensionalen Ausstellungsexponate mit einem einfachen, aber prägnanten Farbcodierungssystem fasst die unterschiedlichen Themen von Magazinen bis zu visuellen Identitäten zusammen. Für die Farbgebung wählt Novembre die Farben des Regenbogens „Roy G. Biv“: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett in Anlehnung an die Gottheit Iris aus der griechischen Mythologie (griechisch iris = Regenbogen, siehe Newtons Farbkreis mit sieben Farben, siehe S. 77–95).

FARBSEQUENZEN UND RAUMSEQUENZEN

303

Fabio Novembre, TDM5: Grafica Italiana, Ausstellungsdesign, Triennale Design Museum, Mailand, Italien, 2012–2013 304

Auch im Innenleben der Werbeagentur Panama in Stuttgart, einem Umbau eines aus den 1960er-Jahren stammenden Bürogebäudes durch zipherspaceworks, leiten intensive farbige Streifen als Codes für Funktionen und Ebenen die Besucher. Das Stuttgarter Büro setzte ein der Bewegungsrichtung folgendes, abstraktes grafisches Streifenmuster mit kräftiger Farbigkeit ein, das im Eingangsbereich Decke, Rückwand des schmalen Raums und Tresen zu einer den Raum beherrschenden Einheit verbindet. Farbige Räume überlagern die tatsächliche bauliche Struktur und weiten oder verengen sich je nach Informationsgehalt. Am Ziel angekommen, zeigen sich die Innenräume im Kontrast zum Orientierungssystem komplett in Weiß. Die Raumsequenz folgt dem Prinzip der Abstufung – von extrem farbig bis komplett farblos – und setzt auf eine intuitiv erfahrbare Hie­ rarchisierung der Funktionen und damit der Abfolge von Räumen (siehe S. 174–219). Eine leuchtende Wandfläche und der Richtung des Raumes folgende Lichtbänder verstärken diesen Raumeindruck noch. Kontrastierende Tonwerte lassen die Farben scheinbar unterschiedlich weit hervoroder zurücktreten. Auf der schmalen Rückwand zeigen sich die Streifen als gebautes Relief. Die räumliche Wirkung wird zusätzlich durch verdeckt eingebaute Lichtstreifen verstärkt. Elemente wie Treppen und Brüstungen treten durch ihre schwarze Färbung zurück und verhindern die Ausbreitung der Farbe im Raum über Reflexionen. Die Farbstreifen erzeugen eine richtungsweisende Dynamik im Raum.

zipherspaceworks, Panama Werbeagentur, Stuttgart, 2001 305

Hess/Talhof/Kusmierz, Grundschule am Arnulfpark, München, 2012, Bodenbelag: Sportboden grün

Peanutz Architekten, Chorwurm, Dauerausstellung zur Chor- und Sangesgeschichte der Region im Kreismuseum, Finsterwalde, 2010 306

Raumbänder Eine erkennbare, nahtlos zusammenhängende Sequenz von gleichfarbigen Räumen kann als Raumband erscheinen. In Form von Streifen, Spuren oder Linien kann auf diese Art die Orientierung durch die Grundrisse auch komplexerer Gebäuden erfolgen. In der Münchner Grundschule am Arnulfpark setzten die Architekten Hess/Talhof/Kusmierz Farbe als verbindendes Element im organisatorischen Konzept von vier sogenannten Lernhäusern ein. Ein grünes Raumband, das als überdachter Außenbereich aus dem Gebäudevolumen ausgeschnitten ist, verbindet im Erdgeschoss den außen liegenden Sportplatz mit der abgesenkten Sporthalle. Es ist mit eingefärbtem Tartanboden belegt, dessen Farbe sich an der Decke in Form von eingefärbten Holzwolleplatten wiederholt, und kann neben seiner verknüpfenden Funktion als Laufbahn oder überdachter Pausenhofbereich genutzt werden. Als prägnanter Ort hilft dieses Farbband bei der Orientierung im Gebäude. Dominique Coulon nutzte im Multikulturellen Zentrum in Isbergues, Frankreich ein gelbes Raumband, das er als „interne Straße“ bezeichnete, um alle öffentlich zugänglichen Bereiche miteinander zu verknüpfen. Es verbindet als zentrale Achse den Park mit der Stadt und öffnet das Gebäude zu beiden Seiten hin. Alle Funktionen sind entlang dieses Raumbands angeordnet: auf der einen Seite ein Theater, auf der anderen die Bibliothek. Ihre Volumen verschneiden sich und schaffen einen vielfältigen Zwischenraum, durch den sich das organisierende gelbe Raumband zieht. Es nimmt verschiedene Formen an, zeigt sich als Tresen, als Leseinsel oder die Erschließungsflächen begleitende Farbflächen. Letztere setzten sich über ihre Reflexion weit in den Grundriss hinein fort und dienen so als Orientierungsgeber mit Signalwirkung. Peanutz Architekten füllten in ihrem Konzept für die Dauerausstellung Chorwurm zur Chor- und Sangesgeschichte der Region im Kreismuseum in Finsterwalde ein Raumband mit Inhalten. Es wird von einem 75 Zentimeter breiten und 230 Zentimeter hohen grauen Grundkörper gebildet, der sich durch zahlreiche Ausschnitte und Verwerfungen zum Band auflöst. Das Band zieht sich mittig durch die Räume des Kreismuseums in Finsterwalde. Die chronologische Erzählstruktur der Ausstellung wird mit Farbe unterlegt. An allen Stellen, an denen der Grundkörper beschnitten wird – also an Durchgängen, Vitrinen oder Sitzgelegenheiten –, erscheint seine „innere Farbe“: Rot im Ausstellungsbereich für das Mittelalter, Grün für die Reformation, Blau für die Romantik, Braun für die Epoche der Weimarer Republik und des Dritten Reichs sowie Gelb für die DDR-Zeit und die Zeit nach der Wiedervereinigung. Die Ausstellungsarchitektur hat durch die Betonung der im Körper liegenden Flächen des „Bandes“ keine Vorder- und Rückseiten. Zahlreiche Durchgänge und Querverbindungen erlauben es den Besuchern, sich frei durch den Raum zu bewegen und trotzdem anhand der ordnenden Struktur nie den Faden zu verlieren.

RAUMBÄNDER

307

Dominique Coulon & associés, multikulturelles Zentrum, Isbergues, Frankreich, 2013 308

RAUMBÄNDER

309

Raumereignisse mittels Farbe zu inszenieren bedeutet, sich mit der Plastizität und den Elementen innerhalb eines Raumes auseinanderzusetzen.

SelgasCano, Konferenzzentrum El Batel, Cartagena, Spanien, 2011 310

Akzentuierung Farbe ist ein Ausdrucksträger mit starker, suggestiver Wirkung. Das richtige Maß an Präzision und Farbwahl beeinflusst die räumliche Qualität und kann Funktionen und Orte innerhalb eines großen Ganzen separieren oder negieren. Der Fokus bei der Akzentuierung liegt darauf, nur die notwendigen Elemente zugunsten eines ruhigen Raumeindrucks zu betonen. So verwendeten die Architekten von SelgasCano für die Zonierung und Orientierung im Konferenzzentrum El Batel in Cartagena, Spanien nur wenige Farben, die ihre natürlichen Spektren aus der Natur entlehnen und in bestimmten Tagesstimmungen eine Einheit mit der Umgebung bilden. Auf einer Länge von rund 200 Metern liegt das Konferenzzentrum im Hafen von Cartagena. Einzelne Volumen zeichnen sich in Analogie zum nahe liegenden Containerhafen in unterschiedlicher Höhe und Länge über dem Fassadenband aus Acrylglas beziehungsweise Polycarbonat mit wechselnden Farben ab. Um sich in der Höhenentwicklung der umgebenden Bebauung anzupassen, wurden die Auditorien und Veranstaltungssäle in die Tiefe entwickelt. Wie an einer Perlenkette reihen sich die verschiedenen Funktionen über die Länge des Gebäudes auf. Die Wandflächen verengen oder weiten den Erschließungsraum, der über zwei Rampenanlagen organisiert ist. Während das Gebäude in hellen Farben wie Weiß, Hellblau und Hellgrau gehalten ist, werden die Einschnitte und die ETFE-Decke des Foyers von einem kräftigen Orangeton dominiert. Der Farbton zieht sein Spektrum aus den besonders intensiven Sonnenuntergängen der südspanischen Küstenregion. Notwendige Öffnungen wie Eingänge und Informationsflächen, aber auch Sitzmöbel brechen farblich sichtbar aus dem Volumen heraus. In den Veranstaltungsräumen setzt sich der Orangeton auf dem Boden und der Decke in unterschiedlichen Materialitäten fort. In Verbindung mit dem Sonnenlicht schafft die Farbwahl einem Sonnenuntergang ähnelnd eine besonders einladende Atmosphäre, welche die Besucher zum Verweilen animieren soll. Im Kontrast dazu steht das in Blau getauchte große Auditorium, dessen Farbwahl sich auf die Position unter dem Meeresspiegel bezieht. Die Transluzenz der Materialien Polycarbonat und Acrylglas unterstützt in Verbindung mit dem Tageslicht die leuchtende Wirkung der mehrschichtigen Oberfläche. AKZENTUIERUNG

311

Eine andere Strategie der Akzentuierung verfolgten die Architekten von MADE arhitekti beim Bau der Music und Art School in Saldus, Lettland. Um räumliche Synergien zu nutzen, wurden in dem zweigeschossigen Neubau die Räumlichkeiten einer Musik- und einer Kunsthochschule miteinander verschränkt. In der Mitte des tiefen Volumens befinden sich die Übungssäle und Bibliotheken, am Rand die Klassenräume. Lichthöfe bringen Tageslicht in die gemeinsam genutzten öffentlichen Bereiche. Beton, Holz und Glas sind die verbauten Materialien, die in ihrer natürlichen Farbe und Textur eingesetzt wurden. Die gestalterische Trennung und damit Orientierung geschieht über innen liegende Farbflächen. Treppen, Wände, Brüstungen und Türen sind in hellen, deckenden Farben gehalten, die im Kontrast zu den Sichtbetonflächen von Boden und Wänden stehen. Die Studierenden der Musikhochschule orientieren sich an den gelbgrünen Farbflächen, während die hellblaue Farbe eine Wegeführung für die Kunsthochschüler bietet. Auch in einem kleinen Grundriss wie bei dem von Michaelis Boyd geplanten Apartment am Elvaston Place in London, Großbritannien kann ein einzelnes Element durch seine Akzentuierung als Fokuspunkt eingesetzt werden. Die neu eingesetzte Verbindungstreppe im Eingangsbereich zwischen den beiden Ebenen der Wohnung, die überwiegend in neutralen Farben gehalten ist, wirkt durch das Zusammenwirken von Farbe und Form als Skulptur im Raum. Der durch das Lochblech transluzent erscheinende Körper wird durch die kräftige rote Farbe hervorgehoben; gleichzeitig wird die statisch anspruchsvolle und präzise detaillierte Konstruktion betont.

MADE arhitekti, Saldus Music and Art School, Saldus, Lettland, 2013, Farbtöne: Blau NCS S0540 B30G, Grün NCS S0565 G50Y 312

Michaelis Boyd, Treppe Elvaston Place, London, Großbritannien, 2013, Pulverbeschichtung auf Stahl, Farbton Rot

AKZENTUIERUNG

313

Antonino Cardillo, Veranstaltungsraum „Specus Corallii“, Trapani, Italien, 2016 314

Eigenfarbe und Materialfarbe 315

Da ist immer wieder die Sinnlichkeit des Stofflichen, des Materials, wie es sich anfasst, wie es aussieht, ob es stumpf ist oder schimmert oder glänzt, welchen Geruch es hat, ob es hart ist, weich, elastisch, kalt oder warm, glatt oder rau, welches seine Farben sind und die an der Oberfläche preisgegebenen Strukturen.1 Manfred Sack Deubzer König + Rimmel Architekten, Interims-Audimax, TU München, Campus Garching, München, 2011 316

Schimmernd, licht und elegant präsentiert sich der Hörsaal mit der wellenartigen Fassade auf dem Campus in Garching. Durch die schwarze Lasur der sägerauen Fichtenholzverkleidung und die plastische Ausformulierung der Fassade erscheint der Körper nicht homogen dunkel, sondern als ein die Wellen nachzeichnendes, changierendes Spiel von silbrigen Grautönen. Je nach Blickwinkel und Sonnenstand ist die Fassadenstruktur mehr oder weniger lesbar.

Materialwerte Materialien haben spezifische Eigenfarben. Diese Farbigkeit charakterisiert das jeweilige Material über das Zusammenwirken von Textur, Struktur und Licht. Das Gefühl für den sorgsamen Umgang mit verwendeten Materialien gilt als entscheidend für Architektur und Raumqualität. Die architektonische Gestalt und der Materialeinsatz sind eng aneinander gebunden und ganzheitlich zu betrachten. Mit der Auswahl eines Materials wird eine gestalterische Haltung formuliert, die sich auch in der Art und Weise der Verarbeitung artikuliert. „Holz, Metall, Steine und Edelsteine verdanken ihre eigenartige Schönheit dem Leben, das die Bearbeitung, die Werkzeugspuren, die verschiedenen Arten, in welchen sich die begeisterte Leidenschaft oder die Sensibilität desjenigen, der sie bearbeitet, äußert, ihnen aufprägt.“2 (Henry van de Velde) Materialgerechtes Arbeiten setzt Kenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen Herstellungsprozess, Material und Gestalt voraus. Besonders die Oberflächenbehandlung eines Materials beeinflusst die Ablesbarkeit der Materialsubstanz und die Charakteristik einer Eigenfarbe oder Oberflächenfarbe. Je nach Beschaffenheit des Materials und dem Umgang mit der Oberfläche ändert sich die Materialanmutung durch eine Veränderung der Lichtfarbe und des Lichteinfalls. Nach Gottfried Semper war die Materialfrage wesentlich für die Architektur. Jedes Bauwerk sollte in einer dem Material entsprechenden Gestaltung errichtet werden. Die Eigenschaft eines Produktes wiederum sei „eine gleichsam natürliche logisch abgeleitete Konsequenz des Rohstoffes“3. Die Architekturdebatte um Material und Farbe und deren gestaltungsgerechten Einsatz erreichte mit dem Aufkommen des Arts and Crafts Movement Mitte des 19. Jahrhunderts und mit dem Jugendstil ihren Höhepunkt. Der Wert von Materialien und Farben für die Wirkung von Raum und Architektur sowie die Beziehung zwischen Kunst, Handwerk und Mensch wurden als wesentlich erachtet und intensiv thematisiert. Die Bewegung, innerhalb derer auch der Maler William Morris maßgeblichen Einfluss hatte, verstand sich als Gegenbewegung zur Industrialisierung und hatte zum Ziel, der billigen Massenproduktion entgegenzutreten und sich auf die natürliche Schönheit von Materialien zurückzubesinnen. Diese Schönheit sollte unter anderem mit der Rückkehr zur Einfachheit und einer Angemessenheit im Umgang mit Material erreicht werden.

1 2 3 4

Manfred Sack, in: Deplazes 2013, S. 19. Van de Velde 1910, in: ders., 1955, S. 169–176. Semper 1878, S. 90. Morris 1892 nach Rübel 2005, S. 105.

„Die Frage des Materials ist also offensichtlich die Grundlage der Architektur, und vielleicht ginge man nicht sehr fehl, wenn man die Architektur betrachtete als die Kunst, mit angemessenem Material angemessen zu bauen.“4 (William Morris) Als weitere zentrale Figur der Bewegung setzte sich John Ruskin vehement für eine handwerkliche Produktion ein, da er die Qualität der Arbeit und 317

die Qualität des Produkts als untrennbar miteinander verbunden ansah. Ähnlich wie beim Polychromiestreit resultierten aus dem Einzug der Mechanisierung in die Architektur und das Produktdesign kontroverse Vorstellungen bezüglich des Umgangs mit dem Material, wie sie beispielsweise der russische Theoretiker Alexander Toporkow formulierte. „Die Wiedergeburt des Handwerks war der Tagtraum der neuen Bewegung im Bereich der künstlerischen Produktion, die Ruskin und seine Anhänger begonnen hatten. Ich habe schon angedeutet, dass dieses Ideal retro­ spektiv ist. Ruskins Vorstellung entspricht dem Mittelalter.“5 (Alexander Toporkow) Toporkow wollte das Material objektiv verstanden wissen und sah in der handwerklichen Fertigung eine zu starke Individualisierung des Materials. Seiner Auffassung nach bedurfte es eines neuen Bewusstseins im Umgang der Industrie mit den sogenannten objektiven Herstellungsarten, was ein neues Erkennen der technischen Form voraussetzte. Einigkeit bestand in der Frage der Qualität und des Ausdrucks von künstlerischen Produktionen: Die Imitation sämtlicher historischer Stile und handwerklicher Produkte wurde ganzheitlich abgelehnt. „Aber unsere Aufgabe ist es, an dieser Stelle im Kunstgewerbe den Materialfälschungen nachzugehen. Wer hätte sich wohl je träumen lassen, daß man auf die Suche gehen würde, selbst für ein so billiges Material, wie es das Holz ist, ein Surrogat herzustellen?“6 (Heinrich Pudor) Auch der Architektur und Gestalter Henry van de Velde beklagte in seiner Schrift mit dem Titel „Kunstgewerbliche Laienpredigten“ den Einsatz von billigen Materialien zur Imitation: „Sobald heute ein neues Material erfunden oder entdeckt ist, fragt man sich sogleich, welches der schon vorhandenen Materialien das neue am besten imitieren könnte: Stuck, Zement, Zelluloid und Linoleum kommen dabei in Betracht.“7 Die Farbe wurde innerhalb dieser Debatte wesentlich, diente sie doch oftmals als Illusionsträgerin, um Materialerscheinungen wie Holz oder Marmor hervorzubringen. Täuschend echt wurden zum Beispiel mit dem Mittel der Enkaustik als einer der ersten Gestaltungsformen Natursteinund Marmorimitationen gefertigt. Die Entwicklung der industriellen Farbenherstellung Anfang des 19. Jahrhunderts ging mit der Erfindung zahlreicher neuer Pigmente einher. Die jahrhundertealten Schabloniertechniken dienten, verbunden mit der neuen Farbenpalette, der Dekoration und Ausschmückung von Räumen anhand stimmungsvoller Farbklänge. Besonders die neu entwickelten Baustoffe wie Beton und Stahl galten zunächst als charakterlos und bedurften laut ihrer Kritiker einer Form der Veredelung, beispielsweise durch Farbe. Diese Kritiker befürchteten eine Tendenz zur Entfremdung und Verrohung. Die Befürworter dieser Baustoffe jedoch sahen in ihnen die moderne Gesellschaft vertreten und wiesen ihnen eine spezifische Materialästhetik zu. 318

Das moderne Leben hatte eine wahre Materialschwemme auf den Markt gebracht und an die Stelle der Produkte ehemaliger Handwerkskünste waren industrielle Billigprodukte in Form von Reproduktionen getreten. Diese Entwicklung des Materialangebots ließ den Architekten und Werk­ bundvorsitzenden Hans Schwippert in seinem Vortrag in den Darmstädter Gesprächen 1952 zum Thema „Mensch und Technik“ den Schluss ziehen: „Die Welt der Stoffe ist unendlich erweitert“, und: „Das, was wir lieben am Werk, eine Arbeitsspur zu sehen, ist nicht mehr da.“8 In Hinblick auf diese Aussagen erscheint die Unterscheidung Toporkows zwischen dem technischen Material, welches sich durch neutrale Eigenschaften wie Brucheigenschaften oder Rissverhalten auszeichnet, und dem handwerklichen Material, welches dem empfindenden, wahrnehmenden Individuum zuzuordnen ist, interessant. Sie bekräftigt, dass der visuelle Eindruck von Material und Farbe mehr als ein rein atmosphärisches Phänomen ist, da die gesamte Wahrnehmung von Raum, Farbe und Stoffen durch die Präsenz des Materials im Zusammenwirken mit dem Menschen definiert wird.9 Rohmaterial und Verarbeitung

5 Toporkow nach Rübel 2005, S. 294. 6 Pudor 1910, S. 26. 7 Van de Velde 1902, S. 165. 8 Schwippert 1952 nach Rübel 2005, S. 86 9 Torpokow 1928 nach Rübel 2005, S. 290–294. 10 Hillig 1914, S. 66. 11 Boesinger 1966, S. 192. 12 Ebd. 13 Lüth 1972, S. 70–71.

Besonders beim Umgang mit dem „reinen Material“ lassen die verschiedenen Ausführungsqualitäten die Wertigkeiten des Rohmaterials erst in Erscheinung treten. Während der Malermeister Hugo Hillig bildhaft von den „eisernen Sehnen“ des Stahlbetons sprach10, machte sich Le Corbusier für die unverfälschte Anmutung von Beton stark: „Auf dem rohen Beton sieht man die kleinsten Zufälligkeiten der Schalung: die Fugen der Bretter, die Holzfibern, die Astansätze usw. […] Nun gut, diese Dinge sind herrlich anzusehen. Sie sind interessant zu beobachten und bereichern die, die ein wenig Phantasie haben.“11 Neben den haptischen und texturierten Eigenschaften von Beton, die Le Corbusier auf das Schalungsprinzip bezog, löste jedoch vor allem die Materialfarbe kontroverse Diskussionen aus. „Früher war man der Meinung, der Zement wirke traurig, da er eine traurige Farbe besitze. Diese Meinung ist genauso falsch wie die Behauptung, eine Farbe sei an sich traurig. Eine Farbe erhält ihren Wert nur durch ihre Umgebung“.12 Der Publizist Erich Lüth beschwor die Städtebauer und Architekten indes: „Laßt keine dunkelgrauen Betonwüsten entstehen. Rettet die Wohnlichkeit unserer Architektur durch Farbe, gleich wie: durch farbiges Material, durch Gliederung, auch im Kampfe gegen sterilisierende Vor­ fabrikation der Bauteile.“13 Holz dagegen wird ein warmer und behaglicher Charakter zugeschrieben, der einerseits von der Materialfarbe ausgeht, andererseits von der dem Material zugeschriebenen Natürlichkeit und „Echtheit“. Holz, das als Baustoff ehemals als gewöhnlich, einfach und beinahe arm galt und allenfalls für Stallgebäude eingesetzt wurde, wird in Anbetracht des aktuellen Interesses für „natürliche“ Materialien und zum Erzeugen von Ausdruck und Atmosphäre eines Gebäudes in vielen zeitgenössischen Bauten verwendet und als sinnlich empfunden.

ROHMATERIAL UND VERARBEITUNG

319

Der französische Soziologe und Theoretiker Jean Baudrillard sah die Begründung dafür darin, dass „es seine Substanz der Erde entnimmt, weil es lebt, amtet und ‚arbeitet‘. Es besitzt eine verborgene Wärme, es glänzt nicht bloß wie Glas, es brennt von innen her. In seinem Gewebe hält es die Zeit gefangen, ist also ein ideales Gefäß und zugleich ein Inhalt, den man dem Griff der Zeit entziehen will. Das Holz hat einen eigentümlichen Geruch und sogar eigene Parasiten. Kurz. Dieses Material ist ein Wesen.“14 Die Architekten Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler verbanden die Eigenschaften von Holz und Beton sowohl atmosphärisch als auch konstruktiv beim Neubau eines Einfamilienhauses in Engelberg. Die Raumbildung und -wirkung ist das Ergebnis der Trennung des konstruktiven, tragenden Werkstoffs Beton von dessen umhüllender Verkleidung mit Holz. Während die Tragstruktur in Anlehnung an die Schroffheit der umgebenden Felsformationen aus roh belassenem, unbehandeltem Sichtbeton gebildet wurde, steht die Bekleidung der Einbauten mit großformatigen, industriell hergestellten Sperrholzplatten aus heller Weißtanne im Kontrast dazu. Die Präzision der Fügung zeigt großes handwerkliches Verständnis für die Materialien und deren Raumwirkung. Der Lichteinfall über die Decke verleiht dem Raum eine fast irreale plastische Wirkung. Für das Haus am Moor in Krumbach wurde das Holz von dem Architekten Bernardo Bader im eigenen Wald in Schwarzenberg ausgesucht, beim „richtigen“ Mond geschlagen, gesägt und verarbeitet. Insgesamt 60 Fichten, Tannen und Ulmen wurden für die Konstruktion, Wandflächen, Türen, Bodenaufbau und Bodendielen eingesetzt. Konsequent wurde das natürliche Material ohne Ausschuss von Astlöchern und Fehlstellen verarbeitet, um seine Lebendigkeit sichtbar zu erhalten. Unbehandelte Weißtanne bekleidet die Wohnbereiche, was aufgrund der Schlichtheit und Einfachheit des Materials einen sinnlichen Raumeindruck erzeugt. Sorgsam erfolgte die Zusammenstellung der einzelnen Bretter und ihrer Maserungen. Unbehandeltes Holz verändert sich je nach Baumart, Verarbeitung und Anordnung. Der Einfluss der Witterung und die Intensität der Sonneneinstrahlung bestimmen die Farbigkeit des naturbelassenen Werkstoffs und haben Einfluss auf die Alterungsprozesse. Die jahrhundertealten Bauernhäuser in Vorarlberg mit ihren charakteristischen kleinen Schindeln stehen modernen Neubauten gleicher Materialität gegenüber und bilden über den natürlichen Baustoff Holz ein homogenes Gefüge. Das Holz scheint auf selbstverständliche Art zu vergrauen und ergibt ein reiches Farbspiel von hoher Varianz. In verschiedenen Regionen variiert die Farbigkeit von Materialien wie zum Beispiel Gestein oder Holz je nach Vorkommen, während die Farbigkeit künstlich hergestellter Werkstoffe wie Beton, Putz oder Glas im Vorfeld präziser definiert werden kann. Dennoch wirken diese Farbigkeiten kontextuell unterschiedlich. Das charakteristische Aussehen von Naturstein ist geprägt durch die verschiedenen Abbaugebiete und deren Entstehungsprozesse. Verarbeitungsschritte sind Spitzen, Stocken, Scharrieren oder Polieren.

320

14 Baudrillard 1968, in: ders. 1991, S. 50–51.

bernardo bader architekten, Haus am Moor, Krumbach, Österreich, 2013 Die Anmutung des unbehandelten und geschliffenen Tannenholzes in den Innenräumen erzeugt aufgrund der feinen Verarbeitung einen hochwertigen und ruhigen Innenraum. ROHMATERIAL UND VERARBEITUNG

Andreas Fuhrimann, Gabrielle Hächler, Einfamilienhaus, Engelberg, Schweiz, 2009 Der teilweise zweigeschossige Wohnraum bildet das Zentrum des Hauses. Die abwechslungsreichen Raumwirkungen werden durch die vielfältigen Materialanmutungen von sägerauhem Holz und scharfkantigem Beton angereichert. 321

322

Metalle erhalten ihre natürliche Farbigkeit über die Zusammensetzung der Grundstoffe und der Legierung. Metallische Oberflächen reflektieren und verteilen das Licht, zementöse können Dichte und Stumpfheit erzeugen. Gleichzeitig kann eine Oberfläche oder Fassadenhaut nebulös oder monumental, irritierend oder vermittelnd wirken. Je nach Reliefierung, Perforierung oder Oberflächenbeschichtung verändert das Material, abhängig von Sonneneinstrahlung und Blickwinkel, seine Erscheinung. Für die Architekten der Pitagoras Group bestand die Herausforderung für die Neukonzeption eines Kulturzentrums als Plattform für Kunst und Kreativität 2010–2011 auf dem ehemaligen Marktplatz von Guimarães, Portugal darin, ein Material zu finden, das die Altstadt mit dem Baubestand sowie dem Neubau verbindet und zugleich das große Volumen entmaterialisiert. Mit einer metallisch schimmernden Hülle aus Messingstäben konnte ein zeitgenössisches Material für eine ruhige Fassade gefunden werden, die zugleich in Maßstab und Proportion mit den umgebenden Bauwerken korrespondiert. Die abstrahierte Gestaltung der Baukörper und der kubenartige Eindruck werden durch den monochromen Einsatz der prägenden Materialfarbe verstärkt. Die Metalloberflächen wirken leicht und elegant. Sie schimmern in zahlreichen Farbnuancen. Durch die Vorund Rücksprünge des Volumens entsteht je nach Tages- und Jahreszeit in Verbindung mit den dunklen Grundflächen ein subtiles Lichtspiel. Roh und monumental zeigen sich die Skulpturen des US-amerikanischen Bildhauers Richard Serra aus unbehandeltem Stahl. Die Symbiose der übergroßen Körper aus Form und Material bestimmt den sie umgebenen Raum. Richard Serra, der sagt: „der Raum ist für mich Material“15, lässt die Betrachter die Stahlwände durchwandern und die durch den Stahl gebildeten Raumsequenzen physisch erfahren. Durch den unterschiedlichen Lichteinfall in Zusammenhang mit der Raumkomposition und der Materialstruktur changieren die Objekte in ihrer Farbigkeit. Es erscheinen feinste Farbnuancen und ständig neue Farbeindrücke, die sich nur schwer durch Farbkarten bestimmen lassen. Das brauntonige Rot ist insgesamt von satter Präsenz und Dichte.

15 Serra nach Freund 2007.

Pitagoras Group, Kulturzentrum, Guimarães, Portugal, 2012

ROHMATERIAL UND VERARBEITUNG

Die goldglänzende Oberfläche verändert sich über den Tagesverlauf und erzeugt kontrastreiche bis entmaterialisierte Fassadeneindrücke. 323

Alvar Aalto, Sommerhaus, Muuratsalo, Finnland, 1953

Verschieden gebrannte und gefügte Ziegelsteinwandstücke prägen eine Art Experimentierfeld des um einen Innenhof herum gruppierten Ensembles von Haupthaus, Gästeflügel, vereinzelten Unterstellmöglichkeiten und Schuppen. Einige der Steine hat Aalto eigens für dieses Haus fertigen lassen.

Richard Serra, Torqued Ellipses, 1996–98, Skulptur, Stahl Die großformatigen, rohen, rostigen Stahlskulpturen entwickeln ein breites, facettenreiches Spektrum von Braun- und Rottönen. 324

ROHMATERIAL UND VERARBEITUNG

Materialität in der Architektur geht in der Regel mit einer Textur in Form von Elementen, Stößen oder Fugenbildern einher. Bei den Skulpturen Serras beeindruckt der Umstand, dass diese Elemente anhand nur weniger Nahtstellen auf die überdimensionale Größe der gebogenen Stahlplatten hinweisen. Während elementierte oder gemauerte Architekturen den Prozess des Bauens nachvollziehbar darstellen, wirken die Plastiken Serras trotz des Plattenmaterials wie körperhafte Monumente. Die Ziegelfassade des Sommerhauses des Architekten Alvar Aalto hingegen kommt einem Gewebe gleich. Das Sommerhaus wurde für den finnischen Architekten zum Experimentierfeld. Aufgrund ihrer verschiedenen Rotnuancen und Steinformate mit unterschiedlichen Verlegemustern wirkt die Fassade stofflich. Die Ziegelfarbe bindet das Gebäude und den Vorplatz zusammen. Der Architekt Heinrich Seipp war fasziniert von der farblichen Stimmung, die von Ziegelmauerwerk ausgeht: „Bekannt ist jedem die ungemeine Verschiedenheit der Stimmung, die von Wandflächen aus Ziegeln, je nach der Brandfarbe, ausgeht, von wärmend-sattem, schon außerhalb des Hauses ein entschiedenes Wohnlichkeitsgefühl verbreitendem Rotbraun bis zu einem gewissen nüchternen und frostigen Hellgelb herab; bekannt ebenso die außerordentlich belebende und hebende Kraft der Glasursteine im Ziegelrohbau, die auf ihrer meist lebhafteren Farbe, ihrem spiegelnden Glanz und der Kontrastwirkung mit dem übrigen Material beruht.“16 Bei Gebäuden, die ausschließlich verputzt sind und die Seipp als „trostlos und öde“ bezeichnete, erachtete er eine Farbe oder Ornamentik als notwendig. Für Franz Geiger hatte der Putzbau „nichts mit dem echten Wesen der Moderne zu tun, da er die Konstruktion verhüllt und oft eine architektonische Lüge darstellt, auch die Farbgebung durch natürliches Material beeinträchtigt und zu künstlichen Hilfsmitteln, um diesen Zweck zu erreichen, seine Zuflucht zu nehmen gezwungen ist. […] Die Materialgerechtigkeit ist eine der ersten Erfordernisse wahrer Baukunst, und mit dieser fällt der Putzbau. […] Der Putzbau ist ein Surrogat für den Werksteinbau.“17 Material versus Farbe

16 Seipp 1902, S. 372 f. 17 Geiger 1902, S. 370. MATERIAL VERSUS FARBE

Der von Mies van der Rohe für die Weltausstellung in Barcelona 1929 entworfene Pavillon (1983–1986 originalgetreu wiederaufgebaut) ist das wohl bekannteste Beispiel für Materialfarbigkeit in der Architekturgeschichte. Dabei war nicht die Verwendung von Material in seiner Eigenfarbigkeit neu, sondern die klare, strenge Komposition, die Präzision der Fügung und der Einsatz von Marmor in der Art raumhoher Tafelbilder. Die ordnenden Wandscheiben aus verschiedenen Marmorarten ermöglichen einen freien Grundriss, der den Innen- und Außenraum miteinander verschmelzen lässt. Durch Spiegelungen in der außen liegenden Wasserfläche und das hochglanzpolierte Material erscheint der Innenraum im Sinne des offenen Raumflusses nach aussen erweitert. Für den Sockel und den Boden wurde ein heller römischer Travertin verwendet, der sich im Sonnenlicht fast ins Immaterielle aufzulösen scheint. Das Prinzip der frei stehenden 325

Die Materialien können die einzigen Farben in der Architektur sein.18 John Ruskin

Carlo Scarpa, Fondazione Querini Stampalia, Venedig, Italien, 1963 326

Scarpa arbeitet mit verschiedenen Größenelementen aus Metall, Stein- oder Keramik eine collagenartige Raumkomposition aus und verzahnt unterschiedliche Materialfarben und Glanzgrade mit bestehender Bausubstanz.

raumbildenden Wand wurde mit der Idee verbunden, den textil anmutenden, gelb-rötlichen Onyxmarmor (Serpentinit) präsent ins Bild zu setzen. Großflächig und prominent eingesetzt, bildet das wertvolle Material einen Kontrapunkt zu der durch das Verwenden von Stahl und Glas definierten Architekturästhetik. Die raumbegrenzenden Wände aus grünem Marmor (Vert antique und Tinos-Marmor) sind objekthaft angeordnet (siehe S. 37–76). Auch der Architekt Carlo Scarpa setzte Materialfarbigkeit kompositorisch auf vollkommene Weise ein. Neben dem Thema der räumlichen und collageartigen Schichtung, das in seinen Arbeiten immer wieder umgesetzt wird, ist seine Architektur von seinem Verständnis für Material und dem präzisen Umgang mit Details geprägt. Die von ihm verwendete Darstellungstechnik der Collage ermöglicht ein additives Zusammenfügen von neuen Elementen in Kombination mit alter Bausubstanz. In der Bibliothek der Fondazione Querini Stampalia in Venedig ist der besondere Umgang mit Licht, Material, Farbe und Wasser deutlich spürbar. Ein Gefüge aus Stufen und Treppen prägt den Innenraum ebenso wie ein Bodenmosaik, das aus quadratischen, scheinbar zufällig farbig angeordneten Marmorflächen besteht. Die bewegte Oberfläche wird durch steinerne Aufkantungen gefasst, die das bei Hochwasser eindringende Wasser in die Gestaltung mit einbeziehen. Durch die materielle Schichtung des Bodens separierte Scarpa verschiedene funktionale Zonen, die nicht zwingend deckungsgleich mit der räumlichen Anordnung sind. Farbige Wand- und Deckenpaneele sowie der Kontrast von glänzenden und mattierten Oberflächen, starker Farbigkeit und zurückhaltenden Materialien geben den Bereichen ihre spezifische Atmosphäre und lassen eine detailreiche Raumcollage entstehen. Bearbeitungsspuren, Alterungsprozesse und Gebrauchsspuren oder Spolien werden thematisch eingeflochten und zum Motiv des Werkes. Sie liefern wichtige Informationen über die eingesetzte Materialität und deren Struktur. Die daraus resultierende Atmosphäre stellt die Architektur in einen größeren Sinnzusammenhang und lässt vielfältige Assoziationen zu. Die Materialien werden zu einem lebendigen Werkstoff, der aufgrund seiner ihm zugestandenen Veränderbarkeit eine Art Eigenleben verkörpert. Scarpa setzt flächenartige, miteinander verzahnte Elemente bewusst in verschiedenen Größen ins Verhältnis zueinander. Oftmals verlegt er verschiedenfarbige Tesserae, kleine viereckige Plättchen aus Stein oder Keramik, auf Fußböden und gestaltet mit ihnen Mosaiken.

18 Ruskin nach Meerwein 2007, S. 50. MATERIAL VERSUS FARBE

327

De architectengroep und SeArch, Niederländische Botschaft in Addis Abeba, Äthiopien, 2005 328

Der eingefärbte, satte, rote Beton bezieht sich auf die in der Region vorgefundene Farbigkeit der roten Felsformationen im Norden Äthiopiens.

Gefärbtes Material Über das Einfärben und Beschichten eines Materials kann eine Materialentfremdung stattfinden, da die Färbung als Applikation wahrgenommen wird und das ursprüngliche Material überdeckt. Das Pigmentieren oder Durchfärben eines Materials negiert nicht dessen Eigenschaften wie Saugfähigkeit oder Inhomogenität, sondern hebt diese anschaulich hervor, was zu einer anmutigen Lebendigkeit führt. Nach wie vor bleibt der Materialcharakter erhalten. Besonders geeignet hierfür ist der Beton, der in der Herstellung schon zu 80 Prozent aus Zuschlägen besteht. Neben den Rohstoffen wirkt sich auch das Fertigungsverfahren auf die Intensität der Durchfärbung aus. Inspiriert von den roten Felsformationen im Norden Äthiopiens, verwendeten die Architekten De architectengroep und SeArch für die Niederländische Botschaft in Addis Abeba 1998–2005 ein rotes Pigment zur Einfärbung des Ortbetons. Das einfallende Licht bringt das gefärbte Material intensiv zum Leuchten oder verändert es in seiner Farbigkeit stark. Der Beton wurde vor Ort geschalt und eingebracht. Die Gliederung der Fassaden entspricht der Position der Schalbretter. Das Gebäude nimmt so Bezug auf seine Umgebung, anstatt als Fremdkörper zu wirken. Während vor der industriellen Revolution für die Bauproduktion nur eine eingeschränkte Farbpalette zur Verfügung stand, die sich häufig aus der Farbigkeit des Materials ergab – gebrannte Ziegel/Klinker, Sandstein, Fliesen oder eingefärbter Zement – oder aus technischen Gegebenheiten wie haltbaren Bindungen resultierte, eröffneten sich mit der künstlichen Herstellung von Pigmenten und Farbstoffen neue Möglichkeiten. Dies änderte auch die Verwendung von Farbe. Das bekannteste Beispiel hierfür ist das Technische Verwaltungsgebäude der Hoechst AG, eines 1863 gegründeten Farbwerks zur Herstellung synthetischer Farbstoffe, das von 1920–1924 vom Architekten Peter Behrens errichtet wurde. Der heute unter Denkmalschutz stehende expressionistische Bau versinnbildlicht die Vorstellung einer Industriekultur, in der sich Raumfolgen, Licht und Farbe zu einem Gesamtkunstwerk fügen. Das prägnanteste Bauteil ist die zentrale, fünfgeschossige Kuppelhalle, die über drei kristalline Glaskuppeln belichtet wird. Auf die ursprünglich angedachte großflächige Verwendung von Sandstein wurde aufgrund knapper Materialressourcen zugunsten regional verfügbarer Ziegel verzichtet. Wie Stalaktiten muten die tragenden Pfeiler an, die in Masse und Anzahl der Ziegelsteine nach oben hin zunehmen und den fließenden Raumeindruck der Halle verstärken. Der Blick wird nach oben gelenkt und durch das von oben einfallende Licht in Schwingung versetzt. Die Pfeiler sind mit einer dünnen Lasur in den Spektralfarben überzogen. Beginnend mit einem schwach wahrnehmbaren Grün im Untergeschoss bauen sich die Farben an den getreppten Pfeilern über Blau und Rot bis zu einem hellen Gelb unter den Kuppeln auf. Durch die zunehmende Helligkeit in den oberen Geschossen balancieren die Farben die massige Wirkung der nach oben stärker werdenden und den Raum verengenden GEFÄRBTES MATERIAL

329

Die Materialität des Trägermaterials schimmert durch, „sodass sich die Malerei wie eine transzendente Himmelssphäre mit der irdischen Raumschale zur sakralen Aussage verdichtet.19

Pfeiler geschickt aus. Bodenmosaike aus unterschiedlich glasierten Backsteinen in komplexen Formverschränkungen, die sich sowohl im Erdgeschoss als auch in den Galerien wiederfinden, unterstützen die sakrale Anmutung. Geschickt verwob Behrens die architektonische Anmutung der Abbildung der Geschäftsfelder des ursprünglichen Auftraggebers. Die Farbigkeit wurde nicht allein für die Zuordnung zu Fensterrahmen, Türen und Wänden oder inhaltlichen Funktionen eingesetzt, sondern auch im dreidimensionalen Raum. Durch die Art und Weise, wie die Farbtöne räumlich und systematisch zugeordnet und gestaffelt sind, werden das Abstrakte und das Transzendierende und damit zwei wesentliche Grundauffassungen der Anwendung von Farbe miteinander verknüpft. Die monochrome, blaue Lasur im Andachtsraum des Dominikuszentrums in München, eines geistlichen Zentrums mit sozialen Einrichtungen, das 2003–2008 von Meck Architekten gebaut wurde, entwickelt symbolische Kraft. Das Gebäude, das über einen bewusst niedrig gehaltenen Eingang mit bronzeverkleideten Drehtüren erschlossen wird, überrascht den Besucher mit einem unerwartet intensiven Raumerlebnis, in der die Farbe und der Raum als Einheit wirken. Die Farbe Blau bildet die innere architektonische Hülle des Andachtsraumes und gibt dem Raum neben der besonderen Farbstimmung des Lichts geistigen Inhalt. Blau ist das Zeichen für das Himmlische, das Göttliche und die Farbe der Maria. Das monochrome Wandbild „Raumikone 2“ der Künstlerin Anna Leonie setzt das Konzept des blauen Raumes vielschichtig um. 27 pigmentierte Lasurschichten wurden von Hand auf die Torfbrandziegel aufgetragen, welche die Farbe Blau in verschiedener Intensität leuchten lassen. Die Materialität des Trägermaterials schimmert durch, „sodass sich die Malerei wie eine transzendente Himmelssphäre mit der irdischen Raumschale zur sakralen Aussage verdichtet“.19 330

19 Leonie 2008.

Peter Behrens, Verwaltungsgebäude der Hoechst AG, Höchst, 1924

Meck Architekten und Anna Leonie (Wandbild), Andachtsraum Dominikuszentrum, München, 2008 GEFÄRBTES MATERIAL

Farbe, Form und Licht entwickeln in diesem Innenraum von Peter Behrens ein intensives Zusammenspiel und eine sakrale Anmutung. Die über die Pfeiler entstehende Vertikalität wird durch einen Farbverlauf gleichzeitig strukturiert und verwoben. 331

Architektengruppe Saad El Kabbaj, Driss Kettani und Mohamed Amine Siana, Laayoune Technology School, Ajun, Marokko, 2014 332

Die komplexen Verschränkungen von Farbe und Formen und die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten der Flächen und Körper interagieren mit dem wechselnden Licht- und Schattenspiel und gehen immer wieder neue Verbindungen ein.

Material, Farbe und Erscheinung Der Architekt und Publizist Arthur Rüegg unterscheidet in seinen Schriften zur Polychromie zwischen Materialfarbe – in „ehrlicher“ Materialfarbe belassene Bauteile wie Stein, Holz und Beton, Bekleidungen wie Putz, Stuck, Glas und Metall – und Farbenfarbe als Anstrich von Oberflächen. Innerhalb dieser Unterscheidung spreizt sich eine Bandbreite von Erscheinungen auf. Gerade bei texturiertem oder gemasertem Material bestimmen aufgrund der spezifischen Materialart die Eindringtiefe des Lichts und die Reflexionsart die Wirkung. Durch die entstehenden Verschattungsfarben erhalten die Betrachter einen differenzierten und lebendigen Farbeindruck. Der Einsatz von Füge- oder Schalungsstrukturen kann auch bei auf den ersten Blick unscheinbaren Materialien eine besondere Sinnlichkeit hervorrufen. Das Polieren oder Klarlackieren kann verborgene Materialstrukturen deutlich hervortreten lassen und stumpfes Material zum Ornament erheben. Wiederum kann das der Farbe innewohnende Verwandlungspotenzial das Material bis zur Unkenntlichkeit verfremden oder Texturen lesbar machen. Eine Farbaufnahme und damit Farbwirkung hängt unmittelbar mit der Beschaffenheit einer Trägeroberfläche zusammen. Die gleiche Farbe bringt auf unterschiedlichem Grund unterschiedliche Erscheinungsarten hervor. Der konsequente Einsatz von Farbe kann auf religiöse und kulturelle Gebräuche verweisen, der Codierung von Räumen dienen, den Inhalt und Zweck von Nutzungen aufzeigen, und somit über die ästhetische Komponente hinaus Botschaften vermitteln, Unterscheidungen treffen und Signale zur Orientierung aussenden. Es können aber auch mit relativ einfachen Mitteln tradierte Wirkungsmuster verändert werden. Die Wahrnehmung ist relativ und von der jeweiligen Umgebung abhängig. Eine Farbfamilie kann verbinden, ein Ensemble stärken oder differenzieren und verfremden. Die Material- und Farbwahl folgt nicht nur konstruktiven Gründen oder der Nutzung regionaler Ressourcen, sondern ist häufig eng mit der Identität und der Kultur einer Region und der dort vorherrschenden Tradition und Handwerkskunst verwurzelt. So hat sich über einen langen Zeitraum die Eigentümlichkeit lokaler Farben und Baumaterialien herauskristallisiert. Die Intensität und Strahlkraft der Farben Nordafrikas begeistern seit Jahrhunderten die Menschen. Kobaltblau, nach seinem Erfinder Jacques Majorelle auch Majorelle-Blau genannt, und Zitronengelb sind nur zwei Farbtöne, die den berühmten Garten Jardin Majorelle in Marrakesch, Marokko, dominieren. Spezielle Putztechniken wie zum Beispiel Tadelakt, bei dem Kalk als Putz aufgetragen und, mit Steinen verdichtet, auf Glanz gebracht wird, lassen die Grenzen zwischen Materialfarbe und Farbenfarbe verschwimmen. Abseits des Stadtzentrums von Ajun, Marokko, verteilen sich die 14 Volumen des neuen Universitätscampus der Laayoune Technology School, die 2014 von der Architektengruppe Saad El Kabbaj, Driss Kettani und Mohamed Amine Siana errichtet wurde. Die Struktur aus Stahlbeton, die MATERIAL, FARBE UND ERSCHEINUNG

333

Ricardo Bofill, Apartmentgebäude La Muralla Roja, Calp, Spanien, 1973 334

Mithilfe der Farbe werden die Baukörper zu ausmodulierten Skulpturen, die innerhalb ihrer zugeordneten Farbeinheiten Identitäten entwickeln und den Erschließungsräumen zugeordnet sind. MATERIAL, FARBE UND ERSCHEINUNG

mit grobem Putz überzogen wurde, der wiederum mit einer ockerfarbenen Vinylfarbe versehen wurde, interpretiert die alten marokkanischen Lehmbauten und die Farben der Sahara neu. Obwohl das architektonische Repertoire reduziert ist und streng geometrisch bleibt, ergibt sich aus dem Spiel von Verschneidungen und Rücksprüngen eine vielschichtige visuelle Überblendung der Formen. Licht und Schatten erzeugen komplexe grafische Figuren in Form eines temporären Farbkanons. Nicht weniger intensiv leuchtet das Apartmentgebäude La Muralla Roja des Architekten Ricardo Bofill in Calp, Spanien. Geformt wie eine Festung, sitzt der Komplex an den felsigen Klippen der spanischen Ostküste und folgt dem konstruktivistischen Prinzip des Zusammensetzens einzelner Module. Die äußeren Fassaden erscheinen in verschiedenen Rottönen, um den Kontrast zur umgebenden Landschaft zu akzentuieren. In Anlehnung an die Bauten des arabischen Mittelmeerraumes werden die traditionellen Kasbahs und die Zitadellen mit Türmen, Zinnen und Wehrgängen neu interpretiert. Was auf den ersten Blick unübersichtlich erscheint, erweist sich als präziser geometrischer Plan. So entstand ein Ensemble aus miteinander verbundenen Innenhöfen, Treppen, Durchbrüchen und Auskragungen, die hinter jeder Ecke aufs Neue überraschen und ein neues Miteinander ergeben. Die Anwendung eines Spektrums verschiedener Farbwelten resultiert aus dem Wunsch, den verschiedenen architektonischen Elementen, ihren strukturellen Funktionen folgend, eine Ablesbarkeit zu geben. Treppen und Verkehrsflächen wurden mit verschiedenen Blautönen wie Himmelblau, Indigo und Violett belegt. Dies erzeugt je nach Jahreszeit und Sonnenstand einen starken Kontrast zum Himmel oder vermischt sich mit dem Firmament. Die Intensität der Farben wird beeinflusst vom Licht und der Tiefenwirkung, welche die Wahrnehmung des Raumes bei gleicher Farbigkeit verändert. Die kräftigen Farben grenzen die Bereiche voneinander ab, unterstreichen jedoch nicht die rein zweidimensionale Flächigkeit von einzelnen Bauteilen. Im Gegenteil: Mit der Fortsetzung der Farbigkeit in der Körperhaftigkeit werden in Kombination mit Belichtungsszenarien skulpturale Raumkörper moduliert. 335

Die Kirche St. Fronleichnam in Aachen, 1930 nach den Plänen von Rudolf Schwarz erbaut, setzt die Konventionen der bis dato geltenden neugotischen Kirchenbauformen gekonnt außer Kraft. Schwarz selbst bezeichnete sie als kompromisslos für seine Zeit. Der lang gestreckte kubische Raum ist vollkommen auf die Nichtfarben Weiß und Schwarz reduziert. Weiß verputzte, schmucklose Seitenwände sowie die weiße Altarwand kontrastieren mit dem Schwarz des Natursteins. Der dunkle Ardenner Blaustein geht vom Boden nahtlos über die Altarstufen in den Altarbereich über. Die Bestuhlung aus schwarz gebeiztem Holz verbindet sich mit der Materialfarbe des Bodens, sodass beides als Einheit wahrgenommen wird. Die untypische Verwendung traditioneller Materialien und Bauformen verändert und irritiert das gewohnte Sehverhalten. So haben die Architekten des Studios Sol89 für die Umnutzung eines ehemaligen Schlachthauses zu einer professionellen Kochschule die typische Bauform und Farbigkeit der Umgebung aufgenommen und neu arrangiert. Durch die verknüpfende Verwendung von Farbe und Material erscheint die neue Dachlandschaft abstrakt und homogen. Ihre unterschiedlichen Elemente werden optisch gefasst und erhalten eine neue Identität. Anstelle der traditionellen, gerundeten, erdfarbenen Tonziegel verwendeten die Architekten für das neue Schrägdach eine flache Keramik in einem kräftigen Rotton. Diese zeitgenössische Intervention verbindet das Ensemble zu einer überzeugenden Einheit und wahrt dennoch die Tradition des Kontexts.

Sol89, Umnutzung eines ehemaligen Schlachthauses in eine Kochschule, Medina, Spanien, 2011

Rudolf Schwarz, Kirche St. Fronleichnam, Aachen, 1930

Die topografische Wirkung der Dachlandschaft wird über die rote Farbigkeit und den präzisen und scharfkantigen Übergang von Wand- zu Dachfläche erzeugt.

Ein hoher, lichtdurchfluteter Weißraum wird in starken Kontrast zu der aufgrund der schwarzen Bestuhlung wie ein Bodenrelief wirkenden Farbigkeit des Bodens gesetzt.

336

MATERIAL, FARBE UND ERSCHEINUNG

337

Verfremdung des Materials Das unbehandelte, natürliche und reine Material steht im Gegensatz zum beispielsweise durch Farbe bewusst verfremdeten Material. Glatt oder rau, glänzend oder matt, dicht oder porig, schillernd oder einfach kann eine Oberfläche derart manipuliert wirken, dass das Gesamtbild ausschließlich durch Farbe definiert wird. Es ist primär eine Frage der Strategie, an welchem Ort Farbe Anwendung findet, welcher Farbträger gewählt wird und in welcher Form und Funktion sie eingesetzt werden soll. Anders als noch in der Moderne, gibt es heute keine Farbtheorie mit dem Anspruch auf allgemeine Gültigkeit mehr. Farbe kann als Material fungieren, und Material kann eine bestimmte Farbigkeit erzeugen. Wird die Farbe bewusst in einen neuen Farb- und Materialzusammenhang gesetzt, so kann sie unerwartete, neue Wirkungsebenen aufzeigen. Ein Projekt, das architektonische und ästhetische Konventionen infrage stellt, ist das „Dirty House“ in London von David Adjaye. Bewusst als Gegenentwurf zur „Mainstream-Architektur der 2000er-Jahre“ formuliert, wirft das schwarze Gebäude mit tief eingeschnittenen Fensteröffnungen und einem schwebenden weißen Flachdach viele Fragen auf. Der simple Brandschutzanstrich, der überall in der Stadt Straßenlaternen und Stromkästen überzieht, veredelt das Ungestaltete und setzt die bewusste Antiarchitektur in Szene. Noch extremer ging das holländische Architekturbüro MVRDV mit seinem „Didden Village“ in Rotterdam vor. Auf dem Dach einer ehemaligen Kleiderfabrik errichtet, ist das Projekt nicht nur eine provokante Geste gegenüber dem Establishment, sondern auch ein Prototyp für die Verdichtung alter, bereits bestehender Stadtteile auf der bislang ungenutzten Dach­ebene. Anstelle eines überdimensionalen Volumens entstand mit dem architektonischen Eingriff ein differenzierter Lebensraum, eine Stadt en miniature. Die gesamte Konstruktion wurde mit einem Polyurea-Spritzcoating abgedichtet und dann mit einer zusätzlichen Deckschicht aus hellblauem Polyurethan überzogen. Mit dieser Deckschicht konnten Terrasse, Dach und Fassaden der Dachaufbauten nahtlos abgedichtet werden, sodass eine widerstandsfähige, wasserundurchlässige Membran rund um die vorgefertigten Holzrahmenwände geschaffen wurde. Der Farbton NCS 1560-R90B wurde in Anlehnung an die Farbe des Himmels gewählt. Bei Sonnenschein kommt der artifizielle Charakter des leuchtenden Dachaufbaus besonders deutlich zur Geltung. Der Künstler Florentijn Hofman hatte kurze Zeit vorher ein ähnliches Konzept genutzt, um auf eine vom Abriss bedrohte Häuserzeile in Rotterdam aufmerksam zu machen. Er überzog die komplette Fassade inklusive aller Fenster und Öffnungen mit blauer Latex-Dispersionsfarbe.

338

Florentijn Hofman, Beukelsblauw, Rotterdam, Niederlande, 2004–2006, 115 × 15 m, Latexdispersion auf Gebäude Die Verfremdung durch die blaue Farbe rückte die unscheinbare, verwahrloste Häuserreihe in den Fokus der Aufmerksamkeit, was sie jedoch nicht vor dem Abriss bewahrte. VERFREMDUNG DES MATERIALS

Folgeseiten: MVRDV, Didden Village, Rotterdam, Niederlande, 2006 Die homogene Farbschicht verbindet die einzelnen Bauteile zu einem großen, fast schon surrealen Ganzen, dem sich die Details unterordnen. 339

340

VERFREMDUNG DES MATERIALS

341

Das Projekt „Haus aus Staub“ in Rom von Antonino Cardillo arbeitet mit wenigen, aber wirkungsvollen Materialinterventionen an der Grenze zwischen Realität und Fiktion. In einer Wohnung aus den 1960er-Jahren wurden unterschiedlich farbige und texturierte Oberflächen in starken Kontrast zueinander gesetzt, wodurch gleiche Farbtöne vollkommen verschieden inszeniert werden. Es entstehen teilweise kräftige Farbwelten, die im Zusammenklang mit Licht und Schatten unterschiedliche Atmosphären ergeben. Das Aufbringen von grobem, erdfarbenem Putz – der sogenannten Staubschicht – bis zu der Höhe eines künstlichen Horizontes, an den auch alle Fenster und Durchgänge anschließen, erzeugte eine höhlenartige Anmutung. Der von Hand mit der Kelle aufgetragene grobe Putz, der nachträglich gefärbt wurde, sowie der polierte Zementputz prägen den Hauptraum. Ein Wechsel in der Farbigkeit – von Graubraun zu einem Rosé-Farbton – trennt den öffentlichen und den privaten Bereich der Wohnung. Die Verfremdung des Materials über die Mittel Farbe und Struktur überrascht und erzeugt zugleich ein Gefühl von Geborgenheit. Je nach Lichtsituation ändert sich die Stimmung in den Räumen. Daran wird deutlich, wie relativ Farbempfinden ist. Ein Beispiel für die Nutzung neuer Fertigungsmethoden, ohne die ein gewünschter gestalterischer Ausdruck nicht herstellbar wäre, ist die Erweiterung des Bündner Kunstmuseums in Chur, Schweiz, das 2012–2017 von Barozzi Veiga errichtet wurde. Das turmartige Erschließungsbauwerk besticht durch eine Hülle aus einem hellen, nahezu transluzenten Relief, das sich an der Ornamentik des Bestandsgebäudes orientiert. Es handelt sich dabei nicht um dreidimensionale Einzelelemente, sondern um vorgefertigte hellgraue Betonteile, deren Oberflächen über Strukturmatrizen gestaltet wurden. Die Ornamente mit einer Größe von 50 mal 50 Zentimetern wurden zu Fertigteilen in einer Größe von bis zu 4 mal 4 Metern zusammengefügt, die vor Ort an den Rohbau montiert wurden. Die Kassetten für die Öffnungsbereiche wurden als gitterartige Bauteile in Sichtbetonqualität in mehreren Arbeitsschritten erstellt. Auch die Metalltür im Anlieferungsbereich setzt das Prinzip des Ornaments fort. Dessen Dreidimensionalität zeigt sich allerdings erst auf den zweiten Blick. Eine spezielle Betonrezeptur aus Weißzement und Jurakalk erzeugt die helle Farbigkeit der Fassade. 342

Antonino Cardillo, Wohnung „Haus aus Staub“, Rom, Italien, 2013 VERFREMDUNG DES MATERIALS

Grober Putz kontrastiert mit glatten Flächen und erzeugt über die gemeinsame Farbigkeit trotz unterschiedlicher Oberflächenstrukturen eine zusammenhängende Raumwahrnehmung. 343

Barozzi Veiga, Erweiterung des Bündner Kunstmuseums, Chur, Schweiz, 2016 344

Die hohe Präzision in der Ausführung des in horizontaler und vertikaler Ausrichtung detaillierten Fassadenmotivs konnte durch den Einsatz von vorgefertigten Elementen gewährleistet werden. VERFREMDUNG DES MATERIALS

345

Teil 3

Anhang

Glossar Absorption Die Absorption von Licht ist eine physikalische Wechselwirkung, bei der Licht Energie an Materie abgibt. Eine völlig absorbierende Oberfläche erscheint schwarz. Das Gegenteil von Absorption ist Reflexion. Die farbige Wirkung von Oberflächen entsteht dadurch, dass bestimmte Wellenlängen absorbiert und andere reflektiert werden.

Diffusion Streuung des Lichts und Farblichts an einer rauen Oberfläche durch kleinteilige Reflexion in viele Richtungen. Diffuses Licht ist ungerichtet und wirft kaum Schatten. Die über den Tagesverlauf wechselnden Farben des Himmels entstehen durch die Streuung der unterschiedlichen Anteile des Sonnenlichts an den Gasmolekülen der Erdatmosphäre.

Abstraktion Abstraktion ist ein Denkprozess mit dem Ziel der Reduktion auf das Wesentliche bis hin zur völligen Vereinfachung. Farbe überlagert einen Raum so, dass seine Details und Kanten visuell in den Hintergrund treten, der Raum löst sich scheinbar auf.

Disposition Die Farbe wird in Abhängigkeit von Raum und Untergrund eingesetzt und unterstützt dessen Ausformung.

Adaption Als Adaption wird die Fähigkeit des Auges sich an unterschiedliche Lichtverhältnisse anzupassen bezeichnet. Autonomie Die Farbe als Medium wird unabhängig vom Träger (zum Beispiel Bildfläche, Raumoberfläche) eingesetzt. Beschichtung Unter dem Oberbegriff Beschichtung sind alle im Bauwesen üblichen farbigen Anstriche, Lacke, aber auch Schutzsysteme und Spachtelmassen zusammengefasst. In der DIN EN ISO 4618 Beschichtungsstoffe – Begriffe wird die Benennung nach folgenden Kriterien definiert: Bindemittel oder Harz wasserverdünnbar (z. B. Acrylat-Dispersion, EpoxidharzDispersion, Elektrotauchlack, Polyurethan-Dispersion, Silicatfarbe, u.a.); lösungsmittelhaltig (Alkydharzbeschichtung, Epoxidharzbeschichtung, Polyurethanbeschichtung, Polyesterbeschichtung, u.a.) Verarbeitung Pulverlack, Pulverbeschichtung, Einbrennlack, KTL-Beschichtungsstoff, Bandbeschichtungsstoff, u.a. Lage im Beschichtungssystem Grundbeschichtungsstoff, Zwischenbeschichtungsstoff, Deckbeschichtungsstoff oder Decklack. Die DIN 55945 Beschichtungsstoffe und Beschichtungen – Ergänzende Begriffe zu DIN EN ISO 4618 ergänzt diese Norm um Definitionen für die Bezeichnungen einzelner Anstrichstoffe. Für die bauphysikalischen Eigenschaften eines Beschichtungsstoffes werden in der DIN EN 1062-1 Beschichtungsstoffe und Beschichtungssysteme für mineralische Substrate und Beton im Außenbereich, Teil 1: Einteilung Kenngrößen wie Wasserdampf-Diffusionsstromdichte, Durchlässigkeit von Wasser, Kohlenstoffdioxid-Durchlässigkeit, Glanzgrad, Schichtdicken, Korngröße u.a. definiert. Diffusität Diffusität ist eine unklare, ungeordnete, konturlose oder verschwommene Beschaffenheit einer Sache oder eines Sinneseindrucks.

348

Dissonanz Der beabsichtigte Bruch mit den Gesetzen der Harmonielehre erzeugt eine Dissonanz. Entmaterialisierung Farbe trägt dazu bei, dass sich der Untergrund oder das Raumgefüge scheinbar auflösen. Farbe Im deutschen Sprachgebrauch steht der Begriff Farbe sowohl für die Farbigkeit von Licht und Oberflächen als auch für Anstriche und Beschichtungen. Das Englische unterscheidet hier zwischen colour und paint. Definition nach DIN 5033 Farbe ist diejenige Gesichtsempfindung eines dem Auge des Menschen strukturlos erscheinenden Teiles eines Gesichtsfeldes, durch die sich dieser Teil bei einäugiger Beobachtung mit dem unbewegtem Auge von einem gleichzeitig gesehenen, ebenfalls strukturlos angrenzenden Bezirk allein unterscheiden kann. Körperfarbe Die von Oberflächen reflektierten Farben werden als Körperfarben bezeichnet. Wenn neutrales, als farblos wahrgenommenes, Licht auf eine farbige Fläche fällt, so werden dem Licht durch Absorption bestimmte spektrale Anteile entzogen. Die ins Auge reflektierte Reststrahlung löst eine entsprechende Farbempfindung aus; die Farbe der Oberfläche entsteht also aus den nicht absorbierten Anteilen des farbigen Lichtspektrums. Dabei haben die Oberflächen von festen Stoffen ein kontinuierliches Remissions- bzw. Absorptionsspektrum, das heißt sie reflektieren und absorbieren Lichtenergie jeglicher Wellenlänge. Das Verhältnis zwischen absorbierten und reflektierten Energieanteilen kann in verschiedenen Bereichen des Spektrums unterschiedlich sein; so entsteht mit dem Wechsel der Lichtverhältnisse ein unterschiedlicher Farbeindruck. Lichtfarbe Farben, die durch farbige Lichtquellen oder gefiltertes Licht entstehen, werden als Lichtfarben bezeichnet. Kurzwelliges Licht erzeugt das Blauspektrum, mittelwelliges Licht das Grünspektrum und langwelliges Licht das Rotspektrum. Pigment Pigmente bilden die Grundlage von Malfarben und Farben in der Architektur. Sie sind pulverförmig, bestehen aus mikroskopisch kleinen Teilchen eines festen Stoffs, und sind nicht in Flüssigkeit löslich. Zur Verwendung als Anstrich

oder Beschichtung werden sie mithilfe von Bindemitteln, Füllstoffen und Lösungsmitteln angemischt. In der Natur vorhandene Minerale, sogenannte Erdfarben, wurden seit jeher zur Herstellung von Pigmenten verwendet. Seit dem 18. Jahrhundert werden durch chemische Verfahren künstliche Pigmente gewonnen. Farbmischung Subtraktive Farbmischung Die Mischung von Körperfarben wird als subtraktive Farbmischung bezeichnet, da hier Licht „subtrahiert“, das heißt absorbiert wird. Die Grundfarben der subtraktiven Farbmischung sind Magenta, Cyanblau und Gelb. Aus diesen Grundfarben lassen sich alle anderen Farben erzeugen. Die Mischung aller Farben ergibt bei der subtraktiven Farbmischung Schwarz; erscheint eine Fläche schwarz, so absorbiert sie die Strahlungen aller Wellenlängen. Additive Farbmischung Bei der additiven Farbmischung fügen sich die verschiedenen Wellenlängen des Lichts zu einer neuen Lichtfarbe zusammen. Die Grundfarben der additiven Farbmischung werden sichtbar, wenn das Tageslicht über ein Prisma in seine Farbanteile aufgeteilt wird: Rot, Grün und Blau zusammengemischt addieren sie sich wieder zu weißem Licht. Farbwiedergabe Der Zusammenhang zwischen Lichtfarbe und Körperfarbe führt zu einer Abhängigkeit von gesehener Farbe und Licht; insbesondere bei der Planung von Kunstlicht ist dies zu berücksichtigen. Die DIN 6169 Farbwiedergabe. Allgemeine Begriffe definiert Farbwiedergabe als die Beziehung zwischen der Originalfarbe eines Objektes und dessen Wiedergabefarbe. Der Farbwiedergabeindex (Ra) beschreibt die Qualität der Farbwiedergabe von Lichtquellen. Er bewegt sich im Bereich von 1 bis 100, wobei alle Stufen des Ra über 80 als gute Farbwiedergabe betrachtet werden können. Farbton Die drei Eigenschaften Farbton, Helligkeit und Farbsättigung beschreiben eine Farbe. Der Farbton unterscheidet dabei die Farbe grundsätzlich von einer anderen; die Werte Helligkeit und Farbsättigung variieren den Farbton. Glanzgrad In der DIN EN 1062-1 wird unterschieden zwischen G1 glänzend, G2 mittlerer Glanz und G3 matt. Dabei wird das Verhältnis zwischen dem eingestrahlten und dem von der Oberfläche reflektierten Licht in Abhängigkeit von einem definierten Messwinkel mit einem sogenannten Reflektometer gemessen. Die Einheit ist GU (Glanzeinheit, englisch gloss unit); der Wert liegt zwischen 100 GU und einem Minimalwert von 0 GU für eine absolut matte Oberfläche. Illusion Eine Illusion ist eine Sinnestäuschung in der Form einer falschen Deutung sinnlicher Wahrnehmungen, wie zum Beispiel visuellen Reizen.

GLOSSAR

Interferenzen Als Interferenz wird die Änderung der Amplitude von zwei oder mehr Lichtwellen durch Addition bei der Überlagerung bezeichnet. Bei der Reflexion von Licht an dünnen, transparenten Schichten innerhalb eines Materials können als Interferenzfarben bezeichnete Farberscheinungen entstehen. Kinetik / kinetischer Effekt Kinetik ist ein Teilgebiet der Physik, das sich mit dem Zusammenhang zwischen den Kräften und den daraus folgenden Bewegungen eines Körpers beschäftigt. Wenn sich ein Objekt mit der Bewegung des Betrachters scheinbar verändert, spricht man von einem kinetischen Effekt. Kontraste Farben stehen nie isoliert, sondern reagieren auf ihre Umgebung. Johannes Itten hat in seiner Farbenlehre 1961 sieben Farbkontraste definiert: Farbe-an-sich-Kontrast Entsteht zwischen mindestens zwei Farben in reiner, ungebrochener Form. Hell-Dunkel-Kontrast Entsteht durch die unterschiedliche Farbhelligkeit zweier Farben. Kalt-Warm-Kontrast Die Wirkung basiert auf dem subjektiven Empfinden, dass Farben warm oder kalt wirken. Komplementärkontrast Entsteht zwischen zwei komplementären Farben. Qualitätskontrast Entsteht aus Unterschieden in der Farbqualität, also zwischen gesättigten, leuchtenden Farben und gebrochenen, stumpfen, trüben Farben. Quantitätskontrast Entsteht durch das Nebeneinander verschieden großer Farbflächen. Simultankontrast Beschreibt die Wechselwirkung nebeneinander liegender Farbfelder, die sich gegenseitig beeinflussen, das heißt es entstehen durch die neuronalen Prozesse im Gehirn sogenannte induzierte Farben, die so nicht vorhanden sind. Lasur Eine Lasur ist eine pigmentierte, durchscheinende Farbschicht. In der Malerei wird sie wegen ihrer transparenten Eigenschaften eingesetzt, in der Architektur dient sie meist zum Schutz von Bauteilen. Die charakteristischen Materialeigenschaften bleiben sichtbar. Licht Für das menschliche Auge sichtbare elektromagnetische Strahlungen werden als Licht bezeichnet. Diese haben Wellenlängen zwischen 380 und 760 nm. In den angrenzenden Bereichen sind die nicht mehr sichtbaren Strahlungen des ultravioletten und infraroten Lichts angeordnet.

349

Glossar Lichtspektrum / Spektralfarben Jede Lichtquelle, Sonnenlicht wie Kunstlicht, hat ihre eigene charakteristische spektrale Zusammensetzung. Wird das Licht zum Beispiel durch ein Prisma gebrochen, werden die Einzelfarben der unterschiedlichen Wellenlängen sichtbar. Neutrales Licht zeigt sich bei Brechung als regenbogenähnlicher Farbverlauf, bei dem die als Spektralfarben bezeichneten Farben Violett, Blau, Grün, Gelbgrün, Gelb, Orange und Rot stufenlos ineinander übergehen. Monochromie Monochromie bezeichnet die Verwendung nur einer Farbe. Nachbild Als Nachbild des Auges werden Phantombilder bezeichnet, die auch dann noch empfunden werden, wenn der ursprüngliche Lichtreiz abgeklungen ist. Es gibt zwei Arten von Nachbildern: Ein positives Nachbild entsteht durch eine sehr kurze und intensive Belichtung der Netzhaut; hier entsprechen die Farben dem Lichtreiz. Wechseln sich unterschiedliche Bilder sehr schnell ab, so vermischen sich echte Bilder und Nachbilder zu einem neuen Bild. Dieser Effekt erzeugt bei einer Filmprojektion, die aus einer schnellen Aneinanderreihung von Einzelbildern besteht, den Eindruck von bewegten Bildern. Nach längerer Betrachtung einer farbigen Fläche kann ein negatives Nachbild entstehen, da die angeregten Rezeptoren langsam desensibilisiert werden. Blickt man anschließend auf eine neutrale Fläche, so reagieren die zuvor nicht desensibilisierten Rezeptoren stärker und es entsteht ein Nachbild, bei dem sich Helligkeits- und Farbwerte umkehren. Physiologie Die Lehre von den normalen physikalischen und biochemischen Vorgängen in Zellen, Geweben und Organen aller Lebewesen unter Einbeziehung aller Lebensvorgänge im gesamten Organismus. Plastizität Die Plastizität ist die räumliche und körperhafte Ausformung eines Objekts. Farbe und Licht können die plastische Wirkung einer Oberfläche oder eines Raumes unterstützen oder reduzieren. Polychromie Polychromie bezeichnet die Verwendung vieler Farben. Primärfarbe / Grundfarbe Primärfarben sind die Grundfarben in der Farbenlehre, aus denen sich alle anderen Farben mischen lassen. Welche Farben als Primärfarben definiert werden, hängt vom Farbmodell ab. In der subtraktiven Farbmischung, also zum Beispiel in der Malerei oder im Druck, sind es die Farben Cyan, Magenta und Gelb, in der additiven Farbmischung dagegen sind es die drei Lichtfarben Rot, Grün und Blau. Reflexion Lichtundurchlässige Oberflächen und Gegenstände werfen in Abhängigkeit von Material, Farbe und Oberfläche einen Teil des auftreffenden Lichts zurück. Helle Flächen reflektieren viel Licht, dunkle absorbieren einen großen Anteil der auftreffenden Lichtenergie. Die Lichtstrahlen werden im selben Winkel reflektiert, in dem sie auf eine Oberfläche auftreffen.

350

Ist die Oberfläche uneben, so variiert dieser Winkel mit der Körnung und die Lichtstrahlen werden in viele unterschiedliche Richtungen reflektiert. Dies wird als Diffusion oder Streuung bezeichnet und kann gezielt eingesetzt werden, um Licht oder Lichtfarbe im Raum zu verteilen. Sehen Die Netzhaut reagiert bereits auf minimale Lichtimpulse und kann feine Helligkeits- und Farbnuancen unterscheiden. Für die Unterscheidung von Hell und Dunkel sind auf der Netzhaut sogenannte Stäbchen angeordnet. Sie registrieren die unterschiedliche Intensität des Lichtes und damit die Helligkeitswerte. Die Unterscheidung von Farben erfolgt mit Hilfe der Zapfen, die auf die unterschiedliche spektrale Zusammensetzung des Lichtes reagieren. Während die Stäbchen schon auf minimale Lichtmengen reagieren, ist für die Aktivierung der Zapfen wesentlich mehr Licht erforderlich. Im hellen Tageslicht sind sowohl Stäbchen als auch Zapfen aktiv. Mit zunehmender Dunkelheit sind Farben immer schlechter erkennbar. In dunkler Umgebung oder in der Nacht sind ausschließlich die Stäbchen tätig; das Sehen bleibt auf die Unterscheidung von Hell und Dunkel beschränkt. Sehr kleine Formenteile einerseits und rasch wechselnde Lichtreize andererseits können von der Netzhaut nicht mehr getrennt wahrgenommen werden. Die zu dicht nebeneinander oder zu rasch hintereinander eintreffenden Impulse vermischen sich im Auge. Struktur Der Begriff Struktur beschreibt die Beziehung von Elementen zueinander und ihre Komposition, das dem Aufbau eines Bildes, einer Oberfläche, eines Reliefs oder eines Raums zugrundeliegende Regelwerk. Textur Abgeleitet vom lateinischen Wort textura (Gewebe), wird die Beschaffenheit von Oberflächen als Textur bezeichnet. Die Textur einer Oberfläche bestimmt sowohl die optische und ästhetische Gestaltung, als auch die haptischen Qualitäten. Sie ist unabhängig von der Farbe. Spiegelung Bei einer Spiegelung wird nahezu das gesamte auf einen Gegenstand fallende Licht reflektiert. Es entsteht ein klar erkennbares Spiegelbild. Synästhesie Die nur bei manchen Menschen ausgebildete Fähigkeit, eine Verbindung zwischen physisch getrennten Bereichen der Wahrnehmung herzustellen. So werden zum Beispiel bestimmte musikalische Töne als ganz bestimmte Farben wahrgenommen. Tonwert Als Tonwert werden die unterschiedlichen Helligkeitsabstufungen eines Farbtons zwischen Hell (in Farbsystemen meist hoher Weißanteil) und Dunkel (in Farbsystemen meist hoher Schwarzanteil) bezeichnet. Unbunte Farben Die Farben Schwarz und Weiß sowie ihre Abstufungen in Form von Grautönen werden als unbunte Farben bezeichnet.

GLOSSAR

Personenverzeichnis A Aalto, Alvar – 324 A C D F * ARCHITECTURE – 292 Adjaye, David – 338 Adrião, José – 171 f. Albers, Josef – 23 ff., 51, 65, 69, 71, 81, 107 ff. Alberti, Leon Battista – 84 Ali, Rashid – 168 Annette Gigon / Mike Guyer Architekten – 72 ff. Antonino Cardillo architect – 342 Aristoteles – 9, 83 ff. Arkitema Architects – 152, 160 Armleder, John M. – 29, 33 ARM Architecture – 154, 157 B Bacon, Francis – 84 Baier, Jean – 32, 33 Barragán, Luis – 63 ff., 138 Barozzi Veiga – 342 ff. Bartnig, Horst – 103 Baudrillard, Jean – 320 Behrens, Peter – 45, 329 ff. Bendin, Eckhard – 119 bernardo bader architekten – 321 Bernd Zimmermann Architekten – 278 Beuys, Joseph – 32 BIG, Bjarke Ingels Group – 203, 205 Bienefeld, Heinz – 186 Bienefeld, Nikolaus – 186 Bigoni Mortemard Architectes – 153 Bill, Max – 22, 30, 38, 103 blauraum – 222 ff. Boa Mistura – 219 Boehm, Gottfried – 16 Bofill, Ricardo – 334 Boyd, Michaelis – 312 Breuer, Leo – 111 ff. Buchloh, Benjamin – 23 Buren, Daniel – 241 C Cézanne, Paul – 14 ff., 21 Chevreul, Michel Eugène – 11, 41, 86, 91 ff., 222 f. Choisy, Auguste – 39 Chu, Alan – 178 Coulon, Dominique – 158, 183, 210, 251, 284, 299, 307 Craig&Karl – 195 ff. Cruz-Diez, Carlos – 117 ff., 204 ff., 269

PERSONENVERZEICHNIS

D da Vinci, Leonardo – 84 Davis, Gene – 203, 207 Delacroix, Eugène – 10 ff., 92 Delaunay, Robert – 18, 20 De architectengroep & SeArch – 328 de Mézières, Nicola Le Camus – 39 de Koning, Krijn – 189 ff. Descartes, René – 84 Deubzer König + Rimmel Architekten – 316 Diehl, Edgar – 113 Diezinger & Kramer Architekten – 290 dmvA Architecten – 152 DoepelStrijkers – 158 Dolder, Daniel – 165 Nicolas Dorval-Bory Architectes – 262 Duchamp, Marcel – 33 E Elíasson, Ólafur – 144, 256 Emmanuelle Moureaux – 223 EM2N – 295 F Fabio Novembre Studio – 174 FAT – Future Architecture Thinking – 150 Fechner, Gustav Theodor – 93 Federle, Helmut – 70, 72 Feininger, Lyonel – 21, 51 Field, George – 41 Fingerle&Woeste – 195 ff. Fischer, Theodor – 45 Fontana, Lucio – 66 ff. Fruhtrunk, Günter – 126 Fuhrimann, Andreas – 320 G Galileo Galilei – 84 Gauguin, Paul – 84 Geers, Kersten – 230 Geiger, Franz – 325 Geiger, Rupprecht – 299 Gigon & Guyer Architekten – 72 ff. Gmür & Geschwentner Architekten – 138, 140 Goethe, Johann Wolfgang von – 86, 90ff. Gorin, Jean – 49 Graubner, Gotthard – 31 Graeser, Camille – 22, 27, 98, 103, 106 Gropius, Walter – 47, 51 ff. Grosseteste, Robert – 84

351

Personenverzeichnis H Hablik, Wenzel – 46 Hächler, Gabrielle – 320 Heisterkamp, Peter – 32 Herbin, Auguste – 101 Hering, Ewald – 80 ff., 86, 94 Herzog & de Meuron – 71 Hess/Talhof/Kusmierz – 306 Hillig, Hugo – 319 Hölzel, Adolf – 94 Holl, Steven – 246 Hutton, Louisa – 71 I IDOM – 28 ff. iglesias-hamelin arquitectos – 294, 297 Ingres, Dominique – 10 Itten, Johannes – 21, 51, 87, 90, 93 i29 interior architects – 158 f., 241 ff. J Janssen, Hans – 21 Jeanneret, Pierre – 53 J. J. P. Oud – 48, 53 Jones, Owen – 40 Judd, Donald – 30, 34, 68 f. K kaestle&ocker Architekten – 278 Kandinsky, Wassily – 19, 21, 51 ff., 90, 94 Kant, Immanuel – 9 Kapoor, Anish – 170 Kelly, Ellsworth – 26, 28, 30 Kepler, Johannes – 84 Kiesler, Frederick – 63 Klee, Paul – 51, 87, 90, 94 Klein, Yves – 68 Knoebel, Imi – 29, 34 Kochi, Kazuyasu – 202 Kreis, Wilhelm – 45 Kupka, Frantisek – 20 L Lau, John – 165 Léger, Fernand – 52, 53 Le Corbusier – 52 ff., 71, 83, 144, 319 Legorreta, Ricardo – 141 Leonie, Anna – 330 Lex-Architects – 161 Lissitzky, El – 50 Lohse, Richard Paul – 22, 104 f. Loos, Adolf – 42 f., 63 L3P Architekten – 136

352

M maat architettura – 158 MADE arhitekti – 312 Malewitsch, Kasimir – 20 f., 45 ff. Malka, Stéphane – 195, 213 Manet, Edouard – 14, 17 Manzoni, Piero – 68 Marc, Franz – 19, 91 Marin, Emmanuelle – 148 Matisse, Henri – 16 ff., 34 Marques Architekten – 144 Meier, Richard – 71 Mies van der Rohe, Ludwig – 42 ff., 53, 61, 325 f. Moholy-Nagy, László – 48, 52 Monet, Claude – 12 f., 80 Mondrian, Piet – 21 f., 26, 48 ff., 101 ff. Moreau, Gustave – 16 Morris, William – 317 Munsell, Albert Henry – 87, 92 Muñoz Miranda, Alejandro – 256 ff. Muthesius, Hermann – 45 Müller Reimann Architekten – 176, 177 MMV Arcquitectos – 266, 267 MVRDV – 152 f., 338 f. N Nefa Architects – 137 Nestler, Paolo – 126 Newman, Barnett – 25 ff. Newton, Isaac – 89 f., 94, 303 Niederberger, Jörg – 144, 149 Nicolas Dorval-Bory Architectes – 262 Nikken Sekkei – 302 O O’Keefe, Erin – 239, 254 Olbrich, Joseph Maria – 45 Osthaus, Karl Ernst – 45 Ostwald, Wilhelm – 92 ff. Ozenfant, Amédée – 48, 53 ff., 59 P Palermo, Blinky – 32 Panton, Verner – 67 Pastoureau, Michel – 38 Paxton, Joseph – 40 Peanutz Architekten – 306 People’s Architecture Office – 230 Périphériques Architectes – 148 Perkins, William – 67 Petersen Architekten – 203, 206 Piano, Renzo – 276 Piene, Otto – 255 Pitagoras Group – 323 Pit, Arjan – 161 Platon – 83 Pollock, Jackson – 25 Putz, Oskar – 60, 72, 74, 186, 189

R Rehberger, Tobias – 192 Reinhardt, Ad – 24 f., 35 Richter, Gerhard – 77, 95 Riemerschmid, Richard – 45 Rietveld, Gerrit – 49 Riley, Bridget – 98 Rodtschenko, Alexander – 23 Roesch, Peter – 138, 140 Rogers, Richard – 276 Rompza, Sigurd – 113, 116 f. Roth, Alfred – 60 Rothko, Mark – 17 ff., 25, 135 Rousse, Georges – 209, 211 Ruff, Thomas – 71 Runge, Philipp Otto – 24, 86, 90 Ruskins, John – 45, 318 Ryman, Robert – 31 S Sack, Manfred – 316 Sánchez, Raúl – 168 Sartoris, Alberto – 54 Sauerbruch Hutton – 190, 222 ff., 233 Sauerbruch, Matthias – 71 Scarpa, Carlo – 326 Scharoun, Hans – 47, 53 Scheper, Hinnerk – 52 Schiess, Adrian – 72 ff. Schlemmer, Oskar – 51 Schönberg, Arnold – 60 Schumacher, Fritz – 44 Schwarz, Rudolf – 336 Schwippert, Hans – 319 Scott Brown, Denise – 68 Seipp, Heinrich – 325 SelgasCano – 183, 310 f. Semper, Gottfried – 40 ff., 60 ff. Seurat, Georges – 15 f., 92 Serra, Richard – 323 ff. Signac, Paul – 10 f., 16 f. Skrjabin, Alexander – 60 Spaceworkers – 164 ff. Splitterwerk – 154 ...,staat – 141, 142 Stam, Mart – 53 Staudt, Klaus – 116 Stocker, Esther – 126 ff. Strijkers, Eline – 158, 161 Studio Sol89 – 336 SUPERBLOCK – 294, 297

PERSONENVERZEICHNIS

T Tatlin, Wladimir – 45 Taut, Bruno – 47, 60 ff., 67, 72 Tebbe, Friederike – 176 ff. Tham & Videgård Arkitekter – 223, 226 Tizian – 8 ff. Tomasello, Luis – 121 Toporkov, Dimitri – 44 Topotek – 203, 205 Trottin, David – 148 Turner, William – 41, 238 Turrell, James – 269, 272 f. U Ursprung, Philip – 71 UN Studio – 149, 228 f., 251 V van der Laan, Hans – 136 van der Ploeg, Jan – 128 van de Velde, Henry – 45, 317 ff. van Doesburg, Theo – 19, 21 f., 48–56, 100 van Eesteren, Cornelius – 49 f., 56 van Gogh, Vincent – 15 ff., 24, 92 van Severen, David – 230 Varini, Felice – 219 Venturi, Robert – 68 von Bezold, Wilhelm – 94 von Helmholtz, Hermann – 80 von Ow, Andreas – 228 VOX Architects – 213, 216 W Wald, George – 81 Warhol, Andy – 95 Weininger, Andor – 52, 100 ff. Wilkinson, Norman – 193 Wittgenstein, Ludwig – 78 f., 81, 90 f. Woo, Han Kyung – 171 Z zanderrotharchitekten – 288 ff. Zaugg, Rémy – 71 Zimmermann, H.H. – 107, 110 Zimmermann, Peter – 230, 234 zipherspaceworks – 305

353

Stichwortverzeichnis A Abstrakte Malerei – 21, 23, 25 Abstufung – 24, 83 f., 113, 119, 305 Achse – 84, 94, 189 Adaption – 80 Action Painting – 25 Additive Farbmischung – 240, 269 Anamorphose – 209 ff. Antike – 9 f., 39 f., 79, 83 Arts and Crafts Bewegung – 317 Atmosphäre – 11, 39, 119, 152, 253 Autonomie – 7, 24, 74, 141, 299 B Bauhaus – 21 ff., 50 ff., 62 ff., 71, 93 ff. Baustoff – 318 ff. Bauteil – 134, 288, 333 Bekleidungstheorie – 40 Belegung – 134, 137 Beschichtung – 38, 52, 158, 288 Beton – 44, 59, 73, 318 ff., 329 Biedermeierzeit – 52 Biegung – 113 Bildordnung – 107 Bildräumlichkeit – 21, 117 Binnenraum – 17, 121 Blickwinkel – 111, 113, 209, 228 f., 233 Brillanz – 84 Buntton / Farbton – 80 ff., 92 ff., 135, 154, 183 C Chromatische Adaption – 80 CIELAB-System – 82 Code – 276, 305 Codierung – 277, 333 Collage – 69, 327 D Dazzle Painting – 192 ff. Deckenspiegel – 190 De Stijl – 21 ff., 48 ff., 69, 93, 101, 128 Diffusität – 221, 229 Dimension – 101, 107, 141, 164, 299 Doppeldeutigkeit – 107 Dreidimensionalität – 16, 99, 168 Dunkelheit – 83 f., 90, 137, 238, 240 Durchgang – 59, 152 Durchfärben – 329 Dynamik – 30, 45, 55, 92, 171, 183

354

E Eigenfarbe – 315 ff. Elementarismus – 50 Epoxidharz – 230, 234 Erschließungsraum – 277 f., 311 Expressionismus – 19, 25, 45, 51 F Faktur – 31 Faltung – 111, 149 Farbauftrag – 52, 138, 229 Farbeindruck – 38, 81, 111, 222 Farbempfinden – 38, 93, 342 Farbfläche – 99, 107, 126, 135 ff., 141, 186 ff., 193, 230 Farbfeld, homogenes – 32, 269 Farbfeldmalerei – 17, 25 ff., 203 Farbinsel – 158, 160 Farbkörper – 138, 164 ff. Farbkonstanz – 80 Farbmaterie – 23 Farbmischung – 9, 79 ff., 91, 222, 231, 240 Farbperspektive – 12, 113 Farbraum – 74, 82, 253 Farbschatten – 238, 255 Farbskala – 50 Farbsystem / Farbsystematik – 38, 81 ff., 92 ff., 99 Farbtäuschung – 81 Farbtemperatur – 262, 266 Farbton / Buntton – 80 ff., 92 ff., 135, 154, 183 Farbwahrnehmung – 38, 82, 111, 119, 204, 208 Farbwiedergabe – 222, 262 Farbwechsel – 136, 189 Fauvismus – 11 Feld – 60, 91, 95 Fenster – 152, 154 Filter – 256 Fläche – 15 ff., 21 ff., 99–125, 135 ff., 193 ff. Flächenelement – 136 Flächenkomposition – 99 ff., 107 ff. Flur – 186, 251 Format – 28, 52, 99 Fotografie – 69, 209, 240 Fragment – 126, 190, 219 Fuge – 149, 168 Futurismus – 50 G Ganzfarbraum – 144 ff. Ganzfeld – 272 Geometrie – 21, 107, 141 Gesamtkunstwerk – 47, 51 ff. Gewichtung – 177 Gläserne Kette – 47 Glas – 44, 255 f. Glasur – 233 Gleichgewicht – 17, 48, 101 Grafik – 128, 186 Grenze – 25, 90, 117 Grundfarben – 41, 79 ff., 91, 94 ff. Grundriss – 59, 136, 195

H Handwerk – 51, 317 f. Hard-Edge-Malerei – 30, 128 Harmonie – 24, 69, 89, 93 ff. Helligkeit – 80 ff., 91 f., 238 Hervorhebung – 100 Hierarchisierung – 101, 276, 305 Historismus – 41, 42 Hohlraum – 164, 203 Holz – 42, 317 ff. Homogenisierung – 149 I Identität – 39, 333 Illusionismus – 30 Imaginationsraum – 111 Immaterialität – 121 Impressionismus – 11, 16 f., 80 Improvisation – 19, 25 Individualisierung – 62, 318 Instabilität – 33, 81 Intensität – 100, 253, 335 Interaktion – 80, 111, 238 ff., 276 f. Interferenzen – 229 Invertierung – 99 J Jugendstil – 317 K Kante – 189 f., 203 Kinetik / kinetischer Effekt – 113, 117 Klang – 67, 103 Klassizismus – 39, 40 Kommunikation – 135 Körper – 111, 164 ff., 240 f. Körperfarbe – 80, 91, 119 Komplementärfarbe – 91, 256, 269 Komplementärkontrast – 11, 41 Komposition – 15, 19, 40, 50, 82, 100 ff., 325 Konkrete Malerei – 21 Konstruktivismus – 21, 23, 51 Kontrast – 16, 79, 100, 238 Kontur – 193 Konturzeichnung – 9 Kunstlicht – 262, 277 Kubismus – 45 L Lack – 77, 230 Lamelle – 111, 119 Lasur – 38, 277 Leerraum – 122, 154 Lesbarkeit – 55, 111, 126, 275 ff. Leitsystem – 276, 294 Leuchtkraft – 10 f., 228, 251 Licht – 10 ff., 80 ff., 89 ff., 117, 228 ff., 238 Lichtfarbe – 262 Lichtspektrum – 89, 228, 262 Linie – 11, 21, 99, 193, 277 Liniengrafik – 193 Luftperspektive – 12 Luftraum – 277, 299 STICHWORTVERZEICHNIS

M Marmor – 325 ff. Masse – 48, 164 Massenproduktion – 45, 82 f., 317 Maßstäblichkeit – 19, 100, 164, 186, 223 Material – 30 ff., 238, 316–329, 333 ff., 338 Materialfarbe – 240, 262, 319, 333 Materialität – 31, 325, 327 Metall – 317, 323, 333 Mikrostruktur – 125, 222, 233 Minimal Art – 30, 128 Mischung – 80 ff., 90 ff., 230, 240 Modellierung – 16 f., 113 Modul – 335 Modulierung – 116, 117 Monochromie – 23, 26, 31 Munsell Color System – 92 Musik – 30, 89, 94 f., 103 Muster – 193 ff., 202 ff. N Nachbild – 126, 144, 256, 269 NCS-System – 82, 88, 291 Nebel – 251, 256 Neoimpressionismus – 11, 41 Neoplastizismus – 21 Nische – 152 ff., 158 Nuance – 31, 81, 204 O Oberfläche – 80, 111, 119, 177, 238, 240, 323, 338 Objekt – 39, 135, 189 Objekthaftigkeit – 31, 164 Öffentlicher Raum – 32, 33, 219 Op-Art – 203 Ordnungsprinzipien – 30, 34, 99 Orientierung – 144, 164, 276 ff., 288, 292, 307 Orientierungssystem – 288 ff. Ornament – 40, 333, 342 P Pantone-System – 95 Parallelität – 72, 99 Perspektive – 71, 128, 241 Physiologie – 204 Pigment – 52, 56, 80 ff., 240, 318, 329 Pinselstrich – 141, 186, 222 Pixel – 158, 222 Plastizität – 101, 111 ff., 310 Pointillismus – 15, 16 Polychromie – 39 f., 52 ff. Pop ART – 67, 95 Postmoderne – 69 Primärfarbe – 26, 48, 230 Prisma – 89 f. Projektion – 210, 255 ff. Proportion – 39, 100 ff. Purkinje-Effekt – 240 Q Quadrat – 20, 27, 81, 101 Qualität – 19, 26, 38, 256, 262, 288

355

Stichwortverzeichnis R Radikale Malerei – 31 RAL-System – 69, 82 Raster – 30, 95, 222 Raumbegrenzungsflächen – 42, 186, 241 Raummalerei – 33, 53 ff., 60 Raumobjekt – 30 Raumplan – 63 Realismus – 21 Rechteck – 178, 186 Reflexion – 59, 80, 117 ff., 228 ff., 238 ff., 247 Regelmäßigkeit – 178 Regenbogen – 94, 303 Reihung – 16, 30, 105 Relief – 111, 113 Renaissance – 9 ff., 34, 84, 209 RGB-System – 83 Rhythmus – 59, 103, 113 Romantik – 307 Rotation – 22, 103, 105 ff. S Sättigung – 55, 80 f., 92, 229 Schatten – 39, 84, 111, 149, 238 Scheibe – 213, 230, 256 Scheinperspektive – 107 Schicht – 99, 108, 228 ff. Schichtung – 111, 141, 229 ff. Schimmern – 323 Schwelle – 111, 136, 277 Schwerpunkt – 136, 141, 238 Schwingung – 10, 33, 329 Sehprozesse – 21 Sequenz – 291, 307 Serie / seriell – 30, 61, 104, 111 Signaletik – 276, 288, 292 Skulptur – 31, 50, 193 Simultaneität – 45, 189, 191 Simultankontrast – 41, 190, 204 Spektralfarben – 80 ff., 89 Spiegelung – 74, 240 ff., 266 Stadtraum – 67 f., 203, 219 Staffelung – 16, 137 Stahl – 48, 318, 327 Streifen – 126, 141, 203 ff., 207, 277, 307 Streuung – 240 Strukturierung – 284 Subtraktive Farbmischung – 80, 91, 94 Suprematismus – 20 f., 45, 50 Synästhesie – 94 Synthese – 16, 51, 53, 63

U Überformung – 195, 299 Übergangsraum – 277 ff., 284 Überlagerung – 80, 108, 111 ff., 126, 135, 193 ff., 231 Überschneidung – 99, 195 Umrisslinie – 15, 17 Unbunte Farben – 84 Ungegenständlichkeit – 48 Unterscheidbarkeit – 62 V Verdichtung – 111, 154, 231 Verlauf – 203, 238 Verschränkung – 99, 154, 332 Verschwimmen – 190, 204, 222 Verzahnung – 186 ff., 223 Verzerrung – 126, 186, 241 Volumen – 22, 54 ff., 171 ff., 178, 183 Vortizismus – 193 W Wand – 40, 54 ff., 128, 136, 152, 186, 253 Wandbild – 33, 47, 128 Wandmalerei – 33, 52 ff. Wechselwirkung – 23, 79, 91 ff., 103, 204, 317 Wellenlänge – 80, 89, 228 ff. Werkbund – 45, 53, 92 Wiedererkennungswert – 158, 164, 294 Wiederholung – 16, 99, 103 Y Young-Helmholtz-Theorie – 81 Z Zapfen – 81, 240 Zerschneiden – 126, 193 Zeit – 26, 33, 48, 111, 193, 320 Zergliederung – 178 ZERO – 30, 31 Ziegel – 325, 329 Zone – 136, 154, 269 Zweidimensionalität – 100 f., 107 Zwischentöne – 38, 82, 91, 125

T Täuschung – 113, 117, 241 Tageslicht – 238, 240, 251 Takt – 178 Tektonik – 126, 193 Textil – 40, 222, 327 Tiefenwirkung – 51, 108, 186 Tonwert – 92, 135, 141 Transparenz – 229 ff. Trennung – 135, 269 Treppe – 141, 278, 295 356

STICHWORTVERZEICHNIS

Literaturverzeichnis Seite 7–36 Albers, Josef Interaction of Color: Grundlegung einer Didaktik des Sehens (Köln: Dumont, 1997). Albrecht, Hans J.; Delaunay, Robert Farbe als Sprache. Robert Delaunay, Josef Albers, Richard Paul Lohse (Köln: DuMont, 1979). Baier, Jean; Neubert, Jens Expressiv Konkret. Jean Baier, 1932–1999 (Ostfildern: Hatje Cantz, 2014). Baumann, Felix, u.a. Cézanne: Vollendet Unvollendet Ausstellung Kunstforum Wien, 20. Januar bis 25. April 2000 und Kunsthaus Zürich, 5. Mai bis 30. Juli 2000 (Ostfildern: Hatje Cantz, 2000). Bauermeister, Christiane; Hertling, Nele Sieg über die Sonne. Aspekte russischer Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ausstellung der Akademie der Künste, Berlin, und der Berliner Festwochen vom 1. September bis 9. Oktober 1983 (Berlin: Frölich & Kaufmann, 1983). Beyme, Klaus Das Zeitalter der Avantgarden. Kunst und Gesellschaft 1905–1955 (München: Beck, 2005). Bocola, Sandro Die Kunst der Moderne. Zur Struktur und Dynamik ihrer Entwicklung. Von Goya bis Beuys (Gießen: Psychosozial-Verlag, 2013). Bronner, Susanne; Wiehager, Renate Minimalism and After. Tradition und Tendenzen minimalistischer Kunst von 1950 bis heute; Neuerwerbungen für die Sammlung 2000 bis 2006. DaimlerChrysler Collection (Ostfildern: Hatje Cantz, 2007). Brunner, Michael; Theil, Andrea C. Venezianische Malerei von 1500 bis 1800. Kontur oder Kolorit? Ein Wettstreit schreibt Geschichte. Ausstellung Städtisches Museum Engen + Galerie 1. Februar 2003 bis 4. Mai 2003 (Engen: Städtisches Museum Engen + Galerie, 2003). Buchloh, Benjamin H. D. The Primary Colors for the Second Time. A Paradigm Repetition of the Neo-Avant-Garde MIT Press, Vol. 37, 1986 (Cambridge, USA: 1986). Cézanne, Paul Über die Kunst. Gespräche mit Gasquet. Briefe (München: Mäander, 1980). Chilova, Alla Rodtschenko: Eine Neue Zeit (München: Hirmer, 2013).

LITERATURVERZEICHNIS

Danzker, Jo-Anne Birnie (Hrsg.) Theo van Doesburg: Maler – Architekt (München: Prestel: 2000). Delaunay, Robert; Francastel, Pierre Du cubisme à l’art abstrait. Documents inédits publiés par Pierre Francastel et suivis d’un catalogue de l’oeuvre de R. Delaunay par Guy Habasque (Paris: S.E.V.P.E.N. 1957). Doesburg, Theo van Die Grundlage der konkreten Malerei. In: Konkrete Kunst. Manifeste und Künstlertexte. Anläßlich der Eröffnung von Haus Konstruktiv, Zürich, September 2001 (Zürich: Stiftung für konstruktive und konkrete Kunst Zürich, 2001). Du Heft 872 Konstruktive Kunst. Dezember 2016. Elger, Dietmar (Hrsg.) Donald Judd: Farbe (Ostfildern: Hatje Cantz, 1999). Essers, Volkmar Henri Matisse: 1869-1945. Meister Der Farbe (Köln: Taschen, 2016). Frank, Herbert Vincent von Gogh. Briefe an seinen Bruder Theo (Leipzig: E.A. Seemann, 1997). Friedel, Helmut (Hrsg.) Wassily Kandinsky. Gesammelte Schriften 1889–1916 (München: Prestel, 2007). Gage, John; Moses, Magda; Opstelten, Bram Kulturgeschichte der Farbe: von der Antike bis zur Gegenwart (Leipzig: Seemann, 2013). Galerie Museum auf Abruf (Hrsg.) Vom Selbstzweck der Farbe. Monochromie als Prinzip (Wien: VBK, 2001). Gassen, Richard W. Die Neue Wirklichkeit: Abstraktion als Weltentwurf. Ausstellung Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen am Rhein, 9. Oktober 1994 bis 29. Januar 1995 (Ludwigshafen am Rhein: Wilhelm-Hack-Museum, 1994). Grynsztejn, Madeleine; Myers, Julian Ellsworth Kelly in San Francisco (Berkeley: University of California Press. 2002). Haftmann, Werner Malerei im 20. Jahrhundert (München: Prestel, 1965). Hager, Frithjof (Hrsg.) Geschichte denken. Ein Notizbuch für Leo Löwenthal (Leipzig: Reclam, 1992).

357

Literaturverzeichnis Hauser, Arnold Sozialgeschichte der Kunst und Literatur (München: Beck, 1991).

Newman, Barnett; O’Neill, John Philip; McNickle, Mollie Barnett Newman. Selected Writings and Interviews (Berkeley: University of California Press, 1992).

Helfenstein, Heinrich; Pfaff, Jean Farben sind wie der Wind: Jean Pfaffs Architektonische Farbinterventionen (Basel: Birkhäuser, 2001).

N.N. Hommage à Claude Monet. Katalog zur Ausstellung im Grand Palais, Paris 1880.

Hilova, Alla; Westheider, Ortrud; Gassner, Hubertus Rodtschenko. Eine neue Zeit. Ausstellung Bucerius Kunst Forum, Hamburg, 8. Juni bis 15. September 2013 (München: Hirmer, 2013). Hofmann, Werner Die Moderne im Rückspiegel. Hauptwege der Kunstgeschichte (München: Beck, 1998). Hofstätter, Hans. H. Gustave Moreau. Leben und Werk (Köln: Du Mont, 1978).

Richter, Horst Malerei der sechziger Jahre (Köln: DuMont, 1990). Rowell, Margit; Reinhardt, Ad Ad Reinhardt and Color (New York: Guggenheim Museum, 1980). Schröder, Klaus Albrecht; Widauer, Heinz (Hrsg.) Matisse und die Fauves (Köln: Wienand, 2013). Signac, Paul Von Eugene Delacroix zum Neo-Impressionismus (Berlin: Schnabel, 1908).

Holm, Michael Juul (Hrsg.) Die Farbe in der Kunst (Köln: DuMont, 2010).

Staber, Margit Konkrete Kunst. 50 Jahre Entwicklung. Ausstellung Helmhaus Zürich, 8. Juni bis 14. August 1960 (Zürich: Zürcher Kunstgesellschaft, 1960).

Janssen, Hans Piet Mondrian. Die Linie. Ausstellung vom 4. September bis zum 6. Dezember 2015 (Berlin: Martin-Gropius-Bau, 2015).

Stadt Bottrop (Hrsg.) 5 x 5. Zeitlauf 1976–2001. Rückschau und Ausblick Quadrat Bottrop (Schwelm: Meinersdruck, 2001).

Liesbrock, Heinz; Graubner, Gotthard Gotthard Graubner. Gespräch mit Josef Albers. Ausstellung Gotthard Graubner. Gespräch mit Josef Albers im Josef Albers Museum Quadrat, Bottrop vom 25. September 2011 bis 15. Januar 2012 (Düsseldorf: Richter, 2012).

Wallner, Julia Farbe Raum Farbe (Berlin: Georg Kolbe Museum, 2013).

Liesbrock, Heinz; Semff, Michael (Hrsg.) Malerei auf Papier Josef Albers in Amerika (Ostfildern: Hatje Cantz, 2010). Malewitsch, Kazimir Die gegenstandslose Welt. Neue Bauhausbücher (Mainz: Kupferberg, 1980). Matisse, Henry; Flam, Jack D Über die Kunst (Zürich: Diogenes 1982). Nitschke, August Jahrhundertwende. Der Aufbruch in die Moderne. 1880–1930. Band 1 + Band 2 (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1990) Neubert, Jens. Jean Baier Expressiv Konkret. Jean Baier (1932–1999) (Ostfildern: Hatje Cantz, 2014).

358

Walter, Bettina-Martine (Hrsg.); Schwenk, Bernhart Die Große Utopie. Die Russische Avantgarde 1915–1932. Ausstellung vom 1. März bis 10. Mai 1992 (Frankfurt am Main: Schirn-Kunsthalle, 1992). Weimann, Robert; Gumbrecht, Hans U.; Wagner, Benno Postmoderne Globale Differenz (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1991). Weischedel, Wilhelm (Hrsg.) Immanuel Kant. Kritik der Urteilskraft (Berlin: Suhrkamp, 1996). Widauer, Heinz; Schröder, Klaus Albrecht; Baumgartner, Michael Wege des Pointillismus: Seurat, Signac, Van Gogh (München: Hirmer Verlag, 2016). Seite 37–76 Apollinaire, Guillaume Die Maler des Kubismus: Ästhetische Betrachtungen, Paris 1913. In: Harrison, Charles; Wood, Paul (Hrsg.) Kunsttheorie im 20. Jahrhundert (Ostfildern: Hatje Cantz, 1998).

Archithese 6/1994: Farbige Räume – espaces en couleur (Juni, 1994). Arch+ 48: Julius Posener: Vorlesungen zur Geschichte der Neuen Architektur (Dezember 1979). Arch+ 53: Julius Posener: Vorlesungen zur Geschichte der Neuen Architektur II. Die Architektur der Reform (1900–1924) (September 1980). Arch+ 194: Bruno Taut. Architekturlehre (Oktober 2009). Barthel, Albrecht Wenzel Hablik, Farbräume der Moderne (Heide: Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein, 2007). Batchelor, David The Luminous and the Grey (London: Reaktion Books, 2014). Blotkamp, Carel u.a. (Hrsg) Theo van Doesburg, Maler-Architekt (München: Prestel, 2000). Boesiger, Willy (Hrsg.) Le Corbusier et Pierre Jeanneret – Oeuvre complete en 8 volumes (Paris: Les Editions d’Architecture, 1967). Brenne, Winfried; Taut, Bruno Meister des farbigen Bauens in Berlin (Berlin: Braun, 2005). Buether, Axel DETAIL Praxis – Farbe (München: Institut f. intern. Architektur-Dok, 2013). Choisy, Auguste L’art de bâtir chez les Romains (Paris: Ducher, 1873). Conrads, Ulrich Programme und Manifeste zur Architektur des 20. Jahrhunderts. (Basel: Birkhäuser, 2013).

Droste, Magdalena; Gössel, Peter Bauhaus (Köln: Taschen, 2015). Fontana, Lucio Manifesto blanco, 1946 (Mailand: Galleria Apollinaire, 1966). Frampton, Kenneth Modern Architecture. A critical History (London: Thames & Hudson, 2014) Ghirardo, Diane Yvonne Architecture after Modernism (London: Thames and Hudson, 1996) Giedion, Sigfried Raum, Zeit, Architektur: die Entstehung einer neuen Tradition. Sechster unveränderter Nachdruck (Basel: Birkhäuser, 2000). Gigon, Annette; Guyer, Mike Gigon Guyer Architekten. Arbeiten 2001–2011 (Baden: Lars Müller Publishers, 2012). Gropius, Walter Architektur: Wege zu einer optischen Kultur (Frankfurt/M.: Fischer Bücherei, 1956). Gyöngy, Katalin M.; Moravánszky, Ákos (bearb.) Architekturtheorie im 20. Jahrhundert: eine kritische Anthologie (Wien u.a.: Springer, 2003). Heer, Jan; u.a. The architectonic colour. Polychromy in the purist architecture of Le Corbusier (Rotterdam: 010 Publishers, 2009). Holm, Michael Juul Farbe in der Kunst. Ausstellung Colour in Art, 5. Februar–13. Juni 2010, Louisiana Museum of Modern Art (Köln: Du Mont, 2010).

DAIDALOS 51: In Farbe/In Colour (März, 1994).

Itten, Johannes Kunst der Farbe – subjektives Erleben und objektives Erkennen als Wege zur Kunst (Freiburg: Christophorus, 1961).

Dörries, Cornelia Wer hat Angst vor Farbe (in dabonline.de, 01.03.2006).

Jones, Owen The Grammar of Ornament (London: Day and Son, 1865).

Doesburg, Theo van Über europäische Architektur. Gesammelte Aufsätze aus Het Bouwbedrijf 1924–1931 (Basel: Birkhäuser, 1990).

Judd, Donald Some Aspects of Color in General and Red and Black in Particular (Sassenheim: Sikkens Foundation, 1993).

Doesburg, Theo van Grundbegriffe der neuen gestaltenden Kunst. 2. Aufl., Faks.-Nachdr. nach der Ausg. von 1925 (Mainz: Kupferberg, 1981).

LITERATURVERZEICHNIS

Kandinsky, Wassily Über das Geistige in der Kunst. Insbesondere in der Malerei. Mit acht Tafeln und zehn Originalholzschnitten (München: Piper, 1911).

359

Literaturverzeichnis Klinkhammer, Barbara Ineffable space: Le Corbusier’s colour schemes for the Monastery Sainte Marie de La Tourette, in Structural Repairs and Maintenance of Heritage Architecture XII (WIT Transactions on The Built Environment, Vol 118, WIT Press, 2011). Klinkhammer, Barbara After Purism: Le Corbusier and Colour (in Preservation Education & Research, Volume Four, 2011). Krischanitz, Adolf Architektur ist der Unterschied zwischen Architektur (Ostfildern: Hatje Cantz, 2010). Krischanitz, Adolf Farbtopoi in der Architektur – Meine Zusammenarbeit mit Oskar Putz. In: Veröffentlichte Kunst, Kunst im öffentlichen Raum (Berlin: Springer, 1991). Krischanitz, Adolf; Federle, Helmut Neue-Welt-Schule (Ostfildern: Hatje Cantz, 1994). Le Camus de Mézières, Nicolas Le génie de l’architecture, ou l’analogie de cet art avec nos sensations (Paris: Benoit, 1780). Le Corbusier Pessac (in L’Architecture Vivante, Herbst/Winter, 1927). Le Corbusier L’espace indicible (in l’Architecture d’Aujourd’hui, 1946). Léger, Fernand Mensch Maschine Malerei. Aufsätze und Schriften zur Kunst (Bern: Benteli, 1971). Mack, Gerhard (Hrsg.) Colours: Rem Koolhaas/OMA. Norman Foster. Alessandro Mendini (Basel: Birkhäuser, 2001). McLachlan, Fiona Farbstrategien in der Architektur (Basel: Schwabe, 2015). Michels, Norbert Architektur Und Kunst. Das Meisterhaus Kandinsky-Klee in Dessau (Leipzig: Seemann, 2000).

N.N. Die neuen Wohnviertel Frugès in Pessac (Bordeaux): Architekten Le Corbuiser und Pierre Jeanneret (in Das Werk: Architektur und Kunst 2, 1927). Opel, A. (Hrsg.) Adolf Loos. Gesammelte Schriften (Wien: Braumüller, 2010). Pastoureau, Michel Blau – Die Geschichte einer Farbe (Berlin: Klaus Wagenbach, 2013). Pauly, Danièle; Barragán, Luis Barragán – Raum und Schatten, Mauer und Farbe (Basel: Birkhäuser, 2008). Pauly, Danièle Le Corbusier. Die Kapelle von Ronchamp (Basel: Birkhäuser, 1997). Putz, Oskar Über das Verhältnis von Farbe und Architektur am Beispiel Bruno Taut (in UmBau, Heft 8/1984). Roth, Alfred Von der Wandmalerei zur Raummalerei, Farbe als architektonisches Gestaltungselement (in Das Werk: Architektur und Kunst 2, 1949). Rübel, Dietmar; Wagner, Monika; Wolff, Vera Materialästhetik. Quellentexte zu Kunst, Design und Architektur (Berlin: Reimer, 2005). Sartoris, Alberto Colour in Interior Architecture in Circle – International Survey of Constructive Art (London: Faber and Faber, 1937, reprinted 1971). Sauerbruch, Matthias; Hutton, Louisa Sauerbruch Hutton Archive (Baden: Lars Müller Publishers, 2006). Schiess, Adrian; Wechsler, Max; Wirz, Heinz Adrian Schiess. Farbräume Zusammenarbeit mit den Architekten Herzog & de Meuron und Gigon/Guyer 1993–2003 (Luzern: Quart, 2004). Schumacher, Fritz Streifzüge eines Architekten (Nendeln: Kraus Reprint, 1976. Originalausgabe: Jena 1907).

Moravánszky, Ákos Askese und Opulenz (in werk, bauen + wohnen 6, 2016).

Semper, Gottfried Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architektur und Plastik bei den Alten (Altona: Hammerich, 1834).

Nierendorf, Karl; Wingler, Hans Maria; Bauhaus Staatliches Bauhaus Weimar 1919–1923 (München: Kraus Reprint, 1980).

Semper, Gottfried Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten (Frankfurt: Verlag für Kunst und Wissenschaft 1860).

360

Steiner, Dietmar Siedlung Pilotengasse Wien: Herzog & de Meuron, Steidle + Partner, Adolf Krischanitz. (Zürich: Artemis, 1992).

Winckelmann, Johann Joachim; Fernow, Carl L.; Meyer, Heinrich; Schulze, Johannes Winckelmann’s Werke: Bd.1 (Dresden: Walther, 1808).

Svestka, Jiri (Hrsg.) Andor Weininger: vom Bauhaus zur konzeptuellen Kunst (Düsseldorf: Kunstverein f. d. Rheinlande u. Westfalen, Kestner-Gesellschaft, 1990).

Seite 77–95

Taut, Bruno Frühlicht 1920–1922. Eine Folge für die Verwirklichung des neuen Baugedankens (unveränd. Nachdr. d. Originalausgabe, Basel: Birkhäuser, 2014). Temkin, Ann Color chart: Reinventing color 1950–today (New York: Museum of Modern Art, 2008). Trautwein, Katrin Farbe als Material – Architektur als Skulptur (in COVISS, 3/2012). Trautwein, Katrin Le Corbusiers Prinzipien der Farbgestaltung (in COVISS, 4/2012). Ursprung, Philip; Herzog & de Meuron Naturgeschichte anlässlich der Ausstellung Herzog & de Meuron: Archaeology of the Mind, Canadian Centre for Architecture (Baden: Lars Müller Publishers, 2005). Valdensová, Lucia Familien-Affären. Adolf Loos als Designstar des Pilsener Bürgertums (in Bauwelt 32-33, 2015).

Albers, Josef Interaction of Color: Grundlegung einer Didaktik des Sehens (Köln: Dumont, 1997). Bachmann, Ulrich Colour and Light – Farbe und Licht (Sulgen: Niggli, 2011). Bollnow, Otto Friedrich Mensch und Raum (Stuttgart: Kohlhammer, 1976). Elíasson, Ólafur; Crary, Jonathan Olafur Eliasson. Minding the World (Ostfildern: Hatje Cantz, 2005). Gage, John Die Sprache der Farben: Bedeutungswandel der Farbe in der Wissenschafts- und Kunstgeschichte (Leipzig: E.A. Seemann, 2010) Glasner, Barbara; Schmidt, Petra Chroma: Design, Kunst und Architektur in Farbe (Basel: Birkhäuser, 2010) Holm, Michael Juul (Hrsg.) Die Farbe in der Kunst (Köln: DuMont, 2010). Klassik Stiftung Weimar (Hrsg.) Goethes Farbenlehre (Weimar: 2011. Quelle: www.klassik-stiftung.de).

von Moos, Stanislaus Der Purismus und die Malerei Le Corbusier (in Das Werk: Architektur und Kunst 53, 1996).

Meerwein, Gerhard; Mahnke, Frank H.; Rodeck, Bettina Farbe – Kommunikation im Raum (Basel: Birkhäuser, 2007).

von Vegesack, Alexander (Hrsg.) Verner Panton, das Gesamtwerk (Weil am Rhein: Vitra-Design-Museum, 2000).

Oswald, Martin Farbenblinde sehen besser. Ein Vortrag an der Akademie der Bildenden Künste München, 10. Juli 2002 (Quelle: www.kunstpaedagogik.userweb.mwn.de/ VortragOswald.pdf).

Venturi, Robert; Scott Brown, Denise; Izenour, Steven Lernen von Las Vegas: Zur Ikonographie und Architektursymbolik der Geschäftsstadt (Basel: Birkhäuser, 2013). Welsch, Wolfgang (Hrsg.) Wege aus der Moderne: Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion (Weinheim: VCH Verlagsgesellschaft, 1988). Wick, Rainer Bauhausarchitektur und Farbe (in Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 5/6, 1983).

LITERATURVERZEICHNIS

Richter, Gerhard; Elger, Dietmar; Obrist, Hans-Ulrich Gerhard Richter. Text 1961 bis 2007. Schriften, Interviews, Briefe (Köln: Walther König, 2008) Schmalenbach, Werner Paul Klee. Die Kunst-Reihe in Farben (Berlin und Darmstadt: Deutsche Buch-Gemeinschaft, 1959). Spillmann, Werner; Schindler, Verena M. Farb-Systeme 1611–2007. Farb-Dokumente in der Sammlung Werner Spillmann (Basel: Schwabe, 2010).

361

Literaturverzeichnis St Clair, Kassia The Secret Lives of Colour (London: John Murray, 2016).

Fleck, Robert Mack – Reliefs (München: Hirmer, 2015).

Stromer, Klaus (Hrsg.) Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft (Köln: DuMont, 2005).

Gage, John; Moses, Magda; Opstelten, Bram Kulturgeschichte der Farbe: von der Antike bis zur Gegenwart (Leipzig: Seemann, 2013).

Temkin, Ann Color Chart: Reinventing Color 1950 to Today (New York: Museum of Modern Art, 2008).

Galerie Denise René – Rive gauche, Paris (Hrsg.) Cruz-Diez. Ausstellung vom 23. Mai 1973–11. Juni 1973 (Paris: Galerie Denise René, 1973).

Welsch, Norbert; Liebmann, Claus Christian Farben: Natur, Technik, Kunst (Heidelberg: Spektrum, 2012).

Güse, Ernst-Gerhard; Plümacher, Martina Reflexionen 4.1. Bild – Handeln. Anders – Sehen. Farbe, Licht und Form. Spielerische Perspektiven-Wechsel in der Rezeption von Kunst (Luxemburg: Éditions MediArt, 2017).

Wittgenstein, Ludwig Bemerkungen über die Farben (Suhrkamp: Frankfurt, 1979). Zwimpfer, Moritz Licht und Farbe. Physik, Erscheinung, Wahrnehmung (Sulgen: Niggli, 2012). Seite 96–97 Aargauer Kunsthaus (Hrsg.) Bridget Riley. Bilder und Zeichnungen 1959–2005 (Aarau: Aargauer Kunsthaus, 2005). Albrecht, Hans J.; Delaunay, Robert Farbe als Sprache. Robert Delaunay, Josef Albers, Richard Paul Lohse (Köln: DuMont, 1974).

Haupenthal, Uwe; Piper, Gurdun Konstruktiv – Konkret; Malerei, Plastik, Grafik. Ausstellung Richard-Haizmann-Museum Niebüll, 16. März bis 12. Mai 2008; Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt, 25. Januar 2009 bis 1. März 2009 (Husum: Verl. der Kunst, 2008). Holeczek, Bernhard Richard Paul Lohse. 1902–1988. Ausstellung Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen am Rein, 11. April bis 24. Mai 1992 (Heidelberg: Ed. Braus, 1992). Jaffé, Hans L. C; Mondrian, Piet Mondrian und De Stijl (Köln: DuMont, 1967).

Bielefelder Kunstverein Neuer Konstruktivismus (Bielefeld: Kerber, 2007).

Kepes, Gyorgy Modul, Proportion, Symmetrie, Rhythmus (Brüssel: La Connaissance, 1969).

Bendin, Eckhard Zur Farbenlehre. Studien (Dresden: Die Verlagsgesellschaft, 2011).

Liesbrock, Heinz (Hrsg.) Anni und Josef Albers. Begegnungen mit Lateinamerika (Ostfildern: Hatje Cantz, 2007).

Breuer, Leo; Gassen, Richard W.; Pohlmann, Andreas Leo Breuer: 1893–1975. Retrospektive (Heidelberg: Ed. Braus, 1992).

Liesbrock, Heinz, Semff, Michael (Hrsg.) Malerei auf Papier Josef Albers in Amerika (Ostfildern: Hatje Cantz, 2010).

Camille Graeser Stiftung Zürich, Kunstmuseum Stuttgart, Aargauer Kunsthaus (Hrsg.) Camille Graeser und die Musik (Köln: Wienand, 2015).

Liesbrock, Heinz, Graubner, Gotthard Gotthard Graubner. Gespräch mit Josef Albers (Düsseldorf: Richter, 2012).

Camille Graeser-Stiftung (Hrsg.), Gassen, Richard W; Hausdorff, Vera Camille Graeser. Vom Entwurf zum Bild. Ideenskizzen und Entwurfszeichnungen 1938 bis 1978 (Aachen: Wienand, 2009). Du Heft 872 Konstruktive Kunst (Dezember 2016)

362

Lorenz, Kuno Reflexionen 5. Können in den Künsten und Wissen in den Wissenschaften. Trennendes und Verbindendes (Luxemburg: Éditions MediArt, 2017). Loskill, Jörg (Hrsg.); Zimmermann, H.H. (Autor) Notizen aus dem Atelier-Arbeitsbuch 1982–2012 (Essen: Klartext, 2012).

Muthofer, Ben Geometrie Farbe Licht. Ben Muthofer retrospektiv. Eine illustrierte Reise durch seine Biographie. Ausstellung Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg, 15. Juli bis 16. September 2012 (Regensburg: Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg, 2012). Neubert, Jens Jean Baier. Expressiv Konkret (Ostfildern: Hatje Cantz, 2014). Riley, Bridget, Kudielka, Robert Malen um zu Sehen. Bridget Riley. Gesammelte Schriften 1965–2009 (München: Hirmer, 2012). Rompza, Sigurd; Bugs, Monika Sigurd Rompza im Gespräch mit Monika Bugs (Saarbrücken: Verl. St. Johann, 2000). Rompza, Sigurd Reflexionen Nr. 1 Als Künstler über Kunst schreiben (Luxembourg: Éditions MediArt, 2015). Rompza, Sigurd Reflexionen Nr. 2 Arbeitsnotizen 2010–2015 (Luxembourg: Éditions MediArt, 2015). Rompza, Sigurd Reflexionen Nr. 3 Thesen zu meiner künstlerischen Arbeit (Luxemburg: Éditions MediArt, 2016). Rompza, Sigurd Zu den Farb-Licht-Modulierungen der Jahre 2002–2004 künstlertheoretische Reflexionen 4 (in: Enzweiler, Jo: Relief. Konkret in Deutschland Heute. Saarbrücken: Galerie St. Johann, 1981). Rotzler, Willi Konstruktive Konzepte (Zürich: ABC, 1977). Uelsberg, Gabriele; Becks, Jürgen; Zimmermann, Hans Helmut H.H. Zimmermann. Das konkrete Konzept; Acrylmalerei,Zeichnungen, Collagen, Druckgraphik. Ausstellung vom 8. Juni bis 23. Juli 2006, Städtisches Museum Wesel, Galerie im Centrum (Wesel: Stadt Wesel, 2006). Stocker, Esther, Oberhollenzer, Günter (Hrsg.) Esther Stocker. Verrückte Geometrie (Bielefeld: Kerber, 2015). Svestka, Jiri (Hrsg.) Andor Weininger: vom Bauhaus zur konzeptuellen Kunst (Düsseldorf: Kunstverein f. d. Rheinlande u. Westfalen, Kestner-Gesellschaft, 1990). Wiehager, Renate (Hrsg.) Jan van der Ploeg. Selected Works 2009–2016. Ausstellung 27. Mai bis 17. Juli 2016, Kunsthaus Baselland, Muttenz (Köln: Snoeck, 2016).

LITERATURVERZEICHNIS

Seite 132–173 Adam, Hubertus Patrick Gmür / Peter Roesch: Schulhaus Scherr Zürich (in Archithese 5/2003). Albrecht, Hans J.; Delaunay, Robert Farbe als Sprache. Robert Delaunay, Josef Albers, Richard Paul Lohse (Köln: DuMont, 1974). Bachmann, Wolfgang Voller Farbe. Primarschule Hinter Gärten in Basel-Riehen (in Baumeister, B4/2007). Barragán, Luis; Toca, Fernández A. Barragán. Das Gesamtwerk (Basel: Birkhäuser, 1996). Elíasson, Ólafur; Crary, Jonathan Olafur Eliasson. Minding the World (Ostfildern: Hatje Cantz, 2005). Elser, Oliver Wohnhaus Schwarzer Laubfrosch (in Bauwelt 35/2004). Esch, Phillip Farbe vollfett: Erweiterung des Schulhauses Scherr, Zürich, von Patrick Gmür Architekten (in Werk, Bauen + Wohnen, 11/2003). Gage, John Rothko. Color as Subject in: Mark Rothko, Katalog zur Ausstellung vom 3. Mai bis 16. August 1998 in der National Gallery of Art (Washington: National Gallery of Art, 1998). Krischanitz, Adolf Architektur ist der Unterschied zwischen Architektur (Ostfildern: Hatje Cantz, 2010). Lorenzini, Karl Nicht jeder Mensch braucht die selben Farben. Interview mit Axel Buether (in Modulor Magazin, 1/2015). Marchal, Katharina Das Leben mit Farben: Über die Arbeit des Farbkünstlers Jörg Niederberger (in Modulor Magazin, 1/2015). Meerwein, Gerhard; Mahnke, Frank H.; Rodeck, Bettina Farbe – Kommunikation im Raum (Basel: Birkhäuser, 2007). Stadler, Hilar All Over. Hilar Stadler im Gespräch mit Peter Roesch (in: Prix Meret Oppenheim, 2007). Van der Laan, Hans Der architektonische Raum: Fünfzehn Lektionen über die Disposition der menschlichen Behausung (Leiden: E. J. Brill, 1992).

363

Literaturverzeichnis von Drathen, Doris Anish Kapoor, die Unendlichkeit der Mathematik (in Kunstforum 169/2004).

AVA talks to staat creative agency 01.05.2012 auf blog.bloomsburyvisualarts.com (abgerufen am 26.04.2017).

Zschocke, Nina Der irritierte Blick. Kunstrezeption (Paderborn: Fink, 2004).

Bachmann, Ulrich: Colour and light – Farbe und Licht (Sulgen: Niggli, 2011)

Seite 174–219 Dekel, Gil I Am a Painter. Perspective-localized painter, Felice Varini, interviewed by Gil Dekel. 2008 (www.poeticmind.co.uk/interviews-1/i-am-a-painter). De Koning, Krijn Krijn de Koning. binnen buiten. (Rotterdam: NAI Publ., 2002). Magrou, Rafael Man with a Plan. Dominique Coulon is a blueprint believer (in Mark 62/2016). Putz, Oskar; Nierhaus, Irene Korrespondenzen. Zu Arbeiten von Oskar Putz. Ausstellung vom 12. November bis 13. Dezember 1992, Wiener Secession (Wien: Galerie Wiener Secession, 1992). Putz Oskar Bindung und Autonomie der Farbe am Bau. Thesen zurPolychromie (in: Archithese 06/94). Rousse, Georges Georges Rousse, Architectures (Paris: Bernard Chauveau Édition, 2010). Sauerbruch, Matthias; Hutton, Louisa; Hartmann, Isabelle; Heimann, Michael; Schwantes, Hendrik Sauerbruch Hutton Archive 2 (Zürich: Lars Müller Publishers, 2016).

Baunetzwissen Dichroitisches Glas www.baunetzwissen.de/glossar/d/dichroitisches-glas-51651 (abgerufen am 26.04.2017). Blum, Elisabeth Atmosphäre. Hypothesen zum Prozess der räumlichen Wahrnehmung (Baden: Lars Müller Publishers, 2010). Böhme, Hartmut Das Licht als Medium der Kunst. Über Erfahrungsarmut und ästhetisches Gegenlicht in der technischen Zivilisation. In: Schwarz, Michael (Hrsg.): Licht, Farbe, Raum. Künstlerisch-wissenschaftliches Symposium; Braunschweig (Krefeld: Leporello, 1997). Brown, Julia (Hrsg.) Occluded Front. James Turrell (Los Angeles: Fellows of Contemporary Art, 1985). Crary, Jonathan Your Colour Memory. Illuminationen des Ungesehenen. In: Busch, Werner; Meister, Carolin: Nachbilder. Das Gedächtnis des Auges in Kunst und Wissenschaft (Zürich: Diaphanes, 2011). Cruz Diez, Carlos; Suárez, Osbel Carlos Cruz-Diez: Color Happens (Madrid: Fundación Juan March, 2009). Elíasson, Ólafur; Crary, Jonathan Olafur Eliasson. Minding the World (Ostfildern: Hatje Cantz, 2005).

Tebbe, Friederike; Fath, Christiane Farbräume = Color Spaces (Berlin: Jovis, 2009).

Gage, John Colour in Turner. Poetry and Truth (London: Studio Vista, 1969),

Wilson, Rob From A to B and back again. The work of Ola Kolehmainen with Sauerburch Hutton (in uncube blog interview 16.04.2014. www.uncubemagazine.com/blog/12652765).

Gage, John; Moses, Magda; Opstelten, Bram Kulturgeschichte der Farbe: von der Antike bis zur Gegenwart (Leipzig: Seemann, 2013).

Seite 220–273 A’A’ Hors-série Carlos Cruz-Diez. construire l’art avec l’espace (Paris: Archipress & Associés, 2016). Architectural Record Projects – Steven Holl (Heft 10, 2010).

364

Hagendorf, Herbert; Krummenacher, Joseph; Müller, Hermann-Josef ; Schubert, Torsten Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Allgemeine Psychologie für Bachelor (Berlin: Springer, 2011). Hoormann, Anne; Burdorf, Dieter; Fend, Mechthild; Uppenkamp, Bettina: Medium und Material. Zur Kunst der Moderne und der Gegenwart (München: Wilhelm Fink, 2007).

Hotze, Benedikt Museum Brandhorst (in Baunetzwoche 125, 15.05.2009).

Suárez, Osbel Carlos-Cruz Diez. Color Happens (Cuenca: Fundacion Juan March, 2009).

ICA News Release Holiday Home, Ben van Berkel and Caroline Bos (Philadelphia: ICA, 2006).

Tietz, Jürgen; Baumeister, Nicolette; Wilhelm, u.a. Baukulturführer 107. Immanuelkirche Köln. Architekten. Sauerbruch Hutton (Berlin: Koch, Schmidt u. Wilhelm, 2016).

Kuhnert, Nikolaus Matthias Sauerbruch und Lousia Hutton im Gespräch mit Nikolaus Kuhnert und Anh-Linh Ngo (in Arch+ 194: Lernen von Bruno Taut. 10/2009). Meerwein, Gerhard; Rodeck, Bettina; Mahnke, Frank H. Farbe: Kommunikation im Raum (Basel: Birkhäuser, 2007). Parker, Dorothea Museum Brandhorst. Kopfbau für das Kunstareal (in Bauwelt, 7/2009). Kraft, Benedikt Zum Reinbeißen schön. Die Fassade des Museums Brandhorst in München (in DBZ, 9/2009). Noever, Peter James Turrell. The Other Horizon (Ostfildern: Hatje Cantz, 1999). Sauerbruch, Matthias; Hutton, Louisa Sauerbruch Hutton Archive (Baden: Lars Müller Publishers, 2006). Sauerbruch, Matthias; Hutton, Louisa; Hartmann, Isabelle; Heimann, Michael; Schwantes, Hendrik Sauerbruch Hutton Archive 2 (Zürich: Lars Müller Publishers, 2016). Schick, Ulrike (Hrsg.) Peter Zimmermann. Pool (Wien: Verlag für Moderne Kunst, 2017). Schlereth, Thomas Zwischenraum_01. Berlin. Hackesche Höfe. Malerei von Andreas von Ow (Berlin: Zwischenraum, 2012/2013). Schlereth, Thomas Mit den Farben auf dem Weg. Laudatio zur Verleihung des Reinhold-Schneider-Stipendiums an Andreas von Ow, Freiburg im Breisgau, 7.4.2016.

Welsch, Norbert; Liebmann, Claus Farben. Natur, Technik, Kunst (Heidelberg: Spektrum, 2012). Winterhager, Uta Immanuelkirche Köln (in Bauwelt, 9/2014). Zschocke, Nina Der irritierte Blick. Kunstrezeption und Aufmerksamkeit (Paderborn: Fink, 2004). Zwimpfer, Moritz Licht und Farbe. Physik, Erscheinung, Wahrnehmung (Sulgen: Niggli, 2012) Seite 274–313 Binder, Ulrich Farbraum Stadt In: Farbraum Stadt. Box ZRH (Zürich: Kontrast, 2010). Bruns, Margarete Das Rätsel Farbe. Materie und Mythos (Stuttgart: Reclam, 2012). Buether, Axel Farbe. Entwurfspraktiken, Planungsstrategien, Visuelle Kommunikation (München: Detail, 2014). Glasner, Barbara; Schmidt, Petra Chroma: Design, Architektur und Kunst in der Farbe (Basel: Birkhäuser, 2009). Heller, Eva Wie Farben wirken (Hamburg: Rowohlt, 1989). Kling, Beate; Krüger, Torsten Signaletik. Orientierung im Raum (München: Detail, 2013).

Schmal, Peter Cachola Der Pavillon. Lust und Polemik in der Architektur (Ostfildern: Hatje Cantz, 2009).

Meerwein, Gerhard; Rodeck, Bettina; Mahnke, Eckhard Kaltenhäuser: Farbe – Kommunikation im Raum (Basel: Birkhäuser, 2007).

Schumacher, Ulrich Carlos Cruz-Diez. Ausstellung 12. Juni bis 14. August 1988, Quadrat Bottrop, Josef Albers Museum (Bottrop: Stadt Bottrop, 1988).

Paul, Jochen Staatliche Realschule in Eching (in Bauwelt 4/2007).

LITERATURVERZEICHNIS

365

Literaturverzeichnis Reichel, Alexander; Schultz, Kerstin (Hrsg.) Einrichten und Zonieren. Raumkonzepte, Materialität, Ausbau (Basel: Birkhäuser, 2014) Schittich, Christian (Hrsg.) Erschließungsräume (München: Detail, 2013). www.farbaks.de Seite 315–345

Huber, Hans Dieter Oberfläche, Materialität und Medium der Farbe In: Schawelka, Karl; Hoormann, Annette (Hrsg.) Who is afraid of. Zum Stand der Farbforschung (Weimar: Universitätsverlag, 1998). Leonie, Anna Dominikuszentrum München (www.meck-architekten.de)

Archithese 6/1994: Farbige Räume – espaces en couleur (Juni, 1994).

Lüth, Erich Ich finde Beton zum Kotzen (in: Berichte. Jahrbuch der freien Akademie der Künste in Hamburg, 1971/1972).

Archithese, 5/2003: Farbe/La couleur (Mai, 2003).

Meerwein, Gerhard; Mahnke, Frank H.; Rodeck, Bettina Farbe – Kommunikation im Raum (Basel: Birkhäuser, 2007).

Detail 12/2016: Architektur und Farbe (Dezember, 2016).

Olgiati, Valerio Valerio Olgiati. Vortrag (Basel: Birkhäuser, 2011).

Baudrillard, Jean Stimmungswert Material. Naturholz und Kulturholz (1968) In: Ders.: Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen (Frankfurt: Campus, 1991).

Pudor, Heinrich Deutsche Qualitätsarbeit (Gautzsch b. Leipzig: Dietrich, 1910)

Blaser, Werner; Malms, Johannes; van R. L. Mies West Meets East – Mies Van Der Rohe (Basel: Birkhäuser, 2001). Boesiger, Willy (Hrsg.) Le Corbusier et Pierre Jeanneret – Oeuvre complete en 8 volumes (Paris: Les Editions d’Architecture, 1967). Deplazes, Andrea Architektur Konstruieren. Vom Rohmaterial zum Bauwerk. Ein Handbuch (Basel: Birkhäuser, 2013). Freund, Michael Der Raum ist das Material: Richard Serra (In: DER STANDARD 13.7.2007) Geiger, Franz Putzbau (In: Deutsche Bauhütte Nr.49, Dezember 1902). Giedion, Sigfried Raum, Zeit, Architektur. die Entstehung einer neuen Tradition (Basel: Birkhäuser, 2000).

Rübel, Dietmar; Wagner, Monika; Wolff, Vera Materialästhetik: Quellentexte zu Kunst, Design und Architektur (Berlin: Reimer, 2005). Seipp, Heinrich Materialstil und Materialstimmung in der Baukunst (in Deutsche Bauhütte Nr. 6, 1902). Semper, Gottfried Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten (Frankfurt: Verlag für Kunst und Wissenschaft 1860). Spiro, Annette; Göhler, Hartmut; Gönül, Pinar Über Putz. Oberflächen Entwickeln und Realisieren (Zürich: gta Verlag, 2015). van de Velde, Henry Die Belebung des Stoffes als Prinzip der Schönheit (1910) In: Ders. Zum neuen Stil (München: Piper, 1955). van de Velde, Henry Kunstgewerbliche Laienpredigten (Leipzig: Seemann, 1902).

Hegger, Manfred; Drexler, Hans; Zeumer, Martin Basics Materialität (Basel: Birkhäuser, 2014). Hillig, Hugo Der Betonbau und die Dekorationsmalerei (in: Kunstgewerbeblatt, H.4, Bd.25, Januar 1914).

366

LITERATURVERZEICHNIS

Bildnachweis S. 5: Philadelphia Museum of Art. Purchased with funds contributed by C. K. Williams II (by exchange) © Ellsworth Kelly Foundation – S. 8: Isabella Stewart Gardner Museum, Boston, MA, USA / Bridgeman Images – S. 13: (o.) © Kunsthalle Bremen / Lars Lohrisch / Artothek (Foto); (u. li.) Los Angeles, The J. Paul Getty Museum / bpk / adoc-photos; (u. M.) Paris, Musée d‘Orsay / bpk / RMN - Grand Palais / Patrice Schmidt (Foto); (u. re.) Moskau, Staatliches Puschkin-Museum der Bildenden Künste / bpk / Alinari Archives / Alinari – S. 14: Kunsthaus, Zürich, Schweiz / Bridgeman Images; (u.) Paris, Musée d‘Orsay / bpk / RMN – Grand Palais / Patrice Schmidt (Foto) – S. 18: (o.) © Fine Art Images – Artothek © Succession H. Matisse / VG Bild-Kunst, Bonn 2018; (u.) © Museum Folkwang Essen – Artothek – S. 27: (o.) © Camille Graeser-Stiftung / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 (u.) © Kate Rothko-Pritzel & Christopher Rothko / VG Bildkunst, Bonn 2018. – S. 28: (o.) Collection Stedelijk Museum Amsterdam / Barnett Newman Foundation / VG Bild-Kunst Bonn 2018; (M.) The Solomon R. Guggenheim Museum, New York. Gift of the artist (by exchange), 1972 © Ellsworth Kelly Foundation; (u.) © Whitney Musem (digital image) © Judd Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn, 2018 – S. 29: (o.) bpk / Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf / Achim Kukulies (Foto) © VG BildKunst, Bonn 2018; (M.) Sammlung Schauwerk Sindelfingen, Deutschland / Ulrich Ghezzi (Foto) / Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac; (u.) © Städel Museum – Artothek © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 32: Syquali Crossmedia AG (Reto Rodolfo Pedrini) – S. 35: ©Tate, London 2018 / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 37: Petr Jehlik – S. 41: © Victoria and Albert Museum, London – S. 43: Petr Jehlik – S. 44: © Pepo Segura, Fundacio Mies van der Rohe / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 46: © Sönke Wurr – S. 49: (o. li.) Collection Het Nieuwe Instituut / collection Van EesterenFluck & Van Lohuizen Foundation, Amsterdam or Het Nieuwe Instituut / on loan from collection EFL Foundation, Amsterdam archive (code): EEST inv.nr.: 3.181; (o. re.) Collection Centraal Museum, Utrecht / Kim Zwarts 2005 / Pictoright © VG Bild-Kunst, Bonn 2018; (u. li.) Collection Het Nieuwe Instituut, donation Van Moorsel, archive (code): DOES, inv.nr.: AB5209; (u. re.) Diane Lahumière / Galerie La-humière – S. 54: Jeroen Kolkman (Foto) © F.L.C. / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 57: (o.) © F.L.C. / VG Bild-Kunst, Bonn 2018; (u.) Paul Kozlowski (Foto) © F.L.C. / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 58: (o.) P. De Prins (Foto) © VIOE / F.L.C. / VG BildKunst, Bonn 2018; (u.) Olivier Martin-Gambier (Foto) © F.L.C. / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 61: www.tautes-heim.de / Ben Buschfeld (Foto) – S. 64: M. Gabriela Bermeo Castrejón (Foto) © Barragan Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 66: Agostiono Osio (Foto) Courtesy Pirelli HangarBicocca, Milan © Fondazione Lucio Fontana / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 68: Gregor Julien Straube – S. 70: (o.) Architekturzentrum Wien, Sammlung / Margherita Spiluttini (Foto) © VG BildKunst, Bonn 2018; (M.) SIK-ISEA, Zürich © VG Bild-Kunst, Bonn 2018; (u.) Architekturzentrum Wien, Sammlung / Margherita Spiluttini (Foto) – S. 73: © Heinrich Helfenstein (Foto) / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 75: (o.) © Gigon/Guyer, Christian Brunner (Foto) / VG Bild-Kunst, Bonn 2018; (u.) © Heinrich Helfenstein (Foto) / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 77: © Gerhard Richter 2018 (0166) – S. 78: (li. + re.) courtesy of the artist; Niels Borch Jensen Galerie und Verlag, Berlin; neugerriemschneider, Berin; Tanya Bonakdar Gallery, New York © Olafur Eliasson – S. 85–88: Farbsysteme eigene Zeichnungen nach Stromer 2005 – S. 97: ©Tate, London 2018 / Bridget Riley 2018. All rights reserved – S. 98 © Camille Graeser-Stiftung / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 100: Peter Cox, Eindhoven, The Netherlands (Foto) / Collection Van Abbemuseum, Eindhoven, The Netherlands – S. 102: (o.) Collection of the Gemeentemuseum Den Haag ©2018 Mondrian/Holtzman Trust; (u. li.) Harvard Art Museums / Busch-Reisinger Muse-um, Gift of Eva Weininger, 1996.315 Art / Imaging Department © President and Fellows of Harvard College (Foto) © Estate of Andor Weininger / Licensed by VAGA, New York, NY / VG Bild-Kunst, Bonn 2018; (u. re.) Ketterer Kunst © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 104: Horst Bartnig – S. 105: Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt © Richard Paul Lohse-Stiftung, Zürich / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 106: © Camille Graeser-Stiftung / VG BildKunst, Bonn 2018 – S. 108 + S. 109: © 2018 The Josef and Anni Albers Foundation / Artists Rights Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 110: (o.) © VG Bild-Kunst, Bonn 2018; (u.) © 2018 The Josef and Anni Albers Foundation / Artists Rights Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 112: Jacques Breuer (Foto) © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 114: (o. + u.) Edgar Diehl – S. 115: Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 116: (o.) Dirk Rausch (Foto) © VG Bild-Kunst, Bonn 2018; (u.) © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 118: © Collection Museum Ritter, Waldenbuch / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 120: (o. + u.) © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 121: Jean-Louis Losi © VG BildKunst, Bonn 2018 – S. 122: Tanja Locke – S. 123–125: (alle) Kristof Lemp – S. 127: (o.) © Oliver Ottenschläger (Foto); (u. li.) Hilti Art Foundation © VG Bild-Kunst, Bonn 2018; (u. re.) Architekturmuseum der TU München / © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 129: (alle) Jan van der Ploeg Studio – S. 131: courtesy of Ricardo Bofill – S. 132: ©

BILDNACHWEIS

Eugeni Pons – S. 137: (li.) Ilya Ivanov; (re.) Vito Stallone – S. 139: (o.) Stephen Silverman (Foto) © Barragan Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2018; (u.) Armando Salas Portugal (Foto) © Barragan Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 140: (alle) Menga von Sprecher – S. 142: Lucas Bols – S. 143: Andreas von Einsiedel – S. 145–147: Heinz Unger, Zürich (Foto) / Daniele Marques, Marques Architekten AG, Luzern / © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 148: (o.) Luc Boegly; (u.) Sergio Grazia – S. 150: João Morgado – S. 151: ©Iwan Baan – S. 153: (o. li.) Bigoni Mortemard Architectes; (o. re.) © Ossip van Duivenbode; (u.) Arkitema Architects / Kontraframe – S. 155: (alle) © Paul Ott – S. 156: (alle) Filip Dujardin – S. 157: (o.) John Golling; (u.) Serge Technau – S. 159: (alle) i29 interior architects – S. 160: Arkitema Architects / Kontraframe – S. 161: (o.) Beppe Giardino; (u.) © David Romero-Uzeda – S. 162: Duzan Doepel, Eline Strijkers with Stefan Meyer – S. 165: (o.) Thomas Ott; (u.) Kraenk Visuell – S. 166 + 167: © Fernando Guerra (Foto) / spacerworkers – S. 169: (o.) José Hevia; (u. li. + u. re.) Lyndon Douglas – S. 170: © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 172: Hugo Santos Silva – S. 173: (o. + u.) Han Kyung Woo – S. 174: Pasquale Formisano – S. 176: Stefan Müller © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 178: Friederike Tebbe © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 179: (alle) Kristof Lemp – S. 180 + 181: (o.) Djan Chu; (u.) Alan Chu – S. 182: © Eugeni Pons – S. 184: © Iwan Baan – S. 187: (o. li. + o. re.) Hans Jürgen Landes; (u.) Lukas Roth – S. 188: Architekturzentrum Wien, Sammlung / Margherita Spiluttini – S. 190: Jan Bitter – S.191: Collection Centraal Museum, Utrecht (image & copyright) – S. 192: (o.) U.S. Navy Photo Courtesy of Naval History and Heritage Command; (u.) Matthew Cianfrani – S. 194: (alle) eigenes Bild – S. 196 + 197: Laurent Clément Photographe – S. 198 + 199: Fingerle&Woeste – S. 200: Katherine Lu – S. 202: Kazuyasu Kochi – S. 205: (o.) Iwan Baan; (u.) Jens Markus Lindhe – S. 206: (o.) Jan Bitter; (u.) © Rolando de la Fuente (Foto), Adagp, Paris 2018 © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 207: Courtesy of the Philadelphia Museum of Art © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 208: (alle) Kristof Lemp – S. 210 + 211: Georges Rousse © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 212 + 213: Malka Architecture – S. 214 + 215: © Eugeni Pons – S. 216: (o. + u.) VOX Architects – S. 217: (o. + u.) Jan Bitter – S. 218 + 219: Boa Mistura – S. 220: Studio Olafur Eliasson, Courtesy of ARoS Aarhus Kunstmuseum, Denmark, © Olafur Eliasson – S. 223: Daisuke Shima – S. 224: (o. + u.) Annette Kisling – S. 225: Werner Huthmacher, Berlin – S. 226: Tham & Videgard Arkitekter – S. 227: Åke E:son Lindman – S. 228: (o.) Andreas von Ow, (u.) Christian Richters – S. 231: Bas Princen – S. 232: (li. + re.) © Andreas Lechtape – S. 234 + 235: Bernhard Straub (Foto) © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 236 + 237: People’s Architecture Office – S. 239: Erin O’Keefe – S. 242: Daniel Buren / © DB-ADAGP Paris / © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 243 – 245: (alle) Dennis Brandsma & Ewout Huibers – S. 246 + 247: eigenes Bild – S. 248 + 249: UNStudio © Michael Moran – S. 250: Guillaume Wittmann (Dominique Coulon et associés) – S. 252 + 253: (alle) Kristof Lemp – S. 254: Erin O’Keefe – S. 255: Michael Latz (Foto) © Universität Konstanz – S. 257: COORDINATION ASIA – S. 258 + 259: (alle) Fernando Alda – S. 260: (o. + u. re.) Thilo Frank / Studio Olafur Eliasson; (u. li.) Ole Hein Pedersen (alle) Courtesy of ARoS Aarhus Kunstmuseum, Denmark, © Olafur Eliasson – S. 263: (alle) Kristof Lemp – S. 264: Nicolas Dorval-Bory Architectes – S. 266: Kristof Lemp – S. 267: © Fernando Guerra |FG+SG – S. 268: Unulaunu – S. 271: Atelier Cruz-Diez Paris (Foto) © Carlos Cruz-Diez / ADAGP Paris / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – S. 273: James Lattanzio (Foto) – S. 274: ©Eugeni Pons – S. 279: kaestle&ocker / Brigida González (Foto) – S. 280 + 281: Valentin Wormbs – S. 282 + 283: (alle) Aitor Ortiz, IDOM – S. 285 – 287: Clement Guillaume Photographe – S. 289: Andrea Kroth – S. 290: (o. li. + re.) Andrea Kroth; (u.) Stefan Müller-Naumann – S. 293: Marc Cramer – S. 295: (o. li.) Roger Frei; (o. re.) Niklaus Spoerri; (u.) Filip Dujardin – S. 296: Salva López – S. 297: Hertha Hurnaus – S. 298: ©Guillaume Wittmann – S. 300 + 301: ©Eugeni Pons – S. 302: Kenta Hasegawa (OFP) – S. 304: Pasquale Formisano – S. 305: Zooey Braun – S. 306: (o.) Philipp Lohöfener; (M.) Florian Holzherr; (u.) Stefan Meyer – S. 308: David Romero-Uzeda (Dominique Coulon et associés) – S. 309: Guillaume Wittmann (Dominique Coulon et associés) – S. 310: © Iwan Baan – S. 312: Ansis Starks – S. 313: © Agnese Sanvito – S. 314: Antonino Cardillo – S. 316: Henning Koepke – S. 321: (o.) Adolf Bereuter (Foto) / bernardo bader architekten; (u.) Andreas Fuhrimann, Gabrielle Hächler – S. 322: João Morgado – S. 324: (o.) Moritz Bernoully (u.) eigenes Bild / Richard Serra © VG-Bildkunst, Bonn 2018 – S. 326: Christiano Corte – S. 328: Christian Richters – S. 331: (o.) Michael Heinrich (Foto) © VG Bild-Kunst, Bonn 2018; (u.) Nikolaus Heiss – S. 332: doublespace photography – S. 344–335: (alle) courtesy of Ricardo Bofill – S. 336: Fernando Alda – S. 337: Florian Monheim / Bildarchiv Monheim GmbH – S. 339: Rick Messemaker – S. 340: courtesy of MVRDV © Rob ’t Hart (Foto) – S. 342 + 343: Antonino Cardillo – S. 344 + 345: (alle) © Simon Menges Abkürzungen: o. = oben, u. = unten, li. = links, re. = rechts, M. = Mitte

Impressum

Konzept Kerstin Schultz, Hedwig Wiedemann-Tokarz, Eva Maria Herrmann Mitarbeit Marina Baumgärtner, Anna Bingenheimer, Alina Maria Fernández Rädecke, Annika Griewisch, Tobias Klodt, Jule Bierlein Besonderer Dank Caparol Farben Lacke Bautenschutz GmbH und Knauf Gips KG. Lektorat Dietlind Grüne Projektkoordination Alexander Felix, Katharina Kulke Herstellung Heike Strempel Buchgestaltung Peter Dieter, Dorothea Talhof www.formalin.de Papier Munken Kristall Rough, 120 g/m² Druck Kösel GmbH & Co. KG, Altusried-Krugzell

ISBN 978-3-0356-1595-1 e-ISBN (PDF) 978-3-0356-1842-6 Englisch Print-ISBN 978-3-0356-1596-8 © 2019 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston 9 8 7 6 5 4 3 2 1 www.birkhauser.com

Library of Congress Control Number 2018955063 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. IMPRESSUM