Fabula in situ: Äsopische Fabelstoffe in Text, Bild und Gespräch 9783110359268, 9783110359190

This study examines various manifestations of elements from Aesop’s Fables in words, texts, and images, and explores his

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Fabula in situ: Äsopische Fabelstoffe in Text, Bild und Gespräch
 9783110359268, 9783110359190

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
I Einleitung
II Theoretische Voraussetzungen
II.1 Zeitgenössische theoretische Äußerungen
II.2 Zum Lehrgehalt der Fabel
III Reflexe mündlichen Fabelgebrauchs
IV Zur handschriftlichen Überlieferung von Ulrich Boners ‚Edelstein‘
V Multimedialität und Multifunktionalität: Die Fabel in Literatur und Kunst
VI Fazit
VII Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘
VII.1 Einzelüberlieferung
VII.2 Sammelhandschriften
VII.3 Fragment
VIII Bibliographie
VIII.1 Texte
VIII.2 Forschungsliteratur
IX Abbildungen

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Kattrin Schlecht Fabula in situ

Scrinium Friburgense Veröffentlichungen des Mediävistischen Instituts der Universität Freiburg Schweiz

Herausgegeben von Michele Bacci · Hugo Oscar Bizzarri · Elisabeth Dutton Christoph Flüeler · Eckart Conrad Lutz · Hans-Joachim Schmidt Jean-Michel Spieser · Tiziana Suarez-Nani

Band 37

De Gruyter

Kattrin Schlecht

Fabula in situ Äsopische Fabelstoffe in Text, Bild und Gespräch

De Gruyter

Veröffentlicht mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds, des Hochschulrates und des Mediävistischen Instituts der Universität Freiburg Schweiz

ISBN 978-3-11-035919-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-035926-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038677-6 ISSN 1422-4445 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. ” 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston Satz: Martin Rohde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen 앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier 앪 Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Frühlingssemester 2010 von der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg/Schweiz als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie leicht überarbeitet und um ein Handschriftenverzeichnis ergänzt. Die Untersuchung entstand im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunktes ‚Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen. Historische Perspektiven‘ (Universität Zürich) in dessen Freiburger Teilprojekt ‚Texte und Bilder – Bildung und Gespräch. Mediale Bedingungen und funktionale Interferenzen‘ unter der Leitung von Prof. Dr. Eckart Conrad Lutz. Ihm gilt auch mein erster und herzlichster Dank für die konstruktive und wohlwollende Betreuung der Arbeit, die angenehmen Arbeitsbedingungen, seine vielfältigen Hilfestellungen und nicht zuletzt für seine Geduld. Prof. Dr. Gerd Dicke (Eichstätt) danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens und die ursprüngliche Anregung, mich äsopischen Fabelstoffen in ihren unterschiedlichen Gebrauchszusammenhängen zu widmen. Des weiteren danke ich dem Mediävistischen Institut der Universität Freiburg/Schweiz für die Aufnahme der Untersuchung in diese Reihe, Martin Rohde für die umsichtige Besorgung des Satzes, sowie meinen Freiburger und Genfer Kollegen für viele anregende und heitere Gespräche und vor allem auch für die regelmäßige Fondue-Runde im Anschluß an die Forschungscolloquien. Konstanz, im April 2014

Kattrin Schlecht

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II Theoretische Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.1 Zeitgenössische theoretische Äußerungen . . . . . . . . .

21 21

II.2 Zum Lehrgehalt der Fabel . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III Reflexe mündlichen Fabelgebrauchs . . . . . . . . . . . . . . .

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IV Zur handschriftlichen Überlieferung von Ulrich Boners ‚Edelstein‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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V

Multimedialität und Multifunktionalität: Die Fabel in Literatur und Kunst . . . . . . . . . . . . . . . .

121

VI Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII.1 Einzelüberlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII.2 Sammelhandschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII.3 Fragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII.1 Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII.2 Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IX Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I Einleitung Nachdem zu Beginn der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts der damalige UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz zu Tode gekommen war, konnten sich die USA und die Sowjetunion zunächst nicht auf einen Nachfolger einigen, da die sowjetische Seite aus Angst, dieser könnte zu sehr westlichen Interessen zugewandt sein, anstelle einer Einzelperson eine ‚Troika‘ favorisierte. Als die Verhandlungen über den Besetzungsmodus endgültig zu scheitern drohten, überreichte John F. Kennedy dem sowjetischen Außenminister Andrei Andrejewitsch Gromyko ein Exemplar der Fabelsammlung des russischen Fabeldichters Iwan Andrejewitsch Krylow und machte ihn auf folgende Erzählung aufmerksam: Wenn unter Kameraden Eintracht fehlt, ist’s um ihr Werk nicht wohl bestellt, und schwerlich werden sie erreichen dann das Rechte. Der Schwan, der Krebs zusamt dem Hechte, die wollten einen Wagen ziehn, und spannten alle dreie sich vor ihn. Doch kam er nicht vom Fleck, trotz Mühe und Gekeuche. Die Last zwar war als gar zu schwer nicht anzuseh’n – doch strebt’ der Schwan nach Wolkenhöh’n, der Krebs krebst rückwärts und der Hecht lechzt’ nach dem Teiche. Wer schuld? – das zu erwägen ist hier nicht der Ort, nur steht der Wagen heut’ noch dort.1

Diese im Sinne amerikanischer Interessen geschickt eingesetzte Beispielsgeschichte ließ Gromyko keine Möglichkeit zu widersprechen – es sei denn, er hätte seinen Nationaldichter Krylow bloßstellen wollen. So berichtete er Staats- und Parteichef Chruschtschow über die Unterredung, und dieser stimmte schließlich zu, das Amt nach den bisherigen Gepflogenheiten zu vergeben.

1 Zitiert nach Iwan Andrejewitsch Krylow, Sämtliche Fabeln. Deutsch von Rudolf Bächtold, Zürich 1960, Nr. IV/5. Die Begebenheit erwähnt auch Triantaphyllia Karadagli, Fabel und Ainos. Studien zur griechischen Fabel (Beiträge zur klassischen Philologie 135), Königstein 1981, S. 7ff.

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Einleitung

Die zitierte Fabel fungiert hier als aktuelle Stellungnahme in einer ganz bestimmten Situation; ihre Verbindlichkeit ist absolut. Die „ursprüngliche lebendige Fabel [wie wir sie hier vorgeführt bekommen, ist] zunächst keineswegs Träger einer allgemeinen Wahrheit, einer Moral, die irgendwann und allezeit belehren und bessern soll;“2 sie ist hier in ihrer ursprünglichen Form als ‚ainos‘ „vielmehr der diplomatische Vermittler einer ganz speziellen, sozusagen akuten Wahrheit, die einen bestimmten Hörer in einem bestimmten Zeitpunkt unmittelbar treffen, im einzelnen konkreten Fall unmittelbar wirken soll.“3 Würde die Fabel samt dieser Rahmengeschichte erneut verwendet, um beispielsweise jemandem in einer ähnlichen Situation eine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, so würde der verbindliche ‚ainos‘ zum weniger verbindlichen Exempel,4 dem problemlos andere, das Gegenteil ‚beweisende‘ Exempel gegenübergestellt werden könnten.5 Die obigen Ausführungen weisen hoffentlich bereits auf eine, so vermute ich, zentrale Funktion der Fabel hin, die eines Situationsargumentes6 vor allem im Gespräch, sei es mündlich, literarisch, fingiert oder lediglich denkbar. Fabeln sind uns heute jedoch zumeist innerhalb von Sammlun2 Karl Meuli, Herkunft und Wesen der Fabel, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 50 (1954), S. 65–88, hier S. 77. 3 Beispiele für den Gebrauch von ‚ainoi‘ bei Meuli (Anm. 2), S. 73f., 78f., vgl. auch Walter Haug, Poetologische Universalien und Literaturgeschichte, in: Erzählforschung 2. Theorien, Modelle und Methoden der Narrativik, hg. v. Wolfgang Haubrichs (Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Beiheft 6), Göttingen 1977, S. 277–296, v. a. S. 280–283. 4 Ich verwende den Begriff ‚Exempel‘ an dieser Stelle im allgemeinen Sinne für beispielhaftes Erzählen; zur Gattungsabgrenzung s. u., S. 13ff. 5 Vgl. auch Haug (Anm. 3), S. 280ff., v. a. S. 283: „Der Weg geht also vom Ainos über das aktuell eingesetzte Exempel zum frei verfügbaren Exempel und schließlich zu einer Erzählung, die autonom ist, d. h. die nur noch sich selbst meint und nicht mehr in irgendeiner Weise einer bestimmten, als Lehre abziehbaren Bedeutung unterstellt ist. Beim Ainos ist die Verbindlichkeit absolut; beim Exempel ist die Verbindlichkeit die eines Arguments unter anderen [...].“ 6 Umfassend hierzu Klaus Grubmüller, Zur Pragmatik der Fabel. Der Situationsbezug als Gattungsmerkmal, in: Textsorten und literarische Gattungen. Dokumentation des Germanistentages in Hamburg vom 1. bis 4. April 1979, hg. v. Vorstand der Vereinigung der deutschen Hochschulgermanisten, Berlin 1983, S. 473–488, vgl. auch Meuli (Anm. 2), im Anschluß daran Peter von Moos, Geschichte als Topik. Das rhetorische Exemplum von der Antike zur Neuzeit und die historiae im ‚Policraticus‘ Johanns von Salisbury (Studien zur Literatur und Gesellschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit 2), Hildesheim u. a. 1988, S. 32–39.

Einleitung

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gen überliefert und ihre Verwendungskontexte nur sehr bedingt rekonstruierbar, obgleich die rhetorische und lehrhafte Funktion für mündliche Unterweisungssituationen wie die Predigt oder den Schulunterricht, in dem die – zumeist lateinische – Fabel auch zur Erarbeitung grammatikalischer und lexikalischer Regeln und Probleme diente, immer wieder betont worden ist.7 Dennoch will ich im Rahmen dieser Arbeit versuchen, zumeist in äsopischer Tradition stehende Fabelstoffe in unterschiedlicher kontextualisierter Form zu untersuchen und das Potential der Fabel in verschiedenen medialen Bedingungsgefügen zu erfragen. Die Multimedialität und Multifunktionalität der Fabelstoffe in ihren diversen Überlieferungsgemeinschaften und die Einbindung in zumeist didaktische Groß- und Klein7 Vgl. z. B. Klaus Grubmüller, Meister Esopus. Untersuchungen zu Geschichte und Funktion der Fabel im Mittelalter (MTU 56), München 1977, hierzu v. a. S. 86–111; Almut Suerbaum, Litterae et mores. Zur Textgeschichte der mittelalterlichen Avian-Kommentare, in: Schulliteratur im späten Mittelalter, hg. v. Klaus Grubmüller (MMS 69), München 2000, S. 383–434; Michael Baldzuhn, Avian im Gebrauch. Zur Verwendung von Schulhandschriften im Unterricht, in: Der Codex im Gebrauch. Akten des Internationalen Kolloquiums, 11.–13. Juni 1992, hg. v. Christel Meier u. a. (MMS 70), München 1996, S. 183–196 und S. XXXIV–XLV; Michael Baldzuhn, Quidquid placet. Stellung und Gebrauchsformen der ‚Fabulae Aviani’ im Schulunterricht des 15. Jahrhunderts, in: Schule und Schüler im Mittelalter. Beiträge zur europäischen Bildungsgeschichte des 9. bis 15. Jahrhunderts, hg. v. Martin Kintzinger u. a. (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 42), Köln u. a. 1996, S. 327–383; Michael Baldzuhn, Schriftliche Textauslegung und mündlicher Unterricht. Das Beispiel der älteren lateinisch und volkssprachlich glossierten Aviane (9.–11. Jahrhundert), in: Mittelalterliche volkssprachliche Glossen. Internationale Fachkonferenz des Zentrums für Mittelalterstudien der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2. bis 4. August 1999, hg. v. Rolf Bergmann u. a. (Germanistische Bibliothek 13), Heidelberg 2001, S. 485–512; Michael Baldzuhn, dem selbigen glosiert er allwegen in die feder. Distribution und Produktion/Rezeption volkssprachlicher „expositio ad litteram“ im Umfeld des spätmittelalterlichen Lateinunterrichts, in: Texttyp und Textproduktion in der deutschen Literatur des Mittelalters, hg. v. Elizabeth Andersen u. a., Berlin/ New York 2005, S. 415–435; Michael Baldzuhn, Schulbücher im Trivium des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Die Verschriftlichung von Unterricht in der Text- und Überlieferungsgeschichte der ‚Fabulae‘ Avians und der deutschen ‚Disticha Catonis‘, 2 Bde. (QuF NF 44, 1–2), Berlin/New York 2009; Nikolaus Henkel, Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte. Ihre Verbreitung und Funktion im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Mit einem Verzeichnis der Texte (MTU 90), München 1988.

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dichtung führen zu der Frage, was die offensichtliche Beliebtheit dieser – entgegen den oft vorgenommenen Zuschreibungen – zumeist doch eher mäßig unterhaltsamen und auf den ersten Blick auch nur ein sehr begrenztes Wissen vermittelnden Gattung ausmacht. Dabei geht es mir weder darum, „die Kontroverse zwischen Lessing und Herder über das ‚moralische‘ oder argumentative ‚Wesen‘ der Fabel nachträglich [...] entscheiden zu wollen“8 noch um eine Festlegung der ‚eigentlichen‘ Funktion der Fabel im Zuge ihrer Anwendungsgeschichte „(ist sie ‚eigentlich‘ politisch, situationsbezogen, ‚rhetorisch‘, oder ist sie illustrativ, belehrend, ‚moralisch‘)“,9 sondern um das komplexe Zusammenspiel von erzählten oder anzitierten Fabelstoffen und dadurch aufgerufenen Wissenshorizonten vor dem Hintergrund einer bestimmten Gesprächskultur und das Wissen um das Medium Gespräch und seine spezifische Vermittlungsleistung im Zusammenhang mit Kleinformen wie der Fabel. Obwohl die Fabel natürlich auch ein geschickt eingesetztes Situationsargument oder eine schlichte Belehrung darstellen kann, geht es mir eher um einen ‚doppelten Situationsbezug‘, ein ‚Fabelwissen‘, das gleichzeitig ein Wissen über adäquate Situationsbeherrschung wie auch die Reflexion über die Vermittlungsleistungen und kommunikativen Funktionen der Fabel beinhaltet, und das sich im schriftliterarischen wie mündlichen Umgang mit ihr manifestiert. ‚Gespräch‘ verwende ich im Sinne eines wie auch immer gebildeten, geselligen Austausches nach bestimmten Regeln, wobei im Zusammenhang mit der Fabel selbstverständlich auch Lehrgespräche im klassischen Sinne etwa aus dem klerikalen und schulischen Bereich sowie Situationen, in denen die Fabel als Argument eingesetzt wird, hinzukommen. In Anlehnung an die gesellige, ‚fazete‘ Gesprächskultur der frühen Neuzeit10 – und auch 8 Klaus Grubmüller, Fabel, Exempel, Allegorese. Über Sinnbildungsverfahren und Verwendungszusammenhänge, in: Exempel und Exempelsammlungen, hg. v. Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna Vitrea 2), Tübingen 1991, S. 58–76, hier S. 63. 9 Ebd.; die ältere Diskussion ist zusammengefaßt bei Waltraud Briegel-Florig, Geschichte der Fabelforschung in Deutschland, Freiburg 1965; Beispiele bei Erwin Leibfried und Josef M. Werle, Texte zur Theorie der Fabel (Slg. Metzler 169), Stuttgart 1978; durchgehend auf die politische Funktion verweist Reinhard Dithmar, Die Fabel. Geschichte, Struktur, Didaktik (UTB 73), Paderborn u. a. 71988; vgl. zusammenfassend Walter Gebhard, Zum Mißverhältnis zwischen der Fabel und ihrer Theorie, in: DVjs 48 (1974), S. 122–153. 10 Aus der umfangreichen Literatur seien genannt: Gerd Dicke, Fazetieren. Ein Konversationstyp der italienischen Renaissance und seine deutsche Rezeption im 15. und 16. Jahrhundert, in: Literatur und Wandmalerei II. Konventio-

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des Mittelalters –,11 wie sie etwa in den Vorreden von Fazetiensammlungen und Texten wie der ‚Mensa philosophica‘ oder Castigliones ‚Cortegiano‘ suggeriert wird, und in der durchaus nicht nur die Fazetie sondern auch die Fabel und das Sprichwort in bestimmtem Maße eine Rolle spielen – zwar in graduell unterschiedlicher Verwendungsweise, aber ähnlicher Funktion, wie noch zu zeigen sein wird –, sollen also die Verwendungsmöglichkeiten und Verständnishorizonte der Fabel und vor allem der Anspielungen auf sie sowie ihre Komprimate eruiert werden. Die Nähe der Fabel sowohl zur Fazetie als auch zu anderen mehr oder weniger didaktischen Kleinformen und Arten exemplarischen Erzählens oder verhüllenden Sprechens ergibt sich aus mehreren Gründen: Selbst wenn man die uneindeutige antike und mittelalterliche Terminologie12 nalität und Konversation. Burgdorfer Colloquium 2001, hg. v. Eckart Conrad Lutz u. a., Tübingen 2005, S. 155–188; Rüdiger Schnell, Gastmahl und Gespräch. Entwürfe idealer Konversation, von Plutarch zu Castiglione, in: Norm und Krise von Kommunikation. Inszenierungen literarischer und sozialer Interaktion im Mittelalter, hg. v. Alois Hahn u. a. (Geschichte. Forschung und Wissenschaft 24), Berlin 2006, S. 73–90; ders., Konversation im Mittelalter. Bausteine zu einer Geschichte der Konversationskultur, in: Konversationskultur in der Vormoderne, hg. v. Rüdiger Schnell, Köln u. a. 2008, S. 121–218; ders., Zur Konversationskultur in Italien und Deutschland im 15. und 16. Jahrhundert. Methodologische Überlegungen, in: Konversationskultur in der Vormoderne, hg. v. Rüdiger Schnell, Köln u. a., 2008, S. 313–385; Burghart Wachinger, Convivium fabulosum. Erzählen bei Tisch im 15. und 16. Jahrhundert, besonders in der „Mensa philosophica“ und bei Erasmus und Luther, in: Kleinere Erzählformen des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna Vitrea 8), Tübingen 1993, S. 256– 286; Wilfried Barner, Überlegungen zur Funktionsgeschichte der Fazetien, in: Kleinere Erzählformen des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna Vitrea 8), Tübingen 1993, S. 287–310; Johannes Klaus Kipf, Cluoge geschichten. Humanistische Fazetienliteratur im deutschen Sprachraum (Literaturen und Künste der Vormoderne 2), Stuttgart 2010. 11 Vgl. hierzu Gerd Dicke, Homo facetus. Vom Mittelalter eines humanistischen Ideals, in: Humanismus in der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. XVIII. Anglo-German Colloquium Hofgeismar 2003, hg. v. Nicola McLelland u. a., Tübingen 2008, S. 299–332. 12 Zur Abgrenzung der Typen vgl. Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 9–47, S. 9: „Häufiger wird [...] apologus für die Fabel – aber eben auch für eine Reihe anderer Kleinformen – verwendet, durchgesetzt hat sich jedoch auch dieser Terminus nicht. Geläufiger bleibt neben ihm immer noch die Bezeichnung der Fabel durch den Rahmenterminus fabula, der – neben der Tragödie – auch

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zur Gattungsabgrenzung nicht als Argument für die Vermischung unterschiedlicher Gattungen im heutigen Sinne heranzieht, zeigt die Überlieferung häufig genau jenen Befund. „Beispielerzählungen beliebigen Typs und damit auch unterschiedlichen Erkenntnisweges und Verständigungszieles [...] werden in Repertorien zusammengefaßt [...], was ja heißt, sie werden für grundsätzlich nicht beschränkbare Verwendung bereitgestellt. [...] Sie alle – das ist der kleinste gemeinsame Nenner – sind mindestens dazu geeignet, Aussagen zu illustrieren.“13 Es bietet sich also an, diese Texte von ihrer, wie gesagt graduell unterschiedlichen, Funktion her zu betrachten, aus der sich wiederum erst in beschreibbaren Verwendungssituationen ein „präziseres Profil als das des illustrativen Exempels“ ergibt.14 Ein solches Kompendium unterschiedlicher Kleinformen stellt beispielsweise die Wolfenbütteler Priamelhandschrift bereit; außerdem finden Fabeln häufig Eingang in Fazetiensammlungen wie zum Beispiel Kirchhofs ‚Wendunmuth‘, und schwankhafte Texte sowie Fazetien immer wieder auch in Fabelsammlungen wie beispielsweise die ‚Esopus-Additiones‘ des Sebastian Brant. Aus dem Befund, die mittelalterliche volkssprachliche Literatur kenne „keine präskriptive und nicht einmal eine deskriptive Gattungspoetik“, zu schließen, das volkssprachliche Mittelalter besitze auch „kein Gattungsbewußtsein“,15 halte ich im Hinblick auf funktionale den ganzen Bereich poetisch-fiktiver Erzählliteratur einschließt. Auch dann, wenn er durch den Bezug auf den Gattungsstifter zur fabula Aesopi präzisiert und damit dem apologus gleichgestellt wird, bleibt er in seiner definitorischen Kraft schwächer als es den Anschein hat: denn die äsopischen Sammlungen, auf die sich die fabula Aesopi zur Definition ebenso beruft wie der apologus, enthalten neben solchen Texten, die wir heute als Fabeln bezeichnen, eben auch all das, wovon wir die Fabel unterscheiden möchten, z. B. Anekdoten, Exempel, Parabeln, Gleichnisse.“ 13 Grubmüller, Fabel, Exempel (Anm. 8), S.63. 14 Ebd., S. 64. 15 So Klaus Grubmüller, Die Ordnung, der Witz und das Chaos. Eine Geschichte der europäischen Novellistik im Mittelalter: Fabliau – Märe – Novelle, Tübingen 2006, S.12; Ansätze einer mittelalterlichen Gattungssystematik finden sich bei Engelbert von Admont, der im Anschluß an Aristoteles und PseudoCicero acht Redemittel bestimmt, die die Rede placidus und decens machen, namentlich sententia, proverbium, historia sive exemplum, fabula, parabola, similitudo et metaphora, vgl. hierzu Fritz Peter Knapp, Mittelalterliche Erzählgattungen im Lichte scholastischer Poetik, in: Exempel und Exempelsammlungen, hg. v. Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna Vitrea 2), Tübingen 1991, S. 1–22, bes. S. 8–15, weitere Belege für die lateinische Literatur des Mittelalters, die sich jedoch ebenfalls zumeist am antiken Horizont

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Gesichtspunkte für gewagt. Vielmehr scheinen sich die mehr oder weniger gescheiterten, ahistorischen neuzeitlichen Versuche, mittelalterliche Texte in eine Gattungssystematik mit klaren Gattungsgrenzen einzuordnen, als untauglich zu erweisen.16 Grubmüller plädiert dafür, Gattungen „nicht als klassifikatorische Systeme, sondern konsequent als literarische Reihen“17 zu sehen, deren Stufen sich erkennbar aufeinander beziehen. Es scheint berechtigt und praktikabel zu sein, beispielsweise Fabel und Fazetie als an den Rändern offene Erzählformen zu behandeln,18 dennoch scheint es mir sinnvoll, vorab einige Merkmale der Fabel zu bestimmen, die gewöhnlich als ihre Charakteristika betrachtet werden. Weitestgehend konsensfähig ist die Auffassung, „daß in der Fabel Handlungen oder Vorgänge erzählt werden, die von Tieren, seltener auch Pflanzen oder Erscheinungen (Gegenständen) der unbelebten Natur getragen werden“19 oder, anders ausgedrückt, das „Merkmal [- menschlich]“.20 Bereits in der Frage, ob eine Fabel ein Pro- und/oder Epimythion aufweisen müsse und ob dieses der

orientieren und nur eine begrenzte Aussagekraft für die literarische Praxis besitzen, führt Grubmüller an in: Klaus Grubmüller, Gattungskonstitution im Mittelalter, in: Mittelalterliche Literatur und Kunst im Spannungsfeld von Hof und Kloster. Ergebnisse der Berliner Tagung, 9.–11. Oktober 1997, hg. v. Nigel F. Palmer und Hans-Jochen Schiewer, Tübingen 1999, S. 193–210, hier S. 196ff. 16 In diesem Sinne argumentiert auch Grubmüller, Ordnung, Witz, Chaos (Anm. 15), S. 13–16 und ders., Gattungskonstitution (Anm. 15), S. 200f. Zur Debatte um die mittelalterliche Kurzerzählung vgl. den Überblick bei Walter Haug, Entwurf zu einer Theorie der mittelalterlichen Kurzerzählung, in: Kleinere Erzählformen des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna Vitrea 8), Tübingen 1993, S. 1–36, dazu bzw. dagegen Klaus Grubmüller, Das Groteske im Märe als Element seiner Geschichte. Skizzen zu einer historischen Gattungspoetik, in: Kleinere Erzählformen des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna Vitrea 8), Tübingen 1993, S. 37–54. 17 Grubmüller, Ordnung, Witz, Chaos (Anm. 15), S. 13; ders., Gattungskonstitution (Anm. 15), S. 200f. 18 Vgl. Schnell, Konversation im Mittelalter (Anm. 10), S. 176, der dies für die Fazetie annimmt. 19 Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 12. 20 Klaus Grubmüller, Semantik der Fabel, in: Third international Beast Epic, Fable and Fabliau Colloquium, hg. v. Jan Goossens und Timothy Sodmann, Münster 1979, S. 111–134, hier S. 130.

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Ersatz für eine konkrete Situation sei, besteht Uneinigkeit,21 und auch der häufig postulierte moralisch-lehrhafte Gehalt wird zu diskutieren sein. Untersuchungsgegenstand meiner Arbeit sind einerseits unterschiedlich zusammengestellte Fabel- und Sprichwortsammlungen22 und die relativ viele Fabeln enthaltenden Fazetiensammlungen Kirchhofs und Paulis sowie zeitgenössische theoretische Äußerungen bezüglich der Verwendung von Fabeln, andererseits jedoch auch einige schriftliche Zeugnisse – eventuell auch fingierter – mündlicher Fabelverwendung, sowie weitere Zeugnisse literarischer und bildlicher Fabelanspielungen. Ein zentraler Untersuchungsgegenstand wird die handschriftliche Überlieferung von Ulrich Boners ‚Edelstein‘ sein; hier soll der Versuch gemacht werden, anhand der Zusammenstellung und Gestaltung der Handschriften mögliche Gebrauchszusammenhänge zu rekonstruieren. Das Ziel meiner Untersuchung ist, zu analysieren, wieso die Fabel in Mittelalter und Früher Neuzeit eine solch multimediale Omnipräsenz besitzt, was den Reiz und Mehrwert dieser kleinen Erzählungen und der durch sie aufgerufenen ‚Wissensbestände‘ ausmacht – und nicht zuletzt, welcher Art dieses Wissen überhaupt ist. Dies soll anhand des multifunktionalen kommunikativen Potentials der Fabeln und vor allem ihrer Komprimate und Anspielungen geschehen, die, so vermute ich, selbst dort, wo sie nicht direkt in der, eventuell auch nur gedachten, Rede auftreten, immer im Horizont einer bestimmten Weltsicht und Lebensbewältigung, einer diskursiven Verarbeitung von Wissen und nicht zuletzt einer bestimmten Art des „social discourse“ zu verorten sind.23 Mein Interesse richtet sich dabei weniger auf ostentativ didaktische Großdichtung wie den ‚Renner‘ 21 Zusammenfassend vgl. Gebhard (Anm. 9). 22 Die Nähe des Sprichwortes zur Fabel, die im Griechischen beide als ‚ainos‘ bezeichnet werden, ist nicht nur eine „strukturell-funktionale“, sondern auch eine genetische Verwandtschaft. Vgl. Dietmar Peil, Beziehungen zwischen Fabel und Sprichwort, in: Germanica Wratislaviensia LXXXV (Acta Universitatis Wratislaviensis 1164, Mikrofiche 7), Wroclaw 1989, S. 74–87, hier S. 74f. Häufig ist dabei nicht klärbar, ob ein Sprichwort oder eine sprichwörtliche Redensart einen Fabelplot komprimiert, oder ob es selbst diesen erst hervorbringt. Ein Beispiel hierzu stellt ‚Der Wolf in der Schule‘ dar, vgl. Gerd Dicke, Art. ‚Der Wolf in der Schule‘, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 10, Berlin/New York 21999, Sp. 1305ff. 23 In Anlehnung an Michael Curschmann, Marcolf or Aesop? The question of identity in visio-verbal contexts, in: Wort – Bild – Text. Studien zur Medialität des Literarischen in Hochmittelalter und früher Neuzeit, Bd. 2, hg. v. Michael Curschmann (Saecula spiritalia 44), Baden-Baden 2007, S. 755–799, hier S. 757.

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des Hugo von Trimberg, die lehrhafte Verwendung von Fabeln als persuasives Element in der Predigt oder in der Spruchdichtung wie zum Beispiel bei Herger, sondern vorrangig auf die Rekonstruktion eines spezifischen Umgangs, auch mit Literatur, in dem das Gespräch oder das gedachte Gespräch als Medium zur Vermittlung eines bestimmten Wissens dient, mithin auch auf gesellige Gesprächskultur.24 Anhand der handschriftlichen Überlieferung von Ulrich Boners ‚Edelstein‘ will ich die Interferenz zwischen Text, Bild und Glossierung sowie das Zusammenspiel der verschiedenen Texte innerhalb einer Handschrift in den Blick nehmen. Hier werden Überlagerungen und Brüche sichtbar, durch die mediale Prozesse greifbar werden, in denen also Medialität sich zeigt.25 Dies trifft auch zu auf Texte wie Thomasins ‚Wälschen Gast‘, wo sich ein Wissen um Medialität zeigt, „um Bedingungen der Rezeption, auf die der Autor nur begrenzten Einfluß hat, die Präsentation des Textes in ihrer – von Abschrift zu Abschrift veränderten – Materialität wie der situative und personelle Kontext, in dem sich seine Aneignung je neu voll-

24 Zur Verwendung in der Predigt vgl. Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 97–111; Elfriede Moser-Rath, Die Fabel als rhetorisches Element in der katholischen Predigt der Barockzeit, in: Die Fabel. Theorie, Geschichte und Rezeption einer Gattung, hg. v. Peter Hasubek, Berlin 1982, S. 59–75; Nachweise zur Verwendung bei Gerd Dicke und Klaus Grubmüller, Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Ein Katalog der deutschen Versionen und ihrer lateinischen Entsprechungen (MMS 60), München 1987, S. XII. Zum ‚Renner‘ und zur Spruchdichtung ebenfalls Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 229–296, außerdem Eberhard Lämmert, Reimsprecherkunst im Spätmittelalter. Eine Untersuchung der Teichnerreden, Stuttgart 1970. 25 Den Begriff ‚Medialität‘ verwende ich im Sinne von Christian Kiening, Medialität in mediävistischer Perspektive, in: Poetica 39 (2007), S. 285–352, hier S. 351: „Medialität – das könnte als jene Größe begriffen werden, die sich materiell in den performativen Vollzügen semiotischer Gefüge zeigt und zwar sich dergestalt zeigt, daß ein Mittleres zugleich als Vermittelndes erscheint. Mit ihm wären Möglichkeiten des Bedeutens gesetzt, die weder einfach im Materiellen fundiert und im Zeichenhaften codiert wären, sondern jeweils aus einer Bewegung zwischen beiden hervorgehen und in Wiederholung und Abweichung sich realisieren.“ Vgl. außerdem Mediale Gegenwärtigkeit, hg. v. Christian Kiening (Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen 1), Zürich 2007; Medien und Kommunikation. Eine interdisziplinäre Einführung, hg. v. Hans Krah und Michael Titzmann, Passau 2006; Sybille Krämer, Medium, Bote, Übertragung. Kleine Metaphysik der Medialität, Frankfurt a. M. 2008; Performativität und Medialität, hg. v. Sybille Krämer, München 2004.

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Einleitung

zieht.“26 Durch Thomasins Reflexionen und seine Fabeleinschübe werden Räume eröffnet, in welchen über die Vermittlungsleistung selbst reflektiert werden kann. Dies ist natürlich nur ein sehr begrenzter Aspekt, und die Autorin ist sich durchaus der Gefahr bewußt, einen weiteren Beitrag zur „ahistorischen Verabsolutierung [...] einzelner überpointierter Traditionssegmente zu ‚Gattungstypischem‘“27 zu leisten; dies sollte aber schon deshalb nicht der Fall sein, da es mir nicht darum geht, die von mir angesprochenen Elemente als gattungskonstituierende zu betonen oder gar zu verabsolutieren, sondern lediglich anhand der ‚Zurichtung‘ und Aufbereitung der Stoffe in Handschriften, theoretischer Aussagen und rekonstruierbarer Situationen das diskursive Potential der Fabel und verwandter Formen zu erfragen, ihre Leistungen im Hinblick auf soziale Interaktion und Wissenstransfer. Dabei geht es wohl eher um ein ‚Erfahrungswissen‘, das nicht in den Fabeln oder Sprichwörtern selbst steckt, sondern ein Anwendungswissen darstellt, ein Wissen, wie man sich in welcher (Gesprächs-)Situation verhält.28 Daran schließt die Frage nach der moralischen Lehrhaftigkeit der Fabel an, mit der wohl eher Deutungskompetenz demonstriert denn eine – moralisch wertende – Belehrung abgegeben wird; sprichworthaftes Wissen kann schließlich auch zur Täuschung eingesetzt werden. Dies alles soll selbstverständlich nicht davon ablenken, „wie reich und merkwürdig eine Geschichte der Fabel [eigentlich] sein müßte“29 – zur Fabel allgemein verweise ich auf die umfassende Darstellung von Klaus Grubmüller,30 zur Abhängigkeit der deutschen Fabel von der lateinischen Kommentartra-

26 Eckart Conrad Lutz, Lesevorgänge. Vom punctus flexus zur Medialität. Zur Einleitung, in: Lesevorgänge. Prozesse des Erkennens in mittelalterlichen Texten, Bildern und Handschriften, hg. v. Eckart Conrad Lutz u. a. (Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen 11), Zürich 2010, S. 11–33. 27 Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), S. XII. 28 Vgl. auch Ludger Lieb, Fabula docet? Überlegungen zur Lehrhaftigkeit von Fabel und Sprichwort, in: Von listigen Schakalen und törichten Kamelen. Die Fabel in Orient und Okzident. Wissenschaftliches Kolloquium im Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg zur Vorbereitung der Ausstellung „Tierisch moralisch. Die Welt der Fabel in Orient und Okzident“ am 22. und 23. November 2007, hg. v. Mamoun Fansa und Eckhard Grunewald, Wiesbaden 2008, S. 37–54, hier S. 46. 29 Meuli (Anm. 2), S. 67. 30 Grubmüller, Esopus (Anm. 7).

Einleitung

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dition auf Aaron E. Wright,31 zur Geschichte der älteren Fabelforschung auf Waltraud Briegel-Florig.32 Ein umfangreiches Verzeichnis deutscher und lateinischer Fabeln und Fabelanspielungen stellen Gerd Dicke und Klaus Grubmüller bereit,33 von den neueren Überblicksdarstellungen seien Adalbert Elschenbroich34 und Hans Georg Coenen35 hervorgehoben.

31 Aaron E. Wright, ‚Hie lert uns der meister‘. Latin Commentary and the German Fable 1350–1500 (Medieval and Renaissance Texts and Studies 218), Tempe, AZ 2001. 32 Briegel-Florig (Anm. 9). 33 Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24). 34 Adalbert Elschenbroich, Die deutsche und lateinische Fabel in der Frühen Neuzeit, 2 Bde., Tübingen 1990. 35 Hans Georg Coenen, Die Gattung Fabel. Infrastrukturen einer Kommunikationsform (UTB 2159), Göttingen 2000.

II Theoretische Voraussetzungen II.1 Zeitgenössische theoretische Äußerungen Das Buch von den Fabeln oder Merlin ist ein hochberümbt Buch gewesen, bey den allergelertesten auff Erden, sonderlich unter den Heiden. Wiewol auch noch itzund [...] wüsste ich ausser der heiligen Schrifft, nicht viel Bücher, die diesem uberlegen sein solten, so man Nutz, Kunst und Weisheit, und nicht hochbedechtig Geschrey wolt ansehen, denn man darin unter schlechten Worten, und einfeltigen Fabeln, die allerfeineste Lere, Warnung und Unterricht findet (wer sie zu brauchen weis) wie man sich im Haushalten, in und gegen der Oberkeit und Unterthanen schicken sol, auff das man klüglich und friedlich [...] leben müge.36

Die Fabel, so meint Martin Luther in der Vorrede seiner Fabelsammlung,37 vermittle auf schlichte Art Weisheit und nützliche Lehren verschiedenster Art – allerdings nur demjenigen, der sie zu brauchen weis, was einerseits auf die notwendige Fähigkeit zur Dekodierung exemplarischen Erzählens und verschlüsselter Rede anspielt, um daraus einen Nutzen ziehen zu können, andererseits jedoch durchaus nicht nur die Rezipientenseite betrifft. In Kommunikationssituationen, seien sie literarisch oder real, muß derjenige, der einen anderen anhand einer Fabel oder eines Sprichwortes überzeugen oder belehren will, mindestens das gleiche situative Anwendungswissen besitzen, um im richtigen Moment einen passenden Erfahrungssatz anzubringen und beispielsweise eine vertrackte Situation in seinem Sinne zu lösen. Zu brauchen wissen, muß man die Fabel demnach auch, um sich klug einzurichten in der Welt – die sprichwörtliche und bei Freidank titelgebende bescheidenheit –; die Kontexte, in denen Luther sich solch kluges Verhalten vorstellt, liefert er auch gleich mit: Nicht allein aber die Kinder, sondern auch die grossen Fürsten und Herrn, kan man nicht bas betriegen, zur Warheit, und zu irem nutz, denn das man inen lasse die Narren die Warheit sagen, dieselbigen können sie leiden und hören, 36 Luthers Fabeln. Nach seiner wiedergefundenen Handschrift hg. und eingel. von Ernst Thiele. Mit einem Facsimile (Neudrucke deutscher Litteraturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts 76), Halle a. S. 1888, S. 1. 37 Zur Entstehung der Fragment gebliebenen Sammlung vgl. Thiele, Einleitung zu Luthers Fabeln (Anm. 36), S. III–XVI.

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Theoretische Voraussetzungen sonst wöllen oder können sie, von keinem Weisen die Warheit leiden, Ja alle Welt hasset die Warheit, wenn sie einen trifft.38

Man könne also den Fürsten und Herren zu deren Nutzen durch uneigentliches Sprechen die Wahrheit sagen, welche sie nicht von Weisen, sondern nur von Narren hören wollten. Der Fabelverwender, so scheint es fast, rückt hier in die Nähe eines Hofnarren, der seinem Herrn die Wahrheit sagen darf, und der das ebenfalls zu dessen Vorteil oder Warnung und durch lustiges oder verhüllendes Sprechen tut.39 Die Fabel rückt in Luthers Ausführungen in die Nähe der Fürstenspiegel, vermittels derer künftige Herrscher zum Wohle der Beherrschten ihre sozialen, politischen und religiösen Aufgaben erlernen sollten.40 Der Fabel wird hier also einerseits eine wichtige gesellschaftliche Funktion zugeschrieben, andererseits ist auch die Verbindung zu gewissen Formen unterhaltender Geselligkeit gezogen. Zuvor spricht Luther noch den Nutzen für Kinder und Jugendliche an, die [...] mit Fabeln und Merlin leichtiger bewegt [...] und also mit lust und liebe zur Kunst und Weisheit gefürt würden, welche lust und liebe deste grösser wird, wenn ein Esopus, oder dergleichen Larva oder Fastnachtputz fürgestellet wird, der solche Kunst ausrede oder fürbringe, das sie deste mehr drauffmercken, und gleich mit lachen annemen und behalten.41

Mit seiner Einschätzung, es habe vielleicht gar nie einen Menschen mit dem Namen ‚Esopus‘ gegeben,42 ist Luther von „der literarhistorischen Realität, wie sie sich heutiger Forschung darstellt, nicht weit entfernt.“43 38 Luthers Fabeln (Anm. 36), S. 2f. 39 Vgl. zur sog. ‚Narrenfreiheit‘ der Fabelanwender bei Luther auch Elschenbroich (Anm. 34), S. 65. 40 Vgl. Hans-Joachim Schmidt, Spätmittelalterliche Fürstenspiegel und ihr Gebrauch in unterschiedlichen Kontexten, in: Text und Text in lateinischer und volkssprachiger Überlieferung des Mittelalters. Freiburger Kolloquium 2004, hg. v. Eckart Conrad Lutz u. a. (Wolfram-Studien 19), Berlin 2006, S. 377–397, hier S. 382. 41 Luthers Fabeln (Anm. 36), S. 2. 42 Ebd., S. 1. 43 Gerd Dicke, ... ist ein hochberümt Buch gewesen bey den allergelertesten auff Erden. Die Fabeln Äsops in Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Von listigen Schakalen und törichten Kamelen. Die Fabel in Orient und Okzident. Wissenschaftliches Kolloquium im Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg zur Vorbereitung der Ausstellung „Tierisch moralisch. Die Welt der Fa-

Zeitgenössische theoretische Äußerungen

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Die Frage nach Äsops historischer Authentizität44 ist zwar unbeantwortet und selbige deshalb nicht gänzlich auszuschließen, dennoch „hing seine literaturgeschichtliche Geltung und Wirkung doch eher an der Sogkraft, die sein Name seit vorchristlicher Zeit für die Zusammenfassung umlaufender Fabeln zu ersten Sammlungen entfaltete“.45 Die Beschäftigung mit der Fabel sei also umso angenehmer, wenn sie angeblich von einem Esopus oder dergleichen Larva oder Fastnachtputz vorgebracht werde; dennoch bemängelt Luther die schendliche[n] unzüchtige[n] Bubenstück[e], welche sich in seiner Vorlage, Heinrich Steinhöwels ‚Esopus‘,46 finden – gemeint sind wohl die Fazetien Poggios, von denen Steinhöwel einige in seine Sammlung aufgenommen hat. Darum habe er sich dis Buch fürgenomen zu fegen, [...] Allermeist umb der Jugend willen, da die Kompilatoren des deutschen Esopus nicht allein solch fein nützlich Buch, zu schanden und unnütz gemacht, sondern auch viel Zusatz aus irem Kopff hinzu gethan und Geschwetz und Narrenwerck daraus gemacht hätten, kurzum: Es sind Sew und bleiben Sew, für die man ja nicht solt Berlen werffen.47 Luther lehnt zwar die Aufnahme derberer Schwänke in Fabelsammlungen ab, übrigens unter beiläufiger Zurschaustellung seiner Sprichwortkompetenz, dennoch ist er der Meinung, diese sollten unterhaltsam und lustig sein: Was sonst nutz und nicht schedliche Fabeln sind, wöllen wir mit der Zeit auch, so Gott wil, leutern und fegen, damit es ein lustiger und lieblicher, doch erbarlicher und züchtiger und nützlicher Esopus werde, des man one Sünde lachen und gebrauchen könde, Kinder und Gesind zu warnen und unterweisen auff ir zukünfftiges Leben und Wandel, Daher er denn von anfang ertichtet und gemacht ist.48

Die Fabel dient demnach zur Warnung, zur Unterweisung und dem ‚richtigen‘ Lebenswandel, was ihre ursprüngliche Funktion sei; und auch seine Vorstellung über mögliche Anwendungssituationen teilt Luther uns mit:

bel in Orient und Okzident“ am 22. und 23. November 2007, hg. v. Mamoun Fansa und Eckhard Grunewald, Wiesbaden 2008, S. 23–36, hier S. 23. 44 Vgl. hierzu z. B. Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 49, Anm. 7. 45 Dicke, Die Fabeln Äsops (Anm. 43), S. 23. 46 Zu Steinhöwel vgl. Gerd Dicke, Heinrich Steinhöwels ‚Esopus‘ und seine Fortsetzer. Untersuchungen zu einem Bucherfolg der Frühdruckzeit (MTU 103), Tübingen 1994, hierzu S. 123. 47 Alle Zitate aus Luthers Fabeln (Anm. 36), S. 2ff. 48 Ebd., S. 4.

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Theoretische Voraussetzungen Und das ich ein Exempel gebe der Fabeln wol zu gebrauchen, Wenn ein Hausvater über Tisch wil Kurtzweil haben, die nützlich ist, kan er sein Weib, Kind, Gesind fragen, Was bedeut diese oder diese Fabel? und beide sie und sich darin üben. Als die fünffte Fabel vom Hund mit dem Stück Fleisch im Maul, bedeutet, wenn einem Knecht oder Magd zu wol ist, und wils bessern, so gehets im, wie dem Hund, das sie das gute verlieren, und jenes bessere nicht kriegen. Item, wenn sich ein Knecht an den andern hengt, und sich verfüren lesst, das im gehe, wie dem Frosch an der Maus gebunden, in der dritten Fabel, die der Weihe alle beide fras, Und so fort [...].49

Seine Vorstellung scheint also ein zwar belehrendes, aber dennoch an kurzweilige Rätselspiele erinnerndes Gespräch zu sein, das je nach Vorwissen der Teilnehmer unterschiedlich gestaltet werden kann und variable Lehren enthält, die zudem hin für den von ihm anvisierten Gesprächsrahmen frei von Zoten und ‚Narrheiten‘ im negativen Sinne sein müssen. Letzteres erklärt sich gewiß auch aus dem Status, welchen er seiner Fabelsammlung beimißt. Am 24. 4. 1530 schrieb er von der Veste Coburg aus an Melanchthon: Pervenimus tandem in nostrum Sinai, charissime Philippe, sed faciemus Sion ex ista Sinai, aedificabimusque ibi tria tabernacula, Psalterio unum, Prophetis unum, et Aesopo unum.50

Drei ‚Zelte‘ wollte er also bauen während seines unfreiwilligen Aufenthaltes in Coburg, eines der Auslegung des Psalters, eines der Übersetzung der prophetischen Bücher des Alten Testaments und eines dem Äsop und seinen Fabeln. Einerseits wird durch die Bezeichnung tria tabernacula der Äsop in die Nähe von Psalter und Propheten gestellt, andererseits sind die „Zuständigkeitsbereiche [...] Lobpreis, Verkündigung und Weltklugheit“ klar getrennt.51 Da die Fabeln heidnischen Ursprungs sind, versteht es sich für ihn wohl von selbst, daß ihr Geltungs- und Verwendungsbereich dort endet, wo der christliche Wirkungsbereich beginnt.52 Auffälligerweise enthalten sie keinerlei Anspielungen auf das religiöse und kirchliche Gebiet; wo solche ursprünglich enthalten waren, hat er sie in späteren Bearbeitungen wieder unterdrückt.53 In den Tischreden aus dem Jahr 1538 findet sich zu Äsop folgender Eintrag: 49 50 51 52 53

Luthers Fabeln (Anm. 36), S. 5. Zit. nach Elschenbroich (Anm. 34), Bd. 2, S. 63. Ebd. Ebd. Vgl. Thiele, Einleitung zu Luthers Fabeln (Anm. 36), S. III.

Zeitgenössische theoretische Äußerungen

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Sexta legit praefationem suam in Aesopum, quem librum mirifice commendavit, qui esset plenus doctrinae et morum et experientiae. Deinde addidit: Wer wol reden kann, der ist ein man. Nam sermo est sapientia, sapientia est sermo. Reden kombt vom raden, a consilio; sonnst heist gewaschen und nich geredt. Ita Aesopus loquitur, non garrit; proponit rem et veritatem sub forma stulti mori. Noch mus er druber verfolgt werden. [...] Also redt Aesopus, wäscht nicht; legt ein Ding und die Wahrheit für unter einer andern gestalt, als Fabeln, wie ein Narr.54

Das lateinische consilium, von dem Luther das Reden ableitet, bezeichnet nicht nur den Ratschlag, sondern auch Überlegung, Klugheit, Einsicht und sogar die List; Aesopus loquitur, non garrit und wer wol reden kan, der ist ein man. Die herausgehobene Stellung des unterhaltsamen und gelungenen, eleganten Redens erinnert stark an die ‚fazeten‘, ‚urbanen‘ Gesprächskonzepte der Antike und der Renaissance, wie sie zum Beispiel bei Cicero und Castiglione ausgebreitet sind, um jeweils nur ein Beispiel zu nennen. Cicero zählt in seiner Abhandlung über den Redner und das richtige Scherzen auch die Fabel zu den Dingen, die Gelächter erzeugen: Et ad hoc genus ascribamus etiam narrationes apologorum.55 Castiglione betont, man müsse auch klug sein und viel Rücksicht auf Ort, Zeit und Personen nehmen, mit denen man spricht, und darf weder zur Possenreißerei herabsteigen noch die Grenzen überschreiten.56 Der Kompilator von Luthers Vorlage, Heinrich Steinhöwel, hat in seine Sammlung gezielt auch schimpfreden Poggii und anderer57 aufgenom54 Luthers Tischreden, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, hg. v. Martin Böhlau u. a., Weimar 1883ff., Tischreden: 6 Bde., Weimar 1912– 1921, hier Bd. 4, Nr. 4085. 55 Marcus Tullius Cicero, De oratore. Über den Redner. Lateinisch/Deutsch, übers. und hg. v. Harald Merklin (RUB 399), Stuttgart 21991, II, 264. Zu Castiglione vgl. Werner Röcke, Lizenzen des Witzes: Institutionen und Funktionsweisen der Fazetie im Spätmittelalter, in: Komische Gegenwelten. Lachen und Literatur in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Werner Röcke und Helga Neumann, Paderborn u. a. 1999, S. 79–101, hierzu S. 87–92. Zur Gesprächskultur bei Luther vgl. auch Wachinger, Convivium fabulosum (Anm. 10). 56 Baldesar Castiglione, Das Buch vom Hofmann. Übers. und erl. von Fritz Baumgart. Mit einem Nachw. von Roger Willemsen, München 1986, Nr. L. 57 Steinhöwels Äsop, hg. v. Hermann Österley (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 117), Tübingen 1873, S. 4. In Poggios Fazetiensammlung finden sich im Gegenzug einige Fabeln, und auch Lorenzo Valla gab seiner Äsop-Übersetzung 18 Fazetien Poggios bei, vgl. Dicke, Steinhöwels ‚Esopus‘ (Anm. 46), S. 47. Steinhöwel fügte seiner Übersetzung allerdings eine Ent-

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Theoretische Voraussetzungen

men und ihr die Vita des sagenhaften Gattungsstifters Äsop vorangestellt, welcher mit lüsten, geschydikait und mangerlay schimpfkallen [...] über die maus begaubet58 war.59 Diese Voranstellung ruft die ‚Ursituation‘ der Fabel auf, mit deren Hilfe sich Äsop aus mißlicher Lage befreit oder andere überlistet. Steinhöwel betont in seiner Vorrede, der Leser solle auf die guoten lere, dar inn begriffen,60 achten und das Buch nicht der Geschichten wegen lesen, da er ansonsten nicht mehr davon hätte, als der han von dem edeln gestain, der lieber ain gersten körnlin funden het, als die erst fabel Esopi lert.61 Die Poeten hätten etliche Fabeln gedichtet, da sie lustig zu hören seien und das Wesen der Menschen beschrieben, um sie zu bessern.62 Bei Steinhöwel zeigt sich die für viele Sammlungen charakteristische Vermischung zwischen einerseits Wertschätzung der Lehre, welche aus der Erzählung extrahiert werden müsse, und andererseits verschieden gearteter Anbindung an ‚Aufführungssituationen‘, sei es indirekt durch die Anknüpfung an die Vita Äsops oder direkt durch die Empfehlung, bei Tisch Fabeln zu erzählen und zu erraten, wie bei Luther. Auch das Register, welches Steinhöwel ans Ende seiner Sammlung stellt, und das Stichwörter ganz verschiedener Art enthält, steht zwischen diesen beiden Polen. Einerseits folgt den Einträgen jeweils eine kurze Sentenz zum Thema und dann der Hinweis auf die Fabel, welche das Thema behandelt, andererseits lassen sich genau jene Sentenzen auch ohne die Fabeln verstehen und benutzen:

58 59 60 61 62

schuldigung schrybens lychfertiger schimpfred (Steinhöwels Äsop, S. 342ff.) bei; diese kann zwar als schwanktypische Entschuldigung betrachtet werden, um hinterher umso ungehinderter die inkriminierten Schwänke doch zu erzählen – es scheint ohnehin zentraler Bestandteil des fazetuösen Konzeptes zu sein, sämtliche aufgestellten Regeln in stillschweigendem Einverständnis zu unterlaufen –, dennoch waren seine Befürchtungen wohl nicht unberechtigt, vgl. Dicke, Steinhöwels ‚Esopus‘, S. 131: „[...] einer beträchtlichen Zahl von ‚Esopus‘-Benutzern, bei denen Steinhöwels Poggio-Anleihen derart aneckten, daß sie sich in ihren Exemplaren durch Ausreißen der entsprechenden Seiten, durch Ausstreichungen oder Schwärzungen von den dortigen Pikanterien distanzierten.“ Steinhöwels Äsop (Anm. 57), S. 38. Zum Aufbau der Sammlung und ihrer Vorlagen vgl. Dicke, Steinhöwels ‚Esopus‘ (Anm. 46), S. 42–47. Steinhöwels Äsop (Anm. 57), S. 4. Ebd., S. 5. Ebd.

Zeitgenössische theoretische Äußerungen

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Ablaßen. Man sol vergeben und nit vergeßen. Im andern buoch der x fabel.63

Dieses sentenzenhafte Kompendium kann zwar durchaus zur Orientierung in der Sammlung dienen, gleichzeitig stellt es leicht verwendbare und einprägsame Spruchweisheiten bereit. Sebastian Brant, der seinen Esopus-Additiones unter anderem etliche Schwänke beigefügt hat, betont in der Vorrede an seinen Sohn wiederum den Nutzen der vergnüglichen Lektüre, vermittels derer er sein Wissen vermehren, seine Begabungen ausbilden und den richtigen Lebensweg finden könne, wobei er – Brant – aus Liebe zu ihm einige schmutzige Witze entfernt habe, die für die Erziehung ungeeignet und von einigen Dummköpfen in das Werk eingeschoben worden seien. Dafür habe er heitere Geschichten, die der Moral dienen, und philosophische Sentenzen, Fragen und Sprichwörter eingefügt, die die Lektüre angenehmer machen und ihm leichter den Bildungsinhalt des Buches eröffnen sollen.64 Äsop sei ein hochgebildeter Mann gewesen, dessen Worte sowohl Bürger als auch Bauern bestens gebrauchen konnten, da er die bedeutendsten Lehren der Philosophie unter dem Deckmantel von Fabeln behandelt habe.65 Auch die Vortragsweise Äsops habe zu seinem Erfolg beigetragen, wie er in einem Zitat von Aulus Gellius darlegt: Aesopus ille e Phrygia fabulator haud immerito sapiens estimatus est, cum, que utilia monitu suasuque erant, non severe, non imperiose precepit et censuit (ut philosophis mos est), sed festivos delectabilesque apologos comentus res salubriter ac prospicienter animadversas in mentes animosque hominum cum audiendi quadam illecebra induxit, veluti multifaria eius fabula lepide atque iucunde demonstrat.66

Die moralischen Hinweise an seinen Sohn sollten jedoch nicht gänzlich davon ablenken, daß Brant in seiner Einladung an den Leser betont:

63 Steinhöwels Äsop (Anm. 57), S. 352. 64 Sebastian Brant, Fabeln. Carminum et fabularum additiones Sebastiani Brant – Sebastian Brants Ergänzungen zur Aesop-Ausgabe von 1501. Mit den Holzschnitten der Ausgabe von 1501 hg., übers. und mit einem Nachwort versehen von Bernd Schneider (Arbeiten und Editionen zur Mittleren Deutschen Literatur 4), Stuttgart-Bad Cannstatt 1999, S. 18. 65 Ebd., S. 17f. 66 Ebd., S. 17.

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Theoretische Voraussetzungen Qui cupis egregios sensus, studiose sodalis, Scommataque atque sales perspicere, ista lege!67

Obwohl er auch hier direkt anschließend betont, man könne aus seiner Sammlung lernen, weisen die sales doch eher auf gesalzene Witze oder fazetuöse Stücke hin, denn auf solche, die geeignet wären, jemanden moralisch zu bessern. Auch die Korrekturen und Ausmerzungen, die er in seiner revidierten Ausgabe von Steinhöwels Äsop letztendlich vornimmt, sind trotz Kritik an Stil und Inhalt nicht so gründlich, wie seine dortige Vorrede vermuten ließe.68 Diese Reinigung betont er auch für die Fortsetzung, wie oben angeführt, der Kolophon umreißt den Inhalt derselbigen allerdings mit centum circiter et quadraginta elegantissimis fabellis / facetis dictis,69 was sie wieder in die Nähe der beispielsweise von Cicero systematisierten Typen der geistreich-witzigen, geschliffenen Rede rückt.70 Den Anspruch, urbanus, facetus und elegans zu sein, könnte Brant jedoch nicht nur von den antiken Rednern, sondern auch aus den Textsammlungen, welche Einfluß auf seine Konzeption hatten, übernommen haben.71 Vor allem Poggios ‚Liber facetiarum‘ kommt als konzeptionelle Vorlage in Frage, einerseits wegen der massiven Aufnahme Poggioscher Fazetien, andererseits aufgrund des, bei Brant lediglich um Rätsel erweiterten, gleichen Gattungsspektrums, unter anderem Fazetien, äsopische Fabeln und sprichworthafte Sentenzen.72 Die gemeinsame Überlieferung von Fabel und Fazetie beschränkt sich nicht auf ausgewiesene Fabelsammlungen, sondern greift auch auf Fazetiensammlungen über, die Fabeln aufnehmen. Die Situierung der Fabel im Kontext dieser Sammlungen macht den ‚Gebrauchswert‘, die situative Verortung jener Texte vielleicht noch deutlicher – auch wenn es sich dabei selbstverständlich um eine Möglichkeit unter vielen handelt. Der Franziskaner Johannes Pauli, Prediger und Herausgeber der Geiler-Predigten, hat mit ‚Schimpf und Ernst‘ ein Buch zusammengestellt, welches durchlaufft [...] der Welt Handlung mit ernstlichen und kurtzweiligen Exemplen, Parabolen und Hystorien, nützlich und gůt zů Besserung der Menschen.73 67 68 69 70 71 72 73

Brant, Fabeln (Anm. 64), S. 15. Vgl. hierzu Dicke, Steinhöwels ‚Esopus‘ (Anm. 46), S. 129ff. Zit. nach ebd., S. 138. Cicero, De oratore, II. Vgl. Dicke, Steinhöwels ‚Esopus‘ (Anm. 46), S. 138. Vgl. auch ebd., S.139. Johannes Pauli, Schimpf und Ernst, hg. v. Johannes Bolte, 2 Bde., Hildesheim/ New York 1972 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1924), Bd. 1, Titel.

Zeitgenössische theoretische Äußerungen

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Pauli versammelt darin unter anderem exemplarische Erzählungen aus dem Romulus, aus Steinhöwels ‚Äsop‘, aus den ‚Gesta Romanorum‘ und aus Legendarien,74 deren Zweck er sich folgendermaßen vorstellt: Wan vil schimpfflicher, kurtzweiliger und lecherlicher Exempel darin sein, damit die geistlichen Kinder in den beschloßnen Klöstern etwa zø lesen haben, darin sie zø zeiten iren Geist mögen erlüstigen und røwen, wan man nit alwegen in einer Strenckeit bleiben mag, und auch die uff den Schlössern und Bergen wonen und geil sein, erschrockenliche und ernstliche Ding finden, davon sie gebessert werden, auch das die Predicanten Exempel haben, die schlefferlichen Menschen zø erwecken und lüstig zø hören machen, auch das sie Osterspil haben zø Ostern, und ist nichtz hergesetzt, dan das mit Eren wol mag gepredigt werden.75

Pauli erwähnt ausdrücklich die Bereitstellung der Stoffe als Predigtexempel, um die schläfrigen Menschen zu wecken,76 und als Spielvorlage; des weiteren betont er den Aspect der ‚recreatio‘, der auf Aristoteles zurückgeht und in den Vorreden der Fazetien – ebenso wie die, zumindest imaginierte, Mündlichkeit77 – zur gängigen Topik gehört. Die von Pauli aufgenommenen Fabelstoffe finden sich in der von ihm vorgenommenen Sortierung nach Schimpff und Ernst erstaunlicherweise zumeist unter der Rubrik Schimpff; einige seiner Bearbeitungen werde ich im nächsten Kapitel vorstellen. Hans Wilhelm Kirchhof versammelt in seinem ‚Wendunmuth‘ schwankhafte und exemplarische Erzählungen verschiedenster Art, welchen er für gewöhnlich die erklärung eines morale78 anhängt und so die für „didaktische Gattung[en] [wie die] Fabel konstitutive Zweiteilung in Handlung und Lehre [...] auf alle Spielarten seiner epischen Kleinprosa“ überträgt.79 Der Fabelanteil in den sieben Büchern des ‚Wendunmuth‘ ist dennoch sehr unterschiedlich; im ersten Buch erfüllen sie eine Art „Modellfunktion“80 für die anderen Erzählungen, treten dann hinter andere Stoffe zurück und nehmen im siebten Buch schließlich breiten Raum ein; bereits der Titel trägt dem Rechnung: 74 75 76 77 78

Vgl. Elschenbroich (Anm. 34), Bd. 2, S. 126. Pauli (Anm. 73), Bd. 1 Vorrede. So auch schon Jacob von Vitry, vgl. unten, Kap. III. Vgl. hierzu z. B. Röcke (Anm. 55), S. 81–86. Hans Wilhelm Kirchhof, Wendunmuth, hg. v. Hermann Österley, 5 Bde. (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 95–99), Tübingen 1869, VII, Titel. 79 Elschenbroich (Anm. 34), Bd. 2, S. 128. 80 Ebd.

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Theoretische Voraussetzungen [...] darinnen zwey hundert und ein apologus, das ist, gleichnuß und fürbildt guter sitten, auß alten philosophischen und andern scribenten büchern fürnemlich außerlesen, zum theil auß dem latein verteutscht, sampt etlichen newen exempeln verbeßert, alles durch erklärung eines morale menniglich mit lust, nutz und gut zu lesen [...].81

Dies sind zunächst die üblichen Topoi, anknüpfend etwa an das Horazsche prodesse aut delectare; auch die Bereitstellung zur mündlichen Verwendung – und ersatzweisen Bildung – betont Kirchhof: Dergleichen gedacht, daß [...] also auch allhie der gemein mann, so die großen historicos und chronica nicht gelesen, noch zuwegen bringen kann, sich darauß spiegeln oder nothwendige exempel nemmen, mit diesen particular und special historien behelffen kann [...].82

Im siebten Buch definiert er in Anlehnung an das ‚Buch der Beispiele der alten Weisen‘, was ein apologus sei: Apologus ist ein gespräch und gedicht weiser, verständiger männer [...]; zum andern, umb kurtzweil und anmuhtung dem leser zu geben; und zum dritten, weil die gleichnuß und beyspiel viel und größer bey den lesenden und zuhörern, auch darzu unser fürwitz geneigt ist, würcken mag und anmuth hat.83

Anschließend gibt er eine Leseanleitung und beginnt dann mit der Fabel von ‚Hahn und Perle‘, um daraufhin wieder zur Theorie zurückzukehren und übersetzte Ausschnitte aus Melanchthons Vorrede zur Schulausgabe der Anthologie des Camerarius84 abzudrucken, anschließend folgt ein Kurtzer inhalt der fabeln AEsopi, von Philostrato beschrieben85 mit den gängigen Erwähnungen der Nützlichkeit und den Vorteilen verhüllten Sprechens. Daran schließt sich allerdings eine Reihe von Erzählungen an, in denen während eines königlichen Banketts verhandelt wird, was das stärkste sei: der Wein, die Weiber, der König oder die Wahrheit. Diese Geschichten enden zwar wie die anderen jeweils mit einer gereimten ‚Moral‘, diese ist jedoch eher lustig als belehrend. Durch die Verwendung der zweiteiligen Form, die dann aber zum Teil ganz anders ausgefüllt wird als erwartet, erfolgt bei Kirchhof ein fließender Übergang zwischen lehrhafteren und schwankhafteren Formen.

81 82 83 84 85

Kirchhof (Anm. 78), VII, Titel. Ebd., VI, 1. Ebd., VII, 1. Vgl. Elschenbroich (Anm. 34), Bd. 2, S. 129. Kirchhof (Anm. 78), VII, 5.

Zeitgenössische theoretische Äußerungen

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Etwas anders als die oben angesprochenen spätmittelalterlichen Sammlungen präsentierte sich noch die erste deutsche Fabelsammlung, der wohl um 1340–1350 entstandene ‚Edelstein‘ des mutmaßlichen Berner Dominikaners Ulrich Boner,86 die jedoch eventuell zunächst gar nicht als geschlossene Sammlung konzipiert war, sondern auch aus einer lockeren Sammlung hervorgegangen sein könnte, die zunächst für Boners privaten Predigtgebrauch bestimmt war.87 Zwar enthält auch der ‚Edelstein‘ nicht ausschließlich Fabeln, sondern dazu eine Reihe von Exempeln und anderer Kurzerzählungen, die Boner aus seinen Hauptquellen Anonymus Neveleti und Avian sowie seinen zahlreichen Nebenquellen übernehmen konnte.88 Dennoch ist der Textbestand bei weitem nicht so disparat wie bei Steinhöwel oder Brant. Auch Boner legt in seiner Vorrede großen Wert auf das richtige Verständnis seiner bîschaft: Diz büechlîn mag der edelstein wol heizen, wand ez in im treit bîschaft manger kluogkeit, und gebirt ouch sinne guot, alsam der dorn die rôse tuot. wer niht erkennet wol den stein und sîne kraft, des nutz ist klein. wer oben hin die bîschaft sicht und inwendig erkennet nicht, vil kleinen nutz er dâ von hât, als wol hie nâch geschriben stât.89

Die Wichtigkeit dieses Themas unterstreicht er mit seinen programmatischen Einleitungsfabeln,90 und auch der Epilog geht noch einmal auf das Verständnis der Aussage ein: Wer die bîschaft merken wil, der setz sich ûf des endes zil. der nutz lît an dem ende gar 86 Vgl. Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 297. 87 Vgl. Ulrike Bodemann und Gerd Dicke, Grundzüge einer Überlieferungsund Textgeschichte von Boners „Edelstein“, in: Deutsche Handschriften 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985, hg. v. Volker Honemann und Nigel F. Palmer, Tübingen 1988, S. 424–468, hierzu S. 450. Ausführlich zum ‚Edelstein‘ s. u., Kap. IV. 88 Zu Boners Quellen vgl. Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 298–302 und 310–319. 89 Ulrich Boners Edelstein, hg. v. Franz Pfeiffer (Dichtungen des deutschen Mittelalters 4), Leipzig 1844, Prolog, V. 64–74. 90 Vgl. Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 307f.

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Theoretische Voraussetzungen der bîschaft, wer sîn nimet war. diu getât ist nicht alsô gewesen der bîschaft, als mans hoeret lesen. dar umb list man ein bîschaft guot, daz wîser werd des menschen muot. [...] und ungezieret sind mîn wort; doch hânt si kluoger sinnen hort. ein dürre schal dik in ir treit ein kernen grôzer süezekeit. 91

Neben dieser Leseanleitung in den Rahmenteilen bietet Boner konventionelle Teile des literarischen Prologs, die Zeugnis ablegen über seine literarische und rhetorische Bildung.92 Boner widmet sein Werk Johann von Ringgenberg, einem „der wichtigsten und einflußreichsten freien Herren im Einzugsbereich der Berner Politik zur Zeit Boners, er zählt auch zu denjenigen Schweizer Adeligen, die an der literarischen Mode vornehmer Dilettanten-Dichtung im Gefolge der Minnesang-Restauration teilnahmen.“93 Er mißt seiner Sammlung also schriftliterarischen Rang bei, was auch durch die Bemerkung Wer daz list oder hoeret lesen94 im Epilog verdeutlicht wird. Auf die Rezipienten hatte dies freilich wenig Einfluß; der ‚Edelstein‘ wurde zumeist nicht ‚vollständig‘ – im Sinne der Pfeifferschen Edition – tradiert, alle 100 Fabeln sowie Prolog und Epilog überliefern lediglich eine 1870 verbrannte, ehemalige Straßburger Handschrift95 und, bezüglich der Anzahl der Fabeln allerdings nur fast vollständig, der Codex Heidelberg, UB, cpg. 400; dieser bisher als Überlieferungsverlust gedeutete Befund könnte jedoch auch auf eine zunächst lockere Sammlung hindeuten, die erst nach und nach in ein geschlossenes Autoroeuvre überführt worden ist.96 Neben Prolog und Epilog haben vor allem die programmatischen Einleitungs- und Schlußfabeln kaum Eingang in die handschriftliche Überlieferung gefunden.97

91 92 93 94 95

Boners Edelstein (Anm. 89), Epilog, V. 1–16. Vgl. auch Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 308ff. Ebd., S. 310. Boners Edelstein (Anm. 89), Epilog, V. 33. Ehem. Straßburg, StB, Joh. Bibl. Ms. A 87. Vgl. Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 433, Auflistung der Bestandsklassen S. 446–449. 96 So Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 450. 97 Der Prolog viermal, der Epilog 14 mal, davon zwölfmal mit der Schlußfabel, die titelgebende Eingangsfabel von ‚Hahn und Edelstein‘ lediglich fünfmal

Zeitgenössische theoretische Äußerungen

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Wir sehen also – mit Ausnahme Ulrich Boners – die, je nach Autor mehr oder weniger deutliche theoretische Einbindung in die Sphäre der, wenn auch vielleicht nur imaginierten, aber immerhin für möglich gehaltenen Mündlichkeit, die sich einerseits durch die intendierte Bereitstellung der Erzählungen und ihrer einprägsamen Sentenzen für den Wiedergebrauch zeigt, zumal dort, wo sie wie bei Steinhöwel in einem thematisch geordneten Register zugänglich gemacht werden,98 was wiederum an den Aufbau mancher Sprichwortsammlungen wie zum Beispiel diejenigen Johannes Agricolas und Sebastian Francks oder auch an das Sentenzenkompendium eines Freidank erinnert;99 andererseits weist die Kombination funktional verwandter, spielerischer Kleinformen in den Sammlungen auf ähnliche Gebrauchssituationen hin. Zwar ist es letztendlich nicht zu klären, ob beispielsweise die Fazetie, deren Sammler immer wieder betonen, einen Witz gehört oder erlebt zu haben, nicht doch eine am Schreibtisch ersonnene Gattung ist,100 spätestens bei der selbstverständlichen Weitertradierung bei insgesamt 36 Handschriften; vgl. die Zusammenstellung von Bodemann/ Dicke (Anm. 87), S. 446–449. 98 Obwohl Steinhöwels Anspruch wohl eher der einer abschließenden Kodifizierung und Gesamtausgabe war, denn der einer Sammlung für den situativen Wiedergebrauch, vgl. auch Klaus Grubmüller, Elemente einer literarischen Gebrauchssituation. Zur Rezeption der aesopischen Fabel im 15. Jahrhundert, in: Würzburger Prosastudien II. Untersuchungen zur Literatur und Sprache des Mittelalters. Kurt Ruh zum 60. Geburtstag, hg. v. Peter Kesting (Medium Aevum. Philologische Studien 31), München 1975, S. 139–159, hierzu S. 156. 99 Die wiederum alle drei auch Anspielungen auf Fabelmotive enthalten. Den Sprichwortsammlungen sind häufig erläuternde Auslegungen beigegeben, die sich manchmal auf eine erläuternde Paraphrasierung beschränken, häufig werden jedoch auch Schwänke oder Fabeln zur Illustrierung des behaupteten Sachverhalts bzw. der aufgestellten Regel hinzugezogen. Somit ist das Verfahren ein ähnliches, wie in den Fabelsammlungen, in denen der Auslegungsvorgang lediglich entgegengesetzt abläuft. Die Funktion und das Umfeld der Benutzer dürften mithin die gleichen sein. Zur engen Symbiose zwischen Fabel und Sprichwort vgl. auch Peil, Beziehungen zwischen Fabel und Sprichwort (Anm. 22), sowie Anm. 22. Zu den Vorreden der Sprichwörtersammlungen s. Bärbel Schwitzgebel, Noch nicht genug der Vorrede (Frühe Neuzeit 28), Tübingen 1996, S. 98–117. 100 Allerdings verlieren sowohl Witze als auch fazete ‚dicta‘ und gekonnte Fabelanspielungen bei der stillen Lektüre eher ihren Reiz; auch die z. B. in Brants Esopus-Additiones mitüberlieferten Rätsel muß man sich wohl eher als Gesellschaftsspiel denken. Dies schließt natürlich nicht aus, daß die ausformulierten Geschichten dennoch auch gelesen wurden.

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Theoretische Voraussetzungen

der immer gleichen Erzählungen dürfte die Kenntnis jedenfalls auf schriftlichen Quellen basieren. Dies schließt jedoch nicht aus, daß sowohl jocose ‚dicta‘ als auch Fabelanspielungen oder Sprichwortkomprimate gleichzeitig in der Mündlichkeit weitertradiert und/oder anhand der Sammlungen erinnert werden.101 Ein theoretisches Bewußtsein hierfür scheint bei den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kompilatoren jedenfalls zu bestehen.102 Die häufig vorkommende Verlegung mündlicher Fabelsituationen in die Vergangenheit erinnert, auch wenn die Gründe letztendlich jeweils vielleicht unterschiedliche sind, zudem an die Verlegung der Poggioschen Fazetien in die vergangenen Zeiten des Bugiale;103 letzteres hatte vermutlich die Funktion, aggressive Witze zu lizensieren,104 mit der Autoritäten wie Äsop in den Mund gelegten Fabel und ihren zumeist nicht menschlichen Akteuren kann man ungehindert Kritik vorbringen, wie beispielsweise Luther betont. Beide Textsorten dienen in gewisser Weise auch der gewitzten, gewaltfreien Behebung von Konflikten; die Fabel, indem sie zur Überzeugung oder Überlistung des ‚Gegners‘ eingesetzt werden kann, die Fazetie durch ihre Entspannungsfunktion als ‚Aktion statt der Aktion‘.105 Dies sind beides Verhaltensweisen, die sich sehr gut in die gesellige 101 Dagegen Coenen (Anm. 35), S. 35: „In den erhaltenen Reden – etwa eines Demosthenes oder Cicero – kommen Fabeln so gut wie gar nicht vor. Dass Fabeln ‚ursprünglich‘ ein Mittel der spontanen mündlichen Argumentation und deshalb auf die Erfordernisse einer konkreten Diskussionslage zugeschnitten waren, geht nur aus nachträglichen schriftlichen Schilderungen eines mündlichen Fabelgebrauchs hervor, denen man glauben kann oder auch nicht.“ Dagegen argumentieren könnte man mit dem Fabelgebrauch bei Luther, Vinzenz von Beauvais, Jacob von Vitry oder Geiler von Kaisersberg. 102 Silvia Reuvekamp, Sprichwort und Sentenz im narrativen Kontext. Ein Beitrag zur Poetik des höfischen Romans, Berlin/New York 2007, S. 37 zeigt z. B. für die Verwendung von Sprichwörtern im höfischen Roman, daß diese dazu dienen, „[...] Mündlichkeit zu stilisieren und ein höfisches Gesprächsideal in Anlehnung an gelehrte Konversationsformen zu entwerfen“. 103 Poggio Bracciolini, Facezie. Con un saggio di Eugenio Garin. Introduzione, traduzione e note di Marcello Ciccuto. Testo latino a fronte (I classici della Biblioteca Universale Rizzoli), Milano 1983, Praefatio, S. 108. 104 Frank Wittchow, Eine Frage der Ehre: Das Problem des aggressiven Sprechakts in den Facetien Bebels, Mulings, Frischlins und Melanders, in: Zeitschrift für Germanistik 2 (2001), S. 336–360, hier S. 343. 105 Hans-Jürgen Bachorski, Poggios Facetien und das Problem der Performativität des toten Witzes, in: Zeitschrift für Germanistik 11 (2001), S. 318–335, hierzu S. 328–331. Zum Sprichwort als Mittel höfischer Konfliktbeilegung vgl. Reuvekamp (Anm. 102), S. 118ff.

Zum Lehrgehalt der Fabel

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Gesprächskultur einfügen, in der nicht nur rücksichtsvolles Verhalten,106 sondern auch die gefällige und der Situation angemessene Rede gefragt ist, welche sich durch die rhetorischen Stilmittel sententia, proverbium, historia sive exemplum, fabula, parabola et metaphora auszeichnet.107

II.2 Zum Lehrgehalt der Fabel Die Übernahme von Fazetien in Fabelsammlungen und umgekehrt wirft natürlich einige Fragen auf. Innerhalb der deutschen Rezeption der Poggio-Fazetien wird das Witzige stets von einer moralischen Perspektive überdeckt, was laut Dicke an den „Anpassungstendenzen der Gattung an die traditionelle kleinepische Aufgabe normativer Verhaltensorientierung“ liegt, welche „in jeder Sammlung deutlich zutage [trete]: Funktionalisierung zum Exempel, Anonymisierung und Typisierung der Akteure, Moralisierung, Poenalisierung des Nichtseinsollenden, ausgreifendes statt konzises, pointiertes Erzählen und wenn mit Pointe, dann nicht selten mit einer im Nachgang explizit erklärten.“108 Dies muß allerdings keineswegs mit einer mangelnden Witzfähigkeit des Deutschen zusammenhängen, sondern kann auch in unterschiedlichen Funktionen und Kommunikationssituationen seinen Grund haben.109 Sebastian Brant, der, wie bereits erwähnt, in seinen Esopus-Additiones nebst Fabeln zahlreiche Exempel und Fazetien versammelt, übernimmt bei den Poggio-Fazetien den lateinischen Text – und somit auch die facete dicta – zumeist wörtlich, stellt ihnen jedoch eine ‚moralisatio‘ in Versform voran und eine in Prosafom nach. Schnell deutet dies nicht als „generellen Mangel an fazeter Unterhal106 Vgl. hierzu z. B. Schnell, Gastmahl und Gespräch (Anm. 10). 107 Engelbert von Admont, vgl. Anm. 15. 108 Dicke, Fazetieren (Anm. 10), S. 172f. 109 So Schnell, Zur Konversationskultur in Italien und Deutschland (Anm. 10), S. 356f. Als eines seiner Beispiele führt er Augustin Tüngers stets mit einer nachvolgende[n] ler, den syten der menschen dienen versehene Fazetien an, deren fehlenden fazeten Charakter er „in der besonderen Kommunikationssituation begründet“ sieht, da Tünger seine Sammlung Graf Eberhard von Württemberg widmete und somit mit einer größeren Öffentlichkeit rechnen mußte; auf eine „mangelhafte Konversationskultur“ könne man daraus nicht ohne weiteres schließen; ebd., S. 359; Augustin Tünger, Facetiae, hg. v. Adelbert von Keller (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 98), Tübingen 1874, Widmungsvorrede, S. 4.

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Theoretische Voraussetzungen

tung in Deutschland [...], sondern aus der spezifischen Zielsetzung von Brants Textsammlung“ heraus,110 welche Brant im vorangestellten Brief an seinen Sohn darlegt. Seine Eingriffe in die Poggio-Fazetien beschränken sich jedoch zumeist auf die Streichung des Namens und somit die Anonymisierung des Akteurs, durch welche er vom vorgeführten Fall abstrahiert.111 Dicke verweist auf die zumeist unfreiwillige Komik von Brants Epimythien, „wie sie bei schulmeisterlich-moralinen Glossierungen der zum Teil grotesk-komischen Erzählgeschehnisse unvermeidlich ist“;112 dies stimmt jedoch keineswegs für alle der Brantschen Moralisierungen, die zum Teil durchaus freiwillig komisch erscheinen und sich von der Form her dennoch an den Kontext einer Fabelsammlung anpassen; ein Beispiel: Facetissimum consilium Minacij ad rusticum Multis tarda valet mora, ne peragant sua facta Precipites, subitum fit quia raro bonum. Descendat citius quisquis quam ascenderit ipse, Provideat, casus ne malus eveniat. Tarditate gravi qua quisque ascendit in altum, Hac quoque descendat, sic minus ille cadet. Rusticus cum castaneam arborem ad excutiendos fructus ascendisset, decidens ex ea costam pectoris effregit. Ad hunc consolandum accessit Minacius quidam homo perfacetus, qui inter loquendum daturum se normam illi dixit, qua servata nunquam ex arbore caderet. ,Vellem hoc antea‘, inquit eger, ,consuluisses, attamen et in futurum poterit prodesse.‘ Tum Minacius: ,Fac semper‘, inquit, ,ne sis celerior in descensu quam in ascensu, sed ea, qua ascendis tarditate descendas! Hoc casu nunquam precipitem te ages.‘ Docet hec fabula moram tarditatemque nonnunquam esse commendandam, presertim his in rebus, ubi festinantia et acceleratio precipitium afferre possunt et damnum. Quicquid enim subitum, hoc malum esse Seneca declamat.113

Die Version von Brant stimmt mit der Poggios überein, sogar der Name des homo perfacetus ist beibehalten. Die beigefügte – und für das Verständnis der Erzählung wirklich unnötige – Moral wirkt in ihrer eigentlichen Sinnlosigkeit und Banalität auf mich eher erheiternd, verstärkt noch 110 Schnell, Zur Konversationskultur in Italien und Deutschland (Anm. 10), S. 365f. 111 Vgl. auch Dicke, Steinhöwels ‚Esopus‘ (Anm. 46), S. 172; Bsp. S. 172–177. 112 Ebd., S. 176f. 113 Brant, Fabeln (Anm. 64), Nr. 82; korrespondiert Poggio, Facezie (Anm. 103), Nr. 39.

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durch die nicht ganz passende Berufung auf Seneca. Das gleiche Prinzip, die angebliche Erfüllung eines Schemas und dessen gleichzeitige Unterwanderung, verfolgt zum Beispiel auch Brants Nr. 51, korrespondierend Poggios Nr. 135: De eo qui per crepitum ventris cardinali ventulum fecit Sunt quidam assueti, vivant ut delitiose, Atque sibi fieri quod libet usque volunt. His si quod nolunt interdum fiat, habebunt Aequo animo atque ferent quam patienter idem. Ventulus ut fiat, si quem natura negavit, Poscunt, ut saltem quem dedit ars capiant. Cardinalis quidam de Comitibus, vir crassus et corpulentus, cum aliquando venatum isset, esuriens circa meridiem at prandium descendit sudans ad mensam (estas enim erat) ac poscens, ut ventus flabello sibi fieret, cum ministri abessent diversis rebus occupati, iussit quendam Eberhardum Lupi, scriptorem Apostolicum, sibi ventum facere. At ille: ,Nescio id vestro more‘, cum respondisset, ,Ut scis‘, ait, ,et tuo modo‘ cardinalis ,facito!‘ Tum ille: ,Libens, me Hercules‘, et suspenso dextro crure pergrandem ventris crepitum edidit eo pacto se ventulum facere solitum dicens. Quo excitati omnes (multi enim iam aderant) ad risum sunt maximum conpulsi. Dignus, qui ventris crepitum acciperet, qui invito Eolo ventos excitari mandaverat. O he, quanta patimur pro ecclesia Dei!

Dieser Befund trifft zwar nicht auf alle von Brant bearbeiteten Poggio-Fazetien zu,114 aber dennoch läßt sich an ihn eine übergreifende Frage anschließen: die nach dem Lehrgehalt der Fabeln. Die in den Brantschen Poggio-Varianten manchmal tatsächlich lustige, manchmal mißlungen und aufgesetzt wirkende ‚moralisatio‘ ist ein aufschlußreiches Beispiel für die Vermischung von Exempel- und Fabeltraditionen mit der ‚neuen‘ Fazetie. Fabeln werden zwar in den Sammlungen zumeist von einem Pro- und/oder Epimythion begleitet, werden dies aber im Gebrauch für gewöhnlich nicht, da sie sich auf eine konkrete Situation beziehen und keine gültige Moral oder allgemeine Regel evozieren können. Falls, beispielsweise durch die Verwendung eines Sprichworts, eine für gültig erachtete Regel genannt wird, ist diese im Hinblick auf die Situation immer noch auslegungsbedürftig und somit polyvalent, was sich auch an den häufig variantenreichen Auslegungsangeboten und ‚erklärenden‘ Beispielsgeschichten in den Sprichwortsammlungen zeigen läßt. Allerdings sind auch 114 Z. B. die von Dicke, Steinhöwels ‚Esopus‘ (Anm. 46), S. 177 zitierte Brant Nr. 41/Poggio Nr. 217.

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schriftlich und in Sammlungen überlieferte Fabeln häufig nicht so eindeutig auf eine Lehre ausgerichtet, wie dies gemeinhin unterstellt wird. Schon durch die unterschiedlichen Auslegungsangebote in den Epimythien, sehr deutlich zum Beispiel bei Boners ‚Edelstein‘ – Grubmüller spricht vom „Epimythion als Variantenangebot“115 – oder auch bei Luthers Fabeln, der die Epimythien mit unterschiedlichen Sprichwörtern anreichert und verrätselt, scheint sich keine bestimmte Lehre aufzudrängen. Des weiteren kommt es vor, daß Lehren in Bezug auf die dargebotene Erzählung gänzlich unlogisch erscheinen, wie zum Beispiel – bezeichnenderweise? – bei der bekannten „Fabel von der Fabel“,116 ‚Hahn und Edelstein‘ in Boners Fassung: Der Hahn verschmäht bekanntlich den gefundenen Edelstein/ die gefundene Perle, da er lieber ein Haferkorn hätte. Allerdings erkennt er – ganz im Gegensatz zu dem Vorwurf, der ihm im Epimythion gemacht wird – sehr wohl, daß der Stein einen Nutzen hat; nur eben nicht für ihn: er sprach: ‚got, hêrre rîche! wie hân ich mînen vunt verlorn! mich nuzte baz ein gerstenkorn, denn du. du bist niut nütze mir. waz nützest mich? waz sol ich dir? wizzest, daz mich nicht vürtreit dîn schoeni noch dîn edelkeit. haete dich meister Ypokras, der könde dîn geniezen baz, dann ich; du bist mir unerkant.‘117

Im Epimythion heißt es, er handle wie die tôren: si erkennent nicht des steines kraft, noch minr, waz in der bîschaft verborgen guoter sinnen ist118

Die eigentlich ungerechtfertigte Betonung der mangelnden Erkenntnisleistung des Hahnes im Epimythion mag damit zusammenhängen, daß Boner größten Wert auf das ‚richtige‘ Verstehen einer bîschaft legt;119 allerdings scheint er es an dieser Stelle genau damit selbst nicht so genau 115 Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 320. 116 So Klaus Speckenbach, Die Fabel von der Fabel. Zur Überlieferungsgeschichte der Fabel von Hahn und Perle, in: Frühmittelalterliche Studien 12 (1978), S. 178–229. 117 Boners Edelstein (Anm. 89), I, V. 10–19. 118 Ebd., V. 35–37. 119 Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 307f.

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zu nehmen – um nicht zu sagen, er habe in der ersten Fabel versehentlich seine eigene mangelnde ‚Dekodierungsleistung‘ vorgeführt; dies ist aber ein Ausnahmefall, jedenfalls bei Boner. In der Fabel von ‚Frosch und Maus‘120 bietet ein Frosch einer Maus seine Freundschaft an und verspricht, ihr über einen Bach zu helfen. Zu diesem Zwecke bindet er sie an seinen Fuß und behauptet, er wolle ihr schwimmen beibringen, dabei ist sein herze untriuwen vol. Die tumbe mûs glaubt ihm, und so springt der Frosch ins Wasser und versucht, sînen vriunt zu ertränken. Ein Falke verfolgt das Schauspiel und schlichtet den Kampf, indem er die Maus samt Frosch fängt, tötet und frißt. Das Epimythion lautet: Im selben gruobet dicke ein man, und waent eim andern gruobet hân. an untriwe, wâ diu vür gât, ein guotez ende selten stât. wâ wort und werk sint ungelîch, der mensch wirt kûm an êren rîch. wâ diu zung mit trügenheit verbirgt des herzen valschekeit, vil kûme sich wîp oder man vor dem valsch gehüeten kan. haete der vrösch dâ nicht betrogen die mûs, und als vaerlîch gelogen, sô möcht er vil wol sîn genesen. geschant al velscher müezin wesen!121

Das Epimythion besteht aus einer Aneinanderreihung sprichwortartiger Lehrsätze, die zwar der erzählten Handlung von der Logik her nicht widersprechen, die aber auch nicht zwingend aus ihr abzuleiten sind. Man könnte beispielsweise auch schließen, daß derjenige, der allzu leichtgläubig beziehungsweise tumb ist, Schaden erleidet. Es geht hier vermutlich eher darum, Vorgewußtes zu kodifizieren und zu bestätigen, als darum, eine Geschichte tatsächlich zu analysieren und so vielleicht wirklich etwas aus ihr zu lernen. Die Reimpaarverse Boners begünstigen eventuell noch den gehäuften Einsatz sentenzhafter Lehren, die zuweilen auch in die Erzählung selbst eingestreut werden und dem Fabelerzähler eine gewisse Deutungskompetenz verleihen – genauso wie die Auslegungsangebote am Ende.

120 Boners Edelstein (Anm. 89), VI. 121 Ebd., V, V. 33–46.

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Das bei Boner relativ deutliche Interesse an den sentenzhaften Komprimaten der Fabelmoral122 korrespondiert mit dem, jedenfalls dann Ende des 15. Jahrhunderts, offenbar vorhandenen Interesse an ohne den Bildteil überlieferten Sentenzen, wie sie in den ‚Proverbia Esopi‘ und der ‚Traditio morum‘ tradiert worden sind, jeweils mit einer deutschen Reimpaarübersetzung.123 Dies erinnert stark an den oben erwähnten Steinhöwelschen Sentenzenkatalog, der seine Fabelsammlung abschließt. Ein von Sprichwörtern und Sentenzen geprägtes Variantenangebot bieten auch die Fabeln Martin Luthers.124 Die Fabel von ‚Maus und Frosch‘ sieht bei ihm folgendermaßen aus: Eine maus were gern uber ein wasser gewest und kund doch nicht, da bat sie einen frosch umb trewen rat, der frosch war hemisch und der maus feind und sprach, Binde deinen fuß an meinen, so wil ich schwymmen und dich hinuber zihen, Da sie aber auffs wasser kamen, tauchet [...] der frosch hinuntern und wolt die maus ertrencken, Inn dem aber die maus sich weret und erbeit fleuget ein weyh daher und erhaschet die maus und zeucht die maus aber [...] zeucht den frosch auch mit eraus und frisset sie alle beide. Diese fabel zeigt Das die wellt ist vol bosheit und untrew Aber doch schlegt untrew allzeit yhren herrn Es heisst sihe fur dich trew ist mis... und mus der untrew falsche frosch mus ynn seiner untrew mit der maus verderben. Sihe fur dich trew ist mislich Traw wol rent das pferd weg125

Die Plots der Fabeln zeichnen sich durch prägnante Kürze aus, danach erfolgt zumeist die Ankündigung Diese fabel leret oder zeigt. Daraufhin folgen dann für gewöhnlich thematisch dazugehörige Sprichwörter, abstrahierende Zusammenfassungen der Handlung und Sentenzen aus anderen Bildbereichen, in diesem Falle Traw wol rent das pferd weg.126 Ähnlich wie bei den Bonerschen Varianten macht sich hier eine spielerische 122 Welches sich zum Teil übrigens auch – jetzt natürlich unabhängig vom Autor Boner – in der handschriftlichen Überlieferung des ‚Edelstein‘ erkennen läßt; vgl. hierzu Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 139–159. 123 Vgl. dazu Henkel, Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte (Anm. 7), S. 288ff. und 312ff. 124 Vgl. hierzu auch Peil, Beziehungen zwischen Fabel und Sprichwort (Anm. 22), S. 80–87. 125 Luthers Fabeln (Anm. 36), Nr. 3. 126 „Leichtes Vertrauen bringt manchen um sein Pferd“, vgl. Thesaurus proverbiorum medii aevi. Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters, begründet von Samuel Singer, hg. v. Kuratorium Singer der

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Anhäufung ähnlicher Aussagen bemerkbar, die vordergründig allgemein bekannte, vermeintliche Erfahrungssätze transportieren, deren Funktion darin allerdings kaum erschöpft sein dürfte. Vielmehr regen sie gerade zu einer Auseinandersetzung mit dem Textsinn, welchen sie so vereinfachend darstellen, an; vielleicht ja auch gemäß Luthers Vorstellungen über die Kurzweil bei Tisch. Das assoziative Erinnern und Vernetzen sprichwörtlicher Aussagen, die ihrerseits wieder mit eigenen und/oder fremden, über Texte, Bilder oder mündliche Vermittlung angeeigneten Erfahrungen verbunden sind, spiegelt nicht nur das Eingehen der Fabelstoffe in unterschiedliche Lebenszusammenhänge wider, sondern umgekehrt auch wieder die Komprimierung jener komplexen Zusammenhänge zu einprägsamen Regelsätzen. Ein Beispiel aus Heinrich Steinhöwels ‚Äsop‘, dessen Erscheinen im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts der Tradierung des ‚Edelstein‘, der bis dahin erfolgreichsten Fabelsammlung, ein jähes Ende setzte:127 Die xv fabel von dem rappen mit dem käs und fuchsen. Welche den schmaichern und den liebkallern gerent ierer wort ufflosen, die werdent betrogen, und rüwig darum syn, als dise fabel ußwyset. Ain rapp nam ainen käs in ainem fenster und füret in uf ainen hohen boum. Do das ain fuchs ersach, ward er des käs begirig, und sprach im zuo schmaichend mit lobworten: O rapp, welher ist dir gelych! Nun hat doch kain vogel sölichen schyn der federn als du hast. Kain zierlicher vogel möchte erfunden werden, wann du nun ain stimm hettest, dyner schöny gelyche; aber dyne stimm ist ze grob. Der rapp fröwet sich des üppigen falschen lobes und wolt sich gefälliger machen und syn stimm größer erzaigen. Er rekt sich und schry kreftiglich. Als er aber den schnabel uf tett, enpfiel im der käs; denselben ergrif der böslistig fuchs behendiglich und fraß in. Do ward der rapp rüwig und merket erst, daz alle süße wort des fuchs in list und untrüw warent beschenhen. Darum warnet dise fabel menglich vor den schmaichern und liebkallern.128

Wer auf Schmeichler hereinfällt, der werde dies bereuen, und darum warne diese Fabel vor Schmeichlern, so der lakonische Hinweis am Anfang und Schluß der Fabel; selbst wenn man davon absähe, daß der Fuchs dem Raben nur bezüglich seines Federkleides schmeichelt und ihn dann darauf hinweist, seine Stimme sei aber ze grob129 – er schmeichelt sich also gar Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften, 13 Bde., Berlin/New York 1995–2002, hierzu Bd. 11, S. 409. 127 Dicke, Steinhöwels ‚Esopus‘ (Anm. 46), S. 122. 128 Steinhöwels Äsop (Anm. 57), S. 98. 129 Dies entspricht Steinhöwels Vorlage; bei Boner lobt der Fuchs auch die schöne Stimme des Raben, was den Hinweis auf Schmeichler passender macht.

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nicht ein, sondern provoziert den Raben –, könnte man kaum von einer nützlichen oder gar erforderlichen Lehre sprechen; in Bezug auf die konkrete Fabel bleibt sie banal – und unpassend –, lediglich in der Abstraktion von selbiger, und so ist sie wohl auch gemeint, ergibt sich ein lebenspraktischer Hinweis: sich vor Schmeichlern zu hüten. Dafür wäre jedoch die Erzählung, die diesen Sachverhalt dazuhin gar nicht illustriert, nicht erforderlich gewesen. Erzählung und Moral bilden zwar eine formale Einheit, beziehen sich jedoch nicht wirklich aufeinander und scheinen letztendlich zwei unterschiedliche Funktionen zu erfüllen: Die dargestellte ‚Begebenheit‘ ist unterhaltend und es ist auch durchaus möglich, daraus selbst eine Lehre zu ziehen, allerdings nicht per se, sondern lediglich vom Rezipienten und seiner eigenen Situation ausgehend, und die ‚moralisatio‘ gibt einen direkt formulierten Rat, wie ihn der Leser auch einfach dem sentenzhaften thematischen Verzeichnis am Schluß entnehmen könnte. Ob er sich an diesen halten will, beziehungsweise ob er ihm je nach Situation sinnvoll erscheint, muß wieder der mögliche Rezipient entscheiden.130 Tatsächlich lehrhaft erscheint der Nürnberger Prosa-Äsop, dessen Übersetzer in der Vorrede verkündet: Die selben [Avian und Esopus] haben dicz puch durch pezzrung menschleicher sitt erfunden vnd gechert in pispel vnd geleichnuzz vnuernufftiger tier, also daz da uon ein yegleich mensch an sitten gaistleich vnd auch weltleich wol mag gepezzert werden vnd auch sein leben dar nach regieren vnd gelaiten mug.131

Die allegorischen Deutungen, die diese Sammlung anbietet, sind jedoch eine Ausnahme und ansonsten quasi nur in den lateinischen Kommentaren vertreten.132 Der Übersetzer nimmt hier wohl „die traditionelle Rechtfertigung der äsopischen Fabel in der Literaturtheorie des Mittelalters auf, wie sie wohl vom Cicero-Kommentar des Macrobius [...] ausgeht, der auch den fabulae von der Art der äsopischen zugesteht, sie seien adhorta130 Grubmüller, Situationsbezug (Anm. 6), S. 477: „Den Sinn also – der Fabel im speziellen Falle, aller anderen Texte aber ebenso – konstituiert der Rezipient. Er konstituiert ihn – auch das ist eine textlinguistische Binsenweisheit – im Rahmen seiner Lebenssituation mit all ihren situativen Elementen, ihren literarischen und lebenspraktischen Kenntnis- und Erfahrungsvoraussetzungen, vor dem Hintergrund eines wie auch immer zustandegekommenen Wirklichkeitsmodells.“ 131 Nürnberger Prosa-Äsop, hg. v. Klaus Grubmüller (ATB 107), Tübingen 1994, Vorrede, S. 1. Vgl. hierzu Grubmüller, Fabel, Exempel (Anm. 8), S. 66ff. 132 Vgl. Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), S. XLVIIf. Vgl. auch Grubmüller, Fabel, Exempel (Anm. 8), S. 64f.

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tionis [...] in bonam frugem gratia erfunden.“133 Diese Vorstellung wird in den Vorreden der Fabelsammlungen verschiedentlich aufgenommen, aber: Verpönt ist diese Lesart heute, weil sie in ihrem ausdrücklich moralischen Anspruch nicht nur der in der Äsop-Vita überlieferten Entstehungsgeschichte der Gattung als schlagfertigem Situationsargument widerspricht, sondern dem ablesbaren Erzählsinn der herkömmlichen äsopischen Fabel überhaupt. Die Fabel bietet mit ihrer Erinnerung an das, was üblich ist in dieser Welt und wie man sich darauf einrichten kann, Regeln für Utilitaristen und Pragmatiker, für Moralisten hat sie keinen Platz und für Helden ebensowenig. Sie lehrt erfolgreich handeln, und allenfalls angenehme Zutat ist es dann, wenn dieses erfolgreiche Handeln auch und oft eher zufällig noch als moralisch gut eingestuft werden kann. [...] so läßt sich die Geschichte der Fabel im Mittelalter weithin beschreiben als der Versuch, ihr Absehen von moralischen Maßstäben, in diesem Sinne also: ihre Amoral, mit einem grundsätzlich moralischen Weltverständnis auszusöhnen. Dies kann dadurch geschehen, daß der Fabel Auslegungen angefügt werden, die ihren Handlungssinn schlicht ignorieren, oder solche, die ihn durch die präzise Ausformulierung der – dann moralisch bestimmten – Anwendungssituation in den Hintergrund drängen (so versucht es der Stricker).134

Der Versuch, die Amoral der Fabel mit einem moralischen Weltverständnis und den in den Epimythien postulierten Lehren in Einklang zu bringen, erinnert in gewissem Maße wiederum an das subversive Konzept der Fazetiensammler, die ihre aufgestellten Verhaltensregeln ebenfalls gezielt und in stillschweigendem Einverständnis unterlaufen. So wie Brant die Reinigung seiner ‚Additiones‘ von allem Obszönen betont, dann aber die inkriminierten Stoffe trotzdem aufnimmt und sie auch nicht nennenswert entschärft, hatte Steinhöwel sich zwar bei seinen Lesern für die Aufnahme der Fazetien entschuldigt, diese dann aber eben trotzdem ausgebreitet. Endgültig nichts mehr zu lernen – im moralischen Sinne – gibt es dann zum Beispiel bei Brants Rätseln, die eher eine humanistische Spielform darstellen: Aliud enigma Arbor in hoc seclo generatur, que duodenis Frondibus ornata est et redimita nimis. Quilibet at ramus decies ternos quasi nidos Sustinet; in nido sex quater ova cubant. 133 Grubmüller, Fabel, Exempel (Anm. 8), S. 64. 134 Ebd., S. 65f. Ein illustratives Beispiel für das Strickersche Verfahren wäre die Fabel von ‚Hahn und Perle’ in: Der Stricker: Tierbispel, hg. v. Ute Schwab (ATB 54), Tübingen 31983, Nr. 1.

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Theoretische Voraussetzungen Nascitur ex ovo quovis avis una duabus Et sexaginta vocibus usque canens. Candidus attondet niger et mus omnia, donec Murem, ovum et nidos catta proterva voret.135

Während zwei der drei von Brant tradierten Rätsel durchaus lösbar zu sein scheinen, ist das bei diesem nicht der Fall. Der Anfang klingt nach einer Rechenaufgabe, der Rest nach sinnfreier Auflösung der Konstellation. Der Nutzen des Rätsels könnte neben der Unterhaltung durchaus darin liegen, zum Nachdenken anzuregen, vielleicht sogar zum Weitererzählen in geselliger Runde. Als letztes Beispiel will ich die Paulische und Kirchhofsche Version der Fabel ‚Rat der Mäuse gegen die Katze‘ vergleichen, die auch im ‚Edelstein‘ überliefert ist. Die Mäuse haben Angst vor der Hauskatze, weil niemand sie beschützen kann und beraten sich also, was zu tun sei. Sie einigen sich darauf, der Katze eine Glocke umzuhängen, damit sie sie immer sofort hören und sich verstecken können. Es ist jedoch keine der Mäuse bereit, das Risiko einzugehen und die Tat auszuführen, so daß der Rat der Mäuse umsonst war. Hans Wilhelm Kirchhof erzählt zunächst kurz den Inhalt, dann kommt sozusagen als gereimtes, vom Text abgesetztes und leicht wiederverwertbares Epimythion die Moral: Nicht viel geschicht es, ja gar selten, Daß raht und that beyd gleich viel gelten, Denn die fürnembsten in dem raht Seynd offt de schwersten mit der that; Beyd gleiches sinns, so gehts von statt.136

Diese Art der Präsentation ist in Kirchhofs Sammlung der Regelfall, und auch in diesen Epimythien könnte man nicht nur eine Belehrung des Lesers, sondern durchaus auch eine kurze, pointiert-unterhaltsame und sprichworthafte Aufbereitung des Stoffes sehen, die so ins Gespräch wieder einfließen kann. Johannes Pauli knüpft an spätere Anwendungssituationen an, indem er mit dem Tip beginnt, Wan man zuo Rat wil gon, so sol man wol betrachten ob dem rat mög ein vsztrag geben werden das man nit zů eim gespöt werd, als die müsz warden.137 Dann gibt er ganz kurz den Inhalt wieder und erzählt übergangslos die Geschichte eines römischen Kö135 Brant, Fabeln (Anm. 64), Nr. 136. 136 Kirchhof (Anm. 78), VII, 105. 137 Pauli (Anm. 73), Nr. 634.

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nigs, dem die Fürsten raten, wie er nach Rom komme, um sich die Kaiserkrone zu holen, und den erst sein Narr darauf aufmerksam macht, daß keiner ihm gesagt habe, wie er aus Rom wieder heraus komme. Die Einbindung in als möglich erachtete oder reale Situationen erfolgt hier einmal durch die sofortige Anhängung einer anderen Erzählung und zum Zweiten durch den durchaus lebenspraktischen Ratschlag, sich nicht zum Gespött zu machen. In der Fabel von den Mäusen, wie sie zum Beispiel bei Boner überliefert ist,138 wird nämlich nie erwähnt, daß die Mäuse zum Gespött geworden seien, was ja auch gar nicht möglich ist, da ihr Rat im Geheimen stattfand. Bei Pauli wird die Erzählung beziehungsweise ihr Lehrgehalt somit in mögliche Interaktionssituationen eingebunden und dient außerdem zur Illustration einer anderen – wenn auch vermutlich erfundenen – Begebenheit. Auch wo innerhalb der Sammlungen, wie zum Beispiel in ‚Kalila und Dimna‘, die Verwendung von Fabeln und Sprichwörtern als Elemente der Rede vorgeführt wird, offenbaren diese keineswegs per se einen lehrhaft-moralischen Gehalt, sondern lassen sich auch zur geschickten Täuschung des Gesprächspartners einsetzen.139 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die meisten Fabeln trotz der ihnen beigefügten Moral keineswegs ‚an sich‘ lehrhaft sind; die angehängten Auslegungsvarianten eines Luther oder Boner diskursivieren das Thema der Erzählungen eher, von ihrem Erklärungsgehalt her wären sie ohnehin überflüssig. Die bildlichen Erzählungen sind immer polyvalent, aber auch die, immerhin mit dem Anspruch, eine Regel weiterzugeben, auftretenden Sentenzen können ihren Gehalt nur aus einer bestimmten Situation beziehen. Die mehr oder weniger banalen und in Kompendien immer wieder kodifizierten Einsichten über den Lauf der Welt stellen zwar Material bereit, mit dem andere überredet, überlistet oder desavouiert werden können, hinter den Sammlungen verbirgt sich jedoch auch das Wissen über den spielerischen Umgang mit Texten und Wissensbeständen und deren Deutungsvarianten. Der Bedarf an solchen Sentenzen, welcher ja zweifellos gegeben zu sein scheint, wenn man sich den Erfolg eines Freidank oder anderer Sentenzenkompendien und Sprichwörtersammlungen vor Augen führt, läßt sich also schwerlich nur mit der Erfordernis der „Interpretation“ der Bildteile erklären. Auch die Separattradierung von Epimythien spricht eher für deren Wiederverwendung in mündlichen Zusammen138 Boners Edelstein (Anm. 89), LXX. 139 Vgl. hierzu Lieb, Fabula docet? (Anm. 28), S. 42–45.

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hängen, um beispielsweise die eigene Deutungskompetenz in einer bestimmten Situation zu demonstrieren oder einen bestimmten Bedeutungszusammenhang herzustellen.

III Reflexe mündlichen Fabelgebrauchs „Wo es Luther um Amüsement und Erheiterung der Runde zu tun war, zeigt er sich mit dem Renaissanceideal fazeter Konversation weit vertrauter, als es seine gemeinhin für eher ephemer eingeschätzte humanistische Prägung erwarten läßt.“140 Wie man sich die Gesprächssituationen in Luthers Tafelrunde in etwa vorzustellen hat, schildert Johannes Mathesius, welcher einer der Verfasser und Kopisten der Mitschriften aus dieser Gemeinschaft war: Diß jar am Pfingstage vber tische / erzelt vns Doctor sein gantz historien wie er im 21. jar nach Wormbs gezogen / vnd vorm Keyser gestanden / vnnd sein lehr bekandt / vnnd sein bcher verantwort hette / Daruon jr zu seiner zeyt guten bericht gehrt. Mein tag hab ich nichts lieblichers vnd lustigers gehrt: Wer selbs mit vnd beim handel gewesen / vnd den es selber angangen / der kan von sachen lebendig reden / das meyste theyl redet von hren sagen.141

Luther konnte also lieblich und lustig, in gefälliger und unterhaltsamer Form, Anekdoten aus seinem Leben erzählen, wie es sich unter ‚Hofmännern‘ schickt, aber am Tisch gefallen auch andere schöne reden und historien: Ob aber wol vnser Doctor offtmals schwere vnnd tieffe gedancken mit sich an tisch nam / auch bißweylen die gantze malzeyt sein alt Kloster silentium hielt das kein wort am tische gefiel / doch ließ er sich zu gelegener zeyt sehr lustig hren wie wir denn sein reden Condimenta mensae pflegten zu nennen / die vns lieber waren denn alle wrtze vnd kstliche speyse. Wenn er vns wolte rede abgewinnen / pfleget er ein anwurff zu thun / Was hret man newes? die erste vermanung liessen wir frber gehen/ Wenn er wider anhielt / Ir Prelaten / was newes im lande? Da fiengen die alten am tische an zu reden. Doctor Wolff Seuerus, so der Rmischen Kniglichen Maiestat Preceptor gewesen / saß oben an / der bracht was auff die ban / wenn niemand frembdes verhanden / als ein gewanderter Hofman. Wens gedber / doch mit gebrlicher zucht / vnd ehrerbietigkeyt angieng / schossen andere bißweylen jhren theyl auch darzu / biß man den Doctor an140 Dicke, Fazetieren (Anm. 10), S. 179. 141 Johannes Mathesius, Ausgewählte Werke, Bd. 3, Luthers Leben in Predigten, hg. v. Georg Loesche (Bibliothek Deutscher Schriftsteller aus Böhmen 9), Prag 1898, S. 308.

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Reflexe mündlichen Fabelgebrauchs bracht / offtmals legte man gute fragen ein auß der schrifft / die lset er fein rund vnnd kurtz auff / vnnd da einer ein mal part hielt / kondt ers auch leyden / vnd mit geschickter antwort widerlegen / Offtmals kamen ehrliche leut von der Vniuersitet / auch von frembden orten an Tisch / da gefielen sehr schne reden vnnd historien.142

Mathesius schildert hier eine colloquiale Gesprächssituation, wie man sie aus den Vorreden der Fazetiensammlungen kennt. Luthers lustige Reden sind die ‚eigentliche Würze‘ des Essens, gewanderte Hofmänner und andere Gäste erzählen in angemessener Form unterhaltsame Geschichten, man löst gute fragen auß der schrifft, was an das Anwendungsprinzip beispielsweise von in Sammlungen bereitgestellten Rätseln erinnert, man entgegnet und widerlegt mit geschickter antwort. Hier haben wir allerdings den singulären Fall einer tatsächlich verbürgten Tischgesellschaft, auch wenn die Gespräche vermutlich nicht mit größerer dokumentarischer Treue aufgezeichnet worden sind.143 In Luthers Runde werden neben anderen Kleinformen wie den erwähnten Fragespielen und Sprichwörtern144 auch Fazetien erzählt, und das ‚Fazet-Sein‘ wird vorgelebt: Diligendus est, qui sua humana facetia laetificare potest melancholicos; in qua arte excellit Christoff Groß, homo admodum facetus. Quamvis christianus sermone cautus esse debet, ne quem offendat, attamen recreationis gratia inter amicos festivus sermo conceditur. Lepidus, facetus, festivus sunt eadem, et est virtus. Dicax, qui est immodicus in facetiis, qui aspergit nigrum salem, machet es bisweilen tölpisch; scurra, qui dicit aut facit obscoena, illepida, iniusta. Ideo Christophorus de Gross homo facetus, cuius conversatio placida fuit inter amicos; er kan allerley melancholicos frolich machen urbanitate facetissima. Est enim eloquens, facetus et expertus. Hat den bapst drey jar getragen, fuit Hierosolymis, linguas omnes mutare potuit. Der spricht, er hette alle stende versucht, alleine er möchte gerne wissen, wie eynem witwer tzu mut were, quia habebat vetulam.145

Luther schildert Christoph Groß zunächst als homo facetus, um ihm dann – in der fazetientypischen subversiven Art – einen recht unfazeten Ausspruch in den Mund zu legen, womit er selbstironisch auch sich zum tölpel macht.146 Die Regeln für ein convivium sind ihm offenbar geläufig: 142 Johannes Mathesius, Luthers Leben in Predigten (Anm. 141), S. 279f. 143 Vgl. Wachinger, Convivium fabulosum (Anm. 10), S. 279. 144 Luther hat auch eine eigene Sprichwortsammlung angelegt; Gesammelte Werke, Bd. LI, S. 645–662. 145 Luthers Tischreden (Anm. 54), Bd. 3, S. 122. 146 Ausführlich hierzu Dicke, Fazetieren (Anm. 10), S. 180f.

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De convivio. 1. Modicus sit apparatus. 2. Convivarum benevolentia vera. 3. Eruditi sermones. 4. Suave vinum.147

Besonders hoch schätzte er jedoch die äsopische Fabel,148 für deren Gebrauch im geselligen Gespräch die Tischreden ein wohl einmaliges Zeugnis darstellen: Aesopi commendatio. Aesopi fabulas vehementer laudabat: Dignas esse, ut transferrentur et in iustum ordinem et classes redigerentur; esse enim librum non ab uno homine compositum, sed a multis multorum saeculorum hominibus diligenter esse scriptum. Ideo valde utile esse ut quis illum optime translatum iusto ordine statueret. Graves historias in primum librum, quae sententiosae sint et vetustate redolent, utiles reipublicae, esse congregandas: Deinde concinniores in alterum librum, reliquae in tertium seponendae. Et Dei providentia factum est, quod Catonis et Aesopi scripta in scholis permanserunt, nam uterque liber est gravissimus; hic verba et praecepta habet omnium utilissima, ille res et picturas habet omnium iucundissimas. Si moralia adhibeantur adolescentibus, multum aedificant. Summa, post biblia Catonis et Aesopi scripta me iudice sunt optima, meliora omnium philosophorum et iuradicentium lacera sententia, sicut Donatus est optimus grammaticus. Deinde recitavit aliquot fabulas graves: 1. De lupo et ove. Der wolffe wold dem schefflein zu: Du hast mir das wasser getrubt! Respondit: Trawen nein, stehestu doch uber mir. Simplicissime res ipsa se excusat. Du hast mir die weide fur dem walde abgehuttet! Respondit: hab ich doch keine zehene nicht, bin noch jungk. Tertio: Dein Vater hat ein aldes mit mir! Respondit: Was magk ich des? Tandem lupus erumpit: Sei so klugk, als du wilst. dich zuentschuldigen, ich mus dennoch fressen.

[...] 3. Alia fabula, ubi ius et vis: De leonina societate. Leo cum lupo, asino et cane cervam capiens partem petiit. Sed lupus famelicus in quatuor aequales partes distribuens a leone est iugulatus; der zock im die haudt uber die ohren. Videns hoc asinus omnes quatuor partes leoni tribuit. Interrogavit leo: Wer hat dich diese teilung geleret? Respondit: Der doctor im rothen bereidt! Demonstrans ad lupum dilaceratum. Felix, quem faciunt aliena pericula cautum! 4. Alia fabula: Non ubique omnia esse dicenda! Leo omnia animantia invitavit in suam speluncam male olentem. Interrogans lupum, quomodo oleret? Ille

147 Luthers Tischreden (Anm. 54), Bd. 5, S. 386. Zu einer Situation, in der Luther eine Episode aus dem Schwankroman ‚Salomon und Markolf‘ zitiert vgl. Wachinger, Convivium fabulosum (Anm. 10), S. 283–287. 148 Vgl. auch ebd., S. 279f.

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Reflexe mündlichen Fabelgebrauchs dixit: Es stinckt. Deinde asinus adulari cupiens dixit: Es reucht wol. Vulpes tertio interrogatus dixit: Ich habe den schnuppen. Nonne apta proverbialis est responsio? Ich habe den schnuppen, id est, non licet quaecunque dicere. [...]149

Neben der Bibel schätzt er also nichts höher als Cato und den Äsop mit seinen res et picturas, was einerseits die Illustrationen seiner Äsop-Ausgabe meinen kann, hier jedoch vermutlich auf den Auslegungsgehalt zielt. Die Fabeln, die er nach seiner Lobrede auf die beiden lehrhaften und nützlichen Texte erzählt, sind sehr knapp gehalten und könnten so tatsächlich aus der Sphäre der Mündlichkeit stammen und nicht etwa nur abgekürzt notiert worden sein. Luther resümiert treffend und häufig im Dialogstil die wichtigsten Pfeiler der Fabelhandlung, eine abschließende Lehre gibt er nicht, höchstens einen lakonischen Schlußsatz. So wie sie hier dargebracht werden, wirken die Fabeln tatsächlich unterhaltsam und für eine gesellige Runde geeignet; dazuhin fällt auf, daß Luther zwar in seinen theoretischen Auslassungen stets den Nutzwert, die guten Lehren und feinen Sitten betont, welche vor allem Kinder an der Fabel lernen könnten, er selbst sie jedoch eher in nicht moralisierender Art vorträgt. Dies mag an der Situation liegen: Während er in seiner Fabelsammlung durchaus ein Lehrangebot zur Verfügung stellt, kann er auf dieses in seiner fazeten Tischrunde getrost verzichten. Daß er auch in moralisierender Weise Fabeln erzählen kann, wenn die Situation dies erfordert, zeigen Beispiele aus seinen Predigten.150 Diese jeweilige Wahrung des ‚aptum‘ zeigt jedoch nicht nur Luthers Eignung zum humanistischen Tischredner, der wie Castigliones ‚Hofmann‘ Rücksicht auf Ort und Personen nimmt,151 sondern sie zeigt auch die Flexibilität der Fabelstoffe, die sich je nach Erzählweise unterschiedlichen Situationen anpassen lassen. Auch dort, wo in der Tischrunde eine Fabel nur anzitiert wird, statt wie die vorhin präsentierten auserzählt, wird der fazete Witz und die Fähigkeit der Beteiligten zu einem heiteren ‚dictum‘ deutlich.152 149 Luthers Tischreden (Anm. 54), Bd. 3, S. 353f. 150 Verwiesen sei an dieser Stelle auf die Fabel vom Hund am Wasser, die er in auserzählter Form in eine Predigt einflicht und situationsangemessen mit Warnungen und drohenden Vergleichen darbietet, in: Martin Luthers Werke, Bd. 19, S. 304. Zur Fabel vgl. Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 307. 151 Castiglione, Das Buch vom Hofmann (Anm. 56), Nr. L. 152 Vgl. z. B. Luthers Tischreden (Anm. 54), Bd. 3, S. 499f., wo eine von Luther gemachte Anspielung auf die Fabel vom ‚Schwein beim Festmahl des Löwen‘ in kontextualisierter Form dargestellt wird. Zur Fabel vgl. Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 496.

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Die Verwendung von Fabeln oder Fabelanspielungen in der Predigt ist freilich keineswgs nur bei Luther zu beobachten; Jacob von Vitry und Odo von Cheriton, Vinzenz von Beauvais und schließlich im deutschen Geiler von Kaisersberg, um nur einige Beispiele zu nennen, verwenden ebenfalls Fabeln als Predigtexempel und machen sich Gedanken zu deren Anwendung.153 Jacob von Vitry äußert sich in der Vorrede seiner ‚Sermones vulgares‘ folgendermaßen: Relictis enim verbis curiosis et politis, convertere debemus ingenium nostrum ad edificationem rudium et agrestium eruditionem, quibus quasi corporalia et palpabilia et talia que per experientiam norunt frequentius sunt proponenda. Magis enim moventur exterioribus exemplis quam auctoritatibus vel profundis sententiis. [...] Quibus tamen plerique vulgaria exempla ad laicorum excitationem et recreationem sunt interserenda, que tamen aliquam habeant edificationem [...] Haec diximus contra quosdam neophytos, qui sibi videntur scioli, nec reprehendere formidant illos qui per experientiam noverunt quantus fructus proveniat ex hujusmodi fabulosis exemplis laicis et simplicibus personis, non solum ad edificationem, sed ad recreationem, maxime quando fatigati et tedio affecti incipiunt dormitare. [...] Qui tamen ne nimio merore confundantur, vel nimia fatigatione torpere incipiant, aliquando sunt quibusdam jocundis exemplis recreandi et expedit quod eis proponatur fabulosa, ut postmodum evigilent ad audiendum seria et utilia verba.154

Die eingestreuten Exempla dienen in ihrer ‚ursprünglichen‘ Situation als Überzeugungsmittel der Rede nicht nur der größeren Eindringlichkeit und Anschaulichkeit, sondern auch der Rekreation und zur Unterhaltung; Jacob von Vitry sieht ihren Nutzen sogar noch in der simplen Verhinderung des Einschlafens während der Predigt.155 Seine Ausführungen beziehen sich zwar nicht explizit auf die Fabel, sondern auf fiktive Exempla im allgemeinen, dies hängt jedoch mit der eher funktionalen Gattungsabgrenzung zusammen, welche natürlich nicht mit heutigen Termi153 Zur Fabel in der Predigt vgl. auch Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 97–111. 154 Zitiert nach Thomas Frederick Crane, The exempla or illustrative stories from the Sermones Vulgares of Jacques de Vitry (Publications of the Folk-Lore Society 26), Nendeln 1967, S. XLIf., Anm. 155 Vgl. auch Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 98ff., der auch noch weitere Beispiele zitiert. Zu Exempla als Anschauungsmaterial in der Predigt vgl. auch Hans-Jochen Schiewer, Ein maere ist daz. Narrative Exempla in der frühen deutschen Predigt, in: Erzählungen in Erzählungen. Phänomene der Narration in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Harald Haferland und Michael Mecklenburg (Forschungen zur Geschichte der Älteren deutschen Literatur 19), München 1996, S. 199–220 sowie Moser-Rath (Anm. 24), S. 59–75.

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ni operiert; unter seinen Predigtexempla sind jedenfalls einige Fabeln zu finden.156 Auch Vinzenz von Beauvais erklärt die Verwendung äsopischer Fabeln in seinen ‚Specula‘ und betont gleichzeitig die möglichst sparsame Verwendung derselben: Hec de fabulis Hesopi excerpere uolui; quas et si forte plurimum liceat in sermonibus publicis recitare; quod et nonnulli prudencium faciunt propter audiencium tedia releuanda, qui talibus delectantur, simul et propter integumenta subiuncta que aliquid edificaciones habere uidentur, nunquam tamen, nisi caute et parce, id estimo faciendum, ne qui uerbis sacris ad luctum penitentie Deique deuocionem prouocari debent, ipsi per huiusmodi nugas in risum magis atque lasciuiam dissoluantur, simul etiam ne ad narrandas fabulas quasi licenter exemplo predicancium male informentur. 157

Auch hier steht wieder die Entspannung und Belehrung im Vordergrund, gleichzeitig jedoch auch die richtige Verwendung der erheiternden Geschichten. Ähnliche Hinweise zur Art des Gebrauchs von Fabeln finden sich beispielsweise auch im Epilog von Hugos von Trimberg Exempelsammlung ‚Solsequium‘, welche Illustrationsmaterial für Predigten bereitstellt.158 Bei ihm dient die Fabel mehr als Redeschmuck denn als argumentative ‚Beweisführung‘, welcher vermittels der Schönheit der Rede auf das Publikum wirkt und so wiederum die Wirkung der Predigt verstärkt: Nam omnis sermo debitam perdet venustatem Qui non per sentenciam et auctoritatem Et exemplum congruum lepide probatur, Cum triplex funiculus difficile rumpatur. Unde variis exemplis liber hic signatur, Quibus predicancium sermo venustatur.159

Neben der intendierten und tatsächlichen Verwendung in der Predigt und beispielsweise, allerdings in geringem Maße, in der Sangspruchdichtung160 lassen sich jedoch auch weitere ‚Gesprächsreflexe‘ bei der Darstellung von 156 Vgl. die Auflistung bei Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 106. Die bei Jacob von Vitry verwendeten ‚Exempla‘ aller Art sind abgedruckt bei Crane (Anm. 154), S. 1–131. 157 Zitiert nach Léopold Hervieux, Les Fabulistes Latins. Depuis le siècle d’Auguste jusqu’à la fin du moyen âge, 5 Bde., New York 1893–1899, Bd. 2, S. 245. 158 Vgl. hierzu Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 257–261. 159 Das ‚Solsequium‘ des Hugo von Trimberg, hg. v. Angelika Strauß (Wissensliteratur im Mittelalter 39), Wiesbaden 2002, Epilog, V. 55–60. 160 Vgl. hierzu Frieder Schanze, Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mügeln und Hans Sachs, 2 Bde. (MTU 82/83), München/Zürich 1984.

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Fabelstoffen festmachen. Dies soll im folgenden an zwei Beispielen illustriert werden, namentlich an der Cyrillus-Übersetzung Ulrichs von Pottenstein und dem ‚Buch der Beispiele der alten Weisen‘. Diese sind zwar im Gegensatz zu den vorhin angesprochenen keine Zeugnisse eventuell wirklich stattgefunden habender mündlicher Verwendung, sie verweisen jedoch in ihrer Konzeption deutlich auf die dialogischen Möglichkeiten der Fabel, weshalb sie in diesem Abschnitt behandelt werden. Erwin Leibfried war der Ansicht, Ulrich von Pottenstein habe „mit seiner Übersetzung des ‚Speculum Sapientiae‘ des Bischofs Cyrill nicht gerade gute Fabeldichtung gewählt“,161 da in den Fabeln nicht gezeigt werde, was man tun müsse, sondern gesagt. Ulrichs von Pottenstein Bearbeitung, das ‚Buch der natürlichen Weisheit‘,162 sei dagegen weitgehend von den „abstrakten Gedanken der Fabeln“ und der „gelehrten Tendenz“ befreit; sie sei „volkstümlicher“ und die Fabeln „farbiger und lebendiger“.163 Die Übertragung der Fabeln ins Deutsche weist in der Tat übersetzerische Freiheiten auf,164 das Hauptmerkmal der Cyrillus-Fabeln bleibt jedoch erhalten: die Konzentration der „Vermenschlichung der Tierakteure auf das anthropomorphe Merkmal der Argumentationsfähigkeit“.165 Die rednerische Begabung, mit der die Cyrillschen Tiere ihre Tugend- und Lasterthematik vortragen, sowie die konsequente Dialogform sprechen durchaus gleichzeitig einen möglichen Leser oder Hörer ‚direkt‘ an. Dieser ist zu161 Erwin Leibfried, Fabel (Sammlung Metzler 66), Stuttgart 1967, S. 55. 162 Editionsproben des Textes sind abgedruckt bei Georg Scharf, Proben eines kritischen Textes der deutschen Cyrillusfabeln des Ulrich von Pottenstein, in: ZfdPh 59 (1934), S. 147–188, Text S. 150–188 und Ulrike Bodemann, Die Cyrillusfabeln und ihre deutsche Übersetzung durch Ulrich von Pottenstein. Untersuchungen und Editionsprobe (MTU 93), München/Zürich 1988, S. 149–179. 163 Leibfried (Anm. 161), S. 55. 164 Zur Methode der Übersetzung vgl. Bodemann, Cyrillusfabeln (Anm. 162), S. 180–215, S. 192: „Ulrich von Pottenstein setzt seine auf Textexpansion angelegten Übersetzungstechniken nicht unter Bevorzugung bestimmter Strukturteile der Fabeln ein. Die quantitative Verteilung seiner Ergänzungen allein läßt keine Akzentuierung etwa erzählerischer oder didaktischer Inhaltsmomente erkennen; seine Übersetzungseingriffe zielen demnach nicht auf eine strukturelle Umgewichtung der Textkonstituenten. Lateinische Sequenzen mit gleichartiger Textfunktion werden vielmehr nach recht heterogenen Äquivalenzmaßstäben übersetzt.“ 165 Bodemann, Cyrillusfabeln (Anm. 162), S. 39: „Die Akteure handeln zwar lediglich sprachlich als Menschen, dies aber um so extensiver, indem sie sich rednerisch höchst gewandt und gelehrt gebärden.“

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dem durch die Fabelüberschriften und die kurzen Situationsschilderungen bereits über die Inhalte der Tugendlehren informiert, so daß er seine Aufmerksamkeit auf die sprachliche Darbietung derselben legen kann. Diese „rhetorische Funktionsinnovation der Fabelgattung“166 ist den vorhin besprochenen Beispielen quasi entgegengesetzt. Hier wird in der Fabel rhetorisch geschickte Argumentation vorgeführt, während ansonsten meist Fabelzitate oder -anspielungen als rhetorisches Mittel eines Sprechers oder Schreibers fungieren. Reflexe einer bestimmten intendierten Sprech- und Argumentationsweise werden hier direkt im Fabelplot präsentiert; die Fabel wird nicht erzählt, sondern als dialogische Handlung vorgeführt und somit wird in gewisser Weise wieder die Sphäre einer möglichen mündlichen Kommunikationssituation aufgerufen.167 Ich gebe abschließend ein Beispiel; die Fabel von ‚Pfau und Igel‘,168 in der ein eitler Pfau von einem Igel für sein ausgebreitetes Rad bewundert werden will. Der Igel reagiert jedoch, indem er sich einrollt und dem ihn daraufhin wütend scheltenden Pfau eine Belehrung über Sein und Schein erteilt: [...] ‚Waistu nicht, das die höchst creatur der menschen genaigt ist, allczeit wundersam ding, die den awgen lust pringen, anzusechen? Du pirgest aber nicht allain die augen, sunder du versmächest mich damit anzesechen, vnd ist doch mein gestalt so höch geczirt, das mich yeder man mit reichem lust geren anschawet, vnu du mich vnerest mit deiner scheibligen chugel deiner scharffgedurenten hewte.‘ Do antwürt der ygel vnd sprach: ‚Es ist ain alcz sprichwort: Wer seiner aygenschaft nyessund ist, der tüt nyemand vberlast. Yedoch so pitt ich dich, das du mir guetleich sagest, welichs höcher zu wegen sey, sein oder gesechen werden. Sprichstu, es sey das sein pezzer, so hastu gar recht geantwürt. Ist dem also, was wildudann meiner verporgen augen? Wann sechen dich die nimmer an, dannoch pistu ain wesen, das du da pist. Sprichstu aber, gesechen werden sey pesser, vnd begerst auch, das du gesechen werdest, so pistu auch ein schadt, der frue erscheinet vnd nicht lang weret, wann er verswindt als ain ding, das nicht peleibleichs wesen hat. Darumb so pegerstu, das du werdest angeschawet. Werstu aber weis, so bedächtest du auch, das des basilisken aug töttet. Auch wer dir güt zu sagen, das ettwen dem affen ward gesaget. Wann der sach sich zu ainem mal in ainem spiegel, do frewt er sich in seinem herczen seiner äffischen mürren vnd maint auch, wie auf erden nicht schöners were, dem ward also zugesprochen: Wes frewstu dich deiner gestalt? Wild du dich frewen, so frew dich, das du pist ain wesen vnd hast ain substancz der warhait. Aber nach dem sechen 166 Bodemann, Cyrillusfabeln (Anm. 162), S. 40. 167 Ebd., S. 35 verweist auf unterschiedliche Anknüpfungspunkte der Argumentationsformen an die Predigtrhetorik. Ausführlich zu den Lehrgehalten vgl. ebd., S. 14–27. 168 Vgl. Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 456.

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pistu nicht anders dann ein schad der eytelchait, der sich zu plikch erczaigt vnd doch zuhant verswindet. Hastu aber nie gehört, wie das allersnellist tir tigris seine chindel verlewset, wann wen im seine chindel abgestrikcht werden, als pald es des ynne wirdet, so eylt es dem iäger mit snellem lauffe nach, sneller den chain phert auf erden. So müs der iäger solher list phlegen, das er nach dem wege, so er fleucht, müzz chlar spiegelglas auf die erden werfen; wann sich das tir in dem glas ersiecht, so bestet es vnd wänt, es hab seine chindel gefunden, vnd maint sy zu müteren. Damit ist es betragen. Vnd das tüt der iäger an menigeren steten, die weil so kumpt er mit den chindren dauon. Darumb so sag mir, du oder phabe, wes gibstu dich also aus in vbermüt mit deinem wol geczirten swancze, das du allain das ansehen vnd nicht ain wesen für dich nympst? [...]169

Dieser kleine Ausschnitt sollte die Struktur veranschaulichen, nach der in den Fabeln verfahren wird, und in der Belehrungen und assoziierte Geschichten aneinandergereiht und in direkter Rede an die Adressaten gerichtet werden – formal natürlich an andere Fabelprotagonisten, dennoch wirkt der Dialogstil auch auf den Leser. Eine dritte Möglichkeit der Anknüpfung an denkbare Gespräche kann man im ‚Buch der Beispiele der alten Weisen‘ beobachten, in dem der argumentative Nutzen der Fabel- und Sprichwortverwendung zum Teil unmittelbar von den in den innerhalb der Rahmenhandlung170 berichteten Erzählungen handelnden Protagonisten vorgeführt wird, indem sie damit zum Beispiel ihre Gegenspieler täuschen und überlisten. Erkennbar wird in diesen Fällen, wie mit klug eingesetzten Fabelerzählungen die Realität im Sinne des Anwenders, der gegenüber seinem Zuhörer einen situativen Wissensvorsprung besitzt, gedeutet und vor allem auch umgedeutet werden kann.171 169 Ich zitiere einen Ausschnitt der Fabel nach Bodemann, Cyrillusfabeln (Anm. 162), S. 165–169, V. 50–173, Editionshandschrift M2, setze allerdings die Verse nicht ab, da diese in der Ausgabe lediglich zur Ermöglichung der Gegenüberstellung verschiedener Textfassungen dienen und nicht der ursprünglichen Textgestalt entsprechen. 170 Vgl. hierzu Sabine Obermaier, Das Fabelbuch als Rahmenerzählung. Intertextualität und Intratextualität als Wege zur Interpretation des Buchs der Beispiele der alten Weisen Antons von Pforr (Beihefte zum Euphorion 48), Heidelberg 2004. 171 Lieb, Fabula docet? (Anm. 28), S. 40–45 bespricht ausführlich zwei Beispiele aus dem 2. Kapitel, bei denen einmal eine Fabel und einmal ein Sprichwort angewandt werden, um den jeweiligen Gesprächspartner aufgrund seines nur unzureichenden Deutungshintergrundes und unter der Suggestion einer – in der erzählten ‚Wirklichkeit‘ nicht vorhandenen – Parallelität der Fabelstruktur zu dessen eigener Situation zu täuschen.

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Als Situationsargument in der Rede, als Vortragspointe und Spiel mit dem Publikum kommen Fabeln und vor allem Fabelanspielungen zum Teil auch bei den Spruchdichtern des 13. Jahrhunderts vor.172 Allerdings fungieren sie dort zumeist nicht – wie sonst oft – als Vermittler allgemeinen Welt- und Orientierungswissens, sondern fast immer als, für uns leider oft nicht mehr rekonstruierbarer, Kommentar zum aktuellen Zeitgeschehen. Auch der Reimsprecher Teichner verwendet im 14. Jahrhundert zwar Fabeln, seine „Vorbehalte gegenüber den Formen indirekten Sprechens“173 führen jedoch auch bei ihm zu nur sparsamer Verwendung und einer eher nachrangig kommentierenden Form der Anspielungen sowie zu der Angewohnheit, den Bildteilen weiteres Illustrationsmaterial in Form einer Übertragung in andere, menschliche Zusammenhänge zur Seite zu stellen. Lämmert schließt aus der häufigen Motivvermischung und den fehlenden erzählerischen Pointen, daß es dem Teichner allein auf den „Nutzeffekt“ im jeweiligen Auslegungszusammenhang ankomme,174 dieser läßt sich jedoch häufig nur als kommentierende Dreingabe bestimmen, die dann wiederum in einen neuen Zusammenhang gestellt wird, anstatt daß sie ihr eigenes Auslegungspotential – und sei es nur als „beiläufig eingestreutes Vergleichsglied“175 – ausspielen würde. Dennoch lassen sich die Einschübe als kurze und gewollte Unterbrechung der Rede betrachten, ähnlich den zur Reflexion verleitenden Einschüben in einer geselligen Tafelrunde oder den Binnenerzählungen innerhalb eines geschilderten Handlungs- oder Erzählablaufes, die Raum für weiteres Nachdenken und eigene Situationsanbindungen oder schlichte Erheiterung und spielerischen Umgang mit Texten, Aussagen und Deutungen ermöglichen.

172 Eine Reihe von Beispielen zitiert Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 240–252. 173 Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 378. 174 Eberhard Lämmert, Reimsprecherkunst im Spätmittelalter. Eine Untersuchung der Teichnerreden, Stuttgart 1970, S. 232. 175 Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 381.

IV Zur handschriftlichen Überlieferung von Ulrich Boners ‚Edelstein‘ Der potentielle Gebrauch der Fabel läßt sich jedoch nicht nur aufgrund von Zitaten und theoretischen Äußerungen rekonstruieren, sondern vor allem auch anhand der Zusammenstellung, Gestaltung und Kommentierung von Fabelhandschriften und -drucken lassen sich Rückschlüsse auf die mögliche Verortung der Fabelstoffe ziehen. Im folgenden will ich am Beispiel der Überlieferung von Ulrich Boners ‚Edelstein‘ versuchen, das komplexe Zusammenspiel zwischen Text, Bild, Glossierung und Kommentierung der Texte, sowie der Gesamtzusammenstellung der Handschriften darzustellen und diese „komplexe Medialität“176 der Überlieferungsträger für die Frage nach dem kommunikativen und vermittelnden Potential der Fabel fruchtbar zu machen. Der mutmaßliche Berner Dominikaner Ulrich Boner177 hat seinen ‚Edelstein‘, die erste deutsche Fabelsammlung, vermutlich in den Jahren 176 Vgl. zum Begriff Kiening, Medialität (Anm. 25), v. a. S. 344ff.: „[...] die Tatsache, daß mittelalterliche Überlieferung in geringerem Maße situationsabstrakt ist als neuzeitliche und in höherem Maße Bekanntes auf je neue Aktualität und Geltung hin perspektiviert. Das bedeutet auch: Die Gegebenheiten, unter denen sich Überlieferung ausbildet, verstetigt und verändert, hinterlassen in besonderer Weise ihre Spuren im Überlieferten, seinen kommunikativen Strukturen wie materiellen Formen. [...] Dementsprechend gilt es, Texte, Bilder und Objekte selbst als komplexe Situationen oder Figurationen zu begreifen, deren Medialität nicht einfach an isolierten Punkten, sondern in der Gesamtheit der materiellen Erscheinungen wie der zeichenhaften Gefüge erfaßbar ist. [...] In jedem dieser Fälle erweist sich Medialität nicht so sehr als der äußerliche Aspekt der Sinngefüge (das, was diese vermittelt), sondern als der konstitutive Aspekt, von dem der Sinn nicht abzulösen ist (das, was diese vermittelnd zur Erscheinung bringt). Dementsprechend sind Schrift, Bild oder Objekt nicht einfach Teile eines multimedialen Verbundes, sondern je eigene Formen komplexer Medialität, denen ihr Rahmen in Gestalt von Transgredierungen und Transzendierungen eingeschrieben ist.“ 177 Zu Boner und der Entstehung der Sammlung vgl. Grubmüller, Esopus (Anm. 7), v. a. S. 297–319; Albert Leitzmann, Zur Abfassungszeit von Boners Edelstein, in: PBB 35 (1909), S. 574–577; Reinhold Gottschick, Der Anfang und der Schluß von Boners Edelstein, in: ZfdA 52 (1910), S. 107–112; M. von Stürler, Das bernische Geschlecht der Boner, in: Germania 1 (1856), S. 117–120;

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1340–1350 zusammengestellt, wobei die Fabeln, wie bereits erwähnt, zunächst auch nur eine lose Sammlung zu seinem privaten Predigtgebrauch gewesen sein könnten. Die uns erhaltene Überlieferung umfaßt derzeit 36 Handschriften und zwei Drucke, der gesicherte Überlieferungszeitraum läßt sich durch Schreiberdatierungen auf die Jahre 1411–1492 eingrenzen, die größte Anzahl der Textzeugen entstammt dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts.178 Aufgrund ihrer Besitzernennungen lassen sich 13 Handschriften dem Hochpatriziat und Adel zuordnen, des weiteren stehen vermutlich viele im Zusammenhang mit der im 15. Jahrhundert massiv auflebenden Laiendidaxe.179 Neben der Demonstration geselligen Beisammenseins etwa bei Luther oder eingestreuten Fabelanspielungen und theoretischen Äußerungen, wie sie im vorherigen Kapitel zur Sprache gekommen sind, gibt es in der handschriftlichen Überlieferung durchaus Hinweise darauf, daß die Fabel auch schon vor ihrer inflationären Verwendung durch Geiler von Kaisersberg zum rhetorischen Repertoire der Prediger gezählt hat. Solch eine eher beiläufige Bemerkung – die die Annahme eines mehr oder weniger verbreiteten tatsächlichen Gebrauchs jedoch umso mehr untermauert – findet sich zum Beispiel auf dem Vorsatzblatt der Heidelberger Boner-Handschrift cpg 86: Hie hebt sich an ein puch ysopus genannt / Das da ettlichen predigern ist wol erkanntt / Das da sagt von beyspilden gut Vnd gute lere darauff durch zucht Das die menschen dar aus begreiffen sich zu huten vor den posen vnd valschen reten vnd zu pessern ire leben [...]180

Franz Pfeiffer, Vorwort, in: Der Edelstein von Ulrich Boner, hg. v. Franz Pfeiffer (Dichtungen des deutschen Mittelalters 4), Leipzig 1844, S. VII–XIV. 178 Vgl. Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 436. 179 Vgl. Ebd., S. 438ff. 180 Heidelberg, UB, cpg 86, f. 4*r. Vgl. auch Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 110f., der ein Beispiel aus der Handschrift Wien, ÖNB, Cod. 4899 bespricht, in welcher die Fabel von ‚Hausmaus und Feldmaus‘ mitsamt der Gelegenheit des Vortrags und der – eventuell nachträglich angefügten – Art, sie in selbigen einzubringen und dem zweimaligen Hinweis, wie sie in anderen Zusammenhängen verwendet werden könne, notiert worden ist. Teilabdruck auch bei Hermann Menhardt, Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Bd. 2 (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 13), Berlin 1961, S. 1075: vor der fabl: hutt euch, liebe chinder, nun ïr erstanden seyt, als ich hoff von den sunden, von übung zu den sunden [...] doch schol sich der mensch alczeyt in ht haben, das im ich geschech als der maus. [...] Hanc fabulam narrauit prior

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In eine Fuldaer Predigthandschrift aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist auf einem leeren Blatt eine Boner-Fabel aufgenommen worden,181 und auch der St. Galler Codex Cod. Sang. 969, ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert, enthält acht Boner-Fabeln, die, ebenso wie einige Reimsprüche und Freidank-Sentenzen, zwischen verschiedene Predigten, Gebete, Heiligenlegenden und andere geistliche Texte eingefügt worden sind.182 Der Codex München, BSB, cgm 3974, der aus dem Kloster St. Emmeram in Regensburg stammt,183 vereinigt in geradezu ‚idealtypischer‘ Weise die oben genannten Merkmale, welche für meine Fragestellung von Interesse sind, und soll darum als erster besprochen werden. Die Handschrift überliefert eine Folge zwar höchst unterschiedlicher Texte, „an denen dennoch der Bezug auf ein gemeinsames funktionales oder typologisches Grundschema abgelesen werden kann.“184 Sie besteht aus acht von einem Schreiber über einen längeren Zeitraum hinweg geschriebenen Faszikeln, in die nachträglich zwei fremde Handschriftenteile eingearbeitet worden sind. Ein Schreiber, dem sämtliche Faszikel noch ungebunden und in der richtigen Reihenfolge vorgelegen haben müssen, da die Blätter bis in den Falz hinein beschrieben sind, hat über die gesamte Handschrift seine Anmerkungen und Querverweise verteilt, sowie eine Fülle von RandbeAugustinensium in sermone eius secunda feria post pascha. Mus maus. Es was ein hawsmaus, de chm zu einer feldmaus [...] Hanc pulchre introduxit et potest ad multa alia applicari, quae homo illa fabula praemissa delectabilius considere potest [...]. 181 Fulda, LB, Cod. Aa 110 fol., f. 304ra. Vgl. Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 431 und Philipp Strauch, Zu Boner, in: ZfdA 31 (1887), S. 291f. 182 Eine detaillierte Beschreibung des Inhalts bietet Gustav Scherrer, Verzeichniss der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, Halle 1875, S. 363. Die ersten acht Fabeln der Bestandsklasse III des ‚Edelstein‘ sind eingetragen in Cod. Sang. 969, S. 116–129; zu den Bestandsklassen vgl. die Zusammenstellung von Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 446–449. Die Freidank-Sprüche firmieren innerhalb der Autoritätensammlung zum Teil unter Seneca und Jeremias, vgl. Ines Heiser, Autorität Freidank. Studien zur Rezeption eines Spruchdichters im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Hermaea 10), Tübingen 2006, S. 41f. 183 Vgl. zu den Realien auch die umfassende Beschreibung von Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Die mittelalterlichen Handschriften aus Cgm 888–4000 (Catalogus codicum manuscriptorum Bibliothecae Maonacensis. Tomus V, 6), Wiesbaden 1991, S. 504–519. 184 Vgl. auch die ausführliche Besprechung des Boner-Teils dieser Handschrift von Klaus Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 140.

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merkungen, Notizen und kurzen Texten nachgetragen.185 Besonders auffällig sind die hohe Anzahl von bebilderten Texten und die Vermischung von Deutsch und Latein, häufig wird derselbe Text in beiden Sprachen präsentiert. Die ‚ursprüngliche‘ Handschrift ist zwischen 1440–1466 entstanden,186 der – nach heutiger Blattzählung – zwischen Blatt 91 und 114 eingefügte Teil um die Mitte des 15. Jahrhunderts und der zwischen Blatt 123 und 168 eingefügte Teil, welcher auch ein Stück des ‚Edelstein‘ (f. 124r–213ra) enthält, im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts. Der Text der Fabelsammlung wurde geschrieben von der Haupthand der ‚ursprünglichen‘ Handschrift, von der auch zahlreiche Nachträge am Rand und in der rechten Spalte neben dem ‚Edelstein‘ stammen, so zum Beispiel drei Mirakel des heiligen Bernhard (f. 168v–169v), ein deutsches Meßgebet (f. 200rb) und ‚Salomon und Markolf‘ in deutscher und lateinischer Fassung (lat. Nachträge f. 193vb–202rb, dt. Text f. 209vb–215vb), zumeist an den Rändern des Fabeltextes nachgetragen.187 Der Codex versammelt neben homiletischen auch typische Texte aus dem elementaren Lateinunterricht, zum Beispiel Boners lateinische Vorlagen Anonymus Neveleti und Avian, jeweils mit Kommentar und lateinischen Glossen ausgestattet, und von der Hand des Kompilators zahlreiche Exzerpte, katechetische Problemskizzen und aszetische Abrisse, die sich ihrer Knappheit wegen nur als Stoffsammlun185 Vgl. auch Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 142f. 186 Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, (Anm. 183), S. 504. 187 Ich gebe den Inhalt des cgm 3974 im folgenden verkürzt wieder; ausführliche Darstellungen und Literatur zu einzelnen Texten bei Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 140ff. und Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek (Anm. 183), S. 508–519. Der Codex enthält u. a.: f. 1ra–51rb: ‚Speculum humanae salvationis‘ (mit Illustrationen, lat. und dt. Randnachträgen, Exempel), f. 54r–59v: Totentanz (dt. Text mit lat. Überschriften, Illustrationen, dt. Beischriften und lat. Zusätzen), f. 60ra–65va: ‚Visio Philiberti‘ (jeweils linke Textspalte), f. 60rb– 65vb: ‚Speculum artis bene moriendi‘ (jeweils rechte Textspalte), f. 66ra–69va: ‚Speculum peccatorum‘, f. 70ra–84vb: Lat. Etymachietraktat (mit Illustrationen und lat. Zusätzen), f. 124r–213ra (f. 124–167 nachträglich eingearbeitet): Ulrich Boner: ‚Der Edelstein‘, f. 213r: Abbildung ‚Magister Esopus et poeta‘, f. 193vb–215vb: ‚Salomon und Markolf‘ (zumeist rechts neben dem Boner-Text, dt. und lat., f. 213v: Einleitungsbild zu ‚Salomon und Markolf‘), f. 216ra–234vb: Anonymus Neveleti: ‚Fabulae aesopicae‘ (mit Kommentar und lat. Interlinearglossen), f. 235ra–248vb: Avian: ‚Fabulae aesopicae‘ (mit Kommentar und lat. Interlinearglossen), f. 250ra–270vb: ‚Biblia pauperum‘ (lat.-dt.), f. 317rb–321vb: ‚Physiologus Theobaldi‘ (mit Kommentar; unvollständig).

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gen oder Gedächtnisstützen zur homiletischen Verwendung oder für die katechetische Unterweisung begreifen lassen.188 Die Aufzeichnungen des Kompilators sind durchweg lateinisch; sein Interesse an Texten, mit denen dieses eigentlich erst erlernt werden soll, erklärt sich vermutlich aus einer Lehrtätigkeit; die Kommentare helfen ihm eventuell bei der Vermittlung des theologisch-lateinischen Bildungsgutes an diejenigen, die er zu unterweisen hat.189 Die Bonerschen Fabeln sind „in diesen Vorgang der Vermittlung zwischen zwei verschiedenen Sprach- und Kulturschichten einbezogen. Sie werden nicht als selbstgenügsames literarisches Kunstwerk überliefert, sondern sind in vielfacher Weise zubereitet, und zwar so, daß sie zunächst eher ins Lateinische zurückpräpariert zu sein scheinen.“190 Die Fabeln werden in der Regel folgendermaßen präsentiert: Am Anfang steht eine beschriftete Illustration, dann folgt der deutsche Text. Diesem voran geht ein Verweis auf die Vorlage der Boner-Fabeln, den Anonymus Neveleti – in der Handschrift wie üblich nach dem Gattungsstifter als ‚Esopus‘ bezeichnet –, und zwar durch die Angabe von Nummer und Incipit der korrespondierenden Fabel in dieser Sammlung und den Verweis auf die Seite, auf der diese in der Handschrift zu finden ist. In unserem Beispiel191, der Fabel vom ‚Löwenanteil‘,192 steht rechts über den abgebildeten Tieren, fast wie eine Art Überschrift, eine aus dem Kommentar zur lateinischen Fabel entnommene Begründung für den in ihr berichteten Sachverhalt: Aristoteles 8uo Ethycorum: Similitudo est causa amicicie, Dissimilitudo est causa inimicicie. Links über dem Bild steht ein Sprichwort aus dem Boner-Text: Ez ist poßs ezzen kerssen mit den herren. Häufiger als Zitate aus dem Boner-Text finden sich bei den Fabeln jedoch frei assoziierte Sprichwörter.193 Der Stellenhinweis rechts des Textes Incipit fabula sexta Esopi: Vt racione pari fortune 219 geht über in einen Hinweis auf den Lehrgehalt der Fabel: et fructus huius fabule est quod inferior siue fragilior se non societ superiori aut forciori. Causa habetur in littera vt supra. Auf der linken Seite des Textes steht der Hinweis: Hic nos instruit ut non associemur potentioribus et forcioribus nobis. Am Beginn des Auslegungsteils der Boner-Fabel, der durch eine Zeigehand markiert ist, wird noch einmal die entscheidende Auslegung in einer lateinischen Sentenz festgehalten: 188 Vgl. Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 144. 189 Ebd., S. 145. 190 Ebd., S. 146. 191 F. 131v–132r, vgl. Abb. 1 und 2. 192 Boner Nr. VIII., vgl. den diplomatischen Abdruck des Textes bei Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 147f. 193 Vgl. Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 148.

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Zur handschriftlichen Überlieferung von Ulrich Boners ‚Edelstein‘ Cerusa cum dominis non swadeo mandere seruis mandunt matura dimittunt tibi dura Consumptis illis cupiunt iactare lapillis.

Die lateinische Fabel des Anonymus Neveleti ist in vielerlei Hinsicht zu der deutschen Fassung in Beziehung gesetzt; die entscheidenden Anwendungshinweise, die neben den deutschen Text geschrieben wurden, sind aus ihr exzerpiert.194 Grubmüller geht davon aus, daß die Sprichwörter und Verweise eine „Zurückpräparierung ins Lateinische“sind;195 dem will ich zwar nicht grundsätzlich widersprechen, denke aber, daß wir bei den deutschen Fabeln Ulrich Boners in dieser Handschrift ein anderes Phänomen vor uns haben. Nikolaus Henkel beschreibt für eine von einem schleswig-holsteinischen Kaplan abgeschriebene Sammlung von Romulus- und Prosa-Avian-Fabeln ein ähnliches Verfahren, wie das eben genannte: zusätzlich zum lateinischen Text wird dort jeweils die Auslegung der Fabeln in niederdeutscher Reimpaarübersetzung dargeboten; der eigentliche ‚fructus‘ der Fabel – zusammengefasst im Epimythion – wurde so in einprägsamer Form zum Gebrauch, eventuell in der Predigt, bereitgestellt. Des weiteren verweist er auf den Obereichstätter Leutpriester Bartholomäus Mulich, der seinen lateinischen Predigten über jeweils eine Bibel- und eine verwandte ‚Cato‘-Stelle immer die Reimpaarübersetzung des jeweiligen ‚Cato‘-Zitats beifügt, die offenbar während der aus dem lateinischen Manuskript heraus auf deutsch gehaltenen Predigt bereits fertig zur Verfügung stehen sollte.196 Im Falle der Fabel im cgm 3974 verhält es sich jedoch genau umgekehrt: Hier haben wir die gesamte Fabel als deutschen Text; die Sentenzen am Rand sind jedoch bis auf eine alle lateinisch. Wenn es darum ginge, diese lateinischen Sentenzen zu verwenden, oder sie zum Beispiel auch ad-hoc zu übersetzen, stellt sich die Frage, wozu man dann den deutschen Text bräuchte und wieso man die Sentenzen nicht einfach beim lateinischen Text notiert hat, der in der Handschrift mitüberliefert wird. Es wäre durchaus möglich, daß der Boner-Text vom Redaktor der Handschrift sozusagen der Vollständigkeit halber aufgenommen wurde, da er die Übersetzung von Teilen des Avian beziehungsweise des Anonymus Neveleti ist.197 Und selbst, wenn der Boner-Text in 194 Abdruck des Textes bei Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S.151f. 195 Ebd., S. 145. 196 Henkel, Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte (Anm. 7), S. 191f. 197 Zum Verfahren der beispielsweise in dieser Handschrift sichtbaren Textaneignung paßt auch jenes der Übersetzung lateinischer Fabeltexte ins Deutsche, die häufig – so auch bei Boner – nicht nur auf den Texten, sondern vor allem

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der eben beschriebenen Weise für den Unterricht verwendet worden sein sollte, wäre die uns vorliegende Glossierung dafür eher wenig hilfreich. Ich würde viel mehr vermuten, daß es sich um beim Lesen hervorgerufene Assoziationen eines gelehrten Lesers handelt, der in seinen strukturierenden Beischriften dann ganz selbstverständlich auf Latein agiert. Ein solcher Leser kann durchaus auch ein Interesse daran haben, Autoritätsberufungen und Erklärungen aus dem Kommentar zu entnehmen und sie am Rand der deutschen Fabel zu notieren; für ein solches Vorgehen macht dann auch der Hinweis auf die Seitenzahl der lateinischen Vorlage Sinn, die vergleichend hinzugezogen werden kann. Diese vom Konzepteur der Handschrift beigefügten Stellenhinweise verleiten einen Leser des deutschen Textes geradezu dazu, die entsprechende Seite aufzuschlagen, und dann zum Beispiel Sätze aus dem lateinischen Kommentar zu entnehmen. Dies kann hier auch nicht ausschließlich zur Erschließung des Textes dienen, da wir mehrfach nahezu wort- und/oder bedeutungsgleiche Glossen finden, die verschiedene Schreiber notiert haben. Es läßt sich dabei auch kein System ausmachen, zum Beispiel dergestalt, daß ein bestimmter Schreiber immer das Epimythion glossiert. Das Ganze wirkt fast eher wie ein gelehrtes ‚Spiel‘, als wie eine wirklich benötigte Hilfe; um sich den Text anzueignen, wären keineswegs so viele – gleiche – Erläuterungen notwendig. Dies könnte natürlich auch einer gewissen Unselbständigkeit des deutschen Textes geschuldet sein, der durch lateinische Autoritätsberufungen aufgewertet werden sollte. Dennoch würde ich die Beischriften auch unter dem Aspekt der Orientierung in Text und Handschrift betrachten. Eigentlich machen sie die Lektüre des deutschen Textes fast überflüssig; jedenfalls für einen Leser, der entweder mit dem Stoff vertraut ist, oder der nicht an der Erzählung selbst, sondern nur an deren Lehrgehalt beziehungsweise den sentenzhaften Einsprengseln interessiert ist.198 Die weiteauch auf der Kommentartradition beruht. Vgl. hierzu Wright (Anm. 31), zu Boner v. a. S. 107–131; S. 112: „What has until now been accepted as an innovation in the German Edelstein in fact has parallels in the Latin commentary tradition.“ Boners zweite Einleitungsfabel von ‚Affe und Nuß‘, die sowohl bei Avian als auch Anonymus Neveleti fehlt, „does occur within the Latin commentary tradition on the Anonymus Neveleti, and in a function and position reminiscent of those it enjoys in Boner’s German collection.“ (S. 128); zu anderen möglichen Quellen für die Erzählung vgl. Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 312. 198 Die vollständig illustrierte Boner-Handschrift Basel, Öffentl. Bibl. d. Univ., cod. A.N. III. 17, die laut Eintrag auf S. 58v 1654 im Besitz des Berner Patriziers Ludwig Stürler war, beispielsweise fügt jeder Boner-Fabel in Auszeich-

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ren, freier assoziierten Kommentare der Benutzer deuten die Bekanntheit und Verfügbarkeit der Sprichwörter und Fabelabbreviaturen an, welche zur Bewältigung und Kategorisierung von Erlebnissen bereit stehen und bei der Lektüre einer solchen Fabelerzählung scheinbar sofort abrufbar sind, evoziert und am Rand notiert werden. Von dort aus können sie dann zum Beispiel wieder in den mündlichen Gebrauch einfließen. Einerseits haben wir hier also die Assoziationen, welche bei der Lektüre hervorgerufen und notiert oder auch aus dem Kommentar abgeschrieben werden, andererseits sind die Anmerkungen auch eine Steuerung, eine Anleitung zum Umgang mit dem vorliegenden Text, welche diesen strukturiert und den Blick des Betrachters lenkt. Die Hinweise auf die Vorlage, versehen mit Seitenzahlen, machen diese leicht auffindbar und mitbenutzbar, eröffnen also eine Dimension des Textes, die die deutscheVersion allein nicht bietet. Ein mögliches Zusammenspiel besteht jedoch nicht nur zwischen deutschen und lateinischen Fabeltexten und -kommentaren, sondern es lassen sich auch funktionale Beziehungen zwischen weiteren Texten der Handschrift herstellen. Die Zusammenhänge ergeben sich dabei einerseits durch die Textgattungen und deren Verwendungs- und Interpretationsmöglichkeiten, andererseits auch über ihre Zurichtung und Kommentierung und nicht zuletzt über die zahlreichen Illustrationen, welche die Gestaltung der Handschrift maßgeblich mitprägen und zusammen mit den deutschen Einsprengseln dazu beitragen können, Lateinunkundige an der lateinischen Schriftkultur teilhaben zu lassen.199 Das didaktisch-exemplarische funktionale Grundschema sowie die durch gestalterische Merkmale und Verweise betonte Zusammengehörigkeit der Texte will ich nun anhand der Fabeln und ‚Salomon und Markolf‘ exemplifizieren: Der Codex überliefert, beginnend auf den letzten Seiten des ‚Edelstein‘, wie erwähnt, nach, rechts neben und zum Teil unter dem Boner-Text sowohl eine lateinische Kurzfassung des ‚Dialogus Salomonis et Marcolfi‘ mit einigen Nachträgen,200 als auch eine zur Kurzfassung korrespondienungsschrift das lateinische Schlußdistichon des Anonymus Neveleti an. Die selben lateinischen Verse enthielt auch die verschollene Pergamenthandschrift Breitingers; vgl. Fabeln aus den Zeiten der Minnesinger, hg. v. Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger, Leipzig 1976 (Nachdruck der Ausgabe Zürich 1757); die Schlußverse beginnen bei Fabel Nr. XXVI, mit der Breitingers Handschrift begonnen hat. Vgl. auch Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 429 und 435 und Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 153. 199 Vgl. auch ebd., S. 143. 200 Cgm 3974, f. 213va–215rb, 206vb, 215vb; Nachträge (ergänzen die Kurz- zu einer Langfassung) 193vb, 194rb, 194vb, 195vb, 200rb, 201rb, 201vb, 202rb; Hs. F nach der

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rende deutsche Prosafassung.201 Die mit Verweiszeichen versehenen lateinischen Ergänzungen werden nicht ins Deutsche übersetzt und könnten somit einem Eigeninteresse des, in seinen ‚privaten‘ Aufzeichnungen auf Latein agierenden, Schreibers geschuldet sein, der diese eventuell jedoch weniger in die Vermittlung einbeziehen wollte. Der lateinische Text der Kurzfassung202 „tritt um 1450 heraus aus katechetischem bzw. litteratem Umfeld [...] in den Bereich der Volkssprache, und zwar im Umkreis der Lateinschule.“203 In unserem Beispiel steht der sentenzhafte ‚Dialogus‘ in enger Überlieferungsgemeinschaft mit dem Boner-Text und weiteren homiletischen und Schultexten, welche in ihren deutschen Übersetzungen wohl ebenfalls für die geistliche Unterweisung, vor allem in der Predigt, verwendet worden sind, für die neben exemplarischen Texten vor allem Übersetzungen proverbien- beziehungsweise sentenzhafter Texte in Frage kamen.204 „Zwar erfolgte die Konzipierung und Aufzeichnung von Predigten, die in der Volkssprache gehalten werden sollten, vielfach lateinisch; doch lassen sich deutschsprachige Elemente oft da beobachten, wo eine Übersetzung auf der Kanzel, ex tempore, untunlich erschien.“205 Beim Spruchteil des lateinischen Textes steht der Name des Sprechers jeweils in der Mitte der Spalte über dem Gesagten, in der deutschen Übersetzung jeweils am Anfang der Kolumne, wodurch der Text übersichtlicher wirkt und der ‚Zugriff‘ auf einzelne Aussprüche erleichtert wird. Die Abfassung einer deutschen Kurzfassung, die auf die einleitenden Personenbeschreibungen verzichtet und nur zwei der Schwänke, dafür aber 56 Sprüche enthält, könnte also, zusammen Ausgabe: Salomon et Marcolfus. Kritischer Text mit Einleitung, Anmerkungen, Übersicht über die Sprüche, Namen- und Wörterverzeichnis, hg. v. Walter Benary (Sammlung mittellateinischer Texte 8), Heidelberg 1914, S. XVIf.; vgl. auch Sabine Griese, Salomon und Markolf. Ein literarischer Komplex im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Studien zu Überlieferung und Interpretation (Hermaea 81), Tübingen1999, S. 45f. und 194ff. 201 Cgm 3974, f. 209vb–215vb; Hs. p der Ausgabe von Benary (Anm. 200), S. XXI. Vgl. Abb. 3. 202 Zu den unterschiedlichen Fassungen vgl. Griese (Anm. 200) und Michael Curschmann, Marcolfus deutsch. Mit einem Faksimile des Prosa-Drucks von M. Ayrer (1487), in: Kleinere Erzählformen des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna Vitrea 8), Tübingen 1993, S. 151–255. 203 Griese (Anm. 200), S. 212. 204 Vgl. Henkel, Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte (Anm. 7), S. 189ff. 205 Ebd., S. 191.

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mit ihrer Präsentation in der Handschrift, durchaus auf ihre Verwendung hindeuten, zumal ein Interesse des Kompilators an der lateinischen Langfassung zwar vorhanden war, er für seine potentiellen Vermittlungstätigkeiten jedoch offensichtlich die Kurzfassung für ausreichend erachtet hat. Davon abgesehen, daß bei jeder Fassung des ‚Salomon-und-Markolf‘-Komplexes in unterschiedlich starker Akzentuierung „in jedem Fall aber ein beträchtlicher Teil der ‚Handlung‘ aus Rede und Gegenrede besteht“,206 bietet sich die gewählte Fassung mit ihrem kurzen und prägnanten Wortstreit im ersten Teil vermutlich besonders an zur Einprägung bild- und sprichworthafter Redewendungen und deren Weiterverwendung. Die Kombination mit den Schwänken verleiht der Kurzfassung „darüber hinaus eine annähernd abgerundete Form“,207 da Markolf hier, korrespondierend zu seinen satirischen Antworten im Redeteil, die das Gegenüber, statt dessen bildhafte Redewendungen im üblichen Sinne zu entschlüsseln, wörtlich nehmen, das gleiche Verfahren durch nicht verbale Handlungen vorführt. Markolf parodiert Salomons Spruchweisheit und sein „irrelevantes Schulwissen“208 vermittels seines Wortwitzes und der unterhaltsamen Verkehrung der Sprechsituation; er führt sozusagen in nuce vor, wie sentenzhafte Aussprüche ebenfalls verwendet werden können und vor allem, wie sie immer erst durch eine bestimmte Interpretation in einer bestimmten Situation einen – je unterschiedlichen – Sinn erhalten. Die Themen List, Betrug und Täuschung, die in Boners Fabelsammlung einen breiten Raum einnehmen, werden hier im sprichworthaften Schlagabtausch quasi vorgeführt; auch die Verbindung schwankhafter List-Gegenlist-Episoden mit Fabeln und anderen exemplarischen Erzählungen ist nicht nur eine gängige, sondern auch eine formal und funktional logische. In unterschiedlichen Graden von Derbheit, Direktheit und Unterhaltungswert führen alle dieser Erzählungen vor, wie man sich möglichst klug verhält und Situationen im eigenen Sinne vorteilhaft auslegt. Die bäuerlich-gewitzte Narrheit Markolfs, welche letztendlich über die sprichwörtliche Weisheit Salomons obsiegt, nimmt nicht nur im Hinblick auf das Verfahren der Konterkarierung einer bestimmten Lebenswelt durch eine gegensätzliche eine gewisse Sonderstellung ein, sondern vor allem auch durch den hohen Anteil der wörtlichen Rede, der sozusagen aus Sprachwitz bestehenden Handlung. Auch hier läßt sich an die Fabel anknüpfen, deren Handlung zwar – im Gegensatz beispielsweise zur Fazetie – selten auf Sprachwitz beruht, die jedoch häufig, vor allem in ihren Anspielungen 206 Curschmann, Marcolfus deutsch (Anm. 202), S. 154. 207 Griese (Anm. 200), S. 215. 208 Curschmann, Marcolfus deutsch (Anm. 202), S. 156.

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und Sprichwortabbreviaturen, durchaus in der Sphäre schlagfertiger Mündlichkeit und klugen Handelns verortet werden kann.209 Der cgm 3974 enthält zwischen den beiden Texten sowohl eine bildliche Darstellung Markolfs vor dem König, als auch ein Bild Äsops, durch welche die beiden Texte auch auf der Gestaltungsebene zusätzlich verknüpft sind.210 Der Austausch mit und über Sentenzen, Sprüche und Anspielungen, ein „social discourse“211 über Texte, Bilder und Sprache führt im Falle von ‚Salomon und Markolf‘ und der äsopischen Fabeln, die nicht nur hier auf illustrativer Ebene zusammengeführt werden, letztendlich sogar zu einer Vermischung der Bildtraditionen.212 Die Äsop-Darstellung ist überschrieben mit Magister Esopus et poeta und versehen mit den Insignien eines Weisheitslehrers und Literaten – sie zielt auf die Funktion des Textes ab;213 Markolf steht mit seiner Frau vor dem Thron des Königs Salomo und diskutiert offensichtlich mit ihm. Markolf und Äsop sind in dieser Handschrift zwar klar voneinander unterscheidbar, dennoch spielt auch hier ihre ‚Verwandtschaft‘ eine Rolle; wie für die vermischten Darstellungen gilt: „Das eigentlich Gemeinsame ist in diesen Fällen nicht das Physische, sondern das Geistige: die weltkluge Weisheit des Außenseiters.“214 Die Verbindung der beiden Figuren wird auch bei Luther deutlich:

209 Ein Beispiel wäre der oben angesprochene Umgang mit Fabeln und Sprichwörtern innerhalb der Rahmenhandlung von ‚Kalila und Dimna‘. 210 F. 213r und 213v, vgl. Abb. 4 und 5. 211 Curschmann, Marcolf or Aesop? (Anm. 23), S. 755–799, hier S. 757. 212 Ebd., S. 758–775. Die Vermischung wird begünstigt durch die Äsop-Ausgabe Heinrich Steinhöwels, mit der „der Fabeldichter nicht nur eine Schelmenvita, sondern dazu eine Gestalt gewonnen [hatte], die seinem niederen Status entsprach und ihn auch physisch in die Nähe Markolfs rückte: ‚Er het für andere menschen ain langes ungestaltes angesicht, ain großen kopf, gepuczte ougen, swarczer farb, lang backen, ain kurczen hals, groß waden, brait füß, ain großes mul, fast hoferot, zerbläten buch und das an im das bösest was, er hett ain überträge zungen, darumb er ser staczget. Aber mit lüsten geschydikait und mangerlay schimpfkallen was er über die maus begaubet.‘“; Curschmann, Marcolfus deutsch (Anm. 202), S. 236; Steinhöwels Äsop (Anm. 57), S. 38. 213 Vgl. auch Curschmann, Marcolf or Aesop? (Anm. 23), S. 765. 214 Curschmann, Marcolfus deutsch (Anm. 202), S. 237.

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Zur handschriftlichen Überlieferung von Ulrich Boners ‚Edelstein‘ Denn da werden Rottengeister aus, die sich lassen duncken, die Schrifft sey jnen unterworffen und leichtlich mit jrer Vernunfft zu erlangen, als were es Marcolfus oder Esopus Fabeln, da sie keins heiligen Geists noch betens zu durffen.215

Sebastian Franck führt im zweiten Teil seiner Sprichwortsammlung eine Reihe von Beispielen auf, die – der Registerhinweis Vngeschicklicheyt216 weist bereits darauf hin – allesamt von lächerlich wirkendem, absichtlich oder unabsichtlich unpassendem oder widernatürlichem Verhalten handeln. Die Nennung Markolfs wäre in diesem Zusammenhang aufgrund seiner den Diskussionspartner gewollt wörtlich nehmenden Reaktionen und der damit verbundenen überraschenden Umkehrung der Weisheitsprobe nicht weiter erstaunlich; diejenige Äsops erklärt sich wohl aus der Korrelation der beiden sowohl in der Nachfolge der Steinhöwelschen Äsop-Vita und der ikonographischen Tradition als auch im Diskurs über derlei Texte und Bilder. Franck präsentiert seine Redensarten folgendermaßen: CAMELUS SALTAT. Ein dap ins møß / Ein flegelhøt. Es steht jm an als dem bern das tantzen. [...] Der Beer brumpt. Er meynt es gøt / es wils aber niemand gøt verstehn. Wann einer tauben hat / vnnd jm sein ding vbel ansteht / sagen wir: Er hat mucken / Die fliehen stechen jn / Die alt geyß hüpfft auch / Marcolfus tantzet / Esopus ist im spil / [...] Der alt narr reit auff stecken / Es ist eben als keme einer vnd brecht mir nicht / Die køw geht vff steltzen / Der Esel spilt auff der leiren / Der Beer tantzet / Die Saw ist ein Apotecker worden / [...]217

Das Bild vom buckligen, häßlichen Sklaven Äsop mit den Utensilien seiner schwankhaften ‚Eulenspiegel-Vita‘, das außerhalb des griechisch-byzantinischen Ostens erst durch Steinhöwels deutsche Übertragung der von Rinuccio da Castiglione ins lateinische übersetzten Lebensgeschichte 215 Luthers Werke, Bd. L, S. 659. Zu der von Luther erzählten Markolf-Episode vgl. Wachinger, Convivium fabulosum (Anm. 10), S. 283–286 und Curschmann, Marcolfus deutsch (Anm. 202), S. 223f. 216 Sebastian Franck, Sprichwörter. Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe mit Kommentar, Bd. 11, hg. v. Hans-Gert Roloff u. a. (Berliner Ausgaben), Bern u. a. 1993, S. 239. 217 Ebd., S. 291. Vgl. auch Michael Curschmann, Markolf tanzt, in: Festschrift für Walter Haug und Burghart Wachinger, Bd. 2, hg. v. Johannes Janota u. a., Tübingen 1992, S. 967–994.

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bekannt wurde,218 paßt mitsamt Äsops redegewandter Gewitztheit besser zu dieser Vorstellung. Das deutsche Mittelalter stellt Äsop jedoch zumeist dar als „statuarisch-überlegenen Weisen, der vielfach – so z. B. in der Münchener Handschrift cgm 3974 [...] – sogar Züge der Salomo-Ikonographie übernimmt“.219 Äsop mit Schriftrolle als magister, als Gelehrter – und sein Wissen Weitergebender –, als Vermittler praktischer Klugheit, wie er in der Vita und Markolf sie in Text und Bild vorführen, ist auch innerhalb der Boner-Überlieferung, in der nur vier Autorbilder vorkommen,220 keine Ausnahme. Der erste von zwei erhaltenen Boner-Frühdrucken, gedruckt 1461 in Bamberg bei Albrecht Pfister und somit die erste deutsche Inkunabel mit Holzschnittillustrationen, überliefert den Text platzsparend in geschlossenem Satz in fortlaufenden Zeilen, die die Versform der Fabeln nicht erkennen lassen.221 Die Epimythien sind, entgegen der Praxis vieler Handschriften,222 nicht eigens markiert, außerdem fehlen die Überschriften, welche jedoch in den kolorierten Holzschnitten einen gewissen Ersatz finden. Letztere sind zweiteilig, wobei jeweils eine größere Abbildung ein 218 Vgl. Klaus Grubmüller, Zur Geschichte der Fabel in Antike und Mittelalter, in: Fabula docet. Illustrierte Fabelbücher aus sechs Jahrhunderten. Ausstellung aus Beständen der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Sammlung Dr. Ulrich von Kritter, hg. v. Ulrike Bodemann, Braunschweig 1983, S. 20–33, zu den Viten S. 20ff. 219 Ebd., S. 21. 220 In der handschriftlichen Überlieferung enthalten der cgm 3974 und der Codex Wolfenbüttel, HAB, cod. 69.12. Aug. 2° ein Autorbild, außerdem der Pfistersche Druck von 1461, Wolfenbüttel, HAB, 16.1. Eth. 2°, der wie die Neuauflage Pfisters von 1463/64, Berlin, SBPK, 8° Inc. 332 Zim., zweiteilige Holzschnitte überliefert, deren Vorsatzholzschnitte jeweils eine Figur zeigen, die ebenfalls auf einen Autor – Boner oder Äsop? – verweisen könnte. Vgl. zu den Autorbildern Marion Wagner, Der sagenhafte Gattungsstifter im Bild. Formen figurierter Autorschaft in illustrierten äsopischen Fabelsammlungen des 15. Jahrhunderts, in: FMST 37 (2003), S. 385–433 und Taf. XIV–XX. 221 Zum Druck vgl. auch Fabula docet. Illustrierte Fabelbücher aus sechs Jahrhunderten. Ausstellung aus Beständen der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Sammlung Dr. Ulrich von Kritter, hg. v. Ulrike Bodemann, Braunschweig 1983, Nr. 27; Doris Fouquet, Einleitung zu Ulrich Boner: Der Edelstein. Faksimile der ersten Druckausgabe Bamberg 1461. 16.1 Eth. 2° der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2 Bde., Stuttgart 1972. 222 Z. B. München, BSB, cgm 3974; München, BSB, clm 4409; St. Gallen, Stiftsbibl., cod. sang. 643; Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 86; Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 314; Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 794; Berlin, SBPK, Ms. germ. 2° 579 u. a.

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Moment der Fabelhandlung festhält, und ein kleinerer Vorsatzholzschnitt links davon eine Figur zeigt, die in Richtung der Illustration blickt und mit der Hand auf sie deutet.223 Diese Vermittlerfigur, die eventuell ebenfalls auf Äsop verweist, findet sich jedoch auch im letzten Holzschnitt der Sammlung, welcher selbst wiederum eine Autorendarstellung enthält:224 Ein Mann in vornehmem Gewand auf einem Kastenthron hält im Arm ein Buch und deutet mit der anderen Hand auf eine – wie im cgm 3974 unbeschriftete – Schriftrolle oder ein Spruchband, die oder das waagerecht in der Luft hängend den übrigen Raum ausfüllt. Ob mit der Figur auf den Vorsatzholzschnitten Äsop, ein Kompilator äsopischer Fabelsammlungen oder gar der Autor Boner gemeint ist, kann zwar letztendlich wohl kaum geklärt werden,225 relevant ist jedoch die vermittelnde Geste in Richtung der Fabelstoffe – und zum Schluß ihres ‚Erfinders‘? –, die die Diskursivität der Stoffe, ihre Anwendungsbedürftigkeit vor Augen führt. Die Gestaltung der Holzschnitte könnte also auch vermehrt auf die Funktion der Fabel ausgerichtet sein, die Anwendungssituationen, in denen zum Beispiel auch ein Prediger, Schulmeister oder eine andere Person sich solcher Formen bedient, sei es im moralischen Unterweisungszusammenhang oder in einer anderen Situation. Die Neuauflage des Druckes, etwa 1463/64 ebenfalls bei Pfister entstanden, übernimmt zwar den Holzschnittzyklus der Erstausgabe, läßt jedoch das abschließende Autorenbild weg und ersetzt die Vorsatzfigur durch drei unterschiedliche Figuren in Gelehrtentracht, zum Teil mit Spruchbändern, die sich unregelmäßig abwechseln.226 Unter den Bildern wurden die jeweilige Lehre thematisierende Fabeltitel hinzugefügt, der Textspiegel durch den Einzug der ersten beiden Zeilen jeder Fabel etwas übersichtlicher; dennoch bleibt die Orientierung im Text und die Suche nach beispielsweise Sentenzen im Vergleich zu den meisten Handschriften erschwert – die Drucke wirken eher wie eine am Stück zu 223 Vgl. Abb. 6. 224 Wolfenbüttel, HAB, 16.1. Eth. 2°, S. 175, vgl. Abb. 7; zur Darstellung auch Wagner (Anm. 220), S. 392. 225 Vgl. dazu auch Wagner (Anm. 220), S. 411f.; Sabine Obermaier, Zum Verhältnis von Titelbild und Textprogramm in deutschsprachigen Fabelbüchern des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Gutenberg-Jahrbuch 77 (2002), S. 63–75, hier S. 65; Wilfried Dörstel, Ulrich Boner: Der Edelstein. Bamberg 1461, in: Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur. Vom Beginn des Buchdrucks bis 1570, hg. v. Theodor Brüggemann, Stuttgart 1987, S. 681– 706, hier S. 703ff. 226 Berlin, SBPK, 8° Inc. 332 Zim., vgl. Abb. 8–10; vgl. auch Wagner (Anm. 220), S. 392f.

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lesende Sammlung.227 Der ‚Edelstein‘ scheint im Medium des Drucks weniger als Arbeitsmittel und ‚Sentenzenkompendium‘ verstanden worden zu sein, was wohl einerseits am Medium selbst, andererseits auch am in Frage kommenden Publikum und an der damit veränderten Gebrauchssituation liegen könnte. Die Veränderungen der Neuauflage könnte man trotzdem als gebrauchsfunktionalen Bedürfnissen geschuldete deuten; eine weitere Druckauflage des ‚Edelstein‘ gab es nicht mehr, dafür jedoch eine Rückkehr des Textes in das Medium der Handschrift228 – vielleicht bezeichnenderweise? Die Vorstellung einer dialogischen Situation und eines Situationsbezuges229 scheint der Fabel jedenfalls trotz der vorhin genannten Einschränkungen inhärent zu sein, wie auch die Figuren auf den Vorsatzschnitten andeuten. Vielleicht ist „auf eine allgemeingültige funktionale Bestimmung dieser eigenartigen, in ihrem eigenen Bildraum eingeschlossenen ‚Zeigenden‘ nicht zu hoffen“;230 dennoch könnte man sie auch als Vermittler-Figur, als Repräsentation des medialen Potentials ansehen, das innerhalb der handschriftlichen Überlieferung in den verschiedenen Mitteln der Erschließung – zum Beispiel Beischriften aller Art – faßbar ist. Ein weiteres Autorenbild befindet sich auf der letzten Versoseite der Wolfenbütteler Boner-Handschrift HAB, cod. 69.12. Aug. 2°;231 die nur den ‚Edelstein‘ überliefernde Papierhandschrift ist am Schluß des Textes auf das Jahr 1492 datiert. Es fehlen einige Blätter, manche sind falsch

227 Das Layout könnte natürlich durch die Frühdrucktechnik bedingt sein; vgl. Fouquet (Anm. 221). 228 Die beiden Wolfenbütteler Handschriften HAB, cod. 69.12. Aug. 2° und HAB, cod. 2.4. Aug. 2° sind nach den Pfisterschen Drucken – und wohl in deren Kenntnis – entstanden. 229 Vgl. hierzu Grubmüller, Zur Pragmatik der Fabel (Anm. 6). 230 Wagner (Anm. 220), S. 414. 231 F. 96v, vgl. Abb. 11; eine kurze Beschreibung der Handschrift gibt Otto von Heinemann, Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, 2. Abt.: Die Augusteischen Handschriften. Bd. III. Wolfenbüttel 1898, S. 348.

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eingeordnet;232 der Text stammt von drei Schreibern.233 Bei den Fabelillustrationen sind einige Figuren ausgeschnitten beziehungsweise ausgeritzt,234 was zum Teil jedoch auch versehentlich passiert sein könnte, da das Papier entlang den Vorzeichnungen des Schriftspiegels oft sehr brüchig ist. Zumindest wurde gelegentlich nachgeholfen, wie der nur zum Teil ausgeritzte und dann ausgerissene Taubenschlag bei der Fabel von ‚Tauben und Habicht‘ zeigt.235 Bei der Fabel vom ‚Hund am Wasser‘ fehlt dazuhin die Überschrift, welche vermutlich ebenfalls mit einem Federmesser oder ähnlichem entfernt worden ist.236 Das Äsop-Bild am Ende der Handschrift unterscheidet sich in mehrerlei Hinsicht von den oben 232 Z. B. f. 63; f. 62v beginnt die Fabel von ‚Frau und Kaufleuten‘, die auf f. 64r weitergeht; dazwischen, f. 63r+v steht die Fabel von der ‚Fledermaus im Krieg der Tiere‘, die, abgesehen von ihrer Stelle in der Boner-Sammlung, ohnehin dem Schreiber der ersten Hand zuzurechnen ist, s. u., Anm. 233. Zur zweiten Fabel vgl. Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 147. Die Erzählung von ‚Frau und Kaufleuten‘ (Boner Nr. 72) ist nicht aufgenommen, da sie nach den Kriterien des Kataloges keine Fabel ist. Zum Textbestand der Handschrift vgl. Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 446–449. 233 1: f. 1r–57r und 63r+v, 2: 58r–62v und 64r–95v, 3: 96r. Die zum Text der zweiten Hand gehörenden Illustrationen unterscheiden sich stilistisch von jenen, die zum Text der ersten gehören. Zum Teil sind die Illustrationen nicht ausgeführt und auch die Initialen, für die am Anfang der Verse Platz gelassen worden ist, wurden nicht eingetragen. „Zahlreiche Zeichnungen setzen die Kenntnis der Bamberger Inkunabel voraus, sie sind (oft seitenverkehrte) Kopien der Bildkomposition des Drucks.“, vgl. Fabula docet (Anm. 221), Nr. 25. Das Autorbild auf f. 96v unterscheidet sich stilistisch ebenfalls deutlich von den anderern Illustrationen; auf f. 96r hat ein dritter Schreiber lediglich sehr unsorgfältig den Epilog zu Ende geschrieben. Das Einzelblatt könnte auch später dazugebunden worden sein, das Gegenblatt fehlt. Vgl. zum Autorbild auch Wagner (Anm. 220), S. 418. 234 Z. B. f. 6r, 11r, 23v. Vermutlich hat Lessing während seiner Zeit als Hofbibliothekar in Wolfenbüttel die Figuren ausgeschnitten und auf seine Weihnachtspost geklebt, wie aus mehreren Stellen seiner Briefwechsel hervorgeht; vgl. Gotthold Ephraim Lessing, Werke und Briefe in zwölf Bänden, hg. v. Wilfried Barner u. a., Bd. 11/2: Briefe von und an Lessing, 1770–1776, hg. v. Helmuth Kiesel u. a. (Bibliothek deutscher Klassiker 36), Frankfurt a. M. 1988, S. 730 und 844. Die Illustrationen der Handschrift Wolfenbüttel, HAB, cod. 2.4. Aug. 2° fand er hingegen „herzlich schlecht“, vgl. Fabula docet (Anm. 221), Nr. 26. 235 F. 27v; zur Fabel vgl. Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 555. 236 F. 5v; zur Fabel Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 307.

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angesprochenen innerhalb der Boner-Überlieferung. Es zeigt einen bäuerlich gekleideten alten Mann mit Gehstock, der nach rechts, sozusagen aus der Handschrift heraus, gewandt ist und deutet. Die vorhin besprochenen Illustrationen vermitteln – selbst, wenn sie nicht eindeutig als Autorbilder zu identifizieren sind – alle einen Aspekt von Mittlerschaft, Autorschaft, Gelehrtheit oder auf Überlieferungstraditionen beruhender Autorität; bei der nahezu als ‚Anhang‘ positionierten Figur in diesem Codex ist das auf den ersten Blick nicht der Fall: „[...] der Bart, der ihm immerhin ein hohes Alter und über diesen Umweg eine gewisse Ehrwürdigkeit attestiert, und die Positionierung des Alten am Ende des Gesamttextes, hinter der Nachrede, reichen für sich kaum aus, die Darstellung als Autorenporträt auszuweisen.“237 Allerdings, und dies dürfte der ausschlaggebende Punkt sein, erinnert die Darstellung des Mannes unter einigen Gesichtspunkten stark an den Titelholzschnitt des Steinhöwelschen ‚Esopus‘.238 Der als ESOPVS betitelte, körperlich deformierte und barfüßige, offenbar einem niederen Stand angehörige Mann dort weist mit ähnlicher Gestik ebenfalls nach rechts, in diesem Fall befindet sich dort allerdings der Beginn des Textes, die Aesop-Vita. Die am Ende der Handschrift so deplaziert wirkende Gestaltung der Figur könnte also auf der Kenntnis einer Vorlage beruhen,239 die der Zeichner mit der Art von Äsopbild, wie es zum Beispiel im cgm 3974 überliefert ist, kontaminiert – ähnlich der Vermischung von Markolf und Äsop.240 Die geringe Anzahl von wie auch immer gearteten Autorbildern innerhalb der Boner-Überlieferung, die dort, wo sie von vornherein geplant und motiviert erscheinen, eher im Medium des Drucks verwendet werden241, könnten sowohl auf ein bei der Fabel nicht sehr stark ausgeprägtes Autorbewußtsein – Fabeln beruhen auf mündlicher Tradition und sind Gemeingut – als auch auf andere Strategien der Vermittlung im Ver237 Wagner (Anm. 220), S. 417. 238 Wolfenbüttel, HAB, 10.2. Eth. 2°, vgl. Abb. 12; vgl. auch Wagner (Anm. 220), S. 419–422. 239 Vgl. auch Wagner (Anm. 220), S. 421, Fabula docet (Anm. 221), Nr. 25 und 28. 240 Ein prägnantes Beispiel für letztere ist eine Abbildung im clm 19870, f. 1v, die mit marcolfus vel ezopus überschrieben ist, jedoch ursprünglich keinen der beiden darstellen sollte; vgl. Curschmann, Marcolf or Aesop? (Anm. 23), Abb. S. 759. 241 Mit Ausnahme des cgm 3974; aufgrund der nur zwei Druckauflagen ist es natürlich müßig, Spekulationen über die Anzahl solcher Bilder in potentiellen weiteren Auflagen oder Ausgaben anzustellen, dennoch sind es hier, zählt man die vermittelnden Figuren auf den Vorsatzholzschnitten nicht dazu, immerhin noch 50 % gegenüber zwei von 36 bei den Handschriften.

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wendungsbereich der Handschriften hindeuten. Da diese großteils keine repräsentativen, sondern praktischen Gebrauchszusammenhängen entstammende Codices sind, für die sie, beziehungsweise im Verlaufe derer sie häufig durch Anmerkungen, Markierungen und Verweise präpariert werden, wäre das Bild einer Vermittler- oder gar Autorfigur überflüssig. Der Hinweis auf den ‚Urheber‘ erfolgt ohnehin häufig durch ein incipit esopus, ein hie hebt sich an ein puch ysopus genannt242 oder, wie im cgm 3974, durch den ‚Quellenhinweis‘ zu Beginn jeder einzelnen Fabel. Ein in den vorderen Buchdeckel des cod. 69.12. Aug. 2° eingeklebtes Blatt enthält Sprüche und Sentenzen, die von zwei unterschiedlichen Händen, welche nicht mit jenen des Boner-Textes identisch sind, eingetragen worden sind. Der erste Schreiber vermerkt beispielsweise: Hastu wenig gut das behaltt / Das nicht zu zeren alltzupald. Liffe ein ochß durch alle landt / So wvrde er danners fur ein rindt erkant. Mannch ding geschriben wirt / Das die warheit sere empirt. Wiltu straffen einen andren man / So sich dich vor selbers wol an.

Der zweite notiert unter anderem: Der thor verschweiget zv keyner frist / Was in seinem hertzen ist. Mancher rvget eines andern missetat / Der er selbest zu vil hat. Nymandt hat on arbeyt / Eer reichtum vnd weyßheit. Der hat sein Eer nit bewart / Der sein fraw einem andern spart. Reyne hertzen und guter mut / Die sind in allen kleydern gut. Hewt liep morgen leydt / Das ist der werlt vnstetigkeit. Wirt ein wolff zu einem hirten erkorn / So sint die scheflein alle verlorn. Wann du kumpst zu deinen tagen / Vnd wilt von andren lewten sagen / So soltu gedencken daran / Was du selbest hast getan.

Mit Ausnahme des vorletzten steht keiner dieser Sprüche direkt mit dem Fabeltext in Verbindung; einige sind moralisierend, andere eher erheiternd oder lakonisch auf den ‚Lauf der Welt‘ verweisend. Allerdings scheint die unterschiedlich lehrhafte oder unterhaltende Ebene der Sprüche ebensowenig eine Rolle zu spielen wie die genaue Art ihrer Verbindung zum Haupttext.243 Letztere besteht vermutlich darin, daß ein bestimmter ‚Kategorisierungshorizont‘ aufgerufen wird, eine Methode, schlichte – und in 242 Heidelberg, UB, cpg 86, f. 4*r. 243 Ob das Blatt bereits beschriftet war, als es in die Handschrift geklebt worden ist, oder ob die Sprüche erst dann eingetragen worden sind, ist leider nicht ermittelbar. Die Vorstellung einer Verbindung zwischen den Sprüchen und der Fabelsammlung muß wohl bestanden haben, für wie eng diese auch immer erachtet wurde.

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dieser Schlichtheit dann zumeist auf alles zutreffende – ‚Wahrheiten‘ über den gewöhnlichen Lauf des Lebens244 oder kluges Verhalten zur Verfügung zu stellen, beziehungsweise sich ihrer erneut zu vergewissern. Solche auf Funktionalität und Assoziation begründeten Überlieferungsgemeinschaften bezeugt beispielsweise auch die um 1450 entstandene Handschrift Heidelberg, UB, cpg 355 aus dem Besitz Ottheinrichs von der Pfalz, die unter anderem innerhalb einer anonymen Spruchsammlung245 eine Reihe von Sentenzen enthält, die aus Boner-Fabeln stammen. Andere sind Zitate aus ‚Salomon und Markolf‘, den ‚Disticha Catonis‘, aus dem Prolog des ‚Lanzelet‘ Ulrichs von Zatzikhoven, aus Strophen Walthers von der Vogelweide entnommen, daneben stehen verschiedene Sprichwörter. Ich gebe im folgenden die Auszüge aus dem ‚Edelstein‘ wieder: wâ wort und werk sint ungelîch / der mensch wirt kûm an eren rîch.246 Ein boesiu zunge stiftet mort / boeser ist niut, denn boesiu wort.247 wer gert, daz er nicht sol hân / Der dunket mich ein touber man.248 gîtekeit diu stiftet zorn / von ir wirt manig sêl verlorn.249 Ein wîser man an sehen sol / wer im rât übel oder wol.250

244 Boners ‚Edelstein‘ wird bezeichnenderweise häufig eingeleitet wie z. B. in der Handschrift Berlin, SBPK, Ms. germ. 2° 579, f. 1r: Ysopus / Hie fahet an der werlet lauff [...]. Diese Handschrift enthält ebenfalls ein Register – von jüngerer Hand – über die Fabelthemen, die Nummer der Fabel in der Handschrift und einen Verweis auf die jeweilige Nummer bei Boner. 245 Heidelberg, UB, cpg 355, f. 13r–15r; auf der Vorderseite des Kalbsledereinbandes befindet sich ein Bildnis des Kurfürsten Ottheinrich, darüber O.H. für Ottheinrich, darunter P.C. für Pfalzgraf Churfürst und die Jahreszahl 1558. Die Handschrift überliefert u. a. außerdem Peter Suchenwirts ‚Lehren des Aristoteles an Alexander‘ (f. 1v–12v), eine Sammlung von Autoritäten-Zitaten (f. 15v–16v), ein ‚Liebesgespräch‘ (23v–25v), Minnerätsel (25v–26v), sowie weitere Rätsel (27r); vgl. auch die Beschreibung von Matthias Miller, Cod. Pal. germ. 355, in: Matthias Miller und Karin Zimmermann, Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Cod. Pal. germ. 304–495 (Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg 8), Heidelberg 2007, S. 201–206. 246 F. 13v, Boner Nr. VI, V. 37f. 247 F. 14r, Boner Nr. XVII, V. 1f. 248 F. 14r, Boner Nr. XLIX, V. 89f. 249 F. 14r, Boner Nr. IX, V. 33f. 250 F. 14v, Boner Nr. XC, V. 31f.

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Zur handschriftlichen Überlieferung von Ulrich Boners ‚Edelstein‘ getriuwer vriunt gît guoten muot / unschulde ouch daz selbe tuot.251 ein senftez antwürt stillet zorn / von zorn grôz vriuntschaft wirt verlorn.252

Die Bonerschen Sentenzen folgen nicht alle unmittelbar aufeinander, sondern sind mit anderen vermischt; eine thematische Gruppierung ist nicht auszumachen. Wieso der Schreiber genau diese Reihenfolge und Zusammenstellung wählt, bleibt unklar – entweder er schreibt von einer Vorlage ab, oder er erinnert sich an die Sentenzen beziehungsweise schreibt sie aus unterschiedlichen ihm vorliegenden Texten ab. Möglich wäre auch die Aufzeichnung über einen längeren Zeitraum hinweg, in dem der Schreiber jeweils nacheinander notiert, was er gelesen – oder gehört? – hat. Obwohl die Sentenzen auf den ersten Blick nicht thematisch oder assoziativ über Stichwörter verbunden sind, ist ihr Zusammenhang gleichwohl evident. Auch hier geht es um das Aufrufen beziehungsweise die Kodifizierung bestimmter Denkkategorien, einer bestimmten Art der Weltdeutung – welche durchaus eine überlegene Deutungskompetenz des Schreibenden oder Sprechenden für sich reklamiert –, die sich auch in den Kontext der gesamten Handschrift einfügt. Die oben angesprochenen, von Grubmüller als ‚Zurückpräparierung ins Lateinische‘253 verstandenen Rückgriffe auf die Kommentartradition innerhalb der deutschen Fabeldichtung zeigen sich zum Beispiel auch in der Handschrift Colmar, Bibl. de la Ville, Ms. 78, die nach Konrads von Ammenhausen ‚Schachzabelbuch‘ zwar nur eine ‚Edelstein‘-Fabel überliefert254, dies jedoch erneut in bezeichnendem Zusammenhang. Die Fabel Von dem han vnd von dem Edelen stein255 hat mit ihrer Demonstration 251 F. 14v, Boner Nr. LXII, V. 75f. 252 F. 15r, Boner Nr. XLI, V. 69f. 253 So vielzitiert Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 145. 254 Colmar, Bibl. de la Ville, Ms. 78, f. 122rb–va; Konrad von Ammenhausen f. 1ra– 122ra; Tabula huius libri (unvollständiges Register) f. 123r–124v. Nach dem ‚Schachzabelbuch‘ datiert auf 1391, im 15. Jhd. im Besitz von Thenge von Schrankenfels, f. 122ra; die Handschrift ist beschrieben von: Pierre Schmitt, Manuscrits de la bibliothèque de Colmar (Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France 56), Paris 1969, S. 164; Oliver Plessow u. a., Mittelalterliche Schachzabelbücher. Zwischen Spielsymbolik und Wertevermittlung. Der Schachtraktat des Jacobus de Cessolis im Kontext seiner spätmittelalterlichen Rezeption (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 12), Münster 2007, S. 389f.; vgl. auch Bodemann/ Dicke (Anm 87), S. 430. 255 F. 122rb; zur Einleitungsfabel allg. vgl. Speckenbach (Anm. 116), sowie Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 307f.

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der Auslegungsbedürftigkeit beispielhafter Erzählungen und ihrer Wertschätzung des ‚richtigen‘ Verstehens zwar ohnehin ihre Berechtigung in diesem Zusammenhang, ihre nachträgliche Eintragung durch einen anderen Schreiber256 dürfte jedoch erst durch die Fabelverwendung im ‚Schachzabelbuch‘ und dessen Lektüre provoziert worden sein. Die nachgetragene Fabel endet mit einer Anbindung an die zweite Einleitungsfabel von ‚Affe und Nuß‘ sowie mit zwei lateinischen Versen: Jm mag der frucht werden nicht alss man von einem affen gicht In gallo stolidum tu jaspide dona sophÿe pulchra notes stolido nil valet illa seges257

Bei dem Schlußdistichon handelt es sich um das Epimythion des lateinischen Textes des Anonymus Neveleti.258 Dies erinnert wiederum an das umgekehrte Prinzip lateinischer Schulhandschriften des 15. Jahrhunderts, welche häufig deutsche Sentenzen in den Auslegungsteil des Anonymus-Neveleti-Kommentars integrieren.259 Des weiteren wurde die Fabelbearbeitung des Anonymus Neveleti von den meisten Vers-Florilegien des 14. und 15. Jahrhunderts exzerpiert und die von der Fabel losgelösten Distichen, einprägsame Merksätze, auch ins Deutsche übersetzt und unter dem Titel ‚Moralitatum carmina elegantis Ezopi‘ um 1495 zusammen mit den lateinischen Distichen gedruckt; eine weitere Reimpaarübersetzung der Anonymus-Epimythien ist als ‚Traditio morum‘ bekannt.260 Während die deutschen Epimythien innerhalb der lateinischen Kommentare als „Merkverse for schoolboys“261 fungieren, binden die in unserem Beispiel eingefügten Verse die deutsche Fabel an ihre lateinische Vorlage und deren Autorität an, ähnlich wie in der oben erwähnten repräsenta-

256 Eventuell der Besitzer Thenge von Schrankenfels; vgl. Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 430. 257 F. 122va; üblicherweise, z. B. in Heidelberg, UB, cpg 400, wohl im mag der vrüchte werden nicht, recht als dem hanen im beschicht; vgl. Boners Edelstein (Anm. 89), Nr. I, V. 43f. Die Einleitungsfabel ist jedoch ohnehin nur weitere fünfmal überliefert; vgl. Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 446 und 467. 258 Vgl. Wright (Anm. 31), S. 147. 259 Vgl. ebd.; Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 153f. 260 Vgl. Henkel, Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte (Anm. 7), S. 288ff. 261 Wright (Anm. 31), S. 147.

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tiven illustrierten Basler Pergamenthandschrift.262 Diese Anbindung ist allerdings keineswegs als nur der Unselbständigkeit des deutschen Textes geschuldete oder gar als Rückpräparierung ins Lateinische zu verstehen, sondern eher als umfassendes und vielseitiges Bemühen darum, die Fabeltexte auch vermittels des Züruckgreifens auf die Kommentartexte medial zur Geltung kommen zu lassen. Der gleiche Schreiber, also eventuell der Besitzer Thenge von Schrankenfels, der direkt nach dem ‚Schachzabelbuch‘ die Fabel eingetragen hat, hat auch das nachfolgende Register erstellt.263 Dieses liest sich wie die Überschriften einer Fabelsammlung; fast alle Einträge beginnen mit Ein bischafft von [...], 264 dann folgt die Seitenzahl und abschließend eine alphabetische Nummerierung, die mit Eintragungen an den entsprechenden Stellen im Haupttext korrespondiert. Derjenige, der die Tabula huius libri angelegt hat, scheint also ein Interesse nicht (nur) am ‚Schachzabelbuch‘ an sich, sondern vor allem an dessen lehrhaften oder unterhaltenden Beispielgeschichten zu haben; geordnet hat er sie unregelmäßig wechselnd nach Akteuren und nach Eigenschaften oder Verhaltensweisen. Das Register ist wie jene mancher Fabel- oder Sprichwortsammlungen angelegt, um die Texte benutzbar zu machen; die gezielte Lektüre zu Stichpunkten wird so möglich gemacht, ebenso wie der Wiedergebrauch einzelner Exempel oder Sentenzen. Der „hohe Gebrauchswert dieser Übersicht“ hebt sie von „der in allen Fassungen [des ‚Schachzabelbuches‘] auftretenden Dysfunktionalität von Registern“ ab.265 Dazuhin ist die Handschrift das „einzige Beispiel eines Textzeugen der Versbearbeitung Konrads von Ammenhausen, welches ein Register liefert, das tatsächlich ausschließlich als Exempelregister konzipiert“ worden ist.266 Zu diesem Prinzip passen auch die am Rand des Textes eingetragenen Hervorhebungen verschiedener Exempel durch den Eintrag nota oder exemplum und von lateinischen Randglossen, die zu-

262 Basel, Öffentl. Bibl. der Univ., cod. A.N. III. 17, f. 1ra–58vb; der Codex war im Jahr 1654 im Besitz des Berner Patriziers Ludwig Stürler, vgl. f. 58v; zur Handschrift vgl. Ulrich Boner, Der Edelstein. Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Handschrift A N III 17. Mit einer Einführung in das Werk von Klaus Grubmüller, kodikologische und kunsthistorische Beschreibung von Ulrike Bodemann, Farbmikrofiche-Edition, München 1987. 263 Anders Plessow (Anm. 254), S. 177: „Von derselben Hand wie der Text geschrieben [...]“. 264 F. 123r; vgl. Abb. 13. 265 Plessow (Anm. 254), S. 178. 266 Ebd., S. 177.

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meist Übersetzungen einzelner Verse darstellen.267 Dies erinnert wiederum an das ‚Verfügbarmachen‘ der Stoffe in manchen Fabelsammlungen. Ein Zusammenhang zwischen ‚Schachzabelbuch‘ und ‚Edelstein‘ läßt sich jedoch nicht nur über ähnliche Deutungsverfahren und die Präsentation von Wissensbeständen zum Wiedergebrauch herstellen, sondern auch auf stofflicher Ebene. Vier Erzählungen des ‚Edelstein‘ weisen Parallelen auf zu Konrad von Ammenhausen, zwei davon sind bereits auch im ‚Schachzabelbuch‘ des Jacobus de Cessolis enthalten.268 Eine ähnliche Zusammenstellung überliefert der Codex Wolfenbüttel, HAB, cod. 3.2. Aug. 4°, eine von zwei Händen geschriebene Papierhandschrift des 15. Jahrhunderts, die hinter einer fragmentarischen deutschen Prosafassung des ‚Schachzabelbuches‘ des Jacobus de Cessolis 37 ‚Edelstein‘-Fabeln enthält.269 Der ‚Edelstein‘270 ist durchgehend von einer Hand, die auch das ‚Schachzabelbuch‘ begonnen hatte,271 geschrieben, letzteres von der zweiten Hand fortgesetzt; in beiden Texten ist Platz für Illustrationen und Lombarden zu Kapitelbeginn frei gelassen, ausgeführt sind sie jedoch 267 Z. B. f. 11r, 15r, 21v, 23v, 28v, 38v, 39v, 46r, 109r. Vgl. auch Plessow (Anm. 254), S. 390. 268 Vgl. Hubert Hoffmann, Die geistigen Bindungen an Diesseits und Jenseits in der spätmittelalterlichen Didaktik. Vergleichende Untersuchungen zu Gesellschaft, Sittlichkeit und Glauben im ‚Schachzabelbuch‘, im ‚Ring‘ und in ‚Des Teufels Netz‘ (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 22), Freiburg i. Br. 1969, S. 238–245. Daß Konrad von Ammenhausen oder Jacobus de Cessolis Quellen Boners waren, ist unwahrscheinlich, vgl. ebd.; plausibel wäre dies wohl nur bei Boner Nr. XCVII, vgl. auch Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 318 und S. 314f. zu Boner Nr. LVIII. Die vier Parallelen sind: Das Schachzabelbuch Kunrats von Ammenhausen. Mönchs und Leutpriesters zu Stein am Rhein. Nebst den Schachbüchern des Jakob von Cessole und den Jakob Mennel, hg. v. Ferdinand Vetter (Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz, Ergänzungsband), Frauenfeld 1887, V. 415ff. und Boner Nr. LII, Ammenhausen V. 3465ff. und Boner Nr. LVIII, Ammenhausen V. 6537ff. und Boner Nr. LXXIII, Ammenhausen V. 3060ff. und Boner Nr. XCVII. 269 Die Handschrift ist beschrieben von: Plessow (Anm. 254), S. 440; Otto von Heinemann, Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, 2. Abt.: Die Augusteischen Handschriften, Bd. IV, Wolfenbüttel 1900, S. 116; Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 434. 270 F. 26r–58v. 271 F. 1r–25v; der Text bricht mitten auf der Seite ab, dies entspricht in der Ausgabe Das Schachzabelbuch des Jacobus de Cessolis, O. P. in mittelhochdeutscher Prosaübersetzung. Nach den Handschriften hg. v. Gerard F. Schmidt (Texte des späten Mittelalters 13), Berlin 1961, S. 95, Z. 20.

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lediglich teilweise beim ‚Schachzabelbuch‘. Auf den ersten Seiten desselben sind einige Zeigehände und ein Hinweis einer mittelalterlichen Hand eingetragen, die auf den Beginn von Exempeln verweisen; rechts neben dem Beginn des ‚Edelstein‘ mit der Fabel von ‚Affe und Nuß‘ steht die beschnittene Eintragung Engelhart / Engelhart von / iren ding.272 Der Schluß des Epimythions der letzten Fabel dieser Handschrift ist von anderer Hand in sehr nachlässiger Schrift ergänzt.273 Auch hier zeigt sich wieder die bewußte Ergänzung und Zusammenstellung von Texten mit ähnlicher Funktion und exemplarischer Form – im weitesten Sinne Weisheitslehren beziehungsweise Lehren richtigen, weil klugen Verhaltens, deren Auffindung im ‚Schachzabelbuch‘ durch die Markierungen erleichtert wird. Ähnliche funktionale Verbindungen mit anderen beispielhaften, didaktischen Texten sind in der Boner-Überlieferung keine Seltenheit, worauf ich unten noch weiter eingehen werde.274 Ebenso wie der erwähnte Colmarer Codex weisen auch die Handschriften Genf-Cologny, Bibl. Bodmeriana, cod. Bodmer 42 und München, 272 F. 26r. 273 F. 58v; die Seite ist beschnitten, lesbar sind nur vier der mindestens fünf ergänzten Verse zur Fabel von ‚Maulesel und Bremse‘, vgl. Boner Nr. XL, V. 41–44. 274 13 der 36 Boner-Handschriften überliefern den ‚Edelstein‘ allerdings auch allein: Basel, Öffentl. Bibl. d. Univ., cod. A.N. III. 17, Berlin, SBPK, Ms. germ. 2° 579, Bern, Burgerbibl., Ms. hist. helv. X. 49, Frauenfeld, Kantonsbibl., cod. Y 22 (f. 107v–108r wurde allerdings ein Gebet eingetragen, f. 118v ein Kirchenlied von späterer Hand, vgl. Philipp Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts. Mit Berücksichtigung der deutschen kirchlichen Liederdichtung im weiteren Sinne und der lateinischen von Hilarius bis Georg Fabricius und Wolfgang Ammonius, Bd. 2, Leipzig 1867, Nr. 1030.), Genf-Cologny, Bibl. Bodmeriana, cod. Bodmer 42, Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 86, Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 400, Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 794, München, BSB, cgm 576, Wolfenbüttel, HAB, cod. 69.12. Aug. 2°, Zürich, Zentralbibl., cod. C 117, sowie die verschollene Handschrift Breitingers (ehem. Zürich), vgl. Bodmer/Breitinger (Anm. 198), f. 3r–v und die 1870 verbrannte ehem. Straßburg, StB, Joh. Bibl. Ms. A 87. Von den 13 Handschriften, die den ‚Edelstein‘ singulär überliefern, sind nur vier illustriert, für vier weitere waren Illustrationen vorgesehen, sind jedoch nicht oder nur teilweise ausgeführt worden; von denjenigen 22, die die Fabelsammlung neben anderen Texten überliefern, sind 10 illustriert, für vier weitere waren Illustrationen vorgesehen bzw. sind unvollständig ausgeführt. Das lediglich aus einem erhaltenen Blatt bestehende Fragment Karlsruhe, BLB, cod. Donaueschingen A. III. 53 enthält eine Illustration, wird in dieser Übersicht jedoch nicht mitgezählt, da nicht klärbar ist, ob es sich ursprünglich

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BSB, clm 4409 unterschiedliche Gestaltungsprinzipien auf, die zunächst auf eine ‚Rückpräparierung‘ ins Lateinische oder auf lateinische Kommentare als Basis deutscher Fabeltexte hindeuten könnten. Die Genfer Papierhandschrift aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die vermutlich aus der Werkstatt Diebold Laubers stammt,275 überliefert ausschließlich den ‚Edelstein‘; einige Fabeln fehlen aufgrund von Blattverlusten, Illustrationen waren vorgesehen, sind jedoch nicht ausgeführt.276 Der Boner-Text enthält vier ansonsten nirgendwo überlieferte, beziehungsweise bisher nicht nachgewiesene und nicht dem ‚Edelstein‘ zugehörige Reimpaarfabeln, die in die Abschrift integriert sind:277 ‚Katze und Maus‘, ‚Mann und Sperber‘, ‚Spinne und Fliege‘ und ‚Sich totstellender Fuchs und Krähen‘.278 Die Erzählungen stehen zwischen den Boner-Fabeln ‚Jäger und Tiger‘ und um eine Sammelhandschrift handelte oder nicht. Zwei der Einzelhandschriften sind aus Pergament (Basel, Öffentl. Bibl. d. Univ., cod. A.N. III. 17 und Breitingers ehem. Zürich), bei den Sammelhandschriften sind dies lediglich die Codices München, BSB, clm 4409 und Wolfenbüttel, HAB, cod. 2.4. Aug. 2° jeweils teilweise. Davon auf eine repräsentativere Funktion der Einzelüberlieferung im Vergleich zur Sammlungsüberlieferung zu schließen, wäre gewagt, Glossierungen, Anmerkungen und andere ‚Arbeitsspuren‘ finden sich häufiger im Sammlungskontext, sind zum Teil jedoch auch sonst vorhanden, z. B. in Basel, Öffentl. Bibl. d. Univ., cod. A.N. III. 17, in der häufig die Illustrationen mit Sprichwörtern und Sentenzen beschriftet sind, z. B. f. 47r: Mit herren teilen ist nüt gt uff zucken stat ze vast ir mt bei der Fabel vom ‚Löwenanteil‘. Vgl. auch die detaillierte Beschreibung von Konrad Escher in: Die Miniaturen in den Basler Bibliotheken, Museen und Archiven, hg. v. Konrad Escher, Basel 1917, S. 115–127. Zu den funktionalen Überlieferungsverbünden der ‚Schachzabel‘ vgl. Plessow (Anm. 254), S. 238–262. 275 Vgl. Lieselotte Saurma-Jeltsch, Spätformen mittelalterlicher Buchherstellung. Bilderhandschriften aus der Werkstatt Diebold Laubers in Hagenau, Bd. 1, Wiesbaden 2001, S. 136f., 241f. sowie Deutsche Handschriften des Mittelalters in der Bodmeriana. Katalog bearb. v. René Wetzel, mit einem Beitrag von Karin Schneider zum ehemaligen Kalocsa-Codex (Publikationen der Bibliotheca Bodmeriana. Reihe Kataloge 7), Cologny-Genève 1994, S. 32–37, hier S. 33. Ausführliche Beschreibung der Hs. ebd., S. 32ff. 276 Zum Textbestand vgl. Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 467f. 277 Vgl. auch ebd., S. 468. Die Texte sind abgedruckt bei Wetzel (Anm. 275), S. 36f. und, mit Einordnung in den Boner-Text, erneut bei René Wetzel, Diebold Laubers ysopus gemolt? Zur Boner-Handschrift Cod. Bodmer 42 (G) in der Bibliotheca Bodmeriana, Cologny-Genf, in: Aus der Werkstatt Diebold Laubers, hg. v. Christoph Fasbender u. a. (Kulturtopographie des alemannischen Raums 3), Berlin/Boston 2012, S. 257–285. 278 F. 11v, 29v–30r, 45r–v und 47v–48r.

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‚Frosch und Maus‘, ‚Adler und Schnecke‘ und ‚Fuchs und Rabe‘, ‚Maulwurfshügel‘ und ‚Lamm und Wolf‘ sowie ‚Alter Hund‘ und ‚Jäger und Hase‘.279 Solche eingearbeiteten Stücke sind in der Boner-Überlieferung nahezu einmalig;280 sie sind zum Teil thematisch in den Text integriert und variieren vor allem die Bonerschen Themen Treue, List und Täuschung, ohne daß dabei eine konkrete Stoßrichtung, wie etwa Kritik an Boners Epimythien, erkennbar wäre. Die lockere Einbindung in den Text – vielleicht auch bereits in einer Vorlage dieser Handschrift – zeigt die assoziative, spielerische Kombination von Texten ähnlicher Machart und Thematik, die offenbar über den Kontext einer einzigen Sammlung hinweg als zusammengehörig empfunden wurden. Dies soll im folgenden an einem Beispiel illustriert werden: Die eingeschobene Fabel vom scheintoten Fuchs und den Krähen folgt auf die Fabel ‚Von einem alten Hunde‘, der in seiner Jugend von seinem Herrn sehr geschätzt wurde, im Alter und ohne seine früheren Jagdkünste jedoch nicht mehr. Das Epimythion rät, sich in der Jugend gut zu überlegen, wem man seinen Dienst anbietet, da mancher in diesem krank werde und keinen Dank erhalte und Dienst an bösen Menschen nicht belohnt werde. Der listige Fuchs in der eingeschobenen Fabel stellt sich tot, um Krähen anzulocken, die er dann seinerseits frißt. Ein kurzes Epimythion beklagt bildhaft, solche Arglistigkeit und mißbrauchtes Vertrauen finde man häufig. Danach folgt die Fabel von ‚Jäger und Hasen‘, in der die Hasen vor einem Jäger fliehen, dabei an einen Weiher voller Frösche kommen und kraftlos vor Angst nicht mehr weiterwissen. Die nun erschrocken vor ihnen abtauchenden Frösche geben den Hasen neues Vertrauen in die eigene Fähigkeit zur Flucht, die dann auch gelingt. Das Epimythion betont demgemäß die Wichtigkeit der Zuversicht und des Nicht-Aufgebens, da nach dem Schlechten wieder Gutes komme beziehungsweise das Übel sich als nicht so schlimm herausstelle. Auf den ersten Blick haben die drei Erzählungen nicht viel gemein; zusammenfassen lassen sie sich unter dem für Boners Fabeln typischen Aspekt der Schaden-Nutzen-Thematik, abstrakter unter dem – freilich für alle Fabeln fast gattungsmäßig gültigen – Begriff der praktischen Lebensklugheit, die es sowohl gebietet, sich einen Dienstherrn zu suchen, der nicht undankbar ist, als auch nicht auf Täuschungen hereinzufallen und nicht vorschnell aufzugeben. So ergibt sich 279 Boner Nr. III, VI, XVII, XVIII, XXIX, XXX, XXXI, XXXII. 280 Lediglich die Handschrift Karlsruhe, BLB, cod. Ettenheimmünster 37 überliefert ebenfalls zwei zusätzliche Erzählungen. Vgl. auch Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), S. LVII, Anm. 126.

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zwar eine Verbindung zwischen den Boner-Texten und den hinzugefügten Erzählungen, diese wirkt jedoch eher assoziativ auf das Ganze ausgelegt und im Detail wenig zwingend, die fremden Texte könnten ebensogut an einigen anderen Stellen in die Sammlung eingefügt werden. Die Handschrift überliefert – in der Lauberschen Produktion einmalig –281 bei einem Teil der Fabeln282 lateinische Stichwörter und Sätze, die man in Kombination mit den vorgesehenen Illustrationen als Überschriften oder auch als Maleranweisungen verstehen könnte. Sie nennen zumeist die – im abstrakteren deutschen Titel fehlenden – Protagonisten, was die Ausführung der Illustrationen natürlich erleichtern würde; in einem Fall bezieht der lateinische Text sich sogar direkt auf das Bild: Seq[ui] t[ur] ymago regis sedent[is]in maiestate sua tenens zept[rum] / Von eÿgenunge.283 Weitere Beispiele wären: Sequit[ur] lup[us] cu[m] stroffa / Von missetruwen vnd betriegen.284 Seq[ui]t[ur] arbor / Von geistlich[er] arbeit.285 Seq[ui]t[ur] mus domastica ad siluestren / Von fryer armüt vnd gross[er] sorgen.286 Se[quitur] semanto[r] c[on]t[ra] volücres etc / Von fürsichtikeit.287 Sequit[ur] lupus, cui angn[us] turbauit rippam etc / Von eime wolffe vnd eim schoffe von vnreht[er] gewalt.288 Seq[ui]t[ur] pat[er] cum filio h[abe]ntes asin[um] q[uem] insedit pat[er] filio ambulante p[er] pedes q[uem] ho[m]i[n]es deridebant ut seq[uitur] in fab[u]la / Von stroffen vnd vnschüldigem spott.289

Besonders das letzte Beispiel weist auf eine Verbindung der lateinischen Sätze zu den Illustrationen hin, da für die Fabel von ‚Mann, Sohn und Esel‘

281 Vgl. Wetzel (Anm. 277). 282 15 von insgesamt 75 überlieferten Fabeln, inklusive der vier nicht zum BonerText gehörigen. Es handelt sich um Boner Nr. III (f. 9v), VI (11v–12r), VII (13r), IV (17r), V (18r–v), XIII (23r–v), XV (25v), XIX (31r–v), XXIII (36v), XXIV (37v), XXVIII (42v–43r), XXXV (51v–52r), LI (79v–80r), LII (81v) und LIII (85r). Zusammenstellung sämtlicher Fabeltitel mit Einteilung nach Gruppen bei Wetzel (Anm. 277). 283 F. 37v; Boner Nr. XXIV: ‚Leute bitten um einen König‘. 284 F. 42v–43r; Boner Nr. XXVIII: ‚Wolf und Löwin‘. 285 F. 17r; Boner Nr. IV: ‚Baum auf dem Berg‘. 286 F. 25v; Boner Nr. XV: ‚Feldmaus und Stadtmaus‘. 287 F. 36v; Boner Nr. XXIII: ‚Schwalbe und Hanf‘. 288 F. 18r–v; Boner Nr. V: ‚Wolf und Schaf‘. 289 F. 81v; Boner Nr. LII: ‚Mann, Sohn und Esel‘.

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sechs Bilder vorgesehen waren,290 von welchen dreien eine solche ‚Anweisung‘ oder Beschreibung beigegeben worden ist, die in diesen Fällen also nicht in Kombination mit dem Fabeltitel auftritt. Ob es sich primär um Maleranweisungen, Zusammenfassungen der erzählten Inhalte als Leseund Merkhilfen oder ursprünglich um titelähnliche Einsprengsel zur Orientierung im Text handelt, kann anhand des vorhandenen Materials nicht abschließend geklärt werden, es spricht jedoch einiges für eine Funktion als Illustrationshilfen.291 Ebenso unklar ist die Herkunft der lateinischen Sätze und Phrasen; einerseits könnte sie beispielsweise der Konzepteur der Handschrift erdacht haben, sie könnten jedoch auch der lateinischen Kommentartradition entstammen, die in den deutschen Fabeltexten immer wieder durchscheint.292 Ein wieder anderes Prinzip der Kommentarabhängigkeit zeigt sich in der Handschrift München, BSB, clm 4409, einer deutsch-lateinischen Sammelhandschrift, die laut einem Wappen im vorderen Buchdeckel aus dem Kloster St. Ulrich und Afra in Augsburg stammt. Sie wurde zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert von zahlreichen wechselnden Schreibern zum Teil sehr unsorgfältig geschrieben; abgesehen von einer Zeichnung zur ‚Vita monachorum‘ ist lediglich der Fabelteil illustriert. Es handelt sich offensichtlich um eine Gebrauchshandschrift, sowohl die Besitzer als auch die enthaltenen Texte deuten auf eine Herkunft aus klerikal-schulischem Umfeld hin.293 Neben den lateinischen Fabeln des Anonymus Neveleti 290 Diese Fabel weist in einigen Handschriften mehrere Illustrationen auf, die die unterschiedlichen Phasen der Erzählung darstellen, vgl. z. B. Heidelberg, UB, cpg. 314, f. 28v–29r (fünf Ill.) oder St. Gallen, Stiftsbibl. cod. Sang. 643, S. 46f. (sechs geplante Ill., davon fünf ausgeführt). 291 Vgl. auch Wetzel (Anm. 277): „Ein Seqt arbor […] gibt eigentlich nur als Anweisung einen Sinn.“ 292 Einige Beispiele bespricht, wie oben erwähnt, Wright (Anm. 31). Zur „gattungstypischen Symbiose“ deutscher und lateinischer Texte und der Verwendung deutscher Sentenzen in lateinschen Kommentaren vgl. auch Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 153f. 293 Die Handschrift ist beschrieben von Johann Andreas Schmeller, Catalogus codicum latinorum bibliothecae regiae Monacensis, tomus I,2, München 2 1894, S. 190f. Ich gebe im folgenden sehr verkürzt Teile des Inhalts wieder: f. 47r–82v: Nomine floretus liber incipit ad bona cetus; mit sporadischen lateinischen Rand- und Interlinearglossen, f. 83r (nach neuer Zählung 87r, davor freie Blätter) –128r (132r): Incipit Esopus: ‚Edelstein‘ mit lateinischem Text und Kommentar, f. 128v: frei; danach mehrere freie Seiten, f. 129r (nach alter Zählung) –140v: ‚Phisiologus‘: Tres leo naturas et tres habet inde figuras; erklärende lateinische Interlinear- und Randglossen; danach freie Seiten; ich

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samt Kommentar und deutscher Übersetzung enthält der Codex vor allem geistliche Texte und klassische Schultexte; auffällig ist die Kombination von Deutsch und Latein, die bei einigen Texten offenbar von vornherein geplant war, und also nicht, wie es in anderen Handschriften häufig der Fall ist, nur einer nachträglichen Glossierung oder Kommentierung entspringt. Allerdings muß einschränkend hinzugefügt werden, daß durchaus einige der Texte, zum Beispiel der ‚Facetus‘, in keiner Form glossiert sind. Der Fabelteil weist eine ungewöhnliche, für Boners Sammlung singuläre Zusammenstellung auf,294 die sich im Verlauf des Textes zudem verändert: Zunächst beginnt jede Fabel mit einer Illustration, dann folgen in großer, schwarzer Schrift relativ raumgreifend der lateinische Text des Anonymus Neveleti und anschließend mit hellerer Tinte und in kleiner Schrift der lateinische Kommentar und die deutsche Fabel. Diese Anordnung wird von f. 83r bis f. 110v durchgehalten,295 ab f. 111r wird der lateinische Kommentar weggelassen,296 ab f. 119r auch der lateinische Text.297 Der deutsche Text wird allerdings selbst da, wo nur noch er und die Illustration ausgeführt worden sind, immer noch in der kleinen Schrift des Kommentars geschrieben. In diesem Teil ist nach der Illustration jeweils Platz frei gelassen worden, vermutlich für den lateinischen Text ohne Kommentar, der aber nicht mehr eingetragen wurde. Obwohl der lateinische Text wohl durchaus vorgesehen war, könnte man dies als gewisse Prioritätensetzung verstehen, da der Schreiber den deutschen Text als ersten und bis zum Schluß einträgt. Die Teile, die den lateinischen Text noch enthalten, machen es von der Gestaltung her sehr unwahrscheinlich, daß dieser prinzipiell erst nach dem deutschen Text eingetragen wurde, da für ihn nie zu viel oder zu

verwende weiterhin die alte Blattzählung, die die freien Seiten nicht mitzählt, f. 145r–154r: ‚Commentarius in disticha Catonis‘; wenige Anmerkungen am Rand, f. 155r–162v: ‚Commentarius metricus in eadem‘; Korrekturen und seltene Randnachträge, f. 162v–174r: Facetus Moribus et vita quisquis vult esse facetus, f. 174v–179v: ‚Novus Cato‘: Lingua paterna sonat quod ei sapientia donat, f. 188r–194r: ‚Phisiologus‘, f. 194v–200r: ‚Vita Monachorum‘: Qui cupis immundi vitare pericula mundi, f. 200r: Illustration (zum vorhergehenden Text), f. 214r–229r: Boetius: ‚De disciplina scolarium‘. 294 Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 154 verweist auf mehrere altfranzösischlateinische ‚Isopet‘-Handschriften, die einem ähnlichen Gestaltungsprinzip folgen, im Gegensatz zum clm 4409 allerdings ohne Fabelkommentar. 295 Vgl. Abb. 14 und 15, f. 86r und 86v. 296 Vgl. Abb. 16–18, f. 113v–114v. 297 Vgl. Abb. 19 und 20, f. 119v und 120r.

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wenig Platz vorhanden ist; die Kommentarteile hingegen werden häufig auch gedrängt an den Rand neben dem lateinischen Text geschrieben. Der Fabelteil beginnt mit dem typischen Incipit esopus und dem Versprolog des Anonymus Neveleti, der in metaphorischer Weise den erfreulichen Nutzen des Textes betont, und dem sich ein Auszug aus einem Kommentar-accessus anschließt, dessen pädagogischer Ursprung klar ersichtlich ist:298 Incipit esopus Vt iuuet et prosit, conatur pagina presens: Dulcius arrident seria picta iocis. Ortulus iste parit fructum cum flore, fauorem Flos et fructus emunt: hic sapit, ille nitet. Si fructus plus flore placet, fructum lege. si flos Plus fructu, florem. si duo, carpe duo. Ne mihi torpentem sopiret inhercia sensum, In quo peruigilet, mens mea mouit opus. Vt messis precium de uili surgat agello, Verbula sicca, deus, implue rore tuo. Verborum leuitas morum fert pondus honestum, Et nucleum celat arida testa bonum. Rumula filius Tibernio de ciuitate autentica salutem. Esopus quidam homo grecus ingeniosus natus fuit in Frigia et claruit ibi honeste viuens per [nicht lesbar]. Ego vero Romulus transtuli hunc librum de greco in latinum. Titulus huius: Incipit Esopus, liber fabulorum ab Esopo compositus atheniosi magistro. Nota: Causa finalis enim poetarum consistit in utilitate vocabulorum vel in delectatione materie, quia poete deversa narrant. Vnde Oracius: Aut prodesse volunt aut delectare poete.299

Auf f. 83v ist zunächst Platz für eine nicht ausgeführte Illustration, dann folgen die lateinische Fabel und der Kommentar, die deutsche Fabel fehlt. Dies deutet darauf hin, daß der deutsche Text seine Vorlage wohl in einer Boner-Handschrift hat, die die Fabel von ‚Hahn und Edelstein‘, welche hier als Eingangsfabel fungiert, nicht überliefert.300 Korrespondierend zum deutschen Text fehlt auch die Illustration, da die Federzeichnungen sich in dieser Handschrift eindeutig auf die deutsche Version beziehen und

298 Vgl. hierzu auch Wright (Anm. 31), S. 149f. 299 F. 83r; abgedruckt bei ebd., S. 149f. und Anhang. 300 Vermutlich eine Handschrift der Gruppe II oder III; zu Textbestand und Gruppen vgl. Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 432 und 446–449.

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der deutschen Fabeltradition entstammen.301 Die Auslassung der zweiten und dritten Boner-Fabel302 weist eventuell auf die Priorität des Anonymus-Neveleti für die Anordnung der Fabeln hin, da dieser die besagten Fabeln nicht überliefert. Hier werden in der Folge auch die Bonerschen Pendants weggelassen, während Anonymus Neveleti Nr. 1 eingetragen wird, obwohl die als Quelle dienende Boner-Handschrift – die dann wohl erst nach der Eintragung des lateinischen Textes hinzugezogen wurde – das deutsche Gegenstück vermutlich nicht enthalten hat. Einerseits zeigt diese Art der Präsentation deutlicher als die vieler anderer Handschriften die Abhängigkeit der deutschen Fabeln sowohl von den lateinischen Vorlagen, als auch insbesondere von der lateinischen Kommentartradition, aus der immer wieder Sentenzen übernommen und den Fabeln zum Beispiel als Epimythien angehängt oder neben den Texten vermerkt werden, zumal im vorliegenden Fall die deutschen Fabeln und der Kommentar bereits durch ihre visuelle Gestaltung – gleiche Tinte und gleiche Schrift – auf eine Stufe gestellt und dem lateinischen Text sozusagen als doppelter Kommentar zugeordnet werden. Andererseits wird dieses Verfahren jedoch im Verlauf der Handschrift aufgegeben, der deutsche Text wird quasi immer selbständiger und emanzipiert sich samt seinen Illustrationen, die zu Beginn näher am lateinischen Text stehen, obwohl sie diesen genaugenommen nicht illustrieren, von der lateinischen Tradition. Durch die Reimform hebt der Boner-Text sich bereits zuvor von den lateinischen Texten ab,303 auch wenn seine genaue Stellung innerhalb des Ensembles etwas unklar zu sein scheint. Schrift und Tinte sprechen zunächst für eine Kommentarfunktion gegenüber der lateinischen Fabel,304 die Verbindung zu den Illustrationen und die ab f. 111r beginnende prioritäre Eintragung unter 301 Vgl. auch Wright (Anm. 31), S. 152f. Georg Thiele, Der lateinische Äsop des Romulus und die Prosafassungen des Phädrus. Kritischer Text mit Kommentar und einleitenden Untersuchungen, Heidelberg 1910, S. CXXXIV und Adolph Goldschmidt, An early manuscript of the Aesop fables of Avian. Studies in manuscript illumination 1, Princeton 1947, S. 54 führen den Codex als Beispiel für illustrierte Anonymus-Neveleti-Handschriften. Vgl. auch Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 153. 302 Boner Nr. II (‚Affe und Nuß‘) und Nr. III (‚Jäger und Tiger‘); der Boner-Text beginnt im clm 4409 mit Nr. V (‚Wolf und Schaf‘), korrespondierend zu Anonymus Neveleti Nr. II. 303 Vgl. auch Wright (Anm. 31), S. 151. 304 Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 439: „Auch der ‚Edelstein‘ ist hier [cgm 3974] durch vielfache Verklammerungen mit den nachfolgenden lateinischen Fabeltexten ‚ins Lateinische zurückpräpariert‘, ähnlich wie in der Schulhandschrift

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fortschreitender Auslassung der anderen Teile sprechen jedoch gegen eine nur untergeordnete Rolle.305 Die ungewöhnliche Verschränkung von Text und Kommentar führt jedenfalls zu der Frage, welche funktionalen oder ‚lesetechnischen‘ Implikationen sie mit sich bringt. Der Kommentar wird zwar einerseits Abschnitt für Abschnitt zu den Fabeln gesetzt, scheint andererseits aber auf einer Stufe zu stehen mit dem deutschen Text, wobei sich dann die Illustrationen wiederum auf den deutschen Text beziehen – dies könnte natürlich auch lediglich an den benutzten Vorlagen liegen, von denen vielleicht nur die deutsche illustriert war. Auf jeden Fall räumt dieses Verfahren dem deutschen Text einen gewissen Stellenwert ein. Man könnte daher vermuten, sowohl der deutsche Text, als auch der Kommentar und die Illustrationen dienten der Erschließung des lateinischen Textes. Diese Annahme würde aber durch den gerade erwähnten Umstand wieder eingeschränkt, da die Illustrationen manchmal Dinge enthalten, die nur im deutschen Text erwähnt werden.306 Wir können, wie oben angesprochen, immerhin mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß diese Handschrift entweder für den Gebrauch im Unterricht oder aber auch zur stillen Lektüre oder Vorbereitung der Kleriker vorgesehen war. Die Vermischung von Deutsch und Latein ist in dieser gelehrten und von der Aneignung und Vermittlung von Wissen bestimmten Atmosphäre nicht ungewöhnlich; für die Fabel und ihre Kommentare scheint sie im 15. Jahrhundert ohnehin geradezu gattungstypisch zu sein. Davor wurden deutsche Fabeln zumeist nur im Verbund mit ausschließlich deutschen Texten aufgezeichnet, welche die sprachliche und literarische Selbständigkeit dokumentieren sollten und dieses Zusammenspiel noch nicht zuließen.307 Der Codex könnte also ein Text- und Arbeitsbuch für Kleriker gewesen sein, die aus dieser lateinisch-deutschen Arbeitsathmosphäre stammende Textmischung könnte jedoch auch bereits auf dem Weg zu einer rein literarischen ‚Gesamtausgabe‘, einem erstarrten „literarischen Denkmal“308 nach dem Muster von Steinhöwels ‚Esopus‘ sein, der bei jeder Fabel die lateinische Versfassung des Anonymus Neveleti, eine deutsche Prosaübersetzung und eine lateinische Prosafassung aus dem Romulus nebeneinander stellt. Dafür spräche vielleicht auch, daß wir zwar zwei Fabelversionen, Bild und Kommentar haben, diese aber nicht eigentlich von einander M1 [clm 4409], in der die Boner-Fabeln als Kommentare zum lateinischen ‚Anonymus Neveleti‘ fungieren.“ 305 So auch Wright (Anm. 31), S. 153f. 306 Ein Beispiel bespricht Wright (Anm. 31), S. 152f. 307 Vgl. auch Grubmüller, Elemente (Anm. 98), S. 154ff. 308 Ebd., S. 156.

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abhängig sind; die Texte bilden eher ein ‚beziehungsloses‘ Nebeneinander, wie man zum Beispiel auch an der Aufnahme der Fabel von ‚Hahn und Edelstein‘ sieht. Daß sie in der dem Schreiber vorliegenden Boner-Redaktion nicht enthalten war, und so nur durch die Anonymus-Neveleti-Fabel und den Kommentar vertreten wird, ist aber trotz ihrer prominenten Stellung offenbar nicht als störend empfunden worden. Vielleicht war der Fabel-Teil auch zunächst als eine Art Kompendium konzipiert und die Interessen des Auftraggebers oder Schreibers haben sich im Verlauf der Herstellung auf den deutschen Text verlagert, vielleicht waren aber auch äußere Umstände für die Unvollständigkeit des lateinischen Textes verantwortlich. Auf jeden Fall werden die Fabeln als eine Art Textbuch präsentiert; aus den Kommentaren und den mit dem Hinweis utilitas markierten Epimythien könnten beispielsweise Sentenzen entnommen werden, die so wieder in den mündlichen Gebrauch eingehen können. Oder es dient als Hilfe für die Vermittlung an lateinunkundige Laien; der Fabel wäre dann wieder die zweckliterarische Rolle eines Mediums zur Vermittlung von Einsichten zugewiesen. Wie ein solch schulischer Rahmen für die Fabel auch schon vor der, für uns vielleicht auch nur aufgrund der Überlieferungslage erst im 15. Jahrhundert greifbaren, Verknüpfung deutscher und lateinischer Texte im Bewußtsein der Zeitgenossen verankert war, zeigt zum Beispiel die aus dem 14. Jahrhundert stammende, deutschsprachige Handschrift Heidelberg, UB, cpg 341, die neben einer deutschen Cato-Version einige, allerdings nicht zum Bonerschen Corpus gehörige Fabeln, ‚Freidank‘, sowie vor allem deutsche Kleinepik enthält.309 Zu Beginn des Cato-Textes findet sich folgender Hinweis: Ditz bvchel heizet katho Vnde liset man ez in der schule do.310

Die Einbindung der Fabeln in verschiedene Zusammenhänge, wie sie in den sie unterschiedlich kontextualisierenden Handschriften greifbar sind, zeigt jedoch gerade auch die vielfältigen Verwendungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Stoffe.

309 Die Handschrift ist ausführlich beschrieben von Karl Bartsch, Die altdeutschen Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg, Heidelberg 1887, S. 82–93. 310 F. 71va.

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Die sogenannte ‚Wolfenbütteler Priamelhandschrift‘,311 „eine der merkwürdigsten Sammelhandschriften des ausgehenden Mittelalters“,312 versammelt im wesentlichen deutsche Gnomik; die Entstehungszeit der Sammlung ist unklar, vermutlich fällt sie in die letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts.313 Die Handschrift besteht aus zwei vom selben Schreiber angelegten Teilen; jeder Teil besitzt ein Register und war ursprünglich mit einer eigenen Foliierung versehen. Der Codex ist um 1500 gebunden worden;314 der zweite Teil der Handschrift, der als erster angelegt worden war, überliefert gar lüstig vnd kurtzweyllig priamell geystlich und weltlich von etwen vill maystern tichtern315 und wurde beim Binden dem ersten, eher weltlichen Teil nachgestellt, der sich wohl einer Bonerhandschrift, die der Sammler zu diesem Zeitpunkt in seinen Besitz brachte, verdankt. Diese illustrierte, von drei verschiedenen anderen Händen geschriebene Bonerhandschrift hatte ein kleineres Format, weshalb der Konzepteur sie sorgfältig in die Blätter der Haupthandschrift hineingeklebt hat; die

311 Wolfenbüttel, HAB, cod. 2.4. Aug. 2°. 312 Kleinere mittelhochdeutsche Erzählungen, Fabeln und Lehrgedichte, hg. v. Karl Euling, Bd. 2, Die Wolfenbüttler Handschrift 2.4. Aug. 2° (Deutsche Texte des Mittelalters 14), Berlin 1908, S. V. 313 Vgl. ebd., S. VI; Hansjürgen Kiepe, Die Nürnberger Priameldichtung. Untersuchungen zu Hans Rosenplüt und zum Schreib- und Druckwesen im 15. Jahrhundert (MTU 74), München 1984, S. 362. 314 Vgl. ebd., S. 362. 315 F. 183r; detaillierte Beschreibungen der Handschrift bei Kiepe (Anm. 313), S. 362–366; Euling (Anm. 312); Otto von Heinemann, Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, 2. Abt.: Die Augusteischen Handschriften, Bd. I, Wolfenbüttel 1890, S. 68f. Der Codex enthält Register für den ersten (f. 1–169, Register f. 1ra–8ra) und zweiten Teil (f. 170–255; Register uber dise hernach geschryben pryamell geystlich, dar aus der mensch etwas lernen magseiner sel zü nütz und auch wy sich der mensch in seinem leben halten vnd regiren sol [...] f. 170ra–176vb), Boners ‚Edelstein‘ (f. 15ra–52rb), ein Hausbuch (f. 52rb), verschiedene Priameln und Sprüche von Hans Rosenplüt und Hans Folz, Auszüge aus dem ‚Renner‘ Hugos von Trimberg, Cato und PseudoFacetus, Freidank-Sprüche, Rätsel, Liebessprüche, Trink- und Erbauungssprüche, Pseudo-Engelharts von Ebrach ‚Buch der Vollkommenheit‘ in einer Versbearbeitung, ‚Das guldein ABC‘ des Mönchs von Salzburg als Reimpaarspruch, versifizierte Eckhart-Legenden, Psalter, Rosenkränze, Tischgebete, Ständesatire, eine Backregel und anderes, sowie von einem späteren Besitzer 1535 und 1544 notierte Auszüge aus Osianders Predigten (f. 149r–169r). Zum Inhalt vgl. auch die Zusammenstellung bei Euling (Anm. 312), S. IX.

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letzte Seite hat er selbst aus seiner Vorlage abgeschrieben.316 Bei den vom Hauptschreiber eingetragenen Texten ist ebenfalls Platz für Illustrationen ausgespart. Das nicht zu Ende geführte Register317 des ersten Teils nennt immer zuerst in roter Farbe das abstrakte Thema, darunter folgt in schwarzer Tinte die Konkretisierung beziehungsweise für den Fabelteil der häufig vom Schreiber erweiterte Titel und das Initium der Fabel oder die Nennung der Akteure und abschließend die Seitenzahl; es beginnt folgendermaßen: Zu dem ersten von geystlichem leben und von der weltlichen thumbeyt Eins mals kam ein aff gerant I Von possen zungen vnnd von der leut hinderred Der leut red ist manigvalt I [...]318

Zu Beginn des Registers steht folgender Hinweis: Hie vahet an das puch das ist genant der welt lauff und es hat ein meyster gemacht genandt Esopus und haysset der guldein stein und straffet reich und arm geystlich unnd werltlich künig und kayser und alle welt buch ist gemalet mit den figuren und auch ander meystern geticht mer hernach sten gar kurtzweylig zehoren sind also den ein register hernach volgent aus weyst mit der zal der pleter an welchem plat man finden mag ein ytlichs stuck.319 316 F. 52r; vielleicht war der Text in seiner Vorlage auch unvollständig, und er hat ihn aus anderen Quellen ergänzt. Die Handschrift überliefert die Fabeln in ungewöhnlicher Reihenfolge wegen vieler Nachträge und Ergänzungen durch zwei der Schreiber; so steht z. B. die Fabel von ‚Hahn und Edelstein‘ an 92. Stelle (f. 49vb) und der Epilog an 87. von 98 (f. 47ra). 317 Es endet f. 8ra mit dem Hinweis auf f. 132; in die nachfolgenden freien Blätter vor dem Boner-Text sind ebenfalls ein zweispaltiger Schriftspiegel eingezeichnet und Linien eingeritzt. Die beiden Fabeln, auf die im oben zitierten Registerauszug verwiesen wird, beginnen im Text der Handschrift folgendermaßen: Von geistlichem leben / Ains mals kam ein aff gerant [...] (f. 15ra) und Von posen zungen / Der lewt red ist manigvalt [...] (f. 15rb); die zweiteiligen Titel, wie sie in einigen Bonerhandschriften üblich sind, hat hier lediglich der Ersteller des Registers in selbiges aufgenommen, die Fabelüberschriften sind, wo überhaupt vorhanden, in diesem Codex einteilig. Zweiteilige Titel haben z. B. die Handschriften Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 400, Genf-Cologny, Bibl. Bodmeriana, cod. Bodmer 42 (teilweise), Berlin, SBPK, Ms. germ. 2° 579. 318 F. 1ra. 319 F. 1ra.

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Ob er diese gängige ‚Edelstein‘-Einleitung aus seiner Vorlage abgeschrieben – und sie anschließend zu Beginn des eingeklebten Fabeltextes weggelassen – hat, oder ob seine Vorlage sie gar nicht enthielt und er anderweitig Kenntnis von ihr hatte, kann nicht geklärt werden.320 Auch der zweite Teil der Handschrift beginnt mit einem Register321 gleichen Aufbaus; der Hauptschreiber und Kompilator hatte offensichtlich nicht nur ein Interesse an der Verbindung des ‚Edelstein‘ mit weiteren unterhaltend-didaktischen Texten, sondern auch an der leichten Auffindbarkeit bestimmter Themen oder Erzählungen. Die Priameln und Sprüche sind häufig vermischt, Bruchstücke zusammenhängender Werke mit anderen kombiniert und über die Handschrift verteilt.322 Diese Zusammenstellung unterschiedlicher Orientierungshilfen für verschiedene Lebenslagen und deren zum Teil eigenwillige Kombination aus mehreren Quellen323 zeigt nicht nur ihren Bekanntheitsgrad und die assoziative, spielerische Möglichkeit, sie miteinander zu verbinden, sondern auch das Bedürfnis, sie immer wieder neu zu kodifizieren und zu bestätigen, sie gleichzeitig durch die Register jedoch auch wieder benutzbar zu machen. Das offenbar vorhandene Bedürfnis, einzelne Lehrsätze zur einfachen Wiederverwendung bereitzustellen, legen nicht nur die Register nahe, sondern auch die Gestaltung der Handschriften, in denen immer wieder Merksätze aus den Kommentaren, Sprichwörter oder ähnliche Zusammenfassungen der, im Text zumeist eigens markierten, Fabelmoral zusätzlich am Rand notiert werden, sowie die ausgeprägte Vorliebe vor allem der deutschsprachigen Fabeldichter des

320 Seine Kenntnis des Verfahrens doppelter Fabeltitel deutet jedoch darauf hin, daß er eventuell weitere Boner-Handschriften kannte; vgl. oben Anm. 317. 321 Vgl. oben Anm. 315. 322 Euling (Anm. 312), S. IX und Vf. vermutet den Kompilator aufgrund der Auswahl seiner Stoffe und deren Kombination in Handwerkerkreisen. Zudem sind vorwiegend Nürnberger Dichter wie Hans Rosenplüt und Hans Folz vertreten und der Codex ist vermutlich auch dort entstanden; vgl. auch Kiepe (Anm. 313), S. 363. 323 Gegen eine einzige Vorlage sprechen die ursprüngliche Anlage der beiden Teile sowie das Verfahren des Kompilators, an mehreren Stellen Verbesserungen und Nachträge im Register vorzunehmen, Auszüge aus größeren Werken miteinander zu kombinieren und einzelne Werke in mehrere Teile zu zerlegen, die über die gesamte Handschrift verteilt sind; vgl. auch Euling (Anm. 312), S. VI. Und nicht zuletzt sprechen dagegen auch seine Art der Einarbeitung der Bonerhandschrift und die auf sie verweisenden Registereinträge samt dem ‚Ysopus-Incipit‘, die durchaus ein Indiz für die Textkenntnis des Sammlers und seinen kombinatorischen Umgang mit Texten sind.

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Mittelalters und der Frühen Neuzeit für im Vergleich zu ihren antiken Vorläufern stark ausgedehnte Affabulationen. Die Aneinanderreihung mehrerer Auslegungsvarianten ist bereits bei Ulrich Boner stark ausgeprägt, ebenso im ‚Nürnberger Prosa-Äsop‘ und vor allem bei Luthers ‚Esopus‘-Bearbeitung.324 Ein weiterer Hinweis für die Verwendung der knappen Sentenzen sind die oben erwähnten Sammlungen ‚Moralitatum carmina‘ und ‚Traditio morum‘, welche aus deutschen Übersetzungen der Vers-Sentenzen des Anonymus Neveleti hervorgingen.325 Kommentierende Beischriften zu den Fabeln und die Kombination funktional verwandter Texte lassen sich auch in der Handschrift Heidelberg, UB, cpg 314 beobachten. Sie wurde in den 1440er Jahren im Auftrag Sigismund Gossembrots von verschiedenen Schreibern, darunter auch von ihm selbst, zusammengestellt.326 Die Handschrift enthält neben Boners ‚Edelstein‘ vor allem verschiedene andere Exempel-, Spruch- und Kleinepiksammlungen und Fragespiele.327 Wie die meisten der noch erhal324 Vgl. hierzu auch Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 320–332 und Dicke, Steinhöwels ‚Esopus‘ (Anm. 46), S. 109. 325 Vgl. Henkel, Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte (Anm. 7), S. 288ff. und 312ff. 326 Eingetragene Jahreszahlen f. 94rb (1443) und f. 197vb (1447); zu Gossembrot vgl. Franz Josef Worstbrock, Art. Sigismund Gossembrot, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 3, Berlin/New York 21981, Sp. 105–108. Sigismund Gossembrot (1417–1493), Sohn einer alten Augsburger Patrizierfamilie, brach das Studium der Artes ab, wurde Teilhaber einer Handelsgesellschaft, jedoch ohne wirtschaftlichen Erfolg. Er nahm Aufgaben in der Verwaltung und Regierung Augsburgs wahr, Ende 1461 zog er sich ins Johanniterkloster Straßburg zurück. Er zählt zu den wichtigsten frühen Förderern der humanistischen Bewegung in Deutschland, seine Religiosität trat mit seinen humanistischen Neigungen offenbar nie in Konflikt. Beschreibung des Codex von Matthias Miller, Cod. Pal. germ. 314, in: Miller/Zimmermann (Anm. 245), S. 56–66. 327 F. 4*r: Bücheranzeige Diebold Laubers, u. a. über Dz bispÿl bch genant der welt lŏff, mit dem eventuell die ‚Edelstein‘-Handschrift Genf-Colgny, Bibl. Bodmeriana, cod. Bodmer 42 gemeint sein könnte, vgl. Saurma-Jeltsch (Anm. 275), S. 244f., F. 16*r: Vulgäre Kleinepik und Fragespiele, abgedruckt bei Karl Bartsch, Kleine Mittheilungen, in: Germania 23 (1878), S. 192, 344. Bsp.: Nota ein wrst ist waz und wirt und pleypt ain wrst, den darm blaust man am ersten auff, so ist er ain wrst, dar nauch fult man in, so wyrt er ain wrst, dar nauch ist man die wrst, so fult sy die därm im leyb auch zuo ainer wrst, dar nauch scheyst mans und ist der derk auch ain wrst, dar nauch fressent die sew und fult in die därm auch zu ainer wrst. also entspringt die wrst in dem swdarm

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tenen Boner-Handschriften ist der Fabelteil des cpg 314 relativ klar gegliedert; durch die Illustrationen sind einzelne Fabeln leicht auffindbar, der Beginn des Auslegungsteils ist jeweils markiert. Ein Benutzer des Codex’ – vermutlich Sigismund Gossembrot – hat diesen bei einigen Fabeln trotz der Gliederung durch die Bilder zusätzlich mit eigenen Überschriften und Randbemerkungen versehen, die vermutlich seiner eigenen Orientierung in der Handschrift nach seinen Interessen dienten.328 Die Anmerkungen geben zumeist einen Aspekt des Epimythions wieder, in manchen Fällen enthalten sie jedoch auch eine eigene Deutung, die im Bonerschen Variantenangebot nicht wörtlich enthalten ist. Ich will zunächst einige Beispiele besprechen: Das erste ist die Fabel von einer trächtigen Hündin,329 die einen Hund mit schmeichelhaften Worten überredet, ihm für die Geburt seine Hütte zur Verfügung zu stellen, und sich danach weigert, die Hütte wieder zu verlassen. Die zusammengefaßte Moral lautet: Wer jemandem glaubt, der zuckersüße Worte spricht und dabei lügt, der wird betrogen. Süße Worte bringen viel Herzensleid und betrügen Frauen und Männer; glücklich ist, wer sich davor hüten kann. Gossembrot kommentiert zu Beginn der Fabel am Rand: von süsser trugenhafter red, der nimpt man dik schaden wer sich dar an kert. Im nächsten Beispiel hat ein Löwe einen Dorn im Fuß und begegnet einem Hirten mit Schafen, der ihn vom Dorn befreit. Später wird der Löwe gefangen und mit anderen Tieren in einem Palast gehalten, in dem ihnen Menschen zum Fraß vorgeworfen werden; so eines Tages auch der Hirte. Der Löwe erkennt den Hirten und verschont ihn; ein ebenfalls markiertes Zwischenepimythion sagt, daß man nicht vergessen solle, wer einem übel oder wohl tue, das Epimythion, daß man dankbar und treu sein solle. Der und kompt wyder in den swdarm und pleypt allweg ain wrst. Des weiteren u. a. f. 1ra–50ra: Boners ‚Edelstein‘, f. 50v: ‚Henne und Fuchs‘, f. 51va–52ra: Elsässer Anonymus: ‚Der gestohlene Schinken‘, f. 54rb–55ra: Stricker: ‚Der Einsiedel‘, f. 55r: ‚Fuchs und Wolf im Brunnen‘, f. 55va–62va: Freidank, f. 65va: Stricker: ‚Der unfruchtbare Baum‘, f. 65va–66ra: ‚Lustige Predigt‘, f. 66rb–70ra: ‚Disticha Catonis‘, f. 70rb–71rb: Freidank und andere Sprüche, f. 74va–76vb: Freidank, f. 76vb–77ra: Stricker: ‚Der Tor und das Feuer‘, f. 77ra–77va: Heinrich der Teichner: ‚Herr und Gesinde‘, f. 79ra–80va: Oberdeutscher Totentanz, f. 82ra–94rb: Freidank, f. 103r: ‚Quaestio‘ zum verborgenen Schriftsinn von ‚fabule‘, f. 105ra–161vb: ‚Dietrichs Flucht‘, f. 162ra–197vb: ‚Die Rabenschlacht‘, f. 200*v: Leihvermerk von Sigismund Gossembrot. 328 Z. B. f. 3rb, 23vb, 35va, 36ra, 36va, 37ra, 38rb, 43rb, 45va, 46ra, 47r. 329 F. 3rb (Boner Nr. XII).

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Kommentator vermerkt bei der Illustration, die dem Text vorausgeht:330 ain beyspil daz kein guothait unbelonet pleypt. Genau dies wird jedoch im Boner-Text nicht ausdrücklich erwähnt und ist somit ein Schluß des Benutzers, den er der Fabel als eine Art Überschrift unter dem Bild voranstellt. Ein weiteres Beispiel wäre die Fabel vom alten Krebs,331 der von seinem Sohn verlangt, vorwärts zu gehen, obwohl er selbst nur rückwärts gehen kann, und ihn anderenfalls dafür bestrafen will. Das Epimythion betont, daß jemand, der einen anderen bestrafen will, nicht dasselbe tun dürfe. Der Kommentar über der vorangehenden Illustration, quasi als resümierende Überschrift, lautet: ain beyspil von der straff wolt der alt krebs den jungen straffen der für sich und nit hin der sich gyng. Ein Esel,332 der immer schwere Säcke tragen muß, findet auf der Weide eine Löwenhaut und legt sie an. Sein Herr erkennt ihn aber, zieht ihm die Haut ab, prügelt ihn und läßt ihn wieder Säcke schleppen. Der überschriftähnliche Kommentar über der Illustration lautet: ain beyspyl daz sich nymand fremden lobs rümen oder eign sol daz nit an im ist als der esel der des lew hawtt an ligt. Diese Bemerkung korrespondiert mit einer der im Epimythion angebotenen Varianten, ähnlich wie beim nächsten Beispiel:333 Der Frosch gibt sich vor den anderen Tieren als Arzt aus, der Fuchs entlarvt ihn. Das Epimythion lehrt, man solle sich nicht selbst loben und falscher Ruhm habe keinen Bestand. Gossembrots Bildüberschrift lautet: ain beyspyl daz sich nymand selbs rümen sol alz der frosch mit arzney sich lobt. Im nächsten Beispiel334 hängt ein Herr seinem Hund eine Glocke um, um vor dessen Bösartigkeit zu warnen; der Hund hält diese jedoch für ein Zeichen besonderer Anerkennung. Das Epimythion bietet wieder verschiedene Aussagen an: wer sich seiner Schalkheit rühmt, hat eine Schelle verdient; niemandem tut es leid, wenn jemand, der so hoffärtig ist, verspottet wird; wer meint, daß er der Beste sei, dem wohnt ein Gauch nahe bei; wenn die Bösen alle Schellen trügen, dann müßten das viele tun, und die Bosheit würde für die Welt zu sehen sein und ähnliches. Über der Illustration wurde notiert: daz sich nymant bosshayt rümen sol alz der hund dem man von syner bosshayt wegen die schellen anhankt.

330 F. 23vb (Boner Nr. XLVII), vgl. Abb. 21. 331 F. 35va (Boner Nr. LXV). 332 F. 36ra (Boner Nr. LXVII). 333 F. 36va (Boner Nr. LXVIII). 334 F. 37ra (Boner Nr. LXIX).

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Zwei Kaufleute geben ihre Ware bei einer Frau ab und bitten sie, diese zu verwahren, bis sie sie wieder abholen.335 Eines Tages kommt der eine zurück und behauptet, der andere sei gestorben; er nimmt die Ware mit und verkauft sie. Bald darauf kommt der andere, um ebenfalls die Ware abzuholen, und behauptet auf die Geschichte der Frau hin, diese würde lügen, und wenn sie ihm die Ware nicht gebe, komme er mit dem anderen und verklage sie. Sie sucht daraufhin bei einem weisen Mann Rat, der sich als ihr Anwalt betätigt und die Sache zu ihren Gunsten löst. Das Epimythion sagt keineswegs, daß man nie etwas ohne Rat tun solle, sondern betont vielmehr, daß derjenige, dem etwas anvertraut wird, gut darauf aufpassen und darauf achten solle, wem er es gibt; außerdem brauche der Tumbe weisen Rat, um sich vor Untreuen zu schützen. Der Gossembrotsche Kommentar dazu: daz man nichts on rat der weysen tuon sol alz die fraw mit dem empfolenen guot. Diese Verallgemeinerung könnte natürlich eine selektive Auslegung des Richters Gossembrot darstellen, diese Deutung soll hier jedoch nicht überstrapaziert werden. Deutlich wird, daß Gossembrot, der in dieser Handschrift auch als Schreiber verschiedener Exempel und kleiner Geschichten identifizierbar ist,336 den Text nach seinen Kriterien ordnet – auch vom Layout her –, er macht eigene Überschriften, die in dieser Handschrift ansonsten fehlen, und die in dieser Art in den meisten Boner-Handschriften nicht vorkommen, da dort für gewöhnlich nicht steht, was jemand tun oder nicht tun soll, sondern lediglich, um welches Thema es in der betreffenden Fabel geht. Gossembrots Überschriften sind eher epimythienähnlich; auffällig oft wählt er eine Variante wie daz sich nymant [...]; er vereindeutigt die in ihrer Variantenvielfalt relativierte Moral der Boner-Fabeln und macht sie noch ‚exempelhafter‘, indem er entweder das Angebot annimmt, eine Variante auszuwählen, oder eine eigene hinzufügt, und zeigt uns so, wie er die Fabeln liest: er vereindeutigt die Moral, anders als es beispielsweise ein Leser tun würde, der sich an der Relativität oder der Bonerschen Schaden-Nutzen-Thematik erfreut, und verallgemeinert seine Lesart zugleich mit der Formulierung daz sich nymant [...]. Auf f. 104v, die von Gossembrot beschrieben wurde und einen Fürstenpreis enthält, gibt es eine Federzeichnung eines Taubenschlages, der von

335 F. 38rb (Boner Nr. LXXII). 336 Zum Beispiel der Quaestio Qualiter legende sunt fabule, f. 103r; ebenfalls von Gossembrot beschrieben sind f. 4*r, 16*r, 50va–54rb, 63ra–63vb, 81v, 95r–97r, 100v– 103r, 104v, 200*v, vgl. Miller, Cod. Pal. Germ. 314, in: Miller/Zimmermann (Anm. 245), S. 56.

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der Anlage her dem Taubenschlag bei der im Boner-Teil enthaltenen Fabel von den Tauben und dem Habicht entspricht.337 Leider läßt sich nicht klären, wer der Zeichner war, er ist aber vermutlich nicht identisch mit jenem, der die Fabeln illustriert hat. Auf f. 200v befindet sich nebst eines Leihvermerks Sigismund Gossembrots wiederum eine Zeichnung, die aufgrund der Ähnlichkeit der Dachziegel vom gleichen Zeichner stammen könnte wie der zweite Taubenschlag. Es kommt allerdings zunächst auch weniger darauf an, aus wessen Feder die Zeichnungen stammen, als darauf, was die Person beim Lesen oder gar Schreiben dieses Fürstenpreises dazu bewogen hat, die Taubenschlag-Zeichnung zu kopieren. Der Zeichner mußte die Fabel entweder bereits kennen, oder sie in dieser Handschrift gelesen haben, was aufgrund der Kopie der Zeichnung in diesem Fall fast wahrscheinlicher ist. Der Fabelplot ist kurz zusammengefaßt folgender: Die Tauben haben Angst vor dem Falken und beschließen, daß sie einen ‚vogt‘ bräuchten, der sie beschützt; hierfür suchen sie sich einen Habicht aus. Dieser hilft den Tauben zuerst, tötet sie aber anschließend. Die Fabel endet mit den Worten, daß derjenige, der die Wahl hat, das kleinere Übel wählen sollte, und mit dem Hinweis: Wenn der ze schirmer wirt erkorn der daz volk werkat so ist verlorn beidiu weip und ouch man wer im sich niemant fristen kan.338

Beim Lesen oder Schreiben eines Fürstenpreises jene Taubengeschichte zu assoziieren ist zwar relativ naheliegend, verrät jedoch unter Umständen auch manches über den Rezipienten und seine Lebenserfahrung. Sollte der Zeichner tatsächlich der zeitweilige Bürgermeister Gossembrot gewesen sein, könnte die zutage tretende Eigenschaft durchaus auch selbstironischer Humor sein. Jedenfalls ist der cpg 314 ein deutlicher Beleg für ‚Arbeitsspuren‘ an den Fabeln, die verraten, wie teilweise mit den Texten umgegangen wurde und welche potentiellen Interessen hinter der Lektüre standen. Die Zusammenstellung des Codex mit seinem Schwerpunkt auf deutscher Kleinepik und die Einträge des Besitzers, vor allem jene auf den Vorsatzblättern, verraten ebenfalls nicht nur das Interesse an, sondern auch den planvollen und spielerischen Umgang mit mehr oder weniger unterhaltenden, graduell unterschiedlich didaktischen Texten. Auch die schwankhaften bis obszönen Einträge auf den Vorsatzblättern, die auf den ersten Blick nicht unbedingt zu einer Fabelsammlung zu passen 337 F. 12vb (Boner Nr. XXVI). 338 F. 13ra.

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scheinen, erhalten vor dem Hintergrund einer parodistischen Beschäftigung mit literarischen Mustern durchaus ihre Berechtigung; die ernsthafte Erörterung unernster Themen, ähnlich der questiones quodlibetae, oder die schwankhafte, inhaltlich veränderte Füllung traditionell vorgegebener formaler Muster sind innerhalb der Kleinepik keineswegs ein Einzelfall. Eine ähnliche funktionale Kombination weist der Codex München, BSB, cgm 714 auf, der zusammen mit Mären, Minnereden und Fastnachtsspielen auch einige Boner-Fabeln überliefert.339 Diese sind ohne nähere inhaltliche Verbindung zwischen dem Märe ‚Der Mönch als Liebesbote‘ und Heinrichs der Teichner ‚Von Jägern‘ eingefügt worden. Daß die Texte hier – wie in den meisten Handschriften – nicht im Detail aufeinander abgestimmt sind, beeinträchtigt nicht ihre prinzipielle Ähnlichkeit; es zeigt jedoch die Bekanntheit und Verfügbarkeit einzelner Stücke des Bonerschen und anderer Textcorpora, die offenbar nicht ausschließlich als Teile einer geschlossenen Sammlung betrachtet wurden, sondern auch als zu Texten ähnlicher Machart gehörige. Die Texte unterscheiden sich zwar graduell an Deutlichkeit, Derbheit, Unterhaltungswert und Lehrhaftigkeit, unterliegen aber einem gemeinsamen Grundprinzip. Sie alle geben in irgendeiner Form Orientierungswissen weiter, vermitteln souveräne Situationsbeherrschung, ein kluges Sich-Einrichten in der Welt, sei es anhand positiver oder öfter negativer Beispiele, die dann natürlich unterschiedlich ausgelegt werden können, oder durch die direkte Wiedergabe einer Regel. Zu der zum Teil relativ willkürlichen und nicht weiter durchgeplanten Reihenfolge paßt die Gestaltung der Handschrift; die Texte weisen viele korrigierte Abschreibefehler auf,340 sie sind trotz Überschriften sehr unübersichtlich und kaum voneinander abgesetzt, manchmal steht die Überschrift auch auf der dem Text vorangehenden Seite.341 Einfach zu benutzen ist die Handschrift aufgrund ihres Registers trotzdem: Das ist das register des buchs darynn vindt man durch dy czal alle dy spruch und alle dy vasnachtspil die in disem buch geschriben sind […].342 339 Der Codex stammt aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts, vgl. die Beschreibung von Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München: Cgm 691–867. Editio altera (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis T. 5, Ps. 5), Wiesbaden 1984, S. 79–89. ‚Edelstein‘ f. 222r–225r; überliefert Boner Nr. LXXII (‚Frau und Kaufleute‘) und LXXXII (‚Singender Pfaffe und Esel‘). 340 Z. B. f. 214r, 215r, 222v. 341 Z. B. f. 206r. 342 F. Ir–IVr, hier f. Ir. Register sind bei Fabel- und Exempelhandschriften, dies liegt wohl im Gegenstand begründet, keine Seltenheit – allerdings sind sie

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Der Codex Wolfenbüttel, HAB, cod. 76.3. Aug. 2° überliefert den ‚Edelstein‘ ebenfalls in der Kombination mit Fasnachtsspielen, dazu kommen Priameln, ein scherzhafter Brief an eine Frau, Klagen verschiedener Stände übereinander, sowie eine Chronik der Stadt Augsburg.343 Letztere steht zwischen der Fabelsammlung und dem ersten Teil der Fastnachtsspiele,344 hat jedoch von der Art des Erzählens her keine Beziehung zu den restlichen Stücken der Handschrift. Dies ist für die Verbindung von Fabel und Chronistik aber keineswegs symptomatisch, wie ich an späterer Stelle noch zeigen werde.345 keineswegs immer auch problemlos benutzbar. Die Handschrift Wien, ÖNB, cod. 2933 beispielsweise enthält nach dem ‚Edelstein‘ (f. 1r–101v) ein Register über die Fabelanfänge (f. 102ra–102rb und 102v), das mit folgender Bermerkung endet: Wer disse biespele mirken wel. Dit ist daz register vber die vor geschreben cappittel. Wilch der lesen wel, der mirgk die czale dar hinder, so vint ersz. (f. 102v). Die verzeichneten Fabelanfänge enthalten allerdings keine Zahlen; dies könnte natürlich ‚technische‘ Gründe haben, dennoch scheint das Wissen darum, wie mit solchen Texten gearbeitet wird, hier durchaus präsent zu sein. Nach der Fabelsammlung enthält die Handschrift eine Weissagung aus Namen und verschiedene Liebesgrüße; vgl. Hermann Menhardt, Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Bd. 2 (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 13), Berlin 1961, S. 637ff. und Tilo Brandis, Mittelhochdeutsche, mittelniederdeutsche und mittelniederländische Minnereden. Verzeichnis der Handschriften und Drucke (MTU 25), München 1968, S. 269. 343 Der Codex stammt aus dem 15. Jahrhundert, nach dem ‚Edelstein‘ steht die Jahreszahl 1458 (f. 95v); die Fabeln sind illustriert, die Geschichte der Stadt Augsburg ebenfalls. Bei den Fabeln finden sich Verweise von Lessing. Beschreibungen bei Otto von Heinemann, Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel. 2. Abt.: Die Augusteischen Handschriften, Bd. III, Wolfenbüttel 1898, S. 392f. und, zum Teil mit Abdruck der Texte, Adelbert von Keller, Fastnachtspiele aus dem fünfzehnten Jahrhundert, Zweiter Theil (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 29), Stuttgart 1853, S. 1357–1372. 344 F. 1r–95v: Boners ‚Edelstein‘, f. 96r–104r: ‚Wie die erwirdig Staut zu Augspurg von Alter her chomen ist‘, f. 104v–106v: Bilder, f. 108r–149v: Fastnachtsspiele, f. 152r–155v: Klagen verschiedener Stände übereinander, f. 156r–189r: Priameln, f. 190r–v: Scherzhafter Brief an eine Frau, f. 191r–199v: Fastnachtsspiele. 345 Ein weiteres Beispiel für ein beziehungsloses Nebeneinander bietet jedoch unter anderem die Handschrift Straßburg, Bibl. nat. et univ., Ms. 2935 (cod. L germ. 727.2°) aus dem 15. Jahrhundert, die nach dem Alten Testament, Gebeten und verschiedenen Chroniken auch einen 54 Fabeln umfassenden ‚Edelstein‘ überliefert: Hie nach vachet an meister Isopus der diß bůch gedichtet vnd machet vmb lere vnd vmb bischafft willen den lütten daruß nemen vnd

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Eine in der Boner-Überlieferung von den Texten her zwar einmalige, jedoch unter funktionalen Aspekten nicht weiter außergewöhnliche Zusammenstellung überliefert der Codex Augsburg, UB, cod. Oettingen-Wallerstein I. 3. 2° 3, der den ‚Edelstein‘ mit ‚Des Teufels Netz‘ und einer Sibyllenweissagung kombiniert.346 ‚Das Teufelsnetz‘, eine satirisch-didaktische Dichtung, führt die sieben Todsünden und die Zehn Gebote vor. An den streng hierarchisch gegliederten Sündenspiegel schließt sich die Sibyllenweissagung an, die über die Heils- und Weltgeschichte unterrichtet. Die Prachthandschrift aus dem 15. Jahrhundert347 stammt aus der Bibliothek des Grafen Wilhelm von Oettingen, der ‚Edelstein‘ ist sorgfältig illustriert; es handelt sich vermutlich um eine von einem einzigen Schreiber ausgeführte Auftragsarbeit, die eine große formale Geschlossenheit aufweist und den Charakter eines Nachschlagewerks besitzt, das Hilfe für sämtliche Fragen des Lebens anbietet. Eine gängige Überlieferungsgemeinschaft tradiert die Handschrift Stuttgart, WLB, cod. HB X 23, die die Bonersche Fabelsammlung hinter den ‚Ackermann aus Böhmen‘ des Johannes von Tepl und deutsche Übersollent alle menschen ein bischafft nemen vnd zů gůttem keren vnd eß nit für ein gespött haben noch für ein schimpf des bitt uch der meister. (f. 164ra–b). Die ernsthafte Betonung des Lehraspektes paßt hier zum Charakter der übrigen Texte. Beschreibungen der Handschrift bei Adolf Becker, Die deutschen Handschriften der Kaiserlichen Universitäts- und Landesbibliothek zu Straßburg, Straßburg 1914, S. 120ff. und Ernest Wickersheimer, Manuscrits de la bibliothèque universitaire et régionale de Strasbourg (Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France 47), Paris 1923, S. 578f. Zum Textbestand vgl. Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 433 und 446–449. 346 Eine Beschreibung gibt Karin Schneider, Deutsche mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg. Die Signaturengruppe Cod. III. 1. (Die Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg II, 1), Wiesbaden 1988, S. 42f. Vgl. auch Ingeborg Neske, Die spätmittelalterliche deutsche Sibyllenweissagung. Untersuchung und Edition (GAG 438), Göppingen 1985, S. 113f. und Des Teufels Netz. Satirisch-didaktisches Gedicht aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, hg. v. Karl Barack (Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1863), Amsterdam 1968 sowie Anke Ehlers, Des Teufels Netz. Untersuchung zum Gattungsproblem (Studien zur Poetik und Geschichte der Literatur 35), Stuttgart u. a. 1973 und Ulrich Boner, Der Edelstein. Mikrofiche-Edition der Handschrift Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. I. 3. 2° 3. Mit einem Anhang: Des Teufels Netz, Sibyllenweissagung. Kodikologische und kunsthistorische Beschreibung von Ulrike Bodemann (Codices illuminati medii aevi 7), München 1987. 347 Am Schluß datiert auf das Jahr 1449.

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setzungen des ‚Cato‘, des ‚Facetus cum nihil utilius‘ und Jacobus‘ de Theramo ‚Belial‘ stellt.348 Dabei fügt sich die Fabelsammlung nicht nur neben den deutschen Schultexten gut ein, sondern auch zum ‚Ackermann‘ lassen sich durchaus Verbindungen ziehen: Der Tod wird in dem Streitgespräch zu einem „überheblichen Lehrer, der mit sentenzenhaften und sprichwörtlichen Wendungen, oft ironisch, das Aufbegehren des Ackermanns ad absurdum zu führen versucht […]“.349 Die stoische Argumentation des Todes in Bezug auf das Dasein und dessen unabänderliche Regularitäten ist zwar insgesamt von ganz anderer Qualität als eine Fabel- oder Sprichwortsammlung, das lakonisch präsentierte Wissen über hinzunehmende Gegebenheiten weist jedoch durchaus Parallelen zu den in derartigen Sammlungen angehäuften Ratschlägen bezüglich eines unter den jeweiligen Umständen möglichst optimalen ‚Durch-die-Welt-Kommens‘ auf. Konsequenterweise nehmen sowohl der Tod als auch der Ackermann in ihrer Argumentation Autoritätsberufungen, sprichwörtliche Redensarten und Fabelanspielungen zu Hilfe. In Kapitel 21 betont der Ackermann: Gvt straffung gutlichen auffnemen, darnach tun soll weiser man, hore ich die weisen jheen. […] Wenn dann ein guter straffer auch ein guter anweyser wesen soll, so ratent vnde vnderweysent mich, wie jch […] so auß der massen groß betrubnüß auß dem herczen, auß deme mut vnd auß den synnen außgraben, außtilgen vnd außjagen sullen. […] O herre Todt, alle welt clagt vber euch vnde auch ich. Doch nie so boser man wurde, er wer an etwer gut. Ratent, helffent vnde stewert […].350

Er beruft sich also eingangs auf die weisen und versucht im Verlauf seiner Rede, den Tod unter anderem mit der Redensart, es gebe keinen so schlechten Menschen, der nicht irgendwo gut gewesen sei, dazu zu bewe-

348 Vgl. auch Maria Sophia Buhl, Die Handschriften der ehemaligen Hofbibliothek Stuttgart, Bd. 4, 1. Codices philologici (HB VIII, 1–31), Codices Arabici (HB IX, 1–2), Codices philosophici (HB X, 1–30) (Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Zweite Reihe, 4, 1), Wiesbaden 1972, S. 88f. Der erste Teil der Handschrift ist datiert auf das Jahr 1449 (f. 25vb), der zweite Teil – der ‚Edelstein‘ (ab f. 79) – wurde vermutlich in den Jahren 1446–47 geschrieben. Die Handschrift stammt eventuell aus der Ordenskommende Mergentheim. 349 Christian Kiening, Nachwort, in: Johannes von Tepl, Der Ackermann. Frühneuhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg., übersetzt und kommentiert von Christian Kiening (RUB 18075), Stuttgart 2000, S. 171. 350 Zitiert nach der Ausgabe von Kiening, Der Ackermann (Anm. 349), Kap. XXI, Z. 1–14.

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gen, ihm einen Ratschlag zur Bewältigung seiner Trauer zu geben.351 Der Tod beginnt seine Widerrede mit den Worten: Gä, gä, gä, snattert die gans, man predig, was man wöll. Sollich fadenricht spynnest auch du. Wir hant vor entworffen, das vnclegelichen wesen soll der tot der toten.352

Der Eingangssatz könnte sich auf die Fabel vom ‚Wolf in der Schule‘ und die mit ihr verbundenen Redensarten beziehen;353 der Wolf scheitert daran, in der Schule das Alphabet oder das Paternoster zu lernen, da er seiner Natur gemäß nur an Lämmer, Gänse und Enten als potentielle Nahrung denkt.354 Der Tod verspottet mit dieser Anspielung den trauernden Ackermann, der verständlicherweise ebenfalls nur an sein ständig vorgebrachtes Anliegen denken kann. In seiner Gegenrede erklärt letzterer, er wolle seiner toten Frau ständig gedenken, und der Tod solle aufrichtigere Ratschläge geben: Herre Tot, jr müst trewlicher raten, sol ewer rat icht nücz bringen, anders jr fledermauß must als vor der vogel veintschafft tragen.355

Der Hinweis bezieht sich auf die, beispielsweise auch bei Boner überlieferte, Fabel von der ‚Fledermaus im Krieg der Tiere‘,356 die im Krieg der Vögel gegen andere Tiere verräterisch die Seiten wechselt und sich auf die Seite der Sieger schlägt. Im Bonerschen Epimythion heißt es: Wel mensche als unstaete ist, daz er dur sînen argen list sîn vriunde lâzet an der nôt, der sol von schamen werden rôt.357

351 Zu der Redensart vgl. Kiening, Der Ackermann (Anm. 349), S. 122. Der Tod bezieht sich in seiner Replik auf die stoische Affektenlehre des Aristoteles; Kap. XXII, Z. 15ff., was der Ackermann wiederum mit Hinweis auf die Römer zu kontern versucht; Kap. XXIII, Z. 5ff.; vgl. auch Kiening, Der Ackermann (Anm. 349), S.123f. 352 Kiening, Der Ackermann (Anm. 349), Kap. XXII, Z. 1–3. 353 Vgl. Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 644. 354 Zum ‚Wolf in der Schule‘ und seinen Versionen vgl. auch Dicke, ,Der Wolf in der Schule‘ (Anm. 22). 355 Kiening, Der Ackermann (Anm. 349), Kap. XXIII, Z. 29–31. 356 Vgl. Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 147; Boner Nr. XLIV. 357 Boner Nr. XLIV, V. 45–48.

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Korrespondierend dazu betont der Ackermann vor dem Hinweis auf die Fledermaus ebenfalls und in auffälliger Weise die Notwendigkeit freundschaftlicher Treue: Gut freunde stet gedencken an einander. Ferre wege, […] lange jare scheyden nit liebe freunde. Ist sie mir leiplichen tot, in meyner gedechtnüß lept sie mir doch ymmer.358

Mit Hilfe der Anspielung wird der Tod hier in die Nähe eines Verräters gerückt, der unpassende Ratschläge gibt und daher den Zorn der vogel – in diesem Fall den der Menschen – auf sich zieht. Die variablen Fabelstoffe können hier also zur Untermauerung des jeweiligen Interesses und zur Unterstützung des eigenen Standpunktes in die Argumentation eingebaut werden; sie stehen sozusagen als gedankliches Gemeingut zur Wiederverwendung zur Verfügung und lassen sich flexibel für verschiedene Zwecke einsetzen. Die Handschrift Dresden, LB, Mscr. M 67 (M 67b) überliefert eine Kombination von deutschsprachiger lehrhafter Klein- und Großdichtung, die in gängiger Weise miteinander vermischt wird.359 Der als ‚Freidank‘ firmierende ‚Renner‘ zeigt die funktional und auf Autoritäten hin ausge358 Kiening, Der Ackermann (Anm. 349), Kap. XXIII, Z. 25–29. 359 Inhalt: f. 6ra–102va: Thomasin von Zerclaere ‚Der welsche Gast‘ (illustriert), f. 103ra–145rb: Boners ‚Edelstein‘ (illustriert), f. 146r–209r: Heinrich der Teichner, Spruchgedichte, außerdem Verserzählungen, f. 209v–212r: Freidank, f. 212r– 225r: Auszug aus Hugos von Trimberg ‚Renner‘ unter der Überschrift Hern freidangs gedicht von dem hof vnd von der welt lauf (V. 463–865 und 1789– 2382), vgl. Hugo von Trimberg, Der Renner, hg. v. Gustav Ehrismann. Mit einem Nachwort und Ergänzungen von Günther Schweikle, 4 Bde. (Deutsche Neudrucke), Berlin 1970. Die Handschrift stammt aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts; Beschreibung von Franz Schnorr von Carolsfeld, Katalog der Handschriften der Sächsischen Landesbibliothek zu Dresden. Korrigierte und verbesserte, nach dem Exemplar der Landesbibliothek photomechanisch hergestellte Ausgabe des Katalogs der Handschriften der Königlichen Öffentlichen Bibliothek zu Dresden, Bd. 2, Leipzig 1883 (Nachdruck Dresden 1981), S. 467f. Die Handschrift Frankfurt a. M., Stadt- und Universitätsbibl., Ms. germ. qu. 6 überliefert ebenfalls den ‚Renner‘ (f. 1r–198r) in Kombination mit dem ‚Edelstein‘ (f. 199r–228v), dazu eine Greisenklage (f. 229r–v) und einen Spruch auf den schwäbischen Städtekrieg (f. 239v–242r); vgl. Birgitt Weimann, Die mittelalterlichen Handschriften der Gruppe Manuscripta germanica (Kataloge der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main 5, IV), Frankfurt a. M. 1980, S. 17ff. und Rudolf Kilian Weigand, Der ‚Renner‘ des Hugo von Trimberg. Überlieferung, Quellenabhängigkeit und Struktur einer

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legte Art der Kompilation, die ebenso gut ins bisherige Bild der Fabelüberlieferung paßt, wie ‚Der Welsche Gast‘, welcher, wie auch der ‚Renner‘ und die oben erwähnten ‚Schachzabelbücher‘, auch im Text mit Fabeln operiert, worauf ich im nächsten Kapitel noch näher eingehen werde. Auch der Codex Karlsruhe, BLB, cod. Ettenheimmünster 30 überliefert den ‚Edelstein‘ zusammen mit ‚Freidank‘;360 ebenso die 1870 verbrannte Handschrift Straßburg, Stadtbibl., ohne Signatur, ehemals im Privatbesitz von Johann Georg Scherz, der vermutlich ein ‚Freidank‘ beigebunden war.361 Die Handschrift St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 643 stellt in vielerlei Hinsicht ein interessantes Beispiel dar; einerseits für die Verknüpfung von Fabelsammlungen sowohl mit Kleinepik als auch mit Chroniken, andererseits für unterschiedliche Arten, Texte zu rezipieren und auszuwerten.362 Die Handschrift befand sich vermutlich spätestens ab 1489 im Besitz der Glarner Familie Tschudi;363 sie enthält im wesentlichen Boners ‚Edelstein‘ (S. 1a–89a), eine auch als ‚Schweizer Anonymus‘ bekannte, von Hanns Fispätmittelalterlichen Lehrdichtung (Wissensliteratur im Mittelalter 35), Wiesbaden 2000, S. 73ff. 360 Beschreibung der Handschrift bei Karl Preisendanz, Die Handschriften des Klosters Ettenheimmünster. Neudruck mit bibliographischen Nachträgen der Ausgabe Karlsruhe 1932 (Die Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Karlsuhe 9), Wiesbaden 1972, S. 15f. 361 Vgl. Johann Georg Scherz, Philosophiae moralis Germanorum medii aevi specimina I–XI, Straßburg 1704–10; Bodmer/Breitinger (Anm. 198), S. 4v–*5v; Jeremias Jakob Oberlin, Bonerii Gemma sive Boners Edelstein. Fabulas C e phonascorum aevo complexa ex inclyta bibliotheca ordinis S. Joh. Hierosol. Argentoratensis. Supplementum ad Joh. Georgii Scherzii Philosophiae moralis german. medii aevi specimina undecim, Straßburg 1782; Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 433. 362 Die Ausführungen bezüglich dieser Handschrift, v. a. diejenigen zum ‚Schweizer Anonymus‘, welche hier nur in gekürzter Form wiedergegeben werden, basieren zum Großteil auf Kattrin Schlecht, Das ich ouch bischaft mach. Lesevorgänge und gedankliche Interferenzen am Beispiel des ‚Schweizer Anonymus‘, in: Lesevorgänge. Prozesse des Erkennens in mittelalterlichen Texten, Bildern und Handschriften, hg. v. Eckart Conrad Lutz u. a. (Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen 11), Zürich 2010, S. 315–332. 363 Vgl. Hans-Joachim Ziegeler, Das Vergnügen an der Moral. Darbietungsformen der Lehre in den Mären und Bispeln des Schweizer Anonymus, in: Germanistik – Forschungsstand und Perspektiven. Vorträge des Deutschen Germanistentages 1984, 2. Teil: Ältere Deutsche Literatur/Neuere Deutsche Literatur, hg. v. Georg Stötzel, Berlin/New York 1985, S. 88–109, hier S. 89.

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scher so genannte ‚Schweizer Kleinepiksammlung aus dem 15. Jahrhundert‘ (S. 89a–128b), die ‚Chronik der Stadt Zürich‘ für die Jahre 1313–1389 (S. 131–153) und 1428–1433 (S. 153–157) in der Bearbeitung von Rudolf Mad, sowie dessen sogenannte ‚Glarner Fortsetzung der Chronik der Stadt Zürich‘ für die Jahre 1460–1478 (S. 159–201).364 ‚Edelstein‘ und ‚Schweizer Anonymus‘ sind, anders als die restlichen Texte, zweispaltig geschrieben; beide waren zur Illustration vorgesehen, die Federzeichnungen sind jedoch beim ‚Edelstein‘ nur unvollständig, beim ‚Anonymus‘ überhaupt nicht ausgeführt. Die wohl von Rudolf Mad stammende Foliierung umfaßt genau und ausschließlich den Boner- und Anonymus-Teil; ihr gegenüber steht die durch die gesamte Handschrift hindurchgehende – und hier zitierte – Paginierung, welche teilweise vermutlich von der Hand Aegidius Tschudis stammt.365 Die, ebenso wie die ‚Glarner Fortsetzung‘, nur in dieser Handschrift erhaltene Kleinepiksammlung ist uns im Cod. Sang. 643 vermutlich bereits als – zusammen mit dem ‚Edelstein‘ als Einheit eingefügte – Abschrift überliefert, wie typische Abschreibefehler nahelegen,366 die Chroniken wohl im Original.367 Die Anlage, Gestaltung und Kommentierung der Handschrift verraten, daß der Schreiber, oder auch der Auftraggeber, der Chronik durchaus auch an ‚Edelstein‘ und ‚Schweizer Anonymus‘ interessiert war, und es sich hier nicht nur um 364 Detaillierte Beschreibungen der Handschrift ebd., S. 89ff. und Beat Matthias von Scarpatetti, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 1, Abt. IV: Codices 547–669: Hagiographica, Historica, Geographica, 8.–18. Jahrhundert, Wiesbaden 2003, S. 268–271. Hinsichtlich der Chroniktexte außerdem Emil Dürr, Die Chronik des Rudolf Mad, Landschreibers von Glarus. (Dritte Fortsetzung der Chronik der Stadt Zürich), in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 9 (1910), S. 95–110. Diese sind ediert von Johannes Dierauer, Chronik der Stadt Zürich. Mit Fortsetzungen, hg. v. Johannes Dierauer (Quellen zur Schweizer Geschichte 18), Basel 1900, der ‚Schweizer Anonymus‘ von Hanns Fischer, Eine Schweizer Kleinepiksammlung aus dem 15. Jahrhundert, hg. v. Hanns Fischer, Tübingen 1965. 365 Vgl. Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 91; anders Scarpatetti, Handschriften (Anm. 364), S. 268, der bezüglich der Zuteilung an Rudolf Mad vermutet, daß dies „[…] kaum zutrifft, ebensowenig wie die Zuteilung des Textes von Rudolf Mad […] an dessen eigene Hand.“ Die laut Ziegeler von Tschudi stammenden Teile der Tintenpaginierung schreibt er Ildefons von Arx zu. 366 Vgl. z. B. S. 7a, 92a, 108b; andere Überlegungen bei Hans-Friedrich Rosenfeld, Mittelhochdeutsche Novellenstudien, I. Der Hellerwitz, II. Der Schüler von Paris (Palaestra 153), Leipzig 1927, S. 122. 367 Hierzu Dürr, Die Chronik des Rudolf Mad (Anm. 364), S. 96.

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eine zufällige Verbindung handelt. Für Tschudi, der die Fortsetzung für seine eigene ‚Eidgenössische Chronik‘ quellenkritisch ausgewertet hat,368 war – jedenfalls auch – insbesondere der Chronik-Teil von Interesse; Rudolf Mads Interessen lagen vermutlich etwas anders: Vergleicht man seine ‚Zürcher Chronik‘ mit anderen Fassungen, so zeigt sich in den Kürzungen und Bearbeitungen deutlich die Tendenz, den Gang der Geschichte als Exempel-Reihe, als immer neu sich wiederholende Beispiele für den Lauf der Welt darzustellen, in dem ‚unwichtige‘ Ereignisse genauso ihren Platz haben wie Kriege und Schlachten. Für jemanden, dem sich Geschichte so darstellt, reihen sich Boner und Anonymus natürlich hervorragend in diese Handschrift ein, und Rudolf Mad gibt, indem er sie den Chroniktexten voranstellt, quasi eine Anleitung, wie diese zu lesen und zu verstehen seien.369 Tschudi liest die Chroniken aber offenbar anders: er versieht Stellen, die für ihn relevante Ereignisse wie zum Beispiel Schlachten wiedergeben, mit nota; er unterstreicht Informationen wie zum Beispiel Sterbedaten, schreibt Datumsangaben an den Rand und macht am Schluß der Handschrift ein alphabetisches Verzeichnis des in der Schlacht bei Sempach (1386) gefallenen Adels.370 Dabei wird erkennbar, daß Tschudi ein ‚hartes‘ historisches Fakteninteresse an die Texte heranträgt, während Mad daneben großen Wert auf die Einordnung von Ereignissen in den ‚Lauf der Welt‘ legt, in eine Regelhaftigkeit, was er mit der exempelhaften Kombination verschiedener Ebenen der Historiographie und wohl auch mit den vorangestellten ‚Leseanleitungen‘ erreicht. Der Text wird also anders rezipiert, als dies vermutlich gedacht war; auch Tschudis Eintragungen bei den Fabeln scheinen seinen Zugang zu bestätigen. Hier macht er mehrere Randbemerkungen und Korrekturen, die ebenfalls eher für einen philologischen Zugang sprechen. Er korrigiert Fehler im Text, berichtigt Reime 368 Hierzu Dürr, Die Chronik des Rudolf Mad (Anm. 364), S. 97ff. 369 Dies ist keineswegs eine einmalige Besonderheit; beispielsweise die ‚Chronik der Grafen von Zimmern‘, auf die ich im nächsten Kapitel noch eingehen werde, demonstriert ein ähnliches Prinzip; allerdings wird dort keine Exempelsammlung vorangestellt, sondern es werden Schwänke und Schwankreihen eingefügt, zum Teil als mit genauen Stellenangaben versehene Nachträge. Zu Mads ‚Technik‘ vgl. auch Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 88f. und Dürr, Die Chronik des Rudolf Mad (Anm. 364), S. 107f., der allerdings die „Ansicht“ vertritt, das „ausschlaggebende Moment [liege] in dem Mangel einer fortlaufenden Stetigkeit der Aufzeichnungen und in dem mannigfachen Interesse des Chronisten […], das sich vielerlei Dingen zuwendet, die man in amtlichen Chroniken nicht finden würde“ (S. 107). 370 Verzeichnis auf S. 240f.; Randnoten z. B. S. 133, 178–184, 189–196, 258f.

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und ergänzt fehlende Verse.371 Dies alles muß natürlich keineswegs bedeuten, daß er die Madsche Zusammenstellung – die eventuell ja auf seinen Auftrag zurückging – nicht erkannt und vielleicht sogar goutiert hat; seine Benutzerspuren lassen jedenfalls eine andere Herangehensweise erkennen. Eine andere Art des Umgangs mit Texten führt uns der anonyme Verfasser der Kleinepiksammlung vor. Diese wurde offenbar von den Rezipienten als zum Boner-Text gehörig empfunden, wie das bereits angesprochene Layout des Cod. Sang. 643 verrät, in dem die beiden Sammlungen bereits eine formale Einheit bilden. Mindestens ebenso deutlich zeigt sich die Zusammengehörigkeit der beiden Sammlungen freilich auf der Textebene; bereits Ziegeler372 hat gezeigt, daß die Beschäftigung des Anonymus mit Boners Text so wenig ‚intim‘ nicht war, wie sie der Forschung seit Rosenfeld galt.373 Dennoch lohnt sich eine erneute Betrachtung seines Werkes unter dem Aspekt eines Lese- und eines damit verbundenen Assoziationsvorganges, welcher den unbekannten Dichter zu einer in einigen Punkten sehr genauen und überraschend pointierten Auseinandersetzung mit dem Fabeltext bringt, die als bloßes Zeugnis der „literarischen Laune eines Dilettanten“374 durchaus erstaunlich wäre. Die Frage, ob der anonyme Kleinepiker den Boner-Text selbst abgeschrieben hat und anschließend ‚Lust‘ bekam, auch zu dichten und das „Produkt dieser Anwandlung [...] gleich seiner Abschrift an[fügte]“,375 oder ob wir es nicht doch eher mit einem Autor, welcher den ‚Edelstein‘ nur gelesen und daraufhin seine eigenen Texte aufgeschrieben hat, zu tun haben als mit einem Kopisten und ‚Hobbydichter‘, ist dabei eher unerheblich.376 Sein Werk läßt bei genauerer Betrachtung jedenfalls auf eine intensive Beschäftigung mit Boners Text schließen, welche in ihrem kreativen ‚output‘ durchaus auch über diesen hinausgeht, weitere Texte mit einbezieht und somit auch die gedanklichen Interferenzen zwischen Gelesenem und Erinnertem während einer solchen Lektüre und Weiterverarbeitung zeigt.

371 Z. B. S. 22, 25, 27, 30, 31, 35, 36, 38, 43, 47, 49. 372 Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 100ff. 373 Rosenfeld (Anm. 366), S. 122: „Sehr intim ist die Beschäftigung unseres Dichters mit Boner gewiß nicht gewesen.“ 374 Fischer, Anonymus (Anm. 364), S. VII. 375 So Fischer, Anonymus (Anm. 364), S. VII. 376 Überlegungen zu dieser Frage bei Tanja Weber, Die Vergeltung im Werk des Schweizer Anonymus: Zwischen Ernst und Komik, in: Bausteine zur Sprachgeschichte der deutschen Komik, hg. v. Alexander Schwarz (Germanistische Linguistik 153), Hildesheim u. a. 2000, S. 75–93, hierzu S. 78ff.

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Der Anonymus-Text beginnt ziemlich übergangslos in derselben Spalte, in der der ‚Edelstein‘ endet377, und knüpft wörtlich an diesen an: Also hat dis buoch ein ende got uns sin göttlichen segen send Amen378 Sid dis buoch ein ende hat, so wil ich ouch ein torentat in dis buoch schriben, [...] das ich ouch bischaft mach und doch nit witzen darzuo han. [...] doch wem es nit gevalle wol, dem rat ich, das er sol underwegen lassen sin lesen und sol mich ouch lassen gnesen.379

Der Anonymus knüpft bereits hier in zweifacher Weise wörtlich an den Boner-Text an,380 zum einen, indem er das Zuendegehen der Fabelsammlung als – im Vergleich zu den gängigen Vorreden doch etwas humoristisch anmutende – Begründung für seinen eigenen Text anführt, zum anderen, indem er den Schluß der Bonerschen Fabel von ‚Jäger und Tiger‘anzitiert,381 in der es ebenfalls heißt: wem mîn geticht nicht wol gevalt, ez sî wîp, man, jung oder alt, 377 F. 89a; zwischen den Texten sind lediglich zwei Zeilen freigelassen, vgl. Abb. 22. 378 F. 89a; Boner-Zitate im folgenden nach der Ausgabe Pfeiffers, AnonymusZitate nach Fischer, Eine Schweizer Kleinepiksammlung (Anm. 364); wo der Text des Cod. Sang. 643 von dem der Pfeifferschen Ausgabe in relevanter Weise abweicht, zitiere ich wie hier aus der Handschrift. 379 Schweizer Anonymus, Nr. I, V. 1–16. 380 Einige Nachweise wörtlicher Übereinstimmungen bereits bei Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), und erneut – allerdings nicht darüber hinausgehend – bei Weber, Vergeltung (Anm. 376). 381 Die Fabel von ‚Jäger und Tiger‘ ist in der Bestandsklasse III, welcher der Cod. Sang. 643 angehört, die zweite Einleitungsfabel nach der Fabel von ‚Affe und Nuss‘. In den Handschriften, welche den Maximalbestand enthalten, fungiert sie hinter dem Prolog, der in Klasse III üblicherweise fehlt, und zwei weiteren Fabeln als dritte Einleitungsfabel. Im heutigen Bestand des Cod. Sang. 643 fehlt aufgrund herausgerissener Seiten unter anderen diese Fabel; Vermutungen zu den fehlenden Blättern bei Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm.

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der lâz mit züchten ab sîn lesen; wil er, sô lâz ouch mich genesen, und wâ diz buoch gebresten habe ûf keinen sin, den nem er abe: daz ist mîn begirde guot. er sol wol vinden, der wol tuot.382

In seiner Zwischenrede nimmt der Anonymus diesen Absatz vollständig – und jetzt Wort für Wort – noch einmal auf.383 Diese Zwischenrede begründet erst die Zusammengehörigkeit der beiden disparat wirkenden ‚Anonymus‘-Teile, indem der Autor für die Ankündigung der dann folgenden fünf Mirakelgeschichten384 noch einmal ganz dezidiert auf den Boner-Text zurückgreift, der für seine eigene Dichtung wohl mindestens so sehr als Inspirationsquelle gelten kann wie seine – und das betont er denn auch deutlich und wohl nicht nur, um den Anforderungen der Gattung gerecht zu werden – Kenntnis der weitverbreiteten Stoffe aus anderen, sowohl schriftlichen als auch mündlichen Quellen.385 Die für Kleinepiksammlungen verschiedenster Art durchaus gattungstypische Betonung, etwas gehört oder gelesen zu haben, scheint hier also nicht nur ernst zu nehmen zu sein, sie läßt sich auch, vor allem im Hinblick auf Gelesenes, an 363), S. 92. Zu den Bestandsklassen vgl. Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 424– 468, hierzu vor allem S. 446–449. 382 Boner, Nr. III, V. 65–72. 383 Schweizer Anonymus, Nr. XVIII, V. 17–24. 384 Zur Frage nach den Gattungen der unterschiedlichen Erzählungen des Anonymus vgl. zusammenfassend Johannes Janota, Art. Schweizer Anonymus, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 8, Berlin/ New York 21992, Sp. 931–942, der sie in fünf Fabeln, fünf Mären, sechs „bispelartige Erzählungen“ und fünf Mirakelerzählungen einteilt. Hanns Fischer, Studien zur deutschen Märendichtung, 2., durchges. und erw. Auflage bes. von Johannes Janota, Tübingen 1983, S. 169, klassifiziert die Texte der Sammlung als vier kurze Schwänke, ein moralisch-exemplarisches Märe, einige Bispel und mehrere bispelhaft behandelte Fabeln und geistliche Erzählungen. Zur Stoffgeschichte und Verbreitung der einzelnen Erzählungen vgl. Rosenfeld (Anm. 366), zu ‚Das Säcklein Witz‘; Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24) zu den Fabeln; Frederic C. Tubach, Index Exemplorum. A handbook of medieval religious tales (FF Communications 204), Helsinki 1969; Zusammenstellung bei Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 97. 385 Eine Zusammenstellung seiner Quellenberufungen bietet Fischer, Eine Schweizer Kleinepiksammlung (Anm. 364), S. IX; als Beispiele seien hier genannt: als ich ein bredgi han gehort (Nr. XVIII, V. 4), als ich an einem buoche las (Nr. IX, V. 6).

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den Texten des Anonymus zeigen und auf die Boner-Fabeln als Ausgangspunkt zurückführen. Durch die erneute und umfangreiche Berufung auf diese Vorlage in der Zwischenrede vermittels eines wörtlichen Zitates wird sie für den Rezipienten erneut deutlich in den Vordergrund gerückt – und mit ihr der Lektüre- und Denkvorgang des anonymen Dichters als Klammer der beiden ‚Anonymus‘-Teile. Diese Integration erlaubt es, die beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Teile dennoch als ein sinnvolles Ganzes zu betrachten. Trotzdem ist es möglich, wenn nicht gar plausibel, daß der Autor die letzten fünf Texte erst im Nachhinein angefügt hat, weil er ursprünglich die ihm vorliegende III. Boner-Redaktion mit 84 Fabeln „auf die obligaten 100 ergänzen“ wollte.386 Dafür spräche, daß er offensichtlich auch Boner-Fabeln kennt und einarbeitet, die in seiner Redaktion nicht enthalten sind.387 Andererseits kann nicht als gesichert gelten, daß Boners Sammlung für den Anonymus und seine Zeitgenossen überhaupt so zwingend aus 100 Fabeln bestanden hat, da die meisten der noch erhaltenen Textzeugen der breiten Boner-Überlieferung keineswegs den angenommenen ‚Vollbestand‘ enthalten.388 Dennoch spräche seine Herangehensweise in doppelter Hinsicht dafür, daß sich der Anonymus seiner Vorlagen bewußt und auf die Einheit seiner eigenen Dichtung bedacht war: Einmal in der geplanten ‚Vervollständigung‘ – wenn auch nicht mit den ‚fehlenden‘ Fabeln, die er zum Teil offenbar, wenn auch vielleicht in anderen Versionen und aus anderen Quellen, gekannt hat –, zum anderen in der planvollen Integration der zusätzlichen fünf Texte, welche gleichzeitig seine Ausgangslektüre für uns transparent macht. Dabei steht der Anonymus mit seinem uneinheitlichen ‚Gattungsmix‘ und der unterschiedlichen und nicht klar festzulegenden Provenienz seiner Texte durchaus mehr in der Tradition Boners, als ein erster Blick dies vermuten ließe; dessen Sammlung setzt sich zwar zum Großteil aus Fabeln zusammen, welche den Corpora des Avian und des Anonymus Neveleti entstammen, Boner benutzt jedoch auch zahlreiche Nebenquellen und nimmt ebenfalls nicht ausschließlich Fabeln in seine Sammlung auf.389 Ich will nun an einigen wenigen Beispielen das Vorgehen des Anonymus verdeutlichen. Ich beginne mit dem, mit anderer Intention bereits von Ziegeler und Weber besprochenen Beispiel ‚Der Wolf als Fischer‘,390 um 386 Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 101. 387 Z. B. Anonymus Nr. VI, korrespondierend zu Boner Nr. C. 388 Vgl. die Auflistung bei Bodemann/Dicke (Anm 87), S. 446–449. 389 Zusammenstellung bei Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 299–302 und 310–319. 390 Anonymus Nr. IX; dazu Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 105ff.; Weber, Vergeltung (Anm. 376), S. 80–87.

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meine Vorgehensweise deutlicher zu machen. Die Erzählung beruht zwar auf breit belegten Motiven,391 die unter anderem aus dem ‚Reinhart Fuchs‘ bekannt sind, läßt sich jedoch in der Bearbeitung des Anonymus deutlich auf die ‚Fabel vom Löwenanteil‘ zurückführen,392 welche der unbekannte Dichter in regelrecht parodistischer Weise abändert und mit anderen Motiven kombiniert. In der zugrunde liegenden Boner-Fabel beschließen ein Löwe, eine Ziege, ein Ochse und ein Schaf, alles miteinander zu teilen, was sie gemeinsam erjagen. Als sie jedoch einen Hirsch erlegt haben, reklamiert der Löwe gegenüber seinen wehrlosen Gesellen alle vier Teile für sich. Boner erzählt dies folgendermaßen: Vier gesellen kâmen über ein, daz allez sölde sîn gemein, waz si bejagten ûf der vart; daz selb mit eid bestaetet393 wart. [...] ein schâf der vierde geselle was als ich an einem büechlîn las. ein hirz begegnet inen dô, [...] er wart zerhouwen schiere und wart geteilt in viere. dô sprach der löwe vreissan: ‚den êrsten teil den sol ich hân; der sol mir durch mîn edelkeit vor iu allen sîn bereit. den andern teil gît mir mîn kraft und ouch mîn grôziu meisterschaft. der dritte sol mir nicht engân, wand ich alrmeist gevochten hân. mir blîbe denn der vierde teil, die vriuntschaft lâz ich an ein heil, die wir zesemen hân gesworn.‘394

391 Vgl. Tubach, Index (Anm. 384), Nr. 2074 (‚Fishing with tail‘) und 3068 (‚Lion’s share‘) und Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 224 und 402. 392 Boner Nr. VIII. 393 Im Cod. Sang. 643 steht gefestnet (S. 4b); diesen Ausdruck verwendet auch der Anonymus in seiner Version. 394 Boner Nr. VIII, V. 1–25.

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In der anonymen Erzählung stellt ein Wolf einen Fuchs als Knecht an und verspricht ihm im Gegenzug, ihn zu ernähren und zu bezahlen. Immer wenn der Fuchs eine Beute erlegt, reklamiert der Wolf allerdings alle Teile für sich; im Gegensatz zu den Tieren in der Fabel rächt sich der Fuchs jedoch, indem er den Wolf durch eine List auf einem Weiher festfrieren läßt, wo dieser von einem Mann erschlagen wird: der knecht ein fuchs was, als ich an einem buoche las. der fuchs solt dem wolf helfen steln und solt es vor den lüten verheln. [...] Do der dienst wol gefestnet wart, do huob sich der fuchs uf die fart und fieng ein gans, die was guot. [...] der wolf teilt die gans do an dri teil und sprach also: ‚los fuchs, was ich sage dir. der erst teil gehört mir. der ander gehört den kinden min. der drit sol mines wibs sin.‘ [...] Der fuchs zoch uf das feld hindan do sach er ein geis gan [...] er fieng da die geis zehand und gieng, da er fand sin meister. vil bald er kam. [...] er sprach: ‚der erst teil ist ouch min. der ander sol der kinden sin. der dritt gehört miner frowen.‘395

Die Anklänge an den Boner-Text sind deutlich geworden; während der Löwe sich jedoch auf seine edelkeit, seine kraft und seinen, keineswegs abwegigen, größeren Anteil am Kampf beruft, verweist der Wolf in der Anonymus-Erzählung lediglich lakonisch und begründungslos auf sich, seine Frau und seine Kinder als rechtmäßige Inhaber der von ihm geschaffenen drei Teile. Auffällig ist dabei das Vorgehen, die Tiere von vornherein in drei Teile zu zerlegen, obwohl eigentlich mit Wolf und Fuchs nur zwei 395 Anonymus Nr. IX, V. 5–41.

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Protagonisten beteiligt sind – jedenfalls aus der Sicht des Fuchses, den die unerwartete Verteilung wohl ebenso überraschen dürfte wie den Leser, wenn auch auf für ihn weniger amüsante Art. Während die Boner-Fabel in ihrem Epimythion praktische Lebensklugheit, bescheidenheit, das kluge Sich-Einrichten in der Welt ohne moralisierende Wertung vermittelt,396 überlegt sich der Fuchs des ‚Anonymus‘, wie er den wolf wölt beschissen,397 und läßt ihn durch ein falsches Versprechen auf dem Eis festfrieren, wo dieser schließlich von einem zufällig vorbeikommenden Mann erschlagen wird. Im anschließenden Epimythion wird nun, konträr zu Boner, der Aspekt der Rache und des Sich-Wehrens betont: wer mir abbricht min rechten lon, mag ich den betriegen, das wil ich tuon. wem ich tuon recht und wol und denn mir nit lonet, als er sol, den wil ich bringen in leid und in we und wil im dienen niemer me, als der fuchs hat geton, do im der wolf den rechten lon umb sin dienst nit wolt geben. er bracht den wolf umb sin leben.398

Die unübliche Personalisierung im Epimythion und die in diesem Zusammenhang regelrecht übertrieben emotional wirkende Tirade gegen Machtmißbrauch und Ungerechtigkeit wirkt in Verbindung mit der eigentlich nur zufällig gelingenden und in letzter Konsequenz keineswegs vom Fuchs selbst ausgeführten Rache weniger wie ein ernst gemeinter Gegenentwurf zur Bonerschen Fabel, als vielmehr wie deren parodistische Weiterentwicklung.399 In dieses Schema passen auch die absurde Abän396 Ez beschicht noch wol (und ist ouch recht), / sô sich gelîchen wil der knecht / dem hêrren durch sîn tumben muot, / der schedget sich. ez ist nicht guot / mit hêrren kirsen ezzen. / [...] / vor gewalt kûm ieman mag genesen (Boner Nr. IX, V. 29–44). 397 Anonymus Nr. IX, V. 51. 398 Ebd. 87–96. 399 Anders Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 106: „Offensichtlich unzufrieden mit der [...] Fabel und der ihr adäquaten Moral Boners [...], erweitert der Anonymus seine Version vom Löwenanteil in einem Dienstverhältnis um eine Revanche des Betroffenen [...] und führt somit bereits in der Erzählung am Beispiel des Fuchses vor [...], wie er selbst sich verhalten wolle, wenn ihm Gleiches geschehe“, und S. 109: „Es ging ihm wohl darum, in den politischen und religiösen Auseinandersetzungen seiner Zeit [...] mehr oder

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derung der aufgezählten Gründe für die Beanspruchung der Teile, welche sich keineswegs zwingend aus dem erzählten Text ergibt, und die wiederholte und in ihrer Formulierung an die Boner-Fabel erinnernde Nennung dieser Gründe beim Anonymus, was vor der Folie der Fabel insgesamt einer gewissen Komik nicht entbehrt. Freilich ist nicht auszuschließen, daß der Anonymus sich auf konkrete Ereignisse bezieht oder unter deren Eindruck schreibt,400 auch wenn diese nicht belegbar sind und wir letztendlich nichts über den anonymen Dichter und seine Lebensumstände wissen. Dennoch scheint er hier vor allem ein kombinatorisches Spiel mit Versatzstücken und Motiven aus verschiedenen, freilich nicht eindeutig als Vorlagen zu identifizierenden Texten zu betreiben, welche er – angeregt von dem ihm vorliegenden Boner-Text, den er zum Teil anzitiert und in seiner Struktur kopiert, zum Teil vielleicht auch nur noch von intensiver Lektüre oder vom Abschreiben her im Kopf hat – weiterverarbeitet. Auch der Gedanke der Rache für erlittenes Unrecht ist Boner keineswegs fremd und taucht in anderen Fabeln immer wieder auf, so zum Beispiel in der Fabel von ‚Wolf und Fuchs‘401 oder ‚Fuchs und Storch‘,402 um nur zwei Beispiele zu nennen, in deren Epimythien in ganz ähnlicher Weise, allerdings ohne Personalisierung, wie in jenem des Anonymus dieser Gedanke thematisiert wird. Erlittenes Unrecht nicht einfach hinzunehmen, ist also keineswegs ein originärer Gedanke des Anonymus, und er widerspricht dem Bonerschen Programm zwar in dieser Fabel, jedoch keineswegs insgesamt, so daß man sagen könnte, der Anonymus sei mit Boners Moral und seinen fehlenden Orientierungshilfen „offensichtlich unzufrieden“.403 Ein weiteres Beispiel, das an dieser Stelle besprochen werden soll, ist die Fabel ‚Der Wolf und die Geige‘,404 welche deutliche Bezüge zu Boners weniger vergnüglich, aber jedenfalls anders als Boner, Orientierungshilfen zu geben.“ Siehe auch Weber, Vergeltung (Anm. 376), S. 87: „Sein Anspruch geht ja nicht nur dahin, dass Dienstverhältnisse zu ungerechten Herren gekündigt werden sollten, sondern er will sich ihrer Präsenz ganz entschieden und endgültig – persönlich – entledigen. Die starke Prädominanz des ‚Ich‘ in der Moral lässt keinen Zweifel daran, dass eine aktualisierende, praxisorientierte Lektüre der Fabel gewünscht wird, und es ist verlockend, hier eine Anspielung auf konkrete Begebenheiten zu vermuten [...].“ 400 Spekulationen bei Weber, Vergeltung (Anm. 376), S. 87, und Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 95f., S. 109. 401 Boner Nr. LV. 402 Ebd. Nr. XXXVII. 403 Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 106. 404 Anonymus Nr. XVI.

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Einleitungsfabel von ‚Affe und Nuß‘ aufweist.405 Boner erzählt von einem Affen, der vil guoter nuzzen vant,406 und da man ihm gesagt hat, deren Kerne seien lustlîch unde guot,407 will er sie essen, jedoch: beswaeret wart sîn tumber muot, do er die bitterkeit bevant der bretschen, und dar nâch zehant begreif der schalen hertekeit. ‚von nuzzen ist mir vil geseit‘ sprach er, ‚dast mir nicht worden kunt; si hânt verhoenet mir den munt.‘ hin warf er ûf der selben vart die nuz, der kerne im nicht enwart. Dem selben affen sint gelîch, si sîn jung, alt, arm oder rîch, die durch kurze bitterkeit versmâhent lange süezekeit.408

Die korrespondierende Erzählung des Anonymus handelt von einem Wolf, der ein gigen fand,409 die er zehand ergreift;410 aus ihrem Klang schließt er, sie sei süesser spise vol411 und will sie essen:412 also beis er ie darin zehand. vil bald er do wol befand, das es hertes holze was. zehant sprach er: ‚was sol das? das da hat so süessen ton und doch kein guot kunt davon, es hat sicher mich betrogen. sin stime hat mir gelogen. won si was süess, do wand ich si were ouch süesser spise rich. das ist aber nit, wan si ist vol hertikeit, das spür ich wol.‘ Diser gigen sint glich,

405 Boner Nr. II. 406 Ebd., V. 2. 407 Ebd., V. 5. 408 Ebd., V. 6–18. 409 Anonymus Nr. XVI, V. 9. 410 Ebd., V. 10. 411 Ebd., V. 16. 412 Ebd., V. 18.

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es sient arm oder rich, es sient frowen, man, jung oder alt, die ir wort mänigfalt kunnent sprechen mit süessigkeit und doch der selben bitterkeit darin verborgen habent.413

Auch hier übernimmt der Anonymus Ausdrücke, Formulierungen und strukturelle Merkmale aus der Boner-Fabel, und wieder verändert er dessen Aussage. Die „Umkehrung von dessen Perspektive“,414 so daß bei ihm nicht der Betrogene, sondern der Betrüger schuld ist, würde ich dennoch nicht als Kritik an oder Unzufriedenheit mit Boners „relativer Moralität“ sehen,415 sondern als parodistisches Spiel. Während der Affe in dieser, das Verständnis von Fabeln insgesamt thematisierenden und dadurch ernsten Einleitungsfabel416 den sprichwörtlichen ‚Kern‘ der Nuß – auf anderer Ebene den einer Aussage – nicht erkennt, obwohl man ihm gesagt hat, dieser sei wohlschmeckend, schließt der Wolf des ‚Anonymus‘ vom klang einer Geige auf deren Geschmack, was für sich genommen bereits absurd genug wäre; hinzu kommt, daß Nüsse prinzipiell essbar sind, sofern man ihre Schale entfernt und die Kerne freilegt, auf Geigen trifft dies nicht zu. Somit kann die Geige im Epimythion des Anonymus gar nicht ernsthaft als Schuldiger beziehungsweise Betrüger gelten, ebensowenig wie die mit ihr gleichgesetzten Menschen. Die Analogie verliert durch ihre ‚Unsinnigkeit‘ an Schärfe, die Kritik wird abgemildert und wirkt vor der Folie der Boner-Fabel wiederum eher erheiternd. Ich würde hier eher eine scherzhafte Verkehrung der Perspektive von Boners „Fabel von der Fabel“417 sehen als eine ernsthaft anklagende Umkehrung der Schuld.418 Thema ist hier nicht mehr das richtige Verständnis einer bîspel-Sammlung, sondern es wird ein Szenario vorgeführt, das im Vergleich mit der zugrunde liegenden Fabel jeglicher Handlungslogik entbehrt, und zu dem durchaus auch ein die Geige anstatt den tumben und sich selbst täuschenden Wolf 413 Anonymus Nr. XVI, V. 19–37. 414 Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 104. 415 Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 332. 416 Vgl. zu den Einleitungsfabeln Speckenbach (Anm. 116), S. 178–229, hier S. 196ff., und Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 307ff. 417 Speckenbach (Anm. 116). 418 Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 104: „[...] nicht der Betrogene, der Betrüger ist schuldig.“ Ich würde sowohl Affe als auch Wolf auf der Ebene des Erzählten als sich selbst Täuschende sehen; einen anderen „Betrüger“ kann ich nicht ausmachen.

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beschuldigendes Epimythion paßt. Dieser eher schwankhafte Charakter des ‚Anonymus‘, die nicht ganz ernste Auseinandersetzung mit seiner Vorlage, wird noch unterstrichen durch die Aufnahme – ebenfalls mit Boner-Zitaten garnierter – rein schwankhafter Stücke, welche bei Boner keine direkte Vorlage finden, aber dennoch zum Teil mit dessen Motiven und Themen operieren. Der öfter besprochene Schwank ‚Zweierlei Bettzeug‘,419 bekannt beispielsweise aus Paulis ‚Schimpf und Ernst‘, Bebels ‚Facetiae‘ oder aus dem ‚Eulenspiegel‘, beruht auf dem klassischen Prinzip von Schlag und Gegenschlag, endet aber völlig schwankuntypisch mit einem Epimythion, welches unmißverständlich festhält: Widergelt wart nie verbotten. wer spottet, des sol man spotten. wer den andern tören wil, der wirt vil dik der torn spil [...] wer der lüten spotten wil, so es denn kumpt uf das zil, so wirt er lasters und spottes vol. wirt er betrogen, das ist wol.420

Dieses Epimythion ist deutlich an Boner angelehnt, der immer wieder die Themen Betrug, Gegenbetrug und Selbstbetrug, List und Gegenlist, Spott und Vergeltung bearbeitet; als Beispiel sei hier ein Teil des Epimythions der Fabel ‚Von einer Fliege und einem Glatzkopf‘ zitiert: tôren spot wirt niemer guot; doch spottent si, waz ieman tuot: des müezen si verderben und gar ze spotte werden! ze spotte wirt vil gern der man, der alzît nicht wan spotten kan.421

Häufig vorkommende Themen beim Anonymus sind auch Ehebruch und Frauenlist, die bei Boner ebenfalls eine Rolle spielen.422 Als Beispiele

419 Z. B. von Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 98, und Weber, Vergeltung (Anm. 376), S. 87–92. 420 Anonymus Nr. IV, V. 77–86. 421 Boner Nr. XXXVI, V. 35–40. Für die Thematik gibt es zahlreiche Beispiele, u. a. Boner Nr. XIV, XXXVII, LV, LXXIV. 422 Anonymus Nr. V, VII, X, XIII, XIV und z. B. Boner Nr. LXIII, LVII.

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dienen hier ‚Der Pfaffe mit der Schnur‘423 und ‚Frau und Dieb‘.424 ‚Der Pfaffe mit der Schnur‘ ist wiederum schwanktypisch strukturiert, mit Typisierungen, Vorverurteilungen und gegenseitigen Überlistungen.425 Beide Texte handeln von Frauenlist und Untreue, wenn auch in unterschiedlicher Qualität. In der Boner-Fabel trauert eine Frau um ihren toten Mann, lernt dann jedoch einen anderen kennen, der eigentlich in der Nähe des Grabes, an dem die Frau sitzt, einen Erhängten bewachen soll. Während das neue Paar sich vergnügt, kommt der Erhängte abhanden, woraufhin die Frau vorschlägt, diesen einfach durch ihren toten Mann zu ersetzen. Boner kommentiert im Epimythion: wol im! der niut ze tuonde hât mit boesen wîben, der herze stât ûf schalkeit und ûf missetât. [...] hêr Adâm wart ertoeret, Troje wart zerstoeret, hêr Sampsôn wart erblendet, hêr Salomôn geschendet, der tôt man wart erhenket. wer har an nicht gedenket, der ist ein sinnelôser man; diz hât alz wîbes rât getân.426

In der anonymen Erzählung betrügt eine Frau ihren Mann mit dem Pfarrer und bringt ihn mit List zweimal um den Beweis dafür. Die Erzählung endet, indem alle den Mann für unsinig427 halten und der Anonymus in seinem Epimythion vor böser valtscher wiben list warnt,428 wobei er deutlich auf den Boner-Text rekurriert: o wie sälig er nu ist, der mit bösen valschen wiben ein leben nit solt vertriben! [...] also geschach disem armen man. er muost ie unsinnig wesen. ich han noch me gelesen, 423 Anonymus Nr. X. 424 Boner Nr. LVII. 425 Zur Struktur vgl. auch Ziegeler, Vergnügen an der Moral (Anm. 363), S. 105. 426 Boner Nr. LVII, V. 100–114. 427 Anonymus Nr. X, V. 159, 165. 428 Ebd., V. 167.

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das Salomon ein wiser man den wiben ouch nit kont engan, und Samson und Alexander. die kament all in schande von böser valschen wiben list.429

Auch hier übernimmt der Anonymus wieder Themen und Ideen, um sie in eine andere Erzählung einzubauen. Seinen Hinweis, ich han noch me gelesen,430 kann man hier ruhig wörtlich nehmen und durchaus auf Boner beziehen. Die Hinweise auf Salomon und Samson fehlen in anderen Versionen des Märes ‚Der Pfaffe mit der Schnur‘,431 der Autor kombiniert hier getreu seinem Kompositionsprinzip Auszüge aus dem Boner-Text mit der bekannten Erzählung. In einigen Fällen behandelt der Anonymus das gleiche Grundthema wie Boner, erzählt jedoch auf der Handlungsebene eine andere Geschichte.432 Der anonyme Dichter übernimmt also in vielen Fällen Boners Duktus und Formulierungen, genauso wie er in auffälliger Weise die gleichen Themen behandelt. Ich würde diese Ergänzung der Fabelsammlung weder als Nachdichtung noch als Gegenentwurf bezeichnen, sondern als, zum Teil witzig-parodistisches, Spiel mit Texten und Motiven, die, angeregt von Boners Sammlung, neu kombiniert und abgewandelt werden. Der ‚Edelstein‘ stellt dabei zwar die am eindeutigsten identifizierbare Quelle dar, dennoch bleibt er eine unter mehreren, aus denen sich der anonyme Dichter bedient. Dabei spielt vermutlich auch das Interferieren von Gelesenem und Gehörtem, Erinnertem und Präsentem eine nicht unbedeutende Rolle, wie sich in manch eigenwilliger Kombination zeigt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das Lied, welches er samt Noten in den Ehebruchsschwank ‚Der Pfaffe im Käskorb‘433 einfügt, und welches wohl eine Parodie auf ein geistliches Fahrtenlied darstellt.434 Obwohl der ‚Anonymus‘ durchaus auch als eigenständige Sammlung seine Berechtigung hätte, entwickelt er seinen besonderen Reiz doch erst vor der Folie des ‚Edelstein‘, welcher zugleich das Kompositionsprinzip der 429 Anonymus Nr. X, V. 168–183. 430 Ebd., V. 177. 431 Synoptischer Abdruck der vier Fassungen bei Rosemarie Moor, Der Pfaffe mit der Schnur. Fallstudie eines Märes, Bern u. a. 1986, S. 14–65. 432 Aufeinander beziehbar sind hier z. B. Anonymus Nr. II und Boner Nr. XVII, Anonymus Nr. VIII und III und Boner Nr. LXXIX sowie Anonymus Nr. XXI und Boner Nr. LXXXII. 433 Anonymus Nr. XIII. 434 Zum Lied vgl. Walter Salmen, Zur Geschichte eines mittelalterlichen geistlichen Fahrtenliedes, in: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 10 (1965), S. 145ff.

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anonymen Texte sichtbar werden läßt. Der Exkurs zu diesem einzigartigen produktiven Umgang mit dem ‚Edelstein‘ sollte veranschaulichen, wie die Beschäftigung mit Fabeln auch auf eine eher amüsante und spielerische Art geschieht und wie sich die Fabel auch hier als eine Gattung mit ‚offenen Rändern‘ präsentiert, die problemlos in schwankhaftere Texte transformiert werden kann.435 Der Umgang mit dem Text verrät hier ein Hintergrundwissen über – veränderbare – Deutungsgehalte und Motive, die in der Kombination mit der Vorlage neue Deutungspotentiale erschließen. Anhand des Cod. Sang. 643 lassen sich, unter Einbeziehung der Madschen Konzeption und Tschudis Rezeption der Texte, somit gleich mehrere unterschiedliche ‚Reaktionen‘ auf die Fabel- und die Kleinepiksammlung beobachten. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß unabhängig davon, mit welcher Stoßrichtung die Fabeltexte innerhalb der in unterschiedlichen Gebrauchszusammenhängen zu situierenden Handschriften jeweils zugerichtet und kommentiert werden, also zum Beispiel didaktisch, erschließend, spielerisch, assoziativ oder selbst als kommentierende Beigabe zu anderen Texten, dadurch erst ihre Medialität, ihr vermittelndes Potential, deutlich in Erscheinung tritt und somit greifbar gemacht wird. Der (Fabel-)Text ist hier also nicht per se ein Medium, sondern er wird es, indem er vermittels seiner besonderen Struktur und mit Hilfe von erschließenden Beigaben, zum Beispiel Erläuterungen, Bildern, Registern und begleitenden Gesprächen in einen Vermittlungsprozeß eintritt.436

435 Zur Gattungsfrage in der Kleinepik vgl. auch Joachim Heinzle, Märenbegriff und Novellentheorie. Überlegungen zur Gattungsbestimmung der mittelhochdeutschen Kleinepik, in: ZfdA 107 (1978), S. 121–139, hier S. 135, der die Notwendigkeit betont, „tatsächlich wirksam gewesene Traditionszusammenhänge zu ermitteln“. 436 Vgl. z. B. Alexander Roesler, Das Medium zwischen Transport und Interferenz, in: Journal für Phänomenologie 22 (2004), S. 39–48, der die Grundeigenschaft eines Mediums „in der spezifisch ausfallenden Vermittlungsleistung von etwas“ (S. 46) sieht. Dabei sind Medien keine neutralen Vermittler, sondern „interferieren“, indem sie Einfluß auf die Interpretation des zu Vermittelnden nehmen können (ebd.) und Kiening, Medialität in mediävistischer Perspektive (Anm. 25), S. 331: „Medialität ist nicht einfach das Prinzip von Vermittlung und Übertragung, sie zeigt sich vielmehr an dem Prozeß, der zwei Entitäten aufeinander bezieht.“

V Multimedialität und Multifunktionalität: Die Fabel in Literatur und Kunst Was sich innerhalb der handschriftlichen Überlieferung als komplexe Medialität, als Zusammenspiel von Text, Bild, Glossierungen und vermittelndem Gespräch – das Gespräch fungiert hier also mithin als eine Bedingung von Medialität – beobachten ließ, läßt sich auch auf anderer Ebene feststellen, namentlich an Fabelanspielungen innerhalb von Texten und vermittels bildlicher Fabeldarstellungen an anderen Überlieferungsträgern. Aufgrund der prinzipiellen Offenheit auch von Fabeltexten und vor allem von Anspielungen, Sprichwörtern und Redensarten ergibt sich ein breites Spektrum an Deutungs- und Verwendungsmöglichkeiten, was im folgenden zunächst an einigen Beispielstexten untersucht werden soll. Dazu kommt die ‚multimediale‘ Verbreitung von Fabelstoffen, welche – neben der Einbettung in einzelne Texte und Sammlungszusammenhänge – die unterschiedlichsten Kontextualisierungs- und Aktualisierungsmöglichkeiten mit sich bringt. Eine wichtige Rolle spielt hier wohl eine bestimmte Organisation des Erzählens, eine Art der exemplarischen Weltdarstellung und -erschließung, die durch den Gebrauch von Fabeln, Exempeln und Sprichwörtern gekennzeichnet ist und damit eine besondere ‚Form‘ erhält, die sich wiederum einordnen läßt in ein literarisches – und außerliterarisches – Spiel mit Konventionen, Bildung und kluger Situationsbeherrschung. Als erstes Beispiel will ich die circa in den Jahren 1554–1566 entstandene ‚Chronik der Grafen von Zimmern‘ behandeln, in der neben zahlreichen Schwänken auch einige Fabeln zu finden sind.437 Der Chronist Froben von Zimmern bereichert seine Chronik – ähnlich wie Rudolf Mad seine Bearbeitung der ‚Zürcher Chronik‘, allerdings sehr viel ausgeprägter und vor allem schwänkischer – immer wieder mit Mitteilungen, Exempeln und Erzählungen, die Erkenntnisse über den gemain lauff438 der 437 Zimmerische Chronik, 4 Bde., hg. v. Karl Barack (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 91–94), Tübingen 1869. Zu den Realien vgl. Gerhard Wolf, Von der Chronik zum Weltbuch. Sinn und Anspruch südwestdeutscher Hauschroniken am Ausgang des Mittelalters (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 18 [252]), Berlin/New York 2002, S. 130–151. 438 Zimmerische Chronik (Anm. 437), Bd. II, S. 196.

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Welt vermitteln sollen; auch er gibt, unter anderem vermittels der Fabeln, quasi eine Anleitung, wie seine Chronik zu verstehen ist, und beansprucht somit auch eine gewisse Deutungshoheit über das erzählte Geschehen. So führt er die Folgen des Nicht-Erkennens von Inszenierungen am Beispiel eines aus dem ‚Eulenspiegel‘ bekannten Töpfer-Schwankes vor, in dem ein Spaßvogel behauptet, er besitze magische Fähigkeiten und könne dadurch den Töpfer zwingen, seine Krüge zu zerschlagen, was er dann auch vorführt unter der Bedingung, daß die Zuschauer bei Erfolg die Waren bezahlen. Unbekannt ist diesen natürlich, daß der Spaßmacher zuvor mit dem Töpfer verabredet hat, ihm die Krüge zu ersetzen, wenn dieser sie auf ein verabredetes Zeichen hin zerstöre.439 Der Grund der Wiedergabe liegt hier weder im mäßigen Witz der Erzählung noch darin, daß sie so stattgefunden hätte, sondern er liegt ausschließlich darin, auf der Ebene der Narration verschiedene Arten von Wahrnehmung und Wirklichkeit darzustellen und in der damit verbundenen Lehre, daß Schaden erleidet, wer den Inszenierungscharakter einer Szene nicht erkennt, was in einer höfischen Gesellschaft von existentieller Bedeutung war. Solche übernommenen Schwänke und Geschichten als historische Wahrheit auszugeben, wenn sie die eigene Argumentation stützen, entspricht durchaus der zeitgenössischen Geschichtsschreibung.440 Geschichte ist zudem nicht objektiv, sondern ergibt sich erst durch die subjektive Deutung des Autors oder des Rezipienten. Eine ähnliche Funktion wie in Frobens Chronik die übernommenen Schwänke haben, hat zum Beispiel in Ulrich Richentals ‚Chronik des Konstanzer Konzils‘ eine Reihe von vom Autor inszenierter Illustrationen, welche allgemeine Ordnungsmuster geschichtlicher Situationen sichtbar werden läßt, während die Chronik an sich dem zufälligen Lauf der historischen Ereignisse folgt.441 Hinter der literarischen Selbststilisierung des Chronisten und den verschiedenen, in der Chronik geführten Diskursen steht ein „ästhetisches Gesamtkonzept“,442 Schwankhandlung und historischem Bericht liegen gemeinsame Erkenntnis- und Darstellungsmuster zugrunde; die Schwänke kommentieren, perspektivieren und 439 Zimmerische Chronik (Anm. 437), II, S. 32f. 440 Zum Wahrheitsbegriff in der Historiographie des 16. Jahrhunderts vgl. Wolf, Chronik (Anm. 437), S. 40–46. 441 Vgl. Thomas Cramer, Bilder erzählen Geschichte. Die Illustrationen in Ulrich Richentals Chronik als Erzählung in der Erzählung, in: Erzählungen in Erzählungen. Phänomene der Narration in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Harald Haferland und Michael Mecklenburg (Forschungen zur Geschichte der Älteren deutschen Literatur 19), München 1996, S. 327–349. 442 Wolf, Chronik (Anm. 437), S. 135.

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relativieren das Geschehen, animieren den Leser zu eigenen Deutungen und imaginieren zugleich eine exklusive höfische Lachkultur.443 Auf der Ebene des Berichteten erhalten die eingefügten Schwänke und die anzitierten Fabeln neue Sinnpotentiale,444 während sie im Gegenzug als Mittel zur Verhüllung von Kritik, Abmilderung eigener Schwächen oder Verlachung von Kontrahenten dienen. An einer Stelle, an der der Chronist eine unstandesgemäße Ehe schildert, die dann von der Gesellschaft aber stillschweigend übergangen und nicht kritisiert wird, heißt es: [...] die historici die übergeen dises alles und will niemands der grosen herren privatleben anruren oder der katzen die schellen anhenken, sonder schreiben mertails von ires bauchs und von gewins wegen, daran sie doch höchlich unrecht thuen und billicher weren schmaichler und orenmelker, dann historici zu nennen […]445

Das ist eine der Stellen, an der der Chronist Froben von Zimmern erklärt, echte Geschichtsschreiber dürften nicht nur Angenehmes, sondern sie müßten auch die unangenehmen Dinge aufschreiben, um ein getreuliches Bild zu liefern. Er bewerkstelligt dies vor allem, indem er die unangenehmen Seiten in der Geschichte seines Adelsgeschlechts mit Schwänken abmildert und so erträglich macht. Dabei erweist er sich sowohl in seinen seltenen theoretischen Auslassungen als auch in der Anwendung – und der Schilderung fiktiver oder tatsächlicher Anwendungen – als profunder 443 Vgl. v. a. Wolf, Chronik (Anm. 437), S. 429–433 und Gerhard Wolf, Alhie mueß ich ain gueten schwank einmischen. Zur Funktion kleinerer Erzählungen in der Zimmerischen Chronik, in: Kleinere Erzählformen im Mittelalter, Paderborner Colloquium 1987, hg. v. Klaus Grubmüller u. a. (Schriften der Universität-Gesamthochschule-Paderborn. Reihe Sprach- und Literaturwissenschaft 10), Paderborn u. a. 1988, S. 173–186. 444 Bereits die erste überlieferte deutsche Fabel ist in einer Chronik zu finden – und somit auch kontextualisiert. In der ‚Kaiserchronik‘ rettet sich ein alter Bediensteter des Bayernherzogs Adelger vermittels der Fabel ‚Das gegessene Hirschherz‘ aus einem Loyalitätskonflikt. Er inszeniert einen spel-Vortrag, den sowohl der Kaiser als auch ein von Adelger gesandter Bote als bedeutungsloses Spiel mißverstehen, während der ratlose Adelger nach der Erzählung des Boten eine Verbindung zu seiner eigenen Situation herstellt und eine Handlungsanweisung für sich ableiten kann. Vgl. Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 123; Kaiserchronik eines Regensburger Geistlichen, hg. v. Edward Schröder (MGH, Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters 1, 1), Berlin 1985, V. 6854–6921; zur Verbreitung des Stoffes Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 281. 445 Zimmerische Chronik (Anm. 437), IV, 144.

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Kenner sowohl der Fazetie als eben auch der Fabel, die er hier in ihrer verweishaften Zurichtung mit als bekannt unterstelltem Plot vorführt. Diese Unterstellung zeigt einerseits die Geläufigkeit der Stoffe, andererseits versichert sie seine Leser der Teilhabe an bestimmten Gesprächskonventionen wie der der kurzen Anspielung, die von allen verstanden wird und somit ein Gefühl der Zugehörigkeit erzeugt. Genau das führt er für die Teilnehmer der von ihm geschilderten Gesellschaften und für seine potentiellen Leser auch mit der Verwendung von Schwänken vor. Die zitierte Anspielung bezieht sich auf die weit verbreitete Fabel vom ‚Rat der Mäuse gegen die Katze‘.446 Die Mäuse haben Angst vor der Hauskatze, weil niemand sie beschützen kann und beraten sich also, was zu tun sei. Sie einigen sich darauf, der Katze eine Glocke umzuhängen, damit sie diese immer gleich hören und sich verstecken können, wenn die Katze sich nähert. Es ist jedoch keine der Mäuse bereit, das Risiko einzugehen und die Tat auszuführen, so daß der Rat der Mäuse umsonst war. Dieser Fabelstoff hat beispielsweise auch Eingang gefunden in Sebastian Francks Sprichwörtersammlung, in Boners ‚Edelstein‘, Kirchhofs ‚Wendunmuth‘, Paulis ‚Schimpf und Ernst‘ oder Brants ‚Narrenschiff‘. Während Boner in seiner Version wie üblich ein variantenreiches Epimythion anbietet,447 knüpft Pauli, wie in Kapitel II ausgeführt, an mögliche Anwendungssituationen an, indem er nach einer kurzen Wiedergabe des Inhalts übergangslos die Geschichte eines römischen Königs erzählt, dem die Fürsten raten, wie er nach Rom komme, um sich die Kaiserkrone zu holen, und den erst sein Narr darauf aufmerksam macht, daß keiner ihm gesagt habe, wie er aus Rom wieder heraus komme. Gleichzeitig dient der ‚Rat der Mäuse‘ zur Illustration dieser ‚Begebenheit‘.448 Im ‚Narrenschiff‘ dient der Hinweis auf den Stoff als zusammenfassende Überschrift: Manch narr der richt uß yederman und henckt der katzen die schellen an und will sin doch keyn wort nit han449

Während Froben von Zimmern die Anspielung benutzt, um seinen Vorwurf der Feigheit und Schmeichelei gegenüber anderen Geschichtsschreibern zu untermauern und seine Leser für sich und seine Methode einzunehmen, wird sie im ‚Narrenschiff‘ ganz anders verwendet. Hier wirft der Autor seinem Publikum vor, derjenige, der sich von seinen Schwänken 446 Vgl. Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 483. 447 Boner, Nr. LXX, V. 47–64. 448 Pauli (Anm. 73), Nr. 634. 449 Sebastian Brant, Narrenschiff (Anm. 450), Nr. 110.

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getroffen fühle und ihn für sie schelte, hänge der katzen die schellen an / Die im vff beyden oren stan. Durch den Zusatz wird derjenige, der die in der zugrundeliegenden Erzählung eigentlich positiv besetzte – für den kritisierten Autor Brant jetzt allerdings negative – Aktion durchführt, im gleichen Satz beleidigt, indem das Bild ausgeweitet wird auf die Narrenkappe, die dieser selbst aufhabe; der zugehörige Holzschnitt450 bezieht sich denn auch auf beide Komponenten, indem er zwei Narren darstellt, von denen sich einer die Kappe vom Kopf zieht und der andere einer Katze eine Glocke umhängt. Hier zeigt sich wieder die multiple Verwendbarkeit und Kontextabhängigkeit der Fabelstoffe und vor allem der Anspielungen auf sie.451 Die Einbringung des gleichen Stoffes in unterschiedliche Texte evoziert je eigene, durch den jeweiligen Textzusammenhang bedingte Vermittlungsprozesse mit verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten. Auch in Wittenwilers ‚Ring‘ hat die Fabel ihren Platz; im Zuge der ‚Haushaltslehre‘ belehrt Frau Siertdazland Herrn Saichinkruog, der keine Lehre erteilen will, da seiner Meinung nach jeder das Haushalten nach seiner eigenen Art selbst erlernen könne: […] Der nicht wolt lernen fürsich sehen, Dem wurd ze gleicher weis geschehen, Sam der fleugen geschach hie vor Pei der weisen ämbess tor, Die von hunger muosset vasten: Do hiet die ämbess vollen casten. Dar umb so sagt dem guoten gsellen, Wie er sein hause schüll bestellen! Daz chümpt im recht und ist sein fuog.‘452

450 Abgebildet in der Ausgabe Sebastian Brant, Das Narrenschiff. Nach der Erstausgabe Basel 1494 mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben, hg. v. Manfred Lemmer, Tübingen 31986. 451 Ebenso wie die Fabelanspielungen in Text und Bild verwendet Brant häufig Sprichwörter, auf die sich zum Teil auch die Bilder stützen; vgl. Andreas Bässler, Sprichwortbild und Sprichwortschwank. Zum illustrativen und narrativen Potential von Metaphern in der deutschsprachigen Literatur um 1500 (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 27), Berlin/ New York 2003, S. 87–91 und 119; zu Brants Sprichwortquellen S. 82–87. 452 Zitiert nach Heinrich Wittenwiler, Der Ring, hg. v. Horst Brunner (RUB 8749), Stuttgart 1991, V. 5007–5015; zur Fabel vgl. Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 35.

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Saichinkruog antwortet ebenfalls bildlich, aber gar nicht im Sinne der Fabel von ‚Ameise und Fliege‘,453 er rate vor allem, in der Tasche ein Haus aus Silber zu haben, damit man sich alles zur richtigen Zeit kaufen könne. Auch solle man sein Geld und seine Habe nicht mit Gästen, für Spielleute oder Schmuck verbrauchen; auch hier greift er das Grundthema der Fabel auf, ändert es jedoch in der Aussage parodistisch ab. Dies entspricht einem Grundprinzip im ‚Ring‘, Lehren zu thematisieren und ein eindimensionales Verständnis als unzureichend zu entlarven; die Verwendung einer Fabel fügt sich in dieses Schema gut ein, da auch letztere immer kontextabhängig und in der Festlegung auf einen einzigen Verständnishorizont unterkomplex interpretiert ist, wie es nicht nur unterschiedliche Anwendungssituationen, sondern beispielsweise auch das Bonersche Variantenangebot nahelegen. Daß in Texten wie dem ‚Ring‘ oder dem ‚Ackermann‘ zwar Fabeln vorkommen, allerdings keineswegs gehäuft, zeigt umso mehr, wie diese sich unauffällig in bestimmte Formen der Textorganisation einfügen lassen, ohne daß es dafür weiterer gleicher Stücke bedürfte; die vielfältig zurichtbaren Stoffe können beispielsweise sowohl zur Stützung oder Widerlegung einer Argumentation – innerhalb der erzählten Handlung oder gegenüber dem Publikum – verwendet werden, als auch zur Hinterfragung von Lehren oder der Thematisierung von Dekodierungsleistungen. Gleichzeitig wird hier erkennbar, daß solche Einschübe nicht auf inhaltliche, interpretatorische Aspekte beschränkt bleiben, sondern sie ein je eigenes Konstruktionsprinzip von Texten offenlegen und deren Medialität sichtbar werden lassen, indem sie den Vermittlungsprozeß selbst unterstützen und reflektieren. Thomasin von Zerclaere verwendet in seiner an den deutschen Adel gerichteten Verhaltenslehre ‚Der wälsche Gast‘454 ebenfalls eine Reihe von Fabeln: Im siebten Buch, in dem er die Seelenkräfte imaginatio, ratio, memoria und intellectus erläutert und die sieben freien Künste mit ihren Autoritäten sowie die fünf Sinne, die fünf körperlichen und die fünf äußeren

453 Vgl. z. B. die Variante Boners, Nr. XLII, in der die Ameise der Fliege deshalb nichts abgeben will, weil diese im Sommer nicht gearbeitet, sondern gesungen habe und ihr somit nun nichts zustehe. 454 Zu Thomasin vgl. Christoph Cormeau, Art. Thomasin von Zerklaere, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon, Bd. 9, Berlin/New York 2 1995, Sp. 896–902.

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Vorzüge vorstellt,455 flicht er in einer Passage über die Großzügigkeit die Fabel vom furchtsamen Kuckuck ein:456 Ich hân gehoeret daz man seit daz der gouch durch zageheit nimmer ezzen getar zemâl ein ganzez blat gar: er vürhtet immer den gebresten. swenner sitzet ûf den esten, sô bîzet er vil sanfte dar, daz er niht slint daz blat gar: er vürhtet, im gebreste der spîse.457

Anschließend stellt er in einem epimythienhaften Zusatz die Verbindung zu seinem Thema her: daz ist der argen liute wîse: des argen guot, des gouches loup zergênt beidiu sam ein stoup.458

Die kurze Erzählung illustriert die Aussage Thomasins, indem sie die abstrakten Gedanken seiner Erörterungen in eine anschauliche und einprägsame Form bringt; die Fabel dient hier nicht nur der Orientierung im eigenen Handeln, sondern auch der im Text. Im achten Buch, das dem rechten Maß gewidmet ist, berichtet der Erzähler: ich hân ein bispel vernomen: ein lewe was in sîn loch komen und lac dâ sam er siech waere. daz wart geseit zehant vür maere allenthalben dem wilde. beidiu von walde und von gevilde liefens allenthalben dar: […] koemen zuo dem lewen in. si labeten den siechen sô 455 Zu den zehn Büchern vgl. Cormeau, Thomasin (Anm. 454), Sp. 897ff. 456 Auch als Kröte, Maulwurf oder Wurm verbreitet; Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 366. 457 Thomasin von Zirclaria, Der wälsche Gast, hg. v. Heinrich Rückert (Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit 30), Quedlinburg/Leipzig 1852, V. 7319–7327. 458 Ebd., V. 7328–7330.

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daz si sîn wurden vil unvrô. si wurden sîn gelebde gar, wan er vraz si, daz ist wâr. der vuhs wold dar in niht komen […] ein eichorn sprach ‚vuhs, du bist dâ her komen wol von verren. zwiu sihestu niht dînen herren der da inne lît ungesunt?‘ der vuhs sprach zuo der selben stunt ‚ich sihe diu spor al in gekêrt: si sint übel dinne gewert. ich hiet dan niht guoten sin, sît diu spor kêrent in und sint her ûz niht gekêrt, ob ich dar in ze komen gert.‘459

Der eingefügte Fabelplot – mit dem geradezu gattungstypischen Verweis, ihn gehört zu haben – stützt an dieser Stelle die Argumentation Thomasins, aus schlechten Beispielen müsse man etwas lernen, anstatt sie nachzuahmen. Den schlechten Menschen ergehe es schlecht, und wenn man ihrem Beispiel folge, ergehe es einem genauso. Dann erwähnt er, die Bücher seien voll von Menschen, die nicht gut gelebt hätten und den daraus resultierenden Folgen; das Publikum solle diese selbst sehen. Anschließend berichtet er allerdings zunächst kein Beispiel anhand der genannten Menschen, sondern die Fabel. Zu Beginn des achten Buches jedoch präsentierte er ein menschliches Beispiel unangemessenen Handelns und Übermutes, nämlich das Kaiser Ottos IV.460 Da der Löwe in der Fabel als ‚Herr‘ des Fuchses bezeichnet wird und die Analogie zu der der Fabel direkt vorausgehenden Argumentation Thomasins nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, könnte in der Erzählung durchaus auch eine gewisse Warnung enthalten sein, sich vor ‚bösartigen‘ beziehungsweise schädlich handelnden Herrschern zu hüten, wie es der Fuchs tut. Die Unterbrechung durch den Einschub der Fabel schafft sozusagen eine ‚Passage‘, einen Aufschub, um den Text zu reflektieren. Die im Detail uneindeutige Analogie zwingt den Leser oder Zuhörer förmlich, diese Verrätselung zu überdenken. Durch die Interferenzen unterschiedlicher Erzähleinlagen 459 Der wälsche Gast (Anm. 457), V. 10905–10934. Zur hier berichteten Fabel vom ‚Fuchs vor der Löwenhöhle‘ vgl. Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 201. 460 Der wälsche Gast (Anm. 457), V. 10471–10546.

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mit der ‚Hauptargumentation‘, die Brüche innerhalb der abstrakten Ausführungen, wird deren Konstruktion erst deutlich sichtbar. Im neunten Buch beschäftigt sich Thomasin mit dem Recht, das vor allem der Landesherr zu schützen verpflichtet ist. Dieser solle unter anderem niht vil drô phlegen,461 jedenfalls nicht, wenn er der Drohung keine Taten folgen lassen könne. Dann erzählt er die Fabel vom ‚Esel Baldewin‘,462 eine Variante der Fabel vom ‚Esel in der Löwenhaut‘, in der Baldewin durch sein Gebrüll und sein Aussehen zwar die anderen Tiere erschreckt, dann jedoch kläglich gegen den Wolf unterliegt und seither von keinem Tier mehr gefürchtet wird: Hie sult ir ein bîspel vernemen und sult derbî ouch bilde nemen.463

Er betont also zunächst, man solle sich an dem Erzählten ein Beispiel nehmen; im Epimythion bezieht er die Erzählung auf die Gerichtsherren und breitet den Rat, auf Drohungen zu verzichten, weiter aus.464 Dabei spricht er auch eine zweite Deutungsvariante an, man solle sich gegen Unrecht zur Wehr setzen.465 Die Fabel illustriert auch hier eine Unterweisung; der Rezipient ist ausdrücklich aufgefordert, sich nach dieser zu richten. Durch die angebotene zweite Auslegungsvariante gewinnt er nicht nur eine Wahlmöglichkeit, sondern auch Thomasins Ausführungen über die Drohung erhalten eine weitere Dimension dazu, die mitgedacht werden kann. Im zehnten Buch steht die Tugend der milte im Mittelpunkt; es endet mit einem kurzen Epilog, in dessen Verlauf auf die Fabel vom ‚Wolf in der Schule‘ angespielt wird:466 Nu wis gemant, welhischer gast, swenn du begrîfft einn edelen ast, sô lâ dich niht einn boesen dorn ziehen dervon. ez ist verlorn swaz man dem wolf gesagen mac pâter noster durch den tac, wan er spricht doch anders niht 461 Der wälsche Gast (Anm. 457), V. 13238. 462 Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 101; zu diesem Beispiel vgl. auch Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 223ff. 463 Der wälsche Gast (Anm. 457), V. 13261f. 464 Ebd., V. 13361–13386. 465 Ebd., V.13389–13391. 466 Dicke/Grubmüller, Fabeln des Mittelalters (Anm. 24), Nr. 644.

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niwan lamp. alsam geschiht dem boesen man; swaz man im seit, daz vert vür die wârheit zeim ôren ûz, zem andern in. wie möhte dâ beliben sin dâ man dar nâch gedenket niht? wizzet daz ein boesewiht mac sîne gedanke niht twingen ze guot von unnützen dingen.467

Im Kontext der Bitte an die Leser, das Buch gut aufzunehmen, evoziert und illustriert der Hinweis auf den Wolf, der nichts lernt und nur an Lämmer denkt, einen ‚ungeeigneten‘ Rezipienten, der den Sinn nicht versteht und sich so nicht an die vermittelten Lehren halten kann. Die Fabel dient im ‚Wälschen Gast‘ also nicht nur als ‚Beweis‘ für die erzählten Inhalte, sondern sie gibt an prominenter Stelle im Epilog quasi rückwirkend eine Leseanleitung ex negativo. In der handschriftlichen Überlieferung wird die im Text durch ein direkt angehängtes Sprichwort bekräftigte und bereits im Sinne einer Redensart auf ihren ‚Kern‘ komprimierte Fabel zusätzlich durch eine Illustration gestützt.468 In der Handschrift Dresden, LB, Ms. M 67 (M 67b) beispielsweise ist die Fabel folgendermaßen gestaltet: Zwischen den Versen pater noster durch den tag und wan er sprichet anders nicht469 ist eine Zeichnung eingefügt, auf der der Wolf zwischen dem Lamm und seinem auf einem Schemel sitzenden Lehrer steht; im Vordergrund neben den beiden steht zusätzlich ein kleiner Wolf, 467 Der wälsche Gast (Anm. 457), V. 14709–14724. 468 In der handschriftlichen Überlieferung sind viele der Fabeln und Fabelanspielungen illustriert, wodurch eine zusätzliche Ebene – vergleichbar der „Sprichwortbilder“ im ‚Narrenschiff‘, vgl. Bässler, Sprichwortbild und Sprichwortschwank (Anm. 451) – entsteht; zu den Illustrationen vgl. Claudia Kühn, Swer niht enmerchet, daz er siht, er enbezzert sich davon niht. Die illustrierten Fabeln und Tierbilder im ‚Welschen Gast‘ des Thomasin von Zerclaere, in: Beweglichkeit der Bilder. Text und Imagination in den illustrierten Handschriften des „Welschen Gastes“ von Thomasin von Zerclaere, hg. v. Horst Wenzel und Christina Lechtermann (Pictura et Poesis 15), Köln u. a. 2002, S. 200–215, die die Text-Bild-Beziehungen im wesentlichen in drei Gruppen einteilt: 1. Text und Bild liefern annähernd denselben Informationsgehalt; zu dieser Gruppe gehört auch das Beispiel ‚Wolf in der Schule‘, 2. Der Text ist nur als Fabelrudiment erhalten, die Illustration dafür umso komplexer und auch ohne den Text zu verstehen, 3. die Illustration macht Anspielungen auf Fabeln, die im Text nur anklingen; beide liefern unvollständige Informationen. 469 Dresden, LB, Ms. M 67 (M 67b), f. 102ra, vgl. Abb. 23.

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der sich vom Lehrer abwendet in Richtung der beiden anderen Protagonisten.470 Der Lehrer hält in der erhobenen rechten Hand eine Peitsche, mit der linken hält er dem größeren Wolf eine Schrifttafel hin; dieser hat die linke Vorderpfote ebenfalls an der Schrifttafel, dreht sich jedoch mit aufgerissenem Maul nach dem arglos wirkenden Schaf um. Er und der Lehrer sind mit Spruchbändern versehen; auf dem des Lehrers steht sprich mir noch pald pater noster, auf dem des Wolfes lamp lamp lamp. Das Bild illustriert hier die von Thomasin zusammengefaßte Fabel; der auch schon in Richtung des Schafes blickende kleine Wolf könnte eine Bekräftigung beziehungsweise angedeutete Fortsetzung der Erzählung und des darin geschilderten regelhaften Laufs der Welt sein, und damit der naturgegebenen und immer weitervererbten Anlage der Wölfe, Lämmer zu fressen, die in der zugrundeliegenden Fabel betont wird.471 Neben den in Text und Bild vorkommenden Fabelanspielungen innerhalb größerer Erzählzusammenhänge sollen nun auch einige bildliche Fabeldarstellungen außerhalb von Texten und Handschriften in den Blick genommen werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Überlegung, wie anhand der unterschiedlichen Darstellungen an anderen Überlieferungsträgern jeweils ein Vermittlungsprozeß entstehen, und nicht zuletzt, welcher Art dieser überhaupt sein könnte. Das eben bereits angesprochene und, wie fast alle Fabelstoffe, breit überlieferte Motiv des Wolfs in der Schule472 ist als bildliche Darstellung beispielsweise auf einem Fries der ehemaligen Kirche Marienhave und als Relief am südlichen Choreingang des Freiburger Münsters zu sehen;473 Darstellungen von Fabelstoffen in der Bildenden Kunst gibt es seit jeher, im Mittelalter waren sie offenbar weit verbreitet. Häufig finden sie sich an Sakralgebäuden, als Steinplastiken, als Wandmalereien, als Tonmodel, in den Schnitzereien von Chorgestühlen und in der Textilkunst.474 Auf dem Fries der ehemaligen Kirche Marienhave sind Wolf und Lehrer abgebildet, die sich an einem Pult mit 470 Der kleine Wolf ist nur in dieser Handschrift überliefert. Vgl. Kühn, Fabeln und Tierbilder im ‚Welschen Gast‘ (Anm. 468), S. 205. 471 Anders Kühn, Fabeln und Tierbilder im ‚Welschen Gast‘ (Anm. 468), S. 205: „In D erscheint die Illustration seitenverkehrt. Der Blick des Lehrers geht, wie auch in den anderen Handschriften, zu seinem Schüler – und dessen Blick zum Lamm. Irritierend ist, daß in D diese klare Blickführung durch einen zweiten kleinen Wolf (bzw. Bär?) gestört wird.“ 472 Zur unklaren Stofftradition vgl. oben, Anm. 22. 473 Vgl. Abb. 24. 474 Einen, freilich schon etwas älteren, Überblick gibt Dora Lämke, Mittelalterliche Tierfabeln und ihre Beziehungen zur bildenden Kunst in Deutschland

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einem aufgeschlagenen Buch gegenüber sitzen. Das Relief am Freiburger Münster stellt die Fabel hingegen in zwei Szenen dar: In der ersten sitzen sich Wolf und Priester gegenüber, letzterer hält eine Rute und ein Buch in den Händen, das er dem Schüler hinhält. Dieser hält mit einer Pfote ebenfalls das Buch fest, in der anderen einen Stift. Den Kopf hat er abgewandt in Richtung eines hinter ihm stehenden Widders. Die über den beiden eingeritzten Buchstaben ‚A B C‘ könnten darauf hinweisen, wie weit der Lernprozeß des Wolfes fortgeschritten ist. In der zweiten Szene hat der Wolf den Widder gefaßt, und der Lehrer schlägt mit der Rute auf ihn ein.475 Im Gegensatz zu der einzelnen Szene aus Marienhave wird hier die Geschichte soweit auserzählt, daß ein Betrachter auch ohne Kenntnis des Fabelstoffes seine Schlüsse ziehen könnte; bei der Darstellung in nur einem Bild wird diese vorausgesetzt. Ähnlich verhält es sich bei einem Tierfabelfries an der Außenwand des Paderborner Doms, das hintereinander die Fabeln von ‚Fuchs und Storch‘, ‚Kranich und Wolf‘, ‚Wolf als Klosterschüler‘ und ‚Fuchs und Rabe mit Käse‘ überliefert.476 Auch hier erschließen sich die Bedeutungen nur demjenigen, der die zugrundeliegenden Erzählungen kennt. Dies ist bei den meisten Fabeldarstellungen der Fall; einige wenige Stoffe, wie die sehr häufig dargestellte gegenseitige Essenseinladung von Fuchs und Storch, werden jedoch – wie auch in den illustrierten Fabelhandschriften – traditionell in mehreren Szenen präsentiert.477 Die Einladung des Fuchses, der Brühe auf einem flachen Teller serviert, so daß der Storch sie mit seinem Schnabel nicht zu sich nehmen kann, und die entsprechende Gegeneinla(Deutsches Werden. Greifswalder Forschungen zur deutschen Geistesgeschichte 14), Greifswald 1937. 475 Vgl. auch ebd., S. 33. 476 Siehe auch ebd., S. 32. Eine wirkliche Verbindung der Fabeln zueinander oder die Notwendigkeit, genau diese Kombination an der Außenwand des Doms zu zeigen, kann ich nicht erkennen; eventuell zeigt sich auch hier die Anhäufung zur Verfügung stehender ‚Bausteine‘, die als Versatzstücke des Redens und Denkens im Bewußtsein – und in der Öffentlichkeit – präsent waren. Ein beliebtes Fabelmotiv in der Bildenden Kunst ist beispielsweise auch der, der mittelalterlichen Literatur weitgehend unbekannte, ‚Fuchs als Gänseprediger‘; vgl. Lämke, Tierfabeln (Anm. 474), S. 91–102. Ebenfalls zu Darstellungen dieses Stoffes Gabriela Signori, Räume, Gesten, Andachtsformen. Geschlecht, Konflikt und religiöse Kultur im europäischen Mittelalter, Ostfildern 2005, S. 27 und Betty Kurth, Die deutschen Bildteppiche des Mittelalters, Bd. 1, Wien 1926, S. 99f. 477 Hierzu Lämke, Tierfabeln (Anm. 474), S. 72–75.

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dung des Storches, der sich revanchiert, indem er die Speise in einem hohen, schmalen Krug serviert, aus dem nur er essen kann, eignet sich natürlich sehr gut für eine Darstellung beider Szenen; die Pointe der Erzählung wäre in diesem Fall vermutlich selbst dann verständlich, wenn man die Erzählung nicht kennt. Bei vielen Fabeldarstellungen kann jedoch nicht eindeutig festgestellt werden, auf welchen Erzählstoff sie sich genau beziehen; dies liegt einerseits im Medium ‚Bild‘ begründet, andererseits könnte es gleichzeitig auch gewollt sein. Die Beobachtung, daß ein herbeizitierter Fabelstoff gar nicht exakt zu der zu illustrierenden Begebenheit oder der zu kommentierenden Lage paßt – oder nicht entschlüsselt werden kann –, läßt sich auch in der Überlieferung durch andere Medien ausmachen; vermutlich ist dies häufig auch gar nicht erforderlich, da es vorrangig darum geht, ein ‚Fabelwissen‘ zu evozieren, je nach Kontext ein Wissen über den regelhaften Lauf der Dinge, die spielerische Darstellung und Kommentierung desselben oder die Verwendung der Stoffe in ihrer jeweiligen Form zu im weitesten Sinne rhetorischen Zwecken. Hierzu paßt auch die Beobachtung, daß Fabelanspielungen innerhalb von Texten oder Bildensembles oft nicht gehäuft, sondern als einzelne zwischen Anspielungen anderer stofflicher Herkunft auftreten. Durch solche Kombinationen wird ein – jeweils unterschiedlicher – Verstehens- und Beziehungshorizont aktiviert, eine bestimmte Haltung des Betrachters, der sich innerhalb des jeweiligen Orientierungsrahmens wiederum der Teilhabe an bestimmten Konventionen und/oder Bildungsstandards versichern kann.478 So lassen 478 Vgl. auch Eckart Conrad Lutz, Einspielung von Wissen und gebildeter Umgang – Texte und Bilder im Gespräch, in: Literatur und Wandmalerei II. Konventionalität und Konversation. Burgdorfer Colloquium 2001, hg. v. Eckart Conrad Lutz u. a., Tübingen 2005, S. 361–391, der eine Reihe von Medaillons innerhalb eines Wappenfrieses, die neben traditioneller Darstellungen der Monatsarbeiten und verschiedener Fabelwesen auch eine Anspielung auf die Fabel von ‚Wolf und Kranich‘ enthält, untersucht. In diesem konkreten Fall lassen sich in den Medaillons Elemente sehen, „die im höfisch bestimmten Ausmalungszusammenhang konventionelles Bildungswissen anzitieren. Sie verweisen – in Ergänzung zur Abbildung des sozialen Gefüges im Wappenfries – auf Ordnungen, die kosmologische und ethisch-moralische Dimensionen des höfischen Selbstverständnisses in Erinnerung bringen. Sie setzen damit dieselben Akzente, die im Rahmen höfisch-gebildeten Umgangs in unterschiedlichsten visuellen und verbalen Formen das Gespräch bestimmen konnten. […] Man wird sie sich freilich nicht einfach als den Gegenstand des Gesprächs, sondern vor allem als Andeutung eines Orientierungsrahmens zu denken haben, auf den sich gebildet-wissende Rede – explizit oder implizit – bezogen weiß.“ (S. 388f.).

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sich Fabelanspielungen zumeist nicht (mehr) als konkrete Kommentare zu bestimmten Gegebenheiten zuordnen, eröffnen dafür jedoch einen weiteren Verständnisrahmen als in der bloßen Gebundenheit an eine ganz bestimmte Situation. Die Darstellung des ‚Wolfsunterrichts‘ am südlichen Choreingang des Freiburger Münsters ist unter anderem umgeben von einer Darstellung des Greifenflugs Alexanders des Großen und, direkt an den ‚Unterricht‘ anschließend, einer Anspielung auf Davids Kampf mit dem Löwen.479 Die Gier des Wolfes beziehungsweise sein Naturell sind in der Fabel nicht zu bändigen, weder durch Bildung noch durch Strafe; den Greifenflug könnte man als „abschreckendes Beispiel für menschlichen Übermut“ interpretieren und die Geschichte Davids als „Beherrschung der Habsucht“.480 Während der, auch in der bildlichen Darstellung direkt neben die Fabel gestellte und ihr zugewandte, Löwenkampf somit als direkt das Gegenteil der Aussage des Fabelstoffes illustrierendes Beispiel betrachtet werden kann, also überwundene Gier gegenüber nicht zu überwindender, ist die thematische Verbindung zu Alexander eher eine lockere; im weitesten Sinne die Darstellung unerwünschter, schädlicher oder gar ‚sündhafter‘ Verhaltensweisen samt deren möglicher Überwindung. So ergibt sich eine thematische Reihe, die allerdings per se weniger auf ein konkretes Ereignis bezogen werden kann, sondern eher auf einen Verhaltenshorizont, ein Wissen um schädliche und nützliche Eigenschaften und ‚richtiges‘ oder ‚falsches‘ Verhalten. Im Hintergrund stehen also sowohl Regeln sozialen Miteinanders, als auch Anweisungen zur christlichen Lebensführung, die wiederum zum kirchlichen Gesamtkontext passen. Die Beispiele können natürlich auch von einem Betrachter konkret für sich aktualisiert werden, dennoch scheint mir hier der wichtigere Aspekt die Vermittlung der dahinter stehenden Werte und Ordnungsmuster durch das Reflektieren oder auch Sprechen über die einzelnen Darstellungen zu sein. Hier wäre das Gespräch beziehungsweise der Austausch über die jeweiligen Anspielungen, der Prozeß der Vermittlung bestimmter Anschauungen, wieder eine Bedingung für das Sichtbarwerden des medialen Potentials der Bilder. Einige Fabeldarstellungen finden sich auch auf dem Teppich von Bayeux, der es ermöglicht, deren Funktion in einem etwas konkreteren Zusammenhang zu betrachten. Der Teppich, eventuell Ende des 11. Jahrhunderts in England entstanden, zeigt in 58 Szenen die Eroberung Englands durch den 479 Vgl. Abb. 24. 480 Vgl. Konrad Kunze, Himmel in Stein. Das Freiburger Münster. Vom Sinn mittelalterlicher Kirchenbauten, Freiburg i. Br. u. a. 1980, S. 85f.

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Normannenherzog Wilhelm den Eroberer.481 Er beginnt 1064 mit einem Treffen zwischen dem englischen König Edward und Harold von Wessex und bricht mit der Schlacht von Hastings im Oktober 1066 ab. Zentrales Thema ist der Kampf zwischen Harold und Wilhelm um die Nachfolge Edwards. Die Bordüren des Teppichs ober- und unterhalb der Haupterzählung sind mit unterschiedlichsten Motiven, Figuren, Pflanzen und vor allem Tieren bestickt, unter denen sich auch einige wenige Fabeldarstellungen befinden.482 Diese werde ich nun zunächst lokalisieren, um anschließend ihre eventuelle Funktion zu bestimmen.483 Ich beschränke mich dabei auf diejenigen Darstellungen, die eindeutig auf einen bestimmten Fabelstoff beziehbar sind. Die Fabel von ‚Fuchs, Rabe und Käse‘484 kommt insgesamt dreimal vor, ‚Wolf und Krähe‘485 zweimal, außerdem ‚Maus und Frosch‘,486 der ‚Löwenanteil‘487 und ‚Wolf und Lamm am Wasser‘.488 Der kinderlose König Edward schickt Harold von Wessex als Boten in die Normandie, um dem normannischen Herzog Wilhelm gegenüber das Versprechen der Thronnachfolge zu erneuern.489 Harold und seine Begleiter brechen daraufhin auf; zunächst bittet er in der Kirche von Bosham um Schutz für die Reise, anschließend findet ein Mahl statt, und dann setzen die Männer mit Booten zur französischen Küste über. Der Aufbruch nach dem Mahl und die Bootsfahrt werden auf der unteren Bordüre von drei Fabelanspielungen begleitet.490 Zuerst ‚Fuchs, Rabe und Käse‘, dann ‚Wolf und Lamm am Wasser‘, darauf folgt zunächst eine nicht eindeutig zu dechiffrierende Tierdarstellung und dann ‚Wolf und Krähe‘. Die Landung in der Nähe von Saint Valéry, im Land des Grafen Wido von Ponthieu, einem 481 Zur unsicheren Entstehungsgeschichte vgl. Wolfgang Grape, Der Teppich von Bayeux. Triumphdenkmal der Normannen, Frankfurt a. M. u. a. 1994, S. 44. 482 Es sind ca. 9 Darstellungen, vgl. R. Howard Bloch, Animal Fables, the Bayeux Tapestry, and the making of the anglo-norman world, in: Poetica 37 (2005), S. 285–309, hier S. 297. Die unsichere Anzahl erklärt sich durch die Uneindeutigkeit der bildlichen Anspielungen. 483 Zu den bisherigen Deutungen vgl. ebd., S. 302 und Grape, Der Teppich von Bayeux (Anm. 481), S. 42. 484 Boner, Nr. XVIII. 485 Boner, Nr. XI. 486 Boner, Nr. VI. 487 Boner, Nr. VIII. 488 Boner, Nr. V. 489 Die auf dem Hauptfries dargestellte Geschichte wird ausführlich beschrieben von Grape, Der Teppich von Bayeux (Anm. 481), S. 91ff. 490 Vgl. Abb. 25.

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Vasallen des normannischen Königs, wird neben anderen Tierdarstellungen begleitet von ‚Maus und Frosch‘.491 Wido befiehlt, Harold zu ergreifen, und dieser wird schließlich gefangengenommen. Die untere Bordüre zeigt hierzu die Fabel vom ‚Löwenanteil‘.492 ‚Fuchs, Rabe und Käse‘ ist erneut zu sehen unter Wilhelms Feldzug gegen Herzog Conan der Bretagne, unterstützt von Harold, der sich dem normannischen Heer angeschlossen hatte.493 Zum dritten mal sehen wir diese Anspielung zusammen mit der zweiten Darstellung von ‚Wolf und Krähe‘ über der Szene, die erzählt, wie Harold, nachdem er Wilhelm in Bayeux den – später gebrochenen – Treueeid geleistet hatte, nach England zurückkehrt und anschließend von König Edward empfangen wird.494 Die Fabel von ‚Fuchs, Rabe und Käse‘, in der der Fuchs den auf einem Baum sitzenden Raben schmeichlerisch auffordert zu singen, so daß diesem sein Käse aus dem Schnabel fällt und der Fuchs ihn fressen kann, wird gemeinhin verbunden mit der Warnung vor Schmeichlern, durch die man Schaden erleidet, wenn man sich nicht vor ihnen vorsieht; ‚Wolf und Lamm am Wasser‘ erzählt, wie das unschuldige Schaf vom Wolf ungerechtfertigt beschuldigt und letztendlich getötet wird. ‚Wolf und Krähe‘ berichtet, wie ein Wolf eine Ziege frißt, sich an einem ihrer Knochen verschluckt und in seiner Not eine Krähe bittet, ihm zu helfen, wofür er ihr eine Belohnung verspricht. Die Krähe zieht ihm daraufhin mit ihrem Schnabel den Knochen aus dem Rachen, als sie jedoch die versprochene Belohnung einfordert, lehnt der Wolf dies ab mit dem Hinweis, sie könne froh sein, daß er ihr nicht den Kopf abgebissen habe. Grundthemen dieser Reihe von Fabeln, die Harolds Aufbruch begleiten, sind also die Warnung vor Schmeichlern, Ungerechtigkeit und Undankbarkeit. Die Fabel von ‚Maus und Frosch‘, die unter der Landung in Frankreich plaziert ist, handelt ebenfalls von Täuschung, Treulosigkeit und daraus resultierendem Ungemach: Ein Frosch verspricht einer Maus, ihr über einen Bach zu helfen und will sie dabei ertränken; ein Falke ergreift allerdings die Maus samt Frosch und frißt beide. Die Fabel vom ‚Löwenanteil‘, welche Harolds Gefangennahme durch Wido begleitet, erzählt, wie der Löwe zusammen mit Schaf, Ochse und Ziege Beutetiere erlegt, diese dann allerdings nie mit den anderen teilt, wie es abgesprochen war, sondern jedesmal alle Teile für sich beansprucht. Die abgeleitete Lehre, daß mit den ‚Herren‘, beziehungsweise den Stärkeren ‚nicht gut Kirschen 491 Vgl. Abb. 26. 492 Vgl. Abb. 27. 493 Vgl. Abb. 28. 494 Vgl. Abb. 29.

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essen ist‘,495 da man ihnen im Zweifelsfall immer unterlegen ist und sie willkürlich handeln können, mag hier als direkter Kommentar zu der auf dem Hauptfries dargestellten Szene durchaus treffend sein. Daß der Löwe in der Fabel seinen Eid bricht, stellt eine zusätzliche Verbindung zum späteren Geschehen um Harold und Wilhelm her. Bei dem davor angesprochenen Beispiel ist die Analogie zur historischen Erzählung allerdings nicht so eindeutig, es sei denn man setzt die Überfahrt nach Frankreich gleich mit der Bachüberquerung von Maus und Frosch – mit einer Gefangennahme endet bekanntlich zunächst beides, wenn auch mit unterschiedlichen Folgen. Hier besteht die Verbindung also eher auf der Ebene der bildlichen Darstellung, als auf der Ebene einer abgeleiteten Moral oder Erfahrung. Bei der ersten Szenenfolge scheint die Verbindung eher eine lockere zu sein, die sich in den Zusammenhang von Warnungen vor eventuellem Unheil stellen läßt, wie sie zu Beginn einer abenteuerlichen Reise durchaus passend sind. Hauptfries und Bordüre weisen darüberhinaus ikonographische Ähnlichkeiten auf: ein beim Gastmahl sichtbarer Käse ähnelt sehr stark jenem, der dem Raben aus dem Schnabel fällt; rechts daneben entsteht die Beziehung der Bildszenen über das Wasser beim Besteigen der Boote und der Fabel von ‚Wolf und Lamm am Wasser‘. Ebenfalls nur eine nicht eindeutige Verbindung sehe ich bei der zweiten Darstellung von ‚Fuchs, Rabe und Käse‘; die Warnung vor Schmeichlern könnte hier auf den späteren Treuebruch Harolds verweisen, der Wilhelm an dieser Stelle noch im Kampf gegen Conan unterstützt. Die dritte Anspielung auf diese Fabel tritt, wie die erste, wieder zusammen mit der Darstellung von ‚Fuchs und Krähe‘ auf, und zwar über der Szene, die Harolds Rückkehr zu Edward zeigt. Diese Szene ist überschrieben mit hIC hAROLD : DVX : REVERSVS : EST AD ANGLICAM : TERRAM : ET VENIT : AD : EDVVARDV : REGEM. Das lateinische reversus ist mehrdeutig; es kann sowohl zurückgekehrt als auch umgedreht bedeuten, und hier auch im doppelten Sinne auf das Geschehen bezogen werden. Vordergründig wird dargestellt, wie Harold nach England zurückkehrt, im Hintergrund schwingt jedoch bereits seine ‚innere Umkehr‘ mit, sein Sich-Abkehren von Wilhelm und der kurz darauf folgende Verrat an ihm, der dessen spätere Eroberung Englands provoziert beziehungsweise rechtfertigt. Edward stirbt kurz darauf, und Harold läßt sich zum König krönen; er bricht damit sowohl Edwards Versprechen als auch seinen eigenen Treueschwur gegenüber Wilhelm. Umgedreht, reversus, sind übrigens auch die beiden Fabeldarstellungen über dem Hauptfries, die die beiden Protago495 Vgl. z. B. Boners Epimythion zu dieser Fabel, Boner, Nr. VIII, V. 32f.: […] ez ist nicht guot / mit hêrren kirsen ezzen.

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nisten jeweils andersherum anordnen wie in der ersten Szenenfolge. Für die Darstellung von ‚Fuchs, Rabe und Käse‘ gilt dies allerdings auch schon für ihr zweites Auftreten beim Bretagne-Feldzug, weshalb die umgekehrte Anordnung der Tiere hier nicht überinterpretiert werden soll. 496 Eine thematische Verbindung zur Haupterzählung ergibt sich wiederum über das nicht gehaltene Versprechen Harolds gegenüber Wilhelm und jenes des Fuchses gegenüber der Krähe, sowie über das generelle Thema Täuschung und Hinterlist, das sich auch beiden Fabeln zuordnen läßt. Die – vielleicht bezeichnenderweise – vor allem am Anfang von Harolds Reise in die Normandie und bei seiner Rückkehr, also dem Beginn des zweiten Teils der Handlung, auftretenden Fabeldarstellungen übernehmen durch diese Situierung mehrere Funktionen auf unterschiedlichen Ebenen: Innerhalb der dargestellten historischen Erzählung sind sie Warnung und Mahnung zur Vorsicht, dem Betrachter des Teppichs eröffnen sie Deutungsperspektiven vermittels unterschiedlicher mittransportierter Kontexte und Auslegungsmöglichkeiten. Der jeweilige Einsatz zu Beginn eines Handlungsstranges verleiht den Fabeln hier weniger eine nachträgliche Kommentarfunktion, sondern vielmehr werden mit ihnen Themen angerissen beziehungsweise eröffnet, die quasi eine Art Vorschau auf das erwartbare Geschehen bieten. Die graduell unterschiedlich konkreten thematischen Verbindungen der Fabeln zur Haupterzählung und deren Integration – auch in die anderen Darstellungen auf den Bordüren – auf der Ebene der Ikonographie zeigen wieder, wie Fabeln auch als nur vereinzelt auftretende in einem bestimmten – bildlichen, erzählorganisatorischen, thematischen – Rahmen funktionieren. Sie unterstützen den Vermittlungsprozeß, indem sie teilweise Erklärungen anbieten, andererseits geben sie dem Betrachter jedoch auch Rätsel auf, vor allem auch in Verbindung mit den weiteren, für uns häufig nicht (mehr?) entschlüsselbaren Elementen auf den Bordüren, die zum Nachdenken anregen und Gespräche oder colloquiale Situationen provozieren. Die nicht eindeutig festlegbaren Bedeutungen des Randschmucks interferieren, wenn ein Rezipient darüber nachdenkt, mit der Erzählung auf dem Hauptfries und bringen diese medial erst zur Geltung. Ein ähnliches Phänomen wie bei den bildlichen Darstellungen der Fabelstoffe, wenn auch an anderen Überlieferungsträgern, läßt sich zum

496 Bloch (Anm. 482), S. 302f., deutet die Wiederholung der Szenen in Kombination mit der ikonographischen Umkehrung und der wechselnden Beziehbarkeit der Tiere auf Harold oder William als Veränderung hin zu relativistischem Denken; die zweite ‚Fuchs, Rabe und Käse‘-Darstellung läßt er dabei allerdings außer acht.

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Beispiel bei Freidanks Fabelsprüchen nachvollziehen. Abgesehen von den seltenen Fällen, in denen eine Fabelbegebenheit erzählt wird,497 sind die Fabel-‚Resultate‘ bei ihm zumeist als Regel, als vorgebliches Faktum zusammengefaßt: Swâ man den esel kroenet, da ist daz land gehoenet.498 Swâ der wolf gerihtes pflege, dâ gên diu lember von dem wege.499 Die werlt gît uns allen nâch honege bitter gallen.500

Im Gegensatz zu einer Anspielung, egal ob diese in Wort, Schrift oder vermittels einer bildlichen Darstellung erfolgt, muß bei diesen „zur Sentenz verkürzte[n] Resümee[s]“501 nicht einmal die Kenntnis der Fabelhandlung vorausgesetzt werden. Hier sind – ebenso wie in den zweiteiligen bildlichen Darstellungen – beide Teile der Fabel zusammengefaßt, Ursache und Wirkung werden als kurzes Kausalgefüge wiedergegeben, die Exemplifizierung der Regel an einem unterschiedlich deutbaren Fall fällt bei Freidank weg. Bei den einteiligen Abbildungen hingegen wird, natürlich auch technisch bedingt, nur der ‚Bildteil‘ der Fabeln wiedergegeben und dies, anders als bei mehrteiligen, ohne das Prinzip Ursache/Wirkung oder Schlag/Gegenschlag veranschaulichen zu können. Eine Regel könnte ohnehin nicht dargestellt werden, da der vom Einzelfall abstrahierte Begriff als solcher nicht ins Bild gesetzt werden kann. Per se lehrhaft sind weder Spüche noch Abbildungen, auch hier muß der Hörer oder Betrachter selbst entscheiden, wie der jeweilige Kontext miteinbezogen wird. Freidank stellt lediglich ‚Erfahrungswerte‘ zur Verfügung, deren Richtigkeit nicht durch einen illustrativen Fall, sondern durch die Formulierung suggeriert wird. Er macht sich „die Überzeugungskraft des Sprichwortes [...] zunutze“,502 das sich stets auf die im voraus bekannte Gesetzmäßigkeit des Weltlaufs beruft und weiß, daß alles so kommen mußte.503 Es sind zum 497 Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 228ff. kennt drei. 498 Freidank, hg. v. Wilhelm Grimm, Göttingen 1860, S. 140, V. 3f. 499 Ebd., S. 137, V. 15f. 500 Ebd., S. 30, V. 25f. 501 Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 231. 502 Ebd., S. 232. 503 Ebd.; Karl August Ott, Lessing und La Fontaine. Von dem Gebrauche der Tiere in der Fabel, in: GRM 40 (1959), S. 235–266, hier 255–257. Allerdings

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großen Teil „gnomische Feststellungen, die sich um eine Wertung nach gut und böse, richtig und falsch wenig kümmern und von der bei Freidank erwarteten ‚ethisch gerichtete[n] Lebenserkenntnis‘ recht weit entfernt halten“.504 Bei den sprichwortartigen Sentenzen Freidanks kommt es, wie vermutlich für die Gattung des Sprichworts allgemein, weniger darauf an, ob ihre Geläufigkeit belegt oder ob sie auf eine bestimmte Entstehungssituation – die für den ‚ainos‘ ursprünglich angenommen wird505 – zurückgeführt werden können; wichtiger scheint mir die Struktur des Gesagten zu sein, die eine in ihrer Logik für wahr erachtete Regel verbindlich formuliert.506 Da das Sprichwort – oder die auf ein solches reduzierte Fabel – im Gegensatz zu letzterer keineswegs bildhaft sein muß,507 kann es in seiner intratextuellen Aussage zwar zunächst eindeutiger sein als bildhafte Formen, losgelöst vom Sammlungskontext ist es jedoch ebenso offen weiß das Sprichwort aller Erfahrung nach erst dann, wie es kommen mußte, wenn das sprichwörtliche Kind bereits im Brunnen liegt. 504 Ott, Lessing und La Fontaine (Anm. 503), S. 236. 505 Zur Verwandtschaft von Sprichwort und Fabel in genetischer und terminologischer Hinsicht vgl. Peil, Beziehungen zwischen Fabel und Sprichwort (Anm. 22), S. 74f. 506 Manfred Eikelmann, Das Sprichwort im Sammlungskontext. Beobachtungen zur Überlieferungsweise und kontextuellen Einbindung des deutschen Sprichworts im Mittelalter, in: Kleinstformen der Literatur, hg. v. Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna vitrea 14), Tübingen 1994, S. 91–116, hier 116 definiert das Sprichwort u. a. durch folgende Eigenschaften: „[...] als Form der anonymen Rede, die Allgemeinbesitz einer Sprachgemeinschaft und deren Herkunft deshalb unwichtig geworden ist; als Form der autoritäts- und traditionsgebundenen Rede, die ihren Wahrheitsanspruch nicht erst begründen muß, sondern aus der anonymen Überlieferung ableitet; als Form der situationsbezogenen Rede, die anders als die literarische Sentenz nicht auf einen bestimmten Kontext und Autor zurückbezogen bleibt, aber auch nicht – wie der moderne Aphorismus – auf beliebig viele Situationen beziehbar ist, sondern auf eine offene Zahl typischer Lebenssituationen angewendet werden kann; und schließlich als Form der Weisheitsrede, die im Vergleich zum Bibelspruch oder zum Autoritätenspruch das anonyme, leicht erreichbare, an keine Bildungsvoraussetzungen gebundene, situationsbezogene und fest geprägte Erfahrungswissen bereithält.“ 507 Vgl. Peil, Beziehungen zwischen Fabel und Sprichwort (Anm. 22), S. 76. Die sprichwörtliche Redensart hingegen ist immer bildhaft. Vom Sprichwort unterscheidet sie sich dadurch, daß sie keinen abgeschlossenen Satz bildet, also syntaktisch nicht gebunden und somit ein Baustein ist, der in einen Rahmen eingefügt werden muß, während das Sprichwort für sich allein stehen kann.

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auf verschiedene Situationen anwendbar und teilt somit die ‚Multifunktionalität‘und Polyvalenz der Fabel.508 So sind die Anwendungssituationen zunächst ziemlich unbegrenzt, sobald die gnomischen Formen jedoch beispielsweise in einen literarischen oder lebensweltlichen Zusammenhang eingefügt werden, beschränken sich die sinnvollen Deutungsmöglichkeiten auf einige wenige, abhängig vom jeweiligen Kontext.509 Diese Feststellung läßt sich auch auf die bildlichen Darstellungen der Fabelstoffe übertragen, welche zum Teil Fabeln ebenfalls innerhalb eines Ensembles verschiedener Fabel- oder auch anderer Darstellungen tradieren.510 Ansammlungen sprichwortartiger Sentenzen, wie sie Freidank anbietet, die weite Verbreitung von Sprichwortsammlungen und bildlichen Darstellungen von Fabelstoffen auf unterschiedlichsten Überlieferungsträgern, die massive Anschwellung der Affabulationen bei mittelalterlichen Fabeln, häufig auch durch angehängte Sprichwörter, die sich öfter auch in den Kommentaren der Handschriften und als Randglossen bei den Fabeltexten finden, sowie gängigerweise markierte Epimythien werfen die Frage auf, worin das Bedürfnis nach den, beziehungsweise der Nutzen der komprimierten Regeln bestand. Die ständige Präsenz von Fabelanspielungen und den damit verbundenen Ordnungsmustern, die immer wieder neu kodifiziert und in Erinnerung gerufen werden, vermittelt Orientierung und ermöglicht ein adäquates Sich-Einrichten in der Welt, die sprichwörtliche ‚Bescheidenheit‘ und Handlungssicherheit. Die Abbrevia508 Diese bezieht auch beim Sprichwort die Funktion als Lehrmittel im Unterricht mit ein; vgl. Eva Schlotheuber, Die Verwendung von Sprichwörtern im Lateinunterricht, in: Erziehung, Bildung, Bildungsinstitutionen. Education, Training and their Institutions, hg. v. Rudolf Suntrup u. a., Frankfurt a. M. 2006, S. 3–18. 509 Zur durch den Kontext eingeschränkten Funktion des Sprichworts als Textelement innerhalb von Emblemen vgl. Dietmar Peil, Das Sprichwort in den ‚Emblematum Tyrocinia‘ des Mathias Holtzwart (1581), in: Kleinstformen der Literatur, hg. v. Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna Vitrea 14), Tübingen 1994, S. 132–164. 510 Z. B. im sogenannten ‚Gastzimmer‘ des ehemaligen Klosters Oetenbach, heute, zum Teil als Kopie und mit modernen Ergänzungen im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich, ist das Wandtäfer umlaufend mit Bildern verziert, die auch eine Reihe von – uns zum Teil unverständlichen – Tierdarstellungen und Fabeln enthalten; darunter auch ‚Fuchs und Storch‘. Zu Herkunft und Bestand vgl. Regine Abegg und Christine Barraud Wiener, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich. Die Stadt Zürich. Altstadt links der Limmat. Sakralbauten, neue Ausgabe Bd. II. I. (Die Kunstdenkmäler der Schweiz), Bern 2002, S. 234.

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turen und Anspielungen stehen als konventionelle Fertigteile der Rede zur Verfügung und erlauben in ihrer per se offenen Multifunktionalität unterschiedlichste Anwendungen und Aktualisierungen. Das mehr oder weniger gelehrte Spiel mit Anspielungen auf bekannte Stoffe oder die Präsentation einer unterhaltsamen, möglichst in den aktuellen Kontext – real oder auch literarisch – passenden Erzählung, dienen der Herstellung von Einverständnis und Gemeinschaft über die gegenseitige Versicherung eines gemeinsamen Verständnishorizontes, was natürlich im Umkehrschluß auch die Abgrenzung gegenüber anderen ermöglicht. Durch die Verkündung einer, vermittels ihrer allgemeinen Bekanntheit autoritativ abgesicherten, Regel können Widersacher überzeugt oder mit polyvalenten Anspielungen und exemplarischen Erzählungen bloßgestellt oder überlistet werden. Mit Fabeln und insbesondere Sprichwörtern können sowohl die eigene Deutungshoheit demonstriert, als auch Entscheidungshilfen angeboten werden. Die Fabel und ihre Komprimate eignen sich sowohl zur Belehrung, als auch zur Propaganda. Auf literarischer Ebene schaffen die kommentierend eingeflochtenen ‚Erzählungen in der Erzählung‘ einen Aufschub, einen Bruch, der den Rezipienten zur Reflektion über das Erzählte oder zur Beachtung eines bestimmten Sachverhalts auffordert. Dies schließt auch sowohl im Medium Gespräch eingeflochtene Anspielungen als auch das Gespräch über Texte ein, die derartig konstruiert sind, daß sie Verstehensprozesse und colloquiale Prozesse anstoßen, die wiederum der Erschließung und Vermittlung dienen.511 Die Interferenzen zwischen verschiedenen Texten, Bildern und dem je unterschiedlichen Vorwissen der Rezipienten – und deren eventueller Austausch untereinander – ermöglichen so neue Sinnpotentiale und Aktualisierungsmöglichkeiten. Im ‚Renner‘ Hugos von Trimberg spielen sowohl Fabeln als auch Freidank-Sentenzen eine wichtige Rolle. Die Fabeln dienen dabei weniger als Argumente, denn als Mittel zur veranschaulichenden Illustration 511 Vgl. auch Eckart Conrad Lutz, Anschauung der Welt und vergnügliche Bildung. Die ‚Otia imperialia‘ des Gervasius von Tilbury für Kaiser Otto IV, in: Innenräume in der Literatur des deutschen Mittelalters. XIX. Anglo-German Colloquium Oxford 2005, hg. v. Burkhard Hasebrink u. a., Tübingen 2008, S. 383–407, der die ‚Otia‘ des Gervasius als Text zeigt, der so konstruiert ist, daß er gebildete und bildende Gespräche vermitteln kann, die gleichzeitig wiederum seiner eigenen Erschließung und der amüsanten Wissensvermittlung dienen. Die darin enthaltenen mirabilia bewirken eine „Anregung zum Nachdenken, zur Suche nach neuen Erklärungen, nach Lösungen für das Rätselhafte im Vertrauen auf die Ergiebigkeit des Zeichensystems der Schöpfung, das sich dem Gebildeten eröffnet wie ein Buch.“ (S. 401).

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und als Redeschmuck. Dies dürfte an Hugos von Trimberg Vorbehalten gegenüber nicht-biblischen Erzählungen in der Rolle von Begründungen liegen;512 dennoch bezieht sich seine Zurückhaltung gegenüber der Fabel lediglich auf die Art ihrer Verwendung, wie ihr gehäufter Einsatz im ‚Renner‘ untermauert. Die Art, in der die Fabeln auf ihre Umgebung bezogen werden, ist abhängig vom Kompositionsprinzip des Textes, dessen Gliederung sich an den sieben Hauptsünden orientiert; die längeren Abschnitte zu jeder Sünde sind jedoch weitaus stärker geprägt von der „assoziative[n] Umschweifigkeit“513 des Textes, als von den wenigen Gliederungspunkten. Das Thema eines Abschnittes spielt höchstens „die Rolle eines Leitmotivs [...], zu dem der Autor zurückspringt, wenn ihn seine assoziative Redeweise in die Sackgasse geführt hat.“514 Im Abschnitt über die zweite Hauptsünde, die gîtikeit, geht es um die Pflichten eines Gastgebers und wie man diesen nachkomme, oder auch nicht; Hugo von Trimberg illustriert seine Argumentation mit der Fabel von ‚Fuchs und Storch‘: Man hœrt vil manigen an der strâzen Hôhe gein armen liuten grâzen, Des gesinde man siht ze guoten mâzen Dâ heime von voller pfrüende quâzen. Ich hân wol zwirunt und mêr gehœrt, Wie manic wirt die geste betœrt, Swenne er mit lügen sich gerichet An sînem gesinde und zuo im sprichet: ‚Wâr üm pflegt ir unser niht baz? Ich hiez diz koufen unde daz!‘ Sô getân kipeln und klagen Füllet selten mir den magen: Âne zwîfel, ich klaget baz denne er, Wenne mir ist der mage lêr Als dem storche, der wîlent was Des fuhses gast; hœrt, wie ich las! Ein fuhs einen storch ze hûse bat Und fuorte in mit im an ein stat, Dâ er ûf einen breiten stein Ein dünne muos gôz, daz er alein Ûf leckte mit sîner zungen: Sus was dem storche gelungen, Daz er vil hungeric von im schiet. 512 Vgl. Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 260 und 266. 513 Ebd., S. 261. 514 Ebd., S. 262.

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Nu hœrt, wes er sich sît beriet: Dô der fuhs sîn gast ouch was, Er sazte vür in ein lûter glas, Daz was oben enge und unden wît, Dar în er ze der selben zît Ein gar guote spîse gôz, Diu in dem glase al ümme flôz. In der begonde er snatern Und sprach ze sînem gevatern: ‚Ezzet vaste, gevater, ir pflâget mîn wol! Mit triuwen ich iu daz gelten sol Als denne ein friunt dem andern tuot: Wenne iuwer muos daz was sô guot, Daz ir ez alterseine gâzet Und iurre triuwe an mir vergâzet.‘ Alsus schiet der fuhs von dan Zornes vol und spîse wan. Diz bîspel gêt ûf karge liute, Die geste gar übel pflegent hiute Und die mit bœser kündikeit Bedecken wöllen ir swindikeit: Wirt den gelônt mit valschen triuwen, Daz sol die frumen niht vil riuwen. Arme liute meine ich niht, Mit den ich armer wirt hân pfliht, Wenne mir leider ofte des guotes Ê zerinnet denne des muotes. Selten der wol geste pfliget, Der ort und ort ze koste wiget. Swer frume liute ze hûse wil laden, Der sol niht ahten ûf den schaden Den er an dem guote nimt, Wenne frumen wirten gar wol zimt, Daz si bî gesten frœlich sîn. Irs frôen antlützes fröuden schîn, Ir gebêrde, ir wort, ir frœlicher muot Machent âne würze die spîse guot.515

Die der Fabel folgende Feststellung, an wen sich die Erzähleinlage richte, übernimmt gleichzeitig die Einordnung in den Textzusammenhang, ihr 515 Hugo von Trimberg, Der Renner, hg. v. Gustav Ehrismann, mit einem Nachwort und Ergänzungen von Günther Schweikle, 4 Bde. (Deutsche Neudrucke), Berlin 1970, V. 5371–5430.

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voraus geht die Kritik an den unterschiedlichen Arten, die Gastfreundschaft zu umgehen. Die Anknüpfung der Fabel an den Text erfolgt über die Verbindung des schlecht bewirteten Gastes mit dem Storch, der bei der Einladung nichts essen konnte. Nach der Erzählung der Fabel erklärt er, diese richte sich an die nicht gastfreundlichen Leute; anschließend befaßt er sich mit der Gastfreundschaft der armen Leute und dem Gebot, Gäste auch über die eigenen Möglichkeiten hinausgehend zu bewirten. Die Erzähleinlage fügt sich in diese Erläuterungen ein und wirft den neuen Aspekt der Rache auf, den Hugo von Trimberg im weiteren Verlauf als gerechtfertigt betrachtet. Die Fabel illustriert hier vor allem den Gang der Argumentation und nimmt der vielfältigen Ausbreitung des Themas einen Aspekt vorweg. Im ‚Renner‘ nimmt sich dies jedoch im Gegensatz zum ‚Wälschen Gast‘ nicht wie eine Unterbrechung des Textes aus, um eine Reflektion des Gelesenen anzuregen, sondern wie eine exempelhafte Veranschaulichung der von Hugo vorgetragenen Regeln. Hier wird die Lehre nicht aus der Fabel abgeleitet, wie dies zum Beispiel bei den Fabeln der Spruchdichter der Fall ist,516 sondern die Fabel dient zum großen Teil seinen eigenen Lehren als schmückendes Beiwerk, womit die Dekodierungsleistung hier umgekehrt wird. Es wird kein Erkenntnisprozeß aus der bildhaften Veranschaulichung eines Themas vermittels einer Fabel abgeleitet, sondern eine solche muß für die Exemplifizierung der eigenen Argumentation gefunden werden. Dieser Umstand könnte mit erklären, wieso die im ‚Renner‘ eingebetteten Fabeln häufig nur einen recht lockeren Bezug zu ihrer textlichen Umgebung aufweisen.517 Hier wird ein geläufiger Erzählstoff an passender Stelle erinnert und zur ‚Verschönerung‘ des Haupttextes ausgeführt518 – vergleichbar mit einer Erzählung in geselliger Runde, die jemandem anläßlich eines bestimmten Themas einfällt und zum besten gegeben wird. In den nachfolgenden Ausführungen über die Gastfreundschaft der armen Leute, spielt der Erzähler auf die Fabel von ‚Stadtmaus und Feldmaus‘ an: Daz selbe lêrt diu veltmûs / diu die 516 Vgl. auch Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 261. 517 Ebd., S. 262 verweist darauf, daß die Fabeln in Hugos „Assoziationsketten eingebaut [seien] und nur als eine Geschichte aus dem weiteren Umkreis des gerade behandelten Themas gelten dürfen.“ 518 Die ‚Verschönerung‘ der Rede durch exemplarische Einschübe ist Hugo von Trimberg keineswegs fremd, vgl.: Solsequium, Epilog, V. 55–60: Nam omnis sermo debitam perdet venustatem / Qui non per sentenciam et auctoritatem / Et exemplum congruum lepide probatur, / Cum triplex funiculus difficile rumpatur. / Unde variis exemplis liber hic signatur, / Quibus predicancium sermo venustatur. Vgl. auch Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 257–260.

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burcmûs bat ze hûs.519 Diese assoziative Verbindung zur nächsten Fabel paßt gut zu Hugos Erzählorganisation: Die Erzählung handelt ebenfalls von einer gegenseitigen Einladung; die Anknüpfung an die vorausgehenden Ausführungen erfolgt durch die Feldmaus, welche trotz ihrer eher bescheidenen Lebensumstände zuerst erfreut die Stadtmaus einlädt: diu wirtin hât froelîchen muot; die spîse ziert der wille guot. ein vroelîch antlüt si ir bôt, und sprach: ‚wir sullen âne nôt ezzen, waz wir guotes hein. wâ diu wirtschaft ist ze klein: die machet grôz der wille guot.‘520

Im Gegenzug lädt die Stadtmaus die Feldmaus zu einem noch reichhaltigeren Mahl zu sich ein, allerdings werden sie in dem Keller, in den die Stadtmaus sie geführt hat vom Koch überrascht; die Stadtmaus flieht, die ahnungslose Feldmaus wird fast ertretten.521 Ihre Kameradin rät ihr, sich mit den Speisen zu trösten, die Feldmaus zieht nach diesem Erlebnis jedoch ein ungefährdetes, fröhliches Leben in Armut vor: ich wil ûz ûf den acker gân, und wil in armuot vroelîch leben; du solt in grôzer vorchte streben. [...] der rîch nimt manger sorgen war. sô der arme ruowet wol so ist der rîche sorgen vol.522

Diese, im weiteren Verlauf der Fabel noch mehrmals variierten, Feststellungen über arm und reich korrespondieren gut zu Hugos Ausführungen vor der Fabel von ‚Fuchs und Storch‘; mit ‚Feldmaus und Stadtmaus‘ spielt er noch auf das Gegenteil der dortigen Einladungen an. Allerdings hat auch die Einladung der Stadtmaus einen Haken, da sie die Feldmaus in Gefahr bringt und selbst feige flieht, ohne sich um ihren Gast zu kümmern. Auch in diesem Beispiel wird die Fabel eingesetzt, um einen bereits dargebotenen Sachverhalt zu illustrieren. Im Verlauf seiner weiteren Ausführungen über die Gastfreundschaft und die Pflichten der Gastgeber er-

519 Renner, V. 5431f. 520 Zitiert nach Boner, Nr. XV, V. 7–13. 521 Ebd., V. 33. 522 Ebd., V. 54–62.

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läutert Hugo, daß derjenige, der als Gast gut aufgenommen werden wolle, auch seinerseits die Pflichten des Gastgebers auf sich nehmen müsse. Das versucht er mit der Fabel von ‚Ameise und Grille‘ zu illustrieren: Des kan diu âmeize und der heime An irem leben uns wol bescheiden523

In dieser Fabel wird allerdings berichtet, wie die fleißige Ameise der hungrigen Grille nichts von ihren Vorräten abgeben will, da die Grille im Sommer nichts gearbeitet, die Ameise mit ihrem fröhlichen Zirpen gestört und im Gegensatz zu ihr keine Vorräte angelegt hat. Eine Anknüpfung ergäbe sich hier höchstens durch die Gast/Gastgeber-Konstellation – wenn man darüber hinwegsieht, daß die Grille ein höchst ungebetener Gast ist, der auf Kosten der Ameise sein eigenes Versäumnis ausgleichen will –, aber der Erzähler geht auf diese nicht ein. Stattdessen heißt es im Epimythion ganz konventionell: Swer nu niht în treit in der jugent Guotiu werc und reine tugent, Der hât in dem alter sich betrogen, Sô sinne und kraft im sint entflogen.524

Mit diesem Epimythion bestätigt er, daß die Grille selbst schuld an ihrer mißlichen Lage sei; die ablehnende Haltung der Ameise wird folgendermaßen thematisiert: Die âmeizen müge wir ouch wol diuten Gein heimsedeln, kürren liuten, Den grillen gein den die müezic gênt.525

An dieses Stichwort schließt er eine Kritik an und Warnung vor dem Hofleben an, das er an einigen Stellen kritisiert.526 Insgesamt ist die Fabel also eher locker eingebunden, läßt jedoch umso deutlicher das Konzept einer stichworthaften Aneinanderreihung durchblicken, in der exemplarischem Erzählen teilweise weniger eine Erklärungs- oder Beweisfunktion zukommt, als die eines Scharniers, einer Vermittlerfunktion zwischen verschiedenen Themen. Im ‚Renner‘ fügen sich die häufig nicht ganz exakt zum zu illustrierenden Sachverhalt passenden Fabeln also in eine Reihe von Assoziationen ein, 523 Renner, V. 5562f. 524 Renner, V. 5625–5628. 525 Renner, V. 5629–5631. 526 Vgl. Grubmüller, Esopus (Anm. 7), S. 277ff.

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innerhalb derer sie aufgrund ihrer einprägsamen Beispielhaftigkeit dazu beitragen, Ordnungsschemata zu evozieren und die vom Erzähler vorgetragenen Regeln auf eine Ebene der potentiellen Anwendung zu heben. Häufig dienen sie als Redeschmuck, der Hugos von Trimberg Argumentation illustriert und so quasi eine umgekehrte Dekodierungsleistung vorführt; anstatt einen Plot zu komprimieren, werden hier als gültig postulierte Regeln durch die Erzählung eines Kasus ausgeführt. Bei Thomasin von Zirclaere hat die Fabel einerseits ebenfalls die Funktion, komplizierte Ausführungen in eine einprägsame und memorierbare Form zu bringen, andererseits dient sie aber auch der Verrätselung und gibt somit die Anregung, das Gelesene zu reflektieren. Sie unterbricht den Gang des Textes, fügt ihm neue Dimensionen hinzu und bietet Orientierungspunkte sowohl im Text als auch über diesen hinausgehend. Die in den Fabeln enthaltenen Anleitungen, wie der Text zu verstehen sei, werden auch im Epilog deutlich, in dem anhand der Fabel vom ‚Wolf in der Schule‘ an prominenter Stelle die Aufmerksamkeit der Leser gefordert und sozusagen eine Leseanleitung präsentiert wird. Im ‚Ackermann‘ hingegen werden die Fabeln nicht von einem Autor oder Erzähler eingesetzt, sondern sind Teil des Dialogs zwischen den streitenden Protagonisten Tod und Ackermann, die die Fabelanspielungen zur Unterstützung der je eigenen Argumentation und vermittels der transportierten Subtexte zu Angriffen auf den Kontrahenten benutzen. Auch die angesprochene Fabelanspielung im ‚Ring‘ wird von einer Figur des Textes vorgetragen; die parodistische Antwort des Protagonisten, der mit Hilfe der Fabel hätte belehrt werden sollen, illustriert das Verfahren des Textes, unterkomplexe Lehren zu entlarven und führt gleichzeitig die Verwendung der Fabel im Gespräch vor – inklusive eines Konters durch die Erfüllung der Form bei gleichzeitiger Ironisierung des Inhalts. In den beiden letzten Beispielen wird also auf der Figurenebene die Einbindung von Fabelstoffen ins Gespräch vorgeführt, während sie im ‚Wälschen Gast‘ und im ‚Renner‘ ein vom Erzähler eingesetztes Mittel zur Steuerung des Lesers und der Orientierung im Text sind. In der ‚Zimmerischen Chronik‘ sind diese Aspekte vereint; einerseits nutzt der Chronist Fabeln und Schwänke, um das Berichtete zu kommentieren, seine eigene Darlegung zu untermauern, seine Deutungskompetenz zu demonstrieren und das Publikum für sich einzunehmen, indem er es an seinen Anspielungen und Kommentaren sozusagen als Eingeweihte teilnehmen läßt, andererseits wird der Einsatz kleinepischer Formen aber auch direkt vorgeführt, indem er sie von Protagonisten seiner Chronik in bestimmten Situationen erzählen läßt.

VI Fazit Ausgangspunkt meiner Überlegungen waren der vermutliche Ursprung der Fabel als Situationsargument der – zunächst mündlichen – Rede, sowie die multimediale Allpräsenz der Fabelstoffe, Anspielungen und Abbreviaturen und die Frage nach dem damit verbundenen Nutzen beziehungsweise den zugrundeliegenden Handlungs- und Orientierungsmustern. Ziel der Untersuchung war es, zumeist in äsopischer Tradition stehende Fabelstoffe in ihrer unterschiedlich kontextualisierten Form zu untersuchen und das Potential der Fabel in verschiedenen medialen Bedingungsgefügen zu erfragen. Die Multimedialität und Multifunktionalität der Fabelstoffe in ihren diversen Überlieferungsgemeinschaften und die Einbindung in zumeist didaktische Groß- und Kleindichtung führten zu der Frage, was die offensichtliche Beliebtheit dieser zumeist doch eher mäßig unterhaltsamen und auf den ersten Blick auch nur ein sehr begrenztes Wissen vermittelnden Gattung ausmacht. Von besonderem Interesse schien mir dabei das komplexe Zusammenspiel von erzählten oder anzitierten Fabelstoffen und dadurch aufgerufener Wissenshorizonte vor dem Hintergrund einer bestimmten Gesprächskultur, sowie das Wissen um das Medium Gespräch und seiner spezifischen Vermittlungsleistung im Zusammenhang mit Kleinformen wie der Fabel zu sein. Obwohl die Fabel natürlich auch ein geschickt eingesetztes Situationsargument oder eine schlichte Belehrung darstellen kann, ging es mir um die Frage nach einem Wissen über adäquate Situationsbeherrschung und kommunikative Funktionen der Fabel, das sich im schriftliterarischen, künstlerischen und mündlichen Umgang mit ihr manifestiert. Dabei betrachtete ich die Fabel als eine an den Rändern offene Gattung, die unter funktionalen und überlieferungstechnischen Gesichtspunkten in die Nähe anderer kleinepischer und gnomischer Formen rückt. Die zeitgenössischen theoretischen Überlegungen, wie sie beispielsweise in den Vorreden der Fabelsammlungen greifbar sind, betonen zwar einerseits durchaus den Lehrgehalt der Fabeln, andererseits fokussieren sie auf mögliche Anwendungssituationen und die gelungene, elegante Rede, was sie in Verbindung bringt zu den Facetien-Sammlungen und der geselligen Gesprächskultur der Frühen Neuzeit. Dies legt auch der Überlieferungsbefund nahe, da Fabelstoffe häufig Eingang in Facetien-Sammlungen finden und umgekehrt; auch die Kombination mit Schwänken, Mären

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und anderen exemplarischen Gattungen ist eine geläufige. In Sprichwortsammlungen finden sich häufig Paraphrasierungen, Schwänke oder Fabeln zur Veranschaulichung einer Regel; in den Fabeln wird genau umgekehrt verfahren, indem sie durch beigefügte Sprichwörter ausgelegt werden. Die Technik mancher Fabelsammler wie Kirchhof und Brant, bei manchen Stücken zwar die äußere Form der Fabel zu benutzen, diese dann aber vom Inhalt her satirisch zu unterlaufen, bestätigt die auch strukturelle Nähe zu anderen Formen kurzen, exemplarischen Erzählens. Im Kontext von Sammelhandschriften steht vor dem 15. Jahrhundert die gemeinsame Überlieferung mit deutschsprachigen Exempel- und Spruchsammlungen unterschiedlicher Art, mit didaktischer Klein- und Großdichtung im Vordergrund. Aus dem 15. Jahrhundert sind uns vermehrt deutsch-lateinische Codices erhalten, die die Fabeln vor allem zusammen mit klerikalen und Schultexten überliefern. Die Verwandtschaft von Fabel, Facetie, Sprichwort, Sentenz und anderen Kleinformen zeigt sich neben der stofflichen vor allem auf der funktionalen Ebene. Die an Deutlichkeit, Lehrhaftigkeit, Unterhaltungswert, Erzählorganisation und Verbindlichkeit graduell unterschiedlichen Texte und Anspielungen eignen sich alle dazu, Regeln oder Beispiele zu geben und dem Anwender dadurch eine gewisse Deutungshoheit und Souveränität zu verleihen. Das stillschweigende Einverständnis und Wissen über bestimmte Konventionen und Anspielungen begründet eine exklusive Zusammengehörigkeit unter Gesprächspartnern oder zwischen Autor und Publikum. Die Ausdehnung der Epimythien in der Fabeldichtung des deutschen Mittelalters, die Durchdringung derselben mit Sprichwörtern und die häufige Isolierung des ‚Fabelkerns‘ als Randglosse oder Registereintrag, die Separattradierung von Epimythien und die häufige Markierung des Auslegungsteils legen ebenso wie die Spruchsammlungen ein besonderes Interesse an den gnomischen Zusammenfassungen einer Regel oder eines Beispiels nahe, das sich eventuell durch die mündliche Weitertradierung erklärt, durch den Bedarf an konventionellen Fertigbausteinen der Rede, die je nach Situation unterschiedlich eingesetzt werden können. Hierbei spielt auch die Reduktion komplexer Sachverhalte, das Verfügbarmachen von Deutungen eine Rolle. Die prinzipielle Offenheit der kleinen Formen begründet ihre Multifunktionalität; die Fabel ist per se frei von moralischer Wertung, erst der Benutzer aktualisiert die Stoffe je neu und gemäß seiner Situation und Absicht – die durchaus auch eine amoralische sein kann. Die Zusammenstellungen der Handschriften sowie die darin vorhandenen Benutzerspuren erlauben es häufig, auf den Verwendungszusammenhang der Fabeln und die Interessen ihrer Benutzer zu schließen. Die

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Interferenzen zwischen verschiedenen Medien – Texten, Bildern, Überlieferungsträgern und dem Gespräch, sowohl als vermittelndem, als auch als diese erschließendem, das die Vermittlung erst ermöglicht – und das unterschiedliche Vorwissen der Rezipienten ermöglichen wiederum neue Sinnpotentiale und mögliche Aktualisierungen der Fabelstoffe. Das zeigt sich beispielsweise an der Münchner Handschrift cgm 3974, von der Zusammenstellung her eine Kleriker- und Schulhandschrift, in der die Fabeln von verschiedenen Benutzern mit Sentenzen und Kommentaren versehen worden sind, die die Stoffe für die Weiterverwendung und Vermittlung, zum Beispiel in Unterricht oder Predigt aufbereiten, Verbindungen zwischen Texten herstellen und den zum Teil auch spielerischen Umgang mit immer wieder neu kodifiziertem Handlungs- und Erfahrungswissen zeigen. Die St. Galler Handschrift Cod. Sang. 643 spiegelt das unterschiedliche Verständnis und Interesse mindestens dreier Benutzer, die sich als Dichter, als exemplarisch interessierter Chronist und als an historischen Fakten interessierter und korrigierend eingreifender Benutzer seiner bedient haben. Bei beiden Codices zeigen sich Interferenzen zwischen Fabeltext und anderen Inhalten auch in der gesamten Anlage: In der St. Galler Handschrift stehen die Fabeln quasi als Leseanleitung vor den Chroniktexten, in der Münchner sind sie beispielsweise durch die sprichwörtliche Argumentation und die beiden Autorbilder mit dem ‚Dialogus Salomonis et Marcolfi‘, und auf anderer funktionaler Ebene mit den Schultexten verbunden. Hinweise auf die Verwendung der Fabel in Schule und Predigt geben neben der Zusammenstellung der Handschriften auch beiläufige Einträge, die sich auf den Verwendungskontext beziehen, wie zum Beispiel derjenige im Heidelberger Codex cpg 86, Esopus sei den Predigern wohl bekannt, oder der Hinweis im cpg 341, Cato lese man in der Schule. Neben im weitesten Sinne didaktischen und Schultexten, wie Cato, ‚Facetus‘, Freidank und ‚Renner‘, die einen der Orte abstecken, an denen die Fabel verwendet wird, findet sie sich auch in der Umgebung eher schwankhafter Texte wie zum Beispiel von Fasnachtsspielen und in enger Beziehung zu Sprichwort und Sentenz. Die Verkürzung von Fabeln zu Sprichwörtern und die Durchdringung und Kommentierung der Erzählungen mit sentenzhaften Aussprüchen präparieren die Fabel für den mündlichen Gebrauch, innerhalb dessen sie auch eine Rolle in der gebildeten Gesprächskultur spielt, wie sich beispielsweise anhand der Aufzeichnungen aus Luthers Tafelrunde ermitteln läßt. Die Verwendung von Fabelstoffen und Anspielungen in der Bildenden Kunst und der Literatur bestätigt ebenfalls ihre kontext- und verständnisabhängige Wandlungsfähigkeit. Die bildlichen Darstellungen können sowohl in einem bestimmten Kontext deutend und kommentierend

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auftreten, als auch gänzlich offen, weil zumeist nur als einzelne Anspielung auf eine bestimmte Stofftradition präsente Hinweise. Bei den bildlichen Darstellungen – ebenso wie bei Sprichwörtern und Sentenzen – bleibt es manchmal auch unklar, auf welchen Stoff überhaupt verwiesen wird; dies könnte natürlich an unserer unzureichenden Kenntnis mittelalterlichen Erzählguts liegen, andererseits scheint sich das Wissen, das mit den Fabeln vermittelt wird, manchmal auch innerhalb kohärenter Erzählungen oder Situationen weniger auf den präsentierten Kasus zu beziehen, sondern es scheint eher um ein allgemeineres, durch die Fabelverwendung aufgerufenes Handlungs- und Orientierungswissen zu gehen, das eine bestimmte Art der Verständigung und des Erzählens ermöglicht. Die Kommunikation unter Verwendung von Fabeln und Anspielungen ist zum Teil auch unter literarischen Figuren beobachtbar. In der, zumeist didaktischen, Literatur und in der Chronistik übernehmen auserzählte Fabeln, Anspielungen und Abbreviaturen häufig eine kommentierende oder illustrierende Funktion, die durchaus auch konträr zum erzählten Sachverhalt sein kann. Der Erzähler demonstriert über die souveräne Deutung des Geschehens anhand althergebrachten Autoritätenwissens nicht nur seine interpretatorische Hoheit über das Geschehen, sondern kann über das gemeinsame Wissen auch ein stillschweigendes Einverständnis mit seinem Publikum herstellen. Des weiteren schaffen solche Erzähleinlagen oder Anspielungen durch die Unterbrechung der eigentlichen Erzählung Bruchstellen, die es ermöglichen, das Berichtete zu repetieren, die Struktur von Texten freizulegen und über die Vermittlungsleistung selbt zu reflektieren. So unterschiedlich die Fabelanspielungen in Text und Bild hinsichtlich ihrer Offenheit beziehungsweise Kontextabhängigkeit, ihrer potentiellen Aktualisierungssituationen und ihrer Möglichkeiten, bestimmte Wissenshorizonte und Verständigungsrahmen aufzurufen auch sind, vermögen sie an ihren unterschiedlichen Überlieferungsträgern und in verschiedenen thematischen und colloquialen Zusammenhängen doch alle dazu beizutragen, die Medialität ihrer Träger zur Geltung zu bringen. Durch die Interferenzen zwischen erschließenden Glossen – schriftliche und mündliche Erklärungen, Verweise und Anspielungen aller Art – untereinander und mit dem dargestellten Hauptgegenstand, wird der Prozeß der Vermittlung erst ermöglicht und für uns nachvollziehbar.

VII Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘ Das folgende Verzeichnis bietet einen Überblick über die momentan bekannten Textzeugen des ‚Edelstein‘, insgesamt 36 Handschriften und zwei Drucke. Nahezu alle sind an anderer Stelle bereits ausführlich beschrieben worden – zugänglich über www.handschriftencensus.de –, so daß mir hier eine stark verkürzte, gebrauchsfunktionale Übersicht im Hinblick auf meine Fragestellung statthaft zu sein scheint. Ich benutze folgendes Schema: Ein erster Block enthält allgemeine Angaben zu Entstehungszeit, Beschreibstoff, Umfang, Format und Herkunft, ein zweiter Block bezieht sich auf die Präsentation der Boner-Fabeln innerhalb der Handschrift und gibt Auskunft über Illustrationen, Register und andere Mittel der Texterschließung. Darauf folgt bei den Sammelhandschriften ein kurzer Inhaltsüberblick. Ein letzter Block gibt lediglich die zur Beschreibung der jeweiligen Handschrift benutzte Literatur an; zahlreiche weitere Literaturangaben, auch zu den einzelnen enthaltenen Texten, sind über www.handschriftencensus.de leicht ermittelbar und wären der Übersichtlichkeit dieser Zusammenstellung nicht zuträglich. Ich unterteile die Aufstellung in Einzelüberlieferung (1.) und Sammelhandschriften (2.); das lediglich noch ein Blatt umfassende Fragment Karlsruhe, BLB, cod. Donaueschingen A. III. 53 läßt sich diesbezüglich nicht zuordnen und wird gesondert aufgeführt (3.). Die Zusammenschau der Textzeugen ergibt folgendes Bild: 13 Handschriften und die beiden Drucke überliefern den ‚Edelstein‘ separat, 22 zusammen mit anderen Texten. Unter den häufigsten Begleittexten firmiert neben unterschiedlichster lehrhaftunterhaltender Kleindichtung, unter anderem Bispeln, Mären, Schwänken, Minnereden und Sprüchen Freidank an erster Stelle, gefolgt von Hugos von Trimberg ‚Renner‘, den ‚Disticha Catonis‘ und diversen Chroniken. Ebenfalls gängig ist die Überlieferung im Verbund mit Schultexten und im weitesten Sinne moraldidaktischen Werken. Vier der den Boner-Text einzeln überliefernden Handschriften und die beiden Drucke sind illustriert, für vier weitere waren Illustrationen vorgesehen beziehungsweise sind unvollständig ausgeführt. Von den Sammelhandschriften sind zehn illustriert, bei ebenfalls vier sind die Illustrationen unvollständig oder nur geplant. Vier der Sammelhandschriften enthalten ein Exempel-Register, in der Einzelüberlieferung ist dies lediglich eine. Zwei der den ‚Edelstein‘

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Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘

einzeln überliefernden Handschriften sind aus Pergament, bei den Sammelhandschriften sind es zwei jeweils zum Teil; die aufgrund von Schreiberdatierungen gesicherte Überlieferungszeit liegt zwischen 1411 und 1492, der Schwerpunkt im 2. Drittel des 15. Jahrhunderts. Aufgrund ihrer Besitzernennungen lassen sich 13 Handschriften dem Hochpatriziat und Adel zuordnen, des weiteren stehen vermutlich viele im Zusammenhang mit der im 15. Jahrhundert massiv auflebenden Laiendidaxe.

VII.1 Einzelüberlieferung Handschriften: Basel, Öffentl. Bibl. d. Univ., cod. A.N. III. 17 ‚Edelstein‘: f. 1ra–58vb Um 1410–1420; Pergament; noch 59 Blätter; 302 * 235 mm; alemannisch; zweispaltig von einem Schreiber; 1654 im Besitz des Berner Patriziers Ludwig Stürler (Eintrag f. 58v). Vollständig illustriert; jeder Boner-Fabel ist in Auszeichnungsschrift das lateinische Schlußdistichon des Anonymus Neveleti angefügt; die Illustrationen sind häufig mit Sprichwörtern und Sentenzen beschriftet, z. B. f. 47r: Mit herren teilen ist nüt gůt uff zucken stat ze vast ir můt bei der Fabel vom ‚Löwenanteil‘. Lit.: Ulrike Bodemann und Gerd Dicke, Grundzüge einer Überlieferungsund Textgeschichte von Boners ‚Edelstein‘, in: Deutsche Handschriften 1100-1400. Oxforder Kolloquium 1985, hg. v. Volker Honemann und Nigel F. Palmer, Tübingen 1988, S. 424–468, hier S. 429; Konrad Escher, Die Miniaturen in den Basler Bibliotheken, Museen und Archiven, Basel 1917, S. 115–127 und Tafel XXXVI–XLII. Berlin, SBPK, Ms. germ. 2° 579 ‚Edelstein‘: f. 1r–105v 15. Jhd.; Papier; 105 Blätter; 2°; alemannisch; einspaltig von einem Schreiber (Conrad Heyndorffer, f. 105r); im 16. Jhd. im Besitz Johanns Graf zu Salm, im 17. Jhd. des Prince du Pont de Romémont. Nicht illustriert.

Einzelüberlieferung

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Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 429; Hermann Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek I. Die Handschriften in Folioformat (Mitteilungen aus der Preußischen Staatsbibliothek 7), Leipzig 1925, S. 64. Bern, Burgerbibl., Ms. hist. helv. X. 49 ‚Edelstein‘: S. 1–206 Um 1466–1473; Papier; 210 Seiten, am Anfang Blattverluste; 285 * 205 mm; alemannisch; einspaltig von einem Schreiber (Heimon Egli, der gleichzeitig Erstbesitzer war, Eintrag S. 206); im 16./17. Jhd. benutzt von Jakob von Bollingen und Katharina Müller, beide aus Bern (Eintrag S. 61), bis 1875 im Besitz der Herren von Erlach. Vollständig illustriert. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 430; Ferdinand Vetter, Kleine Mittheilungen I, in: Germania 27, NF 15 (1882), S. 219f. Frauenfeld, Kantonsbibl., cod. Y 22 ‚Edelstein‘: f. 3r–107v 2. Hälfte 15. Jhd.; Papier; 120 Blätter; 216 * 153 mm; schwäbisch; einspaltig von einem Schreiber. Illustrationen vorgesehen, aber nicht ausgeführt. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 430. Genf-Cologny, Bibl. Bodmeriana, cod. Bodmer 42 [ehemals Fulda, Franziskanerkloster, ohne Sign.] ‚Edelstein‘: f. 8r–120v Um 1455–1460; Papier; noch 106 Blätter; 215 * 290 mm; alemannisch-elsässisch; einspaltig von einem Schreiber; aus der Werkstatt von Diebold Lauber. Illustrationen vorgesehen, aber nicht ausgeführt; einige Fabeln enthalten vor der Überschrift zusätzlich lateinische Stichwörter oder Sätze, die aus der lateinischen Kommentartradition stammen könnten; in den Boner-Text integriert sind vier zusätzliche Reimpaarfabeln, die auch aus anderer Überlieferung bisher nicht bekannt sind.

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Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘

Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 467f.; Lieselotte Saurma-Jeltsch, Spätformen mittelalterlicher Buchherstellung. Bilderhandschriften aus der Werkstatt Diebold Laubers in Hagenau, Bd. 2, Wiesbaden 2001, S. 134; Deutsche Handschriften des Mittelalters in der Bodmeriana. Katalog bearb. von René Wetzel, mit einem Beitrag von Karin Schneider zum ehemaligen Kalocsa-Codex (Publikationen der Bibliotheca Bodmeriana. Reihe Kataloge 7), Cologny-Genève 1994, S. 32–37 und Abb. 2; René Wetzel, Diebold Laubers ysopus gemolt? Zur Boner-Handschrift Cod. Bodmer 42 (G) in der Bibliotheca Bodmeriana, Cologny-Genf, in: Aus der Werkstatt Diebold Laubers (Kulturtopographie des alemannischen Raums 3), hg. v. Christoph Fasbender u. a., Berlin/Boston 2012, S. 257–285. Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 86 ‚Edelstein‘: f. 1r–120v 1461 (Eintrag f. 120v); Papier; 130 Blätter; 287 * 215 mm; bairisch; einspaltig von einem Schreiber; eventuell aus der Bibliothek der Pfalzgräfin Margarete von Savoyen. Illustrationen vorgesehen, jedoch nur die ersten zehn vorskizziert; zu Beginn des Auslegungsteils jeder Fabel finden sich jeweils rechts und links neben dem Haupttext Anmerkungen wie lere des oder beyspil. Lit.: Karl Bartsch, Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg, Bd. I: Die altdeutschen Handschriften, Heidelberg 1887, S. 21; Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 431; Karin Zimmermann u. a., Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Cod. Pal. Germ. 1–181 (Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg VI), Wiesbaden 2003, S. 215f. Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 400 ‚Edelstein‘: f. 1r–111r 1432 (Eintrag f. 111r); Papier; 122 Blätter; 207 * 145 mm; alemannisch; einspaltig von drei wechselnden Schreibern. Nicht illustriert. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 431; Matthias Miller und Karin Zimmermann, Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Cod. Pal. Germ. 304–495 (Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg VIII), Wiesbaden 2007, S. 313f.

Einzelüberlieferung

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Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 794 ‚Edelstein‘: f. 1r–80v Um 1415; Papier; noch 84 Blätter; 300 * 207 mm; schwäbisch; einspaltig von einem Schreiber; eventuell aus der Bibliothek Ludwigs III. von der Pfalz. Vollständig illustriert; die Auslegungsteile der Fabeln sind rot markiert. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 431; Karl Bartsch, Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg, Bd. I: Die altdeutschen Handschriften, Heidelberg 1887, S. 179. München, BSB, cgm 576 ‚Edelstein‘: f. 1r–90v 2. Hälfte 15. Jhd.; Papier; noch 90 Blätter; 288 * 210 mm; alemannisch; einspaltig von einem Schreiber; aus dem Stift Wengen (Ulm). Illustrationen vorgesehen, jedoch nur die ersten 18 ausgeführt. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 432; Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Cgm 501–690 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V,4), Wiesbaden 1978, S. 168f. ehem. Straßburg, StB, Joh. Bibl. Ms. A 87 (1870 verbrannt) ‚Edelstein‘: f. 5r–122v 15. Jhd.; Papier; 122 Blätter; 2°; alemannisch. Nicht illustriert; Inhaltsverzeichnis (f. 1r–4v); am Ende lateinische Sentenzen. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 433; Jeremias Jakob Oberlin, Bonerii Gemma sive Boners Edelstein. Fabulas C e phonascorum aevo complexa ex inclyta bibliotheca ordinis S. Joh. Hierosol. Argentoratensis. Supplementum ad Joh. Georgii Scherzii Philosophiae moralis german. medii aevi specimina undecim, Straßburg 1782, S. 5–8.

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Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘

Wolfenbüttel, HAB, cod. 69.12. Aug. 2° ‚Edelstein‘: f. 1r–96v 1492; Papier; 96 Blätter; 305 * 210 mm; nordbairisch; einspaltig von drei Schreibern. Vollständig illustriert; einige der Federzeichnungen sind ausgeschnitten und ausgerissen; im vorderen Buchdeckel wurde ein Blatt mit 16 Sprichwörtern und Sentenzen von zwei weiteren Händen eingeklebt; AesopIllustration f. 96v. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 434; Otto von Heinemann, Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, 2. Abt.: Die Augusteischen Handschriften, Bd. III, Wolfenbüttel 1898, S. 348. Zürich, Zentralbibl., cod. C 117 ‚Edelstein‘: f. 2r–119v 1424 (f. 119v); Papier; 119 Blätter; 212 * 145 mm; alemannisch; einspaltig von einem Schreiber (scriptum per me Ulricum Bůlman, f. 119v); 1557 im Besitz von Hans Heynrich Bachoffen (u. a. f. 119v), anschließend im Besitz der Zürcher Familie Waser. Nicht illustriert. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 435; Leo Cunibert Mohlberg, Mittelalterliche Handschriften (Katalog der Handschriften der Zentralbibliothek Zürich I), Zürich 1951, S. 58f. ehem. Zürich (seit Breitingers Tod im Jahre 1776 verschollen) ‚Edelstein‘: f. 1ra–80vb Ende 14. Jhd.; Pergament; zuletzt noch 80 Blätter; 8°?; alemannisch; zweispaltig von einem Schreiber; bis 1776 im Besitz von Johann Jakob Breitinger. Nicht illustriert; die Fabeln enden jeweils mit dem lateinischen Schlußdistichon des Anonymus Neveleti (vgl. die Ausgabe von Bodmer und Breitinger, in der die Schlußverse bei Fabel Nr. XXVI beginnen, mit der Breitingers verschollene Handschrift begonnen hat). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 435; Fabeln aus den Zeiten der Minnesinger, hg. v. Johann Jakob Bodmer und Jo-

Sammelhandschriften

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hann Jakob Breitinger (Fotomechanischer Neudruck der Originalausgabe 1757 nach dem Exemplar der Deutschen Staatsbibliothek Berlin), Leipzig 1976, S. *3r–v, 49; Johannes Crueger, Miscellen zur Geschichte der deutschen Philologie 6, in: AfdA 11 (1885), S. 179f.

Drucke: Wolfenbüttel, HAB, 16.1. Eth. 2° ‚Edelstein‘: f. 1r–88v Bamberg: Albrecht Pfister; 14.02.1461; 88 Blätter; 2°; ostfränkisch; 1652 von Herzog August d. J. erworben. Illustriert mit 101 Holzschnitten. Lit.: GW 4839; Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 435; Doris Fouquet, Einleitung zu Ulrich Boner: Der Edelstein. Faksimile der ersten Druckausgabe Bamberg 1461. 16.1 Eth. 2° der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2. Bde., Stuttgart 1972, S. 14–34. Berlin, SBPK, 8° Inc. 332 Zim. ‚Edelstein‘: f. 2r–78v Bamberg: Albrecht Pfister; um 1463; 78 Blätter; 2°; ostfränkisch. Illustriert mit 103 Holzschnitten. Lit.: GW 4840; Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 435; Wolfgang Milde, Zu den beiden Bonerdrucken Albrecht Pfisters (GW 4839 und 4840), in: Gutenberg-Jahrbuch 1976, S. 109–116.

VII.2 Sammelhandschriften Augsburg, UB, cod. Oettingen-Wallerstein I. 3. 2° 3 ‚Edelstein‘: f. 1r–98v 1449 (f. 275r); Papier; 274 Blätter; 280 * 205 mm; ostschwäbisch; einspaltig von einem Schreiber; spätestens ab 1462 im Besitz der Grafen von Oettingen.

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Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘

‚Edelstein‘ vollständig illustriert. Inh.: ‚Edelstein‘ (f. 1r–98v); ‚Des Teufels Netz‘ (f. 100r–263v); Sibyllenweissagung (f. 264r–275r). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 429; Ingeborg Neske, Die spätmittelalterliche deutsche Sibyllenweissagung. Untersuchung und Edition (GAG 438), Göppingen 1985, S. 113f.; Karin Schneider, Deutsche mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg. Die Signaturengruppen Cod. I. 3 und Cod. III. 1. (Die Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg II, 1), Wiesbaden 1988, S. 42f. Colmar, Bibl. de la Ville, Ms. 78 ‚Edelstein‘: f. 122ra–vb 1397 (f. 122ra) ‚Edelstein‘ als Nachtrag 1. Hälfte 15. Jhd.; Papier; 128 Blätter; 300 * 215 mm; alemannisch; zweispaltig von zwei Schreibern, ‚Edelstein‘ vom 2. Schreiber (evtl. Thenge von Schrankenfels, in dessen Besitz die Handschrift im 15. Jhd. war, Eintrag f. 122r). Nicht illustriert; enthält ein Verzeichnis der Exempel zum ‚Schachzabelbuch‘ vom Schreiber der ‚Edelstein‘-Fabel. Inh.: Konrad von Ammenhausen: ‚Schachzabelbuch‘ (f. 1ra–122ra); ‚Edelstein‘ (f. 122ra–vb); ‚Tabula huius libri‘ (Exempelverzeichnis, f. 123r–124v). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 430; Pierre Schmitt, Manuscrits de la bibliothèque de Colmar (Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France 56), Paris 1969, S. 164. Dresden, LB, M 67b ‚Edelstein‘: f. 103ra–145rb Um 1450–1470; Papier; noch 225 Blätter; 305 * 210 mm; nordbairisch-ostfränkisch; mehrere Schreiber, ‚Edelstein‘ zweispaltig von einem Schreiber; aus der Bibliothek Gottfried Thomasius‘, im 18. Jhd. im Besitz Johann Christoph Gottscheds. ‚Edelstein‘ und ‚Der welsche Gast‘ illustriert. Inh.: ‚Wer nicht weiß, was rechte Liebe sei‘ (f. 2v–3r); Thomasin von Zerklaere: ‚Der welsche Gast‘ (f. 6ra–102va); ‚Edelstein‘ (f. 103ra–145rb); Teichner-Reden, versch. Bispel, Mären und Verserzählungen; Freidank (f. 209v–212r); Hugo von Trimberg: ‚Der Renner‘ (als ‚Freidank‘ bezeichnet, f. 212v–225r).

Sammelhandschriften

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Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 430; Franz Schnorr von Carolsfeld, Katalog der Handschriften der Sächsischen Landesbibliothek zu Dresden. Korrigierte und verbesserte, nach dem Exemplar der Landesbibliothek photomechanisch hergestellte Ausgabe des Katalogs der Handschriften der Königlichen Öffentlichen Bibliothek zu Dresden, Bd. 2 (Nachdruck Dresden 1981), Leipzig 1883, S. 467f. Frankfurt a. M., StuUB, Ms. germ. qu. 6 ‚Edelstein‘: f. 199r–228v 1446–1449; Papier; 248 Blätter; 272 * 198 mm; schwäbisch; einspaltig von zwei Hauptschreibern und einem Zusatzschreiber, ‚Edelstein‘ vom 2. Hauptschreiber (Ulrich Wernher, f. 198r); im 15./16. Jhd. im Besitz eines Haintz Munch (f. 17r). ‚Edelstein‘, ‚Renner‘ und ‚Greisenklage‘ illustriert; die Auslegungsteile der Fabeln sind markiert. Inh.: Hugo von Trimberg: ‚Der Renner‘ (f. 1r–198r); ‚Edelstein‘ (f. 199r–228v); ‚Greisenklage‘ (229r–v); Spruch auf den schwäbischen Städtekrieg (239v–242r). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 430; Birgitt Weimann, Die mittelalterlichen Handschriften der Gruppe Manuscripta germanica (Kataloge der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main 5, IV), Frankfurt a. M. 1980, S. 17ff. Fulda, LB, cod. Aa 110 4° ‚Edelstein‘: f. 304ra 2. Hälfte 15. Jhd.; Papier; 415 Blätter; 305 * 210 mm; lateinisch (‚Edelstein‘ rheinfränkisch); zweispaltig von mehreren Schreibern (Fabel als Einschub vom Schreiber der Seiten f. 128ra–304ra). Nicht illustriert. Inh.: Predigthandschrift. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 431; Regina Hausmann, Die theologischen Handschriften der Hessischen Landesbibliothek Fulda bis zum Jahr 1600. Codices Bonifatiani 1–3, Aa 1–145a (Die Handschriften der Hessischen Landesbibliothek Fulda 1), Wiesbaden 1992, S. 219f.; Philipp Strauch, Zu Boner, in: ZfdA 31 (1887), S. 291f.

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Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘

Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 314 ‚Edelstein‘: f. 1ra–50ra 1443–1447; Papier; 249 Blätter; 285 * 210 mm; schwäbisch; zweispaltig von mehreren Schreibern, ‚Edelstein‘ von einem Schreiber (Stefan Hüttaus); die Handschrift wurde im Auftrag Sigismund Gossembrots zusammengestellt und war im Jahr 1449 noch in seinem Besitz (f. 200v). ‚Edelstein‘ vollständig illustriert; von Gossembrot zahlreiche Randbemerkungen bei den Fabeln; Auslegungsteile sind markiert. Inh.: Verzeichnis von Büchern, die bei Diebold Lauber erhältlich sind (4*r); Fragespiele und vulgäre Kleinepik (f. 16*r); ‚Edelstein‘ (f. 1ra–50ra); verschiedene Schwänke, Kleinepik, zum Teil lateinisch, Bispel und Exempel; Heinrich der Teichner (f. 52vb–53va, 71vb–72ra, 77ra–77va); Der Stricker (f. 53vb–55ra, 65va, 76vb–77ra); Freidank (f. 55va–62va, 70rb–71va, 74va–76vb, 82ra–94rb); ‚Lustige Predigt‘ (f. 65va–66ra); ‚Disticha Catonis‘ (f. 66rb–70ra); ‚Oberdeutscher vierzeiliger Totentanz‘ (f. 79ra–80va); eine Quaestio zum verborgenen Schriftsinn von fabulae (f. 103r); Fürstenpreis (f. 104v); ‚Dietrichs Flucht‘ (f. 105ra–161vb); ‚Die Rabenschlacht‘ (f. 162ra–197vb). Lit.: Karl Bartsch, Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg, Bd. I: Die altdeutschen Handschriften, Heidelberg 1887, S. 72–75; Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 431; Matthias Miller und Karin Zimmermann, Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Cod. Pal. germ. 304–495 (Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg 8), Heidelberg 2007, S. 56–66. Karlsruhe, BLB, cod. Ettenheimmünster 30 ‚Edelstein‘: f. 1r–108v 2. Hälfte 15. Jhd.; Papier; noch 126 Blätter; 285 * 215 mm; alemannisch; einspaltig von zwei Schreibern (Wechsel f. 87r). Illustrationen beim ‚Edelstein‘ vorgesehen aber nicht ausgeführt. Inh.: ‚Edelstein‘ (f. 1r–108v); Freidank (f. 109r–126v). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 431; Karl Preisendanz, Die Handschriften des Klosters Ettenheimmünster. Neudruck mit bibliographischen Nachträgen der Ausgabe Karlsruhe 1932 (Die Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe 9), Wiesbaden 1972, S. 15f.

Sammelhandschriften

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Karlsruhe, BLB, cod. Ettenheimmünster 37 ‚Edelstein‘: f. 84r–237v 1482 (Eintrag f. 237v); Papier; 238 Blätter; 155 * 215 mm; alemannisch; einspaltig von einem Schreiber (Johannes Taininger, f. 237v). Für den ‚Edelstein‘ Illustrationen vorgesehen, aber nicht ausgeführt. Inh.: Deutsches Kalendarium, Planetentafeln, Aderlaß-, Gesundheits- und Lebensregeln (f. 1r–80v); ‚Edelstein‘ (f. 84r–237v). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 432; Karl Preisendanz, Die Handschriften des Klosters Ettenheimmünster. Neudruck mit bibliographischen Nachträgen der Ausgabe Karlsruhe 1932 (Die Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe 9), Wiesbaden 1972, S. 17f. München, BSB, cgm 714 ‚Edelstein‘: f. 222r–225r 1455–1458; Papier; 493 Blätter; 210 * 150 mm; nordbairisch; einspaltig von zwei häufig wechselnden Schreibern, ‚Edelstein‘ vom 1. Schreiber; Ende 15./Anfang 16. Jhd. im Besitz des Nürnbergers Michel Geyswürgel. Nicht illustriert; Register: Das ist das register des buchs darynn vindt man durch dy czal alle dy spruch und alle dy vasnachtspil die in disem buch geschriben sind (f. Ir). Inh.: V. a. lehr- und schwankhafte Kleinepik, u. a. Minnereden; Mären; Schwänke; Hugo von Trimberg: ‚Der Renner‘ (f. 28v–32v); ‚Edelstein‘ (f. 222r–225r); Heinrich der Teichner (225v–227v); Fasnachtsspiele (f. 284v–490r). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 432; Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München: Cgm 691–867. Editio altera (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis T. 5, Ps. 5), Wiesbaden 1984, S. 79–89. München, BSB, cgm 3974 ‚Edelstein‘: f. 124r–213r I: 1440–1466, II: Mitte 15. Jhd., III: 2. Viertel 15. Jhd. (In eine von einer Hand über einen längeren Zeitraum hinweg geschriebene Handschrift I wurden die beiden fremden Handschriftenteile II und III eingearbeitet. I:

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Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘

f. 1–91, 114–123, 168–321, II: f. 92–113, III: f. 124–167); Papier; 323 Blätter; 295 * 205 mm; lateinisch-deutsch (‚Edelstein‘ bairisch); neun Schreiber, ‚Edelstein‘ einspaltig von zwei Schreibern (Wechsel f. 168r); aus dem Benediktinerkloster St. Emmeram, Regensburg. ‚Edelstein‘ vollständig illustriert und von verschiedenen Schreibern mit Kommentaren, Sprichwörtern, Verweisen auf den lateinischen ‚Anonymus Neveleti‘ in dieser Handschrift, sowie Auszügen aus dem lateinischen Kommentar zu diesem versehen. Epimythien sind markiert; Aesop-Illustration f. 213r, Illustration zu Salomon und Markolf f. 213v. Inh.: U. a.: ‚Speculum humanae salvationis‘ (f. 1ra–51rb, mit Illustrationen, lat. und dt. Randnachträgen, Exempel); Typologische Darstellung der Geburt Christi (f. 51v, mit dt. Umschriften; Titel auf f. 85r mit Verweis auf f. 53 [= f. 51]); Theologische Notizen (f. 52ra–53rb); Miniatur mit lat. Beischriften, Exempel (f. 53v); Totentanz (f. 54r–59v, dt. Text mit lat. Überschriften, Illustrationen, dt. Beischriften und lat. Zusätzen); ‚Visio Philiberti‘ (f. 60ra–65va, jeweils linke Textspalte); ‚Speculum artis bene moriendi‘ (f. 60rb–65vb, jeweils rechte Textspalte); ‚Speculum peccatorum‘ (f. 66ra–69va); ‚Regula aurea‘ (f. 69va–vb); ‚De ymagine vanitatis‘ (f. 69v, Nachtrag); Lat. Etymachietraktat (f. 70ra–84vb, mit Illustrationen und lat. Zusätzen); Theologische Notizen, lat. und dt. Nachträge (f. 84vb–85r); ‚Speciales meditationes de passione Christi‘ (f. 85r–88r, in Form von zwölf Körben bildlich dargestellt); Geistliche Schiffsauslegungen (f. 88va–91vb, Illustrationen vorgesehen); Franz von Retz: ‚Defensorium inviolatae virginitatis Mariae‘ (f. 92r–113v (nachträglich eingefügter Handschriftenteil), lat. und dt., halbseitige Miniaturen); ‚Vita beate virginis Marie et salvatoris rhythmica‘ (f. 114ra–121vb, Schlußabschnitt mit kommentierenden Zusätzen); Theologische Exzerpte (f. 122ra–123vb); Ulrich Boner: ‚Der Edelstein‘ (f. 124r–213ra, (f. 124–167 nachträglich eingearbeitet)); Abbildung ‚Magister Esopus et poeta‘ (f. 213r); Abbildung ‚Salomon und Markolf‘ (f. 213v); ‚Salomon und Markolf‘ (f. 193vb–215vb, zumeist rechts neben dem Boner-Text, dt. und lat.); Anonymus Neveleti: ‚Fabulae aesopicae‘ (f. 216ra–234vb, mit Kommentar und lat. Interlinearglossen); Avian: ‚Fabulae aesopicae‘ (f. 235ra–248vb, mit Kommentar und lat. Interlinearglossen); Zeitklage über den Verfall der Tugenden: ‚De defectu huius mundi‘ (f. 249va–vb); ‚Biblia pauperum‘ (f. 250ra–270vb, lat.-dt.); ‚Magister Alanus de sex alis cherubin‘ (f. 271ra–273va, freier Platz für die auszudeutende Figur des Cherubim); Theologische Notizen (f. 273va–vb); Prudentius: ‚Tituli historiarum‘ (f. 274ra–289va, mit Kommentar); ‚De oratione dominica‘ (f. 289vb); ‚Ecloga Theoduli‘ (f. 290ra–317ra, mit Kommentar); ‚Physiologus Theobaldi‘ (f. 317rb–321vb, mit Kommentar; unvollständig).

Sammelhandschriften

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Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 432; Klaus Grubmüller, Elemente einer literarischen Gebrauchssituation. Zur Rezeption der aesopischen Fabel im 15. Jahrhundert, in: Würzburger Prosastudien II. Untersuchungen zur Literatur und Sprache des Mittelalters. Kurt Ruh zum 60. Geburtstag, hg. v. Peter Kesting (Medium Aevum. Philologische Studien 31), München 1975, S. 139–159; Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Die mittelalterlichen Handschriften aus Cgm 888–4000 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Maonacensis. Tomus V, 6), Wiesbaden 1991, S. 504–519. München, BSB, clm 4409 ‚Edelstein‘: f. 87r–132r 12.–15. Jhd.; Pergament/Papier; 229 Blätter; 2°; lateinisch-deutsch (schwäbisch); zahlreiche Schreiber, ‚Edelstein‘ einspaltig von einem Schreiber; aus dem Kloster St. Ulrich und Afra in Augsburg. ‚Edelstein‘ unvollständig illustriert; zunächst beginnt jede Fabel mit einer Illustration, dann folgen in großer, schwarzer Schrift relativ raumgreifend der lateinische Text des Anonymus Neveleti und anschließend mit hellerer Tinte und in kleiner Schrift der lateinische Kommentar und die deutsche Fabel. Diese Anordnung wird von f. 83r bis f. 110v durchgehalten, ab f. 111r wird der lateinische Kommentar weggelassen, ab f. 119r auch der lateinische Text. Inh.: U. a.: Versus de penitentia: ‚Poeniteas cito peccator‘ ( f. 1r–9v, mit dt. Erklärungen und lat. Interlinearglossen); decem praecepta, de septem peccatis mortalibus (f. 10r–11ar, mit erklärenden lat. Interlinearglossen); versus de penitentia (f. 12r–20v, mit dt. Erklärungen, die in den Text integriert sind und lat. Interlinearglossen); de scolaribus: ‚Scolaris qui uis prouehi culmen ad honorum‘ (f. 20v–33r, mit dt. Erläuterungen im Text); ‚Qui vult ornari uirtutibus atque beari‘ (f. 33v–40v, mit dt. Erklärungen im Text); ‚Hos morum flores si carpseris ut rosa flores‘ (f. 41r–46r, mit dt. Erklärungen im Text); ‚Nomine floretus liber incipit ad bona cetus‘; (f. 47r–82v, mit sporadischen lat. Rand- und Interlinearglossen); ‚Edelstein‘ (f. 87r–128r, mit lat. Text und Kommentar); Phisiologus: ‚Tres leo naturas et tres habet inde figuras‘ (f. 129r–140v, erklärende lat. Interlinear- und Randglossen); Fragment aus Ovids Metamorphosen (f. 141r–144v, glossiert, auch am Rand Bemerkungen); Commentarius in disticha Catonis (f. 145r–154r, wenige Anmerkungen am Rand); Commentarius metricus in eadem (f.

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Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘

155r–162v, Korrekturen und seltene Randnachträge); ‚Facetus Moribus et vita quisquis vult esse facetus‘ (f. 162v–174r); Novus Cato (f. 174v–179v); Phisiologus (f. 188r–194r); Vita Monachorum (f. 194v–200r); Illustration zur Vita Monachorum (f. 200r); Pilatus: ‚Si veluti quondam scriptor vel scripta placerent‘ (f. 200v–208r); Bernhardus: ‚de contemptu mundi‘: ‚Cartula nostra tibi mandat dilecte salutes‘ (f. 208r–212r); Vitia mulierum (f. 212r–213r); Boetius: ‚de disciplina scolarium‘ (f. 214r–229r). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 432; Johann Andreas Schmeller, Catalogus codicum latinorum bibliothecae regiae Monacensis, tomus I,2., München 21894, S. 190f. St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 643 ‚Edelstein‘: S. 1a–89a 15./16. Jhd.; Papier; 260 Seiten; 300 * 220 mm; hochalemannisch; einspaltig; mehrere Schreiber, ‚Edelstein‘ und ‚Schweizer Anonymus‘ zweispaltig von einem Schreiber; aus dem Besitz von Aegidius Tschudi (1505–1572). ‚Edelstein‘ vollständig illustriert; für den ‚Schweizer Anonymus‘ sind Illustrationen vorgesehen, wurden jedoch nicht ausgeführt. Inh.: ‚Edelstein‘ (S. 1a–89a); ‚Schweizer Anonymus‘ (S. 89a–128b); Chronik der Stadt Zürich 1313–1389 (S. 131–153); Chronik der Stadt Zürich 1428–1433 (S. 153–157); Zusätze u. a. den Bund von 1315 betreffend (S. 157f.); Dritte bzw. sogenannte Glarner Fortsetzung der Chronik der Stadt Zürich von Rudolf Mad 1460–1478 (S. 159–201); alphabetische Liste des in der Schlacht von Sempach gefallenen Adels (S. 240f.). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 432; Beat Matthias von Scarpatetti, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 1: Abt. IV: Codices 547–669: Hagiographica, Historica, Geographica. 8.–18. Jahrhundert, Wiesbaden 2003, S. 268–271; Hans-Joachim Ziegeler, Das Vergnügen an der Moral. Darbietungsformen der Lehre in den Mären und Bispeln des Schweizer Anonymus, in: Germanistik – Forschungsstand und Perspektiven. Vorträge des Deutschen Germanistentages 1984, hg. v. Georg Stötzel, 1. Teil: Ältere Deutsche Literatur, Neuere Deutsche Literatur, Berlin/New York 1985, S. 88–109.

Sammelhandschriften

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St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 969 ‚Edelstein‘: S. 116–129 15. Jhd.; Papier; 222 Seiten; 4°; alemannisch; mehrere Schreiber, ‚Edelstein‘ einspaltig von einem Schreiber. Nicht illustriert. Inh.: U. a. ‚De contemptu mundi‘ (S. 3–6, dt.); Predigten (S.7–33); Mariengrüße, Gebete, Exempel und Autoritätensprüche, darunter Freidank (S. 33–46); Legende vom Heiligen Georg (S. 69–105); ‚Edelstein‘ (S. 116–129); ‚Die besessene Nonne Agnes‘ (S. 131–215); die zehn Gebote, jeweils mit scherzhaftem Reimspruch (S. 108); Heinrich von Neustadt: ‚Von Gottes Zukunft‘ (S. 220). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 433; Ines Heiser, Autorität Freidank. Studien zur Rezeption eines Spruchdichters im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Hermaea 10), Tübingen 2006, S. 41f.; Gustav Scherrer, Verzeichniss der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, Halle 1875, S. 363. ehem. Straßburg, StB. (1870 verbrannt) 14./15. Jhd.; Papier; 4°; alemannisch; aus Privatbesitz Johann Georg Scherz, Straßburg, zuvor bis Mitte 17. Jhd. im Besitz des elsässischen Geschlechts derer von Gottesheim. Vermutlich illustriert (Oberlin, S. 2: picturis rudioribus), Scherz und Pfeiffer erwähnen die Illustrationen jedoch nicht. Inh.: ‚Edelstein‘; Freidank. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 433; Fabeln aus den Zeiten der Minnesinger, hg. v. Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger (Fotomechanischer Neudruck der Originalausgabe 1757 nach dem Exemplar der Deutschen Staatsbibliothek Berlin), Leipzig 1976, S. 4v–5*r; Jeremias Jakob Oberlin, Bonerii Gemma sive Boners Edelstein. Fabulas C e phonascorum aevo complexa ex inclyta bibliotheca ordinis S. Joh. Hierosol. Argentoratensis. Supplementum ad Joh. Georgii Scherzii Philosophiae moralis german. medii aevi specimina undecim, Straßburg 1782, S. 2–8; Der Edelstein von Ulrich Boner, hg. v. Franz Pfeiffer (Dichtungen des deutschen Mittelalters 4), Leipzig 1844, S. 187; Johann Georg Scherz, Philosophiae moralis Germanorum medii aevi specimina I–XI, Straßburg 1704–10, S. 5f.

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Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘

ehem. Straßburg, StB, Joh. Bibl. Ms. B 94 (1870 verbrannt) 1411; Papier; 201 Blätter; 2°; alemannisch; drei Schreiber, ‚Edelstein‘ von einem Schreiber. Nicht illustriert. Inh.: ‚Edelstein‘; Egenolf von Staufenberg: ‚Peter von Staufenberg‘. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 433; Der Ritter von Stauffenberg. Ein altdeutsches Gedicht, hg. nach der Handschrift der öffentlichen Bibliothek zu Straßburg von Christian Moritz Engelhardt, Straßburg 1823, S. 53ff. Straßburg, Bibl. nat. et univ., Ms. 2935 (cod. L germ. 727.2°) ‚Edelstein‘: f. 164rb–182v 15. Jhd.; Papier; 185 Blätter; 314 * 215 mm; alemannisch; ‚Edelstein‘ zweispaltig von einem Schreiber, ohne Versabsätze. Nicht illustriert. Inh.: U. a. das alte Testament (f. 2r–42v); Gebete, Psalmen, Sinnsprüche (f. 43v–44v); verschiedene Chroniken (f. 50r–164ra); ‚Edelstein‘ (f. 164rb–182v). Lit.: Adolf Becker, Die deutschen Handschriften der Kaiserlichen Universitäts- und Landesbibliothek zu Straßburg, Straßburg 1914, S. 120ff.; Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 433; Ernest Wickersheimer, Manuscrits de la bibliothèque universitaire et régionale de Strasbourg (Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France 47), Paris 1923, S. 578f. Stuttgart, WLB, cod. HB X 23 ‚Edelstein‘: f. 79r–148r 1449 (f. 25vb); Papier; 149 Blätter; 285 * 205 mm; ostmitteldeutsch; zweispaltig von zwei Schreibern, ‚Edelstein‘ einspaltig von einem Schreiber; 1566 im Besitz des Kanzleischreibers Andreas Venatorius. Nicht illustriert. Inh.: Johannes von Tepl: ‚Der Ackermann aus Böhmen‘ (f. 2ra–18rb); Cato (f. 18rb–22vb, dt.); Facetus (f. 22vb–25vb, dt.); Belial (f. 26ra–77rb, dt.); ‚Edelstein‘ (f. 79r–148r). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 433; Maria Sophia Buhl, Die Handschriften der ehemaligen Hofbibliothek Stuttgart,

Sammelhandschriften

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Bd. 4, 1, Codices philologici (HB VIII, 1–31), Codices Arabici (HB IX, 1–2), Codices philosophici (HB X, 1–30) (Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Zweite Reihe, 4, 1), Wiesbaden 1972, S. 88f. ehem. Wernigerode, Stolbergische Bibl., cod. Zb 4m (verschollen) ‚Edelstein‘: f. 135v–137v Letztes Viertel 15. Jhd./erstes Drittel 16. Jhd.; Papier; 256 Blätter; 4°; rheinfränkisch; einspaltig; zahlreiche Schreiber, ‚Edelstein‘ von einem Schreiber, ohne Versabsätze; im ersten Viertel des 16. Jhd.s im Besitz eines Johann Wirts von Kronberg (f. 126r), vor 1532 eines Konrad von Steinbach, danach eines Sohnes eines Heinrich Muller von Königstein (f. 232r), um 1535 in der Gräflich Stolbergischen Bibliothek zu Königstein, nach 1574 nach Wernigerode gelangt. Verbleib seit 1931 unbekannt. Nicht illustriert. Inh.: U. a.: Jüngeres Hildebrandslied (f. 95v–97r); ‚Der züchte lere‘ (f. 113r–125v); Hans Raminger: ‚Von der Natur des Kindes‘ (f. 130v–133r); ‚Edelstein‘ (f. 135v–137v); ‚Wolfdietrich‘ (f. 218v–220r); ‚Verschwiegene Liebe‘ (f. 245r–249r); ‚Der edle Moringer‘ (f. 249v–255v). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 433f.; Tilo Brandis, Mittelhochdeutsche, mittelniederdeutsche und mittelniederländische Minnereden. Verzeichnis der Handschriften und Drucke (MTU 25), München 1968, S. 266. Wien, ÖNB, cod. 2933 ‚Edelstein‘: f. 1r–102v Um 1470–1480; Papier; noch 106 Blätter; 217 * 135–142 mm; rheinfränkisch; einspaltig von zwei Schreibern, ‚Edelstein‘ von einem Schreiber. Vollständig illustriert; Register zum ‚Edelstein‘ (f. 102v: Wer disse biespele mirken wel. Dit ist daz reigister vber die vor geschreben cappittel. Wilch der lesen wel, der mirgk die czale dar hinder, so vint ersz. Die Zahlen fehlen allerdings). Inh.: ‚Edelstein‘ (f. 1r–102v); Weissagung aus Namen (f. 103r–104r); diverse Liebesgrüße und Liebesbriefe (f. 104r–106r). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 434; Hermann Menhardt, Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften

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Verzeichnis der Handschriften und Drucke von Boners ‚Edelstein‘

der Österreichischen Nationalbibliothek, Bd. 2 (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 13), Berlin 1961, S. 637ff. Wolfenbüttel, HAB, cod. 2.4. Aug. 2° ‚Edelstein‘: f. 15ra–52rb Ca. 1490–1492 (I)/um 1450–1480 (II); Papier mit sieben Pergamentblättern; 169 Blätter; 360 * 270 mm; nordbairisch/ostfränkisch; zweispaltig von fünf Schreibern, ‚Edelstein‘ von vier Schreibern; von Herzog August d. J. (1579–1666) vermutlich aus Nürnberg erworben. ‚Edelstein‘ vollständig illustriert; die Handschrift besteht aus ursprünglich zwei von dem selben Schreiber angelegten Teilen mit je eigenem Register; ein vorwiegend geistlicher Teil (I), der zuerst angelegt wurde, und ein weltlicher Teil (I), in den eine Bonerhandschrift (II) integriert wurde, die die Sammlung eröffnet; dieser Teil wurde dem geistlichen beim Binden vorangestellt. Register für f. 15–146 (f. 1–8; Hie vahet an das puch das ist genant der welt lauff vnd es hat ein meyster gemacht genandt Esopus vnd haysset der guldein stein vnd straffet reich vnd arm geystlich vnnd werltlich künig vnd kayser vnd alle welt, vnd ist gemalet mit den figuren [...]); Register für f. 183–253 (f. 170–176). Inh.: Sog. ‚Wolfenbütteler Priamelhandschrift‘, darunter u. a.: ‚Edelstein‘ (f. 15ra–52rb); Freidank (f. 91r–99r, 119r–125r, 130v, 133v–142v, 206v, 212r, 244v–245r); ‚Der Renner‘; Cato; ‚Facetus‘; Hans Rosenplüt; Hans Folz; Priamelreden; Rätsel; Haushaltslehren; Liebessprüche; Trink- und Erbauungssprüche; Pseudo-Engelharts von Ebrach ‚Buch der Vollkommenheit‘ in einer Versbearbeitung; ‚Das guldein ABC‘ des Mönchs von Salzburg als Reimpaarspruch; versifizierte Eckhart-Legenden; Ständesatire; Psalter; Rosenkranz; Tischgebet. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 434; Kleinere mittelhochdeutsche Erzählungen, Fabeln und Lehrgedichte, Bd. 2, Die Wolfenbüttler Handschrift 2.4. Aug. 2°, hg. v. Karl Euling (Deutsche Texte des Mittelalters 14), Berlin 1908; Otto von Heinemann: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, 2. Abt.: Die Augusteischen Handschriften, Bd. I, Wolfenbüttel 1890, S. 68f.; Hansjürgen Kiepe, Die Nürnberger Priameldichtung. Untersuchungen zu Hans Rosenplüt und zum Schreib- und Druckwesen im 15. Jahrhundert (MTU 74), München 1984, S. 362–366.

Fragment

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Wolfenbüttel, HAB, cod. 3.2. Aug. 4° ‚Edelstein‘: f. 26r–58v 15. Jhd.; Papier; 58 Blätter; 280 * 185 mm; bairisch/alemannisch; einspaltig von zwei Schreibern, ‚Edelstein‘ von einem Schreiber. Illustrationen vorgesehen, aber bei beiden Texten nicht ausgeführt. Inh.: Jacobus von Cessolis: ‚Schachzabel‘ (f. 1r–25v); ‚Edelstein‘ (f. 26r–58v). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 434; Otto von Heinemann, Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, 2. Abt.: Die Augusteischen Handschriften, Bd. IV, Wolfenbüttel 1900, S. 116. Wolfenbüttel, HAB, cod. 76.3. Aug. 2° ‚Edelstein‘: f. 1r–95v 1458 (f. 95v); Papier; 199 Blätter; 300 * 210 mm; schwäbisch; drei Schreiber, ‚Edelstein‘ einspaltig von einem Schreiber. Vollständig illustriert; bei den Boner-Fabeln Verweise von Lessings Hand. Inh.: ‚Edelstein‘ (f. 1r–95v); Chronik der Stadt Augsburg (f. 96r–104r); Fasnachtsspiele (f. 108r–149v, 191r–199v); Klagen verschiedener Stände übereinander (f. 152r–155v); Priameln (f. 156r–189r); scherzhafter Brief an eine Frau (f. 190r–190v). Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 434f.; Otto von Heinemann, Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, 2. Abt.: Die Augusteischen Handschriften. Bd. III, Wolfenbüttel 1898, S. 392f.

VII.3 Fragment Karlsruhe, BLB, cod. Donaueschingen A. III. 53 ‚Edelstein‘: f. 1ra–vb Um 1445–1450; Papier; 1 Blatt; nordbairisch; zweispaltig von einem Schreiber. Mit Illustration; enthält Boner Nr. 74, V. 38–114 und Nr. 76, V. 1–51 nach der Ausgabe von Pfeiffer. Lit.: Bodemann/Dicke, Überlieferungs- und Textgeschichte, S. 430; Der Edelstein von Ulrich Boner, hg. v. Franz Pfeiffer (Dichtungen des deutschen Mittelalters 4), Leipzig 1844.

VIII Bibliographie VIII.1 Texte Johannes Agricola, Sybenhundert und fünfftzig Teütscher Sprichwörter, verneüwert und gebessert, hg. v. Mathilde Hain (Volkskundliche Quellen. Neudrucke europäischer Texte und Untersuchungen VII), Hildesheim/New York 1970. Der Edelstein von Ulrich Boner, hg. v. Franz Pfeiffer (Dichtungen des deutschen Mittelalters 4), Leipzig 1844. Ulrich Boner, Der Edelstein. Mikrofiche-Edition der Handschrift Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. I. 3. 2° 3. Mit einem Anhang: Des Teufels Netz, Sibyllenweissagung. Kodikologische und kunsthistorische Beschreibung von Ulrike Bodemann (Codices illuminati medii aevi 7), München 1987. Ulrich Boner, Der Edelstein. Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Handschrift A N III 17. Mit einer Einführung in das Werk von Klaus Grubmüller, kodikologische und kunsthistorische Beschreibung von Ulrike Bodemann, Farbmikrofiche-Edition, München 1987. Sebastian Brant, Das Narrenschiff. Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben hg. v. Manfred Lemmer (Neudrucke deutscher Literaturwerke 5), Tübingen 31986. Sebastian Brant, Fabeln. Carminum et fabularum additiones Sebastiani Brant – Sebastian Brants Ergänzungen zur Aesop-Ausgabe von 1501. Mit den Holzschnitten der Ausgabe von 1501 hg., übers. und mit einem Nachwort versehen von Bernd Schneider (Arbeiten und Editionen zur Mittleren Deutschen Literatur 4), Stuttgart-Bad Cannstatt 1999. Baldesar Castiglione, Das Buch vom Hofmann. Übers. und erl. von Fritz Baumgart. Mit einem Nachw. von Roger Willemsen, München 1986. Chronik der Stadt Zürich. Mit Fortsetzungen, hg. v. Johannes Dierauer (Quellen zur Schweizer Geschichte 18), Basel 1900. Marcus Tullius Cicero, De oratore. Über den Redner. Lateinisch/Deutsch. Übers. und hg. v. Harald Merklin (RUB 399), Stuttgart 21991.

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Bibliographie

Fabeln aus den Zeiten der Minnesinger, hg. v. Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger, Leipzig 1976 (Fotomechanischer Neudruck der Originalausgabe 1757 nach dem Exemplar der Deutschen Staatsbibliothek Berlin). Sebastian Franck, Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe mit Kommentar. Bd. 11. Sprichwörter, hg. v. der Forschungsstelle für Mittlere Deutsche Literatur der FU Berlin (Berliner Ausgaben), Bern 1993. Freidank, hg. v. Wilhelm Grimm, Göttingen 1860. Gesta Romanorum, hg. v. Hermann Oesterley (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1872), Hildesheim/New York 1980. Hugo von Trimberg, Der Renner, hg. v. Gustav Ehrismann. Mit einem Nachwort und Ergänzungen von Günther Schweikle, 4 Bde. (Deutsche Neudrucke), Berlin 1970. Das ‚Solsequium‘ des Hugo von Trimberg, hg. v. Angelika Strauß (Wissensliteratur im Mittelalter. Schriften des Sonderforschungsbereichs 226 Würzburg/Eichstätt 39), Wiesbaden 2002. Das Schachzabelbuch des Jacobus de Cessolis, O. P. in mittelhochdeutscher Prosa-Übersetzung, hg. v. Gerard F. Schmidt (Texte des späten Mittelalters 13), Berlin 1961. Johannes von Tepl, Der Ackermann. Frühneuhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg., übers. und kommentiert von Christian Kiening (RUB 18075), Stuttgart 2000. Kaiserchronik eines Regensburger Geistlichen, hg. v. Edward Schröder (MGH, Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters 1, 1), Berlin 1985. Hans Wilhelm Kirchhof, Wendunmuth, hg. v. Hermann Österley, 5 Bde. (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 95–99), Tübingen 1869. Iwan Andrejewitsch Krylow, Sämtliche Fabeln. Deutsch von Rudolf Bächtold, Zürich 1960. Das Schachzabelbuch Kunrats von Ammenhausen. Nebst den Schachbüchern des Jacob von Cessole und des Jakob Mennel, hg. v. Ferdinand Vetter (Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz, Ergänzungsband), Frauenfeld 1887. D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, hg. v. Hermann Böhlau u. a., Weimar 1883ff. Luthers Fabeln. Nach seiner wiedergefundenen Handschrift hg. und eingel. von Ernst Thiele. Mit einem Facsimile (Neudrucke deutscher Litteraturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts 76), Halle a. S. 1888.

Texte

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Luthers Tischreden, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, hg. v. Hermann Böhlau u. a., Weimar 1883ff., Tischreden: 6 Bde., Weimar 1912–1921. Johannes Mathesius, Ausgewählte Werke, Bd. 3. Luthers Leben in Predigten, hg. v. Georg Loesche (Bibliothek Deutscher Schriftsteller aus Böhmen 9), Prag 1898. Mensa Philosophica. Faksimile und Kommentar, hg. v. Erwin Rauner und Burghart Wachinger (Fortuna Vitrea 13), Tübingen 1995. Nürnberger Prosa-Äsop, hg. v. Klaus Grubmüller (ATB 107), Tübingen 1994. Johannes Pauli, Schimpf und Ernst, hg. v. Johannes Bolte, 2 Bde., Hildesheim/New York 1972 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1924). Poggio Bracciolini, Facezie. Con un saggio di Eugenio Garin. Introduzione, traduzione e note di Marcello Ciccuto. Testo latino a fronte (I classici della Biblioteca Universale Rizzoli), Milano 1983. Proben eines kritischen Textes der deutschen Cyrillusfabeln des Ulrich von Pottenstein, hg. v. Georg Scharf, in: ZfdPh 59 (1934), S. 147–188. Der Reinhart Fuchs des Elsässers Heinrich, hg. v. Klaus Düwel (ATB 96), Tübingen 1984. Der Ritter von Stauffenberg. Ein altdeutsches Gedicht. Hg. nach der Handschrift der öffentlichen Bibliothek zu Straßburg von Christian Moritz Engelhardt, Straßburg 1823. Salomon et Marcolfus. Kritischer Text mit Einleitung, Anmerkungen, Übersicht über die Sprüche, Namen- und Wörterverzeichnis, hg. v. Walter Benary (Sammlung mittellateinischer Texte 8), Heidelberg 1914. Eine Schweizer Kleinepiksammlung aus dem 15. Jahrhundert, hg. v. Hanns Fischer, Tübingen 1965. Steinhöwels Äsop, hg. v. Hermann Österley (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 117), Tübingen 1873. Fabeln und Mären von dem Stricker, hg. v. Heinz Mettke (ATB 35), Halle a. d. S. 1959. Der Stricker, Tierbispel, hg. v. Ute Schwab (ATB 54), Tübingen 31983. Des Teufels Netz. Satirisch-didaktisches Gedicht aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, hg. v. Karl Barack, Amsterdam 1968 (Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1863). Thomasin von Zirclaria, Der wälsche Gast, hg. v. Heinrich Rückert (Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit 30), Quedlinburg/Leipzig 1852.

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Bibliographie

Augustin Tünger, Facetiae, hg. v. Adelbert von Keller (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 98), Tübingen 1874. Heinrich Wittenwiler, Der Ring, hg. v. Horst Brunner (RUB 8749), Stuttgart 1991. Zimmerische Chronik, 4 Bde., hg. v. Karl Barack (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 91–94), Tübingen 1869.

VIII.2 Forschungsliteratur Abegg, Regine und Christine Barraud Wiener, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich. Die Stadt Zürich. Altstadt links der Limmat. Sakralbauten. Neue Ausgabe Bd. II. I (Die Kunstdenkmäler der Schweiz), Bern 2002. Bachorski, Hans-Jürgen, Poggios Facetien und das Problem der Performativität des toten Witzes, in: Zeitschrift für Germanistik 11 (2001), S. 318–335. Bässler, Andreas, Sprichwortbild und Sprichwortschwank. Zum illustrativen und narrativen Potential von Metaphern in der deutschsprachigen Literatur um 1500 (Quellen und Forschungen zur Literaturund Kulturgeschichte 27), Berlin/New York 2003. Baldzuhn, Michael, ‚Cato‘ bei Hofe. Transformationen eines Schultextes in den Händen adeliger Laien, in: Archiv für Kulturgeschichte 87/2 (2005), S. 315–349. Baldzuhn, Michael, Textreihen in der Mitüberlieferung von Schultexten als Verschriftlichungsphänomen. Formen ihrer Herausbildung im Lateinischen (Liber Catonianus, Auctores octo) und in der Volkssprache (Cato/Facetus), in: Erziehung, Bildung, Bildungsinstitutionen. Education, Training and their Institutions, hg. v. Rudolf Suntrup u. a., Frankfurt a. M. 2006, S. 19–54. Baldzuhn, Michael, dem selbigen glosiert er allwegen in die feder. Distribution und Produktion/Rezeption volkssprachlicher „expositio ad litteram“ im Umfeld des spätmittelalterlichen Lateinunterrichts, in: Texttyp und Textproduktion in der deutschen Literatur des Mittelalters, hg. v. Elizabeth Andersen u. a. Berlin/New York 2005, S. 415–435. Baldzuhn, Michael, Quidquid placet. Stellung und Gebrauchsformen der ‚Fabulae Aviani‘ im Schulunterricht des 15. Jahrhunderts, in: Schule und Schüler im Spätmittelalter. Beiträge zur europäischen

Forschungsliteratur

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Bildungsgeschichte des 9. bis 15. Jahrhunderts, hg. v. Martin Kintzinger u. a., Köln u. a. 1996, S. 327–383. Baldzuhn, Michael, Avian im Gebrauch. Zur Verwendung von Schulhandschriften im Unterricht, in: Der Codex im Gebrauch. Akten des Internationalen Kolloquiums 11.–13. Juni 1992, hg. v. Christel Meier u. a. (MMS 70), München 1996, S. 183–196 und S. XXXIV–XLV. Baldzuhn, Michael, Schriftliche Textauslegung und mündlicher Unterricht. Das Beispiel der älteren lateinisch und volkssprachlich glossierten Aviane (9.–11. Jahrhundert), in: Mittelalterliche volkssprachliche Glossen. Internationale Fachkonferenz des Zentrums für Mittelalterstudien der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2. bis 4. August 1999, hg. v. Rolf Bergmann u. a. (Germanistische Bibliothek 13), Heidelberg 2001, S. 485–512. Baldzuhn, Michael, Schulbücher im Trivium des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Die Verschriftlichung von Unterricht in der Text- und Überlieferungsgeschichte der ‚Fabulae‘ Avians und der deutschen ‚Disticha Catonis‘, 2 Bde. (QuF NF 44, 1–2), Berlin/New York 2009. Barner, Wilfried, Überlegungen zur Funktionsgeschichte der Fazetien, in: Kleinere Erzählformen des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. Walter Haug und Burghart Wachinger (Fortuna Vitrea 8), Tübingen 1993, S. 287–310. Bartsch, Karl, Kleine Mittheilungen, in: Germania 23 (1878), S. 192, 344. Bartsch, Karl, Die altdeutschen Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg, Heidelberg 1887. Bartsch, Karl, Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg, Bd. I: Die altdeutschen Handschriften, Heidelberg 1887. Bauer, Barbara, Die Philosophie des Sprichworts bei Sebastian Franck, in: Sebastian Franck (1499–1542), hg. v. Jan-Dirk Müller (Wolfenbütteler Forschungen 56), Wiesbaden 1993, S. 181–221. Becker, Adolf, Die deutschen Handschriften der Kaiserlichen Universitäts- und Landesbibliothek zu Straßburg, Straßburg 1914. Bloch, R. Howard, Animal Fables, the Bayeux Tapestry, and the making of the anglo-norman world, in: Poetica 37 (2005), S. 285–309. Bodemann, Ulrike (Hrsg.), Fabula docet. Illustrierte Fabelbücher aus sechs Jahrhunderten. Ausstellung aus Beständen der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Sammlung Dr. Ulrich von Kritter, Braunschweig 1983. Bodemann, Ulrike, Die Cyrillusfabeln und ihre deutsche Übersetzung durch Ulrich von Pottenstein. Untersuchungen und Editionsprobe (MTU 93), München/Zürich 1988.

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IX Abbildungen 1: München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 3974, f. 131v Foto: Bayerische Staatsbibliothek, München 2: München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 3974, f. 132r Foto: http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00079103/image_266 3: München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 3974, f. 209v Foto: http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00079103/image_425 4: München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 3974, f. 213r Foto: Bayerische Staatsbibliothek, München 5: München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 3974, f. 213v Foto: http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00079103/image_433 6: Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, 16.1. Eth. 2°, S. 8 Foto: http://diglib.hab.de/inkunabeln/16-1-eth-2f-1s/start.htm?image=00008 7: Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, 16.1. Eth. 2°, S. 175 Foto: http://diglib.hab.de/inkunabeln/16-1-eth-2f-1s/start.htm?image=00175 8: Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, 8° Inc. 332 Zim., f. 3v Foto: http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN768437954&PHYSID=PHYS_0012&USE=800 9: Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, 8° Inc. 332 Zim., f. 5r Foto: http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN768437954&PHYSID=PHYS_0015&USE=800 10: Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, 8° Inc. 332 Zim., f. 12r Foto: http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN768437954&PHYSID=PHYS_0029&USE=800

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Abbildungen

11: Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, cod. 69.12. Aug. 2°, f. 96v Foto: Marion Wagner, Der sagenhafte Gattungsstifter im Bild. Formen figurierter Autorschaft in illustrierten äsopischen Fabelsammlungen des 15. Jahrhunderts, in: FMST 37 (2003), S. 385–433 und Tafel XIV–XX, Tafel XIV 12: Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, cod. 10.2. Eth. 2°, Titelholzschnitt Foto: Marion Wagner, Der sagenhafte Gattungsstifter im Bild. Formen figurierter Autorschaft in illustrierten äsopischen Fabelsammlungen des 15. Jahrhunderts, in: FMST 37 (2003), S. 385–433 und Tafel XIV–XX, Tafel XVIII 13: Colmar, Bibliothèque de la Ville, Ms. 78, f. 123r Foto: Bibliothèque de la Ville, Colmar 14: München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 4409, f. 86r Foto: Bayerische Staatsbibliothek, München 15: München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 4409, f. 86v Foto: Bayerische Staatsbibliothek, München 16: München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 4409, f. 113v Foto: Bayerische Staatsbibliothek, München 17: München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 4409, f. 114r Foto: Bayerische Staatsbibliothek, München 18: München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 4409, f. 114v Foto: Bayerische Staatsbibliothek, München 19: München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 4409, f. 119v Foto: Bayerische Staatsbibliothek, München 20: München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 4409, f. 120r Foto: Bayerische Staatsbibliothek, München 21: Heidelberg, Universitätsbibliothek, cod. pal. germ. 314, f. 23v Foto: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg314/0084

Abbildungen

197

22: St. Gallen, Stiftsbibliothek, cod. 643, S. 89 Foto: http://www.e-codices.unifr.ch/de/csg/0643/89 23: Dresden, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek, Mscr. M 67b, f. 102r Foto: http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/cache.off?id=5363&tx_ dlf[id]=14347&tx_dlf[page]=209 24: Relief am südlichen Choreingang des Freiburger Münsters Foto: Rainer Budde, Deutsche Romanische Skulptur 1050–1250, München 1979, Abb. 169c 25: Teppich von Bayeux Foto: http://de.wikipedia.org/wiki/Teppich_von_Bayeux 26: Teppich von Bayeux Foto: David M. Wilson, Der Teppich von Bayeux, Berlin 1985, Abb. 6 27: Teppich von Bayeux Foto: http://de.wikipedia.org/wiki/Teppich_von_Bayeux 28: Teppich von Bayeux Foto: David M. Wilson, Der Teppich von Bayeux, Berlin 1985, Abb. 18 29: Teppich von Bayeux Foto: http://de.wikipedia.org/wiki/Teppich_von_Bayeux

Abbildungen

Abb. 1 – Illustration zur ‚Fabel vom Löwenanteil‘. München, BSB, cgm 3974, f. 131v.

199

200

Abbildungen

Abb. 2 – Beginn der ‚Fabel vom Löwenanteil‘. München, BSB, cgm 3974, f. 132r.

Abbildungen

Abb. 3 – Beginn der deutschen Prosafassung des ‚Dialogus Salomonis et Marcolfi‘. München, BSB, cgm 3974, f. 209v.

201

202

Abbildungen

Abb. 4 – Äsop-Illustration. München, BSB, cgm 3974, f. 213r.

Abbildungen

Abb. 5 – Illustration zu ‚Salomon und Marcolf‘. München, BSB, cgm 3974, f. 213v.

203

204

Abbildungen

Abb. 6 – Illustration zu ‚Der Hund am Wasser‘. Wolfenbüttel, HAB, 16.1. Eth. 2°, S. 8.

Abbildungen

205

Abb. 7 – Autor- oder Vermittlerfigur. Wolfenbüttel, HAB, 16.1. Eth. 2°, S. 175.

206

Abbildungen

Abb. 8 – Vorsatzholzschnitt mit Vermittlerfigur. Berlin, SBPK, 8° Inc. 332 Zim., f. 3v.

Abbildungen

Abb. 9 – Vorsatzholzschnitt mit Vermittlerfigur. Berlin, SBPK, 8° Inc. 332 Zim., f. 5r.

207

208

Abbildungen

Abb. 10 – Vorsatzholzschnitt mit Vermittlerfigur. Berlin, SBPK, 8° Inc. 332 Zim., f. 12r.

Abbildungen

Abb. 11 – Äsop-Illustration. Wolfenbüttel, HAB, cod. 69.12. Aug. 2°, f. 96v.

209

210

Abbildungen

Abb. 12 – Äsop-Darstellung. Wolfenbüttel, HAB, cod. 10.2. Eth. 2°, Titelholzschnitt.

Abbildungen

Abb. 13 – Beginn des Exempel-Registers zum Schachzabelbuch. Colmar, Bibl. de la Ville, Ms. 78, f. 123r.

211

212

Abbildungen

Abb. 14 – Fabelpräsentation mit Illustration, lateinischem Text, lateinischem Kommentar und deutschem Text. München, BSB, clm 4409, f. 86r.

Abbildungen

Abb. 15 – Fabelpräsentation mit Illustration, lateinischem Text, lateinischem Kommentar und deutschem Text. München, BSB, clm 4409, f. 86v.

213

214

Abbildungen

Abb. 16 – Fabelpräsentation mit Illustration, lateinischem Text und deutschem Text. München, BSB, clm 4409, f. 113v.

Abbildungen

Abb. 17 – Fabelpräsentation mit Illustration, lateinischem Text und deutschem Text. München, BSB, clm 4409, f. 114r.

215

216

Abbildungen

Abb. 18 – Fabelpräsentation mit Illustration, lateinischem Text und deutschem Text. München, BSB, clm 4409, f. 114v.

Abbildungen

Abb. 19 – Fabelpräsentation mit Illustration und deutschem Text. München, BSB, clm 4409, f. 119v.

217

218

Abbildungen

Abb. 20 – Fabelpräsentation mit Illustration und deutschem Text. München, BSB, clm 4409, f. 120r.

Abbildungen

Abb. 21– Kommentierte Illustration zur Fabel von ‚Löwe und Hirte‘. Heidelberg, UB, cod. pal. germ. 314, f. 23v.

219

220

Abbildungen

Abb. 22 – Beginn des ‚Schweizer Anonymus‘. St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 643, S. 89.

Abbildungen

Abb. 23 – Illustration ‚Der Wolf in der Schule‘ zu Thomasin von Zerclaere, ‚Der welsche Gast‘. Dresden, LB, Mscr. M 67b, f. 102r.

221

Abb. 24 – ‚Der Wolf in der Schule‘. Relief am südlichen Choreingang des Freiburger Münsters.

222 Abbildungen

Abb. 25 – Gastmahl und Harolds Überfahrt nach Frankreich. Teppich von Bayeux.

Abbildungen 223

224

Abbildungen

Abb. 26 – Harolds Landung im Land des Grafen Wido von Ponthieu. Teppich von Bayeux.

Abb. 27 – Harolds Gefangennahme durch Wido. Teppich von Bayeux.

Abbildungen

225

Abb. 28 – Wilhelms Feldzug gegen Herzog Conan, unterstützt von Harold. Teppich von Bayeux.

Abb. 29 – Harolds Rückkehr nach England. Teppich von Bayeux.

226 Abbildungen