Existenzgründung schwerbehinderter Menschen: Verwirklichung eines inklusiven Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung des SGB IX [1. Aufl.] 9783658312299, 9783658312305

Behinderte Menschen haben einen Anspruch auf Nachteilsausgleiche, um die Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern. Dies schli

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Existenzgründung schwerbehinderter Menschen: Verwirklichung eines inklusiven Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung des SGB IX [1. Aufl.]
 9783658312299, 9783658312305

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXIII
Einleitung (Normen Franzke)....Pages 1-51
Methodische Vorgehensweise (Normen Franzke)....Pages 53-64
Schwerbehindertenrecht (Normen Franzke)....Pages 65-108
Bedeutung von Arbeit (Normen Franzke)....Pages 109-150
Förderung für Existenzgründer mit Behinderung (Normen Franzke)....Pages 151-250
Diskussion der Forschungsfragen (Normen Franzke)....Pages 251-293
Schlussbemerkung und Änderungsbedarf (Normen Franzke)....Pages 295-297
Back Matter ....Pages 299-395

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Normen Franzke

Existenzgründung schwerbehinderter Menschen Verwirklichung eines inklusiven Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung des SGB IX

Existenzgründung schwerbehinderter Menschen

Normen Franzke

Existenzgründung schwerbehinderter Menschen Verwirklichung eines inklusiven Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung des SGB IX

Normen Franzke Cottbus, Deutschland Die vorliegende Arbeit wurde von der Fakultät für Wirtschaft, Recht und Gesellschaft der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus–Senftenberg als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. oec.) angenommen.

Vorsitzende: Prof. Dr. Silke Michalk Gutachter: Prof. Dr. Andreas Wien Gutachterin: Prof. Dr. Magdalena Mißler-Behr Tag der mündlichen Prüfung: 12.05.2020

ISBN 978-3-658-31229-9 ISBN 978-3-658-31230-5  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31230-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektora: Carina Reibold Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Peggy

Vorwort

Das Schwerbehindertenrecht hat mit der UN-Behindertenrechtskonvention einen Paradigmenwechsel erfahren. Die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe steht im Fokus. Menschen, die wegen ihrer Behinderung auf Hilfe angewiesen sind, sollen alles tun können, was auch andere Menschen machen. Keine Behörde soll darüber entscheiden dürfen, welche Pläne für das Leben Unterstützung verdienen und welche nicht. Im modernen Zeitalter der Inklusion stellt mittlerweile niemand mehr ernsthaft die Frage, ob sich jemand mit einer Behinderung selbständig machen kann. Spannend sind in diesem Zusammenhang die Selbsteinschätzung und die Selbstbewertung des Existenzgründers mit einer Behinderung in einer konkurrierenden Leistungsgesellschaft – wirtschaftlich und sozial gesehen. Die Teilhabe am Arbeitsleben nimmt eine Schlüsselfunktion ein. Sie hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Die Existenzgründung stellt eine Möglichkeit der Teilhabe am Arbeitsleben dar. Um eine Chancengleichheit zu ermöglichen, müssen die Werkzeuge des Nachteilsausgleiches behördenübergreifend den Existenzgründer mit Behinderung in die Lage versetzen, seine Unternehmung nachhaltig aufzubauen. Das vorliegende Fachbuch ist zugleich eine Dissertation und entstand während meiner Tätigkeit in einer oberen Landesbehörde Brandenburg. Diese Arbeit wurde von der Fakultät Wirtschaft, Recht und Gesellschaft der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus - Senftenberg im Oktober 2019 als Dissertation angenommen. Die Untersuchung war für mich eine Herzensangelegenheit, bei welcher ich zugleich persönlich bereichernde Erfahrungen sammeln konnte. Den zahlreichen Personen, die mich in vielfältiger Art und Weise unterstützt haben, sowie den Weggefährten, die mich begleiteten und mir Rückhalt gaben, möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken.

VII

VIII

Vorwort

Mein besonderer Dank gilt zunächst Herrn Professor Dr. Andreas Wien und Frau Professor Dr. Magdalena Mißler-Behr, für die hervorragende Unterstützung und das persönliche Engagement. Durch die konstruktiven Anmerkungen und Hinweise sowie nicht zuletzt die jederzeitige Diskussionsbereitschaft haben sie entscheidend zum Gelingen beigetragen. Ebenfalls herzlich bedanken möchte ich mich bei Frau Professor Dr. Silke Michalk für ihr Mitwirken in der Prüfungskommission. Ein herzlicher Dank gebührt weiterhin meinen Kollegen und Freunden, durch die ich meine Promotionszeit in schöner Erinnerung behalten werde. Meiner Frau danke ich von Herzen, dass sie mich vorbehaltlos unterstützt, gefördert und gefordert hat, wodurch sie mir die Basis für meine persönliche und berufliche Entwicklung ermöglichte. Durch ihren stetigen Rückhalt, ihren Zuspruch und ihrer Liebe hat sie im wesentlichen Maße zum Erfolg der Arbeit beigetragen. Ihr widme ich diese Arbeit. Cottbus im Mai 2020

Dr. rer. oec. Normen Franzke

Die wirtschaftswissenschaftliche Dissertation wurde mit zwei Bänden angenommen. Die Veröffentlichung erfolgt hier in gekürzter und überarbeiteter Fassung.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Einführung in die Thematik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2 Stand der Forschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.3 Begrifflichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3.1 Definition Behinderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3.2 UN-Behindertenrechtskonvention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.3.3 Definition Teilhabe (Partizipation). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.3.4 Definition Inklusion (Integration) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.3.5 Gleichstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.3.6 Definition der beruflichen Selbständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . 27 1.3.7 Definition des Entrepreneurships. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.3.7.1 Ursprung des Entrepreneurship. . . . . . . . . . . . . . . . 35 1.3.7.2 Entrepreneurship als Prozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1.4 Forschungsfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1.4.1 Unzureichendes diversitäres Gesellschaftssystem. . . . . . . . . 45 1.4.2 Fehlende Opportunity durch investive Förderleistungen. . . . 46 1.4.3 Abgegrenzte Förderpraxis im Land Brandenburg. . . . . . . . . 48 1.4.4 Teilhabe erfordert einen inklusiven Arbeitsmarkt. . . . . . . . . 49 2 Methodische Vorgehensweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.1 Quantitative Auswertungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.2 Qualitative Auswertungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.3 Forschungsdesign. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3 Schwerbehindertenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.1 Gesellschaftlicher Normalitätsmaßstab. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.2 Stereotype-Wahrnehmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.3 Das Anerkennungsverfahren einer Behinderung. . . . . . . . . . . . . . . . 73 IX

X

Inhaltsverzeichnis

3.4 Nachteilsausgleiche für Personen mit Behinderung . . . . . . . . . . . . . 76 3.5 Integrationsamt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.6 Zuständigkeiten der Rehabilitationsträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.7 Die Ausgleichsabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4 Bedeutung von Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.1 Rahmenbedingungen von Existenzgründer mit und ohne Einschränkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.1.1 Gesundheit und Statusanerkennung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.1.2 Erwerbstätigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4.1.3 Verdienst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4.1.4 Bevölkerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4.1.5 Arbeitszufriedenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4.1.6 Qualifizierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 4.2 Gründergeschehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 5 Förderung für Existenzgründer mit Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . 151 5.1 Existenzgründungen nach dem SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 5.1.1 Gründungszuschuss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5.1.2 Eignungsverfahren und Eignungskriterien. . . . . . . . . . . . . . . 167 5.1.3 Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB III. . . . . . . . . . . 173 5.2 Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5.2.1 Lotsendienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 5.2.2 Gründungsservice an den Hochschulen. . . . . . . . . . . . . . . . . 198 5.2.3 Gründungswerkstätten für junge Leute. . . . . . . . . . . . . . . . . 204 5.3 Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben. . . . . . . . . . . . . . 209 5.3.1 Hilfen zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz (§ 21 SchwbAV). . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 5.3.2 Arbeitsassistenz (§ 17 SchwbAV). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 5.3.3 Technische Arbeitshilfen (§ 19 SchwbAV) . . . . . . . . . . . . . . 232 5.3.4 Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes (§ 20 SchwbAV). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 5.3.5 Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung (§ 22 SchwbAV) . . . . . . . 239 5.3.6 Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten (§ 24 SchwbAV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 5.3.7 Hilfen in besonderen Lebenslagen (§ 25 SchwbAV). . . . . . . 244

Inhaltsverzeichnis

XI

5.3.8 Leistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen (§ 26 SchwbAV). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 5.3.9 Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen (§ 27 SchwbAV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 6 Diskussion der Forschungsfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 6.1 Hypothese 1 – Die momentan bestehenden Nachteilsausgleiche reichen nicht aus, um das Ungleichgewicht in einer diversitären Gesellschaft auszugleichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 6.2 Hypothese 2 – Eine finanzielle Unterstützung ohne eine regelmäßige und nachhaltige Erfassung des bestehenden Nachteiles und dessen Bewertung kann zu einem verfehlten Förderziel führen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 6.3 Hypothese 3 – Die unterschiedlichen Fördervoraussetzungen führen in letzter Konsequenz dazu, dass der vom Gesetzgeber vorgesehene Nachteilsausgleich oftmals ausgehebelt wird. . . . . . . . 273 6.4 Hypothese 4 – Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt trägt zu einer schnelleren Teilhabe in allen Lebensbereichen bei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 7 Schlussbemerkung und Änderungsbedarf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Anlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

Abkürzungsverzeichnis

a. F. alte Fassung ADAC Allgemeiner Deutscher Automobil-Club aG außergewöhnliche Gehbehinderung AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AGiL Aufbruch: Gründen im Land AGSG Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze ArbSchG Arbeitsschutzgesetz ArbStättV Arbeitsstättenverordnung Art. Artikel AvD Automobilclub von Deutschland AWbG Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz BAHG Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte BAR Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation BayTHG I Bayerisches Teilhabegesetz I BBiG Berufsbildungsgesetz BetrVG Betriebsverfassungsgesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch BIH Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen BKGG Bundeskindergeldgesetz BKV Berufskrankheiten-Verordnung BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales BSG Bundessozialgerichts BSHG Bundessozialhilfegesetz BSZ Beschäftigungssicherungszuschuss BTHG Bundesteilhabegesetz

XIII

XIV

Abkürzungsverzeichnis

BudgetV Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des Sozialgesetzbuches IX BUrlG Bundesurlaubsgesetz BVG Bundesversorgungsgesetz EAO Erreichbarkeits-Anordnung EinglVO Eingliederungshilfe-Verordnung ErbStG Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz EStG Einkommensteuergesetz FA SchwbR Fachausschuss Schwerbehindertenrecht FP Förderperiode FrühV Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder GdB Grad der Behinderung GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls h/W Stunden pro Woche HGB Handelsgesetzbuch HWK Handwerkskammer i. d. R. in der Regel i. V. m. in Verbindung mit i. S. d. im Sinne der ICD International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems ICF International Classification of Functioning, Disability and Health IHK Industrie- und Handelskammer JuSchG Jugendgerichtgesetzes KfzHV Kraftfahrzeughilfe-Verordnung KSchG Kündigungsschutzgesetz LASA Landesagentur für Struktur und Arbeit LASV Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg LEP Landesentwicklungsplan LES Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen nach dem SGB II LPartG Lebenspartnerschaftsgesetz MASGF Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg (Das Ministerium wurde bis zum 04.11.2014 aufgabenbedingt benannt als Ministerium für Arbeit,

Abkürzungsverzeichnis

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Soziales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg, Kurzform: MASF) MiLoG Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns Mio. Millionen n. F. neue Fassung OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz PSG III Pflegestärkungsgesetz III RBStV Rundfunkbeitragsstaatsvertrag SchwbAV Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung SchwbAwV Schwerbehindertenausweisverordnung SchwbG Schwerbehindertengesetz SchwbR Schwerbehindertenrecht SchwbVWO Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen SGB I Sozialgesetzbuch − Erstes Buch (Allgemeiner Teil) SGB II Sozialgesetzbuch − Zweites Buch (Grundsicherung für Arbeitssuchende) SGB III Sozialgesetzbuch − Drittes Buch (Arbeitsförderung) SGB IV Sozialgesetzbuch − Viertes Buch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung) SGB VI Sozialgesetzbuch − Sechstes Buch (Gesetzliche Rentenversicherung) SGB VII Sozialgesetzbuch − Siebtes Buch (Gesetzliche Unfallversicherung) SGB IX Sozialgesetzbuch − Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) SGB XII Sozialgesetzbuch − Zwölftes Buch (Sozialhilfe) SGG Sozialgerichtgesetz SOEP Sozio-oekonomischen Penel TzBfG Teilzeit- und Befristungsgesetz u. a. unter anderen UN-BRK UN-Behindertenrechtskonvention UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization VBD Verordnung zur Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Menschen im Verwaltungsverfahren VersMedV Versorgungsmedizin-Verordnung VG Verwaltungsgericht VwGO Verwaltungsgerichtsordnung WfbM Werkstatt für behinderte Menschen

XVI

WHO World Health Organization WMVO Werkstätten-Mitwirkungsverordnung WoFG Wohnraumförderungsgesetz WoGG Wohngeldgesetz WVO Werkstätten-Verordnung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung  1.1 Gesamtübersicht der Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Abbildung 1.2 Ansätze des Entrepreneurship. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Abbildung 1.3 Überblick zu den Theorien der Gründungsphasen. . . . . . 41 Abbildung 2.1 Untersuchungsfelder der Forschungsarbeit. . . . . . . . . . . . 54 Abbildung 2.2 Methodenkombination der wissenschaftlichen Forschungsarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Abbildung 2.3 Überblick zur verwendeten Methodenkombination. . . . . 63 Abbildung 3.1 Stereotype Content Model . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Abbildung 3.2 Ebenen der Beschäftigungsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Abbildung 3.3 Fördervoraussetzung für Leistungen an Selbständige durch das Integrationsamt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Abbildung 4.1 Einschätzung des individuellen Gesundheitszustandes. . . 114 Abbildung 4.2 Verteilung der Arbeitsunfähigkeitstage (jährlich). . . . . . . 115 Abbildung 4.3 Überblick der Alterskohorten mit jährlich mehr als 10 Krankheitstagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Abbildung 4.4 Übersicht der Statusanerkennung einer Behinderung in Brandenburg in den Jahren 2010 bis 2014. . . . . . . . . . . . 120 Abbildung 4.5 Übersicht der Statusanerkennung einer Schwerbehinderung in Brandenburg in den Jahren 2010 bis 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Abbildung 4.6 Erwerbstätigenquote nach Geschlecht und Behinderung. . . 127 Abbildung 4.7 Umfang der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit nach Geschlecht und Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abbildung 4.8 Durchschnittliche Bruttolöhne und Bruttogehälter je Arbeitnehmer in Brandenburg 2014. . . . . . . . . . . . . . . . . 132

XVII

XVIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 4.9 Durchschnittliches monatliches Einkommen von Erwerbstätigen mit und ohne Behinderung. . . . . . . . . . . . 133 Abbildung 4.10 Durchschnittliche Bruttostundenlöhne von Erwerbstätigen mit und ohne Behinderung nach Qualifikationsniveau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Abbildung 4.11 Arbeitszufriedenheit der erwerbstätigen Personen mit und ohne Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Abbildung 4.12 Vergleich des Bildungsniveaus von Personen mit und ohne Behinderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Abbildung 4.13 Qualifizierung arbeitssuchender Personen . . . . . . . . . . . . 143 Abbildung 4.14 Verteilung der Branchen bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen mit Personen mit Behinderung. . . 145 Abbildung 5.1 Überblick über den Umfang und die Höhe der Förderleistung entsprechend des Gründungszuschusses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Abbildung 5.2 Prozessablauf einer Existenzgründung nach dem Existenzgründungsförderungsprogramm . . . . . . . . . . . . . 184 Abbildung 5.3 Verbleibübersicht zur gegenwärtigen Situation der erfolgreichen Teilnehmer an den regionalen Lotsendienst − einschließlich Migranten. . . . . . . . . . . . . 192 Abbildung 5.4 Einschätzung der unternehmerischen Situation der Teilnehmer an den regionalen Lotsendienst − einschließlich Migranten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Abbildung 5.5 Anzahl der durchgeführten Erstgespräche beim Lotsendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Abbildung 5.6 Anzahl der Teilnehmer am Development-Center. . . . . . . 196 Abbildung 5.7 Gründungen nach Geschlecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Abbildung 5.8 Aktuelle Situation der erfolgreichen Teilnehmer am Gründungsservice an den Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . 203 Abbildung 5.9 Einschätzung der unternehmerischen Situation der Teilnehmer am Gründungsservice der Hochschulen . . . . . 204 Abbildung 5.10 Verbleibübersicht Förderperiode IV zur gegenwärtigen Situation der Teilnehmer an den Gründungswerkstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Abbildung 5.11 Einschätzung der unternehmerischen Situation der Teilnehmer der Gründungswerkstätten. . . . . . . . . . . . . . . 208 Abbildung 5.12 Leistungen der Integrationsämter zur Sicherung der wirtschaftlichen Selbständigkeit an schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen in den Jahren 2010 bis 2014. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Abbildungsverzeichnis

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Abbildung 5.13 Betreuungsfälle 2014 des Integrationsfachdienstes nach Behinderungsart. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Abbildung 5.14 Übersicht der Klienten des Integrationsfachdienstes von 2010 bis 2014. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Abbildung 5.15 Überblick zu der Behinderungsart der selbständigen Klienten des Integrationsfachdienstes im Beratungszeitraum von 2010 bis 2014. (Ebd) . . . . . . . . . . 221 Abbildung 6.1 Schwierigkeiten bei der Ausübung der Selbständigkeit bei Personen mit Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1.1 Tabelle 3.1 Tabelle 3.2 Tabelle 3.3 Tabelle 3.4 Tabelle 3.5 Tabelle 3.6

Tabelle 3.7 Tabelle 3.8 Tabelle 3.9 Tabelle 4.1 Tabelle 4.2 Tabelle 4.3 Tabelle 4.4

Wichtige gesetzliche Regelungen für Menschen mit Behinderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Beispielhafte Bildung der Gesamtbewertung des GdB . . . . . 74 Überblick zu den Nachteilsausgleichen. . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Überblick zu den Nachteilsausgleichen, welche GdB abhängig sind. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Festlegung der Höhe der Ausgleichsabgabe . . . . . . . . . . . . . . 96 Statistik aus dem Anzeigeverfahren – Arbeitgeber mit 20 und mehr Arbeitsplätzen – deutschlandweit. . . . . . . . . . . . . . 98 Statistik aus dem Anzeigeverfahren gemäß § 163 Abs. 2 SGB IX – Arbeitgeber mit 20 und mehr Arbeitsplätzen – Land Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Berechnungsmaßstab – erwerbsfähige Personen mit Behinderung nach Bundesländern 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Berechnungsmaßstab – Ermittlung des Umlageschlüssels nach Bundesländern 2014. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Berechnungsmaßstab – Umverteilung der Ausgleichsabgabe nach Bundesländern 2014 . . . . . . . . . . . . 107 Überblick über die Anzahl von Personen mit Behinderung in Brandenburg von 2010 bis 2014. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Anzahl anerkannter Behinderungen und Schwerbehinderungen von 2010 bis 2014 in Brandenburg . . . 119 Anzahl anerkannter Schwerbehinderungen nach Lebensalter von 2010 bis 2014 in Brandenburg. . . . . . . . . . . 122 Anzahl anerkannter Schwerbehinderungen nach Alterskohorte von 2010 bis 2014 in Brandenburg. . . . . . . . . 123

XXI

XXII

Tabelle 4.5 Tabelle 4.6 Tabelle 4.7 Tabelle 4.8 Tabelle 4.9 Tabelle 4.10 Tabelle 4.11 Tabelle 4.12

Tabelle 4.13 Tabelle 4.14 Tabelle 4.15

Tabelle 5.1 Tabelle 5.2 Tabelle 5.3 Tabelle 5.4 Tabelle 5.5 Tabelle 5.6 Tabelle 5.7 Tabelle 5.8

Tabellenverzeichnis

Anzahl der erheblichen Ursachen für eine anerkannte Schwerbehinderung von 2010 bis 2014 in Brandenburg. . . . 124 Ursache der anerkannten Behinderung nach Gruppierungsmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Anzahl der erheblichen Beeinträchtigungen für eine Schwerbehinderung von 2010 bis 2014 in Brandenburg. . . . 126 Überblick der Erwerbstätigenquote nach Alter und Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Überblick der Erwerbstätigenquote nach GdB und Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Einwohnerbestand Land Brandenburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Überblick zum Bevölkerungsstand Land Brandenburg nach Landkreisen und kreisfreien Städten. . . . . . . . . . . . . . . 137 Überblick der Personen mit Behinderung unter Differenzierung des GdB und den innehabenden Berufsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Verbleibstatistik zur Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg, IV. Förderperiode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Verbleibstatistik zur Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg, IV. Förderperiode, Berufliche Situation. . . . . . . 149 Verbleibstatistik zur Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg, IV. Förderperiode, Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Überblick der Beratungsmöglichkeiten des Bundes . . . . . . . . 154 Überblick zum Leistungs-Portfolio der Agentur für Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Inanspruchnahme des Einstieggeldes nach dem SGB II und des Gründungszuschusses nach dem SGB III. . . . . . . . . 160 Überblick der Leistungsgewährung des Gründungszuschusses deutschlandweit. . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Überblick der Leistungsgewährung des Gründungszuschusses brandenburgweit. . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Feststellung der Gründereignung durch die Agentur für Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 147 Abs. 2 SGB III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Frequentierung und Gründungen aus dem Existenzgründungsförderungsprogramm von 2001 bis 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Tabellenverzeichnis

Tabelle 5.9

Tabelle 5.10 Tabelle 5.11 Tabelle 5.12 Tabelle 5.13 Tabelle 5.14 Tabelle 5.15 Tabelle 5.16 Tabelle 5.17 Tabelle 5.18

Tabelle 5.19 Tabelle 5.20 Tabelle 5.21 Tabelle 5.22

Tabelle 5.23 Tabelle 5.24 Tabelle 5.25 Tabelle 6.1

XXIII

Frequentierung und Erfolgsquote des Existenzgründungsförderungsprogramms von 2001 bis 2014 nach Förderperioden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Überblick der Teilnehmer an Assessments. . . . . . . . . . . . . . . 195 Überblick zu den aufgenommenen Teilnehmern in die Qualifizierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Überblick Lotsendienst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Überblick zu den Erstgesprächen beim Gründungsservice an den Hochschulen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Überblick zu der Aufnahme in Qualifizierungsmaßnahmen bei Gründungsservice an den Hochschulen. . . . . . . . . . . . . . 201 Überblick der Gründungsquote bei dem Gründungsservice an den Hochschulen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Überblick zu den Gründungswerkstätten für junge Leute. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Überblick der Förderleistungen für Selbständige nach der SchwbAV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Leistungen der Integrationsämter zur Sicherung der wirtschaftlichen Selbständigkeit an schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen von 2010 bis 2014 . . . . . . . . . . . . . 213 Förderung des Integrationsamtes Brandenburg nach dem § 21 SchwbAV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Überblick der Klienten des Integrationsfachdienstes nach Behinderungsart von 2010 bis 2014. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Überblick der Klienten des Integrationsfachdienstes nach Region von 2010 bis 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Überblick zu der Behinderungsart der selbständigen Klienten des Integrationsfachdienstes im Beratungszeitraum von 2010 bis 2014. . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Rechenbeispiel zur Erfassung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Überblick der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Bemessungsbetrag nach § 18 Abs. 1 SGB IV . . . . . . . . . . . . 237 Verbleibstatistik zur Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg, IV. Förderperiode, Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

1

Einleitung

Aus dem Titel „Existenzgründung schwerbehinderter Menschen zur Verwirklichung eines inklusiven Arbeitsmarktes unter besonderer Berücksichtigung der Förderung nach dem Sozialgesetzbuch IX“ lässt sich schnell ableiten, dass Existenzgründerinnen und Existenzgründer1 mit Behinderung im Fokus stehen. Dabei zielt die Arbeit primär auf die Wirkung von Nachteilsausgleichen auf den Existenzgründer selbst und auf dessen soziales Umfeld ab. Im Mittelpunkt steht dabei die Auswertung der Gründungsvorhaben in den Jahren 2010 bis 2014 im Land Brandenburg. Die Untersuchung verschiedener Fördermechanismen zur Unterstützung in die Selbständigkeit werden im Detail beleuchtet. Doch warum ist das Erforschen von Gründungsvorhaben – insbesondere bei einer anerkannten (Schwer-) Behinderung2 überhaupt sinnvoll? Die neuen Tendenzen in der Behindertenpolitik, der Drang nach mehr Selbstbestimmung und die geforderte Inklusion in der Arbeitswelt führen zu einer neuen Situation für alle Beteiligten.3 Gleichwohl wird der Versuch unternommen, eine neue Perspektive der Gründermotivation von Menschen mit Behinderung aufzuzeigen.

1In

dieser Forschungsarbeit findet aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung und besseren Lesbarkeit lediglich die männliche Form Verwendung. Die Ausführungen beziehen sich gleichermaßen auf weibliche und männliche Personen. 2Mit dem Begriff der „schwerbehinderten Menschen“ sind auch die der schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Personen zu verstehen, sofern sie nicht konkret oder entsprechend des Sinns und Zwecks ausgeschlossen sind. 3Vgl. Thole / Höblich / Ahmed, Taschenwörterbuch Soziale Arbeit, S. 139; hierzu ebenfalls Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 45. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 N. Franzke, Existenzgründung schwerbehinderter Menschen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31230-5_1

1

2

1 Einleitung

Im modernen Zeitalter der Inklusion stellt mittlerweile niemand mehr ernsthaft die Frage, ob sich jemand mit einer Behinderung selbständig machen kann. Spannend sind in diesem Zusammenhang die Selbsteinschätzung und Selbstbewertung des Existenzgründers mit einer Behinderung in einer konkurrierenden Leistungsgesellschaft – wirtschaftlich und sozial gesehen. Für die Forschung ist deshalb interessant, ob die möglichen Nachteilsausgleiche wirklich bestehende Nachteile ausgleichen können. Gleichwohl muss der Aspekt berücksichtigt werden, ob einzelne Unterstützungsangebote den Anforderungen entsprechen. Alle Existenzgründer des Landes Brandenburg, die den Schritt in die Selbständigkeit in den Jahren 2010 bis 2014 mit Unterstützung der Landesregierung gewagt haben, werden in der Forschungsarbeit ausgewertet. Gleichwohl wird der direkte Kontakt zu Existenzgründern mit einer Behinderung gesucht, um Aussagen über ihre aktuelle Situation und den Einfluss der Behinderung auf die Geschäftstätigkeit zu ermöglichen. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird in die Thematik eingeführt und es werden grundlegende Begrifflichkeiten geklärt. Mit dem Aufzeigen der bestehenden Forschungslücken und den sich auch daraus ergebenden Forschungsfragen werden erste Überlegungen und Schritte der methodischen Vorgehensweisen aufgezeigt. Die Forschungsarbeit ist nach einer klassischen Gliederung aufgebaut – ausgehend von den theoretischen Grundlagen folgt anschließend der empirische und methodische Zugang, welcher am Ende zu den Ergebnissen führt. Die Forschungsarbeit ist wie folgt aufgebaut (Abbildung 1.1):

1.1  Einführung in die Thematik

3

Existenzgründungen schwerbehinderter Menschen zur Verwirklichung eines inklusiven Arbeitsmarktes unter besonderer Berücksichtigung der Förderung nach dem Sozialgesetzbuch IX − Eine Untersuchung am Beispiel des Bundeslandes Brandenburg −

Kapitel 1

- Ziel und Aufbau der Forschungsarbeit - Definition zentraler Begrifflichkeiten - Wissenschaftstheoretische Positionierung

Kapitel 2

- Methodische Vorgehensweise - Forschungsdesign

Kapitel 3

- Schwerbehindertenrecht - Gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung

Kapitel 4

- Bedeutung von Arbeit - Rahmenbedingungen von Existenzgründer mit und ohne Behinderung

Kapitel 5

- Fördermöglichkeiten für Existenzgründer nach dem SGB III, der Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg und dem SGB IX

Kapitel 6

- Diskussion der Forschungsfragen

Kapitel 7

- Schlussbemerkung und Änderungsbedarf

Abbildung 1.1   Gesamtübersicht der Arbeit

1.1 Einführung in die Thematik Behinderung kann jeden Menschen betreffen. Durch Unfall, chronische Erkrankung oder Erbanlagen kann es zu erheblichen Einschränkungen kommen. Die Politik möchte für Menschen mit Behinderung eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erreichen. Hierbei hat sich in den letzten Jahren ein Wandel in

4

1 Einleitung

der Sichtweise ergeben. Wurde früher versucht, Hemmnisse und Hürden für Menschen mit Behinderung abzubauen, um die betroffenen Personen in die Gesellschaft zu integrieren, so möchte man heutzutage durch die Sichtweise der Inklusion erreichen, dass die Allgemeinheit Menschen mit Behinderung als Teil der Bevölkerung – also bereits als zur Gesellschaft zugehörig ansieht, um eine Teilhabe am Leben zu ermöglichen.4 Der Anteil der Personen mit Behinderung in der Gesellschaft hat in den letzten Jahren zugenommen. Die Zukunftsprognosen sagen einen weiteren Anstieg voraus. Ein wesentliches Element zur Teilhabe am Gesellschaftsleben stellt für Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Arbeitsleben dar. Sowohl eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis als auch eine Selbständigkeit bietet betroffenen Menschen die Möglichkeit mit anderen in Kontakt zu treten und ein gewisses Selbstwertgefühl zu erlangen. Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, den Aspekt der Existenzgründung durch Menschen mit Behinderung und die staatliche Förderung nach dem SGB IX5 näher zu untersuchen.

1.2 Stand der Forschung Die Thematik der Existenzgründung wurde bereits unter verschiedenen Perspektiven untersucht. Die Gründung einer wirtschaftlichen Selbständigkeit und die damit einhergehenden Erfolgsfaktoren standen hierbei oftmals im Fokus. Eine Untersuchung der Existenzgründung von Menschen mit Behinderung – insbesondere unter der Perspektive von Teilhabemaßnahmen mit der Gewährung von Nachteilsausgleichen für diese Personengruppe – fand bisher keine wissenschaftliche Betrachtung. Eine erstmalige wissenschaftliche Untersuchung des Zusammenhangs der Herbeiführung und der Sicherung einer Chancengleichheit mit den daraus resultierenden wirtschaftlichen Möglichkeiten ist von hoher sozialpolitischer Bedeutung. Das Verständnis und die Bedeutung von Inklusion wurden bis dato nicht mit einer Existenzgründung zusammengebracht. Es liegen in diesem Zusammenhang noch keine wissenschaftlichen Ergebnisse vor. Umso mehr besteht im modernen Zeitalter der Inklusion die Notwendigkeit der Erforschung dieser Konstellation.

4Vgl.

Thole / Höblich / Ahmed, Taschenwörterbuch Soziale Arbeit, S. 139. Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen vom Gesetz vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234), zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541).

5Sozialgesetzbuch

1.3 Begrifflichkeiten

5

Als maßgeblicher Untersuchungszeitraum ist der 01.01.2010 bis 31.12.2014 gewählt, da die zugrundeliegende Richtlinie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie (MASF)6 vom 30.12.2009 bis 31.12.2014 gilt. Mit der Beendigung der Geltungsdauer wurden in den Folgejahren umfangreiche Evaluierungsmaßnahmen begonnen. So wurden beispielsweise alle Teilnehmer der IV. Förderperiode mit der Bitte um Rückmeldung zu ihrer aktuellen wirtschaftlichen Situation angeschrieben. Diese quantitative Erfassung zur Bewertung der Nachhaltigkeit wird im weiteren Verlauf der Forschungsarbeit als Verbleibstatistik bezeichnet. Die Verbleibstatistik beinhaltet 4.726 Datensätze und lässt Rückschlüsse über den Erfolg und die Nachhaltigkeit der Selbständigkeit zu. Zum aktuellen Zeitpunkt liegt dem Ministerium keine Auswertung der Verbleibstatistik vor. Die vorliegende Forschungsarbeit betritt mit der Interpretation dieser noch nicht ausgewerteten Zahlen insoweit „Neuland“.

1.3 Begrifflichkeiten Bevor auf die Thematik der Existenzgründung von Menschen mit Behinderung tiefer eingegangen werden kann, sind zunächst die Begriffe der Behinderung und der Existenzgründung näher zu definieren. Im Folgenden werden die Begriffsdefinitionen hergeleitet und eingegrenzt, um die grundlegenden Voraussetzungen für die Arbeit zu schaffen.

1.3.1 Definition Behinderung Die Begrifflichkeit der Behinderung ist mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Assoziationen und rechtlichen Vorstellungen verknüpft. Im alltagssprachlichen Gebrauch lässt sich eine Behinderung lediglich als ein Phänomen eines bestehenden Hindernisses interpretieren.7 Der Gesetzgeber definiert die Schwerbehinderung

6Im

weiteren Verlauf der Arbeit wird das Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie (MASF) als Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF) bezeichnet. Am 04.11.2014 wurde das Politikfeld Gesundheit dem Ministerium zugeordnet, sodass sich die Bezeichnung entsprechend geändert hat. Zur vereinfachten Lesbarkeit wird universell die aktuelle Bezeichnung des MASGF verwendet.

7Vgl.

Dommermuth, Dürfen was ich möchte, S. 20.

6

1 Einleitung

in § 2 SGB IX.8 Der § 2 SGB IX definiert die Behinderung wie folgt: „Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.“ Der Gesetzgeber sieht ausdrücklich vor, dass eine Abweichung vom lebensaltertypischen Zustand zugrunde gelegt werden muss. Dies führt dazu, dass ältere Menschen, die erfahrungsgemäß generell alterstypische Einschränkungen haben, nicht unter den Begriff der Behinderung fallen. Eine (Schwer-) Behinderung wird auf Grundlage einer Funktionsbeeinträchtigung zuerkannt, welche durch den Grad der Behinderung (GdB) zum Ausdruck kommt.9 Dieser GdB ist gesetzlich normiert und wird in Zehnerstufen von 20 bis 100 abgebildet.10 Er stellt einen objektiven Indikator für eine Aussage zum Umfang der Funktionsbeeinträchtigung dar. Ab einem GdB von 50 wird dem Betroffenen die Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt. In der Literatur werden in feine Nuancen abweichende Ansichten vertreten. GÖTZ vertritt in der Literatur vollständig die Ansicht des Gesetzgebers. Nach GÖTZ ist der Gesetzestext ausreichend und beschreibt klar die Behinderteneigenschaft.11 So tritt der Status einer (Schwer-) Behinderung dann ein, wenn die benannten gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und dies gegenüber der Behörde beantragt wurde.12 OYEN vertritt die strikte Auffassung, dass eine einheitliche Begriffsdefinition – so wie sie der Gesetzgeber aufstellt – nicht existent ist. Die Zuschreibung einer Behinderungseigenschaft wird gesellschaftlich herbeibeigeführt. Dies geht per se mit einer Differenzierung einher. Die Behinderungseigenschaft wird in einer modernen Gesellschaft als ein Abweichen von der Norm verstanden, bei welcher der Mensch mit einer Behinderung als eine Art „Minusvariante des menschlichen Daseins“ charakterisiert wird.13 OYEN hält 8Durch

das stufenweise Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) haben sich seit dem 01.01.2018 Änderungen im SGB IX ergeben. Neben unterschiedlichen Gesetzesänderungen wurden auch den Paragrafen neue Normen, insbesondere im SGB IX Teil 3 zugeordnet. An den maßgeblichen § 102 SGB IX a.F. zu 185 SGB IX n.F. haben sich keine inhaltlichen Veränderungen ergeben, sodass Kommentierungen und Quellen, welche auf den § 102 SGB IX a.F. vor dem 01.01.2018 abstellen, herangezogen werden können. 9Vgl. Ritz, Grad der Behinderung, 68 Rn. 1. 10Vgl. Metzler, Behinderung, S. 106. 11Vgl. Götz, Allgemeine Regelungen, 3 Rn. 13. 12Vgl. Seidel, Der Kündigungsschutz nach dem Schwerbehindertengesetz, S. 31. 13Vgl. Felkendorff, Ausweitung der Behindertenzone: Neue Behindertenbegriffe und ihre Folgen, S. 25.

1.3 Begrifflichkeiten

7

die Differenzierung in behinderte und schwerbehinderte Menschen für falsch und möchte lediglich auf die bestehende Einschränkung abstellen. Insofern lehnt er die Differenzierung durch einen GdB ab. Er sieht pauschal die Person als eingeschränkt an, deren Eingliederung in das soziale, berufliche oder gesellschaftliche Umfeld durch physische oder psychische Beeinträchtigungen erschwert oder bedroht ist.14 RITZ geht in die gleiche Richtung wie OYEN. Er beschreibt den GdB als eine Art Maßstab für die Auswirkungen einer Einschränkung in Bezug auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.15 Der GdB wird unabhängig von der Ursache bewertet. Mit der Finalbetrachtung wird ausschließlich die Gesundheitsstörung beurteilt. Rückschlüsse auf das Ausmaß der Leistungsfähigkeit sind aus dem GdB nach Ansicht von RITZ nicht zu schließen.16 Als sozialen Ansatz für die Definition einer Behinderung ist nach ROTHFRITZ die medizinische Betrachtungsweise nicht begriffsbestimmend. Seiner Ansicht nach kann aus der gesundheitlichen Beeinträchtigung nur bedingt der Grund für eine sozialgesellschaftliche Randstellung als verantwortliches Kriterium abgeleitet werden.17 ROTHFRITZ vernachlässigt in seiner Ansicht die oben dargestellte Gesetzgebung. Seiner Meinung nach können als Auswirkung die sozialen Bedingungen des direkten Umfeldes eine Teilhabe einschränken. Darüber hinaus macht er deutlich, dass auch individuell gegebene Persönlichkeitsfaktoren eine Teilhabe einschränken können. MROZYNSKI fasst den Begriff der Behinderung noch enger als ROTHFRITZ. Er weist mit der Begriffsdefinition der Einschränkung nach dem § 2 SGB IX darauf hin, dass die Behinderung vor dem sozialen Kontext zu definieren ist. Menschen werden bestimmte Rollen zugeschrieben. Personen, die von der zugeschriebenen Rollenerwartung abweichen, können eine negative Konsequenz bei anderen Personen hervorrufen.18 Hierin sieht MROZYNSKI die Teilhabe dieser Personen am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt, was er in letzter Konsequenz als Behinderung ansieht. DEGENER sieht ebenfalls die bestehenden Behinderungen nicht als medizinisches Problem, sondern vorrangig als ein Resultat politischer Entscheidungen und gesellschaftlicher Verhaltensweisen an.19 Damit ergänzt er

14Vgl.

Oyen, Grundbegriffe der Sozialmedizin und Epidemiologie – Gesundheit, Krankheit, Behinderung, S. 2. 15Vgl. Ritz, Grad der Behinderung, 68 Rn. 3. 16Vgl. ebd., 68 Rn. 4 b. 17Vgl. Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nation zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, S. 161; hierzu ebenfalls Oyen, Grundbegriffe der Sozialmedizin und Epidemiologie – Gesundheit, Krankheit, Behinderung, S. 17 f. 18Vgl. Mrozynski, SGB IX Teil 1, 2 Rn. 2. 19Vgl. Degener, Antidiskriminierungsrechte für Behinderte, S. 889.

8

1 Einleitung

die bisher genannten Ansichten um das Kriterium der fehlenden Barrierefreiheit, welche nach seiner Ansicht durch die Politik beziehungsweise durch die Gesetzgebung unzureichend geregelt ist. SCHÖNBERGER fasst die Begrifflichkeit weiter als Degener und definiert die Behinderung in Gänze aus der gesellschaftlichen Perspektive.20 Er definiert den Behinderungsbegriff nicht über persönliche Merkmale einer Person, sondern vielmehr über die gesellschaftlichen Merkmale. Nach seiner Auffassung ist von einer Behinderung dann zu sprechen, wenn außergewöhnliche Anstrengungen – beispielsweise eine personelle oder finanzielle Unterstützung – durch den Gesetzgeber unternommen werden müssen, um ein glückvolles und zufriedenes Leben zu ermöglichen.21 Durch CLOERKES wird die soziale Begriffsdefinition von SCHÖNBERGER mitgetragen. Nach seiner Auffassung ist die Behinderung nicht objektiv und auch nichts Absolutes – sie wird aus den sozialen Bedingungen heraus konstruiert.22 Eine Behinderung ist kein Ausstattungsmerkmal einer Person, sondern ein soziales Ereignis.23 Dies Auffassung wird ebenfalls von TRÖSTER vertreten. Für ihn ist die Behinderung keine Folge einer Schädigung oder Funktionsbeeinträchtigung. Die Behinderung ist nach seiner Auffassung das Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse, die eine gesellschaftliche Partizipation ausschließt.24 TRÖSTER verbindet beispielsweise die Mobilität eines querschnittsgelähmten Menschen nicht mit einer Reduzierung der Lebensqualität und der Selbstverwirklichungschancen. Vielmehr werden die Möglichkeiten durch Barrieren eingeschränkt, vollumfänglich am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.25 NEUMNANN unterstreicht bereits vor mehr als 20 Jahren die Auffassung von CLOERKES und TRÖSTER. Nach seiner Auffassung unterliegt die Behinderung keinen b­ iologischen-physiologischen Auslöser. Die Behinderung ist ein Ergebnis gesellschaftlicher Vorgänge und Verhaltensweisen.26

20Vgl.

von Knebel, Kindliche Aussprachestörung als Konstruktion, S. 35. Schönberger, Die Integration Behinderter als moralische Maxime, S. 80. 22Vgl. Cloerkes, Zahlen zum Staunen, S. 12. 23Vgl. Lob-Hüdepohl, Vielfältige Teilhabe als Menschenrecht – ethische Grundlage inklusiver Praxis, S. 13; hierzu ebenfalls Fornefeld, Einführung in die Geistigbehindertenpädagogik, S. 48. 24Vgl. Tröster, Einstellungen und Verhalten gegenüber Behinderten, S. 11. 25Vgl. ebd., S. 11. 26Vgl. Neumann, Die gesellschaftliche Konstituierung von Begriff und Realität der Behinderung, S. 21; hierzu ebenfalls Kuhlmann / M ­ ogge-Grotjahn / Balz, Soziale Inklusion, Theorien, Methoden, Kontroversen, S. 87. 21Vgl.

1.3 Begrifflichkeiten

9

Der gesetzliche Behinderungsbegriff wird aufgeteilt in Behinderung und Schwerbehinderung. Dies ist für eine geordnete und einheitliche staatliche Förderung notwendig, vernachlässigt aber die sozialen Aspekte. Die gesetzliche Begriffsdefinition ist insgesamt kritisch zu betrachten, da sie Menschen mit Behinderung in Stufen einteilt und ihnen damit eine in Stufen eingeteilte Bedürftigkeit unterstellt. Die Behinderung ist das Ergebnis der persönlichen Lebensumstände. Dementsprechend ist der gesetzliche Behinderungsbegriff, um die sozialen und politischen Entscheidungen zu ergänzen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte (BAHG) hatte bereits im Jahr 2002 das inhaltliche Problem der gesetzlichen Begriffsdefinition erkannt und eine Alternativdefinition vorgeschlagen: „Behinderung ist jede Verhaltensweise, Maßnahme oder Struktur, die Menschen mit nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen Lebensmöglichkeiten nimmt, beschränkt oder erschwert.“27 Die Berücksichtigung einer gesellschaftlichen und sozialen Barrierefreiheit muss mehr in den Fokus rücken, da diverse Nachteilsausgleiche auf soziale Faktoren abzielen. Es erfolgt auch keine Begriffsdefinition aus der Perspektive eines behinderten Menschen, was im Ergebnis eventuell realistischer, umfangreicher und bedürfnisorientierter sein könnte. Aus diesem Grunde wird im Folgenden in der vorliegenden Dissertation der gesetzliche Behinderungsbegriff angewandt – allerdings ergänzt um die soziale und politische Komponente.

1.3.2 UN-Behindertenrechtskonvention Die Behindertenpolitik ist Teil der Sozialpolitik. Um das moderne Verständnis einer Behinderung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ­(UN-BRK)28 zu verstehen, ist es notwendig, die Historie dieser Konvention darzulegen, welche bereits im Jahr 1981 mit dem internationalen Jahr der Behinderung begann. Das Jahr der Behinderung wurde durch die Vereinten Nationen ausgerufen.29

27Felkendorff,

Ausweitung der Behinderungszone: Neuere Behinderungsbegriffe und ihre Folgen, S. 37. 28Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008. 29Vgl. Degener, Völkerrechtliche Grundlagen und Inhalt der UN BRK, S. 16.

10

1 Einleitung

Menschen mit Behinderung standen nun im Fokus, sodass die Thematik der Teilhabe an Bedeutung gewann. Im Rahmen der UN-Generalversammlung wurde durch Italien 1987 der Vorschlag für eine exklusive Rechtsgrundlage für Menschen mit Behinderung eingebracht. Italien verfolgte dabei das Ziel, dass ein Regelwerk speziell für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung erarbeitet wird.30 Der Vorstoß durch Italien wurde von einzelnen Staaten aus der Gemeinschaft zurückgedrängt. So bewertete beispielsweise Japan den Vorstoß Italiens als ein zu ehrgeiziges Vorhaben.31 Zwei Jahre später wagte Schweden einen erneuten Vorstoß.32 Auch diesmal wurde die Schaffung eines exklusiven Rechtes durch die Staatengemeinschaft abgelehnt.33 Das Thema der Chancengleichheit stand aber weiterhin im Fokus, sodass sich die Staatengemeinschaft im Jahr 1993 auf die Rahmenbestimmungen für die Herstellung der Chancengleichheit für Behinderte geeinigt hat. Diese sehen 22 unverbindliche Bestimmungen zur Sicherung einer gleichberechtigten Teilhabe vor.34 Auf Initiative von Mexiko wurde im Jahr 2001 das Thema einer exklusiven Rechtsgrundlage erneut angebracht. Im Ergebnis wurde ein Ausschuss für die Erarbeitung einer Konvention gebildet.35 Das besondere des Ausschusses lag in seiner transparenten und dialogorientierten Arbeit. Die Beteiligung der breiten Öffentlichkeit an der Ausschussarbeit setzte neue Maßstäbe in der deutschen Behindertenpolitik und schaffte zugleich ein

30Vgl.

UN Document A/C.3/42/SR.16, Summary record of the 16th meeting: 3rd Committee, held on Monday, 19 October 1987, New York, General Assembly, 42nd session, unter https://hr-travaux.law.virginia.edu/document/crpd/ac342sr16/nid-1086, [abgerufen am 23.07.2019]; hierzu ebenfalls Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, S. 105; hierzu ebenfalls Dörschner, Die Rechtswirkungen der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland am Beispiel des Rechts auf inklusive Bildung, S 15. 31Vgl. UN Document A/C.3/42/SR.18, Summary record of the 18th meeting: 3rd Committee, held on Monday, 20 October 1987, New York, General Assembly, 42nd session, unter https://digitallibrary.un.org/record/43423?ln=en, [abgerufen am 22.07.2019]. 32Vgl. Demke, Die UN–Behindertenrechtskonvention, S. 24. 33Vgl. Degener, Menschenrechte und Behinderung, S. 162. 34Vgl. Stein, Be−Hinderung und Sozialer Ausschluss, S. 312; hierzu ebenfalls Degener, Menschenrechte und Behinderung, S. 162. 35Vgl. UN Document A/RES/56/168, Comprehensive and integral international convention to promote and protect the rights and dignity of persons with disabilities: resolution by the General Assembly, 26 February 2002, 56nd session, unter https://undocs.org/en/A/ RES/56/168, [abgerufen am 20.06.2019].

1.3 Begrifflichkeiten

11

neues Verständnis zu dieser Thematik. Die erarbeitete Konvention des Ausschusses wurde am 13.12.2006 in der ­UN-Generalversammlung verabschiedet.36 Am 26.03.2009 ist sie dann durch Deutschland ratifiziert und als Völkerrecht anerkannt worden.37 Inhaltlich besteht die UN-BRK38 aus zwei völkerrechtlichen Verträgen – die UN-BRK und das Fakultativprotokoll.39 Die UN-BRK weist vom Umfang her die Präambel und insgesamt 50 Artikel auf. Das Fakultativprotokoll mit seinen 18 Artikeln beinhaltet Verfahrensanweisungen und Hinweise wie Menschenrechtsverletzungen im Sinne der UN-BRK erfasst und bewertet werden können.40 Eine weitere Gliederungsmöglichkeit der UN-BRK kann thematisch vorgenommen und in drei Gliederungspunkte unterteilt werden. Der erste Gliederungspunkt ist der allgemeine Teil, welcher den Zweck, die Definitionen und die Staatspflichten beinhaltet. Im zweiten Gliederungspunkt werden die Menschenrechte und im dritten Gliederungspunkt die Durchführungsbestimmungen formuliert. Der Auftrag der UN-BRK zielt auf die Sicherung der inklusiven Lebensbedingungen ab, da jede Behinderung zu einer gesellschaftlichen Teilhabebarriere führt. Unter inklusiven Lebensbedingungen ist die Chancengleichheit in allen Lebenslagen zu verstehen.41 Die UN-BRK enthält unter anderem ein universelles Menschenrecht, welches die besonderen Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung konkretisiert.42 Unter Menschenrechten sind subjektive

36Vgl.

Bundesministerium für Arbeit, Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft, S. 8. Schweiker, Prinzip Inklusion, S. 65 f.; hierzu ebenfalls Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft, S. 22; hierzu ebenfalls Kuhlmann / Mogge-Grotjahn / Balz, Soziale Inklusion, Theorien, Methoden, Kontroversen, S. 86; hierzu ebenfalls Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UNBehindertenrechtskonvention, Analyse, S. 11. 38Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008. 39Vgl. Degener, Völkerrechtliche Grundlagen und Inhalt der UN BRK, S. 11. 40Vgl. ebd., S. 11. 41Vgl. Schattenmann, Inklusion und Bewusstseinsbildung, S. 51. 42Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft, S. 8. 37Vgl.

12

1 Einleitung

Rechte zu verstehen, welche allen Menschen zu gleichen Teilen zustehen.43 Im Art. 1 UN-BRK wird der Zweck des Übereinkommens wie folgt beschrieben: „Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.“ Eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung besteht nach der UN-BRK, sobald die Person mit Behinderung aufgrund ihres Handicaps in den Grundrechten eingeschränkt wird. Zu den Grundrechten gehören beispielsweise die freie Meinungsäußerung und die Unantastbarkeit des menschlichen Willens. Die UN-BRK zielt darauf ab, dass jeder die Menschenrechte eigenständig ausüben kann. Das völkerrechtliche Übereinkommen ist verbindlich und stärkt die Rechte der Menschen mit Behinderung.44 Mit der Unterzeichnung des Übereinkommens hat in Deutschland ein gesamtgesellschaftlicher Wandlungsprozess begonnen, unabhängig von den bestehenden Menschenrechten. Die innerdeutsche Umsetzung der UN-BRK ist als ein langer Prozess auf Bundes- und Landesebene zu verstehen, welcher einer Sensibilisierung aller Gesellschaftsmitglieder bedarf.

1.3.3 Definition Teilhabe (Partizipation) Die Teilhabe ist ein Recht für jeden Menschen. Erst das Verständnis, was Teilhabe ist und auch umfasst, ermöglicht die Interpretation der Auswirkungen der UN-BRK45 für die Gesellschaft und auch für den Gesetzesgeber auf Bundes- und

43Vgl. Sukopp, Menschenrechte: Anspruch und Wirklichkeit, S.  30; hierzu ebenfalls Degener, Menschenrechte und Behinderung, S. 160; hierzu ebenfalls Liedhegener / Werkner, Religion und Menschenrechte als sozialphilosophische und politische Herausforderung der Gegenwart, S. 10; hierzu ebenfalls Thiele, Menschenrechtsschutz in Europa, S. 269; hierzu ebenfalls Arenhövel, Globales Regieren, S. 35. 44Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 436; hierzu ebenfalls Lelgemann, In einer inklusiven Gesellschaft leben – Perspektiven und Anfragen, S. 147. 45Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008.

1.3 Begrifflichkeiten

13

Landesebene. Um die Forschungsfragen aus der Perspektive von Menschen mit Behinderung, aus der Perspektive von Menschen ohne Behinderung und aus der Perspektive des Gesetzgebers erfahrbar machen zu können, muss zunächst die Teilhabe definiert werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren zu Gunsten von Menschen mit Behinderung entwickelt.46 Nach dem Diskriminierungsverbot, welches im Jahr 1994 in den Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz (GG) als Grundrecht für Menschen mit Behinderung aufgenommen wurde, darf kein Mensch mit Behinderung benachteiligt werden.47 Das SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – trat im Jahr 2001 in Kraft.48 Dieses besondere Sozialgesetz beinhaltet unter anderem die Selbstbestimmung und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft für Menschen mit Behinderung. Die Teilhabe steht im Fokus und wird seitdem in der Öffentlichkeit und unter Fachleuten umfassend diskutiert, da mit ihr eine neue Auffassung einhergeht. Mit dem Teilhabegedanken sind Menschen mit Behinderung nicht mehr als ein Objekt des Hilfesystems anzusehen, denn Teilhabe setzt eine Selbstbestimmung – das sogenannte Wunsch- und Wahlrecht – des Betroffenen voraus.49 Der Gesetzgeber hat die Begrifflichkeit der Teilhabe als ein selbstbestimmtes Handeln definiert und orientiert sich damit an der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF).50 „In ICF, the term functioning refers to all body functions, activities and participation […].“51 Der darin definierte Originalbegriff participation wurde ins Deutsche mit Teilhabe übersetzt. Gleichwohl wird auch die Begrifflichkeit der Partizipation statt Teilhabe verwendet.52

46Vgl.

Lelgemann, In einer inklusiven Gesellschaft leben − Perspektiven und Anfragen, S. 147. 47Vgl. Wagner / Kaiser, Einführung in das Behindertenrecht, S. 15. 48Vgl. Neumann / Schaper, Die Sozialordnung der Bundesrepublik, S. 48. 49Vgl. Raichle, Recht auf Teilhabe, Sozialgesetzbuch IX – Persönliches Budget und Independent Living, S. 127 f.; hierzu ebenfalls Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 436; hierzu ebenfalls Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 45 f. 50Vgl. Fries, Ziele von Rehabilitation und Teilhabe, S. 9. 51World Health Organization, Towards a Common Language for Functioning, Disability and Health, S. 2. 52Vgl. Rasch, Teilhabe, S. 905.

14

1 Einleitung

Demnach ist nach SCHUNTERMANN die Partizipation mit der Teilhabe gleichzusetzen und als Einbezogensein in eine Lebenssituation zu verstehen.53 FISCHER und HEGER vertreten die gleiche Auffassung und fügen hinzu, dass mit Unterstützung Dritter eine Teilhabe ermöglicht werden kann, falls die Person selbst dazu nicht in der Lage ist.54 Die Partizipation, beziehungsweise die Teilhabe, kann als Intensität oder Ausmaß des Einbezogenseins in verschiedene Lebensbereiche verstanden werden.55 Die Begriffserläuterung der Teilhabe entspricht unter Experten dem Ansatz der World Health Organization (WHO), bei welchem die Teilhabe als ein Dasein in allen Lebensbereichen verstanden wird. Reduziert wird lediglich das Dasein der Teilhabe auf die Lebensbereiche, die für eine Person wichtig sind und eine gleiche Entfaltung ermöglichen – im Vergleich zu einer Person ohne Behinderung.56 WELTI stellt dar, dass die WHO die Teilhabe in neun Lebensbereiche unterteilt, in welchen sich die wichtigsten menschlichen Aktivitäten wiederfinden – Lernen und Wissensanwendung, allgemeine Aufgaben und Anforderungen, Kommunikation, Mobilität, Selbstversorgung, häusliches Leben, interpersonelle Interaktionen und Beziehungen, bedeutende Lebensbereiche und ­Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben.57 Die Teilhabe wird unterschieden in einzelne Mikround Makrosysteme.58 Das Mikrosystem beinhaltet die Lebensführung. Als Bei-

53Vgl.

Schuntermann, Einführung in die ICF, S. 246; hierzu ebenfalls Revermann / Gerlinger, Technologien im Kontext von Behinderung, S. 34. 54Vgl. Fischer / Heger, Berufliche Teilhabe und Integration von Menschen mit geistiger Behinderung, S. 42; hierzu ebenfalls Wacker / Wansing / Schäfers, Personenbezogene Unterstützung und Lebensqualität, S. 11. 55Vgl. Born / Rockenbauch, Behinderung, S. 72. 56Vgl. World Health Organization, Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, S. 4. 57Vgl. Welti, Behinderung und Rehabilitation im sozialen Rechtsstaat, S. 102; hierzu ebenfalls Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Textausgabe zum Sozialrecht, Recht der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, S. 242. 58Vgl. Hanslmeier-Prockl, Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung, S. 89.

1.3 Begrifflichkeiten

15

spiele der Lebensführung sind die Partnerschaft, die Haushaltsführung und die Wohnungsgestaltung zu nennen. Durch das Makrosystem werden die Teilhabebereiche des Arbeitsmarktes, der Bildungseinrichtungen und das gesellschaftliche Miteinander, beispielsweise durch eine Vereinstätigkeit zusammengefasst.59 Teilhabe muss nicht als eine bestehende Situation bewertet werden – sie kann auch als ein Weg verstanden werden.60 Die gesellschaftliche Partizipation darf nicht aufgrund der sexuellen Identität, Lebensalter, Weltanschauung, ethnische Herkunft, Religion, Rasse oder wegen einer Behinderung beeinträchtigt werden. Die Chancengleichheit für eine gesellschaftliche Teilhabe muss mit unterschiedlichen Unterstützungsmöglichkeiten gewährleistet werden.61 Als rechtliche Meilensteine der Teilhabe sind das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)62, das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)63 und diverse Verordnungen und Empfehlungen zur Schaffung und Sicherung von Möglichkeiten der Teilhabe zu nennen.64 In der folgenden Tabelle werden die wichtigsten gesetzlichen Regelungen und Verordnungen für Menschen mit Behinderung aufgeführt (Tabelle 1.1):

59Vgl.

­ anslmeier-Prockl, Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung, S. 89. H Wacker, Selbst Teilhabe bestimmen? Von Duisburg nach Dortmund – eine fachliche Einstimmung, S. 13. 61Vgl. Bettinger, Kritik Sozialer Arbeit – Kritische Soziale Arbeit, S. 101; hierzu ebenfalls Wacker, Selbst Teilhabe bestimmen? Von Duisburg nach Dortmund – eine fachliche Einstimmung, S. 13. 62Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), zuletzt geändert durch Art. 8 des S ­ EPA-Begleitgesetzes vom 3. April 2013 (BGBl. I S. 610). 63Behindertengleichstellungsgesetz vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467, 1468), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 10. Juli 2018 (BGBl. I S. 1117). 64Vgl. Hölscher, Teilhabe stärken durch gemeindenahe Rehabilitation, S.  225; hierzu ebenfalls Raichle, Recht auf Teilhabe, Sozialgesetzbuch IX – Persönliches Budget und Independent Living, S. 128. 60Vgl.

16

1 Einleitung

Tabelle 1.1   Wichtige gesetzliche Regelungen für Menschen mit Behinderungen Lfd. Nr. UN-Konvention 1.

Rechtliche Grundlage Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK)1

Gesetzestexte 2.

Sozialgesetzbucht I (SGB I)2

3.

Sozialgesetzbuch II (SGB II)3

4.

Sozialgesetzbuch III (SGB III)4

5.

Sozialgesetzbuch IV (SGB IV)5

4.

Sozialgesetzbuch V (SGB V)6

5.

Sozialgesetzbuch VI (SGB VI)7

6. Gesetzestexte

Sozialgesetzbuch VII (SGB VII)8

7.

Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII)9

8.

Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)10

9.

Sozialgesetzbuch X (SGB X)11

10.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)12

11.

Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)13; Brandenburgisches Behindertengleichstellungsgesetz (BbgBGG)14

12.

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)15

13.

Kündigungsschutzgesetz (KSchG)16

14.

Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)17

15. Verordnungen

Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)18

16.

Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (FrühV)19

17.

Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV)20

18.

Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV)21

19.

Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (SchwbVWO)22

20.

Werkstätten-Verordnung (WVO)23

21.

Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO)24

22.

Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (KfzHV)25 (Fortsetzung)

1.3 Begrifflichkeiten

17

Tabelle 1.1   (Fortsetzung) Lfd. Nr.

Rechtliche Grundlage

23.

Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglVO)26

24.

Verordnung zur Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Menschen im Verwaltungsverfahren nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (VBD)27

25. Empfehlungen

Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)28

26.

Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen für Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung29

27.

Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen für Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung30

28.

Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen für Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten31

29.

Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen zur Gewährung von Leistungen des Integrationsamtes an Arbeitgeber zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen32

30.

Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX33

Empfehlungen 31.

Gemeinsame Empfehlung der Rehabilitationsträger für Einrichtungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben34

32.

Gemeinsame Empfehlung der Rehabilitationsträger zur Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste35

33.

Gemeinsame Empfehlung der Rehabilitationsträger für die unterstützte Beschäftigung36

34.

Gemeinsame Empfehlung der Rehabilitationsträger über die nahtlose, zügige und einheitliche Erbringung von Leistungen zur Teilhabe37

35.

Gemeinsame Empfehlung der Rehabilitationsträger über die Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen38

1Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008.

(Fortsetzung)

18

1 Einleitung

2Sozialgesetzbuch

Erstes Buch – Allgemeiner Teil – vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3214). 3Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), zuletzt geändert durch Art. 20 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541). 4Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594, 595), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581). 5Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363), zuletzt geändert durch Art. 7a des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757). 6Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477, 2482), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214). 7Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754, 1404, 3384), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2575). 8Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – vom 7. August 1996, (BGBl. I S. 1254), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2575). 9Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder und Jugendhilfe – vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert durch Art. 10 Abs. 10 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618). 10Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234), zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541). 11Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), zuletzt geändert durch Art. 1a des Gesetzes vom 10. Juli 2018 (BGBl. I S. 1117). 12Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), zuletzt geändert durch Art. 8 des SEPA-Begleitgesetzes vom 3. April 2013 (BGBl. I S. 610). 13Behindertengleichstellungsgesetz vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467, 1468), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 10. Juli 2018 (BGBl. I S. 1117). 14Brandenburgisches Behindertengleichstellungsgesetz vom 11. Februar 2013 (GVBl.I/13, [Nr. 05]), zuletzt geändert durch § 8 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (GVBl.I/18, [Nr. 38], S. 16). 15Betriebsverfassungsgesetz vom 25. September 2001 (BGBl. I S. 2518), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2509). 16Kündigungsschutzgesetz vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1317), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2509). 17Bundesurlaubsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 800–4, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868). 18Teilzeit– und Befristungsgesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1966), zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854). (Fortsetzung)

1.3 Begrifflichkeiten

19

19Frühförderungsverordnung

vom 24. Juni 2003 (BGBl. I S. 998), zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234). 20Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1739), zuletzt geändert durch Art. 19 Abs. 20 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234). 21Schwerbehinderten–Ausgleichsabgabeverordnung vom 28. März 1988 (BGBl. I S. 484), zuletzt geändert durch Art. 168 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626). 22Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen vom 23. April 1990 (BGBl. I S. 811), zuletzt geändert durch Art. 19 Abs. 21 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234). 23Werkstättenverordnung vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1365), zuletzt geändert durch Art. 167 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626). 24Werkstätten–Mitwirkungsverordnung vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1297), zuletzt geändert durch Art. 26 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541). 25Kraftfahrzeughilfe-Verordnung vom 28. September 1987 (BGBl. I S. 2251), zuletzt geändert durch Art. 117 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848). 26Eingliederungshilfe-Verordnung vom 1. Februar 1975 (BGBl. I S. 433), zuletzt geändert durch Art. 21 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234). 27Verordnung über barrierefreie Dokumente in der Bundesverwaltung vom 17. Juli 2002 (BGBl. I S. 2652), zuletzt geändert durch Art. 3 der Verordnung vom 25. November 2016 (BGBl. I S. 2659). 28Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412), zuletzt geändert durch Art. 18 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541). 29Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) vom 28.09.1987 (BGBl. I S. 2251) vom 11.06.2010. 30Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung nach § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d) SGB IX i.V.m. § 22 SchwbAV vom 11.04.2013 (§ 185 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d) SGB IX n.F.). 31Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten gemäß § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX i.V.m. § 24 SchwbAV vom 11.04.2013 (§ 185 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX n.F.). 32Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen zur Gewährung von Leistungen des Integrationsamtes an Arbeitgeber zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen nach § 27 SchwbAV vom 01.06.2016. 33Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX vom 15.04.2014 (§ 185 Abs. 4 SGB IX n.F.). 34Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Gemeinsame Empfehlung, Einrichtungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 35 SGB IX vom 23.02.2012, (§ 51 SGB IX n.F.). 35Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Gemeinsame Empfehlung nach § 113 Abs. 2 SGB IX zur Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste durch die (Fortsetzung)

20

1 Einleitung

Rehabilitationsträger, zur Zusammenarbeit und zur Finanzierung der Kosten, die dem Integrationsfachdienst bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Rehabilitationsträger entstehen vom 01.09.2016. 36Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Gemeinsame Empfehlung nach § 38a Abs. 6 SGB IX – Unterstützte Beschäftigung – vom 1. Dezember 2010, (§ 55 SGB IX n.F.). 37Vgl. REHADAT, Verwaltungsabsprache zwischen der Deutschen Rentenversicherung, vertreten durch die Deutsche Rentenversicherung Bund, der Bundesagentur für Arbeit, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), als Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung, vertreten durch die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgegestellen (BIH) über die Erbringung von Leistungen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nach dem SGB IX Teil 2 im Verhältnis zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß Teil 1 des SGB IX vom 01.03.2015, (SGB IX Teil 3 n.F.), unter https://www.rehadat-recht.de/de/leistungen-leistungsanspruch/ leistungstraeger-zustaendiger-leistungstraeger/leistungserbringer-bundesagentur-fuerarbeit-arbeitsagenturen/?infobox=/infobox1.html&serviceCounter=1&wsdb=LIT&conne ctdb=veroeffentlichungen_detail&referenznr=R/NV8264&from=1&anzahl=1083&detail Counter=34&maplength=50&suche=index.html%3Fsuchbegriffe=%2522Arbeitgeber%2 522&intlink=true, [abgerufen am 24.04.2020]. 38Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Gemeinsame Empfehlung nach § 13 Abs. 2 Nr. 10 SGB IX über die Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen vom 20.06.2016.

Nach der Auffassung von RAICHLE ist die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen in der Praxis aber kritisch zu bewerten. So gelten seiner Meinung nach einer Vielzahl von Vorgaben überwiegend nur für die öffentliche Verwaltung – und auch hier nur unter Kostenvorbehalt. In der Privatwirtschaft werden nur bedingt Maßnahmen zur Schaffung und Gewährleistung einer Teilhabe umgesetzt.65

1.3.4 Definition Inklusion (Integration) Im Nachfolgenden wird die Begrifflichkeit der Inklusion definiert, da sie als Maßstab der Chancengleichheit im Rahmen der Existenzgründung von Menschen mit Behinderung dient. Die beschriebene Inklusion in der UN-BRK wird allzu

65Vgl.

Raichle, Recht auf Teilhabe, Sozialgesetzbuch IX – Persönliches Budget und Independent Living, S. 128.

1.3 Begrifflichkeiten

21

oft als Vision angesehen.66 Sie ist aber als verbindlicher Auftrag zu verstehen, welcher umzusetzen ist.67 Das wiederum heißt, Inklusion ist nicht nur zu sichern – sondern auch herbeizuführen und zu gestalten.68 Inhaltlich ist die UN-BRK vollständig ins Deutsche übernommen worden. Ausgehend von dem englischen Vertragstext der UN-BRK wird die englischsprachige Begrifflichkeit inclusion verwendet. Sie wurde in der deutschen Fassung mit Integration übersetzt – ohne das eine andere Aufgabe oder Funktion dahintersteht.69 Unter Experten führt diese Übersetzung teilweise zur Diskussion über die korrekte Auslegung des Begriffs der Inklusion. Bevor nun näher auf die Diskussion eingegangen wird, wird eine Arbeitsdefinition hergeleitet. Das Wort Integration leitet sich aus dem lateinischen Wort „integer“ ab und kann ins Deutsche mit „komplett“ übersetzt werden – die Herleitung zeigt sogleich das Normalisierungsprinzip auf. Es besagt, dass die Lebensführung und Lebensgestaltung für alle Gesellschaftsmitglieder gleich sein sollen.70 Die Eigenschaft, welche eine Integration erfordert, kann sehr unterschiedlich sein. Die Begrifflichkeit der Integration findet beispielsweise in der Asylpolitik, Behindertenpolitik, Geschlechterpolitik und Bildungspolitik Anwendung.71 Die abweichende Eigenschaft ist mit der gesellschaftlichen Gesamtheit zu verbinden. Unter näherer Betrachtung der Thematik der Behinderung, hat diese nach dem Normalisierungsprinzip keine Auswirkungen auf die Lebensführung und Lebensgestaltung.72 Entstehende Wechselwirkungen, welche einstellungs- und umweltbedingte Barrieren mit sich bringen, sind durch den Gesetzgeber nach § 1 SGB

66Vgl.

Niehoff, Inklusion, S. 435; hierzu ebenfalls Ahrbeck / Fickler–Stang, Inklusion, S. 486. 67Vgl. Turber, UN–Konvention im Mittelpunkt, S. 4. 68Vgl. Aichele, Die UN–Behindertenrechtskonvention, S.  6; hierzu ebenfalls Thole / Höblich / Ahmed, Taschenwörterbuch Soziale Arbeit, S. 139. 69Vgl. Schweiker, Prinzip Inklusion, S. 65. 70Vgl. Waldschmidt, Behindertenpolitik im Spannungsverhältnis zwischen Normierung und Normalisierung, S. 176. 71Vgl. Ahrbeck / Fickler–Stang, Inklusion, S. 490; hierzu ebenfalls Mielenz, Migration und Integration, S. 668; hierzu ebenfalls Kuhlmann / Mogge-Grotjahn / Balz, Soziale Inklusion, Theorien, Methoden, Kontroversen, S. 12. 72Vgl. Waldschmidt, Behindertenpolitik im Spannungsverhältnis zwischen Normierung und Normalisierung, S. 176.

22

1 Einleitung

IX mit diversen Maßnahmen zu beseitigen.73 Nach ABERLE ist die Integration als ein sozialer und interaktiver Prozess zu verstehen.74 ABERLE beschreibt die Integration in diesem Zusammenhang als eine Zusammenführung von Unterschiedlichkeiten unter bestimmten Voraussetzungen. Nach der Auffassung des Gesetzgebers wird mit der Begrifflichkeit der Integration das Zurückführen in die Gesellschaft verstanden.75 Der Begriff der Inklusion leitet sich von dem lateinischen Wort „inclusio“ ab. Dieser Begriff kann als Einschluss, beziehungsweise als ein Teil von etwas Ganzem übersetzt werden.76 Bereits in den 70iger Jahren fand der Begriff der Inklusion im englischsprachigen Raum Verwendung und wurde beispielsweise von der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) aufgegriffen.77 Erst mit der Ratifizierung der UN-BRK durch Deutschland zog die Begrifflichkeit auch im deutschen Sprachgebrauch ein. Inklusion wird durch den Gesetzgeber definiert als ein Vorhandensein gleicher Möglichkeiten für alle Menschen – unabhängig von beispielsweise Religion, Geschlecht, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen.78 Die gesellschaftliche Gemeinsamkeit steht bei der Inklusion im Fokus und drückt aus, dass jede Person zur Gesellschaft gehört.79 AVCI-WERNING, WERNING und AHRBECK weisen darauf hin, dass in der Fachliteratur keine einheitliche Definition des Begriffs der Inklusion existiert.80 Um sich der Begrifflichkeit der Inklusion zu nähern, wird im Folgenden das Verständnis der Inklusion in eine gemäßigte und radikale Betrachtungsweise

73Vgl.

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 239. 74Vgl. Aberle, Sozialraumorientierung als Voraussetzung für Inklusion, S.  32; hierzu ebenfalls Kuhlmann / Mogge-Grotjahn / Balz, Soziale Inklusion, Theorien, Methoden, Kontroversen, S. 169. 75Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft, S. 9. 76Vgl. Heimlich, Einleitung: Inklusion und Sonderpädagogik, S. 13. 77Vgl. Hinz, Inklusive Pädagogik in der Schule, S. 171. 78Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 434. 79Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft, S. 9; hierzu ebenfalls Dederich, Inklusion – eine Annäherung, S. 85 f., hierzu ebenfalls Rump / Schiedhelm, Diversität zur Steigerung der Unternehmens–Performance, S. 166. 80Vgl. Avci-Werning / Werning, Herausforderung Inklusion in Schule und Unterricht, S. 15; hierzu ebenfalls Ahrbeck, Inklusion, S. 7.

1.3 Begrifflichkeiten

23

differenziert.81 Die Unterschiede der Betrachtungsweisen lassen sich als Differenz zwischen der Wirklichkeit und der Utopie darstellen.82 So zielt das radikale Inklusionsverständnis auf eine volle Chancengleichheit – ausnahmslos auf alle Gesellschaftsmitglieder – ab.83 Eine Differenzierung, beispielsweise dadurch, dass es unterschiedliche Schulformen gibt, lässt auf Grundlage der UNBRK in den Augen der Vertreter der radikalen Betrachtung den Verdacht einer Menschenrechtsverletzung zu.84 Die individuelle Lebenssituation und alles was damit im Zusammenhang steht ergeben sich aus den Fähigkeiten und Bedürfnissen des Einzelnen.85 Im Gegensatz zur radikalen Betrachtung der Inklusion zielt die gemäßigte Inklusion nicht auf einen einheitlichen Standard für alle, sondern auf einzelne Personen ab. Der Mensch steht dabei als Einzelperson im Fokus, woraus der individuelle Unterstützungsbedarf für eine Inklusion abgeleitet wird.86 Eine totale Gleichbehandlung aller Gesellschaftsmitglieder – unabhängig vom gesellschaftlichen Status, den unterschiedlichen Lebenslagen und den vorhandenen Fähigkeiten – ist Utopie. In der Literatur wird auch die Auffassung vertreten, dass es sich bei Inklusion und Integration um zwei völlig verschiedene Begriffe handelt, die nicht synonym gleichzusetzen sind. Nach OEHME ist die Begrifflichkeit der Inklusion grundsätzlich von der Integration zu trennen, beziehungsweise durch die gesamtgesellschaftliche und rechtliche Forderung – die sich aus der ­UN-BRK ergibt – auszutauschen.87 Nach seiner Auffassung ist die Inklusion als eine gesteigerte soziale Teilhabe zu interpretieren.88 Für SPECK-HAMDAN ist eine eindeutige Abgrenzung der Inklusion von der Integration notwendig, da ein unterschiedliches Verständnis zugrunde liegt.89 Nach AICHELE hat mit der Öffnung der sozialen Betrachtungsweise die traditionelle Begrifflichkeit der Integration

81Vgl.

Brodkorb, Warum Inklusion unmöglich ist, S. 16. Ahrbeck, Inklusion – ein unerreichbares Ideal? S. 40; hierzu ebenfalls Brodkorb, Warum Inklusion unmöglich ist, S. 16. 83Vgl. Ahrbeck / Fickler-Stang, Inklusion, S. 487. 84Vgl. Brodkorb, Warum Inklusion unmöglich ist, S. 16 f. 85Vgl. ebd., S. 20. 86Vgl. Singer, Inklusion und Fremdheit, S. 62. 87Vgl. Oehme, Inklusion statt Integration? S. 34. 88Vgl. ebd., S. 35. 89Vgl. Speck-Hamdan, Inklusion, der Anspruch an die Grundschule, S. 14. 82Vgl.

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1 Einleitung

ausgedient und ist im Sinne der UN-BRK in die Inklusion zu überführen.90 HEIMLICH sieht ebenfalls den Inklusionsgedanken losgelöst von der Integration.91 Gleichzeitig weist er aber darauf hin, dass gesellschaftliche Spannungen alltäglich sind, welche letztlich zu einer Separation führen können.92 Nach der gemäßigten Betrachtungsweise richtet sich der Erfolg der Behindertenpolitik nach der Bewertung durch die inkludierte Person selbst. Dies lässt sich daraus ableiten, dass die Menschen nicht alle gleichartig behindert sind – jede Behinderung ist in ihrer Wechselwirkung sehr unterschiedlich. Das heißt, dass der Inhalt und die Auswirkung der Inklusion von jedem unterschiedlich interpretiert werden kann.93 Die gemäßigte Inklusion zielt auf die individuellen Bedürfnisse der Person mit Behinderung ab, sodass dabei auch von einer Integration gesprochen werden kann. Demnach ist auf eine gemäßigte Inklusion abzustellen, um das gesetzte Ziel der UN-BRK zu erreichen. Ausgehend von der Übersetzung der UN-BRK scheint lediglich der Versuch einer Differenzierung im deutschsprachigen Raum ein Problem zu sein. So wird bei den Vereinten Nationen oder bei der UNESCO keine unterschiedliche Interpretation zwischen Inklusion und Integration vorgenommen. Beide Begrifflichkeiten werden synonym verwendet.94 Die definitorische Auffassung der Integration ist mit dem gemäßigten Inklusionsverständnis gleichzusetzen. Das radikale Inklusionsverständnis ist nicht mit der UN-BRK in Einklang zu bringen, denn die künstliche Herbeiführung einer Zwangssituation entspricht nicht dem Gedanken der Selbstbestimmung in der Behindertenpolitik.95 Schlussfolgernd kann bei dem Versuch einer Differenzierung der Integration von der Inklusion angebracht werden, dass die Integration mit der gemäßigten Inklusion gleichzusetzen ist. Die radikale Inklusion, welche nicht im Sinne der UN-BRK ist, unterliegt keinem Rechtsanspruch und ist für eine erfolgreiche Behindertenpolitik zu vernachlässigen. Die Begrifflichkeiten der Integration und

90Vgl. Aichele,

Die UN–Behindertenrechtskonvention, S. 6. Heimlich, Einleitung: Inklusion und Sonderpädagogik, S. 12. 92Vgl. ebd., S. 12. 93Vgl. Brodkorb, Warum Inklusion unmöglich ist, S. 31. 94Vgl. Speck-Hamdan, Inklusion, der Anspruch an die Grundschule, S. 13. 95Vgl. Deutsches Institut für Menschenrecht, M ­ onitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 45 f. 91Vgl.

1.3 Begrifflichkeiten

25

der Inklusion sind in der Behindertenpolitik identisch96, sodass der Vertragstext der UN-BRK korrekt ins Deutsche übersetzt wurde. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Inklusion mit der Integration inhaltlich gleichgesetzt, da die Begrifflichkeiten auf ein gleichberechtigtes, selbstbestimmtes Leben und ein Agieren auf Augenhöhe mit einer gesellschaftstypischen Wertschätzung abzielen. Die Gleichheit in einer Gesellschaft liegt in einer gemäßigten Inklusion und Integration. Die Unterstützungsmaßnahmen müssen folglich individuell sein, da sie immer im Kontext zur persönlichen Lebenssituation zu sehen sind.97

1.3.5 Gleichstellung Personen mit einem GdB unter 50 haben die Möglichkeit sich einem schwerbehinderten Menschen gleichstellen zu lassen, wenn ein GdB von 30 oder 40 anerkannt wurde.98 Der begehrte Status muss durch die Person selbst bei der Agentur für Arbeit – Fachbereich Reha – beantragt werden.99 Ein entsprechender Automatismus mit der Anerkennung eines GdB durch die Versorgungsverwaltung erfolgt nicht. Bedingung einer Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX ist, dass die anerkannt behinderte Person wegen der Einschränkung selbst keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen kann oder der bestehende Arbeitsplatz durch die Einschränkung gefährdet ist.100 96Vgl.

Brodkorb, Warum Inklusion unmöglich ist, S. 31. Puhr, Inklusion und Exklusion im Kontext prekärer Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen, S. 99. 98Vgl. Welti, Rechte und Ansprüche behinderter Menschen – nach geltendem Recht in der Bundesrepublik Deutschland, S. 51 f.; hierzu ebenfalls Feldes / Krämer / Rehwald / Westermann / Witt, Schwerbehindertenrecht, 2 Rn. 37; hierzu ebenfalls Dau, Geltungsbereich, 68 Rn. 10; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 14. 99Vgl. Landauer / Ley, Schwerbehinderung und Sonderschutz, S. 330; hierzu ebenfalls Röger, Finanzielle Hilfen für Menschen mit Behinderung, S. 32; hierzu ebenfalls Müller, Plötzlich schwer krank und arbeitsunfähig, S. 64 f.; hierzu ebenfalls Richter / Habib, Das Betriebliche Eingliederungsmanagement, S. 44. 100Vgl. Feldes / Krämer / Rehwald / Westermann / Witt, Schwerbehindertenrecht, 2 Rn. 39 ff.; hierzu ebenfalls Korinth, Schwerbehinderte Menschen, S. 426; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 226; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 14. 97Vgl.

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1 Einleitung

Zwingendes Kriterium der Gleichstellung ist gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX, dass der Betroffene einen GdB von 30 oder 40 aufweist und, dass der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort oder der Arbeitsplatz des Betroffenen sich rechtmäßig im Geltungsbereich des Gesetzes befindet.101 Keine Gründe für eine Gleichstellung sind unter anderem allgemeine betriebliche Veränderungen – beispielsweise durch unternehmerisch notwendig gewordene Rationalisierungsmaßnahmen, das Lebensalter, die mangelnde Qualifikation oder eine schwierige Arbeitsmarktsituation.102 Grundsätzlich ist bei den genannten Beispielen davon auszugehen, dass eine Person ohne Behinderung nicht schlechter gestellt werden darf als eine Person mit Behinderung. Die Agentur für Arbeit bewertet bei der Antragstellung nicht das Leistungsbild einer Person. Lediglich der Gesundheitszustand nach der Gesetzesdefinition ist ausschlaggebend. Die Gleichstellung muss eine direkte Auswirkung auf den Arbeitsplatz nach sich ziehen – also sich genau auf diesen Arbeitsplatz beziehen.103 Wenn keine Einschränkung auf die Beschäftigungsfähigkeit besteht, beispielsweise bei einem Diabetiker, welcher mit Medikamenten die Auswirkungen der Krankheit zu fast 100 % kompensieren kann, ist die Arbeit ohne Einschränkungen ausführbar. Demzufolge ist der Status einer Gleichstellung als Form des Nachteilsausgleiches in derartigen Fällen nicht notwendig, denn die Arbeitsfähigkeit wird im genannten Beispiel durch die Behinderung nicht eingeschränkt. Es ist dann von einer einschränkungsbedingten Auswirkung auf die Beschäftigung auszugehen, wenn die Tätigkeit nur mit Zugeständnissen – beziehungsweise mit der Gewährung von Nachteilsausgleichen – möglich ist.104 Als Beispiel sei hier ein Diabetiker genannt, welcher sich regelmäßig Insulin durch Spritzen verabreichen muss. Er benötigt für den Zeitraum der Medikation bei seiner Tätigkeit im Verkauf / Kundenservice eine Vertretung, sowie einen entsprechenden Rückzugsraum. Ein weiteres Beispiel für eine Gleichstellung wäre die fehlende Einsetzbarkeit in Schichten. Wenn der Mitarbeiter eine zeitlich festgelegte tägliche Medikation – die aus Arbeitsschutzgründen nicht parallel mit einer Aufgabenwahrnehmung erfolgen darf – durchführen muss, ist er in seiner

101Vgl.

Dau, Geltungsbereich, 68 Rn. 4. Schwab, Vorwort – Menschen mit Behinderung, S. XI. 103Vgl. Specht, Berufliche Orientierung für BAMF–Deutsch–Kurse, S. 58; hierzu ebenfalls Mrozynski, SGB IX Teil 1, 2 Rn. 55. 104Vgl. Ebert, Sozial- und arbeitsrechtliche Aspekte bei Diabetes mellitus, S. 635; hierzu ebenfalls Dau, Geltungsbereich, 68 Rn. 13; hierzu ebenfalls Hohner / Schmalix, Die richtige Begründung zählt, S. 7. 102Vgl.

1.3 Begrifflichkeiten

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Flexibilität bei der Schichtwahrnehmung beschränkt. Hier ergeben sich auf Grund der Behinderung negative Auswirkungen auf die tägliche Arbeit im ablauforganisatorischen und im leistungszentrierten Sinne. Anhaltspunkte für eine Gefährdung aufgrund der Behinderung können beispielsweise wiederholte oder häufige einschränkungsbedingte Fehlzeiten, eine verminderte Arbeitsleistung trotz eines leidensgerechten Arbeitsplatzes oder eine andauernde verminderte Belastbarkeit sein. Ebenso kann eine erkennbare Reaktion des Arbeitsgebers auf die Einschränkung, beispielsweise durch Abmahnungen oder Abfindungsangebote den Rückschluss einer Arbeitsplatzgefährdung zulassen. Eine auf Dauer notwendige Hilfeleistung anderer Mitarbeiter oder eine eingeschränkte berufliche und regionale Mobilität, welche ihre Ursache in der anerkannten Einschränkung findet, stellen ebenfalls ein Gefährdungspotenzial zur Aufrechterhaltung und Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses dar. Mit einer Gleichstellung wird die begleitende Hilfe am Arbeitsleben entsprechend den leistungsrechtlichen Normen des § 185 Abs. 2 und 3 SGB IX fixiert.105 Durch die Gleichstellung erlangt der Antragssteller den besonderen Kündigungsschutz. Gleichzeitig werden mit dieser Statusanerkennung Förderungen aus der ­Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung ­(SchwbAV)106 ermöglicht und eine individuelle Betreuung durch den Integrationsfachdienst kann bei Bedarf erfolgen. Es besteht aber kein Rechtsanspruch auf Zusatzurlaub und auf eine besondere Altersrente, welche schwerbehinderten Menschen zugestanden wird.107

1.3.6 Definition der beruflichen Selbständigkeit Im Folgenden wird die Begrifflichkeit der Selbständigkeit definiert, da sie in unterschiedlicher Hinsicht aufgefasst werden kann – insbesondere vor dem behindertenpolitischen Kontext. Zum einen steht die Selbständigkeit für

105Vgl. Ritz, Begriff des Arbeitsplatzes, 73 Rn. 6; hierzu ebenfalls Dau, Geltungsbereich, 68 Rn. 13. 106Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung vom 28. März 1988 (BGBl. I S. 484), zuletzt geändert durch Art. 168 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626). 107Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 226.

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1 Einleitung

eigenverantwortliches Handeln und zum anderen kann die Selbständigkeit im Verständnis des Entrepreneurships als eine berufliche Entwicklung verstanden werden.108 Die herzuleitende Definition, welche in der vorliegenden Arbeit ausschlaggebend ist, zielt in erster Linie auf die Selbständigkeit als Marktakteur ab. Der Selbständige ist in diesem Sinne nicht als gegebener Produktionsfaktor zu verstehen. Er ist vielmehr als eine lebende Person mit eigenen Ambitionen gekennzeichnet, welche Entscheidungen trifft und dadurch direkt in das Wirtschaftsleben eingreift.109 Die sich damit ergebene Aufgabe der Koordination benötigt darüber hinaus finanzielle, personelle und soziale Ressourcen, um sich erfolgreich am Markt etablieren zu können.110 FUEGLISTALLER, MÜLLER, C., MÜLLER, S. und VOLERY definieren den Unternehmer als eine Person, welche Projekte mit Konsequenz verfolgt und hierzu auch entsprechend in der Lage ist. Gleichwohl hat sie die Voraussetzung, dass sie notwendige Ressourcen für ihr Vorhaben beschafft und diese für ihre Ziele einsetzt.111 Eine weitere Definition der Selbständigkeit lässt sich nach dem Gesetzgeber im Umkehrschluss zur Nichtselbständigkeit aus dem § 7 Abs. 1 SGB IV112 ableiten. Danach ist die nichtselbständige Beschäftigung eine Tätigkeit, die nach Weisungen erfolgt und durch die Einbindung als Person in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers gekennzeichnet ist. Ebenfalls ist aus dem § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) eine Konkretisierung der Selbständigkeit ersichtlich. Nach dieser gesetzlichen Grundlage ist von einer Selbständigkeit zu sprechen, wenn die Tätigkeit frei gestaltet und die Arbeitszeit frei bestimmt wird. Als Abgrenzungskriterium der Selbständigkeit von der Nichtselbständigkeit kann die individuelle Abhängigkeit von einem Arbeitgeber und die damit verbundene Weisungsbefugnis hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Arbeit verstanden werden.113 Selbständige Marktakteure sind demnach gekennzeichnet durch eine

108Vgl. Böth, Kernforderung für eine erfolgreiche Existenzgründung im Bereich der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften, S. 133. 109Vgl. Kräuter, Existenzgründung bildender Künstlerinnen und Künstler, S. 32. 110Vgl. ebd., S. 32. 111Vgl. Fueglistaller / Müller / Müller / Volery, Entrepreneurship, S. 21. 112Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363), zuletzt geändert durch Art. 7a des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757). 113Vgl. Franke, Gründungsaktivitäten in der zweiten Lebenshälfte, S. 16; hierzu ebenfalls Macharzina / Wolf, Unternehmensführung, S. 16; hierzu ebenfalls Döbler, Frauen als Unternehmerinnen, S. 37.

1.3 Begrifflichkeiten

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individuelle und weisungsunabhängige Leistungserbringung für unterschiedliche Auftraggeber.114 FALTIN beschreibt die Selbständigkeit in einem Bonmot wie folgt: „Selbständig sein heißt, alles selbst zu machen und das ständig.“115 Ein weiteres Merkmal der Selbständigkeit ist das wirtschaftliche Risiko. Jeder selbständige Marktakteur trägt ein wirtschaftliches Risiko. Nach MACHARZINA und WOLF geht der Selbständige dieses Risiko bewusst ein.116 Das Merkmal des Risikos wird durch VON COLLREPP in der frühen Nachgründungsphase als sehr hoch bewertet, da der Selbständige sich mit seinem Vorhaben noch in den Marktstrukturen und im sozialen Umfeld finden muss.117 FUEGLISTALLER, MÜLLER, C., MÜLLER, S. und VOLERY beschreiben den Unternehmer als Risikoträger.118 Der Selbständige unterliegt einer Reihe von unsicheren Entscheidungen. Als mögliche Risiken können beispielhaft angeführt werden: das gesamte Scheitern der Existenzgründung, das Einkommensrisiko, das Kapitalrisiko, die fehlende soziale Sicherheit, das Gesundheitsrisiko, unregelmäßige Arbeitszeiten und ein hoher Arbeitseinsatz.119 Durch HEBIG werden die genannten Merkmale einer Selbständigkeit zusammengefasst und ergänzt um den Zufluss von Gewinnen, beziehungsweise dass der Selbständige die Verluste selbst trägt.120 Diese definitorischen Ansätze finden sich bei der Arbeitsanweisung zur Umsetzung des § 93 SGB III bei der Agentur für Arbeit wieder. Danach ist die selbständige Tätigkeit, welche mit der freiberuflichen Tätigkeit gleichzusetzen ist, als eine frei gestaltete Tätigkeit bei freier Zeiteinteilung zu sehen, wobei die

114Vgl. Mandel, Die neuen Kulturunternehmer, S. 21; hierzu ebenfalls Hebig, Existenzgründungsberatung, S. 119. 115Faltin, Kopf schlägt Kapital, S. 72. 116Vgl. Macharzina / Wolf, Unternehmensführung, S. 16; hierzu ebenfalls Döbler, Frauen als Unternehmerinnen, S. 37. 117Vgl. von Collrepp, Handbuch Existenzgründung, S. 4. 118Vgl. Fueglistaller / Müller / Müller / Volery, Entrepreneurship, S. 101; hierzu ebenfalls Mugler / Fink, Sind 250 Jahre Entrepreneurshipforschung schon genug? S. 12; hierzu ebenfalls De, Entrepreneurship, S. 19. 119Vgl. von Collrepp, Handbuch Existenzgründung, S. 4. 120Vgl. Hebig, Existenzgründungsberatung, S. 119.

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Person über ihre eigene Arbeitskraft verfügt.121 Als selbständiger Marktakteur wird im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gearbeitet, wobei als Selbständiger das wirtschaftliche Risiko vollumfänglich getragen wird.122 Zu dem wirtschaftlichen Risiko zählen beispielsweise der Einsatz des eigenen Vermögens mit der Gefahr des Verlustes oder die ungewisse zu erbringende Arbeitsleistung. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass mit dem Anstieg der Risiken auch die Dispositionsfreiheiten und die Chancen auf Gewinnerzielung steigen.123

1.3.7 Definition des Entrepreneurships Um die Inklusion im Gründungsprozedere einzubetten, bedarf es vorab einer Begriffsdefinition des Entrepreneurships. Die Gründungsforschung befasst sich neben der Genese der Begrifflichkeit des Entrepreneurs, welche als eine langandauernde und umfassende Aufgabe zu sehen ist, mit dem gesamten Gründungsprozedere.124 Die interdisziplinäre Gründungsforschung untersucht die damit verbundenen wirtschaftswissenschaftlichen, psychologischen und soziologischen Aspekte. Mögliche Nachteilsausgleiche durch den Staat zielen auf die psychologischen und soziologischen Aspekte zur Sicherstellung der Teilhabe am Arbeitsleben und die Schaffung gleicher Voraussetzungen aller Gesellschaftsmitglieder ab. Aus der Perspektive der Inklusion resultieren die Nachteile aus dem direkten Umfeld und nicht aus der Person selbst.125 Die Notwendigkeit eines Nachteilsausgleiches kennzeichnet die fehlende Chancengleichheit.126 Diese Perspektive der Gründungsforschung erfordert eine detaillierte Betrachtung der psychologischen und soziologischen Aspekte unter dem Blickwinkel der Inklusion. Die juristischen oder historischen Aspekte sind dabei zu vernachlässigen, um den roten Faden der Arbeit zu gewährleisten, sodass die gesetzte Zielstellung erreicht wird.

121Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.10. 122Vgl. ebd., 93.10. 123Vgl. ebd., 93.10. 124Vgl.

Saßmannshausen, Entrepreneurship–Forschung: Fach oder Modetrend, S. 65. Thole / Höblich / Ahmed, Taschenwörterbuch Soziale Arbeit, S. 139. 126Vgl. Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 35. 125Vgl.

1.3 Begrifflichkeiten

31

Die prominente Begrifflichkeit wird in der Öffentlichkeit überwiegend mit einem handlungsorientierten Verständnis interpretiert.127 Im Fokus steht dabei die Rolle des Unternehmers im gesamtwirtschaftlichen Prozess. So ist der Entrepreneur eine Person, welcher Eigentümer einer Unternehmung ist und dieses auf eigenes Risiko betreibt.128 Diese vereinfachte Definition vernachlässigt die Betrachtung der Gründereigenschaften und das notwendige Verhalten des Gründers für einen möglichen Markterfolg. Von der Definition her ist das Entrepreneurship im weitesten Sinne dahingehend zu verstehen, dass lediglich ein Risiko eingegangen wird. Mit der Verwirklichung einer neuen Idee geht der Akteur ein persönliches Risiko mit dem Vorantreiben eines Prozesses ein. Im engeren Sinn kann das Entrepreneurship als eine Aktion, wobei erstmalig ein ökonomischer Nutzen aus etwas Neuen resultiert, verstanden werden.129 Dieser engere Sinn bezieht sich auf einen innovativen Gedanken, da etwas erstmalig mit einem ökonomischen Nutzen umgesetzt wird. Demnach bringt der Entrepreneur ein neues und innovatives Produkt auf den Markt. Diese Innovation kann sich beispielsweise in einer neuen Technologie, einer neuen Farbwahl oder in einem neuen Produktionsprozess wiederfinden, welches im Ergebnis die Marktsituation und deren Rahmenbedingungen ändern kann.130 Als allgemeine Definition zwischen der weiten und engeren Betrachtung ist das Entrepreneurship dahingehend zu verstehen, dass ein neues Unternehmen mit dem Ziel der Erschließung von Wachstumspotenzialen am Markt gegründet wird – unabhängig von der Intensität einer Innovation. Aus der Recherche der bestehenden Fachliteratur ist keine abschließende Definition der Begrifflichkeit des Entrepreneurships zu entnehmen. Vereinfacht kann inhaltlich das Entrepreneurship mit der Entdeckung, Interpretation und Bewertung sowie mit der Ausnutzung verschiedener Handlungsfelder in der Vorgründungs- und Nachgründungsphase von Existenzgründern beschrieben werden.131 Im Rahmen einer Gründung ist das Entrepreneurship in unterschiedlichen Etappen darstellbar. Mit der Etappenbetrachtung wird das Entrepreneurship in die Vorbereitung der Aufnahme einer Selbständigkeit (Vorgründungsphase) bis hin zur Marktumsetzung (Gründungsakt) und Marktetablierung (Nachgründungsphase) grob unterteilt. Die anfängliche 127Vgl.

De, Entrepreneurship, S. 17. Uedelhoven / Bernstorff von / Nachtwei, Gründungspotenziale und Gründungserfolg, S. 88; hierzu ebenfalls Fueglistaller / Müller / Müller / Volery, Entrepreneurship, S. 91. 129Vgl. De, Entrepreneurship, S. 19 f. 130Vgl. Fueglistaller / Müller / Müller / Volery, Entrepreneurship, S. 96. 131Vgl. Fallgatter, Theorie des Entrepreneurship, S. 1. 128Vgl.

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1 Einleitung

Idee über das unternehmerische Handeln, die möglichen Opportunitys für eine Geschäftsidee und die Realisierung der Geschäftsinhalte am Markt selbst, unter besonderer Berücksichtigung von Innovation und Veränderung, umfassen die Begrifflichkeit des Entrepreneurships. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Betrachtungsweisen und der zeitlichen Gegebenheiten, lässt sich das Entrepreneurship als eine konsequente Zielverfolgung von Möglichkeiten und Handlungsalternativen definieren. Dabei geht die Zielverfolgung über die gegenwärtig vorhandenen Ressourcen hinaus, die aktuell und perspektivisch dispositioniert, gemanagt und kontrolliert werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Aktivitäten im Sinne des Entrepreneurships die Effizienz steigern. Somit stehen die Bildung einer Varietät – einer entsprechenden Vielschichtigkeit – und die Ausnutzung von Ressourcen im Vordergrund. HÉBERT und LINK untersuchten die Begrifflichkeit und sind zum Fazit gekommen, dass der Entrepreneur gekennzeichnet ist durch eine Risikoübernahme bei Ungewissheit, einer innovativen Denkweise, einer schnellen Herbeiführung von Entscheidungen und einer Koordination und Organisation der Produktionsfaktoren.132 Dieses Fazit zum Entrepreneurship gibt die Erkenntnisse der vorherrschenden Fachliteratur wieder, in welcher ein handlungsorientiertes, eigenschaftenorientiertes und verhaltensorientiertes Verständnis existiert (Abbildung 1.2).133

Entrepreneurship

handlungsorientiertes Verständnis (functional approach)

eigenschaftsorientiertes Verständnis (traits approach)

verhaltensorientiertes Verständnis (behavioral approach)

Abbildung 1.2   Ansätze des Entrepreneurship. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Saßmannshausen, Entrepreneurship–Forschung: Fach oder Modetrend, S. 69; hierzu ebenfalls De, Entrepreneurship, S. 18 f.) 132Vgl. Uebe-Emden, Entrepreneurship Education an Hochschulen für Gründer und Nachfolger, S. 16; hierzu ebenfalls Schaller, Entrepreneurship oder wie man ein Unternehmen denken muß, S. 18 f.; hierzu ebenfalls Schönenberger, Kommunikation von Unternehmertum, S. 19 f.; hierzu ebenfalls Hebert / Link, The Entrepreneur, S. 152. 133Vgl. Saßmannshausen, Entrepreneurship–Forschung: Fach oder Modetrend, S. 67.

1.3 Begrifflichkeiten

33

Die angeführten Verständnisse des Entrepreneurships befassen sich mit dem Individuum des Gründers. Der Ansatz des verhaltensorientierten Verständnisses stellt die unternehmerische Verhaltensweise in den Vordergrund.134 So wird das Verhalten am Markt und in der direkten Interaktion mit einzelnen Akteuren betrachtet. Die individuellen Verhaltensmuster der Gründerperson stehen dabei im Fokus.135 Erfahrungswerte aus Niederlagen und Konflikten, sozialer Status, Anerkennung, Neid oder auch Scham nehmen auf das Verhalten Einfluss. Infolgedessen werden die Verhaltensweisen ausgerichtet, um erwünschte Situationen herbeizuführen oder um unerwünschte Situationen zu vermeiden. Das Verhalten kann aber nur zielorientiert angepasst werden, wenn individuelle Erfahrungswerte vorliegen. Bei Menschen mit Behinderung wird häufig die Annahme unterstellt, dass sie nicht leistungsfähig sind und eines gesellschaftlichen Schutzes bedürfen. Diese Annahme geht einer unzureichenden Dienstleistungsmöglichkeit, einer schlechten Arbeitsqualität oder einer fehlenden Einhaltung von Terminaufträgen einher. Dies wiederum führt zu einem angepassten, vielleicht auch unsicheren oder zurückhaltenden Verhalten des Existenzgründers mit Behinderung. Die Eigenschaften und der Charakter eines erfolgreichen Entrepreneurs werden durch das eigenschaftsorientierte Verständnis beschrieben. Dabei werden solche Charakterzüge betrachtet, welche über einen längeren Zeitraum bestehen.136 Die Persönlichkeit hat einen mittelbaren Einfluss auf den Erfolg der Unternehmung. So sind beispielsweise das Unabhängigkeitsstreben und eine gewisse Risikobereitschaft als Variable zu nennen.137 MC CLELLAND vertritt die Auffassung, dass die Gründerperson die benötigten Verhaltensweisen nicht als Eigenschaft zwingend benötigt, da sie angelernt werden können. Die Leistungsmotivation und das Verhalten kann durch ein zielorientiertes Coaching zur Gründerpersönlichkeit ausgeprägt werden. Die Persönlichkeitseigenschaften sind aber als latente Variablen anzusehen, welche weder direkt beobachtbar noch messbar sind.138 Die Vielschichtigkeit einer Persönlichkeit, deren

134Vgl. Gladbach, Der Abbruch akademischer Gründungsvorhaben, S. 17; hierzu ebenfalls Saßmannshausen, Entrepreneurship–Forschung: Fach oder Modetrend, S. 67. 135Vgl. Meves, Emotionale Intelligenz als Schlüsselfaktor der Teamzusammensetzung, S. 47. 136Vgl. Bejedic, Förderung unternehmerischer Persönlichkeitspotenziale, S. 8. 137Vgl. De, Entrepreneurship, S. 18; hierzu ebenfalls Wagner / Ziltener, Die Unternehmerpersönlichkeit und ihre Gründungsentscheidung: Gründungsmotive als Weichensteller, S. 194. 138Vgl. Bejedic, Förderung unternehmerischer Persönlichkeitspotenziale, S. 8.

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1 Einleitung

umweltbedingte und genetische Wechselwirkungen139 und die graduelle Entwicklung der Persönlichkeit lassen das eigenschaftsorientierte Verständnis von Persönlichkeitsprofilen eines erfolgreichen Entrepreneurs erschweren.140 Gleichwohl formt sich der Charakter des Entrepreneurs mit dem Erfolg oder mit dem Scheitern seines Vorhabens. Das eigenschaftsorientierte Verständnis birgt ein sehr hohes Risiko an Diskriminierung in sich. Es ist beispielsweise pauschal davon auszugehen, dass jüngere Gründer ein höheres Innovationspotenzial aufweisen und mehr Risiko eingehen. Ältere Gründer hingegen können durch ihre längere Berufserfahrung routinierter agieren, weisen umfänglichere Kontakte auf und suchen vordergründig nicht das Risiko.141 KLANDT bewertet die Gründerperson selbst als eine der wichtigsten Erfolgsfaktoren einer Unternehmung. So benötigt der Gründer eine umfängliche Leistungsbereitschaft und ein Übermaß an Leistungsfähigkeit für eine erfolgreiche Etablierung am Markt.142 Das eigenschaftsorientierte Verständnis lässt sich weiter in physiologische und morphologische Merkmale unterteilen. Unter physiologischen Merkmalen sind die körperlichen Funktionen, beziehungsweise der Gesundheitszustand der Gründerperson zu verstehen. Die morphologischen Merkmale beziehen sich auf das äußere Erscheinungsbild. Mit diesen Merkmalen ist nach Ansicht von KLANDT die Behinderungseigenschaft als ein Ausschlusskriterium für die Selbständigkeit anzusehen.143 Der wirtschaftliche Blickwinkel des Entrepreneurships wird durch das handlungsorientierte Verständnis beschrieben. Der Entrepreneur ergreift die sich ihm bietende Chance, um sich am Markt zu etablieren.144 Die Perspektive der Ergreifung einer sich bietenden Chance kennzeichnet das Opportunity Entrepreneurship. Bei einer Notgründung, welche als Necessity Entrepreneurship

139Vgl.

Amelang / Bartussek / Stemmler / Hagemann, Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung, S. 580; hierzu ebenfalls Bejedic, Förderung unternehmerischer Persönlichkeitspotenziale, S. 8 f. 140Vgl. Wagner / Ziltener, Die Unternehmerpersönlichkeit und ihre Gründungsentscheidung: Gründungsmotive als Weichensteller, S. 196; hierzu ebenfalls Fallgatter, Junge Unternehmen, S. 209. 141Vgl. Franke, Existenzgründungen im Lebenslauf, S. 401. 142Vgl. Klandt, Gründungsmanagement: Der Integrierte Unternehmensplan, S. 18; hierzu ebenfalls Müller-Böling / Klandt, Unternehmensgründung, S. 135 ff. 143Vgl. Klandt, Gründungsmanagement: Der Integrierte Unternehmensplan, S. 25 f. 144Vgl. Fritsch, Entrepreneurship, S. 10; hierzu ebenfalls Fueglistaller / Müller / Müller / Volery, Entrepreneurship, S. 92.

1.3 Begrifflichkeiten

35

zu bezeichnen ist, steht nicht die Chance im Vordergrund. Vielmehr resultiert die Entscheidung für das Wagnis der Selbständigkeit aus dem Bedürfnis der Sicherung des Lebensunterhaltes.145 Eine sich bietende Chance ist vorrangig als ein mögliches rentables Vorhaben zu sehen – die Aussicht auf Erfolg besteht. Bei einem wirtschaftlichen Erfolg bedarf es in der Regel keines Nachteilsausgleichs, da dieser demnach faktisch nicht notwendig ist. Die Notgründung geht in der Regel mit fehlenden Alternativen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einher, sodass das Wagnis mit der Hoffnung eines Gewinnmindestmaßes zu verknüpfen ist. Das Gewinnmindestmaß ist in der Höhe mit den Kosten des individuellen Lebensunterhaltes vergleichbar. Um dies zu erreichen und das bestehende Risiko zu minimieren, kann der Nachteilsausgleich eine verfehlte Wirkung einnehmen, welches nicht im Sinne des Gesetzgebers ist. Die pauschale Unternehmensgründung, welche in der Motivation des Bezuges von finanziellen Mitteln aus der Ausgleichsabgabe zu sehen ist, wird unter dem handlungsorientierten Blickwinkel mit der Humankapitaltheorie stark eingegrenzt. Demnach bedarf der Entrepreneur gewisser Fähigkeiten und Kompetenzen, um ein Unternehmen erfolgreich zu führen.146 Eine hohe Humankapitalausstattung für eine effiziente und zielgerichtete Organisation geht mit positiven Produktivitätseffekten einher. Neben der notwendigen fachlichen Kompetenz sind Branchen- und Managementerfahrung und Netzwerkkompetenzen als weitere Voraussetzungen im Sinne des Humankapitalansatzes des handlungsorientierten Blickwinkels zu nennen.147 Eine pauschale Existenzgründung – ohne das Vorhandensein der erforderlichen Kompetenzen im Mindestmaß – ist als nicht nachhaltig zu bewerten. Demzufolge ist auch keine Förderung als Nachteilsausgleich entsprechend des § 21 SchwbAV möglich. Das eigenschaftsorientierte und das verhaltensorientierte Verständnis ist strikt voneinander getrennt zu betrachten. Lediglich das handlungsorientierte Verständnis weist eine direkte Überschneidung mit dem eigenschaftsorientierten und dem verhaltensorientierten Verständnis auf.

1.3.7.1 Ursprung des Entrepreneurship In den letzten Jahrhunderten hat sich die Interpretation des Entrepreneurship grundlegend gewandelt. Der Kroate KOTRULJIC schrieb vor mehr als 550 Jahren das Werk „Della mercatura et del mercante perfetto“, in welchem er sich mit dem

145Vgl.

Fritsch, Entrepreneurship und Regionalentwicklung, S. 202. Konrad, Was macht Unternehmer erfolgreich? Erklärungsansätze unternehmerischen Verhaltens, S. 256. 147Vgl. ebd., S. 257 ff. 146Vgl.

36

1 Einleitung

Charakteristikum des Handelskaufmanns auseinandersetzt.148 Die Bezeichnung des Entrepreneurs stammt aus der französischen Militärgeschichte des 17. Jahrhunderts und wird im deutschen Sprachgebrauch als Existenzgründer oder Unternehmer übersetzt.149 Im klassischen Sinn ist der Entrepreneur der Gründer eines Unternehmens beziehungsweise dessen Inhaber, welcher die Eigenschaften der Innovation und Kreativität in einem Maß aufweist.150 Jede Gründung ist ein Wagnis, welches allgemeine und bestimmte Risiken umfasst.151 Die Begrifflichkeit des Entrepreneurs wurde in seinem ursprünglichen französischen Sprachgebrauch für Leiter von Militärexpeditionen verwendet.152 Dies lässt eine Übersetzung in den englischen Sprachgebrauch als Adventurer oder Merchant erklären.153 Die Tätigkeit als Leiter einer Militärexpedition ist grundsätzlich mit einer Vielzahl von Risiken verbunden, die vorab nicht abgeschätzt werden können. Mit dem bewussten eingehen von Risiken, beziehungsweise mit der Kalkulation der Gefahr des Scheiterns, begründete bis zum 18. Jahrhundert die Bezeichnung des Undertakers den Begriff eines Gründers.154 Erst mit der Erkenntnis, dass mit Einsatz von Ressourcen, diese auch gemanaget werden müssen, ließ eine neue Ansicht des Undertakers hin zum Enterpriser bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu.155 Das Verständnis des Entrepreneurships als Expedition ist auch in unserer heutigen modernen Welt zutreffend, da es sich inhaltlich mit dem Entdecken von Neuen befasst.156 Dieses Neuendeckte ist Ausgangsbasis für zukünftige Handlungen – gemäß dem Motto: Learning by doing. Das Risiko, beziehungsweise das Ungewisse in der Zukunft, prägt die Bezeichnung eines Entrepreneurs. Dabei ist zwischen einem allgemeinen und einem besonderen Risiko zu differenzieren.

148Vgl.

Mugler / Fink, Sind 250 Jahre Entrepreneurshipforschung schon genug? S. 11. Fueglistaller / Müller / Müller / Volery, Entrepreneurship, S. 3; hierzu ebenfalls Fritsch, Entrepreneurship, S. 6; hierzu ebenfalls Horneber, Der kreative Entrepreneur, S. 9. 150Vgl. Kunze, Unternehmensethik und Wertemanagement in Familien- und Mittelstandsunternehmen, S. 65; hierzu ebenfalls Uedelhoven / Bernstorff von / Nachtwei, Gründungspotenziale und Gründungserfolg, S. 88; hierzu ebenfalls Fueglistaller / Müller / Müller / Volery, Entrepreneurship, S. 91. 151Vgl. Jacobsen, L. K., Erfolgsfaktoren bei der Unternehmensgründung, S. 54. 152Vgl. Fueglistaller / Müller / Müller / Volery, Entrepreneurship, S. 3; hierzu ebenfalls Fritsch, Entrepreneurship, S. 6; hierzu ebenfalls Horneber, Der kreative Entrepreneur, S. 9. 153Vgl. Fritsch, Entrepreneurship, S. 6. 154Vgl. Kocka, Braucht der Kapitalismus erfolgreiche Unternehmer, und wenn ja, gibt es sie? S. 82. 155Vgl. Ripsas, Entrepreneurship als ökonomischer Prozess, S. 56. 156Vgl. Fueglistaller / Müller / Müller / Volery, Entrepreneurship, S. 93 f. 149Vgl.

1.3 Begrifflichkeiten

37

Als allgemeines Risiko für Unternehmensgründer ist zum Beispiel das Absatzverhalten für ein Produkt oder eine Dienstleistung gemeint. Dabei handelt es sich um nicht beeinflussbare Risiken. Unter den besonderen Risiken sind individuelle, auf die Gründung der Unternehmung bezogene Kriterien, wie zum Beispiel die notwendigen Markteintrittskosten zu verstehen. Diese Risiken sind durch den potenziellen Gründer in einem Mindestmaß planbar. Aufgrund der relativ hohen Risiken einer erfolgreichen Unternehmensgründung ist die Begrifflichkeit des Entrepreneurs ebenfalls mit einer Unternehmerlust, mit einer Gründungseuphorie zu übersetzen. Der klassische Entrepreneur, der ein Unternehmen wirtschaftlich vorantreibt, Risiken als ein Abweichen von der Norm versteht und Risiko nicht nur als Verlust bewertet, sondern es auch positiv als Chance definiert, entspricht der geltenden Norm für das Verständnis eines Entrepreneurs ab den 20. Jahrhundert.157 CANTILLON überführte die Begrifflichkeit des Entrepreneurships erstmals im Jahre 1734 in einen wirtschaftlichen Zusammenhang.158 Er definierte das Wort des Entrepreneurs als eine Selbständigkeit mit unsicheren Einnahmen als Risikofaktor.159 Der Entrepreneur ist in seinem Verständnis als ein Akteur in der Wirtschaft zu sehen, welcher Güter oder Dienstleistungen günstiger einkauft als er sie wiederverkauft. Die positive Differenz zwischen Einkauf und Verkauf war der Gewinn des Entrepreneurs aus seinem wirtschaftlichen Handeln. Die Begrifflichkeit des Entrepreneurships umfasst im Kern immer wiederkehrende Aussagen bezüglich des Erkennens einer unternehmerischen Gelegenheit und das entsprechende unternehmerische Risiko, die Neuartigkeit und die Gewinnorientierung. BAPTISTE SAY prägte den Begriff aus der wirtschaftlichen Perspektive weiter, indem er es um die Produktionsfaktoren erweiterte.160 Der Ökonom SCHUMPETER hat im 20. Jahrhundert die Begrifflichkeit des Entrepreneurs in der Wissenschaft verankert. Er sah den Unternehmensgründer – den Entrepreneur – nicht als jemanden, der das neue Wissen entdecken muss, sondern vielmehr als jemanden, der das aktuell vorherrschende theoretische Wissen in die Praxis umsetzt. Bei der Umsetzung werden meist auch neue Wege gegangen, die letztendlich ein hohes Innovationspotenzial in sich tragen.161 SCHUMPETER 157Vgl.

Fueglistaller / Müller / Müller / Volery, Entrepreneurship, S. 92 f. Landström, Pioneers in Entrepreneurship and Small Business Research, S. 28; hierzu ebenfalls Bijedic, Entwicklung unternehmerischer Persönlichkeit im Rahmen einer Entrepreneurship Education, S. 44 f. 159Vgl. Landström, Pioneers in Entrepreneurship and Small Business Research, S. 28. 160Vgl. Malek / Ibach / Ahlers, Entrepreneurship, S. 106. 161Vgl. Fritsch, Entrepreneurship, S. 6 f.; hierzu ebenfalls Fueglistaller / Müller / Müller / Volery, Entrepreneurship, S. 96 f. 158Vgl.

38

1 Einleitung

charakterisierte dies als Motor regelmäßiger Veränderungen im wirtschaftlichen Geschehen.162 Gleichzeitig wurde mit dem hohen Veränderungspotenzial die Abkehr zu den alten bestehenden Ansichten erforderlich. Aus volkswirtschaftlicher Betrachtung charakterisierte er den Entrepreneur zugleich als einen Agenten des Wandels, welcher aufgrund seiner Innovationskraft als kreativer Zerstörer anzusehen ist.163 Diese Erkenntnis, dass wenn Neues geschaffen, zugleich Altes zerstört wird, entspricht den Anforderungen eines geschlossenen Wirtschaftskreislaufes. Es ist vergleichsweise als der ökonomische Darwinismus zu bezeichnen, welcher einen Selektionsdruck auf die Schwächeren einer Art ausübt – Survival of the Fittest.164 Nur die Unternehmen, die sich am besten an den Kundenbedürfnissen auf den Käufermärkten anpassen, werden sich am Markt halten können. Als Ursache der kreativen Zerstörung sieht SCHUMPETER die Möglichkeiten mit der Schaffung eines neuen Produktes oder mit der adressatenmodifizierten Weiterentwicklung eines Produktes. Gleichwohl kann die Umsetzung neuer Produktionsprozesse, die Nutzung neuer Bezugsquellen von Rohstoffen, die Erschließung neuer Märkte oder die Durchsetzung einer auf die Marktverhältnisse bezogene Neuorganisation Ausgangspunkt der kreativen Zerstörung sein.165 Unabhängig davon, ob ein neues Unternehmen gegründet, übernommen oder sich einfach nur aufbau- oder ablauforganisatorisch unter dem Aspekt der Effizienz ändert, wird sich der Wettbewerb am Markt in Folge dessen selbst stimulieren. Dies hat wiederum zur Folge, dass konkurrierende Unternehmen ein Mindestmaß an Innovation in sich vereinen müssen, um sich am Markt halten zu können. FALTIN bezeichnete die Begrifflichkeit des Entrepreneurs als jemanden, der eine Geschäftsidee hat, diese am Markt umsetzt und Menschen als Beschäftigte einstellt.166 Der innovative Charakter als solches ist im Vergleich zu den Ansichten des Ökonoms SCHUMPETER kein Kriterium.

162Vgl. Fallgatter, Junge Unternehmen, S.  19; hierzu ebenfalls De, Entrepreneurship, S. 20 f. 163Vgl. Horneber, Der kreative Entrepreneur, S. 35; hierzu ebenfalls Landström, Pioneers in Entrepreneurship and Small Business Research, S. 16. 164Der Ausdruck „Survival of the Fittest“ bezeichnet im Sinne des Darwinismus die „[…] Gleichgewichtszustände zwischen Organismen und ihrer Umgebung […], welche unter den Individuen einer Art unterschiedlich gut realisiert sind und dementsprechend zum Tode oder zum Überleben führen.“ Engels, Charles Darwin, S. 111. 165Vgl. Rüggeberg, Strategisches Markteintrittsverhalten junger Technologieunternehmen, S. 15. 166Vgl. Faltin, Kopf schlägt Kapital, S. 35 ff.

1.3 Begrifflichkeiten

39

Jeder der sich am Markt behaupten will, muss eine Flexibilität und einen gewissen Grad an Innovation und Veränderungen vorweisen, um sich gegenüber der Konkurrenz abzugrenzen. Demnach birgt jede Gründung ein Mindestmaß an Innovation in sich. Der Ansatz von SCHUMPETER ist die zeitgenössische Definition des Entrepreneurships. Zwar wird dieser mit feinen Ergänzungen durch weitere Ökonomen in der Gegenwart manifestiert, beinhalten aber letztendlich im Kern die Aussagen des Ökonoms SCHUMPETER. Als feine Ergänzung ist zum Beispiel die von DRUCKER zu nennen, welcher das Entrepreneurship um die Opportunity – im Sinne des menschlichen rationalen Handelns – ergänzt.167 Demnach wird vorhandenes theoretisches Wissen innovativ aus träumerischen Gedanken unter der Voraussetzung einer temporären oder sachlichen beziehungsweise emotionalen Gelegenheit verwirklicht. Aus vorhandenen Ressourcen wird ein ökonomischer Wert, welcher im Voraus nicht gegeben war, generiert. PLEITNER führt die unterschiedlichen Ansätze zusammen. Dabei kommt er zu der Erkenntnis, dass der Selbständige selbst als ein bedeutsamer Erfolgsfaktor für das wirtschaftliche Handeln anzusehen ist.168 Nach BOENIGK ist der Erfolgsfaktor der Persönlichkeit nur bedingt bei einer Existenzgründung im Sinne einer Arbeitsmarktintegrationsmaßnahme gegeben.169 KLANDT sieht die Unternehmensgründungen sachlich als Mittel zum Zweck. Für ihn ist der Schritt in die Selbständigkeit lediglich ein Wechsel von einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit, welche in einem Direktionsverhältnis ausgeübt wird, hin zu einer freier Disposition – inhaltlich und organisatorisch. Eine Betrachtung des möglichen Existenzgründers, abseits vom ersten Arbeitsmarkt, findet nicht statt. Wichtig im Sinne der Begriffsdefinition nach KLANDT ist aber, dass der Existenzgründer nicht bereits vor der Gründung der Selbständigkeit eigenverantwortlich und unabhängig agiert, da sonst nicht von einer Gründung gesprochen werden kann.170

1.3.7.2 Entrepreneurship als Prozess Der Weg in die Selbständigkeit ist als ein ganzheitlicher Prozess zu verstehen. In der Fachliteratur gibt es unterschiedliche Ansätze für den ganzheitlichen

167Vgl.

Heinze, Cultural Entrepreneurship, S. 89. Schneider, Erfolgsfaktoren in kleinen Dienstleistungsunternehmen, S. 27. 169Vgl. Boenigk, Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit, S. 60. 170Vgl. Kay / May-Strobl / Maaß, Neue Ergebnisse der Existenzgründungsforschung, S. 59. 168Vgl.

40

1 Einleitung

Prozess. Im Folgenden werden verschiedene Studien zum prozessualen Verlauf einer Unternehmensgründung aufgezeigt, welche sich teilweise überlappen.171 Alle Prozesse geben den idealtypischen Prozessablauf einer Existenzgründung wieder. Die Phasenmodelle der Gründungsforschung sind von ihrem inhaltlichen Konstrukt her identisch, aber aufgrund der unterschiedlichen Anzahl der Phasen bis zum Gründungsakt selbst, beziehungsweise bis zur Konsolidierungsphase, als heterogen zu bewerten.172 So variiert die Anzahl der dargelegten Phasen bis zur Tätigkeitsaufnahme von drei bis fünf Phasen. KLANDT beschreibt den Gründungsprozess mit drei Phasen, nach ZACHARIAS und nach NATHUSIUS liegen vier Phasen vor und nach KULICKE und GERYBADZE liegen fünf Phasen.173 Im Folgenden sind die Theorien der Gründungsphasen visualisiert (Abbildung 1.3).

171Vgl.

Werner, Junge Technologieunternehmen, S. 14. Lueg, Managementgenese junger Technologieunternehmen, S. 12 ff., hierzu ebenfalls Freier, Etablierungsmanagement innovativer Unternehmensgründungen, S. 42. 173Vgl. Reichle, Finanzierungsentscheidung bei Existenzgründung unter Berücksichtigung der Besteuerung, S. 18 f. 172Vgl.

1.3 Begrifflichkeiten

41

Modell der Gründungsphasen nach KLANDT (1999)

Vorgründungsphase

Gründungsphase Planung

Frühentwicklungsphase

Errichtung

Modell der Gründungsphasen nach Nathusius

Produkte ntwicklun g

Marktdur chdringu ng

Markteinf ührung

Marktdiffusion

Zeit

Modell der Gründungsphasen nach Zacharias Vorgründungsphase

Gründungsdurchführung

Ideengenerierung Planungsphase

Aufbauphase

Frühentwicklungsphase

Entwicklungsphase

Start und Ablauf der Geschäfte

Umsatz Gewinn Break-even-point Zeit

Modell der Gründungsphasen nach KULICKE und GERYBADZE

Gründungs vorbereitu ng

Strategiefi ndung

Vorgründungsphase

Konzeptum setzung

Markteinfü hrung

Marktetabl ierung

Nachgründungsphase

Abbildung 1.3   Überblick zu den Theorien der Gründungsphasen. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Schick, Unternehmensgründung und Nachhaltigkeit, S. 129; Lueg, Managementgenese junger Technologieunternehmen, S. 12 f.; Zacharias, Gründungsmanagement als komplexe unternehmerische Aufgabe, S. 38; Hartmann, Überlegungen zu einer entrepreneurorientierten Ausbildung an gewerblichen Fachschulen, S. 96.)

42

1 Einleitung

KLANDT teilt die Aktivitäten einer Gründung in ein Drei-Phasen-Modell ein; die Vorgründungs-, Gründungs- und Frühentwicklungsphase.174 In der Vorgründungsphase sind Aktivitäten, beispielsweise die Ideenfindung, die Informationssammlung und die Grobplanung eingeordnet. Die Vorgründungsphase ist als der Ideengenerator im gesamten Gründungsprozess anzusehen. Die Abwägung von Möglichkeiten und Potenzialen, aber auch das Identifizieren von Schwächen und Risiken, charakterisiert den Ideengenerator. KLANDT vertritt die Auffassung, dass eine weniger gute Geschäftsidee mit einer sehr guten Planung besser sei, als eine sehr erfolgsversprechende Geschäftsidee mit einer mangelnden Planung.175 Die Gründungsphase selbst unterteilt sich in die Teilprozesse der Planung und Errichtung. Dem Teilprozess der Planung sind Aktivitäten der Beratung, Konzeptentwicklung und Finanzierungsplanung zugeordnet. Dies ist nach KLANDT der Prozessabschnitt, in welchen externes Know-how durch Dritte im Gründungsprozess herangezogen werden kann. Dabei kann die Gründungsberatung mit Hilfe von privaten oder staatlichen Akteuren erfolgen. Der Vorteil bei einer staatlichen Unterstützungsleistung für private Unternehmensberater liegt darin, dass die Politik durch Subventionen oder Fördergelder den Inhalt der Beratung beeinflussen kann. Unabhängige Unternehmensberater unterstützen Existenzgründer ungeachtet etwaigen sozialpolitischer Zielstellungen, insbesondere bei dem Personenkreis mit Behinderung. Im Allgemeinen liegt in der gesamten Gründungsphase, im Vergleich zu der Vorgründungs- und Frühentwicklungsphase, ein hoher Informationsbedarf vor. Die Informationen beziehen sich dabei beispielsweise auf die Qualifizierung des potenziellen Gründers, die Standortwahl, die Möglichkeiten der Finanzierung oder steuerliche Aspekte.176 Der Teilprozess der Errichtungsphase beinhaltet die konkrete Umsetzung der Geschäftsidee. Die Beschaffung des notwendigen Gründungskapitals, der Aufbau des Unternehmensstandortes sowie die Beschaffung von Betriebsmitteln prägen diesen Teilprozess. Der temporäre Umfang der Errichtungsphase steht in Abhängigkeit mit der Geschäftsidee und den Möglichkeiten der Ressourcenbeschaffung. Erfordert beispielsweise der neue Standort den Aufbau einer Produktionshalle, so wird der Teilprozess komplexer und bindet mehr zeitliche und finanzielle Ressourcen. Die Kapitalbeschaffung in dieser Phase kann ebenfalls

174Vgl. Siegfied, Strategische Unternehmensplanung in jungen KMU, S. 62; hierzu ebenfalls Wittenberg, Controlling in jungen Unternehmen, S. 28. 175Vgl. Klandt, Das Leistungsmotiv und verwandte Konzepte als wichtige Einflussfaktoren der unternehmerischen Aktivität, S. 90. 176Vgl. Schick, Unternehmensgründung und Nachhaltigkeit, S. 212.

1.3 Begrifflichkeiten

43

problematisch sein, sodass gleichfalls hohe zeitliche Ressourcen gebunden werden. Bei Existenzgründern mit Behinderung ist insbesondere in der Gründungsphase von einem erhöhten Aufwand für den Aufbau eines Unternehmens aufgrund der unzureichenden Barrierefreiheit und der fehlenden Sensibilisierung zur Thematik der Behinderung in der Gesellschaft auszugehen.177 Die Frühentwicklungsphase stellt nach KLANDT die letzte Phase der Unternehmensgründung dar. Prägnant für diese Phase ist der Markteintritt. Sofern bereits Arbeitsaufträge vorliegen, erfolgt der Markteintritt leichter. Diese Leichtigkeit ist in der Regel nur von kurzer Dauer, da nach Abarbeitung der vorhandenen Aufträge eine Auftragsbeschaffung sich schwer gestaltet. Der Existenzgründer muss sich für den Erfolg am Markt an den vorherrschenden Leistungsangeboten orientieren – beispielsweise die Produktpalette vergrößern, um mehr Kunden anzusprechen, sodass ein Abheben gegenüber der Konkurrenz erfolgt. Wird diesem nicht entsprochen, so ist meist ein wirtschaftliches Agieren der Unternehmung nur von kurzer Dauer. Marketingaktivitäten und eine aktive Marktorientierung bilden den Kern der Frühentwicklungsphase.178 NATHUSIUS hat die Merkmale der Strukturexistenz, den Innovationsgrad und den Selbständigkeitsgrad des Existenzgründers bei Unternehmensgründungen untersucht mit dem Ergebnis, dass diese mit Hilfe des Vier-Phasenmodells besser systematisierbar und beschreibbar seien.179 Die erste Phase kennzeichnet die Produktentwicklung und ist charakterisiert als das erste Jahr der Unternehmung, in welcher kein Umsatz generiert wird.180 Nach der Auffassung von ZACHARIAS gibt es für die Genese kein standardisiertes Konzept.181 Er vertritt die Auffassung, dass keine vordefinierten Standardprozesse im Gründungsmanagement existent sind. Demnach sind die Gründungsphasen lediglich als Schritte der Planung zu verstehen, welche in der Praxis nicht eindeutig voneinander zu trennen sind.182 Die Unternehmensentwicklung beginnt nach seinem Vier-Phasenmodell mit der Vorgründungsphase, welche die Ideengenerierung der unternehmerischen Tätigkeit beinhaltet. Die zweite Phase der Gründungsdurchführung ist in eine Planungs- und Aufbauphase unterteilt. In der Frühentwicklungsphase beginnt das junge Unternehmen am Markt zu agieren, welches mit Erreichen des Break-even-points in die Entwicklungsphase übergeht. In dieser Phase passt sich das Unternehmen den

177Vgl.

Schick, Unternehmensgründung und Nachhaltigkeit, S. 215. ebd., S. 219. 179Vgl. Nathusius, Grundlagen der Gründungsfinanzierung, S. 4. 180Vgl. Wittenberg, Controlling in jungen Unternehmen, S. 28. 181Vgl. Zacharias, Gründungsmanagement als komplexe unternehmerische Aufgabe, S. 37. 182Vgl. Lomberg, Personalanreizstrategien junger Wachstumsunternehmen, S. 9. 178Vgl.

44

1 Einleitung

entsprechenden Markterfordernissen mit dem Ziel der Umsatz- und Gewinnsteigerung an.183 Der Gründungsprozess nach KULICKE und GERYBADZE ist in fünf detaillierten Phasen untergliedert, welche zusammengefasst einer Entstehungsund Unternehmensentwicklungsphase zugeordnet sind. Wie bei allen Phasenmodellen beginnt der Prozess mit einer entsprechenden Gründungsidee, welche im Modell nach KULICKE und GERYBADZE mit der Gründungsvorbereitung erfolgt.184 In dieser Phase stehen die Ideenfindung und das Zusammentragen der entsprechenden Informationen im Mittelpunkt. In der Phase der Strategiefindung erfolgt die Planung der Geschäftsidee unter Berücksichtigung interner und externer Einflussfaktoren. Mit der dritten Phase, welche als Konzeptumsetzung benannt wurde, wird die Entstehungsphase abgeschlossen. Mit der Phase der Konzeptumsetzung erfolgen der Aufbau der Unternehmensorganisation mit seinen notwendigen Ressourcen und die Knüpfung von externen Geschäftsbeziehungen. Mit der Phase der Markteinführung beginnt die Unternehmensentwicklung, in welcher der Bekanntheitsgrad der Unternehmung auszubauen ist. Ebenso erfolgt eine intensive Kundenbindung an das noch junge Unternehmen. Mit der fünften und letzten Phase – der Marktetablierung – werden die Kapazitäten der Unternehmung ausgebaut und der bestehende Kundenstamm erweitert.185 Bei allen Modellen sind die einzelnen Phasen nicht eindeutig voneinander abzugrenzen. Die Phasenmodelle stellen lediglich eine Orientierung dar. Eine standardisierte und erfolgsversprechende Vorgehensweise existiert nicht, da jede Unternehmensgründung von individueller Natur ist. Gleichfalls unterliegt jede Gründung anderen internen und externen Rahmenbedingungen, sodass der Schritt in die Selbständigkeit von einem hohen Maß an Individualität gekennzeichnet ist. Neben den individuellen Kriterien, wie beispielsweise regionale Infrastruktur und die örtliche Kaufkraft, hat auch die Behinderung im Sinne des § 2 SGB IX Auswirkungen auf den Gründungsprozess. Die Auswirkungen resultieren aus dem Gründer selbst und aus dem Marktgeschehen heraus. Die Gewährung von Nachteilsausgleichen signalisiert eine unzureichende Chancengleichheit.186 Der mögliche Nachteilsausgleich bezieht sich vorrangig auf finanzielle Leistungen. Unterstützungsmöglichkeiten zur Heranführung an die Selbständigkeit für Personen mit Behinderung unter besonderer Berücksichtigung der Behinderungseigenschaft ist im Land Brandenburg nicht vorhanden. 183Vgl.

Rüggeberg, Marketing für Unternehmensgründer, S. 10 f. Schmidt, Wachstum technologieorientierter Jungunternehmen, S. 51. 185Vgl. Hartmann, Überlegungen zu einer entrepreneurorientierten Ausbildung an gewerblichen Fachschulen, S. 97. 186Vgl. Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 35. 184Vgl.

1.4 Forschungsfragen

45

Es ist anzunehmen, dass die einzelnen Gründungsphasen inhaltlich zu modifizieren sind, sodass die Blickrichtung der Behinderung integriert wird. Bei der Existenzgründung steht der Gründer selbst immer im Fokus und unterliegt einem Verdrängungswettbewerb. Auf den Wettbewerbsmarkt selbst sind keine Mechanismen für die Schaffung einer Chancengleichheit möglich. Es besteht bei der Gewährung von Nachteilsausgleichen sogar die Gefahr einer Bevorteilung.

1.4 Forschungsfragen Im Folgenden wird die Zielsetzung der Arbeit im Detail vorgestellt. Dabei werden die Forschungsfragen und die methodische Vorgehensweise ausführlich dargestellt, um das Forschungsziel zu erreichen.

1.4.1 Unzureichendes diversitäres Gesellschaftssystem Existenzgründer, welche eine Schwerbehinderung aufweisen, können beim Staat eine besondere Unterstützung zum Ausgleich ihrer Nachteile beantragen. Die Nachteilsausgleiche verfolgen das Ziel der Herstellung einer Chancengleichheit.187 Um eine solche Chancengleichheit in einer Vielzahl von Lebensbereichen zu ermöglichen, können finanzielle, personelle und technische Hilfsmittel gewährt werden. In der Wirkung der Nachteilsausgleiche zur Herstellung einer Chancengleichheit ist es ungewiss, ob mit der Unterstützungsmaßnahme der Status quo einer Gleichberechtigung erzielt werden kann – zumal es sich bei den meisten Nachteilsausgleichen um standardisierte Maßnahmen des Staates handelt, die nicht unbedingt auf alle individuellen Lebensverhältnisse zugeschnitten sind. Unter dieser Annahme ist die folgende Arbeitshypothese abgeleitet:

Arbeitshypothese 1

Die momentan bestehenden Nachteilsausgleiche reichen nicht aus, um das Ungleichgewicht in einer diversitären Gesellschaft auszugleichen.

187Vgl. Deutsches Institut für Menschenrecht, ­ Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 35.

46

1 Einleitung

Die aufgestellte Hypothese wird in der vorliegenden Forschungsarbeit multiperspektiv betrachtet. Es werden alle Nachteilsausgleiche nach dem SGB IX Teil 3, insbesondere der S ­ chwbAV188 im Detail betrachtet und in ihrer Wirkung auf den Selbständigen mit Behinderung bewertet. Hierzu werden die Zielsetzungen und erhofften Wirkungen des Gesetzgebers mit Hilfe von Verfahrensanweisungen, Richtlinien, Kommentierungen und sonstigen Schriften erfasst. Um eine umfassende Betrachtung und Bewertung möglicher Nachteilsausgleiche zu ermöglichen, werden Betroffene befragt. Die Technik des Leitfadeninterviews wird hierbei bevorzugt, da subjektive Sinneszusammenhänge durch die gesammelten Erfahrungswerte erfassbar gemacht werden. Da bestehende Nachteile sehr unterschiedlich in ihrer Wirkung sein können, sind die zutreffenden Aussagen vergleichbar zu machen. Dies wird mit Hilfe von geschlossenen Fragen erreicht, welche gleichzeitig dem befragten Selbständigen Raum zum Ausschweifen und zum Einbringen weiterer Aspekte ermöglicht.

1.4.2 Fehlende Opportunity durch investive Förderleistungen Die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für Existenzgründer sind oftmals eine Mischung aus verschiedenen Fördergrundlagen mit unterschiedlichen Perspektiven. Die existierenden Untersuchungen der staatlichen Unterstützungsleistungen erfolgen ohne Berücksichtigung einer möglichen Schwerbehinderteneigenschaft. Es wird meistens nach dem Begriff der Existenzgründung, insbesondere nach den Gründungsphasen, untersucht und nicht nach bestimmten Personengruppen differenziert. Mit der Vernachlässigung der Personengruppe als Wirtschaftsakteur liegen gleichfalls keine branchenorientierten Kenntnisse zum Gründungsgeschehen von Personen mit Behinderung vor. Oftmals werden einzelne Untersuchungen unter Vernachlässigung des Kriteriums der Nachteilsausgleiche durchgeführt. Nachteilsausgleiche werden ohne Gegenleistung an Existenzgründer mit Behinderung gewährt. Das Geld wird – nachdem es einmal bewilligt worden ist – ohne Prüfung auf zweckentsprechende Verwendung kontinuierlich weitergezahlt. Da die Höhe der Geldbeträge in der Regel über der Höhe der Grundversorgung liegt, ist für den schwerbehinderten Existenzgründer die Notwendigkeit, seine Lebensgrundlage aus seiner selbständigen Tätigkeit

188Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung vom 28. März 1988 (BGBl. I S. 484), zuletzt geändert durch Art. 168 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626).

1.4 Forschungsfragen

47

erzielen zu müssen, nicht zwingend gegeben. Diese Versorgung widerspricht dem Gedanken des Nachteilsausgleichs. Aus diesem Grund ergibt sich folgende Arbeitshypothese:

Arbeitshypothese 2

Eine finanzielle Unterstützung ohne eine regelmäßige und nachhaltige Erfassung des bestehenden Nachteiles und dessen Bewertung kann zu einem verfehlten Förderziel führen.

Um zu tragfähigen Aussagen bezüglich der Arbeitshypothese zwei zu kommen, werden Arbeitsanweisungen, Handlungsempfehlungen und Richtlinien für die Förderung von schwerbehinderten Existenzgründern ausgewertet. Darüber hinaus werden mit Hilfe von Leitfadeninterviews die Ausgangssituation und die finanziellen Mittel der wirtschaftlichen Selbständigkeit erfasst. Als potenzielle Interviewpartner werden alle schwerbehinderten Personen im Land Brandenburg, die eine Förderung aus der Ausgleichsabgabe erhalten haben, um einen Interviewtermin ersucht. Gleichzeitig sind die bezogenen finanziellen Förderleistungen zu ermitteln. Da nicht jeder angeschriebene Interviewpartner für ein Gespräch bereit ist, wird die vorliegende Untersuchung der Arbeitshypothese zwei auf eine qualitative Auswertung der geführten Interviews gestützt. Eine Gegenüberstellung der Lebenssituation vor und nach der Gründung lässt gleichwohl Rückschlüsse auf das Gründungsmotiv zu. Der bundesweit größte Betreuungsanteil des Integrationsfachdienstes resultiert aus den anerkannten Behinderungen in den Bereichen der Psyche, der geistigen Leistungsfähigkeit und des körperlichen Stützapparates. Folglich ist hieraus abzuleiten, dass die Körpereinschränkungen bei Maßnahmen zur Sicherung einer Teilhabe am Arbeitsleben nicht den umfangreichsten Anteil einnehmen. Durch die Gesellschaft und durch die Kunden entstehen allzu oft stereotypische Annahmen bei der Begrifflichkeit der Behinderung, welches überwiegend mit einer Körpereinschränkung assoziiert wird. Der Grund hierfür wird in dessen Offensichtlichkeit liegen. Psychische und geistige Behinderungen hingegen sind für einen Außenstehenden nicht gleich sichtbar, beziehungsweise ermöglichen keinen direkten Rückschluss auf eine anerkannte Behinderung. Eine weitere Ableitung aus den Betreuungsfällen des Integrationsfachdienstes ist zu einer möglichen Arbeitsfähigkeit – im Vergleich zur Einschränkung – möglich. Der Integrationsfachdienst betreut nur, wenn der Betroffene dies beim Integrationsfachdienst beantragt. Dies

48

1 Einleitung

setzt voraus, dass ihm die Existenz des Integrationsfachdienstes bekannt ist – der Betroffene muss auch bereit sein, eine Unterstützung anzunehmen. Der Aufbau einer erfolgreichen Tätigkeit, bei welcher der Existenzgründer unabhängig agieren und zugleich seinen finanziellen Lebensunterhalt absichern kann, ist nicht pauschal mit der Vollziehung des Gründungsaktes gegeben. Es bedarf vielmehr einer Etablierung des Geschäftsinhaltes an den Märkten. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu Dritten prägt die frühe Nachgründungsphase. Die Betreuungsfälle von Personen mit Behinderung lassen den Rückschluss zu, welche Behinderungsarten eine Erwerbsfähigkeit, beziehungsweise das Ausüben einer selbständigen Tätigkeit, ermöglichen. Grundsätzlich ist eine selbstbestimmte Autonomie als Gründer in den ersten Jahren nur eingeschränkt gegeben.

1.4.3 Abgegrenzte Förderpraxis im Land Brandenburg In der vorliegenden Forschungsarbeit werden die drei Hauptakteure der Förderpraxis im Land Brandenburg für potenzielle Existenzgründer im Detail betrachtet. Eine Förderung von Existenzgründern durch die Agentur für Arbeit setzt voraus, dass keine Vermittlung in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis erfolgen kann.189 Die Richtlinie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF) setzt eine Erfolgsquotenregelung für den Lotsendienst von 60 % voraus.190 Das heißt von 100 % der gründungswilligen Personen, müssen mindestens 60 % erfolgreich den Gründungsakt vollziehen. Ist dies nicht der Fall, so werden für die Beratungsstellen die finanziellen Projektmittel reduziert. Hierdurch entsteht ein Erfolgsdruck, der dazu führt, dass schwerbehinderte Existenzgründer möglicherweise als nicht so gründungstauglich angesehen werden und deshalb nicht unterstützt werden. Die Erfolgsquote für die Gründerwerkstätten liegt bei 40 %191 und für den Gründungsservice der Hochschulen nach jeweils intern gesetzten Werten192.

189Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.02. 190Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.4.4. 191Vgl. ebd., Punkt IV. 4.4.3. 192Vgl. ebd., Punkt IV. 2.4.1.

1.4 Forschungsfragen

49

Die Förderung durch das Integrationsamt erfolgt nach anderen Grundsätzen. Sie unterliegt einer nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt. Eine abgelehnte Förderung durch die Agentur für Arbeit oder durch das MASGF hat für das Integrationsamt eine Indizwirkung, sodass auch hier die Förderung abgelehnt wird, wenn die oben genannten Stellen bereits abgelehnt haben. Bei einer Bewertung durch das Integrationsamt ist nach der Arbeitshilfe des Integrationsamtes gegebenenfalls die Agentur für Arbeit zum Vorhaben zu befragen. Die unterschiedlichen Förderziele und die Verknüpfung der Entscheidung des Integrationsamtes mit der Einschätzung der Agentur für Arbeit kann Einfluss auf die Gewährung des Nachteilsausgleichs haben. Hieraus ergibt sich folgende Arbeitshypothese:

Arbeitshypothese 3

Die unterschiedlichen Fördervoraussetzungen führen in letzter Konsequenz dazu, dass der vom Gesetzgeber vorgesehene Nachteilsausgleich oftmals ausgehebelt wird.

Die aufgestellte Arbeitshypothese wird untersucht mit Hilfe von Verfahrensanweisungen, Arbeitsrichtlinien und Arbeitshilfen. Eine Gegenüberstellung der Bewertungsmaßstäbe und der unterschiedlichen Förderintentionen lassen Rückschlüsse auf Abhängigkeiten der Entscheidungen des Integrationsamtes, der Agentur für Arbeit und dem MASGF zu. Neben dieser Auswertung werden im Rahmen einer qualitativen Datenerhebung verschiedene Experteninterviews mit der Agentur für Arbeit, MASGF, Integrationsamt, Integrationsfachdienst, Wirtschaftsförderungsgesellschaften und der Zukunftsagentur Brandenburg zum Verfahrensprozedere durchgeführt. Dies ermöglicht eine ganzheitliche Untersuchung von der Antragstellung bis hin zur Bewilligung und Unterstützung.

1.4.4 Teilhabe erfordert einen inklusiven Arbeitsmarkt In den letzten Jahren hat die Sozialpolitik ein Umdenken erfahren. Man ist abgerückt vom Integrationsgedanken hin zum Inklusionsgedanken.193 Anders

193Vgl.

Thole / Höblich / Ahmed, Taschenwörterbuch Soziale Arbeit, S. 139.

50

1 Einleitung

als früher sollen Menschen mit Behinderung nicht in die Gesellschaft integriert werden, sondern sollen grundsätzlich als in der Gesellschaft enthalten (Inklusion) angesehen werden. Dieser Grundgedanke der Inklusion entstammt der ­UN-BRK194 und verfolgt eine Teilhabe in allen Lebensbereichen. Eine Benachteiligung innerhalb der definierten Lebensbereiche ist dabei von Anfang an zu vermeiden.195 Arbeit könnte den Effekt haben, dass mit dem Schritt in die Selbständigkeit eine Mehrzahl der Lebensbereiche positiv beeinflusst wird. Der § 118 SGB IX bildet die rechtliche Basis der Lebensbereiche. Die Lebensbereiche, welche eine Bewertung für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zulassen196, umfassen die Bereiche: – Lernen und Wissensanwendung, – allgemeine Aufgaben und Anforderungen197, – Kommunikation, – Mobilität, – Selbstversorgung, – häusliches Leben, – interpersonelle Interaktionen und Beziehungen, – bedeutende Lebensbereiche, – Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben. Die Systematik der Lebensbereiche unterstreicht den mehrdimensionalen Ansatz des großen sozialpolitischen Ziels der inklusiven Gesellschaft.198 Ein Mensch mit Behinderung ist in einigen der oben genannten Lebensbereiche eingeschränkt. 194Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008. 195Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg, Die Umsetzung der UN–Behindertenrechtskonvention in Brandenburg, S. 7. 196Vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V., Recht der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, S. 17. 197Der Lebensbereich – allgemeine Aufgaben und Anforderung – ist für die Teilhabe am Arbeitsleben von hoher Bedeutung; hierzu World Health Organization, Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, S. 98 ff. 198Vgl. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Berufliche Rehabilitation aus Sicht der Teilnehmenden, Eine quantitative Befragung von Rehabilitanden und Rehabilitandinnen im Förderbereich der Bundesagentur für Arbeit, S. 14.

1.4 Forschungsfragen

51

Daraus resultiert die Gewährung eines Nachteilsausgleiches. Damit er im Sinne des inklusiven Gedankens als Teil der Gesellschaft an möglichst vielen Lebensbereichen teilnehmen kann, kann die selbständige Tätigkeit den Weg dorthin ebnen. Gewöhnlich ist der Existenzgründer am Arbeitsmarkt erfolgreich integriert, erwirtschaftet selbst seinen Lebensunterhalt, wird sozial eingebunden und kann sich als vollwertiges Gesellschaftsmitglied behaupten, welches wiederum mehrere Lebensbereiche positiv beeinflusst. Schließlich haben Selbständige – abhängig von ihrer Tätigkeit – mehr Interaktion mit der Umwelt. Deshalb ergibt sich hieraus folgende Arbeitshypothese:

Arbeitshypothese 4

Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt trägt zu einer schnelleren Teilhabe in allen Lebensbereichen bei.

Zur Verifizierung oder Falsifizierung der aufgestellten Arbeitshypothese sind vorrangig Leitfadeninterviews als erfolgsversprechende Untersuchungsmethode anzusehen. Bei der Anwendung der Interviewtechnik besteht die Möglichkeit, den Selbständigen direkt zu seiner Wahrnehmung der Teilhabechancen zu befragen. Um gezielt Selbständige mit Einschränkungen zu befragen, werden alle Förderfälle des Integrationsamtes nach § 21 SchwbAV herangezogen. So werden beispielsweise alle Selbständigen mit Behinderung durch das Integrationsamt angeschrieben und um Teilnahme an der wissenschaftlichen Untersuchung gebeten. Mit der freiwilligen Teilnahme am Interview können sich die Selbständigen zu der erlebten Förderpraxis, den anfänglichen Ideen, den bestehenden Schwierigkeiten und zur Wahrnehmung der Nachteilsausgleiche und weiteren Fördermechanismen äußern. Neben den Leitfadeninterviews wird die Arbeitshypothese auch auf quantitative Datenerhebungen seitens der Agentur für Arbeit, dem Integrationsamt und dem Integrationsfachdienst hin untersucht.

2

Methodische Vorgehensweise

Nachdem im vorherigen Kapitel die grundlegenden Begrifflichkeiten und der Forschungsgegenstand dargestellt wurden, soll im nächsten Kapitel das methodische Vorgehen dieser empirischen Arbeit dargelegt werden. Die Untersuchungsfelder der Dissertation können schematisch wie folgt zusammengefasst werden: Überblick über die Untersuchungsfelder der vorliegenden Forschungsarbeit (Abbildung 2.1)1

1Eigene

Darstellung.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 N. Franzke, Existenzgründung schwerbehinderter Menschen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31230-5_2

53

Unternehmenssicherung

Die unterschiedlichen Fördervoraussetzungen führen in letzter Konsequenz dazu, dass der vom Gesetzgeber vorgesehene Nachteilsausgleich oftmals ausgehebelt wird.

Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt trägt zu einer schnelleren Teilhabe in allen Lebensbereichen bei.

Agentur für Arbeit Fördermaßnahmen zum Aufbau einer Selbständigkeit

Integrationsamt Fördermaßnahmen zur Schaffung einer inklusiven Arbeitswelt

Abbildung 2.1   Untersuchungsfelder der Forschungsarbeit

Eine finanzielle Unterstützung ohne eine regelmäßige und nachhaltige Erfassung des bestehenden Nachteiles und dessen Bewertung kann zu einem verfehlten Förderziel führen.

Die momentan bestehenden Nachteilsausgleiche reichen nicht aus, um das Ungleichgewicht in einer diversitären Gesellschaft auszugleichen.

Gründungsvorbereitung

Förderzeitraum IV der Landesregierung Bbg. Förderung von Qualifizierungsund Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen

Merkmale geförderter Gründungsvorhaben

Kernfrage: Führen sozialpolitische Maßnahmen zu einem realen Nachteilsausgleich zur Gewährleistung einer Teilhabe am Arbeitsleben?

54 2  Methodische Vorgehensweise

2.1  Quantitative Auswertungsmethode

55

Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit sind Menschen mit Behinderung. Um zu aussagekräftigen Ergebnissen bezüglich ihrer Existenzgründung zu gelangen, ist es neben der Auswertung von umfangreichen Datensätzen auch notwendig, die betroffenen Menschen mit Behinderung in Interviews zu Wort kommen zulassen. Die Arbeitsmethode des Interviews ist notwendig, da eine erfolgreiche Inklusion nur von den betroffenen Personen selbst sinnvoll beurteilt werden kann. Wesentlich für das Gelingen einer umfassenden Untersuchung ist, dass vertiefte Sachverhalte erfahrbar gemacht werden und dadurch Erkenntnisse zum Untersuchungsgegenstand – der Existenzgründer mit Behinderung – gewonnen werden können. Die Forschung hat das Ziel, neue Erkenntnisse aus Gesetzmäßigkeiten, Erklärungsansätzen und Beobachtungen herzuleiten, welche mittels systematischer Vorgehensweise eine Validierung der Ausgangshypothesen zulässt.2 In der Literatur werden drei Verfahren genannt: die Induktion, die Deduktion und die Abduktion. Die Verfahrensweise der Induktion beinhaltet Beobachtungsaussagen, welche Erklärungsansätze für Theorien oder Gesetzmäßigkeiten zulassen. Dabei werden Rückschlüsse aus dem Einzelfall auf das Allgemeine gezogen.3 Die gegenteilige Verfahrensweise der Deduktion geht vom Allgemeinen aus, um Aussagen auf den besonderen Einzelfall zu ermöglichen.4 Mit der Verfahrensweise der Abduktion werden durch Beobachtungen und bekannte Gesetzlichkeiten Rückschlüsse auf die Ursache der zu untersuchenden Ergebnisse oder Phänomene vorgenommen.5 Die vorliegende Arbeit verwendet alle drei Methoden, denn dieser Methodenmix lässt eine umfassende Bearbeitung der gewählten Thematik zu.

2.1 Quantitative Auswertungsmethode Die quantitative Methode lässt Rückschlüsse auf Sachverhalte zu, welche aus Zahlen interpretiert werden.6 Beschrieben werden dabei Häufigkeiten oder Merkmale. Quantitative Auswertungen werden unterschieden von ihrer Zielsetzung in eine Deskription und in eine Explanation. Die deskriptive 2Vgl.

Sandberg, Wissenschaftliches Arbeiten von Abbildung bis Zitat, S. 36. ebd., S. 36. 4Vgl. ebd., S. 37. 5Vgl. Reichertz, Plädoyer für das Ende einer Methodologiedebatte bis zur letzten Konsequenz, S.  102; hierzu ebenfalls Sandberg, Wissenschaftliches Arbeiten von Abbildung bis Zitat, S. 38. 6Vgl. Gläser / Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 27. 3Vgl.

56

2  Methodische Vorgehensweise

­uswertung beschreibt und die explanative Auswertung erklärt SachverA halte.7 Vorzugsweise wird die deskriptive Auswertung für das Beschreiben von Populationen verwendet. Insbesondere werden dabei Häufigkeiten und Anteile bestimmter Kriterien beschrieben. Die Idealsituation für eine deskriptive Auswertung ist durch eine Vollerhebung gekennzeichnet. Dies ist in der Praxis, beispielsweise bei gesellschaftlichen Erhebungen bundesweit, nicht möglich. Aus Gründen, die in der Erhebung liegen, werden repräsentative Stichproben erhoben und ausgewertet.8 Die explanative Auswertung erklärt und überprüft Hypothesen, ob die Zusammenhänge und Rückschlüsse tragbar sind.9 Die Inhaltsanalyse als Arbeitswerkzeug der quantitativen Methode eignet sich für die Auswertung der erhobenen empirischen Datenmengen.10 Nach Früh ist die Inhaltsanalyse definiert als eine „[…] empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale […]“11. Neben der Inhaltsanalyse ist die Inferenzstatistik als Methode der quantitativen Auswertung zu nennen. Die Inferenzstatistik, welche auch als schließende Statistik bezeichnet wird, versucht aus den Datenmengen Rückschlüsse zu ziehen, ob der Untersuchungsgegenstand einer Gesetzmäßigkeit oder einem Zufall unterliegt. Anhand von Stichproben werden Rückschlüsse auf die Gesamtheit gezogen. Bei der Inferenzstatistik nimmt die Repräsentativität eine wichtige Bedeutung ein. Der Umfang der Stichprobe ist je nach Forschungsinhalt und Fragestellung unterschiedlich. Gleichfalls können Erfahrungswerte auf Grundlage der wissenschaftlich-methodischen Vorgehensweise ausschlaggebend für den Umfang der Stichprobe sein. Die methodische Vorgehensweise der quantitativen Auswertung ermöglicht eine Interpretation sozialer Sachverhalte. Dabei beruht die Interpretation ausschließlich auf Zahlen.12 Grundsätzlich kann differenziert werden zwischen einer schriftlichen und mündlichen Befragung. Mittels eines vorgegebenen Frageschemas werden bei der quantitativen Befragung Rückschlüsse zur gegenwärtigen Situation erfasst. Voraussetzung bei der quantitativen Befragung ist, dass die zu erhebenden Daten vergleichbar sind.13

7Vgl.

Berger-Grabner, Wissenschaftliches Arbeiten in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, S 158. 8Vgl. ebd., S 158. 9Vgl. ebd., S 158. 10Vgl. Rössler, Inhaltsanalyse, S. 20. 11Früh, Inhaltsanalyse, S. 27. 12Vgl. Gläser / Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 27. 13Vgl. Voss, Wissenschaftliches Arbeiten, S 43.

2.2  Qualitative Auswertungsmethode

57

2.2 Qualitative Auswertungsmethode In den letzten 20. Jahren erfuhr die qualitative Forschung mehr an Bedeutung.14 Die qualifizierte Auswertung ist der empirischen Forschung zuzuordnen und ist eine geeignete Auswertungsmethode für die Interpretation sozialer Aspekte durch Kommunikation.15 Mit der Kommunikation wird die Vision der individuell betrachteten Wirklichkeit hergeleitet, welche letztendlich die Wirklichkeit dadurch beeinflusst.16 Dabei zielt die Methode auf eine verbale Datenerhebung ab, welche keiner Standardisierung unterliegt.17 Es werden im Vergleich zur quantitativen Auswertungsmethode keine Aussagen zu Häufigkeiten oder Unterschiedlichkeiten mittels statistischer Verfahren getroffen. Die qualitative Auswertung bezieht sich auf das Beschreiben, Interpretieren und das Erkennen und Verstehen von Zusammenhängen. Vorrangig wird die qualitative Forschung für die Herleitung von Theorien und Thesen angewandt.18 Die Flexibilität der qualitativen Erhebungsmethode ermöglicht einen starken Einzelfallbezug, insbesondere bei der Durchführung von Interviews.19 Die qualifizierte Datenerhebung orientiert sich sehr stark am Alltagsgeschehen. Der Einzelfall ist dabei charakterisiert durch ein hohes Maß an Individualität, welches mittels unterschiedlicher Interviewtechniken erfasst werden kann. Der Standardisierungsgrad der Interviewtechniken lässt sich unterscheiden in vollstandardisierte, halbstandardisierte und nichtstandardisierte Interviews. Bei einem vollstandardisierten Interview sind Fragen und Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Bei einem halbstandardisierten Interview sind die Fragen vorgegeben – die Antworten sind frei. Bei nichtstandardisierten Interviews wird lediglich das Thema vorgegeben, sodass die Fragen und Antworten frei sind.20 Nach der Auffassung von GLÄSER und LAUDEL haben die teilstandardisierten Interviews nur eine geringe Bedeutung.21 Überwiegend werden

14Vgl.

Flick, Qualitative Forschung, S. 9; hierzu ebenfalls Mayring, Einführung in die qualitative Sozialforschung, S. 3. 15Vgl. Mayer, Interview und schriftliche Befragung, S. 23. 16Vgl. Heinze, Qualitative Sozialforschung, S. 13. 17Vgl. Gläser / Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 27. 18Vgl. Sandberg, Wissenschaftliches Arbeiten von Abbildung bis Zitat, S. 295. 19Vgl. Flick / von Kardorff / Steinke, Was ist qualitative Forschung? S. 25. 20Vgl. Gläser / Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 41. 21Vgl. ebd., S. 41.

58

2  Methodische Vorgehensweise

mit der Begrifflichkeit der teilstandardisierten Interviews die nichtstandardisierte Interviews gemeint, welche für einen Untersuchungserfolg gewisse Vorgaben im Mindestmaß für den Interviewer unterliegen.22 Die nichtstandardisierten Interviews können im Detail unterschieden werden in Leitfadeninterviews, offene Interviews und in narrative Interviews. Die Leitfadeninterviews haben ein vorgegebenes Thema und sind gekennzeichnet durch eine Frageliste. Um einen authentischen Verlauf des Gespräches zu ermöglichen, sind die Formulierung und die Reihenfolge der Fragen durch den Interviewer frei wählbar.23 Dies lässt Ausschweifungen und neue Themenfelder durch den Befragten zu. Das offene Interview ist gekennzeichnet durch ein vorgegebenes Thema, aber es fehlt im Vergleich zum Leitfadeninterview die Frageliste. Dies ermöglicht ein freies Gespräch, bei welchem der Interviewer eigenständig auf wichtige Sachverhalte eingehen kann. Das narrative Interview setzt eine umfangreiche Fragestellung am Anfang des Interviews voraus. Im Anschluss daran hat der Interviewer die Möglichkeit zu bestimmten Sachverhalten nachzufragen, beziehungsweise neue Themenstellungen in das Interview einzubringen.24 Eine qualitative Untersuchung ist grundsätzlich als theoriegenerierend anzusehen. Die subjektiven Wahrnehmungen der einzelnen Befragten – in Form eines offenen Vieraugengespräches – ermöglichen individuelle Erfahrungswerte aus den unterschiedlichen Lebenslagen zu erfassen, sodass Motive und unterschiedliche Sichtweisen und Interpretationsansätze erfasst und analysiert werden können. Der große Vorteil einer qualitativen Analyse liegt in der Nachvollziehbarkeit verschiedener Sichtweisen und Ansätze. Der Existenzgründer mit Behinderung wird nicht auf einzelne Merkmale abstrahiert, sondern in seiner Ganzheitlichkeit bewertet. Weitere Kriterien einer qualitativen Datenerhebung sind die Erfassung der individuellen Sichtweisen, Deutungen und Motive, um eine Sinnrekonstruktion zu ermöglichen. In der vorliegenden Arbeit werden Experteninterviews und Leitfadeninterviews verwendet. So werden Experteninterviews benötigt, um die Intention des Gesetzgebers und die Auslegung diverser Richtlinien in der Praxis zu erfassen. Aus diesem Grund bieten sich Experteninterviews mit den Personen an, die im MASGF, Landesamt für Soziales

22Vgl.

Gläser / Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 41. Mayer, Interview und schriftliche Befragung, S. 37. 24Vgl. Kleemann / Krähnke / Matuschek, Interpretative Sozialforschung, S. 237; hierzu ebenfalls Gläser / Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 42. 23Vgl.

2.3 Forschungsdesign

59

und Versorgung (LASV), Integrationsfachdienst und Agentur für Arbeit mit der Umsetzung befasst sind. Die zu verwendenden Leitfadeninterviews werden bei der Befragung der Existenzgründer angewendet, um Vergleiche bezüglich ihrer Lebenssituation zu ermöglichen.

2.3 Forschungsdesign Für die Forschungsarbeit werden unterschiedliche Auswertungsmethoden angewendet, um die aufgestellten Hypothesen multiperspektiv zu betrachten. Als Auswertungsmethode kommen Instrumente der qualitativen und quantitativen Auswertung zum Einsatz. Durch den Methodenmix – eine parallele und hintereinander angereihte Verwendung qualitativer und quantitativer Methoden – wird eine Betrachtung in unterschiedlichen Perspektiven, beziehungsweise in unterschiedlicher Tiefe ermöglicht.25 Gleichfalls kann der Methodenmix bei der Umsetzung zu differenzierten Aussagen führen, welches wiederum neue Perspektiven zum Forschungsfeld zulässt (Abbildung 2.2).26 Qualitative Untersuchungsmethode

Quantitative Untersuchungsmethode

Erste Analyse

Zweite Analyse Forschungsergebnis

Abbildung 2.2   Methodenkombination der wissenschaftlichen Forschungsarbeit. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Malfertheiner / Ritschl / Ritschl / Stoffer / Bösendorfer / Höchtl, Weitere Forschungsmethoden, S. 230.)

25Vgl.

Aeppli / Gasser / Gutzwiller / Tettenborn, Empirisches wissenschaftliches Arbeiten, S. 113 f.; hierzu ebenfalls Malfertheiner / Ritschl / Ritschl / Stoffer / Bösendorfer / Höchtl, Weitere Forschungsmethoden, S. 229. 26Vgl. Malfertheiner / Ritschl / Ritschl / Stoffer / Bösendorfer / Höchtl, Weitere Forschungsmethoden, S. 230.

60

2  Methodische Vorgehensweise

Das Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit lehnt sich am deduktiven Forschungsprozess an. Ausgehend von den aufgestellten Hypothesen werden diese durch Belege der quantitativen und qualitativen Methodik verifiziert oder falsifiziert.27 Der in der Arbeit untersuchte Forschungsgegenstand wird bezüglich möglicher Nachteilsausgleiche und den besonderen wirtschaftlichen Risiken von Existenzgründern unter Abwägung aller erfassten Tatbestände umfassend beleuchtet und diskutiert. In der ersten Untersuchungsphase der vorliegenden Arbeit sollen die quantitativen Daten deskriptiv ausgewertet werden. Hierbei wird die aktuelle Existenzgründersituation im Land Brandenburg vom 01.01.2010 bis 31.12.2014 anhand quantitativer Daten interpretiert. Die zweite Untersuchungsphase der Arbeit basiert auf Experteninterviews mit Experten aus dem MASGF, LASV, Integrationsfachdienst und der Agentur für Arbeit und auf Leitfadeninterviews mit den betroffenen Existenzgründern und kennzeichnet die qualitative Datenerhebung und Interpretation. Die Kombination der quantitativen und qualitativen Daten und die daraus abzuleitenden Erkenntnisse führen auf ein Forschungsergebnis und gegebenenfalls zu Anregungen für die Verbesserung der Existenzgründerförderung für Menschen mit Behinderung. Die Leitfadeninterviews geben den Existenzgründern mit Behinderung durch nichtstandardisierte Fragen darüber hinaus Freiraum zur Schilderung ihrer sozialen Situation. Die Antwortfreiheit ist bei der Ermittlung bestehender Nachteile aufgrund der Behinderung zwingend notwendig. Die Befragung Selbständiger mit einer Behinderung ist zwingend notwendig, da sie als Experten ihrer eigenen Situation über ein besonderes Wissen verfügen.28 Ebenfalls müssen auch Experten förderseitig interviewt werden, um Inhalte und Verfahrenswege besser interpretieren zu können. Demnach sind die Erfahrungswerte der Selbständigen mit Behinderung und der Mitarbeiter der Institutionen zu erfassen. Beide gelten in diesem Sinne als Experten. Nach MEUSER und NAGEL zeichnet sich der Experte dadurch aus, dass er eine Verantwortung für den zu untersuchenden Sachverhalt besitzt oder er einen privilegierten Zugang zu notwendigen Informationen hat.29 Durch die Anwendung der Leitfadeninterview-

27Vgl.

Lehmann, Wissenschaftliches Arbeiten, S. 43. Gläser / Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 11; hierzu ebenfalls Meuser / Nagel, Das Experteninterview, S. 486. 29Vgl. Meuser / Nagel, Experteninterviews, S. 443. 28Vgl.

2.3 Forschungsdesign

61

technik wird dem Befragten ein Freiraum zur Darlegung des sozialen Kontextes ermöglicht, bei welchem er seine individuellen Erlebnisse und Bewertungen, sowie seine Beweggründe für getroffene Entscheidungen ausführlich schildern kann. Zur Hypothesenauswertung werden unter anderem die Interviews nach den Gemeinsamkeiten ausgewertet.30 Mit dieser Verfahrensweise werden die alltäglichen Herausforderungen authentisch erfasst, wodurch sich potenzielle Nachteile als auch Vorteile bei der Umsetzung der Behindertenpolitik im Land Brandenburg ableiten lassen. Mit der qualitativen Methode der Leitfadeninterviews werden die gesammelten Erfahrungen der Selbständigen mit Behinderung durch ihre individuelle Situation erfahrbar gemacht. Gemeinsam mit dem Integrationsfachdienst Brandenburg und dem Integrationsamt Brandenburg werden alle Leistungsfälle ausgewertet. Diese Datenbasis ist Grundlage der qualitativen Auswertung. Alle Selbständigen mit Behinderung im Land Brandenburg, welche einen Antrag auf Förderung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe beantragt haben – unabhängig ob eine Förderung gewährt wurde – werden für ein Interview angeschrieben und eingeladen. Bei den positiven Rückmeldungen werden ­Vorort-Gespräche geführt. Gleichzeitig wird das allgemeine Stimmungsbild erfasst. Die zu protokollierenden Schriftsätze der Einzelinterviews werden in weiteren Analyseschritten verdichtet. Mit der Herleitung einer Bewertungsskala für die Interviewfragen, unterliegen die Daten einer quantitativen Auswertung.31 Dies ermöglicht eine Vergleichbarkeit von Befragungen und lässt allgemeinverbindliche Rückschlüsse zu. Die zu erhebenden Daten zu der gegenwärtigen Gründersituation im Land Brandenburg werden ebenfalls nach der quantitativen Auswertungsmethode der deskriptiven Statistik verarbeitet und interpretiert, welche aussagefähige Rückschlüsse zum Verifizieren oder Falsifizieren der aufgestellten Hypothesen ermöglichen. Um zu zielführenden Rückschlüssen und Interpretationen zu gelangen, werden als Datenbasis die Statistiken folgender Institutionen verarbeitet: Verbleibstatistik des MASGF, Statistik IV. Förderprogramm des MASGF, Statistik LASV / Integrationsamt, Statistik LASV / Schwerbehindertenfeststellungsverfahren, Statistik Integrationsfachdienst, Statistik Agentur für Arbeit und

30Vgl. 31Vgl.

Meuser / Nagel, Experteninterviews, S. 452. Gläser / Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 27.

62

2  Methodische Vorgehensweise

Statistik Sozio-oekonomisches Panel (SOEP-Daten)32. Im Fokus stehen dabei die Bezifferung von Unterschiedlichkeiten, Zusammenhängen und Häufigkeiten.33 Die Datenreihen der zusammengefassten Datenauswertung werden vorzugsweise tabellarisch und in Diagrammen interpretiert. Aus den SOEP-Daten resultieren unter anderem Erkenntnisse zu der Teilzeitquote, zu den Stundenlöhnen und zu weiteren arbeitspolitischen Themenfeldern. Durch die Auswertung der SOEPDaten sind Aussagen zu der aktuellen gesellschaftlichen Situation in Deutschland möglich. Die Datenbasis der Brandenburgischen Sozialindikatoren ergänzt die bundesweiten SOEP-Daten, bietet ebenfalls eine solide Grundlage und ermöglicht Rückschlüsse auf die aktuelle Situation von Personen mit Behinderung im Land Brandenburg.34 Mit der Verarbeitung weiterer Datenquellen vom Statistischen Bundesamt, Agentur für Arbeit, MASGF und LASV wird die Ausgangssituation für Existenzgründer mit und ohne Behinderung analysiert und dargestellt. Die erhobenen Daten sind auf dem aktuellen Stand. Die Möglichkeit der Eigenrecherche Vorort und die Untersuchung im Zusammenhang mit den Auswirkungen einer Behinderung sind weder in der Literatur noch in der Praxis bisher ausgewertet worden. Bei den Expertengesprächen mit den Förderakteuren, beispielsweise mit dem Integrationsamt oder mit dem MASGF, werden nichtstandardisierte Interviews bevorzugt. Der große Vorteil liegt in der offenen Gesprächsführung, welche lediglich durch die Thematik eingegrenzt wird. Die Experten selbst haben somit die Möglichkeit, die Fördermechanismen aus der eigenen Perspektive mit der jeweiligen Zielstellung wiederzugeben. Gleichwohl werden allgemeine Zusammenhänge untersucht, sodass allgemeingültige Aussagen abgeleitet werden. In der folgenden Abbildung werden alle wichtigen quantitativen und qualitativen Daten, welche der vorliegenden Forschungsarbeit zu Grunde liegen, eingeordnet (Abbildung 2.3).

32Bei

dem SOEP handelt es sich um eine repräsentative Befragung der Gesellschaft zu den Themenbereichen Gesundheit, Erwerbstätigkeit, Bildung und Einkommen, an welcher ungefähr 30.000 Teilnehmer aus circa 11.000 privaten Haushalten teilnehmen. Die Fragen werden nach einem definierten Zeitraum erneut der gleichen Teilnehmergruppe gestellt, sodass durch die Wiederholungsbefragung Rückschlüsse zu Veränderungen und Trends aufgezeigt werden. 33Vgl. Sandberg, Wissenschaftliches Arbeiten von Abbildung bis Zitat, S. 295. 34Vgl. Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Brandenburger Sozialindikatoren 2015, S. 5.

2.3 Forschungsdesign

63

Qualitative Untersuchungsmethode

Quantitative Untersuchungsmethode

Verbleibstatistik MASGF

Statistik Integrationsamt

Statistik IV. Förderprogramm MASGF

Statistik Schwerbehindertenfeststellungsverfahren

Statistik Integrationsfachdienst

Expertengespräch MASGF

Expertengespräch LASV

Expertengespräch Integrationsfachdienst

Expertengespräch Agentur für Arbeit

Statistik Agentur für Arbeit

Expertengespräch Projektträger IV. Förderprogramm

Statistik Sozio-oekonomisches Panel

Interview Existenzgründer mit Behinderung

Erste Analyse quantitativ

Kombinierte Analyse quantitativ + qualitativ

Zweite Analyse qualitativ

Forschungsergebnis

Abbildung 2.3   Überblick zur verwendeten Methodenkombination. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Malfertheiner / Ritschl / Ritschl / Stoffer / Bösendorfer / Höchtl, Weitere Forschungsmethoden, S. 230.)

64

2  Methodische Vorgehensweise

Mit der Untersuchung unterschiedlicher Akteure bei der Gründungsförderung werden Rückschlüsse zur sozialen Wirklichkeit ermöglicht, welche die erlebte Inklusion nachvollziehbar widerspiegeln.35

35Vgl.

Flick / von Kardorff / Steinke, Was ist qualitative Forschung? S. 20.

3

Schwerbehindertenrecht

Die Auseinandersetzung mit der Frage einer Existenzgründung durch eine Person mit Behinderung bedarf zunächst der Klärung der Zielstellung der Sozialpolitik – insbesondere den Zielen des Schwerbehindertenrechts. Darüber hinaus müssen die unterschiedlichen Förderansätze dargestellt werden. Nur hiermit ist die Interpretation eines möglichen Nachteilsausgleichs und dessen Wirkung möglich. Die verschiedenen Zielstellungen der Fördermechanismen durch das Integrationsamt, durch das ­ MASGF-Existenzgründungsförderungsprogramm und durch die Agentur für Arbeit für Existenzgründer und bereits selbständige Marktakteure werden anhand von Handlungsempfehlungen, Arbeitsanweisungen und gesetzlichen Bestimmungen im Detail dargestellt. In diesem Kapitel werden die detaillierten Grundlagen des Schwerbehindertenrechts für die in der Einleitung aufgezeigten Fragestellungen bereitgestellt. Ausgehend vom Stereotype Content Model, welches die allgemeine Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft wiedergibt, wird der Blickwinkel und die Interpretation bestimmter Sachverhalte aus der Perspektive von Menschen mit Behinderung ermöglicht.1 Nach dieser Perspektive wird das Anerkennungsverfahren für eine Behinderung und möglicher Nachteilsausgleiche beschrieben. Das Schwerbehindertenrecht umfasst die rechtlichen Regelungen für Menschen mit Behinderung. Für die Beseitigung von Benachteiligungen sind umfangreiche Unterstützungsleistungen möglich. Um im Detail die Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben darstellen zu können, welche Bestandteil der ­SchwbAV2 sind, 1Vgl.

Turner / Hewstone, Die Sozialpsychologie des Vorurteils, S. 344; hierzu ebenfalls Meyer, Stereotype Content Model, S. 74 f. 2Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung vom 28. März 1988 (BGBl. I S. 484), zuletzt geändert durch Art. 168 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626). © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 N. Franzke, Existenzgründung schwerbehinderter Menschen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31230-5_3

65

66

3 Schwerbehindertenrecht

wird zunächst das Anerkennungsverfahren einer Behinderung erläutert. Dies ist notwendig zur Interpretation eines GdB. Darauf aufbauend werden die statusanerkannten Nachteilsausgleiche der Versorgungsverwaltung beschrieben. Bei den statusanerkannten Nachteilsausgleichen handelt es sich um Merkzeichen, die mögliche Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Darauf aufbauend wird das Integrationsamt als besondere Behörde, welche als Hauptaufgabe die Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes verfolgt, beschrieben. Mit dem Verständnis des Aufgabenspektrums – insbesondere mit der SchwbAV – wird aufgezeigt, wie die finanziellen Mittel aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung gestellt und für einen inklusiven Arbeitsmarkt eingesetzt werden. Die Förderung einer Selbständigkeit ist im Integrationsamt eine eigenständige Förderleistung, welche bis dato in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist.

3.1 Gesellschaftlicher Normalitätsmaßstab Die grundsätzliche Frage, was unter Normalität zu verstehen ist, ergibt sich aus der gesellschaftlichen Betrachtung.3 Gesellschaftsmitglieder, welche sich aus den verschiedenen Intentionen nicht der gesellschaftlichen Norm anpassen, entsprechen nicht dem Normalitätsmaßstab. Personen mit Behinderung entsprechen nicht dem normalen Menschenbild einer Leistungsgesellschaft mit den dazugehörigen typischen Eigenschaften, beispielsweise Flexibilität und Schönheit.4 MATTERN zeigt in diesem Kontext auf, dass teilweise Menschen ohne Behinderung die Menschen mit Behinderung als Ballastexistenzen interpretieren.5 Er vermutet, dass die Gesellschaft die Auffassung vertritt, dass Gesellschaftsmitglieder mit Behinderung kein menschliches Leben führen können.6 Um eine Herleitung dieser Interpretation zu ermöglichen, wird im Folgenden dargelegt, was unter Normalität zu verstehen ist. Die Begrifflichkeit der Norm wird in vier verschiedenen Arten unterteilt. So ist die statistische Norm als durchschnittliche gesellschaftliche Norm zu

3Vgl.

Kuhlmann / Mogge-Grotjahn / Balz, Soziale Inklusion, Theorien, Methoden, Kontroversen, S. 16. 4Vgl. Mattner, Behinderte Menschen in der Gesellschaft, S. 97. 5Vgl. ebd., S. 97. 6Vgl. ebd., S. 97.

3.1  Gesellschaftlicher Normalitätsmaßstab

67

sehen. Die zugrundeliegenden Eigenschaften dieser Norm können eine Vielzahl von Gesellschaftsmitgliedern zugeschrieben werden.7 Die übliche Norm ist charakterisiert durch den gesellschaftlichen Wandel.8 Die Eigenschaften konnten früher einmal der statistischen Norm zugeschrieben werden, wurden aber vom Zeitwandel überholt und sind der statistischen Norm nicht mehr zu zuordnen. Hierunter fallen beispielsweise Bräuche und Rituale. Als weitere Norm ist die ideale Norm anzuführen. Sie umfasst den idealen beziehungsweise wünschenswerten Zustand.9 Die funktionale Norm als vierte Norm zielt auf den einzelnen Menschen ab und kann auch als Individualnorm verstanden werden. Inhalt dieser Individualnorm sind die persönlichen Zielsetzungen, die angestrebt werden.10 Die Normalität, beziehungsweise die Abnormität beschreibt keine objektiven Eigenschaften, sondern vielmehr gesellschaftliche Vorgaben. So beschreibt KOBI die Normalität in diesem Kontext als nicht existent, da sie vielmehr ein Ergebnis einer gesellschaftlich auferlegten Ansicht ist.11 Normal ist einfach ausgedrückt, wer nicht abnormal ist. Durch ein uneingeschränktes funktionieren in einer Leistungsgesellschaft wird eine Person als normal bewertet. Weist eine Person ein ähnlich gesellschaftliches Verhalten der Mehrheit auf, wird sie als normal bewertet.12 Zu einer problematischen Situation bei der Erfüllung der statistischen Norm kann es kommen, wenn die gesellschaftlich vorgegebenen Eigenschaften nicht mit der individuellen Bedürfnislage in Einklang zu bringen sind. Diese Konfliktsituation kann sich negativ auf die Teilhabe auswirken. JERVIS spricht in diesem Zusammenhang von einer Anpassungskrankheit, bei welcher sich die Person der statischen Norm unterwirft, um den sozialen Erwartungen zu entsprechen.13 Er definiert das Normalsein als einen Zustand, in welchem man sich der gesellschaftlichen Norm anpasst, keine großen Schwierigkeiten hat und zugleich für andere Gesellschaftsmitglieder keine Schwierigkeiten bereitet.14 LAING beschreibt das Normalsein ähnlich wie JERVIS und führt zusätzlich

7Vgl.

Vetter, Psychiatrie, S. 5; hierzu ebenfalls Steingrüber, Grundlagen psychischer Störungen, S. 222; hierzu ebenfalls Moll, Anatomie, S. 52; hierzu ebenfalls Payk, Psychopathologie, S. 49. 8Vgl. Kobi, Grundfragen der Heilpädagogik, S. 261. 9Vgl. Moll, Anatomie, S. 52. 10Vgl. ebd., S. 52. 11Vgl. Kobi, Grundfragen der Heilpädagogik, S. 251. 12Vgl. Mattner, Behinderte Menschen in der Gesellschaft, S. 98. 13Vgl. Jervis, Kritisches Handbuch der Psychiatrie, S. 216 f. 14Vgl. ebd., S. 216 f.

68

3 Schwerbehindertenrecht

den Gesundheitsaspekt hinzu.15 Nach seiner Auffassung sind Gesellschaftsmitglieder als krank zu bewerten, wenn man nicht wie jedermann handelt – im Sinne der statistischen Norm.16 ROSENHAN bewertet den Aspekt der Gesundheit grundlegend falsch, welches er in einem Experiment im Jahr 1973 eindrucksvoll nachgewiesen hat.17 ROSENHAN und sieben weitere Probanden haben sich in unterschiedlichen psychiatrischen Kliniken vorgestellt. Dabei haben alle angegeben, dass sie Stimmen im Kopf hören. Alle anderen Merkmale bei der Vorstellung in der Klinik entsprachen der statistischen Norm. Nachdem die Scheinpatienten in den Kliniken aufgenommen wurden, haben sie kundgetan, dass sie keine Stimmen mehr im Kopf hören. Ihr Verhalten entsprach auf der Station der statistischen Norm. Bei allen acht Probanden wurde eine Schizophrenie diagnostiziert.18 Die Schwierigkeit in dieser Situation bestand nun für die Probanden darin, dass sie das Fachpersonal in der Klinik überzeugen mussten, dass sie normal sind. Im Ergebnis hat dies kein Proband geschafft, obwohl sie die Zweitstimmen im Kopf nur vorgetäuscht hatten. Da alle Verhaltensweisen und Merkmale vor dem Hintergrund der Diagnose einer Schizophrenie bewertet wurden, konnte der Normalzustand nicht wiederhergestellt werden.19 Schlussfolgernd zum Experiment konstatierte ROSENHAN, das normale Gesellschaftsmitglieder nicht erkennbar gesund sind.20 Die Behinderung wird als ein gesellschaftliches Defizit bewertet und entspricht nicht der statistischen Norm.21 JANSEN bestätigt die Auffassung und interpretiert die Behinderungseigenschaft in diesem Kontext als ein gestörtes Verhältnis zur Umwelt.22 Mit der Betrachtung der Anforderungen an das Normalsein

15Vgl.

Laing, Phänomenologie der Erfahrung, S. 22. Mattner, Behinderte Menschen in der Gesellschaft, S. 99; hierzu ebenfalls Laing, Phänomenologie der Erfahrung, S. 22. 17Vgl. Zimbardo, Lehrbuch der Psychologie, S. 347; hierzu ebenfalls Zimbardo, Psychologie, S. 500. 18Vgl. Mattner, Behinderte Menschen in der Gesellschaft, S.  99; hierzu ebenfalls Zimbardo, Lehrbuch der Psychologie, S. 347; hierzu ebenfalls Zimbardo, Psychologie, S. 500. 19Vgl. Mühlbacher, Rollenmodelle der Führung, S. 61 f. 20Vgl. Rosenhan, Gesund in kranker Umgebung, S. 116; hierzu ebenfalls Zimbardo, Lehrbuch der Psychologie, S. 347; hierzu ebenfalls Zimbardo, Psychologie, S. 500. 21Vgl. Neumann, Die gesellschaftliche Konstituierung, S. 31. 22Vgl. Jansen, Sozialwissenschaftliche Aspekte der Rehabilitation, S. 19. 16Vgl.

3.2 Stereotype-Wahrnehmung

69

haben Menschen mit einer Behinderung eine schwere Ausgangssituation in der Gesellschaft, um sich als gleichberechtigtes Gesellschaftsmitglied zu beweisen.

3.2 Stereotype-Wahrnehmung Bevor die Situation von Existenzgründern mit und ohne Behinderung im Detail beleuchtet wird, ist es erforderlich, die Wahrnehmung der Personengruppe mit Behinderung durch die Gesellschaft darzustellen. Die Bewertung eines Selbständigen mit Behinderung in der Öffentlichkeit wird aufgrund von Leistungs- und Qualitätskriterien vorgenommen. Dieses kann für Menschen mit Behinderung bereits vor der Existenzgründung zu einem unüberwindbaren Hindernis führen. Im Folgenden werden zwei Ansätze für die gesellschaftliche Bewertung von Menschen mit Behinderung angeführt. Dabei wird auf den Stigmatisierungsansatz von GOFFMAN23 und auf die Stereotype-Bewertung von ASBROCK24 eingegangen. Das griechische Wort Stigma ist negativ besetzt und lässt sich bereits bei der Übersetzung ins Deutsche als Brandmal ableiten.25 Das Brandmal wurde damals Verbrechern und Sklaven zugefügt. Aus dieser Herleitung kann das Wort Stigma als ein menschliches Merkmal eingeordnet werden, bei welchem der Träger durch Dritte herabgewürdigt wird.26 Dieser Prozess der negativen Bewertung wurde durch GOFFMAN untersucht.27 Das erste Bild von einer fremden Person wird über äußere Merkmale hergeleitet. Die Interpretation setzt sich darüber hinaus aus einer Vielzahl von weiteren Attributen zusammen, die bei der fremden Person die Zugehörigkeit zu einer sozialen Kategorie vermuten lassen.28 Aufgrund dieser Kategorisierung wird die Person in eine Gruppe einsortiert, aus welcher weitere Merkmale – die nicht beobachtet worden sind – abgeleitet werden. Das Stigma ist

23Vgl.

Goffman, Stigma, S. 9 f. Asbrock, Die Systematik diskriminierenden Verhaltens gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, S. 37; hierzu ebenfalls Scheufele / Schieb, „Wenn wir Trott– war nicht hätten“, S. 27. 25Vgl. Tröster, Einstellungen und Verhalten gegenüber Behinderten, S. 14. 26Vgl. Goffman, Stigma, S. 9 f. 27Vgl. Dederich, Behinderung als sozial- und kulturwissenschaftliche Kategorie, S. 22; hierzu ebenfalls Bergeest, Körperbehindertenpädagogik, S.  156; hierzu ebenfalls Waldschmidt, (Körper-)Behinderung als soziales Problem, S. 739; hierzu ebenfalls Herold, Die Situation einzelner Gruppen kranker und behinderter Menschen, S. 53. 28Vgl. Tröster, Einstellungen und Verhalten gegenüber Behinderten, S. 14. 24Vgl.

70

3 Schwerbehindertenrecht

ein Merkmal, welches eine Person herabsetzt.29 Mit der zugeschriebenen negativen Eigenschaft werden weitere negative Eigenschaften verbunden. Das Stigma ist demnach mehr als eine herabsetzende Eigenschaft, sondern es ist vielmehr eine Diskreditierung der gesamten Person. Durch GOFFMAN wurde eine Differenzierung der Stigmata in drei Gruppen vorgenommen.30 Die erste Gruppe (abominations oft the body) ist gekennzeichnet durch eine Körperdeformation, beispielsweise aufgrund einer Körperbehinderung oder einer körperlichen Entstellung. Kennzeichnend für die zweite Gruppe (blemishes of individual character) ist die persönliche Situation, beispielsweise Sucht oder Arbeitslosigkeit. Das phylogenetische Stigma bildet nach GOFFMAN die dritte Gruppe, welche beispielsweise die Merkmale der Religion und Nationalität beinhaltet. Mit den drei Gruppen wird deutlich, dass der Stigmatisierungsansatz weit über die Gruppe der Menschen mit Behinderung hinausgeht. Dabei bezieht sich der Ansatz auf alle Personen, die in unerwünschter Weise anders sind – beispielsweise Arbeitslose, Kriminelle, Menschen mit Behinderung und Drogenabhängige. Im Ergebnis führt die Stigmatisierung immer zu einer Herabsetzung der sozialen Identität einer Person.31 Ein weiterer sozialwissenschaftlicher Ansatz zur Wahrnehmung vom Menschen mit Behinderung wurde durch ASBROCK mit dem Stereotype Content Model hergeleitet. Stereotype, so die Sozialpsychologie, transportieren immer zwei wesentliche Informationen über die Mitglieder einer sozialen Gruppe. Diese beiden Informationen werden als Wärme und Kompetenz bezeichnet.32 Wärme ist in diesem Zusammenhang dadurch charakterisiert, dass der Mensch aus einer bestimmten Gruppe mit guten oder schlechten Absichten handelt. Die Kompetenz ist dahingehend zu interpretieren, ob die Gruppe in der Lage ist, ihre Absichten in die Tat umzusetzen.33 Wenn ein Kontakt zu einem fremden Menschen entsteht, passiert ein automatischer Prozess. Der nicht bekannte Mensch wird in eine Schublade eingeordnet. Man schaut, zu welcher sozialen Gruppe er zu zuordnen ist. Das Stereotype Content Model beinhaltet empirische Daten aus der Sichtweise einer dritten Person, um aufzuzeigen, wo die fremde Person zu verorten ist. Um eine Verfälschung des Untersuchungsergebnisses zu vermeiden, wird nicht danach gefragt, 29Vgl.

Simonovic / Ernst, Stigmatisierung bei Anorexia nervosa, Eine thematische Einführung, S. 7. 30Vgl. Goffman, Stigma, S. 13 f. 31Vgl. Tröster, Einstellungen und Verhalten gegenüber Behinderten, S. 15. 32Vgl. Asbrock, Die Systematik diskriminierenden Verhaltens gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, S. 37; hierzu ebenfalls Turner / Hewstone, Die Sozialpsychologie des Vorurteils, S. 344; hierzu ebenfalls Meyer, Stereotype Content Model, S. 74 f. 33Vgl. Turner / Hewstone, Die Sozialpsychologie des Vorurteils, S. 344.

3.2 Stereotype-Wahrnehmung

71

wie ein Mensch mit Behinderung von dem Befragten eingeschätzt wird, sondern es wird danach gefragt, was er glaubt, wie eine solche Person von anderen gesehen wird. Diese Befragungsmethode hat zwei Gründe. Erstens man kommt so an die zweigeteilten Stereotype heran. Zweitens schließt man damit eine dadurch verfälschte Antwort aus, dass der Befragte versucht, sich politisch korrekt zu äußern. Das Stereotype Content Model gibt die Wahrnehmung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in der Gesellschaft wieder. Hierzu werden einzelne Personen, beziehungsweise Personengruppen in die Kategorien „warm“ und „kalt“ sowie „kompetent“ und „inkompetent“ eingeteilt. Unter „warm“ wird verstanden, dass diese Person gute Absichten verfolgt – während Personen als „kalt“ angesehen werden, wenn sie schlechte Absichten verfolgen. Die Einteilung in „kompetent“ und „inkompetent“ gibt wieder, ob die betreffende Person in der Lage ist, ihre guten, beziehungsweise ihre schlechten Absichten in die Tat umzusetzen. Das Modell geht davon aus, dass man sich selber als „warm“ und „kompetent“ – also mit guten Absichten und in der Lage diese umzusetzen – einordnet. Die erste automatische Kategorisierung fremder Personen beeinflusst die Gefühle und das Verhalten gegenüber dieser Person (Abbildung 3.1). warm

Wärme

(gute Absichten)

Rentner, Menschen mit Behinderung

"Wir", Vorbilder

Obdachlose, Langzeitarbeitslose

Banker, "Reiche"

kalt (schlechte Absichten) inkompetent

kompetent

(kann Absichten nicht

(kann Absichten

umsetzen)

umsetzen) Kompetenz

Abbildung 3.1    Stereotype Content Model. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Asbrock, Die Systematik diskriminierenden Verhaltens gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, S. 51; hierzu ebenfalls Lotzkat / Welpe, Gibt es Geschlechtsstereotype in der Wahrnehmung von Berufsgruppen? S. 168; hierzu ebenfalls Meyer, Stereotype Content Model, S. 75.)

72

3 Schwerbehindertenrecht

Das Stereotype Content Model gibt in seiner Struktur vier grobe Arten von unterschiedlichen Stereotype wieder. Oben rechts sind die warmen und kompetenten Stereotype. Für die meisten Menschen ist dies das Selbstbildnis – (im Schaubild als „Wir“ dargestellt). Diese Gruppe umfasst alle Personen, die als wichtig empfunden werden, beispielsweise der Fußballverein oder die Familie. Darüber hinaus definieren sich Menschen über das Zugehörigkeitsgefühl zu sozialen Gruppen, zum Beispiel Herkunft und Beruf. Das Selbstwertgefühl vieler Menschen speist sich aus dem Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe. Menschen, die der gleichen Gruppe zugerechnet werden, erfahren oft Zustimmung und Unterstützung. Das Gegenteil von „warm“ und „kompetent“ wird im Stereotype Content Model als „kalt“ und „inkompetent“ (unten links im Schaubild) dargestellt. Dort eingeordneten Menschen werden schlechte Absichten unterstellt. Sie werden aber Mangels Kompetenz diese Absichten umzusetzen nicht als Bedrohung wahrgenommen. Deswegen empfindet man für diese Gruppe überwiegend Gleichgültigkeit und ignoriert sie. Im Stereotype Content Model (unten rechts im Schaubild) sind Menschen mit schlechten Absichten eingeordnet, denen man zutraut, diese auch umsetzen zu können. Hierzu zählen beispielsweise Banker und reiche Menschen. Interessant für die Forschungsarbeit ist im Schaubild der Stereotype oben links – der paternalistische Stereotype. Der paternalistische Stereotype beinhaltet soziale Gruppen, denen positive Absichten, überwiegend soziale Absichten, mit einer geringen Umsetzungskompetenz unterstellt werden.34 In diese Gruppe sind Menschen mit Behinderung einzuordnen.35 Daraus ergibt sich die Wahrnehmung, dass Menschen mit Behinderung eine besondere Hilfe und Unterstützung benötigen. Dies wiederum führt im Ergebnis bei dem Betroffenen dazu, dass er von der Gesellschaft als nicht kompetent wahrgenommen wird. Dieser Stereotype führt zu Mitleid. Das man Menschen mit Behinderung nicht so viel zutraut – erstrecht keine Existenzgründung – steht einer Inklusion im Wege. Untersuchungen haben gezeigt, dass Personen die Nachteilsausgleiche mittels technischer Geräte

34Vgl. 35Vgl.

Scherle, Kulturelle Geographien der Vielfalt, S. 84. Turner / Hewstone, Die Sozialpsychologie des Vorurteils, S. 344.

3.3  Das Anerkennungsverfahren einer Behinderung

73

und Hilfsmitteln erhalten dazu führt, dass sie von der Öffentlichkeit zwar als kompetent wahrgenommen, gleichzeitig ihnen jedoch schlechte Absichten unterstellt werden.36 Letztlich dient dies nur dazu, sie nicht in die eigene „Wir“Gruppe einzuordnen. Übertragen auf Existenzgründer mit Behinderung kann dies bedeuten, dass ihre Kunden sie entweder als wenig kompetent ansehen, wenn sie von ihrer Behinderung erfahren, oder – sofern sie ein modernes Hilfsmittel benutzen – ihnen zumindest negative Absichten unterstellt werden. Insofern legt das Stereotype Content Model offen, dass Menschen mit Behinderung – aufgrund der psychologischen Wahrnehmung der Kunden – es schwerer haben, sich am Markt zu etablieren als Gründer ohne Behinderung.

3.3 Das Anerkennungsverfahren einer Behinderung Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens einer Behinderung wird ein alterstypischer abweichender Zustand bewertet. Mit der persönlichen Antragstellung bei der zuständigen Behörde werden medizinische Befunde im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung zur Ermittlung einer möglichen Statusanerkennung bewertet. Hierzu zählen beispielsweise medizinische Diagnosen und die Beschreibung der gesundheitlichen Situation. Als Beurteilungsgrundlage zur Ermittlung des GdB wird die VersMedV37 herangezogen. Es sind aber hierbei keine Aussagen über das Ausmaß der Teilhabebeeinträchtigung möglich. Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus der Bewertung aller wechselseitigen Beziehungen mehrerer unterschiedlicher Krankheiten.38 Es findet also eine Verrechnung und keine Addition des GdB statt. Eine individuelle Betrachtung und Wertung erfolgten nicht.39 Eine Kumulation der einzelnen Einschränkungen sowie deren Auswirkungen sind nicht zulässig. In der folgenden Tabelle wird die Herleitung eines GdB exemplarisch dargestellt (Tabelle 3.1).

36Vgl.

Meyer, Stereotype Content Model, S. 75 f. vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412), zuletzt geändert durch Art. 18 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541). 38Vgl. Tintner, Schwerbehinderung, S. 27. 39Vgl. Brettel / Vogt, Ärztliche Begutachtung im Sozialrecht, S. 213. 37Versorgungsmedizin-Verordnung

74

3 Schwerbehindertenrecht

Tabelle 3.1   Beispielhafte Bildung der Gesamtbewertung des GdB1 Einschränkung

Einzelbewertung

Gesamtbewertung

des GdB Bewertungsbereich Herz-Kreislauf

50

Herzleistungsminderung

50

Bewertungsbereich Stoffwechsel

20

Diabetes mellitus

20

Bewertungsbereich Wirbelsäule

10

Funktionsstörung der Wirbelsäule

10

Bewertungsbereich unterer Extremitäten

30

Funktionsstörung beider Hüftgelenke

20

Funktionsstörung rechtes Kniegelenk

10

Kniegelenkersatz

20

1Eigene

60

Darstellung zur Ermittlung eines GdB.

Die beispielhaft dargestellte Gesamtbewertung eines GdB macht deutlich, dass das Anerkennungsverfahren auf die Bewertung der medizinischen Faktoren abstellt. Eine Betrachtung der Person in ihrem gesellschaftlichen und sozialen Umfeld erfolgt nicht.40 Die UN-BRK41 war der Anlass für eine neue Begriffsdefinition der Behinderung – die Abkehr von der medizinischen Defizitorientierung hin zu einer Selbstbestimmung inklusiver Leistungen.42 In Deutschland wurde im Jahr 2017

40Vgl.

Götz, Allgemeine Regelungen, 2 Rn. 6; hierzu ebenfalls Brettel / Vogt, Ärztliche Begutachtung im Sozialrecht, S. 213. 41Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008. 42Vgl. Kuhlmann / Mogge-Grotjahn / Balz, Soziale Inklusion, Theorien, Methoden, Kontroversen, S. 87.

3.3  Das Anerkennungsverfahren einer Behinderung

75

der Behindertenbegriff mit dem BTHG43 auf Grundlage der UN-BRK geändert.44 Die Behinderung steht nach § 2 SGB IX in einer Wechselwirkung von einstellungsund umweltbedingten Barrieren. Eine Anpassung des Anerkennungsverfahrens erfolgte aber nicht, da die Grundlage der Bewertung eines GdB in der VersMedV45 zu sehen ist. Der soziale Ansatz der Begriffsdefinition einer Behinderung findet im Anerkennungsverfahren keine Berücksichtigung. Ein weiteres Kriterium bei der Ermittlung des GdB stellt das Lebensalter dar. Da mit zunehmendem Alter die Gebrechen und Einschränkungen zunehmen, musste der Gesetzgeber sicherstellen, dass Personen höheren Alters nicht automatisch als behindert eingestuft werden. Aus diesem Grunde wurde im § 2 SGB IX der Begriff der Behinderung so formuliert, dass eine Behinderung nicht vorliegt, wenn die Gebrechen und Einschränkungen nicht vom alterstypischen Zustand abweichen. Die Teilhabe unterliegt nach diesem Verständnis einer unterschiedlichen Ausprägung und Intensität, die nach Lebensjahren zu differenzieren ist. Bei der Feststellung des GdB wird kein Unterschied zwischen Stadtbewohnern und Landbewohnern vorgenommen, welches aber aufgrund der gegebenen Infrastruktur erforderlich wäre. Als Beispiel sei eine kognitiv eingeschränkte Person anzuführen, die aufgrund ihrer geistigen Behinderung keinen Führerschein erwerben kann. Der öffentliche Personennahverkehr ist in der Stadt umfänglicher ausgebaut als auf dem Land. Der Nachteilsausgleich müsste auf dem Land dementsprechend höher zu bewerten sein als in der Stadt. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass ein ausschließlicher Vergleich innerhalb von Altersgruppen bei der Bewertung des bestehenden Nachteils unzureichend ist. Aufgrund des damit einhergehenden erhöhten Verwaltungsaufwandes hat der Staat darauf verzichtet, regionale Bewertungskriterien in die Ermittlung des GdB einfließen zu lassen. Nach der Auffassung von MROZYNSKI ist das derzeitige Anerkennungsverfahren unzureichend, da die Behinderung nicht als ein statischer Begriff zu sehen ist.46 Die Behinderung weist eine Reihe von Elementen auf, die keine Berücksichtigung finden, aber zwingend betrachtet werden müssen.47 DEGENER verweist in diesem Kontext auf den menschenrechtlichen Ansatz der UN-BRK. Eine Behinderung resultiert nach diesem Ansatz nicht aus medizinischen, sondern 43Bundesteilhabegesetz

vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234), zuletzt geändert durch Art. 27 Nr. 2 u. 3 u. Art. 31 Abs. 6 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541). 44Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 177. 45Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412), zuletzt geändert durch Art. 18 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541). 46Vgl. Mrozynski, SGB IX Teil 1, 2 Rn. 34. 47Vgl. ebd., 2 Rn. 34.

76

3 Schwerbehindertenrecht

aus sozialen Kriterien.48 Als weiterer Nachteil ist anzuführen, dass die GdBBewertung im Verwaltungsverfahren einer Routinebeurteilung unterliegt – durch den einheitlichen Bewertungsmaßstab der VersMedV49 wird demnach keine individuelle Bewertung der sozialen Umstände vorgenommen.50 Die VersMedV unterliegt einer regelmäßigen Fortschreibung. Diese fortlaufende Aktualisierung wird seitens der Antragsteller sehr kritisch bewertet. Der Gesetzgeber bewirkt mit der Aktualisierung den Effekt, dass aufgrund neuer Heilverfahren, Therapien oder Medikamente der GdB für Gesundheitsstörungen herabgesetzt wird. Grund hierfür ist, dass weniger Einschränkungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft mit dem medizinischen Fortschritt bestehen. Insofern ist es heutzutage in vielen Fällen schwieriger einen hohen GdB zu erhalten. Die Missstimmung einiger hiervon betroffener Antragsteller ist auf die Unkenntnis der Voraussetzungen zum Statusanerkennungsverfahren zurückzuführen, da sie die Teilhabeperspektive außer Acht lassen.51 Der Antragsteller, welcher im Zweifel einen neuen Antrag aufgrund einer Verschlimmerung der Gesundheitssituation stellt, läuft Gefahr, dass bei der Prüfung trotz einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes ein geringerer GdB ermittelt wird.

3.4 Nachteilsausgleiche für Personen mit Behinderung Die Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes steht im Lichte des Art. 27 ­UN-BRK.52 Dieser Artikel bringt zum Ausdruck, dass Menschen mit Behinderung das gleiche Recht wie alle haben, durch Arbeit den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dies setzt voraus, dass der allgemeine Arbeitsmarkt für alle – insbesondere für Menschen mit Behinderung – zugänglich gemacht wird. Alle

48Vgl. Degener, Völkerrechtliche Grundlagen und Inhalt der UN BRK, S. 16; vgl. hierzu ebenfalls Kuhlmann / Mogge-Grotjahn / Balz, Soziale Inklusion, Theorien, Methoden, Kontroversen, S. 87. 49Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412), zuletzt geändert durch Art. 18 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541). 50Vgl. Brettel / Vogt, Ärztliche Begutachtung im Sozialrecht, S. 213. 51Vgl. Ritz, Grad der Behinderung, 68 Rn. 7. 52Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008.

3.4  Nachteilsausgleiche für Personen mit Behinderung

77

­ ertragsstaaten sind angehalten entsprechende Rechtsvorschriften zu erlassen, V welche eine vollumfängliche Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen.53 Nach der Auffassung von TRENK-HINTERBERGER wird pauschal durch die Gesellschaft die Person mit einer Behinderung als Low-Performer wahrgenommen.54 Der Begriff des L ­ ow-Performers beschreibt in den gängigen Managementtheorien solche Personen, welche leistungsgemindert sind. Es ist die Auffassung der Allgemeinheit, dass Personen mit Behinderung in der Arbeitswelt nicht belastbar und flexibel sind. Sie erbringen eine unzureichende Arbeitsleistung und verursachen zusätzliche Kosten.55 DOSSE teilt diese Auffassung und ergänzt sie dahingehend, dass Menschen mit Behinderung teilweise auf dem zweiten Arbeitsmarkt – auf einem exklusiven und ausgegrenzten Arbeitsmarkt – tätig sind.56 Die Tätigkeit auf dem zweiten Arbeitsmarkt wird sehr gering vergütet, sodass eine eigenständige Lebensführung ohne Transferleistungen der Grundsicherung nach dem SGB II nicht möglich ist. Mit dem SGB IX hat der Gesetzgeber einen sozialrechtlichen Leistungsanspruch für bestehende Nachteile aufgrund einer Behinderung – insbesondere für arbeitstätige Personen – zuerkannt.57 So haben Personen, welche Einschränkungen körperlicher, geistiger oder seelischer Natur respektive eine Sinnesbehinderung haben, nicht immer die Möglichkeit zu einer vollumfänglichen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Feststellung eines GdB spiegelt unter anderem die negative Wechselwirkung zwischen der Behinderung und der Umwelt wider. Die Gewährung von Nachteilsausgleichen zielt hierbei auf eine mögliche Kompensation der bestehenden defizitären Situation ab. Das Grundprinzip für Leistungen zur Teilhabe beinhaltet, dass die Person mit Behinderung keine besondere Belastung oder finanzielle Nachteile für Rehabilitationsmaßnahmen und Integrationsmaßnahmen erfahren soll. Durch Nachteilsausgleiche soll eine Chancengleichheit erreicht werden.58 Die möglichen Nachteilsausgleiche sind sehr umfassend.59 Die Internationale 53Vgl.

Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 11 f. 54Vgl. Trenk-Hinterberger, Die Bedeutung des Art. 27 BRK für das Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben, S. 8. 55Vgl. Welti, Behinderung und Rehabilitation im sozialen Rechtsstaat, S. 697 f.; hierzu ebenfalls Trenk-Hinterberger, Die Bedeutung des Art. 27 BRK für das Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben, S. 8. 56Vgl. Doose, Inklusion und Teilhabe am Arbeitsleben, S. 9. 57Vgl. Nosper, Grundlagen der Rehabilitation, S. 10. 58Vgl. Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 35. 59Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Ratgeber für Menschen mit Behinderung, S. 23 f., hierzu ebenfalls Götze, Behinderung K 2 Rn. 3 ff.

78

3 Schwerbehindertenrecht

Formale Eigenschaften Fachqualifikation Gesundheitszustand Verfügbarkeit Marktanpassung

Makro- und Mesoebene

-

-

Arbeitsvermögen Erfahrungen Kommunikationsvermögen Orientierungsfähigkeit Resilienz

Beschäftigungsfähigkeit

Regelungen Ausbildungsordnung Arbeitsrecht Fördernormen Weiterbildung

-

Handlung

-

Struktur

Mikroebene

­ rbeitsorganisation verweist mit Art. 4 im Übereinkommen 156 und mit Art. 4 im A Übereinkommen 159 auf die Chancengleichheit und die Gleichbehandlung männlicher und weiblicher sowie behinderter Arbeitnehmer. Mit der Begriffsdefinition der Behinderung nach dem § 2 SGB IX wird zwar der soziale Kontext benannt, jedoch existieren auch negativ geprägte Meinungsbilder. Ein Mensch wird pauschal als eingeschränkt angesehen, wenn er von der gesellschaftlichen Norm abweicht und eine negative soziale Reaktion auslöst.60 Die unerwünschte Abweichung von der Norm kann in vielen Facetten und in den unterschiedlichen Lebensbereichen auftreten. Der notwendige Nachteilsausgleich zur Sicherung einer Teilhabe ist aber in seiner Wirkung selbst begrenzt. Um Rückschlüsse auf die Wirkung von Nachteilsausgleichen auf die Beschäftigungsfähigkeit zu ermöglichen, kann eine Betrachtung aus der Mikroebene und aus der Makro- beziehungsweise Mesoebene heraus erfolgen (Abbildung 3.2).61

Markt und Organisation Arbeitsorganisation Förderung Marktnachfrage Unterstützung

Abbildung 3.2   Ebenen der Beschäftigungsfähigkeit. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Promberger / Wenzel / Pfeiffer / Hacket / Hirseland, Beschäftigungsfähigkeit, Arbeitsvermögen und Arbeitslosigkeit, S. 73.) 60Vgl.

Mrozynski, SGB IX Teil 1, 2 Rn. 2. Kuhlmann / Mogge-Grotjahn / Balz, Soziale Inklusion, Theorien, Methoden, Kontroversen, S. 123.

61Vgl.

3.4  Nachteilsausgleiche für Personen mit Behinderung

79

Die Mikroebene betrachtet die individuell notwendigen Strukturmerkmale62, welche für die Person mit Behinderung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben notwendig sind. Ebenso werden in der Mikroebene die individuellen Voraussetzungen für Handlungsalternativen erfasst.63 Durch die Makro- und Mesoebene werden analog die Rahmenbedingungen ebenfalls nach der Struktur und nach der Handlung aufgezeigt, welche sich aus dem gesamtgesellschaftlichen Kontext ergeben. Die Mesoebene beinhaltet die betriebsspezifischen und unternehmensindividuellen Merkmale, wie beispielsweise ein flexibles Arbeitszeitmodell oder das Stellenanforderungsprofil.64 Die weitergefassten gesellschaftlichen Merkmale, beispielsweise die gesellschaftlichen Werte, der behindertenpolitische Rechtsrahmen oder die gesellschaftliche Akzeptanz sind der Makroebene zu zuordnen.65 Im Zentrum der Ebenen steht die Beschäftigungsfähigkeit der Person mit Behinderung, welche sich den gegebenen Rahmenbedingungen – und den gesellschaftlichen Regeln und Normen – der Makro- und Mesoebene anpassen muss. Gleichwohl haben die individuellen Voraussetzungen, welche durch die Person selbst bestimmt werden, Einfluss auf die Beschäftigungsfähigkeit. Grundsätzlich ist bei der Gewährung von Nachteilsausgleichen der Aspekt der Mikroebene von wichtiger Bedeutung. Fördermaßnahmen können nur so gut sein und zu einem Erfolg bei der Teilhabe am Arbeitsleben beitragen, wie es die Person mit Behinderung selbst ermöglicht. Durch die GdB-anerkennende Behörde erfolgt die Zuerkennung von möglichen Merkzeichen als Nachteilsausgleich.66 In der folgenden Tabelle wird ein Überblick der Nachteilsausgleiche, beziehungsweise der Merkzeichen und ihrer Voraussetzung aufgezeigt (Tabelle 3.2).

62Vgl.

Rump / Eilers, Im Fokus: Digitalisierung und soziale Innovation, S. 80. Kuhlmann / Mogge-Grotjahn / Balz, Soziale Inklusion, Theorien, Methoden, Kontroversen, S. 123. 64Vgl. Rump / Eilers, Im Fokus: Digitalisierung und soziale Innovation, S. 81; hierzu ebenfalls Kuhlmann / Mogge–Grotjahn / Balz, Soziale Inklusion, Theorien, Methoden, Kontroversen, S. 123. 65Vgl. Rump / Eilers, Im Fokus: Digitalisierung und soziale Innovation, S. 81. 66Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Ratgeber für Menschen mit Behinderung, S. 22. 63Vgl.

80

3 Schwerbehindertenrecht

Tabelle 3.2   Überblick zu den Nachteilsausgleichen1 Nachteilsausgleich

Voraussetzung

Merkzeichen

Freifahrt für die Begleitperson im öffentlichen Nah- und Fernverkehr

Nachweisliche Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson

B

Kfz-Steuerermäßigung (50 %) als Fahrzeughalter oder Vergünstigungen im öffentlichen Personennahverkehr

erhebliche Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr

G

Parkerleichterungen und Kfz-Steuer- außergewöhnliche Gehbehinderung befreiung als Fahrzeughalter und Vergünstigungen im öffentlichen Personennahverkehr

aG

Parkerleichterung und Kfz-Steuerbe- Blindheit freiung als Fahrzeughalter und Freifahrt im öffentlichen Personennahverkehr

Bl

Kfz-Steuerbefreiung als Fahrzeughalter und Freifahrt im öffentlichen Personennahverkehr

Hilflosigkeit

H

Rundfunkbeitragsermäßigung

Sehbehinderung oder Hörbehinderung

RF

Nutzung der Klasse 1 im Eisenbahnverkehr

Schwerkriegsbeschädigung mit einer 1. Kl. Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70 %

Kfz-Steuerermäßigung (50 %) als Fahrzeughalter oder Vergünstigungen im öffentlichen Personennahverkehr

Gehörlosigkeit beziehungsweise Schwerhörigkeit mit Sprachstörungen

Gl

1Eigene Darstellung in Anlehnung an Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Behinderung und Ausweis, S. 16; hierzu ebenfalls Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Ratgeber für Menschen mit Behinderung, S. 22.

Die Altersrente für Personen mit Behinderung erfolgt im Rahmen des Nachteilsausgleiches auf Wunsch früher als der reguläre Renteneintritt. Voraussetzung für die vorgezogene Altersrente ist der Nachweis von mindestens 35 anrechnungsfähigen Versicherungsjahren. Sofern die Person mit Behinderung vor

3.4  Nachteilsausgleiche für Personen mit Behinderung

81

dem Jahrgang 1952 geboren wurde, ist ein abschlagsfreier Rentenbezug ab dem 63. Lebensjahr möglich. Personen mit Behinderung haben die Wahl ab dem 60. Lebensjahr mit entsprechenden Abschlägen in die Rente zugehen. Die Abschläge umfassen dabei 0,3 % pro Monat bis zum regulären Renteneintritt.67 Die Leistungen der begleitenden Hilfe sind gemäß § 185 SGB IX Ermessensleistungen.68 Die begleitende Hilfe zielt auf die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ab, sodass sich Menschen mit Behinderung gegenüber nichtbehinderten Menschen behaupten können.69 So soll für Menschen mit Behinderung beispielsweise das Absinken in ihrer sozialen Stellung verhindert und die Beschäftigung auf Arbeitsplätzen entsprechend ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse erreicht werden.70 Die Zielstellung der Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben wird durch den zunehmenden Wegfall von Arbeitsplätzen und diversen Rationalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen in ihrer Umsetzung schwieriger. Diese Tendenzen sind insbesondere für ältere Menschen mit Behinderung aufgrund von Qualifikationsmängeln gefährlich.71 Das Integrationsamt hat mit der gesetzlichen Regelung des § 185 Abs. 2 SGB IX unter anderem die Aufgabe, bei dieser Arbeitsmarktentwicklung gegenzusteuern. Die begleitende Hilfe kommt demnach in Betracht, wenn Schwierigkeiten bei der Arbeitsmarktintegration bestehen.72 Mit dem § 185 SGB IX erfolgt durch den Gesetzgeber die Aufgabenzuweisung an das Integrationsamt, welche in der SchwbAV konkretisiert werden.73 Das Leistungsportfolio der begleitenden Hilfe

67Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Ratgeber für Menschen mit Behinderung, S. 82. 68Vgl. Bieritz-Harder, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 10. 69Vgl. Erbach, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 26. 70Vgl. ebd., 102 Rn. 26. 71Vgl. ebd., 102 Rn. 27. 72Vgl. ebd., 102 Rn. 26. 73Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 13.

82

3 Schwerbehindertenrecht

für einen inklusiven Arbeitsmarkt umfasst persönliche und materielle Hilfen.74 So beinhaltet der § 185 Abs. 3 SGB IX alle möglichen finanziellen Leistungen, die im Rahmen der begleitenden Hilfe durch das Integrationsamt erbracht werden können. Dabei erfolgt eine Unterteilung der Leistungen in Leistungen, die direkt an die Person mit Behinderung erbracht werden und in Leistungen, die an den Arbeitgeber gerichtet sind. Grundsätzlich sind alle finanziellen Leistungen als Ermessensleistungen anzusehen.75 Eine Ausnahme stellen die Kostenübernahme einer notwendigen Berufsbegleitung nach § 185 Abs. 4 SGB IX und die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz nach § 185 Abs. 5 SGB IX dar.76 Soweit die Voraussetzungen für eine Förderung vorliegen, haben die Betroffenen einen Rechtsanspruch auf Übernahme der entstehenden Kosten. Eine weitere Art der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben stellt die Begleitung und Betreuung durch psychosoziale Dienste nach § 185 Abs. 2 S. 4 f. SGB IX dar. Der Integrationsfachdienst – welcher die psychosoziale Betreuung schwerbehinderter Menschen wahrnimmt – wird durch das Integrationsamt beauftragt.77 Weitere Nachteilsausgleiche durch das Integrationsamt und durch Dritte sind in der folgenden Tabelle schematisch von einem GdB von 20 bis 100 dargestellt. Dabei ist ersichtlich, dass nicht nur der Gesetzgeber Nachteilsausgleiche gewährt, sondern auch diverse Unternehmen einen Preisrabatt oder ähnliches einräumen (Tabelle 3.3).

74Vgl.

Erbach, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 35. Bieritz-Harder, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 10. 76Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 14. 77Vgl. Erbach, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 39. 75Vgl.

Leistungen zur Rehabili­ tation und Teilhabe (§ 29 Abs. 1 SGB I)

GdB von 20

Schwerbehinderteneigenschaft (§ 2 Abs. 2 SGB IX)

Bevorzugte Einstellung bei einer Stellenbesetzung (§§ 164, 205 SGB IX)

Steuerfreibetrag bei einem GdB von 30: 310 Euro; GdB von 40: 430 Euro (§ 33b EStG)

Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit (§ 2 Abs. 3 SGB IX) Preisnachlass bei mehreren Festnetz- und Mobilfunkbetreibern

Steuerfreibetrag: 570 Euro (§ 33 b EStG)

Ermäßigter Rundfunkbeitrag von 5,83 Euro, wenn als Leitbehinderung eine Sehbehinderung anerkannt worden ist. (§ 4 RBStV)

Steuerfreibetrag: 720 Euro (§ 33 b EStG)

Wahlweise steuerlich absetzbar: Entfernungskostenpauschale 0,30 Euro/km (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG) oder die tatsächlichen Aufwendungen für den Weg zur Arbeit (§ 9 Abs. 2 EStG)

Steuerfreibetrag: 890 Euro (§ 33 b EStG)

GdB von 60 GdB von 70

Abzug eines Freibetrags bei der Einkommensermittlung im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung, wenn gleichzeitig Pflegebedürftigkeit nach § 14 SGB XI besteht: 4.500 Euro (§ 24 WoFG)

Steuerfreibetrag 1.060 Euro (§ 33 b EStG)

GdB von 80

Nachteilsausgleiche bei einer anerkannten Schwerbehinderung

GdB von 30 GdB von 50 / 40

Nachteilsausgleiche bei einer anerkannten Behinderung

Tabelle 3.3   Überblick zu den Nachteilsausgleichen, welche GdB abhängig sind1

Steuerfreibetrag 1.230 Euro (§ 33 b EStG)

(Fortsetzung)

Freibetrag beim Wohngeld: 1.500 Euro (§ 17 WoGG)

Steuerfreibetrag 1.420 Euro (§ 33 b EStG)

GdB von 90 GdB von 100

3.4  Nachteilsausgleiche für Personen mit Behinderung 83

GdB von 20

Besonderer Kündigungsschutz bei einer Gleichstellung (§ 151 Abs. 3 SGB IX)

Besonderer Kündigungs­ schutz (§§ 168 ff. SGB IX)

Abzug eines Freibetrags bei der Einkommensermittlung im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei Pflegebedürftigkeit nach § 14 SGB XI: 2.100 Euro (§ 24 WoFG)

Wenn Merkzeichen G vorliegt, können Privatfahrten steuerlich bis zu 3.000 km × 0, 30 Euro = 900  Euro geltend gemacht werden (§ 33 EStG)

GdB von 60 GdB von 70 Privatfahrten können steuerlich mit bis zu 3.000 km × 0, 30 Euro = 900  Euro abgesetzt werden (§ 33 EStG)

GdB von 80

Nachteilsausgleiche bei einer anerkannten Schwerbehinderung

GdB von 30 GdB von 50 / 40

Nachteilsausgleiche bei einer anerkannten Behinderung

Tabelle 3.3   (Fortsetzung)

(Fortsetzung)

Freibetrag bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer in bestimmten Fällen (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG)

GdB von 90 GdB von 100

84 3 Schwerbehindertenrecht

GdB von 20 Freibetrag für Wohngeld bei einer Pflegebedürftigkeit (§ 14 SGB XI) und häuslicher Pflege, bzw. Kurzzeitpflege: 1.500 Euro (§ 17 WoGG) Ermäßigung oder Befreiung bei Kurtaxen

Begleitende Hilfe im Arbeitsleben (§ 185 SGB IX)

Freistellung von Mehrarbeit (§ 207 SGB IX)

GdB von 80

Ermäßigung bei der Wenn die BahnCard Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht möglich ist, beträgt der Rundfunkbeitrag 5,83 Euro (§ 4 RBStV)

GdB von 60 GdB von 70

Nachteilsausgleiche bei einer anerkannten Schwerbehinderung

GdB von 30 GdB von 50 / 40

Nachteilsausgleiche bei einer anerkannten Behinderung

Tabelle 3.3   (Fortsetzung)

(Fortsetzung)

Ermäßigung bei der Hundesteuer für ausgebildete Hunde

Abzug eines Freibetrags bei der Einkommensermittlung im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung: 4.500 Euro (§ 24 WoFG)

GdB von 90 GdB von 100

3.4  Nachteilsausgleiche für Personen mit Behinderung 85

GdB von 20

Zusatzurlaub Bei Merk(§ 208 SGB zeichen G und aG IX) wahlweise steuerlich absetzbar: Entfernungskostenpauschale 0,30 Euro/ km (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG) oder die tatsächlichen Aufwendungen für den Weg zur Arbeit (§ 9 Abs. 2 EStG)

GdB von 60 GdB von 70

GdB von 80

Nachteilsausgleiche bei einer anerkannten Schwerbehinderung

GdB von 30 GdB von 50 / 40

Nachteilsausgleiche bei einer anerkannten Behinderung

Tabelle 3.3   (Fortsetzung)

(Fortsetzung)

GdB von 90 GdB von 100

86 3 Schwerbehindertenrecht

Beitrags­ ermäßigung bei Automobilclubs, z. B. ADAC, AvD

GdB von 30 GdB von 50 / 40 Pflegepersonen können einen Pauschbetrag von 924 Euro absetzen, wenn Merkzeichen H beim Pflegebedürftigen vorliegt (§ 33 b Abs. 6 EStG)

GdB von 60 GdB von 70

GdB von 80

Nachteilsausgleiche bei einer anerkannten Schwerbehinderung

GdB von 90 GdB von 100

1Eigene Darstellung in Anlehnung an beta Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement unter https://www.betanet.de/download/ tab3–gdb–nachteilsausgl4.pdf, [abgerufen am 03.01.2018].

GdB von 20

Nachteilsausgleiche bei einer anerkannten Behinderung

Tabelle 3.3   (Fortsetzung)

3.4  Nachteilsausgleiche für Personen mit Behinderung 87

88

3 Schwerbehindertenrecht

3.5 Integrationsamt Integrationsämter, welche ehemals auch als Hauptfürsorgestellen bezeichnet wurden, nehmen unter anderem die staatliche Aufgabe der Umsetzung des SGB IX wahr.78 Im Jahr 2001 erfolgte die offizielle Umbenennung zur heutigen Bezeichnung des Integrationsamtes.79 Nach RITZ hat die Umbenennung einen organisatorischen Hintergrund. Mit der Bezeichnung – Integrationsamt – werden die Aufgaben verdeutlich, welche die Schaffung und Sicherung einer Teilhabe am Arbeitsmarkt umfassen.80 Das Integrationsamt im Bundesland Bayern hat sich zum 9. Januar 2018 umbenannt in Inklusionsamt81. Das Integrationsamt in Nordrhein-Westfalen hat sich mit dem Beschluss des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 05.07.201882 ebenfalls rückwirkend zum 01.01.2018 in Inklusionsamt umbenannt. Die neue Bezeichnung, welche in Bayern auf der Grundlage des Art. 66 a Bayerisches Teilhabegesetz I (BayTHG I)83 und in Nordrhein-Westfalen auf Grundlage des Art. 6 Ausführungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

78Vgl.

Wagner / Kaiser, Einführung in das Behindertenrecht, S. 52; hierzu ebenfalls Brinkmann, Sozialwirtschaft, S. 47. 79Vgl. Ritz, Integrationsamt, 81 Rn. 1 ff. 80Vgl. Rodegast, Arbeitnehmer mit Körperbehinderung, S.  56; hierzu ebenfalls Ritz, Integrationsamt, 81 Rn. 3 f. 81Zur besseren Lesbarkeit wird die neue Bezeichnung des Integrationsamtes als Inklusionsamt vernachlässigt. Die Bezeichnung als Integrationsamt schließt somit das Inklusionsamt mit ein. 82Vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen, 17. Wahlperiode, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 17/1414 –, Ausführungsgesetz des Landes N ­ ordrhein-Westfalen zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, Drucksache 17/3061 vom 05.07.2018; hierzu ebenfalls Landtag Nordrhein-Westfalen, 17. Wahlperiode, Gesetzentwurf der Landesregierung, Entwurf eines Ausführungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, Drucksache 17/1414 vom 07.12.2017. 83Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) vom 8. Dezember 2006 (GVBl. S. 942, BayRS 86–7–A/G), zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 5. Dezember 2017 (GVBl. S. 538).

3.5 Integrationsamt

89

zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes84 durchgeführt worden ist, spiegelt den Zeitgeist der UN-BRK85 wider. Der § 185 SGB IX regelt die sachliche Zuständigkeit des Integrationsamtes und kann als Zuständigkeitsnorm verstanden werden.86 Die örtliche Zuständigkeit der Integrationsämter richtet sich hingegen nach der jeweiligen Aufgabe, welche durch Richtlinien und Verfahrensanweisungen geregelt wird.87 Das Integrationsamt nach § 185 Abs. 1 SGB IX – hier auch namentlich als Integrationsamt bezeichnet – ist für eine inklusive Arbeitswelt, in welcher schwerbehinderte Menschen tätig sind, verantwortlich.88 Unabhängig von der Organisation der Aufgabenwahrnehmung in den einzelnen Bundesländern, ob kommunal- oder landespolitisch organisiert, umfassen die Aufgaben nach § 185 SGB IX die Hauptbetätigungsfelder der Umsetzung der begleitenden Hilfe, die Wahrnehmung des besonderen Kündigungsschutzes89, die Erhebung sowie die Verwendung der Ausgleichsabgabe und die Durchführung von Schulungs-, Aufklärungsund Öffentlichkeitsarbeit für eine betriebliche Integration, beziehungsweise für die Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben.90 Diese Aufzählung beschreibt

84Vgl.

Landtag Nordrhein-Westfalen, 17. Wahlperiode, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 17/1414 –, Ausführungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, Drucksache 17/3061 vom 05.07.2018. 85Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008. 86Vgl. Erbach, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 21. 87Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 22. 88Vgl. Eissing, Behindertenrecht schnell erfasst, S. 90; hierzu ebenfalls Vater / Niehaus, Psychische Erkrankungen und betriebliche Wiedereingliederung, S. 222. 89Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ZB info, Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 7. 90Vgl. Vogt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 33 Rn. 14 ff.; hierzu ebenfalls Integrationsamt Brandenburg, Die Aufgaben des Integrationsamtes, S. 7 ff.; hierzu auch Müller, Plötzlich schwer krank und arbeitsunfähig, S. 65 f.; hierzu ebenfalls Richter / Habib, Das Betriebliche Eingliederungsmanagement, S. 193; hierzu ebenfalls Feldes / Fraunhoffer / Rehwald, Schwerbehindertenrecht, S. 94 f.; hierzu ebenfalls Wagner / Kaiser, Einführung in das Behindertenrecht, S. 52; hierzu ebenfalls Ritz, Integrationsamt, 81 Rn. 3 f.; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 14.

90

3 Schwerbehindertenrecht

die wesentlichen Sachgebiete und ist demnach nicht als abschließend zu interpretieren.91 Gleichfalls ist das Integrationsamt für die Schaffung und Sicherung von Inklusionsbetrieben verantwortlich. Inklusionsbetriebe sind Unternehmen mit klassischen Aufgaben, welche in der Beschäftigtenstruktur eine hohe Anzahl an Personen mit Behinderung aufweisen. Voraussetzung eines Inklusionsbetriebes ist nach § 155 SGB IX die Beschäftigung von mindestens 30 % bis maximal 50 % der Belegschaft mit besonders betroffenen Personen mit einem GdB von mindestens 50.92 Mit Inklusionsbetrieben wird das Ziel einer nachhaltigen Eingliederung auf den ersten Arbeitsmarkt verfolgt.93 Der Gesetzgeber hat die besondere Betroffenheit dahingehend charakterisiert, dass wenn aufgrund der bestehenden Behinderung im Erwerbsleben eine Hilfskraft benötigt wird, oder die Beschäftigung mit einer außergewöhnlichen Belastung für den Arbeitgeber – finanziell und organisatorisch – verbunden ist, oder eine Leistungsminderung aufgrund der anerkannten Behinderung mit einem GdB von mindestens 50 vorliegt, oder eine geistige oder seelische Behinderung besteht, oder keine berufliche Qualifikation erworben werden konnte. Grundsätzlich besteht auch bei einer besonderen Betroffenheit kein Anrecht auf eine Förderleistung. Die besondere Betroffenheit ist immer in einem Kontext mit der allgemeinen Lebenssituation zu sehen. Diese Kontextbetrachtung führt zu einem unbestimmten Rechtsbegriff.94 Die hervorgehobene Gruppe von Personen mit einer Behinderung ist dadurch charakterisiert, dass eine Teilhabe am Arbeitsleben erschwert wird. Die Begrifflichkeit der besonderen Betroffenheit ist dahingehend abzugrenzen, dass pauschal bei Personen mit Behinderung, welche Schwierigkeiten haben einen angemessenen Arbeitsplatz zu bekommen, die besonderen Betroffenheit zuerkannt wird.95 Hieraus abzuleiten ist, dass langzeitarbeitslose Personen mit Behinderung die besondere Betroffenheit grundsätzlich aufweisen. Der Teilhabegedanke umfasst insbesondere die Perspektive der Personengruppe mit Behinderung zur Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes. Gleichwohl sind mögliche Motivationsgründe für eine Teilhabe auch bei Arbeitgebern zu finden. Die betriebliche Gesundheitsprävention

91Vgl.

Erbach, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 21. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 224. 93Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Ratgeber für Menschen mit Behinderung, S. 66. 94Vgl. Joussen, Beschäftigung besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen, 72 Rn. 8. 95Vgl. ebd., 72 Rn. 8. 92Vgl.

3.5 Integrationsamt

91

nimmt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Fachkräftesicherung einen wichtigen Aspekt ein.96 Gemäß dem Slogan – Gemeinsam einen inklusiven Arbeitsmarkt gestalten – zielen die Leistungen der Integrationsämter nicht nur auf die Schaffung von Arbeitsplätzen ab, sondern umfassen ebenso auch deren Erhalt.97 So ist der § 167 SGB IX, welcher präventive Maßnahmen seitens des Arbeitgebers gesetzlich fixiert, auf die gesamte Belegschaft einer Unternehmung anzuwenden – nicht nur auf die Personengruppe mit Behinderung. Das Integrationsamt ist in Abgrenzung zu den Rehabilitationsträgern als zuständiger Leistungsträger anzusehen, wenn keine Gefährdung der Gesundheit besteht. Dennoch kann der Arbeitsplatz, beispielsweise aufgrund einer behinderungsbedingten Minderleistung als förderfähig bewertet werden, wenn dies maßgeblich zu einer Verbesserung der Arbeitssituation, insbesondere im sozialen Sinn, führt.98 Ergibt sich ein Unterstützungsbedarf, welcher in keinem Zusammenhang zur Behinderung steht, beispielsweise der sich aus einer betrieblichen Innovation oder einer technischen Weiterentwicklung ergibt, so besteht die Möglichkeit einer anteiligen Förderung. Sofern ein neuer Arbeitsplatz geschaffen und dieser mit einer Person mit Behinderung besetzt wird, sind Förderleistungen des Integrationsamtes gemäß § 185 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 2 a SGB IX in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 e SchwbAV – ungeachtet weiterer Förderleistungen durch andere Rehabilitationsträger – möglich.99 Grundsätzlich sind alle Arbeitgeber nach dem SGB IX angehalten, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse für behinderte und schwerbehinderte Personen in einem zumutbaren Rahmen nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Ziffer 4 SGB IX vorzuhalten. Charakteristisch für das Integrationsamt ist die Nachrangigkeit von Förderleistungen für die Gewährung und Sicherstellung einer Teilhabe am Arbeitsleben im Vergleich zu den Rehabilitationsträgern.100 96Vgl.

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, Aufgaben der Integrationsämter 2012 | 2013, S. 1; hierzu ebenfalls Thole / Höblich / Ahmed, Taschenwörterbuch Soziale Arbeit, S. 58. 97Vgl. Vogt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 33 Rn. 15. 98Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 7; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 6 f. 99Vgl. Schlick / Bruder / Luczak, Arbeitswissenschaft, S. 156 f.; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 10 f. 100Vgl. REHADAT, Verwaltungsabsprache zwischen der Deutschen Rentenversicherung, vertreten durch die Deutsche Rentenversicherung Bund, der Bundesagentur für Arbeit, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), als Spitzenverband der gewerb-

92

3 Schwerbehindertenrecht

Das Integrationsamt ist auch für die Steuerung der Integrationsfachdienste zuständig.101 Der Integrationsfachdienst trägt maßgeblich zu der Sicherung der Teilhabe bei. Dabei berät und begleitet er Personen mit Behinderung bei Problemsituationen am Arbeitsplatz oder unterstützt bei der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Hauptziel ist die Sicherung einer Teilhabe am Arbeitsleben, insbesondere auf dem ersten Arbeitsmarkt, um dem inklusiven Gedanken zu entsprechen. Der Gesetzgeber hat mit den §§ 192 ff. SGB IX die Aufgaben für die arbeitsbegleitende und arbeitssuchende Betreuung definiert. Das weitere Leistungsspektrum umfasst auszugsweise noch die Unterstützung des Arbeitgebers bei Problemen bei der Beschäftigung von Personen mit einer Behinderung, in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit die Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt – inklusive der Unterstützung im Bewerbungsverfahren, die Begleitung in einem Ausbildungsverhältnis und die sozialpädagogische Betreuung des Arbeitnehmers bei dem Übergang aus der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.102

3.6 Zuständigkeiten der Rehabilitationsträger Bei Antragseingang auf Leistungen aus der Ausgleichsabgabe sind durch das Integrationsamt die Fristen nach § 14 SGB IX zu beachten. Entsprechend der gemeinsamen Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) ist schnellstmöglich zu prüfen, wer der Leistungsträger der begleitenden Hilfe ist, unabhängig bei welchem Rehabilitationsträger die Antragstellung erfolgt. Das

lichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung, vertreten durch die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgegestellen (BIH) über die Erbringung von Leistungen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nach dem SGB IX Teil 2 im Verhältnis zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß Teil 1 des SGB IX vom 01.03.2015, (SGB IX Teil 3 n.F.), unter https://www.rehadat-recht.de/de/leistungen-leistungsanspruch/ leistungstraeger-zustaendiger-leistungstraeger/leistungserbringer-bundesagentur-fuerarbeit-arbeitsagenturen/?infobox=/infobox1.html&serviceCounter=1&wsdb=LIT&conne ctdb=veroeffentlichungen_detail&referenznr=R/NV8264&from=1&anzahl=1083&detail Counter=34&maplength=50&suche=index.html%3Fsuchbegriffe=%2522Arbeitgeber%2 522&intlink=true, [abgerufen am 24.04.2020]. 101Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Integrationsfachdienste, § 5. 102Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Ratgeber für Menschen mit Behinderung, S. 59 ff.

3.6  Zuständigkeiten der Rehabilitationsträger

93

bedeutet, dass spätestens nach zwei Wochen des Posteingangs der gestellte Antrag dem zuständigen Leistungsträger durch den angegangenen Leistungsträger weiterzuleiten ist. Sollte dies, aus welchen Gründen auch immer nicht erfolgen, so ist der angeschriebene erstangegangene Leistungsträger für die beantragte Förderung zuständig.103 Um eine mehrmalige Weiterleitung des gestellten Antrages zu vermeiden, ist in § 14 SGB IX die Weiterleitung von Anträgen geregelt. Demnach darf der Antrag nur einmal weitergeleitet werden.104 Mit dieser doch raschen Zuständigkeitsprüfung wird das Ziel einer schnellen Unterstützung gesichert, da Nachteile aufgrund der Vielzahl der gesetzlichen Zuständigkeiten nicht zu Lasten des Antragsstellers entstehen dürfen. Das aktuelle Geflecht der Rehabilitationsträger hat sich als bewährt erwiesen.105 Aufgrund der Vielzahl von Leistungsträgern wurden aber im Laufe der Zeit unterschiedliche Verordnungen und Gesetze erlassen (vgl. Abschnitt 1.3.3.), welche wiederum eine eindeutige Rechtsanwendung bei der Gewährung von Nachteilsausgleichen erschweren. Die Vielzahl an Verordnungen und Gesetzen hindert den Antragsteller oftmals daran, sich im Rahmen der Förderund Zuständigkeitsregelungen schnell orientieren zu können. Der Deutsche Bundestag nahm am 19.05.2000 den interfraktionellen Entschließungsantrag zur Integration von Menschen mit Behinderung als eine der dringlichsten politischen und gesellschaftlichen Aufgaben an.106 So wird in diesem Zusammenhang festgehalten, dass die gesetzlichen Krankenkassen und die Rentenversicherungen für die Leistungen einer medizinischen Rehabilitation, die Rentenversicherung und die Agentur für Arbeit für Leistungen einer Teilhabe am Arbeitsleben und die Träger der Sozialhilfe für Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zuständig sind. Aus diesem vereinfachten Leistungsportfolio ergeben sich die Kernkompetenzen der Rehabilitationsträger. Das Integrationsamt ist in diesem Zusammenhang nicht zu nennen, da es als ein nachrangiger Leistungsträger hinter der Rentenversicherung und der Agentur für Arbeit anzusehen ist. Bei einer Antragstellung auf Förderung einer selbständigen Existenz wird im Integrationsamt als erster Prüfungsschritt die örtliche Zuständigkeit ermittelt. Prüfkriterium hierbei ist, ob der Leistungsort im Bundesland des entsprechenden Integrationsamtes 103Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Gemeinsame Empfehlung über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens (Gemeinsame Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung) vom 28.09.2010, § 2 Abs. 2. 104Vgl. ebd., § 3 Abs. 1. 105Vgl. Ernst / Adlhoch / Seel, Sozialgesetzbuch IX, Einführung Rn. 5. 106Vgl. Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode (15.03.2000), Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss), Drucksache 14/2913.

94

3 Schwerbehindertenrecht

Förderungsvoraussetzungen

liegt. Ist dies nicht der Fall, so ist der Antrag an das zuständige Integrationsamt des jeweiligen Bundeslandes weiterzuleiten. Als zweiter Prüfschritt erfolgt die Klärung der sachlichen Zuständigkeit. Der § 2 SGB IX definiert den Personenkreis für die Förderleistung durch das Integrationsamt. Dazu zählen Personen mit Behinderung, die den Status eines GdB von mindestens 50 vorweisen können. Liegt der GdB bei 30 oder 40, so besteht die Option einer Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit. In der folgenden Übersicht sind die Prüfschritte zur Feststellung der Fördervoraussetzungen dargestellt (Abbildung 3.3). Antragstellung Prüfung örtliche Zuständigkeit Prüfung sachliche Zuständigkeit

Prüfung vorrangige Leistungsträger

Abbildung 3.3    Fördervoraussetzung für Leistungen an Selbständige durch das Integrationsamt. (Eigene Darstellung.)

Nach § 8 SGB IX hat die zu unterstützende Person im Rahmen von Förderleistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Wunsch- und Wahlrecht. Ebenso ist unter anderem auf die individuelle Lebenssituation, das Lebensalter, das Geschlecht und die soziale Situation Rücksicht zu nehmen.

3.7 Die Ausgleichsabgabe Die Reichsverordnung über die Beschäftigung Schwerbeschädigter aus dem Jahr 1919 stellt die erste gesetzliche Regelung zur Beschäftigungspflicht von Menschen mit Behinderung dar.107 Mit dieser Verordnung wurden Arbeitgeber zur Beschäftigung von Kriegsbeschädigten mit mindestens 1 % Anteil zur Gesamtbelegschaft verpflichtet.108 Nach dem ersten Weltkrieg wurde dem sozialpolitischen Aspekt mehr Aufmerksamkeit gewidmet und es erfolgte die Schaffung der Fürsorge- und Hauptfürsorgestellen. Gleichzeitig wurde der Schwerbeschädigtenschutz, beispielsweise bei Kündigungen und die Möglichkeit einer Gleichstellung, ausgebaut. Vom Ansatz her sollten vorrangig Kriegsopfer, welche

107Vgl. 108Vgl.

Wagner / Kaiser, Einführung in das Behindertenrecht, S. 10. ebd., S. 10.

3.7  Die Ausgleichsabgabe

95

einen Schaden erlitten haben, in den regulären Arbeitsmarkt integriert werden. Die Ausgleichsabgabe mit ihrer derzeitigen Funktion resultiert aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Sie wurde erstmalig im Jahre 1953 im Schwerbeschädigtengesetz der Bunderepublik Deutschland gesetzlich verankert.109 Unternehmen, welche die Beschäftigungsflicht nicht erfüllen, müssen seitdem eine Abgabe leisten. So waren 1953 monatlich 50,00 DM für jeden nichtbesetzten Pflichtarbeitsplatz zu zahlen. Erst im Jahr 1974 fand eine Neuordnung des Schwerbehindertenrechts statt, wonach jeder Arbeitgeber mit mindestens 16 Arbeitsplätzen eine Abgabe leisten musste. Die Regelungen der Beschäftigungspflicht fanden im Jahr 2001 ihren Platz im heutigen SGB IX. Die Höhe der Ausgleichsabgabe orientiert sich an einer Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV und beträgt seit dem 01.01.2016 monatlich pro unbesetztem Arbeitsplatz 125,00 Euro bis 320,00 Euro, je nach Erfüllungsgrad der Beschäftigungspflicht. Dabei sind die finanziellen Mittel der Ausgleichsabgabe als eine Art Umlagefinanzierung zu interpretieren.110 Die Ausgleichsabgabe hat einen Steuerungscharakter mit zwei Funktionen. Einen Funktionsmechanismus stellt die Anreizfunktion zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung dar. Als weitere Funktion – die Ausgleichsfunktion – ist die finanzielle Unterstützung der Arbeitgeber zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung zu nennen. Die Abgabe wird bei Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht erhoben und zur Förderung und Sicherung des Teilhabegedankens am Arbeitsleben eingesetzt.111 Die Erhebung und die Verwendung der finanziellen Mittel der Ausgleichsabgabe werden durch das örtlich zuständige Integrationsamt wahrgenommen. Personalkosten, die selbst beim Integrationsamt bei der Umsetzung der Aufgaben entsprechend des SGB IX entstehen, dürfen nicht aus der Ausgleichsabgabe finanziert werden.112 In § 160 Abs. 5 SGB IX und § 14 SchwbAV ist die Verwendung der Ausgleichsabgabe eindeutig geregelt. So ist sie für die Förderung von Arbeitsund Ausbildungsplätzen ausschließlich für Personen mit Behinderung und für die begleitende Hilfe zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben einzusetzen.113 Sofern die Beschäftigungspflicht erfüllt wird, entfällt die Zahlung einer Ausgleichsabgabe.114 Die Beschäftigungspflicht und die Ausgleichsabgabe sind detailliert im SGB IX geregelt. So hat ein Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich 109Vgl.

Bundesgesetzblatt, Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (Schwerbeschädigtengesetz), Teil 1, Nr. 28, Bonn am 18.06.1953, S. 389 ff. 110Vgl. Kayser, Ausgleichsabgabe, S. 8. 111Vgl. Kayser, Schwerbehindertenausgleichsabgabe, S. 6. 112Vgl. Kayser, Ausgleichsabgabe, S. 6. 113Vgl. ebd., S. 9. 114Vgl. Schlick / Bruder / Luczak, Arbeitswissenschaft, S. 165 f., 736.

96

3 Schwerbehindertenrecht

monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen die Pflicht zur Beschäftigung von Personen mit Behinderung nach dem § 154 Abs. 1 SGB IX. Gleichfalls regelt der Gesetzgeber in § 154 Abs. 1 SGB IX, dass ein Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 40 Arbeitsplätzen jeden Monat eine Person mit Behinderung beschäftigen soll. Eine weitere Stufe der Beschäftigungspflicht wird mit weniger als 60 Arbeitsplätzen gesetzlich fixiert. Hier müssen jeden Monat mindestens zwei Personen mit Behinderung beschäftigt sein. Mit der Veränderung der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV wird die Ausgleichsabgabe jährlich zum 01.01. des Kalenderjahres neu angepasst. Erst, wenn mit der Bezugsgröße sich eine Änderung um mindestens 10 % ergibt, welche bei einer Beibehaltung über mehrere Jahre hinweg kumulativ zu betrachten ist, erfolgt eine Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe. Am 01.01.2012 lag die Bezugsgröße bei 31.500,00 Euro. Die Bezugsgröße am 01.01.2016, welche nach § 18 Abs. 1 SGB IV 34.860,00 Euro betrug, zeigte eine Veränderung von 11,07 % (Faktor 1,1067) auf, sodass dies eine Erhöhung der Beiträge der Ausgleichsabgabe zur Folge hatte. Als Maßstab für die Erhöhung wird die Veränderung der Bezugsgröße, beziehungsweise der sich hieraus ergebene Faktor zu Grunde gelegt, welcher im Folgejahr einen erhöhten Abgabebetrag zur Folge hat (Tabelle 3.4). Tabelle 3.4   Festlegung der Höhe der Ausgleichsabgabe1 Erfüllungsquote

Berechnung Ausgleichsabgabe zwischen 01.01.2012 bis 31.12.2015 (monatlich pro unbesetzten Arbeitsplatz)

abgerundeter Abgabebetrag ab den 01.01.2016 (monatlich pro unbesetzten Arbeitsplatz)

3 % bis unter 5 % 115,00 Euro

115,00 Euro × 1,1067 125,00 Euro  = 127,27  Euro

2 % bis unter 3 % 200,00 Euro

200,00 Euro × 1,1067 220,00 Euro  = 221,34  Euro

0 % bis unter 2 % 290,00 Euro

290,00 Euro × 1,1067 320,00 Euro  = 320,94  Euro

1Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 88.

Wird die definierte Pflichtquote des Gesetzgebers bei der Beschäftigung von Personen mit Behinderung nicht erfüllt, so ist der Arbeitgeber zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe verpflichtet. Der Arbeitgeber erstattet gemäß § 163 Abs. 2 SGB IX gegenüber der Agentur für Arbeit jährlich bis zum 31.03. für das vergangene Jahr eine Anzeige und zahlt nach § 160 Abs. 4 SGB IX zugleich mit der Anzeige die Ausgleichsabgabe direkt an das Integrationsamt.

3.7  Die Ausgleichsabgabe

97

Arbeitsplätze nach dem SGB IX sind gemäß § 156 Abs. 1 SGB IX alle Stellen, auf denen Arbeitnehmer, Beamte, Richter, Auszubildende und andere mit einer entsprechenden beruflichen Bildung beschäftigt werden. Maßgeblich für die Anzahl der Arbeitsplätze ist die Zahl der beschäftigten Personen. Eine ausschließliche Betrachtung der Stellen eines Unternehmens entspricht nicht den Bewertungsgrundlagen der Ausgleichsabgabe. Gleichfalls werden mit dem § 156 Abs. 2 und 3 SGB IX Beschäftigungsverhältnisse definiert, die nicht unter dem Aspekt der anrechenbaren Arbeitsplätze zu führen sind und demzufolge keine Meldung bedürfen. Mit dem Zusammenfassungsprinzip, welches seit 1974 Anwendung findet, sind alle Arbeitsplätze für die Meldung heranzuziehen, auf welche der Arbeitgeber im Sinne des Arbeitsrechtes das Direktionsrecht ausübt.115 Stellen, auf denen sich Teilnehmer einer Einstiegsqualifizierung befinden, werden bei der Berechnung nach § 154 SGB IX nicht berücksichtigt. Praktikanten, deren Praktikum nach der Ausbildungsordnung als Bestandteil eines ersten beruflichen Abschlusses absolviert wird, sind gleichfalls nicht zu berücksichtigen. Tätigkeiten mit einer fehlenden Erwerbsfunktion, wie beispielsweise Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem SGB III, werden ebenfalls nicht als Arbeitsplatz bewertet.116 Als weitere Möglichkeit der Nichtanrechnung zählen Personen, die vorrangig die Tätigkeit zur Heilung, Genesung und Wiedereingewöhnung im Sinne des § 20 Bundessozialhilfegesetz (BSHG)117 oder im Rahmen einer Erziehungsmaßnahme im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes (JuSchG)118 durchführen. Weitere Ausnahmen für die Anrechenbarkeit von Arbeitsplätzen betreffen die Teilnehmer von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Personen, die nach ständiger Übung in ihre Stelle gewählt werden. Die gesetzliche Regelung der zu schaffenden Pflichtarbeitsplätze nach § 154 Abs. 1 SGB IX als Maßnahme zur Herbeiführung einer Teilhabe am Arbeitsleben für Personen mit Behinderung greift im wirtschaftlichen Leben nur bedingt. In der nachfolgenden Tabelle werden deutschlandweit die unbesetzten Pflichtarbeitsplätze in den Jahren 2010 bis 2014 dargestellt (Tabelle 3.5).

115Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Schwerbehindertenausgleichsabgabe, S. 15. 116Vgl. ebd., S. 19. 117Bundessozialhilfegesetz vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646, 2975), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2552). 118Jugendschutzgesetz vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730), zuletzt geändert durch Art. Art. 11 des Gesetzes vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 420).

98

3 Schwerbehindertenrecht

Tabelle 3.5   Statistik aus dem Anzeigeverfahren – Arbeitgeber mit 20 und mehr Arbeitsplätzen – deutschlandweit1 Art des Arbeitgebers

Zu zählende Arbeitsplätze (Anzahl)

Pflichtarbeitsplätze Soll (Anzahl)

Besetzt (Anzahl)

Unbesetzt (Anzahl)

Ist-Quote (%)

Berichtsjahr 2010 Privater Arbeitgeber

15.695.522

748.591

623.048

236.841

4,00

4.817.990

241.795

308.011

14.893

6,40

Insgesamt Berichtsjahr 2011

20.513.512

990.386

931.059

251.735

4,50

Privater Arbeitgeber

16.303.687

778.252

650.227

243.014

4,00

Öffentliche Arbeitgeber

Öffentliche Arbeitgeber

4.841.401

Insgesamt Berichtsjahr 2012

21.145.088

Privater Arbeitgeber

16.543.645 4.895.505

Öffentliche Arbeitgeber

242.790

314.230

14.366

6,50

1.021.042

964.457

257.380

4,60

789.528

673.457

240.135

4,10

245.312

322.260

13.792

6,60

Insgesamt Berichtsjahr 2013

21.439.149

1.034.840

995.717

253.927

4,60

Privater Arbeitgeber

16.815.580

802.063

691.689

240.425

4,10

247.487

324.376

14.914

6,60

1.049.550

1.016.065 255.340

4,70

Öffentliche Arbeitgeber

4.940.937

Insgesamt Berichtsjahr 2014

21.756.517

Privater Arbeitgeber

17.204.119

820.502

710.789

243.870

4,10

5.014.808

251.235

332.100

14.734

6,60

1.071.737

1.042.889 258.604

4,70

Öffentliche Arbeitgeber Insgesamt

22.218.927

1Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik schwerbehinderter Menschen, einsehbar unter https://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik–nach–Themen/ Beschaeftigung/Beschaeftigung–schwerbehinderter–Menschen/Beschaeftigung–schwerbehinderter–Menschen–Nav.html, [abgerufen am 04.03.2017].

Die Ist-Quote der Beschäftigungspflicht verläuft auf einem relativ konstanten Niveau mit 4,7 % in den Berichtsjahren 2013 und 2014. Dies kennzeichnet, dass die gesetzlich definierte Quote von 5 % in der Praxis noch nicht erreicht ist und es Maßnahmen bedarf, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Bei Betrachtung der Beschäftigungspflicht im Flächenland Brandenburg ist eine geringere Erfüllung der Pflichtquote mit 4,3 % in den Berichtsjahren 2013 und 2014 ersichtlich (Tabelle 3.6).

3.7  Die Ausgleichsabgabe

99

Tabelle 3.6   Statistik aus dem Anzeigeverfahren gemäß § 163 Abs. 2 SGB IX – Arbeitgeber mit 20 und mehr Arbeitsplätzen – Land Brandenburg1 Art des Arbeitgebers

Zu zählende Arbeitsplätze (Anzahl)

Pflichtarbeitsplätze

Soll (Anzahl) Berichtsjahr 2010, Land Brandenburg

Besetzt Unbesetzt (Anzahl) (Anzahl)

Ist-Quote (%)

privater Arbeit- 300.769 geber

13.975

10.280

5.266

3,40

6.223

7.530

514

6,00

Insgesamt 426.898 20.197 Berichtsjahr 2011, Land Brandenburg

17.810

5.780

4,20

privater Arbeit- 310.613 geber

14.447

10.788

5.395

3,50

6.486

7.991

526

6,10

Insgesamt 442.075 20.933 Berichtsjahr 2012, Land Brandenburg

18.779

5.921

4,30

privater Arbeit- 315.506 geber

14.671

11.109

5.415

3,50

6.666

8.227

523

6,10

Insgesamt 450.446 21.337 Berichtsjahr 2013, Land Brandenburg

19.335

5.938

4,30

privater Arbeit- 327.580 geber

15.246

11.468

5.695

3,50

6.610

8.278

526

6,20

Insgesamt 461.322 21.855 Berichtsjahr 2014, Land Brandenburg

19.746

6.221

4,30

privater Arbeit- 326.103 geber

15.172

11.414

5.593

3,50

506

6,30

6.099

4,30

öffentlicher Arbeitgeber

öffentlicher Arbeitgeber

öffentlicher Arbeitgeber

öffentlicher Arbeitgeber

126.129

131.462

134.940

133.742

öffentlicher Arbeitgeber

135.812

6.710

8.511

Insgesamt

461.914

21.882

19.925

1Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik schwerbehinderter Menschen, einsehbar unter https://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik–nach–Themen/ Beschaeftigung/Beschaeftigung–schwerbehinderter–Menschen/Beschaeftigung–schwerbehinderter–Menschen–Nav.html, [abgerufen am 04.03.2017].

100

3 Schwerbehindertenrecht

Nach der Stellendefinition des § 156 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX sind grundsätzlich alle Stellen anzuerkennen, bei denen gegenwärtig das Arbeitsverhältnis ruht, solange eine Vertretung eingestellt ist. Des Weiteren sind befristete Arbeitsverhältnisse erst ab einer Dauer von acht Wochen als Stelle nach dem § 156 Abs. 3 SGB IX anzuerkennen. Gleichwohl ist für die Arbeitsplatzdefinition der gesetzlich definierte Mindestumfang von 18 Wochenstunden nach dem SGB IX für eine mögliche Anrechnung zwingend erforderlich. Alle Tätigkeiten unter 18 Wochenstunden sind nicht als Arbeitsplatz anzuzeigen.119 Allgemeiner wird der Arbeitsplatz durch die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)120 definiert.121 Nach § 2 Abs. 4 ArbStättV weisen Arbeitsplätze im Sinne der arbeitsschutzrechtlichen Definition ein Beschäftigungsverhältnis auf. Ein zeitlicher Mindestumfang der Beschäftigung ist dabei nicht definiert.122 Das anzusetzende Kopfzahlprinzip schließt die Grundlage eines Stellenplanes für die Meldung aus. So wird für die Ermittlung des Beschäftigungsumfanges die monatliche Anzahl der Beschäftigten erfasst, unter Aufzeigen der im Monat beendeten und neu begründeten Beschäftigungsverhältnisse. Soweit nur ein Tag davon im Monat betroffen ist, wird dieser vollumfänglich mit der jeweiligen Personalmaßnahme gewertet. Zu den anzurechnenden Arbeitsplätzen für die Ermittlung der bestehenden Arbeitsverhältnisse sind die Telearbeitsplätze, die befristeten Arbeitsverhältnisse, die Arbeitsplätze in Teilzeit, gewerbliche Arbeitnehmerüberlassungen, die Beschäftigten in Kurzarbeit und die Beschäftigten, welche vorübergehend im Ausland tätig sind, zu erfassen. Nicht zuzuordnen sind die freien Mitarbeiter, die Mitarbeiter mit ehrenamtlichen Tätigkeiten, die gesetzlichen Vertretungsorgane juristischer Personen und der Arbeitgeber selbst als natürliche Person. Besondere Schwierigkeiten, welche mit der Beschäftigung von Personen mit Behinderung einhergehen, werden bei der Festsetzung der Ausgleichsabgabe gesondert berücksichtigt. So kann bei der Aufnahme oder beim Erhalt eines Arbeitsplatzes im Zuge der Veranlagung die Anrechnung einer Person mit Behinderung auf zwei oder drei Pflichtplätze erfolgen.123 Dieses Mehrfachanrechnungsprinzip ist nach § 159 SGB IX möglich. Eine Mehrfachanrechnung 119Vgl.

Kayser, Schwerbehindertenausgleichsabgabe, S. 29. vom 12. August 2004 (BGBl. I S. 2179), zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 1 der Verordnung vom 18. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3584). 121Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 72 ff. 122Vgl. Wiebauer, Die Novelle der Arbeitsstättenverordnung 2016, S. 221. 123Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ZB info, Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 8. 120Arbeitsstättenverordnung

3.7  Die Ausgleichsabgabe

101

gilt insbesondere für die in § 155 Abs. 1 SGB IX genannten Personen, welche als besonders betroffen anzusehen sind. Die Anrechnung auf mehr als einem Pflichtarbeitsplatz setzt voraus, dass die Eingliederung in das Arbeits- oder Berufsleben auf besondere Schwierigkeiten stößt. Dies kann sich gleichwohl auf den Erhalt eines Arbeitsplatzes beziehen. Möglicher Grund für eine Mehrfachanrechnung besteht, wenn Art und Schwere der Behinderung, soweit hieraus bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz, mit einer wesentlichen Leistungsminderung einhergeht. Im Allgemeinen liegt die Grenze für eine Mehrfachanrechnung ab einer Leistungsminderung von 30 % vor – wobei die Grenze aber nicht schematisch gehandhabt werden darf. Ein weiterer Grund für eine Mehrfachanrechnung ist mit der Beschaffung einer besonderen Ausstattung für den Arbeitsplatz, insbesondere mit technischen Arbeitshilfen, gegeben. Ebenfalls ist die Notwendigkeit der Einstellung einer besonderen Hilfskraft, wie zum Beispiel die Vorlesekraft für eine blinde Person, die Notwendigkeit der Stellung eines Kraftfahrzeugs oder des Transports für den täglichen Arbeitsweg, als Grund für eine Mehrfachanrechnung zu nennen. Über eine etwaige Mehrfachanrechnung nach § 159 SGB IX entscheidet grundsätzlich die Agentur für Arbeit auf Antrag.124 Bei Auszubildenden mit einer Behinderung werden ohne eine besondere Zulassung zwei Pflichtarbeitsplätze pauschal angerechnet.125 Öffentliche Arbeitgeber des Bundes unterliegen im Vergleich zur Privatwirtschaft aufgrund ihrer umfangreicheren Fürsorgepflicht nach § 241 Abs. 1 SGB IX einer Pflichtquote von 6 %. Das SGB IX verlangt eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen dem Integrationsamt und der Agentur für Arbeit. Beide Behörden sind an der Erhebung der Ausgleichsabgabe maßgeblich beteiligt. So hat das Integrationsamt nach § 185 SGB IX die Aufgabe, die finanziellen Mittel zu erheben und zu verwenden. Die Aufgaben der Agentur für Arbeit sind im § 187 SGB IX definiert. Danach übernimmt die Agentur für Arbeit unter anderem die Beratungsfunktion für Arbeitgeber bei der Besetzung von Stellen, führt das Anzeigeverfahren durch, lässt Anrechnungen und Mehrfachanrechnungen zu und übernimmt die Überwachungsfunktion bezüglich der Beschäftigungspflichterfüllung.126 Grundsätzlich haben alle Arbeitgeber nach dem § 163 Abs. 1 SGB IX die Pflicht zur Zusammenarbeit mit dem Integrationsamt und mit der Agentur für Arbeit. So sind beispielsweise Arbeitgeber zur Führung eines entsprechenden

124Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ZB info, Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 8. 125Vgl. Kayser, Schwerbehindertenausgleichsabgabe, S. 30. 126Vgl. Kayser, Ausgleichsabgabe, S. 12.

102

3 Schwerbehindertenrecht

Verzeichnisses verpflichtet, unabhängig ob die Beschäftigungspflicht erfüllt wird oder nicht. Dieses Verzeichnis ist kontinuierlich fortzuschreiben. Hierin werden alle beschäftigten Personen mit Behinderung und weitere anrechnungsfähige Personen im Vergleich zur Gesamtbelegschaft des Unternehmens ausgewiesen. Im regulären Anzeigeverfahren muss dieses Verzeichnis vorgelegt werden. Der § 163 Abs. 2 SGB IX sieht dieses Verzeichnis sogar als Grundlage der jährlichen Arbeitgeberanzeige vor, welche regelmäßig bis zum 31.03. erfolgen muss. Die Agentur für Arbeit nimmt beim Anzeigeverfahren die Prüffunktion der Beschäftigungspflicht wahr. Das Integrationsamt nimmt ebenfalls eine Prüffunktion wahr, indem es die finanziell geschuldete Last zur Zahlung der Ausgleichsabgabe überwacht. Grundsätzlich erfolgt die Zahlung an das zuständige Integrationsamt. Versäumt der Arbeitgeber die Anzeige bei der Agentur für Arbeit und beim Integrationsamt, so wird ab drei Monate nach dessen Fälligkeit ein entsprechender Feststellungsbescheid erlassen. Dieser orientiert sich bei der Festsetzung der Höhe an den Meldungen zur Sozialversicherung oder an den Meldungen an das Finanzamt. Sollte bei einem Datenabgleich mit anderen Behörden keine eindeutige Aussage zur Beschäftigungspflicht abzuleiten sein, so werden Außendienstmitarbeiter mit der Sachverhaltsaufklärung beauftragt. Erfolgt nach Zuleitung des Feststellungsbescheides an den Arbeitgeber das von ihm geforderte Anzeigeverfahren, so kann gegebenenfalls die Agentur für Arbeit den Feststellungsbescheid aufheben. Grundsätzlich entbindet der Feststellungsbescheid nicht zur Meldung und somit auch nicht zur Zahlung der Ausgleichsabgabe. Ergibt sich im Rahmen der Erstellung des Feststellungsbescheides oder durch die nachträgliche Anzeigepflicht des Arbeitgebers eine Zahlungsverpflichtung, so wird zusätzlich ein Säumniszuschlag erhoben. Die Höhe des Säumniszuschlages orientiert sich dabei an der Zahllast mit insgesamt 1 % von dieser, abgerundet auf volle 50,00 Euro für jeden versäumten Monat.127 Eine Falschmeldung oder eine unvollständige Meldung gegenüber dem Integrationsamt oder der Agentur für Arbeit entsprechend des § 163 Abs. 2 SGB IX kann im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens nach § 238 Abs. 2 SGB IX, wenn Vorsatz und Fahrlässigkeit nach § 10 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG)128 zu unterstellen ist, mit einem Bußgeld von bis zu 10.000,00 Euro geahndet werden.

127Vgl. Kayser, Schwerbehindertenausgleichsabgabe, S. 50 f.; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 91. 128Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018.

3.7  Die Ausgleichsabgabe

103

In der folgenden Tabelle ist eine Mustermeldung durch einen fiktiven Arbeitgeber mit 25 Beschäftigten exemplarisch dargestellt. Ein Mitarbeiter, welcher für die Ausgleichsabgabe anrechenbar ist, wird von Januar bis April beschäftigt. Ebenso wird eine Rechnung für Aufwendungen für die erbrachte Arbeitsleistung in Höhe von 200,00 Euro, welche bei einer Auftragsarbeit an einer WfbM vergeben worden ist, mit einbezogen. Monat

Arbeitsplätze und Stellen nach § 156 Abs. 1 – 3 SGB IX

Besetzte Pflichtarbeitsplätze

Beschäftigungsver- Beschäftigungsverhältnisse, hältnisse insgesamt welche nicht mit Personen ohne Lt. Verzeichnis gemäß Behinderung besetzt sind § 163 Abs. 1 SGB IX Januar

25

24

1

Februar

25

24

1

März

25

24

1

April

25

24

1

Mai

24

24

0

Juni

24

24

0

Juli

24

24

0

August

24

24

0

September

24

24

0

Oktober

24

24

0

November

24

24

0

Dezember

24

24

0

288

4

Jahressumme:

Die Berechnung der Beschäftigungspflicht und die Höhe der abzuführenden Ausgleichsabgabe durch den Arbeitgeber nach § 154 Abs. 1 SGB IX errechnet sich wie folgt:

104

3 Schwerbehindertenrecht

Pflichtarbeitsplätze (Soll)

 = 

12

Unbesetzte Pflichtarbeitsplätze

 = 

8

Jahresdurchschnittliche Beschäftigung in %

 = 

0,33

Jahressumme Ausgleichsabgabe unbesetzte Pflichtplätze × 125,00 Euro

 = 

1.000,00

abzüglich 50 % der Werkstattrechnung

 = 

100,00

Zahllast in Euro

900,00

Im Rechenbeispiel wurden die Berechnungsmaßstäbe vom 01.01.2017, welche mit dem Vorjahr identisch sind, zu Grunde gelegt. Eine Anrechnung der Werkstattrechnung ist zu 50 % möglich. Dabei handelt es sich aber ausschließlich um Aufwendungen für die erbrachte Arbeitsleistung, sodass beispielsweise Materialkosten nicht anrechenbar sind.129 Jedes Bundesland führt aus den Einnahmen der Ausgleichabgabe pauschal 20 % an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ab. Dieser Pauschalbetrag bildet die Grundlage für den Ausgleichsfond im Sinne des § 161 SGB IX. Die Auszahlung aus dem Ausgleichsfonds wird nach den gesetzlich definierten Kriterien des § 160 Abs. 6 SGB IX vorgenommen. Dieser geregelte Finanzausgleich zwischen den Ländern ist notwendig aufgrund der bestehenden regionalen und territorialen unterschiedlichen Entwicklungsstandards. Mit Hilfe dieser Ausgleichsfunktion zwischen den Bundesländern werden die Wohnbevölkerung und die beschäftigten beziehungsweise arbeitslosen Personen mit Behinderung als Umlageschlüssel herangezogen. Für das Erhebungsjahr 2015 wurden folgende Daten für die Berechnung der Umlage angesetzt (Tabelle 3.7):

129Vgl.

Kayser, Schwerbehindertenausgleichsabgabe, S. 35.

3.7  Die Ausgleichsabgabe

105

Tabelle 3.7   Berechnungsmaßstab – erwerbsfähige Personen mit Behinderung nach Bundesländern 20141 Bundesland

Arbeitslose Personen mit Behinderung

Beschäftigte Personen mit Behinderung

Baden-Württemberg

17.334

135.991

153.325

Bayern

23.538

166.971

190.509

Berlin

10.716

50.030

60.746

6.320

24.121

30.441

Brandenburg

Gesamt

Bremen

1.553

10.550

12.103

Hamburg

3.328

27.964

31.292

13.840

97.620

111.460

5.126

18.684

23.810

Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen

13.682

83.183

96.865

Nordrhein-Westfalen

48.957

238.141

287.098

Rheinland-Pfalz

6.973

37.747

44.720

Saarland

2.106

11.577

13.683

Sachsen

10.865

42.080

52.945

Sachsen-Anhalt

4.920

16.976

21.896

Schleswig-Holstein

5.400

28.151

33.551

Thüringen Gesamt

6.451

24.283

30.734

181.109

1.014.069

1.195.178

1Vgl. Anlage, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Erhöhung der Ausgleichsabgabe, Auszug aus dem Mitteilungsschreiben vom 03.12.2015.

Auf der Grundlage der erfassten Personen mit Behinderung, welche sich in einem erwerbsfähigen Alter befinden, wird der Verteilungsschlüssel errechnet, welcher dann bei der internen Umverteilung Anwendung findet. In der folgenden Tabelle wird dieser Schlüssel mit der entsprechenden Wohnbevölkerung in einen Mittelwert gesetzt, sodass daraus die Berechnung des Sollaufkommens der Ausgleichsabgabe für das jeweilige Bundesland resultiert (Tabelle 3.8).

106

3 Schwerbehindertenrecht

Tabelle 3.8   Berechnungsmaßstab – Ermittlung des Umlageschlüssels nach Bundesländern 20141 Bundesland

Wohnbevölkerung (Stand: 31.12.2013)

Anteil von Anteil von Beschäftigte Hundert Hundert und arbeitslose Personen im Sinne des SGB IX Mittelwert

BadenWürttemberg

10.716.644

13,20 %

153.325

12,83 %

13,01 %

Bayern

12.691.568

15,63 %

190.509

15,94 %

15,79 %

Berlin

3.469.849

4,27 %

60.746

5,08 %

4,68 %

Brandenburg

2.457.872

3,03 %

30.441

2,55 %

2,79 %

Bremen Hamburg

661.888 1.762.791

0,82 %

12.103

1,01 %

0,91 %

2,17 %

31.292

2,62 %

2,39 %

Hessen

6.093.888

7,51 %

111.460

9,33 %

8,42 %

MecklenburgVorpommern

1.599.138

1,97 %

23.810

1,99 %

1,98 %

Niedersachsen

7.826.739

9,64 %

96.865

8,10 %

8,87 %

NordrheinWestfalen

17.638.098

21,72 %

287.098

24,02 %

22,87 %

RheinlandPfalz

4.011.582

4,94 %

44.720

3,74 %

4,34 %

1,22 %

13.683

1,14 %

1,18 %

Sachsen

Saarland

4.055.274

4,99 %

52.945

4,43 %

4,71 %

SachsenAnhalt

2.235.548

2,75 %

21.896

1,83 %

2,29 %

SchleswigHolstein

2.830.864

3,49 %

33.551

2,81 %

3,15 %

Thüringen

2.156.759

2,66 %

30.734

2,57 %

2,61 %

81.197.537

100,00 %

1.195.178

Gesamt

989.035

100,00 % 100,00 %

1Vgl.

Anlage, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Erhöhung der Ausgleichsabgabe, Auszug aus dem Mitteilungsschreiben vom 03.12.2015.

Mit dem errechneten Umlageschlüssel wird aus dem Gesamtaufkommen der prozentuale Anteil des Sollaufkommens berechnet. Dieses Sollaufkommen kann die eingenommenen finanziellen Mittel der Ausgleichsabgabe mehren aber auch reduzieren. In der folgenden Tabelle sind die Ausgleichsbeträge für das Kalenderjahr 2015 aufgeführt. Die Berechnung sowie die Verwaltung des Ausgleichsfonds erfolgten über das BMAS (Tabelle 3.9).

11.084.306,00 € 11.304.427,23 €

28.650.250,64 €

12.295.154,20 €

6.745.419,96 €

25.703.270,35 €

46.127.652,81 €

6.133.832,80 €

48.030.667,43 €

117.570.044,88 €

19.519.555,30 €

5.041.582,28 €

22.743.477,28 €

13.855.382,50 €

Berlin

Brandenburg

Bremen

Hamburg

Hessen

MecklenburgVorpommern

Niedersachsen

NordrheinWestfalen

Rheinland-Pfalz

Saarland

Sachsen

Sachsen-Anhalt

Schleswig-Holstein 14.130.534,04 €

18.194.781,82 €

4.033.265,82 €

15.615.644,24 €

94.056.035,90 €

38.424.533,94 €

4.907.066,24 €

36.902.122,25 €

20.562.616,28 €

5.396.335,97 €

9.836.123,36 €

22.920.200,51 €

78.390.198,44 €

97.987.748,05 €

Bayern

3,15 %

2,29 %

4,71 %

1,18 %

4,34 %

22,87 %

8,87 %

1,98 %

8,42 %

2,39 %

0,91 %

2,79 %

4,68 %

15,79 %

13,01 %

Davon 80 % Anteil Prozentualer (Anteil Integrationsämter) Verteilerschlüssel 61.063.592,50 €

Aufkommen 2015

Baden-Württemberg 76.329.490,63 €

Bundesland

13.859.642,54 €

10.097.565,88 €

20.753.860,66 €

5.203.565,31 €

19.119.858,45 €

100.736.315,55 €

39.075.085,47 €

8.724.203,45 €

37.064.577,67 €

10.546.653,69 €

4.025.175,31 €

12.275.003,52 €

20.603.490,01 €

69.523.591,93 €

57.315.970,51 €

Sollaufkommen nach dem Verteilerschlüssel

Tabelle 3.9   Berechnungsmaßstab – Umverteilung der Ausgleichsabgabe nach Bundesländern 20141

(Fortsetzung)

2.555.215,31 €

−986.740,12 €

2.559.078,84 €

1.170.299,49 €

3.504.214,21 €

6.680.279,65 €

650.551,53 €

3.817.137,21 €

162.455,42 €

−10.015.962,59 €

−1.371.160,66 €

2.438.880,16 €

−2.316.710,50 €

−8.866.606,51 €

−3.747.621,99 €

Ausgleichsbetrag

3.7  Die Ausgleichsabgabe 107

9.682.052,08 €

Thüringen

43.899.686,85 €

Westfalen-Lippe

10,39 %

12,49 %

100,00 %

2,61 %

45.742.053,99 €

54.994.261,56 €

440.436.892,18 €

11.512.332,23 €

Sollaufkommen nach dem Verteilerschlüssel

10.622.304,51 €

−3.942.024,86 €

0,00 €

3.766.690,57 €

Ausgleichsbetrag

Anlage, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Erhöhung der Ausgleichsabgabe, Auszug aus dem Mitteilungsschreiben vom 03.12.2015. 2Aufgrund der bestehenden organisatorischen Strukturen im Bundesland Nordrhein-Westfalen wird das Sollaufkommen der Ausgleichsabgabe auf zwei Integrationsämter aufgeteilt.

35.119.749,48 €

58.936.286,42 €

73.670.358,03 €

Rheinland

1Vgl.

440.436.892,18 €

7.745.641,66 €

Davon 80 % Anteil Prozentualer (Anteil Integrationsämter) Verteilerschlüssel

550.546.115,23 € Aufteilung Nordrhein-Westfalen2

Gesamt

Aufkommen 2015

Bundesland

Tabelle 3.9   (Fortsetzung)

108 3 Schwerbehindertenrecht

4

Bedeutung von Arbeit

Das Thema Existenzgründungen von Menschen mit Behinderung setzt eine Auseinandersetzung mit der Frage voraus, welche Bedeutung die Arbeit generell für den Menschen hat. Gefragt ist also danach, welchen Einfluss, beziehungsweise welchen Wert die Arbeit auf die gesellschaftliche Stellung, die Lebensqualität und auch auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung hat. Es gibt unterschiedliche Ansätze Arbeit zu definieren. Diese Tatsache zeigt deutlich auf, dass die Bewertung und Wahrnehmung von Arbeit nicht statisch zu bewerten ist. Sie orientiert sich an gesellschaftlichen Kriterien und zeitlichen Gegebenheit. Die Arbeit kann definiert werden als ein wirtschaftlich orientiertes Handeln.1 Die Arbeit im engeren Sinne ist als Erwerbstätigkeit durch eine Entlohnung charakterisiert, welche als Gegenleistung zur Bearbeitung und Ausführung von Aufgaben zu verstehen ist.2 In der Arbeitspsychologie wird die Definition über eine bezahlte Tätigkeit kritisch bewertet, da beispielsweise Eigenleistungen privater Natur nicht betrachtet werden.3 Die Arbeit ist in ihrer Historie mit unterschiedlichen Wertevorstellungen verknüpft.4 Die ursprüngliche Sichtweise der Arbeit war negativ charakterisiert. Abgeleitet aus dem althochdeutschen Wort „arebeit“ war sie als Mühsal und Last zu interpretieren.5 Dies resultierte daraus,

1Vgl.

Kruse, Geschichte der Arbeit und Arbeit als Geschichte, S. 23. Fux, Persönlichkeit und Berufstätigkeit, S. 52; hierzu ebenfalls Meyer, Der philosophische Blick auf die Arbeit, S. 11; hierzu ebenfalls Schmähl, Arbeit – Basis für die soziale Sicherung der Zukunft, 195 f. 3Vgl. Fischer, Arbeiten im virtuellen Zeitalter, S. 16. 4Vgl. Rudow, Die gesunde Arbeit, S. 4. 5Vgl. Luczak, Arbeitswissenschaft, S. 3. 2Vgl.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 N. Franzke, Existenzgründung schwerbehinderter Menschen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31230-5_4

109

110

4  Bedeutung von Arbeit

dass Arbeit als schwere körperliche Tätigkeit bezeichnet wurde.6 Der Wandel der Wahrnehmung von Arbeit als lästiges Übel hin zur Nützlichkeit erfolgte im Zeitalter der Reformation und Aufklärung. Seit dieser Zeitepoche werden der Arbeit positive Eigenschaften zugeschrieben. Die Arbeit wurde mit einem sittlichen Wert verbunden und ist der protestantischen Arbeitsethik zu zuordnen. Dieser ist primär gekennzeichnet durch ein wirtschaftlich orientiertes menschliches Handeln mit einer entsprechenden Erfolgsorientierung. Die Arbeit als Selbstzweck rückt in das Zentrum des Lebens. ROUSSEAU beschrieb diese neue Interpretation und Wahrnehmung der Arbeit als unerlässliche Pflicht des Menschen innerhalb der Gesellschaft.7 Die Arbeit kann ein Mittel zur Selbstverwirklichung darstellen und erfüllt das Leben mit Sinn. Aus dieser positiven Bewertung lässt sich auch das Grundrecht auf Arbeit für jedermann ableiten.8 Die Arbeit wird heutzutage unter pragmatischen und wirtschaftlichen Aspekten definiert. So ist die Arbeit ein Bestandteil des Lebens, um die eigene Existenz zu sichern. Durch die Ausführung einer Tätigkeit – Erzeugung, Verteilung und Beschaffung von materiellen oder immateriellen Gütern – wird ein wirtschaftliches oder nutzenorientiertes Ergebnis angestrebt, welches der Gesellschaft oder einzelnen Menschen dient.9 Die Arbeit, in Abgrenzung ihrer historischen Interpretation kann in körperliche – mit Muskelkräften – und in nicht körperliche Arbeit – geistige Tätigkeit – unterteilt werden. Eine weitere Einteilungsart kann nach dem subjektbezogenen Sinn – Arbeiten – und nach dem objektorientierten Sinn – Herstellen – vorgenommen werden. Die arbeitende Person nimmt die Rolle des animal laborans als arbeitendes Tier ein. Dem objektorientierten Sinn wird die Rolle des homo faber als produzierender Mensch zugeschrieben.10 Die moderne Begriffsdefinition der Arbeit ist durch LUCZAK ergänzt um die soziale Interaktion.11 Arbeit stellt nach seiner Definition immer eine Interaktion dar, welche Auswirkungen auf die Umwelt hat. Die neue Begriffsdefinition von Arbeit hat nicht die alte Definition abgelöst. Die Betrachtungsweisen haben sich vielmehr vermischt. Arbeit, beziehungsweise einzelne Tätigkeiten, werden aufgrund der individuellen Passion als Lust oder

6Vgl.

Knecht / Pifko, Psychologie am Arbeitsplatz, S. 65. Rudow, Die gesunde Arbeit, S. 5. 8Vgl. Luczak, Arbeitswissenschaft, S. 4; hierzu ebenfalls Knecht / Pifko, Psychologie am Arbeitsplatz, S. 65. 9Vgl. Knecht / Pifko, Psychologie am Arbeitsplatz, S. 65. 10Vgl. Luczak, Arbeitswissenschaft, S. 4. 11Vgl. ebd., S. 3; hierzu ebenfalls Buchinger, Interaktion, S. 490. 7Vgl.

4  Bedeutung von Arbeit

111

Last empfunden.12 Unstrittig ist, dass sich die Rahmenbedingungen der Arbeit im Sinne einer menschenwürdigen und leidensgerechten Tätigkeit geändert haben. Die Gesundheit oder eine bestehende Behinderung können aber die Wahrnehmung und Ausführung einer Tätigkeit einschränken. Es ist festzuhalten, dass Arbeit eine große Bedeutung für Menschen mit Behinderung und auch für Menschen ohne Behinderung darstellt.13 Das Bedürfnis für eine einkommenssichernde und sinnvolle Beschäftigung lässt sich aus der menschlichen Natur ableiten. Nach GREDIG haben hierbei insbesondere behinderte und schwerbehinderte Menschen mit Vorurteilen in einer Arbeitsgesellschaft zu kämpfen.14 Mit der Ausübung einer Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nimmt das Selbstvertrauen zu, die Persönlichkeit entwickelt sich weiter und es bildet sich eine Ich-Identität heraus.15 Wer keiner täglichen Arbeit nachgeht, verfügt in der Regel über weniger Geld. Dies wiederum trägt das Risiko eines Ausschlusses aus dem gesellschaftlichen Leben in sich. Mit Arbeit gehen vielfältige Kontakte, eine vollumfängliche gesellschaftliche Teilhabe und eine soziale Anerkennung einher.16 Mit Arbeit können selbstbestimmt und individuell die Lebensmöglichkeiten gestaltet werden.17 Das Nachgehen einer regelmäßigen Arbeit ist die Schlüsselkomponente für das Gelingen einer gesellschaftlichen Integration.18 Nach DOOSE gab es einen Wandel bei der Wahrnehmung von Arbeit. So war es früher ein Sonderrecht aufgrund von Wohlstand nicht arbeiten zu müssen. Heutzutage ist die Ausübung einer Arbeit selbst ein Privileg, insbesondere für Menschen mit Behinderung.19 Die Arbeit unterliegt einem stetigen Wandel. Was heutzutage unter Arbeit zu verstehen ist, kann nur danach entschieden werden, welche Bedeutung unter den heutigen kulturellen und historischen Gegebenheiten die ­Gesellschaft ihr

12Vgl.

Rudow, Die gesunde Arbeit, S. 5. Deutsches Institut für Menschenrecht, M ­ onitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 38. 14Vgl. Gredig, Arbeit ist das halbe Leben – Über die Bedeutung und den Zusammenhang von Arbeit und psychischer Behinderung, S. 233. 15Vgl. Fischer / Heger / Laubenstein, Konzepte zur beruflichen Integration – Überblick und Einführung, S. 7. 16Vgl. ebd., S. 7. 17Vgl. Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 38. 18Vgl. Doose, Unterstützte Beschäftigung, S. 15. 19Vgl. ebd., S. 66. 13Vgl.

112

4  Bedeutung von Arbeit

zuspricht. Eine Funktion von Arbeit ist die Gewährleistung der finanziellen Absicherung des Lebensunterhalts. Mit Arbeit werden die finanziellen Voraussetzungen für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Zwar sind gewöhnlich Sozialleistungen an eine unselbständige Tätigkeit gebunden, doch haben auch Selbständige durch Arbeit die Möglichkeit private Vorsorgemaßnahmen für Alter und Erwerbsunfähigkeit zu treffen. Staatliche Transferleistungen zur Grundsicherung stellen lediglich ein Minimum finanzieller Mittel dar, genügen jedoch nicht, um eine umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft abzusichern. Eine andere Funktion von Arbeit kann darin bestehen, dem arbeitenden Menschen eine Aufgabe zu geben. Der Mensch hat das Gefühl gebraucht zu werden. Darüber hinaus gibt die Tätigkeit eine Lebensstruktur. Antriebsfeder für Arbeit kann auch die soziale Anerkennung sein. Die Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftliche Anerkennung als wesentliche Antriebsfeder für Arbeit wurden durch eine große Anzahl von Untersuchungen belegt.20 Die Selbständigkeit nimmt eine bedeutsame Funktion für Menschen mit Behinderung für ein inklusives Leben in der Gesellschaft ein. Gerade durch die fehlenden beruflichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt, welche mitunter der ­ Stereotype-Wahrnehmung (vgl. Abschnitt 3.2.) geschuldet sind, stellt das Erwerbsmodell der Selbständigkeit eine gute Alternative dar. Mit der Selbständigkeit wird der Versuch unternommen, die fehlenden positiven Auswirkungen eines Beschäftigungsverhältnisses zu kompensieren.

4.1 Rahmenbedingungen von Existenzgründer mit und ohne Einschränkungen Bevor die oben genannten Thesen genauer untersucht werden können, ist es zwingend erforderlich, die in Deutschland – insbesondere im Land Brandenburg – befindlichen Rahmenbedingungen für Existenzgründer mit und ohne Schwerbehinderung zu betrachten. Um nachher Verbesserungen für das Land Brandenburg abzuleiten, ist es notwendig den aktuellen Status quo zu erfassen, sodass entsprechende Aussagen abgeleitet werden können. Es werden die Arbeitsmarktstatistiken und die Sozialindikatoren der Agentur für Arbeit, der Bundesarbeits-

20Vgl.

Senner, Personalentwicklung in Integrationsfirmen, S. 178.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

113

gemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH)21 und aus dem SOEP-Panel zur bundesweiten Interpretation der Rahmenbedingungen für Existenzgründer ausgewertet. Um den Sachverhalt auf die Ebene des Bundeslandes Brandenburgs zu abstrahieren, werden weitere Datenquellen herangezogen. Neben den landesspezifischen Berichten der Agentur für Arbeit, werden aussagefähige Daten in Zusammenarbeit mit dem Integrationsfachdienst, dem LASV und dem Integrationsamt Brandenburg erhoben. Dabei werden die Betreuungsfälle des Integrationsfachdienstes, die Förderfälle des Integrationsamtes, die Statusanerkennungen der Versorgungsverwaltung (Schwerbehindertenfeststellungsverfahren) und die Datenbasis der Brandenburger Sozialindikatoren umfangreich analysiert und ausgewertet. Als weitere spezifische Datenbasis des Landes Brandenburgs werden erstmalig die Verbleibstatistik und die Statistik der IV. Förderperiode des MASGF für Existenzgründer ausgewertet. Es werden bei der Auswertung vorrangig die Jahre 2010 bis 2014 betrachtet. In diesem Zeitraum wurde durch das MASGF das IV. Förderprogramm für Existenzgründer umgesetzt. Im Anschluss hieran erfolgte in den Jahren 2015 und 2016 die Datenerhebung für eine Erfolgsbewertung. Dabei wurden alle Gründerpersonen angeschrieben, die sich in diesem Zeitraum mit Unterstützung durch das MASGF selbständig gemacht haben.

4.1.1 Gesundheit und Statusanerkennung Die seelische und geistige Verfassung und die körperliche Leistungsfähigkeit werden bei Personen mit Behinderung meist negativer beurteilt als bei dem Personenkreis ohne Behinderung. Die subjektive Bewertung des individuellen Gesundheitszustandes von Personen mit Behinderung wird von der Gruppe selbst von 55 % als unzureichend eingeschätzt.22 Insgesamt bewerten 57 % der Personen ohne eine anerkannte Behinderung ihren Gesundheitszustand als ehr

21Die

BIH stellt eine bundesweite Arbeitsgemeinschaft der agierenden 17 Integrationsämter dar. Sie verfolgt das Ziel der gegenseitigen Abstimmung und Koordinierung zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes. Die Arbeitsgemeinschaft erarbeitet beispielsweise Richtlinien zur bundesweit einheitlichen Umsetzung der SchwbAV; hierzu Alber, Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), S. 128 f. 22Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 193.

114

4  Bedeutung von Arbeit

positiv.23 Lediglich 11 % der Personen mit Behinderung bewerten ebenfalls ihren Gesundheitszustand positiv (Abbildung 4.1).24

Verteilung in %

100

Einschätzung des Gesundheitszustandes

80 60 40 20 0

Positiv Mittelmäßig Negativ

Personen mit Behinderung 11 34 55

Personen ohne Behinderung 57 34 9 Personengruppe

Abbildung 4.1   Einschätzung des individuellen Gesundheitszustandes. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 193)

Die empfundene Lebensqualität beeinflusst die Wahrnehmung des Gesundheitszustandes sehr stark. Auf einer Bewertungsskala von 0 (sehr schlecht) bis 100 (sehr gut) wird das körperliche und psychische Wohlbefinden durchschnittlich mit 72 Punkten bei Männern mit Behinderung und mit 65 Punkten bei Frauen mit Behinderung bewertet.25 Im Vergleich hierzu liegt die subjektive Bewertung bei Männern ohne Behinderung bei 78 Punkten und bei Frauen ohne Behinderung bei 75 Punkten.26 Die Differenz von 10 Punkten ist bei den Frauen am stärksten ausgeprägt.

23Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 193.

24Vgl. 25Vgl.

ebd., S. 193. ebd., S. 196.

26Vgl.

ebd., S. 196.

115

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

Aus der Betrachtung des Indikators der Arbeitsunfähigkeitstage von Personen mit und ohne Behinderung lassen sich ebenfalls Rückschlüsse zum Gesundheitszustand ableiten (Abbildung 4.2).27

Verteilung in %

100

Verteilung der Arbeitsunfähigkeittage (jährlich)

80 60 40 20 0

> 30 Tage 11 bis 30 Tage 6 bis 10 Tage 1 bis 5 Tage 0 Tage

Personen mit Behinderung 19 17 10 10 43

Personen ohne Behinderung 5 12 11 23 48 Personengruppe

Abbildung 4.2   Verteilung der Arbeitsunfähigkeitstage (jährlich). (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 197)

Der Anteil der Menschen ohne einen einzigen Krankheitstag ist bei Personen mit Behinderung anteilig mit 43 % und bei Personen ohne Behinderung anteilig mit 48 % gegeben.28 Dieser doch relativ gleiche Anteil verschiebt sich mit der Zunahme an Krankheitstagen anteilig höher auf die Personengruppe mit Behinderung. So befinden sich 19 % der Personen mit Behinderung mit mehr als 30 Tagen im Kalenderjahr in einem Krankenstatus.29 Lediglich 5 % der Personengruppe ohne

27Vgl.

Oyen, Grundbegriffe der Sozialmedizin und Epidemiologie – Gesundheit, Krankheit, Behinderung, S. 17 f. 28Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 197. 29Vgl. ebd., S. 197.

116

4  Bedeutung von Arbeit

Behinderung weisen den gleichen Status einer Langzeitarbeitsunfähigkeit von mehr als 30 Tage auf.30 Bei Kurzerkrankungen ist eine komplett andere Verteilung ersichtlich. So weist die Personengruppe ohne Behinderung mit 23 % und die Personengruppe mit Behinderung mit 10 % eine kurze Arbeitsunfähigkeit zwischen ein bis fünf Tage auf.31 Die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit von Personen mit Behinderung beträgt jährlich 33 Tage.32 Personen ohne Behinderung sind durchschnittlich im Jahr acht Kalendertage krankheitsbedingt arbeitsunfähig.33 Eine allgemeingültige Definition der Gesundheit ist durch die Weltgesundheitsorganisation beschrieben als ein Zustand, welcher durch ein vollständiges physisches, mentales und soziales Wohlbefinden gekennzeichnet ist – „[…] gelegentlich wird Gesundheit auch als ein Zustand ohne Behinderung definiert.“34 Die Gesundheit als Indikator einer Leistungsfähigkeit ist aufgrund seiner Definition selbst nur bedingt als Maßstab heranzuziehen. Vielmehr unterliegen solche Bewertungen subjektiven Einflüssen, welche eine Vergleichbarkeit der Personengruppe mit und ohne Behinderung nur bedingt zulassen. Die Definition ist im Sinne der UN-BRK35 für die Umsetzung einer inklusiven Gesellschaft zeitgemäß. Dennoch wird in der Praxis die Definition der Gesundheit vom Ansatz mit der Begriffsdefinition einer Behinderung nach dem § 2 SGB IX – dem defizitzentrierten Ansatz (vgl. Abschnitt 1.3.1. und Abschnitt 3.3.) – gleichgesetzt. Entsprechend des Gesetzgebers sind Personen nach dem defizitzentrierten Ansatz eingeschränkt, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit, seelische Gesundheit oder eine Sinnesbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustandes abweicht und daher eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.36

30Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 197. 31Vgl. ebd., S. 197. 32Vgl. ebd., S. 197. 33Vgl. ebd., S. 197. 34Jancik, Betriebliches Gesundheitsmanagement, S. 29. 35Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008. 36Vgl. Ernst / Adlhoch / Seel, Sozialgesetzbuch IX, Einführung Rn. 54; hierzu ebenfalls Fuchs, Regelungen für Behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen, 2 Rn. 3.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

117

Ein weiterer Ansatz der Begriffsbestimmung einer Behinderung ist nicht als medizinisches Problem, sondern vorrangig als ein Resultat politischer Entscheidungen und gesellschaftlicher Verhaltensweisen zu bewerten.37 Dies heißt im Umkehrschluss bei der Definition der Gesundheit, dass Personen, die nicht im Sinne der gesellschaftlichen Werte, Regeln und Normen agieren, als gesundheitlich beeinträchtigt gelten (vgl. Abschnitt 3.1. und Abschnitt 3.2.). Die Betrachtung der attestierten Krankheitstage in den unterschiedlichen Alterskohorten zeigt auf, dass die Alterskohorte zwischen 18 und 29 Jahren den höchsten Krankenstand bei Personen mit und ohne Behinderung aufweist (Abbildung 4.3).38 Überblick der Alterskohorten mit jährlich mehr als 10 Krankheitstagen 100

Verteilung in %

80 60 40 20 0 Personen mit Behinderung Personen ohne Behinderung

18 bis 29 Jahre

30 bis 49 Jahre

50 bis 64 Jahre

65 bis 79 Jahre

50

48

43

24

22

19

17

7 Alterskohorte

Abbildung 4.3   Überblick der Alterskohorten mit jährlich mehr als 10 Krankheitstagen. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 198)

37Vgl.

Degener, Antidiskriminierungsrechte für Behinderte, S. 889. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 198.

38Vgl.

118

4  Bedeutung von Arbeit

Die Anzahl der Ausfallzeiten von jährlich mehr als 10 Krankheitstagen verläuft bis zum Erreichen der Altersrente rückläufig. Als Grund für die sprunghafte negative Entwicklung in der Alterskohorte von 65 bis 79 Jahren ist die unterschiedliche Bewertung einer Krankheit anzusehen.39 Im Erwerbsleben wird die Arbeitsunfähigkeit durch eine ärztliche Diagnose attestiert. Diese ist durch Vorlage eines Attests dem Arbeitgeber zu belegen. Personen, die nicht im Erwerbsleben stehen, benötigen eine solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht. Der Indikator der attestierten Krankheitstage lässt demnach nur bedingt Aussagen zum Gesundheitszustand zu. Die Statistik über die Anzahl der Personen mit Behinderung im Land Brandenburg weist im Vergleich der Jahresscheiben 2010 bis 2014 einen Anstieg auf (Tabelle 4.1). Tabelle 4.1   Überblick über die Anzahl von Personen mit Behinderung in Brandenburg von 2010 bis 20141 Jahr Grad der Behinderung

2010

2011

2012

2013

2014

30

73.381

76.030

79.748

76.139

76.562

40

40.066

42.034

44.366

43.219

44.528

50

86.426

90.096

93.373

93.863

96.423

60

47.427

47.505

48.780

49.128

50.270

70

34.106

33.214

33.995

33.940

34.679

80

38.031

36.997

38.509

39.448

41.065

90

18.264

17.504

18.004

18.207

18.809

100 Gesamt

80.394

76.478

79.713

80.589

83.782

418.095

419.858

436.488

434.533

446.118

1Eigene

Darstellung in Anlehnung Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2011; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2012; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2013; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014. 39Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 198.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

119

Unter genauer Betrachtung der Entwicklung des anerkannten GdB im Bundesland Brandenburg ist ein Anstieg von 2010 zu 2014 von circa 6,7 % zu verzeichnen. Dies umfasst eine Steigerung von insgesamt 28.023 Personen. Im Jahr 2014 wurden im Land Brandenburg 2.457.872 Einwohner40 erfasst. Ausgehend von den 446.118 registrierten Einwohnern mit einem GdB von 30 bis 100 beträgt der Anteil der Einwohner mit einer Behinderung in Brandenburg 18,15 %.41 Im Jahr 2010 wurden im Land Brandenburg 2.503.273 Einwohner42 erfasst. Aus den gemeldeten 418.095 Statusanerkennungen einer Behinderung43 im Jahr 2010 ergibt sich in Abhängigkeit zu der Gesamtbevölkerung im Land Brandenburg eine anteilige Quote von 16,70 %. Auch mit der Differenzierung in einer Behinderung und in einer Schwerbehinderung ist die Entwicklung von 2010 bis 2014 nahezu identisch. In der folgenden Tabelle sind die entsprechenden Statusfeststellungen in den Jahresscheiben 2010 bis 2014 dargestellt (Tabelle 4.2). Tabelle 4.2   Anzahl anerkannter Behinderungen und Schwerbehinderungen von 2010 bis 2014 in Brandenburg1 Jahr

2010

2011

2012

2013

2014

Anerkannte Behinderung

113.447

118.064

124.114

119.358

121.090

Anerkannte Schwerbehinderung

304.648

301.794

312.374

315.175

325.028

Status

1Eigene Darstellung in Anlehnung Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2011; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2012; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2013; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014.

40Vgl.

Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Brandenburger Sozialindikatoren 2018, S. 28. 41Vgl. Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014. 42Vgl. Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Brandenburger Sozialindikatoren 2016, S. 28. 43Vgl. Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010.

120

4  Bedeutung von Arbeit

Der Status einer Behinderung ist im Jahr 2010 mit 113.447 Anerkennungen zu 2014 mit 121.090 um 6,7 % angestiegen. Dies ist ein Zuwachs von 7.643 Personen (Abbildung 4.4).

Anzahl der Statusfeststellungen

Übersicht der Statusanerkennung einer Behinderung von 2010 bis 2014

100,000 75,000 50,000 25,000 0

GdB 30 GdB 40

2010 73,381 40,066

2011 76,030 42,034

2012 79,748 44,366

2013 76,139 43,219

2014 76,562 44,528 Jahr

Abbildung 4.4   Übersicht der Statusanerkennung einer Behinderung in Brandenburg in den Jahren 2010 bis 2014. (Eigene Darstellung in Anlehnung Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2011; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2012; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2013; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014)

Die Entwicklung der Fälle einer Statusanerkennung einer Schwerbehinderung ist um 6,6 % in den Jahren von 2010 zu 2014 angestiegen (Abbildung 4.5).

Anzahl der Statusfeststellungen

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

100,000 75,000 50,000 25,000 0 GdB 50 GdB 60 GdB 70 GdB 80 GdB 90 GdB 100

121

von 2010 bis 2014

2010 86,426 47,427 34,106 38,031 18,264 80,394

2011 90,096 47,505 33,214 36,997 17,504 76,478

2012 93,373 48,780 33,995 38,509 18,004 79,713

2013 93,863 49,128 33,940 39,448 18,207 80,589

2014 96,423 50,270 34,679 41,065 18,809 83,782 Jahr

Abbildung 4.5   Übersicht der Statusanerkennung einer Schwerbehinderung in Brandenburg in den Jahren 2010 bis 2014. (Eigene Darstellung in Anlehnung Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2011; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2012; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2013; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014)

Der Anteil einer anerkannten Schwerbehinderung im Jahr 2014 von 325.028 beträgt im Vergleich zu den anerkannten Behinderungen von 121.090 das 2,68 fache.44 So sind im Land Brandenburg, welches im Jahr 2014 insgesamt 2.457.872 Einwohner45 zählt, 13,2 % der gemeldeten Einwohner anerkannt schwerbehindert. Dabei ist anzunehmen, dass vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung dieser Trend fortgesetzt wird.46 Im Bundesdurchschnitt sind die Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und 64 Jahre anteilig zu 19 % durch die Versorgungsverwaltung anerkannt behindert, beziehungsweise schwerbehindert, im Sinne des § 2 SGB IX.47 Unter Berücksichtigung der demo-

44Vgl. Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014. 45Vgl. Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Brandenburger Sozialindikatoren 2018, S. 28. 46Vgl. Thole / Höblich / Ahmed, Taschenwörterbuch Soziale Arbeit, S. 58. 47Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 46.

122

4  Bedeutung von Arbeit

grafischen Entwicklung ist die Personengruppe mit Behinderung, welche sich in einem erwerbsfähigen Lebensalter befindet, eine potenzielle Ressource zur Kompensation des Fachkräftemangels. In der folgenden Tabelle sind die erfassten Statusanerkennungen einer Schwerbehinderung nach Alterskohorten differenziert aufgeführt (Tabelle 4.3). Tabelle 4.3   Anzahl anerkannter Schwerbehinderungen nach Lebensalter von 2010 bis 2014 in Brandenburg1 Jahr Lebensalter

2010

2011

2012

2013

2014

0 bis 6 Jahre

534

817

804

829

855

6 bis 15 Jahre

2.963

3.343

3.452

3.474

3.558

15 bis 25 Jahre

6.304

6.214

5.901

5.554

5.331

25 bis 35 Jahre

9.309

9.979

10.406

10.486

10.713

35 bis 45 Jahre

13.087

13.349

13.039

12.805

12.676

45 bis 55 Jahre

33.243

36.449

36.616

35.993

35.228

55 bis 60 Jahre

25.001

27.763

27.776

27.447

27.687

60 bis 65 Jahre 65 Jahre und älter

24.465

30.018

32.362

34.488

36.131

189.742

173.862

182.018

184.099

192.849

1Eigene

Darstellung in Anlehnung Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2011; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2012; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2013; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014.

Die Anzahl der anerkannten Schwerbehinderungen im Land Brandenburg sind seit dem Jahr 2010 steigend. Um einen Vergleich innerhalb dieser Personengruppe zu ermöglichen, werden drei Hauptkohorten gebildet: – minderjährigen Personen von null bis 15 Jahren, – erwerbstätigen Personen von 15 bis 65 Jahren und – Altersrentner ab 65 Jahren.48 48Für

Personen mit einer anerkannten Schwerbehinderung ist der Eintritt in die Altersrente mit 63 Jahren abschlagsfrei als Nachteilsausgleich möglich.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

123

Die Differenzierung der drei Hauptkohorten zeigt auf, dass die Alterskohorte der Personen im erwerbsfähigen Alter einen hohen Anstieg in den Jahren 2010 bis 2014 zu verzeichnen hat. Tabelle 4.4   Anzahl anerkannter Schwerbehinderungen nach Alterskohorte von 2010 bis 2014 in Brandenburg1 Jahr Kohortengruppe

2010

2011

2012

2013

2014

Kohorte A von 0 bis 15 Jahren

3.497

4.160

4.256

4.303

4.413

Kohorte B von 15 bis 65 Jahre

111.409

123.772

126.100

126.773

127.766

Kohorte C ab 65 Jahre

189.742

173.862

182.018

184.099

192.849

1Eigene Darstellung in Anlehnung Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2011; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2012; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2013; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014.

Die Kohorte A, welche die Personengruppe zwischen null bis 15 Jahren umfasst, also Kleinkinder und Jugendliche, ist entsprechend der obigen Tabelle 4.4 von 2010 bis 2014 um 26,2 % angestiegen. Die Kohorte C, die der ab 65-jährigen schwerbehinderten Personen, ist von 2010 bis 2014 marginal um 1,6 % angestiegen.49 Die Personengruppe, welche sich in einem erwerbsfähigen Lebensalter befindet, ist in Kohorte B abgebildet. Diese Kohorte gibt die Personen mit einer anerkannten Schwerbehinderungseigenschaft in einem Lebensalter zwischen 15 bis 65 Jahre wieder. Im Jahr 2010 wurde durch das Versorgungsamt, beziehungsweise durch die hierfür zuständige Behörde, bei 111.409 Personen eine Schwerbehinderteneigenschaft bescheinigt.50 Im Jahr 2014 sind bereits 127.766 Personen erfasst.51 Diese positive Entwicklung von 14,7 % 49Vgl.

Tabelle 4.4. Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010. 51Vgl. Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014. 50Vgl.

124

4  Bedeutung von Arbeit

k­ ennzeichnet den tatsächlichen und realen Bedarf an Maßnahmen zur Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes. Die Ursachen für die erheblichen Beeinträchtigungen beruhen im Allgemeinen auf Krankheiten und deren Folgen. Die erheblichen Ursachen für eine anerkannte Schwerbehinderung lassen sich in sechs Hauptkategorien einteilen: (1) die anerkannte Kriegs-, Wehrdienst- oder Zivildienstschädigung, (2) die angeborene Behinderung, (3) die Berufskrankheiten und Berufsunfälle, (4) die übrigen Unfälle, (5) die allgemeinen Krankheiten und (6) die sonstigen Ursachen (Tabelle 4.5). Tabelle 4.5   Anzahl der erheblichen Ursachen für eine anerkannte Schwerbehinderung von 2010 bis 2014 in Brandenburg1 Jahr

2010

2011

2012

2013

2014

Anerkannte Kriegs-, Wehrdienstoder Zivildienstschädigung

1.756

1.146

1.051

947

869

Angeborene Behinderungen

12.750

13.115

12.897

12.563

11.667

Berufskrankheiten und Berufsunfälle

3.104

2.543

2.465

2.338

2.420

Übrige Unfälle

5.841

4.097

6.699

3.887

4.568

Allgemeine Krankheiten

258.397

261.823

271.257

278.798

289.485

Sonstige Ursachen

22.800

19.070

18.005

16.642

16.019

Ursache

1Eigene Darstellung in Anlehnung Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2011; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2012; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2013; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014.

Aus den sechs Hauptursachen einer Schwerbehinderung ist ersichtlich, dass seit 2010 alle Ursachen bis auf die allgemeinen Krankheiten rückläufig sind. Die Gründe liegen beispielsweise in einer sicheren Weltgemeinschaft, medizinische Innovationen bei der Geburtsvorbereitung und in einer frühzeitigen Diagnose etwaiger Gesundheitsschäden, sowie umfassende gesetzliche Maßnahmen aus dem Arbeitsschutz heraus. Ein sehr bedenklicher Trend ist bei den allgemeinen Krankheiten, beispielsweise Krebs und Diabetes mellitus, festzustellen. Diese Art

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

125

der Ursache für eine anerkannte Behinderungseigenschaft ist um mehr als 12 % angestiegen.52 In der folgenden Tabelle wird die Art der Behinderung im bundesweiten Blickwinkel dargestellt. Hier wird gleichwohl der brandenburgische Trend bestätigt, dass in der Regel aus einer Krankheit eine Behinderung, beziehungsweise eine Beeinträchtigung, resultiert (Tabelle 4.6). Tabelle 4.6   Ursache der anerkannten Behinderung nach Gruppierungsmerkmalen1 GruppierungsMerkmal

Krankheit (%)

Geburt (%)

Unfall (%)

Sonstige Ursache (%)

Körperlich

85

2

2

11

Sinne

84

6

1

9

Psychisch

88

0

0

12

Geistig

44

51

0

5

Sonstiges

84

3

2

11

Insgesamt

83

4

2

11

1Eigene

Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 62.

In acht unterschiedlichen Kategorien kann die Art der Beeinträchtigung differenziert werden. In der folgenden Tabelle wird die Unterteilung für das Bundesland Brandenburg dargestellt (Tabelle 4.7).

52Vgl.

Tabelle 4.5.

126

4  Bedeutung von Arbeit

Tabelle 4.7   Anzahl der erheblichen Beeinträchtigungen für eine Schwerbehinderung von 2010 bis 2014 in Brandenburg1 Beeinträchtigung

Jahr

2010

2011

2012

2013

2014

Gliedmaßen

86.223

59.904

64.089

62.489

80.675

Stütz- und Bewegungsapparat

54.027

34.768

35.405

36.263

48.542

Augen, Ohren, Sprache

33.790

30.343

31.414

32.348

34.183

Herz-Kreislauf-System

21.621

23.512

23.329

22.590

19.078

Atmungs- und Verdauungsorgane

20.065

26.286

27.890

28.805

27.929

Sonstige innere Organe, Organsysteme

29.319

40.432

43.454

45.204

44.347

Geistige, nervliche und seelische Krankheiten

34.320

52.394

53.457

54.299

43.925

Sonstige Behinderungen

25.283

34.155

33.336

33.177

26.349

1Eigene

Darstellung in Anlehnung Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2011; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2012; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2013; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014.

4.1.2 Erwerbstätigkeit Die Erwerbstätigenquote stellt das Verhältnis von erwerbsfähigen Personen zu der Gesamtbevölkerung im arbeitsfähigen Lebensalter dar.53 Die Anzahl der erwerbsfähigen Personen ist insgesamt steigend. Im Jahr 1991 wurden 41,02 Mio. und im Jahr 2014 insgesamt 44,73 Mio. erwerbstätige Personen in Deutschland erfasst.54 Dieser erfreuliche Trend wird in der folgenden Abbildung nach einer bestehenden Behinderungseigenschaft und nach Geschlecht differenziert dargestellt (Abbildung 4.6).

53Vgl.

Blanchard / Illing, Makroökonomie, S. 180.

54Vgl.

Crößmann / Schüller, Arbeitsmarkt und Verdienste, S. 126 f.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

127

Erwerbstätigenquote nach Geschlecht Verteilung in %

100 80 60 40 20 0

Erwerbsquote Männer Erwerbsquote Frauen

Personen ohne Behinderung 83 75

Personen mit Behinderung 58 58 Personengruppe

Abbildung 4.6   Erwerbstätigenquote nach Geschlecht und Behinderung. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 132)

Die Quote der Erwerbstätigen ohne Behinderung liegt bei Männern bei 83 % und bei Frauen bei 75 %. Bei Personen mit Behinderung liegt die Erwerbstätigenquote jeweils bei 58 %. Mit steigendem Lebensalter steigt das Risiko der Erwerbslosigkeit. Personen mit Behinderung unterliegen hierbei einem höheren Risiko, welches in der folgenden Tabelle abgebildet wird (Tabelle 4.8).

Tabelle 4.8   Überblick der Erwerbstätigenquote nach Alter und Geschlecht1 Lebensalter

18 bis 24

Personen mit Behinderung

Personen ohne Behinderung

Männer (%)

Frauen (%)

Männer (%)

Frauen (%)





59

63

25 bis 49

70

70

91

79

50 bis 59

60

59

89

83

60 bis 64

37

29

61

44

Insgesamt

58

58

83

75

1Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 132.

128

4  Bedeutung von Arbeit

Die Erwerbstätigenquote im Geschlechtervergleich zeigt auf, dass sie bei Personen mit Behinderung bei einem Lebensalter zwischen 25 bis 49 und zwischen 50 und 59 Jahren nahezu identisch ist. Bei dem Personenkreis ohne Behinderung weisen die Frauen, bis auf die Altersgruppe zwischen 18 und 24 Jahren, eine geringere Erwerbstätigenquote auf. Im Allgemeinen ist die Entwicklung der Quote der Erwerbstätigkeit mit der Zunahme des Lebensalters bei Frauen und Männern – mit und ohne Behinderung – abnehmend, sodass eine Ableitung gesonderter geschlechterspezifischer Gegebenheiten nicht notwendig ist. Ungeachtet der Altersgruppe ist mit einem steigendem GdB von einer abnehmenden Erwerbstätigenquote auszugehen.55 Je höher die Bewertung des GdB erfolgt, desto geringer ist die Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – die Einschränkungen nehmen mit einem höheren GdB zu (Tabelle 4.9). Tabelle 4.9   Überblick der Erwerbstätigenquote nach GdB und Geschlecht1 Insgesamt (%)

Männer (%)

Frauen (%)

GdB unter 50

69

75

61

GdB 50 bis 80

45

44

46

GdB 90 bis 100

26

29

23

1Eigene

Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 133.

Die Inanspruchnahme von Teilzeit bei den erwerbsfähigen Personen mit und ohne Behinderung weichen nur geringfügig voneinander ab. Unterschiede sind lediglich in der Geschlechterrolle ersichtlich (Abbildung 4.7).

55Vgl. Jäger Kuhlmann / Zorn, Zehn Jahre UN-BKR – 40 Jahre inklusive Beschäftigung in Inklusionsfirmen, S. 116.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

Männer mit Behinderung

129

Männer ohne Behinderung 3%

5%

5%

7%

88%

92%

Frauen mit Behinderung

Frauen ohne Behinderung

14%

18%

28% 50%

32%

58%

Abbildung 4.7   Umfang der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit nach Geschlecht und Behinderung. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 135)

Die Abbildung zu der durchschnittlichen Arbeitszeit nach Geschlecht zeigt die noch immer existierende traditionell familiäre Rollenverteilung auf. Die Hauptgründe für eine Teilzeitbeschäftigung seitens der Frauen liegen hauptsächlich in den familiären Verpflichtungen.56 Bei Männern wird überwiegend eine Teilzeit-

56Vgl.

Troger, 7 Erfolgsfaktoren für wirksames Personalmanagement, S. 109; hierzu ebenfalls Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Beschäftigungsausblick, S. 79.

130

4  Bedeutung von Arbeit

beschäftigung aufgrund einer beruflichen Weiterentwicklung gewählt.57 Insgesamt betrachtet waren im Jahr 2010 mehr als eine Million Menschen mit dem Status einer anerkannten Schwerbehinderung auf dem Arbeitsmarkt bundesweit tätig.58

4.1.3 Verdienst Die Ausübung der Selbständigkeit kann im Voll- oder Nebenerwerb erfolgen. Eine Abgrenzung des Vollerwerbs vom Nebenerwerb ist nach dem Sozialversicherungsrecht möglich. Demnach wird im Sozialversicherungsrecht von einer Vollerwerbstätigkeit ausgegangen, wenn die Tätigkeit eine wirtschaftliche Bedeutung für den Selbständigen hat und der zeitliche Aufwand im Erwerbsmittelpunkt steht.59 Nach dem SGB IX wird im Rahmen der Erhebung der Ausgleichsabgabe von einem Arbeitsplatz ab 18 Wochenstunden (156 Abs. 3 SGB IX) ausgegangen. Gleichwohl definiert das SGB IX zur Inanspruchnahme der begleitenden Hilfe (§ 185 Abs. 2 SGB IX) einen Arbeitsplatz mit einem Umfang von mindestens 15 Wochenstunden. Nach dem SGB III60 muss ein anzuerkennender Arbeitsplatz ebenfalls mindestens 15 Wochenstunden (138 Abs. 5 SGB III) aufweisen. Mit der Betrachtung des monetären Aspektes kann im Allgemeinen dann von einer Haupttätigkeit ausgegangen werden, wenn die erzielten Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit die Hauptquelle der individuellen Einkünfte darstellen und diese zum Bestreiten des Lebensunterhaltes notwendig sind.61 Es ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass die Gründung einer Selbständigkeit im Vollerwerb das Erwerbseinkommen in einer angemessenen Höhe – mindestens zur Sicherung des Lebensunterhalts – abdecken muss.62 Wird durch

57Vgl.

Konrad-Adenauer-Stiftung, Soziale Marktwirtschaft, unter http://www.kas.de/wf/ de/71.12758/, [abgerufen am 20.12.2016]. 58Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 130. 59Vgl. Kay / May-Strobl / Maaß, Neue Ergebnisse der Existenzgründungsforschung, S. 60. 60Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594, 595), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581). 61Vgl. Manz / Hering, Existenzgründung und Existenzsicherung, S. 25. 62Vgl. Sauer, § 16 c Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen, 16 c Rn. 11; hierzu ebenfalls Kay / May-Strobl / Maaß, Neue Ergebnisse der Existenzgründungsforschung, S. 61.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

131

die Ausübung der selbständigen Tätigkeit nicht das notwendige Einkommen für den Lebensunterhalt erwirtschaftet, so ist von keiner Nachhaltigkeit auszugehen. Der allgemeine Bruttostundenverdienst liegt deutschlandweit durchschnittlich bei 20,02 Euro.63 In Brandenburg beträgt dieser 16,06 Euro.64 Der Grund für die Abweichung ist im unterschiedlichen Produktionsniveau und der gegebenen wirtschaftlichen Infrastruktur der einzelnen Bundesländer zu sehen. Im Flächenland Brandenburg sind die Verdienste für Arbeitnehmer sehr unterschiedlich verteilt. Zur Bewertung einer nachhaltigen Selbständigkeit durch die Institutionen und Behörden kann das Einkommensniveau der jeweiligen Region als Orientierungswert dienen. Durchschnittlich bezieht ein sozialversicherungspflichtiger Angestellter oder Arbeiter in Brandenburg jährlich 26.155 Euro brutto.65 Die kreisfreien Städte im Land Brandenburg – Frankfurt (Oder), Cottbus, Brandenburg an der Havel und Potsdam – weisen einen durchschnittlichen Jahresverdienst für Arbeitnehmer in Höhe von 27.527 Euro auf.66 Dabei ist Potsdam, aufgrund seiner regionalen Lage im Speckgürtel von Berlin, für eine Vielzahl von Unternehmen ein attraktiver Standort, sodass das durchschnittliche Bruttoeinkommen in der Landeshauptstadt mit 29.318 Euro am höchsten ausfällt.67 Die regionalen Wirtschaftsstrukturen in den jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten sowie die sich daraus ergebenen Erwerbsbeteiligungen sind als Hauptgründe für die stark abweichenden Verdienste anzusehen. Die öffentliche Verwaltung ist im Land Brandenburg ein attraktiver Arbeitgeber und zahlt ein vergleichsweise hohes Einkommen.68 Da der Großteil der öffentlichen Verwaltungen, insbesondere die Landesverwaltung, in den kreisfreien Städten angesiedelt ist, ist dies gleichfalls eine mögliche Erklärung für die hohen Durchschnittsverdienste im Vergleich zu den einzelnen Landkreisen. In der folgenden Abbildung wird das durchschnittliche Einkommen in den einzelnen Landkreisen und den kreisfreien Städten dargestellt (Abbildung 4.8).

63Vgl.

Crößmann / Schüller, Arbeitsmarkt und Verdienste, S. 143. ebd., S. 143. 65Vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung Nr. 278 vom 7. Oktober 2016, S.1. 66Vgl. ebd., S. 1. 67Vgl. ebd., S. 1. 68Vgl. ebd., S. 2. 64Vgl.

132

4  Bedeutung von Arbeit

Landkreise und kreisfreie Städte

Durchschnittsverdienste im Land Brandenburg

0

10.000

20.000

29.318

Potsdam

28.099

Teltow-Fläming

27.444

Brandenburg an der Havel

27.223

Dahme-Spreewald

27.144

Oberhavel

26.780

Cottbus

26.566

Frankfurt (Oder)

26.542

Oder-Spree

26.000

Spree-Neiße

25.785

Oberspreewald-Lausitz

25.626

Potsdam-Mittelmark

24.921

Uckermark

24.804

Märkisch-Oderland

24.746

Barnim

24.531

Ostprignitz-Ruppin

24.204

Elbe-Elster

23.633

Prignitz

22.585

Havelland

30.000

40.000 in Euro

Abbildung 4.8    Durchschnittliche Bruttolöhne und Bruttogehälter je Arbeitnehmer in Brandenburg 2014. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Amt für Statistik Berlin– Brandenburg, Pressemitteilung Nr. 278 vom 7. Oktober 2016)

Der Einkommensvergleich zwischen Personen mit und ohne Behinderung zeigt deutliche Unterschiede auf69, welche in der folgenden Abbildung dargestellt sind (Abbildung 4.9):

69Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 149.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

133

Lebensalter

Durchschnittliches Monatseinkommen in Deutschland 18 bis 64 Jahre 60 bis 64 Jahre 50 bis 59 Jahre 25 bis 45 Jahre 0

Personen ohne Behinderung Personen mit Behinderung

25 bis 45 Jahre

1.000 50 bis 59 Jahre

2.000 60 bis 64 Jahre

18 bis 64 Jahre

2.300

2.580

2.850

2.342

2.000

2.139

2.200

2.055

3.000

in Euro * Die Alterskohorte der 18 bis 24 Jahre wird in der Auswertung aufgrund geringer Fallzahlen vernachlässigt. Die Erfassung erfolgt bei Teil- und Vollzeitkräften.

Abbildung 4.9   Durchschnittliches monatliches Einkommen von Erwerbstätigen mit und ohne Behinderung. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 149)

Das durchschnittlich erzielte Monatseinkommen von Erwerbstätigen mit einer Behinderung ist in jeder Alterskohorte deutlich unter der von Erwerbstätigen ohne Behinderung. Der Grund des geringeren Einkommens liegt nicht in der vermehrten Inanspruchnahme von Teilzeit. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn liegt bei Personen mit Behinderung im Vergleich zu Personen ohne Behinderung auch bei gleichem Qualifikationsniveau niedriger.70 In der folgenden Abbildung sind die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne von Erwerbstätigen mit und ohne Behinderung nach Qualifikationsniveau gegenübergestellt (Abbildung 4.10).

70Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 137.

134

4  Bedeutung von Arbeit

Qualifikationsniveau

Durchschnittliche Stundenbruttolöhne deutschlandweit

0,00

Personen ohne Behinderung Personen mit Behinderung

5,00

10,00

15,00

20,00

25,00

Beruflicher Abschluss

Hochschulabschluss

Durchschnittlich

14,40

21,30

15,30

13,80

18,90

14,40 in Euro

Abbildung 4.10   Durchschnittliche Bruttostundenlöhne von Erwerbstätigen mit und ohne Behinderung nach Qualifikationsniveau. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 137)

Aufgrund der unterschiedlichen Einkommenssituation ist je nach Region ein unterschiedlicher finanzieller Standard zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben für ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben notwendig.71 Der geringere Verdienst bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit erschweren aber zusätzlich die Bewertung einer Nachhaltigkeit.72 Das Arbeitsvolumen eines Selbständigen ist nicht mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu vergleichen. Dies schlägt sich auch auf die Bewertung der Nachhaltigkeit nieder. Mehr als 53 % der Selbständigen arbeiten mehr als 48 Stunden in der Woche.73 Im Vergleich hierzu sind ledig-

71Vgl.

Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 38. 72Vgl. Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss), S. 9. 73Vgl. von Bülow, Arbeitslosigkeit, Sucht und Therapie, S. 21.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

135

lich 7 % der Beschäftigten, welche sich in einem sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnis befinden, über 48 Stunden die Woche beruflich tätig.74 In der frühen Nachgründungsphase fallen die Gewinne des Selbständigen gewöhnlich geringer aus als bei etablierten Unternehmen. Im Laufe der Zeit besteht jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Gewinne des Selbständigen den etablierten Unternehmen angleichen.75 Dieses zeigt, dass das Einkommen als Indikator einer Nachhaltigkeit nicht aussagekräftig ist. Aufgrund dieser Situation ist auch nicht das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG)76 als Orientierungsmaßstab anzusetzen.

4.1.4 Bevölkerung Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung sind im gesamten Bundesgebiet ersichtlich. Sie stellt den Arbeitsmarkt vor neue Herausforderungen. Die dynamische Entwicklung der Gesamtbevölkerung in Deutschland ist auch entsprechend im Land Brandenburg ersichtlich (Tabelle 4.10).

74Vgl.

Statistisches Bundesamt unter https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/ Indikatoren/QualitaetArbeit/Dimension3/3_2_UeberlangeArbeitszeiten.html, [abgerufen am 15.01.2016]. 75Vgl. Burmester, Einkommenssituation Selbständiger in der Europäischen Union, S. 283. 76Mindestlohngesetz vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2739).

136

4  Bedeutung von Arbeit

Tabelle 4.10   Einwohnerbestand Land Brandenburg1 Insgesamt

Männlich

Weiblich

Bevölkerung zum 31.12.2010 Land Brandenburg

2.503.273

1.240.553

1.262.720

Berliner Umland2

907.492

447.252

460.240

Weiterer Metropolraum3

1.595.781

793.301

802.480

Bundesrepublik Deutschland

81.751.602

40.112.425

41.639.177

%-tualer Anteil der Einwohner Brandenburg an der Gesamtbevölkerung Deutschlands Bevölkerung zum 31.12.2014

3,06

3,09

3,03

Land Brandenburg

2.457.872

1.210.474

1.247.398

Berliner Umland

932.379

456.811

475.568

Weiterer Metropolraum

1.525.493

753.663

771.830

Bundesrepublik Deutschland

81.197.537

39.835.457

41.362.080

%-tualer Anteil der Einwohner Brandenburg an der Gesamtbevölkerung Deutschlands

3,03

3,04

3,02

1Eigene Darstellung in Anlehnung an Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Brandenburger Sozialindikatoren 2016, S. 28; hierzu ebenfalls Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Brandenburg Sozial 2014, S. 1. 2Im Zusammenhang mit dem Landesentwicklungsplan (LEP) vom 31.03.2009 für die Region Berlin-Brandenburg ist vor dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Zusammenhangs der Randgebiete von Berlin, welche keine Landkreisstruktur aufweisen, für Analysezwecken als Berliner Umland definiert worden. 3Die Bezeichnung „weiterer Metropolraum“ umfasst das gesamte Bundesland Brandenburg, bei welcher das Berliner Umland nicht berücksichtigt wird.

Die rückläufige Einwohnerzahl von 2010 bis 2014 in Deutschland von 554.065 und im Land Brandenburg von 45.401 sind Indizien für die Notwendigkeit eines Perspektivenwechsels bezüglich des Teilhabegedankens.77 Neue Personalressourcen müssen für den Arbeitsmarkt erschlossen werden, um die zukünftigen wirtschaftlichen Anforderungen abdecken zu können. Die Tendenzen der demografischen Entwicklung sind im Land Brandenburg bei den kreisfreien Städten und bei den jeweiligen Landkreisen sehr unterschiedlich zu bewerten (Tabelle 4.11).

77Vgl.

Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Brandenburger Sozialindikatoren 2016, S. 28.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

137

Tabelle 4.11  Überblick zum Bevölkerungsstand Land Brandenburg nach Landkreisen und kreisfreien Städten1 Bevölkerung zum 31.12.2010

Bevölkerung zum 31.12.2014

Insgesamt

Weiblich

Insgesamt

Weiblich

Brandenburg an der Havel

71.778

36.495

71.032

36.115

Cottbus

102.091

51.836

99.491

50.597

Frankfurt (Oder)

60.330

31.021

57.649

30.062

Potsdam

156.906

80.865

164.042

85.334

Barnim

176.848

88.906

174.981

88.464

Dahme-Spreewald

161.805

81.442

161.952

81.868

Elbe-Elster

111.975

56.400

104.997

53.171

Havelland

154.891

78.255

155.408

78.631

Märkisch-Oderland

190.502

95.409

188.422

95.028

Oberhavel

203.124

102.663

204.898

103.979

OberspreewaldLausitz

121.679

61.654

112.896

57.530

Oder-Spree

183.859

92.264

177.823

90.193

Ostprignitz-Ruppin

102.868

Potsdam-Mittelmark 205.070

51.449

98.886

49.744

103.394

207.498

104.785

Prignitz

82.023

41.572

77.550

39.232

Spree-Neiße

126.400

63.125

118.030

59.887

Teltow-Fläming

161.386

81.030

161.488

81.206

Uckermark

129.738

64.940

120.829

61.572

Land Brandenburg

1.262.720

2.457.872

1.247.398

Berliner Umland

907.492

2.503.273

460.240

932.379

475.568

weiterer Metropolraum

1.595.781

802.480

1.525.493

771.830

1Eigene

Darstellung in Anlehnung an Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Brandenburger Sozialindikatoren 2016, S. 28.

Mit der Aufteilung des Landes Brandenburgs in 21 Vergleichsregionen – zuzüglich Brandenburg gesamt – erfahren sieben Regionen einen Bevölkerungszuwachs zwischen 2010 und 2014. So ist Potsdam mit 4,5 %, das Berliner Umland

138

4  Bedeutung von Arbeit

mit 2,7 %, Potsdam-Mittelmark mit 1,2 %, Oberhavel mit 0,9 %, Havelland mit 0,3 %, Dahme-Spreewald mit 0,1 % und Teltow-Fläming mit 0,1 % zu nennen. Rückläufig ist der Bevölkerungsstand in Brandenburg an der Havel mit −1,0 %, Barnim mit −1,1 %, Märkisch-Oderland mit −1,1 %, Cottbus mit −2,6 %, OderSpree mit −3,3 %, Ostprignitz-Ruppin mit −4,0 %, Frankfurt (Oder) mit −4,5 %, Prignitz mit −5,7 %, Elbe-Elster mit −6,6 %, Spree-Neiße mit −7,1 %, Uckermark mit -7,3 % und im Landkreis Oberspreewald-Lausitz mit −7,7 %.78 Für die Regionen mit einer rückläufigen Einwohnerzahl ist es wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, welche die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so beeinflussen, dass der Einwohnerrückgang sich nicht unmittelbar auf die bestehende Wirtschaftsleistung auswirkt. In der Aufteilung des Bundeslandes Brandenburg in Berliner Umland und in einen weiteren Metropolraum, welcher die Landkreise und kreisfreien Städte außerhalb des Berliner Umlands umfasst, sind folgende Entwicklungen erkennbar: Das Berliner Umland hat einen Bevölkerungszuwachs zwischen 2010 und 2014 von insgesamt 24.887 Einwohnern erfahren.79 Bei allen weiteren Regionen in Brandenburg, welche unter der Rubrik weiterer Metropolraum zusammengefasst wurden, ist einen Bevölkerungsrückgang von 70.288 Einwohnern ersichtlich.80 In Summe des Berliner Umlandes und des weiteren Metropolraumes ist ein Gesamtrückgang von 45.401 Einwohnern zu verzeichnen.81 Die Entwicklung im Land Brandenburg ist gekennzeichnet durch einen Einwohnerrückgang82 mit einem gleichzeitigen Anstieg von Einwohnern mit Behinderung83. Zum 31.12.2016 wurden in der Bundesrepublik Deutschland

78Vgl.

Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Brandenburger Sozialindikatoren 2016, S. 28. 79Vgl. ebd., S. 28. 80Vgl. ebd., S. 28. 81Vgl. ebd., S. 28. 82Vgl. ebd., S. 28. 83Vgl. Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2011; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2012; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2013; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

139

durch die Versorgungsverwaltungen rund 8,7 Mio. Personen mit einer Schwerbehinderteneigenschaft ab einem GdB von 50 registriert.84 Zum 31.12.2015 waren es vergleichsweise noch 7,6 Mio. Personen.85 Bei der Gesamtbetrachtung einer Behinderung mit einem Grad von 20 bis 100 sind zum 31.12.2016 insgesamt 14.115.662 Personen registriert.86 Dies entspricht mit 82.170.180 Einwohnern87 einem Anteil von 17,2 % an der Gesamtbevölkerung Deutschlands (Stand 31.12.2016). Der Anteil von Personen mit einer Schwerbehinderteneigenschaft in den einzelnen Bundesländern fällt unterschiedlich aus. Bundesweit beträgt dieser durchschnittlich 10,6 %.88 Der Anteil in Brandenburg ist sehr hoch und beträgt 13,3 %.89 Lediglich Mecklenburg-Vorpommern mit 13,4 % und das Saarland mit 15,7 % weisen einen höheren Anteil auf.90 Weiterhin ist bei dem Personenkreis mit Behinderung ersichtlich, dass überwiegend ältere Personen aufgrund ihres Lebensalters körperliche, seelische oder geistige Einschränkungen, beziehungsweise Funktionsstörungen aufweisen. Ungefähr ¾ der Personen sind über 55 Jahre alt.91 Je nachdem, in welchem Umfang die Behinderung und mit welcher Auswirkung diese eine Teilhabe beeinträchtigt, sind unterschiedliche Unterstützungsmaßnahmen für eine Inklusion notwendig. Eine wirtschaftlich nachhaltige selbständige Existenz ist für Personen mit Behinderung grundsätzlich möglich. Die Theorie des inklusiven Arbeitsmarktes sieht vor, dass niemand vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden darf.

84Vgl.

Anlage, Tagung der Leiterinnen und Leiter der Versorgungsverwaltungen der Bundesländer vom 26.09.2017 bis 27.09.2017 in Hildesheim, Sitzungsunterlage zu den Statistiken der Bundesländer zum Sozialen Entschädigungsrecht und Schwerbehindertenrecht, S. 18. 85Vgl. Statistisches Bundesamt, Statistik der schwerbehinderten Menschen 2015, S. 5. 86Vgl. Anlage, Tagung der Leiterinnen und Leiter der Versorgungsverwaltungen der Bundesländer vom 26.09.2017 bis 27.09.2017 in Hildesheim, Sitzungsunterlage zu den Statistiken der Bundesländer zum Sozialen Entschädigungsrecht und Schwerbehindertenrecht, S. 18. 87Vgl. ebd., S. 18. 88Vgl. ebd., S. 18. 89Vgl. ebd., S. 18. 90Vgl. ebd., S. 18. 91Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, ZB Behinderung und Beruf, Nr. 4/2016, S. 4; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Situation schwerbehinderter Menschen, Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt | April 2017, S. 5.

140

4  Bedeutung von Arbeit

4.1.5 Arbeitszufriedenheit Durch die Internationale Arbeitsorganisation wurde bereits im Jahr 1985 mit dem Übereinkommen 159, insbesondere mit dem Art. 9 rechtlich verankert, dass für Personen mit Behinderung ein zusätzliches Beratungsangebot zur Teilhabe am Arbeitsleben vorzuhalten ist.92 Durch eine qualitative Beratung und Unterstützung werden nicht nur Arbeitsmarktbarrieren gesenkt, sondern es soll der Personenkreis mit Behinderung ebenfalls ermutigt werden, sich aktiv im Arbeitsleben miteinzubringen. Die Erkenntnis einer positiven Arbeitszufriedenheit ist ein Indiz und lässt Rückschlüsse auf eine positive Lebenseinstellung zu. Arbeitszufriedenheit ist grundsätzlich ein subjektives Kriterium, welches sich an den Ansichten, Vorstellungen und Wünschen der erwerbstätigen Person selbst orientiert (Abbildung 4.11). Arbeitszufriedenheit erwerbstätiger Personen

Verteilung in %

100 80 60 40 20 0

Zufrieden Mittelmäßig zufrieden Unzufrieden

Menschen mit Behinderung 52 30 18

Menschen ohne Behinderung 67 26 7

Personengruppe

Abbildung 4.11    Arbeitszufriedenheit der erwerbstätigen Personen mit und ohne Behinderung. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 139)

92Vgl.

Internationale Arbeitsorganisation, Übereinkommen 159, Art. 9, unter http://www. ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_norm/---normes/documents/normativeinstrument/ wcms_c159_de. htm, [abgerufen am 24.07.2019].

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

141

Eine Betrachtung des Ausmaßes einer zufriedenen Grundstimmung zur Arbeit selbst zeigt, dass zwischen Personen mit und ohne Behinderung eine Differenz besteht. So sind lediglich 52 % der Personen mit Behinderung und 67 % der Personen ohne Behinderung mit ihrer beruflichen Arbeitssituation zufrieden.93 Der Unterschied von 15 % kann in einer mangelnden Teilhabe am gesellschaftlichen Leben begründet sein und somit auch in einer unzureichenden Integration in den Arbeitsmarkt. Die Bewertung einer Unzufriedenheit weicht mit 11 % bei Personen mit Behinderung zu deren ohne Behinderung ab. Das Gefühl einer selbstbestimmten Lebensführung wird in diesem Zusammenhang von 15 % aller Personen mit Behinderung als ausbaufähig bewertet.94 Die hohe Arbeitsunzufriedenheitsquote und das Gefühl einer nicht zureichend selbstbestimmten Lebensführung belegen die Wichtigkeit, die Inklusion voranzutreiben.

4.1.6 Qualifizierung Das schulische Bildungsniveau ist bei Personen mit Behinderung zwischen dem 20. und 64. Lebensjahr dadurch charakterisiert, dass lediglich jeder Zweite ein einfaches Bildungsniveau aufweist.95 Unter einem einfachen Bildungsniveau ist in diesem Sinne maximal der Hauptschulabschluss zu sehen. Bei Personen ohne Behinderung, unter Berücksichtigung derselben Altersspanne, weist lediglich jeder Dritte ein einfaches Bildungsniveau auf (Abbildung 4.12).96

93Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 139. 94Vgl. ebd., S. 182. 95Vgl. ebd., S. 111. 96Vgl. ebd., S. 111.

142

4  Bedeutung von Arbeit

Verteilung in %

Bildungsniveau von Personen mit und ohne Behinderung im Lebensalter von 30 bis 64 Jahren 100 75 50 25 0

Studium oder Promotion Höherer beruflicher Abschluss Mittlerer beruflicher Abschluss Kein beruflicher Abschluss

Personen mit Behinderung 14

Personen ohne Behinderung 24

7

9

60

56

19

11 Personengruppe

Abbildung 4.12   Vergleich des Bildungsniveaus von Personen mit und ohne Behinderung. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 117)

Bei der Personengruppe mit Behinderung haben 19 % keinen Berufsschulabschluss.97 Dies betrifft quantitativ fast jede fünfte Person mit Behinderung. Im Vergleich hierzu weist durchschnittlich nur jeder Zehnte ohne Behinderung einen fehlenden beruflichen Abschluss auf. Dies impliziert, dass Personen mit Behinderung ungünstigen Bedingungen für die Erlangung einer Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt unterliegen. Mit steigendem GdB geht auch die Gefahr einher, keine Ausbildung abschließen zu können (Tabelle 4.12).98

97Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 117. 98Vgl. ebd., S. 120.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

143

Tabelle 4.12   Überblick der Personen mit Behinderung unter Differenzierung des GdB und den innehabenden Berufsabschluss1 Anerkannter GdB

Anteil ohne einen Berufsabschluss (%)

GdB < 50

17

GdB von 50 bis 80

21

GdB > 90

27

1Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 120.

Die folgende Abbildung zeigt das Strukturmerkmal der Qualifizierung zwischen arbeitssuchenden Personen mit und ohne Behinderung auf (Abbildung 4.13). Qualifizierung arbeitssuchender Personen Verteilung in %

100 75 50 25 0

Arbeitssuchende Personen mit Behinderung Arbeitssuchende Personen ohne Behinderung

Ohne Berufsausbildung

Betriebliche / schulische Berufsausbildung

Akademische Berufsausbildung

41

55

5

46

46

7 Qualifizierung

Abbildung 4.13    Qualifizierung arbeitssuchender Personen. (Eigene Darstellung in Anlehnung Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktberichterstattung, Der Arbeitsmarkt in Deutschland – Die Arbeitssituation von schwerbehinderten Menschen, S. 10)

Die Qualifizierung der arbeitssuchenden Personen mit und ohne Behinderung sind annähernd identisch. Lediglich bei der Berufsausbildung weist der Personenkreis mit Behinderung einen höheren Anteil auf. So haben 55 % der arbeitslosen Personen mit Behinderung eine betriebliche oder eine schulische Berufsaus-

144

4  Bedeutung von Arbeit

bildung.99 Bei arbeitssuchenden Personen ohne Behinderung umfasst der Anteil lediglich 46 %.100 Die akademische Ausbildung zeigt ein anderes Verhältnis auf. So weisen arbeitslose Personen mit Behinderung mit zwei Prozentpunkten weniger eine akademische Ausbildung zu den Personen ohne Behinderung auf.101 41 % der gemeldeten arbeitslosen Personen mit Behinderung weisen keine abgeschlossene Berufsausbildung auf.102 Der Anteil bei der Personengruppe ohne Behinderung liegt um fünf Prozentpunkte höher.103 Diese Verteilung lässt Rückschlüsse auf die Motivation zu. Menschen mit einer Behinderung haben i. d. R. eine höhere Motivation für eine selbständige Lebensführung – ohne Unterstützung Dritter.104 Die Motivation als Motor für die Erlangung einer notwendigen Qualifikation ist Voraussetzung für die Gewährleistung einer langfristigen Integration auf den Arbeitsmarkt. Im Bereich der betrieblichen und schulischen Ausbildung wird dies besonders deutlich, da hier ein Unterschied von neun Prozentpunkten zu Gunsten der Personengruppe mit Behinderung besteht.105 Die Erstausbildung bei Personen mit Behinderung erfolgt überwiegend in den Branchen der Landwirtschaft und der Hauswirtschaft.106 Beide Branchen sind durch einfache Tätigkeiten gekennzeichnet. Ausbildungsstellen, welche hohe Einstiegsvoraussetzungen in Bezug auf die praktischen Anforderungen mit sich bringen – sowohl körperlich als auch kognitiv – sind aufgrund von zum Teil bestehenden Vorurteilen einer mangelnden Leistungsfähigkeit und einer unzureichenden Belastbarkeit kaum von Personen mit Behinderung besetzt.107

99Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktberichterstattung, Der Arbeitsmarkt in Deutschland – Die Arbeitssituation von schwerbehinderten Menschen, S. 10. 100Vgl. ebd., S. 10. 101Vgl. ebd., S. 10. 102Vgl. ebd., S. 10. 103Vgl. ebd., S. 10. 104Vgl. Dieterich, Berufliche Vorbereitung und Berufsbildung, S.  121; hierzu ebenfalls Jäger Kuhlmann / Zorn, Zehn Jahre UN-BKR – 40 Jahre inklusive Beschäftigung in Inklusionsfirmen, S. 116. 105Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktberichterstattung, Der Arbeitsmarkt in Deutschland – Die Arbeitssituation von schwerbehinderten Menschen, S. 10. 106Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 104. 107Vgl. Mattner, Behinderte Menschen in der Gesellschaft, S. 97; hierzu ebenfalls Tröster, Einstellungen und Verhalten gegenüber Behinderten, S. 15; hierzu ebenfalls Asbrock, Die Systematik diskriminierenden Verhaltens gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, S. 51.

4.1  Rahmenbedingungen von Existenzgründer …

145

So ist beispielsweise selbst die öffentliche Verwaltung, die sonst eine Vorbildfunktion innehat, mit einer Ausbildungsquote von 0 % zu nennen.108 Der Vergleich zwischen den jeweiligen Geschlechtern lässt differenzierte Aussagen zu. So zeigt beispielsweise die Branche der Hauswirtschaft auf, dass 40 % der Frauen mit einer Behinderung und lediglich 3 % der Männer mit einer Behinderung eine entsprechende Berufsausbildung im Sinne des § 66 Berufsbildungsgesetz (BBiG)109 absolvieren.110 Das Verhältnis sieht in den Branchen Handwerk und Landwirtschaft gleich aus.111 Hier streben überwiegend Männer mit einer Behinderung eine Ausbildung an. Die Ausbildung in den Branchen Industrie und Handel sind hingegen zwischen den Geschlechtern weitgehend ausgewogen verteilt (Abbildung 4.14).112

Verteilung in %

Verteilung der Branchen bei der Ausbildung von Personen mit Behinderung 100 80

60 40 20 0

Öffentlicher Dienst Hauswirtschaft Industrie und Handel Landwirtschaft Handwerk

Männer 0 3 41 19 37

Frauen 0 40 45 7 8 Personengruppe

Abbildung 4.14   Verteilung der Branchen bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen mit Personen mit Behinderung. (Eigene Darstellung in Anlehnung Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 104) 108Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 104. 109Berufsbildungsgesetz vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931), zuletzt geändert durch Art. 14 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581). 110Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 104. 111Vgl. ebd., S. 104. 112Vgl. ebd., S. 104.

146

4  Bedeutung von Arbeit

Die Hochschulqualifikation liegt bei Personen mit Behinderung, welche eine Studienerschwernis angezeigt haben, bei 7 %.113 Diese Quote ist gleichfalls identisch bei Personen mit einer Behinderung, welche ohne eine Studienerschwernis den angestrebten Abschluss erreicht haben.114 Ein weiteres Merkmal, welches bei Studierenden mit Behinderung zu nennen ist, ist der relativ häufige Wechsel des Studiengangs.115 So wechseln 28 % der Studierenden mit Behinderung und mit einer Studienerschwernis und lediglich 16 % der Studierenden ohne Behinderung den Studiengang.116 Dies ist ein Indiz dafür, dass potenzielle Studenten – insbesondere mit einer Behinderung – vor Aufnahme eines Studiums die noch immer bestehenden Barrieren in ihrer Auswirkung unterschätzen, beziehungsweise nicht vorhersehen können.117

4.2 Gründergeschehen Im Land Brandenburg sind die gesellschaftlichen, institutionellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Existenzgründer insgesamt als gut zu bezeichnen. Die Motivation von Existenzgründungen ist aber sehr unterschiedlich. So ist beispielsweise nach der Auffassung von SCHUMPETER der Existenzgründer als Pionier zu sehen, welcher durch die kreative Zerstörung neue Märkte entwickelt (vgl. Abschnitt 1.3.7.1.).118 Der Unternehmensgründer ist entsprechend dieser Perspektive für eine Dynamisierung der Käufermärkte und für die Entwicklung der Branchen mitverantwortlich. Die Praxis zeigt aber auch Unternehmensgründungen auf, welche keinen innovativen Charakter in sich tragen. Sie werden vielmehr vor dem Hintergrund der Arbeitsplatzsicherung und für die Generierung eines angemessenen Erwerbseinkommens gegründet.119 Für Existenzgründer 113Vgl.

Bundesministerium für Bildung und Forschung, Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012, S. 453. 114Vgl. ebd., S. 453. 115Vgl. Deutsches Institut für Menschenrecht, ­ Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 33. 116Vgl. ebd., S. 465. 117Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012, S. 465; hierzu ebenfalls Aktion Mensch, Menschen, S. 8 f. 118Vgl.

Rüggeberg, Strategisches Markteintrittsverhalten junger Technologieunternehmen, S. 15. 119Vgl. Kay / May-Strobl / Maaß, Neue Ergebnisse der Existenzgründungsforschung, S. 57.

4.2 Gründergeschehen

147

mit Behinderung kann zusätzlich die Motivation einer selbstbestimmten Lebensführung, unabhängig vom Fürsorgesystem, unterstellt werden. Die Wahl für die selbständige Tätigkeit wird vorrangig aufgrund der zeitlichen Disponibilität und der individuellen ­Arbeitsplatz- und Prozessgestaltung gewählt. Der Existenzgründer mit Behinderung ist eigenständig für seine Unternehmung verantwortlich und auch niemandem eine Rechenschaft für die individuelle Selbstorganisation schuldig. In den letzten 20 Jahren ist der Anteil der Erwerbstätigen, welche sich in einer Selbständigkeit befinden, rückläufig. Der anteilige Rückgang im Jahr 1994 von 5,2 % bis zum Jahr 2014 auf 4,7 % kennzeichnet den allgemeinen Trend vor dem Hintergrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen und Fachkräftesicherungsmaßnahmen, sodass die Motivation zur Existenzgründung gesunken ist.120 In einer Volkswirtschaft wird der Unternehmensbestand durch Gründungen gesichert und zugleich modernisiert. Das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen werden bei gleichzeitiger Erhöhung der Wettbewerbsintensität erreicht. Mit der Beendigung der IV. Förderperiode des Existenzgründungsförderungsprogramms am 31.12.2014 wurde neben der jährlichen Evaluierung auch eine Gesamtevaluierung durchgeführt.121 Bei der Gesamt-

120Vgl.

Crößmann / Schüller, Arbeitsmarkt und Verdienste, S. 133. Experteninterview Zukunftsagentur Brandenburg vom 18.04.2016.

121Vgl. Anlage,

148

4  Bedeutung von Arbeit

evaluierung sind alle Gründer angeschrieben worden, welche eine Unterstützung aus der Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg innerhalb der Jahre 2010 bis 2014 erhalten haben (Tabelle 4.13). Tabelle 4.13   Verbleibstatistik zur Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg, IV. Förderperiode1 Verbleibstatistik IV. Förderperiode der Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg

Anzahl der Befragungen geförderter Gründer am Ende der Maßnahme (01.01.2010 bis 31.12.2014)

Gründungswerkstätten

460 angeschrieben, davon 320 Rückläufe

Gründungsservice Hochschule

488 angeschrieben, davon 387 Rückläufe

Regionale Lotsendienste

3.778 angeschrieben, davon 3.190 Rückläufe

Gesamt

4.726 angeschrieben, davon 3.897 Rückläufe

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Gründerwerkstätten gesamt; Verbleibstatistik Hochschulen gesamt; Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt.

In der Verbleibstatistik sind alle Gründer enthalten, die an dem Existenzgründungsförderungsprogramm des Landes Brandenburgs teilgenommen haben. Das bedeutet, dass auch Personen enthalten sind, die ihre Selbständigkeit aufgegeben haben (Tabelle 4.14).122

122Vgl. Anlage,

Experteninterview Zukunftsagentur Brandenburg vom 18.04.2016.

4.2 Gründergeschehen

149

Tabelle 4.14   Verbleibstatistik zur Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg, IV. Förderperiode, Berufliche Situation1 Verbleibstatistik IV. Förderperiode der Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg

Selbständigkeit im Haupterwerb

Gründungswerkstätten 212 Gründungsservice Hochschule

152

Selbständigkeit im Nebenerwerb

Abbruch der Selbständigkeit

42

66

130

105

Regionale Lotsendienste

2.555

165

470

Gesamt

2.919

337

641

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Gründerwerkstätten gesamt; Verbleibstatistik Hochschulen gesamt; Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt.

Insgesamt sind neben den 4.726 angeschriebenen Gründern 2.057 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und 52 Ausbildungsplätze entstanden (Tabelle 4.15).123 Tabelle 4.15   Verbleibstatistik zur Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg, IV. Förderperiode, Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze1 Verbleibstatistik IV. Förderperiode der Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg

Anzahl Anzahl Mitarbeiter Auszubildende

Gründungswerkstätten

131

2

30

0

Gründungsservice Hochschule Regionale Lotsendienste

1.896

50

Gesamt

2.057

52

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Gründerwerkstätten gesamt; Verbleibstatistik Hochschulen gesamt; Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt. 123Eigene

Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Gründerwerkstätten gesamt; Verbleibstatistik Hochschulen gesamt; Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt.

150

4  Bedeutung von Arbeit

Das Ziel der Fachkräftesicherung und der Ausbau der wirtschaftlichen Infrastruktur werden durch Unternehmensneugründungen positiv beeinflusst.124 Die damit einhergehende Technologiediffusion zwingt auch vorhandene Unternehmen, ihre Prozesse und Produkte anzupassen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.125 Das Vorantreiben der Produkt- und Prozessinnovation führt zu einer flexibleren und produktiveren Arbeit. Der dadurch entstehende indirekte Anpassungs- und Innovationsdruck tangiert alle wirtschaftlichen Marktakteure.126

124Vgl. Creuznacher, Persönlichkeitsentfaltung zu unternehmerischen Kompetenzen in Schule und Universität, S. 3; hierzu ebenfalls Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Starthilfe, S. 6. 125Vgl. KFW–Research, Gründungsförderung in Theorie und Praxis, S. I. 126Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Weissbuch, S. 18.

5

Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Auf der Bundes- und Landesebene existiert eine Vielzahl an Fördermöglichkeiten für Existenzgründer. Zur besseren Darstellung der Fördermöglichkeiten werden sie in dieser Arbeit in drei Bereiche unterteilt. Der erste Bereich beinhaltet Maßnahmen der Kommunikation, Motivation und Beratung für eine Existenzgründung. Der zweite Bereich umfasst alle Fördermöglichkeiten der Qualifizierung und des Coachings und der dritte Bereich enthält alle Unterstützungsmöglichkeiten der Finanzierung zur Umsetzung des Vorhabens. Bevor die besonderen Unterstützungsmaßnahmen für Existenzgründer mit Behinderung beschrieben werden, werden zuvor die allgemeinen Fördermöglichkeiten seitens des Bundes und des Landes Brandenburg − unterteilt in die drei Bereiche – dargelegt. Im ersten Bereich − Kommunikation, Motivation und Beratung − nimmt der Informationstransfer eine zentrale Funktion ein, um zu dem komplexen Vorhaben einer Existenzgründung zu motivieren. Der Bund bietet verschiedene Fördermaßnahmen für die Beratung im Rahmen einer Selbständigkeit an. So fördert beispielsweise das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle diverse Informations- und Schulungsveranstaltungen1 und eine spezifische Gründungsberatung für Handwerksunternehmen2. Um eine flächendeckende Beratungsleistung zu ermöglichen, werden ebenfalls ansässige Unternehmensberater, die eine Gründungsberatung durchführen, gefördert.3 Das EXISTProgramm, welches durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

1Vgl.

Haufe Kompass, Existenzgründung, S. 28. ebd., S. 24. 3Vgl. Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg, Wirtschaftsförderung im Land Brandenburg, S. 31; hierzu ebenfalls Haufe Kompass, Existenzgründung, S. 25. 2Vgl.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 N. Franzke, Existenzgründung schwerbehinderter Menschen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31230-5_5

151

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5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

finanziert wird, soll Existenzgründungen direkt im Anschluss an das Hochschulstudium ermöglichen.4 Auch im Land Brandenburg wird mit dem Existenzgründungsförderprogramm in der Säule I – Information, Sensibilisierung und Mobilisierung − mit Überschneidungen zur Säule II – Beratung, Qualifizierung und Coaching – die Gründungsberatung gefördert.5 Der Schwerpunkt der Säule I liegt in der Sensibilisierung und in der Motivation für den Schritt in die Selbständigkeit. Maßnahmen sind die Deutschen Gründer- und Unternehmertage (deGUT)6, der Business-Plan-Wettbewerb Berlin / Brandenburg (BPW)7, der Unternehmerinnen- und Gründerinnentag mit Wettbewerb (UGT)8 und Schule & Wirtschaft – Vermittlung des Unternehmergeistes an Schulen. Die regionalen Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen (regionale Lotsendienste, Gründungsservice an den Hochschulen, Gründungswerkstätten) stellen die Schnittstelle zu Säule II dar. Die Umsetzung der regionalen Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ist in der gemeinsamen Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen im Land Brandenburg vom 15.09.2014 näher definiert.9 In der vorliegenden Arbeit wird die IV. Förderperiode der Existenzgründungen von Menschen mit Behinderung untersucht. Aus diesem Grunde bezieht sich die vorliegende Arbeit auf die Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom

4Vgl. Haufe Kompass, Existenzgründung, S. 22; hierzu ebenfalls Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unter http://www.exist.de/DE/Home/inhalt.html, [abgerufen am 13.07.2018]. 5Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Übersicht Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg aus ESF/ EFRE in der Förderperiode 2014-2020 unter https://msgiv.brandenburg.de/sixcms/media. php/9/existenzgruendungsfoerderung_lb_kurz_042017.pdf, [abgerufen am 24.04.2020]. 6Vgl. Kletzsch, Crowdinvesting, S. 142 f. 7Vgl. Hausmann / Liegel / Heinze, Gründungsfinanzierung in der Kultur- und Kreativwirtschaft, S. 55. 8Vgl. Haufe Kompass, Existenzgründung, S. 18; hierzu ebenfalls KfW Mittelstandsbank unter https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Unternehmen−erweitern− festigen/Finanzierungsangebote/ERP−Beteiligungsprogramm−(100−104)/, [abgerufen am 13.07.2018]. 9Vgl. Gemeinsame Richtlinie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie und des Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen im Land Brandenburg vom 15. September 2014, Amtsblatt für Brandenburg – Nr. 41 vom 08.10.2014, S. 1261 ff.

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

153

30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013.10 Die Richtlinie beinhaltet unter anderem eine zielgruppenspezifische und individuelle Beratungsleistung für Existenzgründer. Mit ihr wird der Beratungsservice für junge Existenzgründer durch die Gründungswerkstatt, für Akademiker an den Hochschulen und für Facharbeiter beim Lotsendienst finanziert.11 Der zweite Bereich der Existenzgründungsförderung sieht Fördermöglichkeiten der Qualifizierung und des Coachings vor. Auf Bundesebene fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie diverse Beratungs- und Coaching-Leistungen. In der Vorgründungsphase verweist das Bundes­ ministerium auf unterschiedliche regionale Beratungseinrichtungen, wie beispielsweise: • • • •

die Industrie- und Handelskammer (IHK), die Handwerkskammer (HWK), die regionale Wirtschaftsförderung oder auf landesspezifische Gründungsinitiativen.12

Eine direkte Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erfolgt hier nicht. In der Nachgründungsphase besteht aber die Möglichkeit eines Coachings durch das Programm − Förderung unternehmerischen K ­ now-hows – um sich in den Marktstrukturen zu festigen und sich konkurrenzfest aufzustellen.13 Umfangreiche Qualifizierungsseminare für Existenzgründer werden unter bestimmten Voraussetzungen vor der Gründungsphase von der Agentur für Arbeit angeboten.14 Die KfW Bankengruppe fördert mit dem Gründercoaching bundesweit Existenzgründer, welche aus der Arbeitslosigkeit den Schritt in die Selbständigkeit wagen. Ebenfalls werden mit Hilfe des Gründercoachings Existenzgründungen gefördert, die einer schwierigen Markt- und

10Vgl.

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013. 11Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, I. 2. 12Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Starthilfe, S. 14. 13Vgl. ebd., S. 14. 14Vgl. ebd., S. 20.

154

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Gründersituation in den ersten fünf Jahren unterliegen.15 In der folgenden Tabelle werden die Institutionen auf Bundesebene, welche Beratungs- und Coachingsleistungen fördern, dargestellt (Tabelle 5.1). Tabelle 5.1   Überblick der Beratungsmöglichkeiten des Bundes1 Institution

Leistung

Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)

Beratungsförderung

KfW Bankengruppe

Beratung zu Förderprogrammen

Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e. V.

Datenbank mit Adressen von Unternehmensberatern

Bundesverband der Wirtschaftsberater BVW Datenbank mit Adressen von Wirtschaftse. V. beratern VBV – Vereinigung beratender Betriebsund Volkswirte e. V.

Datenbank mit Adressen von beratenden Betriebs- und Volkswirten

Bundesverband der Freien Berufe e. V. Institut für Freie Berufe (IFB)

Informationen und Links für freiberufliche Existenzgründer

Bundesarbeitsgemeinschaft der Wirtschafts- Seniorberater Senioren ALT HILFT JUNG 1Eigene

Darstellung in Anlehnung an Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Starthilfe, S. 97.

Das Land Brandenburg sieht unterschiedliche Fördermöglichkeiten der Qualifizierung und des Coachings vor. Wie bereits im ersten Bereich − Kommunikation, Motivation und Beratung – dargelegt, gibt es eine enge Verzahnung mit dem zweiten Bereich − Qualifizierung und Coaching. Neben der zielgruppenspezifischen Förderung von Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen über regionale Anlaufstellen16 (Gründungswerkstatt, Gründungsservice an Hochschulen, Lotsendienst) aus der Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen für Existenzgründungen, werden mit dem Projekt − Innovationen brauchen Mut – innovative Gründungen unterstützt. Das Projekt zielt auf Studenten und 15Vgl.

Hofert, Praxisbuch Existenzgründung, S.  62; hierzu ebenfalls Schwemmle, Begleitung von Existenzgründern: Visionsentwicklung / Marktpositionierung / Pricing, S. 42. 16Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, I. 2.

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

155

wissenschaftliche Mitarbeiter ab. Mit diversen Beratungs- und Coachingmaß­ nahmen werden Gründer bei der Umsetzung innovativer Geschäftsideen durch Experten unterstützt und begleitet.17 Die Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten der Finanzierung für das komplexe Vorhaben einer Existenzgründung sind in den dritten Bereich der Existenzgründungsförderung einzuordnen. Der Bund unterstützt Existenzgründer mit einer Vielzahl von Möglichkeiten. Das ERP− Beteiligungsprogramm, welches von der KfW Mittelstandbank gefördert wird, zielt auf die Erweiterung des Eigenkapitals von kleinen und mittleren Unternehmen ab.18 Das ERP−Programm beinhaltet unterschiedliche finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten. Der ERP−Gründerkredit (Programmteil „StartGeld“19) und der ERP−Gründerkredit Universell (Programmteil „Universell“20) stellen Finanzierungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Konditionen – entsprechend den Rahmenbedingungen des Existenzgründers − dar. Aus dem Vermögen des ERP−Beteiligungsprogramms wird durch den Mikromezzaninfond Deutschlands für junge Unternehmer ein wirtschaftliches Eigenkapital von bis zu 50.000 Euro finanziert.21 Durch das INVEST–Zuschuss Programm für Wagniskapital können innovative Start-up Unternehmen mit Hilfe der Beteiligung von Business Angels gefördert werden.22 Der Hightech−Gründerfond stellt eine weitere Unterstützungsform dar. Der Fond, welcher vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gemeinsam mit Großunternehmen (beispielsweise Siemens, Telekom und BASF) entwickelt wurde, verfolgt im Rahmen der Hightech-Strategie der

17Vgl.

Knuth, Gründungsnetzwerke im Wissenschafts- und Hochschulbereich, S. 143; hierzu ebenfalls Ruth / Schulze, Rahmenbedingungen für Gründungen in der Kreativwirtschaft, S. 35. 18Vgl. Hannich, Exitentscheidungen und die Allokation von Exitrechten in der Venture Capital Finanzierung, S. 141; hierzu ebenfalls Kollmann, E−Entrepreneurship, S. 172; hierzu ebenfalls Jesch, Private-Equity-Beteiligungen, S. 185; hierzu ebenfalls Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Starthilfe, S. 43. 19Vgl. Bundesanzeiger, Richtlinie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie für ERP−Darlehen zur Förderung von Existenzgründungen und junger Unternehmen in Deutschland (ERP−Gründerkredit) vom 22. Juni 2016. 20Vgl. KfW Mittelstandsbank unter https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Gründen−Nachfolgen/Förderprodukte/ERP−Gründerkredit−Universell− (073_074_075_076)/, [abgerufen am 13.07.2018]; hierzu ebenfalls Bundesanzeiger, Richtlinie des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Bekanntmachung der Richtlinie für ERP−Darlehen zur Förderung von Existenzgründungen und junger Unternehmen in Deutschland (ERP−Gründerkredit) vom 22. Juni 2016. 21Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Starthilfe, S. 43. 22Vgl. ebd., S. 43.

156

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Bundesregierung23 das Ziel, Forschungs- und Entwicklungsprojekte durch innovative Unternehmensgründungen in die Wirtschaft zu überführen.24 Die Agentur für Arbeit unterstützt Existenzgründer in der frühen Nachgründungsphase mit dem Gründungszuschuss nach dem SGB III25 und die Job-Center mit dem Einstiegsgeld nach dem SGB II26. Die finanziellen Unterstützungsleistungen nach dem SGB III und SGB II sind Ermessensleistungen und müssen nicht zurückgezahlt werden.27 Für besondere Tätigkeitsfelder, beispielsweise bei dem Betreiben einer sozialen Einrichtung, kann die Bank der Sozialwirtschaft Bürgschaften für Darlehen und Kredite übernehmen.28 Die Unterstützungsmaßnahmen des Bundes und des Landes Brandenburg ergänzen sich. So sieht beispielsweise die Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg die Vergabe von Mikrokrediten vor.29 Weitere Förderungen in der dritten Stufe der Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg sind die Richtlinie zur Förderung von Neugründungen und Übernahme innovativer Unternehmen30 sowie Eigenkapitalfonds31. In der Praxis existiert ein breitgefächertes Unterstützungsangebot für potenzielle Existenzgründer. Eine Differenzierung der Gründungsunterstützung erfolgt nach dem Geschlecht der Gründerperson oder nach dem Geschäftsinhalt.32 Ein 23Vgl.

actech, Mehr Innovationen für Deutschland, S. 4. Haufe Kompass, Existenzgründung, S. 27. 25Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594, 595), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581). 26Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), zuletzt geändert durch Art. 20 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541). 27Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Starthilfe, S. 95. 28Vgl. Haufe Kompass, Existenzgründung, S. 19. 29Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV.4.2.3. 30Vgl. Richtlinie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie zur Förderung von Neugründungen und Übernahmen innovativer Unternehmen im Land Brandenburg (Gründung innovativ) vom 17. März 2015, geändert durch Erlass des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie vom 10. Januar 2018. 31Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Übersicht Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg aus ESF/ EFRE in der Förderperiode 2014-2020 unter https://msgiv.brandenburg.de/sixcms/media. php/9/existenzgruendungsfoerderung_lb_kurz_042017.pdf, [abgerufen am 24.04.2020]. 32Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013. 24Vgl.

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

157

spezifisches Unterstützungsangebot für Menschen mit Behinderung sehen weder Bundesförderprogramme noch das Existenzförderprogramm des Landes Brandenburg vor. Im Existenzförderprogramm wird die Gründungsunterstützung für Menschen mit Behinderung lediglich als ergänzende experimentelle Aktion benannt.33 Bei der Betrachtung der Existenzgründungsförderung für Menschen mit Behinderung beschränkt sich die vorliegende Arbeit im Bereich der Förderung durch den Bund auf die Fördermöglichkeiten nach dem SGB III, welche von den betroffenen Personen neben den oben bereits dargestellten allgemeinen Fördermöglichkeiten des Bundes in Anspruch genommen werden können. Um sich der Thematik der möglichen Nachteilsausgleiche zu nähern und entsprechend interpretieren zu können, werden im Folgenden die Unterstützungsleistungen für Existenzgründer und insbesondere für Menschen mit Behinderung dargelegt. Zuerst werden die gesetzlichen Regelungen des SGB III34 betrachtet. Im Anschluss daran werden die Existenzgründungsförderung des Landes Brandenburg und die Fördermöglichkeiten Selbständiger mit einer Schwerbehinderung nach dem SGB IX dargestellt. Als Datenbasis werden Arbeitshilfen, Arbeitsanweisungen, Rundverfügungen, Urteile und Statistiken verwendet.

5.1 Existenzgründungen nach dem SGB III Die Leistungen der Agentur für Arbeit zielen in erster Linie auf die soziale Sicherung ab.35 Förder- und Unterstützungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit, insbesondere bei einer drohenden oder bestehenden Arbeitslosigkeit sind als wichtige arbeitspolitische Maßnahmen anzusehen. Das selbstbestimmte Leben, unabhängig von einer Schwerbehinderteneigenschaft, ist als Hauptziel gesetzt. Je länger der Status einer Arbeitslosigkeit besteht, desto mehr ist das selbstbestimmte Leben eingeschränkt.36 Wie bereits im Kapitel 4 dargelegt, wird dem Faktor Arbeit ein hoher Stellenwert zugeschrieben, woraus sich auch unter anderem die soziale Stellung ergibt. Um eine schnelle Arbeitsmarktintegration zu gewährleisten, umfassen die Unterstützungsleistungen der Agentur für Arbeit nach dem § 115 SGB III überwiegend Maßnahmen zur Aktivierung einer beruflichen Eingliederung, einer möglichen Berufsvorbereitung und einer Berufsausbildung. 33Vgl.

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV.6.

34Sozialgesetzbuch

Drittes Buch – Arbeitsförderung – vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594, 595), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581). 35Vgl. Roman, Die eindimensionale Organisation, S. 23. 36Vgl. Freier, Soziale Aktivierung von Arbeitslosen? S. 53.

158

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Weitere Förderbestandteile sind der beruflichen Weiterbildung zu zuordnen. Für eine Arbeitsmarktintegration kann unterschieden werden in Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und Leistungen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit.37 Im Folgenden wird das Förder- und Leistungsportfolio der Agentur für Arbeit zur Teilhabe am Arbeitsleben kurz angeführt, da der Gründungszuschuss für Existenzgründer nur in Betracht kommt, wenn sonstige Maßnahmen zur Eingliederung in die Erwerbstätigkeit nicht greifen. Im Kern sind insgesamt 19 Maßnahmen zu nennen, welche sich zum Teil auch nicht gegenseitig ausschließen (Tabelle 5.2). Tabelle 5.2   Überblick zum Leistungs-Portfolio der Agentur für Arbeit1 Bezeichnung der Leistungsart

Gesetzliche Grundlage

1.

Berufsorientierung

§ 33 SGB III

2.

Berufseinstiegsbegleitung

§ 49 SGB III

3.

Berufsberatung

§ 30 SGB III

4.

Eignungsfeststellung

§ 32 SGB III

5.

Arbeitserprobung und Berufsfindung

§ 112 Abs. 2 SGB III

6.

Berufsvorbereitung

§ 51 SGB III

7.

Berufsausbildung

§ 57 SGB III

8.

Ausbildungszuschuss

§ 73 SGB III

9.

Einstiegsqualifizierung

§ 54 a SGB III

10.

Arbeitsmarktberatung

§ 34 SGB III

11.

Vermittlung

§ 35 ff. SGB III

12.

Vermittlungsbudget

§ 44 ff. SGB III

13.

Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung

§ 45 SGB III

14.

Förderung beruflicher Weiterbildung

§ 81 ff. SGB III

15.

Förderung der Aufnahme einer Selbständigkeit

§ 93 SGB III

16.

Unterstützte Beschäftigung

§ 38 a SGB IX

17.

Eingliederungszuschüsse

§ 88 ff. SGB III

18.

Probebeschäftigung

§ 46 Abs. 1 SGB III

19.

Arbeitshilfen

§ 46 Abs. 2 SGB III

1Eigene

37 Vgl.

Darstellung.

Bundesagentur für Arbeit, Reha, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 115 SGB III, Leistungen, Fachliche Weisungen vom 20.10.2016, S. 3 f.

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

159

Durch das breite Förderspektrum werden die Voraussetzungen für eine Teilhabe am Arbeitsleben und eine soziale Teilhabe geschaffen.38 Mit einer nachhaltig gesicherten aktiven Teilhabe in den Arbeitsmarktstrukturen ist das Ziel der beruflichen Integration erfüllt. Es sind aber auch temporäre Maßnahmen als Übergangslösung möglich. Sie können aber nicht als eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration angesehen werden. Die Agentur für Arbeit unterliegt einem vorrangigen Vermittlungsgebot.39 Auf die persönlichen Neigungen, Vorstellungen und Erwartungen des Arbeitssuchenden kann hierbei – um eine gute Vermittlung zu ermöglichen – kaum eingegangen werden.40 Alle Maßnahmen zielen auf eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben ab.

5.1.1 Gründungszuschuss Der Gründungszuschuss aus dem Leistungsportfolio des SGB III, welcher für arbeitslose und arbeitssuchende Personen gewährt wird, soll für den risikoreichen Schritt in die Selbständigkeit motivieren. Zugleich schafft die finanzielle Unterstützung das Gefühl der Sicherheit für den Gründer, der das Wagnis einer wirtschaftlichen Selbständigkeit eingeht. Für den Rechtskreis des SGB II ist entsprechend des § 16 b SGB II eine Einstiegsfinanzierung durch das zuständige Jobcenter vorgesehen.41 Zum 01.01.2012 änderten sich die Leistungsvoraussetzungen für den Erhalt einer Gründungsförderung nach dem SGB III gravierend. Bis dato galt diese Förderung als eine kurzfristige Überbrückung der Arbeitslosigkeit mit Hilfe der sogenannten Ich-AG. Mit der Neuausrichtung der Leistungsvoraussetzungen ist das Förderinstrument des Gründungszuschusses im Jahr 2012 bundesweit eingebrochen. Der Rechtsanspruch ist seitdem eine volle Ermessensleistung.42 Die Neugestaltung der Bewilligungsvoraussetzungen für Förderleistungen brachte einen Rückgang von Existenzgründungen mit sich. Die bundesweite Gründungsförderung ist insgesamt mit den Fördermechanismen des SGB II und SGB III von 2010 auf 2014 rückläufig (Tabelle 5.3).

38Vgl.

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Berufliche Rehabilitation aus Sicht der Teilnehmenden, S. 9. 39Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.02. 40Vgl. Vogt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 33 Rn. 10. 41Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Zweites Buch Sozialgesetzbuch – SGB II, 16b SGB II Einstiegsgeld, Fachliche Weisungen vom 20.02.2017, Punkt 16b.2 ff. 42Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.02.

160

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Tabelle 5.3   Inanspruchnahme des Einstieggeldes nach dem SGB II und des Gründungszuschusses nach dem SGB III.1 Jahr

2010

Einstiegsgeld (Förderung nach dem SGB II)

Gründungszuschuss (Förderung nach dem SGB III)

Zugänge

Veränderung Zugänge zum Vorjahr

16.740

−15,7 %

2011

11.238

2012

7.860

2013

5.872

2014

4.717

1Eigene

−32,9 %

−30,1 %

−25,3 %

−19,7 %

146.512 133.819 20.321

Gesamt

Veränderung Zugänge zum Vorjahr

Veränderung zum Vorjahr

6,9 %

4,0 %

−8,7 %

−84,8 %

163.252 145.057 28.181

−11,1 %

−80,6 %

26.659

31,2 %

32.531

15,4 %

30.871

15,8 %

35.588

9,4 %

Darstellung in Anlehnung an die Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarkt in Zahlen, Förderstatistik, Stand März 2015.

Bei dem Gründungszuschuss handelt es sich ausschließlich um eine Maßnahme nach dem SGB III. In der folgenden Tabelle ist die bundesweite Leistungsgewährung des Gründungszuschusses durch die Agentur für Arbeit für Existenzgründer mit einer Schwerbehinderung dargestellt (Tabelle 5.4). Tabelle 5.4   Überblick der Leistungsgewährung des Gründungszuschusses deutschlandweit1 Region

Jahr 2010

2011

2012

2013

2014

Insgesamt

Deutschland

146.512

133.819

20.321

26.659

30.871

Davon Gewährung an schwerbehinderte Menschen

Deutschland

2.257

2.271

458

524

627

1Eigene

Darstellung in Anlehnung an die Bundesagentur für Arbeit, Statistik−Service Ost, Auftragsnummer 242568, Erstellungsdatum 15.03.2017.

Insgesamt wurde von der Agentur für Arbeit im Jahr 2010 die Förderung des Gründungszuschusses 146.512 für selbständige Personen gewährt. Davon waren 2.257 Gründerpersonen mit einer Schwerbehinderung und Gleichgestellte, welche einen Anteil von 1,5 % ausmachten.43 Im Jahr 2014 wurde der 43Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Statistik−Service Ost, Auftragsnummer 242568, Erstellungsdatum 15.03.2017.

161

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

Gründungszuschuss an 30.871 Personen bewilligt. Die Förderung an Existenzgründer mit einer Schwerbehinderung und an Gleichgestellte betrug in 627 Fällen anteilig 2,0 %.44 Die bundesweite Betrachtung zeigt eine rückläufige Tendenz bei der Inanspruchnahme der Förderleistung des Gründungszuschusses für Personen mit und ohne Behinderung auf. Zwar ist der Rückgang schwerbehinderter Existenzgründer nicht ganz so stark wie bei den Gründern ohne eine Behinderungseigenschaft, doch führt der insgesamt zu verzeichnende starke Rückgang der Existenzgründerzahlen dazu, dass der prozentuale Anteil der Gründerpersonen mit Behinderung marginal von 2010 (mit 1,5 %) bis 2014 (mit 2,0 %) angestiegen ist. Da die rückläufige Entwicklung der Gründungen bei Existenzgründern mit und ohne Behinderung nahezu identisch ist, sind die Gründe in den allgemeinen Rahmenbedingungen zu suchen. Die Betrachtung der Fallzahlen des Gründungszuschusses spiegelt im Flächenland Brandenburg den bundesweiten Trend wider (Tabelle 5.5). Tabelle 5.5   Überblick der Leistungsgewährung des Gründungszuschusses brandenburgweit1 Region

Jahr 2010

2011

2012

2013

2014

Insgesamt

Land 4.527 Brandenburg

4.364

435

523

531

Davon Gewährung an schwerbehinderte Menschen

Land 67 Brandenburg

64

12

14

7

1Eigene Darstellung in Anlehnung an die Bundesagentur für Arbeit, Statistik−Service Ost, Auftragsnummer 242568, Erstellungsdatum 15.03.2017.

Die Leistungsgewährung des Gründungszuschusses im Land Brandenburg umfasst im Jahr 2010 insgesamt 4.527 Förderfälle.45 Gleichwohl sind für das Jahr 2014 insgesamt 531 Bewilligungen zu registrieren. Die bundesweit negative Entwicklung der Leistungsgewährung setzt sich auch im Bundesland Brandenburg fort.46 Die detaillierte Betrachtung der Existenzgründer mit Behinderung zeigt im Jahr 2010 anteilig 67 Förderfällen auf.47 Im Jahr 2014 wurden nur noch sieben Förderfälle bewilligt.48 Der Anteil der brandenburgischen Gründer mit einer 44Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Statistik−Service Ost, Auftragsnummer 242568, Erstellungsdatum 15.03.2017. 45Vgl. ebd. 46Vgl.

ebd. ebd. 48Vgl. ebd. 47Vgl.

162

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Schwerbehinderung, welche im Jahr 2010 einen Gründungszuschuss erhalten haben, lag bei 1,5 %. Im Jahr 2014 wurde dieser Anteil nahezu identisch mit 1,3 % fortgeschrieben. Obwohl der bundesweite Trend einen leichten Anstieg der Anteilsquote von Existenzgründern mit Behinderung um 0,5 % aufzeigt, sinkt die Entwicklung der Gründer mit Behinderung im Land Brandenburg in den Jahren 2010 bis 2014 um 0,2 %. Der § 49 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX sieht als Leistungsart zur Teilhabe am Arbeitsleben die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit entsprechend den Bestimmungen nach § 93 SGB III vor. Förderfähig ist eine Selbständigkeit aber nur, wenn sie hauptberuflich mit dem Ziel der Nachhaltigkeit ausgeführt wird.49 Dabei ist die Hauptberuflichkeit mit einem wöchentlichen Arbeitsumfang von mindestens 15 Stunden gemäß § 185 Abs. 2 SGB IX und § 138 Abs. 3 SGB III definiert. Eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ist neben der Selbständigkeit unter der Voraussetzung möglich, dass das sozialversicherungspflichtige, abhängige Beschäftigungsverhältnis keinen höheren Stundenumfang im Vergleich zur Selbständigkeit aufweist.50 Der notwendige Handlungs- und Unterstützungsbedarf bis zum Gründungsakt wird mit Hilfe eines Profilings ermittelt und im Integrationsfahrplan, welcher Bestandteil der Eingliederungsvereinbarung ist, mit diversen Maßnahmen fixiert.51 Im Rahmen des Beratungsgespräches wird durch die Agentur für Arbeit das Vermittlungsgebot in eine sozialversicherungspflichte Beschäftigung, welches in § 4 Abs. 2 SGB III normiert ist, als oberstes Ziel verfolgt.52 Demzufolge ist im Beratungsgespräch mit dem potenziellen Existenzgründer zu prüfen, ob andere Alternativen einer nachhaltigen wirtschaftlichen Existenz in Betracht kommen.53 Die Bewertung des Vorrangigkeitsgebots, also die Vermittlung in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, bedarf einer individuellen Prüfung, da dies sonst die Gefahr eines Ausschlusses für bestimmte Personengruppen oder für bestimmte Branchen zur Folge hätte. Würde keine individuelle Prüfung

49Vgl.

Marburger, SGB III, S. 26; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.01 ff.; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss, S. 6. 50Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Zweites Buch Sozialgesetzbuch − SGB II, § 16c SGB II Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen, Fachliche Weisungen vom 20.07.2017, Punkt 16c.17; hierzu ebenfalls Waltermann, Sozialrecht, 12 Rn. 395 a. 51Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.01. 52Vgl. Dobischat / Fischell / Rosendahl, Einführung in das Recht der Weiterbildung, S. 96. 53Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.02; hierzu ebenfalls Promberger / Wenzel / Pfeiffer / Hacket / Hirseland, Beschäftigungsfähigkeit, Arbeitsvermögen und Arbeitslosigkeit, S. 75.

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

163

vorgenommen werden, hätten Personen, die sich in einer Berufssparte selbständig machen möchten, in der viele sozialversicherungspflichtige Stellen vakant sind, keinen Anspruch auf den Gründungszuschuss. Aus Sicht der Verwaltung stellt die Behinderung kein separates Kriterium für den Erhalt des Gründungszuschusses dar. Stattdessen wird der Existenzgründer gewöhnlich auf die Möglichkeit der Erwerbsunfähigkeitsrente verwiesen. Seitens der Agentur für Arbeit werden für die Bewertung für die Förderfähigkeit des Gründungszuschusses folgende Fragestellungen gemeinsam mit dem potenziellen Existenzgründer besprochen: • Ist im Arbeitslosengeld I – Bezugszeitraum eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt möglich? • Existiert ein Angebot an offen Stellen? • Wird der Integrationserfolg durch weitere Hindernisse erschwert? Sofern zum Zeitpunkt der Antragstellung keine geeigneten Stellenangebote vorliegen, sind die Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen und im Zuge des Ermessens zu bewerten. Als Tatbestandsvoraussetzung müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: eine erfolgversprechende Integration in den Arbeitsmarkt, ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I von noch mindestens 150 Tagen54 und ein den Markterfordernissen entsprechender Geschäftsinhalt. Ebenfalls müssen die persönlichen Voraussetzungen im Bereich der Soft-Skills und Hard-Skills vorliegen.55 Grundsätzlich ist die Antragstellung vor dem Gründungsakt bei der Agentur für Arbeit einzureichen. Es obliegt dem Arbeitsvermittler bei der Agentur für Arbeit zu entscheiden, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zielführend für eine Arbeitsmarktintegration ist. Der § 159 SGB III sieht ein Ausschluss des Gründungszuschusses vor, wenn vorab ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, welches leichtfertig aufgegeben worden ist. Die Bewertung der Tatbestandsvoraussetzungen durch den Arbeitsvermittler bei der Agentur für Arbeit ist komplex anzusehen. Das Kriterium der hauptberuflichen Ausübung der Selbständigkeit lässt sich objektiv bewerten.56 Die

54Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.03. 55Vgl. ebd., Punkt 93.02; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss, S. 8. 56Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.11; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Zweites Buch Sozialgesetzbuch − SGB II, § 16c SGB II Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen, Fachliche Weisungen vom 20.07.2017, Punkt 16c.15 ff.

164

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Interpretation der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Ausübung der Tätigkeit und die objektive Bewertung der Tragfähigkeit des Vorhabens sind nur bedingt durch den Arbeitsvermittler bei der Agentur für Arbeit möglich. Für die Bewertung der Nachhaltigkeit der Geschäftsidee ist diese der Agentur für Arbeit in Form eines Businessplanes nachzuweisen. Das Konzept wird in Zweifelsfällen nicht vom Arbeitsvermittler, sondern durch externe fachkundige Stellen bewertet.57 Die aber doch sehr unbestimmten rechtlichen Begrifflichkeiten der Tragfähigkeit und der Eignung selbst, lassen eine unterschiedliche Auslegung zu. Die Bewertung der Gründerpersönlichkeit und der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten als Fördervoraussetzung sind im Rahmen der Antragsprüfung zu dokumentieren.58 Treten bei der Bewertung Unsicherheiten auf, so ist der Berufspsychologische Service oder der Ärztliche Dienst in das Antragsverfahren einzubeziehen. Der Berufspsychologische Service und der Ärztliche Dienst überprüfen und bewerten dann direkt die persönlichen Voraussetzungen und die notwendigen Kompetenzen.59 Die Kernaufgaben, welche sich aus der selbständigen Tätigkeit ergeben, sind von dem potenziellen Existenzgründer grundsätzlich eigenständig zu leisten. Diverse Tätigkeiten, wie beispielsweise das Abführen von Gebühren oder Steuern, welche nicht zur eigentlichen Kernaufgabe gehören, sind durch Dritte ausführbar. Die Fähigkeiten und Fertigkeiten sind durch entsprechende Zertifikate oder durch erworbene Berufserfahrungen in Form eines Lebenslaufes darzulegen. Nach § 16 c SGB II werden unter anderem folgende Beurteilungskriterien der persönlichen Eignung benannt: die Motivation, personale oder sozialkommunikative Kompetenzen, Methodenkompetenz, unternehmerisches Know-how, familiäre Situation, gesundheitliche Eignung und die Bereitwilligkeit, mit einem geringen Einkommen umzugehen.60 Sind grundlegende Qualifikationen für eine selbständige Unternehmensführung, beispielsweise durch Kenntnisse in den Bereichen der Kosten- und Leistungsrechnung oder Marketing nicht oder nur unzureichend vorhanden, so können diese in Vorbereitung der Existenzgründung mit Hilfe von Fortbildungsmaßnahmen erworben

57Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss, S. 8. Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.21 f. 59Vgl. ebd., Punkt 93.22. 60Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Zweites Buch Sozialgesetzbuch − SGB II, § 16c SGB II Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen, Fachliche Weisungen vom 20.07.2017, Punkt 16c.20. 58Vgl.

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

165

werden. In der Regel wird davon ausgegangen, dass potenzielle Existenzgründer die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für eine eigenständige Tätigkeit innehaben, sodass eine Erwerbsfähigkeit, beziehungsweise eine Beschäftigungsfähigkeit gegeben ist. Voraussetzung für den Erhalt der Leistung des Gründungszuschusses ist in erster Linie die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Sofern die Förderkriterien alle als erfüllt bewertet werden, können mögliche Unterstützungsmaßnahmen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gefördert werden.61 Ein Rechtsanspruch hierauf besteht nicht. Aber unter besonderer Berücksichtigung der bestehenden Hemmnisse, kann die Selbständigkeit die bessere Alternative sein.62 Die gleiche Förderperspektive nimmt auch das Integrationsamt entsprechend den gesetzlichen Regelungen nach § 21 SchwbAV ein (Abbildung 5.1). Der § 94 Abs. 1 SGB III definiert die Höhe der Förderung pauschal mit 300 Euro pro Monat, zuzüglich Arbeitslosengeld I für die ersten sechs Fördermonate.63 Bei der Berechnung der Förderhöhe ist der Gesamtanspruch heranzuziehen. Kürzungen nach § 155 SGB III aufgrund einer Nebentätigkeit werden nicht vorgenommen. Bezieht der potenzielle Gründer mit einer Behinderung aufgrund seiner Berufshistorie bereits Leistungen nach dem SGB II, so sind diese Leistungen des SGB II (Grundsicherung) als Maßstab für die SGB III-Leistungen des Gründungszuschusses anzuführen. Der Gründungszuschuss der Agentur für Arbeit ist eine finanzielle Unterstützungsleistung zur sozialen Sicherung. Die Förderung ist nicht als Nachteilsausgleich anzusehen.64 Unter der besonderen Berücksichtigung von Personen mit Behinderung hat der Gesetzgeber Ausnahmetatbestände für den Erhalt des Gründungszuschusses eingeräumt.65 Der § 116 Abs. 6 SGB III sieht eine Ausnahme bei dem Mindestanspruch von 150 Tagen auf Arbeitslosengeld I vor.66 Danach kann eine Förderung für eine Person mit Behinderung durch die Agentur für Arbeit erfolgen, wenn ein geringerer Anspruch als 150 Tage oder sogar gar kein Anspruch auf Arbeitslosengeld I besteht. Dieses bedeutet, dass auch Bezieher von SGB II-Leistungen mit einer Schwerbehinderung, beziehungsweise mit einer entsprechenden Gleichstellung,

61Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.03. 62Vgl. ebd., Punkt 93.02. 63Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss, S. 9. 64Vgl. ebd., S. 6. 65Vgl. Götze, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, K 33 Rn. 4 f. 66Vgl. Marburger, SGB III, S. 26.

166

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

formal einen Anspruch auf Förderung nach dem Gründungszuschuss im Sinne des SGB III67 haben.68 Wie oben bereits ausgeführt, umfasst die anfängliche Förderungsdauer insgesamt sechs Monate. In Anschluss daran kann bei Bedarf eine weitere finanzielle Unterstützungsleistung erfolgen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Existenzgründer gegenüber der Agentur für Arbeit darlegt, dass eine weitere Unterstützungsleistung zwingend erforderlich ist, um die soziale Existenz zu sichern. Eine Geschäftstätigkeit im Haupterwerb mit dem Ziel der Nachhaltigkeit und einer perspektivisch eigenständigen Einkommensabsicherung stellt das Hauptkriterium für eine Weitergewährung des Gründungszuschusses dar. Um eine Weiterförderung geltend zu machen, ist ein schriftlicher Bericht über die durchgeführten und geplanten Geschäftstätigkeiten der Agentur für Arbeit vorzulegen.69 Mit diesem Bericht werden alle unternehmerischen Aktivitäten abgebildet und die aktuelle finanzielle Situation mittels einer Einnahmen-Ausgaben-Übersicht veranschaulicht. Wichtig für eine Weiterförderung ist der Abgleich der aktuellen Daten mit denen aus der damaligen Antragstellung. Dabei ist zu vergleichen, ob sich die Angaben vor der Unternehmensgründung im Blick auf die aktuelle Situation bestätigt haben. Hat sich die aktuelle Situation des Existenzgründers nach sechs Monaten am Markt verschlechtert, so ist das Gründungskonzept nochmals unter dem Aspekt der Tragweite der Geschäftsidee zu prüfen (Tabelle 5.6).70

Dauer: maximal 6 Monate Höhe: entsprechend Arbeitslosengeld I zuzüglich 300,00 Euro zur Sicherung des Lebensunterhaltes

Schritt 2

Schritt 1

Überblick zu den Leistungen des Gründungszuschusses in zwei Schritten Dauer: maximal 9 Monate Höhe: 300,00 Euro zur Sicherung des Lebensunterhaltes

Abbildung 5.1  Überblick über den Umfang und die Höhe der Förderleistung entsprechend des Gründungszuschusses. (Eigene Darstellung) 67Sozialgesetzbuch

Drittes Buch – Arbeitsförderung – vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594, 595), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581). 68Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Reha Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 116 SGB III Besonderheiten, Fachliche Weisungen vom 20.10.2016, Punkt 7. 69Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 94.21. 70Vgl. ebd., Punkt 94.21.

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

167

Nach dem § 93 Abs. 4 SGB III ist eine wiederholte Förderung ausgeschlossen. Dabei sieht der Gesetzgeber vor, dass die vorangegangene Förderung im Rahmen einer Existenzgründung mindestens 24 Monate zurückliegen muss. Wird diese Frist unterlaufen, so ist die Anspruchsvoraussetzung für den Erhalt eines Gründungszuschusses nicht gegeben.71

5.1.2 Eignungsverfahren und Eignungskriterien Die Agentur für Arbeit hat im Vergleich zu den bereits vorgestellten Förderinstitutionen die Möglichkeit, den potenziellen Existenzgründer fachlich zu bewerten und kann überprüfen, ob die persönlichen Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Selbständigkeit vorliegen. Mit dieser qualifizierten Bewertung nimmt die Agentur für Arbeit im Vergleich zum MASGF-Existenzgründungsförderungsprogramm und dem Integrationsamt ein ­ Alleinstellungsmerkmal ein. An dieser Stelle muss im Detail auf das Eignungsverfahren eingegangen werden, da es sich bei dem Eignungsverfahren um ein einmaliges Verfahren handelt. Das MASGF und das Integrationsamt schreiben im Falle der Bewilligung der Leistung nach § 93 SGB III durch die Agentur für Arbeit dem Gründungsvorhaben positive Erfolgsaussichten zu, was wiederum weitere Förderleistungen beeinflusst. Wie bereits im Abschnitt 1.3.7. dargestellt, ist die Gründerperson selbst als eine der wichtigen Erfolgsfaktoren einer Unternehmung anzusehen. Die Agentur für Arbeit hat dies im Antragsverfahren aufgegriffen, um im Falle eines begründeten Zweifels zu ermitteln, ob eine nachhaltige Selbständigkeit aufgrund der persönlichen Gründervoraussetzungen überhaupt möglich ist. Die Teilnahme an dem Eignungsverfahren kann durch die Agentur für Arbeit im Rahmen der Antragsbearbeitung auf Förderung nach dem Gründungszuschuss verlangt werden.72 Im Folgenden werden zunächst die begutachtenden Dienstleistungen der Agentur für Arbeit vorgestellt, welche zum einen unterstützenden Charakter aber auch zum anderen einen prüfenden Charakter haben. Der Berufspsychologische Service der Agentur für Arbeit wird bei der Ermittlung der Gründereignung

71Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Reha Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 116 SGB III Besonderheiten, Fachliche Weisungen vom 20.10.2016, Punkt 7; hierzu ebenfalls Marburger, SGB III, S. 27; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss, S. 10. 72Vgl. Marburger, SGB III, S. 26.

168

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

oftmals hinzugezogen. Er ermittelt die persönlichen Voraussetzungen und ermöglicht eine fachliche Bewertung des Gründungsvorhabens auf Realisierbarkeit in Bezug auf die vorhandenen, beziehungsweise notwendigen Gründereigenschaften. Die Bewertung der objektiven Kriterien wird durch den Arbeitsvermittler, beispielsweise anhand des Lebenslaufes, der Zeugnisse und Zertifikate vorgenommen. Die überfachlichen Kompetenzen können nur unzureichend durch den Arbeitsvermittler erfasst werden, sodass Psychologen auf Verlangen eine Begutachtung durchführen. Grundsätzlich steuert der Arbeitsvermittler das gesamte Verfahren zur Eignungsüberprüfung. Ist er sich seiner Bewertung sicher, so ist der Berufspsychologische Service nicht zu beteiligen. Aufgrund der Profession der Psychologen ist es aber empfehlenswert, diese bei Fragen unter anderem zur Motivation, zum Durchhaltevermögen, zur Selbstwahrnehmung und zu den kommunikativen Kompetenzen einzubinden. Prinzipiell wird der Berufspsychologische Service eingebunden, wenn sich der potenzielle Existenzgründer bei seinem geplanten Vorhaben unsicher ist.73 Zu den begutachtenden Dienstleistungen der Psychologen im Bewertungsverfahren zählen die K3 Leistungsorientierung, das K4 Assessment Center und die allgemeine psychologische Begutachtung.74 Die Begutachtung der Leistungsorientierung nach dem K3 Leistungsorientierungsverfahren erfolgt mit einem standardisierten Verfahren. In einem diagnostischen Gespräch, welches circa 80 Minuten umfasst, wird durch den Psychologen beurteilt, ob die Initiative oder die Möglichkeit zur Selbstmotivation vorhanden ist. Des Weiteren werden die motivationalen Ressourcen ermittelt, welche Auskunft über die beruflichen Lebensziele zulassen. Mit der realistischen Selbsteinschätzung des Existenzgründers zum geplanten Gründungsvorhaben ist eine Sensibilisierung für die Anforderungen an eine selbständige Existenz möglich. Der Gründer erhält zum Abschluss des Gesprächs eine Übersicht zu seinen individuellen Stärken, Schwächen und bestehenden Entwicklungsmöglichkeiten.75 Das K4 Assessment zur Erfassung der sozialkommunikativen Kompetenzen enthält eine 150-minütige Testreihe und ermöglicht die Einschätzung der Kommunikationsfähigkeit, der Kundenorientierung und das Führungsgeschick. Abschließend werden im Assessment die Potenziale, die Stärken und Schwächen im Bereich der sozialkommunikativen Kompetenzen ausgewertet. Mit den stark praxisbezogenen Testreihen wird dem zukünftigen Existenzgründer die Möglichkeit der

73Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Feststellung der Gründereignung, S. 12. ebd., S. 12. 75Vgl. ebd., S. 14. 74Vgl.

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

169

Selbsterprobung unter realistischen Bedingungen gewährt, welche eine verhaltensnahe Bewertung ermöglichen.76 Die Dienstleistungen der K3 Leistungsorientierung und die des K4 Assessments bedürfen grundsätzlich immer der Zustimmung des Gründers. Eine verpflichtende Anweisung für eine Teilnahme unter Aufzeigen möglicher Rechtsfolgen ist nicht zulässig. Des Weiteren muss der Gründer über den Inhalt, Zweck und über die Vorgehensweise aufgeklärt werden. Voraussetzung für eine Teilnahme ist, dass keine psychische Beeinträchtigung durch den Gründer selbst vorliegt.77 Die Vorgehensweise bei der psychologischen Begutachtung bestimmt der Psychologe selbst. Mit seiner Stellungnahme werden die eingebrachten Fragestellungen des Arbeitsvermittlers, unter Aufzeigen möglicher Widersprüche und Risikofaktoren für eine Existenzgründung dargelegt. Die psychologische Begutachtung umfasst im Kern die Klärung der persönlichen Voraussetzungen. Des Weiteren stehen Fragen der Leistungsorientierung sowie der sozialkommunikativen Kompetenzen im Fokus. Mit der individuellen Vorgehensweise kann gezielt auf diverse Eigenschaften oder Sachverhalte eingegangen werden. Des Weiteren baut die psychologische Begutachtung auf die Selbsterkenntnis und die Selbstreflexion des Existenzgründers. Bei der Untersuchung der K3 Leistungsorientierung und dem K4 Assessment muss der Gründer ebenso wie bei der psychologischen Begutachtung über den Inhalt und Zweck der Untersuchung aufgeklärt werden. In Abgrenzung zu den anderen gutachterlichen Dienstleistungen bringt eine Nichtteilnahme an einer angeordneten psychologischen Begutachtung Rechtsfolgen mit sich.78 Bei einer Nichtteilnehme erfolgt die sofortige Ablehnung einer Förderung nach dem Gründungszuschuss. Werden hingegen die freiwilligen Untersuchungen durch den Gründer abgelehnt, muss durch den Arbeitsvermittler inhaltlich eine ggf. vorzunehmende Ablehnung begründet werden. Bei einer Ablehnung der Teilnahme an der psychologischen Begutachtung ist dies als Ablehnungsgrund ausreichend. Der Arbeitsvermittler bei der Agentur für Arbeit orientiert sich bei der Bewertung der Erfolgschancen an insgesamt acht Kriterien. Diese Kriterien bewertet er selbst oder nimmt die begutachtenden Dienstleistungen in Anspruch. In der folgenden Tabelle sind die acht Eignungskriterien und ihre Inhalte schematisch dargestellt (Tabelle 5.7).

76Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Feststellung der Gründereignung, S. 15. ebd., S. 15. 78Vgl. ebd., S. 16. 77Vgl.

170

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Tabelle 5.6   Feststellung der Gründereignung durch die Agentur für Arbeit1 Eignungskriterium

Aspekte

1. Qualifikation

1.1. Berufserfahrung 1.2. Erworbene Qualifikationen

2. Gesundheitliche Leistungsfähigkeit

2.1. Gesundheitliche Eignung 2.2. Belastbarkeit

3. Intellektuelle Leistungsfähigkeit

3.1. Lernfähigkeit 3.2. Merkfähigkeit 3.3. Sprachbeherrschung 3.4. Räumliches Vorstellungsvermögen 3.5. Rechnerisches Denkvermögen

4. Methodenkompetenz

4.1. Analyse- und Problemlösungsfähigkeit 4.2. Anpassungsfähigkeit / Anpassungsgabe 4.3. Ganzheitliches Denken 4.4. Organisationsfähigkeit 4.5. Entscheidungsfähigkeit

5. Aktivitäts- und Umsetzungskompetenz

5.1. Belastbarkeit 5.2. Initiative 5.3. Motivation / Leistungsbereitschaft 5.4. Selbständiges Arbeiten 5.5. Zielstrebigkeit / Ergebnisorientierung

6. Sozialkommunikative Kompetenz

6.1. Führungsfähigkeit 6.2. Kommunikationsfähigkeit 6.3. Kundenorientierung 6.4. Teamfähigkeit 6.5. Einfühlungsvermögen

7. Personale Kompetenz

7.1. Lernbereitschaft 7.2. Flexibilität 7.3. Sorgfalt / Genauigkeit 7.4. Zuverlässigkeit 7.5. Kreativität

8. Rahmenbedingungen mit Auswirkungen auf eine selbständige Tätigkeit

8.1. Unterstützung durch das persönliche Umfeld 8.2. Kinderbetreuung / Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger 8.3. Finanzierung

1Eigene

Darstellung in Anlehnung an Bundesagentur für Arbeit, Feststellung der Gründereignung, S. 5 ff.

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

171

Die Eignungskriterien umfassen die Qualifikation, die gesundheitliche und die intellektuelle Leistungsfähigkeit, die Methodenkompetenz, die Aktivierungsund Umsetzungskompetenz, die sozialkommunikative Kompetenz und die personale Kompetenz sowie die allgemeinen Rahmenbedingungen mit ihren Auswirkungen.79 Unter dem Kriterium der Qualifikation ist vorrangig zu ermitteln, ob die erforderlichen Professionen vorliegen. Ebenso ist der berufliche Werdegang, die Berufshistorie in Erfahrung zu bringen, um festzustellen, ob der zuvor ausgeübte Beruf Qualifikationen geschaffen hat, die für die angestrebte Selbständigkeit von Nutzen sein können. Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung sind zur Prüfung des Kriteriums der Qualifikation die entsprechenden Zeugnisse, Zertifikate und sonstige Bescheinigungen zu interpretieren. Mit der Darlegung des Lebenslaufes sind die Meilensteine der Berufshistorie erkennbar, welche einen Rückschluss über Erfahrungswerte ermöglichen. Ist der Lebenslauf nicht aussagefähig, oder lässt dieser nur bedingt Rückschlüsse über die erworbenen Erfahrungswerte zu, so wird dies im Rahmen eines simulierten Bewerbungsgespräches ermittelt.80 Das Eignungskriterium der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit ist unter Berücksichtigung des Sozialdatenschutzes durchzuführen. Der Gründer ist nicht verpflichtet, den Arbeitsvermittler über seinen GdB zu informieren. Dies ist lediglich dann notwendig, wenn der Existenzgründer in seiner Leistungserbringung stärk eingeschränkt ist. Die starke Einschränkung ist aber eine flexible Begrifflichkeit. Gemeinsam mit dem Ärztlichen Dienst bei der Agentur für Arbeit können Befundberichte oder medizinische Stellungnahmen interpretiert, ausgewertet und auf die zukünftigen beruflichen Anforderungen unter dem Aspekt der Ausführbarkeit bewertet werden.81 Bei dem Eignungskriterium der intellektuellen Leistungsfähigkeit wird der potenzielle Existenzgründer dahingegen bewertet, ob die kognitiven Voraussetzungen für eine selbständige Tätigkeit vorliegen, beziehungsweise ob das geplante Vorhaben realistisch eingeschätzt wird. Zur weiteren Einschätzung der kognitiven Fähigkeit können Schulzeugnisse und qualifizierte Arbeitszeugnisse herangezogen werden. Grundsätzlich ist die kognitive Fähigkeit an den Voraussetzungen und Anforderungen der geplanten Selbständigkeit auszurichten und zu bewerten. Um die intellektuelle Leistungsfähigkeit evaluieren zur können, ist eine Bewertung von Merkmalen der Lernfähigkeit, Merkfähigkeit, Sprachbeherrschung, räumliches Vorstellungsvermögen

79Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Feststellung der Gründereignung, S. 5 ff. ebd., S. 5. 81Vgl. ebd., S. 5. 80Vgl.

172

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

und rechnerisches Denkvermögen als standardisiertes Schema anzuwenden. Im Rahmen der Lernfähigkeit ist zu erfassen, ob der Existenzgründer die Fähigkeit besitzt, neues Wissen aufzunehmen, zu verarbeiten und anzuwenden. Die Merkfähigkeit umfasst die Bewertung der Informationsspeicherung von Wissen, welche zu einem späteren Zeitpunkt abrufbar sein soll. Mündliche Äußerungen, Satzstrukturierung und logische Zusammenhänge werden indirekt unter dem Aspekt der Sprachbeherrschung bewertet. Bei der Bewertung des räumlichen Vorstellungsvermögens ist zu prüfen, ob der Existenzgründer die Fähigkeit besitzt, Gegenstände und Strukturen wahrzunehmen. Das rechnerische Denkvermögen wird dahingehend erfasst, ob die Grundregeln der Mathematik richtig angewendet werden. Im Rahmen der Erfassung des Eignungskriteriums der Methodenkompetenz werden die Analyse- und Problemlösungsfähigkeit, die Auffassungsgabe, das ganzheitliche Denken, die Organisationsfähigkeit und die Entscheidungsfähigkeit des potenziellen Existenzgründers ermittelt. Bei der Methodenkompetenz wird erfasst, wie der Existenzgründer selbständig neue Aufgabenstellung erkennt und diese auch versucht zu lösen. Situative Interviews, Zertifikate und Zeugnisse lassen dabei Rückschlüsse auf das Verhalten bezüglich der eigenen Integrationsbemühungen am Arbeitsmarkt zu. Dies ermöglicht die Herstellung eines Kausalzusammenhangs zu den Verhaltensweisen als Selbständiger. Mit der Erfassung der Organisations- und Entscheidungsfähigkeit wird das notwendige Mindestmaß eines Organisationstalents erfasst, welches wiederum Voraussetzung einer nachhaltigen Entscheidungsfindung ist.82 Die Aktivierungs- und Umsetzungskompetenz beinhaltet die Eigenschaften der Belastbarkeit, der Initiative, der Motivation und die Zielstrebigkeit, welche auf Grundlage von Beratungsgesprächen und Fragestellungen durch den Arbeitsvermittler erfasst werden.83 Das Eignungskriterium der sozialkommunikativen Kompetenz beinhaltet die Perspektiven der Führungsfähigkeit, der Kommunikationsfähigkeit, der Kundenorientierung und der Teamfähigkeit. Bei der Ermittlung der Führungsfähigkeit wird im Gespräch die Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung erfasst. In den regulären Beratungsgesprächen erfolgt die indirekte Erfassung der Kommunikationsfähigkeit. Dabei wird bewertet, in wieweit sich der Existenzgründer verständlich gegenüber seiner Umwelt ausdrücken kann. Die Kundenorientierung, als wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Existenz, wird aus dem kooperativen Zusammenspiel zwischen Existenzgründer und Vermittlungsberater indirekt abgeleitet. Mit Hilfe einer

82Vgl. 83Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Feststellung der Gründereignung, S. 7. ebd., S. 8.

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

173

psychologischen Begutachtung erfolgt die Bewertung der Teamfähigkeit und das Einfühlungsvermögens, welches mit situativen Gesprächen erfasst wird.84 Das Eignungskriterium der personalen Kompetenz beinhaltet die Aspekte der Lernbereitschaft, der Flexibilität, der Sorgfalt, der Zuverlässigkeit und der Kreativität. Mit dem Aspekt der Lernbereitschaft wird der potenzielle Existenzgründer dahingehend bewertet, ob und in welchem Umfang er sich neues Wissen aneignen kann. Im Rahmen des Gespräches wird die Flexibilität, die Sorgfalt und die Zuverlässigkeit ermittelt. Des Weiteren wird als objektive Bewertung die bereits getroffene Zielvereinbarung auf dessen Realisierungsgrad geprüft. Der Arbeitsvermittler leitet die Eigenschaft der Flexibilität des Existenzgründers daraus ab, wie intensiv sich der Gründer in der Vergangenheit bemüht hat, eine Tätigkeit am Arbeitsmarkt zu erlangen.85 Die Rahmenbedingungen und deren Auswirkungen auf eine selbständige Tätigkeit sind als weitere Eignungskriterien zu betrachten. Das soziale Umfeld des Gründers hat indirekte Auswirkungen auf den Erfolg. Hierbei ist zu bewerten, ob eine Unterstützungsleistung durch das soziale Umfeld gegeben ist. Im Idealfall erscheint der Existenzgründer mit einer Begleitperson zur Beratung, sodass dieser Aspekt nicht weiter betrachtet werden muss und demzufolge positiv zu bewerten ist. Die Prüfung des sozialen Umfeldes erfolgt auch dahingehend, ob bei Bedarf eine Kinderbetreuung oder die Betreuung pflegebedürftiger Familienangehöriger sichergestellt ist. Als weiterer Aspekt ist die finanzielle Situation zu betrachten, inwieweit finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen. Ebenso ist abzuwägen, ob der vorgelegte Finanzierungsplan für den Existenzgründer in Höhe und Zweckbestimmung realistisch ist.86

5.1.3 Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB III Die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug des Arbeitslosengeldes I setzen materiellrechtlich gemäß § 137 SGB III die Erfüllung der Kriterien der Arbeitslosigkeit, der Arbeitslosmeldung und die Erfüllung einer entsprechenden Anwartschaftszeit voraus. Soweit die drei Kriterien erfüllt werden, entsteht daraus ein Stammrecht für den Bezug des Arbeitslosengelds I.87 Bei der Erfüllung des

84Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Feststellung der Gründereignung, S. 9. ebd., S. 10. 86Vgl. ebd., S. 11. 87Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 137 SGB III Anspruchsvoraussetzungen bei Arbeitslosigkeit, Fachliche Weisungen vom 20.04.2017, Punkt 137.1. 85Vgl.

174

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Kriteriums der Arbeitslosigkeit sind grundsätzlich alle Personen zu betrachten, welche in keinem Beschäftigungsverhältnis stehen, sich aber bemühen, ihre Arbeitslosigkeit zu beenden. Die Bezieher von Arbeitslosengeld I müssen zusätzlich der Vermittlung durch die Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen.88 Das vorrangige Vermittlungsgebot zielt auf die Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung ab. Diese abhängige Beschäftigung ist mit § 7 SGB IV89 dahingehend definiert, dass sie grundsätzlich eine nichtselbständige Tätigkeit ist. Dabei stellt die abhängige Beschäftigung in diesem Sinne das klassische Arbeitsverhältnis dar.90 Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung sind Tätigkeiten nach Weisungen und einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers.91 Steht eine Person nicht im Sinne des § 7 SGB IV in einem Beschäftigungsverhältnis, so ist von einer Beschäftigungslosigkeit auszugehen. Auch Nebentätigkeiten können nach § 138 Abs. 3 SGB III unter die Beschäftigungslosigkeit fallen, wenn deren Umfang weniger als 15 Wochenstunden beträgt und eine Arbeitsvermittlung durch die Agentur für Arbeit möglich ist.92 Die notwendigen Eigenbemühungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt sind mit § 138 Abs. 1 Nr. 2 SGB III und § 138 Abs. 4 SGB III gesetzlich normiert. Grundsätzlich sind alle Möglichkeiten der beruflichen Eingliederung heranzuziehen, welche mit der Eingliederungsvereinbarung nach § 37 Abs. 2 SGB III verbindlich abgestimmt werden. Die aktive Nutzung von Informationsmöglichkeiten nach § 40 SGB III stellt dabei eine weitere Möglichkeit der Eigeninitiative dar. Nach dem

88Vgl.

Schaumberg, Sozialrecht, 14 Rn. 337; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 138 SGB III Arbeitslosigkeit, Fachliche Weisungen vom 20.04.2018, Punkt 138.1.3. 89Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363), zuletzt geändert durch Art. 7a des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757). 90Vgl. Klösel / Klötzer-Assion / Mahnhold, Contractor Compliance, S. 47; hierzu ebenfalls Trenczek / Tammen / Behlert / von Boetticher, Grundzüge des Rechts, S. 430; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 138 SGB III Arbeitslosigkeit, Fachliche Weisungen vom 20.04.2018, Punkt 138.1.1. 91Vgl. Schils, Das betriebliche Eingliederungsmanagement im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB IX, S. 93; hierzu ebenfalls Igl / Jachmann / Eichenhofer, Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement im Recht – ein Ratgeber, S. 165. 92Vgl. Schaumberg, Sozialrecht, 14 Rn. 349; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 138 SGB III Arbeitslosigkeit, Fachliche Weisungen vom 20.04.2018, Punkt 138.3; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss, S. 8.

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

175

Motto − Fordern und Fördern − werden die Unterstützungsmöglichkeiten der Agentur für Arbeit und die Aktivitäten des Arbeitssuchenden mit einer Zielvereinbarung verbindlich festgelegt. Für Arbeitssuchende gibt es keinen Urlaubsanspruch. Sofern hierdurch das familiäre Umfeld darunter leidet, besteht die Möglichkeit nach § 3 Erreichbarkeits-Anordnung (EAO)93 sich für maximal drei Wochen im Jahr, zusammenhängend oder gestückelt, von den Vermittlungsaktivitäten und Eigenbemühungen freistellen zulassen, ohne dass sich dies negativ auf etwaige Leistungen der Agentur für Arbeit auswirkt.94 Dieses setzt voraus, dass der Arbeitslose seinen geplanten Urlaub vorab der Agentur für Arbeit anzeigt. Die Voraussetzung, dass der Arbeitslose verfügbar sein muss, ist in § 138 Abs. 5 Nr. 1 bis 4 SGB III gesetzlich normiert. So sieht der § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III vor, dass eine zumutbare Beschäftigung durch den Arbeitslosen ausgeführt werden darf und kann. Das Dürfen beschränkt sich durch seine Formulierung auf die gesetzliche Voraussetzung für die Ausübung einer Tätigkeit und ist durch den Arbeitslosen nicht beeinflussbar. Die Beschreibung des Könnens bezieht sich auf Gründe der Tätigkeitsausübung, welche in der Person selbst liegen, beispielsweise die gesundheitlichen Voraussetzungen.95 Der § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III sieht vor, dass der Arbeitssuchende durch die Agentur für Arbeit, insbesondere bei Vermittlungsvorschlägen zeit- und ortsnah erreichbar sein muss. Werden wiederholt Vermittlungsvorschläge ohne eine ausreichende Begründung abgelehnt, so lässt dies den Rückschluss einer mangelnden Verfügbarkeit zu.96 Die subjektive Arbeitsbereitschaft sagt im Kern aus, dass der Arbeitssuchende jede zumutbare Beschäftigung ausführen will. Die subjektive Zumutbarkeit wird mit § 140 Abs. 3 SGB III dahingehend begrenzt, dass die Aufnahme einer neuen Tätigkeit abgelehnt werden kann, wenn das Entgelt unter der Bemessung des Arbeitslosengeldes liegt.97 Ein weiteres Kriterium nach § 138 Abs. 5 SGB III beschreibt die subjektive Bildungsbereitschaft. Arbeitslose sollten bereit sein, an

93Anordnung

des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können – vom 23. Oktober 1997 (ANBA S. 1685, S. 1998, S. 1100), zuletzt geändert durch 2. Änderungsanordnung zur EAO vom 26. September 2008 (ANBA Nr. 12 S. 5). 94Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Wissenswertes zum Thema Umzug und Reisen, S. 3 f. 95Vgl. Schaumberg, Sozialrecht, 14 Rn. 349. 96Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 138 SGB III Arbeitslosigkeit, Fachliche Weisungen vom 20.04.2018, Punkt 138.5.1.3. 97Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 140 SGB III zumutbare Beschäftigungen, Fachliche Weisungen vom 20.07.2017, Punkt 140.3.

176

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Bildungsmaßnahmen teilzunehmen, bei welchen sie eine höhere Chance der Vermittlung erzielen. Die Ausnahmen der Sonderfälle sind mit dem § 139 SGB III gesetzlich definiert. So sieht der § 139 Abs. 1 SGB III beispielsweise vor, dass Maßnahmen der Berufsfindung und Arbeitserprobung im Sinne der beruflichen Rehabilitation, Dienste zur Verhütung und Beseitigung von Notständen oder gemeinnützige Leistungen eine Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt einschränken können.98 Als Beispiel für die Beseitigung von Notständen ist der freiwillige Helfer bei einem Hochwasseralarm zu nennen. Mit seiner Unterstützungsleistung ist die Verfügbarkeit aufgrund der gemeinnützigen Hilfeleistung eingeschränkt. Eine Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung schließt eine Verfügbarkeit nicht aus, wenn vorab die Agentur für Arbeit dieser Maßnahme zugestimmt hat. Dies setzt gleichzeitig die Bereitschaft des Arbeitslosen voraus, dass bei einer beruflichen Eingliederung die Maßnahme abgebrochen wird.99 Eine Zumutbarkeit der Beschäftigungsaufnahme nach § 140 SGB III ist dann gegeben, wenn allgemeine und personenbezogene Gründe nicht entgegenstehen, nicht gegen gesetzliche, tarifliche oder betriebliche Bestimmungen verstoßen wird, das erzielbare Arbeitsentgelt nicht wesentlich niedriger ist, als das Arbeitslosengeld und die Pendelzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Vergleich zur Arbeitszeit verhältnismäßig sind. Eine befristete Beschäftigung ist nicht zumutbar, wenn eine vorübergehende getrennte Haushaltsführung notwendig ist oder wenn die arbeitslose Person einer Tätigkeit nachgehen soll, für die sie nicht ausgebildet ist.100 Die notwendige Erreichbarkeit der arbeitslosen Person durch die Agentur für Arbeit ist mit der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO)101 geregelt. Durch § 1 EAO ist der Grundsatz der Erreichbarkeit dahingehend fixiert, dass die Agentur für Arbeit unverzüglich mit Anforderung aufzusuchen ist, und dass potenzielle Arbeitgeber ebenfalls unverzüglich bei einem Vermittlungsvorschlag zu

98Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 139 SGB III Sonderfälle der Verfügbarkeit, Fachliche Weisungen vom 20.04.2017, Punkt 139.1. 99Vgl. ebd., Punkt 139.3. 100Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 140 SGB III zumutbare Beschäftigungen, Fachliche Weisungen vom 20.07.2017, Punkt 140.1 ff. 101Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können – vom 23. Oktober 1997 (ANBA S. 1685, S. 1998, S. 1100), zuletzt geändert durch 2. Änderungsanordnung zur EAO vom 26. September 2008 (ANBA Nr. 12 S. 5).

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

177

kontaktieren sind. Dies schließt ebenfalls eine unverzügliche Arbeitsaufnahme ein. Grundsätzlich muss sich jeder Arbeitslose in einem zeit- und ortsnahen Bereich zum entsprechenden Bezirk der Agentur für Arbeit aufhalten, welches in § 2 EAO definiert ist. Ausnahme bildet hier nur die Geltendmachung einer eingeschränkten Verfügbarkeit nach § 3 EAO gegenüber der Agentur für Arbeit oder das Nachkommen von Maßnahmen für eine Beschäftigungsaufnahme.102 Eine Arbeitslosmeldung hat nach § 141 Abs. 1 SGB III persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit maximal drei Monate vor der zu erwartenden Arbeitslosigkeit zu erfolgen. Früher als drei Monate vor der Beendigung der Tätigkeit ist nicht zu empfehlen. Im Zeitverlauf ergeben sich eventuell Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung oder die Aufnahme einer neuen Beschäftigung.103 Personen, die überraschend, beziehungsweise kurzfristig ihre Anstellung verlieren – beispielsweise durch eine außerordentliche Kündigung − haben sich unter Berücksichtigung des § 8 SGB III frühzeitig nach Kenntnis der Kündigung fernmündlich, schriftlich oder persönlich bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend zu melden.104 Erfolgt die Meldung fernmündlich oder schriftlich, so ist grundsätzlich die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung bei der Agentur für Arbeit nachzuholen. Tritt ohne Meldung eine Arbeitslosigkeit ein, besteht die Gefahr einer Sperrfrist für Leistungen für den Zeitraum von einer Woche. Sollte die Fehlmeldung erstmalig und ohne Kenntnis einer frühzeitigen Meldung ausbleiben, so kann im Ermessen des zuständigen Sacharbeiters bei der Agentur für Arbeit eine Ausnahme erfolgen. Die Anwartschaftszeit für Leistungen im Sinne des § 142 SGB III setzt eine Mindestbeschäftigungsfrist von 12 Monaten in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis voraus.105 Der zugrundeliegende Leistungszeitraum für den Bezug von Arbeitslosengeld 102Vgl.

Derksen, Die Darstellung der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Rn. 80. Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 141 SGB III persönliche Arbeitslosmeldung, Fachliche Weisungen vom 24.09.2018, Punkt 141.1.1. 104Mit einer anerkannten Schwerbehinderung durch die Versorgungsverwaltung oder mit einer entsprechenden Gleichstellung zu einem schwerbehinderten Menschen durch die Agentur für Arbeit besteht die Möglichkeit, frühestens nach drei Wochen der Antragstellung vor Ausspruch einer Kündigung den besonderen Kündigungsschutz gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen; vgl. hierzu Preis, Arbeitsrecht, 44 IV 1. 105Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 142 SGB III Anwartschaftszeit, Fachliche Weisungen vom 01.01.2019, Punkt 142.1; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 147 SGB III Grundsatz, Fachliche Weisungen vom 20.04.2017, § 339 SGB III; hierzu ebenfalls Räder, Arbeitslosengeld, S. 47. 103Vgl.

178

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

I ist nach den Kriterien des Lebensalters und der bestandenen Beschäftigungszeiten abzustufen.106 Im § 147 SGB III regelt der Gesetzgeber die Dauer des Anspruches, welcher in der folgenden Tabelle dargestellt ist (Tabelle 5.8). Tabelle 5.7   Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 147 Abs. 2 SGB III1 monatliche Mindestdauer des Versicherungspflichtverhältnisses

Lebensalter in Jahren

monatlicher Anspruch auf Arbeitslosengeld I

12

6

16

8

20

10

24

12

30

50

15

36

55

18

48

58

24

1Eigene

Darstellung in Anlehnung an der Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 147 SGB III Grundsatz, Fachliche Weisungen vom 20.04.2017, Punkt 147.2.

Sind Leistungen nach dem SGB III107 bei einer unmittelbaren früheren Beschäftigung in Anspruch genommen worden, beispielsweise aufgrund einer kurzfristigen Arbeitsunterbrechung, so wird dies mit der Rahmenfrist verrechnet. Der Anspruchsbeginn für die Gewährung von Arbeitslosengeld I bedarf der Tatbestandsvoraussetzungen der Arbeitslosigkeit, der Arbeitslosmeldung und die Erfüllung der Anwartschaftszeit. Eine besondere Situation für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I − im Sinne des § 146 SGB III − kann bei einer fehlenden Arbeitslosigkeit bestehen, wenn eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. So kann ein Anspruch gemäß § 146 Abs.1 SGB III bei Krankheit vorliegen, wenn eine Arbeitsunfähigkeit ohne eigenes Verschulden besteht. Nach § 146 Abs. 2 SGB III ist ein Bezug von Arbeitslosengeld I auch dann möglich, wenn das eigene Kind, welches unter 12 Jahre alt ist, durch ein ärztliches Attest krankgeschrieben wird.108 106Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 147 SGB III Grundsatz, Fachliche Weisungen vom 20.04.2017, Punkt 147.1. 107Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594, 595), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581). 108Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 146 SGB III Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit, Fachliche Weisungen vom 20.04.2018, Punkt 146.0.

5.1  Existenzgründungen nach dem SGB III

179

Der § 145 SGB III regelt den Bezug von Arbeitslosengeld I bei einer vorliegenden Minderung der Leistungsfähigkeit. Eine solche Minderung der Leistungsfähigkeit liegt beispielsweise dann vor, wenn das Leistungsvermögen unter 15 Wochenstunden liegt oder sich die Person im Krankenstatus befindet. Der Anspruch auf Krankengeld durch die Krankenkasse erlischt nach mehr als 15 Monaten. Sobald die Krankenkasse vom Auslaufen des Krankengeldes informiert, ist die Agentur für Arbeit zu benachrichtigen. Daraufhin wird die sogenannte Amtsarztprüfung eingeleitet.109 Die Person befindet sich aber nicht im Status der Arbeitslosigkeit, da nicht alle Verfügbarkeitskriterien erfüllt sind. Sobald die Leistungsfähigkeit von unter 15 Wochenstunden für mindestens ein halbes Jahr diagnostiziert wird und die Anerkennung einer verminderten Erwerbsfähigkeit durch die Rentenversicherung noch aussteht, resultiert ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Wenn kein Restleistungsvermögen mehr besteht, sprich von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen ist, wird in der Regel das bestehende Arbeitsverhältnis nach § 175 SGB IX beendet. Sobald aber eine Rückkehr in das Arbeitsleben möglich ist, werden die Leistungen der Agentur für Arbeit eingestellt. Als Voraussetzung für die Anwendung des § 145 SGB III sind vier Kriterien zu erfüllen. Es bedarf der persönlichen Arbeitslosmeldung. Ein legitimierter Vertreter kann ebenfalls die Arbeitslosmeldung vornehmen, wenn gesundheitliche Einschränkungen ein persönliches Erscheinen ausschließen. Als weiteres Kriterium ist die Beschäftigungslosigkeit zu nennen, welche innerhalb eines Arbeitsverhältnisses vorliegt. Die Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung von Arbeitslosengeld I sind, bis auf das Leistungsvermögen für eine Beschäftigung von mindestens 15 Wochenstunden, zu erfüllen. Dabei bedarf es aber der Feststellung des Amtsarztes der Agentur für Arbeit, dass eine andauernde Leistungsminderung für mehr als sechs Monate besteht. Ein Verzicht auf die persönliche Arbeitslosmeldung besteht nur, wenn der Leistungsgeminderte zum Beispiel wegen eines Krankenhausaufenthaltes am Erscheinen gehindert ist. Der bestehende Hinderungsgrund ist durch den legitimierten Vertreter nachzuweisen. Mit der Arbeitslosmeldung dokumentiert die arbeitslose Person, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht mehr anerkannt wird. Die gutachterliche Stellungnahme des Amtsarztes ist die Grundlage für die Anwendung der Nahtlosigkeitsregelung.110 109Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 145 SGB III Minderung der Leistungsfähigkeit, Fachliche Weisungen vom 20.07.2017, Punkt 145.4.1. 110Vgl. ebd., Punkt 145.4.2.

180

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Ein Indiz für die Anwendung der Nahtlosigkeit ist eine lang andauernde Arbeitsunfähigkeit mit möglicher Aussteuerung.111 Um das Verfahren zu beschleunigen, kann der Antragsteller die angeforderten Unterlagen, beispielsweise den Gesundheitsfragebogen und die Schweigepflichtentbindung, kurzfristig einreichen. Der Amtsarzt muss nach Erhalt der Unterlagen innerhalb einer Dreiwochenfrist ein aussagefähiges Gutachten erstellen. Mit der Fristsetzung wird sichergestellt, dass der Antragsteller zeitnah über das Arbeitslosengeld I verfügen kann. Die Dreiwochenfrist beginnt bei Personen, die den Antrag vor dem Ende der Aussteuerung stellen, ab dem Zeitpunkt der Aussteuerung.112

5.2 Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF Die Landesregierung Brandenburgs unterstützt verschiedene Maßnahmen zur Erlangung einer selbständigen Tätigkeit. Diese Maßnahmen sind Bestandteil des operationellen Programms.113 Die Förderung einer nachhaltigen Beschäftigung, die Integration benachteiligter Personen in den Arbeitsmarkt und die Verbesserung der Teilhabechancen stehen dabei im Fokus. Ein wichtiges Instrument für die Senkung der Arbeitslosenquote ist die Förderung der Selbständigkeit. Das Land Brandenburg hat mit dem operationellen Programm die Förderung von Existenzgründern als ein Schwerpunktthema hervorgehoben. Bis zum Jahr 2020 werden fünf Kernziele verfolgt. Das erste Kernziel beinhaltet die Erhöhung der Beschäftigungsquote der erwerbsfähigen Personen auf mindestens 75 %. Mit dem zweiten Kernziel werden die Forschung und Entwicklung vorangetrieben und Kernziel drei sieht die Senkung der Treibhausgasemission vor. Die Reduzierung der vorzeitigen Schulabgänger wird mit dem vierten Kernziel verfolgt. Das fünfte und letzte Kernziel thematisiert die Senkung der Armutsquote.114 Die Förderung

111Vgl. Reil, Geldleistungen im gegliederten Sozialsystem, S.  94; hierzu ebenfalls Erlenkämper, Arzt und Sozialrecht, S. 76. 112Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III, § 145 SGB III Minderung der Leistungsfähigkeit, Fachliche Weisungen vom 20.07.2017, Punkt 145.4.1. 113Vgl. Europäischer Sozialfond Brandenburg, http://www.esf.brandenburg.de/cms/detail. php/land_bb_boa_01.c.319255.de, [abgerufen am 29.01.2018]. 114Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg, Operationelles Programm des Landes Brandenburg für den Europäischen Sozialfond (ESF) in der Förderperiode 2014-2020, S. 1.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

181

einer Existenzgründung zielt in erster Linie auf die Kernziele eins und fünf ab, da sie als ein flexibler und innovativer Motor der brandenburgischen Wirtschaft anzusehen sind. Gemäß dem Motto „Neue Unternehmen braucht das Land!“ sind die politischen Fördervoraussetzungen geschaffen, welche durch einzelne Projektträger umgesetzt werden. Die Beratung, die Qualifizierung und die finanzielle Förderung stehen als Unterstützung für potenzielle Existenzgründer im Vordergrund. Mit Beginn der Förderrichtlinie im Jahr 2001 wurde bis dato ein umfangreiches Beratungsnetzwerk aufgebaut.115 Der regionale Lotsendienst, einschließlich für Migranten, der Gründungsservice an den Hochschulen und die Gründungswerkstatt sind die ersten Anlaufstellen. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird das Kernziel eins thematisch hervorgehoben, welches einen Anstieg der Beschäftigungsquote in der Alterskohorte zwischen 20 und 64 Jahren auf 75 % vorsieht.116 Diese grobgefasste Zielstellung beinhaltet auch die Integration und Sicherung von Personen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Das Kernziel eins ist gesetzt, welches bei der Umsetzung weitere Teilziele im komplementären Sinne befördert − beispielsweise die Schaffung von mehr Wohlstand in der Bevölkerung Brandenburgs durch ein adäquates Einkommen und die daraus verbundene Nachfrageerhöhung von Konsumgütern, welches wiederum den Wirtschaftsprozess ankurbelt.117 Das Existenzgründungsförderungsprogramm ist den landesspezifischen Gegebenheiten angepasst. Das Flächenland Brandenburg ist in Bezug auf die Wirtschaftsleistung sehr unterschiedlich. Der Süden von Brandenburg und der Speckgürtel von Berlin zeigen die stärkste landesinterne Wirtschaftsleistung in der Industriebranche und im Dienstleistungsbereich mit einer Vielzahl von mittelständischen Unternehmen auf. Der Norden und Osten von Brandenburg sind hauptsächlich durch landwirtschaftliche Unternehmen geprägt. Unternehmensgründungen sind perspektivisch für das Aufrechterhalten der Wirtschaftsleistung in den peripheren Gebieten notwendig. Erfolgreiche Neugründungen, welche sich

115Vgl. Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Schlussbericht, Evaluation der gemeinsamen Existenzgründungsförderung durch MASGF und MW im Land Brandenburg, 24 ff. 116Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg, Operationelles Programm des Landes Brandenburg für den Europäischen Sozialfond (ESF) in der Förderperiode 2014-2020, S. 1. 117Vgl. Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Schlussbericht, Evaluation der gemeinsamen Existenzgründungsförderung durch MASGF und MW im Land Brandenburg, S. 12 f.

182

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

am Käufermarkt etabliert haben und sich gegenüber der Konkurrenz behaupten, schaffen neue Arbeitsplätze. Arbeitsplätze sind für die soziale und kulturelle Ausprägung der Region von hoher Bedeutung. Je mehr Einwohner eine Region hat, desto umfassender ist das soziale und kulturelle Angebot. Dies ist im Flächenland Brandenburg, insbesondere im Norden und Osten ein wichtiger Faktor, um der sinkenden Einwohnerzahl entgegensteuern zu können. Mit der Gründung von Unternehmen wird eine Multiplikatorwirkung erzeugt, welche wiederum die Ansiedlung weiterer Wirtschaftsakteure begünstigt, sodass die Beschäftigungsquote mittelfristig steigt. In diesem Zusammenhang sind Unternehmensgründungen gesellschaftlich und wirtschaftlich von hoher Bedeutung. Mit der Gründungsoffensive aus dem Jahr 2000 „Aufbruch: Gründen im Land“ (AGiL) ist arbeitsmarktpolitisch der Hauptfokus auf Existenzgründungen gelegt. Im Jahr 2007 wurde das Gründungsnetz Brandenburg aufgebaut. Dieses Netzwerk umfasst anfänglich die Landesregierung, die Investitionsbank, die HWK, die IHK, die Bürgschaftsbank, die Landesagentur für Struktur und Arbeit (LASA) und die ZukunftsAgentur Brandenburg.118 Mit der Zeit haben sich institutionelle und organisatorische Änderungen ergeben, sodass einzelne Netzwerkpartner eine neue Bezeichnung tragen. Von der Grundstruktur ist dieses Netzwerk aber gleichgeblieben. Das MASGF fördert die Beratung bereits seit dem Jahr 2001, unabhängig von einer vorliegenden Behinderteneigenschaft.119 Das Existenzgründungsförderungsprogramm begleitete vom Jahr 2001 bis 2014 über vier Förderperioden hinweg insgesamt 21.351 gründungswillige Personen.120 In der Richtlinie des MASGF vom 30.12.2009 − in der Fassung vom 26.09.2013 − zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg sind unter anderem die Anforderungen an die Träger zur Projektumsetzung für die regionalen Lotsendienste, einschließlich des Lotsendienstes für Migranten, für den Gründungsservice an den Hochschulen und den Gründungswerkstätten für junge Leute definiert. Das Beratungsangebot für innovative Gründungen „Innovationen brauchen Mut“, die Beratungsstellen für die Unternehmensnachfolge und ergänzende experimentelle Aktionen werden nicht näher aufgrund des gewählten Untersuchungsgegenstandes betrachtet. Lediglich mit den ergänzenden experimentellen Aktionen besteht die 118Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg, Begleitende Evaluation des Operationellen Programms des Landes Brandenburg, S. 6. 119Vgl. LASA Brandenburg, Die Arbeit der Lotsendienste, S. 5. 120Eigene Erfassung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP insgesamt.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

183

Möglichkeit, die Gruppe der Existenzgründer mit Behinderung gezielt zu unterstützen.121 Ferner werden in der Richtlinie die Anforderungen an den geplanten Personaleinsatz für den regionalen Lotsendienst, für den Gründungsservice an den Hochschulen und für die Gründungswerkstätten für junge Leute, benannt. Es wird in der Richtlinie darauf hingewiesen, dass gleichstellungsfördernde Maßnahmen, beispielsweise die Betrachtung des familiären Umfeldes bei der Betreuung, die explizite Darstellung der Angebote für Frauen und die Nutzung frauenspezifischer Netzwerke zu beachten und zu befördern sind. Die besondere Hervorhebung frauenbezogener Kriterien lässt vermuten, dass der Aspekt der Chancengleichheit unter männlicher Perspektive aufgrund der Annahme einer bestehenden Vorteilssituation keine weitere Betrachtung oder gesonderter Maßnahmen bedarf.122 In der Literatur wird bei der Umsetzung des Existenzgründungsförderungsprogramms ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Chancengleichheit zwischen Frauen und Männer gewährleistet wird. Ebenso wird auf die Nichtdiskriminierung verschiedener Personengruppen hingewiesen.123 Es sind Menschen mit Behinderung explizit genannt, aber es werden keine gesonderten Maßnahmen oder Aktivitäten daraus abgeleitet.124 Nach den Grundprinzipen der Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung sind die Angebote aus dem Existenzgründungsförderungsprogramm auch für Personen mit Behinderung zugänglich. Die Querschnittsziele einer Chancengleichheit und einer Nichtdiskriminierung beinhalten im Sinne der Projektdefinition die Schaffung einer baulichen Barrierefreiheit, um eine Beratung auch für Personen mit Behinderung zu gewährleisten. Auf spezielle Förderangebote, analog der Gleichstellung von Frauen, wird in der Richtlinie nicht verwiesen. Um Förderleistungen nach dem Existenzgründungsförderungsprogramm zu erhalten, bedarf es einer tragfähigen Geschäftsidee, welche Aussicht auf Erfolg in sich birgt. Als weiteres Kriterium muss der Hauptsitz der zu gründenden Unternehmung oder die Betriebsstätte im Land Brandenburg angesiedelt werden − mit dem Ziel einer nachhaltigen Unternehmensführung von mindestens drei Jahren.

121Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1 ff. 122Vgl. ebd., I. 2 f. 123Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg, Operationelles Programm des Landes Brandenburg für den Europäischen Sozialfond (ESF) in der Förderperiode 2014−2020, S. 171. 124Vgl. ebd., S. 171.

184

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Zusammenfassend werden mit dem Existenzgründungsförderungsprogramm verschiedene Ansätze und Vorgehensweisen initiiert, um den individuellen Bedürfnissen und Anforderungen der unterschiedlichen Personengruppen zu entsprechen. Es werden mit den Teilprojekten der regionalen Lotsendienste, der Gründungswerkstätten und den Gründungsservice an den Hochschulen unterschiedliche Lebenslagen zielorientiert gefördert. Aus der Motivation des Gründers sind Rückschlüsse möglich, ob das selbständige Agieren konsequent betrieben wird oder letztendlich nur eine Flucht aus einer Zwangssituation sich abzeichnet.125 Die Voraussetzung eines zielorientierten Handelns, die Notwendigkeit von erfolgsversprechenden Gründereigenschaften in Kombination mit einer tragfähigen Geschäftsidee, sind für das Existenzgründungsförderungsprogramm kennzeichnend. Einer Notgründung werden in diesem Zusammenhang nur bedingt erfolgswirksame Förderungsvoraussetzungen unterstellt, da die Annahme einer fehlenden Nachhaltigkeit und einer guten Geschäftsidee meist nicht gegeben ist. Die Gründungsbegleitung nach dem Existenzgründungsförderungsprogramm ist im folgenden Schaubild systematisch in fünf Stufen unterteilt (Abbildung 5.2). Prozessablauf einer Existenzgründung nach dem Existenzgründungsförderungsprogramm Stufe 3

Stufe 5

Teilnahme an ein DevelopmentCenter

Stufe 1 Persönliches Erstgespräch

Persönliche Begleitung und Unterstützung

Stufe 2

Stufe 4

Bewerbung zur Aufnahme in das Förderprogramm

Aufnahme in das Förderprogramm

Abbildung 5.2  Prozessablauf einer Existenzgründung nach dem Existenzgründungsförderungsprogramm. (Eigene Darstellung)

125Vgl.

Malek / Ibach / Ahlers, Entrepreneurship, S. 361.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

185

Die Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg ist eine Maßnahme von mehreren. Eingebettet in der Ganzheitlichkeit der Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg ist die Richtlinie Bestandteil der Säule eins und zwei. Insgesamt umfasst das Programm der Existenzgründungsförderung drei Fördersäulen.126 Die erste Säule der Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg beinhaltet Maßnahmen zur Motivationssteigerung für den Entschluss einer selbständigen Tätigkeit. Hierzu zählen unter anderem Aktionen, welche das Unternehmertum an Schulen, beispielsweise durch Schülerfirmen, anregt. Ebenso sind die Gründer- und Unternehmertage zur Kommunikation und Darstellung der Fördermöglichkeiten Bestandteil. Als weitere Förderelemente sind der ­Businessplan-Wettbewerb und die individuellen Qualifizierungs- und Beratungsangebote zu nennen. Diese werden vom Lotsendienst, der Gründungswerkstatt und vom Gründungsservice an der Hochschule umgesetzt. Ziel dabei ist die Begleitung von potenziellen Existenzgründern in der Vorgründungsphase, um eine erfolgreiche Marktetablierung zu ermöglichen. Dabei gehen die Maßnahmen der Qualifizierungs- und Beratungsangebote in die zweite Säule fließend mit dem Ziel der Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Fachkräftesicherung über. Diese zielgruppenspezifischen Qualifizierungs- und Beratungsangebote werden in der vorliegenden Forschungsarbeit im Detail betrachtet. Die Bezeichnung − Existenzgründungsförderungsprogramm − steht hierbei als Synonym. Diese Maßnahmen eignen sich sehr gut für den Untersuchungsgegenstand, da diese eine direkte Interaktion zwischen der Person und dem Qualifizierungs- und Beratungsservice voraussetzt.127 Der Hauptfokus liegt dabei auf Projektteilnehmer mit Behinderung, um mögliche Nachteile und Vorteile der Personengruppe zu erfassen. Vollständigkeitshalber werden die Maßnahmen der Existenzgründungsförderung der zweiten und dritten Säule kurz vorgestellt. So zielt die zweite Säule weiter auf die Sicherung und den Ausbau von Innovationspotenzial und auf ein allgemeines Wirtschaftswachstum ab. Als spezielles Projekt ist − Innovationen brauchen Mut − hervorzuheben. Das Projekt fördert produkt- oder prozessorientierte Innovationen. Unter Berücksichtigung des Hauptziels, der Umsetzung eines wirtschaftlichen beziehungsweise eines tragfähigen Geschäftsmodells, steht 126Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Übersicht Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg aus ESF/ EFRE in der Förderperiode 2014-2020 unter https://msgiv.brandenburg.de/sixcms/media. php/9/existenzgruendungsfoerderung_lb_kurz_042017.pdf, [abgerufen am 24.04.2020]. 127Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg, Gut beraten in die Selbständigkeit, S. 8 ff.

186

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

auch der Aspekt neuer Produkte oder neuer Produktionsverfahren im Vordergrund. Neben der Bewertung der Geschäftsidee und der Gründerpersönlichkeit nimmt der Innovationsaspekt eine besondere Stellung ein. Die dritte Säule der Existenzgründungsförderung beinhaltet mögliche finanzielle Förderungen für eine Selbständigkeit. Mit den sogenannten Mikrodarlehen werden für Kleinstgründungen ein Darlehen von bis zu 25.000 Euro für maximal zehn Jahre gewährt. Im Rahmen des Projektes − Innovationen brauchen Mut − ist ein Zuschuss von bis zu 100.000 Euro für Innovationen und Personalkosten, aufgrund des Mehraufwandes für Forschung und Entwicklung, möglich. Voraussetzung hierfür ist die Bestätigung eines Innovationspotenzials durch die ZukunftsAgentur Brandenburg sowie eine 25 %-ige Finanzierung aus Eigenmitteln. Die sogenannte Aufbauförderung zur Sicherung des Lebensunterhaltens in Höhe von monatlich 725 Euro für ein Jahr wurde seit dem 10.04.2014 als Fördergegenstand geschlossen. In den Qualitätshandbüchern der Wirtschaftsförderung Brandenburg für den Lotsendienst, den Gründungsservice an Hochschulen und für die Gründungswerkstatt findet die Thematik einer Behinderung nach dem SGB IX keine Berücksichtigung. Vielmehr nimmt das Gender-Mainstreaming einen besonderen Stellenwert ein. In den folgenden Unterabschnitten sind die einzelnen Fördermaßnahmen nach der Richtlinie des MASGF zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 − in der Fassung vom 26.09.2013 − ausführlich dargestellt. Ein gesonderter Fördergegenstand ist nach der Richtlinie für Existenzgründer mit Behinderung unter Punkt IV. 6. als experimentelle Aktion möglich.128 Ein eigenständiges Beratungs- und Unterstützungsangebot wird jedoch nicht vorgehalten. Alle Maßnahmen zielen unter anderem darauf ab, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren und den Wirtschaftsstandort Brandenburg nachhaltig zu stärken.129 Nach der Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg stellt 128Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 6.1. 129Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Begleitende Evaluation des Operationellen Programms des Landes Brandenburg, S. 6; hierzu ebenfalls, Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, I. 2.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

187

die Landesregierung vorrangig auf eine externe Begleitung und auf das Aufzeigen verschiedener Dienstleistungsangebote für potenzielle Existenzgründer ab. Die Vermittlung in Assessments, sowie in Beratungs- und Qualifizierungsdienstleistungen, um das Gründer-Know-how auszubauen, ist ebenfalls Bestandteil des Programms. Alle Unterstützungsmaßnahmen konzentrieren sich dabei temporär auf die Inhalte der Vorgründungsphase.130 Das Existenzgründungsförderungsprogramm begleitete vom Jahr 2001 bis 2014 über vier Förderperioden hinweg insgesamt 21.351 gründungswillige Personen.131 Daraus sind 14.904 Gründungen ergangen.132 Dies entspricht einer durchschnittlichen Erfolgsquote von 69,8 %. Hervorzuheben ist der Anteil der Unternehmensgründungen von Frauen mit 41,8 % (6.080) (Tabelle 5.9). Tabelle 5.8  Frequentierung und Gründungen aus dem Existenzgründungsförderungsprogramm von 2001 bis 20141 Gesamtbetrachtung des Existenzgründungsförderungsprogramm

Teilnehmer insgesamt

qualifizierte Gründungswillige

21.351

vollzogene Gründungen

14.904

– davon Frauen

6.080

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP insgesamt.

Die definierte Erfolgsquote aus der Richtlinie des MASGF zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009, in der Fassung vom 26.09.2013, welche lediglich 60 % vorsieht, wurde mit 69,8 % übererfüllt.133 Unter 130Vgl.

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.2.4. f. 131Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP insgesamt. 132Ebd. 133Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.4.4.

188

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Aufteilung der zurückliegenden vier Förderperioden ist ersichtlich, dass mit jeder Förderperiode ein Teilnehmerzuwachs zu verzeichnen ist. Insgesamt ist der Anteil der qualifizierten gründungswilligen Personen um 316,7 % angestiegen. Analog hierzu wurde auch ein Zuwachs von Gründungen, welche aus dem Existenzgründungsförderungsprogramm resultierten, um 305,6 % erfasst (Tabelle 5.10). Tabelle 5.9   Frequentierung und Erfolgsquote des programms von 2001 bis 2014 nach Förderperioden1

Existenzgründungsförderungs-

Existenzgründungsförderungsprogramm nach Förderperioden

Förderperiode I 2001 bis 2003

Förderperiode II 2004 bis 2006

Förderperiode III 2007 bis 2009

Förderperiode IV 2010 bis 2014

Qualifizierte Gründungswillige

2.669

4.705

5.524

8.453

Gründungen

1.837

3.321

4.133

5.613

– Davon Frauen

686

1.225

1.756

2.413

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP insgesamt.

Mit der ganzheitlichen Betrachtung des Existenzgründungsförderungsprogramms wird ersichtlich, dass ein Anstieg der Inanspruchnahme der Förderleistung zu verzeichnen ist. Über die einzelnen Förderperioden hinweg ist von der Förderperiode I bis hin zur Förderperiode IV ein positiver Trend zu entnehmen, welcher nicht den allgemeinen Tendenzen von Unternehmensgründungen in der Bundesrepublik Deutschland entspricht. In den folgenden Unterpunkten wird die Evaluation der Förderperiode IV − bezogen auf den jeweiligen Gründungsdienst − umfassend und ausführlich dargestellt, sodass Rückschlüsse zu der Gründungssituation von Personen mit Behinderung ermöglicht werden.

5.2.1 Lotsendienste Die Unterstützungsleistung aus dem Existenzgründungsförderungsprogramm durch den regionalen Lotsendienst umfasst die individuelle Beratung und Betreuung durch externe Dienstleister.134 Die Leistungsaspekte sind in drei 134Vgl. Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Schlussbericht, Evaluation der gemeinsamen Existenzgründungsförderung durch MASGF und MW im Land Brandenburg, S. XII.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

189

Phasen zu unterteilen. Die erste Phase beinhaltet die Erstberatung mit dem Ergebnis der Aufnahme in das D ­ evelopment-Center oder mit einer ablehnenden Beurteilung zum Gründungsvorhaben. Das ­ Development-Center ist für die zweite Phase charakteristisch. Im Ergebnis dieser Phase kann die Aufnahme in eine qualifizierte Beratung erfolgen. Ebenso werden Möglichkeiten zu einer Gründung aufgezeigt, beziehungsweise wird für den Schritt in die Selbständigkeit abgeraten. Die dritte Phase beinhaltet die qualifizierte Beratung mit dem Ergebnis der Existenzgründung oder der Aufgabe des Vorhabens.135 Die erste Phase ist als Kennenlernphase zu verstehen. Der Lotsendienst lernt die gründungswillige Person kennen und bekommt die Geschäftsidee vorgestellt. Nach Bewertung des Erstgespräches, ob die persönlichen Voraussetzungen und ob die Geschäftsidee tragfähig sind, entscheidet der Lotsendienst über eine Begleitung des Vorhabens.136 Mit dem Qualitätshandbuch der Wirtschaftsförderung Brandenburg zu der Arbeit der Lotsendienste wurden die Mindeststandards für ein Erstgespräch festgelegt. So werden unter anderem, neben der persönlichen und fachlichen Voraussetzung, das soziale Umfeld erfragt. Im betrachteten Förderzeitraum sind insgesamt 13.463 Erstgespräche registriert. Davon haben 6.390 Teilnehmer die Maßnahme in der zweiten Stufe absolviert.137 Mit Durchführung von Assessments138 in der zweiten Phase, welche in der Regel vier Tage umfassen, müssen laut der Richtlinie mindestens 70 % der potenziellen Existenzgründer diese Maßnahme durchlaufen.139 In homogenen Gruppen bereiten sich die Teilnehmer auf die Gründung vor. Jeder präsentiert seine Geschäftsidee, sodass diese in der gesamten Gruppe diskutiert werden kann. Im weiteren Verlauf des Assessments werden Rollenspiele und Übungen durchgeführt, um die Unternehmerpersönlichkeit zu erfassen. Der mögliche Existenzgründer wird durch zwei Berater beurteilt, welche das Entwicklungspotenzial aus

135Vgl. Wirtschaftsförderung Brandenburg, Qualitätshandbuch, Regionale Lotsendienste, S. 2. 136Vgl. ebd., S. 3. 137Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste. 138Unter der Bezeichnung der Assessments sind die Development-Center zu verstehen. 139Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.4.3.

190

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

fachlicher, persönlicher und sozialer Sicht bewerten.140 Mit der Prüfung des Geschäftsinhalts auf Marktfähigkeit wird vorrangig bewertet, ob mit diesem Vorhaben der Lebensunterhalt abgesichert werden kann.141 Mit einer negativen Bewertung des Vorhabens erfolgt der Ausschluss aus dem Existenzgründungsförderungsprogramm, sodass keine weiteren Leistungen durch den Lotsendienst für den potenziellen Existenzgründer mehr möglich sind. Mit der positiven Bewertung als potenzielle Gründerperson − im Zusammenhang mit dem angestrebten Vorhaben − erfolgt die offizielle Aufnahme in das Existenzgründungsförderungsprogramm, welche für die Statistik zur Erfolgsevaluierung maßgeblich ist.142 Mit erfolgreicher Bewertung der Gründungsvoraussetzungen beginnt die dritte Phase. Diese beinhaltet die Beratung, die Qualifizierung und das Coaching für eine zielgerichtete Vorbereitung. Mit Hilfe eines Gründungsfahrplans, welcher inhaltlich aus dem Assessment resultiert, werden Maßnahmen mit dem Gründungswilligen abgestimmt. Die Unterstützungsmaßnahmen zur Gründung zielen auf Leistungen im gesamten Gründungsprozedere innerhalb der Vorgründungsphase ab. Inhaltlich können die Themenschwerpunkte unter anderem auf die persönlichen Fähigkeiten, das notwendige Marketing oder auf die Vereinbarkeit von Familie mit der selbständigen Tätigkeit abzielen.143 Die individuelle Betreuung erfolgt bis zum Gründungsakt. Eine Weiterbetreuung in der Nachgründungsphase ist durch das Existenzgründungsförderungsprogramm nicht beabsichtigt. Das Teilprojekt aus dem Existenzgründungsförderungsprogramm sieht auf Grundlage des Gender-Mainstreamings eine bei Bedarf gesonderte Beratung für Frauen vor. Nach der Richtlinie wird eine Gründungsquote, unabhängig vom

140Vgl. Wirtschaftsförderung Brandenburg, Qualitätshandbuch, Regionale Lotsendienste, S. 4. 141Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.4.1 ff.; hierzu ebenfalls Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Schlussbericht, Evaluation der gemeinsamen Existenzgründungsförderung durch MASGF und MW im Land Brandenburg, S. XIII. 142Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.4.4. 143Vgl. Wirtschaftsförderung Brandenburg, Qualitätshandbuch, Regionale Lotsendienste, S. 6.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

191

Geschlecht, von mindestens 60 % angestrebt. Wird diese durch den jeweiligen regionalen Lotsendienst nicht erreicht, ist die finanzielle Projektförderung des betroffenen Lotsendienstes zu reduzieren.144 Nach der Richtlinie sind bis zu 40 % der Ausgaben für das Projektmanagement, neben den Assessments und der spezifischen Beratung und Qualifizierung des Gründungswilligen, förderfähig.145 Eine kurzfristige Kürzung der Sachkosten ist aus betriebswirtschaftlichen Gründen kaum möglich, sodass die flexiblen Kosten, vorzugsweise die Personalkosten der Kürzung unterliegen. Mit der Förderung der Personalkosten, welche auf arbeitsrechtlicher Grundlage i. d. R. befristete Arbeitsverträge mit einem Sachgrund darstellen, wirkt sich dies gleichwohl als intrinsische Mitarbeitermotivation für eine erfolgreiche Projektumsetzung aus. Pessimistisch betrachtet besteht aber die Gefahr einer ausschließlichen Quotenerfüllungsabsicht, ungeachtet einer etwaigen Nachhaltigkeit. Ebenso besteht das Risiko einer mangelnden Chancengleichheit, da aufgrund von Vorurteilen und Bewertungsmustern den Gründungswilligen keine erfolgreiche Selbständigkeit unterstellt wird (vgl. Abschnitt 3.1. und 3.2.). Der Lotsendienst führte in der Förderperiode IV 13.463 Erstgespräche durch.146 Davon sind insgesamt 4.375 Gründungen ergangen.147 Die Verbleibstatistik des regionalen Lotsendienstes umfasst die höchste Teilnehmeranzahl. Insgesamt wurden 3.778 Teilnehmer im Rahmen der Evaluierung einer Nachhaltigkeit angeschrieben.148 3.190 Teilnehmer meldeten sich zurück, sodass ihre Daten in der Verbleibstatistik ausgewertet werden konnten (Abbildung 5.3).149

144Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.4.4. 145Vgl. ebd., IV. 1.3. 146Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste. 147Ebd. 148Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt. 149Ebd.

192

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung Überblick zur gegenwärtigen beruflichen Situation der Teilnehmer an den regionalen Lotsendienst - einschließlich Migranten - in der Förderperiode IV

selbständig im Vollerwerb; 2555; 80,1%

selbständig im Nebenerwerb; 165; 5,2% sv-pflichtig beschäftigt; 295; 9,2% arbeitslos; 155; 4,9% Rentner; 20; 0,6%

Abbildung 5.3  Verbleibübersicht zur gegenwärtigen Situation der erfolgreichen Teilnehmer an den regionalen Lotsendienst − einschließlich Migranten. (Eigene Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt)

Auf Nachfrage zu ihrer beruflichen Situation gaben 2.555 Teilnehmer an, dass sie gegenwärtig ihre selbständige Tätigkeit im Vollerwerb ausüben.150 Lediglich 165 Teilnehmer führen ihre Selbständigkeit im Nebenerwerb durch.151 295 Teilnehmer haben ihre selbständige Tätigkeit aufgegeben und gehen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach.152 Des Weiteren gaben 155 Teilnehmer an, dass sie sich gegenwärtig in einer Arbeitslosigkeit befinden.153 Gleichfalls haben 20 Teilnehmer das Renteneintrittsalter erreicht und sich aus dem Arbeitsleben zurückgezogen (Abbildung 5.4).154

150Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt. 151Ebd. 152Ebd. 153Ebd. 154Ebd.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

193

Einschätzung der unternehmerischen Situation der Teilnehmer an den regionalen Lotsendienst - einschließlich Migranten - in der Förderperiode IV

zufriedenstellend; 793; 29,8%

gut; 1.001; 37,6%

schlecht; 164; 6,2% keine Aussagen; 66; 2,5%

sehr gut; 638; 24,0%

Abbildung 5.4   Einschätzung der unternehmerischen Situation der Teilnehmer an den regionalen Lotsendienst − einschließlich Migranten. (Eigene Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt)

Bei der Frage nach der Einschätzung der unternehmerischen Situation haben sich 2.662 Gründer geäußert.155 638 Personen sehen ihre aktuelle unternehmerische Situation als sehr gut, 1.001 Personen als gut und 793 Personen als zufriedenstellend.156 Demnach bewerten insgesamt 2.432 Projektteilnehmer, welche gemeinsam mit dem regionalen Lotsendienst den Schritt in die Selbständigkeit gewagt haben, ihre aktuelle wirtschaftliche Situation als gut und können eigenständig ihren Lebensunterhalt erwirtschaften. Lediglich 164 Personen schätzen ihre gegenwärtige Situation als eher schlecht ein.157 66 Gründer haben auf diese Frage keine Aussage getroffen.158 In der betrachteten 155Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt. 156Ebd. 157Ebd. 158Ebd.

194

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Förderperiode vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2014 sind insgesamt 13.463 Erstgespräche erfasst (Abbildung 5.5).159

Anzahl

Anzahl der Erstgespräche 3,500 3,000 2,500 2,000 1,500 1,000 500 0 Anzahl Erstgespräche

2010 2,930

2011 3,002

2012 2,370

2013 2,612

2014 2,549 Jahr

Abbildung 5.5  Anzahl der durchgeführten Erstgespräche beim Lotsendienst. (Eigene Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste)

Mit der Durchführung der Erstgespräche kann abgeschätzt werden, ob eine Gründung eine nachhaltige Selbständigkeit ermöglicht. Von 13.463 geführten Erstgesprächen hatten anschließend 6.390 Teilnehmer die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Assessment.160 Davon haben 5.163 Teilnehmer die Chance ergriffen. Bei 1.207 Teilnehmern war eine Teilnahme aufgrund ihrer aktuellen Gründersituation nicht notwendig − beispielsweise handelt es sich hierbei um familiäre Unternehmensnachfolgen und um Betriebsübergänge (Tabelle 5.11).

159Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste. 160Ebd.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

195

Tabelle 5.10   Überblick der Teilnehmer an Assessments1

Anzahl durchgeführter Erstgespräche

Plan-Wert in Teilnehmer

Ist-Wert in Teilnehmer



13.463

Anzahl aufgenommener Teilnehmer in die Qualifizierung

6.371

6.390

Davon

4.460

5.163

– aus Assessment – ohne Assessment

Anzahl Teilnehmer mit abgeschlossener Qualifizierung

1.911

1.207

6.371

6.291

1Eigene Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste.

Insgesamt wurden 7.172 Teilnehmer, welche 53,3 % des Gesamtteilnehmerkreises darstellen, abgelehnt − beziehungsweise haben die Unterstützungsleistung des regionalen Lotsendienstes nicht in Anspruch nehmen können.161 Mit der Durchführung des Assessments, sollen laut der Richtlinie mindestens 70 % der Teilnehmer eine Unterstützungsmaßnahme durchlaufen, um sich in homogenen Gruppen auf die Gründung einer selbständigen Existenz vorbereiten.162 Das Development-Center dient in diesem Zusammenhang zur Ermittlung der Unternehmerpersönlichkeit, bei welchen die Führungsqualitäten durch Beobachtung festgestellt werden. Weiterer Bestandteil ist die Bewertung der persönlichen Eignung und die zugrundeliegende Geschäftsidee (Abbildung 5.6).

161Eigene

Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste. 162Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.4.3.

196

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Anzahl der Teilnehmer am Development-Center

Anzahl

1,200 800 400 0 Anzahl Teilnehmer

2010 1,049

2011 1,113

2012 974

2013 1,050

2014 977 Jahr

Abbildung 5.6  Anzahl der Teilnehmer am Development-Center. (Eigene Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste)

Insgesamt betrachtet wurde die definierte Quote von mindestens 70 % umgesetzt. Sie wurde erfüllt im Jahr 2010 mit 84 %, im Jahr 2011 mit 81 %, im Jahr 2012 mit 85 %, im Jahr 2013 mit 82 % und im Jahr 2014 mit 74 %.163 Teilnehmer, die ohne ein Assessment im Existenzgründungsförderungsprogramm aufgenommen werden, sollen nicht mehr als 30 % der Gesamtteilnehmeranzahl umfassen. Die durchschnittliche Ist-Quote der IV. Förderperiode weist einen Anteil von 19 % auf (Tabelle 5.12). Tabelle 5.11   Überblick zu den aufgenommenen Teilnehmern in die Qualifizierung1 Plan-Wert der IV. Förderperiode

Ist-Wert der IV. Förderperiode

Anzahl aufgenommener Teilnehmer in Qualifizierung

6.371

6.390

– Mit Development-Center

4.460

5.163

– Ohne Development-Center

1.911

1.207

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste. 163Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

197

Ausgehend von den 6.390 Teilnehmern an der Qualifizierungsmaßnahme haben 6.291 Teilnehmer diese erfolgreich durchgeführt.164 Dies ist eine Erfolgsquote von 99 %. Im Ergebnis der Gründungsberatung sind insgesamt 4.375 Teilnehmer in die Selbstständigkeit übergegangen.165 Dies entspricht nach der Richtlinie einer Erfolgsquote, ausgehend von 6.291 Teilnehmern, welche erfolgreich die Qualifizierungsmaßnahme abgeschlossen haben, von 70 %. Von den 4.375 Neugründungen liegt der Anteil weiblicher Gründer bei 45 % (Abbildung 5.7).166 Gründungen nach Geschlecht

1,953, 45% 2,422, 55%

männlich

weiblich

Abbildung 5.7   Gründungen nach Geschlecht. (Eigene Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste)

Zur Messung einer erfolgreichen Nachhaltigkeit wird die Marktpräsenz ein Jahr nach dem Gründungsakt als Kriterium herangezogen. Bei dieser Erhebung stellte sich heraus, dass insgesamt 2.883 Gründungen zu diesem Zeitpunkt am Markt aktiv waren.167 Dies entspricht einer Nachhaltigkeitsquote von 66 % (Tabelle 5.13).

164Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste. 165Ebd. 166Ebd. 167Ebd.

198

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Tabelle 5.12   Überblick Lotsendienst1 Überblick zu den Teilnehmern am Landesförderungsprogramm | Lotsendienst Jahr

2010

2011

2012

2013

2014

Gesamt

Anzahl Erstgespräche

2.930

3.002

2.370

2.612

2.549

13.463

Gründungen

693

1.196

604

802

1.080

4.375

– Davon männlich

390

675

308

460

589

2.422

– Davon weiblich

303

521

296

342

491

1.953

Gründer, welche noch nach einem Jahr aktiv am Markt sind 

8

685

922

630

638

2.883

– Davon Männlich

2

365

499

337

372

1.575

– Davon Weiblich

6

319

421

286

268

1.300

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste.

In der Verbleibstatistik des Lotsendienstes haben 3.141 Befragte angegeben, dass insgesamt 1.896 Mitarbeiter und 50 Auszubildende in den jungen Unternehmen beschäftigt werden.168

5.2.2 Gründungsservice an den Hochschulen Der Gründungsservice, speziell für Akademiker, wird an acht Hochschulen und Universitäten169 im Rahmen des Existenzgründungsförderungsprogramms umgesetzt. Die Gründungsunterstützung richtet sich direkt an Studierende und Absolventen der letzten fünf Jahre einer Hochschule oder Universität im Land

168Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt. 169Hierzu zählen die Brandenburgische-Technische Universität Cottbus-Senftenberg, die Europa−Universität Viadrina Frankfurt (Oder), die Universität Potsdam, die Fachhochschule Potsdam, die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, die Fachhochschule Brandenburg, die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und die Technische Hochschule Wildau.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

199

Brandenburg. Ebenfalls hat das akademische Personal die Möglichkeit der Inanspruchnahme, wenn eine Existenzgründung angestrebt wird.170 Die Tätigkeit des Gründungsservice an den Hochschulen ist in zwei Bereiche zu unterteilen. Der erste Bereich beinhaltet die Sensibilisierung und Motivierung für den Schritt in die Selbständigkeit. Mit gezielten Marketingmaßnahmen und einer direkten Ansprache der Zielgruppe wird die Thematik der Existenzgründung kommuniziert.171 Durch niedrigschwellige Aktivitäten werden der Zielgruppe verschiedene Perspektiven einer möglichen Selbständigkeit aufgezeigt. Der zweite Tätigkeitsbereich des Gründungsservices umfasst die Unterstützung in der Vorgründungsphase und die Begleitung bis in die frühe Nachgründungsphase. Die Identifikation möglicher Geschäftsfelder, die inhaltliche Bewertung auf Nachhaltigkeit und die Prüfung der Gründerpersönlichkeit in Assessments und in persönlichen Gesprächen stellen den Kern der Gründungsunterstützung dar. Mit einer positiven Bewertung des Vorhabens erfolgt die Aufnahme als Projektteilnehmer. Bei mangelnden Voraussetzungen wird durch den Gründungsservice ebenfalls von einer Existenzgründung abgeraten. Besteht die Aussicht einer erfolgreichen Umsetzbarkeit − trotz des Fehlens bestimmter Kompetenzen − so werden zur Kompensation zielgerichtete Unterstützungsangebote aufgezeigt. Der Gründungsservice an den Hochschulen weist vergleichsweise das annähernd identische Leistungsportfolio der regionalen Lotsendienste auf. Nach der erfolgreichen Bewertung des Vorhabens werden spezielle Assessments zum Gründungs-Know-how mit vergleichbaren Teilnehmern und Betätigungsfeldern durchgeführt. Der Ablauf und der Umfang der Assessments sind mit dem des Lotsendienstes identisch.172 Im Anschluss daran ist eine persönliche Beratung und ein individuelles Coaching bis zum Gründungsakt und in der frühen Nachgründungsphase vorgesehen.173 Gesonderte Maßnahmen aus dem Gründungsservice heraus tragen entsprechend des Gender-Mainstreamings zu einer Sensibilisierung von weiblichen 170Vgl.

Wirtschaftsförderung Brandenburg, Qualitätshandbuch, Gründungsservice an den Hochschulen, S. 4. 171Vgl. ebd., S. 2 f. 172Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.3 a. 173Vgl. Wirtschaftsförderung Brandenburg, Qualitätshandbuch, Gründungsservice an den Hochschulen, S. 3.

200

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Existenzgründern bei.174 Als Erfolgsindikator ist im Vergleich zu dem Lotsendienst keine von außen her festgelegte Gründungsquote definiert. Durch die jeweiligen Besonderheiten der Hochschulen oder Universitäten, beispielsweise einer technischen oder wirtschaftlichen Orientierung, erfolgt die Quotenfestlegung durch den Gründungsservice mit dem Zuwendungskonzept als Projektteilnehmer selbst.175 Wird die selbstdefinierte Erfolgsquote nicht erreicht, so besteht die Gefahr der Budgetkürzung − analog zum Lotsendienst.176 Nach der Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen sind 50 % der Ausgaben für das Projektmanagement − neben den Assessments und der spezifischen Beratung und Qualifizierung des Gründungswilligen − förderfähig.177 Der Gründungsservice an den Hochschulen hat 499 Existenzgründungen in der IV. Förderperiode begleitet. Dabei wurden insgesamt 2.462 Erstgespräche geführt (Tabelle 5.14).178 Tabelle 5.13   Überblick zu den Erstgesprächen beim Gründungsservice an den Hochschulen1 Jahr

2010

2011

2012

2013

2014

Anzahl der Erstgespräche Davon:

346

558

549

512

497

– Männlich

186

279

295

263

266

– Weiblich

118

191

180

144

177

42

88

74

105

54

– International 1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Hochschulen.

174Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, V. 1.a. 175Vgl. ebd., IV. 2.2.2 f. 176Vgl. ebd., IV. 2.4.1. 177Vgl. ebd., IV. 2.3. 178Eigene. Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Hochschulen.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

201

Der Anteil männlicher Teilnehmer am Erstgespräch umfasst 52,3 %.179 Mit 32,9  % haben sich Frauen im Rahmen eines Erstgespräches durch den Gründungsservice beraten lassen.180 Der Anteil der Beratungen an gründungswillige Personen mit einem internationalen Status umfasst lediglich 14,7  %.181 Die Erstgespräche haben ergeben, dass 1.134 Teilnehmer an Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen haben (Tabelle 5.15).182 Tabelle 5.14   Überblick zu der Aufnahme in Qualifizierungsmaßnahmen bei Gründungsservice an den Hochschulen1 Jahr

2010

2011

2012

2013

2014

Anzahl der in Qualifizierung aufgenommener Teilnehmer Davon:

156

233

293

238

214

– Männlich

92

127

172

135

117

– Weiblich

50

78

90

54

80

– International

14

28

31

49

17

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Hochschulen.

Von diesen 1.134 Teilnehmern an Qualifizierungsmaßnahmen haben insgesamt 958 Teilnehmer die Maßnahme erfolgreich abgeschlossen.183 Im Vergleich zum Lotsendienst unterliegt der Gründungsservice keiner extern definierten Erfolgsquote.184 Durch die jeweiligen Besonderheiten der Hochschulen oder Universitäten − beispielsweise einer technischen oder wirtschaftlichen Orientierung − erfolgt die Quotenfestlegung durch den Gründungsservice selbst.185 Um 179Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Hochschulen. 180Ebd. 181Ebd. 182Ebd. 183Ebd. 184Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 2.2.2 f. 185Vgl. ebd., IV. 2.2.2 f.

202

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Rückschlüsse der einzelnen Teilprojekte untereinander zu ermöglichen, wird die Gründungsquote gleichwohl bei allen Teilprojekten des Existenzgründungsförderungsprogramms erhoben. In der folgenden Tabelle ist die erreichte Gründungsquote dargestellt. Tabelle 5.15   Überblick der Gründungsquote bei dem Gründungsservice an den Hochschulen1 Jahr

2010

2011

2012

2013

2014

Gründungsquote

46,2 %

59,7 %

88,4 %

60,1 %

49,7 %

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Hochschulen.

Ausgehend von den 1.134 Teilnehmern an der Qualifizierungsmaßnahme haben 958 Teilnehmer diese erfolgreich durchgeführt.186 Im Ergebnis der Gründungsberatung sind insgesamt 585 Teilnehmer in die Selbstständigkeit übergegangen.187 Dies entspricht einer Erfolgsquote − ausgehend von den 958 Teilnehmern, welche erfolgreich die Qualifizierungsmaßnahme abgeschlossen haben − von 61,1 %. Von den 585 Neugründungen haben sich anteilig 186 Frauen selbständig gemacht.188 Bei der Evaluation des Gründungsservice an den Hochschulen in der Förderperiode IV wurden 488 Teilnehmer im Rahmen der Nachhaltigkeitsevaluierung angeschrieben. Insgesamt sind 387 Rückläufe eingegangen.189 Auf Nachfrage, in welcher aktuellen beruflichen Situation sich die Gründer befinden, haben 152 Teilnehmer angegeben, dass sie ihre Tätigkeit selbständig im Vollerwerb und 130 Teilnehmer im Nebenerwerb ausüben (Abbildung 5.8).190

186Eigene

Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Hochschulen. 187Ebd. 188Ebd. 189Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Hochschulen gesamt. 190Ebd.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

203

Überblick zur gegenwärtigen beruflichen Situation der Teilnehmer am Gründungsservice an den Hochschulen in der Förderperiode IV

selbständig im Nebenerwerb, 130, 33.6%

sv-pflichtig beschäftigt, 56, 14.5% arbeitslos, 3, 0.8%

selbständig im Vollerwerb, 152, 39.3%

Student, 46, 11.9%

Abbildung 5.8   Aktuelle Situation der erfolgreichen Teilnehmer am Gründungsservice an den Hochschulen. (Eigene Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Hochschulen)

Insgesamt haben 56 Teilnehmer ihre Selbständigkeit aufgegeben und befinden sich in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.191 Des Weiteren weisen drei ehemalige Gründer den Status einer Arbeitslosigkeit auf und 46 haben ein neues Studium angefangen, beziehungsweise ihr damaliges Studium weitergeführt.192 Auf Nachfrage, wie die ehemaligen Teilnehmer gegenwärtig ihre unternehmerische Situation einschätzen, sind insgesamt 224 Antworten bei der Evaluation eingegangen.193 Davon haben 34 Gründer ihre unternehmerische Situation als sehr gut bewertet, 117 als gut und 46 als zufriedenstellend.194 Im Ergebnis können somit 197 Gründer ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten.195 Lediglich fünf Gründer bewerteten ihre unternehmerische Situation 191Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Hochschulen gesamt. 192Ebd. 193Ebd. 194Ebd. 195Ebd.

204

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

als sehr schlecht.196 22 Gründer haben auf die Frage ihrer gegenwärtigen Situation keine Aussage getroffen (Abbildung 5.9). Einschätzung der unternehmerischen Situation der Teilnehmer am Gründungsservice der Hochschulen in der Förderperiode IV

zufriedenstellend, 46, 20.5% schlecht, 5, 2.2% gut, 117, 52.2%

keine Aussagen, 22, 9.8% sehr gut, 34, 15.2%

Abbildung 5.9  Einschätzung der unternehmerischen Situation der Teilnehmer am Gründungsservice der Hochschulen. (Eigene Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Hochschulen gesamt)

Mit dem Schritt in die Selbständigkeit über den Gründungsservice an den Hochschulen sind im Land Brandenburg neben den erfolgreichen Selbständigen zusätzlich 30 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstanden.197

5.2.3 Gründungswerkstätten für junge Leute Neben der speziellen Unterstützung für Akademiker wird nach der Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen durch das MASGF ein weiteres spezielles Unterstützungsangebot für Jungfacharbeiter bis zum 27. Lebensjahr 196Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Hochschulen gesamt. 197Ebd.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

205

vorgehalten.198 In den sogenannten Gründungswerkstätten erfolgt die vergleichsweise identische Unterstützung wie beim Lotsendienst. Ergänzend ist aber durch die Gründungswerkstatt die zusätzliche Begleitung in der Nachgründungsphase vorgesehen.199 Neben dem Aufzeigen von beruflichen Perspektiven wird eine intensive sozialpädagogische Betreuung durchgeführt.200 Die hervorgehobene sozialpädagogische Betreuung mit Hilfe eines Mentors ist als eine Individualbetreuung anzusehen. Die definierte Erfolgsquote beträgt mindestens 40 %.201 Der förderfähige Projektaufwand beträgt aufgrund der intensiveren Betreuung bis zu 80 %.202 Notwendige Assessments und spezifische Qualifizierungsmaßnahmen können separat entsprechend der Richtlinie abgerechnet werden.203 Gegenwärtig halten im Land Brandenburg drei Projektträger den Gründungsservice entsprechend den besonderen Anforderungen einer Gründungswerkstatt vor.204 In der IV. Förderperiode waren Kapazitäten für 853 potenzielle Gründer als Soll-Wert eingeplant.205 In dem Förderzeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2014 wurden insgesamt 986 Jugendliche betreut − 133 Teilnehmer mehr als eingeplant. Die Frauenquote liegt anteilig bei 39,7 %.206 Aus den 986 Betreuungsfällen sind insgesamt 525 Gründungen ergangen.207 Der Anteil weiblicher

198Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 4.2.1. 199Vgl. Wirtschaftsförderung Brandenburg, Qualitätshandbuch, Gründungswerkstätten, S. 7. 200Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 4.2.3. 201Vgl. ebd., IV. 4.4.3. 202Vgl. ebd., IV. 4.3. 203Vgl. ebd., IV. 1.3.a, b. 204Vgl. ebd., IV. 4.2.3. 205Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Gründungswerkstätten. 206Ebd. 207Ebd.

206

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Gründer liegt mit 224 bei 42,7 %.208 Insgesamt betrachtet liegt die Gründungsquote bei 53,2 %.209 Die definierte Erfolgsquote von 40 % ist demnach übererfüllt. Von den 525 gegründeten Unternehmungen sind nach einem Jahr 445 Unternehmen noch am Markt tätig, sodass eine Nachhaltigkeitsquote von 84,8 % besteht (Tabelle 5.16).210 Tabelle 5.16   Überblick zu den Gründungswerkstätten für junge Leute1 Jahr

2010

2011

2012

2013

2014

Gesamt

Anzahl der Erstgespräche

245

237

179

178

147

986

– davon männlich

141

147

104

107

96

595

– davon weiblich

104

90

75

71

51

391

Anzahl der Gründungen

106

161

78

88

92

525

– davon männlich

59

103

41

48

50

301

– davon weiblich

47

58

37

40

42

224

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Gründungswerkstätten.

Die Gründungswerkstätten zeigen im Vergleich zum Lotsendienst und zum Gründungsservice an den Hochschulen und Universitäten mehrere Perspektiven neben der Selbständigkeit auf, um eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration zu ermöglichen. Dieses zusätzliche Ziel erklärt im Ergebnis die geringere Erfolgsquote von Existenzgründungen im Vergleich zu den weiteren Beratungs- und Unterstützungsdiensten der Existenzgründungsförderung. Perspektiven, die durch die Gründungswerkstatt aufgezeigt werden, umfassen ebenfalls Bemühungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit. So haben beispielsweise 101 Teilnehmer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen und 30 Teilnehmer eine Ausbildung und 25 eine Weiterbildung, beziehungsweise Umschulung begonnen.211 Im Zuge der Evaluation auf Nachhaltigkeit sind bei den Gründungswerkstätten, über alle Projektträger212 hinweg, 208Eigene

Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Statistik Existenzgründungen IV FP Gründungswerkstätten. 209Ebd. 210Ebd. 211Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Gründerwerkstätten gesamt. 212Zu den Projektträgern gehören: Puls e.V., STIC MOL mbH, Iq−Consult GmbH.

5.2  Existenzgründungen aus dem Landesförderprogramm des MASGF

207

insgesamt 460 Teilnehmer schriftlich befragt worden.213 Eine Rückmeldung von 320 Teilnehmern erfolgte.214 Zu der aktuellen beruflichen Situation gaben insgesamt 212 Personen an, dass sie ihre Selbständigkeit weiterhin im Vollerwerb ausüben.215 Der Anteil der Ausübungen im Nebenerwerb beschränkt sich lediglich auf 42 Teilnehmer (Abbildung 5.10).216 Überblick zur gegenwärtigen beruflichen Situation der Teilnehmer an den Gründungswerkstätten in der Förderperiode IV

selbständig im Vollerwerb, 212, 66.25%

selbständig im Nebenerwerb, 42, 13.13% sv-pflichtig beschäftigt, 40, 12.50% Ausbildung, 9, 2.81%

arbeitslos, 17, 5.31%

Abbildung 5.10  Verbleibübersicht Förderperiode IV zur gegenwärtigen Situation der Teilnehmer an den Gründungswerkstätten. (Eigene Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Gründungswerkstätten gesamt)

Insgesamt haben 66 Teilnehmer die selbständige Tätigkeit aufgegeben − davon befinden sich 40 Teilnehmer in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, 9 Teilnehmer in einem Ausbildungsverhältnis und 17 Teilnehmer weisen den Status einer Arbeitslosigkeit auf.217 Zur Frage ihrer

213Eigene

Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Gründerwerkstätten gesamt. 214Ebd. 215Ebd. 216Ebd. 217Ebd.

208

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

aktuellen wirtschaftlichen Situation haben sich 252 Teilnehmer geäußert.218 59 Personen haben ihre Situation am Arbeitsmarkt mit sehr gut bewertet, 121 Personen bewerteten ihre Situation als gut und 54 Personen als zufriedenstellend.219 Von der Bewertungsskala über die Beurteilungskriterien von „sehr gut“ bis „zufriedenstellend“ ist davon auszugehen, dass die Existenzgründer ihren eigenen Lebensunterhalt durch ihre selbständige Tätigkeit absichern können. Mit der Beurteilung „schlecht“ von insgesamt sechs Personen wird die selbständige Tätigkeit als eine nicht geeignete Variante des Erwerbslebens klassifiziert. Lediglich 12 Personen haben zu der Frage keine Aussage getroffen (Abbildung 5.11).220 Einschätzung der unternehmerischen Situation der Teilnehmer an Gründungswerkstätten in der Förderperiode IV

gut, 121, 48.0%

zufriedenstellend, 54, 21.4% schlecht, 6, 2.4% keine Aussagen, 12, 4.8% sehr gut, 59, 23.4%

Abbildung 5.11  Einschätzung der unternehmerischen Situation der Teilnehmer der Gründungswerkstätten. (Eigene Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Gründungswerkstätten gesamt)

Durch die Unternehmensgründungen sind insgesamt 131 neue Arbeitsplätze und zwei neue Ausbildungsplätze neben den Gründerpersonen selbst am Markt entstanden.221 218Eigene Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Gründerwerkstätten gesamt. 219Ebd. 220Ebd. 221Ebd.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

209

5.3 Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben Im Integrationsamt liegt die Zuständigkeit für die Gewährung von Nachteilsausgleichen für Selbständige. Die gesetzliche Grundlage bildet dabei das SGB IX222 in Verbindung mit der SchwbAV223. Dabei beinhaltet die SchwbAV, welche am 28.03.1988 in Kraft getreten ist, die Fördermöglichkeiten. Die Förderleistungen zielen in erster Linie auf die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben ab.224 Die Finanzierung der begleitenden Hilfe erfolgt mit der Ausgleichsabgabe.225 Mögliche Finanzierungsleistungen werden unabhängig von der Art der Behinderung des Antragstellers gewährt.226 Eine Förderung ist pauschal betrachtet möglich, wenn lediglich die Wahrscheinlichkeit, beziehungsweise die Aussicht einer erfolgreichen Teilhabe am Arbeitsleben besteht.227 Nicht förderfähig sind im Gegensatz dazu Leistungen, mit denen keine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht werden kann.228 Als Teilhabe am Arbeitsmarkt oder erwerbsfähig zu sein, heißt unter der Berücksichtigung der Schwerbehinderteneigenschaft, dass ein eigenständiges und regelmäßiges Einkommen generiert wird.229 Es besteht prinzipiell kein rechtlicher Anspruch auf Fördermaßnahmen im Bereich der begleitenden Hilfe. Ebenso erfolgen diverse finanzielle Förderleistungen nur unter der Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel aus der Ausgleichsabgabe.230 Die Förderleistungen der begleitenden Hilfe sind dahingehend ausgerichtet, dass die Teilhabe am Arbeitsleben in ihrer Gesamtheit ermöglicht wird. Dies umfasst präventiv die Abwendung einer Behinderung und wenn eine Behinderung vorliegt, diese zu beseitigen oder deren Auswirkungen zu mildern.231 Diese 222Sozialgesetzbuch

Neuntes Buch − Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen − vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234), zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541). 223Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung vom 28. März 1988 (BGBl. I S. 484), zuletzt geändert durch Art. 168 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626). 224Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 15. 225Vgl. Wagner / Kaiser, Einführung in das Behindertenrecht, S. 52. 226Vgl. Götz, Allgemeine Regelungen, 4 Rn. 5; hierzu ebenfalls Schlick / Bruder / Luczak, Arbeitswissenschaft, S. 166. 227Vgl. Voigt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 33 Rn. 7. 228Vgl. Voigt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 33 Rn. 8. 229Vgl. ebd., 33 Rn. 9. 230Vgl. Ritz, Integrationsamt, 81 Rn. 5. 231Vgl. Götz, Allgemeine Regelungen, 4 Rn. 6.

210

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Interpretation trägt einen ausgeprägten Präventionscharakter entsprechend des § 3 SGB IX in sich. Mit der benannten Zielsetzung wird der Rückschluss zugelassen, dass die Behinderung unter dem Aspekt der Teilhabe nicht als ein stätiger Zustand zu verstehen ist. Dementsprechend kann sogar davon ausgegangen werden, dass Leistungen zur Teilhabe eine Verbesserung des Lebensumfeldes und des Gesundheitszustandes ermöglichen, sodass eine Behinderung, beziehungsweise ihre Folgen, gemindert oder im Idealfall beseitigt werden können.232 Mit der gesetzlich definierten Teilhabe wird darüber hinaus mit dem § 4 Abs. 1 SGB IX explizit hervorgehoben, dass das Erwerbs- und Arbeitsleben entsprechend der individuellen Neigungen und Fähigkeiten zu ermöglichen und zu sichern ist.233 Mit der Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben wird die Voraussetzung für eine Unabhängigkeit geschaffen. Die damit einhergehende Eigenständigkeit und Selbstbestimmung sind als wichtiges Kriterium der gesellschaftlichen Integration anzusehen.234 Alle Leistungen zur Herbeiführung und Sicherung einer Teilhabe im Sinne des SGB IX sind grundsätzlich zu unterscheiden in eine Teilhabe am Arbeitsleben, eine medizinische Rehabilitation und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dabei sind die unterschiedlichen Bereiche nicht strikt voneinander abzugrenzen. Sie sind vielmehr in Kombination miteinander zu gewähren und folglich auch umzusetzen. Der zweite Abschnitt der SchwbAV, welcher die Förderung der Teilhabe von Personen mit Behinderung am Arbeitsleben aus Mitteln der Ausgleichsabgabe durch die Integrationsämter vorsieht, ist in drei Unterabschnitte aufgeteilt. Der erste Unterabschnitt zielt auf die Leistungen zur Förderung des Arbeits- und Ausbildungsangebotes für Personen mit Behinderung, welche sich aus den § 15 SchwbAV ergeben, ab. Diese Leistung für eine investive Arbeitsplatzausstattung findet nach § 21 SchwbAV keine Anwendung. Vielmehr ist eine vergleichbare Leistungserbringung über den § 25 SchwbAV möglich. Der zweite Unterabschnitt beinhaltet alle Förderleistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben. Der § 21 SchwbAV für Hilfen zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz verweist auf mögliche Förderleistungen, welche in der folgenden Tabelle dargestellt sind (Tabelle 5.17).

232Vgl.

Götz, Allgemeine Regelungen, 4 Rn. 6. ebd., 4 Rn. 9. 234Vgl. Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 45. 233Vgl.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

211

Tabelle 5.17   Überblick der Förderleistungen für Selbständige nach der SchwbAV1 Leistungsart

Bemerkung

§ 17 (1a) SchwbAV

Arbeitsassistenz2

§ 19 SchwbAV

Technische Hilfsmittel3

§ 20 SchwbAV

Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes4

§ 22 SchwbAV

Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung5

§ 24 SchwbAV

Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten6

§ 25 SchwbAV

Hilfen in besonderen Lebenslagen – insbesondere Gründungs- und Krisenberatung7

§ 26 SchwbAV

Leistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeitsund Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen8

§ 27 SchwbAV

Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen9

1Eigene

Darstellung in Anlehnung an der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), FA SchwbR am 2. und 3. April 2014, Förderfähige Beschäftigungsverhältnisse, Aktualisierung vom 01.01.2018, S. 6; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ZB info, Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 10. 2Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX vom 15.04.2014 (§ 185 Abs. 4 SGB IX n.F.). 3Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 9. 4Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) vom 28.09.1987 (BGBl. I S. 2251) vom 11.06.2010; hierzu ebenfalls Bundesagentur für Arbeit, Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, §§ 1 bis 10 KfzHV, Geschäftsanweisung vom 30.04.2012. 5Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung nach § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d) SGB IX i. V. m. § 22 SchwbAV vom 11.04.2013 (§ 185 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d) SGB IX n.F.). 6Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten gemäß § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX i.V.m. § 24 SchwbAV vom 11.04.2013 (§ 185 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX n.F.). 7Zur Ausführung des § 25 SchwbAV existiert auf Bundes- und Landesebene keine Richtlinie oder Arbeitsanweisung. 8Vgl. Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 8 f. 9Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen zur Gewährung von Leistungen des Integrationsamtes an Arbeitgeber zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen nach § 27 SchwbAV vom 01.06.2016.

212

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Der dritte Unterabschnitt der SchwbAV beinhaltet Leistungen für Einrichtungen zur Schaffung einer Teilhabe am Arbeitsleben und ist für die berufliche Selbständigkeit nicht weiter relevant. Die begleitende Hilfe ist in § 185 Abs. 2 SGB IX und die (berufliche) Rehabilitation ist in § 49 Abs. 1 SGB IX gesetzlich normiert. Der Gesetzgeber sieht als Zielstellung dabei vorrangig die Sicherung der Teilhabe, die Verwertung und Weiterentwicklung der jeweiligen Fähigkeiten, die soziale Absicherung und die Wettbewerbssicherung.235 Die (berufliche) Rehabilitation zielt insbesondere auf die Sicherung der Teilnahme am Erwerbsleben, beziehungsweise auf eine Ausbildung oder Umschulung, das Vermeiden einer Rentenzahlung und somit auf den Erhalt der Erwerbsfähigkeit ab. Die Förderung bei einer Gründung, beziehungsweise der Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz, ist als ein Leistungspaket anzusehen. Mit diesem Leistungspaket werden Personen mit Behinderung bei der Gründung und bei der Festigung ihrer selbständigen Existenz mit finanziellen Mitteln aus der Ausgleichsabgabe unterstützt. Die Teilhabe am Arbeitsleben – insbesondere für Selbständige – zielt im Allgemeinen auf die eigenständige Erwirtschaftung des Lebensunterhaltes mit der selbständigen Tätigkeit ab.236 In der folgenden Tabelle sind bundesweit der Umfang der finanziellen Unterstützungsleistung und die Anzahl der Leistungsfälle in den Jahren 2010 bis 2014 abgebildet (Tabelle 5.18).

235Vgl.

Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 18. 236Vgl. Deusch, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 33 Rn. 9.

Davon Frauen

80

75

1,44

75

262

1,33

62

188

1,30

43

151

Darstellung in Anlehnung an Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, Jahresbericht 2014 | 2015, S. 36; hierbei ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen: Jahresbericht 2012 | 2013, Hilfen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, Münster 2013, S. 31.

1Eigene

246

1,58

1,11

Wirtschaftliche Selbständigkeit

257

2014 in Mio. Anzahl Euro Leistungsempfänger

2013 in Mio. Anzahl Euro Leistungsempfänger

2012 in Mio. Anzahl Euro Leistungsempfänger

2011 in Mio. Anzahl Euro Leistungsempfänger

2010

in Mio. Anzahl Euro Leistungsempfänger

Jahr

Leistungsart

Tabelle 5.18   Leistungen der Integrationsämter zur Sicherung der wirtschaftlichen Selbständigkeit an schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen von 2010 bis 20141

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben 213

214

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Fördervolumen in Mio. Euro

Überblick zu den Leistungen des Integrationsämter zur Sicherung der wirtschaftlichen Selbständigkeit in den Jahren 2010 bis 2014 2 1.5 1 0.5 0

300 200 100

20 10

Anzahl 257 Leistungsempfänger Fördervolumen in Mio. 1.11 Euro

20 11

20 12

20 13

20 14

246

262

188

151

1.58

1.44

1.33

1.3

0

Anzahl Leistungsempfänger

Die Anzahl der Leistungsempfänger ist im Jahr 2010 mit 257 Bewilligungen im Vergleich zum Jahr 2014 mit insgesamt 151 Bewilligungen rückläufig. Der Rückgang der Bewilligungen kennzeichnet den allgemeinen Trend für die Entscheidung einer selbständigen Tätigkeit. Unter näherer Betrachtung des Fördervolumens, welches im Jahr 2010 einen Umfang von insgesamt 1,11 Mio. Euro aufwies, verläuft in den Folgejahren nicht analog zu der Anzahl der Bewilligungen. Im Jahr 2014 wurden finanzielle Mittel von insgesamt 1,30 Mio. Euro für die Förderung und Sicherung einer selbständigen Existenz gebunden, sodass das Fördervolumen pro Förderfall angestiegen ist.237 Im Jahr 2010 wurde eine durchschnittliche Gründungsförderung von 4.319 Euro gewährt. Im Jahr 2014 lag die Durchschnittsförderung bei 8.609 Euro. Der Grund für den Anstieg der finanziellen Leistungen liegt demnach nicht in der Quantität der Leistungsfälle, sondern vielmehr in dessen Qualität, um eine Teilhabe zu ermöglichen (Abbildung 5.12).

Jahr

Abbildung 5.12   Leistungen der Integrationsämter zur Sicherung der wirtschaftlichen Selbständigkeit an schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen in den Jahren 2010 bis 2014. (Eigene Darstellung in Anlehnung an die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, Jahresbericht 2014 | 2015, S. 36; hierbei ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen: Jahresbericht 2012 | 2013 Hilfen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, Münster 2013, S. 31)

Der Trend der rückläufigen Existenzgründungen betrifft nicht nur Gründer mit Behinderung. Vielmehr ist in den letzten 15 Jahren die Anzahl der 237Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, Jahresbericht 2014 | 2015, S. 36; hierbei ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, Jahresbericht 2012 | 2013, Hilfen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, Münster 2013, S. 31.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

215

Selbständigen in Deutschland rückläufig.238 Als Hauptgrund für die Wahl einer selbständigen Tätigkeit wird durch viele Existenzgründer in einer Verbesserung ihrer sozialen und finanziellen Lage, insbesondere die daraus resultierende persönliche Situation, gesehen. Unter der Bezeichnung der persönlichen Situation sind die Aspekte der physiologischen und sozialen Sicherung und darüber hinaus in einer schnelleren Statusbildung entsprechend der Motivationstheorie nach Maslow zu sehen.239 Das Integrationsamt Brandenburg hat im Jahr 2014 insgesamt 32.966 Euro als Hilfe für den Aufbau und den Erhalt einer wirtschaftlichen Selbständigkeit auf der Grundlage des § 21 SchwbAV bewilligt (Tabelle 5.19). Tabelle 5.19   Förderung des Integrationsamtes Brandenburg nach dem § 21 SchwbAV1 Förderung nach § 21 SchwbAV Jahr

2010

2011

2012

2013

2014

Euro

43.987

53.797

22.069

12.399

32.966

1Eigene

Darstellung in Anlehnung Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Zweijahresbericht des Integrationsamtes 2011 | 2012, S. 22; hierbei ebenfalls Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Bericht des Integrationsamtes Land Brandenburg 2014, S. 16.

Die finanziellen Leistungen nach dem § 21 SchwbAV, welche direkt an die Person mit Behinderung ausgezahlt wird, verläuft auf einem relativ konstanten Niveau. Lediglich in den Jahren 2012 und 2013 ist ein Rückgang zu verzeichnen, welcher sich seit 2014 wieder positiv entwickelt hat. Weitere Förderleistungen durch das Integrationsamt, beispielsweise die Finanzierung einer Arbeitsassistenz nach § 17 SchwbAV, sind in der Darstellung nicht berücksichtigt, da sie als Fachförderung klassifiziert werden. Klassische Leistungen im Sinne des § 21 SchwbAV umfassen die Förderung der Finanzierungskosten und gegebenenfalls die Gewährung eines Darlehens. Die konkreten Unterstützungsleistungen werden in den folgenden Abschnitten 5.3.1 bis 5.3.9 ausführlich und im Detail dargestellt. Als weitere Unterstützungsleistung für den Weg in die Selbständigkeit kann der Integrationsfachdienst durch das Integrationsamt zur Unterstützung beauftragt werden. Die Integrationsfachdienste sind bei freien Trägern integriert und werden aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziert. Die Hauptaufgabe des Integrationsfachdienstes liegt in der Beratung und Begleitung von Personen mit Behinderung.

238Vgl. Statistisches Bundesamt unter http://de.statista.com/statistik/daten/studie/183869/ umfra ge/entwicklung−der−absoluten−gruenderzahlen−in−deutschland/, [abgerufen am 17.05.2016]. 239Vgl. Korndörfer, Unternehmensführungslehre, Einführung, Entscheidungslogik, Soziale Komponenten, S. 220 f.

216

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Gleichwohl stehen die Integrationsfachdienste als direkter Partner für Probleme rund um die Teilhabe am Arbeitsleben zur Verfügung. Im Jahr 2014 wurden insgesamt 195 Integrationsfachdienste in Deutschland vorgehalten und durch die Integrationsämter koordiniert.240 Die Anzahl der Integrationsfachdienste betrug im Jahr 2005 mehr als 450. Es wurde ein Konzentrationsprozess vollzogen, um den qualitativen und quantitativen Bedarfen zu entsprechen.241 Gleichwohl wurde der Konzentrationsprozess analog zu der Neugestaltung den Arbeitsagenturbezirken von 178 auf 156 angepasst.242 Bis zum 01.01.2005 war die Agentur für Arbeit für die Struktur des Integrationsfachdienstes verantwortlich. Grundlage der Neugestaltung bildete die gesetzliche Regelung vom 23.04.2004 zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung von Personen mit Behinderung. In der folgenden Übersicht sind die bundesweit unterstützten Personen nach Jahresscheiben und Behinderungsart unterteilt (Tabelle 5.20). Tabelle 5.20   Überblick der Klienten des Integrationsfachdienstes nach Behinderungsart von 2010 bis 20141 Jahr Art der Behinderung

2010

2011

2012

2013

2014

Anzahl Personen

n = 71.844

n = 66.336

n = 66.212

n = 68.749

n = 69.576

 Psychisch eingeschränkt

17.399

17.464

18.341

19.020

19.232

6.675

6.087

5.986

6.225

6.265

 Geistig eingeschränkt 10.417

 Neurologisch eingeschränkt  Höreingeschränkt  Seheingeschränkt

10.449

12.304

13.844

14.209

9.478

8.984

8.252

8.308

7.978

2.822

2.339

2.175

2.397

2.550

 Körpereingeschränkt (organisch)

10.760

8.863

8.158

7.813

8.142

 Körpereingeschränkt (Stützapparat)

14.293

12.150

10.996

11.142

11.200

1Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Entwicklung der Integrationsfachdienste (IFD) 2010 bis 2014, S. 17.

240Vgl.

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Entwicklung der Integrationsfachdienste (IFD) 2010 bis 2014, S. 3. 241Vgl. ebd., S. 3. 242Vgl. ebd., S. 3.

217

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

Aus der Tabelle zu den Klienten nach Behinderungsart und Betreuungsjahr ist zu entnehmen, dass im Jahr 2014 die Personengruppe mit psychischen Behinderungen die anteilig höchste Unterstützung erfuhr. Sie weisen einen Betreuungsumfang von 27,6 % auf.243 Gleichwohl ist der Betreuungsanteil der geistig behinderten Personen seit 2010 stark angestiegen, welcher im Kalenderjahr 2014 nunmehr einen Anteil von 20,4 % darstellt.244 Erst an dritter Stelle der Betreuungsfälle steht im Kalenderjahr 2014 die körperliche Behinderung mit 16,1 % (Abbildung 5.13).245 Betreuungsfälle des Integrationsfachdienstes nach Behinderungsart im Kalenderjahr 2014 Körpereingeschränkt (Stützapparat) 16.1%

Psychisch eingeschränkt 27.6%

Körpereingeschränkt (organisch) 11.7%

Neurologisch eingeschränkt 9.0%

Seheingeschränkt 3.7% Höreingeschränkt 11.5%

Geistig eingeschränkt 20.4%

Abbildung 5.13   Betreuungsfälle 2014 des Integrationsfachdienstes nach Behinderungsart. (Eigene Darstellung in Anlehnung an die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Entwicklung der Integrationsfachdienste (IFD) 2010 bis 2014, S. 17)

243Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Entwicklung der Integrationsfachdienste (IFD) 2010 bis 2014, S. 17. 244Vgl. ebd., S. 17. 245Vgl. ebd., S. 17.

218

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Folglich ist aus dem Ranking abzuleiten, dass die Körperbehinderung bei Maßnahmen zur Sicherung einer Teilhabe am Arbeitsleben nicht den größten Umfang einnimmt. Durch die Gesellschaft und durch die Kunden entstehen allzu oft stereotype Annahmen in Bezug auf eine vorliegende Behinderung, welche häufig mit einer physischen Körperbehinderung einhergeht (vgl. Abschnitt 3.2.). Die zentrale Kernaufgabe des Integrationsfachdienstes liegt in der Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben.246 In der folgenden Abbildung wird eine detaillierte Übersicht über den Status der Klienten, welche durch den Integrationsfachdienst betreut werden, aufgezeigt (Abbildung 5.14). Übersicht der Klienten des Integrationsfachdienstes von 2010 bis 2014 50,000

Anzahl der Klienten

40,000

30,000

20,000

10,000

0 Beschäftigte am Arbeitsmarkt Arbeitslose Schüler Übergänger aus der WfbM

2010

2011

2012

2013

2014

35,228

39,156

41,139

42,456

46,184

31,075 3,780 1,528

20,330 5,086 1,812

15,614 7,686 1,813

13,604 10,654 1,989

11,091 10,308 1,665

Jahr Abbildung 5.14   Übersicht der Klienten des Integrationsfachdienstes von 2010 bis 2014. (Eigene Darstellung in Anlehnung an die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Entwicklung der Integrationsfachdienste (IFD) 2010 bis 2014, S. 5) 246Vgl. Sutorius / Schian, Maßnahmen und Leistungen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsverhältnisses, S. 466.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

219

Die Unterstützung von arbeitslosen Personen mit Behinderung im Jahr 2010 beträgt anteilig 43,4 % – im Jahr 2014 beträgt diese Quote anteilig nur noch 16,0 %.247 Die Betreuungsfälle zur Sicherung der Beschäftigung sind in den Jahren 2010 bis 2014 um 31,1 % angestiegen.248 Der Integrationsfachdienst hat im Land Brandenburg vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2014 insgesamt 83 ratsuchende Personen mit einer anerkannten Behinderung in die Selbständigkeit begleitet (Tabelle 5.21, 5.22). Tabelle 5.21   Überblick der Klienten des Integrationsfachdienstes nach Region von 2010 bis 20141 Brandenburger Region Barnim Dahme-Spreewald

Anzahl ratsuchender selbständiger Personen mit Behinderung 7 13

Elbe-Elster

2

Märkisch-Oderland

5

Oberhavel

2

Oberspreewald-Lausitz

4

Oder-Spree

6

Potsdam-Mittelmark

3

Prignitz Spree-Neiße

3 13

Stadt Brandenburg an der Havel

5

Stadt Cottbus

4

Stadt Frankfurt (Oder)

1

Stadt Potsdam

5

Teltow-Fläming

3

Uckermark

2

keine Angaben

3

außerhalb von Brandenburg

2

Gesamtergebnis

83

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Integrationsfachdienst, Fachapplikation KLIF, vom 07.05.2017.

247Vgl.

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Entwicklung der Integrationsfachdienste (IFD) 2010 bis 2014, S. 5. 248Vgl. ebd., S. 5.

220

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Bei der Betrachtung der Behinderungsart weist die Sehbehinderung mit 38 Betreuungsfällen die höchste Anzahl bei den selbständigen Personen mit Behinderung auf, welche durch den Integrationsfachdienst in den Jahren 2010 bis 2014 begleitet wurden.249 17 Betreuungsfälle von Selbständigen, welche eine Hörbehinderung aufweisen, suchten ebenfalls verhältnismäßig oft den Integrationsfachdienst auf (Abbildung 5.15).250

Tabelle 5.22   Überblick zu der Behinderungsart der selbständigen Klienten des Integrationsfachdienstes im Beratungszeitraum von 2010 bis 20141 Behinderungsart

Anzahl ratsuchender Selbständiger Personen mit Behinderung

Seelische Erkrankung

6

Hirnorganische / Neurologische Erkrankung

9

Sehbehinderung

38

Hörbehinderung

17

Organische Erkrankung

4

Körperbehinderung (Stütz- und Bewegungsapparat)

9

Gesamtergebnis

83

1Eigene

Darstellung nach Datenerhebung beim Integrationsfachdienst, Fachapplikation KLIF, vom 07.05.2017.

249Eigene Datenerhebung beim Integrationsfachdienst, Fachapplikation KLIF, vom 07.05.2017. 250Ebd.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

221

Überblick zu der Behinderungsart der selbständigen Klienten des Integrationsfachdienst im Beratungszeitraum von 2010 bis 2014

Hörbehinderung 20.5%

Organische Erkrankung 4.8% Körperbehinderung 10.8%

Seelische Erkrankung 7.2% Sehbehinderung 45.8%

Hirnorganische / neurologische Erkrankung 10.8%

Abbildung 5.15  Überblick zu der Behinderungsart der selbständigen Klienten des Integrationsfachdienstes im Beratungszeitraum von 2010 bis 2014. (Ebd)

Sinnesbehinderungen, zu welchen die Seh- und Hörbehinderung gehören, umfassen insgesamt 55 Betreuungsfälle.251 Somit ist die Beratungsleistung für Selbständige mit einer Sinnesbehinderung, welche einen Anteil von 66,3 % umfasst, die größte ratsuchende Zielgruppe der Selbständigen für den Integrationsfachdienst.252 Dieser hohe Anteil lässt vermuten, dass Personen mit Sinnesbehinderungen besser in Netzwerken und Selbsthilfegruppen organisiert sind und dadurch Kenntnis erlangen, dass es die Möglichkeit der Betreuung durch den Integrationsfachdienst gibt. Die Anzahl der Betreuungsfälle ist beim Integrationsamt geringer als beim Integrationsfachdienst. Dieses ist darauf zurückzuführen, dass der Integrationsfachdienst von weiteren Rehabilitationsträgern, wie beispielsweise die Agentur für Arbeit oder die Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, beauftragt wird.253 Die starke qualitative und quantitative 251Eigene Datenerhebung beim Integrationsfachdienst, Fachapplikation KLIF, vom 07.05.2017. 252Ebd. 253Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Integrationsfachdienste, § 4.

222

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Unterstützung zur Herbeiführung eines inklusiven Arbeitsmarktes macht den Integrationsfachdienst als wichtigen Partner für die Zielerreichung unverzichtbar.254 Die vielseitige Verknüpfung des Integrationsfachdienstes mit den Versorgungsstrukturen für Personen mit Behinderung, führt zu einem nachhaltigen Erfolg und verbessert die Teilhabechancen am Arbeitsmarkt.255

5.3.1 Hilfen zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz (§ 21 SchwbAV) Zur Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes, welcher aus dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG resultiert, existieren eine Vielzahl von Hilfsmöglichkeiten zur Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt. Neben Förderleistungen für eine abhängige Beschäftigung sind auch Leistungen für den Aufbau und die Sicherung einer selbständigen Tätigkeit vorgesehen. Das Integrationsamt kann auf der Grundlage des § 185 Abs. 3 Nr. 1 c SGB IX i. V. m. § 21 SchwbAV Hilfen zur Gründung oder zum Erhalt einer beruflichen Existenz gewähren.256 Voraussetzung einer solchen Förderung ist, dass die bestehende Behinderung direkte Auswirkungen auf das Arbeitsleben hat und mit Einschränkungen verbunden ist.257 Die begleitende Hilfe im Rahmen einer Selbständigkeit trägt den Grundsatz der Selbsthilfe in sich, bei welcher ein Höchstmaß an Mitbestimmung, Selbstbestimmung und Mitwirkung gewährleistet wird.258 Voraussetzung für die Förderung ist die persönliche und fachliche Eignung, die Lebensunterhaltssicherung mit der Tätigkeit sowie die Zweckmäßigkeit der Tätigkeit unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsmarktentwicklung.259

254Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ZB info, Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 7. 255Vgl. Seyd, Didaktische Grundlagen beruflicher Rehabilitation, S. 551. 256Vgl. Erbach, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 57; hierzu ebenfalls Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 43; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ZB info, Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 10. 257Vgl. Seidel, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 47. 258Vgl. Ritz / Welsch, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 5. 259Vgl. Erbach, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 57; vgl. hierzu ebenfalls Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 44.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

223

Der § 21 Abs. 1 SchwbAV sieht zunächst als Förderungsart ausschließlich Darlehen und Zinszuschüsse vor. Der Umfang des Darlehens ergibt sich aus möglichen immateriellen Investitionen − wie beispielsweise Markterschließungskosten oder notwendige tätigkeitsbezogene Schulungsmaßnahmen − und aus Investitionen in das Anlagevermögen.260 Daneben sind nach § 21 Abs. 4 SchwbAV, in Verbindung mit den dort genannten weiteren Fördertatbeständen, behinderungsbedinge Leistungen möglich.261 Das Integrationsamt kann Darlehen verzinslich oder auch zinslos dem Existenzgründer gewähren.262 Um der Intention des SGB IX zu entsprechen, sollten die Darlehen i. d. R. zinslos gewährt werden. Wird dennoch durch das Integrationsamt ein Darlehen mit einem Zinssatz gewährt, so beträgt dieser nach § 34 Abs. 1 SchwbAV 2 %.263 Eine weitere Voraussetzung für die Förderung einer selbständigen Existenz ist eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von 15 Stunden264 sowie kein Bezug einer Erwerbsunfähigkeits- oder Erwerbsminderungsrente. Durch fachliche Beratung und finanzielle Unterstützung soll dem Menschen mit einer Schwerbehinderung ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Berufsleben ermöglicht werden. Dieses allgemeingültige Ziel ist ausschließlich durch eine individuelle Antragsbearbeitung und Ermessensauslegung gekennzeichnet. Jeder Förderfall ist eine Einzelfallentscheidung. Als Leistungsvoraussetzung und Ermessensauslegung sind in der Regel folgende Aspekte zu berücksichtigen: • Ist der Antragssteller anerkannt schwerbehindert oder liegt durch die Agentur für Arbeit eine Gleichstellung vor? • Ist eine Kostenübernahme durch den Antragsteller zumutbar? • Ist kein vorrangiger Leistungsträger, welcher die Förderleistung übernimmt, vorhanden? • Ist die geplante oder bereits umgesetzte Selbständigkeit nachhaltig ausgelegt?

260Vgl.

Seidel, Hilfen zur wirtschaftlichen Selbständigkeit nach § 21 SchwbAV, S. 382. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 20. 262Vgl. Erbach, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 60. 263Vgl. Seidel / Zipf, Hilfe zur wirtschaftlichen Selbständigkeit gem. § 21 SchwbAV, S. 200. 264Die Arbeitsplatzdefinition des § 156 Abs. 3 SGB IX mit 18 Wochenstunden findet im Teil 2 der SchwbAV keine Anwendung. Nach § 185 Abs. 2 SGB IX ist im Rahmen der begleitenden Hilfe ein Umfang von mindestens 15 Wochenstunden notwendig. Diese Definition des Arbeitsplatzes entspricht der Arbeitsplatzdefinition der Agentur für Arbeit nach § 138 Abs. 3 SGB III. 261Vgl.

224

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

• Ist die berufliche Selbständigkeit die finanzielle Haupteinnahmequelle? • Ist der Selbständige ohne die Inanspruchnahme staatlicher Fördermittel wirtschaftlich überlebensfähig? Im weiteren Verfahren der Sachverhaltsaufklärung sind die persönlichen, fachlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen einer Selbständigkeit zu prüfen. Der § 21 Abs. 1 SchwbAV fordert vom Existenzgründer die notwendigen persönlichen und fachlichen Voraussetzungen.265 Hierunter sind beispielsweise der Meisterbrief, Zeugnisse oder Zertifikate zu verstehen. Allerdings sind die persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten nur bedingt im Rahmen der Berufshistorie nachweisbar. Es muss lediglich der Rückschluss auf die Eignung zur selbständigen Tätigkeit möglich sein. Als Prüfkriterium ist im Rahmen einer möglichen Förderung die gesundheitliche Eignung unter Berücksichtigung erhöhter physischer und psychischer Anforderungen bei einer selbständigen Tätigkeit im Vergleich zu einem Angestellten (in einem abhängigen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis) zu berücksichtigen.266 Um den § 21 SchwbAV für die Sachbearbeiter im Verwaltungsverfahren mit prüfbaren Kriterien zu versehen, stellt das Integrationsamt eine Arbeitshilfe zur Verfügung. In der Arbeitshilfe des Integrationsamtes werden Indizien für eine persönliche und eine fachliche Eignung benannt. Das Hauptindiz für die persönliche Eignung ist die Gesundheit. Bei der Bewertung der persönlichen Eignung sind insbesondere auch die Auswirkungen der Behinderung und die damit einhergehenden Leistungseinschränkungen zu bewerten, da der Existenzgründer wettbewerbsfähig die Tätigkeit ausüben soll.267 Weitere Indizien lassen sich aus Tatsachen ableiten, welche nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen. Hier wäre beispielsweise das Vorhandensein eines Führerscheins oder ein positives polizeiliches Führungszeugnis zu nennen. Ebenso können branchenfremde Qualifikationen und diverse Arbeitszeugnisse zur Bewertung der persönlichen Eignung dienen. Unter dem Begriff der fachlichen Voraussetzung nach dem § 21 Abs. 1 SchwbAV sind die bestehenden Kenntnisse und Qualifikationen hinsichtlich der Arbeitsaufgabe für ein wirtschaftliches Handeln zu sehen. Diese sind durch entsprechende Tätigkeiten in der Berufshistorie durch Zertifikate, Zeugnisse oder Stellungnahmen

265Vgl.

Seidel, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 47. ebd., 102 Rn. 47. 267Vgl. Adlhoch, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 118. 266Vgl.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

225

berufsständischer Vertretungen, beispielsweise der IHK und der HWK, nachzuweisen. Grundsätzlich müssen Branchenkenntnisse und berufliche Erfahrungen in Bezug auf die auszuübende selbständige Tätigkeit vorliegen. Eine weitere Fördervoraussetzung, welche sich aus dem § 21 SchwbAV ergibt, beinhaltet die Zweckmäßigkeit der Selbständigkeit hinsichtlich der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes.268 Der Zweck der begleitenden Hilfe − insbesondere bei der Aufnahme einer Selbständigkeit − stellt die Integration von Menschen mit Behinderung in das Arbeits- und Berufsleben dar.269 Die selbständige Tätigkeit muss wirtschaftlich tragfähig und Konkurrenzstandhaft sein.270 Ebenso muss sie eine angepasste Existenzgrundlage ermöglichen.271 Im Rahmen einer Prüfung der Antragsfördervoraussetzungen ist ein Nachweis über die Wirtschaftlichkeit der selbständigen Existenz zu erbringen. Durch ein entsprechendes Konzept − in der Regel durch den Businessplan − sind die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten unter Begründung der bestehenden Annahmen darzulegen. Sie werden auf Plausibilität geprüft. Die Prüfung umfasst die Bewertung des Geschäftsgegenstandes und die Beurteilung des Ertrags- und Rentabilitätsplanes. Des Weiteren wird der Finanzierungsplan unter besonderer Berücksichtigung der zu erwartenden Marktentwicklungschancen, der Standortwahl, des Nachfragepotentials und der verbleibenden Kosten zur Sicherung des Lebensunterhaltes bewertet.272 Eine geplante Selbständigkeit in einer bloßen Tagesstrukturierung mit einem geringen Einkommen erfüllen nicht die Voraussetzungen einer Lebensunterhaltssicherung und sind demnach nicht förderfähig.273 Die Selbständigkeit muss aber nicht zwingend im Haupterwerb erfolgen.274 Es muss eine entsprechende Erwerbsgrundlage mit der Selbständigkeit vorhanden sein, welche eine ausreichende Lebensgrundlage ermöglicht.275

268Vgl.

Seidel, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 47. des Integrationsamtes, 185 Rn. 118. 270Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 18. 271Vgl. ebd., S. 18. 272Vgl. Seidel / Zipf, Hilfe zur wirtschaftlichen Selbständigkeit gem. § 21 SchwbAV, S. 199. 273Vgl. Seidel, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 47. 274Vgl. Schorn, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 21. 275Vgl. Seidel, Hilfen zur wirtschaftlichen Selbständigkeit nach § 21 SchwbAV, S. 379. 269Vgl. Adlhoch, Aufgaben

226

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Die wirtschaftliche Tragfähigkeit orientiert sich an der dauerhaften Sicherung des Lebensunterhaltes.276 Diese Voraussetzung ergibt sich aus den Zielen der begleitenden Hilfe, wonach der Existenzgründer mit Behinderung bei seiner eigenen Erwerbsfähigkeit unterstützt und unabhängig von staatlichen Transferleistungen wird.277 Sie sollte dahingehend charakterisiert sein, dass der Selbständige ein regelmäßiges Einkommen generiert, welches über den aktuellen Regelsätzen der Sozialhilfe im Sinne des SGB II hinausgeht. Ist dies nicht der Fall, so wird auch nicht von einem wirtschaftlichen Handeln unter Berücksichtigung der Opportunitätskosten ausgegangen. Als Maßstab sind die Einkünfte abzüglich der Zins- und Tilgungsbeiträge und privater Vorsorge anzusetzen. Der § 1360a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)278 definiert den Lebensunterhalt als alle Kosten − die notwendig sind − um den eigenen Haushalt zu bestreiten und die individuellen Bedürfnisse zu befriedigen. In der folgenden Tabelle wird exemplarisch eine Beispielrechnung dargestellt (Tabelle 5.23). Tabelle 5.23   Rechenbeispiel zur Erfassung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit1 Bespiel monatlicher Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit Unternehmerische Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit Berufsunfähigkeitsversicherung Pflegeversicherung Krankenversicherung Altersvorsorge Kreditkosten aus der beruflichen Selbständigkeit Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit nach § 21 SchwbAV

+ 2.000,00 Euro − 200,00 Euro − 50,00 Euro − 300,00 Euro − 250,00 Euro − 900,00 Euro 300,00 Euro

1Eigene

Darstellung beispielhafter Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit für die Ermittlung einer Wirtschaftlichkeit.

Die in der Beispielrechnung erzielten Einkünfte in Höhe von 300,00 Euro liegen um circa 100,00 Euro unter dem Satz der Grundsicherung. Mit dieser Defiziterfassung wird pauschaliert eine fehlende wirtschaftliche Tragfähigkeit angenommen, da das Mindestmaß an Einkünften zum Lebensunterhalt nicht gegeben ist. Der Antrag auf Förderung ist seitens des Integrationsamtes demnach

276Vgl.

Seidel, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 47. des Integrationsamtes, 185 Rn. 118. 278Bürgerliches Gesetzbuch vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151). 277Vgl. Adlhoch, Aufgaben

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

227

abzulehnen. Grundsätzlich sind finanzielle Leistungen nach dem § 21 SchwbAV nicht zur Förderung einer Deckung von Kosten des laufenden Betriebes zu veranschlagen, da dies die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung in sich birgt.279 Dennoch sind in besonderen Fällen Ausnahmen möglich. Im Bewilligungsbescheid wird die genaue Verwendung der Gelder vorgeschrieben. Eine anderweitige Verwendung ist nicht zulässig. Eine Unterstützung für den Aufbau einer Selbständigkeit ist vor dem Gründungsakt zu beantragen. Soweit die Existenzgründung schon vollzogen ist und beispielsweise die Aufnahme eines Darlehensvertrages durchgeführt wurde, kann im Nachhinein nicht mehr gefördert werden. Eine Person, welche sich bereits selbständig gemacht hat, benötigt in der Regel keine finanziellen Hilfen mehr und würde durch die Gewährung von Mitteln aus der Ausgleichsabgabe gegenüber seinen Konkurrenten in ungerechtfertigter Weise bevorzugt werden. Nachteile, die nicht behinderungsbedingt sind, wie zum Beispiel Umsatzrückgänge oder Gewinneinbrüche, werden nicht ausgeglichen. Wenn der Selbständige wegen des Eintritts der Behinderung oder ihrer Verschlimmerung in vorübergehende Schwierigkeiten gerät, kann eine Förderung in Betracht kommen, wenn beispielsweise nur dadurch die Abhängigkeit von der Sozialhilfe vermieden werden kann. Die Sicherung der Selbständigkeit ist nach der Arbeitsanweisung des Integrationsamtes aber als Ausnahme anzusehen.

5.3.2 Arbeitsassistenz (§ 17 SchwbAV) Nach § 17 Abs. 1 a SchwbAV sind die Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz280 förderfähig. Der § 185 Abs. 5 SGB IX normiert die notwendige Arbeitsassistenz als einen gebundenen Rechtsanspruch.281 Anders als bei Ermessensentscheidungen ist hierbei die Arbeitsassistenz zu gewähren, sofern die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.282 Die Förderung zielt auf die Arbeitsplatzerlangung und Arbeitsplatzsicherung, sowie zur Aufnahme und Sicherung einer selbständigen wirtschaftlichen Existenz ab.283 Als Arbeits-

279Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 18. 280Die Arbeitsassistenz im Sinne des § 185 Abs. 5 SGB IX beinhaltet keine pflegerischen oder betreuerischen Hilfeleistungen. 281Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 83. 282Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ZB Behinderung und Beruf, Nr. 2/2019, S. 11. 283Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 16.

228

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

assistenz werden Personen angesehen, welche bei der beruflichen Tätigkeit unterstützend zur Seite stehen. Der Aufgabenbereich einer Arbeitsassistenz kann sehr vielfältig sein. Hierbei kann es sich beispielsweise um eine Vorlesekraft für einen blinden Menschen, Gebärdensprachdolmetscherleistungen oder um eine Arbeitsassistenz für den Telefonverkehr bei höreingeschränkten Personen handeln.284 Für die Einschränkungsarten der Seh- und Hörbehinderung werden spezielle Angebote am Markt und durch den Integrationsfachdienst vorgehalten. Als Unterstützungstätigkeit kann beispielsweise bei blinden oder hochgradig sehbehinderten Personen eine Vorlesekraft gefördert werden. Bei höreingeschränkten Personen wären Schrift- oder Gebärdendolmetscher als notwendige Arbeitsassistenz anzusehen.285 Die Kostenübernahme für die Arbeitsassistenz ist ein wichtiger Bestandteil der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben.286 Die Arbeitsassistenz ist in erster Linie dadurch charakterisiert, dass sie einfache und unterstützende Tätigkeiten ausübt.287 Demnach handelt es sich um eine tätigkeitsbezogene regelmäßig wiederkehrende Unterstützungsleistung.288 Die aufgabenbezogene und regelmäßige Unterstützungsleistung durch eine persönliche Hilfskraft dient zur Ausübung und Sicherung einer beruflichen Tätigkeit des Selbständigen.289 Die Arbeitsassistenz wird nach LUIK als ein wichtiges Instrument im SGB IX angesehen, weil diese Leistung zur Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes Grundvoraussetzung ist.290 Sie trägt als Hilfe zur Erlangung und Sicherung 284Vgl.

Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 16. 285Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Ratgeber für Menschen mit Behinderung, S. 74; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX vom 15.04.2014 (§ 185 Abs. 4 SGB IX n.F.), Punkt 2.4. 286Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX vom 15.04.2014 (§ 185 Abs. 4 SGB IX n.F.), Punkt 1.1. 287Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 84. 288Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Ratgeber für Menschen mit Behinderung, S. 74; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX vom 15.04.2014 (§ 185 Abs. 4 SGB IX n.F.), Punkt 2.1; hierzu ebenfalls Heinisch, Arbeitsassistenz, S. 41. 289Vgl. Luik, Arbeitsassistenz, 5 Rn. 1; hierzu ebenfalls Kuhn−Zuber, Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, 139 Rn. 15. 290Vgl. Luik, Arbeitsassistenz, 5 Rn. 1 f.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

229

eines Arbeitsplatzes maßgeblich bei. Die Kosten für die notwendige Unterstützungsleistung sind vom zuständigen Leistungsträger vollumfänglich zu übernehmen.291 Eine Arbeitsassistenz schafft − insbesondere bei Selbständigen mit Behinderung − Abhilfe bei anhaltenden Nachteilen. Die Nachteile bestehen aufgrund der anerkannten Behinderung. Eine notwendige Arbeitsassistenz wird unterschiedlich organisiert. Das Wahlrecht für die Organisation liegt beim Antragsteller. Es besteht die Variante, diese Förderleistung im Rahmen eines persönlichen Budgets – Arbeitgebermodell − zu erhalten.292 Der Leistungsbezieher nimmt die Funktion eines Arbeitgebers ein, schließt mit der Assistenzkraft einen Arbeitsvertrag, gleichwohl mit allen Rechten und Pflichten eines Anstellungsverhältnisses. Als Alternative zu dem persönlichen Budget besteht die Option der Beauftragung Dritter – Dienstleistungsmodell −, welcher Assistenzkräfte beschäftigt und diese lediglich bei Bedarf zu Verfügung stellt.293 Der Gesetzgeber hat mit den beiden unterschiedlichen Ansätzen einen einschränkungsrechtlichen Freiraum geschaffen, welcher eine Selbstbestimmung ermöglicht.294 Voraussetzung einer Leistungsinanspruchnahme nach § 17 Abs. 1 a SchwbAV ist, dass der Kernbereich der Aufgabenwahrnehmung eigenständig durch den Selbständigen wahrgenommen werden kann. Die Förderung einer Arbeitsassistenz ist subsidiär zu technischen Hilfsmitteln oder anderen Unterstützungsmaßnahmen zu bewilligen.295 Sie kommt also nur in Betracht, sofern keine anderen Hilfsmittel möglich sind.296 Allgemeine Maßnahmen sollten sich beispielsweise auf die behinderungsgerechte Organisation der Prozessabläufe, die leidensgerechte Arbeitsplatzgestaltung oder auf Maßnahmen einer beruflichen Qualifizierung

291Vgl.

Luik, Arbeitsassistenz, 5 Rn. 1 f. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 16. 293Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Ratgeber für Menschen mit Behinderung, S. 75; hierzu ebenfalls Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 16. 294Vgl. Ritz, Integrationsamt, 81 Rn. 12. 295Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX vom 15.04.2014 (§ 185 Abs. 4 SGB IX n.F.), Punkt 2.2. 296Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 16. 292Vgl.

230

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

abzielen. Der Assistenznehmer muss für die Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes mit seiner persönlichen Leistung selbst am Arbeitsmarkt konkurrenzfähig sein. Er muss die fachlichen, sozialen und persönlichen Voraussetzungen für die Erbringung der selbständigen Tätigkeit innehaben.297 Die Tätigkeit des Selbständigen mit Behinderung muss aber grundsätzlich den allgemeinen Voraussetzungen des Arbeitsmarktes entsprechen. In einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis sind die dienstrechtlichen und arbeitsvertraglichen geschuldeten Aufgaben zu erfüllen. Der Gründer muss in der Lage sein, die Kernaufgaben selbst zu erbringen. Aufgaben, welche die betriebliche Zielstellung der Unternehmung betreffen, sind nicht als Fördervoraussetzung für eine Assistenzkraft anzusetzen.298 Zum Unterstützungsbedarf sind weiterhin keine Tätigkeiten anzuerkennen, die in der Regel bei Selbständigen durch zusätzliche Arbeitskräfte realisiert werden, beispielsweise Vorzimmertätigkeiten.299 Der zeitliche Umfang der Unterstützungsleistung ist je nach Art der Behinderung durch den Selbständigen mit bis zu acht Stunden täglich möglich. In der Regel sind aber vier Tagesstunden als ausreichend zu bewerten.300 Ein darüber hinaus zusätzlicher Bedarf ist besonders zu begründen. Der Erhalt der selbständigen Arbeitsausführung steht beim Prüfungsprozess im Vordergrund. Sind bei der Tätigkeit Bereitschaftszeiten oder eine gesonderte Reisetätigkeit notwendig, wird unter Berücksichtigung des Einzelfalls der Leistungsrahmen erhöht. Nach Erhalt des Bescheides ist der Assistenznehmer − in diesem Fall der Selbständige mit Behinderung − selbst für die Beschaffung und Organisation der Arbeitsassistenz verantwortlich. Der Assistenznehmer hat alternativ entweder die Möglichkeit die Assistenz selbst anzustellen oder sie jeweils bei Bedarf bei Agenturen abzufordern.301 Ein Selbständiger wird in der Regel das sogenannte Arbeitgebermodell favorisieren, bei welchem er die Assistenzkraft selbst als Mitarbeiter anstellt. Die Akquise, die vertragliche Gestaltung, die Organisation und Anleitungskompetenz liegen beim Selbständigen. Gleichwohl hat er die Option

297Vgl.

Luik, Arbeitsassistenz, 5 Rn. 9. ebd., 5 Rn. 9. 299Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX vom 15.04.2014 (§ 185 Abs. 4 SGB IX n.F.), Punkt 2.3. 300Vgl. ebd., Punkt 2.3. 301Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 16. 298Vgl.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

231

das Dienstleistermodell zu wählen, bei welchen er einen Dritten für die zu erbringende notwendige Leistung beauftragt. Der Dienstleister stellt die vereinbarte Unterstützungsleistung am entsprechenden Ort zur vereinbarten Zeit zur Verfügung.302 Sofern eine selbständige berufliche Existenz geplant wird, ist bereits in der Vorgründungsphase ein detailliertes Aufgabenprofil der Assistenzkraft zu erstellen. Aus diesem Profil sollten die künftigen Anforderungen hervorgehen, sodass der Inhalt und der Umfang einer Assistenzleistung erfasst werden kann. Die Förderung einer Arbeitsassistenz im Sinne des § 17 Abs. 1 a SchwbAV ist bei Existenzgründern dann gegeben, wenn aus der geplanten Geschäftstätigkeit perspektivisch Aktivitäten und Arbeitsanforderungen abzuleiten sind, welche eine Unterstützung benötigen.303 Es wird angenommen, dass der Assistenznehmer aufgrund seiner bestehenden Behinderung die Arbeitsabläufe so modifiziert, sodass ein Mehrbedarf von über acht Stunden pro Tag nicht besteht. Die Gewährung der finanziellen Unterstützung für die Arbeitsassistenz soll in der Regel nicht 50 % vom Jahresbruttoeinkommen des Assistenznehmers übersteigen.304 Unter besonderer Berücksichtigung von Existenzgründern, muss ein angemessenes Verhältnis zwischen der Höhe der Förderleistung und dem erzielten, beziehungsweise den zu erzielenden Einkommen erkennbar sein. Die Ermittlung der 50 % Regelung spielt aber bei Selbständigen keine Rolle305, da Einkünfte aus der Selbständigkeit schwanken. Mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ist in der Regel von einem geringen und unsicheren Einkommen auszugehen, sodass der Schwellenwert nicht berücksichtigt werden kann. Gleichwohl ist die Chancengleichheit zu ermöglichen.306 Vor diesem Hintergrund muss für das Integrationsamt ersichtlich sein, dass die

302Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX vom 15.04.2014 (§ 185 Abs. 4 SGB IX n.F.), Punkt 2.9. 303Vgl. ebd., Punkt 2.8. 304Vgl. ebd., Punkt 2.8. 305Vgl. ebd., Punkt 2.8. 306Vgl. beck−aktuell unter https://rsw.beck.de/aktuell/meldung/bverwg−anderweitige− beschaeftigung−steht−arbeitsassistenz−fuer−erwerbstaetigkeit−schwerbehinderten− menschen−nicht−entgegen, [abgerufen am 30.01.2018].

232

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

selbständige Tätigkeit auf Dauer mit dem Ziel der Gewinnabsicht zur eigenständigen Sicherung des Lebensunterhaltes möglich ist.

5.3.3 Technische Arbeitshilfen (§ 19 SchwbAV) Integrationsämter können für Existenzgründer mit Behinderung Leistungen zur Beschaffung, Instandsetzung sowie eine Ausbildung für die Nutzung von technischen Arbeitshilfen fördern.307 Arbeitshilfen können beispielsweise sein: Hubtische, Bild- und Schreibtelefone oder Transporthilfen.308 Ziel ist, dass keine klassische Assistenzkraft im Sinne des § 17 Abs. 1 a SchwbAV in Anspruch genommen werden muss.309 Technische Arbeitshilfen sind als eine Ausstattung zu sehen, welche dem Nutzer die Ausübung seiner Tätigkeit ermöglicht, beziehungsweise die Tätigkeit erleichtert.310 Die Möglichkeit der Nutzung von technischen Arbeitshilfen stellt die bessere Alternative zur Arbeitsassistenz dar, weil die Person mit Behinderung selbstbestimmter agieren kann und nicht auf die Unterstützung Dritter angewiesen ist. Eine gleichwertige Kompensation der Assistenzkraft mittels technischer Arbeitshilfen oder durch Fortbildungsmaßnahmen ist aber nicht immer möglich. Als technische Arbeitshilfen im Sinne des § 19 SchwbAV sind Ausstattungsgegenstände zu verstehen, welche die vorhandenen, aber durch die Behinderung begrenzten Fähigkeiten fördern und unterstützen.311 Entsprechend der DIN EN ISO 9999 − Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen, Klassifikation und Terminologie − sind technische 307Vgl.

Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 37. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 397 f.; hierzu ebenfalls Wagner / Kaiser, Einführung in das Behindertenrecht, S. 52; hierzu ebenfalls Revermann / Gerlinger, Technologien im Kontext von Behinderung, S. 278. 309Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 397 f.; hierzu ebenfalls Wagner / Kaiser, Einführung in das Behindertenrecht, S. 52; hierzu ebenfalls Revermann / Gerlinger, Technologien im Kontext von Behinderung, S. 278. 310Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 9. 311Vgl. Otto / Nikiel / Löffel / Fischer, Erfolgreicher Umgang mit betrieblichen Fehlzeiten, S. 95; hierzu ebenfalls Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsund Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 15; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 9. 308Vgl.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

233

Arbeitshilfen definiert als unterstützendes Produkt, welches Beeinträchtigungen oder Schädigungen verringert oder sogar neutralisiert. Dabei kann das helfende Produkt ein allgemeines Gebrauchsgut oder eine Sonderanfertigung sein.312 Die Förderung einer technischen Arbeitshilfe nach § 19 SchwbAV setzt die damit verbundene Eingliederung und Sicherung in den allgemeinen Arbeitsmarkt voraus. Gleichzeitig ist eine Kostenübernahme für den Existenzgründer mit Behinderung nicht zumutbar.313 Mit der Förderung nach § 19 SchwbAV wird vorrangig beabsichtigt, dass die Tätigkeiten der Arbeit aufgrund einer bestimmten Behinderung ermöglicht wird. Darüber hinaus soll die Arbeitsbelastung reduziert und die Arbeitssicherheit entsprechend den gesetzlichen Vorschriften, beziehungsweise Rahmenbedingungen gewährleistet werden.314 Mit der technischen Entwicklung sind auch innovative Arbeitshilfen förderfähig, beispielsweise Datenverarbeitung am Computer mit Hilfe einer Braillezeile (Tastatur für Blindenschrift), Einscannen von Dokumenten, welche in Brailleschrift durch einen Drucker gestanzt werden, oder der Umbau des Arbeitsplatzcomputers in Großbildsysteme.315 Die Förderung nach § 19 SchwbAV beinhaltet einen Zuschuss zur technischen Arbeitshilfe, welche sich in ihrer Höhe nach dem Einzelfall richtet. Das Einkommensniveau des Leistungsempfängers ist dabei nicht zu berücksichtigen, da die Förderung aufgrund der bestehenden Behinderung als Nachteilsausgleich notwendig ist.316 Einige technische Errungenschaften zur Kompensation bestehender Nachteile am Arbeitsplatz haben sich in der Praxis bewährt. Genutzt werden sie auch von Personen ohne Behinderung wegen der enormen Arbeitserleichterung. Als Beispiel ist die Datenbrille der Schmaus GmbH zu nennen.317 Die eigens entwickelte Brille überträgt und projektziert Daten auf das Brillenglas, sodass sich gehörlose Mitarbeiter bei der Kommissionierung schnell und sicher im Lager

312Vgl.

Schlick / Bruder / Luczak, Arbeitswissenschaft, S. 162. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 15. 314Vgl. Luik, Arbeitsassistenz, 5 Rn. 2 ff. 315Vgl. Richter / Habib, Das Betriebliche Eingliederungsmanagement, S. 71; hierzu ebenfalls Hallier / Letzel / Nowak, Medizinische und berufliche Rehabilitation, S. 169; hierzu ebenfalls Wolters, Besonders Normal, S. 164. 316Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 9. 317Vgl. hierzu die Firma Schmaus GmbH unter https://www.buero-schmaus.de/unternehmen/inklusionspreis-fuer-die-wirtschaft-2018/, [abgerufen am 10.12.2018]. 313Vgl.

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5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

orientieren können. Die durch den Schichtleiter eingespeisten Daten ermöglichen einen reibungslosen Arbeitsablauf − auch ohne notwendige akustische Kommunikation.318 Die Kosten der notwendigen Arbeitshilfen für Menschen mit Behinderung werden i.d.R. in voller Höhe übernommen – ein Eigenanteil ist bei einer behinderungsbedingten Förderung im Sinne eines Nachteilsausgleichs ausgeschlossen.319 Durch das Integrationsamt kann lediglich im Rahmen des Ermessens ein Eigenanteil an der Förderung durch die geförderte Person mit Behinderung geltend gemacht werden, wenn er die Hilfsmittel zur Teilhabe am Arbeitsleben privat nutzt.320

5.3.4 Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes (§ 20 SchwbAV) Die Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes umfassen die Beschaffung eines Kraftfahrzeuges, den behinderungsbedingten Umbau und die Unterstützung zur Erlangung der Fahrerlaubnis.321 Die Förderleistung nach § 20 SchwbAV ist inhaltlich mit dem § 3 Abs. 2 und 3 K ­ raftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) gleichzusetzen.322 Bei einer Förderung durch das Integrationsamt bezieht sich der § 20 SchwbAV auf das Erreichen eines Arbeitsplatzes.323 Es ist nicht als eine Leistung der Berufsausübung zu sehen. Das Integrationsamt kann die Förderleistung unter der Prämisse gewähren, dass kein vorrangiger Rehabilitationsträger nach § 6 SGB IX besteht. Deshalb ist das Integrationsamt vorrangig für Beamte und für Selbständige zuständig − wohingegen bei Angestellten gewöhnlich vor-

318Vgl. hierzu die Firma Schmaus GmbH unter http://www.buero−schmaus.de/neuigkeiten/ neuigkeiten/wenn−die−brille−das−gehoer−ersetzt/, [abgerufen am 05.02.2018]. 319Vgl. Erbach, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 51. 320Vgl. Knittel, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 30. 321Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) vom 28.09.1987 (BGBl. I S.  ­ 2251) vom 11.06.2010, S. 2. 322Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 18. 323Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 42.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

235

rangig andere Rehabilitationsträger – wie zum Beispiel die Agentur für Arbeit oder die Rentenversicherung Berlin-Brandenburg − zuständig sind.324 Die persönlichen Voraussetzungen sind im § 3 KfzHV geregelt.325 Die Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Kraftfahrzeuges darf nicht nur temporär sein.326 Ebenso muss die besondere Art und Schwere der Behinderung die Nutzung eines Kraftfahrzeuges voraussetzen, um im Ergebnis eine Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Die Notwendigkeit der Inanspruchnahme ergibt sich zum einen aus der örtlichen Infrastruktur und zum anderen aus der Zumutbarkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.327 So darf beispielsweise die Haltestelle der öffentlichen Verkehrsmittel nicht innerhalb eines 800 m Radius zum Wohnhaus liegen, da dann die Zumutbarkeit zu Fuß nicht mehr gegeben ist. Die Zumutbarkeit ist abhängig vom ausgebauten Straßen- und Wegenetz am Wohnort. Ebenso besteht die Situation, dass an der Haltestelle für Bus oder Bahn innerhalb des 800 m Radius keine angemessene Verbindung zum Arbeitsort möglich und ein mehrmaliges Umsteigen nicht zumutbar ist. Auch bei dieser Konstellation ist eine Förderleistung möglich. Pauschal ist im Antragsverfahren eine Zumutbarkeit der Wegstrecke nicht gegeben, wenn das Merkzeichen aG vorliegt. (vgl. Abschnitt 3.4.) Bei Behinderungsarten ohne Vorliegen des Merkzeichens aG sind im Einzelfall zu prüfen, ob die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zumutbar erscheint. Dies ist beispielsweise nicht gegeben, wenn Stoffwechselerkrankungen oder sichtbare Körperentstellungen vorliegen.328 In der Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit wird darauf hingewiesen, dass das Merkzeichen G für die Notwendigkeit der Benutzung eines Kraftfahrzeuges nicht ausreichend ist und eine zusätzliche behinderungsbedingte

324Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 16 f.; hierzu ebenfalls Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer) behinderte Menschen, S. 19; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 9. 325Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 41. 326Vgl. Spiolek, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 66. 327Vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1992 – 9 b RAR 14/91. 328Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) vom 28.09.1987 (BGBl. I S. 2251) vom 11.06.2010, Punkt 5.1; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 17.

236

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Notwendigkeit begründet werden muss.329 Dies entspricht inhaltlich auch den Anspruchsvoraussetzungen des Integrationsamtes, welches als Leistungsträger in Frage kommt, sofern für die Person mit Behinderung kein Rehabilitationsträger verantwortlich ist.330 Wenn die persönlichen Voraussetzungen nach § 3 KfzHV erfüllt sind, ist einkommensabhängig nach § 5 Abs. 1 KfzHV ein Zuschuss von bis zu 9.500,00 Euro zu gewähren.331 Die Bezugsgröße zur Bestimmung der anteiligen Förderhöhe ist in § 18 Abs. 1 SGB IV definiert, welche jährlich angepasst wird. Im Verwaltungsverfahren im Land Brandenburg wird die Bezugsgröße für die alten Bundesländer angesetzt. Der Unterschied der Bezugsgröße für die neuen und alten Bundesländer ist in der folgenden Tabelle dargestellt (Tabelle 5.24). Tabelle 5.24  Überblick der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV1

Jahr

Monatliches Einkommen Alte Bundesländer

Neue Bundesländer

2018

3.045,00 Euro

2.695,00 Euro

2017

2.975,00 Euro

2.660,00 Euro

2016

2.905,00 Euro

2.520,00 Euro

2015

2.835,00 Euro

2.415,00 Euro

2014

2.765,00 Euro

2.345,00 Euro

2013

2.695,00 Euro

2.275,00 Euro

2012

2.625,00 Euro

2.240,00 Euro

2011

2.555,00 Euro

2.240,00 Euro

2010

2.555,00 Euro

2.170,00 Euro

1In

Anlehnung an Hoffmann unter http://www.aktuar−hoffmann.de/_bezugsgrobe_gemab _18_sgb_iv.html, [abgerufen am 05.02.2018}.

329Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, §§ 1 bis 10 KfzHV, Geschäftsanweisung vom 30.04.2012, Punkt 3.1.1.; hierzu ebenfalls Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 42. 330Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 17. 331Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 19; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 9.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

237

Der definierte prozentuale Anteil des Zuschusses entsprechend § 18 Abs. 1 SGB IV ist in folgenden Stufen gestaffelt (Tabelle 5.25): Tabelle 5.25   Bemessungsbetrag nach § 18 Abs. 1 SGB IV Einkommen bis zur vollen Höhe der monat- Zuschuss in voller Höher des Bemessungslichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB betrages nach § 5 KfzHV IV 40

100 %

45

88 %

50

76 %

55

64 %sss

60

52 %

65

40 %

70

28 %

75

16 %

1Eigene

Darstellung in Anlehnung an die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) vom 28.09.1987 (BGBl. I S. 2251) vom 11.06.2010, Punkt 9.

Vom Einkommen der antragstellenden Person sind nach § 6 Abs. 2 KfzHV für jeden von ihm zu unterhaltenen Familienangehörigen pauschal 12 % abzuziehen, welches das Einkommen mindert.332 Nach der Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit sind als Familienangehörige der Ehegatte oder Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG)333, Kinder im Sinne des § 2 Bundeskindergeldgesetzes (BKGG)334 oder weitere Verwandte mit Behinderung in der häuslichen Gemeinschaft − unabhängig vom Verwandtschaftsgrad −

332Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) vom 28.09.1987 (BGBl. I S. 2251) vom ­ 11.06.2010, Punkt 7.5. 333Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787). 334Bundeskindergeldgesetz vom 28. Januar 2009 (BGBl. I S. 142, 3177), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1682).

238

5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

hinzuzurechnen.335 Grund für die Staffelung ist die Förderperspektive nach dem notwendigen Bedarf. Der Gesetzgeber geht i. S. d. KfzHV336 davon aus, dass je höher das monatliche Einkommen ist, auch die eigene finanzielle Beteiligung bei der Anschaffung des Kraftfahrzeuges zugemutet werden kann. Als persönliche Voraussetzung für eine Förderleistung muss der Existenzgründer mit Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Inanspruchnahme eines Kraftfahrzeugs zum Erreichen des Arbeitsortes angewiesen sein.337 Als zwingende Voraussetzung für die Gewährung einer Förderung ist die gesundheitliche Eignung für das Führen eines Kraftfahrzeugs, welche gegebenenfalls durch eine ärztliche Stellungnahme zu belegen ist. Die Leistung kann auch an Dritte gewährt werden, die das Fahrzeug für die Person mit Behinderung führen.338 Unter näherer Betrachtung der sachlichen Voraussetzungen ist anzumerken, dass eine Unterstützung, beziehungsweise Hilfen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs nur ermöglicht werden kann, wenn der Existenzgründer mit Behinderung kein eigenes Kraftfahrzeug hat. Es ist auch eine Förderung möglich, wenn das aktuelle Kraftfahrzeug nur mit einem sehr hohen Aufwand behinderungsbedingt umgerüstet werden kann oder das aktuelle Kraftfahrzeug unter Abwägung technischer und wirtschaftlicher Kriterien nicht mehr zumutbar erscheint.339 Prinzipiell muss das neue Kraftfahrzeug den Anforderungen der Person mit Behinderung vollumfänglich in Größe und Ausstattung der unteren Mittelklasse entsprechen. Sollte diese Anforderung aufgrund der Schwere der Behinderung nicht zumutbar sein, so kann auch ein Kraftfahrzeug oberhalb der unteren

335Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, §§ 1 bis 10 KfzHV, Geschäftsanweisung vom 30.04.2012, Punkt 6.2.1. 336Kraftfahrzeughilfe-Verordnung vom 28. September 1987 (BGBl. I S. 2251), zuletzt geändert durch Art. 117 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848). 337Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) vom 28.09.1987 (BGBl. I S. 2251) vom 11.06.2010, Punkt 5.1 f. 338Vgl. Spiolek, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 66. 339Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, §§ 1 bis 10 KfzHV, Geschäftsanweisung vom 30.04.2012, Punkt 5.1.1 ff.; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) vom 28.09.1987 (BGBl. I S. 2251) vom 11.06.2010, Punkt 6.1 f.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

239

Mittelklasse im Einzelfall gefördert werden.340 Das Kraftfahrzeug sollte angemessen und zweckmäßig sein. Die Anschaffung eines gebrauchten Kraftfahrzeuges ist ebenfalls möglich, soweit die unter § 4 Abs. 2 KfzHV genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Anschaffungswert sollte mindestens 50 % des Neuwagenpreises entsprechen.341 I. d. R. ist davon auszugehen, dass bei Jahres- oder Vorführwagen, die Anforderungen aus dem § 4 Abs. 2 KfzHV erfüllt werden.342 Die Förderung nach § 20 SchwbAV für Leistungen i.S.d. der KfzHV kommt aufgrund seiner Nachrangigkeit nur in Betracht, wenn die Zuständigkeit nicht bei einem Rehabilitationsträger liegt − dies ist vor allem der Fall bei Selbständigen und Beamten.343

5.3.5 Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung (§ 22 SchwbAV) Selbständige mit Behinderung können finanzielle Zuschüsse und Darlehen i.S.d. § 2 Abs. 2 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) zur Anpassung von Wohnraum und dessen Ausstattung an die Behinderung mit bis zu 30.000 Euro gefördert bekommen.344 Gleichwohl ist ein Umzug in eine behindertengerechte oder erheblich verkehrsgünstiger gelegene Wohnung zum Erreichen des Arbeitsplatzes förderfähig.345 Voraussetzung für eine Förderung nach § 22 SchwbAV ist, dass die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglicht und gesichert wird.346

340Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, §§ 1 bis 10 KfzHV, Geschäftsanweisung vom 30.04.2012, Punkt 5.1.1 f. 341Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 20. 342Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) vom 28.09.1987 (BGBl. I S. 2251) vom 11.06.2010, Punkt 6.2. 343Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 41. 344Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 19. 345Vgl. Knittel, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 33. 346Vgl. Erbach, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 62.

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5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Die Örtlichkeit der Wohnung ist als behinderungsgerecht zu sehen, wenn von ihr aus die Wegstrecke zum Arbeitsplatz zumutbar ist und ohne Probleme mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem eigenen Kraftfahrzeug erreicht werden kann.347 Für die Gewährung eines Nachteilsausgleiches muss der Umfang des Arbeitsweges deutlich über den Anforderungen der Pendelzeit nach § 140 Abs. 4 SGB III liegen. Diese zumutbaren Pendelzeiten betragen bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden maximal zweieinhalb Stunden und bei einer Beschäftigung von täglich weniger als sechs Stunden maximal zwei Stunden. Grundsätzlich sind aber die regionalen Bedingungen zu berücksichtigen. Sind hierbei längere Pendelzeiten üblich, so sind diese als Grundlage für die Zumutbarkeit der Pendelzeit anzusehen.348 Die Kosten für die Beschaffung und Ausstattung einer behinderungsgerechten Wohnung gemäß § 49 Abs. 8 Nr. 6 SGB IX sind durch das Integrationsamt förderfähig, soweit die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 und 2 SGB IX vorliegen und es sich bei der zu unterstützenden Person um einen Beamten oder um einen Selbständigen handelt.349 Der Bau oder der Erwerb von einem Eigenheim oder einer Eigentumswohnung, deren Größe und Ausstattung den Bestimmungen des WoFG entsprechen und die bezüglich des Zugangs, der baulichen Gestaltung, der Ausstattung und der Lage behinderungsgerecht sind, können durch zinslose Darlehen gefördert werden.350 Voraussetzung für den Erhalt der Förderungsleistung ist die damit verbundene Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt und Sicherung des Arbeitsplatzes. Die Leistungen kommen insbesondere dann in Betracht, wenn die derzeitige Wohnung von der Person mit Behinderung nicht behinderungsgerecht ausgestattet ist. Mit Nachweis, dass in der jeweiligen Region kein angemessenes

347Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung nach § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d) SGB IX i. V. m. § 22 SchwbAV vom 11.04.2013 (§ 185 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d) SGB IX n.F.), Punkt 1. 348Vgl. ebd., Punkt 2.1. 349Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 24; hierzu ebenfalls Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 41, 50. 350Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 20; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 10.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

241

Angebot von behinderungsgerechten Wohnungen vorgehalten wird, lässt auch die Förderung von Eigentumserwerb zu.351 Bei jeder Förderleistung i.S.d. § 22 SchwbAV − insbesondere bei der Förderung von Wohneigentum − wird ein angemessenes Einkommen vorausgesetzt, um die aus dem Bauvorhaben entstehenden finanziellen Belastungen, beispielsweise Wartungskosten, auf Dauer tragen zu können. Die Leistungen werden gewährt, soweit wegen der anerkannten Behinderung Mehrkosten der Bauausführung oder Kosten für eine nachträgliche bauliche Änderung oder für die bauliche Ausstattung des Wohnraumes entstehen. Mehrkosten der Bauausführung, die wegen behinderungsbedingter Bedürfnisse entstehen können, fallen zum Beispiel infolge möglicher Mehrflächen für Rollstuhlfahrer, besonderer sanitärer Einrichtungen oder infolge des Bauens einer Rampe oder einer Aufzugsanlage an. Bei Mietwohnungen sind auch die Kosten der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes aufgrund eines notwendigen Umzuges förderfähig.352 Im weiteren Verlauf der vorliegenden Forschungsarbeit werden mögliche Förderungen nach § 22 SchwbAV nicht weiter betrachtet, da die Förderung sich nur mittelbar auf Existenzgründung von Personen mit Behinderung auswirkt.

5.3.6 Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten (§ 24 SchwbAV) Personen mit Behinderung können auf der Grundlage des § 24 SchwbAV finanzielle Zuschüsse für eine Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen353 erhalten.354 Qualifizierungsmaßnahmen in diesem Sinne können beispielsweise die für den jeweiligen Beruf notwendigen fachlichen Schulungen, persönlichkeitsfördernde Schulungen oder sonstige mit dem Beruf im Zusammenhang

351Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung nach § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d) SGB IX i.V.m. § 22 SchwbAV vom 11.04.2013 (§ 185 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d) SGB IX n.F.), Punkt 2.1. 352Vgl. ebd., Punkt 3.3. 353Qualifizierungsmaßnahmen der Erstausbildung oder Umschulung sind als Förderungsmöglichkeit im Rahmen eines Nachteilsausgleichs ausgeschlossen; vgl. hierzu Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 17. 354Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 51.

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5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

stehende Qualifizierungsmaßnahmen sein.355 Nach Art. 27 UN-BRK sind Qualifizierungsmaßnahmen − insbesondere die Berufsausbildung und die Weiterbildung von Personen mit Behinderung − zu fördern, um die Beschäftigungsmöglichkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt zu sichern und gegebenenfalls einen beruflichen Aufstieg zu ermöglichen.356 Grundlage der Förderhöhe sind die behinderungsbedingt entstehenden Mehraufwendungen, welche gegebenenfalls vollumfänglich durch das Integrationsamt übernommen werden können.357 Unter behinderungsbedingten Mehrkosten sind beispielsweise Sach- und Dolmetscherkosten zu verstehen.358 Des Weiteren werden auch die Fahrkosten zur Unterkunft am Schulungsort übernommen, soweit eine besondere Unterkunft aufgrund der Behinderung notwendig ist.359 Die Kosten einer notwendigen Begleitperson werden ebenfalls auf der Grundlage des § 24 SchwbAV erstattet.360 Als förderfähig zählen inhaltlich alle Qualifizierungsmaßnahmen, die eine Teilhabe am

355Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 17. 356Vgl. Dieterich, Berufliche Vorbereitung und Berufsbildung, S. 121 ff., hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten gemäß § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX i. V. m. § 24 SchwbAV vom 11.04.2013 (§ 185 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX n.F.), Punkt 1; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 18 f. 357Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten gemäß § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX i. V. m. § 24 SchwbAV vom 11.04.2013 (§ 185 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX n.F.), Punkt 4.1; hierzu ebenfalls Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 17. 358Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten gemäß § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX i. V. m. § 24 SchwbAV vom 11.04.2013 (§ 185 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX n.F.), Punkt 7.1.1. 359Vgl. ebd., Punkt 7.1.1. 360Vgl. ebd., Punkt 7.1.1.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

243

Arbeitsleben ermöglichen und diese zugleich sichern. Ebenso umfassen die Qualifizierungsmaßnahmen solche Fortbildungen, die im Zuge der technischen Entwicklung notwendig sind.361 Die Fortbildungsmaßnahmen sollten an den Anforderungen, sprich an den Bedürfnissen, wie zum Beispiel Umfang und Dauer, auf den Teilnehmer mit Behinderung ausgerichtet sein. Eine weitere Leistungsvoraussetzung für eine Förderung nach § 24 SchwbAV ist, dass der Teilnehmer für seine Berufstätigkeit geeignet ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Qualifizierungsmaßnahme mit Erfolg abschließt.362 Unter besonderer Berücksichtigung der Existenzgründer ist eine solche Förderung vor dem Gründungsakt selbst nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 SchwbAV möglich, wenn die notwendige fachliche Qualifizierung erst erworben werden muss, um die Tätigkeit auszuüben. Beispielsweise benötigt der Existenzgründer wirtschaftliche und buchhalterische Grundkenntnisse, um perspektivisch das Unternehmen wirtschaftlich steuern zu können. Es muss aber eine Grundqualifizierung (beispielsweise Schulabschluss) vorhanden sein, auf welche aufgebaut werden kann.363 Grundsätzlich sind solche Qualifizierungsmaßnahmen von einer Förderung nach § 21 Abs. 3 SchwbAV ausgeschlossen, welche im Rahmen der Geschäftstätigkeit als laufende Kosten zu bewerten sind.364 Qualifizierungsmaßnahmen, die im Rahmen des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes (AWbG) durchgeführt werden oder Maßnahmen, welche der politischen Bildung dienen, sowie Maßnahmen, welche keinen Zusammenhang zur selbständigen Tätigkeit aufweisen, sind nicht förderfähig.365 Der Umfang der Leistung erstreckt sich auf die behinderungsbedingten Mehraufwendungen, welche die Person aufgrund ihrer Behinderung zu tragen hat. Mit § 18 Abs. 2 SchwbAV sieht der Gesetzgeber gleichwohl vor, dass die Lehrgangskosten beziehungsweise die Teilnahmegebühren vollumfänglich übernommen

361Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten gemäß § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX i. V. m. § 24 SchwbAV vom 11.04.2013 (§ 185 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX n.F.), Punkt 8. 362Vgl.

ebd., Punkt 5.3. ebd., Punkt 5.1. 364Vgl. ebd., Punkt 6. 365Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 17. 363Vgl.

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5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

werden können, wenn aufgrund der Einkommensverhältnisse eine Beteiligung der Person mit Behinderung nicht zumutbar ist.366

5.3.7 Hilfen in besonderen Lebenslagen (§ 25 SchwbAV) Der § 25 SchwbAV beinhaltet eine individuelle Förderung, um eine Teilhabe am Arbeitsleben in besonderen Lebenslagen zu ermöglichen, beziehungsweise zu sichern.367 Das Leistungsspektrum umfasst eine finanzielle Unterstützung, soweit diese nicht bereits aus §§ 19 bis 24 SchwbAV resultiert.368 Aufgrund des hohen Grades an Individualität möglicher Unterstützungsleistungen, ist es nur schwer möglich, Regelungen für die Förderpraxis aufzustellen.369 Bei der Betrachtung einer Förderfähigkeit für Selbständige kommt der § 25 SchwbAV vorrangig für Gründungs- und Krisenberatungen zur Anwendung.370 Aus diesem Grund wird der § 25 SchwbAV auch als Auffangparagraf bezeichnet, um eine passgenaue, individuelle und zielorientierte Förderung für den Personenkreis mit Behinderung zu ermöglichen, sodass eine Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann. Falls eine klassische Leistungsart nicht in Frage kommt, ist zu prüfen, ob mit dem § 25 SchwbAV Abhilfe geschaffen werden kann.371 Demzufolge ist die Förderung als eine untypische Leistung zu verstehen, welche in ihrer

366Vgl.

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen für Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten gemäß § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX i. V. m. § 24 SchwbAV vom 11.04.2013 (§ 185 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e) SGB IX n.F.), Punkt 7.1.1. 367Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 55. 368Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 18; hierzu ebenfalls Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 55; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 10. 369Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 22. 370Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), FA SchwbR am 2. und 3. April 2014, Förderfähige Beschäftigungsverhältnisse, Aktualisierung vom 01.01.2018, S. 6. 371Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 18.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

245

Ausprägung sehr unterschiedlich sein kann. Voraussetzung ist immer ein konkreter Zusammenhang zum Arbeitsplatz, welcher den Anforderungen des § 185 Abs. 2 SGB IX entspricht.372 Grundsätzlich sollen die Unterstützungsleistungen, welche aus dem § 25 SchwbAV resultieren, nicht das allgemeine Leistungsspektrum der begleitenden Hilfe erweitern.373 Der § 25 SchwbAV hat eine Auffangfunktion, um bei besonderen Situationen zu unterstützen. Ein direkter Zusammenhang zwischen der Leistung und der Behinderung ist dabei nicht notwendig.374 Es ist ausreichend für eine Förderung, wenn sie dem Ziel der begleitenden Hilfe einer Arbeitsförderung für Menschen mit Behinderung dient.375

5.3.8 Leistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen (§ 26 SchwbAV) Personen mit Behinderung können nach § 26 SchwbAV finanzielle Fördermöglichkeiten für die behindertengerechte Ausstattung eines Arbeits- und Ausbildungsplatzes beim Integrationsamt beantragen.376 Zwar treffen diese Tatbestände oftmals ehr auf Angestellte zu, doch gibt es Lebenssituationen, in welchen auch Selbständige mit Behinderung einen Umbau ihres Arbeitsplatzes benötigen. Wenn beispielsweise ein Selbständiger an einer Knochenkrankheit leidet, sich der Gesundheitszustand verschlechtert und er eine spezielle PC-Tastatur benötigt, kann diese gefördert werden. Ein dazugehöriger Standard-Monitor dahingehend nicht, da er nicht als behinderungsbedingt anzusehen ist. Es ist also grundsätzlich bei der Einrichtung von Arbeitsplätzen danach zu differenzieren, ob Maßnahmen aufgrund behinderungsbedingter Aspekte erforderlich sind.377 Die behinderungsbedingten Maßnahmen können das gesamte Arbeitsumfeld umfassen, beispielsweise Zugangswege, Aufzüge, Lastentransporter, Parkmöglichkeiten und Erholungsräume. Des Weiteren

372Vgl.

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 22 f. 373Vgl. Knittel, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 35a. 374Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 55. 375Vgl. Knittel, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 35a. 376Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 59. 377Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 8 f.

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5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

können Maschinen, die aufgrund des technischen Fortschritts für die Person mit Behinderung angeschafft wird − um präventiv die Arbeit zu erleichtern − Gegenstand der Förderung sein. Im Zuge der finanziellen Unterstützung bei der Beschaffung von Maschinen ist eine Förderung der Wartungs- und Instandhaltungskosten möglich. Bei einer finanziellen Unterstützung von technischen Arbeitshilfen, in Abgrenzung zu dem § 19 SchwbAV, handelt es sich um Vorrichtungen, die neben einer ergonomischen Anpassung der notwendigen Grundausstattung im Einzelfall wegen der besonderen und individuellen Verhältnisse erforderlich werden. Die technische Förderung im Sinne des § 26 SchwbAV ergänzt eine vorhandene Arbeitsplatzausstattung und verändert nicht den Arbeitsplatz in seiner Struktur. Zur technischen Förderung gehören beispielsweise Hilfsmittel wie Hörgeräte, welche die Ausübung der notwendigen Tätigkeiten erleichtern oder ermöglichen. Soweit eine technische Arbeitshilfe förderfähig ist, können ebenfalls die Kosten einer Anwendungsschulung übernommen werden, um den Gebrauch der Gegenstände fachgerecht zu gewährleisten.378

5.3.9 Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen (§ 27 SchwbAV) Unter Leistungen bei einer außergewöhnlichen Belastung i.S.d. § 27 SchwbAV sind der Beschäftigungssicherungszuschuss und die personelle Unterstützung zu verstehen, welche i. d. R. an Arbeitgeber gewährt wird, um eine bestehende Minderleistung eines Beschäftigten, beziehungsweise die außergewöhnliche Belastung des Arbeitgebers, auszugleichen.379 Unter einer außergewöhnlichen Belastung sind finanzielle Aufwendungen und sonstige Belastungen im überdurchschnittlichen Maße zu verstehen, welche nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten − nach Art und Höhe − dem Arbeitgeber nicht mehr zu zumuten sind

378Vgl.

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 8 f. 379Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 95 f.; hierzu ebenfalls Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 69; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ZB info, Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 5.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

247

und das Beschäftigungsverhältnis gefährdet ist.380 In bestimmten Situationen ist diese Förderung aber auch für Selbständige möglich381, bei welchen die eigene außergewöhnliche Belastung aufgrund der Behinderung durch finanzielle Zuschüsse kompensiert werden kann.382 Die personelle Unterstützung kommt für Selbständige immer dann in Betracht, wenn Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt sind. Der Beschäftigungssicherungszuschuss stellt eine Ausnahme dar. Die Bezeichnung des Minderleistungsausgleiches hat formal von der Begrifflichkeit her einen diskriminierenden Charakter, sodass dieser im Dezember 2015 in Beschäftigungssicherungszuschuss umbenannt wurde.383 Mit dem Beschäftigungssicherungszuschuss besteht die Möglichkeit, Leistungsdefizite mit einer finanziellen Unterstützung seitens des Staates aus der Ausgleichsabgabe zu kompensieren.384 Liegt die notwendige Arbeitsleistung einschränkungsbedingt mindestens 30 % unter dem Normalniveau, so ist ein finanzieller Ausgleich durch den Beschäftigungssicherungszuschusses möglich.385 Die personelle Unterstützung fördert den zusätzlichen Betreuungsaufwand.386 Sie wird durch eine dritte Person erbracht, um eine Arbeitsausführung für die

380Vgl. Simon, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 69; hierzu ebenfalls Knittel, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 39 b. 381Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), FA SchwbR am 2. und 3. April 2014, Förderfähige Beschäftigungsverhältnisse, Aktualisierung vom 01.01.2018, S. 6; hierzu ebenfalls Adlhoch, Aufgaben des Integrationsamtes, 185 Rn. 120. 382Vgl. Knittel, Aufgaben des Integrationsamtes, 102 Rn. 39c. 383Vgl. beta Institut gemeinnützige GmbH unter https://www.betanet.de/beschaeftigungssic herungszuschuss-minderleistungsausgleich.html, [abgerufen am 12.12.2018]. 384Vgl. ­ Trenk-Hinterberger, Die Bedeutung des Art. 27 BRK für das Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben, S. 7; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Handbuch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation, S. 72; hierzu ebenfalls Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S.  29; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 96, 150 f. 385Vgl. Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 29. 386Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 7; hierzu ebenfalls Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 28.

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5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

Person mit Behinderung zu ermöglichen.387 Eine solche personelle Unterstützung ist insbesondere dann notwendig, wenn eine arbeitsbegleitende Betreuung, eine tätigkeitsbezogene Handreichung, eine Hilfestellung bei der Arbeitsausführung oder der Sicherstellung der Kommunikation am Arbeitsplatz notwendig ist.388 Die personelle Unterstützung ist von einer möglichen Arbeitsassistenz nach dem § 17 Abs. 1a SchwbAV dahingehend abzugrenzen, dass die personelle Unterstützung aus der eigenen Belegschaft einfache unterstützende Tätigkeiten erbringt. Die Arbeitsassistenz hingehend wird als eine externe Unterstützungsleistung eingekauft, welche ebenfalls einfache Tätigkeiten zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben für die Person mit Behinderung ausführt. Die Arbeitsassistenz ist dabei nicht im Stellenplan zur Aufgabenerledigung vorgesehen. Beide Leistungsarten sind parallel förderfähig. Aus der wirtschaftlichen Perspektive ist die außergewöhnliche Belastung ein zusätzlicher finanzieller Aufwand − die Ursache hierfür liegt in der Behinderung selbst.389 I. d. R. ist erst von einer Leistungseinschränkung zu sprechen, wenn die Arbeitsweise der Person mit Behinderung gegenüber einer Person ohne Behinderung erheblich verlangsamt ist. Diese Leistungseinschränkung kann ihren Grund beispielsweise in der vermehrten Inanspruchnahme von Pausen haben. Des Weiteren zählen Motivationsdefizite und eine hohe Fehlerquote als Anzeichen einer Leistungseinschränkung.390 Grundsätzlich besteht ein Leistungsanspruch, wenn ohne eine Bezuschussung aus der Ausgleichsabgabe die Arbeit der Person mit Behinderung gefährdet ist. Der benötigte Unterstützungsbedarf muss aber im Zusammenhang mit der Behinderung stehen – die Behinderung muss konkrete Auswirkungen auf die Aufgabenwahrnehmung der Person haben.391 Bei der Prüfung der Förderfähigkeit ist die Eigenschaft der besonders betroffenen Personen mit Behinderung im Sinne des § 155 Abs. 1 Nr. 1 a bis d

387Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), ABC Fachlexikon, Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, S. 95 f. 388Vgl. Hallier / Letzel / Nowak, Medizinische und berufliche Rehabilitation, S. 159; hierzu ebenfalls Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Finanzielle Leistungen, S. 7 f. 389Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen zur Gewährung von Leistungen des Integrationsamtes an Arbeitgeber zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen nach § 27 SchwbAV vom 01.06.2016, Punkt 6.1. 390Vgl. ebd, Punkt 6.1.1. 391Vgl. Hoge / Straßer, Minderleistung beheben − Mitarbeiter befähigen, S. 42 f.; hierzu ebenfalls Richter / Habib, Das Betriebliche Eingliederungsmanagement, S. 94 f.

5.3  Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben

249

SGB IX zu berücksichtigen.392 Diese Personengruppe benötigt eine besondere Hilfestellung aufgrund ihrer Behinderung. Eine umfängliche Unterstützungsleistung im Sinne eines Nachteilsausgleichs ist dann gegeben, wenn die Teilhabe am Arbeitsleben eine nicht vorübergehende Unterstützung erfordert.393 Existenzgründer mit Behinderung können nach § 21 Abs. 4 SchwbAV die Leistungen nach § 27 SchwbAV (also Beschäftigungssicherungszuschuss und personelle Unterstützung) in Anspruch nehmen. Voraussetzung für die Förderung ist die Erfüllung des § 21 Abs. 1 SchwbAV. Für eine Förderung muss der Selbständige seinen Lebensunterhalt eigenständig bestreiten können. Eine unwirtschaftliche Selbständigkeit darf nicht künstlich gesichert werden.394 Die Förderhöhe des Beschäftigungssicherungszuschusses wird in drei Bedarfsstufen unterschieden. Die Stufe eins beinhaltet eine Minderleistung von 30 % bis 39 %, die Stufe zwei die Minderleistung von 40 % bis 49 % und die Stufe drei die Minderleistung von mehr als 50 %.395 Eine Minderleistung ist im Verhältnis zur Regelarbeitszeit zu sehen. Die personelle Unterstützung hingegen ist im Zusammenhang mit der durchschnittlichen arbeitstäglichen Leistung zu bewerten, welche ebenfalls in drei Stufen zu unterscheiden ist. Zur besseren Darstellung der unterschiedlichen Leistungen werden die Stufen alphabetisiert dargestellt. Bei der Stufe A umfasst die tägliche personelle Unterstützung mehr als eine Stunde. Stufe B sieht als Zeitrahmen mehr als zwei Stunden vor, und Stufe C umfasst eine Unterstützungsleistung von mehr als drei Stunden. Eine personelle Unterstützung ist entsprechend der Stufenzuordnung erst förderfähig ab einem Umfang von mindestens einer Stunde.396 Von den Standards

392Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen zur Gewährung von Leistungen des Integrationsamtes an Arbeitgeber zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen nach § 27 SchwbAV vom 01.06.2016, Punkt 3.1. 393Vgl. ebd., Punkt 3.2. 394Vgl. ebd., Punkt 3.4; hierzu ebenfalls Verwaltungsgerichtshof Baden−Württemberg, Urteil vom 04.05.2004 – 9 S 14/03 – br 2004. 395Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen zur Gewährung von Leistungen des Integrationsamtes an Arbeitgeber zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen nach § 27 SchwbAV vom 01.06.2016, Punkt 8.1.1. 396Vgl. ebd., Punkt 8.1.1.

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5  Förderung für Existenzgründer mit Behinderung

wird lediglich bei Härtefällen abgewichen.397 Der besondere Härtefall ist hierbei nicht näher definiert, sodass der bestehende Ermessensspielraum im Rahmen einer Einzelfallprüfung für die Bewertung der Förderleistung ausschlaggeben ist. Bei der jeweils ermittelten Bedarfsstufe werden Zahlbeträge für den Beschäftigungszuschuss und Beträge für die personelle Unterstützung zugrunde gelegt. Dabei sind die regionalen Gegebenheiten der Entlohnungshöhe zu berücksichtigen. Zusätzlich ist bei größeren Unternehmen die Erfüllung der Beschäftigungspflicht zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung als Kriterium für das auszuübende Ermessen von hoher Bedeutung. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob mit einer Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber oder die Person mit Behinderung Nachteile erleidet. Um einen möglichen Missbrauch der Förderung auszuschließen und diesen als Nachteilsausgleich zu etablieren, hat die BIH die Förderung der beiden Unterstützungsarten kumulativ auf maximal 50 % des Bruttojahreseinkommens der Person mit Behinderung limitiert.398

397Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Empfehlungen zur Gewährung von Leistungen des Integrationsamtes an Arbeitgeber zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen nach § 27 SchwbAV vom 01.06.2016, Punkt 8.1.2. 398Vgl. ebd., Punkt 8.2.

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Diskussion der Forschungsfragen

In diesem Teil der Arbeit werden die erzielten Ergebnisse dargestellt. Zum Beginn werden die einzelnen Forschungsfragen beantwortet. Im Anschluss daran werden die Erkenntnisse ausführlich dargelegt, die zur Verifizierung oder Falsifizierung der Forschungsfrage führen. Die Forschungsfragen werden entsprechend der Teilhabeperspektive bewertet und beantwortet. In dieser Perspektive zielen alle Fördermaßnahmen auf einen Ausgleich des bestehenden Nachteils ab, um ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsleben zu verhindern. Gleichwohl soll auch die Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderung verbessert werden. An dieser Stelle muss angebracht werden, dass der Gesetzgeber mit dem § 8 SGB IX ausdrücklich ein Wunsch- und Wahlrecht bei der Inanspruchnahme von Förderleistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die zu unterstützende Person eingeräumt hat. In diesem Zusammenhang ist Rücksicht auf die individuelle Lebenssituation, das Lebensalter, das Geschlecht und die gegenwärtige soziale Situation zu nehmen. Zur Untersuchung der Forschungsfragen kommen, wie bereits im Kapitel 2 dargelegt, unterschiedliche Auswertungsmethoden zur Anwendung. Dabei werden die quantitativen Daten deskriptiv ausgewertet. Parallel hierzu erfolgt die qualitative Auswertung der Experteninterviews und Leitfadeninterviews. Die Interviews – insbesondere bei den Selbständigen mit Behinderung – schaffen Raum zur Selbstauskunft über die erlebten Erfahrungen und die damit verbundenen Gedanken. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine realistische und neutrale Untersuchung der aufgestellten Forschungsfragen. Die Kombination der quantitativen und qualitativen Daten und die daraus abzuleitenden Erkenntnisse ermöglichen eine umfassende Betrachtung der Forschungsfragen. Die vorhandenen Einschränkungen der Selbständigen werden nicht kategorisiert, da sie im Zusammenhang mit den gestellten Forschungsfragen unerheblich sind. Grundsätzlich ist aber anzumerken, dass © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 N. Franzke, Existenzgründung schwerbehinderter Menschen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31230-5_6

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6  Diskussion der Forschungsfragen

das Spektrum der Behinderungsarten der Befragten sehr unterschiedlich ist. So sind Behinderungen, wie beispielsweise Depression, Multiple Sklerose, Diabetes mellitus, Plexuslähmung und Zöliakie zu nennen. Die Auswirkungen der gesundheitlichen Einschränkungen fallen jedoch sehr unterschiedlich aus. Existenzgründer, welche bewusst mit der Behinderung in die Selbständigkeit gegangen sind, haben dies bei der Organisation der Arbeitsabläufe berücksichtigt. Schwieriger sieht es bei den Personen aus, welche im Zuge ihrer S ­ elbständigkeit eine körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigung erfahren haben. Eine nachträgliche Anpassung der Ablauf- und Prozessstrukturen gestaltet sich in der Regel schwierig.1 Umsatz- und Gewinneinbrüche sind meist die Folge. wiederum ist die objektive Bewertung der Machbarbarkeit und die Identifizierung möglicher Nachteilsausgleiche einfacher als bei bereits etablierten selbständigen Personen. Bei den zehn interviewten Selbständigen haben drei ihre Behinderung erst im Laufe der Selbständigkeit bekommen. Demnach sind sieben Selbständige mit ihrer Behinderung bewusst in die Existenzgründung hineingegangen. Unter Berücksichtigung der SchwbAV2 wird unterschieden zwischen dem Schritt in die Selbständigkeit und einer Sicherung der Selbständigkeit. Bei den Leitfadeninterviews haben 80 % der Befragten – welche Leistungen durch das Integrationsamt beziehen – angegeben, dass sie beim Gründungsakt selbst keine Unterstützung durch die Agentur für Arbeit und durch das ­MASGF-Existenzgründerförderprogramm erfahren haben. Dieser doch sehr geringe Förderanteil lässt sich als ein Indiz für die Notwendigkeit der Etablierung von Förderleistungen zur Kompensation bestehender Nachteile von Personen mit Behinderung identifizieren.

6.1 Hypothese 1 – Die momentan bestehenden Nachteilsausgleiche reichen nicht aus, um das Ungleichgewicht in einer diversitären Gesellschaft auszugleichen Mit der Anerkennung eines GdB gewährt der Staat – je nach der Höhe des GdB – unterschiedliche Nachteilsausgleiche. Diese Nachteilsausgleiche zielen auf alle Lebensbereiche ab (vgl. Abschnitt 3.4.). Die Nachteilsausgleiche sind charakterisiert durch einen finanziellen Vorteil – wie beispielsweise durch einen 1Vgl. Anlage,

Leitfadeninterview 4 vom 23.02.2017. vom 28. März 1988 (BGBl. I S. 484), zuletzt geändert durch Art. 168 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626). 2Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung

6.1  Hypothese 1 – Die momentan bestehenden Nachteilsausgleiche …

253

Steuerfreibetrag oder einen erhöhten Freibetrag beim Wohngeld – oder einer Statusanerkennung – wie beispielsweise der besondere Kündigungsschutz oder die bevorzugte Einstellung bei einer Stellenbesetzung. Zur Gewährleistung einer Chancengleichheit für Menschen mit einer Behinderung im Arbeitsleben werden neben den genannten Nachteilsausgleichen auch Unterstützungsmöglichkeiten der begleitenden Hilfe zugestanden. Die Möglichkeiten der begleitenden Hilfe, welche im Abschnitt 5.3. dargestellt sind, nehmen eine wichtige Bedeutung für ein selbstbestimmtes Leben ein. Hieraus abgeleitet ergibt sich die Frage, ob Nachteilsausgleiche das Ungleichgewicht in einer diversitären Gesellschaft ausgleichen können. Arbeitshypothese 1

Die momentan bestehenden Nachteilsausgleiche reichen nicht aus, um das Ungleichgewicht in einer diversitären Gesellschaft auszugleichen.

Um die Hypothese 1 zu verifizieren oder falsifizieren wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen des allgemeinen Nachteilsausgleiches (vgl. Abschnitt 3.4.) für Personen mit Behinderung und die Nachteilsausgleiche speziell zur Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes (vgl. Abschnitt 5.3.) ausgewertet. Darüber hinaus wurde die gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung anhand wissenschaftlicher Studien (vgl. Abschnitt 3.1.; Abschnitt 3.2.) auf die Arbeitswelt – insbesondere auf Existenzgründungen – betrachtet, sodass Aussagen zu einer Benachteiligung von Menschen mit Behinderung ermöglicht werden konnte. Aufbauend aus dieser Perspektive wurden auch die statistischen Daten des Sozio-oekonomischen Panel und des LASV – Schwerbehindertenfeststellungsverfahren ausgewertet, da sie Rückschlüsse über die aktuelle Lebenssituation zulassen. Die Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderung, insbesondere von Existenzgründern, wurde vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Bewertung im Kapitel 4. umfänglich analysiert und ausgewertet. Die geführten Leidfadeninterviews und Expertengespräche legten zusätzlich den Fokus direkt auf die beteiligten Akteure – die staatlichen Unterstützer und die Existenzgründer mit Behinderung, sodass auch Schwierigkeiten im Gründungsprozess erfasst werden konnten. Die gewonnenen Rückschlüsse und deren Interpretationen ermöglichten eine multiperspektive Betrachtung der ersten Ausgangshypothese.

254

6  Diskussion der Forschungsfragen

Die UN-BRK ist das Hauptregelwerk für die Menschen mit Behinderung (vgl. Abschnitt  1.3.2.). In der Öffentlichkeit ist das Übereinkommen in vielen Bevölkerungsgruppen nicht bekannt. Lediglich bei Experten und teilweise bei Betroffenen, welche sich in Netzwerken organisiert haben, ist die UN-BRK bekannt. Der Auftrag der UN-BRK zielt auf die Sicherung der inklusiven Lebensbedingungen ab, da jede Behinderung zu einer gesellschaftlichen Teilhabebarriere führt. Die UN-BRK enthält unter anderem ein universelles Menschenrecht, welches die besonderen Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung konkretisiert.3 Auf gesetzlicher Ebene wurden somit die Grundlagen einer diversitären Gesellschaft für Menschen mit Behinderung geschaffen. Mit der Unterzeichnung des Übereinkommens hat in Deutschland ein gesamtgesellschaftlicher Wandlungsprozess – insbesondere durch den Gesetzgeber – begonnen. Die innerdeutsche Umsetzung der U ­ N-BRK ist als ein langer Prozess auf Bundes- und Landesebene zu verstehen, welcher noch am Anfang steht. Dies wird besonders bei der Umsetzung des BTHG ersichtlich, da es in mehreren Stufen bis 2023 erfolgen soll. So hat der Gesetzgeber aber auch einzelne inhaltliche Nuancen noch offengehalten, wie beispielsweise die „fünf aus neun Regelung“. Die Regelung beinhaltet, dass erst Leistungen zur Teilhabe gewährt werden sollen, wenn Einschränkungen in mindestens fünf von neun Lebensbereichen bestehen (vgl. Abschnitt 1.4.4.). Diese Unsicherheiten in Bezug auf unterschiedliche Regelungen spiegelt die allgemeine Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung in Deutschland wider. Die drei eindrucksvollen Untersuchungen zu der Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung kommen alle zu demselben Ergebnis: In der Gesellschaft besteht ein negativ geprägtes Bildnis von Menschen mit Behinderung. ROSENHAN hat in seinem Experiment bewiesen, wie schwer es für den Menschen in einem sozialen System ist, ungerechtfertigte Eigenschaften – welche pauschal unterstellt werden – abzuwenden (vgl. Abschnitt 3.1.).4 Die Behinderung wird in der Gesellschaft als ein persönliches Defizit interpretiert5, aus dem ein gestörtes Verhältnis zur Umwelt resultiert.6 Die Definition der

3Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft, S. 8. 4Vgl. Rosenhan, Gesund in kranker Umgebung, S. 116; hierzu ebenfalls Zimbardo, Lehrbuch der Psychologie, S. 347; hierzu ebenfalls Zimbardo, Psychologie, S. 500. 5Vgl. Neumann, Die gesellschaftliche Konstituierung, S. 31. 6Vgl. Jansen, Sozialwissenschaftliche Aspekte der Rehabilitation, S. 19.

6.1  Hypothese 1 – Die momentan bestehenden Nachteilsausgleiche …

255

Behinderung, welche aus dem Gesundheitszustand abgeleitet wird, kennzeichnet das negative Bildnis der Behinderung (vgl. Abschnitt 1.3.1.). Diese Definition der Behinderung nach dem medizinischen Ansatz entspricht nicht dem Ansinnen der UN-BRK, findet aber bei der Feststellung eines GdB durch die Versorgungsverwaltung weiterhin mit der VersMedV Anwendung (vgl. Abschnitt 3.3.). Der soziale Ansatz zur Bewertung einer Behinderung würde auch durch ein behördliches Anerkennungsverfahren nicht möglich sein, da zu viele Kriterien keine Einheitlichkeit einer Bewertung mehr zulassen. Als einfaches Beispiel sei hier der Wohnort genannt. Der Einwohner in der Stadt kann auf eine i. d. R. gut ausgebaute Infrastruktur, wie beispielsweise öffentliche Verkehrsmittel, Blindenleitsystem, vielfältige Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten, zurückgreifen. Der Landbewohner hingegen ist hierbei benachteiligt. Kommt nun erschwerend eine Körperbehinderung hinzu, so ist anzunehmen, dass die Einschränkungen der Teilhabe auf dem Land höher zu bewerten sind als in der Stadt. Dies heißt wiederum, dass bei gleicher Behinderungsart unterschiedliche Auswirkungen aufgrund des Wohnortes resultieren, sodass der GdB für Dorfbewohner höher zu bewerten ist als bei einem Stadtbewohner. Dieses Beispiel verdeutlicht das Dilemma – die subjektive Bewertung der Behinderung und dessen Auswirkungen kann durch die Versorgungsverwaltung nicht durchgeführt werden, da neben dem Wohnort, eine Vielzahl von weiteren Kriterien existieren, wie beispielsweise der Familienstand, das Geschlecht, die Qualifizierung und mögliche Freizeitaktivitäten, welche immer in Kombination zu betrachten sind. Diese Vielzahl der Kriterien ergibt sich auch aus den definierten Lebensbereichen i. S. d. SGB IX. Der Gesetzgeber ist aber aus praktischen und funktionellen Gründen nicht in der Lage, dies bei der Statusbewertung einer Behinderung einfließen zu lassen. Die UN-BRK wirkt aus dieser Perspektive als Vision. Gleiche Tendenzen sind auch in der Gesellschaft ersichtlich. Viele Personen stellen sich die Frage, warum sich die Gesellschaft den Menschen mit Behinderung anpassen soll. Da sehr viele Gesellschaftsmitglieder keine Ahnung von der UN-BRK haben, Inklusion ein Fremdwort ist und dies höchstens mit Migranten in Verbindung gebracht wird, zeigt die fehlende Sensibilisierung zur Thematik einer Behinderung in der Gesellschaft auf. Daraus lässt sich ableiten, dass Menschen mit einer Behinderung eine schwere Ausgangssituation in der Gesellschaft haben, um sich als gleichberechtigtes Gesellschaftsmitglied zu beweisen. Der Stigmatisierungsansatz7 (vgl.

7Vgl.

Goffman, Stigma, S. 9 f.

256

6  Diskussion der Forschungsfragen

Abschnitt 3.2.) und die ­Stereotype-Bewertung8 (vgl. Abschnitt 3.2.) bekräftigen das experimentelle Ergebnis von ROSENHAN. Die Gesellschaft sieht Menschen mit einer Behinderung als schutzbedürftig an, sodass eine besondere Fürsorge notwendig ist, weil sie ihre Absichten nicht in die Tat umsetzen können (vgl. Abschnitt 3.2.). Personen, die von der zugeschriebenen Rollenerwartung abweichen, können eine negative Konsequenz bei anderen Personen hervorrufen (vgl. Abschnitt 3.1.).9 Ein Ausbrechen aus den imaginären Strukturen wird dadurch umso mehr erschwert. Die Gefahr einer kritischen bis hin zu einer ablehnenden Haltung durch das direkte Umfeld ist sehr hoch.10 Die Hauptkriterien bei Existenzgründer mit Behinderung für den Aufbau einer Selbständigkeit liegen im unabhängigen Agieren, der leidensgerechteren Arbeitsplatzgestaltung und in der eigenständigen Erwirtschaftung des Lebensunterhaltes. Diese Hauptkriterien sind mit der Vollziehung des Gründungsaktes pauschal aber noch nicht gegeben. Vielmehr besteht mit den Nachteilsausgleichen ein Abhängigkeitsverhältnis (vgl. Abschnitt 5.3.). So ist eine selbstbestimmte Autonomie als Gründer mit Behinderung nur eingeschränkt möglich. 40 % der befragten Selbständigen haben im Leitfadeninterview angegeben, dass sie Schwierigkeiten bei der Neukundengewinnung haben, beziehungsweise aufgrund der Behinderung nur ein eingeschränkter Kundenkontakt möglich ist. Dies stellt den Existenzgründer mit Behinderung vor große Herausforderungen. Des Weiteren wurde durch einen Selbständigen im Leitfadeninterview angesprochen, dass das Ansehen, nämlich von Außenstehenden als solider Marktteilnehmer wahrgenommen zu werden, von wichtiger Bedeutung ist – insbesondere bei der Auftragsakquise. Nach seiner Auffassung muss bei der Kundschaft ein Bild, beziehungsweise der Anschein vermittelt werden, dass man als Person und zugleich als Selbständiger fit, dynamisch und leistungsstark ist (vgl. Abschnitt 1.3.7.). Sobald ein Abweichen von den gesellschaftlichen Standards der Leistungsgesellschaft durch Dritte vermutet wird, wirkt sich dies negativ bei der Auftragsbeschaffung aus. Die Abweichung von den gesellschaftlichen Standards wird mit der Anerkennung eines GdB bestätigt – man ist kein voll funktionsfähiger Mensch mehr. Diese Auffassung bzw. diese Betrachtung einer Behinderung als eine Gesundheitsstörung nach dem

8Vgl.

Asbrock, Die Systematik diskriminierenden Verhaltens gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, S. 37. 9Vgl. Mrozynski, SGB IX Teil 1, 2 Rn. 2. 10Vgl. ebd., 2 Rn. 2.

6.1  Hypothese 1 – Die momentan bestehenden Nachteilsausgleiche …

257

medizinischen Ansatz (vgl. Abschnitt 1.3.1.) widerspricht der Perspektive einer inklusiven Gesellschaft i. S. d. UN-BRK. Der direkte Kundenkontakt wird bei einer Vielzahl von Marktaktivitäten – insbesondere bei Selbständigen – vorausgesetzt. Die hierbei entstehenden Nachteile sind je nach Behinderungsart in ihrer Ausprägung und Intensität unterschiedlich. Bei Körper- und Sinnesbehinderungen ist die Ablehnung professioneller Marktakteure seitens der Gesellschaft sehr stark ausgeprägt. Bei den Leitfadeninterviews schilderte ein blinder Rechtsanwalt die fehlende Sensibilisierung der Gesellschaft zur Thematik der Behinderung und deren Auswirkungen auf seine Selbständigkeit grundsätzlich als Problem.

Der seheingeschränkte Selbständige berät seine Kunden in einem Erstgespräch zu möglichen Angeboten. Die bestehende Behinderung wird dem Selbständigen auf den ersten Blick nicht angesehen, da er sich seit seiner Kindheit mit der Situation sehr gut arrangieren konnte und weiß, wie er mit dieser Behinderung in der Öffentlichkeit umzugehen hat. Potenzielle Kunden wenden sich hilfesuchend an den Selbständigen mit der Bitte um schnellstmögliche Unterstützung. Von der Behinderungseigenschaft haben die potenziellen Mandanten noch keine Kenntnis. Im Erstgespräch erfahren sie von der Sinnesbehinderung und haben dann Skepsis bei der Umsetzung der qualitativ-fachlichen Arbeitsaufgaben. Aus Scham sagen die meisten Mandanten nicht, dass sie einen Profi benötigen und keine behinderte Person. Um die unangenehme Situation dann schnellstmöglich zu beenden, verweisen sie dann beispielsweise auf ein zeitnahes Folgegespräch, bei welchen die Details geklärt werden können. Dieses angesprochene Zweitgespräch kommt dann aber oft nicht zustande.

Das dargelegte Beispiel des blinden Rechtsanwalts, der erst seine Behinderungseigenschaft im Erstgespräch der Rechtsberatung offenlegt, gibt sehr gut das fehlende Diversitätsverständnis wieder. Der Rechtsbeistand wird dringend benötigt. Mit der Sichtbarkeit der Behinderung ist aber die Dringlichkeit nicht mehr gegeben und der Mandant versucht schnellstmöglich aus der Beratungssituation herauszukommen, um sich einen anderen Rechtsbeistand zu suchen. Direkt angesprochen wird aber die Ablehnung, welche ihre Ursache in der Behinderung hat, nicht. Der Grund wird vielmehr kaschiert. Ein weiteres Beispiel zum fehlenden Diversitätsverständnis ist bei den Leitfadeninterviews in Bezug auf die Kundenakquise wie folgt benannt worden:

258

6  Diskussion der Forschungsfragen

Eine Existenzgründerin hatte im Kindesalter die Diagnose einer Kinderlähmung erhalten, deren Spätfolgen das Krankheitsbild einer Polio mit sich brachten. Sie selbst sitzt im Rollstuhl und hatte eine Marktlücke in der Fitnessbranche, das EMS-Training, gesehen. Eingenommen von dieser Idee hat sie sich in kürzester Zeit selbständig gemacht. Sehr oft wurde sie von potenziellen Kunden gefragt, ob sie das Dienstleistungsangebot als Fitnesstrainerin überhaupt qualitätsgerecht umsetzen kann. Eine direkte Nachfrage nach der Behinderungsart und ihre Auswirkungen kam gelegentlich bei „mutigen“ Kunden vor. Ein Großteil der potenziellen Kunden hat die Selbständige mit ihrem Dienstleistungsangebot am Markt ignoriert, trotz allgemein großer Nachfrage. Durch die bestehenden gesellschaftlichen Vorurteile hat sie eine Vielzahl von möglichen Kunden verloren.

Gutaussehende Menschen bekommen seitens ihrer sozialen Umwelt positive Eigenschaften zuerkannt; körperlich unattraktive Menschen erfahren meist eine ablehnende Reaktion durch die soziale Umwelt. Diese Ablehnung hat wiederum Auswirkung auf die Persönlichkeit und führt bei der betroffenen Person, beispielsweise zu einem fehlenden Selbstwertgefühl, einem Abbau sozialer Kontakte und einer daraus resultierenden Durchsetzungsunfähigkeit. Dies bestätigen die Ergebnisse des ROSENHAN Experiments, die Interpretation des gesellschaftlichen Normalitätsmaßstabs und die Stereotype-Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung (vgl. Abschnitt 3.1.; vgl. Abschnitt 3.2). Aufgrund dieser Situation kaschiert der Selbständige mit Behinderung seine Einschränkung. Neben den notwenigen Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Selbständigkeit muss der Existenzgründer mit Behinderung schauspielerische Kompetenzen haben. Er muss sich so präsentieren, dass im Idealfall keine Behinderungseigenschaft durch die Kunden vermutet wird. Nur so besteht die Möglichkeit, dass die negative gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung nicht auf den Selbständigen mit Behinderung projiziert wird. Es gibt Behinderungsarten, welche aufgrund ihrer fehlenden Offensichtlichkeit kaschiert werden können. Bei körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungsarten ist dies aber nicht so einfach möglich. Sobald eine Behinderung für jedermann sichtbar ist – beispielsweise durch eine offensichtliche körperliche Behinderung – wird der Selbständige damit direkt durch sein Umfeld konfrontiert und muss sich der Inklusionsdebatte stellen. Im Land Brandenburg beträgt der Anteil der Körperbehinderung – Beeinträchtigungen bei den Gliedmaßen, Stütz- und Bewegungsapparat – bei den anerkannten Behinderungen durch die Versorgungsverwaltung

6.1  Hypothese 1 – Die momentan bestehenden Nachteilsausgleiche …

259

insgesamt 39,75 % (vgl. Abschnitt 4.1.1.).11 Eine Selbständigkeit – insbesondere im Dienstleistungsbereich – ist für die Personengruppe mit einer sichtbaren Behinderung nicht erfolgsversprechend und somit als nicht nachhaltig zu bewerten. Die bestehenden Möglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für Personen mit Behinderung werden durch die Gesellschaft pessimistisch bewertet. Diese Vorurteile führen zu einer negativ wahrgenommenen gesellschaftlichen Rollenverteilung der Menschen mit Behinderung, was wiederum zu einer Frustration bei der Personengruppe mit Behinderung führt. Die Unzufriedenheitsquote von 18 % bei der Personengruppe mit Behinderung12 zeigt eine vergleichsweise hohe negative Grundstimmung als Gesellschaftsmitglied im Vergleich zur Personengruppe ohne Behinderung auf (vgl. Abschnitt 4.1.5.). Zwei Selbständige mit einer Behinderung haben in den Leitfadeninterviews geschildert, dass die Selbständigkeit für Menschen mit Behinderung – auch mit einer sehr guten Geschäftsidee – nicht immer aufgrund des gesellschaftlichen Meinungsbildes der Personengruppe mit Behinderung als zielführend erscheint. Der kritische Kommentar ist bei beiden Selbständigen auf die Art der Behinderung und die damit einhergehenden direkten Auswirkungen auf die Tätigkeit zurückzuführen. In einem Fall handelt es sich um einen blinden Rechtsanwalt13 und im anderen Falle um einen hörbehinderten Glasmacher14. Beide Existenzgründer haben durch die Gesellschaft eine ablehnende Haltung erfahren, was wiederum den Erfolg der Selbständigkeit negativ beeinflusst. Ableitend aus der Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft – insbesondere nach dem handlungsorientierten Verständnis des Entrepreneurships (vgl. Abschnitt 1.3.7.1.) – werden ihnen keine erfolgreichen Existenzgründungen zugetraut, da sie ihre Absichten nicht in die Tat umsetzen

11Vgl. Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2011; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren; Jahresberichterstattung 2012; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2013; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014. 12Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 139. 13Vgl. Anlage, Leitfadeninterview 10 vom 17.03.2017. 14Vgl. Anlage, Leitfadeninterview 8 vom 21.11.2016.

260

6  Diskussion der Forschungsfragen

können (vgl. Abschnitt 3.2.). Daraus schlussfolgernd sind allgemeine Voraussetzungen bei einer Selbständigkeit für guten Service und notwendiger Qualität nicht gegeben, sodass beispielsweise der Dienstleistungsgedanke leidet. Als wirtschaftlicher Motor steht nach SCHUMPETER der Prozess der kreativen Zerstörung im Fokus (vgl. Abschnitt 3.2.). Durch diesen Motor werden erfolgreiche Vorhaben beflügelt und Unternehmen ohne entsprechendes Marktpotential von selbst aus dem Wirtschaftsprozess ausgesondert. Bei dieser Marktselektion werden Selbständige mit Behinderung im Vergleich zu Selbständigen ohne Behinderung vor einer größeren Herausforderung der Marktetablierung gestellt. Zusätzlich wirkt sich erschwerend die hineininterpretierte Fürsorgeperspektive seitens der Gesellschaft (vgl. Abschnitt 3.2.) bei der Festigung in den Marktstrukturen aus. Die UN-BRK setzt ein anderes gesellschaftliches Verständnis voraus – die Fürsorgeperspektive widerspricht dem Inklusionsgedanken (vgl. Abschnitt 1.3.4.). Die Sachlage für Existenzgründer mit Behinderung wird durch das soziale Umfeld zusätzlich zur Konkurrenzsituation am Markt erschwert.15 Die statistische Auswertung des sozio-oekonomischen Panel bestätigte ebenfalls, dass in der heutigen Gesellschaft der Gedanke der Inklusion nur gering ausgeprägt ist und Menschen mit Behinderung benachteiligt werden. So ist unter dem Abschnitt 4.1.2. ein deutlicher Unterschied bei der Erwerbstätigenquote von Menschen mit und ohne Behinderung ersichtlich – Personen ohne Behinderung weisen unter besonderer Berücksichtigung des Geschlechts bei den Männern eine 25 %-ige und bei den Frauen eine 17 %-ige höhere Erwerbstätigenquote auf.16 Nach der medizinischen Begriffsdefinition einer Behinderung kann die Ursache der geringeren Erwerbstätigenquote in der gesundheitlichen Verfassung der Personen mit Behinderung gesehen werden (vgl. Abschnitt 1.3.1.). Diese Begriffsdefinition entspricht aber nicht dem Ansinnen der UN-BRK – die Inklusion muss in allen Lebensbereichen im Zentrum stehen. Die Betrachtung der Lebensbereiche verdrängt daher die medizinische Begriffsbestimmung der Behinderung und stellt den sozialen Ansatz für die Definition einer Behinderung in den Vordergrund. Ein Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt aufgrund der körperlichen Verfassung ist demnach nicht möglich. Die gesundheitliche Beeinträchtigung als verantwortliches Kriterium kann nur bedingt als Grund für eine

15Vgl.

Degener, Völkerrechtliche Grundlagen und Inhalt der UN BRK, S. 15. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 132.

16Vgl.

6.1  Hypothese 1 – Die momentan bestehenden Nachteilsausgleiche …

261

sozialgesellschaftliche Randstellung gesehen werden.17 Eine fehlende Teilhabe wirkt sich negativ auf die Lebenssituation einer Person mit Behinderung aus und schränkt automatisch das soziale Umfeld ein, was sich wiederum negativ auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirkt. Das Selbstwertgefühl vieler Menschen speist sich aus dem Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe. ASBROCK hat mit seiner Forschung zur Wahrnehmung einzelner Personengruppen mit Hilfe des Stereotype Content Model eine Clusterung vorgenommen (vgl. Abschnitt 3.2.).18 Die Menschen mit Behinderung wurden in die Gruppe der Gesellschaftsmitglieder mit guten Absichten – zu denen Rentner gezählt werden, Menschen mit einem fehlenden Umsetzungsvermögen der individuellen Absichten – zu denen Obdachlose und Langzeitarbeitslose zählen – zugeordnet. Das Ergebnis der Clusterung der Gesellschaftsgruppen zeigt eine mangelnde Diversität auf. Mit dem SGB IX hat der Gesetzgeber einen sozialrechtlichen Leistungsanspruch für bestehende Nachteile aufgrund einer Behinderung zuerkannt.19 Die Gewährung eines Nachteilsausgleichs – insbesondere durch das Integrationsamt – kann aber nicht das Problem des gesellschaftlichen Vorurteils kompensieren. Die Herausforderung für den Selbständigen mit Behinderung besteht neben der Marktetablierung in der Gestaltung der Unternehmensprozesse dahingehend, dass die Behinderung so gut wie möglich kompensiert und im besten Fall erst gar nicht ersichtlich wird, denn die gesellschaftliche Betrachtung zeigt eine unzureichende Akzeptanz und das fehlende Verständnis für Menschen mit Behinderung auf. Der inklusive Arbeitsmarkt setzt eine Chancengleichheit von Anfang an voraus. Die Behinderung ist nach der Definition der Inklusion ein Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse, die eine gesellschaftliche Partizipation ausschließt.20 Somit ist die Behinderung ein Resultat politischer Entscheidungen und gesellschaftlicher Verhaltensweisen.21

17Vgl.

Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nation zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, S. 161; hierzu ebenfalls Oyen, Grundbegriffe der Sozialmedizin und Epidemiologie – Gesundheit, Krankheit, Behinderung, S. 17 f. 18Vgl. Asbrock, Die Systematik diskriminierenden Verhaltens gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, S. 51; hierzu ebenfalls Lotzkat / Welpe, Gibt es Geschlechtsstereotype in der Wahrnehmung von Berufsgruppen? S. 168; hierzu ebenfalls Meyer, Stereotype Content Model, S. 75. 19Vgl. Nosper, Grundlagen der Rehabilitation, S. 10. 20Vgl. Tröster, Einstellungen und Verhalten gegenüber Behinderten, S. 11. 21Vgl. Degener, Antidiskriminierungsrechte für Behinderte, S. 889.

262

6  Diskussion der Forschungsfragen

Aus all dem eben gesagten ergibt sich für die Arbeitshypothese 1 folgendes: Das Selbstverständnis von Personen mit Behinderung beginnt sich zu wandeln. Die Personengruppe will nicht als ein Fürsorgeobjekt angesehen werden, sondern sie fordern ihre Selbstbestimmung ein.22 Dieses Verständnis entspricht aber nicht der gesellschaftlichen Rollenzuschreibung von Menschen mit Behinderung. Unter dem Blickwinkel einer inklusiven Gesellschaft ist ein deutliches Spannungsverhältnis erkennbar, welches nur bedingt durch die Gesetzgebung bereinigt werden kann.23 Die gesellschaftlichen Vorurteile sind gegenüber Menschen mit Behinderung negativ. Die Bewertung der Behinderung, welche durch die Gesellschaft und durch Behörden als Krankheit oder als Defizit verstanden wird, fördert dessen Tabuisierung. In der Praxis ist das Anderssein, beziehungsweise das Abweichen von der Norm, mit einer Ausgrenzung verbunden. Mit der Übertragung der geschilderten gesellschaftlichen Situation auf Existenzgründer mit einer Behinderung wird schnell deutlich, dass das Anderssein zu einer fehlenden Akzeptanz als selbständiger Wirtschaftsakteur führt. Die bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten zur Kompensierung des gesellschaftlichen Nachteils erfolgen überwiegend durch finanzielle Leistungen, welche eine Chancengleichheit ermöglichen sollen. Diese Chancengleichheit wird aber nicht erreicht. Die unzureichende gesellschaftliche Beurteilung von Menschen mit Behinderung und die sich daraus ergebenen Ausgrenzungsmechanismen können nicht durch individuelle Nachteilsausgleiche beseitigt werden. Bei einer erfolgreichen Sozialpolitik – insbesondere bei der Behindertenpolitik – geht es vor allem darum, dass die Rechte von Personen mit Behinderung nicht nur irgendwo auf dem Papier stehen, sondern dass man diese auch mit Leben erfüllt. Es soll das individuelle Recht aller Menschen für eine uneingeschränkte Teilhabe, insbesondere am öffentlichen Leben, gefördert werden. Initiierte öffentliche Aktionen zur Sensibilisierung einer diversitären Gesellschaft finden meist aufgrund eines unzureichenden Interesses der Gesellschaft im Verborgenen statt. Der Teilhabegedanke ist als ein menschliches Bedürfnis zu sehen, welcher die Option eröffnet, für die eigenen Interessen und Möglichkeiten einzutreten. Mit der aktiven Beteiligung am gesellschaftlichen Leben wird eine soziale Verantwortung für sich selbst und für weitere Gesellschaftsmitglieder über-

22Vgl. 23Vgl.

Ernst / Adlhoch / Seel, Sozialgesetzbuch IX, Einführung Rn. 1. Becker, Diversity Management, S. 7.

6.2  Hypothese 2 – Eine finanzielle Unterstützung …

263

nommen. Die ­Wahrnehmung der Teilhabe ist die Summe und das Zusammenspiel der individuellen Einschätzung über die verfolgten Motive, vorhandenen Kompetenzen, die Rollenbetrachtungen – insbesondere die Fremd- und Eigenwahrnehmung – sowie das aktuelle gesellschaftliche Meinungsbild. Durch die gesellschaftliche Ausgrenzung werden diese negativ beeinflusst. Zusammenfassend ist die Hypothese 1 zu bestätigen. Die momentan bestehenden Nachteilsausgleiche reichen nicht aus, um das Ungleichgewicht in einer diversitären Gesellschaft auszugleichen.

6.2 Hypothese 2 – Eine finanzielle Unterstützung ohne eine regelmäßige und nachhaltige Erfassung des bestehenden Nachteils und dessen Bewertung kann zu einem verfehlten Förderziel führen Das wirtschaftliche Agieren auf den Märkten unterliegt einem kontinuierlichen Anpassungsprozess (vgl. Abschnitt  3.2.). Die behinderungsbedingten Auswirkungen bei Selbständigen unterliegen demnach auch einem regelmäßigen Anpassungsprozess. Hinzu kommt, dass einige Behinderungsarten im zeitlichen Verlauf zu einer Verschlechterung oder Besserung der Teilhabe führen können. Durch diesen daraus entstehenden Anpassungsdruck durch den Selbständigen mit Behinderung besteht die Gefahr, dass bewilligte finanzielle Unterstützungsleistungen über einen längeren Zeitraum das Förderziel verfehlen. Daraus abgeleitet ergibt sich die Hypothese 2: Arbeitshypothese 2

Eine finanzielle Unterstützung ohne eine regelmäßige und nachhaltige Erfassung des bestehenden Nachteils und dessen Bewertung kann zu einem verfehlten Förderziel führen.

Zur Verifizierung oder Falsifizierung der Hypothese zwei wurden Arbeitsanweisungen, Handlungsempfehlungen und Richtlinien für die Förderung von schwerbehinderten Existenzgründern ausgewertet. Darüber hinaus wurde mit Hilfe der Leitfadeninterviews die Lebenssituation von Existenzgründern mit Behinderung vor und während der Selbständigkeit erfasst. Gleichzeitig wurden

264

6  Diskussion der Forschungsfragen

die bezogenen finanziellen Förderleistungen bei einer Existenzgründung von Personen mit einer Behinderung zur Schaffung einer Chancengleichheit ermittelt. Diese Auswertung lässt Rückschlüsse auf das Gründungsmotiv und auf die Wirkung der Unterstützungsleistung – insbesondere der gewährten Nachteilsausgleiche – zu. Der Gesetzgeber sieht im Rahmen der Behindertenpolitik verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten zum Ausgleich von bestehenden Nachteilen vor, um annähernd eine Chancengleichheit in allen Lebensbereichen herzustellen (vgl. Abschnitt 3.4.). Die Gewährung von Nachteilsausgleichen bei Selbständigen mit Behinderung stellt oft eine Gradwanderung zwischen Vorteilsnahme und Nachteilsausgleich dar. So muss aus der wirtschaftlichen Perspektive die Gewährung von Nachteilsausgleichen bei mangelnder Kundschaft kritisch bewertet werden. Aus der behindertenpolitischen Sichtweise ist aber eine Förderung erwünscht, da eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglicht werden soll. Die wirtschaftlichen und behindertenpolitischen Sichtweisen beeinflussen sich gegenseitig. Die standardisierte Unterstützungsleistung des Existenzgründungsförderungsprogramms des Landes Brandenburg (vgl. Abschnitt 5.2.) und der Agentur für Arbeit sind nicht als Teilhabeförderung i. S. eines Nachteilsausgleichs zu sehen und sind der wirtschaftlichen Sichtweise zuzuordnen. Die allgemeine Zielstellung des Existenzgründungsförderungsprogramms der Landesregierung Brandenburg sieht den Ausbau der wirtschaftlichen Infrastruktur im Land Brandenburg vor. Existenzgründer mit Behinderung finden in der IV. Förderperiode keine Berücksichtigung. Durch das Existenzgründungsförderungsprogramm wurden in der IV. Förderperiode 3.256 etablierten Existenzgründungen24, 2.057 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze25 und 52 neue Ausbildungsstelle26 geschaffen (Tabelle 6.1).

24Vgl.

Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt; Verbleibstatistik Hochschulen gesamt; Verbleibstatistik Gründerwerkstätten gesamt. 25Ebd. 26Ebd.

6.2  Hypothese 2 – Eine finanzielle Unterstützung …

265

Tabelle 6.1   Verbleibstatistik zur Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg, IV. Förderperiode, Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze Verbleibstatistik zum IV. Förderperiode der Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg

Anzahl Anzahl Anzahl erfolgreicher Existenz- Mitarbeiter Auszubildende gründungen

Gründungswerkstätten

254

131

2

Gründungsservice Hochschule

282

30

0

Regionale Lotsendienste

2.720

1.896

50

Gesamt

3.256

2.057

52

Eigene Darstellung nach Datenerhebung beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Brandenburg vom 18.02.2016 bis zum 15.01.2018, Anlage, Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt; Verbleibstatistik Hochschulen gesamt; Verbleibstatistik Gründerwerkstätten gesamt.

Die Schaffung von mehr als 2.100 neuen Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Land Brandenburg haben einen indirekten positiven Einfluss auf die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen. So profitieren sie auch von der Arbeits- und Ausbildungsplatzneuschaffung. Die Chancen für Menschen mit Behinderung einen Wunsch-Ausbildungsplatz zu bekommen, beziehungsweise einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen zu können, steigen. Die Agentur für Arbeit prüft vorrangig, ob eine Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ermöglicht werden kann. Ist dies der Fall, so wird eine Förderung zur Aufnahme einer Selbständigkeit abgelehnt – unabhängig von einer Behinderungseigenschaft. Primär werden bestehende Nachteile durch Leistungen aus der Behindertenpolitik kompensiert. Bei der Behindertenpolitik ist aber die Wirtschaftlichkeit nicht als oberstes Ziel anzusehen. Der § 49 SGB IX sieht auch eine Förderung der Existenzgründung vor, wenn von Anfang an von einer Leistungsminderung auszugehen ist. „Aus der Tatsache, dass […] eine Verbesserung anzustreben ist, ergibt sich, dass die Leistungen zwar nicht auf den vollen, aber auch nicht auf den nur vorübergehenden Wiedererwerb des Leistungsvermögens ausgerichtet sein [dürfen].“27 Grundsätzlich sind i. S. des Gesetzgebers alle Förderleistungen in dem Ausmaß zu gewähren, welche das Ziel der Erreichung einer Sicherstellung der Teilhabe am Arbeitsleben gewährleisten.28 Nach diesem Ansatz 27Mrozynski,

SGB IX Teil 1, 33 Rn. 5. Deutsches Institut für Menschenrecht, M ­ onitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 38. 28Vgl.

266

6  Diskussion der Forschungsfragen

ist das Kriterium der Wirtschaftlichkeit nur bedingt gegeben. Eine Fördereinschränkung nach dem § 21 SchwbAV ist daher zwingend notwendig. Der § 21 SchwbAV sieht grundsätzlich eine Förderung vor, wenn die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen vorliegen, der Lebensunterhalt auf Grundlage der Geschäftstätigkeit eigenständig erwirtschaftet werden kann und das Agieren als Selbständiger für eine Teilhabe am Arbeitsleben als zweckmäßig erachtet wird. Unberührt dabei bleiben einzelne Fördermaßnahmen des Integrationsamtes, wie beispielsweise die Arbeitsassistenz. Hier sieht der Gesetzgeber die Pflicht zur Kostenübernahme vor. So wurde im Rahmen der Leitfadeninterviews von einer Existenzgründerin mit Behinderung geschildert, dass sie zum Anfang der Selbständigkeit eine Marktnische bediente. Eine überdurchschnittliche Kundennachfrage bestand ihrer Meinung nach, wurde aber aufgrund ihrer sichtbaren Körperbehinderung nicht angenommen. Ihre Geschäftsidee beinhaltete das EMS-Training, welches zum Zeitpunkt ihrer Unternehmensgründung im Fitness-Dienstleistungsbereich eine starke Nachfrage fand. Sie war zum damaligen Zeitpunkt der einzige Marktanbieter in ihrer Region. Aufgrund ihrer Behinderung fand das EMS-Training aber keine Nachfrage, weil sie nicht den gesellschaftlichen Ansprüchen und Vorstellungen einer Fitnesstrainerin entsprach.29 Nach einiger Zeit wurde das EMS-Training von weiteren Fitnessstudios in der Region erfolgreich mit einer hohen Nachfrage angeboten. Die Auswirkungen der Behinderung – eine mangelnde Nachfrage der angebotenen Dienstleistung – ist im aufgeführten Beispiel als Nachteil zu bewerten. Eine Förderung i. S. d. Nachteilsausgleichs, weil keine Kunden das Angebot aufgrund der Behinderung nachfragen, ist aus behindertenpolitischer Sicht förderfähig – verfehlt aber das Ziel einer nachhaltigen Unterstützungsleistung, welche sich aus der wirtschaftlichen Sichtweise ergibt. Vielmehr wird durch den Nachteilsausgleich die Selbständigkeit künstlich am Markt gehalten, sodass nicht mehr von einer klassischen Selbständigkeit gesprochen werden kann. Jeder auf dem Markt ist bestrebt, die Nachfrage seines Produktes oder seiner Dienstleistung zu steigern. Die Aufgabe von Fördermaßnahmen soll dazu „[…] führen, dass [Personen mit Behinderung] mit ihren Fertigkeiten und Fähigkeiten in einer entsprechend veränderten Arbeitswelt tätig werden k­ önnen.“30 Eine unzureichende Nachfragesituation darf nicht

29Vgl. Anlage,

Leitfadeninterview 5 vom 13.02.2017. Die Bedeutung des Art. 27 BRK für das Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben, S. 8.

30Trenk-Hinterberger,

6.2  Hypothese 2 – Eine finanzielle Unterstützung …

267

mittels Nachteilsausgleich kompensiert werden, da sonst die wirtschaftliche Ausrichtung der Selbständigkeit verloren geht. Die Voraussetzung aller Förderungen für eine Existenzgründung ist die eigenständige und nachhaltige Ausübung der damit verbundenen Kernaufgaben.31 In der frühen Nachgründungsphase ist aber oft von der Situation auszugehen, dass eine geringe Nachfrage besteht, da noch kein Kundenstamm existiert. Die Ursache hierfür wird häufig in der Behinderung gesehen. Wenn eine Förderung als Nachteilsausgleich aufgrund der Behinderteneigenschaft gewährt wird, sollte diese sich lediglich über einen kurzen Zeitraum erstrecken. Der Existenzgründer mit Behinderung muss versuchen, sich in den Marktstrukturen zu festigen. Bei einer Dauerförderung besteht die Gefahr, dass die Aufgaben – welche mit der Selbständigkeit einhergehen – in den Hintergrund rücken, sodass die Selbständigkeit lediglich als Instrument zum Erhalt von Transaktionsleistungen i. S. d. SGB IX ausgenutzt wird. Eine pauschale Förderung von Existenzgründern mit einer Behinderung zur Wahrung der Selbstbestimmung i. S. d. UN-BRK führt zu einem Desaster, da der bestehende Nachteil nicht mehr im Fokus steht, sondern allein die Eigenschaft der Behinderung eine Förderung rechtfertigen.32 Diese Annahme trifft auf alle Förderleistungen des Integrationsamtes im Rahmen der begleitenden Hilfe entsprechend den §§ 19 bis 20 SchwbAV, § 22 SchwbAV und §§ 24 bis 27 SchwbAV zu (vgl. Abschnitt 5.3.). Im Allgemeinen sind die finanziellen Hilfen des Integrationsamtes entsprechend §§ 19 bis 20 SchwbAV, § 22 SchwbAV und §§ 24 bis 27 SchwbAV als Ermessensleistungen zu bewerten. Auch der Gründungszuschuss der Agentur für Arbeit (vgl. Abschnitt 5.1.1.) und die Unterstützung durch das Existenzgründungsförderungsprogramm des Landes Brandenburg (vgl. Abschnitt 5.2.) sind als Ermessensleistung zu bewerten. Ermessensauslegungen ermöglichen eine individuelle Unterstützung. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr, dass der mögliche Unterstützungsbedarf nicht erkannt wird. Jede Behinderungsart ist in ihrer Auswirkung auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unterschiedlich – was beispielsweise die volle Ermessensauslegung für Leistungen des Integrationsamtes charakterisiert – und führt letztendlich zu unterschiedlichen

31Vgl.

Landschaftsverband Rheinland, Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben und Nachteilsausgleiche für (schwer)behinderte Menschen, S. 18. 32Vgl. Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 45.

268

6  Diskussion der Forschungsfragen

Fördermaßstäben. Die Arbeitsanweisungen für Förderleistungen aus der Ausgleichsabgabe zeigen die notwendigen Fördervoraussetzungen auf, lassen aber einen hohen Entscheidungsfreiraum im Umfang der Unterstützungsleistung zu. So sei in diesem Zusammenhang die Förderung einer speziellen Ausgestaltung des Arbeitsplatzes anzubringen, welche oft notwendig ist, um die Auswirkungen der Behinderung im Berufsalltag zu minimieren. Ab wann bei der Gewährung von finanziellen Leistungen die Schwelle der Bevorteilung gegenüber Selbständigen ohne Behinderung erreicht und ein wirtschaftlicher Vorteil eingeräumt wird, ist nicht eindeutig. Als Fördergegenstand sei beispielsweise der Arbeitsplatz eines Kraftfahrers zu nennen. Der behinderungsbedingte Umbau, welcher durch die KfzHV gefördert werden kann, erfolgt auf Grundlage eines bestehenden Nachteils. Bei der KfzHV ist zu unterscheiden zwischen der Beschaffung eines Kfz und dessen behinderungsbedingte Zusatzausstattung (vgl. Abschnitt 5.3.4.). Bei der Beschaffung eines KFZ kann nach § 5 Abs. 1 KfzHV ein Zuschuss von bis zu 9.500,00 Euro gewährt werden. Diese Förderung ist auf Grundlage der notwendigen Voraussetzungen objektiv zu bewerten. Etwas anders verhält sich die Bewertung bei der behinderungsbedingten Zusatzausstattung. Wenn behinderungsbedingte Umbaumaßnahmen im Rahmen einer allgemeinen Sonderausstattung durch den Hersteller angeboten werden, beispielsweise ein Vollautomatikgetriebe, ein Einparksystem mit Kamera oder ergonomische Sportsitze mit einem Lederbezug, verschwinden die Grenzen zwischen Nachteilsausgleich und Bevorteilung. Zusätzlich muss bei der Sonderausstattung betrachtet werden, dass gewisse Ausstattungselemente nur in luxuriösen Versionen angeboten werden. So wird beispielsweise häufig ein Einparksystem mit Kamera in Verbindung mit einem Navigationsgerät durch den Autohersteller verbaut. Diese Kombination ist nicht i. S. des Nachteilsausgleichs. Die Kombination der Ausstattungsmerkmale darf aber nicht zum Nachteil der Person mit Behinderung führen. Aus diesem Grund wird im genannten Beispiel das Einparksystem mit Kamera – inklusive Navigationssystem – gefördert. Es ist anzumerken, dass die Ausstattungspakete zu einer Besserstellung führen, da grundsätzlich der Marktwert des Autos steigt. Bei einem Verkauf nach der fünfjährigen Nutzungsdauer, kann ein höherer Verkaufspreis erzielt werden. Die Übertragung des Autobeispiels auf einen allgemeinen Arbeitsplatz zeigt den gleichen Sachverhalt auf. Um dies darzustellen, wird als Beispiel ein großer PC-Monitor, im Vergleich zu den regulären Standardgrößen, betrachtet, welcher aufgrund einer Sehbeeinträchtigung benötigt wird. Das Integrationsamt kann die Anschaffungskosten nach § 26 SchwbAV übernehmen (vgl. Abschnitt 5.3.8.). Ein Selbständiger ohne Behinderung, welcher ebenfalls einen Computerarbeitsplatz einrichten muss, hat den Monitor aus den vorhandenen finanziellen Mittel selbst zu finanzieren. Der Existenzgründer mit Behinderung bekommt den Monitor

6.2  Hypothese 2 – Eine finanzielle Unterstützung …

269

behinderungsbedingt zu 100 % gefördert. Dies ist eine Besserstellung der Person mit Behinderung. Grundsätzlich sind die anfallenden Mehrkosten, welche durch die Behinderung entstehen, als Nachteilsausgleich anzuerkennen. Dieses Entgegenrechnen ist in der Praxis nicht möglich. Der Mehraufwand ergibt sich bei dem Beispiel des Monitors aus dem Differenzbetrag des größeren Monitors abzüglich des Monitors einer Standardgröße. Ein weiterer Aspekt einer möglichen Verrechnung wird durch die unterschiedlichen Ausstattungsmerkmale des Monitors erschwert. In der Regel weisen größere Monitore eine bessere Ausstattung auf, wie beispielsweise mehrere HDMI-Anschlüsse, ein eingebauter Receiver oder ein besseres Audiosystem. Diese zusätzlichen Ausstattungsmerkmale des Monitors werden indirekt über die Förderung eines Nachteilsausgleichs finanziert. Bei der Förderung sollte aber der technische Fortschritt nicht unberücksichtigt bleiben, da sonst die Gefahr einer fehlenden Nachhaltigkeit der Förderung besteht. Insbesondere der technische Standard muss unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit auf einem modernen Stand sein, da dies eine lange Nutzungsdauer gewährleistet. Ein moderner technischer Standard ist in der Regel mit erhöhten Beschaffungskosten verbunden. Die behinderungsgerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes ist als eine notwendige und wichtige Förderleistung zu sehen, da diese erst den Selbständigen eine Kompensation seiner Behinderung ermöglicht. Grundsätzlich ist die Leistung als ein Nachteilsausgleich zu sehen, kann aber schnell das Förderziel des Nachteilsausgleichs verfehlen. Der § 21 SchwbAV sieht beispielsweise auch die einmalige Förderung bei einer Existenzgründung mit der Übernahme der anfallenden Finanzierungskosten von bis zu 100 % oder die Gewährung eines Darlehns vor (vgl. Abschnitt 5.3.1.). Die Kapitalbeschaffung erfolgt für den Existenzgründer mit Behinderung mit diesem Nachteilsausgleich kostenneutral. Die Bewertung des Nachteilsausgleiches ist in zwei Perspektiven zu betrachten. Die erste Perspektive beinhaltet den Gedankengang des Vergleichs zwischen einem Existenzgründer mit und ohne Behinderung, welche die gleiche Geschäftsidee umsetzen wollen und identischen Rahmenbedingungen – beziehungsweise Konditionen – unterliegen. Hierbei stellt sich die Person mit Behinderung besser, da sie keine Finanzierungskosten tragen muss. Der Existenzgründer mit Behinderung wird versuchen, einen langen Tilgungszeitraum zu wählen, sodass die Raten gering ausfallen. Zwar geht dies mit höheren Finanzierungskosten einher; diese bedürfen aber keiner Berücksichtigung durch den Gründer mit Behinderung, da die Übernahme der Finanzierungskosten durch das Integrationsamt erfolgt. Bei der Betrachtung der aufgezeigten ersten Perspektive ist das Förderziel eines Nachteilsausgleichs verfehlt. In der zweiten Perspektive wird die Festlegung, beziehungsweise das Zustandekommen der Konditionen für eine Finanzierung betrachtet. Kapitalgeber

270

6  Diskussion der Forschungsfragen

bewerten ihr Risiko mit einem entsprechenden Zinssatz. Je höher das Risiko der Finanzierung in Bezug auf die Bewertung einer erfolgreichen Geschäftsumsetzung durch den Kapitalgeber, desto höher wird der Zinssatz ausfallen. Die damit verbundene Bewertung einer wagen Erfolgsaussicht für Existenzgründer mit Behinderung führt zu einer erhöhten Risikobewertung, da Menschen mit Behinderung negative Eigenschaften, wie beispielsweise Leistungsschwäche, fehlende Belastbarkeit und Hilfsbedürftigkeit unterstellt werden (vgl. Abschnitt 3.1.; Abschnitt 3.2.). In den Leitfadeninterviews sprach eine Existenzgründerin die Verfahrensweise ihrer Hausbank an. Sie schilderte, dass sie auf direkte Nachfrage einer möglichen Behinderung ehrlich mit ja geantwortet hat. Der Existenzgründerin sieht man die Behinderung nicht an – durch die Versorgungsverwaltung wurde als Leitbehinderung eine Zöliakie (Stoffwechselerkrankung) anerkannt. Die Auswirkungen der Stoffwechselerkrankung liegen in starken Magen-Darmbeschwerden, Hautausschlägen, Schlafstörungen und in einem allgemeinen Unwohlsein. Durch die Abfrage einer möglichen Behinderteneigenschaft – ohne, dass die Behinderung ersichtlich ist – lässt den Rückschluss zu, dass die Behinderteneigenschaft ein Standardabfragekriterium ist. Mit der Bestätigung der Behinderteneigenschaft wurde die Selbständigkeit durch die Hausbank als unvorteilhaft eingeschätzt. Diese pauschale Einschätzung führte bei der Risikobewertung zu verhältnismäßig hohen Finanzierungskosten. In diesen Fall wird die Person mit Behinderung benachteiligt. Es besteht kein direkter Zusammenhang zwischen Behinderung und Misserfolg. Die Vorurteile beruhen lediglich auf Annahmen. Die fehlende Chancengleichheit rechtfertigt den Nachteilsausgleich zur Übernahme der Finanzierungskosten durch das Integrationsamt. Die Fördermaßnahmen haben bei jedem Existenzgründer mit Behinderung eine unterschiedliche Wirkung und Ausprägung. Je nachdem wie umfassend die körperliche, seelische, geistige Behinderung oder die Sinnesbeeinträchtigung ist, desto höher ist der Unterschied der Chancengleichheit. Aber auch die fehlende Kenntnis über die Möglichkeit die Statusfeststellung eines GdB, die eigens unzureichende Bewertung der Behinderung mit dessen Auswirkungen, oder auch das Nichtwahrhabenwollen einer Behinderung bei sich selbst, führt zu einer geringeren Antragstellung für eine Unterstützung. Grundsätzlich ist das Offenlegen und Kommunizieren einer bestehenden Behinderung in einer diversitären Gesellschaft freiwillig. Es ist aber Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen. Ein Existenzgründer schilderte bei den Leitfaden-

6.2  Hypothese 2 – Eine finanzielle Unterstützung …

271

interviews seine Eindrücke in der Vorgründungsphase und sprach direkt die Beratungs- und Unterstützungsleistung an.33 Die erbrachte Unterstützungsleistung des Integrationsamts wurde als sehr gut bewertet. Der Zeitraum der aktiven Unterstützung wird aber als zu kurz angesehen. Bei der Beantragung von Förderleistungen wurde bei der Sachverhaltsaufklärung ein direktes Gespräch mit dem Existenzgründer geführt. Nach der Bewilligung der Förderung erfolgte keine beratende Unterstützung mehr. Fragen und Beratungen, welche sich im weiteren Verlauf der Selbständigkeit ergeben – im Zweifel sich beim Antragsteller auch nicht auftuen, aufgrund des mangelnden Wissens – grenzen das Potenzial einer qualitativ nachhaltigen Unterstützung stark ein. Die Notwendigkeit einer weiteren Begleitung des Existenzgründers nach Bewilligung einer Förderleistung besteht. Bei der Durchführung der Leitfadeninterviews haben sich mehrere zusätzliche Anträge auf Unterstützung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe ergeben. Aus Unwissenheit bezüglich der Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten oder durch die fehlende Wahrnehmung der Änderung der Auswirkungen der Behinderung hatten sich die Selbständigen mit Behinderung nicht an das Integrationsamt gewandt. Es ist davon auszugehen, dass die Gruppe der Existenzgründer mit ihren unterschiedlichen Behinderungen – im Zusammenhang mit den verschiedenen Tätigkeitsprofilen – vermehrt individuelle Unterstützungsleistungen benötigen. Ein weiterer Aspekt, der für eine Verifizierung oder Falsifizierung der Hypothese 2 betrachtet werden muss, beinhaltet die Förderlaufzeiten. Bewilligte Leistungen im Rahmen eines Nachteilsausgleichs unterliegen unterschiedlichen Förderlaufzeiten. So beträgt der Förderzeitraum bei einer außergewöhnlichen Belastung nach § 27 SchwbAV anfänglich ein Jahr und bei einer Weiterbewilligung zwei Jahre (vgl. Abschnitt 5.3.9). Bei der Arbeitsassistenz erfolgt jährlich eine Verwendungsnachweisprüfung, ob die Assistenzkraft im bewilligten Umfang genutzt wurde. Förderungen, mit welcher eine Sachausstattung finanziert wurde, werden durch Vorlage der Originalrechnung geprüft und ausgezahlt. Es erfolgt bei allen Förderleistungen, welche im Abschnitt 5.3 dargelegt wurden, keine Überprüfung, ob das Förderziel erreicht worden ist. Die Änderungen des Gesundheitszustandes, der wirtschaftlichen Situation oder innovative technische Lösungen im Rahmen eines Nachteilsausgleiches werden nach einer Förderbewilligung nicht berücksichtigt.

33Vgl. Anlage,

Leitfadeninterview 6 vom 13.02.2016.

272

6  Diskussion der Forschungsfragen

Aus all dem eben gesagten ergibt sich für die Arbeitshypothese 2 folgendes: Bei einer Beantragung möglicher Leistungen nach dem § 185 SGB IX i. v. m. § 21 SchwbAV geht das Integrationsamt davon aus – analog zu einer Bestenauslese im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens –, dass die Person zur Ausübung der Tätigkeit geeignet ist. Sind von Anfang an Leistungsdefizite aufgrund der Behinderung zu vermuten, welche nicht durch die begleitende Hilfe kompensierbar sind, so kann aus der wirtschaftlichen Betrachtungsweise von einer unzureichenden Nachhaltigkeit ausgegangen werden (vgl. Abschnitt 5.3.1.). Diese Verfahrensweise widerspricht dem § 49 SGB IX und dem Art. 27 UN-BRK. Inklusion ist nicht wirtschaftlich. Auch wenn perspektivisch von ­ einer unzureichenden Nachhaltigkeit auszugehen ist, stellt dies ein Versuch der Arbeitsmarktintegration dar. Die Selbständigkeit als Variante der Arbeitsmarktintegration hat ihren Vorteil, dass sich der Existenzgründer mit Behinderung seine Arbeitsabläufe und seine Arbeitsprozesse leidensgerecht und einschränkungsspezifisch organisieren kann. Hierzu bedarf es aber regelmäßige Unterstützung durch Dritte, welche in der individuellen Situation aufzeigen, was machbar und umsetzbar ist. Erst diese umfassende und regelmäßige Betrachtung ermöglicht die Bestimmung notwendiger Unterstützungsleistungen. Eine pauschale Antragstellung an das Integrationsamt für bestimmte Leistungen ist nicht zielführend, da ein Außenstehender das Leistungsportfolio aufgrund der hohen Spezifika nicht überschaut. Mit der Bewilligung von Förderleistungen endet die Unterstützung und der Selbständige ist auf sich allein gestellt. Eine spezifische Beratung und Begleitung existierten nicht. Zwar wurden bei den geführten Leitfadeninterviews die Leistungen des Nachteilsausgleichs durchweg positiv bewertet, verfehlen aber teilweise ihre Zielstellung.34 Es ist aber nicht eindeutig, ob die Existenzgründer mit Behinderung grundsätzlich mit jeder Art der Unterstützungsleistung zufrieden sind, unabhängig ob der Zweck der Förderung – der Kompensation von bestehenden Nachteilen – erreicht wird. Durch die Fördermaßnahmen wird die Chancengleichheit erhöht, aber nicht vereinheitlicht. Die Hypothese zwei wird dahingehend bestätigt, dass eine finanzielle Unterstützung ohne eine regelmäßige und nachhaltige Erfassung des bestehenden Nachteils und dessen Bewertung zu einem verfehlten Förderziel führen.

34Vgl. Anlage,

Zusammenfassung Leitfadeninterview, Frage 11.

6.3  Hypothese 3 – Die unterschiedlichen Fördervoraussetzungen …

273

6.3 Hypothese 3 – Die unterschiedlichen Fördervoraussetzungen führen in letzter Konsequenz dazu, dass der vom Gesetzgeber vorgesehene Nachteilsausgleich oftmals ausgehebelt wird Der Weg in die Selbständigkeit kann durch unterschiedliche staatliche Unterstützungsleistungen gefördert werden. Die Zielstellungen der Behörden und Institutionen zur Förderung einer Selbständigkeit sind dabei unterschiedlich. Im Land Brandenburg sind hauptsächlich das Existenzgründungsförderungsprogramm (vgl. Abschnitt 5.2.), der Gründungszuschuss der Agentur für Arbeit (vgl. Abschnitt 5.1.) und die Hilfen zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz durch das Integrationsamt (vgl. Abschnitt 5.3.) als Unterstützungsleistung zu nennen. Jede der angeführten Fördermöglichkeiten unterliegt einer anderen Zielstellung. So zielt das Existenzgründungsförderungsprogramm auf den Ausbau der wirtschaftlichen Infrastruktur und die Schaffung von mehr Wohlstand in der Bevölkerung Brandenburgs ab (vgl. Abschnitt 5.2.). Die Maßnahmen der Agentur für Arbeit (vgl. Abschnitt 5.1) zielen in erster Linie auf die soziale Sicherung und auf die Integration in den Arbeitsmarktstrukturen ab. Das Integrationsamt verfolgt mit seiner Förderung die Schaffung einer Chancengleichheit von Personen mit Behinderung im Arbeitsleben durch die Gewährung von Nachteilsausgleichen (vgl. Abschnitt 5.3.). Hier steht der inklusive Arbeitsmarkt im Fokus. Durch die unterschiedlichen Zielstellungen besteht die Annahme, dass sich auf Grundlage der verschiedenen Fördervoraussetzungen die Unterstützungsangebote für Existenzgründer gegenseitig blockieren und die Behinderung keine Berücksichtigung findet. Daraus abgeleitet ergibt sich die Hypothese drei: Arbeitshypothese 3

Die unterschiedlichen Fördervoraussetzungen führen in letzter Konsequenz dazu, dass der vom Gesetzgeber vorgesehene Nachteilsausgleich oftmals ausgehebelt wird.

Zur Verifizierung oder Falsifizierung der Hypothese wurden Verfahrensanweisungen, Arbeitsrichtlinien und Arbeitshilfen ausgewertet. Eine Gegenüberstellung der Bewertungsmaßstäbe und der unterschiedlichen Förderintentionen

274

6  Diskussion der Forschungsfragen

haben Rückschlüsse auf die Abhängigkeiten der Entscheidungen des Integrationsamtes, der Agentur für Arbeit und dem MASGF zugelassen. Neben dieser Auswertung wurde im Rahmen der qualitativen Datenerhebung verschiedene Experteninterviews mit der Agentur für Arbeit, dem MASGF, dem Integrationsamt, dem Integrationsfachdienst, diversen Wirtschaftsförderungsgesellschaften und mit der Zukunftsagentur Brandenburg zum Verfahrensprozedere durchgeführt. Dies ermöglichte eine ganzheitliche Untersuchung von der Antragstellung bis hin zur Bewilligung und Unterstützung. Parallel hierzu wurden die Befragungsergebnisse der Leitfadeninterviews ausgewertet – insbesondere unter dem Aspekt der Chancengleichheit. Die Unterstützungsleistungen der Agentur für Arbeit und die Leistungen nach dem Existenzgründungsförderungsprogramm der Landesregierung Brandenburg unterliegen keinem Aufstockungsverbot für Leistungen des Integrationsamtes nach § 185 SGB IX i. V. m. § 21 SchwbAV, sodass verschiedene Förderleistungen von unterschiedlichen Institutionen parallel möglich sind. Eine Förderung von Existenzgründern durch die Agentur für Arbeit setzt voraus, dass keine Vermittlung in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis möglich ist (vgl. Abschnitt  5.1.1.).35 Die Richtlinie des MASGF sieht eine Erfolgsquotenregelung für die Beratung und Begleitung in der Vorgründungsphase bis zum Gründungsakt des Lotsendienstes von mindestens 60 % voraus (vgl. Abschnitt 5.2.1.).36 Das heißt, von 100 % der gründungswilligen Personen, müssen mindestens 60 % erfolgreich den Gründungsakt vollziehen. Die Erfolgsquote für die Gründerwerkstätten liegt bei 40 %37 (vgl. Abschnitt 5.2.3.) und für den Gründungsservice der Hochschulen nach jeweils intern gesetzten Werten38 (vgl. Abschnitt 5.2.2.). Wird die Erfolgsquote nicht erreicht, so werden für die Beratungsstellen die finanziellen Projektmittel reduziert. Mit der Quotenregelung wird ein künstlicher Erfolgsdruck aufgebaut. Da die Behinderung und ihre Auswirkungen nicht betrachtet werden, ist die Existenzgründung von Menschen mit Behinderung risikoreicher zu bewerten.39 Dies führt dazu, dass Existenzgründer mit einer Behinderung 35Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.02. 36Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.4.4. 37Vgl. ebd., IV. 4.4.3. 38Vgl. ebd., IV. 2.4.1. 39Vgl. Anlage, Experteninterview social impact gGmbH vom 29.01.2016.

6.3  Hypothese 3 – Die unterschiedlichen Fördervoraussetzungen …

275

nicht als gründungstauglich angesehen und deshalb nicht in das Existenzgründungsförderungsprogramm aufgenommen werden. Die Förderung durch das Integrationsamt erfolgt nach anderen Grundsätzen. Sie unterliegt einer nachhaltigen Arbeitsmarktintegration. Menschen mit Behinderung, welche sich im erwerbsfähigen Alter befinden, weisen eine schlechtere Qualifizierung40 (vgl. Abschnitt 4.1.6.), ein geringeres Einkommen bei identischer Tätigkeit41 (vgl. Abschnitt 4.1.3.) und eine geringere Erwerbstätigenquote42 (vgl. Abschnitt  4.1.2.) auf, sodass sie von Anfang an schlechteren Arbeitsmarktchancen unterliegen als Menschen ohne eine Behinderung. Die Standards bei einer Förderung nach dem Existenzgründungsförderungsprogramm und nach dem Gründungszuschuss werden nicht zwischen Existenzgründern mit und ohne Behinderung unterschieden. Demnach weist der Existenzgründer mit Behinderung eine ungünstige Ausgangslage auf im Vergleich zu Gründern ohne eine Behinderung. Lediglich das Integrationsamt fördert nur Existenzgründer mit einer anerkannten Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen (vgl. Abschnitt 1.3.5.). Der Gründungszuschuss nach dem SGB III ist als letzte Maßnahme zur Integration in den Arbeitsmarkt zu bewerten. Weiterbildungsmöglichkeiten oder die Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sind gescheitert. Aufgrund dieser prekären Ausgangssituation sind die geförderten Existenzgründer durch das SGB III i. d. R. als Notgründung charakterisiert. Auch der schwerbehinderte Existenzgründer muss unabhängig von seiner Behinderteneigenschaft alle formalen Kriterien für eine Förderung erfüllen. Zwar stellt das Absenken der Anspruchsvoraussetzungen für den Erhalt des Gründungszuschusses durch Agentur für Arbeit an schwerbehinderte Existenzgründer (vgl. Abschnitt 5.1.1.) einen Nachteilsausgleich dar, ändert jedoch nichts an der bestehenden Notsituation des Gründers und der verfehlten Inklusionspolitik. Es ist davon auszugehen, dass mit einer Existenzgründung aus einer Notsituation heraus, ein höheres Risiko einer Marktetablierung eingegangen wird.43 Bei einer Notgründung steht die Chance für eine erfolgsversprechende Selbständigkeit nicht im Vordergrund. Vielmehr soll eine prekäre Situation beendet werden.

40Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 117. 41Vgl. ebd., S. 149. 42Vgl. ebd., S. 132. 43Vgl. Jacobsen, L. K., Erfolgsfaktoren bei einer Unternehmensgründung, S. 54.

276

6  Diskussion der Forschungsfragen

Die sogenannten Notgründungen sind bei 60 % der Existenzgründer mit Behinderung als Gründungsmotivation zu nennen44, da sie ihre ungünstige wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation verändern möchten – ungeachtet der bestehenden Markterfordernisse. In den Leitfadeninterviews wurde gefragt, ob die Selbständigen mit Behinderung den eigenen Lebensunterhalt bestreiten können. 40 % der Existenzgründer mit Behinderung gaben an, dass sie aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation zusätzlich Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II beziehen.45 Dieser hohe Anteil der Unwirtschaftlichkeit bestätigt den überwiegenden Anteil von Notgründungen bei Menschen mit Behinderung. Beim Existenzgründungsförderungsprogramm – gemessen an der Quotenregelung des Lotsendienstes – wurde die Zielstellung geradeso erreicht. Die Zielerreichung einer nachhaltigen Existenzgründung durch den Gründungszuschuss wurde ebenfalls zu 60 % erreicht. Die Herbeiführung eines inklusiven Arbeitsmarktes wurde als Zielstellung seitens des Integrationsamtes zu 100 % erreicht. Die Quotenregelung des Existenzgründungsförderungsprogramms entsprechend der Richtlinie des MASGF im Land Brandenburg (vgl. Abschnitt 5.2) und die Voraussetzungen für den Erhalt des Gründungszuschusses durch die Agentur für Arbeit (vgl. Abschnitt 5.1.) sind nicht mit dem Art. 27 UN-BRK – das Recht auf Möglichkeit den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen – vereinbar. Bei den geführten Leitfadeninterviews haben 20 % der Befragten46 angegeben, dass sie den Gründungszuschuss erhalten haben. Keiner der Befragten hat eine Unterstützung aus dem Existenzgründungsförderungsprogramm erfahren.47 Dies ermöglicht den Rückschluss, dass Notgründer nicht zur Zielgruppe des Existenzgründungsförderungsprogramms gehören, da sie unter anderem die Selbständigkeit schnellstmöglich aufnehmen wollen.48 Demnach schließen sich indirekt der Gründungszuschuss und das Existenzgründungsförderungsprogramm aus. Da Existenzgründer mit Behinderung meist den Schritt in die Selbständigkeit aus einer bestehenden Notsituation suchen, sind sie besonders von dieser Ausschlusskonstellation betroffen. Alle Unterstützungsleistungen – zur Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes (vgl. Abschnitt 5.3.1.) – setzen eine erwartete Nachhaltigkeit voraus.

44Vgl. Anlage,

Zusammenfassung Leitfadeninterview, Frage 2. ebd., Frage 16. 46Vgl. ebd., Frage 9. 47Vgl. ebd., Frage 9. 48Vgl. Malek / Ibach / Ahlers, Entrepreneurship, S. 361. 45Vgl.

6.3  Hypothese 3 – Die unterschiedlichen Fördervoraussetzungen …

277

Das Prüfkriterium einer Nachhaltigkeit bei Leistungen des Integrationsamtes richtet sich erstmal pauschal danach, ob die Agentur für Arbeit einen Gründungszuschuss gewährt hat. So kann das Integrationsamt schnell eine Nachhaltigkeit annehmen, wenn bereits eine Prüfung durch die Agentur für Arbeit positiv bewertet und ein Gründungszuschuss gewährt worden ist. In den Leitfadeninterviews haben 100 % der Befragten einen finanziellen Nachteilsausgleich durch das Integrationsamt, aber nur 20 % der Befragten49 einen Gründungszuschuss durch die Agentur für Arbeit erhalten. Gründe für die Abweichung sind zum einen, dass 30 % der Befragten50 ihre Behinderteneigenschaft erst nach der Gründung erlangt haben und zum anderen, dass das Vorhaben vermutlich seitens der Agentur für Arbeit nicht förderfähig ist; dies aber für das Integrationsamt eine Pflichtförderung darstellt – wie beispielsweise die Arbeitsassistenz (vgl. Abschnitt 5.3.2.) oder die behinderungsbedingte Arbeitsplatzausstattung (vgl. Abschnitt 5.3.8.). Die nachhaltige Selbständigkeit tritt für das Integrationsamt als zwingende Voraussetzung hierbei in den Hintergrund. Die Perspektive einer Teilhabe überwiegt. Der Vorteil der Selbständigkeit liegt bei Gründern mit Behinderung in der individuellen Gestaltung der Arbeitsabläufe, sodass gegebenenfalls die Behinderung kompensiert werden kann. Zwar ergeben sich Vorschriften und Regeln aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)51 und durch die ArbStättV52 – diese weisen aber inhaltlich nur allgemeine gesetzliche Bestimmungen auf. Die Möglichkeiten einer leidensgerechten – insbesondere behindertengerechten – Arbeitsgestaltung ist sehr facettenreich, sodass die Vermittlung von Standards bei der Prozessorganisation für Existenzgründer mit einer Behinderung nur bedingt zutreffend ist. Es existiert kein Leitfaden, wie ein Existenzgründer mit Behinderung sich durch diverse Maßnahmen mittels eines Nachteilsausgleichs erfolgreich am Markt platzieren kann. Vor diesem Hintergrund sind für Personen mit Behinderung zwei wichtige Bereiche der betrieblichen Qualifizierung zu unterscheiden. Der eine Bereich zielt auf die Qualifizierung in der Vorgründungsphase ab, bei welcher sich der Gründer das Handwerkszeug als Selbständiger –

49Vgl. Anlage,

Zusammenfassung Leitfadeninterview, Frage 9. ebd., Frage 3. 51Arbeitsschutzgesetz vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), zuletzt geändert durch Art. 427 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474). 52Arbeitsstättenverordnung vom 12. August 2004 (BGBl. I S. 2179), zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 1 der Verordnung vom 18. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3584). 50Vgl.

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6  Diskussion der Forschungsfragen

ausgenommen ist das Know-how der Kernaufgabe – aneignen kann. Der zweite Bereich der Qualifizierung beinhaltet das lebenslange Lernen, um im Sinne einer Arbeitsplatzsicherung eine Konkurrenzfähigkeit zu gewährleisten. Besondere Unterstützungsmaßnahmen für Existenzgründer mit Behinderung sind nach § 24 SchwbAV zur beruflichen Weiterbildung als Form eines Nachteilsausgleiches förderfähig (vgl. Abschnitt 5.3.6.).53 Der Schritt in die Selbständigkeit ist oft mit Qualifizierungsmaßnahmen verbunden, die für Existenzgründer ohne Behinderung entweder durch die Agentur für Arbeit oder durch das Existenzgründungsförderungsprogramm übernommen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Existenzgründer in das Existenzgründungsförderungsprogramm aufgenommen wurde, beziehungsweise Unterstützungsleistungen von der Agentur für Arbeit erhält. Ist dies nicht der Fall, so muss i. d. R. der Existenzgründer ohne Behinderung diverse Qualifizierungsmaßnahmen selbst finanzieren. Bei Existenzgründern mit Behinderung werden die Kosten einer Qualifizierung über die Ausgleichsabgabe finanziert. Mit § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SchwbAV sieht der Gesetzgeber gleichwohl vor, dass Lehrgangskosten, beziehungsweise Teilnahmegebühren, vollumfänglich übernommen werden, wenn die Einkommensverhältnisse eine Beteiligung durch die Person mit Behinderung nicht zumutbar erscheinen lassen. I. d. R. ist bei einer Existenzgründung davon auszugehen, dass die Einkommensverhältnisse, insbesondere in den ersten Monaten nach der Tätigkeitsaufnahme, nicht überproportional hoch ausfallen werden, sodass das Kriterium einer Unzumutbarkeit – insbesondere bei Notgründungen – erfüllt ist. Das fehlende Wissen einer Kostenübernahme für Qualifizierungsmaßnahmen durch alle Akteure führt aus Unkenntnis zu einem Ausschluss der Personengruppe mit Behinderung. Dies wird beispielsweise mit der Erfolgsquotenregelung des Existenzgründungsförderungsprogramms deutlich. Bei den Leitfadeninterviews schilderten alle Existenzgründer mit Behinderung, dass sie keine Unterstützung aus dem Existenzgründungsförderungsprogramm erhalten haben.54 Mit der Durchführung von Assessments – speziell für den Lotsendienst, welcher zwei bis fünf Tage55 umfasst,

53Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Leistungen für schwerbehinderte Menschen im Beruf, S. 13. 54Vgl. Anlage, Zusammenfassung Leitfadeninterview, Frage 9. 55Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.4.1.

6.3  Hypothese 3 – Die unterschiedlichen Fördervoraussetzungen …

279

müssen laut der Richtlinie mindestens 70 % der potenziellen Existenzgründer56 dieses Unterstützungsangebot durchlaufen. Die Gruppenhomogenität, welche beispielsweise auf dem Geschäftsinhalt beruht, ermöglicht ein zielgerichtetes Assessment. Bei der homogenen Gruppengestaltung wird das inklusive Kriterium nicht betrachtet.57 Es ist davon auszugehen, dass Existenzgründer mit Behinderung in den Assessments, wenn sie sich überhaupt mit ihrer Behinderteneigenschaft outen, auf eine ablehnende und distanzierte Haltung stoßen – aufgrund des gesellschaftlichen Normalitätsmaßstabs58 (vgl. Abschnitt 3.1.), des Stigmatisierungsansatzes59 (vgl. Abschnitt 3.2.) und der Stereotype-Bewertung60 (vgl. Abschnitt 3.2.). Da der inklusive Ansatz nicht Bestandteil des Existenzgründungsförderungsprogramms ist, wird die Behinderteneigenschaft nicht betrachtet. Aus diesem Grund muss sich der Gründer mit Behinderung in der Assessment-Gruppe beweisen und durchsetzen. Es ist davon auszugehen, dass er in diesem Zusammenhang seine Behinderung aus Scham nicht anspricht. Eine erfolgsorientierte Gründungsberatung ist für die Person mit Behinderung von Anfang an nach dem Existenzgründungsförderungsprogramm nicht gegeben. Der Grund hierfür liegt in der Standardisierung der Assessments und der Beratungs-, Qualifizierungs- und Coachingleistungen.61 Durch die fehlende Berücksichtigung der Behinderteneigenschaft, können die zu gestaltenden Prozess- und Arbeitsabläufe nicht mit der Behinderungsart abgestimmt werden, mögliche Unterstützungsleistungen i. S. von Nachteilsausgleichen werden daher nicht betrachtet und es erfolgt somit auch keine psychosoziale Begleitung durch den Integrationsfachdienst. Die Inanspruchnahme einer Beratungs- und Betreuungsleistung als Starthilfe ist aber zwingend notwendig. Eine finanzielle Hilfe sollte hierbei als nachrangige Unterstützungsleistung angesehen werden. Gleichfalls kann davon ausgegangen werden, dass der Gründungsberater ein mangelndes Wissen in Bezug auf mögliche Nachteilsausgleiche hat. Grund für diese Annahme besteht in dem hohen Professionalitätsgrad für mögliche Unterstützungsleistungen. Bei 56Vgl.

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 1.4.3.

57Vgl. Anlage, Expertengespräche, Landkreis Teltow-Fläming, Wirtschaftsförderung am 23.11.2016. 58Vgl. Mattner, Behinderte Menschen in der Gesellschaft, S. 97. 59Vgl. Goffman, Stigma, S. 9 f. 60Vgl. Asbrock, Die Systematik diskriminierenden Verhaltens gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, S. 37. 61Vgl. Anlage, Experteninterview social impact gGmbH vom 29.01.2016.

280

6  Diskussion der Forschungsfragen

den geführten Expertengesprächen – auch im Beisein von potenziellen Gründern mit Behinderung – wurde die Annahme einer unzureichenden Fachkenntnis für mögliche Nachteilsausgleiche bestätigt. Es waren zur Thematik der Selbständigkeit mit einer Behinderung keine Informationen bekannt.62 In Folge einer qualifizierten Beratung zur Thematik möglicher Nachteilsausgleiche sind in kürzester Zeit mehr als zehn Anträge auf Unterstützung beim Integrationsamt eingegangen – Tendenz steigend. Bei der Gründung einer Selbständigkeit spielen die bürokratischen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Gewerbeanmeldung oder die Schankerlaubnis, eine wichtige Rolle. In der Gründungsforschung sind bereits mehrere Untersuchungen durchgeführt worden, welche die negativen Effekte der Bürokratie auf eine Unternehmensgründung bestätigt haben.63 Bei den gescheiterten Unternehmensgründungen haben mehr als 1/3 der Existenzgründer angegeben, dass sie an den Hürden und an der langen Bearbeitungszeit der Verwaltung gescheitert sind – der bürokratische Aufwand führt zu einer zeitlichen Verschiebung der Unternehmensgründung und kann dadurch zum Scheitern des Vorhabens führen.64 Existenzgründer mit Behinderung haben grundsätzlich einen erhöhten Bürokratieaufwand, da sie zum einen mehr Förderanträge im Rahmen des Nachteilsausgleichs stellen und zum anderen mehr Nachweise aufgrund ihrer Behinderteneigenschaft erbringen müssen. Bei den Leitfadeninterviews wurde die Frage gestellt, welche Hilfsangebote, Förderungen oder Änderungen im allgemeinen Arbeitsalltag für den Selbständigen mit Behinderung sinnvoll wären.65 Als Antwort wurde eine Vielzahl von Möglichkeiten angesprochen, welche aber nur bedingt durch die Agentur für Arbeit, durch das MASGF oder durch das Integrationsamt umsetzbar sind. So wurden beispielsweise Unterstützungsbedarfe bei der Kundenberatung und bei der Organisation einer flexibleren Arbeitsassistenzleitung angesprochen. Der selbständige Marktakteur mit Behinderung steht aber selbst in der Verantwortung, dass er seine Arbeitsabläufe und Arbeitsinhalte so gestaltet, dass er erfolgreich

62Vgl.

Anlage, Expertengespräche, STIC Wirtschaftsförderungsgesellschaft MärkischOderland mbH am 13.09.2016; hierzu ebenfalls Anlage, Interview WInTO GmbH – Wirtschafts-, Innovations- und Tourismusförderung Oberhavel GmbH am 27.02.2017. 63Vgl. Brockmann, Bürokratie als Gründungshemmnis – empirische Evidenz und Implikationen für die staatliche Förderpolitik, S. 118. 64Vgl. ebd., S. 118. 65Vgl. Anlage, Zusammenfassung Leitfadeninterview, Frage 15.

6.3  Hypothese 3 – Die unterschiedlichen Fördervoraussetzungen …

281

am Markt agieren kann und die Auswirkungen seiner Behinderung kompensiert. Die Antworten, beispielsweise die Organisation eines Büros und die Unterstützung bei der Kundenberatung sind nicht als Fördergegenstand zu bewerten. Sie liegen vielmehr im Verantwortungsbereich des Selbständigen. Es wurde bei den Leitfadeninterviews kritisch angeführt, dass die Beantragung von möglichen Leistungen für einen Nachteilsausgleich mit einem hohen Bürokratieaufwand einhergehen, da jede Förderung separat beantragt und nachgewiesen werden muss. Aus all dem eben gesagten ergibt sich für die Arbeitshypothese 3 folgendes: Die UN-BRK66 ist eine moderne Verordnung im Sinne der Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. Sie ist aber auch nur so gut, wie sie rechtlich umgesetzt wird. Verschiedenheiten müssen angesprochen und diskutiert werden. Der Dialog zwischen Betroffenen und Förderakteuren ist eine Voraussetzung zur Sensibilisierung der Thematik Selbständigkeit und Behinderung. Die Problematik der Ausgrenzungsgefahr aus möglichen Unterstützungsangeboten betrifft hauptsächlich Menschen mit Behinderung.67 Aber die UN-BRK lehnt strikt Sonderarbeitswelten ab. Menschen mit Behinderung sollen vom Ansatz her die Unterstützung erfahren, mit welcher sie vollumfänglich am Gemeinwesen teilnehmen können. Dies schließt die Arbeitswelt mit ein. Der Art. 27 UN-BRK sieht das Recht für eine Berufsausbildung vor. Die bestehenden Fördermechanismen im Land Brandenburg für Existenzgründer mit Behinderung sind zu reaktiv und wenig inklusiv.68 Im Land Brandenburg wird kein Beratungs- und Unterstützungsangebot für Existenzgründer mit Behinderung vorgehalten. Der Aspekt des Gründungshemmnisses durch die Anforderungen der Behörden ist bei Menschen mit Behinderung vergleichsweise hoch. Das Existenzgründungsförderungsprogramm entspricht nicht dem Inklusionsgedanken und führt zu einer Benachteiligung von Existenzgründern mit Behinderung. Eine Inklusion setzt in erster Linie eine Chancengleichheit voraus.69 Nach dem Ansatz der Chancengleichheit darf kein Ausschluss einzelner Personen aufgrund individueller

66Gesetz

zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008. 67Vgl. Schlüter, Körperbehinderung und Inklusion im Speziellen, S. 31. 68Vgl. Doose, Inklusion und Teilhabe am Arbeitsleben, S. 10 f. 69Vgl. Thole / Höblich / Ahmed, Taschenwörterbuch Soziale Arbeit, S. 139.

282

6  Diskussion der Forschungsfragen

Eigenschaften erfolgen. Die Ursache hierfür ist in erster Linie in den auferlegten Qualitätsmaßstäben zu sehen. Der Qualitätsmaßstab orientiert sich an einer erfolgreichen Gründung. Mit der Zulassung aller Personen zum Existenzgründungsförderungsprogramm hätte dies zur Folge, dass die definierten Erfolgsquoten aus der Richtlinie nicht erfüllt werden können. Die Erfolgsbewertung des Programms zeigt die Grenzen einer inklusiven Gesellschaft, welche im Schatten der UN-BRK steht, auf. Das vorrangige Vermittlungsgebot der Agentur für Arbeit in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis erfolgt ohne Berücksichtigung der persönlichen Situation. Personen mit Behinderung haben aufgrund ihrer individuellen Situation häufig eine hohe Eigenmotivation, um ein selbstbestimmtes Leben zu erreichen und dieses dann auch zu sichern.70 Das vorrangige Vermittlungsgebot der Agentur für Arbeit ist mit dieser Perspektive nicht vereinbar und benachteiligt Menschen mit Behinderung. Eine verzahnte Förderpraxis existiert im Land Brandenburg nicht. Es findet zwischen dem MASGF, der Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt keine Abstimmung bei der Unterstützung von Existenzgründern mit Behinderung statt. Jeder arbeitet nach seiner Richtlinie oder Verfahrensanweisung mit einer unterschiedlichen Förderperspektive. Die verschiedenen Zielstellungen blockieren sich auch untereinander. So hat beispielsweise die Ablehnung einer Förderung durch die Agentur für Arbeit negative Auswirkungen auf die Gewährung von Nachteilsausgleichen. Die Gleichsetzung der Behinderung mit einer Unmöglichkeit der Existenzgründung, welche teilweise durch das Existenzgründungsförderungsprogramm erfolgt, stellt den Existenzgründer mit einer Behinderung vor eine große Herausforderung. Mit der dritten Hypothese wurde untersucht, ob die unterschiedlichen Voraussetzungen zu den einzelnen Förderungen den gesetzlich vorgesehenen Nachteilsausgleich aushebeln. Im Ergebnis kann die Hypothese bestätigt werden.

70Vgl.

Friebel, Zukunfts(t)räume? Wege zur barrierefreien Mobilität, S. 8; hierzu ebenfalls Fischer / Heger, Berufliche Teilhabe und Integration von Menschen mit geistiger Behinderung, S. 328.

6.4  Hypothese 4 – Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit …

283

6.4 Hypothese 4 – Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt trägt zu einer schnelleren Teilhabe in allen Lebensbereichen bei Der Grundgedanke der Inklusion, welcher aus der UN-BRK entstammt, verfolgt als Hauptziel die volle und wirksame Teilhabe in allen Lebensbereichen. Eine Benachteiligung innerhalb der definierten Lebensbereiche ist dabei von Anfang an zu vermeiden (vgl. Abschnitt 1.3.3.). Die Unterstützung benachteiligter Personen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat positive Auswirkungen auf viele Lebensbereiche.71 Der Grund für die positive Beeinflussung mehrerer Lebensbereiche – welche indirekt miteinander verbunden sind – unterstreicht den mehrdimensionalen Ansatz des sozialpolitischen Ziels einer inklusiven Gesellschaft. Eine Person bekommt nur dann den Status einer Behinderung zuerkannt, wenn sie in mehreren Lebensbereichen eingeschränkt ist (vgl. Abschnitt 3.3.). Damit der Mensch mit Behinderung an möglichst vielen Lebensbereichen teilnehmen kann, ist er – wenn möglich – in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Mit einer erfolgreichen Arbeitsmarktintegration erwirtschaftet er selbst seinen Lebensunterhalt, wird sozial eingebunden und kann sich als vollwertiges Gesellschaftsmitglied behaupten.72 Dies wiederum hat einen positiven Einfluss auf weitere Lebensbereiche. Die Selbständigkeit stellt eine Variante zur Teilhabe am Arbeitsleben dar und führt zu positiven sozialen und wirtschaftlichen Effekten. Die Teilhabe am Arbeitsleben ist als eines der wichtigsten Faktoren zur Realisierung des Inklusionsgedankens anzusehen. Aus diesem positiven Zusammenspiel zwischen Arbeit und Inklusion ergibt sich die vierte Hypothese: Hypothese 4

Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt trägt zu einer schnelleren Teilhabe in allen Lebensbereichen bei.

71Vgl.

Deutsches Institut für Menschenrecht, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse, S. 38. 72Vgl. ebd., S. 38.

284

6  Diskussion der Forschungsfragen

Um die aufgestellte Hypothese vier zu verifizieren oder falsifizieren sind vorrangig die Leitfadeninterviews als erfolgsversprechende Untersuchungsmethode anzusehen. Bei der Anwendung der Interviewtechnik besteht die Möglichkeit, den Selbständigen direkt zu seiner Wahrnehmung und individuellen Bewertung seiner Teilhabechancen zu befragen. Dies ist besonders wichtig, da Betroffene als Experten ihrer Lebenssituation mögliche Maßnahmen der Inklusion am besten bewerten können. Die freiwilligen Teilnehmer konnten sich im Interview zu der erlebten Förderpraxis, den anfänglichen Ideen für den Weg in die Selbständigkeit, die bestehenden Schwierigkeiten und zur Wirkung der Nachteilsausgleiche äußern. Neben den Leitfadeninterviews wurde die Hypothese auch auf quantitativen Datenerhebungen seitens der Agentur für Arbeit, dem Integrationsamt und dem Integrationsfachdienst hin untersucht. Auch werden zur Bewertung der Hypothese die Arbeitsanweisungen der Agentur für Arbeit und des Integrationsamtes, sowie die Förderrichtlinie des MASGF untersucht und ausgewertet. Ausgehend von den Fördermöglichkeiten des Integrationsamtes muss unterschieden werden zwischen Gründung und Sicherung (vgl. Abschnitt 5.3.1.). Die Hypothese selbst bezieht sich auf die Unterstützungsmöglichkeit im Rahmen einer Existenzgründung, da mit der Förderung die individuellen Lebensbereiche positiv beeinflusst werden sollen. Bei einer Sicherungsförderung soll hingegen eine negative Entwicklung der Lebensbereiche verhindert werden. Wie bereits bei der der ersten Hypothese dargelegt, sind die Gedanken der Inklusion durch die UN-BRK in nationales Recht überführt worden, finden aber selbst nur unzureichend im gesellschaftlichen Leben eine Berücksichtigung. Die öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen zur Sensibilisierung einer inklusiven Gesellschaft werden beispielsweise durch Behörden, Institutionen und Vereine durchgeführt, befinden sich aber noch in ihrer Wirkung in einer Anfangsphase. Dies trifft auch auf die inklusive Arbeitswelt zu. Die Wahrnehmung einer Chancengleichheit geht in der Arbeitswelt immer mit einer Arbeitszufriedenheit einher. Das heißt, ist man unzufrieden mit seiner Tätigkeit, nimmt man automatisch eine fehlende Chancengleichheit wahr. Diese Wahrnehmung ist unabhängig von einer Behinderteneigenschaft. Insgesamt sind 52 % der Menschen mit Behinderung73 und 67 % der Menschen ohne Behinderung74 mit ihrer beruflichen Situation zufrieden.

73Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 139. 74Vgl. ebd., S. 139.

6.4  Hypothese 4 – Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit …

285

Die statistische Auswertung gibt auch wieder, dass 18 % der Menschen mit Behinderung75 und 7 % der Menschen ohne Behinderung76 unzufrieden sind (vgl. Abschnitt 4.1.5.). Diese Abweichung lässt den Rückschluss zu, dass Menschen mit Behinderung eine unzureichende Chancengleichheit erfahren. Die fehlende Chancengleichheit hat negative Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung. Diese negative Selbstwahrnehmung führt wiederum zu einer negativen Rollenbewertung als Gesellschaftsmitglied. Als erfolgreicher Existenzgründer ist eine positive gesellschaftliche Rollenbewertung Voraussetzung. Die positive Selbstbewertung führt zu einer aktiven Gestaltung des eigenen Lebens, trägt zu einer besseren Lebensqualität bei und stellt letztendlich auch das Fundament einer Selbständigkeit dar. Die aktive Gestaltung des eigenen Lebens stößt bei Menschen mit und ohne Behinderung aufgrund der vorherrschenden sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen schnell an ihre Grenzen. Gesellschaftsmitglieder, welche im Verhältnis zu ihren Mitmenschen auf eine vermehrte Unterstützung angewiesen sind, können i. d. R. ihre eigene Lebenssituation nicht vollumfänglich und selbstverantwortlich gestalten. Dies betrifft insbesondere die Lebenssituation, in welcher andere Menschen für die Betroffenen selbst Entscheidungen treffen. Auch bei Behörden, die ein hohes Ermessen bei einer möglichen Antragsbewilligung ausüben, schränken – insbesondere die selbstverantwortliche Lebensführung – ein. Als Beispiel sei hier das vorrangige Vermittlungsgebot der Agentur für Arbeit zu nennen.77 Auf die persönlichen Neigungen, Vorstellungen und Erwartungen des Arbeitssuchenden kann hierbei – um eine vorrangige sozialversicherungspflichtige Vermittlung zu ermöglichen – nur begrenzt eingegangen werden.78 Die Entscheidung für den Schritt in die Selbständigkeit ist individuell und unterliegt persönlichen Maßstäben. Bei der Agentur für Arbeit ist die Förderung des Gründungszuschusses allen anderen Maßnahmen einer Arbeitsmarktintegration nachgeordnet (vgl. Abschnitt 5.1.1.). Der Gründungszuschuss nach dem SGB III ist demnach mit eines der letzten Unterstützungsmöglichkeiten zur Integration in den Arbeitsmarkt. Bevor diese Leistung gewährt wird, müssen alle Maßnahmen

75Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 139. 76Vgl. ebd., S. 139. 77Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Gründungszuschuss (GZ) nach § 93 SGB III, Geschäftsanweisung vom 01.05.2013, Punkt 93.02. 78Vgl. Vogt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 33 Rn. 10.

286

6  Diskussion der Forschungsfragen

zur Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gescheitert sein. Parallel hierzu wird die Leistung aber auch nur dann gewährt, wenn alle persönlichen und fachlichen Voraussetzungen des Gründers vorliegen und die Geschäftsidee durch die Agentur für Arbeit als erfolgsversprechend bewertet worden ist. Diese Verfahrensweise schränkt ein selbstverantwortliches Handeln ein, da Entscheidungen zur eigenen Lebenssituation von anderen Personen getroffen werden. Diese Regelung grenzt die Selbstbestimmung und das selbstverantwortliche Gestalten der jeweiligen Lebenssituation stark ein und ist mit der UN-BRK nicht in Einklang zu bringen. Der Anteil der Leistungsgewährung eines Gründungszuschusses an Menschen mit Behinderung ist verhältnismäßig gering. Im Jahr 2014 wurde bundesweit der Gründungszuschuss an 30.871 Antragsteller79 gewährt. Darunter waren 627 Gründerpersonen mit einer Behinderung80. Der Anteil der Personen mit Behinderung beträgt demnach 2,03 %. Im Land Brandenburg sieht die Situation ähnlich aus. Von 531 Leistungsgewährungen81 an Gründer im Jahr 2014 haben sieben Existenzgründer mit Behinderung82 einen Gründungszuschuss erhalten. Dies entspricht einem Anteil von 1,31 %. Die anteilige Quote der durch die Agentur für Arbeit geförderten Existenzgründer mit Behinderung spiegelt aber nicht die gegenwärtige Bevölkerungssituation wider. Zum 31.12.2014 wurden im Land Brandenburg insgesamt 2.457.872 Einwohner83 registriert (vgl. Abschnitt 4.1.1.). Der Anteil von 325.028 schwerbehinderten Menschen entspricht einer Quote von 13,22 %. Die Betrachtung der Altersstrukturen relativiert die Quote dabei wie folgt: Im Jahr 2014 befanden sich 131.324 schwerbehinderte Menschen84 im erwerbsfähigen Alter. Im Ver-

79Vgl.

Bundesagentur für Arbeit, Statistik−Service Ost, Auftragsnummer 242568, Erstellungsdatum 15.03.2017. 80Vgl. ebd. 81Vgl. ebd. 82Vgl. ebd. 83Vgl. Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Brandenburger Sozialindikatoren 2016, S. 28. 84Vgl. Anlage, Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2011; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2012; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahres-

6.4  Hypothese 4 – Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit …

287

hältnis zu den 2.457.872 Einwohnern85 des Landes Brandenburg ergibt sich eine anteilige Quote von 5,34 %. Wird dieses Verhältnis auf die Leistungsgewährung des Gründungszuschusses der Agentur für Arbeit im Land Brandenburg übertragen, müssten 28 Existenzgründungen von schwerbehinderten Menschen erfolgt sein. Daraus abzuleiten ist, dass 21 Förderfälle abgelehnt wurden. Dies wiederum lässt die Aussage zu, dass eine volle und wirksame Teilhabe nicht erreicht worden ist, sodass sich einzelne Lebensbereiche und die sich daraus ergebene Lebenssituation aufgrund einer fehlenden Chancengleichheit verschlechtert hat. Zwar hat die Agentur für Arbeit Zugeständnisse bei den Anspruchsvoraussetzungen für Existenzgründer mit Behinderung insoweit gemacht, sodass kein Mindestbezug von 150 Tagen auf Arbeitslosengeld I bestehen muss, dennoch greift aber auch hier das vorrangige Vermittlungsgebot (vgl. Abschnitt 5.1.1.). Dieser Zuspruch im Sinne eines Nachteilsausgleichs ändert nichts an der Situation, dass das vorrangige Vermittlungsgebot der Agentur für Arbeit die Selbstbestimmung einschränkt. Der Gründungszuschuss kommt als Förderleistung erst dann in Frage, wenn bereits einige Lebensbereiche nicht mehr dem gesellschaftlichen Durchschnitt entsprechen. Diese Verfahrensweise wirkt sich negativ auf die Gründungsmotivation aus. Es besteht die Gefahr, dass die Ablehnung einer Förderung mit dem Scheitern einer persönlichen Existenz einhergeht und sich die Person mit Behinderung weiter aus dem gesellschaftlichen Leben zurückzieht. In dieser Situation werden die definierten Lebensbereiche negativ beeinflusst (vgl. Abschnitt 1.3.3.). Die Ablehnungsreaktion bei einer Förderung seitens der Person mit Behinderung trifft auch auf das Existenzgründungsförderungsprogramm des Landes Brandenburgs (vgl. Abschnitt 5.2.) und dem Integrationsamt (vgl. Abschnitt 5.3.) zu. Die Bewertung der Behinderung und ihre Auswirkungen auf die Selbständigkeit wurden im Rahmen der Leitfadeninterviews thematisiert. 30 % der befragten selbständigen Personen mit Behinderung haben angegeben, dass der Gesundheitszustand nur bedingt eine vollumfängliche Aufgabenwahrnehmung zulässt. Hieraus kann die Aussage abgeleitet werden, dass die Motivation der Existenzgründung sich aus der Not heraus ergeben hat, was zu einer Verzerrung der realistischen Bewertung des Vorhabens führte. Gleichwohl

berichterstattung 2013; Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2014. 85Vgl. Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg, Brandenburger Sozialindikatoren 2016, S. 28.

288

6  Diskussion der Forschungsfragen

Anteil in Prozent

kann angenommen werden, dass sich die Existenzgründer mit dem staatlichen Nachteilsausgleich mehr erhofft haben. Auf direkte Nachfrage in den Leitfadeninterviews, wie hilfreich die Förderleistungen waren, haben 80 % angegeben, dass sie zufrieden sind.86 Lediglich 20 % der Befragten konnten hierzu keine Aussage treffen, da sich ihr Antrag noch in Bearbeitung befand.87 In der folgenden Abbildung sind die genannten Schwierigkeiten in der beruflichen Selbständigkeit von Personen mit Behinderung erfasst (Abbildung 6.1): 100%

Schwierigkeiten in der beruflichen Selbständigkeit

75% 50% 25% 0%

Schwierigkeiten

finanzielle Schwierigkeiten 10%

Barrierefreiheit

Auftragsakquise

Gesundheit

keine Probleme

20%

30%

30%

10%

Abbildung 6.1   Schwierigkeiten bei der Ausübung der Selbständigkeit bei Personen mit Behinderung. (Eigene Darstellung in Anlehnung der Zusammenfassung Leitfadeninterview, Frage 14)

Nur 10  % der Befragten88 beantworteten die Frage nach bestehenden Problemen bei der Umsetzung der selbständigen Tätigkeit mit einer Verneinung. Als Hauptproblem wurden mit anteilig 30 % die Akquise von Neukunden89 und ebenfalls anteilig mit 30 % die Ausführbarkeit der Tätigkeit90 angesprochen. Das Problem bei der Ausführbarkeit der Tätigkeit liegt vorrangig in der Verschlechterung des Gesundheitszustandes und einer damit unzureichenden Aufgabenwahrnehmung der Kernaufgaben durch den

86Vgl. Anlage,

Zusammenfassung Leitfadeninterview, Frage 11. ebd., Frage 11. 88Vgl. ebd., Frage 14. 89Vgl. ebd., Frage 14. 90Vgl. ebd., Frage 14. 87Vgl.

6.4  Hypothese 4 – Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit …

289

­ elbständigen mit Behinderung. Bei dem Problem der Ausführbarkeit sollen vorS rangig Unterstützungsmaßnahmen nach dem Nachteilsausgleich greifen. Grundsätzlich wird bei der Gewährung von Nachteilsausgleichen geprüft, ob eine nachhaltig selbständige Tätigkeit überhaupt möglich ist (vgl. Abschnitt 5.3.1.). Diese Beurteilung gestaltet sich aber in der Praxis schwierig, da mit einer aktiven Selbständigkeit davon ausgegangen werden muss, dass der Betroffene die Situation für sich selbst am besten einschätzen kann. Wenn er die Möglichkeit auf wirtschaftlichen Erfolg sieht, kann eine Unterstützung im Sinne eines inklusiven Arbeitsmarktes entsprechend den Forderungen der UN-BRK nicht versagt werden. Die Sozialpolitik zielt mit § 49 Abs. 1 SGB IX auf die Erhaltung, Sicherung und Verbesserung der Erwerbsfähigkeit, beziehungsweise auf die Beschäftigungsfähigkeit von Personen mit Behinderung ab. Die Bewertung einer fehlenden Nachhaltigkeit stellt sich mit dieser Betrachtungsweise – insbesondere nach § 49 Abs. 1 SGB IX – nicht. Sofern der Selbständige bereits am Markt aktiv ist und sich durch welche Umstände auch immer, eine anerkannte Behinderung ergeben hat, sollten vollumfängliche Förderleistungen nach der SchwbAV im Sinne eines Nachteilsausgleiches gewährt werden, um gegen eine Verschlechterung der jeweiligen Lebenssituation steuern zu können. Bei der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ist aber davon auszugehen, dass der potenzielle Existenzgründer seine Behinderung bei der Unternehmenskonzeption vollumfänglich berücksichtigt hat, sodass auch die Lebensbereiche betrachtet wurden. Die aktive familiäre Unterstützung, welche den Lebensbereichen des „häuslichen Lebens“ und der „interpersonellen Interaktion und Beziehung“ (vgl. Abschnitt 1.3.3.) zugeordnet werden kann, ist für den Aufbau einer selbständigen Tätigkeit von wichtiger Bedeutung. Die anfänglichen Arbeitszeiten sind sehr hoch, so dass i. d. R. das soziale Umfeld darunter leidet. Ein fehlendes Verständnis hierzu führt in der frühen Nachgründungsphase häufig zu einem privaten Konflikt. Oftmals steht der Existenzgründer dann vor der Entscheidung – Selbständigkeit oder Familie. Bei den Leitfadeninterviews haben 80 % der Befragten91 angegeben, dass sie bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine sehr umfassende Unterstützung durch den engen Familienkreis erfahren haben. Dieser hohe Anteil der Unterstützung ist als ein wichtiges Kriterium für den Erfolg einer selbständigen Tätigkeit anzusehen. Die Etablierung eines Nachteilsausgleiches für eine fehlende Unterstützung aus dem Familienumfeld ist weder sinnvoll noch zielführend. Der potenzielle Existenz-

91Vgl. Anlage,

Zusammenfassung Leitfadeninterview, Frage 4.

290

6  Diskussion der Forschungsfragen

gründer muss selbst sein privates Umfeld positiv aktivieren, sodass der Schritt in die Selbständigkeit akzeptiert und unterstützt wird. Der Selbständige unterliegt einer Reihe von unsicheren Entscheidungen, wie beispielsweise das Einkommensrisiko, das Kapitalrisiko, die fehlende soziale Sicherheit, das Gesundheitsrisiko, unregelmäßige Arbeitszeiten und einem erhöhten Arbeitseinsatz. Unsicherheit führt zu Stress, welcher Auslöser weiterer gesundheitlicher Einschränkungen sein kann. Der Gesundheitszustand wird für den Erfolg der Selbständigkeit allzu oft vernachlässigt, insbesondere in der frühen Nachgründungsphase. Solange der Körper nicht streikt, wird das Ziel der Marktetablierung konsequent verfolgt. Existenzgründer, welche sich am Markt noch behaupten müssen, erfahren kaum Erholungszeiten, da mit ihrer Selbständigkeit i. d. R. die persönliche Existenz verbunden ist. Dies führt unabhängig von einer zeitlichen und räumlichen Arbeitsflexibilisierung zu einem selbstaufgebauten individuellen Erfolgsdruck, welcher negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand hat. Die Einhaltung von Schutzstandards und die leidensgerechte Arbeitsplatzgestaltung werden dabei vernachlässigt. Mit der Entgrenzung zu Gunsten der Selbständigkeit bestehen die Gefahr einer Überforderung und Auspowerung, sodass hierbei auch der Gesundheitszustand negativ beeinflusst wird. Die europäische Arbeitszeitrichtlinie92 ist im deutschen Arbeitszeitgesetz fixiert und sieht im Art. 6 eine wöchentliche Arbeitszeit von maximal 48 Stunden vor, welche sich aus einem Achtstundentag bei einer Sechstageswoche ergibt. Gleichwohl ist eine Ruhezeit zwischen den Arbeitstagen von mindestens elf zusammenhängenden Stunden notwendig. Der Arbeitszeitreport Deutschland 2016 zeigt auf, dass Selbständige gesundheitlich vermehrt negativen Effekten aufgrund längerer Arbeitszeiten ausgesetzt sind.93 In diesem Zusammenhang wird von dem Phänomen der – interessierten Selbstgefährdung – gesprochen; man möchte die Chance zur Selbstverwirklichung nutzen und vernachlässigt dabei seine Gesundheit. Behinderungsbedingte Förderleistungen, welche sich an einem wöchentlichen Stundenumfang orientieren – hierzu zählen beispielsweise die Gewährung einer Arbeitsassistenz (vgl. Abschnitt 5.3.2.) oder die Finanzierung einer personellen Unterstützung (vgl. Abschnitt 5.3.9.) – sind auf maximal 40 Wochenstunden gedeckelt. Eine Berücksichtigung der Arbeitsleistung über die 40 Wochenarbeitsstunden hinaus ist nicht vorgesehen. Existenz-

92Richtlinie

2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. 93Vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Arbeitszeitreport Deutschland 2016, S. 134.

6.4  Hypothese 4 – Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit …

291

gründer mit Behinderung erhalten darüber hinaus keine Unterstützungsleistung und gefährden sich unter anderem dadurch gesundheitlich selbst. Aufgrund der interessierten Selbstgefährdung ist aber eine Deckelung der Förderleistungen auf maximal 40 Wochenarbeitsstunden zwingend als Selbstschutzmechanismus erforderlich und darf nicht als Nachteil ausgelegt werden. Die Auswertung des Sozio-oekonomischen Panels in Bezug auf die krankheitsbedingten Ausfalltage von Personen mit Behinderung ergab, dass diese grundsätzlich höher sind als bei Personen ohne Behinderung. Insbesondere bei den Kurzzeiterkrankungen von ein bis fünf Tagen und bei den Langzeiterkrankungen von mehr als 30 Tagen sind ein deutlich vermehrter Arbeitsausfall bei Menschen mit Behinderung festzustellen (vgl. Abschnitt 4.1.1.).94 Der erhöhte krankheitsbedingte Arbeitsausfall von Menschen mit Behinderung wurde bei den geführten Leitfadeninterviews direkt angesprochen. Einer der Existenzgründer mit Behinderung antwortete darauf, dass er die Flexibilität als Selbständiger erst im Laufe der Tätigkeit kennengelernt hat und diese heute nicht mehr missen möchte.95 Er argumentierte dahingehend, dass er aufgrund des vermehrten Arbeitsausfalls bei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung arbeitsrechtliche Probleme bekommen würde. Die Selbständigkeit war nach seiner Auffassung der Ausweg aus dieser problematischen Situation. Als Nachteil von krankheitsbedingten Ausfalltagen bei einer Selbständigkeit ist die fehlende Vertretung zu sehen – die Aufgaben bleiben liegen, was wiederum zu einer Frustration bei Kunden führt. Planbare Unternehmensschließzeiten, wie beispielsweise bei Urlaub, kann vorab kommuniziert und entsprechend eingeplant werden. Bei einem unvorhersehbaren krankheitsbedingten Arbeitsausfall ist dies planerisch nicht kompensierbar. Dann übernimmt niemand die Tätigkeiten, im Zweifel erhalten Kunden und Vertragspartner auch keine Information über die plötzliche Betriebsruhe. Diese Situation führt zu einer erhöhten Unsicherheit, was wiederum das Krankheitsrisiko erhöht. Krankheitsbedingte Ausfallzeiten in der frühen Nachgründungsphase gefährden überdurchschnittlich den Erfolg der Selbständigkeit. Bei den Leitfadeninterviews wurde nachgefragt, wie sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert hat. Im Ergebnis haben 60 % der Befragten96 angegeben, dass sich aufgrund der enormen Belastung,

94Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 197. 95Vgl. Anlage, Leitfadeninterview 2 vom 17.03.2017. 96Vgl. Anlage, Zusammenfassung Leitfadeninterview, Frage 7.

292

6  Diskussion der Forschungsfragen

ihr gesundheitlicher Zustand verschlechtert hat. Lediglich 40 % der Befragten97 haben eine positive Gesundheitsveränderung mit der Bestätigung als erfolgreiches und vollwertiges Gesellschaftsmitglied erfahren. Die gesundheitlichen Entwicklungstendenzen können sich aber auch rein formal aus der Art der Behinderung ergeben haben – unabhängig von der Selbständigkeit. So ist beispielsweise Multiple Sklerose als fortschreitende Krankheit anzusehen, welche in ihrem zeitlichen Verlauf das Gesundheitsbild einer Person negativ belegt. Krebserkrankungen können in ihrem Verlauf sehr unterschiedlich sein und im Idealfall eine komplette Genesung zulassen, sodass sich ein positives Gesundheitsbild ergibt. Zwar besteht die Annahme, dass je nach Art der Behinderung – die Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit der selbständigen Existenz einhergeht, diese jedoch nur als eine unzureichende Organisation der Prozessabläufe und der Selbstorganisation zu bewerten ist. Grundsätzlich muss die Voraussetzung einer Förderung immer dann gegeben sein, wenn Aussicht auf Erfolg besteht und die Person mit Behinderung den Großteil, der damit verbundenen Aufgaben eigenständig bewältigen kann (vgl. Abschnitt 5.3.1.). Ob sich das Krankheitsbild durch die Tätigkeit verschlechtert, darf und kann nicht als Kriterium einer Unterstützungsleistung – insbesondere i. S. d. UN-BRK – herangezogen werden. Jemand der keine Behinderung oder Sinnesbeeinträchtigung hat und den Schritt in die Selbständigkeit wagt, unterliegt keiner Bewertung der gesundheitlichen und individuellen Verfassung. Wäre dies der Fall, so ist die Person mit Behinderung von Anfang an benachteiligt. Der Selbständige ohne Behinderung kann durch unglückliche Umstände ebenfalls einen negativen Gesundheitsverlauf erfahren. Die Bewertung des Gesundheitszustandes als Kriterium darf – wenn überhaupt – nur mit der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch ein ärztliches Gutachten erfolgen. Dieses Gutachten als Nachweis der Leistungsfähigkeit kann aber nur Aussagen zum Umfang der Arbeitsfähigkeit von mindestens 15 Wochenarbeitsstunden – entsprechend der Arbeitsplatzdefinition nach dem § 138 Abs. 5 SGB III oder § 185 Abs. 2 SGB IX und zur gesundheitlichen Machbarkeit der Aufgabenerfüllung – treffen. Die Offenlegung der Schwerbehinderteneigenschaft mit ihren konkreten Symptomen oder detaillierten Diagnosen sind nicht Bestandteil des ärztlichen Gutachtens. Aus all dem eben gesagten ergibt sich für die Arbeitshypothese 4 folgendes: Unter Wertung des gesundheitlichen Aspektes kommt man zu dem Ergebnis, dass der Gesundheitszustand bei Existenzgründern in der frühen Nach-

97Vgl. Anlage,

Zusammenfassung Leitfadeninterview, Frage 7.

6.4  Hypothese 4 – Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit …

293

gründungsphase sich negativ entwickelt – unabhängig von einer Behinderung. Dieser Aspekt ist bei Menschen mit Behinderung besonders gefährlich. Das Ziel der Steigerung der Teilhabechancen wird nicht erreicht. Im Gegenteil: je nach Intensität und Auswirkung der Behinderung werden die Lebensbereiche negativ beeinflusst. Bei der Durchführung der Leitfadeninterviews war bei allen Selbständigen mit Behinderung eine überdurchschnittlich stark ausgeprägte Motivation spürbar – sie wollen nicht als bedürftig und schwach angesehen gelten. Im Gegenteil, sie versuchen bei jeder Gelegenheit sich als vollwertiges Mitglied in der Gesellschaft zu etablieren und ringen um Anerkennung im sozialen Umfeld. Dies wirkt sich positiv auf das Engagement, den Mut und den Glauben an Erfolg aus, sodass im Vergleich zu Existenzgründern ohne Behinderung Rückschläge schneller überwunden werden. Gleichzeitig birgt die Situation der interessierten Selbstgefährdung das Risiko einer Überlastung in sich, sodass die gesamte Selbständigkeit dadurch zu scheitern droht. Die Leitfadeninterviews und die statistische Auswertung des Sozio-oekonomischen Panels zeigen die Problematik des erhöhten Risikos eines Arbeitsausfalls auf. Hinzu kommt noch die fehlende Unterstützung i. S. eines Nachteilsausgleichs bei einer über die 40-Stundenwoche hinausgehenden Tätigkeit und der Aspekt der Notgründung – bei welcher eine defizitäre Lebenssituation beendet werden soll. Dies führt dazu, dass die Gesundheit und die körperliche Verfassung vernachlässigt wird. Die sich dann anschließenden Arbeitsausfälle, insbesondere in der frühen Nachgründungsphase, gefährden die Marktetablierung und somit die gesamte Selbständigkeit. Ein Nachteilsausgleich zur Kompensation von Arbeitsausfallzeiten des Existenzgründers ist nicht vorgesehen, da dies eine Besserstellung gegenüber Existenzgründern ohne Behinderung darstellt. Der Zielerreichungsgrad einer vollen und wirksamen Teilhabe ist rückläufig. Mit diesem Rückschluss ist die Hypothese vier zu falsifizieren.

7

Schlussbemerkung und Änderungsbedarf

Die vorliegende Arbeit hat – über die untersuchten vier Thesen hinaus – gezeigt, dass es bei der Vergabe von Unterstützungsleistungen an Existenzgründer mit Behinderung keine genauen gesetzlichen Rahmenbedingen gibt. Insofern kann die Leistungserteilung für Außenstehende als willkürlich erscheinen und auch die Antragsteller können kaum abschätzen, nach welchen Vorgaben die beantragten Leistungen erbracht werden. Basis für die Unterstützung bieten bisher nur unbestimmte Rechtsbegriffe, wie beispielsweise „nachhaltig“ und „teilhaben“. So kann der Begriff „nachhaltig“ entweder als eine Gewinnrealisierung über die Regelsätze der Grundsicherung nach dem SGB II1 oder nach dem MiLoG2 ausgelegt werden. Ebenso verhält es sich bei dem schillernden Begriff „teilhaben“. Es fehlt für den Sachbearbeiter an Kriterien, um feststellen zu können, ab wann jemand gesellschaftlich am Leben teilnehmen kann. Eigentlich müsste der Sachbearbeiter durch Gesetz oder durch eine Richtlinie Kriterien benannt bekommen. Dies ist aber aufgrund der Vielfältigkeit der möglichen Behinderungen nicht einfach, zumal auch der soziale Kontext der Person betrachtet werden muss. Insofern sind Gesetzgeber und Behörden aufgefordert, sinnvolle Förderkriterien zu erarbeiten, damit dem Anschein einer willkürlichen Förderung vorgebeugt wird. Die nächste Frage die sich aus der Arbeit ergibt, ist ob die Förderung der Selbständigkeit schwerbehinderter Menschen überhaupt das Ziel der Teilhabe am

1Sozialgesetzbuch

Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), zuletzt geändert durch Art. 20 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541). 2Mindestlohngesetz vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2739). © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 N. Franzke, Existenzgründung schwerbehinderter Menschen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31230-5_7

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7  Schlussbemerkung und Änderungsbedarf

Leben vorantreibt. Im Abschnitt 4.1.1. Gesundheit und Statusanerkennung der vorliegenden Untersuchung kann der Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales entnommen werden, dass Menschen mit Behinderung einen erheblich höheren Krankenstand gegenüber Menschen ohne Behinderung aufweisen.3 Die Auswertung der Frage sieben des Leitfadeninterviews der vorliegenden Untersuchung legt außerdem offen, dass sich bei 60 % der Befragten Existenzgründer mit Behinderung der Gesundheitszustand aufgrund der Belastung durch die Selbständigkeit verschlechtert hat.4 Auch dieser Punkt spricht dafür, dass die Selbständigkeit für Menschen mit Behinderung nicht unbedingt die geeignete Maßnahme zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist. In der aktuellen Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen sind unter Punkt fünf der Richtlinie die Gleichstellung von Frauen und Männern sehr ausführliche Maßnahmen zur Ermöglichung der Selbständigkeit angegeben, wohingegen bei Menschen mit Behinderung lediglich unter Punkt sechs der Richtlinie auf die bauliche Barrierefreiheit der Beratungsstellen verwiesen wird.5 Spezielle Maßnahmen für Menschen mit Behinderung werden vollkommen vernachlässigt. An diesem Punkt sollte künftig angesetzt und Maßnahmen für Menschen mit Behinderung in die Richtlinie eingearbeitet werden. Die Notwendigkeit Menschen mit Behinderung stärker zu berücksichtigen wird noch deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in der Richtlinie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg – dem Vorläufer der aktuellen Richtlinie – Maßnahmen für Menschen mit Behinderung unter ergänzende experimentelle Aktionen gefasst worden sind.6 Außerdem stand fälschlicherweise unter Punkt 6.1 der (Vorläufer-)Richtlinie, dass Menschen mit Behinderung als „[…] bisher nicht geförderte Zielgruppe

3Vgl.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Ausgabe 2013, S. 197. 4Vgl. Anlage, Zusammenfassung Leitfadeninterview, Frage 7. 5Vgl. Investitionsbank des Landes Brandenburg, Richtlinie Arbeit, Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen, Punkt 6. 6Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 6.

7  Schlussbemerkung und Änderungsbedarf

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[…]“7 angesehen werden. Dieses ist falsch, denn – wie die vorliegende Arbeit zeigt – wurden in den Jahren 2010 bis 2014 sehr wohl die Selbständigkeit von Menschen mit Behinderung durch die nachgeordneten Landesbehörden des Sozialresorts gefördert. Dabei wird deutlich, dass die Förderung von Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit ebenso wenig wie behördenintern kommuniziert wird. Es ist noch ein weiter Weg, die vor 10 Jahren ratifizierte UN-BRK in Deutschland8 sinnvoll umzusetzen. Deutschland befindet sich hierbei noch im Anfangsprozess.

7Ministerium

für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Landes Brandenburg, Richtlinie zur Förderung von Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen bei Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen im Land Brandenburg vom 30.12.2009 in der Fassung vom 26.09.2013, IV. 6. 8Vgl. Schweiker, Prinzip Inklusion, S. 65 f.; hierzu ebenfalls Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft, S. 22; hierzu ebenfalls Polczyk, Sozialgesetzbuch 9 Buch, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, Teil 9 Rn. 141; hierzu ebenfalls Kuhlmann / Mogge–Grotjahn / Balz, Soziale Inklusion, Theorien, Methoden, Kontroversen, S. 86.

Anlage 1. Leitfadeninterviews Interview 1 vom 14.02.2017 Motivation 1. Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen? Ja, jederzeit. 2. Was hat Sie zur Existenzgründung motiviert? Meine Hauptmotivation liegt immer noch in der Unabhängigkeit mit einem eigenen Gewerbe, welches nicht mit Geld auszugleichen ist. Das freie Arbeiten ohne künstlichen Zeitdruck durch einen Vorgesetzten ist für mich unbezahlbar. Ich habe im Jahr 1999 mein Unternehmen gegründet und agiere als Zwischenhändler. Die Selbständigkeit war für mich der einzige und letzte Weg, um Geld zu verdienen, da ich sonst auf Leistungen der Agentur für Arbeit und vom Job-Center angewiesen wäre. Damals war ich noch befristet eingestuft als erwerbsunfähig durch die Rentenversicherung. Als zum Glück mein Gesundheitszustand sich besserte verlor ich diesen Status und musste mich am Arbeitsmarkt komplett neu orientieren. Ich war jung und wollte arbeiten. Mein Lebenslauf war aber für viele mögliche Arbeitgeber nicht attraktiv und somit erhielt ich regelmäßig Absagen. Eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit war für mich aussichtslos. 3. Haben Sie bei der Existenzgründung Ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt? Die selbständige Tätigkeit erlaubt mir eine Vielzahl von Tätigkeiten, auch mit meinen gesundheitlichen Einschränkungen. Ich selbst kann mir meine Pausenzeiten und Ruhezeiten individuell organisieren. Bei meiner damaligen Gründung habe ich natürlich meine Behinderteneigenschaft berücksichtigt. Die Behinderung hat aber nicht gestört und stellte demnach auch kein Problem dar. Da ich alles in Eigenregie aufgebaut habe, konnte ich meine Unternehmung direkt an meinen Bedürfnissen anpassen.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 N. Franzke, Existenzgründung schwerbehinderter Menschen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31230-5

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4. Wie hat Ihr soziales Umfeld Sie unterstützt? Nein, aus meinem engen sozialen Umfeld hat niemand mir geholfen. Ebenfalls hat auch keiner mir zugetraut, dass ich die wirtschaftliche Existenz nachhaltig betreibe. Ich selbst komme aus einer Familie, in welche alle einer sozialversicherungspflichte Tätigkeit nachgehen. Eine grundlegende Akzeptanz für eine selbständige Tätigkeit ist da nicht vorhanden. Ich konnte mir immer wieder Fragen und Aussagen anhören, wie „Nun lass mal dein Hobby sein und gehe Arbeiten wie jeder normale Mensch!“ und „Warum suchst du dir keinen vernünftigen Job?“. Mein Umfeld war somit nicht begeistert, aber ich konnte ihnen im Laufe der Zeit das Gegenteil beweisen. Darauf bin ich sehr stolz. Gesundheit 5. Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie? Ich bin seit der Geburt schwerhörig. Ich kann aber sehr gut mit dieser Einschränkung umgehen. Ich selbst bin für Unterstützungstechnik zur Kompensation der Schwerhörigkeit zu eitel. Ich möchte nicht in der Gesellschaft auffallen. Vor ein paar Jahren sind organische Schäden hinzugekommen. Inbegriffen ist da auch eine Darmstörung, welche für mich sehr unangenehm ist. 6. Wie wirken sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf Ihre selbständige Tätigkeit aus? Meine Lebensweise ermöglicht mir eine langfristige Genesung. So konnte ich meinen Gesundheitszustand stabilisieren. Meine ruhige und gelassene Lebensart, welche mitunter durch das Fehlen eines fremdeingewirkten Leistungsdrucks resultiert, ermöglicht mir ein angemessenes Leben. 7. Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf Ihr Wohlbefinden ausgewirkt?) Nein, durch meine Selbständigkeit hat sich mein Gesundheitszustand positiv verändert. Anfänglich, in der Gründungsphase und als noch junges Unternehmen am Markt hatte ich psychische Probleme aufgrund des geringen Einkommens und die schmale Gradwanderung des persönlichen Scheiterns als Existenzgründer.

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Förderung/Unterstützung 8. Wie entstand der erste Kontakt zum Integrationsamt? Über den Freundeskreis habe ich die Information bekommen, dass das Integrationsamt eventuell Leistungen für schwerbehinderte Existenzgründer gewährt. 9. Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/Job-Center oder vom MASGF/ZAB/LASA erfahren? Nein. 10. Welche Förderleistungen erhalten Sie? Vom Job-Center erhalte ich aktuell Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe zur Absicherung meiner Existenz. Ich selbst bin unterhaltspflichtig und investiere mein letztes Geld in die Kinder. Geld im Sinne von Reichtum ist für mich irrelevant. Durch das Integrationsamt habe ich damals einen Zinszuschuss für die Beschaffung eines KFZ erhalten. 50 % für das KFZ habe ich damals bar bezahlt und den Rest habe ich finanziert bekommen. 11. Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen? Ich war zufrieden, dass ich überhaupt von jemandem eine Unterstützungsleistung erfahren habe. Das deutsche Sozialsystem ist ein Dschungel, den man als Außenstehender nicht durchschaut. 12. Welche Voraussetzungen mussten Sie für eine Förderung erfüllen? Ich musste drei Vorjahresabrechnungen einreichen. Dabei war für den zuständigen Sachbearbeiter beim Integrationsamt die Tendenz einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit einer nachhaltigen Absicht ersichtlich, sodass die Förderung gewährt wurde. Zusätzlich musste ich noch drei Kostenangebote für das KFZ einreichen. Unternehmerischer Alltag 13. Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie zusammen? Ich bin in einem Kurierfahrernetzwerk aktiv, da hier die Aufträge verteilt werden von den Kurierdiensten, welche die Terminketten nicht einhalten können. In anderen Netzwerken bin ich nicht aktiv. 14. Welche Probleme haben Sie im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit? Grundsätzlich habe ich ein finanzielles Problem. Mit der Aufstockung durch das Job-Center (Arbeitslosengeld II) habe ich ungefähr 1.300,00 Euro netto pro Monat bei einer 25 Stundenwoche. Wenn ich die Leistungen durch das Job-Center nicht berücksichtige, erziele ich ungefähr einen monatlichen Gewinn von 750,00 Euro. Da der Unterhalt für meine Kinder als eine Belastung durch das Job-Center anerkannt wird, ist die zusätzlich Unterstützungsleistung zur Absicherung des Lebensunterhaltes mehr als ausreichend.

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15. Wenn Sie Hilfsangebote, Förderungen oder auch Arbeitsweisen (auch bei anderen Beteiligten) frei gestalten könnten, was wären die sinnvollsten Änderungen? Ich bin genau richtig, wo ich jetzt bin. Für einen Kurierauftrag nach München erhalte ich in der Regel pauschal 500,00 Euro. Die Langstreckenfahrten mache ich am liebsten. Jede Woche nur eine Fahrt wäre super – viel Freizeit und ausreichend Geld. 16. Können Sie selbständig ihre wirtschaftliche Existenz absichern? Nein, leider nicht. Ich bekomme durch das Job-Center einen Zuschuss zur Sicherung meines Lebensunterhalts. 17. Benötigen Sie eine besondere Unterstützung (von der Vorgründungsphase bis zur Nachgründungsphase)? Ich bräuchte eine neue Arbeitsplatzausstattung. In meinem Fall wäre das ein Auto, welches den aktuellen Anforderungen eines Langstreckenfahrzeuges entsprechen sollte. Interview 2 vom 13.02.2016 Motivation 1. Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen? Ja, auf jeden Fall. Ich habe die sich mir ergebene Chance genutzt und bin in ein Franchisemodell eingestiegen. Davor habe ich eigenständig eine Gaststätte betrieben und konnte somit auf eigene Erfahrungswerte zurückgreifen. 2. Was hat Sie zur Existenzgründung motiviert? Bei meinem Schritt in die Selbständigkeit hat mich vorrangig der Spaß daran vorangetrieben. Die Arbeit selbst und die Kunden mit guten Produkten zu bedienen, empfinde ich als Selbstständiger als eine Art der Auszeichnung. Mit „uns ist das Leben besser“ – das ist meine Devise. Lediglich die Zwänge der Stadt Frankfurt (Oder) und von der IHK stellen für mich zum Teil enorme Hürden dar. 3. Haben Sie bei der Existenzgründung ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt? Bei der Gründung waren noch keine gesundheitlichen Einschränkungen vorhanden. Der Grad der Behinderung wurde erst nach einigen Jahren in meiner Selbständigkeit durch die Versorgungsverwaltung anerkannt. Ich hatte damals einen Autounfall, sodass ich seitdem auf eine Beinprothese angewiesen bin.

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4. Wie hat Ihr soziales Umfeld Sie unterstützt? Meine Ehefrau und meine Tochter unterstützen mich sehr intensiv. Mein direktes soziales Umfeld hat meine selbständige Tätigkeit akzeptiert und sie glauben auch an einen Erfolg. Gesundheit 5. Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie? Ich bin mit meinem Bewegungsapparat sehr stark eingeschränkt. Meine gesellschaftliche Teilhabe ist sehr stark durch die Versteifung meines Beines behindert. Beispielsweise musste ich eine geplante Geschäftsreise nach Afrika absagen, da die Flugfirma mir keinen leidensgerechten Sitzplatz ermöglichen konnte. Ebenfalls sind für mich alltägliche Sachen, wie beispielsweise ein Messebesuch oder die direkte Betreuung von Kunden nicht möglich, da mein Bein komplett versteift ist. 6. Wie wirken sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf Ihre selbständige Tätigkeit aus? Ich kann keine Warenanlieferung durchführen, die Kundenbetreuung ist nur eingeschränkt möglich und der geschäftliche Tagesablauf von circa 10 h (60 h/W) ist für mich aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. 7. Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf Ihr Wohlbefinden ausgewirkt?) Mein Gesundheitszustand hat sich verschlechtert, da der Fuß außerordentlich belastet wird. Die Versorgungsverwaltung hat bis zum heutigen Tage mir nicht das Merkzeichen für einen Behindertenparkplatz gewährt. Förderung/Unterstützung 8. Wie entstand der erste Kontakt zum Integrationsamt? Die Berufsgenossenschaft hatte mich informiert, dass eventuell das Integrationsamt Leistungen für schwerbehinderte Existenzgründer gewähren kann. Die Berufsgenossenschaft hat sich als zuständiger Leistungsträger zurückgezogen. Daraufhin habe ich beim Integrationsamt in Frankfurt (Oder) angerufen und mich erkundigt. 9. Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/Job-Center oder vom MASGF/ZAB/LASA erfahren? Nein, durch weitere Institutionen habe ich keine Unterstützung erhalten. 10. Welche Förderleistungen erhalten Sie? Aktuell bekomme ich eine Arbeitsassistenz mit 40 h/Monat für 490,00 Euro nach dem Arbeitgebermodell, zuzüglich Regiekosten von 10,00  Euro, gebilligt. Weitere mögliche Förderungen sind mir nicht bekannt. Ein

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behinderungsgerechtes KFZ wäre notwendig für die deutschlandweiten Einkaufstouren, aber ich weiß nicht, wie und was ich dafür machen muss. Von einen möglichen Minderleistungsausgleich habe ich noch nie etwas gehört. 11. Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen? Die bewilligten Leistungen durch das Integrationsamt sind zu engstirnig und kleinteilig. Die Art der Antragstellung und der Verwendungsnachweisprüfung ist nicht zumutbar. Ich habe das Gefühl, dass pauschal unterstellt wird, dass wir betrügen. Für jeden Monat muss ich die Lohnjournale einreichen. Eine Jahresübersicht, welche ich auch beim Finanzamt vorlege, wird nicht akzeptiert. Mein Frust bringe ich damit zum Ausdruck, dass ich mit Absicht viel Papier für die Verwaltung produziere, wo die sich dann durchkämpfen müssen. Noch nicht einmal der Stempel auf Kopien des Steuerberaters wird anerkannt. Man fühlt sich gegängelt und überlegt zweimal, ob man überhaupt einen Folgeantrag für die Arbeitsassistenz stellen soll. 12. Welche Voraussetzungen mussten Sie für eine Förderung erfüllen? Ich musste selbst die Notwendigkeit einer Arbeitsassistenz begründen, den ausgefüllten Antrag und die Gewerbeanmeldung dem Integrationsamt zuschicken. Unternehmerischer Alltag 13. Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie zusammen? Ich bin sehr aktiv innerhalb des Franchisesystems. Außerhalb dieser Gruppe habe ich keine weiteren unternehmerischen Aktivitäten. 14. Welche Probleme haben Sie im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit? Ich bin in meiner Mobilität sehr stark eingeschränkt. 15. Wenn Sie Hilfsangebote, Förderungen oder auch Arbeitsweisen (auch bei anderen Beteiligten) frei gestalten könnten, was wären die sinnvollsten Änderungen? Mit meiner Behinderungsart ist keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit möglich. Ich bin gezwungen, meinen Alltag und somit auch den Arbeitsprozess um meine Behinderung herum so zu organisieren, dass die Einschränkung selbst so gering wie möglich ausfällt. 16. Können Sie selbständig Ihre wirtschaftliche Existenz absichern? Ja und dafür bin ich überglücklich. 17. Benötigen Sie eine besondere Unterstützung von der Vorgründungsphase bis zur Nachgründungsphase? Ich würde mir wünschen, dass sich die Verwaltung in einer Bringschuld für diverse Leistungen befindet. Woher soll ich wissen, was es für mögliche Unterstützungsangebote gibt. Ebenfalls würde ich mich sehr freuen, wenn

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das Integrationsamt jährlich den persönlichen Kontakt sucht, um mich bei eventuellen Problemen zu beraten, welche ich nicht erkenne, beziehungsweise überblicken kann. Interview 3 vom 13.02.2017 Motivation 1. Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen? Mit der richtigen Geschäftsidee würde ich auf jeden Fall nochmal eine Unternehmung gründen. Ich hatte 2009 die Option, zurück in den öffentlichen Dienst zu gehen oder die Gelegenheit, die sich bietende Chance des EMS-Trainings als Dienstleistungsunternehmen am Markt anzubieten. EMS-Training ist der gleichzeitige Muskelaufbau am gesamten Körper mittels Stromtechnik. Das Verfahren wird vorrangig in der Physiotherapie verwendet. Bei meiner damaligen Geschäftsidee stand der gesamte Körper im Mittelpunkt. So hatte ich ein ganzheitliches Angebot mit aktiven und passiven Tuns meinerseits, bei welcher ich eine Markteinzelstellung hatte. 2. Was hat Sie zur Existenzgründung motiviert? Ich war circa 16 Jahre mit der Funktion der Behindertenbeauftragten in der Stadt Eberswalde betraut worden. Von 2005 bis 2009 war ich gewähltes Mitglied der Linken im Landtag. Durch Zufall habe ich über das EMS-Training durch meinen Bekanntenkreis erfahren. Ich war von der Geschäftsidee überzeugt und habe lediglich zwei Monate bis zum Gründungsakt gebraucht. Da ich mich mit den Leistungen des Integrationsamtes auskenne und auch die entsprechenden Kontakte habe, war ich ein Insider auf diesem Gebiet. 3. Haben Sie bei der Existenzgründung Ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt? Indirekt ja. Da ich aber keine körperlich schweren Tätigkeiten ausüben muss, stand die Behinderung nicht im Fokus. Durch das Integrationsamt wurde eine Arbeitsplatzassistenz als möglicher Nachteilsausgleich empfohlen, sodass ich die Unterstützungsleistung in meinem Businessplan berücksichtigen konnte. Es war mir immer klar, dass der Kunde die Behinderteneigenschaft merkt. Davor habe ich anfänglich Angst gehabt, dass sich dies negativ auf das Geschäftsumfeld und auf die potenziellen Kunden auswirkt. Ich selbst bin an meinem Rollstuhl gebunden. Die Praxis zeigt täglich, dass die Gesellschaft mit der Behinderteneigenschaft noch nicht umgehen kann. Ich selbst kann das Training aus dem Rollstuhl anbieten, sodass theoretisch die Behinderteneigenschaft für den Kunden in der Qualität und Quantität der zu erbringenden Leistung nicht von Bedeutung ist.

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4. Wie hat Ihr soziales Umfeld Sie unterstützt? Da ich viele Jahre in der Behindertenpolitik tätig war, hatte ich ein entsprechendes Netzwerk. Ebenso wurde ich von meiner Familie tatkräftig unterstützt. Mein Ehemann hat sogar ein halbes Jahr Sonderurlaub genommen, um mich in der Gründungsphase, beim Gründungsakt und kurz in der Nachgründungsphase zu unterstützen. Des Weiteren hat mich meine Tochter aktiv unterstützt. Mein Mann und meine Tochter wurden bei den EMS-Trainingsgeräten auch mit eingewiesen und haben ebenfalls die Schulungen für dessen Anwendung absolviert, sodass sie jederzeit im Notfall einspringen konnten. Gesundheit 5. Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie? Im Säuglingsalter hatte ich die Diagnose Kinderlähmung. Spätfolgen dieser Kinderlähmung ist das Krankheitsbild Polio, welche durch eine schnelle Ermüdung charakterisiert ist. In der Regel benötige ich eine viermal längere Ausruhzeit. Im Jahr 2014 ist noch ein Bandscheibenvorfall hinzugekommen und 2015 ein Herzinfarkt. Ich musste daraufhin runterfahren, sodass ich 2016 nur noch circa sieben Kunden bediente. Man muss dazu sagen, dass durch die Poliokrankheit anstehende Aufgaben sehr intensiv, schnell und ohne Rücksicht auf die Gesundheit ausgeführt werden, sodass als Selbständiger die Sache mit dem Herzinfarkt nur eine Frage der Zeit war. Aktuell bin ich 65 Jahre alt und nutzte die Möglichkeit der Altersrente. 6. Wie wirken sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf Ihre selbständige Tätigkeit aus? Damals hatte ich im Schnitt 40 bis 50 Kunden pro Woche. Die Behinderteneigenschaft hatte bei meinen Stammkunden keine negativen Auswirkungen. Bei neuen Kunden war meine Behinderung aber ein Problem dahingehend, ob ich überhaupt mein Dienstleistungsangebot qualitätsgerecht anbieten kann. Aufgrund dieser Vorurteile habe ich schätzungsweise viele potenzielle Kunden verloren. Die geförderte Arbeitsplatzassistenz sollte aus hygienischen Gründen überwiegend Reinigungstätigkeiten übernehmen, da ich diese als Rollstuhlfahrer nicht ausführen kann. Diese Tätigkeiten der Assistenzkraft wurden aber durch das Integrationsamt abgelehnt, mit der Begründung, dass andere vergleichsbare Anbieter ebenfalls Reinigungsarbeiten durchführen müssen und es somit zu einer Bevorteilung meinerseits kommt. Diese Auffassung kann ich nicht mittragen. Es soll nicht die Aufgabe, sondern meine Behinderungseigenschaft und dessen Auswirkungen auf mein Arbeitsgebiet betrachtet werden.

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7. Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf Ihr Wohlbefinden ausgewirkt?) Durchschnittlich hatte ich eine 50 Stundenwoche. Die Belastung war körperlich und psychisch sehr hoch, sodass sich mein Gesundheitsbild verschlechtert hat. Die selbständige Tätigkeit geht mit einem sehr hohen gesundheitlichen Verschleiß einher. Durch ein gezieltes Körpertraining konnte ich dem aber zeitverzögert gegensteuern. Das Scheitern mit der selbständigen Tätigkeit birgt die Gefahr in sich, dass das Versagen einem persönlich wehtut und die gesellschaftliche Annahme über Behinderungen bestätigt wird. Dies wollte ich nicht und habe mich durchgebissen. Förderung/Unterstützung 8. Wie entstand der erste Kontakt zum Integrationsamt? Durch die alte Tätigkeit als Behindertenbeauftragter bei der Stadt Eberswalde war der Kontakt zum Integrationsamt nach Frankfurt (Oder) vorhanden. Die Zusammenarbeit kann ich als gut bewerten. 9. Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/Job-Center oder vom MASGF/ZAB/LASA erfahren? Ich bin ein Einzelkämpfer und will unabhängig und selbständig sein, deshalb habe ich nicht nach finanziellen Förderungen geschaut. Lediglich auf die Förderung durch das Integrationsamt war ich angewiesen, da ich sonst die selbständige Tätigkeit nicht aufnehmen konnte. 10. Welche Förderleistungen erhalten Sie? Ich habe die Förderung einer Arbeitsassistenz (§ 17 SchwbAV) nach dem Arbeitgeberprinzip in Höhe von 21.740,00 EUR (zweijährig) und Regiekosten von bis zu 720,00 EUR für einen Bewilligungszeitraum von alle zwei Jahren erhalten. Das Gute an dem Arbeitgeberprinzip ist, dass ich selbst die Kontrolle hatte. Dies stärkte meine Selbständigkeit. Die Reinigungstätigkeiten, welche nicht gefördert wurden, habe ich indirekt im Aufgabenprofil der Arbeitsassistenz eingebaut. 11. Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen? Mit der erhaltenden Arbeitsassistenz bin ich sehr zufrieden. Das ResortDenken der einzelnen Leistungsträger ist bei Leistungen für einen Nachteilsausgleich sehr schlecht, da niemand umfassend und ausführlich zu allen Leistungen beraten kann. Inklusion kann nur klappen, wenn die Denkweise der Gesellschaft sich ändert. Das Konkurrenzdenken in der Wirtschaft ist sehr stark. Die Verwaltung kennt sich am wirtschaftlich agierenden Markt nicht aus und interpretiert viele Unterstützungsleistungen oftmals falsch. Des

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Weiteren sind Verwaltungsmitarbeiter oft unzureichend für die Problematik der Existenzgründer geschult. Über die Werbung für den Erhalt diverser Nachteilsausgleiche muss mehr diskutiert werden. 12. Welche Voraussetzungen mussten Sie für eine Förderung erfüllen? Ich musste bei der Antragstellung die Gewerbeanmeldung, das Antragsformular und eine Beschreibung der Geschäftsinhalte vorlegen. Mit der Bewilligung war ich verpflichtet, jährlich einen Nachweis der Servicearbeiten der Assistenzkraft beim Integrationsamt einzureichen. Der Integrationsfachdienst war ebenfalls involviert und unterstützte mich. Unternehmerischer Alltag 13. Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie zusammen? Ich habe mich sehr intensiv am wirtschaftlichen Leben beteiligt. So nahm ich regelmäßig am Unternehmerstammtisch teil. Die Unternehmer in dieser Runde habe ich als Multiplikatoren betrachtet. Über den Unternehmerstammtisch habe ich auch meinen Webdesigner kennengelernt. Der allgemeine Informationsaustausch ist auch für mich sehr wichtig gewesen. Zusätzlich zum Unternehmerstammtisch habe ich mich auf diversen Fachmessen erkundigt. Ich selbst musste mich mit meiner Behinderung immer beweisen. Daraus erhielt ich meine Eigenmotivation. Ich habe versucht mich überall dort einzubringen, wo es nur geht. 14. Welche Probleme haben Sie im Rahmen Ihrer selbständigen Tätigkeit? Ich konnte mir einen festen Kundenstamm aufbauen und beteiligte mich an Gesundheitsmessen. Mit meiner Geschäftsidee habe ich eine Marktnische bedient. Aktuell ist dieser Vorteil nicht mehr gegeben, da es von vielen Fitnessstudios mittlerweile auch angeboten wird. Bei meiner Gründung 2009 war keine ernsthafte Konkurrenz in meinem Einzugsgebiet vorhanden. Die intensive Betreuung meinerseits ermöglichte mir den Aufbau einer Stammkundschaft. Die Gelegenheit und die Geschäftsidee waren erfolgreich! 15. Wenn Sie Hilfsangebote, Förderungen oder auch Arbeitsweisen (auch bei anderen Beteiligten) frei gestalten könnten, was wären die sinnvollsten Änderungen? Die Beratung aller Förderleistungen sollte aus einer Hand erfolgen. Die Förderung ist an der Behinderungseigenschaft und nicht an der Tätigkeit festmachen. Die Entscheidungsträger in den Verwaltungen sollten im unternehmerischen Sinne denken. Ebenso wäre mehr Entscheidungskompetenz für den technischen Beratungsdienst vom Integrationsamt vorteilhaft.

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16. Können Sie selbständig Ihre wirtschaftliche Existenz absichern? Ich war froh, dass ich alle Ausgaben aus der Tätigkeit heraus bezahlen konnte. Mein Gewinn war ein Taschengeld, welches unter dem Mindestlohn bei durchschnittlich 300 Euro liegt. Die Unterstützung von meiner Familie ist sehr groß. Ohne ihre Unterstützung wäre meine Idee praktisch nicht tragfähig. 17. Benötigen Sie eine besondere Unterstützung von der Vorgründungsphase bis zur Nachgründungsphase? Soll in der Nachgründungsphase der Kontakt aufrechterhalten und bei unerkannten Defiziten unterstützt werden? Nein. Interview 4 vom 17.03.2017 Motivation 1. Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen? Meine Antwort auf die Frage ist mit ja und nein zu beantworten. Ja: Aus heutiger Sicht kann ich einen sehr umfangreichen Mandantenstamm aufweisen und ein eingespieltes Team. Mit meiner Tätigkeit kann ich selbst mein Leben bestreiten und bin bei der Planung als Selbständiger sehr flexibel, abgesehen von den festen Terminen bei den Gerichten und den festgelegten Sprechtagen in meiner Kanzlei. Ich kann meine Arbeitszeiten gut planen und kann alles nach meinem gesundheitlichen Befinden organisieren. Nein: Die Anfangsjahre waren eine Talfahrt. Mein erster Monatsumsatz betrug 80 Mark. Ich konnte nur durch die Unterstützung meines Mannes existieren. Die ersten Jahre waren sehr kompliziert und sehr risikoreich. Ich war im Netzwerk „Kollegium der Rechtsanwälte“ organisiert und musste meine Umsätze zu 100 % abführen. 60 % davon habe ich als Gewinn zurückbekommen. Die übrigen 40 % wurden als Aufwendungen verrechnet, mit welchen pauschal die Sachkosten und Personalkosten durch das Kollegium verrechnet wurden. Geld als Rechtsanwalt spielt eine sehr große Rolle, um einen seriösen Eindruck bei der Mandantschaft zu machen. Mit diesem seriösen Eindruck habe ich so meine Schwierigkeiten aufgrund meiner anerkannten Behinderung. Das Referendariat war für mich sehr wichtig. Dabei habe ich die Abläufe und Fristen in einer Kanzlei kennengelernt. Der Rest war für mich learning by doing – auch heute noch.

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2. Was hat Sie zur Existenzgründung motiviert? Die Flexibilität als Selbständiger habe ich erst in Laufe der Tätigkeit kennengelernt und möchte sie heute nicht mehr missen. Nachteil der Selbständigkeit ist, dass keiner die eigene Tätigkeit übernimmt, wenn man beispielsweise krankheitsbedingt ausfällt oder in Urlaub fährt. Die Zeit als Selbständiger ist ein sehr kostbares Gut. Wenn ich Fristen verpasse, kann dies gegebenenfalls zu einem Säumnisurteil oder zu Haftungsfristen führen. Wenn ich drei Wochen Urlaub nehme und diese im Gericht hinterlege, heißt dies für mich zwei Wochen Urlaub und eine Woche nacharbeiten. Ich selbst bin sehr dankbar, dass ich meine Tätigkeit ausführen darf und engagiere mich daher besonders stark für sozial schwache Personen, welche einen Beratungshilfeschein haben. Dieser Beratungshilfeschein beinhaltet 126,00 Euro für ein Anschreiben und 17,85 Euro für die Mandantenberatung. In der Praxis reicht dies wohl kaum aus, sodass ich die Vorgänge außergerichtlich weiterbearbeite. Dies spricht sich auch herum und sorgt zugleich für Werbung. Ich bin sehr zufrieden. 1977 habe ich mit einem Studium der Rechtswissenschaften angefangen. Vor einem Studium musste man damals eine Zusage vorweisen, dass man in der Rechtspflege nach erfolgreichem Abschluss unterkommt. Ich hatte mich bei der Justiz beworben. Dort sagte man mir, dass ich keine Chance mit meiner Sehbehinderung habe. Daraufhin habe ich mich beim Kollegium erfolgreich beworben und habe die Zusage erhalten, dass ich nach dem Studium übernommen werde. Meine Tätigkeit habe ich nach dem Referendariat im Jahr 1982 in einer genossenschaftsähnlichen Struktur aufgenommen. Streng genommen war dies damals keine selbständige Tätigkeit. Als ich in der Elternzeit war, habe ich kein Einkommen erzielt. Zum Glück wurden meine Sachkosten und Personalkosten durch das Kollegium finanziert. 1990 kam die Wende und ich hatte Angst, dass meine Qualifikation nicht anerkannt wird. Ich habe mich nach dem Feierabend und am Wochenende weiterqualifiziert. Mit dem Einigungsvertrag wurde meine Qualifikation und meine Profession anerkannt. Zugleich wurde das Kollegium aufgelöst, sodass ich faktisch in die klassische Selbständigkeit übergegangen bin. Das Richteramt kam für mich nicht in Frage, da ich kein zweites Staatsexamen habe. Ich konnte es auch nicht machen, da ich eine kleine Tochter hatte und Geld für unseren Lebensunterhalt verdienen musste. Des Weiteren ist es fraglich, ob ich den Anforderungen als blinder Mensch in einem Richteramt entsprochen hätte, so mal ich damals von der Justiz abgelehnt worden war.

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3. Haben Sie bei der Existenzgründung Ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt? Damals konnte ich noch sehen. Die Blindheit hat sich schleichend entwickelt, sodass ich in den 90er nur noch Umrisse wahrnehmen konnten und dann auch komplett erblindet bin. Ich habe mich mit der Einschränkung arrangiert und mein Leben entsprechend umgekrempelt und angepasst. 4. Wie hat Ihr soziales Umfeld Sie unterstützt? Mein enger Familienkreis hat mich unterstützt, insbesondere mein Mann. Aktuell arbeiten wir zusammen und wir unterstützen uns gegenseitig. Damals waren sechs Anwälte im Amtsbezirk tätig. Heute sind es insgesamt 36 Anwälte. Die Aufträge waren damals mehr. Hinzu kamen in der Nachwendezeit viele Arbeitsrechtsschwierigkeiten durch die Entlassungswellen von 1990 bis 1995, woraus arbeitsrechtliche Streitigkeiten resultierten. Es gab eine hohe Fülle an Aufgaben und Arbeit, später wurde es dann weniger. Damals musste ich nicht jeden Auftrag annehmen. Als die Aufträge zurückgingen, musste ich Kosten einsparen und umstrukturieren. Gesundheit 5. Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie? Augenleiden – Blindheit 6. Wie wirken sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf Ihre selbständige Tätigkeit aus? Grundsätzlich wirkt sich meine Einschränkung leistungshemmend aus. Ich benötige bei allen Tätigkeiten mehr Zeit und der Arbeitsaufwand ist größer. Beispielsweise muss der gesamte Posteingang eingescannt und mittels Sprachausgabe abgespielt werden. Des Weiteren muss ich neben der normalen Akte eine Punktschriftakte führen. Notizen dazwischen einfügen oder Seiten ausheften ist nicht möglich. Ich muss mich sehr umfassend auf Mandantenberatungen oder Gerichtsverhandlungen vorbereiten. Das geht soweit, dass ich den Inhalt der Akten fast auswendig kann. Dies ermöglicht mir eine sehr gute Argumentation, sodass ich dann bei einem Rechtsstreit vor Gericht den Vorteil habe, dass ich voll im Fall drinstehe. Ich bin somit besser als der nichtbehinderte Anwalt. Meine Behinderung schreckt auch heute noch Mandanten ab. Ich hatte auswertige Mandanten, beispielsweise ein Mandant aus Hamburg, die mir direkt ins Gesicht sagte, dass er gegenüber meiner Professionalität sehr skeptisch wäre. Wer mich kennt, weiß, dass ich gerade wegen meiner Behinderung einen sehr hohen Grad an Einsatzbereitschaft und Gewissenhaftigkeit aufweise. Aber meine Mandanten können nicht mit meiner

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Behinderung umgehen. Ich bin nun mehr als 30 Jahre im Geschäft und konnte mir eine Stammkundschaft über Mundpropaganda aufbauen. Weitere Werbemaßnahmen sind nur ein kleines Inserat im Telefonbuch und meine Internetseite. 7. Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf ihr Wohlbefinden ausgewirkt?) Die Anfangsjahre in meiner eigenen Kanzlei waren durch sehr viel Arbeit geprägt. Im Privatleben musste ich mich auch um meine zwei Kinder kümmern. Diese Doppelbelastung und die notwendigen Schulungsmaßnahmen waren ein sehr hoher Stressfaktor. Mittelfristig bin ich zusammengebrochen und mein Sehvermögen hat sich verschlechtert. Gerne würde ich heute an einer Reha-Maßnahme teilnehmen. Dies ist aber nicht möglich, da ich meine Kanzlei nicht einfach zu machen kann. Ich muss als Selbständiger zurückstecken. Förderung/Unterstützung 8. Wie entstand der erste Kontakt zum Intergrationamt? Ich bin nach der Wende bei einem blinden Anwalt gewesen, den ich über die DVBS Fachgruppe Jura kennengelernt habe. Dort wurde ich auch auf verschiedene Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten durch das Integrationsamt hingewiesen. 9. Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/Job-Center oder vom / ZAB/LASA erfahren? Nein. 10. Welche Förderleistungen erhalten Sie? Durch das Integrationsamt habe ich eine Arbeitsplatzausstattung erhalten, mit welcher ich sehr zufrieden bin. Die geförderte Arbeitsassistenz empfinde ich als unzureichend. Die Förderung reicht vom Umfang nicht wirklich aus, sodass ich draufzahlen muss. Die Vergütung meiner Assistenzkraft beträgt pro Stunde 10,00 Euro. Bei einer 21 Stundenwoche muss ich mehr als 100,00 Euro aus meiner eigenen Tasche bezahlen, da die bewilligte Förderung nicht ausreicht. Ich bin auf eine Arbeitsassistenz angewiesen. Ganz einfache Probleme kann ich nicht selbst lösen. Wenn zum Beispiel auf meinem Computerbildschirm ein Werbefenster aufgeht, kann ich es selbst nicht schließen. Als weiteres Beispiel kann ich den Posteingang anführen. Wird die Post schief eingescannt, dann wird die notwendige Sprachausgabe gestört. 11. Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen? Ohne die Leistungen könnte ich nicht arbeiten.

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12. Welche Voraussetzungen mussten Sie für eine Förderung erfüllen? Ich musste beim Integrationsamt im Rahmen der Antragstellung meinen Feststellungsbescheid, die Tätigkeitsbeschreibung, eine Einnahme-/Ausgabeliste, eine Bescheinigung vom Steuerberater, dass keine Insolvenzgefahr besteht, sowie kurz die Notwendigkeit einer Unterstützungsleistung aus meiner Sicht darstellen. Unternehmerischer Alltag 13. Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie zusammen? Ich bin nicht organisiert. Aufgrund meiner Blindheit habe ich Probleme mich aktiv an den Netzwerken zu beteiligen. 14. Welche Probleme haben Sie im Rahmen Ihrer selbständigen Tätigkeit? Die fachbezogenen Computerprogramme sind nicht barrierefrei. Die aktuelle Fachapplikation ist komplett auf grafische Darstellung ausgerichtet, sodass nicht mit einer Tastenbelegung der Funktionen gearbeitet werden kann. 15. Wenn Sie Hilfsangebote, Förderungen oder auch Arbeitsweisen (auch bei anderen Beteiligten) frei gestalten könnten, was wären die sinnvollsten Änderungen? Ich benötige dringend motivierte Mitarbeiter. Das festgelegte Budget für die Arbeitsassistenz sollte nicht auf eine Person festgelegt werden, sodass ich zwei Teilzeitkräfte beschäftigen kann. Dies ermöglicht mir eine flexiblere Umsetzung der Assistenzleistung, falls jemand krank ist oder Urlaub hat. Ohne eine Assistenzkraft kann ich meine Arbeit nicht ausführen, beispielsweise die Fahrt zum Gerichtstermin. 16. Können Sie selbständig Ihre wirtschaftliche Existenz absichern? Meine Bruttoeinnahmen belaufen sich monatlich auf circa 2.800 Euro bei einer 45 Stundenwochen. Mehr als neun Stunden am Tag kann ich nicht arbeiten. Bei Bedarf muss ich somit auch am Wochenende arbeiten gehen. 17. Benötigen Sie eine besondere Unterstützung (von der Vorgründungsphase bis zur Nachgründungsphase)? Soll in der Nachgründungsphase der Kontakt aufrechterhalten und bei unerkannten Defiziten unterstützt werden? Die Anpassung der Förderleistung der Arbeitsassistenz ist sehr wichtig für mich.

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Interview 5 vom 01.03.2017 Motivation 1. Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen? Ja, meine jetzige Tätigkeit macht mir sehr viel Spaß. Als freier Handelsvertreter biete ich Kunden, Firmen, Banken, Autohäuser, etc. verschiedene Werbeartikel an. 2. Was hat Sie zur Existenzgründung motiviert? Ich hatte als behinderter Mensch viele Probleme bei meinem alten Arbeitgeber. Einschränkungen durch die Behinderung werden in einer Leistungsgesellschaft nicht akzeptiert. Ich konnte nur eingeschränkt am ersten Arbeitsmarkt tätig sein. Im Endeffekt hatte ich viele Nachteile als behinderter Mensch, wurde wegen meiner Behinderteneigenschaft gekündigt und habe keine neue sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bekommen. 3. Haben Sie bei der Existenzgründung Ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt? Ja, selbstverständlich. Ohne die Berücksichtigung der Behinderteneigenschaft wäre meine selbständige Tätigkeit wahrscheinlich nicht langfristig möglich. Ich habe den Arbeitsablauf entsprechend meiner Behinderung so organisiert, dass diese nicht nachteilig für mich ist. 4. Wie hat Ihr soziales Umfeld Sie unterstützt? Mein enger Familienkreis hat mich auf den Weg in die Selbständigkeit stark unterstützt. Auch heute noch bin ich auf ihre Hilfe angewiesen. Mein Sohn hilft beispielsweise bei der Aktenführung, da ich aufgrund meiner Behinderteneigenschaft dies nicht selbst ­ ausführen kann. Meine Mutter kommt ebenfalls öfters vorbei und greift mir unter die Arme. Gesundheit 5. Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie? Ich leide unter einer Einschränkung der körperlichen Beweglichkeit und habe einen Grad der Behinderung von 70. Den linken Arm kann ich nur sehr wenig aufgrund einer Plexuslähmung bewegen. Durch die übermäßige Belastung des rechten Armes ist dieser mittlerweile auch nicht mehr voll nutzbar. Weitere anerkannte Behinderungsarten sind auf der einen Seite die Einschränkung der Beweglichkeit beider Knie und Arme, sowie ein Bandscheibenvorfall. Generell habe ich Schmerzen im Schulter-Arm-Bereich, besonders beim Arbeiten am PC und bei der Warenbewegung. 6. Wie wirken sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf Ihre selbständige Tätigkeit aus?

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Um die Kundenkontakte inhaltlich und anschaulich zu präsentieren, ist es notwendig, Artikel mitzunehmen beziehungsweise Kataloge mit sich zu führen. Im diesem Zusammenhang ist es notwendig die Materialen aus dem Büro zu verladen, bei den Kunden auszuladen und in das Büro zu bringen. Diese Vor- und Nachbereitungszeit nimmt nicht nur viel Zeit in Anspruch, sondern erfordert ein hohes Maß an körperlicher Belastbarkeit. 7. Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf Ihr Wohlbefinden ausgewirkt?) Mein Gesundheitszustand hat sich sehr verschlechtert, da ich unachtsam mit meiner Gesundheit umgegangen bin. Ich wollte, dass meine Selbständigkeit von Erfolg gekrönt ist. Ein Scheitern kam nicht in Frage. Seit März 2003 bin ich nun selbständig. Die ersten Jahre waren für mich sehr hart und sehr arbeitsintensiv. Förderung/Unterstützung 8. Wie entstand der erste Kontakt zum Integrationsamt? Ich habe das Integrationsamt und seine Leistungen bei einem Netzwerktreffen kennengelernt. Bis dato hatte ich noch nichts gehört vom Integrationsamt. 9. Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/Job-Center oder vom MASGF/ZAB/LASA erfahren? Nein. 10. Welche Förderleistungen erhalten Sie? Aktuell erhalte ich keine Förderleistungen. Ich habe aber Ende Dezember 2016 beim Integrationsamt einen Antrag auf Minderleistung und behinderungsbedingter Arbeitsplatzausstattung gestellt. 11. Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen? Ein möglicher Minderleistungsausgleich und eine leidensgerechte beziehungsweise behinderungsgerechte Arbeitsplatzausstattung wären sehr hilfreich. Der finanzielle Zuschuss im Rahmen der Minderleistung wäre gut, da es mir eine Arbeitssicherung auch bei wendiger körperlicher Leistung meinerseits bietet. Dieser Zuschuss würde für mich eine Art Fundament bedeuten – nicht nur finanziell betrachtet, sondern auch gesundheitlich. 12. Welche Voraussetzungen mussten Sie für eine Förderung erfüllen? Ich musste beim Integrationsamt im Rahmen der Antragstellung meinen Feststellungsbescheid, die Tätigkeitsbeschreibung, eine Einnahmen-Ausgaben Rechnung, eine Bescheinigung vom Steuerberater, dass keine Insolvenzgefahr besteht, sowie kurz die Notwendigkeit einer Unterstützungsleistung aus meiner Sicht vorweisen.

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Unternehmerischer Alltag 13. Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie zusammen? In meiner Tätigkeit habe ich die Funktion eines Vermittlers zwischen Kunde und Hersteller. Ich bin sehr aktiv um den bestehenden Kundenstamm zu halten, beziehungsweise diesen auszubauen. Bei unterschiedlichen brancheninternen Treffen bin ich immer dabei. Selbst engagiere ich mich auch in lokalen überfachlichen Netzwerken, beispielsweise am Unternehmerstammtisch, um auch regional die neuesten Informationen zu bekommen. 14. Welche Probleme haben Sie im Rahmen Ihrer selbständigen Tätigkeit? Momentan habe ich Schwierigkeiten bei der Ausübung meiner Tätigkeit, da diese nicht behinderungsgerecht ist. 15. Wenn Sie Hilfsangebote, Förderungen oder auch Arbeitsweisen (auch bei anderen Beteiligten) frei gestalten könnten, was wären die sinnvollsten Änderungen? Ich brauche eine behinderungsbedingte Arbeitsplatzgestaltung. Hierzu bin ich aber Leihe und weiß nicht, was es alles auf dem Markt an technischen Unterstützungsmöglichkeiten gibt. 16. Können Sie selbständig Ihre wirtschaftliche Existenz absichern? Durch meine selbständige Tätigkeit bin ich finanziell abgesichert. Bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden habe ich einen monatlichen Gewinn von ungefähr 2.500,00 Euro. 17. Benötigen Sie eine besondere Unterstützung von der Vorgründungsphase bis zur Nachgründungsphase? Soll in der Nachgründungsphase der Kontakt ­aufrechterhalten und bei unerkannten Defiziten unterstützt werden? Eine Arbeitsplatzbegehung durch einen Fachmann für eine individuelle Arbeitsplatzausstattung wäre sehr gut. Interview 6 vom 24.02.2017 Motivation 1. Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen? Ja, auf jeden Fall. 2. Was hat Sie zur Existenzgründung motiviert? Ich habe keine Arbeit auf den ersten Arbeitsmarkt gefunden. Der Weg in die Selbständigkeit erfolgte aus der Not heraus. 3. Haben Sie bei der Existenzgründung Ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt? Ja, ich kann nur Vorort-Termine wahrnehmen, wenn eine Toilette vorhanden ist. Dieses Handicap habe ich bei der Gründung berücksichtigt und auch abgewogen. Als eigener Herr konnte ich dies sehr gut bei der Gestaltung der

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Arbeitsabläufe berücksichtigen und auch leidensgerecht integrieren. Aufgrund meiner anerkannten Einschränkung muss ich viel Essen und Trinken, was ich durch viele kleine Pausen auch ohne Probleme einrichten kann. 4. Wie hat Ihr soziales Umfeld Sie unterstützt? Ja, meine Frau und meine engen Freunde haben mich eigentlich auf die Idee mit der Selbständigkeit gebracht und sind auch noch heute meine Motivatoren, welche mir stets zur Seite stehen. Gesundheit 5. Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie? Meine anerkannten Behinderungsarten durch die Versorgungsverwaltung sind Morbus Crohn, Depression und Asthma. Aktuell wurde mir ein Grad der Behinderung von 20 zuerkannt. Ich selbst bewerte meine Einschränkung für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben viel höher, sodass ich in ein Widerspruchsverfahren gegangen bin, welches gegenwärtig noch läuft. 6. Wie wirken sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf Ihre selbständige Tätigkeit aus? Ich konnte meine gesundheitlichen Einschränkungen sehr gut kompensieren. Sehr positiv hat sich die selbständige Tätigkeit auf meine Depression ausgewirkt. Ich bin ein vollwertiger Akteur am Arbeitsmarkt und erhalte Anerkennung und Respekt. Dies macht mich sehr stolz. Die Selbständigkeit ist das Beste in meinem Leben. Ich fühle mich frei und richtig! 7. Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf Ihr Wohlbefinden ausgewirkt?) Mental und körperlich hat sich mein Gesundheitszustand verbessert. Ich habe sogar an Körpergewicht zugenommen, welches für die Stabilisierung des Krankheitsbildes Morbus Crohn sehr wichtig ist. Es gab Zeiten, da wog ich mit einer Körpergröße von 1,75 m nur 45 kg. Förderung/Unterstützung 8. Wie entstand der erste Kontakt zum Integratiosamt? Die Wirtschaftsförderung im Landkreis Teltow-Fläming hat mich bei dem Gründungsvorhaben unterstützt und den Kontakt zum Integrationsamt hergestellt. 9. Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/Job-Center oder vom MASGF/ZAB/LASA erfahren? Nein. Ich wurde sogar mit meinem Vorhaben von der Agentur für Arbeit abgelehnt, da mein Umfeld und meine Krankheit nicht in das Schema eines Selbständigen passen.

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Welche Förderleistungen erhalten Sie? Ich habe keine Förderleistungen erhalten. Aktuell läuft das Antragsverfahren. Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen? Das kann ich nicht abschätzen. Ich gehe aber davon aus, dass die Förderung sehr hilfreich ist. 12. Welche Voraussetzungen mussten Sie für eine Förderung erfüllen? Ich habe beim Integrationsamt meinen Feststellungsbescheid und eine Tätigkeitsbeschreibung eingereicht. Unternehmerischer Alltag 13. Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie zusammen? Ich bin sehr stark mit Druckereien vernetzt, denn je nach Inhalt des Auftrages benötige ich eine entsprechende Druckerei. Ein weiterer Kooperationspartner sind die Textilhersteller für Sportler, über welche ich Aufträge zur Gestaltung von Trikots, Laufhosen, Jacken, etc. erhalte. Meine wichtigste Quelle für die Auftragsakquise ist Mundpropaganda und das Onlinenetzwerk Facebook. 14. Welche Probleme haben Sie im Rahmen Ihrer selbständigen Tätigkeit? Die Auftragsakquise ist für mich relativ schwer. Viele sehen Design nicht als eine Dienstleistung an, welche zu bezahlen ist. Sie wird beispielsweise bei einer Bedruckung von T-Shirts einfach vorausgesetzt. Extra für das Design möchten viele nicht bezahlen. Ein weiteres Problem stellen die Zahlungsverzögerungen dar, da ich als Existenzgründer auf jeden Cent angewiesen bin. 15. Wenn Sie Hilfsangebote, Förderungen oder auch Arbeitsweisen (auch bei anderen Beteiligten) frei gestalten könnten, was wären die sinnvollsten Änderungen? Ich benötige dringend ein eigenes Büro, wo ich ungestört meine Tätigkeit ausüben kann. Aktuell wohne ich mit meiner Frau und meinen drei Kindern in einer Dreiraumwohnung. Hier ist man nie allein und man kann sich auch nicht zurückziehen. 16. Können Sie selbständig Ihre wirtschaftliche Existenz absichern? Nein, ich bekomme durch das Jobcenter Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von 700,00 Euro zuzüglich Mietkosten für die Wohnung. Mein durchschnittlicher Gewinn aus meiner selbständigen Tätigkeit beträgt monatlich 200 Euro bei einer 40 Stundenwoche. 17. Benötigen Sie eine besondere Unterstützung von der Vorgründungsphase bis zur Nachgründungsphase? Soll in der Nachgründungsphase der Kontakt aufrechterhalten und bei unerkannten Defiziten unterstützt werden? Ich benötige die gesundheitliche Beratung meines Facharztes und natürlich auch meine Familie und Freunde, die mich unterstützen.

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Interview 7 vom 23.02.2017 Motivation 1. Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen? Ja, auf jeden Fall. 2. Was hat Sie zur Existenzgründung motiviert? Ich war damals arbeitslos mit einem fortgeschrittenen Lebensalter und hatte keine Chance mehr auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in einem Tätigkeitsfeld, welches meine Vorstellungen entspricht. Die Agentur für Arbeit konnte mich nicht vermitteln. Die Angebote, die ich erhielt, waren beispielsweise Tätigkeiten in der Sicherheitsbranche oder als Pförtner. Der Schritt in die Selbständigkeit war eine Notgründung, um nach meinen Vorstellungen am Arbeitsmarkt aktiv zu sein. 3. Haben Sie bei der Existenzgründung Ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt? Ich habe zum Glück nur geringe körperliche Einschränkungen. Durch die damalige Operation an meiner Prostata muss ich öfters auf die Toilette. Bei einer Einstellung wäre diese Einschränkung problematisch. Bei meiner Existenzgründung habe ich die Auswirkungen der Behinderung berücksichtigt. Die Geschäftstätigkeit habe ich an die Behinderungsart und dessen Einschränkungen angepasst. 4. Wie hat Ihr soziales Umfeld Sie unterstützt? Im Jahr 2012 habe ich den Gründungsakt vollzogen. In meinem sozialen Umfeld wurde dies sehr differenziert betrachtet. Mein Lebenszentrum, meine Frau, hat mich sehr stark unterstützt. Darauf habe ich sehr viel Wert gelegt. Das weite soziale Umfeld hat mit Ablehnung, aufgrund meiner Behinderung und meines hohen Lebensalters, reagiert. Gesundheit 5. Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie? Ich hatte Prostatakrebs, welcher aber erfolgreich wegoperiert wurde. Mit diesem Krebsleiden wurde ich als schwerbehinderter Mensch für fünf Jahre befristet anerkannt. 6. Wie wirken sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf Ihre selbständige Tätigkeit aus? Die einzige Einschränkung ist der häufige Toilettengang. 7. Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf Ihr Wohlbefinden ausgewirkt?)

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Die selbständige Tätigkeit war für mich eine mentale Sache. Durch den Erfolg und die Selbstbehauptung ist mein Selbstwertgefühl gestiegen. Glücklicherweise bin ich nicht gescheitert, sonst wäre mein Selbstwertgefühl zerschlagen worden. Ich finde es toll, als behinderter Mensch auf Augenhöhe mit anderen, welche keine Behinderung haben, zu agieren. Mein Gesundheitszustand hat sich mit der Selbständigkeit verbessert. Ich wollte damals unbedingt in die Selbständigkeit und habe nach einem erfolgsversprechenden Geschäftsinhalt gesucht. Geld steht für mich nicht im Vordergrund, sondern die Unabhängigkeit und Flexibilität. Förderung/Unterstützung 8. Wie entstand der erste Kontakt zum Integrationsamt? Durch die Selbstrecherche im Internet und durch Informationen vom Technologie- und Gründerzentrum Bad Belzig bin ich auf das Integrationsamt aufmerksam geworden. Daraufhin habe ich dort angerufen und mich beraten lassen. 9. Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/Job-Center oder vom MASGF/ZAB/LASA erfahren? Unterstützung bekam ich von der Agentur für Arbeit. 10. Welche Förderleistungen erhalten Sie? Durch das Integrationsamt wurde eine Arbeitsplatzausstattung, beziehungsweise die Finanzierung meines Geschäftsautos und die Finanzierung der Computertechnik in Höhe von insgesamt 15.000 Euro gefördert. 11. Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen? Die Förderleistungen waren zwingend für meine Arbeitsfähigkeit notwendig. Ohne diese Hilfen wäre ich nicht da, wo ich heute bin. 12. Welche Voraussetzungen mussten Sie für eine Förderung erfüllen? Das Technologie- und Gründerzentrum erstellte einem Businessplan, welchen ich an das Integrationsamt weitergeleitet habe. Zusätzlich habe ich meine Gewerbeerlaubnis und die kalkulierte Ertragsvorschau beim zuständigen Sachbearbeiter eingereicht. Zur Sicherheit musste ich beim Integrationsamt den KFZ-Brief vom geförderten PKW abgeben. Im Vergleich hierzu habe ich von der Agentur für Arbeit keine aktive Unterstützung erfahren. Im Gegenteil, ich empfinde dort die Verfahrensweise als sehr unangenehm. Die Sachbearbeiter sind dort sehr misstrauisch, ablehnend und haben ein sehr aggressives und unsicheres Verhalten.

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Unternehmerischer Alltag 13. Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie zusammen? Als Immobilienmakler sind Partner für eine erfolgreiche Tätigkeit notwendig, Ich verkaufe zu 99 % meine Dienstleistung über Internetplattformen. Als aktiver Partner bei innoweb.de werden meine Daten und Angebote über alle Immobilienwebseiten gestreut. Mit diesem Fachnetzwerk kann ich Synergien erschließen. Ebenso wichtig sind auch regionale Partner. Das Business Network International (BNI) trifft sich jeden Mittwoch von 7.00 bis 9.00 Uhr, wobei Aufträge, beispielsweise mit Handwerker und Gärtner besprochen und vergeben werden. Mehr als 50 % meiner Aufträge erhalte ich über dieses Netzwerk. Als weitere Plattform nutze ich meine guten Kontakte zum Scheidungsgericht, Familienanwalt, Bestatter als Lebensberater, Banken, usw., um an Aufträge ranzukommen. Eine Kaltakquise muss ich nicht mehr betreiben und Türklinken putzen. Die Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Netzwerk Lebensmitte und dem Netzwerk BVMW stellte sich als nicht effektiv heraus, sodass ich diese auch nicht mehr besuche. 14. Welche Probleme haben Sie im Rahmen Ihrer selbständigen Tätigkeit? Ich habe keine Probleme. Ich bin durch die erfolgreiche Tätigkeit sehr selbstbewusst geworden und fühle mich bestätigt. Ich verdiene genug Geld und kann davon sehr gut leben. Ich habe mit dem Gedanken gespielt zu expandieren und weitere Mitarbeiter einzustellen, aber das schafft nur neue Probleme. Anfänglich habe ich eine Unternehmergesellschaft betrieben, welche aber nicht vom Markt akzeptiert wurde, sodass ich dann schnell zu einer GmbH umfirmierte. 15. Wenn Sie Hilfsangebote, Förderungen oder auch Arbeitsweisen (auch bei anderen Beteiligten) frei gestalten könnten, was wären die sinnvollsten Änderungen? Ich bin zufrieden und glücklich. 16. Können Sie selbständig Ihre wirtschaftliche Existenz absichern? Ja, durchschnittlich verdiene ich 7.000,00 Euro pro Monat bei einer 40 Stundenwoche. Anfänglich musste ich aber weitaus mehr Arbeiten. Damals habe ich mehr als 30 Objekte betreut, wobei es aktuell nur noch 15 Objekte sind. 17. Benötigen Sie eine besondere Unterstützung von der Vorgründungsphase bis zur Nachgründungsphase? Soll in der Nachgründungsphase der Kontakt aufrechterhalten und bei unerkannten Defiziten unterstützt werden? Nein, ich bin komplett zufrieden.

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Interview 8 vom 23.02.2017 Motivation 1. Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen? Ja, aber mein Gesundheitszustand lässt es nicht mehr zu. 2. Was hat Sie zur Existenzgründung motiviert? Ich habe meine selbständige Existenz am 20.02.1992 begonnen. Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich noch keine Behinderungseigenschaft und auch kein Handicap. Anfänglich war ich nebenberuflich tätig. Mit Einschätzung der Geschäftsidee als erfolgsversprechend bin ich hauptberuflich als Versicherungsmakler tätig geworden. Weitere wichtige Kriterien für den Schritt in die Selbständigkeit war die damit verbundene Freiheit, Flexibilität und das selbstverantwortliche Agieren. Ich selbst war davor sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 3. Haben Sie bei der Existenzgründung Ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt? Bei der Unternehmensgründung war ich kerngesund. Erst seit 2004 lässt mein Gesundheitszustand zu wünschen übrig. 4. Wie hat Ihr soziales Umfeld Sie unterstützt? Zum damaligen Zeitpunkt war ich ein Einzelkämpfer. Ich hatte weder Frau noch Kinder, sodass ich mich ganz der selbständigen Tätigkeit widmen konnte. Meine Eltern haben mein Vorhaben sehr kritisch bewertet. Ich wollte aber unbedingt in die Selbständigkeit gehen, sodass ich einfach weghörte. Emotional war es aber eine ganz schwierige Situation, weil meine Eltern nur gewartet haben, dass ich scheitere. Letztendlich konnte ich ihnen das Gegenteil beweisen. Gesundheit 5. Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie? Ich leide unter Multiple Sklerose. Die Krankheit ist schon so weit fortgeschritten, dass ich nicht mehr laufen kann und mich nur noch im Rollstuhl fortbewege. Aktuell habe ich ein Grad der Behinderung von 80 und das Merkzeichen aG. 6. Wie wirken sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf Ihre selbständige Tätigkeit aus? Ich kann keine Hausbesuche mehr machen und arbeite größtenteils nur noch am Computer. Kundenbesuche erhalte ich auch nur selten. Des Weiteren habe ich immer wieder Erschöpfungsphasen, sodass ich manchmal den

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ganzen Tag nicht arbeiten kann. Wiederum gibt es Tage, wo ich voller Kraft acht Stunden und noch mehr arbeiten kann. 7. Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf Ihr Wohlbefinden ausgewirkt?) Multiple Sklerose ist eine fortschreitende Krankheit. Ich selbst möchte aber nicht meine Tätigkeit aufgeben, da ich sonst nicht weiß, was ich machen soll. Die Arbeit ist meine Lebensmotivation. Förderung/Unterstützung 8. Wie entstand der erste Kontakt zum Integrationsamt? Mit der Beantragung einer Pflegestufe erhielt ich die Information, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch das Integrationsamt gewährt werden können. Daraufhin habe ich dort angerufen und der Förderantrag wurde meinerseits dann sehr schnell gestellt. 9. Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/Job-Center oder vom MASGF/ZAB/LASA erfahren? Nein. 10. Welche Förderleistungen erhalten Sie? Durch das Integrationsamt wurden mir zwei kleine Rollstuhlaufzüge, einer drinnen und einer draußen, sowie die behinderungsbedingte Umrüstung meines Büros in Höhe von circa 5.000,00 Euro gewährt. 11. Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen? Mit den Leistungen wurde ich arbeitsfähig, denn ohne die Hilfen wäre keine Selbständigkeit möglich. 12. Welche Voraussetzungen mussten Sie für eine Förderung erfüllen? Ich musste beim Integrationsamt eine Gewerbeerlaubnis, eine Ertragsvorschau und natürlich das Antragsformular abgeben. Unternehmerischer Alltag 13. Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie zusammen? Ich bin schlichtweg nur auf diversen Maklerbörsen online vernetzt. Eine persönliche Netzwerkbeteiligung ist aufgrund meines Gesundheitszustandes nicht möglich. 14. Welche Probleme haben Sie im Rahmen Ihrer selbständigen Tätigkeit? Aktuell habe ich keine Probleme mit der Tätigkeit – nur mein Gesundheitszustand verschlechtert sich kontinuierlich. Ich kann keine Kunden mehr besuchen, wodurch ich einen Kundeneinbruch erlitt.

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15. Wenn Sie Hilfsangebote, Förderungen oder auch Arbeitsweisen (auch bei anderen Beteiligten) frei gestalten könnten, was wären die sinnvollsten Änderungen? Ich bin da, wo ich hinwollte. Durch das Integrationsamt erhielt ich eine punktgenaue Förderung. Der Zeitpunkt und die Bedingungen bei meinem Schritt in die Selbständigkeit waren genau richtig. Negativ ist die Arbeit der Verwaltung dahingehend zu bewerten, dass die Menschen hinter den Schreibtischen zu kleinkariert sind. Die Abruffrist für die 5.000,00 Euro betrug ein Monat. Eine Verlängerung war nicht möglich. Um innerhalb dieser Abruffrist zu bleiben, habe ich schnellstmöglich die Umrüstung beauftragt, was dann auch teurer war. Die Mehrkosten musste ich dann auch noch selber tragen. Wäre die Abruffrist auf wenigsten zwei Monate verlängert worden, dann hätte ich alles wie geplant einbauen lassen können. 16. Können Sie selbständig Ihre wirtschaftliche Existenz absichern? Wenn ich durchschnittlich den monatlichen Gewinn überschlage, dann komme ich auf ungefähr 460,00 Euro/monatlich. 17. Benötigen Sie eine besondere Unterstützung von der Vorgründungsphase bis zur Nachgründungsphase? Soll in der Nachgründungsphase der Kontakt aufrechterhalten und bei unerkannten Defiziten unterstützt werden? Ich brauche dringend Unterstützung bei der Bewältigung von Hausbesuchen oder ähnlichen Tätigkeiten. Die Möglichkeit einer Arbeitsassistenz finde ich sehr interessant und ich werde diese demnächst beantragen. Mehr als nein kann das Integrationsamt auch nicht sagen. Interview 9 vom 21.11.2016 Motivation 1. Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen? Nein. Die wirtschaftlichen Zeiten sind zu schwer geworden. Durch staatliche Abgaben ist eine Wirtschaftlichkeit meines Unternehmens kaum gegeben. Vor meiner Selbständigkeit war ich als Elektromechaniker im Stahlwerk tätig und hatte den besonderen Kündigungsschutz. Meine Eltern kauften das Unternehmen nach der Wende von der Treuhand. Aufgrund fehlender Beratung von allen Seiten fuhr die Glaserei nur auf Sparflamme. Ich selbst habe die Tätigkeit im Stahlwerk aufgegeben und 1993 als Angestellter in der Glaserei gearbeitet. Da es sich um ein handwerkliches Unternehmen handelt, wird ein Meister vorausgesetzt, welchen ich für die Übernahme des Unternehmens erworben haben. Aktuell beschäftige ich zwei sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter.

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2. Was hat Sie zur Existenzgründung motiviert? Der Überlebenstrieb für mich selbst und für die Firma unter sozialpolitischen Gesichtspunkten! Bis dato habe ich 20 Fachleute in meinem Unternehmen ausgebildet. Soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern nimmt einen hohen Stellenwert für mich ein. Ich hatte sehr viele Aufträge, diese sind aktuell aber stark rückläufig. Meine treue Kundschaft erhält das Unternehmen am Leben → ist aber ebenfalls rückläufig. Der Speckgürtel um Berlin ist für mich und mein Unternehmen vorteilhaft. Aktuell schaue ich aber nach einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit, um mich finanziell abzusichern und mehr Zeit für mein Kind zu haben. 3. Haben Sie bei der Existenzgründung ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt? Ich wollte anfänglich Architektur oder Ingenieurwissenschaften studieren, daraus wurde aber nichts, da ich aufgrund meiner Behinderung den Unterricht in der Abendschule nicht folgen konnte. Für die Tätigkeit als Meister, insbesondere bei der Meisterschule, habe ich mich durchkämpfen müssen. Dazu hatte ich volle Unterstützung von der Handwerkskammer erhalten. Die familiäre Unterstützung war für mich auch sehr wichtig, bspw. hatte meine Frau in der Schule handschriftlich mitgeschrieben. Das Integrationsamt und der Integrationsfachdienst beraten sehr umfassend zu den Leistungen. Die Unterstützungsleistungen waren für mich grundsätzlich sehr motivierend. Mein Leistungsvermögen liegt bei ca. 90 %. Im Nachgang der Unternehmensübernahme habe ich festgestellt, dass eine Selbständigkeit nicht mein Ding ist. Die Schreibarbeiten und das Auftragsmanagement habe ich unterschätzt. Ich bin ein Praktiker und möchte reale Werke schaffen. 4. Wie hat Ihr soziales Umfeld Sie unterstützt? Meine Mitarbeiter übernehmen im Unternehmen für mich den Telefondienst, welcher durch das Integrationsamt im Rahmen einer personellen Unterstützung gefördert wird. Zusätzlich habe ich über das Integrationsamt eine Arbeitsplatzausstattung erhalten (Transporter, Arbeitsbank, Computerarbeitsplatz, etc.). Gesundheit 5. Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie? Anatomische Taubheit und seit 2016 Diabetes – aktuell laufen zwei Rechtsstreite aufgrund der Behinderung. Da ich in meinem Umfeld akustisch nicht alles wahrnehme, bin ich bei Werbevertretern, beispielsweise bei der Gestaltung einer Webseite, ausgenutzt worden. Im Nachgang heißt es immer „Ich habe es ihnen ja gesagt!“.

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6. Wie wirken sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf Ihre selbständige Tätigkeit aus? Im direkten Kundenkontakt sehr nachteilig. Ohne technische Unterstützung wäre eine Selbständigkeit nicht möglich. Ebenfalls ist der Konkurrenzkampf am Markt sehr stark, sodass schwächere Wettbewerber zurückgedrängt werden. Ich sehe mich in diesem Fall als Schwächeren. 7. Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf Ihr Wohlbefinden ausgewirkt?) Ja. Den Stress, die doch sehr langen Arbeitszeiten und die Anforderungen von außen (bspw. vom Finanzamt, Krankenkasse, etc.) sind für mich zu viel. Meine Familie (Mutter und Vater) hat mich immer unterstützt und den administrativen Teil, der aus der selbständigen Tätigkeit resultiert, übernommen. Leider sind sie verstorben. Nun habe ich im Büro keine Unterstützung mehr. Die ganzen Schicksalsschläge in der nahen Vergangenheit haben mich psychisch sehr stark belastet, sodass ich nur bedingt arbeiten konnte. Gegenwärtig fahre ich langsam meine selbständige Tätigkeit wieder hoch. Förderung/Unterstützung 8. Wie entstand der erste Kontakt zum Integrationsamt? Eines Tages stand das Integrationsamt bei mir vor der Tür. Ich wusste gar nicht, dass es so eine Behörde überhaupt gibt. Ich selbst habe nie den Kontakt gesucht. Ich glaube, dass die Agentur für Arbeit oder die Wirtschaftsförderung in Oranienburg den Erstkontakt hergestellt hat – sicher bin ich aber nicht. 9. Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/Job-Center oder vom MASGF/ZAB/LASA erfahren? Eine Kreditaufnahme bei der Übernahme des Unternehmens war wegen meiner Behinderung durch die Bank nicht möglich. Eine Starthilfe habe ich vom Integrationsamt in Form einer Arbeitsplatzausstattung durch technischen Beratungsdienst erhalten. 10. Welche Förderleistungen erhalten Sie? Die Wirtschaftsförderung berät mich sehr umfassend und begleitet mich auch sehr aktiv. Sie analysieren meine Verträge und sprechen Empfehlungen aus. 11. Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen? Durch das Integrationsamt und den Integrationsfachdienst wurde mir der Schritt in die Selbständigkeit ermöglicht. Eine fachlich-wirtschaftliche Begleitung erfolgt aber nicht. Eine laufende Unterstützung ist für mich sehr wichtig und auch notwendig. Lediglich der Integrationsfachdienst steht mir immer mit Rat und Tat zur Seite – von Anfang an.

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12. Welche Voraussetzungen mussten Sie für eine Förderung erfüllen? Die Beratung vom Integrationsamt und Integrationsfachdienst war sehr umfassend. Mein Aufwand bei der Antragstellung bis hin zur Förderung war überschaubar. Meine Stellungnahme wurde akzeptiert. Kritisch ist der Aspekt der Bevorteilung, da die Grenzen schnell überschritten sind im Vergleich zu einem nicht-behinderten Menschen. Eine Unternehmensgründung ist eine wachsende Aufgabe, da sich das Unternehmen immer weiterentwickeln muss, um marktfähig zu bleiben. Unternehmerischer Alltag 13. Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie zusammen? Ich arbeite mit vielen Baufirmen zusammen, denn sonst kommt man nicht weit. Die Praxis zeigt aber auch immer wieder, dass Menschen mit einer Behinderung verachtet werden. Das ärgert mich sehr! 14. Welche Probleme haben Sie im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit? Aktuelle Schwierigkeiten, die ich habe, beziehen sich auf mein soziales und finanzielles Umfeld. Ebenso ist die Kundenberatung für mich sehr schwierig. Auch die personelle Unterstützung kann nur bedingt Abhilfe schaffen, da ich letztendlich die Angebote als Fachmann erstellen muss. Des Weiteren wirkt sich der Behinderungsaspekt bei der Auftragsvergabe negativ aus. Behinderte spielen in der zweiten Liga auf dem Arbeitsmarkt, denn man ist ein „Behindi“. Schwerbehinderte Menschen müssen vorsichtig sein, ob man überhaupt anspricht, dass eine Behinderung bei einen selbst vorliegt. Ich bin aufgrund gesammelter Erfahrungswerte sehr skeptisch und vorsichtig gegenüber meiner Umwelt geworden, da eine Behinderung heutzutage immer noch mit einer Krankheit gleichgestellt wird. Auch schwerbehinderte Menschen haben eine gute Ausbildung! 15. Wenn Sie Hilfsangebote, Förderungen oder auch Arbeitsweisen (auch bei anderen Beteiligten) frei gestalten könnten, was wären die sinnvollsten Änderungen? Die Beratung der Kunden müsste anders organisiert werden, ansonsten habe ich keine weiteren Einschränkungen. 16. Können Sie selbständig ihre wirtschaftliche Existenz absichern? Ja, wenn es auch nicht viel ist. 17. Benötigen Sie eine besondere Unterstützung (von der Vorgründungsphase bis zur Nachgründungsphase) Nicht notwendig – der Weg als schwerbehinderter Mensch in eine Selbständigkeit ist einfacher als ein sozialversicherungspflichtiges Anstellungsverhältnis zu finden.

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Interview 10 vom 25.10.2016 Motivation 1. Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen? Ja, definitiv würde ich mich wieder selbständig machen. Meine getroffene Entscheidung für den Schritt in die Selbständigkeit war eine richtige Entscheidung. Momentan will ich meine Praxis vergrößern und Fachpersonal (Logopäden) sozialversicherungspflichtig einstellen. Ebenso bin ich auf der Suche nach einem neuen Standort, beziehungsweise Niederlassung, um den Wirkungskreis zu erhöhen und mehr Patienten bedienen zu können. Der Markt bietet momentan sehr viele Chancen in diesem Tätigkeitsfeld. Es ist mehr Arbeit vorhanden als ich überhaupt ausüben kann. Aktuell muss ich sogar potenzielle Kunden aufgrund mangelnder Kapazitäten absagen. 2. Was hat Sie zur Existenzgründung motiviert? Ich bin ein Heimatrückkehrer. Da es in Guben bei meiner Existenzgründung keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsangebote seitens der Agentur für Arbeit für eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit gab, hatte ich die Möglichkeit einen Gründungszuschuss zu erhalten. In meiner damaligen Heimatstadt Oranienburg, in welcher ich der Arbeit hinterhergezogen bin, konnte ich im Rahmen meines damaligen Anstellungsverhältnisses nicht mehr den arbeitsvertraglichen Pflichten psychisch und physisch nachkommen, meine Existenzgründung war aus der Not heraus. Ich wollte selbst meinen Lebensunterhalt bestreiten und mir die Arbeit nach meinen persönlichen Anforderungen gestalten. Dies ist aufgrund meiner anerkannten Behinderung auch zwingend notwendig. 3. Haben Sie bei der Existenzgründung ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt? Selbst ja – hier habe ich natürlich meine körperlichen Einschränkungen berücksichtigt. Dritte, welche mich bei der Existenzgründung beraten haben, spielten in diesem Aspekt keine Rolle. Lediglich der Arbeitsberater von der Agentur für Arbeit war vom Reha-Team und konnte meine Leitbehinderung und dessen Auswirkungen auf die selbständige Tätigkeit bewerten. Er sah selbst den Schritt in die Selbständigkeit als einziges Mittel für die Erwirtschaftung meines eigenen Lebensunterhaltes. Die Agentur für Arbeit in Oranienburg empfahl mir eine Selbständigkeit in Guben als Logopäde. In Oranienburg war eine Unterstützung durch die Agentur für Arbeit nicht möglich, da damals zu viele Logopäden für diese Region gesucht wurden. Eine Förderung durch die Agentur für Arbeit war somit ausgeschlossen. 4. Wie hat Ihr soziales Umfeld sie unterstützt? Volle Unterstützung – ohne Einschränkungen!

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Gesundheit 5. Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie? Anerkannte Leitbehinderung ist Zöliakie (Stoffwechselerkrankung). Auswirkung sind starke Magen-Darmbeschwerden, Hautausschläge, Schlafstörungen, Unwohlsein. Ebenso sind organische Schäden zu verzeichnen, da sich der Dünndarm beziehungsweise die Darmzotten zurückbilden. Um diese Entwicklung vorzubeugen, muss ich eine strenge Diät durchführen und darf nur bestimmte Lebensmittel essen. Aufgrund dieser einseitigen Ernährung habe ich Mangelerscheinungen, wie bspw. Osteoporose, welche mich beim Tragen und Heben stark einschränken. Vermehrter Stuhlgang, Diabetes und Ruhepausen wirken sich negativ im unternehmerischen Alltag aus. 6. Wie wirken sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf Ihre selbständige Tätigkeit aus? Ich muss Termine absagen, wenn ich meine Diät nicht zu 100 % eingehalten habe, da ich dann die Quittung in Form von M ­ agen-Darmbeschwerden habe. Ebenso führe ich pro Monat eine komplette Büroarbeitswoche durch, da ich dies zur Entspannung brauche. Ruhepausen sind für mich zwingend notwendig, da sonst mein Körper nicht mehr mitspielt. Wenn ich Hausbesuche durchführe, kann ich nicht immer die Sanitäranlagen nutzen, was mich sehr stark einschränkt. Wenn ich nicht auf die Toilette kann, wirkt sich dies sehr schnell negativ auf mein Wohlbefinden aus. Mein Diätplan sieht einen Stoffwechsel mit Mangelerscheinungen vor, sodass ich fehlende Vitamine, Mineralien, etc. künstlich zuführen muss. Diese allgemein ungesunde Lebensweise ist grundsätzlich kontraproduktiv für mein Wohlbefinden. 7. Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf Ihr Wohlbefinden ausgewirkt?) Da ich selbst die Macht meiner Arbeitsorganisation habe, ist es psychisch leichter für mich. Selbstdisposition meiner Arbeit wirkt sich im Ergebnis körperlich positiv aus. Mir geht es im Allgemeinen physisch und psychisch als Selbstständige bedeutend besser. Förderung/Unterstützung 8. Wie entstand der erste Kontakt zum Integrationsamt? Die Information über eine mögliche Förderung durch das Integrationsamt erfolgte über den Bekanntenkreis. Daraufhin habe ich den telefonischen Kontakt zum Integrationsamt gesucht. Die Auskunft war hier sehr mager. Erst mit formloser Antragstellung habe ich gezielte Informationen erhalten. Es erfolgte keine zielorientierte Beratung vor Antragstellung durch das Integrationsamt selbst, was für mich in der Vorgründungsphase sehr

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schwierig und risikoreich war – bekomme ich eine Unterstützung oder nicht! Ich würde mir eine umfassendere Beratung über das gesamte Leistungsspektrum mit allen Fassetten wünschen. Ebenso wäre eine Begleitung bei der Konzepterstellung bis zum Gründungsakt sehr hilfreich. Beim Integrationsamt wurde der Zeitstress bzw. der Termindruck bei einer Gründung nicht berücksichtigt. 9. Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/Job-Center oder vom MASGF/ZAB/ILB/LASA erfahren? Agentur für Arbeit: Gründungszuschuss für 12 Monate, danach 6 Monate Sozialabgabesicherung. Es erfolgte kein Coaching, ärztl. Begutachtung o. ä. durch die Agentur für Arbeit. Die Beratung bestand hier aus 2 Gesprächen vor Ort in meiner Praxis. Bei der Agentur für Arbeit habe ich dann nur meine Antragsunterlagen abgegeben und der Bescheid für eine Förderung wurde erlassen. KfW-Bank: Voraussetzung für eine Unterstützung durch die KfW-Bank war die Teilnahme an einer Unternehmensberatung für Existenzgründer, welche ich privat finanziert habe. LASA: Über den Lotsendienst konnte ich bei einem Gründercoaching teilnehmen. Integrationsamt: Förderung besteht in der Übernahme der Darlehnskosten, aber eine entsprechend Arbeitsplatzausstattung wurde für eine Förderung abgelehnt. 10. Welche Förderleistungen erhalten Sie? Zusammenfassend betrachtet umfassen die Förderleistungen aller Partner ein Coaching, die Finanzierungskosten des Darlehns und den Gründungszuschuss. Für notwendige Qualifizierungsmaßnahmen, Netzwerkarbeit, etc. erfolgte keine Unterstützung. Hier war ich auf mich allein gestellt. 11. Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen? Das Coaching war sehr hilfreich. Für den realistischen Blick und rechtliche Fragen war das Coaching zum einen sehr wichtig und zum anderen wurde mir durch dessen Zuspruch Motivation gegeben. Die Finanzierungskosten für das notwendige Darlehn sind sehr hoch. Die Bank hat nach einer Behinderung gefragt. Mit der Bestätigung wurde ein höheres Risiko pauschal unterstellt. Mit dem Gründungszuschuss konnte ich das erste Jahr – die Talfahrt – überleben und den Lebensunterhalt absichern. Meine ersten Gewinne konnte ich erst nach einem ½ Jahr realisieren. 12. Welche Voraussetzungen mussten Sie für eine Förderung erfüllen? Für den Gründungszuschuss habe ich den Businessplan benötigt. Des Weiteren durfte im Umkreis von 20 km kein Stellenangebot für einen Logopäden ausgeschrieben sein.

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Das Integrationsamt wollte von mir nur einen Businessplan sehen. Die KfW-Bank benötigte zur Antragsbearbeitung den Businessplan und die Vorabqualifikation bzw. die Teilnahme an der Unternehmensberatung für den Aufbau einer selbständigen Existenz. Unternehmerischer Alltag 13. Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie zusammen? Ein Netzwerk mit Logopäden in der Stadt Guben inkl. der Frühförderung und auch ein Netzwerk mit Kindern und diversen Ärzten sind meine intensivsten Netzwerkpartnerschaften. Netzwerkarbeit in meinem Dienstleistungsbereich ist überlebenswichtig. Die Kommunikation des Angebotes und der fachliche Ruf ermöglichen erst eine Marktetablierung. 14. Welche Probleme haben Sie im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit? Das Arbeitspensum, welches ich körperlich erbringen muss, schränkt mich sehr stark ein. Daher unterscheide ich die Arbeit am Patienten und Büroarbeit. Die Büroarbeit ist nicht körperlich schwer und hat somit einen Erholungseffekt. 15. Wenn Sie Hilfsangebote, Förderungen oder auch Arbeitsweisen (auch bei anderen Beteiligten) frei gestalten könnten, was wären die sinnvollsten Änderungen? In der Nachgründungsphase sollte der Kontakt mit den Unterstützern aus der Vorgründungsphase bestehen bleiben, um gegebenenfalls Probleme und Potenziale frühzeitig anzusprechen. 16. Können Sie selbständig ihre wirtschaftliche Existenz absichern? Ja, meine Existenz ist gesichert über dem Harz IV-Niveau. Meine Lebensqualität ist finanziell und gesundheitlich gestiegen. 17. Benötigen Sie eine besondere Unterstützung (von der Vorgründungsphase bis zur Nachgründungsphase)? Nein, die brauche ich nicht.

2. Zusammenfassung Leitfadeninterview Motivation Frage 1

Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen?

Interview 1 vom 14.02.2017

Ja

Interview 2 vom 13.02.2016

Ja

Interview 3 vom 13.02.2017

Ja

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Motivation Frage 1

Würden Sie wieder ein Unternehmen gründen?

Interview 4 vom 17.03.2017

Ja

Interview 5 vom 01.03.2017

Ja

Interview 6 vom 24.02.2017

Ja

Interview 7 vom 23.02.2017

Ja

Interview 8 vom 23.02.2017

Ja

Interview 9 vom 21.11.2016

Nein

Interview 10 vom 25.10.2016

Ja

Motivation Frage 2

Was hat Sie zur Existenzgründung motiviert?

Interview 1 vom 14.02.2017

Unabhängigkeit, freie Arbeitsgestaltung, Notgründung

Interview 2 vom 13.02.2016

Spaß an der Arbeit

Interview 3 vom 13.02.2017

Überzeugt von der Geschäftsidee

Interview 4 vom 17.03.2017

Unabhängigkeit, freie Arbeitsgestaltung, Flexibilität

Interview 5 vom 01.03.2017

Fehlende Akzeptanz in der Leistungsgesellschaft, Notgründung

Interview 6 vom 24.02.2017

Notgründung

Interview 7 vom 23.02.2017

Notgründung

Interview 8 vom 23.02.2017

Überzeugt von der Geschäftsidee

Interview 9 vom 21.11.2016

Notgründung; Familienübernahme

Interview 10 vom 25.10.2016

Notgründung

Motivation Frage 3

Haben Sie bei der Existenzgründung Ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt?

Interview 1 vom 14.02.2017

Ja

Interview 2 vom 13.02.2016

Nein (Behinderung trat erst später auf)

Interview 3 vom 13.02.2017

Ja

Interview 4 vom 17.03.2017

Nein (Behinderung trat erst später auf)

Anlage

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Motivation Frage 3

Haben Sie bei der Existenzgründung Ihre Behinderung bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt?

Interview 5 vom 01.03.2017

Ja

Interview 6 vom 24.02.2017

Ja

Interview 7 vom 23.02.2017

Ja

Interview 8 vom 23.02.2017

Nein (Behinderung trat erst später auf)

Interview 9 vom 21.11.2016

Ja

Interview 10 vom 25.10.2016

Ja

Motivation Frage 4

Wie hat Ihr soziales Umfeld Sie unterstützt?

Interview 1 vom 14.02.2017

Keine Unterstützung

Interview 2 vom 13.02.2016

Familie

Interview 3 vom 13.02.2017

Familie, Netzwerk Behindertenpolitik

Interview 4 vom 17.03.2017

Familie

Interview 5 vom 01.03.2017

Familie

Interview 6 vom 24.02.2017

Familie

Interview 7 vom 23.02.2017

Familie

Interview 8 vom 23.02.2017

Keine Unterstützung

Interview 9 vom 21.11.2016

Familie

Interview 10 vom 25.10.2016

Familie

Gesundheit Frage 5

Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie?

Interview 1 vom 14.02.2017

Schwerhörigkeit, Organschäden, Darmstörung

Interview 2 vom 13.02.2016

Beinversteifung

Interview 3 vom 13.02.2017

Kinderlähmung, Polio

Interview 4 vom 17.03.2017

Blindheit

Interview 5 vom 01.03.2017

Plexuslähmung, Einschränkung der Beweglichkeit beider Knie und Arme

Interview 6 vom 24.02.2017

Morbus Crohn, Depression, Asthma

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Anlage

Gesundheit Frage 5

Welche gesundheitlichen Einschränkungen haben Sie?

Interview 7 vom 23.02.2017

Prostatakrebs

Interview 8 vom 23.02.2017

Multiple Sklerose

Interview 9 vom 21.11.2016

Anatomische Taubheit, Diabetes mellitus

Interview 10 vom 25.10.2016

Zöliakie, Organschäden

Gesundheit Frage 6

Wie wirken sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf Ihre selbständige Tätigkeit aus?

Interview 1 vom 14.02.2017

Keine Einschränkung aufgrund entsprechender Aufgabenorganisation

Interview 2 vom 13.02.2016

Warenannahme, Kundenbedienung und Umfang der Arbeitszeit

Interview 3 vom 13.02.2017

Schwierig bei der Neukundengewinnung, Aufgabenwahrnehmung teilweise problematisch

Interview 4 vom 17.03.2017

Schwierig bei der Neukundengewinnung, Arbeitsablauf ist aufwendiger, Vor- und Nachbereitung der Arbeitsaufgaben ist umfänglicher

Interview 5 vom 01.03.2017

Vor- und Nachbereitung der Arbeitsaufgaben ist umfänglicher

Interview 6 vom 24.02.2017

Häufiger Toilettengang

Interview 7 vom 23.02.2017

Häufiger Toilettengang

Interview 8 vom 23.02.2017

Keine Hausbesuche, Tätigkeit ausschließlich am Computer, unkalkulierbare Erschöpfungsphasen

Interview 9 vom 21.11.2016

Eingeschränkter Kundenkontakt

Interview 10 vom 25.10.2016

Häufiger Toilettengang, unkalkulierbare Erschöpfungsphasen

Gesundheit Frage 7

Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf Ihr Wohlbefinden ausgewirkt?)

Interview 1 vom 14.02.2017

Positive Veränderung

Interview 2 vom 13.02.2016

Negative Veränderung

Anlage

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Gesundheit Frage 7

Wie hat sich die gesundheitliche Situation nach der Unternehmensgründung verändert? (Haben sich die Belastungen negativ auf Ihr Wohlbefinden ausgewirkt?)

Interview 3 vom 13.02.2017

Negative Veränderung

Interview 4 vom 17.03.2017

Negative Veränderung

Interview 5 vom 01.03.2017

Negative Veränderung

Interview 6 vom 24.02.2017

Positive Veränderung

Interview 7 vom 23.02.2017

Positive Veränderung

Interview 8 vom 23.02.2017

Negative Veränderung

Interview 9 vom 21.11.2016

Negative Veränderung

Interview 10 vom 25.10.2016

Positive Veränderung

Förderung/Unterstützung Frage 8

Wie entstand der erste Kontakt zum Integrationsamt?

Interview 1 vom 14.02.2017

Enges soziales Umfeld

Interview 2 vom 13.02.2016

Berufsgenossenschaft

Interview 3 vom 13.02.2017

Integrationsamt

Interview 4 vom 17.03.2017

Netzwerk

Interview 5 vom 01.03.2017

Netzwerk

Interview 6 vom 24.02.2017

Wirtschaftsförderung

Interview 7 vom 23.02.2017

Selbstrecherche

Interview 8 vom 23.02.2017

Pflegeversicherung

Interview 9 vom 21.11.2016

Wirtschaftsförderung, Agentur für Arbeit

Interview 10 vom 25.10.2016

Enges soziales Umfeld

Förderung/Unterstützung Frage 9

Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/ Job-Center oder vom MASGF/ZAB/LASA erfahren?

Interview 1 vom 14.02.2017

Nein

Interview 2 vom 13.02.2016

Nein

Interview 3 vom 13.02.2017

Nein

Interview 4 vom 17.03.2017

Nein

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Förderung/Unterstützung Frage 9

Haben Sie Unterstützung von der Agentur für Arbeit/ Job-Center oder vom MASGF/ZAB/LASA erfahren?

Interview 5 vom 01.03.2017

Nein

Interview 6 vom 24.02.2017

Nein

Interview 7 vom 23.02.2017

Agentur für Arbeit

Interview 8 vom 23.02.2017

Nein

Interview 9 vom 21.11.2016

Nein

Interview 10 vom 25.10.2016

Agentur für Arbeit, MASGF/ZAB/LASA

Förderung/Unterstützung Frage 10

Welche Förderleistungen erhalten Sie?

Interview 1 vom 14.02.2017

Unterhaltssicherungszuschuss, Zinszuschuss für KFZKredit (§ 21 SchwbAV)

Interview 2 vom 13.02.2016

Arbeitsassistenz (§ 17 SchwbAV)

Interview 3 vom 13.02.2017

Arbeitsassistenz (§ 17 SchwbAV)

Interview 4 vom 17.03.2017

Arbeitsassistenz (§ 17 SchwbAV), Arbeitsplatzausstattung (§ 26 SchwbAV)

Interview 5 vom 01.03.2017

Außergewöhnliche Belastung (§ 27 SchwbAV) → Antragsverfahren läuft Arbeitsplatzausstattung (§ 26 SchwbAV)

Interview 6 vom 24.02.2017

Arbeitsplatzausstattung (§ 26 SchwbAV) → Antragsverfahren läuft

Interview 7 vom 23.02.2017

Zinszuschuss für KFZ-Kredit und Arbeitsplatzausstattung (§ 21 SchwbAV)

Interview 8 vom 23.02.2017

Arbeitsplatzausstattung (§ 26 SchwbAV)

Interview 9 vom 21.11.2016

Arbeitsassistenz (§ 17 SchwbAV), Arbeitsplatzausstattung (§ 26 SchwbAV)

Interview 10 vom 25.10.2016

Zinszuschuss (§ 21 SchwbAV), Außergewöhnliche Belastung (§ 27 SchwbAV)

Förderung/Unterstützung Frage 11

Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen?

Interview 1 vom 14.02.2017

Zufrieden

Interview 2 vom 13.02.2016

Förderleistung ist hilfreich, aber schwierig bei der Verwendungsnachweisprüfung

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Förderung/Unterstützung Frage 11

Wie hilfreich sind die bezogenen Förderleistungen?

Interview 3 vom 13.02.2017

Zufrieden

Interview 4 vom 17.03.2017

Zufrieden

Interview 5 vom 01.03.2017

Wenn ich die beantragte Leistung erhalte, bin ich zufrieden

Interview 6 vom 24.02.2017

Wenn ich die beantragte Leistung erhalte, bin ich zufrieden

Interview 7 vom 23.02.2017

Zufrieden

Interview 8 vom 23.02.2017

Zufrieden

Interview 9 vom 21.11.2016

Zufrieden

Interview 10 vom 25.10.2016

Zufrieden

Förderung/Unterstützung Frage 12

Welche Voraussetzungen mussten Sie für eine Förderung erfüllen?

Interview 1 vom 14.02.2017

Einnahmen-/Ausgabenrechnung

Interview 2 vom 13.02.2016

Begründung für die Notwendigkeit (Beschreibung des Nachteils), Antragsformular, Gewerbeanmeldung

Interview 3 vom 13.02.2017

Antragsformular, Gewerbeanmeldung, Tätigkeitsbeschreibung

Interview 4 vom 17.03.2017

Begründung für die Notwendigkeit (Beschreibung des Nachteils), Antragsformular, Einnahmen-/Ausgabenrechnung

Interview 5 vom 01.03.2017

Feststellungsbescheid, Tätigkeitsbeschreibung, Einnahmen-/Ausgabenrechnung, negative Bescheinigung vom Steuerberater für eine drohenden Insolvenzgefahr

Interview 6 vom 24.02.2017

Feststellungsbescheid, Tätigkeitsbeschreibung

Interview 7 vom 23.02.2017

Businessplan, Gewerbeerlaubnis, Einnahmen-/Ausgabenrechnung, Antragsformular

Interview 8 vom 23.02.2017

Gewerbeerlaubnis, Einnahmen-/Ausgabenrechnung, Antragsformular

Interview 9 vom 21.11.2016

Antragsformular, Tätigkeitsbeschreibung, Einnahmen-/ Ausgabenrechnung

Interview 10 vom 25.10.2016

Businessplan

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Unternehmerischer Alltag Frage 13

Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie zusammen?

Interview 1 vom 14.02.2017

Branchennetzwerk auf kommunaler Ebene

Interview 2 vom 13.02.2016

Franchisenetzwerk auf Bundesebene

Interview 3 vom 13.02.2017

Unternehmernetzwerke auf kommunaler Ebene

Interview 4 vom 17.03.2017

Nicht organisiert

Interview 5 vom 01.03.2017

Branchennetzwerk auf kommunaler Ebene, allgemeine Wirtschaftsnetzwerke

Interview 6 vom 24.02.2017

Branchennetzwerk

Interview 7 vom 23.02.2017

Branchennetzwerk

Interview 8 vom 23.02.2017

Branchennetzwerk

Interview 9 vom 21.11.2016

Branchennetzwerk

Interview 10 vom 25.10.2016

Branchennetzwerk

Unternehmerischer Alltag Frage 14

Welche Probleme haben Sie im Rahmen Ihrer selbständigen Tätigkeit?

Interview 1 vom 14.02.2017

Finanzielle Schwierigkeiten

Interview 2 vom 13.02.2016

Mobilität

Interview 3 vom 13.02.2017

Anfängliche Marktnische wurde zu einem Massenangebot – starke Konkurrenz, fehlende Akzeptanz der Behinderung in der Öffentlichkeit

Interview 4 vom 17.03.2017

Fehlende Barrierefreiheit der Fachapplikationen

Interview 5 vom 01.03.2017

Ausübung meiner Kernaufgaben nur bedingt möglich

Interview 6 vom 24.02.2017

Auftragsakquise

Interview 7 vom 23.02.2017

Keine Probleme

Interview 8 vom 23.02.2017

Gesundheitszustand verschlechtert sich

Interview 9 vom 21.11.2016

Auftragsakquise und Kundenberatung

Interview 10 vom 25.10.2016

Zu hohes Arbeitspensum

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Unternehmerischer Alltag Frage 15

Wenn Sie Hilfsangebote, Förderungen oder auch Arbeitsweisen (auch bei anderen Beteiligten) frei gestalten könnten, was wären die sinnvollsten Änderungen?

Interview 1 vom 14.02.2017

Zufrieden

Interview 2 vom 13.02.2016

Selbständigkeit ist letzte Chance zur Teilhabe am Arbeitsleben, bin selbst verantwortlich

Interview 3 vom 13.02.2017

Förderleistung aus einer Hand

Interview 4 vom 17.03.2017

Umsetzung einer flexibleren Arbeitsassistenzleistung

Interview 5 vom 01.03.2017

Behinderungsgerechte Arbeitsplatzausstattung

Interview 6 vom 24.02.2017

Eigenes Büro

Interview 7 vom 23.02.2017

Zufrieden

Interview 8 vom 23.02.2017

Bürokratie

Interview 9 vom 21.11.2016

Unterstützung bei der Kundenberatung

Interview 10 vom 25.10.2016

Kontakt mit den Unterstützern bei der Gründung aufrecht erhalten

Unternehmerischer Alltag Frage 16

Können Sie selbständige Ihre wirtschaftliche Existenz absichern?

Interview 1 vom 14.02.2017

Nein

Interview 2 vom 13.02.2016

Ja

Interview 3 vom 13.02.2017

Nein

Interview 4 vom 17.03.2017

Ja

Interview 5 vom 01.03.2017

Ja

Interview 6 vom 24.02.2017

Nein

Interview 7 vom 23.02.2017

Ja

Interview 8 vom 23.02.2017

Nein

Interview 9 vom 21.11.2016

Ja

Interview 10 vom 25.10.2016

Ja

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Unternehmerischer Alltag Frage 17

Benötigen Sie eine besondere Unterstützung (von der Vorgründungsphase bis zur Nachgründungsphase)?

Interview 1 vom 14.02.2017

Arbeitsplatzausstattung

Interview 2 vom 13.02.2016

Bringschuld der Verwaltung bei der Information von Unterstützungsleistungen

Interview 3 vom 13.02.2017

Nein

Interview 4 vom 17.03.2017

Anpassung einer flexibleren Arbeitsassistenzleistung

Interview 5 vom 01.03.2017

Arbeitsplatzausstattung

Interview 6 vom 24.02.2017

Gesundheitliche Beratung und die Unterstützung des Freundeskreises

Interview 7 vom 23.02.2017

Nein

Interview 8 vom 23.02.2017

Unterstützung bei der Bewältigung von Hausbesuchen

Interview 9 vom 21.11.2016

Nein

Interview 10 vom 25.10.2016

Nein

3. Expertengespräche social impact gGmbH vom 29.01.2016 1. Wie ist der IFD für Selbständige organisiert? Der spezielle IFD für Selbständige existiert seit dem Jahr 2013. Davor waren wir auch schon mit dem gleichen Auftrag als Modellprojekt seit 2004 am Markt. Gefördert wurden wir über die Aktion Mensch, Auerbach Stiftung und aus Mittels des ESF. Das Integrationsamt ist für das operative Tagesgeschäft zuständig. Wir vom IFD begleiten den werdenden Selbständigen persönlich in der Vorgründungsphase. Von der Größenordnung her können wir jährlich circa 100 Existenzgründer unterstützen. Insgesamt sind mit meiner Person 4,17 Vollzeitstellen im besonderen IFD für Selbständige tätig. Die Anfrage zur Begleitung ist sehr viel größer, sodass wir manchmal kapazitätsbedingt absagen müssen. Eine qualitative Begleitung ist für mich wichtiger als umfängliche Erfolgszahlen auf einem Blatt Papier. 2. Wie waren Ihre ersten Tage als IFD mit der besonderen Ausrichtung der Existenzgründungsförderung? Als wir uns als IFD für Selbständige am Markt positionierten, sahen uns alle sehr kritisch mit dem besonderen Arbeitsauftrag an → Menschen mit einer Behinderung in die Selbständigkeit zu führen. Viele vertreten die

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Auffassung, dass dieser Personenkreis nicht den Anforderungen gerecht wird und dass es auch keinen Bedarf gibt. Wir konnten in kürzester Zeit aber das Gegenteil beweisen. Es gab sehr schnell ganz viele Anmeldungen, sodass wir mit Wartelisten arbeiten mussten. Dieser Trend ist auch seit 2013 nicht abgebrochen. Auch heute müssen wir aufgrund der hohen Nachfrage mit Wartelisten arbeiten. Wir vom IFD müssen für unsere besondere Unterstützungsleistung für den Weg in die Selbständigkeit keine Werbung oder ähnliches machen. Die behinderten Menschen suchen uns eigenständig auf. Unsere Beratungsleistung für den Existenzgründer ist sehr wichtig. Grundsätzlich kann ich ihnen sagen, dass jede, aber auch wirklich jede Behinderung, Auswirkung auf die Selbständigkeit hat. Ich kenne keinen einzigen Fall bei den es nicht so war. Wenn eine Behinderung sichtbar für die Kunden ist, so hat es der Gründer sehr schwer sich am Markt zu etablieren. In der Regel werden die Kunden weglaufen, weil ein behinderter Mensch keine Vertrauensbasis besitzt. Dann kommen noch die üblichen Vorurteile hinzu, wie beispielsweise Leistungsfähigkeit und Motivation, was auch nicht geschäftsfördernd ist. Wenn die Behinderungseigenschaft sehr gut organisiert ist, stellt es oft kein Problem dar. Diese sehr gute Organisation setzt aber eine erfolgreiche Geschäftsidee voraus. Bis dato habe ich circa 800 Gründungsberatungen durchgeführt. Ich kann ihnen mit absoluter Sicherheit sagen, dass eine klassische Gründungsberatung bei dieser Personengruppe nicht funktioniert – definitiv! Schon allein im Konzept zur Gründung muss auf die Behinderungseigenschaft eingegangen werden. Es wird aber in der Regel nicht berücksichtigt. Schon allein die üblichen Beratungsstellen sind nicht einmal barrierefrei organisiert. 3. Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Integrationsamt? Wir arbeiten unabhängig vom Integrationsamt. Zwar werden wir über das Integrationsamt, speziell über die Ausgleichsabgabe finanziert, dennoch haben wir keine enge Zusammenarbeit. Der Grund liegt nicht bei uns oder beim Integrationsamt, sondern vielmehr darin, dass viele Gründer mit Behinderung keine finanzielle Förderleistung bekommen wollen. Das Ziel der Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Freiheit sind als Grund für den Schritt in die Selbständigkeit zu nennen. Eine Vielzahl von Existenzgründern haben schlechte Erfahrungen mit dem Integrationsamt gemacht. Ungefähr 95 % der Existenzgründungen, bei denen ein Darlehn gewährt worden ist, sind nur kurzfristig am Markt geblieben. Der Existenzgründer war lebensbiografisch gescheitert und dann kommt das Integrationsamt und fordert noch das Darlehn zurück. Dies war eine Situation, die für alle Beteiligten sehr unschön war. Das ist mit eines der

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Hauptgründe, warum eine quantitative Gründungsberatung für Menschen mit Behinderung nicht zielfördernd ist. Eine ehrliche Unterstützung führt im Zweifel zu einer Ablehnung. Es gibt meiner Meinung nach keinen Grund, warum Existenzgründungen künstlich provoziert werden müssen. Zwar ist die Argumentation mit der flexiblen Gestaltung der Verfahrensabläufe richtig, weil es die Chance einer Integration erhöht, dennoch müssen alle Maßnahmen nachhaltig ausgerichtet sein. Dabei zielen alle Aktivitäten auf die Wirtschaftlichkeit und auf die Gesunderhaltung ab. Selbständigkeit heißt Flexibilität. Flexibilität ist in diesem Kontext präventiv zu bewerten und dies wiederum ermöglicht eine Selbstgestaltung des Vorhabens. Ich kann Ihnen ein Beispiel von einem Autisten nennen. Für ihn konnte kein reizarmer Arbeitsplatz in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gefunden werden. Seine Ausweichmöglichkeit war der Schritt in die Selbständigkeit. Und dieser Schritt war gut – sehr gut. Sein Tätigkeitsfeld war die Architektur, in welchen er bis heute sehr erfolgreich ist. 4. Wird jeder Gründungswille bei seinem Vorhaben unterstützt? Ja, natürlich. Es müssen lediglich die Voraussetzungen für eine Begleitung unsererseits erfüllt sein. Das heißt, die Person muss schwerbehindert oder gleichgestellt sein und SGB II-Leistungen beziehen. Wenn sich aber in den Gesprächen herauskristallisiert, dass das Vorhaben – aus welchen Gründen auch immer – zum Scheitern verurteilt ist, raten wir den Betroffen ab. Er selbst muss aber entscheiden, ob er den Weg weitergehen möchte. Da wir eine große Nachfrage bei der Gründungsbegleitung haben, werden wir solche Personen aus der weiteren Unterstützung ausschließen. Das ist zwar traurig und nicht immer so einfach, aber wir müssen auch anderen die Chance geben, sich selbständig zu machen. Man muss in diesem Zusammenhang auch anbringen, dass unsere Unterstützungsleistung nur für ein halbes Jahr ausgelegt ist. Wer bis dahin nicht den Gründungsakt vollzogen hat, wird auch aus dem Programm ausgeschlossen. Lediglich wenn der Existenzgründer plausible Gründe hat, warum er eine längere Unterstützung benötigt, werden wir ihn weiter begleiten. In der Regel liegt aber der maximale Betreuungsumfang bei sechs Monaten. 5. Auf welche Erfolge können Sie zurückblicken? Wir sind als IFD für die Integration auf dem Arbeitsmarkt sehr erfolgreich! Von zehn Teilnehmern machen sich drei Teilnehmer im Haupterwerb und fünf Teilnehmer im Nebenerwerb selbständig. Ich glaube, die Zahlen sprechen für sich. Aber in diesem guten Ergebnis steckt sehr viel Arbeit. Beratung und Unterstützung in Form eines Nachteilsausgleiches erfordert grundlegend eine intensive Beratung. Nur mit einer ehrlichen, offenen

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und umfassenden Beratung kann eine nachhaltige Selbständigkeit für den besonderen Personenkreis gewährleistet werden. Das bestehende Konzept ist gut, sprich sehr gut. 75 bis 80 % unserer Unterstützungsfälle sind erfolgreich am Markt aktiv. Gut, wir haben auch Abbrecher. Dies liegt aber nicht daran, dass sie wirtschaftlich versagt haben. Vielmehr hat sich eine neue Situation ergeben. Beispielsweise hatte ich einen sehr erfolgreichen Händler für Elektronikwaren in die Selbständigkeit begleitet. Das Geschäft lief und er hat nebenbei ein Studium absolviert. Als er damit fertig war, rief er mich an und sagte, dass er jetzt mit seiner neuen Qualifikation eine reguläre Arbeit nachgehen möchte und daher sein Unternehmen schließt – trotz Erfolg! Existenzgründer, die aus der Not heraus gründen, haben meist eine hohe Eigenmotivation. Den Schritt in die Selbständigkeit aus Lust und Laune heraus zu wagen – frei nach dem Motto „Ich probiere mal…“ – bringt schon eine schlechte Ausgangsbasis mit sich. Wenn dann die üblichen Hürden wie erhöhte Arbeitszeit und wenig Gewinn hinzukommen, schmeißen viele die Selbständigkeit. Wenn aber eine zielstrebige Motivation besteht, dann beißt man sich durch das anfängliche Tal. 6. Wie sieht die Gründungsbegleitung im Detail aus? Ganz zum Anfang steht der Erstkontakt. Dieser Erstkontakt erfolgt in der Regel über E-Mail oder Telefon. Bei diesem Erstkontakt findet keine Ablehnung statt. Jeder erhält die Chance! Im nächsten Schritt wird ein Einführungstag durchgeführt. Diesen Einführungstag müssen sie sich als eine reine Informationsveranstaltung vorstellen. Mindestens fünf potenzielle Gründer werden bei dieser Gruppenveranstaltung zu der Arbeit und zu den Aufgaben des Integrationsfachdienstes, zu den Inhalten der Förderung, aber auch zu den Fördervoraussetzungen beraten. Die inhaltlichen Förderdetails sind aber etwas zu vernachlässigen, da es erstmal auf die Möglichkeit der Selbständigkeit mit einer entsprechenden Geschäftsidee ankommt. Das zugrundeliegende Konzept ist für mich sehr wichtig. Der Businessplan sollte, wenn möglich schon zu 50 % stehen, sodass die andere Hälfte mit Unterstützung durch die Berater vervollständigt werden kann. Wenn der Gründer nicht abgeschreckt ist und sein Vorhaben weiterhin verfolgten möchte, eine Nachhaltigkeit aus meiner Perspektive gegeben ist, dann erfolgt im nächsten Schritt ein individuelles Gespräch. In diesem Gespräch muss offen über die Behinderung gesprochen werden – auch wenn es Einschränkungen sind, wofür man sich schämt. Je ehrlicher man zu sich selbst ist, desto höher sind die Erfolgschancen. Es werden konkrete Vereinbarungen getroffen und Ideen, wie der Gründungsakt erreicht werden kann, ausgetauscht. Grundsätzlich muss aber der Mensch mit Behinderung die Geschäftsidee haben.

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Wir vom Integrationsfachdienst verstehen uns ausschließlich als Begleiter. Es gibt zwei Typen von Existenzgründer, die zu uns kommen. Der einfache Typ ist ein Existenzgründer, der bereits alles bis ins kleinste Detail durchgeplant hat. Hier bedarf es beispielsweise eine Unterstützungsleistung bei den Behördengängen. Der zweite Typ umfasst Gründer, welche sich ihres Vorhabens noch nicht so sicher sind. Hier unterstützen die Berater auch, indem die Ideen gemeinsam konkretisiert werden. Wenn das Gespräch von beiden Seiten als erfolgreich bewertet wird, dann beginnt die eigentliche Gründungsberatung. Die Behinderung muss in jeder einzelnen Phase der Begleitung thematisiert werden. Nur so ist eine nachhaltige Ausrichtung des Vorhabens möglich. Als Beispiel kann ich ihnen hier aus einem aktuellen Fall berichten. Der Gründer hatte als anerkannte Behinderung den Suchtmittelmissbrauch Alkoholismus durch die Versorgungsverwaltung anerkannt bekommen. Er hat diverse Entzugsmaßnahmen durchgeführt und wollte sich dem Arbeitsmarkt erneut stellen. Wir haben uns offen und ehrlich zu seiner Behinderung und dessen Auswirkungen verständigt. Dabei habe ich auch den Gründer erklärt, dass die Informationen beim Integrationsfachdienst bleiben und er keine Angst haben muss, dass diese an die Agentur für Arbeit oder an das Integrationsamt weitergeleitet werden. Bei der direkten Vorbereitung auf die Selbständigkeit führen wir auch Schulungen und Seminare durch. Das besondere hierbei ist, dass es sich nicht um verschulte Seminare handelt. Die Kurse sind inhaltlich auf die Teilnehmer abgestimmt. Dies bringt mich gleich zu einem weiteren Vorteil unserer Arbeit. In den Schulungen lernen sich die potenziellen Gründer kennen und tauschen Erfahrungen untereinander aus. Das Ziel der Vernetzung wird mit den benannten Schulungen, aber auch mit diversen Netzwerktreffen, erreicht. Viele Existenzgründer mit einer Behinderung haben Schwierigkeiten über ihre Probleme, Ansichten und Meinungen zu sprechen – erstrecht mit fremden Personen. Netzwerkstrukturen sind wichtig und sollten gerade bei jungen Existenzgründern nicht unterbewertet werden. Nach sechs Monaten ist es soweit. Es muss nun eine Entscheidung getroffen werden, ob eine weitere Unterstützungsleistung notwendig ist. Die Existenzgründungsberatung ist als ein ganzheitliches Angebot zu verstehen. Hierzu gehört nicht nur Businessplan schreiben, Standortwahl bewerten und Finanzierungsplan bearbeiten, sondern auch Kinderbetreuungsmöglichkeiten für den Existenzgründer suchen oder zu schauen, ob die Familie beim Vorhaben unterstützt. Das sind alles Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Ich habe schon einige Gründer erlebt, bei denen die Beziehung durch die Selbständigkeit gescheitert ist. Glauben sie

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mir, niemand möchte vor der Entscheidung stehen – Arbeit oder Lebenspartner! Wirft man die Selbständigkeit hin, mangelt es an Geld, woraus wieder ein Beziehungskonflikt entstehen kann. Wählt man die Arbeit, so läuft man Gefahr, dass die Partnerschaft auseinandergeht. Beide Situationen sind nicht schön. Man muss die Balance finden, aber diese auszuloten ist nicht einfach. social impact gGmbH vom 05.02.2016 Teilnahme am Einführungstag Zur Situation: An der Informationsveranstaltung haben fünf potenzielle Existenzgründer teilgenommen, welche die Selbständigkeit als Möglichkeit zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht ganz ausschließen. An einem großen runden Tisch sitzen die Teilnehmer und Herr Radermacher. Eingehens stellt Herr Radermacher das Unterstützungsangebot vom Integrationsfachdienst dar und versucht mit den Teilnehmern in einen offenen Dialog zu treten. Er fordert alle Teilnehmer auf, sich mit ihrer Gründungsidee kurz vorzustellen. Teilnehmer 1: Frau mit einer Blindheit In meiner Freizeit berate ich sehr oft Freunde zu rechtlichen Fragestellungen. Ich selbst beziehe Arbeitslosengeld II, bin jung und möchte mich endlich behaupten. Es ärgert mich sehr, dass ich aufgrund meiner Blindheit in der Öffentlichkeit nicht erst genommen werde. Meine Freunde aber sind der Meinung, dass ich mich als Rechtsanwältin behaupten kann. Ich bin eine Fachfrau – das ist unbestritten. Es macht mir auch Spaß. Ich weiß nur nicht, wie ich die Mandanten gewinnen soll. Es ist für mich eine schwierige Situation und ich hoffe, sie können mir helfen. Teilnehmer 2: Jugendlicher mit kognitiver Behinderung in Beisein einer Begleitperson Ich möchte mich auch selbständig machen. Ich habe eine sehr gute technische Idee. Man könnte eine App programmieren, welche immer das aktuelle Werbeprospekt von dem Geschäft anzeigt, bevor ich es betrete. Die Idee ist großartig und findet bestimmt ganz viele Nutzer. Mein Problem aber ist, ich habe von der Programmierung, insbesondere von Apps, keine Ahnung.

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Teilnehmer 3: Frau mit einer körperlichen Behinderung Seit nunmehr vielen Jahren bin ich arbeitslos und bekomme auch keinen Job. Die Situation nervt, da man immer auf der Stelle herumtrampelt und keinen Schritt vorankommt. Ich möchte nicht den ganzen Tag herumsitzen und warten, bis ich mein Arbeitslosengeld II auf dem Konto habe. Ich möchte mich betätigen. Ich habe einen großen Haushalt mit Mann und Kindern. Meine tägliche Aufgabe besteht daran, alles sauber zu halten, zu kochen, Wäsche zu waschen und so weiter. Ich möchte das, was ich schon privat mache, als Selbständige ausführen. Ich muss raus aus meinen vier Wänden, sonst fällt mir die Decke auf dem Kopf. Teilnehmer 4: Mann mit einer befristeten organischen Behinderung Ich war schwer krank und befinde mich nun wieder auf dem Weg der Besserung. Seit mehr als zwei Jahren sitze ich nun Zuhause – ich muss raus! Das Jobcenter versucht mich auf den Arbeitsmarkt zu vermitteln. Aber mal ehrlich, die Chancen hierfür stehen sehr schlecht. Wer möchte einen alten und kranken Mitarbeiter einstellen? Als Alternative hierzu dachte ich mir, ich nehme die Zügel selbst in die Hand. Garten- und Landschaftsbau sind mein Ding. In diesem Bereich möchte ich mich selbständig machen. Bedarf gibt es definitiv. Ich muss nur sehen, wie ich manche Tätigkeiten ausführen kann. Rasenmähen, Heckeschneiden, Umgraben und so weiter ist kein Problem. Schwierig wird es bei Tätigkeiten, wo man als Einzelperson nicht weiterkommt. Zum Beispiel bei Baumfällarbeiten oder Grünarbeiten am Straßenrand. Da braucht man mindestens einen Kollegen. Aber erstmal anfangen. Vielleicht kann man sich, wenn man die Aufträge hat, erweitern – vom Aufgabenspektrum und von den Personen her. Teilnehmer 5: Mann mit körperlicher Behinderung Ich freue mich sehr, dass ich heute hier sein darf. Es ist auch gut zu wissen, dass ich nicht die einzige Person mit dem Gedanken einer Selbständigkeit bin. Ich bin auch schon mehrere Jahre aus dem Arbeitsleben raus. Als Langzeitarbeitsloser mit einer sichtbaren Behinderung ist es unmöglich einen normalen Job zu bekommen. Überwiegend habe ich als Fachkraft nur Helfertätigkeiten vorgeschlagen bekommen, welche ich zum Teil auch gar nicht aufgrund meiner Behinderung ausüben könnte. Nun erklären sie mal den Arbeitsvermittler, wo das Problem liegt. Für die bin ich nur eine Zahl im System. Ich habe keine Lust mehr auf diese Abhängigkeit. Immer wieder muss ich mich rechtfertigen, warum ich nicht arbeiten gehe. Mir reicht es. Ich bin Schlosser, kann Schweißen, habe einen Führerschein und bin auch gut in dem, was ich mache. Ich stelle mir einen Hausmeisterservice vor. Kleine Reparaturarbeiten, die Außenpflege, den Mülldienst

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und auch Reinigungsarbeiten sind für mich kein Problem. Ich möchte mein Vorhaben durchziehen und hoffe auf ihre Unterstützung. Nach der Vorstellungsrunde: Nachdem die Teilnehmer ihre Motivation und die Geschäftsidee kurz dargestellt haben, schildert Herr Radermacher das Projekt und die einzelnen Schritte. Danach hat er alle Teilnehmer aufgefordert, falls noch an der Idee der Selbständigkeit festgehalten wird, einen Termin für ein individuelles Gespräch zu vereinbaren. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg vom 25.05.2016 Frage: Das Existenzförderprogramm seitens des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie ist sehr umfassend. Können Sie mir einige Informationen geben, wie genau das Förderprogramm ausschaut? Die Existenzgründungsförderung im Land Brandenburg ist sehr komplex, daher sind wir auch so erfolgreich. Grundsätzlich müssen sie sich das Programm in drei Bereiche vorstellen. Der erste Bereich ist die Öffentlichkeitsarbeit. Nur wenn ich weiß, dass es für die Existenzgründung eine Unterstützung gibt, kann ich die Leistung auch in Anspruch nehmen. Das heißt im Umkehrschluss, an möglichst vielen Stellen muss hierzu kommuniziert und informiert werden. Diverse Aktivitäten finden an den allgemeinen Schulen und Hochschulen statt. Darüber hinaus werden Preise und Auszeichnungen vergeben, um das Thema in der breiten Öffentlichkeit zu kommunizieren. Der zweite Teil des Programms beinhaltet die eigentliche Unterstützung für den zukünftigen Existenzgründer. Besondere Beratungsdienste werden hierfür vorgehalten. Da das ganze Vorhaben auf Projektstrukturen aufgebaut ist, müssen sich die Beratungsdienste regelmäßig bewerben. Dies sichert die notwendigen Qualitätsstandards bei den Projektpartnern. Ganz einfach betrachtet müssen sie sich die Beratungsdienste als eine Serviceleistung, welche sich an besonderen Personengruppen orientiert, vorstellen. Die regionalen Lotsendienste richten sich dabei an eine breite Personengruppe. In der Regel sind es Fachleute, die lediglich eine Unterstützung in der Vorgründungsphase suchen. Der Inhalt der Geschäftsidee steht hierbei meist schon fest. Die Gründungswerkstätten zielen auf einen jüngeren Personenkreis ab. Dieser ist gekennzeichnet durch Jugendliche, welche sich überwiegend noch in einer Orientierungsphase befinden. Durch eine intensive Begleitung und Unterstützung des Jugendlichen steht aber nicht die Existenzgründung als oberstes Ziel, sondern vielmehr die Arbeitsmarktintegration, im Vordergrund. Durch die intensive Begleitung wird eine Nachhaltigkeit – gerade in ungewissen Situationen – ermöglicht. Wenn durch den

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Betreuer und durch den Jugendlichen die Selbständigkeit als erfolgsversprechend bewertet wird, so werden alle möglichen Maßnahmen aktiviert, um eine bestmögliche Unterstützung sicherzustellen. Ein weiterer besonderer Beratungsservice wird an den Hochschulen im Land Brandenburg vorgehalten. Hier wollen wir besonders die Innovationen fördern. Alle Programmelemente zielen auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze ab. Zum einen wird indirekt mit der Existenzgründung ein Arbeitsplatz geschaffen und zum anderen kann es sein, sprich – wenn das Vorhaben erfolgreich ist, dass Mitarbeiter eingestellt werden. Dies ist aber nicht so einfach. Bis der Existenzgründer selbst eigene Mitarbeiter einstellen kann, muss er in der Regel die anfänglichen Hürden überwunden und sich am Markt etabliert haben. Wichtig bei allen Gründungsvorhaben ist die nachhaltige Ausrichtung. Eintagsfliegen oder Schnapsideen werden nicht gefördert. Wenn der Gründungscoach erkennt, dass bei dem Vorhaben keine Chance auf Erfolg besteht, wird die Unterstützung in einer frühen Phase beendet. Wird durch den Coach die Gründungsidee erfolgreich bewertet, so erstreckt sich die Unterstützung auch auf individuelle Qualifizierungsmaßnahmen innerhalb der Vorgründungsphase. Lassen sie mich den Ablauf in Schritten darstellen. Zum Anfang erfolgt das Erstgespräch. In diesem Gespräch wird geklärt, ob der Gründer in das Projekt aufgenommen wird. Bei einem positiven Ausgang wird im nächsten Schritt das sogenannte Development Center durchgeführt. Es umfasst einheitlich vier Tage. Dabei wird die Maßnahme in kleinen homogenen Gruppen durchgeführt, beispielsweise nach dem Geschlecht oder nach dem Geschäftsinhalt. Ziel ist dabei, dass neben dem fachlichen Input auch die Geschäftsidee ausgebaut wird und sich eine Art Gründerpersönlichkeit entwickelt und auch einstellt. Der nächste Schritt beinhaltet die individuellen Qualifizierungsmaßnahmen, welche für eine nachhaltige Gründung notwendig sind. Beispielsweise kann den Gründer hierbei ein Coach oder ein Mentor zur Seite gestellt werden. Mit dieser fachlichen Unterstützung ist die Gründerperson bei der Kapitalbeschaffung oder beim Aufbau des Standortes klar im Vorteil. Durch Profis werden die wichtigen Aspekte aufgezeigt, man wird direkt bei Gesprächen unterstützt und es werden unterschiedliche Möglichkeiten des Marketings aufgezeigt. Ich kann ihnen in diesem Zusammenhang noch viel mehr Maßnahmen aufzeigen, aber ich glaube, dass sprengt jetzt den Rahmen. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass alle individuellen Qualifizierungsmaßnahmen bei der Person gegriffen haben, erfolgt im nächsten Schritt die eigentliche Gründung. Der Erfolg des Programms wird daran gemessen, wie viele Teilnehmer, die eine Qualifizierungsmaßnahme absolviert haben, sich im Anschluss daran selbständig machen. Bei dem Lotsendienst beträgt die Erfolgsquote 60 %, bei den Gründungswerkstätten 40 % und der

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Hochschulgründungsservice definiert selbst seine Erfolgsquote. Das Massenprogramm erfolgt aber über den Lotsendienst. Die Gründungswerkstätten und der Hochschulgründungsservice machen nur einen verhältnismäßig geringen Anteil aus. Hier liegt auch die Erfolgsquote mit 60 % am höchsten. Der große Anteil des Lotsendienstes lässt sich auch darüber erklären, dass überwiegend arbeitslose Personen das Angebot in Anspruch nehmen. Die Gründungswerkstatt ist für Leute bis 30 Jahre, vorher war es sogar gedeckelt bis 27 Jahre. Der Grund dieser Altersbeschränkung ist in der intensiven sozialpädagogischen Betreuung zu sehen. Diese enge Begleitung ist sehr aufwendig. Junge Menschen, die sich in der Orientierungsphase befinden, werden unterstützt. Ich glaube nicht, dass dies noch bei einer fünfzigjährigen Person notwendig ist? Der Gründungsservice an den Hochschulen ist geprägt durch Innovation, beziehungsweise durch Gründungen aus der Hochschule heraus. Damit wären wir schon beim dritten Teil der Existenzgründungsförderung – die Finanzierung. Um die Produkt- oder Prozessinnovation voranzutreiben, werden hier Fördergelder genutzt. Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung im Land Brandenburg wird das Innovationspotenzial geprüft, sodass im besten Fall eine Förderung von bis zu 100.000 Euro für Inventionen und Personal gewährt werden kann. Sie sehen, das Programm ist sehr umfassend. Angefangen von der Motivationsaktivierung, über die Gründungsbegleitung und bis hin zur finanziellen Förderung sind wir im Land Brandenburg sehr gut aufgestellt. Frage: Sie haben angesprochen, dass das Development Center in homogenen Gruppen durchgeführt wird. Dabei haben sie die Homogenität beispielsweise an der Geschäftsidee oder am Geschlecht festgemacht. Gibt es auch eine Unterstützung für Menschen mit Behinderung? Das Existenzgründungsförderungsprogramm sieht ein so spezielles Beratungsund Unterstützungsangebot nicht vor. Im Erstgespräch steht ausschließlich die erfolgreiche Geschäftsidee im Fokus. Gleichwohl wird die Gründerperson in Bezug auf ihre Persönlichkeit und Qualifikation beurteilt. Sind nicht die ­notwendigen Voraussetzungen – unabhängig von einer Behinderung – gegeben, so wird die Aufnahme in das Projekt verwehrt. Um auf ihre Frage zurückzukommen: Natürlich, wir haben auch Menschen mit einer Behinderung in die Selbständigkeit begleitet, da alle Voraussetzungen gegeben waren. Eine genaue Zahl kann ich Ihnen aber nicht nennen, aber ich bin überzeugt, dass es nicht wenige Existenzgründer sind.

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Frage: Kooperieren Sie mit dem Integrationsamt oder mit der Agentur für Arbeit? Nein, eine enge Zusammenarbeit findet nicht statt. Meiner Meinung nach ist es auch nicht zwingend notwendig. Wenn sie sich bei der Agentur für Arbeit nach einer Selbständigkeit erkundigen, werden Sie in der Regel zum Lotsendienst informiert. Die Agentur für Arbeit übt mit ihrer Förderleistung nach dem SGB III volles Ermessen aus, was in der Vergangenheit zu einem Einbruch der Gründungen führte. Wir haben aber die Talfahrt überstanden und bewegen uns langsam wieder in einem guten Wachstumsbereich. Durch die aktuell sehr gute konjunkturelle Lage, ist auch der Bereich der sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnisse gestiegen. Gleichzeitig wurde die großzügige Gründungsförderung der Agentur für Arbeit in eine Ermessensleistung umgewandelt. All diese Kriterien und noch viel mehr lassen die Behauptung zu, dass ein finanzielles Ausnutzen des Programms zwar vorkommt, dies aber doch nur eine sehr geringe Fallzahl darstellt. Agentur für Arbeit vom 07.09.2016 Frage: Der Gründungszuschuss seitens der Agentur für Arbeit ist sehr umfassend. Können Sie mir einige Informationen geben, wie genau die Förderung nach dem § 93 SGB III ausschaut? Der Gründungsausschuss, so wie wir ihn heute kennen, ist Ende 2011 grundlegend neu konzipiert worden. Von einer Pflichtleistung hin zu einer Ermessensleistung wurden viele Änderungen getroffen. Können sie sich an die Ich-AG`s erinnern? Die sind vor dieser Änderung aus dem Boden geschossen. Arbeitslose, die sich mal ausprobieren oder die kurzfristige Überbrückung einer Arbeitslosigkeit erreichen wollten, haben die Pflichtleistung sehr gern in Anspruch genommen. Von einer Nachhaltigkeit war hier keine Rede mehr. Im Gegenteil, durch falsche Vorstellungen, einer unzureichenden Geschäftsidee oder die nicht gerade für eine Selbständigkeit vorhandene Gründerpersönlichkeit waren Garanten dafür, dass die Existenzgründung spätestens mit Ablauf der Förderung aufgegeben wird. Mit der neuen Regelung, welche mittlerweile auch schon wieder in die Jahre gekommen ist, wollte man einen Riegel für diese unsachgemäße Förderung vorschieben. Unsachgemäß ist vielleicht hierfür das falsche Wort. Vielmehr gab es damals eine andere Perspektive. Durch die hohe Anzahl an arbeitslosen Bürgern wurde vorrangig nach jeder Möglichkeit geschaut, wie sie in den Arbeitsprozess wieder eingliedert werden können. Die Nachhaltigkeit spielte keine Rolle. Der Fachkräftemangel und die doch sehr viel unbesetzten Stellen auf dem Arbeits-

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markt standen und stehen auch heute noch mit der Selbständigkeit in Konkurrenz. Die Agentur für Arbeit ist in erster Linie bestrebt, Menschen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu vermitteln. Die Selbständigkeit nimmt dabei keine besondere oder wichtige Rolle ein. Es ist lediglich als ein Erwerbsmodell zu sehen, welches anzustreben ist, wenn alle anderen Maßnahmen der Arbeitsmarktintegration gescheitert sind. Die Fördervoraussetzungen sind zu unterscheiden in objektive und subjektive Kriterien. Zu den objektiven Kriterien zählen beispielsweise die Anspruchsvoraussetzung auf Arbeitslosengeld I von noch mindestens 150 Tagen und eine erschwerte Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Die subjektiven Kriterien zielen auf die Bewertung der Nachhaltigkeit ab. Hier wird insbesondere geschaut, ob die Geschäftsidee tragfähig ist, die notwendigen Persönlichkeitseigenschaften vorhanden sind und ob es das soziale, beziehungsweise das familiäre Umfeld zulässt. Da brauchen wir uns nichts vormachen – der Schritt in die Selbständigkeit bedeutet sehr viel Arbeit. Dabei werden zeitliche Kapazitäten gebunden, sodass andere Sachen zwangsläufig vernachlässigt werden. Das ist aber der Preis der Selbständigkeit, welcher oft nicht gesehen wird. Es gehen bei uns sehr viele Anfragen für eine Unterstützung bei der Existenzgründung ein. Das Vermittlungsgebot steht hier an erster Stelle. Die Prüfung der persönlichen und fachlichen Eignung kann bei Unsicherheit des Vermittlers als interne Dienstleistung innerhalb der Agentur für Arbeit in Anspruch genommen werden. Experten bewerten den Antragsteller und bestätigen die Eignung oder nicht. Grundsätzlich umfasst der Förderzeitraum sechs Monate. Die Förderung setzt sich aus dem Arbeitslosengeld I plus zusätzlich 300,00 Euro zusammen. Die zusätzlichen 300,00 Euro sind meiner Meinung nach nicht viel, sodass ein Missbrauch gering ist. Für die Person, die aber eine echte Gründung vollziehen will und sich am Markt noch etablieren muss – für die ist es eine echte Unterstützung. Wie gesagt, die erste Förderung umfasst sechs Monate. Anschließend können noch weitere neun Monate mit jeweils 300,00 Euro gewährt werden. Bedingung seitens der Agentur für Arbeit ist, dass der Gründer darlegt, wie er die Selbständigkeit nachhaltig ausübt. Ist der Gründer nicht zur nachhaltigen Ausübung bestrebt, kann die weitere Förderung abgelehnt werden. Auch hier besteht kein Rechtsanspruch. Abschließend ist anzumerken, dass die Existenzgründungen vorrangig von den Menschen bevorzugt werden, die sich selbstverwirklichen wollen und ein genaues Ziel vor Augen haben. Notgründungen sind meiner Meinung nach zum Großteil nicht nachhaltig. Durch die Suche nach einem Ausweg aus einer ungünstigen Lage ist die Interpretation des Gründers nicht in erster Linie auf Erfolg ausgelegt,

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sondern vielmehr auf die Beendigung einer schlechten finanziellen Situation. Durch das fehlende Kapital wird, insbesondere im Dienstleistungsbereich, die angebotene Leistung nur provisorisch ausgeführt. Dies wiederum bedeutet, dass eine Marktetablierung sehr schwer ist. Das Ergebnis steht also schon von Anfang an fest: Der Gründer wird sich – wenn überhaupt – nur mittelfristig am Markt halten können. Weitere Förderungen sehe ich kritisch, da dies genau diese Notgründungen fördert. Meiner Meinung nach müssen die Geschäftsidee und ein Mindestmaß an Know-how vorhanden sein. Der Antrieb aus einer Notsituation heraus beinhaltet dies in der Regel nicht. Expertengespräch bei der ZukunftsAgentur Brandenburg (heute Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH) vom 18.04.2016 Frage: Das Land Brandenburg unterstützt potenzielle Existenzgründer bei ihrem Vorhaben. Die ZukunftsAgentur kooperiert mit dem MASGF und evaluiert mit unter das Programm zur Existenzgründungsförderung. Können Sie mir hierzu einige Informationen geben, wie erfolgreich das Programm ist und welche Rolle die ZukunftsAgentur genau einnimmt? Das Programm im Rahmen der Existenzgründungsförderung ist sehr vielfältig. Die Förderpalette ist dementsprechend auch sehr groß. Ich selbst bin Beraterin für die Qualifizierung/Coaching von Existenzgründern. Die Nachfrage einer Unterstützung ist sehr groß. Bevor wir in die einzelnen Details reingehen, möchte ich ihnen einige Zahlen zeigen. Wie sie bestimmt wissen, haben wir im Land Brandenburg die Lotsendienste, die Gründungswerkstätten und den Gründungsservice an den Hochschulen. Insgesamt haben wir seit Beginn des Förderprogramms mehr als 21.300 Gründungswillige qualifiziert. Davon haben knapp 15.000 die Gründung vollzogen. Das ist durchschnittlich eine Erfolgsquote von ungefähr 70 %. Ich glaube, die Quote spricht für sich selbst. Das Existenzgründungsförderungsprogramm ist ein voller Erfolg! Auch werden die Frauen mit speziellen Maßnahmen unterstützt und letztendlich dadurch für den Schritt in die Selbständigkeit ermutigt. Mehr als 6.000 Frauen wurden von uns in die Selbständigkeit begleitet. Der Lotsendienst ist natürlich durch seine Rahmenbedingungen der Beratungsdienst mit den meisten Teilnehmern. Ungefähr 16.500 Personen wurden in das Programm aufgenommen. Daraus sind circa 12.000 Gründungen entstanden. Weit abgeschlagen, aber an zweiter Stelle, sind die Gründungswerkstätten mit circa 2.100 qualifizierten Gründern. Daraus resultierten circa 1.100 Gründungen. Der Gründungsservice an den Hochschulen, damals wurde er auch als Lotsendienst Hochschulen bezeichnet, qualifizierte in etwa 2.000 potenzielle Gründer. Leider ist hier die Gründungsquote nicht so

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wie ich sie mir wünsche, aber sie ist noch ok. Die ungefähr 1.200 Gründungen müssen sich auch nicht verstecken. Ich selbst finde aber den Gründungsservice an den Hochschulen sehr wichtig, gerade vor dem Hintergrund der Innovation und Nachhaltigkeit. Der Gründungsservice an den Hochschulen ist auch als eine Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaft zu verstehen. Das Förderprogramm „Innovationen brauchen Mut“ weist den geringsten Anteil der Gründungen auf. Vergleicht man die Zahlen, so erkennt man, dass je höher der Innovationsgrad, desto niedriger der Frauenanteil. Meiner Meinung nach ist dies damit zu interpretieren, dass Männer meist in technischen Berufen und Frauen meist in wirtschaftlichen Berufen wiederzufinden sind. Produktinnovation und Prozessinnovation sind überwiegend im technischen Bereich möglich. Der Handel und der Dienstleistungsbereich lässt eine Innovation nur bedingt zu. Die vorliegende Verbleibstatistik stellt die zentrale Datenbasis für die Erfolgsevaluation des Existenzgründungsförderungsprogramms dar. In der Verbleibstatistik sind alle Gründer aufgeführt, die an dem Existenzgründungsförderungsprogramm des Landes Brandenburgs teilgenommen haben. Dies schließt auch die Personengruppe ein, die nicht mehr einer Selbständigkeit nachgehen. Die einzelnen Rückmeldungen müssen für die Förderperiode von 2010 bis 2014 noch ausgewertet werden, aber es lässt sich schon jetzt ableiten, dass die Maßnahmen positiv greifen. Das Existenzgründungsförderungsprogramm muss fortgeführt werden. Zwar sind Modifikationen notwendig, sodass sich der Zeitgeist wiederfindet, dennoch ist das Programm sehr praxistauglich. Eine gesonderte Betrachtung der Personengruppe von Menschen mit Behinderung findet nicht statt. Sie sind auch nicht Zielgruppe. Das Programm möchte junge Menschen ansprechen, die über einen längeren Zeitraum nachhaltig eine Selbständigkeit ausführen können. STIC Wirtschaftsförderungsgesellschaft Märkisch-Oderland mbH vom 13.09.2016 Wir beraten im STIC gründungswillige Personen. So ein Schritt in die Selbständigkeit ist immer ein Risiko – unabhängig, ob die Geschäftsidee gut ist oder nicht. Viele Gründer möchten natürlich ihr Risiko so gering wie möglich halten. Hier kommen wir dann als Gründungsexperten ins Spiel. Wir informieren, beraten und unterstützen ratsuchende Gründer bei ihrem Vorhaben. Wir beantragten – wenn möglich – den Gründungszuschuss bei der Agentur für Arbeit, vermitteln Darlehen oder helfen bei der Ausformulierung des Businessplans. Wir sind aber auch Seelsorger, wenn irgendetwas nicht klappt. Wir sind auch eine Art Kummerkasten. Aber wir haben auch die Funktionen eines

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Motivators und Trainers. Wir wollen als Partner die Gründer stärken und sie bei der Existenzgründung vorantreiben. Jede Existenzgründung ist unterschiedlich. Von den Rahmenbedingungen, über die Geschäftsidee bis hin zur Gründerperson und dessen soziales Umfeld. Es müssen eine Menge Details bei einer Gründung berücksichtigt werden. Viele denken, so eine Existenzgründung ist einfach. Vom Prinzip her ja. Möchte man die Selbständigkeit aber nachhaltig betreiben, so muss man doch eine Vielzahl von Entscheidungen richtig treffen. Nicht jeder ist als Existenzgründer erfolgreich. Manchmal mangelt es an der Geschäftsidee oder das familiäre Umfeld zieht einfach nicht mit. Eine Existenzgründung ist mit einem sehr hohen Arbeitsaufkommen – gerade in den ersten Jahren – verbunden. Eine Marktetablierung passiert nicht von allein. Da steckt sehr viel Arbeit drin. Wenn man sich in den Strukturen erfolgreich eingebunden hat, kann man sich aber auch nicht einfach zurücklehnen, da man sonst sehr schnell von der Konkurrenz verdrängt wird. Wir versuchen dies natürlich von Anfang an aufzuzeigen und es den Gründern darzulegen. Leider klappt es nicht immer. Einige geben relativ schnell auf, da sie sich etwas Anderes unter einer Selbständigkeit vorgestellt haben. Behinderte Menschen gehören nicht wirklich zu unserer Zielgruppe. Ein spezielles Beratungsgespräch oder ein gesondertes Unterstützungsprogramm gibt es unsererseits nicht. Auch die behinderten Menschen müssen sich als Selbständiger den regulären Marktstrukturen unterwerfen. Eine gesonderte Unterstützung ist hier meiner Meinung nach nicht erfolgsversprechend. Ich habe bereits ausgeführt, wie fassettenreich eine Existenzgründung ist. Eine einseitige Unterstützung zum Ausgleich der Behinderung führt letztendlich auch nicht dazu, dass der Existenzgründer mit Behinderung nachhaltig und erfolgreich am Markt agieren kann. Erfolg ist die Summer vieler Faktoren. Die Gesundheit ist mit eines der wichtigsten Voraussetzungen! Wenn jemand krankheitsbedingt ausfällt, ruht die gesamte Selbständigkeit bei einer Ein-Personen-Unternehmung. Aufträge können nicht abgearbeitet werden, die laufenden Kosten müssen bedient werden und Einnahmen werden nicht erwirtschaftet. Dies über einen längeren Zeitraum oder immer wieder in kleinen Intervallen führt automatisch zu einer mangelnden Nachhaltigkeit. Behinderte Menschen sind meiner Meinung nach nicht für eine Existenzgründung geeignet. Wenn sie in eine Selbständigkeit gehen, müssen Strukturen aufgebaut werden, in welcher sie regelmäßig Unterstützung erfahren. Vorab kennt man in der Regel nicht die Schwierigkeiten, die mit einer Selbständigkeit einhergehen. Kommt dann noch eine Behinderung dazu, so ist das Risiko zu scheitern sehr viel höher.

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Ich würde mich aber freuen, wenn auch behinderte Menschen eine Chance erhalten. Der Markt lässt dies aber nicht zu. Ich kann mir nicht genau vorstellen, wie beispielsweise ein geistig behinderter Mensch die Buchhaltung führt oder Angebote erfolgswirksam kalkuliert. Hier benötigt er bestimmt Unterstützung. Die notwendigen Kernaufgaben müssen aber selbst durch den Gründer ausgeführt werden. Die Unterstützungsleistungen sollen nur einen helfenden Charakter haben. Da wir bei uns im STIC noch keinen Fall hatten, haben wir uns auch nicht mit dem Thema einer Behinderung befasst. Ich bin froh, dass wir Existenzgründer unterstützen können. Ich habe für mich ein kleines Netzwerk aufgebaut, bei welchen ich mit meinen Schützlingen in Kontakt bleibe. Wissen sie, wie schön und motivierend es für mich ist, wenn sich Existenzgründer nach einigen Jahren melden, die es geschafft haben! Solches Feedback bestätigt mich für meine Arbeit. Ich freue mich, wenn ich helfen und unterstützen kann. WInTO Wirtschafts-, Innovations- u. Tourismusförderung Oberhavel GmbH vom 27.02.2017 Die WInTO GmbH unterstützt alle Existenzgründer. Ich arbeite schon seit mehreren Jahren hier in der Gründerberatung für den Lotsendienst, welcher über das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie gefördert wird. Mit der aktuellen Förderrichtlinie ist der Beratungsrahmen für Existenzgründer vorgegeben. Wichtig für mich ist, dass neben der vorgegebenen Erfolgsquote auch ein zwischenmenschliches Verhältnis zum Gründer aufgebaut wird, sodass man direkt über mögliche Schwierigkeiten, Ängste und Probleme sprechen kann. Ich bin darin sehr gut und finde in der Regel schnell einen vertrauensvollen Zugang zur Gründerperson. Einige Existenzgründer denken, dass mit der Selbständigkeit die finanziellen Probleme vorbei sind und das im Idealfall eingestellte Mitarbeiter die gesamte Arbeit übernehmen. Dies ist in der Praxis nicht so. Ich bin bei solchen anfänglichen Gedanken bestrebt, den Gründer die „Brille“ abzunehmen, sodass er die Wirklichkeit erfährt und auch genau weiß, auf was er sich einlässt. Erst wenn ich das geschafft habe, dann können wir auf Augenhöhe sprechen. Gründungswillige, welche ich nicht über die Gegebenheiten aufklären kann, sind meiner Meinung nach nicht für eine Selbständigkeit geeignet. Fehlende Einsicht, unrealistische Phantasien bis hin zu einem arroganten Auftreten führen dazu, dass ich solche Menschen nicht in das Lotsenprogramm aufnehme. Ich muss immer meine Erfolgsquote im Auge haben. Die Arbeitsrichtlinie sieht vor, dass mindestens 60 % der Gründungswilligen den Schritt in die Selbständigkeit vollziehen. Diese Quote darf ich nicht unterschreiten, da sonst die Gefahr besteht, dass Projektmittel gekürzt werden. Daher schaue ich von Anfang an, ob der mögliche

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Gründer auch das Potenzial für eine selbständige Tätigkeit hat. Das Potenzial ergibt sich aus den fachlich-inhaltlichen Anforderungen und aus den jeweiligen Persönlichkeitsmerkmalen. Als Selbständiger muss man einen festen Charakter haben, sich nicht gleich demotivieren lassen, in der Lage sein, Kritik aufzunehmen und nicht alles als selbstverständlich zu betrachten. Der Erfolg kommt nicht von allein. Der Erfolg ist ein Ergebnis von sehr viel Arbeit. Hierzu bedarf es zunächst ein realistisches Verständnis! Wenn ich eine gute Geschäftsidee habe, heißt das nicht zugleich, dass ich Erfolg habe. Es muss ein Konzept erarbeitet werden, wie ich diese Idee bestmöglich am Markt platzieren möchte. Hierzu wird unter anderem ein Businessplan aufgestellt. Ich begleite diesen konzeptionell mit und bewerte diesen auch auf Umsetzbarkeit. Sobald der Gründungswillige den Gründungsakt vollzogen hat, stehe ich nach der Arbeitsrichtlinie nicht mehr als Berater zur Verfügung. Der Selbständige muss nun eigenständig – entsprechend den Inhalten des Businessplans – seinen Geschäftsgegenstand am Markt ausbauen. Aus diesem Grund sind ein ehrlicher Umgang und eine vertrauensvolle Kommunikation in meiner Funktion als Gründungsberaterin mit dem Gründungswilligen sehr wichtig. Es müssen vor der Gründung alle relevanten Aspekte betrachtet werden, sodass die Voraussetzung einer erfolgreichen Umsetzung erstmal geschaffen wird. Ich stehe gern als Ansprechpartner zur Verfügung und unterstütze da wo ich kann. Wichtig für mich ist, dass meine Unterstützung auch zielführend ist. Es bringt allen Beteiligten nichts, wenn Gegebenheiten schöngeredet werden, sodass sie in ein Gründungskonzept passen. Es gibt viele Kriterien, die den Erfolg einer Selbständigkeit in Frage stellen. Hierzu gehört auch das Kriterium einer Behinderung. Zum Glück hatte ich hierzu noch keine Unterstützungsanfrage. Eine Behinderung kennzeichnet eine unzureichende Teilhabe – sonst wäre man nicht behindert. Wenn man nun die mangelnde Teilhabe auf die Selbständigkeit projiziert, so kommt man schnell zur Erkenntnis, dass die Person mit Behinderung auch hier eingeschränkt ist. Er kann nicht vollumfänglich – im Vergleich zu einer gesunden Person – arbeiten. Dies führt dann dazu, dass weniger Manpower vorhanden ist und der Behinderte es schwieriger hat, sich am Markt zu festigen. Das gleiche Szenario kann auch bei alleinerziehenden Elternteilen angebracht werden. Wenn im privaten Umfeld kein Unterstützungsbedarf besteht und man sich die Arbeitszeit starr nach den Öffnungszeiten der Kita organisieren muss, mangelt es an der benötigten Flexibilität. Unternehmen, die diese notwendige Flexibilität haben, sind im Vorteil und können dies insbesondere im Konkurrenzverhalten ausnutzen. Ich konzentriere mich hauptsächlich auf den Personenkreis, wo ich der Meinung bin, dass eine Gründung erfolgversprechend ist.

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Nicht jeder ist als Existenzgründer geeignet. Das muss man akzeptieren. Ich versuche die Stärken bei den Gründungswilligen zu fördern und auszubauen. Die Beseitigung von Defiziten – welcher Art auch immer – kann ich nur zum Teil durch Fortbildungsmaßnahmen kompensieren. Probleme die in der Person oder im sozialen und familiären Umfeld liegen, kann ich leider nicht beeinflussen. Hier ist der Gründer selbst gefragt. Landkreis Teltow-Fläming, Wirtschaftsförderung vom 23.11.2016 Die Beratungs- und Unterstützungsstelle zur Aufnahme einer Selbständigkeit ist im Landkreis Teltow-Fläming bei der Wirtschaftsförderung angesiedelt. Speziell nehme ich die Aufgaben des Lotsendienstes wahr. Die Zielgruppe, das Verfahren und die Rahmenbedingungen sind durch das zuständige Ministerium definiert. Zu der Zielgruppe gehören Gründungswillige, welche aktuell erwerbslos oder geringfügig beschäftigt sind oder aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus gründen wollen. Des Weiteren ist wichtig, dass der Gründungswillige seinen Hauptwohnsitz in Brandenburg hat und auch das Unternehmen in Brandenburg gründen möchte. Das Verfahren ist – wie gesagt – auch vorgegeben. Zuerst führe ich eine unverbindliche Beratung durch, um zu schauen, ob eine echte Gründungsabsicht besteht. Wenn dies gegeben ist, dann besteht die Möglichkeit, dass mit Hilfe von beispielsweise fünftägigen Arbeitsworkshops der Gründer an die Selbständigkeit herangeführt wird. Die Workshops werden mit Experten durchgeführt. Ein weiteres Merkmal der Workshops ergibt sich aus der Teilnehmerzusammenstellung. So werden beispielsweise homogene Teilnehmergruppen entsprechend der Branche, nach dem Geschlecht oder nach dem aktuellen Stand der Gründungsvorbereitung zusammengestellt. Das Thema Behinderung ist hierbei nicht relevant. Wichtig für uns ist, dass die Teilnehmer bestmöglich auf ihre Selbständigkeit vorbereitet werden. Die Nachfrage von behinderten Menschen ist auch viel zu gering, sodass Aufwand und Nutzen hierbei in keinem Verhältnis stehen. Nach einer erfolgreichen Teilnahme an den Workshop erfolgt die individuelle Betreuung meinerseits. Ich helfe den Gründern dort, wo sie Probleme haben und Unterstützung benötigen – sei es bei der Erstellung des Businessplans, bei der Beantragung von finanziellen Mitteln oder bei der Vermittlung von Fortbildungsmaßnahmen. Unterstützungsleistungen aus der Ausgleichsabgabe sind mir nicht bekannt. Ich kenne mich in dem Rehabilitationsdschungel auch nicht aus. Das Thema Selbständigkeit und Behinderung unter einem Hut zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Ich würde davon ausgehen, dass viele – wenn es dann darauf ankommt – nicht

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den Schritt in die Selbständigkeit wagen. Das Risiko ist nicht kalkulierbar und es mangelt an Erfahrungen, sodass auch meinerseits eine Unterstützung schwierig wird. Das Förderprogramm für Existenzgründer zielt auch nicht auf Menschen mit Behinderung ab. Wenn sie in die Übersicht der Maßnahmen schauen, welche in drei Säulen dargestellt sind, ist die Strategie, die sich dahinter verbirgt, eindeutig zu erkennen. Man möchte vorrangig zur Selbständigkeit werben, insbesondere Frauen motivieren, Gründungswillige unterstützen und innovatives Potenzial fördern.

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4. Statistik des Landesamtes für Soziales und Versorgung Brandenburg, Fachbereich Schwerbehindertenrechtsverfahren, Jahresberichterstattung 2010 bis 2014

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5. Tagung der Leiterinnen und Leiter der Versorgungsverwaltungen der Bundesländer vom 26.09.2017 bis 27.09.2017 in Hildesheim, Sitzungsunterlage zu den Statistiken der Bundesländer zum Sozialen Entschädigungsrecht/Schwerbehindertenrecht (Auszug)

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6. Verbleibstatistik Gründungswerkstätten gesamt

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7. Verbleibstatistik Hochschulen gesamt

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8. Verbleibstatistik Lotsendienste gesamt

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9. Statistik Existenzgründungen IV FP Gründungswerkstätten

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10. Statistik Existenzgründungen IV FP Hochschulen

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11. Statistik Existenzgründungen IV FP Lotsendienste

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12. Statistik Existenzgründungen IV FP insgesamt

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13. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Erhöhung der Ausgleichsabgabe, Auszug aus dem Mitteilungsschreiben vom 03.12.2015

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