Exegetik des Alten Testaments: Bausteine für eine Theorie der Exegese 9783161565441, 3161565444

Zur Exegese des Alten Testaments wird ein differenziertes, weithin unstrittiges und mithin relativ stabiles Instrumentar

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Exegetik des Alten Testaments: Bausteine für eine Theorie der Exegese
 9783161565441, 3161565444

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhalt
Joachim J. Krause und Kristin Weingart — Exegetik des Alten Testaments. Ein Problemhorizont
Christof Hardmeier — Elementarbausteine einer bibelwissenschaftlichen Exegetik – mit einer textempirisch-narratologischen Sinnerschließung von Genesis 22,1–19
Matthias Köckert — Was träumte Jakob in Genesis 28? Möglichkeiten und Grenzen historischer Exegese
Shimon Gesundheit — The Comparison of Innerbiblical Parallels as a Starting Point for Synchronic Exegesis and as an Instrument to Control Diachronic Analysis
Hermann-Josef Stipp — Die Erkennbarkeit intentionaler innerbiblischer Intertextualität am Beispiel von Jeremia 26 und 36
Walter Groß — Augustins Umgang mit der Heiligen Schrift als aktuelles Modell der Schriftauslegung? Eine Gegenthese im Blick auf seine quaestiones in heptateuchum
Helmut Utzschneider — Performativität und Mündlichkeit als Kategorien alttestamentlicher Exegese
David M. Carr — On the Meaning and Uses of the Category of “Diachrony” in Exegesis
Erhard Blum — Von der Notwendigkeit einer disziplinären Selbstverständigung in der Exegese des Alten Testaments
Die Autoren
Stellenregister
Sachregister

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Forschungen zum Alten Testament 2. Reihe Herausgegeben von Konrad Schmid (Zürich) · Mark S. Smith (Princeton) Hermann Spieckermann (Göttingen) · Andrew Teeter (Harvard)

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Exegetik des Alten Testaments Bausteine für eine Theorie der Exegese

herausgegeben von

Joachim J. Krause und Kristin Weingart

Mohr Siebeck

Joachim J. Krause, geboren 1978; Studium der Politologie und Evangelischen Theologie in Berlin und Tübingen, mit Studien- und Forschungsaufenthalten an der Hebräischen Universität Jerusalem und in Yale; 2012–2015 Vikariat und Pfarrdienst in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg; 2013 Promotion; 2019 Habilitation; 2021 Aufnahme in das Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft. orcid.org/0000-0002-6156-7698 Kristin Weingart, geboren 1974; Studium der Evangelischen Theologie und Judaistik in Greifswald, Tübingen und Jerusalem; 2013 Promotion; 2019 Habilitation; seit 2019 Professorin für Altes Testament an der Ludwig-Maximilians-Universität München. orcid.org/0000-0001-9052-4550

ISBN 978-3-16-156544-1 / eISBN 978-3-16-156545-8 DOI 10.1628/978-3-16-156545-8 ISSN 1611-4914 / eISSN 25689-8367 (Forschungen zum Alten Testament 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. ©  2021 Mohr Siebeck Tübingen.  www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen gesetzt, von Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Vorwort In der zweiten Auflage seiner Kurzen Darstellung des theologischen Studiums von 1830 schreibt Friedrich Schleiermacher unter Paragraph 19: Jeder, der sich eine einzelne Disciplin in ihrer Vollständigkeit aneignen will, muß sich die Reinigung und Ergänzung dessen, was in ihr schon geleistet ist, zum Ziel sezen.

Für die exegetischen Disziplinen kommt dieses doppelte Ziel, besonders dessen erster Teil, in dem Desiderat einer Theorie der Exegese zum Ausdruck. Die im vorliegenden Band versammelten Beiträge – Bausteine für eine solche Theorie oder, mit dem vor allem von Erhard Blum geprägten Schlagwort, für eine Exegetik – verfolgen es je auf ihre Weise. Vorgetragen und diskutiert wurden die Beiträge im Rahmen der internationalen Tagung „Exegetik des Alten Testaments“, die wir anlässlich der Emeritierung von Prof. Dr. Erhard Blum vom 15. bis 17. Juni 2018 in Tübingen veranstaltet haben. Der Beitrag von Shimon Gesundheit wurde auf Deutsch vorgetragen und ist in dieser Form, aber mit anderem Titel bereits in der Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft (Jg. 131, 2019) erschienen; die hier veröffentlichte Übersetzung ins Englische hat Stephen Germany besorgt. Für die großzügige finanzielle Unterstützung der Tagung danken wir der Fritz Thyssen Stiftung und der Vereinigung der Freunde der Universität Tübingen e.V. Ihre Durchführung wäre in dieser Form kaum möglich gewesen ohne die bewährte Zusammenarbeit mit Sabine Rumpel. Von ihrem Blick fürs große Ganze wie für die Details der Tagung haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer profitiert. Entsprechendes gilt für die schriftliche Form der Beiträge und die scharfen Augen von stud. theol. Kai Krause (Tübingen/Jerusalem). Mit seinem Titel und der Fragestellung ist der vorliegende Band zugleich eine dankbare, Buch gewordene Erinnerung an einen maßgeblichen Wegbereiter der Exegetik: Christof Hardmeier. Wie kaum ein zweiter hat er das Desiderat einer Theorie der Exegese zu seiner Aufgabe als Exeget gemacht. Den hier posthum veröffentlichten Beitrag konnte Christof Hardmeier noch eigenhändig fertigstellen. Möge er sich als Anregung für künftige Entdeckungen in den Textwelten der Bibel erweisen. Tübingen und München im Herbst 2020

Joachim J. Krause Kristin Weingart

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Joachim J. Krause und Kristin Weingart Exegetik des Alten Testaments. Ein Problemhorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Christof Hardmeier Elementarbausteine einer bibelwissenschaftlichen Exegetik – mit einer textempirisch-narratologischen Sinnerschließung von Genesis 22,1–19 . . . . 11 Matthias Köckert Was träumte Jakob in Genesis 28? Möglichkeiten und Grenzen historischer Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Shimon Gesundheit The Comparison of Innerbiblical Parallelsas a Starting Point for Synchronic Exegesis and as an Instrument to Control Diachronic Analysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Hermann-Josef Stipp Die Erkennbarkeit intentionaler innerbiblischer Intertextualität am Beispiel von Jeremia 26 und 36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Walter Groẞ Augustins Umgang mit der Heiligen Schrift als aktuelles Modell der Schriftauslegung? Eine Gegenthese im Blick auf seine quaestiones in heptateuchum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Helmut Utzschneider Performativität und Mündlichkeit als Kategorien alttestamentlicher Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 David M. Carr On the Meaning and Uses of the Category of “Diachrony” in Exegesis . . . . 199

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Inhalt

Erhard Blum Von der Notwendigkeit einer disziplinären Selbstverständigung in der Exegese des Alten Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

Exegetik des Alten Testaments Ein Problemhorizont Joachim J. Krause und Kristin Weingart Die wissenschaftliche Auslegung des Alten Testaments verfügt über ein ausgefeiltes Instrumentarium für den Umgang mit den biblischen Texten, das seit dem Aufkommen der historisch-kritischen Exegese vor nunmehr gut 150 Jahren entwickelt wurde und sich im gegenwärtig gebräuchlichen Methodenkanon niederschlägt, der, sowohl was seinen Gehalt als auch seine Gestalt betrifft, relativ stabil und im universitären Kontext auch weitgehend unstrittig ist. Gut greifbar ist er z. B. in den Methoden‑ bzw. Lehrbüchern für alttestamentliche Proseminare, die der Einführung von Studierenden in die wissenschaftliche Exegese dienten bzw. dienen.1 Betrachtet man deren Entwicklung in den letzten Jahrzehnten, so zeigen sich in einigen Punkten zwar durchaus Verschiebungen in der Schwerpunktsetzung, die jeweils mit breiteren Trends oder auch Schulbildungen innerhalb der exegetischen Forschung zusammenhängen. Ersteres betrifft z. B. die Rolle, die der Rückfrage nach mündlichen Vorstufen der alttestamentlichen Texte zugewiesen wird. Wird diese unter dem Stichwort „Überlieferungsgeschichte“ im Methodenbuch von O. H. Steck noch als ein eigener gewichtiger Arbeitsschritt geführt (§ 5), beschränkt sich der entsprechende Abschnitt bei U. Becker im Wesentlichen auf eine forschungsgeschichtliche Problemanzeige.2 Letzteres zeigt sich u. a. an dem Stellenwert, der einer methodisch geleiteten Beschreibung des vorliegenden Textes zukommt. Bei U. Becker ist etwa die erste3 und entscheidende Frageperspektive an den Text die literarkritische.4 Eine Textanalyse, die nicht sogleich nach Indizien für Wachs1 Aus einer größeren Zahl seien hier nur die gegenwärtig gängigsten genannt: O. H.  Steck, Exegese des Alten Testaments. Leitfaden der Methodik. Ein Arbeitsbuch für Proseminare, Seminare und Vorlesungen, Neukirchen-Vluyn 141999; S. Kreuzer / D. Vieweger u. a., Proseminar I Altes Testament. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart 22005; H. Utzschneider / S. A.  Nitsche, Arbeitsbuch literaturwissenschaftliche Bibelauslegung. Eine Methodenlehre zur Exegese des Alten Testaments, Gütersloh 42014; U. Becker, Exegese des Alten Testaments. Ein Methoden‑ und Arbeitsbuch (utb 2664), Tübingen 42015. 2 Becker, Exegese, 67–80. 3 Zuvor findet lediglich eine Sicherung der Textbasis mittels der Textkritik statt. 4 Im Hintergrund steht eine grundsätzliche Identifikation von alttestamentlicher Literar‑ und Redaktionsgeschichte, wonach Redaktion umfassend als der „Prozeß der Textentstehung in ihrer literarischen und sachlichen Dimension“ verstanden ist (vgl. R. G.  Kratz, Art. Redaktionsgeschichte/Redaktionskritik. I. Altes Testament, TRE 28, 1997, 367–378.367). Methodisch

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tumsprozesse sucht, kommt nicht vor.5 Das Recht einer derartigen Textbeschreibung machen dagegen H. Utzschneider und S. A. Nitsche stark, für die eine synchrone Textanalyse die Basis exegetischer Arbeit darstellt. Mit der Anwendung aus der Literaturwissenschaft entlehnter Methoden wollen sie hierzu neue Anstöße geben und Differenzierungen ermöglichen.

Aufs Ganze gesehen unterscheiden sich aber der Bestand an Methoden, der in diesen Lehrbüchern entfaltet wird, und auch das jeweilige Erkenntnisinteresse der einzelnen Frageperspektiven kaum. Ähnlich verhält es sich mit der Zielsetzung der wissenschaftlichen Exegese insgesamt, die sie jeweils benennen. Es ist weithin Konsens und zumindest im Bereich der deutschsprachigen universitären Exegese ebenfalls unumstritten, dass die wissenschaftliche Auslegung auf ein historisches Verständnis der Texte zielt, also zu erheben sucht, wie diese in ihrer (jeweils analytisch zu rekonstruierenden) ursprünglichen Kommunikationssituation zu verstehen waren bzw. worauf sie in dieser abzielten.6 Im weiteren, internationalen Horizont ist die eindeutige Relation von wissenschaftlicher und historisch-kritischer Exegese nicht in dieser Form gegeben, wobei die Frage bleibt, wie die Vielfalt unterschiedlicher Zugänge zum biblischen Text – seien es etwa die Endtextexegese oder kontextuelle Zugänge von feministischer Exegese bis zur Lektüre des Alten Testaments als Traumaliteratur, welche gegenwärtig Konjunktur hat – sich jeweils zur Erhebung des historischen Textsinns verhalten; ob sie etwa auf diesem aufbauen und dann nach Applikationsmöglichkeiten biblischer Texte für aktuelle Fragestellungen suchen oder am historischen Sinn gar nicht interessiert und primär rezeptionsästhetisch orientiert sind, womit dann aber nach hiesigem Verständnis das exegetische Kerngeschäft verlassen wäre.

Zeitgleich mit dieser methodischen Stabilität und Kontinuität war die alttestamentliche Forschung der letzten Dekaden aber durch tiefgreifende Umbrüche, die Ablösung und die Auflösung langjähriger Forschungskonsense gekennzeichnet. Das betrifft insbesondere die Erforschung der Literar‑ bzw. Literaturgeschichte des Alten Testaments und hier unter anderem die Abkehr von der Urkundenhypothese als bis in die zweite Hälfte des 20. Jh.s akzeptiertes Standardparadigma für die Erklärung der Entstehung des Pentateuch. Neben diesem ist dabei, auch bei Becker (vgl. Exegese, 65), die Literarkritik derjenige analytische Schritt, auf dem die redaktionsgeschichtliche Synthese fußt. 5 Dies geschieht allenfalls auf der Ebene „unmittelbare[r] Eindrücke“ im Anschluss an die Übersetzung des Textes bzw. dem Sammeln eines „Reservoir[s] an Textbeobachtungen“ zu philologisch-grammatischen sowie inhaltlichen Aspekten des Textes, für das jedoch keine methodische Anleitung geboten wird (Becker, Exegese, 15–16). Hierin ähnelt Beckers Lehrbuch dem Leitfaden von O. H.  Steck, der „frei schweifende Beobachtungen am Text“ (Exegese, 9) ebenfalls vor und außerhalb des methodischen Arbeitens ansiedelt. Anders als Becker gibt Steck den Studierenden dann aber eine ganze Reihe von Leitfragen, z. B. zu Beobachtungen auf Satz‑ oder Textebene, an die Hand (ebd., 8–15). 6 Die entscheidenden Stichworte in den Methodenbüchern sind diesbezüglich „historischer Sinn“, „ursprünglicher Sinn“ oder „ursprüngliches Anliegen“ u. ä., vgl. Steck, Exegese, 5; Kreuzer / Vieweger, Proseminar, 15; Becker, Exegese, 5.

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durchaus als krisenhaft7 erlebten Umbruch ließe sich etwa auf die Diskussion um M. Noths These eines Deuteronomistischen Geschichtswerks im Bereich Dtn–2 Kön oder neuerdings um die Priesterschrift verweisen.8 Auffällig ist in all diesen Zusammenhängen nicht so sehr die Aufgabe eines älteren Paradigmas als vielmehr die Tatsache, dass es nicht durch ein (einigermaßen) konsensfähiges neues abgelöst wird, stattdessen zunehmend durch eine Fülle kleinteiliger und immer komplexerer Modellbildungen, die dem Eindruck einer wachsenden Zerfaserung und Unübersichtlichkeit der Forschungsdiskurse oder gar der stellenweisen Aufgabe des Diskurses bei gleichzeitiger Verfestigung einzelner Positionen Vorschub leisten können. Ein augenfälliges Beispiel dafür ist der 2016 erschienene Sammelband The Formation of the Pentateuch. Bridging the Academic Cultures of Europe, Israel, and North America.9 Auf 1145 Seiten sind eine Fülle von Zugängen und Einzelstudien zu Aspekten der Literargeschichte des Pentateuch versammelt. Die Herausgeber selbst diagnostizieren in der gegenwärtigen wissenschaftlichen Debatte um die Genese des Pentateuch die Herausbildung von „three independent scholarly discourses […] each centers on the Pentateuch, each operates with its own set of working assumptions, and each is confident of its own claims.“10 Diese Einschätzung bestätigt der Band eindrücklich. Die von den Herausgebern ebenfalls geäußerte Hoffnung, die Debatte möge sich mittels des Bandes „towards a set of shared assumptions and a common discourse“11 bewegen, löst das Buch selbst aber gerade nicht ein. (Vielleicht geschieht dies noch in seiner weiteren Rezeption.) Positionen stehen unvermittelt nebeneinander, eine gemeinsame Diskussion etwa über die Textbeobachtungen, die unterschiedlichen Modellbildungen zugrunde liegen, bleibt weitgehend aus.

Der gegenwärtige Stand der Forschung nötigt zum Nachdenken über die Ursachen. So stellt sich die drängende Frage, wie die dargestellte Diastase zwischen Stabilität im Methodenkanon und bleibendem Dissens in den Arbeitsergebnissen zu erklären ist. Hängt sie mit den grundlegenden Fragestellungen bzw. den Erkenntnisbedingungen zusammen? Resultiert sie aus einer mangelnden Leistungsfähigkeit der etablierten Methoden12 oder etwa daraus, dass Aspekte,  7  Die geradezu sprichwörtlich gewordene Rede von der „Pentateuchkrise“ findet sich schon 1982 bei E. Zenger, Auf der Suche nach einem Weg aus der Pentateuchkrise, ThRv 78 (1982) 353–362.  8 Exemplarisch seien hier lediglich zwei einschlägige Sammelbände aus jüngerer Zeit genannt: H.-J. Stipp (Hg.), Das deuteronomistische Geschichtswerk (ÖBS 39), Frankfurt a. M. 2011; bzw. F. Hartenstein / K. Schmid, Abschied von der Priesterschrift? Zum Stand der Pentateuchdebatte (VWGTh 40), Leipzig 2015.  9 J. C.  Gertz / B. M.  Levinson / D. Rom-Shiloni / K. Schmid (Hg.), The Formation of the Pentateuch. Bridging the Academic Cultures of Europe, Israel, and North America (FAT 111), Tübingen 2016. 10 Ebd., 4. 11 Ebd. 12 Methodologisches Nachdenken begleitet die wissenschaftliche Exegese freilich stets und seit langem und ist zunehmend auch Gegenstand entsprechender Panels oder Workshops auf den Fachkongressen geworden. Dies geschah und geschieht aber in der Regel unter Be-

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die in vielen neueren Textanalysen eine gewichtige Rolle spielen, methodisch bisher nur ansatzweise eingeholt sind?13 E. Blum hat 2001 in seiner Tübinger Antrittsvorlesung (veröffentlicht 2005) die Verstärkung der methodologischen Diskussion als ein dringendes Desiderat der gegenwärtigen Forschungsdiskussion angemahnt und dieselbe zugleich mit Überlegungen zu den strukturellen Problemen der alttestamentlichen Exegese (Kluft zwischen Datenbasis und Erklärungsziel, Komplexitätsreduktionen im exegetischen Verfahren, konzeptionelle Engführungen im Textbegriff ) angeregt.14 Er schließt seine Überlegungen mit einem „Plädoyer für eine alttestamentliche Exegetik“15 und versteht unter „Exegetik“ dabei eine Meta-Theorie, die nach den „Bedingungen der exegetischen Arbeit“ fragt.16 Auf einer ersten Meta-Ebene sollte diese – so Blum – auf die methodologische Reflexion der impliziten Axiome der exegetischen Methodik zielen, indem sie diese offenlegt und auf den Prüfstand stellt, wobei – quasi auf einer zweiten Meta-Ebene – zugleich die Prägungen zu bedenken sind, die sich aus den Diskursen ergeben, in die die exegetische Arbeit eingebettet ist, sei es innerhalb der wissenschaftlichen Theologie, in Kirche und Gesellschaft, im Gespräch mit Literatur‑ und Kulturwissenschaften u. a. m.17 Schon zuvor hatte Blum durch die Gründung der Projektgruppe „Theorie der Exegese“ in der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, für die er gemeinsam mit C. Hardmeier und H. Utzschneider verantwortlich zeichnete, dafür gesorgt, dass der nötige Diskurs im Zentrum der Fachöffentlichkeit geführt

schränkung auf bestimmte Einzelaspekte oder ‑methoden. So hat etwa ein Unbehagen mit der als Engführung empfundenen Konzentration auf diachrone Fragen innerhalb der wissenschaftlichen Exegese zur Herausbildung von Zugängen wie der am Endtext orientierten kanonischen Exegese (grundlegend: B. S.  Childs, Introduction to the Old Testament as Scripture, London 1979) geführt. Daneben stehen aber auch dezidierte Versuche, die historische Exegese selbst auf neue Grundlagen zu stellen (so u. a. C. Hardmeier, Textwelten der Bibel entdecken. Grundlagen und Verfahren einer textpragmatischen Literaturwissenschaft der Bibel, 2 Bde., Gütersloh 2003/04). 13  Exemplarisch zeigt sich dies etwa am Phänomen der Intertextualität, das vielfach diskutiert wird und in exegetischen Analysen immer bedeutsamer geworden ist, wobei allerdings elementare Begriffsklärungen bzw. ‑unterschiede nach wie vor verschwimmen. Zur Problematik vgl. etwa J. J.  Krause, Aesthetics of Production and Aesthetics of Reception in Analyzing Intertextuality, Bib. 96 (2015) 416–427, oder K. Weingart, Erkennst du auch, was du liest? Zur Markierung von Zitaten im Alten Testament, in: R. Heckl (Hg.), Methodik im Diskurs. Neue Perspektiven für die Alttestamentliche Exegese (BThST 156), Neukirchen-Vluyn 2015, 143–170. 14 E. Blum, Notwendigkeit und Grenzen historischer Exegese. Plädoyer für eine alttestamentliche „Exegetik“ (2005), in: Ders., Grundfragen der historischen Exegese. Methodologische, philologische und hermeneutische Beiträge zum Alten Testament, hg. von W. Oswald und K. Weingart (FAT 95), Tübingen 2015, 1–29. Weitere einschlägige Beiträge E. Blums sind im genannten Sammelband zusammengestellt. 15 Ebd., 27. 16 Ebd., 28. 17 Ebd.

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wurde.18 Auf diese Weise gelang es, herausragende Vertreterinnen und Vertreter der deutschsprachigen wie internationalen alttestamentlichen Wissenschaft für die Frage zu gewinnen. Dies spiegelt sich auch im Tableau des vorliegenden Bandes, der den Gesprächsfaden zur Exegetik des Alten Testaments aufnimmt und weiterführen will. Zugleich versucht er, wie im Untertitel Bausteine für eine Theorie der Exegese angezeigt, eine kritische Bündelung bisher erzielter Ergebnisse. Den Auftakt macht C. Hardmeier (Greifswald), der gemeinsam mit E. Blum und H. Utzschneider als Begründer der Frage nach einer Theorie der Exegese gelten darf. Sein Beitrag Elementarbausteine einer bibelwissenschaftlichen Exegetik führt zum einen in Programm und grundlegende Probleme der Frage nach einer Theorie der Exegese ein. Zum anderen bietet er eine pointierte These zu der Grundfrage nach einem dem Selbstverständnis biblischer Traditionsliteratur entsprechenden Textbegriff, indem er die Auffassung der Texte als adressatenbezogene Mitteilungsliteratur und die daraus abgeleitete Forderung nach einer konsequent kommunikationspragmatisch ausgerichteten Analyse in den Vordergrund rückt.19 Hardmeier illustriert diesen Zugang mittels einer detaillierten textempirisch-narratologischen Sinnerschließung von Gen 22,1–19, in der er die übliche Deutung, dass Abrahams Prüfung in dem Auftrag bestehe, seinen Sohn zu opfern, in Zweifel zieht. Der folgende Beitrag von M. Köckert (Berlin) Was träumte Jakob in Gen 28? Möglichkeiten und Grenzen historischer Exegese schließt daran durch die Behandlung eines weiteren, besonders einschlägigen – nicht zufällig gerne in Methodenlehrbüchern herangezogenen – Beispiels an. Literarische, theologische, religionsgeschichtliche und historische Aspekte spielen in unterschiedlicher Gewichtung eine tragende Rolle in den in der Forschung diskutierten Rekonstruktionen der Erzählung von Jakobs Traum in Bethel (Gen 28,10–22). Hinzu kommt das textexterne Zeugnis von Hos 12, das, je nach Blickwinkel, zur Klärung oder weiteren Komplizierung beiträgt. An diesem „Modellfall exegetischer Arbeit“20 lotet Köckert die Möglichkeiten und Grenzen einer historisch fragenden Exegese, mithin den Stoff der Exegetik aus. Der Kritik der Literarkritik wendet sich S. Gesundheit (Jerusalem) mit seinem Beitrag The Comparison of Innerbiblical Parallels as a Starting Point for Synchronic Exegesis and as an Instrument to Control Diachronic Analysis zu. Dabei geht es Gesundheit keineswegs um eine Infragestellung der Literarkritik selbst oder ihrer methodischen Berechtigung. Vielmehr zielt sein Beitrag in metakritischer Hinsicht darauf, das Instrumentarium der diachronen Analyse weiterzuentwickeln – durch ihre Korrelation mit der synchronen Auslegung. Sowohl 18 Wesentliche Ergebnisse sind gesichert in H. Utzschneider / E. Blum (Hg.), Lesarten der Bibel. Untersuchungen zu einer Theorie der Exegese des Alten Testaments, Stuttgart 2006. 19 Grundlegend zur Sache vgl. Hardmeier, Textwelten. 20 S. u. S. 91.

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der Bedarf an einer solchen, konsequent an den untersuchten Texten ausgerichteten Weiterentwicklung als auch Mittel und Wege zu diesem Ziel werden empirisch erhoben: aus dem Vergleich innerbiblischer Textparallelen.21 In dieser Hinsicht werden Num 32,1–33; Dtn 3,18–20 und Jos 1,12–15 untersucht. Der Beitrag von H.-J. Stipp (München) prüft Die Erkennbarkeit intentionaler innerbiblischer Intertextualität am Beispiel von Jer 26 und 36. Damit ruft er ein Problem auf, das nicht nur von schlechterdings grundlegender Bedeutung für die exegetische Arbeit ist – gerade unter dem die gegenwärtige alttestamentliche Forschung prägenden redaktionsgeschichtlichen Paradigma stellt die Wahrnehmung absichtsvoller literarischer Bezüge in vielen Fällen die Bedingung der Möglichkeit konkreter Hypothesenbildung dar  –, sondern zugleich deren Ausrichtung und Ziel bestimmt – soll es um die Rekonstruktion produktionsästhetisch begründeter Text-Text-Beziehungen oder eine intertextuell angelegte rezeptionsästhetische Lektüre gehen? Auf Grundlage seiner kritischen Musterung einer einschlägigen These zu Jer 26 und 36 mahnt Stipp, „dass die Beweisanforderungen an Hypothesen zu intentionaler Intertextualität deutlich steigen müssen.“22 Dabei dürfte die den Beitrag beschließende Liste einschlägiger Regeln künftig wertvolle Dienste leisten. W. Groß (Tübingen) widmet seinen Beitrag Augustins Umgang mit der Heiligen Schrift als aktuelles Modell der Schriftauslegung? Eine Gegenthese im Blick auf seine quaestiones in heptateuchum der schlechterdings grundlegenden her­ me­neutischen Frage, was wir eigentlich meinen, wenn wir von dem biblischen Text reden. Denn an ihr hänge, welche weitergehenden Fragen sinnvollerweise in Bezug auf diese Größe gestellt und mit Hilfe welcher Methoden diese zu beantworten gesucht werden können. Der explizit als Gegenthese ausgewiesene Beitrag wendet sich kritisch gegen den rezenten, namentlich von L. Schwienhorst-Schönberger in die Diskussion gebrachten Versuch, die Methode der Schriftauslegung Augustins für gegenwärtige exegetische Arbeit wiederzubeleben. Auf der Grundlage seiner Arbeit an der maßgeblichen Edition von Augustins Questiones in Heptateuchum23 erläutert Groß zunächst Augustins hermeneutische Präsuppositionen, allen voran die Lehre von der Inspiration und die daraus folgende von der Inerranz der Schrift, um sodann anhand einschlägiger augustinischer Auslegungen zu zeigen, dass ein so grundgelegtes Modell der Schriftauslegung inkompatibel mit essentiellen Basisaxiomen einer historisch fragenden Bibelkritik ist.

21 Vgl. S. Gesundheit, Die Midrasch-Exegese im Dienst der Literarkritik. Zum Beispiel: Krieg und Frieden in Dtn 2,24–32, in: C. M.  Maier (Hg.), Congress Volume. Munich 2013 (VT.S 163), Leiden / Boston 2014, 111–124. 22 S. u. S. 154. 23 W. Groẞ (Hg.), Quaestiones in Heptateuchum, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von W. Groß (Augustinus Opera 57), Paderborn 2018.

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H. Utzschneider (Neuendettelsau) schreibt über Performativität und Mündlichkeit als Kategorien alttestamentlicher Exegese. Ist die Literatur des Alten Testaments tatsächlich weitgehend von Schriftgelehrten für Schriftgelehrte verfasst worden? Skeptisch bezüglich dieser die gegenwärtige Exegese weithin prägenden Grundannahme, stellt Utzschneider die elementare Frage, „in welchen Medien die Texte des Alten Testaments verbreitet und rezipiert wurden“.24 Dabei geht es ihm allerdings nicht vorrangig um eine – im Licht der neueren Forschungen zum Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, die D. Carr und K. van der Toorn vorgelegt haben,25 längst überfällige – Neubewertung von Mündlichkeit als Kategorie der Exegese. Vielmehr nimmt Utzschneider die von ihm selbst und seinen Schülern verschiedentlich in die Diskussion gebrachte Frage, ob Teile der prophetischen Literatur als dramatische Texte zu lesen seien,26 auf, um sie auf Beispiele aus der erzählenden Literatur des Alten Testaments anzuwenden. Dtn 31,9–13; Jos 8,30–35 und Neh 8,1–12 seien, so seine These, als „Entwürfe zu und Reflexionen über Aufführungen“27 zu lesen. Dazu nimmt Utzschneider theoretische Anregungen aus dem Diskurs um Performativität in der Theaterwissenschaft von Erika Fischer-Lichte auf.28 Mit seinem Beitrag On the Meaning and Uses of the Category of „Diachrony“ in Exegesis greift D. Carr (New York) E. Blums Frage nach „Sinn und Nutzen der Kategorie ‚Synchronie‘ in der Exegese“29 auf, um sie gleichsam in gespiegelter Form neu zu stellen. Er tut dies am Beispiel der Fluterzählung in Gen 6–8. Zunächst untermauert Carr anhand der konkurrierenden chronologischen Systeme, die der Text in seiner vorliegenden Form aufweist, die Triftigkeit der Forderung Blums, diachron voneinander geschiedene Entwicklungsstufen biblischer Texte je für sich synchron zu untersuchen. Im Unterschied dazu relativiert er sodann die Bedeutung, die weniger eindeutigen Fälle diachronen Wachstums für die Auslegung des fraglichen Textes sinnvollerweise zugeschrieben werden kann: „insofar as a hypothesized redactional layer does not markedly disrupt the 24 S. u.

S. 177–178.  D. M.  Carr, Writing on the Tablet of the Heart. Origins of Scripture and Literature, Oxford / New York 2005; Ders., Mündlich-schriftliche Bildung und die Ursprünge antiker Literaturen, in: H. Utzschneider / E. Blum (Hg.), Lesarten der Bibel. Untersuchungen zu einer Theorie der Exegese des Alten Testaments, Stuttgart 2006, 183–198; K. van der Toorn, Scribal Culture and the Making of the Hebrew Bible, Cambridge, MA / London 2007. 26 Vgl. zusammenfassend Utzschneider / Nitsche, Arbeitsbuch, 182–184 und passim; ferner etwa H. Utzschneider, Micha (ZBK.AT 24.1), Zürich 2005 oder S. A.  Nitsche, Jesaja 24–27: ein dramatischer Text. Die Frage nach den Genres prophetischer Literatur des Alten Testaments und die Textgraphik der großen Jesajarolle aus Qumran (BWANT 166), Stuttgart 2006. 27 S. u. S. 186. 28 E. Fischer-Lichte, Performativität. Eine Einführung, Bielefeld 22013. 29 E. Blum, Von Sinn und Nutzen der Kategorie „Synchronie“ in der Exegese (2004), in: Ders., Grundfragen der historischen Exegese. Methodologische, philologische und hermeneutische Beiträge zum Alten Testament, hg. von W. Oswald und K. Weingart (FAT 95), 55–68. 25

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conceptuality of its existing context it is not only less reliably identifiable, but also less exegetically significant.“30 Dass konkrete Probleme aber auch und gerade in den methodisch besonders anspruchsvollen Mittelbereich zwischen den so markierten Polen fallen können, illustriert Carr schließlich durch abwägende Überlegungen31 bezüglich der alten Frage, ob die nicht-priesterliche Urgeschichte von Anfang an eine Fluterzählung enthielt oder nicht. Mit Von der Notwendigkeit einer disziplinären Selbstverständigung in der Exege­se des Alten Testaments schlägt E. Blum (Tübingen) eine Brücke zu seinem „Plädoyer für eine alttestamentliche Exegetik“,32 das am Anfang der Diskussion stand. Die dort vorgetragenen Diagnosen zu methodologischen Strukturproblemen der gegenwärtigen alttestamentlichen Exegese werden hier noch einmal akzentuiert und in Auseinandersetzung mit aktuellen Studien, die dokumentierten Überlieferungs‑ bzw. Textbildungsprozessen gewidmet sind, präzisiert. Der Beitrag belässt es jedoch nicht bei einer weiteren Problemanzeige zu Möglichkeiten und Grenzen literarkritischen Arbeitens. Vielmehr erarbeitet Blum Vorschläge dazu, wie sich Auswege aus den diagnostizierten methodologischen Verengungen finden lassen. Konkret geht es dabei um ein Tableau denkbarer Textbildungstypen sowie um Parameter zu deren Identifikation bzw. Plausibilisierung. Im Hintergrund dieser Überlegungen stehen nicht nur die – gelegentlich verkürzt als „empirisch“ bezeichneten – Beispiele dokumentierter Textbildungsprozesse, sondern auch Bereiche, in denen die Forschungsdiskussion zu weitgehender Übereinstimmung gelangt ist (wie etwa die Abgrenzung priesterlicher Texte im Pentateuch). Der Beitrag versteht sich als „eine Einladung zu gemeinsamer Selbstverständigung“33 innerhalb der Fachdisziplin, also dazu, im Dienste der Exegese nun auch verstärkt Exegetik zu betreiben. Dieser Band mag seinen Beitrag dazu leisten.

Literaturverzeichnis Becker, U., Exegese des Alten Testaments. Ein Methoden‑ und Arbeitsbuch (utb 2664), Tübingen 42015. Blum, E., Von Sinn und Nutzen der Kategorie „Synchronie“ in der Exegese (2004), in: Ders., Grundfragen der historischen Exegese. Methodologische, philologische und hermeneutische Beiträge zum Alten Testament, hg. von W. Oswald und K. Weingart (FAT 95), 55–68. – Notwendigkeit und Grenzen historischer Exegese. Plädoyer für eine alttestamentliche „Exegetik“ (2005), in: Ders., Grundfragen der historischen Exegese. Methodologische, 30 S. u.

S. 221.

31 Entwickelt

im Zusammenhang der Vorbereitung seines Kommentars zu Gen 1–11 für die Reihe „International Exegetical Commentary on the Old Testament“ (Kohlhammer). 32 Blum, Notwendigkeit, vgl. oben S. 4. 33 S. u. S. 255.

Exegetik des Alten Testaments

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Elementarbausteine einer bibelwissenschaftlichen Exegetik – mit einer textempirisch-narratologischen Sinnerschließung von Genesis 22,1–19 Christof Hardmeier In seiner Tübinger Antrittsvorlesung mit dem Titel „Notwendigkeit und Grenzen historischer Exegese“ hat Erhard Blum vor zwanzig Jahren sowohl die Praxis als auch die hermeneutischen und wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen unseres historisch-exegetischen Handwerks anhand von einschlägigen Beispielen einer umfassenden Kritik unterzogen.1 Insgesamt geht es ihm um eine „selbstkritische Reflexion der Voraussetzungen und Regeln“ des textanalytischen Handwerks2 und um die „Besinnung auf die“ wissenschaftsgeschichtlichen und ‑theoretischen „Grundlagen der Exegese“,3 die als methodologische Voraussetzungen einer alttestamentlichen Literaturwissenschaft in der Forschung über Jahrzehnte vernachlässigt wurden.4 Zusammenfassend nennt Blum in seinem „Plädoyer für eine alttestament­ liche ‚Exegetik‘“ die folgenden vier „Bedingungen exegetischer Arbeit“: (1) „die theoretische Reflexion und die Anleitung zu induktiven Kontrollen des ‚disziplinären Sprachspiels‘“. Diese lassen sich (2) „nicht trennen von den vorausgesetzten Textkonzepten (und Geschichtskonzepten)“, die (3) ihrerseits „wieder an hermeneutischen und epistemologischen Entscheidungen [hängen]“, indem 1 Vgl. E. Blum, Grundfragen der historischen Exegese. Methodologische, philologische und hermeneutische Beiträge zum Alten Testament, hg. von W. Oswald und K. Weingart (FAT 95), Tübingen 2015, und die darin S. 1–29 an erster Stelle wieder abgedruckte Antrittsvorlesung Ders., Notwendigkeit und Grenzen historischer Exegese. Plädoyer für eine alttestamentliche „Exegetik“ (Erstveröffentlichung in: B. Janowski [Hg.], Theologie und Exegese des Alten Testaments/der Hebräischen Bibel [SBS 200], Stuttgart 2005, 11–40). 2 Blum, Grundfragen, V. 3 Ebd. Zur Nachzeichnung der forschungs‑ und methodenkritischen Arbeiten in Blum, Grundfragen, vgl. im Einzelnen C. Hardmeier, Rezension zu E. Blum, Grundfragen, OLZ 112 (2017) 42–45. 4 Als Ausnahme schreibt Blum, Notwendigkeit, 17, Anm. 47 „das Verdienst […], nicht nur entsprechende textlinguistische Ansätze der exegetischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sondern deren Applikationen im Bereich der Bibelexegese konzeptionell vorangetrieben und ihre Fruchtbarkeit demonstriert zu haben“, meinen langjährigen Bemühungen um die Grundlagen einer alttestamentlichen Literaturwissenschaft zu, die sich zusammengefasst in C. Hardmeier, Art. Literaturwissenschaft, biblisch, RGG4 5, 2002, 425–429 sowie Ders., Textwelten der Bibel entdecken. Grundlagen und Verfahren einer textpragmatischen Literaturwissenschaft der Bibel. Bd. 1/1, Gütersloh 2003, und Bd. 1/2, Gütersloh 2004, finden.

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sie eingebunden sind sowohl „in den Diskurs der theologischen Fächer“ als auch „der Kulturwissenschaften“ im Allgemeinen. Zu berücksichtigen sind schließlich (4) immer auch „die Prägungen durch die Bezugsfelder Kirche und Gesellschaft und die Orientierungshilfen, die von da aus eingefordert werden.“5 Summa summarum und in Analogie zur ‚Historik‘ (J. G. Droysen) der Geschichtswissenschaften geht es auch bei der von Blum avisierten ‚alttestamentlichen Exegetik‘ um eine disziplinäre „Meta-Reflexion […], die im Grunde nur das, was immer schon getan, vielfach mitbedacht und mitunter formuliert wird, expliziert und systematisiert und damit erst methodischer Klärung zugänglich macht“.6

I. Axiomatische Voraussetzungen und Grundlagen der Textkommunikation Aus Blums einschlägiger Methodenkritik gehen zwei wesentliche Aufgaben einer alttestamentlichen Exegetik hervor. Sie hat a) eine Axiomatik von Regeln und Kriterien der literaturgeschichtlichen Analyse biblischer Textüberlieferungen bereit zu stellen und b) die Begriffe „Synchronie“ und „Diachronie“ im Umgang damit zu klären. Dabei ist in epistemischer Hinsicht einerseits von der Grundtatsache auszugehen, dass die Primärgegenstände jeder historischen Exegese Schrifttexte sind, in denen in der generativen Phase der biblischen Literaturbildung sprachliche Äußerungen als Artefakte der Kommunikation festgeschrieben wurden. Als minutiös überlieferte Handschriften sind sie haptisch in Druckform die Ausgangsdaten jeder Exegese und entsprechen den materiellen Hinterlassenschaften aus Grabungen und Surveys, von denen die archäologische Forschung ausgeht.7 Weniger trivial und kaum bewusst ist jedoch andererseits die Tatsache, dass auch unser ganzes exegetisches Handwerk nicht nur unentwegt auf Rezeptionen biblischer Quellentexte und einer unüberschaubaren Flut von Übersetzungen, Auslegungen, Interpretationen, Kommentierungen etc. beruht. Unsere handwerkliche Tätigkeit führt immer zugleich auch zur Produktion von neuen Texten – wie auch in diesem Beitrag. Texte sind somit die allumfassende Basis des exegetischen Geschäfts seit den Anfängen der biblischen Literaturbildung vor ca. 2800/2700 Jahren bis hin zu unserer heutigen Beschäftigung mit diesen Texten. 5 Blum,

Grundfragen, 28 (Hervorhebung im Orig.). 29 (Hervorhebung im Orig.). 7 Vgl. dazu C. Hardmeier, Zur Quellenevidenz biblischer Texte und archäologischer Befunde. Falsche Fronten und ein neues Gespräch zwischen alttestamentlicher Literaturwissenschaft und Archäologie, in: Ders. (Hg.), Steine – Bilder – Texte. Historische Evidenz außerbiblischer und biblischer Quellen (ABG 5), Leipzig 2001, 11–24. 6 Ebd.,

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Deshalb ist eine Text‑ und Kommunikationstheorie, die nach den elementaren Bedingungen sprachlicher Kommunikation fragt, die Grundlage sowohl für die Erschließung biblischer Quellentexte als Primärgegenstände der historischen Exegese als auch für die Selbstreflexion des exegetischen Handwerks und seiner Methodologie. Sie geht von der Grundannahme aus, dass diese Bedingungen (1) zum Kern der menschlichen Sprachfähigkeit (capacité de langage) gehören und (2) über die Jahrtausende im Wesentlichen gleichgeblieben sind. Deshalb sind diese Grundbedingungen sprachlicher Kommunikation (3) in hermeneutischer Hinsicht nicht nur die zuverlässigste Bücke über den „garstig breiten Graben“ der Geschichte, sondern sie ermöglichen auch empirisch das Fremdverstehen von vor-antiken Texten etwa des Tanach. 1. Reduktionismus und Miss-Verständlichkeit – die unhintergehbare Bedingtheit sprachlicher Äußerungen Vorab jedoch ist eine Beschränktheit zu bedenken, die für sprachliche Äußerungen seit Jahrtausenden und bis heute gilt. Jede sprachliche Verständigung und alles Textverstehen entspringen unhintergehbar der vorsprachlich-mentalen Innenwelt unseres Fühlens, Denkens und Wollens. Wie und was wir an inneren Wahrnehmungen, an Vorstellungen, Gefühlen und Gedanken jeweils in kommunizierbare sprachliche Äußerungen umsetzen, ist im unwillkürlichen Artikulationsprozess nicht kontrollierbar. Unsere sprachlichen Selbstäußerungen können bewusst nur rückschauend wahrgenommen und ggf. modifiziert oder korrigiert werden. Das weiß jede*r allein aus Erfahrungen mit der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden oder Schreiben. Wie oft ringen wir nach Worten, und kaum jemand kann spontan „wie gedruckt“ sprechen. Vor allem aber ist alles sprachlich Geäußerte zwangsläufig und in doppelter Hinsicht eine erhebliche Reduktion dessen, was wir jeweils meinen und zu sagen versuchen. Die Gründe für den unhintergehbaren Reduktionismus sprachlicher Äußerungen liegen in den enormen Gehirnleistungen nicht nur bei der sprachlichen Kodierung von inneren Vorstellungen, Gefühlen, Gedanken etc. seitens der Sprecher und Autorinnen, sondern noch viel mehr bei der Dekodierung von sprachlichen Äußerungen, wenn wir sie zu verstehen suchen. Neurobiologen wie Gerhard Roth, die diese Gehirnaktivitäten beim Sprechen in Millisekunden messen und mit Bild-gebenden Verfahren empirisch beobachten können, ziehen daraus die folgende Konsequenz:8 8 G. Roth, Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert, Frankfurt a. M. 2001, Zitate 367 (Hervorhebungen im Orig.). Zur Rezeption als Grundlage einer biblischen Literaturwissenschaft vgl. C. Hardmeier, The Achilles Heel of Reader-Response Criticism and the Concept of Reading Hermeneutics of Caution, in: H. Liss / M. Oeming (Hg.), Literary Construction of Identity in the Ancient World, Winona Lake 2010, 121–133, hier 126–128, und Ders., Die textpragmatische Kohärenz der Tora-Rede (Dtn 1–30) im narrativen Rahmen des

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Ein „lebenskundige[r] Mensch“ muss „von dem Grundsatz ausgehen, dass das, was er sagt, im Anderen aller Wahrscheinlichkeit nach eine andere Bedeutung als die von ihm intendierte erzeugt. Das eine ist, was ich meine, wenn ich etwas sage; ein anderes ist, was das Gehirn meines Kommunikationspartners an Bedeutungen erzeugt, wenn die Sprachlaute an sein Ohr dringen.“ Verschärft heißt das: „Wenn ich meine Argumente vorbringe, so reiße“ auch „ich sie aus dem in mir herrschenden Kontext heraus, in dem sie Sinn machen, und sie dringen bei meinem Gesprächspartner“ darüber hinaus „in einen wahrscheinlich ganz anderen Kontext, in dem sie keinen oder einen ganz anderen Sinn ergeben.“

Deshalb ist nach Roth „Missverstehen […] das Normale, Verstehen die Ausnahme“.9 Von dieser prekären und unhintergehbaren Bedingtheit sprachlicher Kommunikation hatte wahrscheinlich schon Jesaja in seiner Rückschau auf das Scheitern seiner Verkündigungstätigkeit in Jes 6 eine Ahnung. Angesichts der königlichen Majestät Jhwhs erschrak er nicht nur selbst über die Miss-Verständlichkeit seiner „unreinen Lippen“ (V. 5), sondern zugleich auch darüber, was dem Volk an anthropologisch bedingter Unklarheit „über die Lippen“ kommt. Dementsprechend verstand er in V. 9–10 rückschauend das Scheitern seiner Verkündigung insgesamt als „Verstockungsauftrag“ von Anfang an.10 Dass Miss-Verstehen der prekäre Normalfall ist, wird zudem in der vorpriesterlichen Urgeschichte11 bereits in Gen 3,1–7 paradigmatisch im Dialog zwischen der Schlange und der Frau inszeniert  – mit der fatalen Folge, dass sich das vermeintlich Gute als zutiefst irritierend und prekär erweist.12 Der unhintergehbare Reduktionismus aller sprachlichen Kommunikation und ihre mental bedingte Miss-Verständlichkeit mahnen nicht nur zu größter Vorsicht und Behutsamkeit im Umgang mit den biblischen Texten, die uns als Artefakte der Kommunikation in z. T. mehrstufigen Überformungen überliefert sind. Sie mahnen uns als exegetische Handwerker*innen auch besonders zur methodischen Sorgfalt, zur sprachlichen Faktentreue und „explikatorischen Plausibilität“13 in der lesenden Aneignung, der Sinnerschließung und dem Verstehen dieser traditionsliterarischen Texte. Deuteronomiums. Texte als Artefakte der Kommunikation und Gegenstände der Wissenschaft, in: L. Morenz / S. Schorch (Hg.), Was ist ein Text? Alttestamentliche, ägyptologische und altorientalische Perspektiven (BZAW 362), Berlin / New York 2007, 207–257, hier 213–215.  9 Roth, Fühlen, 367 (Hervorhebung im Orig.). 10 Vgl. C. Hardmeier, Jesajas Verkündigungsabsicht und Jahwes Verstockungsauftrag in Jes 6 (1981), in: Ders., Erzähldiskurs und Redepragmatik im Alten Testament. Unterwegs zu einer performativen Theologie der Bibel (FAT 46), Tübingen 2005, 211–228. 11 Vgl. dazu C. Hardmeier, Die Noah-Flut-Erzählung (Gen 6,8–8,20) als Klimax der vorpriesterlichen Urgeschichte und ihre priesterliche Bearbeitung, in: J.J. Krause/W. Oswald/K. Weingart (Hg.), Eigensinn und Entstehung der Hebräischen Bibel. Erhard Blum zum siebzigsten Geburtstag (FAT 136), Tübingen 2020, 3–30. 12 Vgl. C. Hardmeier / K. Ott, Naturethik und biblische Schöpfungserzählung. Ein diskurstheoretischer und narrativ-hermeneutischer Brückenschlag, Stuttgart 2015, 301–305. 13 J. Rüsen, Rekonstruktion der Vergangenheit. Grundzüge einer Historik II: Die Prinzipien der historischen Forschung (KVR 1515), Göttingen 1986, 105.

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2. Die Vielfalt der ‚exegetischen Methoden‘ im Verhältnis zum textempirischen Methoden-Ansatz Die Mahnung zur Vorsicht und Behutsamkeit im Umgang mit den biblischen Texten ist wohlfeil. Keine Kollegin und kein Exeget sind subjektiv nicht davon überzeugt, dass sie im Sinne der intellektuellen Redlichkeit philologisch sorgfältig und umsichtig mit den überlieferten Texten umgehen. Wir alle setzen im wissenschaftlichen Diskurs ganz selbstverständlich voraus, dass jede und jeder die biblischen Texte mit den nötigen altsprachlichen Kenntnissen und gemäß dem methodischen Kanon von historisch-kritischen Fragestellungen, die gemeinhin als „exegetische Methoden“ gelten, mehr oder weniger gut lesen und verstehen kann. Hinzu kommt die respektvolle Bewunderung der hohen Beobachtungs-Gabe und Auslegungs-Kunst früherer Generationen von Alttestamentler*innen, die schon weit vor jeder methodischen Selbstreflexion der Disziplin seit den Anfängen der historisch-kritischen Forschung wertvolle und oft vergessene Entdeckungen in und an den Texten gemacht und grundlegende Einsichten in die Bedeutung und Geschichte der alttestamentlichen Literaturbildung gewonnen haben. An diesen Grundüberzeugungen halten auch diejenigen fest, die den Methoden-Kanon durch neue Fragestellungen etwa der Synchronie, der Rezeptionsästhetik oder der Intertextualität bis hin zum linguistic dating erweitern oder gar ersetzen wollen. Dabei ist häufig und wie selbstverständlich von verschiedenen „exegetischen Methoden“ die Rede, die dann als unterschiedliche Lesarten auch zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen.14 Auf dem Tübinger Symposium hat Erhard Blum in seinem Schlussplädoyer auf namhafte Fortschritte der Bibelwissenschaften im Erkennen und Verstehen sowohl der alttestamentlichen Text‑ und Lebenswelten als auch ihrer historischen und soziokulturellen Hintergründe hingewiesen. Sie fußen auf grundlegenden Einsichten und Entdeckungen der historisch-kritischen Forschung seit dem 19. Jh., die im ernsthaften wissenschaftlichen Diskurs seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jh.s unter verschiedenartigen methodischen Gesichtspunkten wesentlich vertieft, modifiziert, aber auch weiterentwickelt und überholt wurden. Nach Blum lassen diese Vielfalt der methodischen Ansätze und die gründliche forschungsgeschichtliche Reflexion der historisch-exegetischen Arbeit deshalb auch in Zukunft weitere Fortschritte erwarten und widerraten jedem methodologischen Monismus, der nur zu Engführungen und zur gegenseitigen Abschottung exegetischer Richtungen führt.

14 Vgl. exemplarisch H. Utzschneider / E. Blum (Hg.), Lesarten der Bibel. Untersuchungen zu einer Theorie der Exegese des Alten Testaments, Stuttgart 2006, sowie H. Utzschneider / S. A.  Nitsche, Arbeitsbuch literaturwissenschaftliche Bibelauslegung. Eine Methodenlehre zur Exegese des Alten Testaments, Gütersloh 2001.

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Eben in dieser Disparatheit der methodischen Zugänge und den kontraproduktiven Abschottungs-Tendenzen von exegetischen Schulen und Richtungen, die sich gegenseitig oft nicht einmal mehr verstehen, geschweige denn sich überhaupt noch zur Kenntnis nehmen, sieht Blum jedoch zugleich die größte Gefahr für die Existenz und den Geltungsanspruch der alttestamentlichen Bibelwissenschaft. Sowohl innerhalb der theologischen Fakultäten als auch ganz allgemein im kultur‑ und sozialwissenschaftlichen Diskurs hat das Fach gegenüber seiner Hoch-Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl an theologischer Substanz als auch an interdisziplinärer Relevanz gravierend verloren. Das lag und liegt zwar nicht nur, aber doch auch an der genannten Disparatheit, durch die Ergebnisse und Einsichten für Außenstehende selbst innerhalb des Faches manchmal kaum noch nachvollziehbar sind. Der Beitrag von Hermann-Josef Stipp hat dies auf dem Symposium exemplarisch vor Augen geführt.15 2.1 Der textempirische und sprachphänomenologische Methoden-Ansatz einer Lesehermeneutik der Behutsamkeit Die Vielfalt und Heterogenität der methodischen Zugänge, ihre disparaten Ergebnisse und mangelnden Anschließbarkeiten beruhen zum einen auf der unscharfen Verwendung des Methodenbegriffs selbst. Was gemeinhin etwa als form‑ oder gattungsgeschichtliche, als traditions‑ oder redaktionsgeschichtliche „Methoden“ bezeichnet wird, sind im eigentlichen Sinne keine Methoden, sondern Fragehinsichten, unter denen die alttestamentliche Textüberlieferung auf ihre soziohistorische Genese und Bedingtheiten befragt und untersucht wird.16 Methoden im Wortsinn sind jedoch intersubjektiv überprüfbare Verfahren der gegenstandsadäquaten Erschließung von Objekten, d. h. von alttestamentlichen Texten als vorantiken Artefakten der Kommunikation, die als Quellen für vielfältige – seien es literaturgeschichtliche, soziohistorische, theologische oder anthropologische und anderweitige  – Fragestellungen wissenschaftlich ausgewertet werden. Als gegenstandsbezogenes Verfahren konzentriert sich die Methodenfrage deshalb grundlegend und in erster Linie auf analytische Aufgaben der klassischen Literarkritik.17 Im Zentrum stehen dabei die Fragen nach Umfang und Abgrenzbarkeit von Texteinheiten sowie nach ihrer inneren Gliederung und Einheitlichkeit, soweit sich diese Strukturaspekte nach intersubjektiv überprüfbaren Kriterien an der Sprachgestalt der kommunikativen Sinn‑ und Bedeutungsträger beobachten und konsensplausibel erschließen lassen. 15 Vgl. H.-J. Stipp, Die Erkennbarkeit intentionaler innerbiblischer Intertextualität am Beispiel von Jer 26 und 36, in diesem Band S. 127–160. 16 Vgl. C. Hardmeier, Textwelten I, 7–19 und Textwelten II, 1–23 = Wiederabdruck von Ders., Texttheorie und biblische Exegese. Zur rhetorischen Funktion der Trauermetaphorik in der Prophetie (BEvTh 79), München 1978, und dort 14.22–28 und 35–51. 17 Vgl. ähnlich Blum, Notwendigkeit, 3–12.

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Zieht man dabei zum andern den unhintergehbaren Reduktionismus und die intrinsische Miss-Verständlichkeit sowohl der biblischen Artefakte gesellschaftlicher Kommunikation als auch ihrer heutigen wissenschaftlichen Beobachtung, Beschreibung und Interpretation in Betracht, so verschärft sich die MethodenProblematik noch einmal ganz entscheidend und läuft auf die folgende Kernfrage hinaus: Was „lesen“ und „verstehen“ wir denn als Exeget*innen, wenn hebräische oder griechische Buchstaben-Folgen (1) von unseren Augen wahrgenommen, (2) aufgrund unserer Sprachkenntnisse in phono-morphologisch sprachgerechte Laut-, Silben-, Wort‑ und Satzfolgen umgesetzt und dabei von unserem inneren Ohr als sinnbildende Klangspur aufgenommen werden? Denn dabei bilden sich (3) zugleich in unseren Köpfen unwillkürlich fortlaufend Sinnhypothesen, die im Fortgang des Leseprozesses entweder bestätigt oder enttäuscht und (4) im Endeffekt zu einem mehrdimensionalen Gesamtsinn plausibilisiert werden, den der gelesene Text jeweils zwangsläufig ganz individuell und subjektiv für uns macht. Nun ist die mentale Blackbox, wie es im Leseprozess von der visuellen Wahrnehmung einer Schriftzeichenfolge als Textobjekt zur unhintergehbar subjektiven Sinnerfassung von Gelesenem kommt, weder für die Lesenden selbst noch für Außenstehende und  – wie wir oben ausgeführt haben  – nicht einmal für Gehirn-Forscher*innen kontrollierbar oder willentlich zu beeinflussen. Sowohl das Textverstehen als auch sprachliche Äußerungen sind  – wie das Singen von Liedern, das Spielen von Instrumenten und jede Art von körperlichen Bewegungen  – unwillkürliche Aktivitäten, die sich in ihrem unmittelbaren Vollzug jeder Selbstkontrolle entziehen. Sie lassen sich überhaupt nur in der Rückschau am Ende einer Handlungssequenz oder nach deren Unterbrechung reflektieren, beurteilen und ggf. verändern. Deshalb müssen sie gemäß der nachholenden Selbstreflexion stetig trainiert und im Falle von Fehlleistungen korrigiert und neu eingeübt werden. Die unhintergehbare Bedingtheit allen Textverstehens berührt den innersten Kern unseres exegetischen Handwerks, das einerseits ja vor allem im unentwegten Lesen der alttestamentlichen Quellentexte besteht, sich aber andererseits als wissenschaftlich objektivierende Tätigkeit nicht von der Subjektivität unserer Lesetätigkeit loslösen lässt. Dabei sind unsere mentalen Plausibilisierungs-Operationen bei der lesenden Sinnerschließung von Texten (vgl. oben I.1) nicht nur deshalb problematisch, weil sie sich weder kontrollieren noch explizit machen lassen. Vor allem besteht die große, wenn auch kaum merkliche Gefahr, dass sich die Sinnbildung im Leseprozess nicht (mehr) von den Instruktionsgehalten der überlieferten Sprachspur leiten lässt, sondern von einem heterogenen Vorwissen oder von Vorverständnissen, die dann eisegetisch unversehens in den Text hineingelesen werden.18 Dabei wird entweder der sinnbildende Stellenwert von 18 Das lässt sich unten III.3 zeigen an der folgenreichen Fehlinterpretation und ‑übersetzung

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sperrigen Textsignalen durch Über‑ oder Unterbewertung falsch eingeschätzt oder sie werden ganz überlesen – nach dem Palmström’schen Kurzschlussverfahren, „dass nicht sein kann, was nicht sein darf.“19 Das unlösbare Problem des hermeneutischen Zirkels und die unkontrollierbare Selbstverborgenheit unserer leitenden Vorverständnisse stellt sich somit elementar und universell bereits in der lesenden Aneignung bzw. im Hören von Textäußerungen. Daraus resultiert in methodologischer Hinsicht eine „Lesehermeneutik der Behutsamkeit“, die ich im Doppelband von „Textwelten der Bibel entdecken“ entwickelt habe.20 Sie zielt darauf ab, dieser unhintergehbaren Bedingtheit des Textverstehens und ihren Tücken durch eine axiomatisch und kommunikationspragmatisch reflektierte Selbstkontrolle der Textwahrnehmung diszipliniert Rechnung zu tragen. Dieser textempirische und sprachphänomenologische Methodenansatz, der in den folgenden Abschnitten als axiomatischer Baustein einer bibelwissenschaftlichen Exegetik vorgestellt wird, dient nicht nur vielen Möglichkeiten, exegetische Einsichten weitgehend anhand von sprachlichen Primärbeobachtungen an den Texten zu explizieren und zu begründen, sondern vor allem der Heuristik und der kritischen Selbstkontrolle des eigenen exegetischen Handwerks. Dabei führt eine konsequent sprachphänomenologische Herangehensweise an die Texte, die konstitutiv durch das Computer-Instrument der Stuttgarter Elektronischen Studienbibel (SESB) einer systematischen Suche und Überprüfbarkeit jeder Art von sprachlichen Oberflächenerscheinungen ermöglicht wird, einerseits zur herben (Selbst‑)Kritik vorschneller VerstehensHypothesen, die eine große Irrtumsbereitschaft und Frustrationstoleranz auch gegenüber sich selbst voraussetzt. Andererseits haben diese induktiven Verfahren einen hohen heuristischen Wert und führen zu überraschenden Entdeckungen und unerwarteten Einsichten in die Textwelten der biblischen Schriften21 und die soziohistorischen Hintergründe ihrer Entstehung und Funktionen in den altisraelitischen bis hin zu den frühjüdischen gesellschaftlichen Diskursen des 8.–2. Jh.s v. Chr., die in diesen Schriften ihre Spuren hinterlassen haben. Ohne die Entwicklung und von Gen 22,2bα (‫ )והעלהו ׁשם לעלה‬als göttlicher Auftrag, Isaak zu opfern, die spätestens seit der Vulgata-Übersetzung offer eum ibi holocaustum des Hieronymus in Stein gemeißelt ist, sowie in Hardmeier, Noah-Flut-Erzählung, an den gravierenden Blindflecken der herkömmlichen Literar‑ und Redaktionskritik, die einer klaren textempirischen Unterscheidung der vorpriesterlichen Fluterzählung und ihrer priesterlichen Bearbeitung in Gen 6–8 im Wege steht. 19 Zu dieser Palmström-Logik nach Christian Morgenstern vgl. Hardmeier, Textwelten I, 36, und dort den Quellennachweis. 20 Vgl. ebd., 36–46 sowie Hardmeier, Achilles Heel, und zum ganzen Ansatz: Ders., Textwelten I, auf der Grundlage von Ders., Textwelten II, 1–176 (= Ders., Texttheorie, 28–153) und 177–243 (= Ders., Prophetie im Streit vor dem Untergang Judas. Erzählkommunikative Studien zur Entstehungssituation der Jesaja‑ und Jeremiaerzählungen in II Reg 18–20 und Jer 37–40 [BZAW 187], Berlin / New York 1990, 23–86) sowie Ders., Art. Literaturwissenschaft, 425–429. 21 Vgl. die oben Anm. 18 genannten Beispiele.

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stets praktische Erprobung dieser Verfahren wäre es kaum zur Neubewertung der Wehe-Worte als rhetorisches Mittel im Rahmen einer facettenreichen Trauermetaphorik der Unheils-prophetischen Rede gekommen.22 Ebenso wenig dürfte es ohne die Entwicklung einer kommunikationspragmatischen Narratologie gelungen sein, die sog. Jesaja-Legende von 2 Kön 18–19* par. Jes 36–37* auf ihrer Primärstufe als Pamphlet gegen die Stimmen Jeremias und Ezechiels während des zweiten antibabylonischen Aufstands von 588/87 in Jerusalem zu identifizieren.23 Gleiches gilt für die Aufdeckung eines vordeuteronomistischen Annalenwerks der Zidkijazeit, an der vor allem das heuristische Potenzial der elektronischen Computer-Konkordanz zu zeigen war.24 Ferner ist auf die Rekonstruktion eines vor-dtr. Katalogs von Kult-Reinigungs-Maßnahmen in 2 Kön 23 und seine literaturgeschichtliche Einbettung,25 auf die Identifikation von fünf „Horeb-Reminiszenzen“ innerhalb der dtr. Mose-Rede von Dtn 1–3026 sowie auf weitere Arbeiten zur literaturgeschichtlichen Rekonstruktion vorexilischer Vor‑ und Primärstufen in den Prophetenbüchern zu verweisen,27 die aus der Praxis des textempirischen und sprachphänomenologischen Methodenansatzes ebenso hervorgegangen sind wie die Einzelstudien zu den Psalmen 13;28 3029 und 22 Vgl.

C. Hardmeier, Art. Totenklage, WiBiLex (https://www.bibelwissenschaft.de/s​t​i​c​h​ wo​r​t​/ Totenklage (AT)/ 36058). 23  Verkleidet in eine fiktive Befragung Jesajas angesichts einer angeblich verbalen Bedrohung Jerusalems durch den assyrischen General Rabschake um 701, denunziert das Pamphlet während der Belagerungspause um 588 (vgl. Jer 37,3–9) u. a. die prophetischen Gegenstimmen Jeremias und Ezechiels gegen ein Vertrauen auf Ägypten als feindliche Propaganda, vgl. Ders., Prophetie. 24 Vgl. Ders., Umrisse eines vordeuteronomistischen Annalenwerks der Zidkijazeit. Zu den Möglichkeiten computergestützter Textanalyse, VT 40 (1990) 165–184. 25 Vgl. Ders., König Joschija in der Klimax des DtrG (2 Reg 22–23) und das vordtr Dokument einer Kultreform am Residenzort (23,4–15*). Quellenkritik, Vorstufenrekonstruktion und Geschichtstheologie in 2 Reg 22–23, in: R. Lux (Hg.), Erzählte Geschichte. Beiträge zur narrativen Kultur im alten Israel (BThSt 40), Neukirchen-Vluyn 2000, 81–145, und in Übersetzung: Ders., King Josiah in the Climax of the Deuteronomistic History (2 Kings 22–23) and the PreDeuteronomistic Document of a Cult Reform at the Place of Residence (23.4–15). Criticism of Sources, Reconstruction of Literary Pre-Stages and the Theology of History in 2 Kings 22–23, in: L. L.  Grabbe (Hg.), Good Kings and Bad Kings (European Seminar in Historical Methodology 5. LHB/OTS 393), London / New York 2005, 123–163. 26 Vgl. Ders., „Geschichten“ und „Geschichte“ in der hebräischen Bibel. Zur Tora-Form von Geschichtstheologie im kulturwissenschaftlichen Kontext (2005), in: Ders., Erzähldiskurs und Redepragmatik im Alten Testament. Unterwegs zu einer performativen Theologie der Bibel (FAT 46), Tübingen 2005, 97–121, sowie Ders., Kohärenz. 27 Vgl. die Beiträge in den Aufsatzbänden Ders., Erzähldiskurs, und Ders., Geschichtsdivinatorik in der vorexilischen Schriftprophetie. Studien zu den Primärschriften in Jesaja, Zefanja und Jeremia, Zürich 2013. 28 Vgl. Ders., Der Lobpreis des verborgenen Gottes in Psalm 13. Paradigma einer performativen Theologie der Klagepsalmen, in: A. Berlejung / R. Heckl (Hg.), Ex oriente Lux. Studien zur Theologie des Alten Testaments, Festschrift für Rüdiger Lux zum 65. Geburtstag (ABG 39), Leipzig 2012, 227–246. 29 Vgl. Ders., „Denn im Tod ist kein Gedenken an dich …“ (Psalm 6,6). Der Tod des Menschen – Gottes Tod? (1988), in: Ders., Erzähldiskurs, 315–335, sowie Ders., Systematische

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5530 oder die radikale Hinterfragung des sog. Opferbefehls in Gen 22,2 mit einem Neuverständnis der Aqedah-Erzählung auf narratologischer Basis, das das Jahrtausende alte und hochproblematische Auslegungs-Paradigma der „Opferung Isaaks“ durchbricht.31 Diese Forschungs-Erkenntnisse erwähne ich hier nicht aus dem Ansinnen eines alternden Exegeten, zur narzisstischen Selbstbespiegelung eine Heerschau seiner Werke vorzuführen. Selbstverständlich sind auch sie wie alle ForschungsErgebnisse per se weder richtig noch falsch und erheben keinen höheren Geltungs‑ oder Wahrheitsanspruch. Vielmehr müssen auch diese Erkenntnisse sich in der kritischen Auseinandersetzung und Fach-Diskussion konsensplausibel bewähren. Jedoch handelt es sich beim textempirischen und sprachphänomenologischen Methodenansatz um eine fundamentale Abkehr vom herkömmlichen Sprach‑ und Textpositivismus, der alttestamentliche Texte insbesondere in der Text‑ und Literarkritik nur als verschriftete Sprachobjekte von außen betrachtet. Demgegenüber erschließen sich Sinn und Funktion dieser Partituren der Sinnbildung – wie in der Musik – nur im tastenden Nachvollzug der Sprachzeichenspuren und ihrer Instruktionsgehalte, wie in den folgenden Abschnitten näher zu erläutern ist. 2.2 Der Methoden-Ansatz im Dialog mit der Forschung Aufgrund dieser grundsätzlichen Abkehr vom herkömmlichen Sprach‑ und Textpositivismus ist das Gespräch mit dem Mainstream vor allem der deutschsprachigen Forschung vice versa eher schwierig und oftmals überhaupt nicht möglich, weil die Begründungs-Paradigmen exegetischer Erkenntnisse weitgehend inkompatibel sind. Allgemein und vorherrschend werden die Deutung und Einschätzung von Textbeobachtungen (1) unter Berufung auf StandardWörterbücher und ‑Grammatiken, (2) mit Erkenntnissen der bisherigen Forschung (3) im Kanon der traditionellen „exegetischen Methoden“ und ggf. (4) unter Bezugnahme auf literaturwissenschaftliche Kategorien und Modelle der Textinterpretation begründet.32 Dementsprechend beziehen sich wissenElemente der Theo-logie in der Hebräischen Bibel. Das Loben Gottes – ein Kristallisationsmoment biblischer Theo-logie, JBTh 10 (1995) 111–127, wieder abgedruckt in: Ders., Erzähldiskurs, 339–354. 30 Vgl. Ders., Lesehermeneutische Sinnerschließung von Psalm 55, in: A. Ruwe (Hg.), „Du aber bist es, ein Mensch meinesgleichen“ (Psalm 55,14). Ein Gespräch über Psalm 55 und seine Parallelen (BThSt 157), Neukirchen-Vluyn 2016, 1–81. 31 Vgl. Ders., Die Bindung Isaaks – Ein Ver-Sehen (Gen 22). Wahrnehmungsfähigkeit und Offenheit zu Gott auf dem Prüfstand, in: Ders., Realitätssinn und Gottesbezug. Geschichtstheologische und erkenntnisanthropologische Studien zu Genesis 22 und Jeremia 2–6 (BThSt 79) Neukirchen-Vluyn 2006, 1–88, sowie weiterführend unten III. 32 Vgl. exemplarisch den Überblick über „Textausgaben und grundlegende Literatur“ in der Einleitung § 1.4 zu Utzschneider  / Nitsche, Arbeitsbuch, 28–32 sowie den Beitrag von H. Utzschneider, Performativität und Mündlichkeit als Kategorien alttestamentlicher

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schaftlich-exegetische Arbeiten im Untersuchungsverlauf stets und primär auf die Forschungsgeschichte und die genannten Instanzen nach dem scholastischen Prinzip sunt qui dicunt sed contra, woraus sich die Autor*innen dann ihr eigenes Urteil bilden. Im Gegensatz dazu stützen sich die Beurteilung von Textbeobachtungen und die Begründungen von exegetischen Entscheidungen in den oben I.2.1 genannten Arbeiten stets und primär auf Kriterien des textempirischen und sprachphänomenologischen Methodenansatzes. Nur in zweiter Linie werden dabei auch forschungsgeschichtliche Einsichten vor allem zur kritischen Hinterfragung oder Vertiefung gewonnener Einsichten konsultiert. Und die syntaktische Beurteilung von Phrasen und Satzfolgen sowie wortsemantische Bestimmungen von Ausdrücken und Begriffen werden stets dem elektronischen Konkordanz-Vergleich unterzogen, um Lexikon-Vorschläge und die Satzsemantik von Phrasen und Satzfolgen kritisch zu überprüfen. Im Gesamtkonzept des Ansatzes treten die „Verfahren, Instrumente und Erträge“ der TextBeobachtung, d. h. „der Textur und ihrer Komponenten“33 kategorisch an die Stelle der herkömmlichen, an exegetischen Fragestellungen orientierten Arbeitsschritte, wie sie z. B. im Arbeitsbuch von H. Utzschneider und S. A.  Nitsche zur Darstellung kommen.34 Weder verfahrenstechnisch noch begründungslogisch sind sie kompatibel mit der Axiomatik des textempirischen Methodenansatzes. Die Unvereinbarkeit der methodischen Ansätze hat im Blick auf den Forschungsdialog innerhalb des Faches zwei schwerwiegende Konsequenzen. Weil die forschungsgeschichtliche Auseinandersetzung in meinen Arbeiten grundsätzlich hinter die primär text‑ und kommunikationspragmatischen Begründungen zurücktritt, sind sie einerseits dem Vorwurf des Solipsismus und der übermäßigen Selbstzitierung ausgesetzt. Andererseits werden die erzielten Einsichten und Ergebnisse entweder einfach übernommen,35 als wichtige Forschungsmeinung mehr oder weniger kritisch gewürdigt und akzeptiert36 oder aber pauschal abgelehnt und häufig auch ganz ignoriert. All diese Bezugnahmen setzen sich jedoch weder mit dem disparaten methodischen Ansatz

Exegese, in diesem Band S. 177–198. Vgl. ferner den Aufsatzband Utzschneider / Blum, Lesarten. 33 Hardmeier, Textwelten I, 136–161. 34 Vgl. Utzschneider / Nitsche, Arbeitsbuch, 23–25. 35 Vgl. z. B. die vollständige Übernahme des Diagramms zur kommunikationspragmatisch begründeten Zeitebenen-Analyse von Psalm 30 in B. Janowski, Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-Vluyn 2003, 271, das ich 1995 in Hardmeier, Elemente, 114–115, ausgearbeitet habe. 36 Vgl. z. B. die breite Auseinandersetzung von M. Pietsch, Die Kultreform Josias. Studien zur Religionsgeschichte Israels in der späten Königszeit (FAT 86), Tübingen 2013, mit Hardmeier, König, oder die Besprechung von Hardmeier, Sinnerschließung, in E. Gerstenberger, Rez. A. Ruwe, Mensch, ThLZ 142 (2017) 53–56.

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auseinander, noch gehen sie – mit Ausnahme von E. Gerstenberger – näher auf die axiomatische Begründungs-Logik ein, die zu diesen Ergebnissen geführt hat. Zwar nennt E. Gerstenberger zutreffend stichwortartig die Prinzipien der „lesehermeneutischen Sinnerschließung“, die „[d]er Greifswalder Altmeister“ im rezensierten Beitrag „[vor]führt“, indem „die Leseschritte im konkreten Fall von Psalm 55“ expliziert werden (ebd., 53–54). Doch obschon Gerstenberger die vorgelegte Exegese als „tiefgründig und gegenwartsbezogen (und darum überzeugend!)“ hochschätzt (ebd., 54), macht er in seinen kritischen Grundfragen das ICH, das sich im textinternen Sprachspiel des Psalms als kommunikativer Handlungsträger auf verschiedenen Kommunikationsebenen artikuliert und in der Studie öfter als „Beter“ bezeichnet wird, unvermittelt zum textexternen „Verfasser[.]“ selbst, „der“ angeblich „seinen Lesern (Hervorhebung im Orig.) grammatische Verständnisanleitungen gibt“ (ebd.). Damit setzt Gerstenberger die methodische Explikation der Wirkweise der Sprachzeichenfolge im Leseprozess mit der kommunikativen Wirkabsicht des impliziten Autors selbst gleich, der in Verwendung eben dieser Sprachzeichen den Psalm jedoch nicht als „grammatische Verständnisanleitungen“ verfasst hat, sondern um damit seine Wirkabsicht zum Ausdruck zu bringen. Mit dem Fehlschluss von der textintern entfalteten Dialog‑ und Gesprächswelt, die in der Studie lesehermeneutisch analysiert und expliziert wird, auf den vermeintlich tatsächlichen Verfasser des Psalms unterstellt Gerstenberger zugleich, dass der ganze methodische Ansatz „den einzelnen Psalm auf das Schreibprodukt eines Verfassers (= Beter?) reduzieren“ und als „Erfahrung nur einer Biographie“ verstehen würde (ebd.). Damit verwechselt er die sprachphänomenologische Herangehensweise, weil sie konsequent von der überlieferten Schriftgestalt ausgeht, mit der Wirkintention des impliziten Autors, der zudem seinerseits sowohl mit dem textinternen ICH des Beters als auch mit dem realen Verfasser des Psalms identifiziert wird und – wie ein moderner Dichter – seine individuellen Erfahrungen zu Papier gebracht haben soll. Gerstenbergers Verwechslung zeugt nicht nur davon, wie schwer der ganze Ansatz vermittelbar ist, der sich ganz auf die sprachphänomenologische Textwahrnehmung beschränkt und die textempirisch-analytische Grundlage zur Bearbeitung von herkömmlichen historisch-kritischen Fragestellungen bildet. Sie bestätigt auch das Phänomen, dass das Missverstehen selbst im wohlwollenden Wissenschaftsdiskurs der Normalfall ist.

Ein weiteres Beispiel für das Miss‑ bzw. Nicht-Verstehen des Ansatzes ist M. Köckerts Verwunderung über die „erstaunliche ‚Literarkritik‘“, der ich „Gen 22 […] unterzogen“ und dabei „neben der Überleitungswendung in V. 1a und dem lokalen Verweis ‚dort‘ in V. 2 eben auch die gesamte Reihe der Appositionen zu ‚deinen Sohn‘ in V. 2a.12b [sc. ‚deinen Sohn, deinen Einzigen, den du liebhast‘] einer späteren Hand zugeschrieben“ habe.37 In seiner Kritik sieht Köckert selbst „[g]egen“ diese „amputierten Teile“ deshalb „keine Handhabe“, um die ‚Amputationen‘ zu widerlegen, da meine Studie „ja“ – in der Tat (!) – „auch nicht wirklich literarkritisch [argumentieren]“ und „jedenfalls keine Gründe [nennen]“ würde, „die einen Verbleib der kritisierten Teile im Text unmöglich machen“ (ebd.). 37 M. Köckert, Gen 20–22 als nach-priesterliche Erweiterung der Vätergeschichte, in: F. Giuntoli / K. Schmid (Hg.), The Post-Priestly Pentateuch. New Perspectives on Its Redactional Development and Theological Profiles (FAT 101), Tübingen 2015, 157–176, Zitate 175. Köckert bezieht sich dabei auf Hardmeier, Bindung.

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Zudem sei auch „die eigenwillige Deutung des Verbs in V. 2 (sc. ‚führe ihn hinauf bezüglich eines Brandopfers‘) nicht beweisbar“ (ebd.), obschon die Mehrdeutigkeit der Phrase ‫עלה‬ (hif.) ‫ לעלה‬in V. 2 und 13 in gleicher Weise auch von B. Jacob38 beobachtet und in beiden Versen entsprechend unterschiedlich übersetzt wurde. Sie wird von Köckert nicht nur mit dem wahrlich steilen literarkritischen (?!) Argument vom Tisch gewischt, dass „ein antiker Leser die semantische Differenz in V. 2“ ohne weitere Anhaltspunkte „nicht (hätte) erkennen können“ (ebd.). Er lehnt den Übersetzungsunterschied auch deshalb ab, weil „dieselbe Formulierung […] bei der Darbringung des Widders in V. 13 gebraucht wird“ (ebd.), während in der Doppeldeutigkeit der Phrase gerade der Clou der ganzen ProbeErzählung vom Sehen und Ver-Sehen liegt.39

Im Kern läuft Köckerts Kritik darauf hinaus, dass sich die Studie zu Gen 22 nicht an die Argumentations-Logik des klassischen literarkritischen Textpositivismus hält, die den Exeget*innen vermeintlich objektive und beweiskräftige Kriterien der Verifizierbarkeit bzw. Falsifizierbarkeit von Textdeutungen und ‑interpretationen an die Hand gibt. Nach diesen Kriterien kann es deshalb eo ipso für die ‚Amputation‘ von Textteilen in V. 2 und 12 auch gar keine Gründe geben. Und zur Bestreitung der Mehrdeutigkeit der Phrase ‫( עלה‬hif.) ‫ לעלה‬in V. 2 muss Köckert – abgesehen von ihrer phraseologischen Identität mit V. 13 – vor allem den (dummen?) ‚antiken Leser‘ bemühen, der die „semantische Differenz in V. 2“ nicht zu erkennen vermöchte. Doch auch die syntaktische Gleichförmigkeit der Phrase selbst mit der Präposition ‫ ל‬ist längst kein zwingendes Argument dafür, dass sie schon im Kontext der göttlichen Probestellung in V. 2 im gleichen Sinne übersetzt werden muss wie in 13b, nachdem Abraham in der erzählten Welt von Gen 22 des Widders gewahr wurde (V. 13aβ). Denn nach Ausweis der ComputerKonkordanz wird der terminus technicus für den Ganzopfer-Vollzug im ganzen Tanach sonst immer als figura etymologica ‫( עלה‬hif.) ‫ )ו(עלה‬ohne die Präposition ‫ ל‬artikuliert.40 Doch kommen zu diesem sprachphänomenologischen und damit streng literarkritischen (!) Befund eines satzsyntaktischen hapax legomenon in V. 2 und 13 eine Reihe von kommunikationspragmatischen und narratologischen Argumenten hinzu, die – wie unten III.2 sowie 4 und 5 weiter auszuführen ist – die Widerlegung der mächtigen Auslegungstradition und die konstitutive Uneindeutigkeit der Phrase weiter fundiert zu begründen vermögen. Auch diese werden aber von Köckert ebenso vollständig ignoriert wie die entsprechenden Begründungen für die Zuordnung der ausgeklammerten Appositionen in V. 2

38 B. Jacob, 39 Vgl.

Das erste Buch der Tora: Genesis, Berlin 1934, 493–494. dazu Hardmeier, Bindung, 14–18.22–23 und 33–34. Weiteres vor allem unten III.5.5

und 5.6. 40 Zum Nachweis vgl. ausführlich unten III.3. Sowohl die Opferung von Tieren als Brand‑ bzw. Ganzopfer, die im Tanach über 50mal belegt ist, als auch von Menschen in Ri 11,31 (vgl. 39aβ, Jiftachs Tochter) und 2 Kön 3,27 (der erstgeborene Sohn des Königs von Moab) sind unisono als figura etymologica formuliert.

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und 12 zur verheißungsgeschichtlichen Nachinterpretation von Gen 22,1–14.19* in V. 15–18.41 Soweit ich sehe, hat sich lediglich M. Köhlmoos ausführlich und differenziert mit dem Ansatz auseinandergesetzt, dessen Andersartigkeit gegenüber dem herkömmlichen Methodenkanon deutlich gemacht und als ‚Methode Hardmeier‘ apostrophiert.42 Die besondere Relevanz und den Hauptgewinn dieses Neu-Ansatzes sieht sie wesentlich „in der Textwahrnehmung und ‑beschreibung. Selbst wenn man H.s texttheoretische Grundannahmen nicht teilt (oder nicht kennt), lässt sich von der Methode für die exegetische Basisarbeit ungemein profitieren.“ Für Köhlmoos „ist evident, dass auf diese Weise nicht nur ein Instrumentarium zur Textwahrnehmung und ‑beschreibung gegeben ist, sondern auch ein Weg eingeschlagen wird, Gattungszuweisungen und Textabgrenzungen feiner vorzunehmen. Darüber hinaus lässt sich auf diese Weise eine Diachronievermutung sowohl begründen als auch vermitteln“, trotz der Maßgabe, dass „die aktuelle Analyse […] zunächst völlig synchron [erfolgt]“.43 Gleichwohl sind die Kenntnisse der text‑ und kommunikationstheoretischen Grundlagen des Ansatzes und seiner methodischen Verfahren als Handwerkswissen unverzichtbar, weil sie auf der grundsätzlichen Abkehr von der positivistischen Betrachtungsweise von Texten als statischen Objekten beruhen. Denn im Gegensatz dazu sind sie grundsätzlich prozedural als Artefakte der Kommunikation und Partituren der Sinnbildung zu verstehen, deren Sinn sich nur in der rekursiven Abarbeitung der einzig objektivierbaren und schriftlich fixierten Sprachzeichenfolge erschließt. Ohne diese Kenntnisse besagen die Gesichtspunkte und Kategorien der Textbeschreibung als solche nichts, die dann zur art pour l’art wird. Im Blick auf die herkömmlichen Fragestellungen der klassischen Exegese (innere Einheitlichkeit, Text-Abgrenzung, Gattungsfrage, Diachronie etc.) sind sie nur dann aussagekräftig, wenn man auch die texttheoretischen und kommunikationspragmatischen Grundlagen und Voraussetzungen kennt und verstanden hat, die in der linguistischen Literaturwissenschaft begründet sind und dem Ansatz zugrunde liegen.44 Sie bilden in den Worten Blums die „hochdifferenzierte[n] methodische[n] Horizonte“ zur „substantiellen Weiterentwicklung der exegetischen Methodik“,45 denen wir uns als empirischanalytische Elementarbausteine einer alttestamentlichen Exegetik im Folgenden zuwenden. 41 Vgl.

Hardmeier, Bindung, 57–63, und unten III.6. Drei neue Bücher zur Methodik alttestamentlicher Exegese, ThR 72 (2007) 493–500. 43 Alle Zitate ebd., 497. 44 Vgl. die wissenschaftsbiographischen Hinweise in der Einführung zu Hardmeier, Erzähldiskurs, 10–20, und die jeweiligen Verweise auf die sprach-, literatur‑ und kommunikationswissenschaftlichen Anstöße, auf die ich mich insbesondere in Textwelten I und II sowie in den methodologischen Teilen meiner Arbeiten jeweils berufe. 45 Blum, Notwendigkeit, 17. 42 M. Köhlmoos,

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3. Die Basis-Operation der heuristischen Texterschließung im Rahmen von „Exegetik“ und „Historik“ (J. Rüsen) Im Rahmen der historischen Methodologie unterscheidet der Nestor der „Historik“, Jörn Rüsen, drei „prozessuale[.] Operationen“,46 die auf einander aufbauen: „Heuristik“, „Kritik“ und „Interpretation“.47 Als Grundlage und Ausgangspunkt für die historische Kritik und Interpretation bildet die „Heuristik“ die operationale Basis, indem sie „die intersubjektiv prüfbar historischen Fragen auf empirische Bekundungen der Vergangenheit bezieht“,48 d. h. im Wesentlichen auf materielle Hinterlassenschaften wie z. B. Siedlungsspuren, Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände oder auf symbolische Artefakte wie Monumente, Bilder oder Texte, die auf uns gekommen sind. Dabei „muß der historische Blick auf die in den Quellen empirisch gegenwärtige Vergangenheit“ besonders „geschärft werden“,49 und – wie Rüsen mit Nachdruck betont – „folg[t]“ auch diese „quellenerschließende Fragestellung methodischen Regeln“.50 In Analogie zum methodologischen Drei-Stufen-Modell der Historik sind im Rahmen einer alttestamentlichen Exegetik die Fragestellungen der sog. „exegetischen Methoden“ der zweiten Stufe, d. h. der kritischen Auswertung von sprachphänomenologischen Befunden unter spezifischen Fragestellungen zuzuordnen. Dazu gehören die klassischen Fragen nach Gattungsstrukturen, nach der inneren Einheitlichkeit und Abgrenzung von Teiltexten oder nach ihrem diachronen Status (sei es als Vor‑ oder Primärstufen, sei es als Spuren von Bearbeitungen mit klärungsbedürftigen Reichweiten). Hinzu kommen wesentliche Fragen sowohl nach textinternen Zeit‑ und Kommunikations-Ebenen als auch nach metakommunikativen bzw. ‑narrativen Textteilen. Soweit sich diese Fragen anhand der überlieferten Texte klären und beantworten lassen, stützen sie sich auf die Beschreibung und Beobachtung der schriftförmig überlieferten Laut‑ und Sprachgestalt der Texte als eigentlichen Gegenstand. Im Rahmen einer alttestamentlichen Exegetik sind diese Basis-Operationen der Heuristik zuzuordnen. Auf der dritten methodologischen Stufe der Exegetik, d. h. der Interpretation, stehen mannigfaltige Fragen nicht nur nach den textexternen sowohl soziohistorischen als auch religions‑ und literaturgeschichtlichen Zusammenhängen zur Debatte, in denen die Texte stehen. Sie alle dienen letztendlich dem Ziel, die theologischen und anthropologischen Sinndimensionen sowie die kultur‑ und geistesgeschichtliche Bedeutung der biblischen Texte zu erfassen, was keiner weiteren Erläuterung bedarf. 46 Rüsen,

Rekonstruktion, 102–117. 102–107 bzw. 107–111 und 111–117. 48 Ebd., 102. 49 Ebd., 103. 50 Ebd. 47 Ebd.,

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Demgegenüber ist die methodologische Basis-Operation der heuristischen Texterschließung ein weithin unbestelltes und unbekanntes Feld, das sich in der herkömmlichen Exegese auf textkritische Erörterungen, die Konsultation von Wörterbüchern sowie auf eine grammatisch reflektierte Text-Übersetzung beschränkt. Umso nachdrücklicher muss – in Abwandlung der eingangs zitierten Mahnung von Rüsen – der exegetische „Blick auf die in den“ Texten „empirisch gegenwärtige[n]“ Sinnbildungsprozesse „geschärft werden“, wobei auch diese heuristischen Basis-Operationen im Rahmen einer Exegetik klaren „methodischen Regeln folg[en]“.51 Im Kern bestehen sie in der beschreibenden Erschließung der kommunikativen Handlungsstrukturen, die – soweit sie sprachlich realisiert sind – die Sinnbildung im Textprozess bestimmen. Ein Vorschlag zur Handhabung dieser heuristischen Operationen liegt im Konzept der Textur und ihrer Komponenten vor, das ich vor Jahren entwickelt habe und das in den folgenden Abschnitten erläutert wird.52 Darin besteht im Sinne von Blum das Herzstück einer „substantiellen Weiterentwicklung der exegetischen Methodik“.53 4. Biblische Texte als historische Quellen der Geschichte Israels In heuristischer Hinsicht ist noch auf den besonderen Status von biblischen Texten nicht nur als Träger einstiger Sinnbildungsprozesse, sondern auch als historische Quellen einzugehen. Unter den historischen Quellen, in denen „[Vergangenheit] empirisch gegenwärtig“ ist, unterscheidet Rüsen a priori zwischen materiellen Hinterlassenschaften als „Überreste […] die absichtslos […] davon zeugen, daß etwas der Fall war“, und „Quellen mit Traditionsqualität“.54 Bei Letzteren  – wie z. B. Monumentalinschriften oder historiographischen Zeugnissen und geschichtsdivinatorischen Diskursen im Tanach – handelt es sich um „empirische Bekundung[en] der menschlichen Vergangenheit“, in denen zwar in erster Linie „ihr spezifisch historischer Sinn‑ und Bedeutungszusammenhang“, aber damit zugleich immer auch „die Tatsächlichkeit der Vergangenheit bekundet wird.“55 D. h. die historisch-lebensweltlichen Fakten, von denen in „Quellen mit Traditionsqualität“ die Rede ist, können auf ihre historische Glaubwürdigkeit und Faktizität nicht unabhängig von den „Sinn‑ und Bedeutungszusammenhängen“ überprüft werden, die darin zur Sprache kommen. Ein direkter Zugriff auf historische Fakten in „Quellen mit Traditionsqualität“, d. h. insbesondere in historiographischen und geschichtsbezogenen Texten des Tanach ist deshalb in methodologischer Hinsicht kurzschlüssig und inadäquat. 51 Zu

den Zitaten vgl. oben bei Anm. 48 und 49. Hardmeier, Textwelten I, 78–161 sowie Ders., Art. Totenklage. 53 Blum, Notwendigkeit, 17. 54 Rüsen, Rekonstruktion, 106. 55 Ebd. 52 Vgl.

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Beispiele solcher Kurzschlüssigkeiten ohne plausiblen Erkenntnisgewinn sind L. L. Grabbes historisch-quellenkritischer Überblick über das Königreich Juda seit 701 oder E. A. Knaufs Beitrag zur Manasse-Zeit im Band 5 des European Seminar in Historical Methodology 2005.56 Sie messen die Glaubwürdigkeit von historischen Fakten, die im DtrG und in den Chronikbüchern erwähnt werden, am Maßstab ihrer außerbiblischen Belegbarkeit. Im Ergebnis bewerten sie dann die biblisch bezeugten Fakten auf einer Skala zwischen „wahr“, wenn sie auch außerbiblisch belegt sind, mehr oder weniger „wahrscheinlich“ oder „falsch“, wenn sie außerbiblisch nicht bezeugt sind oder solchen Quellen widersprechen.

Gegenüber diesem historischen Positivismus ist es im Sinne einer quellenerschließenden Heuristik nach Rüsen sachgemäßer und wesentlich ertragreicher, zuerst auf die „Sinn‑ und Bedeutungszusammenhänge“ in biblischen Texten zu achten, die zwar auf historisch-lebensweltliche Fakten etwa der späten Königszeit Bezug nehmen, aber deshalb zuvor textempirisch erschlossen werden müssen. Damit kommen als historische Quellen über das DtrG und die Chronikbücher hinaus auch alle vorexilischen Prophetenbücher und das Buch Deuteronomium in Betracht. Zudem erbringen heuristische Verfahren einer text‑ und kommunikationspragmatisch fundierten Sinn-Erschließung von Texten wesentliche Einsichten in die gesellschaftlichen Kommunikations‑ und Diskurskulturen der biblischen Epochen. Bspw. geht aus prophetischen Diskursen, historischen Kurzgeschichten und Legenden oder aus dem joschijanischen Verfassungsstatut auch hervor, wie über zeitgeschichtliche Ereignisse und gesellschaftliche Verhältnisse gestritten, debattiert oder programmatisch nachgedacht wurde. In soziologischer und politischer Hinsicht vermag eine textempirische Heuristik ferner aufzudecken, aus wessen Perspektive das Zeitgeschehen im Blick auf die Zukunft unterschiedlich bewertet und beurteilt wurde und wer aus welchen Gründen daraus welche politischen Handlungskonsequenzen gezogen oder nicht gezogen hat. Das zeigen bspw. die Kontroversen zur syrisch-ephraimitischen Koalitionskrise von 732, die in Jes 7–8 erinnert werden, oder der Streit über die Erfolgsaussichten des Zidkija-Aufstands gegen die babylonische Großmacht um 588/87, der sich einerseits aus Texten des Jeremia-Buches und andererseits aus den sog. Jesaja-Legenden in 2 Kön 18–19* par. Jes 36–37* in historisch-methodologisch überprüfbarer Weise rekonstruieren lässt.57 56 Vgl. L. L.  Grabbe, The Kingdom of Judah from Sennacherib’s Invasion to the Fall of Jerusalem. If We had Only the Bible …, in: Ders. (Hg.), Good Kings and Bad Kings (European Seminar in Historical Methodology 5. LHB/OTS 393), London / New York 2005, 78–122, und E. A.  Knauf, The Glorious Days of Manasseh, in: Grabbe, Good Kings and Bad Kings, 164–188. 57 Vgl. Hardmeier, Prophetie. B. Becking, Chronology. A Skeleton without Flesh? Senacherib’s Campaign as a Case-Study, in: L. L.  Grabbe (Hg.), ‚Like a Bird in a Cage‘. The Invasion of Sennacherib in 701 bce (European Seminar in Historical Methodology 4. JSOT.S 363), Sheffield 2003, 46–72, schließt sich dieser grundsätzlich neuen Einsicht in die sog. Jesaja-Legenden auch in quellenhistorischer Hinsicht voll an und sieht deshalb auch die DreiQuellentheorie (A, B1 und B2) von B. S. Childs als widerlegt (S. 62–64). Demgegenüber hält

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5. Texte als Artefakte der Kommunikation – ihre Textur und Texturkomponenten Eine textempirische Heuristik der Sinn-Erschließung alttestamentlicher Texte muss gegenstandsadäquat und intersubjektiv überprüfbar sein. Ihr primärer Gegenstand sind schriftlich fixierte sprachliche Äußerungen als Artefakte der Kommunikation, die uns in mehrfachen Überformungen aus dem 8. bis 2. Jh. v. Chr. sowie über eine akribische Handschriften‑ und Buchdruck-Tradition überliefert sind. Als Artefakte der Kommunikation sind sie eo ipso das materiale Substrat und Produkt von sprachlichen Äußerungen.58 Eine empirisch-wissenschaftliche Sinn-Erschließung dieser Texte muss deshalb von den anthropologischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ausgehen, unter denen sprachliche Äußerungen seit jeher und bis heute hervorgebracht werden, indem dabei zugleich und unweigerlich auch eine hör‑ oder lesbare Sprachspur angelegt wird. Die Sprachspur, die als Laut‑ und Silbenfolge hör‑ oder lesbar ist, entsteht simultan mit dem Äußerungsprozess und bildet als lineare Kette von Sprachzeichen mit semantischen Instruktionsgehalten das Medium, mit dem sich Sprechende an Adressaten wenden. Dabei speisen sich die Sprachzeichen mit ihren virtuellen Instruktionsgehalten aus dem mentalen Repertoire der einzelsprachlichen Langue und werden im Äußerungsprozess morpho-syntaktisch als Parole modifiziert und zur Strukturierung der Zeichenkette linearisiert. Das dabei entstehende sprachliche Strukturgeflecht bildet die komplexe Textur von Artefakten der Kommunikation, die im alttestamentlichen Textkorpus schriftlich fixiert und deshalb als Objekte und Primär-Gegenstände der wissenschaftlichen Exegese zugänglich sind. Aus dem Strukturgeflecht der sprachlichen Zeichenketten, d. h. auch aus lautschriftlich fixierten Sprachspuren des Alten Testaments, lassen sich analytisch die Sinnbildungen und Wirklichkeitsbezüge von Äußerungen erschließen, indem im Hören oder Lesen der Texte die Instruktionsgehalte des Mediums „Text“ entschlüsselt und rekonstruiert werden. Insofern sind Texte als Artefakte der sprachlichen Kommunikation prozedurale Medien, in denen Beziehungen zu Adressaten performativ gestaltet und ihre Aufmerksamkeit auf die Außen‑ und Innenwelt gelenkt wird. Im Einzelnen organisieren Sprecher und Autorinnen im Medium „Text“ mit sprachlichen Mitteln Sprechhandlungen jeglicher Art gegenüber ihren Adressaten: indem sie bspw. etwas erzählen, behaupten oder begründen, indem der Mainstream der Forschung unbeirrt weiter daran fest, wie der Forschungsüberblick von L. L.  Grabbe, Introduction, in Ders. (Hg.), Bird, 1–43, hier 20–43, zeigt. Denn die Rekonstruktion, „that the entire narrative is a fictive creation“, „goes“ nach seiner Meinung in ihrer Radikalität „further than most are willing [!] to go“ (28), allerdings nur, solange man a priori von Childs’ Hypothese von drei Quellen ausgeht und nur ihre historische Zuverlässigkeit unterschiedlich bewertet. 58 Vgl. dazu ausführlich Hardmeier, Achilles Heel, 123–126, und Ders., Kohärenz, 208–219.

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sie um etwas bitten oder fragen, oder mit Worten versuchen, ihr Gegenüber zu überzeugen, zu provozieren oder zu besänftigen. Sprechakttheoretisch gesprochen, werden im Medium „Text“ mit sprachlichen Mitteln illokutive Akte prozedural organisiert. Ferner wird in sprachlichen Äußerungen stets auf Personen, Gegenstände und Sachverhalte Bezug genommen, die illokutiv verhandelt werden. Im Sprachzeichengeflecht des Mediums „Text“ lenken Sprecher und Autorinnen prozedural die Aufmerksamkeit der Adressaten auf diese propositionalen Gehalte. Zur instruktionssemantischen Lenkung der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit verfügt jede Einzelsprache über ein mehr oder weniger großes Inventar von Namen, Begriffen und sonstigen Kennzeichnungs-Verfahren wie die Attributbildung. Hinzu kommt, dass das sprachlich Geäußerte stets auch in Beziehung gesetzt wird sowohl zur Gegenständlichkeit als auch zum raum-zeitlichen Kontinuum der Wirklichkeit, die sich als Naturwelt und sozio-historische Wirklichkeit kategorial außerhalb und unabhängig von den im Medium „Text“ kommunizierten Welten abspielt. Um diese textinternen Welten mehr oder weniger explizit auf ihr Außerhalb, d. h. auf textexterne Wirklichkeiten zu beziehen, stehen in jeder Sprache vor allem indexikalische Sprachmittel zur Verfügung, auf die im Einzelnen zurückzukommen sein wird. Gemäß diesen Differenzierungen der sprachlichen Sinnbildung und Wirklichkeitsbezüge im Medium „Text“ ist auch das sprachliche Gefüge der Textur zu differenzieren, das im Äußerungsprozess entsteht. Der illokutiven Beziehungsgestaltung, der propositionalen Aufmerksamkeits-Steuerung und der indexikalischen Bezugnahmen auf das Außerhalb des Geäußerten entsprechen unterschiedliche Komponenten des Sprachzeichengeflechts, die als Texturkomponenten zu bezeichnen sind. Allerdings wird der Einsatz und die Verwendung von sprachlichen Mitteln der Langue, die die unterschiedlichen illokutiven, propositionalen und indexikalischen Handlungsaspekte einer Textur als Parole zum Ausdruck bringen, nicht allein von den Mitteilungs‑ und Wirkabsichten von Sprechern und Autorinnen bestimmt. Dazu muss auch der komplexe Voraussetzungshorizont von TextÄußerungen im Vollzug in Betracht gezogen werden, der mit S. J. Schmidt als „Kommunikatives Handlungsspiel“ (KHS) zu bezeichnen ist. Denn die Art und Weise, wie sprachliche Mittel im Äußerungsprozess eingesetzt und verwendet werden, hängt wesentlich auch von den textexternen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen des KHS ab, unter denen Sprachzeichenketten im Äußerungsprozess strukturiert und organisiert werden. Textempirisch und heuristisch betrachtet, liegen uns die Sinnbildungen und Wirklichkeitsbezüge in alttestamentlichen Texten nur als Textur, d. h. als Strukturgeflechte von sprachlichen Zeichenketten vor, die als schriftlich fixierte Sprachspuren und damit als Artefakte der Kommunikation überliefert sind. Sie wurden von uns meist unbekannten Autoren oder Bearbeitern im Rahmen

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von uns unbekannten KHSen und in Hinsicht auf ein uns meist ebenso unbekanntes Publikum erzeugt, strukturiert und schriftlich fixiert. Eine methodische Rekonstruktion dieser Sinnbildungen und Wirklichkeitsbezüge muss deshalb nicht nur die sprachlichen Mittel kennen, die zu ihrer illokutiven und propositionalen Strukturierung eingesetzt wurden (= Kenntnisse des Lexikons, der Morphologie, der Syntax und Grammatik). Sie muss sich auch der universellen Voraussetzungen und Bedingungen des KHSs bewusst sein, unter denen diese Texte und ihre Texturkomponenten im Äußerungsvollzug hervorgebracht und mit entsprechenden sprachlichen Mitteln als prozedurales Medium situationsgemäß gestaltet wurden. 6. Das „Kommunikative Handlungsspiel“ (KHS) und die Sprecher-Origo als Ausgangspunkt einer exegetischen Heuristik Das in den 70er Jahren von S. J.  Schmidt entwickelte Modell des KHS macht die wesentlichen Rahmen-Faktoren anschaulich,59 die die Strukturierung von sprachlichen Zeichenketten im Äußerungsprozess zwar meist unbewusst, aber umso elementarer mitbestimmen. Als solches ist das Modell, was den Kommunikationsakt (sprachliche und konkommittierende bspw. symbolische Handlungen), die (raum-zeitliche) Kommunikationssituation und die beteiligten Kommunikationspartner betrifft, völlig trivial. Diese sinnlich wahrnehmbaren Faktoren im Zeit‑ und Wahrnehmungsraum von Kommunikationshandlungen bilden i. S. von K. Bühler das Zeigfeld, auf das in der face to face-Kommunikation insbesondere mit der Wortklasse der Deiktika und anderen adverbialen Angaben Bezug genommen werden kann: – personaldeiktisch auf das ICH/WIR des/r Sprechenden und das DU/IHR der Angesprochenen in der erst-personalen Rede, – temporaldeiktisch auf das JETZT (bzw. vorher/nachher etc.) oder auch das NICHT-JETZT (einst/dereinst etc.) und – lokaldeiktisch auf das HIER (da/dort etc.). – Mittels Demonstrativ-Pronomina kann überdies auf Gegenstände und Sachverhalte gezeigt werden, die im gemeinsamen Wahrnehmungsraum kopräsent sind, während – dritt-personal (ER/SIE/ES) beliebig auf Personen, Gegenstände, Sachverhalte oder Ereignisse Bezug genommen werden kann, die außerhalb des gemeinsamen Wahrnehmungsraumes stehen oder als nicht dazu gehörig erachtet werden. 59 Vgl. die Graphik „Struktur und Komponenten des KHSs“ in Hardmeier, Textwelten II, 76 und zur Erläuterung sowie Herleitung des Modells aus den texttheoretischen Arbeiten von S. J. Schmidt die ausführliche Darstellung in Ders., Textwelten I, 49–56, sowie Textwelten II, 42–79 (= Wiederabdruck von Ders., Texttheorie, 71–109).

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Hinsichtlich der Sprechsituation ist im Kern jede sprachliche Äußerung implizit oder explizit in der Sprecher-Origo des ICH-JETZT-HIER gegenüber einem DU/IHR i. S. von Bühler zentriert.60 Es ist keine sprachliche Äußerung denkbar, – die nicht von einem ganz konkreten menschlichen ICH – in einem situativ ganz bestimmten HIER und JETZT – gegenüber einem situativ präsenten oder als abwesend imaginierten DU/IHR – mit welcher Mitteilungs‑ und Wirkabsicht auch immer als Sprachspur angelegt und als instruktionssemantische Sprachzeichenkette hervorgebracht wurde. Das Faktorenmodell des KHS hat seine Gültigkeit nicht nur für die mündliche face to face-Kommunikation, sondern mutatis mutandis auch für die Fernkommunikation im technischen Medium der Schrift. Allein die schriftgestützte Telekommunikation konnte vor der Erfindung von elektroakustischen und digitalen Fernsprech‑ und Hörfunk-Techniken die Wortlaut-Identität über raum-zeitliche Distanzen außerhalb der Hörweite garantieren (wenn man von mnemotechnischen Kunstformen der Oralität absieht). Dabei hatten und haben Sprecher und Autorinnen im Blick auf ihre Adressaten lediglich die situative Differenz zwischen der Sendung und dem angenommenen Empfang der Botschaft zu berücksichtigen, was auch die Annahmen betrifft, die sie als Adressaten-Hypothese von den Empfängern haben oder hatten und wie sie sich im zeitversetzten Kommunikationsakt selbst präsentieren. Man kann sich das leicht z. B. an dem in Jer 29,24–32* überlieferten Briefwechsel zwischen dem Nehelamiter Schemaja aus der ersten Gola und dem Jerusalemer Priester Zefanja klar machen, der als Aufseher die theopolitischen Botschaften Jeremias an die um 597 Deportierten maßregeln soll.61 Dabei ist entscheidend, dass nicht nur der Inhalt als solcher, sondern auch die Argumentationsweise der Mitteilung bzw. Botschaft in wörtlicher Rede zitiert wird (vgl. ‫ ועתה‬in Jer 29,27), als würde der Absender in der Situation, in der der Brief vom Boten vorgelesen wird, face to face präsent sein. Die mehrfachen Rede-Einbettungen, die in heuristischer Hinsicht vor allem an der personalen Deixis erkennbar sind, machen deutlich, wie sehr auch in spätvorexilischer Zeit der Schriftgebrauch noch ganz im Dienste der Mündlichkeit stand. Die Schriftlichkeit hatte somit anfänglich die rein technische Funktion, den mündlichen Wortlaut über raum-zeitliche Distanzen hinweg zu bewahren (vgl. z.B Jes 30,8), ohne dass dahinter eine genuin schriftstellerische oder editorische Tätigkeit im modernen Sinne zu vermuten ist. Sie war eine Sache von Schrift-kundigen Spezialisten und hohen Amtsträgern (wie z. B. Baruch oder Schafan und seine Familie) und diente – wie Jer 36 oder das ganze Buch Deuteronomium zeigen – vor allem der Vorlese-Kommunikation. Das ist für das Verständnis der alttestamentlichen Literaturbildung insbesondere der vorexilischen Schriftprophetie sowie der joschijanischen Primärstufe 60 Vgl. dazu ausführlich Ders., Textwelten I, 62–63.93–98 und 102–105, sowie Textwelten II, 66–68 (= Wiederabdruck von Ders., Texttheorie, 96–98). 61 Vgl. dazu ausführlich C. Hardmeier, Jer 29  – „eine geradezu unüberbietbare Konfusion“? Vorurteil und Methode in der exegetischen Forschung, in: E. Blum / C. Macholz / E. W.  Stegemann (Hg.), Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte. Festschrift für Rolf Rendtorff zum 65. Geburtstag, Neukirchen-Vluyn 1990, 301–317.

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des Deuteronomiums und ihrer exilisch-dtr. Bearbeitung als verschriftete Mündlichkeit von fundamentaler Bedeutung.62

Das Axiom, dass sich jede Textäußerung – ob mündlich oder schriftgestützt – mehr oder weniger explizit, aber auch völlig spurlos und implizit (vgl. z. B. weisheitliche Spruchsammlungen) – dennoch prinzipiell auf das textexterne Zeigfeld, d. h. den Wahrnehmungshorizont der jeweiligen Sprecher und Autorinnen und deren Origo bezieht, hat grundlegende methodologische Konsequenzen. Die Sinnbildungen und Wirklichkeitsbezüge in überlieferten Texten können nur dann adäquat rekonstruiert, kritisch beurteilt und interpretiert werden, wenn in den Artefakten der Kommunikation textempirisch und analytisch zuerst nach sprachlichen Anhaltspunkten für die textimmanente Sprecher-Origo gesucht und darüber zumindest heuristisch eine Arbeits-Hypothese gebildet wird. Die heuristische Frage, in welchem HIER und JETZT jemand als ICH gegenüber einem DU/IHR einen überlieferten Text als Äußerungssubstrat hervorgebracht hat, ist i. S. von Rüsen „die quellenerschließende (Grund‑)Fragestellung“63 einer textempirischen Heuristik der Exegese. Die Sinnerschließung von Texten und ihres Wirklichkeitsbezugs hat deshalb textempirisch ihren Ausgangspunkt bei der Frage nach textinternen sprachlichen Signalisierungen der Sprecher-Origo und dem vorausgesetzten Zeigfeld zu nehmen, weil jede sprachliche Äußerung in allen ihren Handlungsdimensionen unhintergehbar aus der Origo-Perspektive der Sprecher und Autorinnen erfolgt. Dementsprechend orientieren sie auch alle Texturkomponenten der entstehenden Text-Spur unwillkürlich an ihrer ICH-JETZT-HIER-Perspektive und gehen unweigerlich von mentalen Vorstellungen und Bildern ihres Wahrnehmungs62 Vgl.

zur Schriftprophetie: C. Hardmeier, Verkündigung und Schrift bei Jesaja. Zur Entstehung der Schriftprophetie als Oppositionsliteratur im alten Israel (1983), in: Ders., Erzähldiskurs, 229–242, und Ders., Zur schriftgestützten Expertentätigkeit Jeremias im Milieu der Jerusalemer Führungseliten (Jeremia 36). Prophetische Literaturbildung und die Neuinterpretation älterer Expertisen in Jeremia 21–23, in: Ders., Geschichtsdivinatorik, 209–242. – Zum Deuteronomium vgl. die Aufsätze zur „Erinnerungskulturellen Singularität der deuteronomistischen Tora“ in Ders., Erzähldiskurs, 95–207, sowie vor allem Ders., Kohärenz, 219–252, wobei diese textpragmatische Kohärenz-Analyse der Tora-Rede von Dtn 1–30* aus dem Jahre 2007 im vierbändigen Kommentarwerk von E. Otto (HThKAT) sowohl in E. Otto, Deuteronomium 1–11. Erster Teilbd.: 1,1–4,43 und Zweiter Teilbd., Freiburg i. Br. 2012, als auch in Ders., Deuteronomium 12–34. Erster Teilbd.: 12,1–23,15, Freiburg i. Br. 2016, und Zweiter Teilbd. 23,16–34,12, Freiburg i. Br. 2017, völlig ignoriert wird. Zwar berücksichtigt Otto in seinem voluminösen Werk von 2300 Seiten nahezu die gesamte Forschungsliteratur der letzten zwei Jahrhunderte und diskutiert sie ausführlich (vgl. Teilbd. I, S. 33–239). Doch der textempirisch und kommunikationspragmatisch begründete Gliederungsvorschlag der dtr. Mose-Rede (vgl. die Graphiken in Anhang I und II in Hardmeier, Kohärenz, 253–255) bleibt deshalb völlig aus dem Blick, weil Otto – was die Methodologie und die Textwahrnehmung betrifft – sich im forschungsgeschichtlichen Dickicht der herkömmlichen Literarkritik und Redaktionsgeschichte verliert, aus dem er dann sein Mehrstufen-Modell der Literaturgeschichte des Buches entwickelt (vgl. Teilbd. I, 231–257 und die Graphiken S. 237, 248 und 256). 63 Rüsen, Rekonstruktion, 103.

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horizonts und dem ihrer Adressaten aus, an die sie sich real oder imaginativ wenden. D. h. sie orientieren ihre Text-Äußerung nicht nur an ihrem eigenen ICH-JETZT und HIER, sondern stets und unwillkürlich auch an ihrer mentalen DU/IHR-Hypothese und am vermuteten Wahrnehmungshorizont ihrer Adressaten.64 Im konzeptionellen Rahmen der Texturkomponenten handelt es sich dabei vor allem um die Beobachtung, ob und wenn ja, wie die „interaktive“, die „temporale“ und „lokale Handlungskomponente“ im untersuchten Textbereich sprachlich realisiert ist, wobei im Blick auf sehr häufige Rede-Einbettungen in den biblischen Texten a priori auch die „metakommunikative“ Komponente anhand von Rede-Einführungen etc. zu beachten ist.65

II. Grundzüge der Textkommunikation im Blick auf eine textempirische Heuristik Geht man axiomatisch vom Origo-Bezug jeder sprachlichen Äußerung und der damit verbundenen Texterzeugung aus, drängen sich im Blick auf eine textempirische Heuristik eine Reihe von Grundfragen und ‑unterscheidungen auf. Sie sollen im Folgenden unter spezifischen Bezugsaspekten zur SprecherOrigo beleuchtet werden. 1. Die Unterscheidung von erst‑ und dritt-personalen Textäußerungen Bei der empirischen Texterschließung muss sorgfältig zwischen erst-personalen und dritt-personalen Textpassagen unterschieden werden, die sich am pronominal-Gebrauch entweder der ersten und zweiten oder der dritten Person erkennen lassen. Was immer erst‑ oder dritt-personal erzählt oder besprochen wird, am personaldeiktischen Origo-Bezug der Text-Äußerung entscheidet sich, ob die Sprecher und Autorinnen sich selbst und ihre Adressaten als Betroffene mit in das Gesagte einschließen oder ob sie objektivierend und distanzierend über

64 Zur Veranschaulichung dieser Grundbedingungen und Voraussetzungen von sprachlichen Äußerungen sowie der Strukturierung ihrer textförmigen Korrelate vgl. die Graphiken „Struktur und Komponenten des KHSs“, „Sprecher/Autor (Komponente des KHSs)“ und „Textprozess“ in Hardmeier, Textwelten II, 76.78.114 (= Texttheorie, 106.108.146). Sie werden ebd., 77–82 (= Texttheorie, 107–112) und 102–116 (= Texttheorie, 134–148) näher erläutert. – Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass die Annahmen von semantischen „Tiefenstrukturen“ der Texte und – damit verbunden – von mentalen „Kommunikationsaktprogrammen“ (vgl. ebd., 82–102 [= Texttheorie, 113–133]) allein schon aus neurobiologischen Gründen überholt sind (vgl. oben I.1) und nicht mehr vertreten werden. 65 Vgl. zu diesen Texturkomponenten und ihren sprachlichen Realisierungen ausführlich Ders., Textwelten I, 84–103.

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etwas sprechen, was außerhalb der aktuellen ICH/WIR-DU/IHR-Beziehung zu betrachten ist oder steht.66 Die Tragweite dieser analytischen Unterscheidung für das Text-Verstehen kann man sich z. B. an den erzählten Hiob-Dialogen mit seinen Freunden in Hiob 3–31 klar machen, in denen von Gott bzw. Jhwh fast ausnahmslos in der 3. Person, und d. h. im Unterschied zur durchgängigen An-rede in den Psalmen über ihn geredet wird. Und von ebenso großer Tragweite ist die textempirische Beobachtung, dass Mose in seiner Tora-Rede (Dtn 1,6– 30,20) in Dtn 1,6–3,29 vor dem Forum Israels im Lande Moab bei Bet Peor nicht nur die gemeinsamen Wanderungen vom Horeb bis nach Bet Peor als selbsterlebte Vergangenheit in Erinnerung ruft. Auch greift er in seinen weiteren Tora-Erläuterungen in 4,9–14; 5,2–31; 9,7–10,11 und 18,16–20 mehrfach auf gemeinsam erlebte Jhwh-Begegnungen am Horeb selbst zurück, was hier nicht weiter vertieft werden kann.67

2. Die Unterscheidung von Rede‑ und Erzählkommunikation – besprochene und erzählte Welten In Orientierung am temporaldeiktischen Origo-Bezug entscheiden Sprecher und Autorinnen, ob sich die Welt in ihrer Textäußerung als besprochene Welt auf die JETZT-Zeit der Äußerung im Referenzrahmen des aktuellen KHSs beziehen soll, oder ob sie eine andere – sei es eine vergangene oder zukünftige – Welt ins aktuelle Gespräch bringen wollen. Dann müssen sie diese andere Nicht-JETZTWelt gegenüber der JETZT-Zeit der Textäußerung explizit abgrenzen und ihren Adressaten gegenüber als erzählte oder prognostizierte Welt hinreichend kenntlich machen. Zur expliziten Abgrenzung stehen als einzelsprachliche Mittel adverbiale Zeit-Marker zur Verfügung. Vor allem zur prozeduralen Kennzeichnung von erzählten oder prognostizierten Welten werden im Hebräischen die Consecutiv-Tempora der Präformativ‑ und Afformativ-Konjugationen eingesetzt bzw. ganz allgemein die Und-Verknüpfung aller Satzarten.68 Dementsprechend sind in Textäußerungen grundsätzlich erzählkommunikative von redekommunikativen Passagen zu unterscheiden, was natürlich auch für Textäußerungen als ganze gilt. In gattungstypologischer Hinsicht beruht darauf die Grundunterscheidung von Rede‑ und Erzähltexten. Im JETZT-Zeit-Bezug werden Textäußerungen redekommunikativ durch die Abfolge verschiedenartiger illokutiver Sprechhandlungen strukturiert,69 die einerseits die Interaktion mit den Adressaten etwa in Form von Bitten, Fragen oder Aufforderungen steuern. Andererseits werden in der Redekommunikation Gegenstände und Sachverhalte besprochen, indem sie bspw. behauptet, begründet, bejaht oder bestritten, in Frage gestellt oder für möglich gehalten werden. 66 Vgl.

dazu Ders., Textwelten I, 63 und 93. die oben in Anm. 62 genannten Arbeiten zum Deuteronomium. 68 Vgl. Ders., Textwelten I, 96–98 und 106–111. 69 Zu den Spezifika der Redekommunikation vgl. ebd., 61–64 und 84–103. 67 Vgl.

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Die spezifische Abfolge und Vielfalt von illokutiven Akten bilden die Interaktions‑ und Argumentationsstruktur redekommunikativer Textäußerungen.70 Sie lässt sich im entstehenden Sprachzeichengeflecht, d. h. in ihrer Textur an den eingesetzten Sprachmitteln erkennen, die zur Textbildung eingesetzt werden. Dazu gehören neben den Modi der Verbalflexion (z. B. Imperative, Vetitive, Prohibitive) die Klasse der Fragepartikel und ‑pronomina sowie vor allem das breite Feld von Konjunktionen und entsprechenden Satzarten. Unter der Vielfalt von Sprechhandlungen, in denen Textäußerungen in der JETZT-Zeit des KHSs strukturiert werden, ist das Erzählen ein Spezialfall.71 Illokutiv vollzieht sich das Erzählen wie alle anderen Sprechhandlungen der Redekommunikation im JETZT-Zeit-Bezug der Sprecher-Origo, d. h. in der Erzählzeit. Jedoch ist es das Proprium der Erzählkommunikation, dass darin ein Zeitgeschehen und Zeitverhältnisse einer NICHT-JETZT-Zeit entfaltet werden als Abfolge von Ereignissen, die in der erzählten Zeit spielen und im Unterschied zur besprochenen Welt eine eigene erzählte Welt bilden. Die sprachlichen Mittel zur narrativen Entfaltung einer erzählten Welt wurden bereits oben erwähnt. Gleichwohl bleibt auch die illokutive Sprechhandlung des Erzählens unweigerlich der Erzählzeit verhaftet und ist an der Sprecher-Origo orientiert. Das zeigen allein narrative Rückblicke in kontroversen Gesprächs-Kontexten (vgl. z. B. Gen 20,6–7; Jos 24,2–15; 1 Sam 21,3–4; 28,21–22 oder 2 Sam 1,4–10; 12,7– 10 und Jes 5,1–6). Als Rückblicke dienen sie etwa der Begründung von Urteilen oder von Ansprüchen und Erwartungen. Oder sie werden ins Gespräch gebracht, um einstige Zeiterfahrungen kritisch mit aktuellen Problemkonstellationen und Zukunftsperspektiven ins Verhältnis zu setzen. Aber auch reine Erzählungen wie die Bücher Ruth oder Hiob bleiben implizit auf eine Sprecher-Adressaten-Origo und Erzählzeit bezogen, auch wenn der illokutive Hintergrund ihrer Entstehung unbekannt und nur in Gestalt des impliziten Autors und der impliziten Adressaten vorauszusetzen ist. Erzähltexte als Medien der Erzählkommunikation werden erzeugt und bleiben allein aufgrund ihrer Qualität erhalten, dass die darin erzählten Ereignisse, Geschehenszusammenhänge und Zeitverhältnisse in den jeweiligen Erzählsituationen immer wieder Sinn machen und damit auch in der rezeptionsgeschichtlichen relecture erzählenswert bleiben. Denn die Erzählkommunikation beruht primär auf dem Prinzip der Mimesis, indem Rezipient*innen eine erzählte Welt im Nachvollzug stets zu analogen Problemkonstellationen ihrer Erzähl-Gegenwart in Beziehung setzen. Insofern kommt die Gegenwartsrelevanz von Erzählungen nur indirekt zur Sprache. Zudem gehen das implizite tua res agitur sowie sonstige Identifikationsangebote nur indirekt aus der Art und Weise hervor, wie Erzähler*innen die erzählte 70 Vgl. 71 Vgl.

ebd., 112–113. ebd., 64–65 und 103–111.

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Welt aus ihrer Origo-Perspektive aufbauen und im Blick auf ihre realen oder imaginativen Adressaten narrativ gestalten.72 3. Teilstrukturen der narrativen Organisation und die Gestaltung von erzählten Welten Zur Sinnerschließung von Erzähltexten müssen auch elementare Teilstrukturen der narrativen Organisation und Gestaltung von erzählten Welten näher in Betracht gezogen werden.73 Als Ausgangspunkt steht das erzählenswerte Ereignis im Zentrum, das mutatis mutandis auch in den Problemkonstellationen der Erzähl‑ und Rezeptionssituation von Bedeutung sein muss. Erzählenswert ist deshalb in der Regel weder das normal Erwartbare noch der gewohnte Gang der Dinge, sondern das Unerwartete, das Überraschende oder Verstörende, das den Lauf der Dinge irritiert. Erzählenswert ist die Erfahrung von Planbrüchen, die die gewohnte Ordnung der Dinge durcheinanderbringen in Entsprechung zu möglichen gleichartigen Erfahrungen in der Rezeptionsgegenwart.74 Dabei geht es jedoch nicht allein um das überraschende oder verstörende Event des Planbruchs selbst, was nur die Sensationslust von Nicht-Betroffenen befriedigen würde. Das erzählenswerte Ereignis bildet die Basis-Komplikation einer Geschichte, die als Gesamtthema den Bogen bis zur Klimax und ihrer Auflösung 72 Vgl.

ebd., 66. ebd., 66–69, und zum Ansatz einer textempirischen Narratologie Hardmeier, Textwelten II, 177–243 (= Wiederabdruck von Ders., Prophetie, 23–86) und dort die Herleitung aus der kommunikationsorientierten Linguistik von E. Gülich, U. M. Quasthoff u. a. Zur „narrativen Texturkomponente“ vgl. Ders., Textwelten I, 103–111, und zum „Spezialfall der Erzählkommunikation“ ebd., 64–75. Zu den text‑ und gesprächslinguistischen Grundlagen vgl. E. Gülich / H. Hausendorf, Art. 37. Vertextungsmuster Narration, in: K. Brinker / G. Antos u. a. (Hg.), Text‑ und Gesprächslinguistik. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung (Hand­bücher zur Sprach‑ und Kommunikationswissenschaft 16), Berlin / New York 2000, 369–385. 74  Hinzuweisen ist auf narratologisch fundamentale „anthropologische Universalien in der Arbeit und in den Ergebnissen des Geschichtsbewusstseins“ (J. Rüsen, Theoretische Zugänge zum interkulturellen Vergleich historischen Denkens, in: Ders. / M. Gottlob / A. Mittag [Hg.], Die Vielfalt der Kulturen. Erinnerung, Geschichte, Identität 4 [stw 1405], Frankfurt a. M. 1998, 37–73, hier 50). Nach Rüsen arbeitet sich das Geschichtsbewusstsein grundsätzlich an der „Zeiterfahrung“ ab, „die man Kontingenz nennt“, d. h. an der Erfahrung, „dass das menschliche Leben in einem Zeitverlauf erfolgt, der es permanent irritiert. Es handelt sich um die Irritation des Bruchs, unerwarteter Vorkommnisse in der eigenen Welt wie Geburt und Tod, Katastrophen, Zufälle, enttäuschte Erwartungen“ etc. (ebd.). Die Permanenz und Unabdingbarkeit von Kontingenzerfahrungen in allen Lebensvollzügen nötigt unentwegt zur mentalen Verarbeitung, indem diese Erfahrungen als erzählenswerte Irritationen und Planbrüche artikuliert und in der narrativen Vergegenwärtigung von Vergangenheit auf irgendeine Art und Weise „gelöst“ werden. „Erzählen ist“ nach Rüsen „eine anthropologisch universelle Kulturpraxis der Zeitdeutung“, in der sich das „historische Denken“ artikuliert, das als ‚Geschichte‘ „grundsätzlich der Logik des Erzählens [folgt]“ (Ders., Historisches Erzählen, in: Ders., Zerbrechende Zeit. Über den Sinn der Geschichte, Köln / Weimar / Wien 2001, 43–105, Zitate 43–44). 73 Vgl.

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über das Ganze einer Erzählung spannt, wie unten III.1.3 an Gen 22,1b zu zeigen sein wird. Das biblische Erzähl-Interesse liegt vor allem an der Art und Weise, wie die Betroffenen – jeweils mit Gottes Hilfe – eine Krise bewältigt haben und wie sie entweder aus seiner Gnade unverdientermaßen zu ihrem Glück gekommen sind oder sich durch ihr Fehlverhalten und mangelnde Achtsamkeit gegenüber Jhwh seinen Zorn und Fluch zu ihrem eigenen Unglück auf sich gezogen haben. Ausgehend vom Erzählinteresse sind im Aufbau von Erzählungen und ihrer Verlaufsstruktur vier wesentliche Teilstrukturen zu unterscheiden.75 Unter dem Strukturaspekt (1) der Orientierung müssen Erzähler*innen in Abhängigkeit von ihrer Adressaten-Hypothese hinreichend über die Ausgangslage informieren, in und aus der es zum unerwarteten Planbruch kam. D. h. sie müssen ein hinreichendes Bild von den situativen Normal-Umständen und vom Charakter der betroffenen Personen zeichnen, die in eine Krise gerieten. Die Verstörung der gewohnten Ordnung selbst, die zu diesen Irritationen geführt hat, bildet (2) die zweite Teilstruktur der Komplikation, die als Problemkonstellation von den Erzähler*innen hinreichend entfaltet werden muss und als Basis-Komplikation das Hauptthema einer Erzählung bildet. Beide Teilstrukturen sind deshalb besonders in den Erzählanfängen genau zu beachten. Im Buch Ruth geht es um den Grundkonflikt, dass die Witwe Noomi aus der moabitischen Diaspora mit ihren moabitischen Schwiegertöchtern einerseits nach Bethlehem in Juda zurückkehren will (1,6), nachdem sowohl ihr Mann als auch ihre Söhne verstorben waren. Andererseits sieht sie sich damit zugleich mit der bitteren Notwendigkeit konfrontiert, sich von ihren innig geliebten Schwiegertöchtern trennen zu müssen, weil es nach den judäischen Sozialgesetzen weder für sie noch für die Moabiterinnen ohne judäische Männer und Nachkommen eine Lebensversorgung gibt (1,7–22). Im Hiobbuch besteht die Hauptkomplikation darin, dass der Widersacher Jhwhs den überaus frommen, untadeligen und wohlhabenden Hiob in der dogmatischen Labor-Welt des Hiobbuches auf die existenzielle Belastbarkeit seiner Frömmigkeit („Gottesfurcht“) testen will (vgl. 1,1 mit 1,8–9 und 2,3), wobei er dazu in 1,13–21 und 2,7–8 zwei erfolglose Anläufe nimmt (vgl. 1,20–21 und 2,9.10a), die jedoch beim dritten indirekten Anlauf ab 3,1 ff. erfolgreich zu werden drohen, was die ganze Spannung des Buches ausmacht.

Auf die Erzählteile der Orientierung und der Komplikation folgt als Hauptteil (3) die Lösung. Darin werden in spannungsreichen Erzählbögen mit weiteren Teilkomplikationen und szenischem Orientierungsbedarf die Wege und das szenisch gegliederte Geschehen entfaltet, wie es in der erzählten Welt zur Lösung der Probleme bzw. zur Bewältigung der Krise kam, was in der Klimax kulminiert und als Resultat in der Koda abschließend kurz festgehalten wird. Im Buch Ruth besteht der Lösungsteil in der spannenden Geschichte in 2,2–4,17, die von Ruths Einsatz bei der Getreideernte erzählt, nachdem sie gegen den Willen ihrer 75 Vgl. dazu Ders., Textwelten I, 67–69, und ausführlich II, 193–200 (= Prophetie, 38–45) sowie Gülich / Hausendorf, Vertextungsmuster, 371–373.

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Schwiegermutter, aber aus unbedingter Liebe zu ihr und einem völlig unorthodoxen Jhwh-Verständnis dazu die eigene Initiative ergriff (1,16–17). Ihr unbekümmerter Einsatz und weitere glückliche Umstände führten zum Ergebnis, dass mit ihrer Heirat mit dem Judäer Boas und der Geburt eines Sohnes auch die Lebensversorgung der beiden Witwen gesichert wurde (4,13–17), die Noomi in 1,8–14 kategorisch ausgeschlossen hatte.  – Im Hiobbuch zieht sich die Komplikation im dritten indirekten Versuchungs-Teil (Hiob 3–31) bis zur Antiklimax in Hiob 32,1–5 hin und wird im Lösungsteil von Hiob 32,6–41,26 erst in der Antwort Hiobs in 42,1–6 aufgelöst.

Zu diesen drei Teilstrukturen kommt als vierte die zwar kaum beachtete, aber sehr wichtige Struktur der Evaluation hinzu. Es handelt sich um unscheinbare Zwischen‑ oder Endbemerkungen des Erzählers, in denen das Erzählte gegenüber den Adressaten metanarrativ bzw. metakommunikativ bewertet wird. Augenfällig und allbekannt sind evaluative Bemerkungen am Ende von Jesus-Gleichnissen („Wer Ohren hat, der höre“) oder von Märchen und Moritaten („und die Moral von der Geschicht …“). Mit evaluativen Bemerkungen weist der Erzähler auf die kommunikative Funktion, die perlokutive Absicht und damit auf den GesamtSinn seiner Erzählung hin, den sie für die Hörer/Leserinnen machen soll. Im Hiob-Buch bestimmen einerseits die metakommunikativen Evaluationen des angemessenen Redens von Jhwh in 1,22 und 2,10b und andererseits die metanarrativen Wertungen in der Antiklimax in 32,1–5 und der Lösung in 42,1–6 die narrative Makrostruktur des ganzen Buches. Sie markieren zugleich die Basis-Thematik, um die es darin insgesamt geht. Dabei wird an Hiob exemplarisch gezeigt, dass wahrer Jhwh-Respekt (‫יראת יהוה‬, „Jhwh-Furcht“) als Grundlage aller Weisheit (Prov 1,7; 9,10 vgl. Hiob 42,3–5!) darin besteht, unsere von Grund auf unverfügbare Lebensgabe und Geschöpflichkeit auch im Leiden und Sterben aus der Hand Jhwhs, des unermesslichen Schöpfers, anzunehmen und als wahres Reden von Gott im Bekenntnis zu ihm zum Ausdruck zu bringen (1,21; 2,10aβγ und 42,1–6). Diesem wahren Jhwh-Respekt wird in Hiob 3–31 performativ das besserwisserische und selbstgerechte Theodizee-Räsonnement gegenübergestellt, das die allergrößte Versuchung des Satans (und einer dogmatischen Theologie bis heute) ist und worin sich Hiob und seine Freunde ausweglos verstricken (vgl. die metanarrative Feststellung in 31,40b–32,1).76

4. Die metakommunikative und ‑narrative Strukturierung von Teiltexten Sprecher und Erzählerinnen können mit Demonstrativpronomina im Zeigfeld der aktuellen Kommunikationssituation nicht nur auf kopräsente Gegenstände oder Sachverhalte zeigen. Wie aus den evaluativen Bemerkungen in Hiob 1,21 und 2,10 hervorgeht, können sie damit auch pro‑ oder retrospektiv auf Teilpassagen ihrer Textäußerung selbst Bezug nehmen.77 76 Vgl. zu dieser Grundstruktur des Hiob-Buches C. Hardmeier, New Relations between Systematic Theology and Exegesis and the Perspectives on Practical Theology and Ethics (2005), in: Ders., Erzähldiskurs, 370–381, bes. 374–377. 77 Vgl. Hardmeier, Textwelten I, 61–62 und 84–87.

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Ein einschlägiges Beispiel dafür sind im Deuteronomium einerseits die Verweise auf „diese“ Tora im Erzählrahmen, die Mose nach 1,5 erklärend darzulegen begann und nach 31,9 aufschrieb. Andererseits nimmt er in 4,8 auch innerhalb der Rede selbst auf „diese“ unvergleichliche Tora Bezug, die ab 1,6 im Wortlaut präsentiert wird. D. h. „diese Tora“ des Mose im Buch Deuteronomium ist primär und elementar als mündliche, d. h. als performative Lehr-Rede im Vollzug zu lesen und zu verstehen – zumal sie ja nach 31,10–13 dann auch alle sieben Jahre vorgelesen und auf diese Weise von Generation zu Generation immer wieder neu zu Gehör gebracht werden soll.78

Verschriftete Mündlichkeit und entsprechende Rede-Einbettungen sind vor allem für die Prophetenbücher typisch, begegnen jedoch häufig auch in anderen Textbereichen des Alten Testaments und sind stets sorgfältig zu beachten. Denn jede eingebettete Rede steht besonders in Hinsicht auf die Sprecher-Origo in einem je eigenen KHS, das in der Regel – wie bei der Botenrede – auf der übergeordneten Kommunikations-Ebene angezeigt wird: „So spricht XY …“. Natürlich können umfangreiche Textteile auch mit metakommunikativen Überschriften eingeführt werden – wie z. B. „Dies sind die (als Korpus zusammengestellten) Rechtssätze“ in Ex 21,1 oder die asyndetischen Überschriften über das ‫תולדת‬-Buch in Gen 5,1 und seine Kapitel in 6,9 (Noah), 11,10 (Sem) und 37,2 (Jakob). Die gleiche Funktion haben orientierende summaries in Erzählungen, die metanarrativ einen summarischen Vorblick auf im Einzelnen folgende Episoden geben. So wird z. B. in Ruth 1,6a – am Ende der metanarrativen GesamtOrientierung über die bedauerliche Ausgangslage Noomis in der Diaspora – global ihr Rückkehr-Vorhaben umrissen: Und sie machte sich auf: sie und ihre Schwiegertöchter. Und sie kehrte aus dem Gebiet von Moab zurück …

Diese Rückkehr wird dann unmittelbar anschließend in 1,7–19a als Episode ausführlich erzählt, jedoch in V. 7 mit einer Feststellung eröffnet, die sich inhaltlich von V. 6 kaum unterscheidet: Und sie zog weg von dem Ort, wo sie gewesen war. Und ihre beiden Schwiegertöchter waren mit ihr. Und sie gingen auf dem Weg (= waren unterwegs), um in das Land Juda zurückzukehren.

Ein letzter Hinweis gilt dem metanarrativen Aufmerksamkeits-Marker ‫והנה‬. Damit macht der Erzähler z. B. im Buch Ruth die Leser‑ bzw. Zuhörerschaft in der aktuellen Rezeptions-Situation mit besonderem Nachdruck auf die Auftritte von Boas in 2,4 und des Lösers in 4,1 aufmerksam. Und in Gen 1,31aβ bringt der Erzähler damit gegenüber seinen Adressaten evaluativ sein großes Staunen und die emphatische Begeisterung über Gottes „sehr gute“ Schöpfung zum Ausdruck, von der er zuvor in 1,1–31aα erzählt hat.79 In Gen 22 ist das ‫ הנני‬Abrahams, seine 78 Vgl. zur verschrifteten Mündlichkeit der Tora C. Hardmeier, Bible Reading AND Critical Thinking (2004), in: Ders., Erzähldiskurs, 355–369. 79 Vgl. Hardmeier / Ott, Naturethik, 149–157.

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wahrnehmungsoffene ICH-Präsenz im HIER und JETZT der Origo, sogar das Hauptthema der ganzen Probeerzählung (vgl. 22,1b.7a und 11 sowie unten III.1). 5. Rhetorische Strategien der Detaillierung und Kondensierung und die Notwendigkeit der Gestaltschließung in der Texturbildung Für die textempirische Sinnerschließung von Artefakten der Kommunikation ist auch die Ökonomie der Texturbildung von großer Tragweite. Die Strukturierung und Organisation des Sprachzeichen-Geflechts, das wir als Textur definiert haben, unterliegt im Äußerungsprozess der Grundspannung zwischen beliebiger Ausführlichkeit und minimaler Kürze oder völliger Aussparung. Dabei kann in Textäußerungen im Prinzip jede kommunikative Handlungskomponente sprachlich beliebig detailliert, kondensiert oder ganz ausgespart werden.80 Besonders hervorzuheben sind direkte bzw. wörtliche Reden auf eingebetteten Ebenen der Kommunikation als Maximalform der Detaillierung von Redehandlungen.81 In Orientierung an den Grundzügen der Textkommunikation (vgl. oben I.5 und 6) sind die folgenden Texturkomponenten zu unterscheiden:82 – (1) die metakommunikative und (2) interaktive Handlungskomponente, – die Komponenten (3) der temporalen und (4) lokalen Orientierung, – sowie unter illokutiven Gesichtspunkten (5) die narrative und (6) argumentative Komponente der Erzähl‑ bzw. der Redekommunikation. – Hinzu kommt (7) die in der Regel umfassendste Komponente der thematischen Entfaltung, die im herkömmlichen Sinne den „Inhalt“ von Textäußerungen ausmacht. Sie besteht im sprachlichen Teilgeflecht der propositionalen Gehalte, die illokutiv und argumentativ verhandelt oder als Teil einer NichtJETZT-Welt erzählt werden. Die prinzipielle Möglichkeit, die genannten Texturkomponenten sprachlich zu detaillieren oder graduell zu kondensieren bzw. ganz auszusparen, kann bzw. wird als kommunikative Strategie zur Profilierung und Modellierung von Textäußerungen eingesetzt. Dabei hängen der Grad der Detaillierung und Kondensierung oder die gänzliche Aussparung von Texturkomponenten einerseits von der Adressaten-Hypothese der Sprecher und Autorinnen ab, d. h. davon, wie sie die Situations-Kenntnisse, das Sprachvermögen sowie den allgemeinen Wissens‑ und Erfahrungshorizont ihrer Adressaten einschätzen. Gemäß dieser Einschätzung muss manches nicht 80 Vgl. Hardmeier, Textwelten, 68–69, und zum Konzept der Modellierung von Textäußerungen und seiner Herleitung aus der Soziolinguistik (W. Kallmeyer) Ders., Textwelten II, 200–207 (= Prophetie, 45–51). 81 Vgl. Textwelten I, 71–75 und II, 212.307–309. 82 Vgl. Ebd., 78–123.

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gesagt oder kann graduell kondensiert und nur angedeutet werden, weil es aus der Sprecher-Perspektive selbstverständlich erscheint. Anderes hingegen, wovon die Sprecher oder Autorinnen annehmen, dass es ihren Adressaten unbekannt ist oder nur schwer einleuchten könnte, muss breiter ausgeführt und durch Detaillierungen explizit gemacht werden. Als Beispiel für eine extrem kondensierte Textäußerung sei die Notiz: „Bin in zehn Minuten zurück“ auf dem Küchentisch einer Wohnung genannt. Der Satz ist nur dann als sinnvolle Textäußerung hinreichend verständlich, wenn dem/der Leser*in das ICH, das JETZT gerade nicht HIER ist, d. h. die vorausgesetzte Origo des/r Verfasser*in und die Voraussetzungssituation des gemeinsamen KHSs bekannt sind. Für einen Kriminalbeamten, wenn er ein Verbrechen an beiden Personen untersuchen müsste, wäre der Zettel jedoch nur eine schwache Spur, die aufgrund vieler anderer Indizien kontextualisiert werden müsste.

Auch die „Erhebung“ (‫ )מׂשא‬in Jes 22,1–15 ist als geschichtsdivinatorische FallStudie in situativer Hinsicht hochgradig kondensiert. Anhand einer genauen sprachphänomenologischen Erfassung vor allem der lokalen, temporalen und personalen Textur-Komponenten lassen sich jedoch aus Jes 22,1–15 historisch sehr detailreiche Rückschlüsse auf die Einschließung Jerusalems durch Sanherib um 701 und die politische Lage darnach ziehen.83 Wichtiger für die textempirische Exegese sind jedoch die rhetorischen Strategien, wie die Sprecher und Autorinnen ihre Textäußerungen mit den Mitteln der Detaillierung oder Kondensierung bzw. mit der kalkulierten Aussparung von Texturkomponenten sprachlich auf vielfältige Weise organisieren und strukturieren können. Mit Emphase oder Abschattung lässt sich nicht nur das Argumentations-Gefüge prägnant modellieren. Auch das szenische Relief von Erzählungen kann damit kontrastreich profiliert werden. Mit Detaillierungen und Kondensierungen werden generell in Textäußerungen Perspektiven und Schwerpunkte intentional gesetzt und Texturkomponenten zur Profilbildung entweder emphatisch akzentuiert oder als Leerstellen offengelassen, weil sie perspektivisch ohne Bedeutung sind. Auch solche Leerstellen  – zumindest in biblischen Texten  – dienen in erster Linie der Profilbildung und sind keine Aufforderungen an die Leserschaft, diese Lücken mit eigenen Phantasien und Antworten auf Leser*innen-Fragen zu füllen, die sich im Text gar nicht stellen, ohne dass zuvor die textimmanente Perspektiven-Bildung und Modellierung der Textur und ihrer Komponenten analysiert wurde.84 Das gilt z. B. sowohl für die Gründe, warum das Opfer Kains in Gen 4,5 von Jhwh nicht angenommen wurde, als auch für die 83 Vgl. C. Hardmeier, Geschichtsblindheit und politischer Opportunismus in Jes 22,1–14. „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ (Jes 22,13), in: Ders., Geschichtsdivinatorik, 115–136. 84 Vgl. zur Vielfalt solcher eisegetischer Füllungen von angeblichen Leerstellen in der JonaErzählung A. Kunz-Lübcke, Jona – verschluckter Held oder abenteuerlustiger Seereisender? Das Jonabuch im Meer der Interpretationen, in: R. Heckl (Hg.), Methodik im Diskurs. Neue Perspektiven für die alttestamentliche Exegese (BThSt 156), Neukirchen-Vluyn 2015, 82–112.

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quälenden Gedanken Abrahams, die er sich nach Gen 22,3 auf dem zweitägigen Weg zum Gottesberg angesichts des vermeintlichen Opferbefehls angeblich gemacht haben soll (vgl. unten III.2.2 und 2.3 sowie 4.1).

Die Wirksamkeit der Detaillierung und Kondensierung als rhetorische Strategie beruht wesentlich auf dem kommunikativen Zugzwang der Gestaltschließung. Insbesondere in Erzählanfängen oder in Eröffnungen von Teilszenen und Argumentationen werden Begriffe, Personen, Sachverhalte, Zeitumstände etc. als „Gestalt“ im abstrakten Sinne eingeführt, von denen dann im Folgenden weiter die Rede sein müsste oder wird. Damit werden Erwartungshorizonte aufgetan, die unter den Begriff der „Gestalteröffnung“ zu fassen sind. Der kommunikative Zugzwang der „Gestaltschließung“ besteht darin, dass die Erwartungen, die mit der Eröffnung einer „Gestalt“ gesetzt werden, im Verlauf der Textäußerung auf irgendeine Weise eingelöst und plausibel gemacht werden müssen. Im Prinzip gilt dieser Zugzwang für jede Texturkomponente. Das Zusammenspiel von Detaillierung und Kondensierung mit dem Zugzwang der Gestaltschließung kann man sich anhand der temporalen und lokalen Texturkomponente in Gen 22 klar machen (vgl. unten III.1.1). Neben den Möglichkeiten die temporale Texturkomponente – wie gezeigt – zu detaillieren bzw. zu kondensieren, kann auch die interaktive Komponente emphatisch hervorgehoben werden, indem die selbstständigen Pronomina der ersten (‫ )אני‬oder zweiten Person (‫ )אתה‬dem personaldeiktisch gleich flektierten Verb vorangestellt werden, was z. B. in der Rhetorik der Psalmen eine große Rolle spielt.85 Grundsätzlich ist der kommunikative Zugzwang der Gestaltschließung die Grundlage, um Erzähl‑ und Spannungsbögen aller Art und ihre Reichweiten nicht nur unter interaktiven oder temporalen bzw. lokalen Textur-Gesichtspunkten zu ermitteln, sondern vor allem auch im komplexen Geflecht der thematischen Entfaltung, wie unten III.2 an Gen 22 weiter zu zeigen ist. Allgemein lassen sich in der Textur von sprachlichen Äußerungen jedoch auch Gestalteröffnungen beobachten, auf die innerhalb eines untersuchten Textabschnittes keine Schließung erfolgt, weil sie entweder – wie z. B. in Gen 2,5b – über den Abschnitt hinaus eine größere Reichweite haben und erst in späteren Textteilen geschlossen werden. Oder sie bleiben offen, weil sie sich auf den textexternen Wissens-, Erfahrungs‑ und Situations-Horizont des KHSs beziehen, in welchem sie gesprochen oder geschrieben wurden. Im Blick auf thematische Teilgestalten, die als Spannungsbögen eine große Reichweite haben, sind die Gestalteröffnungen in Gen 2,5b innerhalb der orientierenden Exposition für die Gesamtanlage der vor-priesterlichen Urgeschichte von Gen 2–9* von großer Bedeutung. Beobachtet man, wie diese narrativen und argumentativen Gestaltungsverfahren der Detaillierung, Kon85 Vgl.

z. B. Ps 30,7; 31,7.15.23 sowie 55,17.24 und dazu Hardmeier, Sinnerschließung, 37.

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densierung und Gestaltschließung in Gen 2–9 eingesetzt wurden, lässt sich sowohl die narratologische Gesamtanlage der vorpriesterlichen Urgeschichte als auch deren priesterliche Bearbeitung sprachphänomenologisch evident erschließen und textempirisch wohl begründen, ohne sich von den alten Vor-Urteilen der Quellenscheidung und den redaktionsgeschichtlichen Modifikationen der neueren Urkundenhypothese beirren zu lassen.86 6. Methodische Schritte und Fragestellungen einer textempirisch fundierten historisch-kritischen Exegese Bisher haben wir zuerst (I) die Grundzüge der Textkommunikation, ihre Voraussetzungen und Grundlagen sowie die Grundbedingungen von Textäußerungen im Rahmen des KHSs beleuchtet. Darauf aufbauend, haben wir universelle Grundzüge umrissen (II), wie in und mit sprachlichen Äußerungen zugleich das Medium „Text“ entsteht und – unter Hinweis auf die sprachlichen Mittel – wie dabei die Textur des entstehenden Mediums und ihre Komponenten (vgl. II.3) als Sprachzeichengeflecht strukturiert und organisiert werden. Im Schlussabschnitt (II.5) ging es um kommunikative und rhetorische Gesetzmäßigkeiten, wie die Textur und ihre Komponenten in Abhängigkeit von der Mitteilungs- und Wirkabsicht der Sprecher oder Autorinnen und ihrer Adressatenhypothese perspektivisch konturiert, profiliert und zur Relevanzsetzung modelliert werden. Diese anthropologischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, unter denen nicht nur sprachliche Äußerungen universell hervorgebracht werden, sondern dabei zugleich auch eine hör‑ oder lesbare Sprachspur als Artefakt der Kommunikation entsteht, gehören zum unentbehrlichen HandwerksWissen von Exeget*innen. Denn nur kommunikationspragmatisch informierte Expert*innen, die über die elementaren Entstehungsbedingungen des Mediums „Text“ Bescheid wissen, können auch die biblisch überlieferten Artefakte einstiger Kommunikation gegenstandsadäquat als Quellen erfassen und ihren historischen Sinn und Wirklichkeitsbezug empirisch-wissenschaftlich erschließen. 6.1 Drei Stufen der empirisch-wissenschaftlichen Texterschließung Die empirisch-wissenschaftliche Texterschließung erfolgt im Wesentlichen in drei Stufen, die sich jedoch in der heuristischen Praxis gegenseitig beeinflussen und als Fragehinsichten rekursiv in Betracht gezogen werden müssen. 6.1.1. Tendenziell am Anfang steht die sprachphänomenologische Erfassung der Textur und ihrer Komponenten, indem die sprachlichen Zeichen und Anhaltspunkte, die die verschiedenen Texturkomponenten signalisieren, an der Textoberfläche systematisch beobachtet und protokollarisch erfasst werden. Elementar ist dabei die vorgängige Beobachtung und Isolierung der direkten Reden 86 Vgl.

Hardmeier, Noah-Flut-Erzählung.

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und die Bestimmung des Grades ihrer Einbettung.87 Dem Arbeitsschritt entspricht in der ärztlichen Diagnose die Erstellung eines Blutbildes, das sich aus den Laborwerten einer Blutuntersuchung ergibt. Eine sprachphänomenologisch nach Handlungskomponenten aufgeschlüsselte Textur-Beschreibung ist die Basis nicht nur für historisch-kritische Auswertungen, sondern auch für ihre wissenschaftlichen Begründungen, die sich zur intersubjektiven Überprüfbarkeit auf diese Basis zurückbeziehen müssen. 6.1.2. Auf der ersten, primär textinternen Auswertungsstufe steht das Zusammenspiel der sprachphänomenologisch erfassten Texturkomponenten im Mittelpunkt. Im lesenden Nachvollzug der analytisch aufbereiteten Sprachspur im Sinne einer „Lesehermeneutik der Behutsamkeit“ sind zum einen die Detaillierungen und Kondensierungen der Teilkomponenten in den Blick zu nehmen. Dazu gehört auch ihre besondere Stilisierung, wie z. B. am eigentümlichen Datierungsstil der Annalen-Exzerpte in den Königsbüchern gezeigt werden konnte.88 Was die Handlungsträger und die verhandelten Gegenstände und Sachverhalte betrifft, sind auf der propositionalen Ebene der thematischen Entfaltung insbesondere die Phraseologie, eine charakteristische Begriffswahl und die Kennzeichnungsreliefs zu beachten.89 Denn die stilistische und phraseologische Homogenität oder Disparatheit des Sprachgebrauchs sind wesentliche Indizien für die synchrone Kohärenz von Textabschnitten oder für ihre Verschiedenartigkeit, die dann diachron bzw. textextern erklärt werden muss. Zu dieser begrifflichen, stilistischen und phraseologischen Analyse der Sprachspur ist die Stuttgarter elektronische Studien Bibel (SESB) wie ein Computertomograph ein unentbehrliches Instrument mit einem großen heuristischen Erkenntnispotential.

Zum andern sind auf der textinternen Auswertungsstufe die Gestalteröffnungen sowie ihre Reichweiten und Schließungen systematisch zu erfassen, wie unten III.1.1 und 2.2–2.4 anhand von Gen 22,1–19* zu zeigen sein wird. Indem im lesenden Nachvollzug sowohl die Detaillierung und Kondensierung als auch die Gestaltschließungszwänge in der Textur sorgfältig beobachtet werden, lassen sich die wesentlichen Fragen der klassischen Literarkritik intersubjektiv überprüfbar klären:90 – Fragen nach Anfang und Ende von (Teil‑)Texteinheiten, – nach ihrer inneren Gliederung, d. h. nach ihrer Argumentationsstruktur bzw. dem szenischen Aufbau – sowie unter dem methodischen Primärverdacht der Synchronie nach ihrer Kohärenz bzw. Inkohärenz und Diachronie. 6.1.3. Die textinterne Auswertungsstufe bietet die textempirische Grundlage für textexterne, soziohistorische, literaturgeschichtliche sowie theologie-, religions‑ 87 Vgl. die exemplarischen Analysen von Jes 22,1–5 in Hardmeier, Geschichtsblindheit, Textpartitur B1 und Ps 55 in Ders., Sinnerschließung, 2–9. 88 Ders., Umrisse, 165–184. 89 Vgl. Ders., Textwelten I, 113–137 und 144–152. 90 Ebd., 152–155.

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und geistesgeschichtliche Auswertungen der Gliederungs‑ und Reliefstruktur biblischer Texte. Auf dieser Stufe kommen alle historisch-kritischen Fragestellungen im eigentlichen Sinne zum Tragen:91 – die Fragen nach den situativen und soziohistorischen Kontexten der Textentstehung – und nach literaturgeschichtlichen Primär‑ oder Bearbeitungsstufen und ihren Trägermilieus, die als objekt-diachrone Textteile stets einem je eigenen KHS zuzuordnen sind. Weitere historisch-kritische Fragestellungen sind – die Fragen nach Textgattungen, – nach intertextuellen Bezügen, – nach nicht-schriftlichen Traditionen, Narrativen oder Symbolwelten des kulturellen Gedächtnisses – bzw. nach lebensweltlichen Wissens‑ und Erfahrungshintergründen, auf die in den Texten Bezug genommen wird oder die darin vorausgesetzt werden. 6.2 Synchronie und Diachronie in der alttestamentlichen Traditionsliteratur Was immer sich in den biblischen Texten an diachronen Sprachspuren erkennen lässt  – hinter jeder Ergänzung oder Unterbrechung, jeder Variation oder Neuformulierung von Textteilen, die in irgendeiner Weise die Kohärenz eines Textzusammenhangs stören, steht grundsätzlich ein kommunikativer Akt der Textverarbeitung im Rahmen eines rezeptiven KHSs, das sich vom KHS der Vorstufe unterscheidet.92 Unter „Textverarbeitung“ ist bspw. die Kommentierung oder Aktualisierung, aber auch die Neuinterpretation oder gar editorische Integration von Vorstufen in eine konzeptionell umfassende Neukontextualisierung zu verstehen, wie sie für die Priesterschrift zu vermuten ist, die die vorpriesterliche Urgeschichte in den universellen Rahmen der priesterlichen Schöpfungs‑ und Menschheitsgeschichte stellt.93 Zwar steckt hinter jedem Akt der Textverarbeitung eine diachrone kommunikative Wirkabsicht. Doch kann diese ebenso wie die Funktion, der Status und die Art und Weise der rezeptiven Anknüpfung nur bzw. in erster Linie an der Sprachgestalt jener Textteile abgelesen und erfasst werden, die als Sprachspur die Kohärenz von Vorstufen stören und/oder sich signifikant davon unterscheiden. Aus diesem elementaren Sachverhalt sind die Kriterien einer textempirischen Vorstufen-Rekonstruktion abzuleiten. 91 Ebd.,

155–161. grundsätzlich Hardmeier, Textwelten I, 51–56 und Textwelten II, 46–53 sowie dort die Graphik „Modell der Textüberlieferung als Folge von Textverarbeitungen“ 51 (= Texttheorie, 75–83 bzw. 80). 93 Vgl. demnächst Hardmeier, Noah-Flut-Erzählung. 92 Vgl.

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Allerdings wird diese grundlegende Intentionalität jeder Textverarbeitung in der herkömmlichen „Literarkritik“ und „Redaktionsgeschichte“ insofern a priori ausgeblendet, als heterogene, inkohärente Textteile unreflektiert unterschiedlichen „Schichten“ zugeordnet, als Spuren von „Textwachstum“ erklärt94 und ihre diachrone Entstehung auf Forschungsphantome wie „eine andere Hand“, „den Redaktor“ oder auf das Werk von „Schriftgelehrten“ zurückgeführt werden, die die synchrone Kohärenz von Textzusammenhängen durch heterogene Eingriffe gestört haben. Damit ist die positivistische Illusion verbunden, die diachrone Entstehung und Überlieferung biblischer Texte ließe sich direkt an „Brüchen und Spannungen“, d. h. an Kohärenzstörungen ihrer Sprachgestalt diagnostizieren und ablesen. Demgegenüber zwingt die unhintergehbare Intentionalität jeder Textverarbeitung dazu, auch ihre Sinnhaftigkeit zu reflektieren, ihre kommunikativen Ziele und Wirkabsicht plausibel zu machen und zumindest ansatzweise eine soziohistorisch konkrete Trägerschaft zu benennen, die hinter der Bearbeitung steht (vgl. dazu unten III.6).

III. Textempirisch-narratologische Sinnerschließung von Genesis 22,1–19 1. Der Erzählanfang 22,1 1.1 Die Abgrenzung der Erzähleinheit zum Kontext Eine textempirische Sinnerschließung von Gen 22,1–1995 hat als erstes die Abgrenzung des Abschnitts zum Kontext zu begründen. Die für sich stehende Erzähleinheit wird temporaldeiktisch durch die metanarrativen Formeln in 22,1aα und 20aα: ‫„( ויהי אחר הדברים האלה‬Es war nach diesen Begebenheiten“) von ihrem Kontext abgehoben und versetzt damit die erzählte Welt von Gen 22,1–19 zugleich in einen unbestimmten Zeitraum ‚danach‘, in welchem Elohim einst Abraham „auf die Probe stellte“: ‫והאלהים נסה את אברהם‬. Doch nicht nur das 94 Zur

Kritik vgl. Ders., Textwelten II, 52–53 (= Texttheorie, 81–82). Folgenden geht es primär um die Explikation und Nachvollziehbarkeit der textempirischen Heuristik und narratologischen Betrachtungsweise am Beispiel von Gen 22, die ich oben II umrissen habe. Darauf beruht implizit bereits meine Studie „Die Bindung Isaaks“ von 2006. Sie wird im Folgenden sprachphänomenologisch vertieft und gegenüber Einwänden der Forschung umfassender begründet, soweit die Auseinandersetzung nicht schon dort geführt wurde und hier weitgehend vorausgesetzt wird. Zum Nachvollzug empfiehlt es sich, diese Erststudie mit im Blick zu haben und zur leichteren Orientierung im Text besonders die Visualisierungen in den Anhängen I („Textstruktur und Übersetzung“, 76–79) und II („Der narrative Zeit‑ und Handlungsrahmen“, 80) heranzuziehen. – Zum forschungsgeschichtlichen Diskussionsstand vgl. K. Schmid, „Daß du, der du mir erscheinst, Gott sei, davon bin ich nicht gewiß.“ Kant und der Gott der Bibel, in: H. Matern / A. Heit / E. E.  Popkes (Hg.), Bibelhermeneutik und dogmatische Theologie nach Kant, Tübingen 2016, 55–68 und dort S. 60–66 mit ausführlicher Bibliographie Anm. 18. 95  Im

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Wann in der Familiengeschichte Abrahams, sondern auch die Lokalisierung, wo diese Erprobung stattfand, bleiben als temporale und lokale Texturkomponenten auffallend unbestimmt. Nur aus dem Erzählschluss in V. 19aβ.b geht indirekt hervor, dass Abraham nach Bestehen der Probe nach Beerscheba ging und sich dort niederließ. Und aus dem Gang Abrahams in das Bergland (V. 3bβγ), das Elohim ihm gesagt hatte (V. 2bβγ), ist zu schließen, dass sich die Leserinnen und Zuhörer die Bewährungsprobe irgendwo im judäischen Bergland nördlich von Beerscheba vorzustellen haben. Das dezidierte Desinteresse des Erzählers an einer historisch-biographischen Verortung in der Familiengeschichte Abrahams macht klar, dass es in Gen 22 am Beispiel Abrahams um eine zeitlos paradigmatische Grunderfahrung geht. 1.2 Die textpragmatischen Besonderheiten des Aufmerksamkeits-Dialogs in V. 1b Die metanarrative Überschrift in V. 1aβ, „und Gott stellte Abraham auf die Probe“, setzt das Thema. Und in V. 1b folgen Inhalt und Gegenstand der Erprobung, inwiefern Abraham in der erzählten Welt von Elohim auf die Probe gestellt wird: α Und er sagte zu ihm: „Abraham!“ 1bβ Und er sagte: „Hier bin ich!“

1b

Indem Elohim ihn direkt anspricht, geht es in der Probe-Erzählung offenbar ganz wesentlich darum, ob und wie Abraham auf die namentliche Anrede seiner Person als solche reagiert, wobei er zudem mit seiner Antwort auch ausdrücklich bestätigt, dass er voll präsent und aufmerksam ist: ‫הנני‬. Diese – mit Absicht als direkte Rede inszenierte96 – Kontaktnahme mit Bestätigung ist schon als solche ungewöhnlich, aber als absoluter Anfang der Probe-Erzählung in narratologischer Hinsicht besonders auffällig. Hinzu kommt, dass auch der Dialog Isaaks mit Abraham in V. 7a und der Anruf des Jhwh-Boten in V. 11 in der Klimax der Erzählung mit dieser performativ erzählten Kontaktnahme beginnen. Demgegenüber findet diese sprachphänomenologisch höchst detaillierte narrative Teilgestalt in der Forschung nur beiläufig oder überhaupt keine Beachtung.97 96 Zur direkten Rede als besonderes Mittel der Detaillierung von erzählten Sprech-Handlungen und mimetische Höchstform ihrer szenischen Vergegenwärtigung vgl. Hardmeier, Textwelten I, 71–75 und dort Anm. 98 den Verweis auf G. Genette. 97  Vgl. H. Seebass, Genesis II. Vätergeschichte I (11,27–22,24), Neukirchen-Vluyn 1997, 204: „V. 1b benötigt kaum eine Erläuterung, wenn man davon absieht, daß die so unauffällige, ‚normale‘ Gesprächsanknüpfung […] nach der schauerlichen Ankündigung von V 1a gewiß als beabsichtigter Kontrast empfunden werden soll.“ Nach C. Westermann, Genesis. 2. Teilbd.: Genesis 12–36 (BK I/2), Neukirchen-Vluyn 1981, 436, handelt es sich in V. 1b um „die Form des vorliterarischen Anrufs. Im Anruf vollzieht sich der Kontaktschluß“; vgl. ferner H.-D. Neef, Die Prüfung Abrahams. Eine exegetisch-theologische Studie zu Gen 22,1–19, Tübingen 22014, 84. Die Kommentare von H. Gunkel, Genesis (HK 1/1), Göttingen 71966; 236, G. von R ad, Das erste Buch Mose. Genesis (ATD 2–4), Göttingen 91972, 189, oder J. A.  Soggin, Das Buch Genesis. Kommentar, Darmstadt 1997, 307, nehmen von dieser ersten hochdetaillierten Er-

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Performativ inszenierte Kontaktnahmen mit expliziter Präsenz-Bestätigung des Angesprochenen, wie in 22,1b.7b und 11, sind im Konkordanz-Vergleich jedoch alles andere als „unauffällig“ oder „normal“ (H. Seebass) oder, wie Westermann formuliert, nur „ein[.] vorliterarische[r]“ Erzähl-„Zug“, der „ein Gespräch so wieder[gibt], wie es sich wirklich vollzieht.“98 Die syntaktische Analyse der Wortfolge ‫ אמר‬+ Abstand 0–3 + ‫ הנני‬mit der Computer-Konkordanz SESB ergibt ein klares Bild. Klammert man die sehr häufigen Fälle der Selbstkundgabe Jhwhs – meist mit folgendem Nominalsatz (z. B. Ez 5,8 ‫ )הנני עליך‬oder Partizip als futurum instans (z. B. Jer 11,22 ‫)הנני פקד עליהם‬ – aus, so bleiben – abgesehen von Gen 22,1b.7a und 11 – nur die folgenden Spezialfälle Gen 27,1.18; 31,11; 37,13; 46,2; Ex 3,4; 1 Sam 3,4–8.16; 22,12 und 2 Sam 1,7, in denen der Angesprochene seine Präsenz und Aufmerksamkeit aus kontextuellen Gründen ausdrücklich bestätigt bzw. bestätigen muss.

Aus den Kontexten dieser Spezialfälle geht mit Ausnahme von Gen 27,18 und 1 Sam 3,4–8 hervor, dass die performativen Kontaktnahmen und ‑bestätigungen einerseits eigenständige und in sich geschlossene Erzählsequenzen sind. Andererseits folgen darauf regelmäßig – und stets mit ‫ ויאמר‬eingeleitet – die ganz unterschiedlichen Anliegen, mit denen der Sprecher die jeweils Angesprochenen zur Rede stellt,99 was auch in Gen 22,2.7b und 12 der Fall ist. Somit werden die narrativ inszenierten Kontaktnahmen und ‑bestätigungen als solche klar von den anschließenden Reden zur Sache abgesetzt. Als erfüllte Sprecher-Erwartungen bilden sie eigenständige Dialogsequenzen, die unabhängig vom Fortgang der Reden und ihren Inhalten als Teiltexte für sich stehen und als AufmerksamkeitsDialoge zu bezeichnen sind. Auch die Gründe, warum die Sprecher von den Angesprochenen eine ausdrückliche Bestätigung ihrer Situationspräsenz und Aufmerksamkeit erwarten, gehen eindeutig aus den Vergleichs-Texten hervor. Sie liegen in den Besonderheiten der vorausgesetzten Kommunikationssituationen, in denen der Sprecher entweder unsicher ist, ob seine An-Rede vom Angesprochenen gehört wird, oder befürchten muss, dass sein Gegenüber nicht zuhört.

zählsequenz in V. 1b mit der göttlichen Kontaktnahme und ihrer Bestätigung durch Abraham überhaupt keine Notiz. Einzig T. Veijola, Das Opfer des Abraham – Paradigma des Glaubens aus dem nachexilischen Zeitalter, ZThK 85 (1988) 129–164, hier 140, sieht in V. 1b unter Verweis auf G. von R ad, Das Opfer des Abraham (KT 6), München 1976, 19, in der Antwort Abrahams (‫„ )הנני‬seine Bereitschaft, zu hören und zu handeln“, ohne jedoch den narratologischen Stellenwert dieser dreimaligen Bereitschafts-Bekundung zu erkennen (zu V. 7a vgl. Veijola, Opfer, 145 und zu V. 11, ebd., 147). 98 Westermann, Genesis I/2, 440, zu Seebass vgl. oben Anm. 97. 99 In Gen 27,18 stellt der von Esau angesprochene, blinde Vater selbst die Frage nach dem Namen seines Sohnes, und in 1 Sam 3,4–8 bestätigt Samuel dem priesterlichen Lehrmeister seine Anwesenheit, weil er meinte, von ihm gerufen worden zu sein, was dieser jedoch wiederholt zurückweist; vgl. dazu und zu den übrigen ganz unterschiedlichen Rede-Fortführungen unten.

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Ersteres ist in allen audio-visionären Kontexten der Fall, in denen Gott selbst oder sein Bote sich wie in Gen 31,11; 46,2; Ex 3,4 und 1 Sam 3,4 vergewissern, dass der Angesprochene aufmerksam und empfangsbereit ist. Vergleichbar damit ist das Bedürfnis des blinden Isaak in Gen 27,1b und 18, sich der Anwesenheit seines Sohnes zu vergewissern, während es in 2 Sam 1,7 die Sicht-Distanz ist, in der der tödlich verwundete Saul vom angerufenen Amalekiter die Bestätigung erwartet, dass er ihn gehört hat. Demgegenüber sind es eher innere Blockaden, die den Stammvater Israel in Gen 37,13–14 befürchten lassen, dass Josef nicht zu seinen mit ihm verfeindeten Brüdern gehen will. Deshalb vergewissert er sich dessen vorab, dass ihm sein Sohn auch wirklich zuhört, wenn er ihn anschließend in V. 14 dazu auffordert, nach dem Wohlbefinden seiner Brüder zu sehen. Ähnliches gilt für den schweren Verdacht einer Verschwörung, die Saul in 1 Sam 22,13 dem Priester Ahimelech von Nob vorhalten will, weshalb er ihn zuvor in V. 12 nicht nur explizit und mit Nachdruck zum Zuhören auffordert, sondern die Aufmerksamkeit und Hörbereitschaft von ihm auch bestätigt haben will.

1.3 Geistesgegenwart und Situationspräsenz (‫)יננה‬ – das Basis-Thema der Erprobung Abrahams (V. 1b.7a und 11) In allen mit Gen 22 vergleichbaren Spezialfällen sind es plausible Gründe, weshalb in den für sich stehenden Aufmerksamkeits-Dialogen performativ allein die Erwartung bzw. Forderung gestellt wird, dass die Angesprochenen vorab mit ‫ הנני‬ihre Situationspräsenz, Wahrnehmungsoffenheit und Hörbereitschaft bestätigen, bevor der Sprecher mit seiner Rede fortfährt und zur Sache kommt. Im Unterschied dazu ist es deshalb völlig singulär und analogielos, dass der isolierte Aufmerksamkeits-Dialog in 22,1b ohne jede Kontexteinbettung nicht nur die ganze Probe-Erzählung eröffnet. Vielmehr wiederholt sich diese hochdetaillierte Dialogsequenz auch innerhalb der Erzählung noch zwei weitere Male in V. 7a und 11, was in narratologischer Hinsicht von größter Bedeutung ist. Im Erzählanfang von V. 1aβ.b wird somit das Thema der ganzen Probe-Erzählung als narrative Inszenierung dessen eingeführt, was in der ganzen Erzählung als Basis-Komplikation auf der Probe steht. Es ist das ‫ הנני‬Abrahams, d. h. seine Situationspräsenz und Geistesgegenwart, die für die Stimme Gottes im hic et nunc der Lebenswirklichkeit hörbereit und offen ist (vgl. Jes 6,8!). Mit ‫ הנני‬kommt die Selbstwahrnehmung der eigenen Lebendigkeit und die geistesgegenwärtige Sinnespräsenz gegenüber allem ‚Außerhalb‘ zum Ausdruck, von dem das ‚Ich‘ im hic et nunc seiner Selbstwirksamkeit unmittelbar angesprochen wird. ‫ הנני‬ist die artikulierte Selbstwahrnehmung der Sprecher-Origo, d. h. des ICH-JETZT-HIER gegenüber einem DU/IHR, in der jede sprachliche Äußerung aber auch jeder andere Lebensvollzug zentriert ist (vgl. oben I.6). Als performatives Geschehen ist das ‫ הנני‬weder begrifflich fassbar noch abstrakt beschreibbar. Es bringt die absolute Selbst-Gegenwart zum Ausdruck, die der Selbstreflexion und dem Bewusstsein eo ipso nicht zugänglich ist und nur narrativ an dramatis personae wie Abraham exemplarisch veranschaulicht und nachvollziehbar reflektiert werden kann. Sie bildet das General-Thema der Probe-Erzählung von Gen 22.

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Denn wie im Erzählanfang in V. 1b durch Gott wird diese geistesgegenwärtige Sinnespräsenz auch in der Klimax in V. 11 durch den Jhwh-Boten (‫)מלאך יהוה‬ herausgefordert und führt dazu, dass Abraham von seinem mörderischen Tun (V. 10aβ.b) sofort und auf der Stelle ablässt. Dementsprechend bestätigt ihm der Bote in der evaluativen Bemerkung in V. 12bα, dass er in seinem Habitus ein gottesfürchtiger Mensch sei (‫ )ירא אלהים‬und die Probe insofern bestanden hat, als er sich hic et nunc durch die Stimme Jhwhs simultan von seinem Irr-Weg abbringen ließ. Die Probe, auf die Abraham in V. 1b gestellt wird, bildet somit die Basis-Komplikation und den Spannungsbogen der ganzen Erzählung und wird in der Dialog-Sequenz von V. 11 mit dem sofortigen Handlungs-Abbruch, der durch den Anruf ausgelöst wurde, gestaltschließend erfolgreich bestanden.100 Abrahams Gottesfurcht als geistesgegenwärtige Sinnespräsenz und Irritationsbereitschaft im hic et nunc gegenüber allem ‚Außerhalb‘ seiner unmittelbaren Selbstwahrnehmung, das ihn als göttliche Stimme anspricht, kann jedoch nicht an sich und als solche ohne ein konkretes lebenspraktisches Erfahrungsfeld erprobt werden.101 Sein ‫ הנני‬als Situationspräsenz und Geistesgegenwart hat sich – wie sich in 22,7b im Anschluss an 7a sowie in V. 10b und 12aα als Kontext von V. 11 zeigt – an lebens‑ und alltagspraktischen Aufgaben und Herausforderungen zu bewähren, vor die Gott den Probanden Abraham in V. 2 stellt. In deren Bewältigung hat sich seine geistesgegenwärtige und spürsinnige Selbstwahrnehmung konkret zu erweisen, so dass sie anschaulich erzählt werden kann. In der Probe-Erzählung von Gen 22,1aβ–14a geht es somit um die zeitlos paradigmatische Gottesfurcht als Erprobung der Situationspräsenz und Geistesgegenwart, deren Bewährung den Leserinnen und Zuhörern am prominenten Beispiel Abrahams – ähnlich wie an Hiob – exemplarisch nachvollziehbar gemacht und vor Augen geführt wird.

100 Im Einzelnen vgl. dazu unten III.5.4–5.6. Zur narrativen Organisation und den Gestaltungsverfahren von erzählten Welten im Blick auf Erzählanfänge wie Gen 22,1aβ.b, evaluative Bemerkungen wie in V. 12bα und die Basis-Komplikation vgl. oben II.3 und zu den rhetorischen Stilmitteln der Detaillierung, Kondensierung und Gestaltschließung, um narrative Teilstrukturen zu gewichten und Spannungsbögen mit unterschiedlichen Reichweiten zu profilieren, vgl. oben II.5. Sie sind die Voraussetzungen und Grundlagen, auf denen die Argumentation und Begründung der textempirischen Sinnerschließung von Gen 22 beruht, ohne dass im Folgenden darauf im Einzelnen verwiesen wird. 101 Zu solchen lebenspraktischen Erfahrungsfeldern, an denen die Gottesfurcht Hiobs erprobt wird, vgl. Hi 1,6–21 mit der Evaluation in V. 22; 2,7–10a mit der Evaluation in V. 10b und 3,1–31,40 mit der Evaluationen in der Antiklimax in 32,1–5 sowie den Lösungen in Kap. 42,1–6 und 7–10 und dazu Hardmeier, Relations, 374–377. Zu den theologischen und narratologischen Strukturparallelen zwischen der Erprobungserzählung von Gen 22 und dem Hiob-Buch vgl. ferner Ders., Bindung, 70–73.

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2. Die Reise zur Opferstätte als erste Teilaufgabe zur Erprobung Abrahams in 22,2a.bβγ 2.1. Der Auftrag zur Anreise an die Opferstätte 22,2a.bβγ Zur Bewährung seiner Situationspräsenz und Wahrnehmungsoffenheit, d. h. seines ‚Hier und Jetzt‘ vor Gott (‫)הנני‬, stellt Elohim in V. 2 Abraham zwei Teilaufgaben, deren Bewältigung anschließend in 22,3–13.19 erzählt wird. Zum einen soll er – primär unter szenischen Gesichtspunkten – in das Land Morija gehen (V. 2aβγ), um dort ein Brandopfer darzubringen (V. 2bα, ‫ )לעלה‬auf einem der Berge, den Gott ihm noch weisen will (V. 2bβγ). Damit verknüpft ist die zweite Teilaufgabe, auf diese Reise seinen Sohn Isaak mitzunehmen (V. 2aα) und ihn an der vorgesehenen Opferdarbringung zu beteiligen (V. 2bα). 2.2. Die Ausführung des Anreise-Auftrags 22,3–8 und die erste Phase V. 3 Die Ausführung der ersten Teilaufgabe, nämlich zur Opferstätte „auf einem der Berge“ zu gehen, wird in 22,3–8 erzählt. Sie steckt den raumzeitlichen Horizont der Bewährungsprobe ab und bestimmt die szenische Gliederung der Hinreise, die mit der Ankunft an der Opferstätte (V. 9aα1) ihr Ziel findet. In narratologischer Hinsicht ist es höchst bedeutsam, dass auch dieser Zielort attributiv näher als Ort bestimmt wird, „den Elohim ihm (sc. Abraham) gesagt hatte“ (‫אׁשר אמר‬ ‫)לו האלהים‬. Damit werden gestaltschließend nicht nur Anfang und Ende der erzählten Anreise von V. 3–8 besonders markiert. Mit der detaillierenden Hervorhebung der Weisung Elohims – sowohl in V. 3bγ als auch in V. 9aα1 – macht der Erzähler deutlich, dass Abraham mit der Ortsfindung zugleich auch eine wesentliche Teilaufgabe abschließend gelöst hat, die Elohim ihm zur Bewährung seiner Situationspräsenz und seiner Hörbereitschaft in V. 2bβγ gestellt hatte. Im Einzelnen gliedert sich die Anreise in 22,3–8 unter temporalen und lokalen Textur-Gesichtspunkten in eine zweistufige Annäherung an die Opferstätte. Die erste Phase wird in V. 3 erzählt. Darin werden die Reisevorbereitungen Abrahams „am Morgen“ (3a.bα) sowie der Aufbruch zum Ort (‫ )מקום‬thematisiert, den Elohim ihm „auf einem der Berge“ (V. 2bβγ) im Land Morija (vgl. 2aβγ und ‫ׁשם‬ in bα) zu zeigen versprochen hat (3bβγ).102 Im raumzeitlichen Gesamtrahmen hat Abraham somit bereits am Ende von V. 3 – wenn auch noch im Ungefähren – den in V. 2bγ gewiesenen Zielort erkannt, an dem er sich schon unterwegs zu orientieren begann (3bβγ). Gestaltschließend wird die Rückkehr zum Ort, von dem er nach V. 3bβ mit Isaak und seinem Tross (V. 3aβγ) aufgebrochen war, erst 102 Man beachte, dass das Versprechen Elohims in V. 2bγ ‫אׁשר אמר אליך‬, für Abraham in der erzählten Welt in 3bγ ‫ אׁשר אמר לו האלהים‬bereits eingelöst ist, was sich sprachphänomenologisch – abgesehen vom unterschiedlichen Origo-Bezug zwischen der Gottesrede in 2bγ (erst‑ und zweitpersonal) und der Erzählebene in 3bγ (drittpersonal) – an der PK-Form von ‫ אמר‬in 2bγ (versprochene Weisung) im Unterschied zur AK-Form in 3bγ (bereits erfolgte Weisung) zeigt.

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in V. 19aβ festgestellt und abschließend auch geographisch mit Beerscheba identifiziert: ‫ויקמו וילכו יחדו אל באר ׁשבע‬.103 2.3. Die zweite Phase der Ausführung des Anreise-Auftrags 22,4–8 Die zweite Phase der Anreise an die Opferstätte wird szenisch in V. 4 eingeleitet: Abraham sah „am dritten Tag“ (‫ )ביום הׁשליׁשי‬auch tatsächlich „von ferne“ den „Ort“ (‫)וירא את המקום מרחק‬, den ihm Elohim gewiesen hatte (V. 2bβγ). Im Blick auf die szenische Gliederung kommt V. 4 eine Schlüsselrolle zu. Mit der Ankunft im Gebirgsraum, in welchem die Opferstätte – wenn auch erst aus der Ferne – schon zu sehen war, wird der Schauplatz der Bewährungsprobe wie mit einem Zoom-Objektiv narrativ auf die nähere Umgebung in Sichtweite des Platzes konzentriert, aber zugleich auch zu einem anschaulich konkreten Handlungsraum aufgeweitet. Darin bereitet Abraham in V. 6a die Opferdarbringung – wie zuvor schon in 3a.bα – weiter vor und macht sich dann einerseits mit Isaak zusammen allein auf den Weg zur Opferstätte (V. 6b–8). Andererseits lässt er den Esel und seine Begleitmannschaft, die er nach V. 3aα2β auf die weite Reise mitgenommen hatte, in Sichtweite zurück (V. 5a). Ausdrücklich verspricht er dabei seinen Leuten (‫ )נעריו‬in V. 5b, dass „wir“ – d. h. er mit Isaak zusammen (!) – nach der gemeinsamen Anbetung (‫„ )ונׁשתחוה‬zu euch zurückkehren wollen“ (‫)ונׁשובה אליכם‬. Und diese in V. 5b versprochene Rückkehr wird dann auch als Gestaltschließung in der Koda in V. 19aα wortgleich als Ausgangspunkt für die Rückreise nach Beerscheba (V. 19aβ) vermerkt (‫)ויׁשב אברהם אל נעריו‬, die den Erzählbogen vom Aufbruch in V. 3bβ schließt. 2.4 Die unterschiedlichen szenischen Reliefs und Gewichtungen der beiden Anreise-Phasen Zu beachten ist – sowohl unter Gesichtspunkten der Detaillierung und Kondensierung als auch in raumzeitlicher und thematischer Hinsicht – die meisterhafte Proportionalität der narrativen Teilstrukturen im Verhältnis der ersten Annäherungs-Phase in V. 3/19aβ, die die zweite Phase in V. 4–8/19aα ringförmig umrahmt. Die temporale Marke „am dritten Tag“ (‫ )ביום הׁשליׁשי‬in V. 4a dehnt in temporaler Hinsicht rückwirkend den Zeitraum zwischen dem Aufbruch (V. 3bβ) und der Ankunft in Sichtweite der Opferstätte (V. 4) gewaltig auf eine Zweitagesreise aus, die jedoch äußerst kondensiert erzählt wird. Das entspricht in lokaler Hinsicht der großen räumlichen Distanz zwischen dem 103 Man beachte auch hier die sprachlich exakte Korrespondenz von Aufbruch ‫( ויקם וילך‬3bβ) und Rückkehr ‫( ויקמו וילכו‬19aβ), wobei erst aus dieser Koda hervorgeht, dass Abraham und die Seinen auch implizit schon aus Beerscheba aufgebrochen waren (3bβ), wohin sie explizit jedoch erst nach V. 19aβ zurückkehrten. Mit ‫ יחדו‬spielt der Erzähler auf den gemeinsamen Allein-Gang Abrahams mit Isaak von V. 6b und 8b an (‫)וילכו ׁשנים יחדו‬, von dem sie auch wieder zurückgekehrt sind, um „gemeinsam“ weiter zu gehen.

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Start von Beerscheba und der Ankunft im Bergland. Jedoch geschieht in dieser ausgedehnten, aber extrem kondensiert erzählten Zwei-Tages-Phase außer den detaillierten Reise‑ und Opfervorbereitungen (V. 3aα2βγ.bα) am frühen Morgen des ersten Tages (V. 3aα1, ‫ )ויׁשכם אברהם בבקר‬nichts Weiteres, als dass Abraham das von Elohim angesagte Ziel des Aufbruchs erkannt hat (V. 3bβ). Demgegenüber konzentriert die narrative Nah-Perspektive mit zunehmender Detaillierung die weiteren Vorbereitungen auf die Opferung und den Gang zur Opferstätte ganz auf diesen dritten Tag (V. 5–8), an dem in der Klimax dann auch das Opfer selbst dargebracht wird (V. 9–13). Der räumlichen Aufweitung des Handlungsraums „am dritten Tag“ unter gleichzeitiger Beschränkung des Horizonts auf die nähere Umgebung und die Opferstätte in der zweiten Phase entspricht somit zugleich auch die zeitliche Detaillierung und Differenzierung der Handlungsspielräume und der weiteren Opfervorbereitungen. Sie stehen in einem meisterhaft durchdachten Entsprechungsverhältnis zu den Vorbereitungen in der ersten Phase (V. 3): Die Begleitmannschaft, die Abraham in V. 3aβ mitnimmt, und der Esel, den er als Transporttier in V. 3aα2 gerüstet hat, bleiben nach V. 5a in Sichtweite der Opferstätte zurück, bis er mit Isaak zusammen von der „Anbetung“ zurück sein wird (V. 5b). Und in V. 6aα wird das Brennholz, das Abraham nach V. 3bα vorbereitet hat, auf die Schultern Isaaks umgeladen, während er nun – gegenüber V. 3bα wesentlich detaillierter – auch die nötigen Werkzeuge für die Opferung im Einzelnen (Feuer und Messer) in die Hand nimmt (V. 6aβ), um mit Isaak allein zur Opferstätte aufzubrechen. Auch diese letzte Wegstrecke (6b–8), die in einer weiter gesteigerten Makroperspektive detailliert erzählt wird (vgl. dazu unten III.4.2 und 4.3), entspricht in szenischer Hinsicht exakt der zweitägigen Reise von V. 3bβγ, auf der Abraham von Anfang an die Richtung erkannte, um gemäß der Anweisung Elohims (V. 2bβγ) zur Opferstätte (‫ )המקום‬zu gelangen. 3. Die Opferdarbringung als zweite Teilaufgabe zur Erprobung Abrahams in 22,2bα 3.1 Das narrative Verhältnis der Opferdarbringung zur Erprobung der Situationspräsenz Mit der Ankunft an der besagten Opferstätte (‫המקום אׁשר אמר לו האלהים‬, vgl. V. 3bγ und 9aα1) hat Abraham zwar die erste Teilaufgabe erfolgreich gelöst, sich auf Weisung Elohims (V. 2bβγ) zum Zielort im Bergland aufzumachen. Jedoch bleibt bis dahin weiter offen, wie Abraham seine zweite Aufgabe nach V. 2 bewältigt, um sein ‫הנני‬, das heißt seine Situationspräsenz, seine Geistesgegenwart und Wahrnehmungsoffenheit für die göttliche Weisung zu bewähren, die in 22,1b als Gegenstand der Erprobung das Basis-Thema der ganzen Erzählung bildet. Gemäß dieser zweiten Teilaufgabe soll Abraham nicht nur seinen Sohn Isaak auf die Reise

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mitnehmen (V. 2aα), was in V. 3–8 ja schon erfolgt ist. Vielmehr soll er am dortigen Zielort nach V. 2bα auch ein Brandopfer (‫ )לעלה‬darbringen und seinen Sohn in einer nicht näher bestimmten Weise daran beteiligen: ‫והעלהו ׁשם לעלה‬. Die Ausführung dieser Aufgabe wird dann ausführlich erst in V. 9–13 – nach Ankunft der beiden an der Opferstätte (9aα1) – „am dritten Tag“ (V. 4a) erzählt, während in der zweistufigen Anreise-Phase (V. 3–8) lediglich die bereitgestellten Utensilien zur Opferdarbringung eine Rolle spielen: das Brennholz in V. 3bα und 6aα (vgl. 7bα), das Feuer und das Opfermesser (6aβγ). Besonders hervorgehoben wird dabei auf der letzten Wegstrecke zum Opferplatz (6b–8) in V. 7bβ allein die Frage Isaaks nach dem fehlenden Schaf zur Opferdarbringung. Vor allem aber wird diese Frage neben V. 1b und 11 mit einem dritten Aufmerksamkeits-Dialog in V. 7a eingeleitet, in welchem die eigentliche Probe zur Sprache kommt, auf die Abraham in V. 1b mit dem Auftrag von V. 2 gestellt wird. In der Art und Weise, wie er diesen Auftrag in V. 9–10 bzw. 13 erfüllt, wird in V. 11–12 zugleich erzählt, wie er dabei auch die in V. 1b gestellte Probe besteht. Insofern bereiten V. 7a sowie 7b und 8a die Klimax in V. 11–12 und 13 vor (vgl. dazu oben III.1.3 und unten III.4.2; 4.3 sowie 5.2 und 5.4). Bevor wir darauf näher eingehen, muss jedoch geklärt werden, wie denn dieser Opfer-Auftrag in V. 2bα ‫ והעלהו ׁשם לעלה‬selbst satzsemantisch zu verstehen und als solcher zu übersetzen ist. In Auseinandersetzung mit M. Köckert haben wir bereits oben I.2.2 auf die konstitutive Uneindeutigkeit des Auftrags hingewiesen, die ich auch im Anschluss an eine gewichtige jüdische Auslegungstradition nicht nur narratologisch, sondern auch philologisch ausführlich begründet habe.104 Zur Debatte steht, ob Isaak im Einklang mit der übermächtigen Auslegungstradition im Christentum und seit der lateinischen Übersetzung von Hieronymus auftragsgemäß von vornherein selbst geopfert werden soll, wie Neef exemplarisch V. 2b trotz dieser Gründe übersetzt: „… und bringe ihn dort auf einem der Berge, den ich dir sagen werde, als Brandopfer dar.“105 Oder ist in diesem Vers von einem expliziten Auftrag zum Sohnes-Opfer gar nicht die Rede, wie ich ihn im Anschluss an Jacob übersetzt und verstanden habe: „… und führe ihn hinauf dort bezüglich eines Brandopfers auf einem/einen der Berge, den ich dir sagen werde“?106 104 Vgl. bei Hardmeier, Bindung, 14–18 und dort 16, Anm. 38, die Hinweise sowohl auf den mittelalterlichen Kommentar von Salomo ben Isaak (Raschi) als auch auf Jacob, Buch, der V. 2b wie folgt übersetzt: „… und bringe ihn dort hinauf für ein Ganzopfer auf einem der Berge, den ich dir sagen werde“ (493); zur Gegenargumentation Köckerts vgl. oben I.2.2 und dazu im Einzelnen unten III.3.2 und 3.3. 105 Neef, Prüfung, 53, vgl. 87, der ebd., 45–46 zwar referierend auf meine Gegenthese eingeht, aber die philologischen Begründungen dafür ignoriert. 106 Hardmeier, Bindung, 77; zu Jacob vgl. oben I.2.2 und Anm. 38. Zu dieser „alte[n] jüdische[n] (Auslegungs‑)Tradition“ vgl. auch B. Willmes, Die Prüfung Abrahams nach Gen 22,1–19, in: H. Hoping u. a. (Hg.), Die Bindung Isaaks. Stimme, Schrift, Bild. Studien zu Judentum und Christentum, Paderborn u. a. 2009, 39–59, hier 56.

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3.2 Die satzsemantische Differenz der beauftragten Opferdarbringung (V. 2bα) zur traditionellen Lesart einer Anweisung zur Opferung Isaaks Um die alternative Lesart von V. 2b sprachphänomenologisch auch an ihrer sprachlichen Äußerungsform selbst in V. 2bα (‫ )והעלהו ׁשם לעלה‬und 13bβ (‫ויעלהו‬ ‫ )לעלה‬zu begründen (vgl. unten III.3.3), ist zuerst die traditionelle Lesart eines abgründigen Opferbefehls als Fehldeutung von V. 2bα und 13bβ zurückzuweisen.107 Auszugehen ist von der textempirischen Beobachtung im Konkordanz-Vergleich, dass in beiden Versen die Formulierung mit ‫ לעלה‬gegenüber den geläufigen und mehrfach belegten Formulierungen einer Brandopfer-Darbringung ohne ‫ ל‬vor ‫ עלה‬eine absolute Ausnahme, d. h. ein satzsyntaktisches hapax legomenon ist. Bei beiden Sätzen in Gen 22 handelt es sich in dependenzgrammatischer Hinsicht108 um ein zweistelliges Prädikat (‫ עלה‬hif.) mit Suffix als Akk.-Objekt und der präpositionalen Angabe ‫לעלה‬:109 „jemand“ (1. Stelle, Subjekt) „bringt/führt hinauf/lässt hochgehen“ (Prädikat) „jemanden/etwas“ (2. Stelle, Akk.-Objekt), „bezüglich/zu/hin/für/zwecks“ (‫„ )ל‬ein(es) Brandopfers“ (‫= לעלה‬ präpositionale Angabe). Wäre die göttliche Anweisung in V. 2bα von vornherein eindeutig als abgründiger Auftrag formuliert, Isaak selbst als Brandopfer darzubringen, müsste sie zwingend wie in Ri 11,31; 1 Sam 7,9 und 2 Kön 3,27 gemäß der geläufigen Formulierung ohne die Präposition ‫ ל‬wie folgt lauten: ‫העלהו עלה‬: „bringe ihn als Brandopfer dar.“ Dependenzgrammatisch ist ‫„( עלה‬Brandopfer“) ohne ‫ ל‬in dieser Formulierung keine Angabe, sondern hat als inneres Objekt die Funktion einer zweiten Ergänzung zum Prädikat ‫עלה‬ hif.: „jemanden/etwas“ (= 1. Akk.-Objekt) „als etwas“ (= 2. Akk.-Objekt), nämlich als ‫עלה‬ „hinaufbringen/-führen/hochgehen lassen.“110 Dieses dreistellige Prädikat mit doppeltem Akk.-Objekt schließt zwingend mit ein, dass zum einen mit dem erst genannten Objekt die Materie bezeichnet wird, die als Opfer in Flammen aufgehen soll, und zum andern, dass das Prädikat ‫ עלה‬hif. zusammen mit ‫ עלה‬im Akkusativ als figura etymologica und terminus technicus für die Brandopfer-Darbringung als solche zu verstehen ist.

Die figura etymologica (‫ )העלה עלה‬ohne Nennung der Opfermaterie als weiterem Objekt begegnet im Tanach nicht nur häufig absolut, wo immer Ganz-Opferdarbringungen zur Sprache kommen. Der absolute Sprachgebrauch findet sich 107 In diesem Bemühen geht es mir weder darum, „das steinhafte Deutungsschema des Opferbefehls in Gen 22,2 auf[zu]brechen“, was Neef, Prüfung, 46, quasi als rebellisches Unterfangen bewertet, noch strebe ich damit den „Versuch der Entschuldigung Gottes“ an, wie Willmes, Prüfung, 57, vermutet. Im Sinne einer „Lesehermeneutik der Behutsamkeit“ ist hier allein am Wortlaut von V. 2bα und 13bβ textempirisch und satzsemantisch die Hypothese zu klären, dass mit dem Auftrag ‫ העלהו לעלה‬keinesfalls eine Opferung Isaaks gemeint sein kann, und wie dieser Auftrag denn sonst zu verstehen ist. 108 Zur dependenzgrammatischen Satzdefinition im Hebräischen und ihrer sprachwissenschaftlichen Herleitung vgl. Hardmeier, Textwelten II, 125–128 (= Texttheorie, 179–181). 109 In V. 2bα kommt neben ‫„ ׁשם‬dort“, das sich auf das Land Morija in 2aγ zurückbezieht und deshalb in der weiteren Analyse vernachlässigt werden kann, eine zweite Angabe mit der Präposition ‫ על‬hinzu: „auf einen/m der Berge, den ich dir sagen werde.“ In V. 13bβ wird der zweistellige Kernsatz durch die Angabe ‫ תחת בנו‬erweitert. 110 Neben den genannten Stellen sind für diese Formulierung der Brandopfer-Darbringung mit doppeltem Akk.-Objekt noch 1 Sam 6,14 und Ez 43,24 zu vergleichen.

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selbst dort, wo – wie in Gen 8,20 – auch im unmittelbaren Kontext von Tieren die Rede ist, die geopfert werden (vgl. Ri 6,26 oder Hi 42,8), und zwar ohne, dass sie innerhalb der figura etymologica wie in 1 Sam 7,9 pronominal wieder aufgenommen werden. Für die singuläre Formulierung der Opferdarbringung mit ‫ לעלה‬in Gen 22,2bα ist deshalb unter satzsyntaktischen Gesichtspunkten auszuschließen, dass darin im Sinne der figura etymologica von vornherein und eindeutig ein göttlicher Befehl zur Opferung Isaaks zum Ausdruck kommt, wie es im westlichen Christentum spätestens seit der lateinischen Übersetzung des Hieronymus (offer eum ibi holocaustum) bis heute als sakrosankte Deutung gilt – mit höchst problematischen theologischen und geistesgeschichtlichen Konsequenzen.111 Unter welchen zusätzlichen Kontextbedingungen in 13bβ zumindest indirekt von einer tatsächlichen Opferung des Widders die Rede ist, wird unten III.5.5 zu klären sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass deshalb auch der in gleicher Weise zweistellig formulierte Auftrag in V. 2bα zwangsläufig als Anweisung im Sinne der figura etymologica verstanden werden muss, Isaak zu opfern, wie verschiedentlich gegen meine alternative Lesart eingewendet wird.112 Denn nur innerhalb der dreistelligen Phrase ‫ העלהו עלה‬im Rahmen der figura etymologica ist es zwingend, dass das suffigierte-Akk.-Objekt wie in Ri 11,31; 1 Sam 7,9 und 2 Kön 3,27 (vgl. Ez 43,20) die Opfermaterie bezeichnet, die im Feuer hochgelassen wird. Ohne ‫„( עלה‬Brandopfer“) als zweites inneres Akk.-Objekt (wie in der figura etymologica) kann das zweistellige Prädikat ‫ העלהו‬mit Suffix in Gen 22,2bα jedoch auf keinen Fall bedeuten, Isaak (als Opfer) „hochgehen zu lassen“. Sowohl das suffigierte Prädikat ‫ העלהו‬als auch die Angabe ‫ לעלה‬müssen deshalb im Folgenden unabhängig voneinander als Bedeutungsträger untersucht und nach ihrem Beitrag zur Konstitution der Satz‑ und Textbedeutung des Teilauftrags im Leseprozess befragt werden. 3.3 Der textempirische und satzsemantische Sinn der beauftragten Opferdarbringung in V. 2bα Liest man das suffigierte Prädikat ‫ העלהו‬für sich, so kann es – ohne ‫ עלה‬als zweites Akk.-Objekt und außerhalb des festgefügten Rahmens der figura etymologica – in V. 2bα auch im konkreten Sinne verstanden werden: Abraham soll seinen Sohn „hinaufbringen/-führen“, wobei als Zielangaben sowohl ‫על אחד‬ ‫„( ההרים‬auf einen der Berge …“, 2bβ) als auch ‫„( לעלה‬hin/zu einem Brandopfer“, 2bα) in Frage kommen.

111 Vgl. Veijola, Opfer, 129–138; Hardmeier, Bindung, 1–3; und Neef, Prüfung, 48–51 sowie unten III.4.1. 112 Vgl. Willmes, Prüfung, 57; Neef, Prüfung, 46 (unter Hinweis auf Willmes) und zu Köckert oben I.2.2 und Anm. 37 sowie dazu unten III.5.2 und 5.5, Anm. 133.

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Breit belegt ist nach Ausweis der SESB-Konkordanz das Prädikat ‫ עלה‬hif. mit der Präposition ‫ על‬als Angabe, worauf „jemand/etwas geführt, gebracht oder sonst wie aufgesetzt“ wird: 1. z. B. Asche aufs Haupt (Jos 7,6; Ez 27,30; Klgl 2,10 [vgl. Am 8,10]), Schmuck auf Kleider (2 Sam 1,24), die Ausstattung von Gebäuden mit Goldbelägen als Furnier oder ornamentalem Wandschmuck (1 Kön 10,16–17; 2 Chr 3,5.14; 9,15–16 [vgl. Ez 37,6]) bis hin zur Aufsetzung von Türmen auf die Stadtmauer (2 Chr 32,5). 2. In diesem räumlich konkreten Sinne können nicht nur Gegenstände auf‑ oder angebracht werden, auch Personen können andere „auf den Wagen“ (1 Kön 20,33, ‫)על המרכבה‬ oder „hinauf “ nach „oberhalb der Mauer“ (‫„ )מעל לחומה‬steigen lassen“ (Neh 12,31), und nach Ri 16,3 trägt bzw. bringt der Superheld Simson Teile des Stadttors von Gaza „zum Berggipfel“ gegenüber Hebron „hinauf “ (‫)אל ראׁש ההר‬. Nicht zuletzt will Jhwh nach Ez 39,2 den Großfürst Gog konkret „auf die Berge Israels“ (‫„ )על הרי יׂשראל‬führen bzw. bringen“, um ihm dort eine tödliche Niederlage zu bereiten. Hinzu kommt, dass auch ‫עלה‬ qal mit der Präp. ‫ על‬konkret die Bedeutung „hinauf-, emporsteigen … auf/zu“ hat, wie aus Ex 20,26 (Altar), Jos 2,8 und Ri 9,51 (Dach); 2 Sam 24,23 (Festung) und 1 Kön 6,8 (Mittelstock, vgl. Ez 41,7) hervorgeht. 3. Ein weitereres Bedeutungsfeld sind die Völker, „Fluten“ oder Krankheiten, die Jhwh als ‚Strafe‘ über sein Volk bringt (Dtn 28,61 [vgl. Ex 8,1.3]; Jes 8,7; Jer 50,9; Ez 16,40; 26,3.19; 2 Chr 36,17 [vgl. 4,6]). 4. Im Zusammenhang mit Gen 22 ist ein besonders wichtiger Gebrauchskontext die Erwähnung eines Altars (‫)מזבח‬, „auf dem“ – immer im Rahmen der figura etymologica (!) – ganz allgemein „Brandopfer“ (‫ עלה‬sg./pl.) als Opfermaterie dargebracht werden (Ex 30,9; 40,29; Dtn 27,6; Jos 8,31; 22,23; 2 Sam 24,24; Ez 43,18; 1 Kön 3,4; 9,25; Esr 3,2–3; 1 Chr 16,40; 2 Chr 1,6; 8,12; 35,16, und elliptisch 1 Sam 2,28; 1 Kön 12,32–33; 2 Kön 16,12). In Ps 51,21 sind es zudem konkret Stiere (‫)פרים‬, in Ri 13,19 ein Zicklein (‫גדי‬ ‫ )העזים‬und in 2 Kön 3,27 der Sohn des Königs von Moab, die in Ri 13,19 statt auf einem Altar „auf dem Felsen“ und in 2 Kön 3,27 „auf der Mauer“ als Brandopfer dargebracht werden (vgl. ferner unten Anm. 124). An keiner dieser Belegstellen ist jedoch außerhalb des festgefügten Rahmens der figura etymologica mit Ausnahme von Gen 22,13b davon die Rede, dass „jemand/etwas“ als Opfermaterie „zu“ oder „für“ ein „Brandopfer“ (‫)לעלה‬ auf einen Altar bzw. auf eine sonstige Fläche (Felsen/Mauer) im Sinne einer BrandopferDarbringung hinaufgebracht wird. Allerdings fehlt in V. 13bβ eine solche Flächen-Angabe und kann nur aus dem weiteren Kontext erschlossen werden (vgl. unten III.5.5), während es in V. 2b selbst dafür keine Anhaltspunkte gibt, zumal ‫ על אחד ההרים‬als Ziel der Hinaufführung angegeben wird.

Auf dem Hintergrund des aufgeführten Belegmaterials steht somit einem konkreten Verständnis der göttlichen Anweisung in Gen 22,2b: „und führe ihn hinauf … auf einen der Berge, den ich dir sagen werde“, weder in sprachphänomenologischer noch in satzgrammatischer Hinsicht etwas im Wege. Zudem sprechen insbesondere die unter (1) und (2) genannten Belege klar für dieses konkrete Verständnis der göttlichen Anweisung, in deren Ausführung sich Abraham in V. 3–8 – wie wir oben III.2.2 gesehen haben – mit der Ankunft an der besagten Opferstätte in V. 9aα1 ja auch sehr erfolgreich bewährt hat. Doch auch die Konkordanz-Analyse von ‫ לעלה‬zeigt in ihrer ganzen Breite, dass diese Angabe eindeutig als Zweckangabe zu verstehen ist. Allein in der Liste von

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Opfergaben (‫קרבן לפני יהוה‬, Num 7,3) werden in 7,15–81 u. a. 12mal diverse Opfertiere genannt, die die Häupter Israels als Gabe zum Heiligtum brachten (V. 3b). Stereotyp werden diese Tiere je nach der Art des Opfers differenziert, zu dem die Priester sie jeweils benötigen, nämlich ‫( לעלה‬für das Brandopfer), ‫( לחטאת‬für das Sündopfer) und ‫( לׁשלמים‬für das Heilsopfer). Eindeutig zeigt die Präposition ‫ ל‬in diesen Kontexten jeweils den Zweck an, wozu bzw. wofür die Opfertiere zum Heiligtum gebracht werden, nämlich zur Ausführung entsprechender Opferhandlungen durch die Priester.113 ‫ עלה‬und die anderen Opfertermini bezeichnen in all diesen Kontexten den Akt der Opfer-Darbringung selbst, für den die nötigen Mittel bereitgestellt bzw. entsprechende Vorbereitungen getroffen werden. Dementsprechend ist dann in Jos 22,26.28–29 und 1 Chr 22,1 auch von Altären (‫ )מזבח‬die Rede, die zur Darbringung von Brandopfern (‫ )לעלה‬bestimmt oder nicht bestimmt sind. In 2 Chr 31,2 geht es ferner um den Dienst der Priester, die für die Ausführung der jeweiligen Brand‑ und Heilsopfer zuständig sind, und in 31,3 um den materiellen Steuerbeitrag des Königs zur Durchführung von Brandopfern sowohl täglich als auch an allen Festtagen. In allen Fällen dienen die Abgaben an das Heiligtum oder die Dienste der Priester bzw. die Einrichtung von Altären dem Zweck, durch die Priester am Heiligtum u. a. verschiedene Brandopfer ausführen zu lassen, und sind in diesem zweckdienlichen Sinne u. a. auch ‫לעלה‬ „für Brandopfer-Darbringungen“ bestimmt.

Die satzsyntaktische und textempirische Analyse des Opferungs-Auftrags in Gen 22,2b kommt somit zu dem folgenden Ergebnis: 1. Innerhalb der figura etymologica ‫ העלהו עלה‬qualifiziert ‫ עלה‬als 2. Akk.-Objekt ausschließlich und eindeutig die Opfermaterie, die als „Hinaufsteigendes“ hochgebracht bzw. hochgelassen und durch das erste, suffigierte Akk.-Objekt inhaltlich wie in 2 Kön 3,27 bestimmt wird: „Er ließ ihn als Brandopfer hochgehen“, d. h. im Sinne eines terminus technicus: „Er brachte ihn als Brandopfer dar.“114 2. Gen 22,2bα ist eindeutig nicht als figura etymologica formuliert. Deshalb ist eine Übersetzung „und bringe ihn als Brandopfer dar“ im Sinne der Vulgata (offer eum holocaustum) ausgeschlossen, wobei sowohl ‫ לעלה‬als auch ‫ על אחד ההרים‬als Angaben zum Prädikat ‫ עלה‬hif. zu verstehen sind, das im konkreten Sinne „jemanden/etwas“, d. h. in V. 2bα Isaak, „hinaufführen/(hin)aufbringen“ bedeutet. 3. Gemäß dieser konkreten Bedeutung von ‫ עלה‬hif. in 22,2bα gibt ‫על אחד ההרים‬ den Ort bzw. das Ziel an, wohinauf Isaak „zum Hinaufsteigen veranlasst/geführt/ gebracht“ werden soll.115 4. Deshalb kann ‫ לעלה‬in diesem Kontext nur den Zweck angeben, wozu sich Abraham mit Isaak zusammen auf die Reise machen soll, nämlich „für eine/zu/ 113 In diesen Kontextzusammenhang gehören auch die weiteren Belegstellen für ‫ לעלה‬als Zweckbestimmung neben der sehr anschaulichen Stelle Num 6,10–11; Lev 1,10; 5,7; 9,2–3; 12,6.8; 16,3.5; 22,18–19; Num 6,14; 2 Chr 29,32 und mit einem besonderen Akzent auf die Vor‑ bzw. Zubereitung (‫ )עׂשה‬Lev 23,12; Num 6,11; 15,24; 29,39. 114 Vgl. mit den weiteren Belegstellen oben III.3.2. 115 Vgl. die Belege oben unter Ziffer 1 und 2.

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zwecks einer Brandopfer-Darbringung“. Denn außerhalb der figura etymologica bezeichnet ‫ עלה‬nicht die Opfermaterie, die dargebracht wird, sondern in Verbindung mit der Präposition ‫ ל‬das Brandopfer als Opferhandlung und Opfer-Art neben anderen Arten von Opfern, zu deren Ausführung Priester – und in Gen 22,2b Abraham – beauftragt oder Abgaben an das Heiligtum gefordert bzw. Altäre eingerichtet werden.116 Somit hat Gen 22,2b nichts zu tun mit einem vermeintlichen Befehl zur Opferung Isaaks und ist als Teilauftrag – wie schon von B. Jacob117 – klar und eindeutig wie folgt zu übersetzen: Und führe ihn dort für/zu ein/em Brandopfer hinauf auf einen der Berge, den ich dir sagen werde.

Damit ist dieser Auftrag in V. 2b nicht einmal – wie auch ich bisher vermutet habe – missverständlich oder mehrdeutig, sodass er von Abraham nach langer 116 Zu den Belegen vgl. oben unter Ziffer 4 und zur LXX-Übersetzung von ‫עלה‬, die noch klar zwischen Opfermaterie und der Darbringung von Brand‑ bzw. Ganzopfern unterscheidet, unten Anm. 123. Willmes, Prüfung, 48, hat in kritischer Auseinandersetzung mit meiner Neuübersetzung des Opferauftrags unter Berufung auf E. Jenni die These aufgestellt, dass Gen 22,2bα trotz der Sonderformulierung des Opferauftrags mit ‫ ל‬dennoch im Sinne eines Opferbefehls von Anbeginn folgendermaßen „zu übersetzen (sei): ‚und veranlasse, dass er [= Isaak] (hin)aufsteigt als ein Brandopfer auf einem der Berge‘“. Allerdings ist die Begründung, dass „in V. 13b eindeutig mit der gleichen Wendung ‚zum/als Brandopfer hinaufbringen‘ eine Opferung des Widders geschildert wird“ (ebd., 57, so auch Köckert, Gen 22–24, 175), zum einen gegenstandslos. Denn auch in V. 13b ist primär von der Hinaufbringung des Widders auf den Altar („an Stelle seines Sohnes“ wie in V. 9bβγ!) die Rede, nämlich zur Opferdarbringung (‫)לעלה‬, deren tatsächliche Ausführung jedoch nicht mehr explizit erzählt, sondern nur noch als selbstverständlich vorausgesetzt wird (vgl. dazu unten III.5.2 und 5.5). Zum andern liegt der sprachphänomenologischen Widerlegung meiner Neuübersetzung (Willmes, Prüfung, 48) ein Fehlschluss zugrunde, der auch den angeführten Parallel-Beispielen für die Wendung ‫ לעלה‬nicht standhält. Denn die Veranlassung, „dass er [= Isaak] (hin)aufsteigt als Brandopfer,“ wird nicht durch das angebliche „Lamed revaluationis“ in ‫ לעלה‬als „[k]ausativierte Revaluation von Dingen/Orten“ (nach E. Jenni, Die hebräischen Präpositionen. Bd. 3: Die Präposition Lamed, Stuttgart / Berlin / Köln 2000, 44) signalisiert, sondern durch die Stammesmodifikation von ‫ עלה‬im Hifil mit der Bedeutung „hinaufbringen/hinaufführen/ hochgehen lassen.“ Ferner handelt es sich bei der Funktion einer „‚kausativierte[n] Revaluation‘“, die „‚veranlass[t], dass x … als y … gilt‘“ und der Präposition ‫ ל‬als Bedeutungsträger selbst zugeschrieben wird (nach Jenni, ebd., 30), um einen semasiologischen Kategorienfehler. Die parole-Bedeutung, die ‫ ל‬in bestimmten Satzkontexten aufgrund ihrer monosemierenden Funktion durchaus haben kann, darf nicht verwechselt werden mit der virtuellen langue-Bedeutung, die die Präposition als bedeutungstragendes Morphem in alle Verwendungskontexte auf der Ebene der parole einbringt (vgl. dazu grundlegend K. Heger, Monem, Wort, Satz und Text [Konzepte der Sprach‑ und Literaturwissenschaft 8], Tübingen 21976, 31–69 und zur „Monosemierung“ 53–54). Auch die Belegstellen für das angebliche „Lamed revaluationis“ in ‫לעלה‬, die Willmes, Prüfung, 48, gemäß Jennis „Rubrik 154: Revaluation als Opfergabe“ (ebd., 44) anführt, sind alle nicht revaluativ als Opfergaben, sondern eindeutig als Zweckbestimmungen der Abgaben an das Heiligtum für den priesterlichen Opferdienst zu verstehen, wie wir oben III.3.3 unter Ziffer 4 (vgl. ferner Anm. 113) klar gemacht haben. 117 Vgl. oben I.2.2 Anm. 38.

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Reise vermeintlich auch als konkret formulierter Befehl zur Opferung seines Sohnes verstanden werden konnte. Vielmehr schließt die Formulierung – wie die Analyse gezeigt hat – ein solches Verständnis aus, da die Frage der Opfermaterie, wer oder was geopfert werden soll, in V. 2b weder zur Debatte steht noch überhaupt schon im Blick ist. Denn die gestellte Aufgabe, an deren Ausführung sich Abrahams ‫ הנני‬als Geistesgegenwart und Situationspräsenz (V. 1b) zu bewähren hat, beinhaltet lediglich die Aus‑ bzw. Durchführung eines Brandopfers als solche in einer fernen Landschaft, in die er mit Isaak zusammen aufbrechen und ihn dort auf einen noch unbekannten Berg hinaufführen soll. Sowohl die Ortsfindung als auch die Bereitstellung der Utensilien und die Beschaffung des Opfertiers, die zur Opferdarbringung nötig sind, überlässt die Aufgabenstellung in V. 2b allein Abrahams Ausführung des göttlichen Auftrags, die in 3–13 erzählt wird. Diese Vorbereitungen sind der Hauptgegenstand der Erprobung seiner geistesgegenwärtigen Aufmerksamkeit auf dem Weg zur Opferstätte. 4. Die Vorbereitungen der Opferdarbringung beim Aufbruch (22,3bα) und auf dem Weg zur Opferstätte (22,6b–8) 4.1 Die Vorbereitungen der Opferdarbringung bis zum Allein-Gang mit Isaak zur Opferstätte Wie wir oben III.2.2 bis 2.4 gesehen haben, setzt Abraham die Vorbereitungen, die er in V. 3a.bα getroffen hatte, nach Ankunft im Bergland „am dritten Tag“ (V. 4) weiter um. Dabei lässt er nicht nur die Begleitmannschaft mit dem Esel als Transporttier zurück (V. 5a), sondern lädt auch das vorbereitete Brennholz auf Isaaks Schultern um und greift sich die nötigen Werkzeuge (Feuer und Messer) für die Opferung (V. 6a), um mit Isaak allein zur Opferstätte aufzubrechen (6b– 8). In narratologischer Hinsicht entscheidend ist sein Versprechen gegenüber der zurückbleibenden Mannschaft, dass er zwar mit Isaak allein zur gemeinsamen Anbetung Gottes gehen, aber auf alle Fälle auch gemeinsam mit ihm wieder zu ihnen zurückkehren will, wie aus den 1.pers.plur.-Formen in V. 5b hervorgeht ‫ונׁשתחוה ונׁשובה אליכם‬. Dieses Versprechen wird in der Koda der Erzählung in V. 19aα eingelöst und schließt erzählimmanent eindeutig aus, dass sich Abraham aufgrund des fehlinterpretierten Auftrags in V. 2bα während der Anreise mit düsteren Gedanken gequält haben soll, seinen Sohn opfern zu müssen. Deshalb kann er auch weder seinen Begleitern unaufrichtige Versprechen gemacht noch in V. 8a seinem Sohn ausweichend geantwortet haben, was die traditionelle Auslegung mit unterschiedlichen Akzentsetzungen stets mehr oder weniger gewunden unterstellen muss.118 Aber auch seine Antwort in V. 8a auf Isaaks Frage nach dem 118 Vgl. exemplarisch von R ad, Buch, 189–191, und Veijola, Opfer, 142–146, mit Belegen. Beide Autoren übergehen in ihren Auslegungen kommentarlos das Rückkehr-Versprechen in

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fehlenden Opferlamm selbst kann nur als Ausdruck eines aufrichtigen GottVertrauens verstanden werden. Abraham hatte ja gemäß der Ansage Gottes in V. 2bβγ bereits die Opferstätte gezeigt bekommen und schon von ferne erfolgreich erkannt (V. 4b). Im Vertrauen auf Gott wird sich deshalb gewiss auch das fehlende Schaf noch zeigen. 4.2 Der Dialog zwischen Isaak und Abraham über die getroffenen Vorbereitungen auf der letzten Wegstrecke (V. 6b–8) Unter narratologischen Gesichtspunkten sticht die hochgradig detaillierte Erzählsequenz der letzten Wegstrecke bis zur Opferstätte in V. 6b–8 besonders hervor. Abgesehen von der Betonung in V. 6b und 8b, dass Abraham und Isaak allein zur „Anbetung“ (V. 5b) weitergingen, ist im Blick auf die Bewährungsprobe als Gegenstand der Gesamt-Erzählung von besonderer Bedeutung, dass der Aufmerksamkeits-Dialog von V. 1b zwischen Gott und Abraham in V. 7a auch zwischen Isaak und seinem Vater wiederholt wird (vgl. unten III.4.3). In der Sache geht es dabei um die Vollständigkeit der benötigten Opfer-Utensilien, die von Isaak im Blick auf das bevorstehende Opfer (9–13) auf dem letzten Weg zum Opferplatz noch einmal ausführlich bedacht werden. Dementsprechend macht er in V. 7bα ganz praktisch – wenn auch sehr eindringlich mit ‫)!( הנה‬ – darauf aufmerksam, dass zwar das Brennholz und das Feuerzeug vorhanden seien, das Schaf aber „für die Opferdarbringung“ (‫ )לעלה‬noch fehlen würde: ‫הנה האׁש והעצים‬ ‫ואיה הׂשה לעלה‬. Nicht nur aus dieser Frage Isaaks, sondern auch aus der Antwort Abrahams, dass Gott sich „das Schaf für die Opferdarbringung“ noch ausersehen werde (‫)אלהים יראה לו הׂשה לעלה‬, geht für beide die Selbstverständlichkeit hervor, dass bei aller Vollständigkeit der sonstigen Opfer-Utensilien jetzt nur noch ein Tier, nämlich ein Schaf „für das Brandopfer“ (‫ )לעלה‬gesucht bzw. gefunden werden muss. Daraus folgt zum einen, dass ‫ לעלה‬auch hier ganz eindeutig als Zweckbestimmung zu verstehen ist (vgl. oben III.3.3) und Abraham schon in V. 2bα nicht zur Opferung seines Sohnes, sondern zur Ausführung eines Brandopfers angewiesen wurde. Zum andern wird daran die Selbstverständlichkeit klar, warum sich die Frage nach der Opfermaterie weder für die Leser oder Zuhörerinnen noch für Abraham in der erzählten Welt bis kurz vor der Ankunft am Opferplatz überhaupt gestellt hat. Denn seit den deuteronomischen Altargesetzen von Dtn 12 ist für ganz Israel völlig selbstverständlich, dass auch individuelle Brandopfer, wie in Gen 22,2 angeordnet, nur zentral am Jerusalemer Heiligtum dargebracht werden sollen (vgl. Dtn 12,13–14), und vor allem, dass am Zentralheiligtum V. 5b, während Neef, Prüfung, 92, immerhin die Frage aufwirft, ob „Abraham hier auf eine ‚Notlüge‘ zurück[greift]“, vgl. ähnlich Seebass, Genesis II, 208–209.

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selbstverständlich nur Tiere als Opfermaterie geopfert werden. Diese Selbstverständlichkeit gängiger Kultpraxis in der Erzählsituation wird deshalb auch für die ursprungsgeschichtliche Welt vorausgesetzt, in der Abraham von Gott sozusagen ‚vor der Zeit‘ zum Opfergang „auf einem der Berge“ im Lande Morija aufgefordert wurde.119 In szenischer Hinsicht stellte sich die Frage nach dem fehlenden Opfertier akut und somit ganz situationsbedingt überhaupt erst, als Abraham mit Isaak zusammen allein unterwegs war und kurz bevor die beiden die Opferstätte, „die Gott ihm gesagt hatte“, gemäß der Anweisung von V. 2bβγ tatsächlich erreichten.120 Dabei treibt die Antwort Abrahams in V. 8aβ das situative Problem, das sich am Ende der langen Reise unerbittlich aufdrängt, auf die Spitze. Für ihn gibt es nur noch die Hoffnung und das Gott-Vertrauen, dass sich das Tier noch finden wird. Auch wenn das – realistisch betrachtet – immer aussichtsloser wird, je näher sie dem von Gott angesagten Zielort kommen, so bleibt dennoch und allein dieses Zukunftsvertrauen: „Gott wird sich selbst das Schaf ersehen.“ Ob und wie sich in der Aufgabenbewältigung Abrahams Hoffnung auch bei der in V. 9–13 anstehenden Opferdarbringung bewährt, bildet die Klimax der ganzen Probe-Erzählung, die im Aufmerksamkeits-Dialog in V. 7a und Abrahams Antwort in V. 8a zugespitzt wird.

119 Wie schon öfter vermutet und aufgrund von 2 Chr 3,1 (vgl. Neef, Prüfung, 86–87), liegt dem Opfergang Abrahams auf einen der Berge im Lande Morija als Subtext protologisch ein Gang zum Berg Zion und zum Jerusalemer Heiligtum gemäß der Mose-Tora von Dtn 12,13–14 zugrunde. Das legt nicht nur das geographische Setting von Gen 22,1–19 nahe, dass Abraham von Beerscheba aus ins judäische Bergland an den von Gott bestimmten Ort (‫)מקום‬ aufgebrochen war, zumal ja z. B. in Jes 18,7 der Berg Zion als „Ort des Namens Jhwh“ (‫מקום ׁשם‬ ‫ )יהוה‬bezeichnet wird (vgl. Dtn 12,5; 14,23.25 u. ö. bzw. 1 Kön 8,29 und Ps 26,8). Hinzu kommt die Beobachtung, dass auch der Landschaftsname ‫ מריה‬in Analogie zur Namensbildung ‫ אליה‬als sprechender Name das Gebiet zu bezeichnen scheint, wo Jhwh Weisung erteilt ‫( ירה‬part. hif.) + ‫( יה‬vgl. ‫ אלון מרה‬in Gen 12,6 und ähnlich H. Schult, Eine Glosse zu „Moriyyāh“, ZAW 111 (1999) 87–88. Deshalb liegt ein intertextueller Bezugszusammenhang zum Berg Zion, von dem auch nach Jes 2,3 (par. Mi 4,2) „Weisung“ (‫ )תורה‬ausgeht, sehr nahe; vgl. dazu auch Schmid, Gott, 65. – Ferner bezieht sich der Relativsatz ‫ אׁשר נראה לדוד‬in 2 Chr 3,1 nicht auf den „Berg“ (‫)הר המוריה‬, „wo Jhwh David erschienen war“ (dann müsste im Relativsatz eine pronominale Wiederaufnahme mit ‫ בו‬stehen), sondern auf das Enklitikon ‫יה‬, womit der Jhwh-Name wie in ‫ הללויה‬abgekürzt wird: „auf dem Berg der Unterweisung Jh(wh)s, der David erschienen war.“ Mit diesem Relativsatz in 2 Chr 3,1 korrespondiert explizit die Erläuterung der NamensÄtiologie von Gen 22,14a in V. 14b ‫בהר יהוה יראה‬, so dass die Jhwh-Begegnung Abrahams und sein Altar-Bau im Land Morija für den Chronisten die Gründung des Jerusalemer ResidenzHeiligtums durch David/Salomo prototypisch vorwegnimmt. Zur weiteren Bestätigung dieses Zusammenhangs vgl. unten III.6.1. 120 V. 9aα ‫ המקום אׁשר אמר לו האלהים‬weist damit explizit auf V. 2bβγ zurück; vgl. dazu oben 1 III.2.2 und unten III.4.3 sowie 5.6.

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4.3 Die Bedeutung des Aufmerksamkeits-Dialogs in V. 7a in Bezug auf das Basis-Thema der Erprobung Abrahams Der Aufmerksamkeits-Dialog in V. 7a wiederholt wortgleich den Dialog zwischen Gott und Abraham in der Erzähleröffnung in V. 1b mit dem Unterschied, dass Abraham in V. 7aα statt von Gott von seinem Sohn auf seine Geistesgegenwart angesprochen wird. Auf Isaaks Anrede „mein Vater!“ (‫ )אבי‬antwortet er: „Ja, ich bin präsent, mein Sohn“ (‫)הנני בני‬. Abrahams Antwort in V. 8a ist dabei ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Lösung der in V. 1b exponierten Basis-Komplikation. Damit stellt er auch noch am Ende der langen Anreise die Erprobung seiner Situationspräsenz, seiner Geistesgegenwart und insbesondere seiner Wahrnehmungsoffenheit für Elohims bzw. Isaaks Stimme erfolgreich unter Beweis. Doch der Kulminationspunkt dieser Erprobung wird erst in V. 9–13 erreicht. Abraham hat sich in der Lösung der ersten Teilaufgabe von V. 2a.bßγ auf der Anreise in V. 3–8 glänzend bewährt, indem er nicht nur den von Gott angesagten Ort (V. 2bßγ) nach V. 3bßγ und 4b auf Anhieb erkannt hat und dort nach V. 9aα1 mit Isaak zusammen angekommen war. Auch hat er bis zur Ankunft an der Opferstätte seine Situationspräsenz und Aufmerksamkeitsbereitschaft erfolgreich unter Beweis gestellt. Noch auf der letzten Wegstrecke – in V. 6b und 8b besonders betont – hat er geistesgegenwärtig mit ‫ הנני‬auf Isaaks Anrede reagiert (V. 7a), dessen Argumente aufmerksam angehört (V. 7b) und seine Offenheit für Gottes Weisung bekräftigt (V. 8a). Wie er nun aber die zweite Teilaufgabe der angewiesenen Opferdarbringung (V. 2bα) bewältigt und darin seine Selbstpräsenz (‫ )הנני‬gegenüber Jhwh-Elohim bewährt, wird in der Klimax der ganzen Probe-Erzählung in V. 9–13 entfaltet, die von der Ausführung des Brandopfers am Ankunftsort handelt. Im Einzelnen steht darin die Überprüfung an, ob und wie Abraham sowohl im hic et nunc der erreichten Opferstätte als auch in seiner Aufmerksamkeit für Gottes Weisung das Opfertier zu Gesicht bekommt, das immer noch fehlt und das Gott sich – wie Abraham in V. 8aα hofft – noch ausersehen wird. 5. Die Opferdarbringung in der Klimax der Probe-Erzählung in 22,9–13* und die Ätiologie in 14a 5.1 Der Altar-Bau (V. 9a) und die Horizontverengung am Opferplatz Unter narratologischen Gesichtspunkten wird die Opferdarbringung und das ganze Geschehen an der Opferstätte in V. 9–13 gegenüber der langen Anreise (V. 3–8) höchst detailliert in der Nah-Perspektive erzählt. Eine entsprechende Aufweitung der Zeitlupe war zuvor graduell nur in V. 3a.bα und 5–6a sowie – vergleichbar gesteigert – in 6b–8 zu beobachten.121 In der Wahrnehmungsoffen121 Vgl. oben III.2.4, zu V. 6b–8 III.4.2 und 4.3 und zur besonderen Hervorhebung des Sehens in V. 4b unten III.5.6.

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heit, die Abraham seinem Sohn noch auf der letzten Wegstrecke mit ‫ הנני‬bestätigt hat (V. 7aβ), und in der Erwartung, dass Gott ihm das Schaf auch nach der Ankunft an der Opferstätte noch zeigen wird (V. 8aβ), beginnt er „dort“ (‫)ׁשם‬, d. h. an dem von Gott besagten Ort (vgl. ‫ ׁשם‬in V. 2bα mit 2aβγ und bβγ), den erforderlichen Altar zu bauen (V. 9aα2) ‫ויבן ׁשם אברהם את המזבח‬. Und in der gleichen Erwartungshaltung schichtet er nach 9aβ auch das mitgebrachte Holz (vgl. 3bα, 6aα und 7bα) auf den Altar. Doch muss die Konzentration auf den Altar-Bau und die Aufschichtung des Brennholzes handlungsbedingt die ganze Aufmerksamkeit Abrahams besonders in Anspruch genommen haben. In seiner Konzentration auf die Sache hat sich unweigerlich auch sein Gesichts‑ und Wahrnehmungsfeld verengt, so dass zwangsläufig auch die weitere Umgebung und insbesondere der Widder, der sich nach V. 13aβ „hinten“ (‫)אחר‬ – d. h. in seinem Rücken – im Geäst des Kleinholzes mit seinen Hörnern verfangen hatte (‫)נאחז‬, unbemerkt aus seinem Auge war.122 In dieser handlungsbedingten Verengung des Wahrnehmungshorizonts schwand zugleich auch seine Hoffnung (V. 8aβ), dass sich ihm „das Schaf für die Opferdarbringung“ (‫ )הׂשה לעלה‬mit Gottes Hilfe noch zeigen werde. Unter diesen Umständen hat sich für Abraham ganz neu die Frage gestellt, was die Anweisung in V. 2bα gemeint haben könnte. Denn in seinem bisherigen Verständnis des Auftrags hatte er doch nicht nur seinen Sohn bereits erfolgreich „auf einen der Berge hinaufgeführt“ ‫( העלהו … על אחד ההרים‬V. 2bαβ) und die Opferstätte erreicht, „die Gott ihm gesagt hatte“ (2bγ). Auch hat er jetzt am Opferplatz selbst sogar schon den Altar gebaut, der für das anbefohlene Brandopfer (‫)לעלה‬ notwendig ist, und das Feuerholz für die Opferdarbringung aufgeschichtet. Einzig die bisher unzweifelhafte Hoffnung, dass dabei selbstverständlich auch ein Tier bzw. nach V. 7bβ und 8aβ ein Schaf geopfert wird (vgl. oben III.4.2 und 4.3), schwand in dem Maße dramatisch, wie Abraham sich auf den Altar-Bau zu konzentrieren begann. Je mehr die Fertigstellung nahte, verengte sich auch mit zunehmender Verzweiflung sein Wahrnehmungsfeld, so dass das Tier „dahinten“ vollends aus den Augen geriet. Die Zeitlupe, unter der nicht nur der Altar-Bau und die Vorbereitungen des Sohnes-Opfers in V. 9, sondern – noch gesteigert – auch das Ausholen zur Tötung Isaaks in V. 10 detailliert geschildert werden, machen die lähmende Angst und das große Zögern Abrahams deutlich, abgründige Konsequenzen aus dem Fehlen des Opfertiers ziehen zu müssen. 5.2 Die Sinnverschiebung des Opferauftrags in der weiteren Ausführung des Auftrags (V. 9b.10) Unter den axiomatischen Voraussetzungen der Textkommunikation haben wir oben I.1 auf den unhintergehbaren Reduktionismus jeder sprachlichen Äußerung und den Umstand aufmerksam gemacht, dass ihre Sprachspur als Laut‑ und Sil122 Man

beachte den Vorzeitigkeitsaspekt der als AK vokalisierten Nif.-Form ‫נאחז‬.

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benfolge beim Erinnern, Hören und Verstehen in je unterschiedlichen Kontexten auch einen ganz anderen und neuen Sinn bekommen kann. Dementsprechend nimmt im neuen Situationskontext der Opferstätte auch der unbestimmte Wortlaut des Opferauftrags von V. 2b ‫ העלהו לעלה‬in Abrahams Erinnerung assoziativ eine neue Bedeutung an – insbesondere, nachdem er auch schon den Altar gebaut hatte, der am Anfang der Anreise ja noch gar nicht im Blick sein konnte. Bis zur Ankunft hatte der Auftrag für Abraham eindeutig den Sinn, Isaak „auf einen der Berge“ zum Opferplatz zu führen, was nun aber bereits erfolgt ist. Am Opferplatz angekommen, reifte deshalb – in Ermangelung eines Opfertiers, das sich seiner Wahrnehmung in der Konzentration auf den Altar-Bau entzog – der abgründige Gedanke, dass er „zur Ausführung des Brandopfers“ (‫ )לעלה‬statt des fehlenden Schafs seinen Sohn selbst auf den frisch gebauten Altar „hinaufbringen“ sollte (‫)העלהו‬. Dieses assoziative Neuverständnis des Opferauftrags angesichts der neuen Situation wurde zur monströsen Leitidee Abrahams, die nicht nur die weiteren Ausführungen des vermeintlich göttlichen Auftrags in V. 9b.10 bestimmte. Auch wird sie in der Ergebnis-Feststellung in 13bβ zumindest indirekt als Irrtum zurückgewiesen. Denn im Fortgang der Erzählung band Abraham seinen Sohn an Armen und Beinen (9bα), um einer Flucht oder Widerständen vorzubeugen, und „legte“ ihn dann gemäß der abgründigen Leitidee tatsächlich „auf den Altar“ (9bβ, ‫)ויׂשם אתו על המזבח‬. Weiter schickte er sich in V. 10 an, seinen Sohn zu schächten, mit der Absicht, dann auch das in V. 2bα anbefohlene Brand‑ bzw. Ganzopfer auszuführen. Nachdem dieses monströse Vorhaben jedoch rechtzeitig gestoppt wurde (V. 11–12, vgl. dazu unten III.5.4 und 5.5) und Abraham den Widder sah (V. 13a), stellt der Erzähler in 13bβ im Rückbezug auf V. 9bβ elliptisch fest, dass er das Opfertier „an Stelle seines Sohnes“ (‫)תחת בנו‬ – wie in V. 9bβ auf den Altar (!) – „hinaufgebracht hat zum Vollzug eines Brandopfers“ (‫)ויעלהו לעלה‬. In sprachphänomenologischer Hinsicht ist damit klar, dass die singuläre Formulierung ‫ העלהו לעלה‬weder im Opferauftrag von V. 2bα noch in der Ausführung des Brandopfers in V. 13bβ die gleiche Bedeutung hat wie die geläufige figura etymologica ‫ העלהו עלה‬ohne die Präp. ‫( ל‬z. B. 2 Kön 3,27): „jemanden/etwas als Brandopfer darbringen“ (vgl. oben III.3.2 und 3.3.). Denn in beiden Fällen ist auch das Prädikat ‫( עלה‬hif.) – satzgrammatisch eindeutig – im konkreten Sinne von „hinaufführen/-bringen … auf “ mit der Präp. ‫ על‬als Angabe zu verstehen: Isaak in V. 2bβ „auf einen der Berge“ und den Widder – elliptisch von V. 9bβ her – „auf den Altar“ zu führen/bringen. Dementsprechend hat auch das substantivierte Part. ‫„( עלה‬Hinaufsteigendes“) als term.techn. für das “Brandopfer“ in Gen 22 – außer als Akk.-Obj. in der figura etymologica – nirgends die Funktion, Isaak in V. 2bα, das Schaf in 7bβ und 8aβ oder den Widder in 13bβ als Opfermaterie zu klassifizieren, die „als Hinaufsteigendes“ geopfert werden (vgl. oben III.3.1 und 3.2). In allen vier Kontexten in Gen 22 ist ‫ עלה‬mit der Präp. ‫ ל‬somit eine Zweckbestimmung, wozu das Schaf (7bβ und 8aβ) benötigt, Isaak ins Bergland und der Widder auf den Altar gebracht werden, nämlich zur Ausführung eines Brandopfers, d. h. zur Brandopfer-Darbringung.

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Ohne Zweifel hat der unbekannte Autor der hoch elaborierten Aqeda-Erzählung den Opfer-Auftrag in V. 2bα ‫ העלהו לעלה‬ebenso wie die Ausführung in 13bβ ‫ויעלהו‬ ‫ לעלה‬mit voller Absicht singulär als Wortspiel mit der Präp. ‫ ל‬formuliert, so dass sie im Lese‑ und Hörprozess sehr leicht mit der geläufigen figura etymologica ohne ‫ ל‬verwechselt bzw. verhört und überlesen werden konnte (selbst als Aufmerksamkeits-Test auch für die heutigen Leserinnen und Zuhörer?!). Und die ganze westlich-lateinische Auslegungstradition ist dieser Verwechslung seit Hieronymus – im Unterschied zur LXX-Übersetzung – ja dann auch voll erlegen.123 Demgegenüber hat auch Abraham in der erzählten Welt von Gen 22 diesen Auftrag – wie wir oben gesehen haben – bis zur Ankunft an der Opferstätte völlig zutreffend verstanden. Und die Sinnverschiebung des Opfer-Auftrags beim Bau des Altars beruht nicht auf einem Missverständnis des Wortlauts, sondern ist ganz und gar situationsbedingt. Erst im neuen Situationskontext nach Ankunft am Opferplatz, und weil sich ihm in seiner Konzentration auf den Altar-Bau kein Opfertier zeigte, nahm auch der Auftrag in Abrahams Gedankenwelt assoziativ einen neuen Sinn an, der ganz der geläufigen figura etymologica entsprach.124 5.3 Das kultisch-religiöse Paradigma des Kinderopfers als handlungsleitendes Erklärungsmuster Zwar wird diese Sinnverschiebung in der narrativen Logik der Aqeda-Erzählung ohne Zweifel durch die neuen Umstände am Opferplatz ausgelöst, aber für die Motivation Abrahams, nun auch seinen eigenen Sohn auf dem gebauten Altar zum Opfer zu bringen, sind sie nur der äußere Anlass. Entscheidend für die Handlungskonsequenzen, die Abraham aus dieser Situation zieht, ist vielmehr 123 Im

Gegensatz zur lateinischen Übersetzung, die – generalisierend – für die ‫ עלה‬nur den Ausdruck holocaustum kennt, unterscheidet die LXX noch genau zwischen ὁλοκαύτωμα bzw. ὁλοκάρπωμα (nur 3x im Tanach) zur Bezeichnung vornehmlich der Opfermaterie und ὁλοκαύτωσις bzw. ὁλοκάρπωσις (10x im Tanach, davon 6x in Gen 22,1–13!) zur Bezeichnung der Ausführung eines Brand‑ bzw. Ganzopfers (vgl. noch Gen 8,20; Lev 9,3; Jes 40,16 und 43,23). Dementsprechend übersetzt die LXX ‫ לעלה‬nicht nur in 22,2bα und 13bβ mit εἰς ὁλοκάρπωσιν, d. h. als Zweckbestimmung „zur Ganzopfer-Darbringung“, sondern auch in V. 7bβ und 8aβ als Zweckbestimmung des Schafs, das noch nicht in Sicht war (τὸ πρόβατον [τὸ] εἰς ὁλοκάρπωσιν). Selbst das Brennholz, das Abraham vorbereitet hat, ist nicht einmal im spezifischen Sinne für eine Brand-Opferdarbringung (ὁλοκαύτωσις) bestimmt, sondern in V. 3bα (vgl. 6aα) wie das Schaf (εἰς ὁλοκάρπωσιν) „zur Ausführung eines Ganzopfers“. D. h. noch die griechische Übersetzung hatte ein klares Bewusstsein davon, dass es in Gen 22 eindeutig nicht um eine Opferung Isaaks geht, sondern allein um die Frage, wie Abraham die Aufgabe einer ὁλοκάρπωσις, d. h. der Darbringung eines Ganzopfers bewältigt. 124 Auch ist die figura etymologica (‫ )העלה עלה‬im Konkordanz-Vergleich häufig mit der Angabe ‫ עליו‬belegt, wobei sich das Suffix stets auf den Altar (‫ )מזבח‬bezieht, auf dem das bzw. die Brandopfer dargebracht werden, vgl. Ex 40,29; Dtn 27,6; Jos 8,31; 22,23; Ez 43,18; Esr 3,2–3 und 2 Chr 1,6 neben weiteren Stellen, in denen ‫ על (ה)מזבח‬ohne Wiederaufnahme im Suffix die Fläche angibt, auf der geopfert wird (vgl. z. B. 1 Kön 9,25). Angesichts des nunmehr konkret gebauten Altars legte diese auch innerhalb der figura etymologica geläufige Formulierung assoziativ den Gedanken Abrahams nahe, seinen Sohn auf diesem als Brandopfer darzubringen.

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das wirkmächtige Paradigma des kultisch-religiösen Menschen‑ bzw. Kinderopfers, das in der vorantiken Mittelmeer-Welt und insbesondere im phönizischen Kulturraum der Eisenzeit verbreitet war und auch im Alten Testament bekannt ist.125 Das Kinderopfer ist der Höchst-Einsatz eines Opferspenders, um – vor allem im Kriegsfall in verzweifelter Situation (2 Kön 3) oder mit ungewissem Ausgang (Ri 11,30–31) – die Gunst der Gottheit und ihr Wohlwollen zu gewinnen. Insbesondere könnte Abraham die Aufforderung Gottes von V. 2bα, zur Anbetung (V. 5b) mit Isaak zusammen ein Brandopfer darzubringen, situationsbedingt im Sinne der Erfüllung eines Gelübdes (‫ )נדר‬verstanden haben, wie es Jiftach in Ri 11,30–31 abgelegt hatte (vgl. dazu unten III.6.4). Zwar liegt in Gen 22 eine derartige Notsituation nicht vor. Aber das wirkmächtige Paradigma gibt Abraham in der erzählten Welt ein verbürgtes Deutungs‑ und Erklärungsmuster an die Hand, um angesichts der neuen Situation (fehlendes Opfertier und Bereitstellung des Altars) nicht nur die Bewährungsaufgabe neu zu verstehen, die Gott ihm in V. 2bα gestellt hat. Vor allem gerät ihm dieses kultisch-religiöse Paradigma offenbar zur prekären Leitvorstellung, wie er trotz der neu entstandenen Sachlage die zweite Bewährungsaufgabe der Opferdarbringung doch noch bewältigen kann, um seine Hörbereitschaft auf Gottes Stimme und den Gehorsam gegenüber seinen Weisungen unter Beweis zu stellen. Auch die große sprachliche Nähe des singulären Opferauftrags in 2bα zur geläufigen figura etymologica dürfte diese Idee assoziativ befördert haben. In der Tat schickt sich Abraham mit der Bindung Isaaks und der Hinaufbringung auf den Altar126 bereits eindeutig an, seinen Sohn selbst zum Brandopfer zuzurüsten. Und mit dem Gehorsam gegenüber der fehlinterpretierten Weisung Gottes gerät er in das abgründige Dilemma, sich zugleich gegen das Leben seines Sohnes zu entscheiden. Diese narratologische Zuspitzung unterstreicht der unbekannte Autor eindringlich mit der hochredundanten Kennzeichnung der Person Isaaks als Abrahams Sohn, die die ganze Aqeda-Erzählung durchzieht.127 Denn schon in der Auftragserteilung in 2aα, Isaak auf die Reise ins Land Morija mitzunehmen, betont Gott besonders, dass Abraham seinen Sohn lieb hat (‫בנך‬ ‫)… אׁשר אהבת‬. Im ungeheuerlichen Zwiespalt zwischen der innigen Sohnes-Liebe 125 Vgl. neben Gen 22 Ri 11,30–35.39 und 2  Kön 3,26–27 sowie den ganzen Komplex des Moloch-Opfers und dazu M. Bauks, Art. Menschenopfer, WiBiLex (www.bibelwissenschaft. de/stichwort/26905/) sowie Seebass, Genesis II, 205–207. 126 Das Lexem ‫ ׂשים‬mit der Präp. ‫„( על‬auflegen auf “) ist in 9bβ partiell synonym zu ‫ עלה‬hif. („hinaufbringen“) ‫„( על המזבח‬auf den Altar“); vgl. dazu oben III.3.2, 3.3 und 5.2. 127 Allein auf der drittpersonalen Erzählebene wird Isaak in 22,3aγ, 6aα , 9bα mehrfach nicht 2 nur namentlich genannt, sondern auch zusätzlich mit der Apposition „sein Sohn“ (‫)יצחק בנו‬ betont als Abrahams Sohn gekennzeichnet (vgl. ferner V. 10b und 13bβ), als wüssten die Leserinnen und Zuhörer nicht schon längst aus dem göttlichen Auftrag in V. 2aα („Nimm deinen Sohn …, den du lieb hast, Isaak, und mach dich auf …“) darüber Bescheid. – Zur weiteren appositionellen Kennzeichnung „deinen Einzigen“ (‫ )את יחידך‬in V. 2aα, 12bβ und 16bβ, die als Sprachspur auf das Konto der verheißungsgeschichtlichen Bearbeitung geht; vgl. unten III.6.4.

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und dem religiösen Gehorsam gegenüber einem vermeintlich göttlichen Auftrag, ihn opfern zu müssen, beginnt Abraham in V. 9b.10 auf makabre Weise mit den Vorbereitungen zur Tötung Isaaks. 5.4 Die schicksalswendende Funktion der Aufmerksamkeits-Dialoge in V. 7a und in der Klimax in V. 11 Noch im Aufmerksamkeits-Dialog in V. 7–8a (vgl. dazu oben III.4.2 und 4.3) wird die Vater-Sohn-Beziehung performativ besonders hervorgehoben. Nicht nur Isaak fordert in V. 7aα Abrahams Aufmerksamkeit pointiert mit der Anrede „mein Vater“ (‫ )אבי‬heraus. Auch er bestätigt ihm in 7aβ seine Selbstpräsenz im hic et nunc (‫)הנני‬, indem er ihn explizit als „mein Sohn“ (‫ )בני‬anspricht. Zudem wiederholt er diese Anrede betont auch in seiner Antwort in 8aβ, dass Gott sich das Schaf zur Ausführung des Brandopfers ausersehen wird. In diesem Aufmerksamkeits-Dialog in V. 7–8a stellt der Erzähler somit – selbst kurz vor der Ankunft an der Opferstätte – die geistesgegenwärtige Aufmerksamkeit Abrahams für das noch fehlende Schaf heraus (vgl. oben III.4.2). Vor allem aber wird damit zugleich auch das besondere Bewusstsein seiner Vater-Liebe performativ hervorgehoben. Im dramatischen Gegensatz dazu verliert Abraham jedoch in seiner Konzentration auf den Altar-Bau nicht nur den Blick für das Opfertier. Im sich anbahnenden Wahn-Sinn des vermeintlichen Opferauftrags, seinen eigenen Sohn opfern zu müssen, verlieren sich völlig auch seine innigsten Vater-Gefühle und das Verantwortungsbewusstsein für seinen Sohn. In Steigerung des WahnSinns hebt er in V. 10 dazu an, zugunsten der Ausführung eines abstrakten, vermeintlich göttlichen Auftrags seinen Sohn zu schächten. Und nur die Zeitlupe, mit der er seine Hand ausstreckt (10aα) und zum Messer greift (10aβ), lässt noch ein gewisses Zögern erkennen, die letzte tödliche Konsequenz aus dieser Verblendung auch wirklich zu ziehen. Davon wird Abraham jedoch in der Klimax der Aqeda-Erzählung in V. 11 jäh durch den Anruf von ‚außerhalb‘ in Gestalt des Jhwh-Boten abgehalten, der seine Stimme im dritten Aufmerksamkeits-Dialog energisch aus dem Himmel erhebt.128 Der warnende Anruf hat zum einen den sofortigen Abbruch des TötungsVorhabens zur Folge, indem Abraham erneut – wie in V. 1b und 7a – unmittelbar zur Bestätigung seiner Selbstpräsenz herausgefordert wird. Mit seiner Antwort ‫ הנני‬fällt ihm sozusagen das Messer aus der Hand, wie Rembrandt es im Gemälde 128 Man beachte die doppelte Anrede „Abraham, Abraham!“ gegenüber der einfachen Anrufung Gottes im Erzählanfang in V. 1b, vgl. dazu oben III.1.3 und zur Anrede als Vater in V. 7a oben III.4.2. Dieser Anruf von ‚außerhalb‘ aus dem Himmel kann psychologisch als innere Stimme des Gewissens interpretiert werden, das uns in analoger Weise ebenso blitzartig, unverfügbar und unkontrollierbar ‚schlagen‘ bzw. treffen kann wie der mythopoetische Anruf des Jhwh-Boten in der erzählten Welt von Gen 22.

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von der Beinahe-Opferung Isaaks vollendet zur Darstellung gebracht hat.129 Die Selbstvergewisserung seiner Origo versetzt ihn simultan aus der Wahn-Welt des vermeintlichen Opferauftrags in das hic et nunc seiner Lebenswirklichkeit als Vater seines geliebten Sohnes Isaak. Mit der Selbstwahrnehmung seiner Origo fällt der Schleier der Verblendung und Abraham lässt sofort von ihm ab. Zugleich vernimmt er damit als Stimme seines Gewissens auch die Warnung des Jhwh-Boten, nicht Hand an den Jungen (‫ )נער‬zu legen und ihm auch nicht das Geringste anzutun (V. 12a): ‫אל תׁשלח ידך אל הנער ואל תעׂש לו מאומה‬. 5.5 Das Bestehen der göttlichen Prüfung (V. 1aβ.12a.bα) und die Sichtung des Widders zur Opferdarbringung (V. 13) Mit der Neu-Wahrnehmung seiner Geistesgegenwart und Selbstpräsenz (‫)הנני‬, die seine mörderische Verirrung platzen ließ, hat Abraham nicht nur die göttliche Probe bestanden, die im Aufmerksamkeits-Dialog in V. 1b performativ thematisiert wird und als metanarrative Überschrift in V. 1aβ über der ganzen Aqeda-Erzählung steht (‫)והאלהים נסה את אברהם‬. Auch blieb dadurch sein geliebter Sohn, den er gemäß der Aufgabenstellung in V. 2 zur Opferdarbringung an die angesagte Opferstätte mitnehmen sollte, von den tödlichen Konsequenzen seines Irrwegs verschont. Dass Abraham diese Prüfung bestanden hat, bestätigt ihm der Jhwh-Bote in der evaluativen Feststellung in V. 12bα: Gewiss, jetzt habe ich in Erfahrung gebracht, dass du ein Gottesfürchtiger bist.130

Gottesfurcht als Geisteshaltung heißt demnach zum einen, gegenüber Horizontverkürzungen und Blickverengungen, die unabdingbar mit der Konzentration auf eine Sache einhergehen, wachsam zu bleiben, und gängigen Modellen der Plausibilisierung von verstörenden Befunden (auch in der Forschung!) zu misstrauen.131 Zum andern heißt das, sich offen zu halten für irritierende Anstöße und kritische Stimmen von ‚außerhalb‘ einerseits im selbstkritischen Bewusstsein der eigenen Origo-Gebundenheit im Horizont verengenden hic et nunc und andererseits angesichts der Ko-Präsenz des jeweils Unverfügbaren und Unkontrollierbaren, das im biblischen Sinne als „Stimme Gottes“ bzw. des Gewissens festgefahrene Gedanken-Konstrukte auf‑ und gefährliche Irrwege jäh unterbricht. 129 Die von Rembrandt verbesserte Schüler-Kopie „Die Opferung Isaaks“ in der Münchner Alten Pinakothek bzw. das Original von 1635 in der St. Petersburger Eremitage setzen das frei fallende Messer ins Bild, während Abraham  – wie im Aufmerksamkeits-Dialog in 22,11 performativ formuliert – mit dem Engelwesen in Kontakt tritt. 130 Zu beachten ist, dass ‫„( ירא‬fürchten“/„Respekt/Ehrfurcht zeigen“) in ‫ ירא אלהים‬nicht als AK-Form des Zustandsverbs ‫ירא‬, sondern als st.cs.-Form des Verbaladjektivs vokalisiert ist. Daraus geht hervor, das die ganze Aqeda-Erzählung auf die Erprobung von Abrahams ‚Gottesfurcht‘ als Habitus und Geisteshaltung ausgerichtet ist, die an der Lösung der gestellten Aufgaben überprüft wird. 131 Vgl. dazu neben Gen 22 z. B. die Erzählung vom brennenden Dornbusch (Ex 3) oder die Bileam-Erzählung in Num 22,21–34.

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Die neu wachgerufene Geistesgegenwart (V. 11b) hat jedoch den weiteren Effekt, dass Abraham nach dem befreienden Anstoß auch die zweite Teilaufgabe der Opferdarbringung erfolgreich bewältigen konnte, die ihm zur Prüfung seiner Selbstpräsenz (‫ )הנני‬in V. 2b gestellt wurde. Zuvor in der Anti-Klimax in V. 9–10 entzog sich – in Konzentration auf den Altar-Bau und auf die Zubereitung des Brennholzes – der Widder als Opfertier seiner verengten Wahrnehmung. Deshalb kam er in seiner Verblendung auf den irr-sinnigen Gedanken, statt des vermissten Tieres seinen Sohn selbst opfern zu müssen. In der wachgerufenen Wahrnehmung seiner Situationspräsenz (V. 11b) gingen ihm jedoch mit dem Ablassen vom Sohn zugleich auch buchstäblich die Augen für das fehlende Opfertier auf (V. 13aα1). Beim Aufblicken (‫ )וירא‬fiel ihm überraschend ein Widder auf (‫)והנה איל אחר‬, der sich „dahinten“ (‫)אחר‬, wenn auch in Sichtweite im Geäst des Kleinholzes verfangen hatte (13aα2β).132 Und Abraham erhob seine Augen und sah auf. Und siehe da! Ein Widder! Dahinten hatte er sich fest verfangen im Gestrüpp mit seinen Hörnern.

Daraufhin konnte er dann auch das Bandopfer so ausführen (V. 13bβ), wie Gott es ihm aufgetragen (V. 2bα) und wozu er sich aufgemacht hatte (V. 3–8), um mit Isaak zusammen am Opferplatz gemeinsamen ‚anzubeten‘ (‫ונׁשתחוה‬, V. 5b!). Nach der überraschenden Entdeckung des Opfertiers ging Abraham hin (‫וילך‬ ‫)אברהם‬, nahm den Widder (‫ )ויקח את האיל‬und brachte ihn zur Opferdarbringung (‫ )לעלה‬auf den Altar hinauf (‫)ויעלהו‬, und zwar ausdrücklich „anstelle seines Sohnes“ (‫)תחת בנו‬, den er zuvor auf seinem Irrweg in V. 9bβ selbst „auf den Altar gelegt hatte“ (‫)ויׂשם אתו על המזבח‬.133 5.6 Sehen und Ver-Sehen Abrahams und das Sehen Gottes – Der Hauptgegenstand der Probe-Stellung in 22,3–13 und die Ätiologie in V. 14a So wie Abraham seine erste Teilaufgabe, zur Opferdarbringung ins Bergland von Morija aufzubrechen, mit der Ankunft an der Opferstätte, „die Gott ihm gesagt hatte“ (V. 9aα1, vgl. 2bβγ), erfolgreich bewältigte, so hat er nach V. 13b nun auch die zweite Teilaufgabe im Sinne des Opferauftrags von V. 2aα voll erfüllt. Beide Aspekte der Aufgaben-Stellung in V. 2 sind – wie wir oben III.1.3 gesehen haben – das lebenspraktische Bewährungsfeld, auf dem Gott Abrahams Selbstpräsenz im konkreten hic et nunc der Aufgabenbewältigung auf die Probe stellt. In narratologischer Hinsicht leuchtet es deshalb besonders ein, dass die Entdeckung des Opfertieres, das sich zuvor seinen Blicken entzog, in V. 13a als Effekt der wachgerufenen Geistesgegenwart und Situationspräsenz hochdetailliert erzählt und damit besonders hervorgehoben wird. Nicht nur dem Augen­ 132 Zur Vorzeitigkeit, dass sich der Widder schon während des Altar-Baus im Gestrüpp verfangen hatte, vgl. oben Anm. 122. 133 Zu diesem gestaltschließenden Rückbezug von V. 13bβ auf V. 9bβ vgl. oben III.5.2.

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aufschlag als solchem widmet der Erzähler ebenso einen ganzen Verbalsatz (‫ויׂשא‬ ‫ )אברהם את עיניו‬wie dem Aufblicken ohne Objekt (‫)וירא‬. Auch die Entdeckung des Widders selbst wird den Leserinnen und Zuhörern emphatisch mit dem Aufmerksamkeitsmarker ‫ והנה איל אחר‬präsentiert, auch wenn ‫ איל אחר‬mit dem gleichen Informationsgehalt einfach als Akk.-Objekt zu ‫ וירא‬hätte angeschlossen werden können. Hinzu kommt, dass der besondere Akt des Sehens und Entdeckens auch schon in V. 4b gleichlautend mit dem hochdetaillierten Augenaufschlag eingeleitet wird (‫)ויׂשא אברהם את עיניו‬, wobei es dort die Opferstätte ist (‫)המקום‬, die Abraham schon auf Anhieb am dritten Tag (V. 4a) „von ferne sah“ ‫וירא את המקום מרחק‬. Auch daraus geht eindeutig hervor, dass es in der Bewältigung der in V. 2 gestellten Aufgabe erzählimmanent nicht um Abrahams Gehorsam gegenüber einem absurden Gottes-Auftrag zum Sohnes-Opfer geht. Vielmehr steht im Zentrum, wie der Proband die beiden Teilaufgaben der Anreise zur Opferstätte (V. 3–8) und der Ausführung eines Brandopfers am Platz der Ankunft (V. 9–13) löst und wie er darin seine situative Aufmerksamkeit und Geistesgegenwart unter Beweis stellt. Die gleichlautenden Hervorhebungen des Seh-Aktes als solchem in V. 4b und 13aα stellen  – hochdetailliert  – die entscheidende Zielerwartung heraus, um die es bei der Bewältigung der gestellten Aufgaben geht. Es ist ein besonders spannungsvoller und kontrastreicher Kunstgriff des Erzählers, dass Abraham einerseits gleich am Anfang des entscheidenden dritten Tages die Opferstätte mit wachem Auge schon aus der Ferne sieht, längst bevor er mit seinem Sohn am besagten Opferplatz ankommt (V. 9aα1). Andererseits übersieht er dort fatalerweise völlig das Tier zur Opferdarbringung mit beinah tödlichen Konsequenzen für seinen Sohn. Und erst die göttliche Stimme aus dem Himmel rief seine geistesgegenwärtige Situationspräsenz wach, in der er mit dem gleichen Augenaufschlag wie in V. 4b den Widder zur Opferdarbringung entdeckte (V. 13), der sich zuvor in seiner Horizontverengung seinem Blick entzogen hatte. Noch fundamentaler steht das Sehen und Ver-Sehen Abrahams in Korrelation zu Gottes-Er-Sehen im Zentrum der Aqeda-Erzählung, auf das Abraham in V. 8a in seiner Antwort an Isaak kurz vor der Ankunft am Opferplatz anspielt. Zuversichtlich verspricht er sich und Isaak, dass Gott ihm das fehlende Schaf noch zeigen wird, was jedoch in Abrahams Wahrnehmung am Opferplatz fatalerweise nicht in Erfüllung ging (V. 9–10). Demzufolge brachte ihn die Assoziation des Opferauftrags mit dem traditionsreichen Paradigma des Kinderopfers auf den abgründigen Gedanken, Gott habe sich seinen Sohn selbst als Opfer ausersehen. Von diesem Irrweg hielt ihn dann allein die göttliche Stimme aus dem Himmel ab und führte nicht nur zum sofortigen Abbruch des tödlichen Vorhabens (V. 11b.12a), sondern zugleich – und mit Emphase – zur Entdeckung des Widders für die Opferdarbringung (V. 13). Nur über diesen Weckruf des Jhwh-Boten als Anstoß von ‚außerhalb‘ bzw. des Gewissens in V. 11aβ und über die wachgerufene Geistesgegenwart und Situati-

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onspräsenz Abrahams, die er in 11b mit ‫ הנני‬bestätigt, ist die überraschende Art und Weise vermittelt, wie Gott bzw. Jhwh sich schließlich wider alle Erwartung auch das Opfertier noch „ersehen“ hat.134 Abrahams Hoffnung, die er in V. 8aβ Isaak zur Antwort gegeben hatte, dass Elohim das Schaf ersehen wird (‫אלהים יראה‬ ‫)לו הׂשה לעלה‬ – sie ist damit auf eine völlig andere Weise in Erfüllung gegangen, als er sich das in seiner irrigen Assoziation des Opferauftrags mit dem kultischreligiösen Kinderopfer vorzustellen begann. Die höchst dialektisch erfüllte Hoffnung wird dann in V. 14a zum Symbolnamen, mit dem Abraham die Opferstätte des denkwürdigen Geschehens ätiologisch versah. Und Abraham nannte den Namen jenes Ortes „Jhwh ersieht.“

Wie wir oben Anm. 119 nahegelegt haben, verweist dieser ätiologische Erinnerungsort für Abrahams Jhwh-Erfahrung protologisch auf das Jerusalemer Zions-Heiligtum als Wallfahrtsort, zu dem schon Abraham mit seinem Sohn Isaak ‚vor aller Zeit‘ zur Opferdarbringung hinaufgestiegen war. Dieser Verweiszusammenhang lässt sich – wie im Folgenden zu zeigen ist – an der Erläuterung der Ätiologie in V. 14b weiter bestätigen. 6. Diachronie in Gen 22 – die Bearbeitungsspuren in Gen 22,2a*.12bβ.14b und 15–18 Die Ätiologie in V. 14a fasst die überraschend erfüllte Hoffnung als performativtheologische Quintessenz evaluativ zusammen und ist im Ganzen der Erzählung (V. 3–13) facettenreich verwurzelt (vgl. V. 8aβ). Daran schließt sich in V. 14b eine Erläuterung an, die nach „heutigem“ Verständnis auf den „Berg Jhwhs“ verweist, auf welchem „gesehen wird“ bzw. wo „er erscheint“ (sofern das ‫ אׁשר‬auf Jhwh zu beziehen ist). Sie gibt sich damit als Nachbemerkung zu erkennen, die den zeitlichen Abstand zur erzählten Welt von 22,1–14a festhält und die Quintessenz der Erzählung aktualisiert. Auch V. 15 leitet eine zweite Ansprache des Jhwh-Boten an Abraham ein (‫)ויקרא מלאך יהוה אל אברהם ׁשנית מן הׁשמים‬, die – wie unisono auch in der Forschung angenommen – schwerlich synchron und ursprünglich zur Primärerzählung gehört. Diesen diachronen Bearbeitungsspuren ist im Folgenden gemäß der dritten methodischen Stufe (vgl. oben II.6.1.3 und 6.2) als letztes nachzugehen. 6.1 Die aktualisierende Nachbemerkung zur Namensätiologie der Opferstätte (V. 14a) in V. 14b Mit dem „Berg Jhwhs“, auf welchem „gesehen wird“ bzw. wo „er erscheint“, ist an den sieben Stellen im Tanach außer in Gen 22,14 und Num 10,33 stets mehr 134 Zum zentralen Fokus des Sehens und Ver-Sehens in der narrativen Sinnbildung von Gen 22 vgl. ausführlich Hardmeier, Bindung, 52–55.

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oder weniger konkret der Jerusalemer Zions-Berg als Wohnstatt Jhwhs (Sach 8,3), als Ort der Wallfahrt (Jes 2,3 par. Mi 4,2 und Ps 24,3) oder der Anbetung (Jes 30,29) gemeint.135 Daran bestätigt sich unsere Vermutung (vgl. oben Anm. 119), dass in Gen 22 hinter dem von Gott angewiesenen Aufbruch Abrahams in das Land Morija, um dort „auf einem der Berge“ in Gestalt einer Brandopfer-Darbringung (V. 2) gemeinsam mit Isaak „anzubeten“ (V. 5b!), als Subtext ein Gang Abrahams zum Berg Zion ‚vor aller Zeit‘ und zum Jerusalemer Heiligtum steht. Denn so wie nach Jes 2,3 (par. Mi 4,2) vom Berg Jhwhs „Weisung“ (‫ )תורה‬ausgeht, so geht in Gen 22,14b nach „heutigem“ Verständnis auch das „Ein-Sehen“ (‫ )יראה‬aus, wie es schon Abraham an diesem Ort (‫ )המקום‬im Land Morija, dem Land der „Weisung Jhwhs“, protologisch in Erfahrung gebracht hat.136 Wie weit diese Erläuterung in V. 14b zusammen mit der Nennung des Landes Morija als Ziel von Abrahams Aufbruch in V. 2aγ synchron und integral zur Aqeda-Erzählung mit intertextuellem Bezug zu Jes 2,3 (par. Mi 4,2) gehört oder, wie ich bisher vermutet habe, eher der diachronen Bearbeitung in V. 15–18 zuzuordnen ist,137 muss hier offen bleiben. Evident und unbestritten gehört jedoch die zweite Ansprache des Jhwh-Boten in V. 15–18 diachron zum verheißungsgeschichtlichen Arrangement der Einzelerzählungen von Abraham und den Erzeltern Israels in der Genesis. Nach E. Blum ist die Zusage von 22,15–18, die er früher der D-Komposition des Pentateuch zugeordnet hat, Teil einer Textgruppe von Gen 15; 26,3b–5 und Ex 32,13 (u. a.) und bettet als „mutmaßlich nachpriesterliche[s] Material[.]“ die Aqeda-Erzählung in diesen verheißungsgeschichtlichen Kontext ein (vgl. dazu methodologisch oben II 6.2).138 6.2 Die verheißungsgeschichtliche Kontextualisierung der Aqeda-Erzählung in der zweiten Rede des Jhwh-Boten in Gen 22,15–18 Hauptinhalt dieser zweiten Rede ist in 22,16a.17aα1 Jhwhs eidliche Bekräftigung der Segens-Zusage an Abraham von 12,2aβ, die in 22,17aα1 ebenso wiederholt 135 In Num 10,33 geht es gemäß der D-Komposition um den Aufbruch vom „Berg Jhwhs“ am Beginn der Wüstenwanderung (vgl. E. Blum, Studien zur Komposition des Pentateuch [BZAW 189], Berlin / New York 1990, 137–138). Damit wird protologisch die Exils-Zeit als Beginn der Wüstenwanderung konnotiert, die mit der Wegführung aus Jerusalem begann. 136 Vgl. oben Anm. 119 sowie Schmid, Gott, 65. 137 Vgl. Hardmeier, Bindung, 62–63. 138  E. Blum, Die literarische Verbindung von Erzvätern und Exodus. Ein Gespräch mit neueren Endredaktionshypothesen, in: Ders., Textgestalt und Komposition. Exegetische Beiträge zu Tora und Vordere Propheten, hg. von W. Oswald (FAT 69), Tübingen 2010, 85– 121, hier 119, zu seiner früheren Position vgl. Ders., Studien, 189. – Vgl. ferner die Erörterungen in Hardmeier, Bindung, 57–63, und Seebass, Genesis II, 200. In den folgenden Ausführungen III.6.2–6.4 beschränken wir uns primär unter sprachphänomenologischen Gesichtspunkten der narrativen Gestaltung auf den verheißungsgeschichtlichen Kontext von Gen 15; 24 und 26, ohne uns an der Hypothesenbildung zu übergreifenden Bearbeitungshorizonten zu beteiligen, die ohnehin auf eine sehr viel breitere Grundlage der unter II entfalteten textempirischen Heuristik gestellt werden müsste.

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wird wie das uranfängliche Versprechen von 12,2aα, ihn zu einem „großen Volk“ zu machen (‫)ואעׂשך לגוי גדול‬. Dieses Versprechen wird nun in 22,17aα2β als Mehrungsverheißung für seine Nachkommen (‫ )זרעך‬konkreter gefasst: Zahlreich machen will ich deine Nachkommenschaft wie die Sterne des Himmels und wie der Sand, der an der Meeresküste liegt.139

Zudem sollen die Nachkommen Abrahams das Tor selbst ihrer Feinde in Besitz nehmen (V. 17b). Und alle Ethnien des Landes sollen bzw. werden sich nach 22,18a mit dieser Nachkommenschaft segnen, so wie es Abraham nach 12,2 selbst verheißen war: Als Gesegneter sollte schon er zum Segen für andere werden (‫והיה‬ ‫)ברכה‬, damit durch ihn alle Sippschaften des (kanaanäischen) Ackerlandes (vgl. 11,31 und 12,1) gesegnet werden: ‫( ונברכו בך כל מׁשפחת האדמה‬V. 3, vgl. 18,8). Was Jhwh Abraham in 12,2–3 bei seinem Aufbruch in das Land Kanaan verheißen und angekündigt hat, das soll nun nach 22,17–18 – nachdem Isaak durch die Intervention des Jhwh-Boten vom tödlichen Irrtum seines Vaters verschont blieb – durch seinen Sohn und seine weitere Nachkommenschaft als Segen für alle Ethnien des Landes (Kanaan) Wirklichkeit werden. Die Verheißung in V. 17– 18 wird von Jhwh in V. 16a als eidliche Selbstverpflichtung gegenüber Abraham nachdrücklich bekräftigt und bezieht sich einerseits klar und eindeutig auf die Anfangsverheißung von 12,2–3 zurück. Andererseits ist sie jedoch wesentlich detailgenauer auch auf die Verheißung in 26,2–5 ausgerichtet, die dann an Isaak selbst ergeht. Neben der Wiederholung der Segens-Zusage von 22,17aα1 in 26,3aβ (‫ )ואברכך‬wird nicht nur die Mehrungsverheißung von 22,17aα2 in 26,4aα exklusiv wörtlich wiederholt (‫והרבתי‬ ‫את זרעך ככוכבי הׁשמים‬, vgl. nur noch 16,10). Auch die Segenswirkungen der Nachkommen Isaaks auf alle Ethnien des Landes (Kanaan), die sich mit den Nachfahren auch der zweiten Generation nach Abraham segnen sollen (‫)והתברכו בזרעך כל גויי הארץ‬, finden sich in der selbigen Formulierung nur in 22,18a und 26,4b. D. h. in 26,2–5 werden die Segensverheißung an Abraham und ihre segensreiche Auswirkung auf die Ethnien des Landes (Kanaan) ebenso wie die Mehrungsverheißung von 22,17–18 her konzentriert zusammengefasst und auf Isaak übertragen. In 26,4aβ kommt lediglich die Verheißung des Landes (Kanaan) hinzu. „Dieses Land“, das Jhwh Abraham zu geben versprach (‫לזרעך אתן את‬ ‫הארץ הזאת‬, 12,7; 15,7 und 24,7), wird in 15,18 näher als Land zwischen Nil und Euphrat bestimmt. Es umfasst in dieser verheißungsgeschichtlichen Perspektive somit die ganze Levante und wird in 19–21 nach Ethnien differenziert, die in diesem Ostmittelmeer-Raum leben. Dementsprechend wird das verheißene Land mit dem Generationenwechsel in

139 Das Bild von der unermesslich zahlreichen Nachkommenschaft „wie die Sterne des Himmels“ bezieht sich auf die Sohnesverheißung in der Vision von Gen 15,1–5 zurück, in der Jhwh Abraham am Sternenhimmel vor Augen führt, wie zahlreich seine Nachkommenschaft sein wird (V. 5). In abgeschwächter Form und ohne Segensverheißung gilt das Mehrungsversprechen auch der abrahamitischen Nachkommenschaft Hagars (vgl. 16,10 mit 22,17aα2), und auch ihr verspricht der Bote Elohims in 21,18b „vom Himmel“ (21,17, vgl. 22,11aα.15), dass er ihren Sohn Ismaël „zu einem großen Volk machen will.“

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26,3b und 4aβ als „alle diese Länder“ an Isaak und seine Nachkommenschaft weitergeben (‫לזרעך אתן את כל הארצת האל‬, so nur in 26,3–4!).

In 26,2–5 wird somit das ganze Bündel an Verheißungen, die Abraham von Jhwh empfangen hatte, auf Isaak und seine Nachkommenschaft übertragen – natürlich außer der Sohnes-Verheißung von Gen 15,4–5 (vgl. V. 18–21) und 18,10.14, weil sich diese mit der Geburt Isaaks in 21,1–3 ja erfüllt hat. Im Duktus der Verheißungsgeschichte hat die zweite Rede des Jhwh-Boten in 22,15–18 somit eine Scharnierfunktion. Sie nimmt die Zukunft der nunmehr auch eidlich bekräftigten Verheißungen an Abraham von Gen 12,2–3 in den Blick, nachdem der verheißene Sohn trotz der Zweifel seiner Mutter (18,12) geboren und trotz der tödlichen Irrtümer seines Vaters durch das Eingreifen Jhwhs und seiner Boten (18,14 und 22,11–12) mit dem Leben davongekommen war. In 26,2–5 holt Jhwh diese Abrahams-Verheißungen somit zukunftsgerichtet in die Gegenwart Isaaks und seiner Nachkommenschaft hinein, nachdem ihm Rebekka zur Frau geworden war (24,67).140 Die eidliche Bekräftigung der abrahamitischen Verheißungsgeschichte in 22,15–18 wird im Blick auf Isaak und seine Nachkommen in V. 16b mit dem glücklichen Ausgang der Probe-Erzählung von 22,1–14a begründet. Jhwh leistet in der Ansprache Abrahams seinen Eid auf die Zukunft, „weil du diese Sache getan hast“ (16bα, ‫ )יען אׁשר עׂשית את הדבר הזה‬und die Verheißungen selbst (V. 17.18a) werden in V. 18b dafür erneuert, „dass du auf meine Stimme gehört hast“ (‫עקב‬ ‫)אׁשר ׁשמעת בקלי‬. Beides, das Hören auf Jhwhs Stimme und die effektiv vollbrachte Tat beziehen sich darauf, dass – wie wir oben III.5.4 gesehen haben – Abraham durch den Anruf des Jhwh-Boten (V. 11) das Messer aus der Hand fiel, so dass er augenblicklich von seinem Sohn abließ und ihm nichts weiteres antat, was im Tötungs-Vetitiv in V. 12aα verbalisiert wird. 6.3 Die Verschonung Isaaks (V. 16bβ) im argumentativen und verheißungsgeschichtlichen Rahmen der zweiten Rede des Jhwh-Boten in 22,15–18 Der weitere Hinweis in der Begründung von V. 16b, dass Abraham in seinem Irrtum nicht einmal seinen einzigen Sohn verschont habe bzw. hätte (16bβ, ‫)ולא חׂשכת את בנך את יחידך‬, macht narratologisch nur im größeren verheißungsgeschichtlichen Zusammenhang von Gen 12–22 überhaupt einen Sinn. Denn in 15,2–3 ist es ja Abrahams größte Not vor Jhwh, dass er kinderlos dahin gehen sollte und sein Haus-Vorsteher Elieser ihn ohne eigene Nachkommenschaft beerben würde. Die verhinderte Tat Abrahams in 22,9–10, das Leben dieses einzigen Sohnes – wenn auch im Irrtum – aufs Spiel zu setzen, hätte deshalb nicht 140 Auch die künftige Beherrschung des Tors seiner Feinde in 22,17b blickt auf die Maxime in 24,60 voraus, die die Familie Rebekkas ihr auf den Weg zu Isaak mitgegeben hatte.

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nur im denkbar größten Widerspruch zu den Sohnesverheißungen in 15,4–5 und 18,10.14 gestanden. Sie wäre erst recht absurd geworden, nachdem diese Verheißungen in 21,1–3 sogar schon in Erfüllung gegangen sind und Abraham ja gerade darauf in 15,6 sein Glaubensvertrauen in Jhwh von Anfang an besonders gesetzt hatte. Im argumentativen Primärzusammenhang von 22,15–18 erinnert die Erwähnung der Verschonung Isaaks in V. 16bß Abraham deshalb nur daran, dass er mit seiner Fehlleistung in V. 9–10 sein Glaubensvertrauen in die teilweise sogar schon erfüllten Verheißungen Jhwhs (21,1–3!) total aufs Spiel gesetzt und völlig negiert hätte. Das Hauptargument hingegen, warum Jhwh ihm erneut die ganzen Zukunfts-Verheißungen im Blick auf seine Nachkommenschaft eidlich zusichert, liegt in der Feststellung von V. 16bα: „Weil du diese Sache getan hast“ (‫)יען אׁשר עׂשית את הדבר הזה‬. Und das, was Abraham tatsächlich getan hatte, war ja gerade das geistesgegenwärtige Zurückschrecken vor dem Tötungsakt selbst im letzten Moment (V. 10aβ.b!). Allein der eindringliche Alarmruf des Jhwh-Boten (bzw. – modern gesprochen – seines Gewissens) V. 11a brachte Abraham so aus dem wahn-sinnigen Konzept, dass er augenblicklich sein Messer fallen ließ. Die Tat (V. 16bα), dass er mit der Bestätigung seiner Situationspräsenz in V. 11b zugleich von seinem mörderischen Tun abgelassen und damit das Leben Isaaks als Verheißungsträger der nächsten Generation (vgl. 22,16a.17 und 18a mit 24,7 und 26,3bβ.4) vor seinem eigenen Wahn-Sinn verschont hat (16bβ) – diese Tat ist somit der wahre Grund für die eidliche Bekräftigung aller Verheißungen, die in 26,3–4 auf den geretteten Sohn übertragen werden. Das bestätigen auch die wörtlich identischen Begründungen im Abschluss der Verheißungsreden in 22,18b und 26,5a, die im Tanach sonst ohne Parallelen sind. Weil Abraham auf die Alarmstimme Jhwhs gehört (‫ ׁשמע אברהם בקלי‬/ ‫ )עקב אׁשר ׁשמעת‬und augenblicklich von Isaak abgelassen hatte – allein deshalb hat Jhwh ihm in 22,16–18a und dann in 26,3b.4 gleichlautend seinem vom Tode bewahrten Sohn Isaak erneut alle Land-, Mehrungs‑ und Segensverheißungen zugesichert, die er ihm in 12,2–3.7; 15,5.7.18 (vgl. 24,7) gegeben hatte. 6.4 Die verheißungsgeschichtliche Kontextualisierung in V. 12bß sowie 2aα und 1aα. Im Unterschied zur integralen Funktion der Verschonung Isaaks (V. 16bβ) im Argumentationszusammenhang von 22,15–18 klappt die nahezu gleichlautende Zusatz-Bemerkung in V. 12bβ zur Bestätigung der Gottesfurcht innerhalb der Aqeda-Erzählung merkwürdig nach. Denn der Satz ‫ולא חׁשבת את בנך את יחידך‬ ‫ ממני‬schließt sich ziemlich gewunden an die evaluative Ergebnis-Feststellung des Jhwh-Boten in V. 12bα an („denn jetzt weiß ich, dass du ein ‚Gottesfürchtiger‘ bist“, vgl. oben III.5.5). Liest man ihn als weitere Erkenntnis Jhwhs (V. 12bα1), dass Abraham ihm auch nicht einmal seinen Sohn vorenthalten habe, so kann

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sich der Nachsatz nur auf den Irrtum Abrahams beziehen, mit der eingeleiteten Opferung des Sohnes in V. 9b.10 ein Gelübde einlösen zu müssen, wie es im intertextuellen Bezug von Jiftach in Ri 11,30–39 erzählt wird (vgl. oben III.5.3). Da er sich jedoch durch die energische Intervention des Jhwh-Boten in V. 11 davon abhalten ließ, kann der Satz nur als Irrealis der Vergangenheit übersetzt werden: „… und du hättest mir (nicht einmal) deinen Sohn, deinen einzigen, vorenthalten.“ Davon abgesehen, steht auch hinter dem Opferauftrag in V. 2bα – wie wir in III.3.2 und 3.3 herausgearbeitet haben – nicht im Entferntesten die Forderung, ein solches Gelübde einzulösen, zumal es sich auch sonst nirgends in den Abrahams-Erzählungen von Gen 12–22 findet. Allein in Abrahams Verzweiflung am Opferplatz hat sich die unbedingte Erfüllung eines Gelübdes wie in Ri 11,30–31 als Erklärungsmuster für den Opferauftrag nahegelegt.141 Zudem muss – wie wir oben III.6.3 gesehen haben – auch V. 16bβ, der mit V. 12bβ wörtlich übereinstimmt, im verheißungsgeschichtlichen Primärkontext der zweiten Jhwh-Boten-Rede als Irrealis der Vergangenheit verstanden werden. Denn Abraham hätte ja seinen Sohn in V. 10aβ.b im Widerspruch zu seinem ganze Glaubensvertrauen und zu allen Verheißungen nur dann geopfert, wenn er nach V. 11 nicht tatsächlich auf die Alarmstimme des Jhwh-Boten gehört und von Isaak sofort abgelassen hätte, was im Vetitiv von V. 12a verbalisiert wird. Somit kann sich auch die evaluative Feststellung der Verschonung Isaaks in V. 12bß wie in V. 16bβ nur in diesem verheißungsgeschichtlichen Sinne auf die verhinderte Fehlleistung Abrahams in der Antiklimax von V. 9b.10 beziehen. Deshalb ist auch V. 12bß Teil dieser diachronen Kontextualisierung und hat die Funktion eines Brückentextes, der die Argumentation in V. 15–18 vorbereitet und mit dem überraschend glücklichen Ausgang der Probe-Erzählung und der Bestätigung von Abrahams Gottesfurcht verbindet. Das verheißungsgeschichtliche Argument, dass Abraham mit seiner abgebrochenen Fehlleistung von V. 9b.10 auch sein ganzes Glaubensvertrauen in die Verheißungen Jhwhs völlig negiert hätte, bekommt durch die Apposition „deinen Einzigen“ (‫ )את יחידך‬sowohl in V. 16bβ als auch im Brückentext von 12bβ ein zusätzliches Gewicht. Sie hebt den Kontrast zwischen seiner Klage in 15,2, kinderlos und ohne Erbe zu sein, und dem beginnenden Akt der Tötung seines Sohnes in 22,10 besonders hervor. Ansonsten hat auch diese Apposition in der 141  Zudem sind Gelübde, wie sie Jiftach in Ri 11,30–31 abgelegt und in V. 39 eingelöst hat, nach Dtn 23,22–24 freiwillige (‫נדבה‬, V. 24bα) Versprechen von Opfergaben, die gegenüber Jhwh abgegeben werden können. Keinesfalls aber sind sie Not-wendig und werden niemals von Jhwh verlangt, so dass sie ohne Versündigung an ihm auch unterlassen werden können. Deshalb kann auch die Einleitung der Opferung Isaaks in V. 9–10 nicht als Erfüllung einer angeblich tatsächlichen Forderung Gottes von V. 2bα verstanden werden, sondern erweist sich als Abrahams irrtümliche Plausibilisierung der Sachlage am Opferplatz im Sinne eines Gelübdes, das er meint einlösen zu müssen, aber gar nicht abgelegt hat. Denn auch ein freiwillig abgegebenes Gelübde muss dann allerdings nach Dtn 23,22b unbedingt und mit allen Konsequenzen wie bei Jiftach in Ri 11,39 eingelöst werden.

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Probe-Erzählung außer in V. 2aα keinen Anhalt. Zudem wirkt sie dort nicht nur wie ein Fremdkörper und steht im Kontrast zum hochredundanten Kennzeichnungs-Relief, das in der Erzählung ganz auf die innige Vater-Sohn-Beziehung ausgerichtet ist (vgl. oben III.5.4). Sie überfrachtet auch im Kontext von V. 2 selbst erheblich die nahtlose und ohnehin ausführlichste Vorstellung Isaaks im Erzählanfang ‫ קח נא את בנך … אׁשר אהבת את יצחק‬Auch diese Apposition in V. 2aα ist deshalb als Bearbeitungsspur der verheißungsgeschichtlichen Kontextualisierung von V. 15–18 zuzuschreiben, die von Gen 15 her die sekundäre Evaluation in V. 12bβ schon in der Eröffnung der diachronen Aqeda-Erzählung verankert, um die besondere Pointe in V. 16bβ vorzubereiten, warum Jhwh die ganzen Verheißungen an Abraham im Blick auf seine Nachkommenschaft neu bekräftigt.142 Abgesehen davon, stellt die Apposition in Gen 22 auch einen exklusiven intertextuellen Bezug zu Ri 11,34 her. Denn nur dort wird im gesamt-alttestamentlichen Konkordanz-Vergleich auch die Tochter Jiftachs betont als sein einziges Kind hervorgehoben. Allerdings muss er sie dort nach Dtn 23,22b in unbedingter Erfüllung seines expliziten Gelübdes von V. 30–31 als Brandopfer darbringen, während Abraham in Gen 22,9b.10 ja nur irrtümlich von einem solchen Gelübde ausgegangen war, das er meinte erfüllen zu müssen. In V. 12bβ stellt der JhwhBote deshalb fest, dass ihm Abraham seinen Sohn nur im Sinne der Erfüllung eines solchen Gelübdes nicht vorenthalten hätte, wobei eine solche Forderung Gottes in V. 2bα nicht nur der Tora von Dtn 23,23 widersprochen hätte, sondern auch gar nicht gestellt wurde. Die verheißungsgeschichtliche Kontextualisierung könnte sich schließlich auch an der temporalen Einordnung der Aqeda-Erzählung in 22,1aα in den abrahamitischen Erzählkranz von Gen 12–25,18 zeigen: ‫( ויהי אחר הדברים האלה‬vgl. oben III.1.1). Denn es dürfte kaum ein Zufall sein, dass mit dieser temporalen Unbestimmtheits-Angabe auch in Gen 15,1 die narrativ breit entfaltete SohnesVerheißung selbst eingeleitet wird (‫)אחר הדברים האלה‬, die ja durch Abrahams irrtümliche Einleitung einer Opferung Isaaks in 22,9b.10 beinahe total in Frage gestellt worden wäre.143

142 Zum Anhalt dieser Apposition (‫ )יחידך‬in der Vorstufe in V. 6b.8b und 19aβ vgl. oben Anm. 103. 143 Vgl. oben III.6.3. – Zu bedenken ist allerdings, dass es sich bei dieser Formel auch um eine ganz unspezifische temporale Anknüpfung handeln könnte, die nicht einem bestimmten Bearbeitungsstil zugeordnet werden kann. Denn sie begegnet in sehr unterschiedlichen, und – literaturgeschichtlich betrachtet – in z. T. sehr späten Großgliederungen von Erzählkomplexen (vgl. neben Gen 15,1; 22,1; 39,7; 40,1; 1 Kön 17,17: 21,1; Est 2,1; 3,1 und Esr 7,1; mit ‫ אחרי‬statt ‫אחר‬ vgl. ferner Gen 22,20; 48,1 und Jos 24,29).

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IV. Tragweite und Relevanz einer bibelwissenschaftlichen Exegetik – ein Fazit Die Studie zur „Bindung Isaaks – ein Ver-Sehen“ aus dem Jahre 2006, die ich oben III hinsichtlich ihrer textempirischen und sprachphänomenologischen Begründbarkeit noch einmal vertieft habe, hat in der Forschung ein unterschiedliches, wenn auch überwiegend ablehnendes Echo gefunden. 1. Das Echo auf die textempirische Sinnerschließung von Gen 22 in der Forschung Allein B. Willmes144 würdigt die neue Gesamtdeutung von Gen 22 mit weitgehender Zustimmung und stellt sie im Anschluss an eine eigene Textanalyse in seinem interdisziplinären Projekt-Beitrag unter anderen gleichwertigen Deutungen ausführlich vor, die sich jedoch aufgrund ihrer je eigenen Problematik „nicht harmonisieren“ ließen, da sie „zu unterschiedlich“ seien (59). Im Blick auf meine Neudeutung stellt er zwar zutreffend fest, dass angesichts des narratologischen Stellenwerts von V. 5b (Absichtsbekundung der gemeinsamen Anbetung) und V. 8aβ (Hoffnung, dass sich das Opfertier noch zeigen wird) „nicht der Gehorsam gegenüber Gott der Sachgehalt der Bewährungsprobe [ist], sondern die Fähigkeit zu sehen und aufmerksam wahrzunehmen“ (57). Doch hält auch Willmes – wie oben III.3.2 und 3.3 ausgeführt – daran fest, dass V. 2bα nicht nur aus sprachlichen Gründen (‫ לעלה‬mit „‚Lamed revaluationis‘“ nach E. Jenni, vgl. oben Anm. 116) im Sinne der lateinischen Übersetzung als Opferbefehl zu übersetzen sei (48), sondern auch, weil „in V. 13b eindeutig mit der gleichen Wendung ‚zum/als Brandopfer hinaufbringen‘ eine Opferung des Widders geschildert“ werde (57). Auch H.-D. Neef schließt sich – in scholastischer Manier – dieser Kritik vorbehaltlos an,145 ohne Willmes’ Gegenargumente eigenständig zu prüfen. Und M. Köckert zieht aus der wörtlichen Übereinstimmung der Opferdarbringung in V. 13b und V. 2bα den Schluss, dass Abraham von Anfang an schon zu einer tatsächlichen Opferung Isaaks beauftragt worden sein muss.146 Doch im Unterschied zum sprachwissenschaftlichen Begründungsversuch von Willmes verweist er auf den „antiken Leser“, der die semantisch offenere Unbestimmtheit des Auftrags als „semantische Differenz in V. 2“ ohne weitere Anhaltspunkte „nicht [hätte] erkennen können“.147

Ähnlich hegt auch K. Schmid gegenüber meiner Neuinterpretation starke Zweifel, „[o]b man Gen 22 […] von dieser (nicht sehr deutlich wahrnehmbaren) 144 Willmes,

Prüfung, 56–59. Prüfung, 46. 146 Köckert, Gen 22–24, 175. 147 Ebd., vgl. dazu oben I.2.2 und Anm. 37. 145 Neef,

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Ambiguität her interpretieren darf “.148 Seinen Einwand begründet er nicht wie Willmes und Köckert mit dem Verweis auf die gleichlautenden Formulierungen in V. 2bα und V. 13b, sondern mit einer ihrerseits fragwürdigen Deutung der evaluativen Bemerkung von V. 12bβ. „Was nach der Erzählung allein zählt, ist, dass Abraham tatsächlich bereit ist, seinen Sohn zu opfern. Dazu wird er aufgerufen und dafür wird er in 22,12 auch explizit gelobt“ (62). Zwar ist Schmid voll zuzustimmen, dass Gen 22 insbesondere aufgrund von Gen 22,12bβ und 16bβ (auch) im verheißungsgeschichtlichen Kontext von Gen 15 bzw. 12–21 zu lesen ist, weil mit einer Opferung Isaaks die ganzen AbrahamsVerheißungen in Frage gestellt worden wären.149 Jedoch geht auch er im Einklang mit der übermächtigen Auslegungstradition unhinterfragt davon aus, dass Abraham in Gen 22,2bα zur tatsächlichen Opferung seines Sohnes „aufgerufen“ und dafür „in 22,12 auch explizit gelobt“ wurde. Dabei verzichtet er auf eine Klärung, ob V. 12bβ – im Unterschied zur anerkennenden Feststellung von Abrahams Gottesfurcht in 12bα – überhaupt zur Primärerzählung gehört und nicht vielmehr aufgrund seiner wörtlichen Übereinstimmung mit 16bβ als Brückentext zur „verheißungsgeschichtlichen Auslegung der Probe-Erzählung“.150 Schon deshalb wäre Schmids Rückschluss von V. 12bβ her auf ein tatsächlich gefordertes Sohnes-Opfer in V. 2bα überhaupt nur stichhaltig, wenn der Auftrag wenigstens auf dieser sekundären Deutungsebene im tatsächlichen Sinne verstanden worden wäre, was mit guten Gründen auszuschließen ist.151  Schmid, Gott, 62, Anm. 22.  Vgl. ebd., 65 und dazu oben III.6.2. 150 So schon Hardmeier, Bindung, 57–62, vgl. ferner oben III.6.4. 151 Aus der traditionellen Fehldeutung von V. 2bα zieht Schmid, Gott, die weitere Konsequenz, dass sich „Gen 22“ im verheißungsgeschichtlichen Rahmen „nicht um die Frage des Kinderopfers [dreht], sondern um die Frage, ob Gott seine Verheißung auch zurücknehmen und ob umgekehrt Abraham sie auch zurückgeben kann.“ Zwar ist Gen 22 dann für Schmid des Weiteren nicht eine Erzählung, in der Gott seine Verheißungen zurücknimmt, sondern „Gott“ würde darin „den Empfängern seiner Verheißung […] deren Verdunkelung bis ins Extrem zu[muten]“, wobei es ganz in der „Freiheit Gottes“ läge, „diese Verheißung soweit zu verdunkeln, dass sie als zurückgenommen erscheinen mag“ (ebd., 66). Deshalb könnten „Abrahams wortlose Reaktion auf den Opferbefehl und sein entschlossenes Handeln […] nachgerade als Umkehrung der Prüfung Abrahams zu einer Gottesprobe verstanden werden“, wie Schmid unter Hinweis auf das systematisch-theologische Verständnis von Gen 22 von I. U.  Dalferth, Malum. Theologische Hermeneutik des Bösen, Tübingen 2008, 465–466 erwägt (Schmid, Gott, 66 und Anm. 36). Dalferths Position, die in Anm. 37 „als besondere Pointe aus der Antwortlosigkeit Abrahams“ ausführlich zitiert wird, läuft nach Schmid auf die folgende Quintessenz hinaus: „Nicht Gott prüft Abraham, sondern durch den Umstand, dass Abraham Gott beim Wort nimmt, wird Gott der Geprüfte.“ – Doch allein ein schlichter Blick auf die metanarrative Überschrift in Gen 22,1aβ: „Und Gott prüfte Abraham“ (vgl. oben III.1.1 bis 1.3) hätte eigentlich die Alarmglocken schrillen lassen müssen, dass in Gen 22 wohl kaum Gott selbst seine Verheißung zur Täuschung Abrahams „verdunkelt“ und zum Geprüften wird, sondern die Potenzierung von exegetischen Fehldeutungen und systematisch-theologischen Glasperlenspielen den empirisch-sprachphänomenologisch erschließbaren Text-Sinns von Gen 22 bis zur Unkenntlichkeit in sein Gegenteil verkehrt. 148 149

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Eine differenzierte Betrachtung der Verse 12bβ und 16bβ im argumentativen Kontext der zweiten Botenrede von V. 15–18 und im Rückbezug auf die irrtümlich eingeleitete Opferung Isaaks in V. 9b.10 hat gezeigt (vgl. oben III.6.2 und 6.3), dass diese Verse Abrahams Verhalten nur insofern positiv würdigen, als er – wie Jiftach in Ri 11,39 gemäß Dtn 23,22 – in V. 9b.10 nicht gezögert hatte, das vermeintliche Gelübde zu erfüllen. Umso weniger folgt daraus, dass er dazu in V. 2bα von Gott auch aufgefordert wurde, zumal solche Opfer-Gelübde nach Dtn 23,23–24 freiwillig waren und von Jhwh nicht verlangt wurden (vgl. oben III.5.3 und 6.4). Der Hauptgrund, warum die von mir vorgelegte Gesamtdeutung der AqedaErzählung zwar in der Forschung registriert, aber  – außer von Willmes  – pauschal in Frage gestellt und nicht weiter berücksichtigt wurde, konzentriert sich damit auf das Neuverständnis des Opferauftrags in V. 2bα. Unter einhelliger Ablehnung dieser alternativen Übersetzung halten alle Kritiker – wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen – am herkömmlichen Verständnis fest, „dass Abraham“ von Anfang an „den Auftrag erhält, seinen Sohn Isaak als Brandopfer darzubringen“.152 Insgesamt lässt sich feststellen, dass zum einen sowohl die aufgezeigte Auffälligkeit der eigenständigen, performativ inszenierten Aufmerksamkeits-Dialoge in V. 1b.7a und 11a (vgl. oben III.1.2; 1.3; 4.2; 4.3 und 5.4) als auch die emphatische Hervorhebung des Seh-Aktes in V. 4b und 13a bis auf Willmes ohne Resonanz geblieben sind. Dabei bildet das Er-Sehen des Opfertiers nicht nur den Kern der performativ präsentierten Hoffnung Abrahams in V. 8aβ, sondern fasst in V. 14a ätiologisch auch die Quintessenz der Aqedah-Erzählung im sprechenden Namen für die (Jerusalemer) Opferstätte zusammen, an der Jhwh Abraham die Augen geöffnet hatte (vgl. oben III.5.6). Zwar ist es zum andern um die psychologisierende Exegese stiller geworden, Abraham habe in der erzählten Welt der Erprobung seiner Gottesfurcht von Anfang an mit dem quälenden Bewusstsein gerungen, seinen Sohn opfern zu müssen (vgl. oben III.2.2 bis 2.4 und 4.1). Aber kaum Beachtung fand das narratologische Argument, dass Abraham der Begleitmannschaft in V. 5b ohne Selbstzweifel die gemeinsame Rückkehr nach der „Anbetung“ versprochen und im Gespräch mit Isaak in V. 8aβ redlich gehofft hatte, dass das Schaf sich noch zeigen werde. Und die fehlende Opfermaterie wurde deshalb für Abraham erzählimmanent überhaupt erst nach Ankunft an der Opferstätte in V. 9–10 zum abgründigen Dilemma der in V. 2bα anbefohlenen Opferdarbringung (vgl. oben III.5.1 bis 5.3). Auch die sprachphänomenologischen Argumente, mit denen am herkömmlichen Verständnis des Opferauftrags festgehalten wird, konnten durch eingehen152 Willmes, Prüfung, 47, vgl. auch S. Fischer, Von der historisch-kritischen Methode zu aktuellen Ansätzen alttestamentlicher Exegese. Am Beispiel der Opferung Isaaks (Genesis 22), Amt und Gemeinde 63 (2012) 292–304.

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de valenzgrammatische und textsemantische Untersuchungen von V. 2bα und 13bβ widerlegt werden (vgl. oben III.3.2 und 3.3). ‫ לעלה‬ist an beiden Stellen – wie auch in V. 7bβ und 8aβ (!) – als Zweckbestimmung zu verstehen und bezieht sich nicht – wie in der figura etymologica – auf die Opfermaterie selbst („als Brandopfer“), sondern auf die Ausführung des Opfers (für/zu einer BrandopferDarbringung). Deshalb ist auch ‫ עלה‬im Hifil in V. 2bα konkret als Auftrag zu verstehen, Isaak „auf einen der“ besagten „Berge hinaufzuführen“. Und V. 13b stellt ebenso konkret fest, dass Abraham zur Brandopfer-Darbringung den entdeckten Widder (elliptisch: auf den Altar) „hinaufgebracht hat“ – und zwar explizit „anstelle seines Sohnes“, den er im schrecklichen Irrtum in V. 9bβ (elliptisch: zur Darbringung des in V. 2bα geforderten Brandopfers) „auf den Altar gelegt hatte“ (vgl. oben III.5.5). Dabei beruhen alle sprachphänomenologischen Argumente auf umfangreichen phraseologischen Konkordanz-Vergleichen mit der SESB, die – heuristisch breit und systematisch angelegt – für die vertieften Einsichten in die Sprachstruktur von Gen 22 entscheidend waren. 2. Der Geltungsanspruch und die Wissenschaftlichkeit einer textempirischen Exegetik Natürlich erheben weder die Widerlegung der wirkmächtigen Deutung des Opferauftrags noch die narratologischen Begründungen, warum Abraham erzählimmanent erst am Opferplatz zur Überzeugung kam, seinen Sohn opfern zu müssen, den Anspruch, die einzig wahre und richtige Deutung der Aqeda-Erzählung im Ganzen und der singulär formulierten Opferdarbringungen in V. 2bα und 13bβ im Besonderen zu sein. Wohl aber ist die vorgelegte Deutung statt der Forschungs‑ und Auslegungsgeschichte primär den allgemeinen Maßstäben der Wissenschaftlichkeit verpflichtet, die auch für die heuristische Textempirik einer bibel-wissenschaftlichen Exegetik im Unterschied zur unbedachten Vielfalt und Disparatheit von sog. ‚exegetischen Methoden‘ gelten. (1) An erster Stelle steht die intellektuelle Redlichkeit, die stets dem Axiom der Miss-Verständlichkeit Rechnung zu tragen hat (vgl. oben I.1) und im Rahmen einer „Lesehermeneutik der Behutsamkeit“ ein Höchstmaß an Empathie, an Irrtums‑ und Korrekturbereitschaft insbesondere angesichts von computerphilologischen Befunden erforderlich macht (vgl. oben I.2.1). (2) Ferner bemisst sich die textempirische Sinnerschließung von Gen 22 an der Gegenstandsadäquatheit des methodischen Zugangs, indem die Aqeda-Erzählung von Gen 22 als schriftgestütztes Artefakt der Kommunikation und wohlabgrenzbares Teilstück der biblischen Traditionsliteratur gelesen wurde (vgl. oben II.5). Denn allein die Schriftform dieses Artefakts ist als haptischer Gegenstand der sprachphänomenologischen Beobachtung unmittelbar zugänglich. (3) Im Blick auf die methodologische Transparenz orientiert sich die Deutung der Aqeda-Erzählung an den kommunikationspragmatisch universellen Grund-

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bedingungen der sprachlichen Kommunikation (vgl. oben II.6). Sie gehen von der intuitiven Grundannahme aus, dass Texte als materialisierte Laut‑ und Sprachspuren zugleich auch Partituren der Sinnbildung sind, deren Sinn sich nur im nachvollziehenden Hör‑ und Leseprozess der bedeutungstragenden Textsequenzen erschließt. (4) Was das Forschungsinstrumentarium betrifft, beruht die heuristische Sinnerschließung fundamental auf dem systematischen Vergleich von Textsequenzen aller Art auf Wort-, Satz‑ oder Textebene sowie ihres Gebrauchs in allen verfügbaren Kontexten des Tanach, was erst mit dem Instrument der elektronischen Computerkonkordanz (SESB) gegenüber den herkömmlichen Hilfsmitteln (Wörterbüchern, Grammatiken und Buch-Konkordanzen) allumfassend möglich geworden ist153 und ein ungeahntes heuristisches Potential in sich birgt. (5) Diese methodischen Verfahren gewährleisten die intersubjektive Überprüfbarkeit und „explikatorische Plausibilität“ (Rüsen)154 von Textauslegungen aller Art, von literaturgeschichtlichen Bearbeitungshypothesen oder dem Aufweis von intertextuellen Sinnzusammenhängen der biblischen Kultur‑ und Geisteswelt u. a. m., soweit sie sich auf das Textkorpus des Tanach als materiale Quelle stützen. Sie ermöglichen zugleich die argumentative Auseinandersetzung mit und die begründbare Beurteilung von solchen Forschungshypothesen nach ihrem Sachgehalt und ihrer Erklärungsmächtigkeit. Ebenso lassen sich auf den methodischen Grundlagen einer sprachphänomenologischen Textempirie (vgl. oben I.2.1) langlebige Vorurteilsstrukturen und Blindflecken der Auslegungs‑ und Forschungsgeschichte – wie das Beispiel des Opferbefehls von Gen 22,2 zeigt – beobachtungsgestützt hinterfragen und empirisch wohlbegründet widerlegen. 3. Die Fruchtbarkeit und Erklärungsmächtigkeit der kommunikationspragmatisch fundierten Textempirie An der Sinnerschließung von Gen 22 haben wir exemplarisch die praktische Handhabung einer sprachphänomenologischen Textempirie demonstriert, die sich in Verbindung mit einem kommunikationspragmatisch reflektierten Textverständnis (vgl. oben I.5 und 6) axiomatisch an den universellen Grundbedingungen der Origo-bezogenen Rede‑ und Erzählkommunikation und ihren Strategien orientiert (vgl. oben II.1–5). Ihre Fruchtbarkeit und Erklärungsmächtigkeit als Elementarbaustein einer bibelwissenschaftlichen Exegetik hat sich in dreifacher Hinsicht besonders gezeigt: (1) Die Sinnerschließung der Aqeda-Erzählung, die von der Erprobung der Situationspräsenz und Geistesgegenwart Abrahams erzählt (22,1b.7a.11) und wie er die von Gott gestellten Aufgaben im Hören auf seine Stimme erfolgreich 153 Vgl. 154 Vgl.

dazu ausführlich Hardmeier, Textwelten II, 263–274 und 275–292. oben I.1, Anm. 13.

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bewältigt hat (V. 4b und 13a), konnte sowohl explikativ als auch hinsichtlich ihrer sprachphänomenologischen Belegbarkeit auf eine wesentlich breitere und differenziertere Basis gestellt werden als die textpositivistischen Begründungen, die gegen meine Neuinterpretation ins Feld geführt wurden (vgl. oben IV.1). (2) Zugleich haben die Auseinandersetzungen mit der Forschung gezeigt, dass und wie kontroverse Textdeutungen und Forschungshypothesen, statt dezisionistisch abgelehnt oder ignoriert zu werden, mit sprachphänomenologisch bzw. narratologisch expliziten Argumenten vertieft, kritisch in Frage gestellt oder zurückgewiesen werden können. Auch aus der Diskussion der (spärlichen) Auseinandersetzungen mit dem Methoden-Ansatz selbst (vgl. oben I.2.2) und den Hinweisen auf methodische Defizite im Umgang mit biblischen Texten als historischen Quellen (I.4) ging die Erklärungsmächtigkeit eines kommunikationspragmatisch reflektierten Textverständnisses hervor: Im Gegensatz zum vorherrschenden Textpositivismus sind die überlieferten Texte nicht als statische Sprachobjekte, sondern als Partituren der Sprachlaut-gesteuerten Sinnbildung zu verstehen. Nach den oben IV.2 genannten Kriterien der Wissenschaftlichkeit ließ sich damit auch die Neudeutung von Gen 22 explizit und umfassend begründen, statt sich – wie Willmes155 – auf die nicht harmonisierbare Deutungsvielfalt der Erzählung in der scholastisch reproduzierten Forschungs‑ und Auslegungstradition zurückzuziehen. (3) Die exemplarische Sinnerschließung von Gen 22 hat auch den Blick für die tiefe theologische und erkenntnisanthropologische Bedeutung der Aqeda-Erzählung geöffnet. Zwischen der Skylla der handlungsbedingten Einschränkung seines Wahrnehmungshorizonts (Altar-Bau, V. 9a) und der Charybdis der verstörenden Irritation, den göttlichen Opferauftrag ohne das erhoffte Schaf ausführen zu müssen, begann Abraham diesen Auftrag situationsbedingt als Auftrag zum Sohnes-Opfer zu verstehen. Allein die Alarmstimme des Jhwh-Boten von ‚außerhalb‘ (V. 11) und Abrahams Antwort ‫„( הנני‬hier bin ich“) rissen ihn jäh aus dem Wahn der eingeleiteten Opferung Isaaks (V. 9b.10), so dass er simultan von ihm abließ und den Widder zu Gesicht bekam, den er anstelle seines Sohnes zum Brandopfer auf den Altar brachte (vgl. V. 13bβ mit 9bβ und oben III.5.4 bis 5.6 und IV.1). Die hohe performativ-theologische Relevanz dieser Erlösung Abrahams vom bösen Tun und der Bestätigung seiner Gottesfurcht als Selbst‑ und Wahrnehmungs-kritische Offenheit und Hörbereitschaft gegenüber Gott(es ‚Stimme‘) könnte interdisziplinär Wesentliches zu fundamentaltheologischen, aber auch erkenntnisanthropologischen Fragestellungen beitragen156 – im Gegensatz zur absurden systematisch-theologischen petitio principii (vgl. oben IV.1 und Anm. 151), dass in Genesis 22 nicht Abraham von Gott geprüft, sondern Gott

155 Willmes, 156 Vgl.

Prüfung, 48–59. Hardmeier, Bindung 40–47, sowie Ders. / Ott, Naturethik 55–60 und 70–73.

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selbst mit seinen Verheißungszusagen zum Geprüften würde, weil er sie mit dem Auftrag zum Sohnes-Opfer „bis ins Extrem“ „verdunkelt“ haben soll. 4. Fazit In IV.1–3 haben wir die Defizite der positivistischen Betrachtungsweise von Gen 22 bzw. der biblischen Texte im Allgemeinen als statische Sprach-Gebilde im Unterschied zur textempirischen Herangehensweise an diese Partituren der Sinnbildung zusammengefasst. Sie bestätigen die große, von E. Blum auf dem Symposium mit Nachdruck unterstrichene Sorge, dass die alttestamentliche Bibelwissenschaft angesichts der Disparatheit und Beliebigkeit der methodischen Zugänge und den gegenseitigen Abschottungs-Tendenzen von exegetischen Schulen sowohl ihre interdisziplinäre Relevanz als auch ihre theologische Substanz gänzlich zu verlieren droht und damit ihre Existenz und ihren Geltungsanspruch als Fachdisziplin nicht nur innerhalb der theologischen Fakultäten, sondern auch ganz allgemein im kultur‑ und sozialwissenschaftlichen Diskurs ernsthaft gefährdet (vgl. oben I.2). Um dieser Marginalisierung zu entgehen und nicht völlig in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, muss sich die alttestamentliche Bibelwissenschaft konsequent vom Textpositivismus der sog. „exegetischen Methoden“ lösen, während das exegetische Handwerk zugleich auf die Füße einer biblischen Literaturwissenschaft zu stellen ist. Als Grundlage einer bibelwissenschaftlichen Exegetik beruht sie einerseits auf einem kommunikationspragmatischen Sprach‑ und Textverständnis und andererseits auf dem Handwerk der sprachphänomenologischen Textempirie. Auf dieser Grundlage könnte verhindert werden, dass sich die Bibelwissenschaft weiter im Dickicht und der Beliebigkeit von inkompatiblen Forschungsmeinungen verliert, die in unterschiedlichen Filterblasen unhinterfragte Auslegungstraditionen reproduzieren und scholastisch als „Forschungsgeschichte“ fortgeschrieben werden.157 Zwar liegen in den Worten Blums die „hochdifferenzierte[n] methodische[n] Horizonte“ zur „substantiellen Weiterentwicklung der exegetischen Methodik“158 in den von mir vorgelegten Arbeiten weitgehend vor und wurden in diesem Beitrag auf den neuesten Erkenntnisstand gebracht. Die Handhabung der sprachphänomenologischen Textempirik und der narratologischen Sinnerschließung von Texten, wie sie oben in II (bes. II.6) umrissen und in III an Gen 22 exemplarisch vorgeführt wurden, können jedoch nicht allein anhand dieser Darlegungen erlernt, sondern müssen als Kunst auch in Erfahrung gebracht und eingeübt 157 Als Beispiel dafür ist auf die „Grundzüge der Geschichte der Deuteronomiumsforschung“ zu verweisen, die Otto, Deuteronomium 1–11. Erster Teilbd.: 1,1–4,43, in stupender Ausführlichkeit auf über 160 Seiten (62–230) unter dem vagen Gesichtspunkt eines „synchronen“ vs. „diachronen“ Text-Verstehens dargestellt hat. 158 Blum, Notwendigkeit, 17, vgl. oben I.2.2 und Anm. 45.

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werden.159 Als exegetisches Handwerk sind sie deshalb besser in Form von Seminaren, Workshops und Fortbildungskursen im learning by doing zu vermitteln. Das gilt vor allem auch für die sprachphänomenologische Diagnostik mit Hilfe der elektronischen Computerkonkordanz SESB ebenso wie für ihre heuristisch aufschlussreiche Handhabung.

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Was träumte Jakob in Genesis 28? Möglichkeiten und Grenzen historischer Exegese Matthias Köckert Im Jahr 1984 erschien eine Dissertation als Buch mit dem schlichten Titel „Die Komposition der Vätergeschichte“. Dieser erinnert an einen der großen unserer Zunft.1 Das Buch von 1984 hielt, was sein beziehungsvoller Titel versprach. Schon seit mehr als dreißig Jahren bestimmt es die Forschung. Nicht von ungefähr setzt sein Autor mit einer Analyse von Gen 28,10–22 ein, hängt doch von ihr viel für die Entstehungsgeschichte der Jakobüberlieferung ab.2 Allein dieser Text soll uns jetzt beschäftigen; denn er stellt einen Modellfall exegetischer Arbeit dar.3

I. Die Diskussion von Blum 1984 bis Blum seit 2000 Erhard Blum mustert zunächst die Verweise auf den Kontext. Sie begegnen nur in den Reisenotizen V. 10, in der Gottesrede V. 13–15 und im Gelübde V. 20–22. Sodann erhebt er eine kunstvolle konzentrische Erzählstruktur, aus der die verheißende Gottesrede und das Gelübde herausfallen.4 Darauf entkräftet er in einer detaillierten und methodisch reflektierten Auseinandersetzung die von Wellhausen5 und seither ins Feld geführten Argumente für zwei parallele Erzählfäden in der Erzählung. Abschließend fragt er nach der Gattung des Textes. Sein Ergebnis lautete damals: Gen 28 enthält eine ursprünglich selbständig überlieferte „Kultgründungssage“, deren „erzählerische Substanz in den Versen 1 J. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, Berlin 1889. 2 E. Blum, Die Komposition der Vätergeschichte (WMANT 57), Neukirchen-Vluyn 1984, 7–35. 3 Er ist denn auch mehrfach als Beispiel in Methodenlehren behandelt worden: G. Fohrer u. a., Exegese des Alten Testaments. Einführung in die Methodik (UTB 267), Heidelberg 41983, 180–220; O. H.  Steck, Exegese des Alten Testaments. Leitfaden der Methodik. Ein Arbeitsbuch für Proseminare, Seminare und Vorlesungen, Neukirchen-Vluyn 121989, 197–201. 4 Vgl. dazu auch R. Rendtorff, Jakob in Bethel. Beobachtungen zum Aufbau und zur Quellenfrage in Gen 28,10–22*, ZAW 94 (1982) 511–523. 5 Wellhausen, Composition, 30–32.

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11–13a1.16–19 bewahrt ist“.6 Sie handelt von einer stummen Schau Gottes und der himmlischen Welt durch Jakob, kennt also weder Jhwhs Selbstvorstellung noch die Verheißungsrede noch das Gelübde. Erst diese jüngeren Bestandteile beziehen die Heiligtumslegende auf größere Kontexte. Das Gelübde V. 20–22 bindet sie in die Jakobgeschichte von Flucht und Rückkehr ein. Die demgegenüber jüngere Gottesrede V. 13–14 hat schon eine Vätergeschichte im Blick, in der die Jakoberzählung mit Überlieferungen über Abraham verbunden ist. Die Reisenotizen V. 10 gehen auf eine „Harran-Bearbeitung“7 zurück, die auch in der Abrahamüberlieferung begegnet, während V. 15 einer deuteronomistischen Bearbeitung zugerechnet wird.8 Obwohl Blum die herausgearbeitete ältere Erzähleinheit für ein „besonders klares Beispiel eines Hieros Logos“ hält, lässt er – freilich nur anmerkungsweise – ausdrücklich offen, ob die gegenwärtige kontextbezogene Verheißungsrede „an eine Gottesrede in der Einzelüberlieferung (Selbstvorstellung u. ä.) anknüpfen konnte oder ob der Traum ‚nur‘ ein ‚stummes‘ Bild beinhaltete“.9 Allerdings versucht Blum gar nicht erst, eine Gestalt der für möglich gehaltenen Gottesrede zu erschließen, die ohne Bindung an den Kontext auskommt und so „die Substanz der Einheit als ein(en) in sich ruhende(n) Zusammenhang bewahrt“. Es verwundert deshalb nicht, dass die erwogene Möglichkeit in der weiteren Untersuchung keine Rolle mehr spielt. Diese Analyse von Gen 28 ist unabhängig von den literargeschichtlichen Folgerungen mehrfach diskutiert worden. Davon sind vor allem die Rekonstruktion der ältesten noch erreichbaren Gestalt und die Zugehörigkeit wenigstens eines Teils der Gottesrede und mit alledem die Entstehungsgeschichte der Erzählung betroffen.10 Die Kritik betrifft einerseits die Jhwh-Erscheinung V. 13.16. Seit Wellhausen wird sie immer wieder als Konkurrenz zur Treppe in den Himmel mit Gottes Engeln auf ihr angesehen und deshalb (zusammen mit der Gottesrede) dem Grundbestand abgesprochen.11 David M. Carr argumentiert  6 Blum, Komposition, 34; es handle sich um „ein besonders klares Beispiel eines Hieros Logos“ (S. 29).  7  Ebd., 164–166.  8 Ebd., 159–163.  9 Ebd., 29 und Anm. 89. 10 Eine Auseinandersetzung mit den wichtigsten Argumenten von G. Fleischer, Jakob träumt. Eine Auseinandersetzung mit Erhard Blums methodischem Ansatz am Beispiel von Gen 28,10–22, BN 76 (1995) 82–102; T. Nauerth, Untersuchungen zur Komposition der Jakob­ erzählungen. Auf der Suche nach der Endgestalt des Genesisbuches (BEATAJ 27), Frankfurt a. M. u. a. 1997, 233–251; L. Schmidt, El und die Landverheißung in Bet-El (die Erzählung von Jakob in Bet-El, Gen 28,11–22), in: Ders., Gesammelte Aufsätze zum Pentateuch (BZAW 263), Berlin / New York 1998, 137–149; K. Koenen, Bethel. Geschichte, Kult und Theologie (OBO 192), Freiburg i. Ue. 2002, 153–157; u. a., findet jeweils zur Stelle statt. 11 D. M.  Carr, Reading the Fractures of Genesis. Historical and Literary Approaches, Louisville 1996, 205–208. Vgl. R. G.  Kratz, Die Komposition der erzählenden Bücher des Alten Testaments (UTB 2157), Göttingen 2000, 273, und Koenen, Bethel, 153–157.

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überdies mit dem Rückverweis in 31,13, der nur das Gelübde kennt, aber weder die Gotteserscheinung noch die Verheißungen. Hinzu komme die auffällige Verdoppelung des Überraschungsmoments in V. 16.17.12 Mit der Abtrennung der V. 13.16 kommt eine Basisbeobachtung der Quellenscheidung neu zur Geltung, ohne mit dem angeblichen Wechsel der Gottesnamen belastet zu werden. Die Kritik betrifft andrerseits die Gottesrede. In seinem „Prologue to History“ hat John Van Seters seine einst an der Abrahamüberlieferung entwickelte Sicht auf das Buch Genesis insgesamt ausgeweitet und eine „vor-jahwistische“ JakobErzählung bestritten. Dabei kommt er auch ausführlicher auf den Schlüsseltext Gen 28 zu sprechen. Er setzt eine im Wortlaut noch erkennbare Kultätiologie als Vorlage (!) der Betelerzählung voraus. Diese Kultätiologie habe aber ursprünglich nur V. 11–12.16a*.17–19 umfasst.13 Erst der von ihm „Jahwist“ genannte Historiker, der in der Exilszeit und in Kenntnis des deuteronomistischen Geschichtswerks schrieb, habe die ihm vorgegebene Kultätiologie aufgegriffen und sie mit der Jhwh-Erscheinung und Verheißungsrede (V. 13–15.16a*b) sowie mit dem Gelübde (V. 20–22) in sein Werk integriert.14 Es hat also nie eine Jakoberzählung mit Jakobs Traum in Betel ohne Gottesrede und Gelübde gegeben. Dieser Einspruch hat Wirkung gezeigt. So plädiert Carr nun – auch aufgrund von Gen 35,3 und Hos 12,5.7 – für die Zugehörigkeit der Beistandszusage 28,15* zum Grundbestand;15 und auch für Blum ergeben sich aus Hos 12 gewichtige Argumente dafür, daß dem ältesten erkennbaren Grundbestand in Gen. 28 neben der Erzählung von 28,11–13a*.16–22 auch eine Gottesrede mit (vermutlich) einer Selbstvorstellung Gottes und mit einer Zusage JHWHs für Jakobs Rückkehr von seinem bevorstehenden Weg zu rechnen ist.16

Diese Änderung hat weitreichende Folgen: Mag der Betel-Episode auch eine ältere Heiligtumsätiologie vorausliegen (die Möglichkeit will Blum nicht aus12 So

auch Fleischer, Jakob träumt, bes. 86–87 mit Anm. 19. Seters, Prologue to History. The Yahwist as Historian in Genesis, Westminster 1992, 288–296. Da V. 17 Jakob und sein Erwachen nicht ausdrücklich nennt, rechnet Van Seters mit vielen anderen den ersten Satz in V. 16a noch zur älteren Überlieferung: „Da erwachte Jakob von seinem Schlaf “ (Prologue, 289.292). 14 Ebd., 294–295. 15 D. M.  Carr, Genesis 28,10–22 and Transmission-Historical Method: A Reply to John Van Seters, ZAW 111 (1999) 398–403. 16  E. Blum, Noch einmal: Jakobs Traum in Bethel – Genesis 28,10–22, in: S. L. McKenzie / T. Römer (Hg.), Rethinking the Foundations. Historiography in the Ancient World and the Bible. Essays in Honour of John Van Seters (BZAW 294), Berlin u. a. 2000, 33–54, hier 43–44. Er hat seine Deutung von Hos 12 später noch vertieft: E. Blum, Hosea 12 und die Pentateuchüberlieferungen, in: A. Hagedorn / H. Pfeiffer (Hg.), Die Erzväter in der biblischen Tradition, FS Matthias Köckert (BZAW 400), Berlin u. a. 2009, 291–322 (dazu s. meinen Beitrag M. Köckert, Die Rückverweise auf Gen 28,10–22 innerhalb der Jakobüberlieferung und in Hos 12, in: A. Michel/N.K. Rüttgers (Hg.), Jeremia, Deuteronomismus und Priesterschrift. Beiträge zur Literatur- und Theologiegeschichte des Alten Testaments, Festschrift für Hermann-Josef Stipp zum 65. Geburtstag (ATSAT 105), St. Ottilien 2019, 103–130). 13 J. Van

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schließen), so ist sie doch nicht mehr erweisbar. Der älteste noch erreichbare Wortlaut in Blums neuer Sicht ist von Anfang an auf den Kontext der Jakoberzählung hin formuliert worden und setzt sowohl Jakobs Flucht als auch seine Rückkehr voraus. – Auf den ersten Blick meint man, Van Seters, Carr und Blum seien ungefähr einer Meinung. Doch was Blum und Carr einer noch selbständigen Jakobüberlieferung im 8. Jh. zuschreiben, rechnet Van Seters seinem exilischen Jahwisten der Genesis insgesamt zu. Der modifizierten Analyse Blums samt den daraus erwachsenen Folgerungen hat sich auch Melanie Köhlmoos angeschlossen,17 allerdings mit völlig anderer Deutung und abweichender historischer Einordnung. Für sie ist das stumme Traumbild nur die „Kulisse für ein Geschehen, das sich im Traum abspielt“ und das in einem „Wortempfang“ besteht, worunter sie Jhwhs Selbstvorstellung und Beistandsverheißung versteht.18 Die Betel-Ätiologie begründe „nicht die Entstehung eines Heiligtums, sondern die Beziehung JHWHs zu dem Ort BetEl und die daraus abgeleitete Gottesbeziehung Jakobs“. Eine materiale Kultgründung liege „außerhalb des textlichen Horizonts“.19 Es handle sich vielmehr um einen „theologischen Reflexionstext“, der in die Jakoberzählung eingestellt wurde, um mit dieser „Gegenstimme“ der prophetischen Kritik an Betel entgegenzutreten: Gegen die Bestreitung der Anwesenheit Jhwhs an diesem Ort, wie sie etwa in Am 4,4; 5,5 laut wird, betone Gen 28: „JHWH ist dort, entgegen allen Erwartungen, anwesend.“20 Noch einen Schritt weiter geht Uwe Becker. Die von ihm ohne Stein-Mazzebe,21 Gottes Engel und ohne Gottesrede rekonstruierte ursprüngliche Erzählung enthalte „keine alte Ätiologie Bet-Els“, sondern sei für eine bereits „zusammenhängende Vätererzählung geschrieben worden“ und setze eine „gesamtisraelitische Jakob-Interpretation“ voraus.22 Dieser Ausschnitt aus der Diskussion der letzten dreißig Jahre zeigt, wie eng in Gen 28,10–22 literarische, konzeptionelle und religionsgeschichtliche Fragen verwoben sind. Mit den folgenden Überlegungen möchte ich lediglich den jungen Blum gegen den älter gewordenen verteidigen und ihm mit Dtn 33,25 in Luthers Übersetzung zurufen: „Dein Alter sei wie Deine Jugend!“

17 M. Köhlmoos, Bet-El – Erinnerungen an eine Stadt. Perspektiven der alttestamentlichen Bet-El-Überlieferung (FAT 49), Tübingen 2006, 235. 18 Ebd., 236. 19 Ebd., 239. 20 Ebd., 247. 21 Auch Nauerth, Untersuchungen, 238–252, löst Stein und Mazzebe aus dem ältesten Erzählfaden heraus, lässt aber die Erzählung mit dem Gelübde, nicht mit der Benennung des Ortes enden (28,10*.11a1.12.17.20–21). 22 U. Becker, Jakob in Bet-El und Sichem, in: A. C.  Hagedorn / H. Pfeiffer (Hg.), Die Erzväter in der biblischen Tradition, FS M. Köckert (BZAW 400), Berlin u. a. 2009, 159–185, hier 167–168.

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II. Die älteste erreichbare Textgestalt von Gen 28,10–22* Die literargeschichtlichen Rekonstruktionen lassen sich zu drei verschiedenen Typen bündeln. Sie unterscheiden sich in dem, was Jakob träumt. Präsentiert der Traum ursprünglich nur ein stummes Bild jener Himmelstreppe mit Engeln ohne Jhwh und seine Reden? Das meinen John Van Seters (1992; 1998) und David Carr (1996) mit den Klassikern des Quellenmodells. Sieht Jakob darüber hinaus auch noch Jhwh über der Treppe? Das haben Rolf Rendtorff und Erhard Blum 1984 gegen die alten und neuen Vertreter des Quellenmodells begründet. Oder hört Jakob sogar noch Jhwh reden? Das vertreten Blum seit 2000 und Köhlmoos.  – Ich halte die zweite Möglichkeit, die der junge Blum 1984 eingehend begründet hat, für die wahrscheinlichste und prüfe deshalb nun die beiden anderen. 1. Jakob träumt nur von einer Himmelstreppe mit Engeln (Gen 28,[10].11–12.17–19a). Diese älteste Gestalt der Betel-Erzählung kannte weder Jhwh, noch seine Selbstvorstellung noch die Verheißungen. Von der Herauslösung der V. 13–15 ist unweigerlich auch V. 16 betroffen.23 Denn ohne die Erwähnung Jhwhs im Traumbild (V. 13a*) wirkt V. 16 unmotiviert. Umgekehrt bliebe ohne Jakobs Feststellung der Gegenwart Jhwhs an diesem Ort (V. 16) der Höhepunkt des Traumes – Jhwh über der Himmelstreppe – ungedeutet und ohne Reaktion des Träumers. Das eine ist so unmöglich wie das andre. Mit der Erklärung von V. 13–16 als nachträgliche Erweiterung käme die klassische Lösung der Quellenkritik zur Geltung,24 nun aber im Gewand eines Ergänzungs‑ oder Fortschreibungsmodells. Wie begründet man die Abtrennung der V. 13–16? (1) Es sind vor allem die Verbindung von V. 12 zu V. 13 und das Nebeneinander von V. 16 und V. 17, die Widerspruch herausfordern. Beide Male wird die „Konkurrenz zwischen ‫ … אלהים‬und JHWH“ als „irritierend“ empfunden.25 Doch worin soll die Konkurrenz zwischen einem Eigennamen und einem Appellativum bestehen? Etwa darin, dass Jakob im Traum zunächst nur die Engel Elohims sieht, während er in V. 13 mit Jhwh direkt verkehrt?26 Damit – so könnte man noch hinzufügen – werde die terminologische Differenz – hier Elohim, da Jhwh – mit unterschiedlichen Vorstellungen von der Distanz des Göttlichen verbunden, und das sei auch jenseits des Gottesnamen-Syndroms literarkritisch 23 Fleischer, Jakob träumt, 92–93; Nauerth, Untersuchungen, 240–243; J. Van Seters, Divine Encounter at Bethel (Gen 28,10–22) in Recent Literary-Critical Study of Genesis, ZAW 110 (1998) 503–513, hier 512; Carr, Reading, 206–207; Ders., Genesis 28, 401. 24 Von Wellhausen bis zuletzt Koenen, Bethel, 150–159; Schmidt, El, 137–149. 25 Fleischer, Jakob träumt, 92, und Becker, Jakob, 164–166. 26 Koenen, Bethel, 154.

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relevant.27 Das Argument träfe jedoch nur, wenn Jhwh den Träumer anspräche. Das setzt wenigstens Jhwhs Selbstvorstellung oder seine Verheißung im Text voraus. Sonst kann in einem stummen Traumbild von einem „direkten Verkehr“ mit Jhwh wohl kaum die Rede sein. Sodann werde das Syntagma „stehen über“ (‫ )נצב על‬im Pentateuch stets personal verwendet und bedeute dann „stehen vor/bei/gegenüber jemandem“. Hätte der Erzähler Jhwhs Stehen „über“ oder „auf “ der Himmelstreppe gemeint, hätte er ‫ נצב על ראשו‬formulieren und Jhwh wegen der großen Entfernung „laut rufen“ lassen müssen.28 Der letzte Einwand berücksichtigt nicht die Situation des Traumes, der andern Regeln folgt als die Wachwelt. Deshalb läuft der Hinweis auf 21,17 und 22,11 ins Leere. Nun hängt die konkrete Bedeutung der Präposition ‫ על‬natürlich an den jeweiligen Kontexten. Immerhin zeigen Am 7,7; 9,1, dass die Wendung durchaus „stehen auf/über etwas“ heißen kann. Überdies wird die Bedeutung „stehen vor/bei“ einer Person ja aus der Situation abgeleitet, in welcher der Stehende aus der Perspektive eines Sitzenden oder Liegenden als „über ihm“ befindlich wahrgenommen wird (18,1–2).29 Vor allem aber spricht für die Himmelstreppe (‫ סלם‬mask.) als Bezugswort seine unmittelbare Nähe. Wer also seit Wellhausen Jhwhs Stehen ‫ עליו‬auf Jakob bezieht, setzt immer schon voraus, was er damit beweisen will: dass V. 13a von einer anderen Hand stammt als V. 12. Noch weniger überzeugt der Versuch, die angebliche Konkurrenz zwischen den Boten Gottes auf der Leiter und Jhwh dadurch zu „lösen“, dass man V. 12b mit Gottes Boten kurzerhand für später eingetragen erklärt.30 Dagegen stehen Struktur und Gefälle des Traumbildes. – Man kann es wenden, wie man will: Gegen die Verbindung V. 12–13a ist literarkritisch nichts einzuwenden. (2) Kaum überzeugender sind die Gründe, die gegen V. 16 als Teil der ursprünglichen Erzählung vorgebracht werden. Sicher, ohne V. 13 wäre Jakobs Erstaunen in V. 16 unverständlich.31 Wenn aber Jhwh aus dem Traum nicht herausgelöst werden kann, ist diese zutreffende Beobachtung kein Einwand mehr. Und 27 Nauerth bringt dieses Argument merkwürdigerweise gegen die Verbindung von V. 16/17 in Stellung (Untersuchungen, 240), es hätte gegen V. 12/13 besser gepasst. 28 Das hatte vor Fleischer, Jakob träumt, 92, schon Wellhausen, Composition, 30 f., eingewandt. 29 S. Gesenius18, 837a. 30 Becker, Jakob, 165–166, will aus dem Traumbild V. 12b mit den Engeln auf der Treppe und aus V. 17bß das „Tor des Himmels“ herausnehmen: Jhwhs Stehen ‫ עליו‬schließe besser an 12a an (gegen einen Anschluss an V. 12b spricht freilich nichts); die auf‑ und absteigenden Boten interpretierten das schwierige hapax legomenon ‫ סלם‬als Leiter oder Treppe (was allerdings das akkadische Pendant ohnehin bedeutet); V. 12b gehöre zusammen mit 32,2b–3 „möglicherweise“ zu einer Ergänzungsschicht, die Jakob schon als Ahnvater deutet (das gilt freilich schon für die älteste Ebene der Kultätiologie); die mit den Gottesboten verbundene „indirekte Präsenztheologie“ distanziere sich „möglicherweise“ von der „allzu massiven Vorstellung“ von Jhwhs Stehen auf einer Leiter (die aber doch erst durch die angebliche Einfügung entstanden ist). Diese Gründe haben mich nicht überzeugt. 31 Fleischer, Jakob träumt, 93.

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wenn die älteste Schicht keine Verheißung enthalten hat, kann man in V. 16 natürlich auch keinen Bezug darauf erwarten. Schwerer wiegt auf den ersten Blick die doppelte Redeeinleitung in V. 16.17. Aber dazu hatte schon Blum mit Verweis auf Revell alles Nötige gesagt.32 Beide Verse stellen weder eine inhaltliche Doppelung33 noch einen Widerspruch34 dar. Denn in der ersten Reaktion wird eine Einsicht festgestellt, in der zweiten eine Emotion.35 Außerdem schließen sich Einsicht und daraus erwachsene Furcht keineswegs aus; denn zuweilen erwächst aus einer Einsicht durchaus Furcht.36 Jakobs Furcht befremdet nur, wenn Jakob schon auf dieser ältesten Stufe der Überlieferung Ohrenzeuge jener später eingetragenen Gottesrede gewesen wäre. Wie man aus beiden Versen außerdem noch unterschiedliche Vorstellungen von der Distanz des Göttlichen37 herauslesen kann, ist mir ein Rätsel, werden doch sowohl Jhwhs Anwesenheit als auch Gottes Haus „an dieser Stätte“ lokalisiert. Dieses Haus ist natürlich nicht irgendeines Gottes Haus, sondern das des zuvor genannten Gottes Jhwh. Insofern ist der als unlogisch beklagte Gedankengang38 gerade in der gegebenen Abfolge beider Verse durchaus stringent. (3) Nun hat Blum die notwendige Zugehörigkeit von V. 16 zum Grundbestand damit verteidigt, dass nur hier Jakobs Überraschung und sein Erwachen (‫)יקץ‬ berichtet werde, welches sich auf das vorausgehende ‫ חלם‬in V. 12 beziehe und auch aus strukturellen Gründen nicht fehlen könne; überdies werde das Erwachen von V. 16 in V. 17.18 vorausgesetzt.39 Indes impliziert die plötzliche Furcht in V. 17 durchaus ein Moment der Überraschung.40 Sodann ist eine ausdrückliche Erwähnung des Erwachens bei Träumen keineswegs notwendig, wie man in Gen 20 sehen kann. Nachdem dort in V. 3 Gott zu Abimelech „des Nachts im Traum“ gekommen war, heißt es in V. 8 lakonisch: „Da stand Abimelech früh am Morgen auf (‫ “… )וישכם בבקר‬Dem entspricht 28,18: „Am Morgen“ steht Jakob auf (‫ )וישכם בבקר‬und richtet den Stein als Mazzebe auf. Die Wendung ‫וישכם בבקר‬ setzt das Aufwachen voraus, das in der ökonomischen Erzählweise deshalb nicht

32 E. J.  Revell, The Repetition of Introductions to Speech as a Feature of Biblical Hebrew, VT 47 (1997) 91–110 (bei Blum, Jakobs Traum, 42, Anm. 31). 33 Jakob spreche „zweimal die Besonderheit des Ortes“ aus (so Schmidt, El, 138). 34 So Fleischer, Jakob träumt, 86. 35 Die Verschiedenheit des Inhalts und der Einstellung Jakobs erklären die doppelte Redeeinführung (Blum, Jakobs Traum, 42). 36 Blum, Jakobs Traum, 42–43 (in Auseinandersetzung mit Van Seters) und Ders., The Jacob Tradition, in: C. A.  Evans u.a (Hg.), The Book of Genesis. Composition, Reception, and Interpretation (VT.S 152), Leiden / Boston 2012, 181–211, hier 198. 37 Nauerth, Untersuchungen, 240. 38 Koenen, Bethel, 154. 39 Blum, Komposition, 9–10.24; J. Taschner, Verheißung und Erfüllung in der Jakob­ erzählung (Gen 25,19–33,17) (HBS 27), Freiburg i. Br. 2000, 66. 40 Blum findet dagegen in V. 17 kein „expression of surprise“ (Jacob Tradition, 199).

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eigens berichtet werden muss.41 Deshalb kann ich weder die Kohärenzstörung entdecken, die das Fehlen von V. 16 verursachen würde,42 noch sehen, inwiefern V. 17–18 die ausdrückliche Erwähnung des Erwachens voraussetzen. Nun mag es durchaus sein, dass im gegebenen Text ‫ חלם‬und ‫ יקץ‬eine Brücke bilden, die sich in die chiastische Struktur einfügt, doch derlei kann auch erst redaktionell hergestellt sein. Würde also 28,16 der Grundschicht fehlen, fände Jakobs Erschrecken und seine Deutung des Gesehenen im Traum statt. Aber warum sollte derlei nicht möglich sein? Auch Abimelech spricht ja im Traum (20,4–5). Diese Möglichkeit zieht Blum nicht in Betracht. Zwar haben sich die angeführten Beobachtungen zur Verteidigung der Zugehörigkeit von V. 16 zum Grundbestand keineswegs als zwingend herausgestellt. Auch lassen sich die V. 13a2.16 als nachträglich gebildete Klammer zur Einfügung der Gottesrede sinnvoll erklären; denn sie binden diese in die ältere Traumerzählung ein: V. 13a gleicht an die Traumschilderung an und formuliert mit deren Material „Siehe, Jhwh stand über ihr“; V. 16 nimmt aus ihr das Leitwort ‫ מקום‬und verbindet damit die Verheißungsrede mit dem Schlussteil der Erzählung, wo das Leitwort noch zweimal erscheint.43 Doch durchschlagende Argumente gegen die Zugehörigkeit von V. 16 zur ursprünglichen Erzählung sind das so wenig wie gegen den Zusammenhang von V. 12–13a*. (4) Aus alledem folgt: Auch ohne Gottesrede und Selbstvorstellung gibt es keinen überzeugenden Grund, Jhwh aus dem Traumbild herauszunehmen. Sein Stehen im Himmel über der Treppe bildet in der Tat die Klimax44 des Bildes. Es kann deshalb nicht ohne Reaktion in Jakobs Deutung bleiben. Eine BetelErzählung ohne Jhwh und Jakob kann man jedenfalls mit Gen 28 nicht begründen. Damit scheiden alle Rekonstruktionsversuche einer „kanaanäischen“ Vorgeschichte aus Gen 28 aus. Der Erzählung ging es schon in ihrer ältesten Gestalt um die Begründung des Jhwh-Heiligtums in Betel durch den Ahnvater der Gruppen, die Jakob repräsentiert. Bisher befand ich mich weitgehend im Einvernehmen mit dem jungen Blum. Wenn ich mich jetzt den kritischen Punkten zuwende, hoffe ich auf das neugierige Wohlwollen des älter gewordenen, der sicherlich die meisten Einwände schon bedacht hat.

41 Vgl. auch 31,10–13. Natürlich kann (!) nach „Traum“ / „träumen“ (Gen 41,7; 1 Kön 3,5–15 / Gen 41,1–4.5–7; Jes 29,8; Dan 2,1 ff.) auch das Erwachen genannt werden. 42 Blum, Jakobs Traum, 40–41 (mit Anm. 24). 43 Van Seters, Prologue, 292. 44 Blum, Komposition, 24.

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2. Jakob träumt von der Himmelstreppe mit Engeln und von Jhwh, der zu ihm spricht (Gen 28,[10].11–12.13a*.15*.16–19.20–22). Die älteste Traumerzählung umfasst in dieser Version auch eine nicht näher bestimmte Form der Selbstvorstellung Gottes und einen älteren Kern der Beistandszusage sowie das Gelübde.45 Sie wurde später noch um die Verheißungen V. 13b–15* in ihrer heutigen Gestalt erweitert. Entscheidend für Blums Wandlung waren mehrere Einwände von Van Seters. (1) Eine bloße Erscheinung Jhwhs (V. 13a) ohne folgende Gottesrede sei in der Bibel unüblich.46 Nun ist von Jhwhs „Erscheinen“ gar nicht die Rede; die dafür übliche Terminologie (‫ )וירא יהוה‬fehlt. Jhwh ist vielmehr Teil eines stummen Traumbildes, das in allen Einzelheiten überrascht. Eine Analogie dafür gibt es so wenig wie für eine Himmelstreppe mit Engeln in einem Traum. Dass dergleichen singulär ist und deshalb von manchen als unüblich empfunden wird, kann freilich weder das eine noch das andre in Frage stellen. (2) Gegen die Beibehaltung von V. 16 ohne eine ausdrückliche Jhwh-Rede spreche, dass Jakob dann gar nicht habe wissen können, welche Gottheit an dieser Stätte gegenwärtig ist.47 Dazu braucht es freilich weder die Verheißungen von Land und Nachkommen noch die Beistandszusage. Ist aber nicht wenigstens die Selbstvorstellung Jhwhs nötig, damit Jakob in V. 16 sagen kann: „Fürwahr Jhwh ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht“?48 Notwendig wäre das nur, wenn Jakob hier erstmals Jhwh kennenlernen würde. Das ist aber nicht der Fall. Im Kontext der vorausgegangenen Betrugsgeschichte antwortet er auf die Frage seines Vaters, wie er so rasch ein Wild gefunden habe: „Jhwh, dein Gott, hat es mir begegnen lassen“ (27,20). Zwar lügt Jakob hier, aber nur mit der Auskunft über sein schnelles Jagdglück, nicht mit dem Hinweis auf den Gott Isaaks. Doch auch wenn man den Hinweis auf den Kontext in diesem Fall nicht für überzeugend hält, nötigt unter der Voraussetzung einer Einzelerzählung nichts zu der Annahme einer Selbstvorstellung der Gottheit; denn um welchen Gott sonst sollte es sich gehandelt haben, noch dazu bei Tradenten, die das Staatsheiligtum des Nordreichs in Betel auf ihren Ahnvater zurückführen? Das Fehlen einer Selbstvorstellung wäre in Gen 28 nur dann ein Problem, wenn Jakob nach der Meinung jener Tradenten zuvor noch nichts von Jhwh gewusst haben kann, oder wenn er zuvor der Verehrer eines anderen Gottes gewesen ist. Für beides bieten die Texte keine Handhabe. Dann kann es sich doch nur um eine jener gar nicht

45 Blum, Jakobs Traum, 54. Es handelt sich im Grunde genommen um die Minimalfassung der Erzählung des „Yahwist“ bei Van Seters, allerdings aus dem 8. Jh., nicht aus dem Exil. 46 Van Seters, Prologue, 291. Diesen und den nächsten Einwand findet Blum „sehr bedenkenswert“ (Jakobs Traum, 43). 47 Van Seters, Prologue, 291. 48 So auch Becker, Jakob, 164.

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so seltenen erzählerischen Leerstellen49 handeln, deren Füllung dem Leser überlassen wird, zumal doch der Erzähler schon zuvor in V. 13 keinen Zweifel an der Identität der Gottheit gelassen hat: „und siehe, Jhwh stand darüber“. Wer aber in der Beistandszusage von V. 15 einen alten Kern vermutet, braucht dafür eine entsprechende Eröffnung. Zwar knüpft „und siehe“ an die Traumschilderung an, doch kann die Gottesrede schwerlich so begonnen haben. Blum meint: Da „alles für die Ursprünglichkeit“ einer Beistandszusage spreche, wird sie der „inneren Logik solcher Gottesreden entsprechend […] wenigstens auch die Selbstvorstellung JHWHs beinhaltet haben“.50 Das verwundert, weil es neben Gottesreden mit Selbstvorstellung durchaus auch solche ohne diese gibt.51 Zur inneren Logik solcher Reden kann derlei also nicht gehören. Dass die vorliegende Gestalt der Selbstvorstellung nicht in Frage kommt, um die als problematisch empfundene Leerstelle zur Zeit der Erzähler zu füllen, liegt auf der Hand. In ihrer gegenwärtigen Gestalt gehört sie zweifellos auf eine Linie mit 26,24 und damit zu jenen literarischen Brücken, die Abraham-, Isaak‑ und Jakobüberlieferung zur Vätergeschichte verbinden. Blum hält deshalb einen „transformierende[n] Eingriff “ für „durchaus wahrscheinlich“, ohne anzudeuten, worin die Transformation bestanden habe.52 Fragen wir einmal hypothetisch, wie eine noch nicht transformierte Selbstvorstellung hätte lauten können. Etwa „Ich bin Jhwh, der Gott deines Vaters“? Das wäre für den Sohn so wenig eine Überraschung (s. V. 16) wie seine Gegenwart an dieser Stätte, ist doch der persönliche Gott und Schutzgott der Familie gerade nicht an einen bestimmten Ort gebunden. (3) Bleibt allein die behauptete „Ursprünglichkeit einer Gen 28,15 entsprechenden Beistandszusage“.53 Während das Gelübde den generellen Beistand auf die Situation des Flüchtlings konkretisiert, ist V. 15 in allen Teilen an Allgemeinheit nicht zu überbieten: Der erste Satz – „Ich bin mit dir“ – passt zu jeder Lage. Im zweiten Satz wird „der Weg, den ich jetzt gehe“ (aus dem Gelübde) zu „überall wohin du auch gehst“. Das daran anschließende Versprechen ersetzt Jakobs „wohlbehaltene“ Heimkehr ins „Vaterhaus“ durch die blasse Rückkehr „in dieses Land“, was an 31,3; 32,10 erinnert – zwei erwiesenermaßen junge Zusätze.54 Schließlich setzt das letzte Glied in V. 15b die in V. 13b–14 voranstehenden Verheißungen voraus. Es verlängert „Jakobs Bedeutung ins Überzeitliche und 49 Wie hat z. B. Pharao in 12,17–18 erfahren, dass Sarai Abrahams Frau und nicht dessen Schwester ist? Die „großen Schläge“ haben ihm ja nur zu verstehen gegeben, dass er Schuld auf sich geladen hat, nicht aber worin diese besteht. 50 Blum, Jakobs Traum, 50–51. 51 Gottesreden mit Selbstvorstellung in einer Erscheinung des Nachts: 26,24; 46,2–4; ohne: 12,1–3; 12,7 (mit Jhwh-Erscheinung); 13,14–17; 15 (Szenerie setzt Nacht und Erscheinung Jhwhs voraus); 26,2–3 (mit Jhwh-Erscheinung und Beistandszusage). 52 Blum, Jakobs Traum, 52 Anm. 68. 53 Blum, Jakobs Traum, 50. 54 Vgl. die Lit. bei Blum, Komposition, 152–164.

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Überindividuelle“55 und erinnert in den Formulierungen an 18,19. Nun sieht natürlich auch Blum, dass alle Teile bis auf den ersten Satz von V. 15 „deutliche Anzeichen einer jüngeren Neuformulierung“ tragen und „ihre nächsten Parallelen in deuteronomistisch geprägten Texten“, mit der Rückkehrverheißung sogar „die Problematik des Exils im Blick“ haben.56 Deshalb weist er auch hier sogleich auf „spätere Umformung“ hin. Indes, wie hätte die ursprüngliche Fassung aussehen sollen? Der ältere und durch die behauptete Umformung gänzlich unerkennbar gewordene Kern der Gottesrede bleibt unbeweisbar. Nun hatte Blum sich schon in seiner Dissertation für die Möglichkeit offengehalten, Hos 12,5.7 könnte „immerhin bedeuten, daß auch unsere Überlieferung in Gen 28 eine ältere Zusage der Rückführung beinhaltete“. Er fällt sich jedoch sogleich mit einer in diesem Fall nur allzu berechtigten Skepsis ins Wort: „Allerdings wäre es nicht geraten, auf diesen Beleg weitere hypothetische Rekonstruktionen gründen zu wollen.“57 Das sieht er fünfzehn Jahre später offenbar anders; denn jetzt führt er Hos 12 als Kronzeugen für eine ursprüngliche Beistands‑ und Rückkehrzusage in Betel an, während Van Seters und Carr (auf seinen Spuren) mit den Rückbezügen auf die Betel-Erzählung in Gen 31,13 und 35,3 argumentieren. Beide Argumentationslinien verdienen eine genauere Prüfung, die jedoch hier nicht im Einzelnen durchgeführt werden kann.58 Ihr Ergebnis gestattet freilich keine positiven Schlüsse auf die ursprüngliche Zugehörigkeit einer wie auch immer gearteten Beistands‑ oder Rückkehrzusage an Jakob. Denn von den Verweisen innerhalb der Jakobüberlieferung spielen nur die jüngsten (Gen 31,3; 32,10; 35,3) auf die Gottesrede in Gen 28 an, die älteren (Gen 31,13; 35,1.7) kennen sie dagegen noch nicht. Auch die Anspielungen auf Jakob in Betel in dem hochkomplexen Textgefüge Hos 12, besonders in V. 5b–7, können eine Beistandszusage an Jakob im 8. Jh. nicht stützen.59 Die Jakobpassagen setzen die Efraim-Teile voraus, die  – vielleicht noch aus dem 8. Jh. stammend – einen selbständigen Textzusammenhang bilden, und kommentieren diesen nachträglich. Zwar spielt Hos 12,5b auf eine Gottesrede an, die jedoch nicht Jakob, sondern dessen Nachfahren gilt: „dort redet er mit uns.“ Die Adressierung an Jakob verdankt sich einer Textänderung („dort redet er mit “), die sich zwar auf die Septuaginta berufen kann, aber die lectio facilior darstellt. Der Verdacht liegt nahe, dass bei dieser Änderung der Wunsch der Vater des Gedankens war.

55 Köhlmoos,

Bet-El, 235. Jakobs Traum, 51, mit Hinweis auf 1 Kön 8,34; Jer 16,15; 24,6. 57 Beide Zitate in Blum, Komposition, 163. 58 Sie erfolgt in meinem Beitrag Köckert, Rückverweise (s. o., Anm. 16). 59 Detaillierte Argumentation bei M. Schott, Die Jakobpassagen in Hosea 12, ZThK 112 (2015) 1–26, und Köckert, Rückverweise (s. o., Anm. 16). 56 Blum,

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(4) Schließlich noch ein Wort zur Integration des Gelübdes durch Blum.60 Schon Van Seters hatte gemeint, das Gelübde könne kaum auf die Traumerzählung gefolgt sein, sondern setze V. 13–15 voraus.61 Gründe für diese Behauptung nennt er nicht. Nun ist schon immer aufgefallen, dass das Gelübde aus dem Netzwerk der Verbindungswörter weitgehend herausfällt. Immerhin nimmt V. 22 mit „dieser Stein, den ich als Mazzebe gesetzt habe“ V. 18 und mit „Gottes Haus“ V. 17 auf, setzt jedoch mit den Stichwörtern andere Pointen: In der Erzählung richtet Jakob am Morgen den Stein als Symbol für die Anwesenheit Gottes an dieser Stätte auf und zeichnet ihn mit Öl kultisch aus. Im Gelübde dagegen soll dieser Stein Gottes Haus werden, was die heilige Stätte in der Erzählung aber schon ist (V. 17.18).62 Aus dem Symbol für Gottes Anwesenheit wird ein Tempel. Diese Verschiebung lässt sich kaum erklären, wenn man das Gelübde derselben Hand zuschreibt wie die Traumerzählung.63 Hätte ein neuer Erzähler, der ältere Stoffe aufnimmt und „transformiert“, solche Differenzen nicht vermieden? Allerdings sind Gelübde und Gottesrede durch die in V. 20.21a64 genannten Bedingungen und durch die Beistandszusage V. 15 miteinander verbunden. Jedoch geht der versprochene und erwartete Beistand beide Male, wenn auch auf verschiedene Weise, über die konkrete Lage Jakobs in Gen 28,10–19 hinaus. So fasst Jakobs Gelübde nicht die Rückkehr „an diese Stätte“ ins Auge, was doch nach V. 12.17–18 nahegelegen hätte, sondern die Flucht zur Verwandtschaft und die Heimkehr in die Großfamilie („Vaterhaus“). Die Bedingungen des Gelübdes nehmen also den Kontext der Jakoberzählung insgesamt in den Blick, greifen aber mit Gottes Versorgung (Brot und Kleidung) und mit seinem Schutz „auf diesem Weg, den ich (gerade) gehe“, Jakobs konkrete Lage auf. Ganz anders dagegen Gottes Zusagen in V. 15, die ganz allgemein gehalten sind. Da das Gelübde ansonsten nicht auf die Gottesrede reagiert, spricht doch alles dafür, V. 15 als eine wesentlich jüngere Elaboration aus dem Material des Gelübdes anzusehen und 60 Blum, Jakobs Traum, 40: Die Substanz der Erzählung gehe mit nicht mehr genau bestimmbaren Teilen der Rückkehrzusage und „einschließlich Jakobs Gelübde (V. 20–22) auf ein und denselben Erzähler zurück“. Allerdings setzt Blum dabei die Verarbeitung von Wissensstoffen und mündlich überlieferten Traditionen voraus, keinen „Yahwist“ im Sinne von Van Seters. Köhlmoos integriert das Gelübde, weil sich Jakob mit ihm „die Verheißungen als Wunsch zu eigen“ mache; Gen 28 habe auf diese Weise „ein offenes Ende, das erst am Abschluss der Jakobserzählung aufgelöst“ werde (Bet-El, 238). Für Nauerth bildet der Kernbestand des Gelübdes, den er in V. 20–21 sieht, den Abschluss der Traumerzählung, weil er – mir unverständlich – V. 19a dem Grundbestand abspricht (Untersuchungen, 243–246). 61 Van Seters, Prologue, 293; Ders., Divine Encounter, 512. 62 Blum selbst weist auf die Differenz hin (Komposition, 19). Köhlmoos hält aus diesem Grund V. 22 für einen Zusatz (Bet-El, 235). 63 So auch C. Levin, Der Jahwist (FRLANT 157), Göttingen 1993, 218–219; Koenen, Bethel, 155–156; u. a. 64 Bei 28,21b handelt es sich um einen an der dtr Bundesformel orientierten Nachtrag (so schon Blum, Komposition, 89–91), der allerdings nicht erlaubt, mit ihm gleich das gesamte Gelübde für einen „bundestheologischen Anhang“ zu erklären (Levin, Jahwist, 218).

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nicht umgekehrt.65 Dass dieselbe Hand für beides verantwortlich sei, liegt so wenig nahe wie die zuweilen behauptete Abhängigkeit des Gelübdes von V. 15.66 So spricht m. E. doch mehr für die Annahme verschiedener Hände.

III. Das Verhältnis der Traumerzählung zur Gottesrede Da mich weder die Minimalisten mit ihrer Reduktion auf eine Traumerzählung ohne Jhwh noch Erhard Blum, der älter gewordene, mit der Ausweitung auf die Gottesrede überzeugt haben, bleibe ich beim jungen Blum von 1984. Beobachtungen an der Traumerzählung erhärten die Beurteilung der Gottesrede als jüngere Erweiterung. Traumerzählung und Gottesrede unterscheiden sich tiefgreifend. Dabei ist der Unterschied der literarischen Genera nicht entscheidend. Warum sollte sich der Erzähler eines Traums nicht auch einer Gottesrede bedienen?67 Entscheidend ist vielmehr die inhaltliche Ausrichtung beider. Die Erzählung ist nach dem kontextuellen Übergang in V. 10 von Anfang an auf einen bestimmten Ort ausgerichtet, den Jakob nicht gesucht hat, sondern auf den er zufällig gestoßen ist (‫ פגע‬V. 11). Dass es sich dabei um einen ganz besonderen Ort handelt, ahnt Jakob noch nicht.68 Nur wir Leser werden vom Erzähler durch den Artikel vor ‫מקום‬ sogleich darauf hingewiesen, dass es mit diesem Ort eine besondere Bewandtnis haben muss. Worin die besteht, erfahren jedoch auch wir noch nicht. Erst der Traum in V. 12 enthüllt Jakob und uns, was es mit diesem Ort auf sich hat: Es ist der Ort auf Erden, an dem der Himmel offensteht („Tor des Himmels“ V. 17) und Gott gegenwärtig ist („Haus Gottes“ V. 17). Das zeichnet nach antikem Verständnis ein Heiligtum aus. Zur Symbolik eines Heiligtums fügen sich auch die Einzelheiten des Traumbilds.69 Der ‫סלם‬, der auf die Erde gestellt mit seiner Spitze an den Himmel rührt, visualisiert einen Tempel als vertikale Verbindung zwischen himmlischer und irdischer Welt. Er hat als axis mundi eine kosmische Dimension, die ohnehin  So schon Blum, Komposition, 163–164; Koenen, Bethel, 157 u. a. C. Westermann, Genesis (BK I/2, Lfg. 17), Neukirchen-Vluyn 1980, 559; Fleischer, Jakob, 93.95; Taschner, Verheißung, 62. 67 Eine kurze Musterung der wichtigsten Beispiele und deren Auswertung bei M. Köckert, Die Traumerzählung Gen 28 im Licht altorientalischer Tempeltheologie und Tempelbaunachrichten in: J. J. Krause/W. Oswald/K. Weingart (Hg.), Eigensinn und Entstehung der Hebräischen Bibel. Erhard Blum zum siebzigsten Geburtstag (FAT 136), Tübingen 2020, 77–98. 68 Deshalb scheidet eine Erklärung der Traumerzählung als Inkubation aus. 69 Zu den Einzelheiten s. Köckert, Traumerzählung, und die intensive Darstellung von C. Koch, Gottes himmlische Wohnstatt. Transformationen im Verhältnis von Gott und Himmel in tempeltheologischen Entwürfen des Alten Testaments in der Exilszeit (FAT 119), Tübingen 2018, 69–86 (der Vf. hat mir das entsprechende Kapitel seiner damals noch ungedruckten Habil.-Schrift dankenswerter Weise noch kurz vor Abschluss dieses Manuskripts zur Verfügung gestellt). 65

66 Gegen

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zu den Topoi altorientalischer Tempeltheologie gehört.70 So ist im Traumbild mit dem heiligen Ort von vornherein das Heiligtum auf dem Plan und mit dem Heiligtum der Himmel auf Erden. Die „Engel Gottes“, die auf der Treppe „hinauf‑ und herniedersteigen“, tanzen weder, noch sollen sie „die Offenbarung vermitteln“, wie Wellhausen annahm.71 Sie haben vielmehr eine eigene Funktion, die sich gerade nicht auf die Gottesrede bezieht. Indem die einen auf der Treppe hinauf‑ und die andern zur gleichen Zeit herniedersteigen, visualisieren die Engel den ständigen Verkehr zwischen der himmlischen und der irdischen Welt an diesem Ort. Ihm eignet deshalb nicht nur einmalige oder zeitweilige numinose Qualität, Gottes dauerhafte (!) Präsenz72 macht ihn vielmehr bleibend zu einem heiligen, Ehrfurcht gebietenden Ort (‫)מקום נורא‬. Mit „Gott“ ist freilich nicht irgendeine Gottheit gemeint, auch nicht irgendein unbekanntes Ortsnumen von Betel, sondern Jhwh. Auf ihn zielt die gesamte Inszenierung des Traums mit Himmelstreppe und Engelprozession. Er steht „über“ der von den Engeln begangenen Treppe. Der Erzähler führt die Entdeckung der Gegenwart Gottes an diesem Ort auf Jakob zurück, der das Gesehene in V. 17 deutet: Er identifiziert diese Stätte mit „Gottes Haus“ und mit dem „Tor des Himmels“. Hier ist also der Ort, an dem der himmlische Palast des Gottes Jhwh sein irdisches Gegenstück haben soll. Deshalb zeichnet Jakob diesen Platz damit aus, dass er „am Morgen“ den Stein, in dessen Schutz er geträumt hat, als Mazzebe setzt73 und mit Öl salbt (V. 18). Sie ist sichtbares Zeichen für Gottes Anwesenheit an diesem Platz.74 Israels Ahn hat verstanden, was ihm Jhwh mit jenem Traum ohne Worte sagen wollte: Hier ist der Ort auf Erden, wo ich von dir und den Deinen verehrt werden will. Jakob nennt den Ort denn auch ‫בית־אל‬, „Haus Gottes“ (V. 19a).75 Der Traum zielt also auf die Gründung des Heiligtums in Betel, nicht auf die Verheißungen für Jakob. 70  Zu den Einzelheiten s. Köckert, Traumerzählung (s. o., Anm. 67). Vgl. die Beispiele bei V. Hurowitz, I Have Built You an Exalted House (JSOT.S 115), Sheffield 1992, 335–337. 71 Wellhausen, Composition, 30. 72 Gegen alle Signale des Textes deutet Levin V. 13–16 als redaktionelle Eigenformulierungen seines exilischen Jahwisten mit dem Ziel einzuschärfen, dass „Jahwe allgegenwärtig und […] nicht ortsgebunden“ sei, „wie Jakob (in v16) offenbar noch meinen konnte“ (Jahwist, 216–217). Ihm folgt auch Köhlmoos: Jhwh werde in V. 16 „gewissermaßen transportabel“ (Bet-El, 237). 73 Die Größe des Steins spielt in der gesamten Erzählung keine Rolle, es bedarf deshalb auch keiner übermenschlichen Stärke, ihn aufzurichten – gegen V. Maag, Zum Hieros Logos von Beth-El, in: Ders., Kultur, Kulturkontakt und Religion. Gesammelte Studien zur allgemeinen und alttestamentlichen Religionsgeschichte. Zum 70. Geburtstag hrsg. von H. H.  Schmid u. O. H.  Steck, Göttingen 1980, 29–37, hier 31 ff., der daraus auf einen kanaanäischen Ursprung der Betel-Erzählung schließt. 74 Der Stein ist jedoch weder Symbol für einen Tempelturm noch Repräsentation Jhwhs, der vor Jakob steht, was C. Houtman, What Did Jacob See in His Dream at Bethel? Some Remarks on Genesis 28:10–22, VT 27 (1977) 337–351, annimmt. 75 Der Name unterscheidet sich von der Deutung, die Jakob in V. 17 gibt, weil der Ortsname älter als die Heiligtumsätiologie ist und ihr bereits vorgegeben war (Levin, Jahwist, 218; Köhlmoos, Bet-El, 240, u. a.).

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Im vorliegenden Text wird jedoch der ursprüngliche Zusammenhang von Traum (V. 12–13a1) und Reaktion Jakobs (V. 16–19a) durch eine Gottesrede unterbrochen. Man sieht das schon daran, dass die Leitwörter der Traumerzählung in der Gottesrede fehlen. Sie begegnen erst wieder danach: die „Stätte“ und der „Stein“ sowie die oft notierte Entsprechung von „Himmel“ und „Tor des Himmels“, von „Gottes Engel“ und „Gottes Haus“. Zwar kennt die Gottesrede mit der Konkretion des verheißenen Landes, „auf dem du liegst“, die Traumerzählung. Doch kann die Landverheißung kaum das Stück Boden meinen, auf dem Jakob nächtigt, werden sich doch die Nachkommen, denen diese Landverheißung gilt (V. 13b), in alle Himmelsrichtungen ausbreiten (V. 14). Sollte dergleichen von ein und derselben Hand stammen? Erst recht spricht dagegen, dass Jakob nach dem Traum zwar auf das Traumbild reagiert, nicht aber auf die Gottesrede, ja, dass seine Furcht in V. 17 so gar nicht zu Gottes Versprechungen passt, am wenigsten zu dem zugesagten Beistand. Überdies berücksichtigt Jhwh in seiner Rede mit keiner Silbe, was er zuvor so eindrücklich inszeniert hat. Das verwundert umso mehr, als es anderwärts durchaus Beispiele dafür gibt, dass eine Gottheit in Träumen direkte Anweisungen gibt, was der Träumer angesichts des Gesehenen tun soll.76 Hier dagegen werden Thema und Bildwelt des Traums verlassen.77 Aus „dem heiligen Ort“ (‫ )המקום‬wird „das Land auf dem du liegst“ (‫)הארץ‬. Es geht nicht mehr um die Entdeckung, sondern nur noch um den Entdecker, genauer um sein künftiges Geschick, und deshalb auch um seine Nachkommen. Dazu geht die Gottesrede literarisch über die Jakobüberlieferung hinaus, wie die Querverbindungen zu Gen 13,14–16 und 12,3 zeigen.78 Außerdem greift die Gottesrede weit in die Zukunft aus: Jede der drei göttlichen Versprechungen von Land (V. 13b), Mehrung („wie der Staub der Erde“ V. 14a) und Segen (beispielhaft „für alle Sippen des Erdbodens“ V. 14b) gelten ausdrücklich „dir und deinen Nachkommen“. Allerdings muss bis zur Einlösung dieser glorreichen Zusagen noch sehr viel Wasser den Jordan hinabfließen.

76 Beispiele

dafür bei Köckert, Traumerzählung (s. o., Anm. 67). sieht scharf, dass Gen 28 mit Jhwhs Anwesenheit und mit seiner „Rolle für die Geschichte Jakobs“ zwei verschiedene theologische Schwerpunkte entfaltet und dass die Traumoffenbarung „der Verheißung nicht wirklich“ bedarf (Bet-El, 238). Umso erstaunlicher sind ihr Fazit ebd., 240, und ihre Forderung ebd., 241: „Trotzdem ist die Zusammenschau der Traumoffenbarung mit der Verheißung und somit mit der gesamten Jakobsgeschichte nicht nur methodisch geboten.“ 78 So schon Blum, Komposition, 290–293; Ders., Jakobs Traum, 53 (mit Anm. 74); M. Köckert, Vätergott und Väterverheißungen. Eine Auseinandersetzung mit Albrecht Alt und seinen Erben (FRLANT 142), Göttingen 1988, 320. 77 Köhlmoos

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IV. Schlussfolgerungen Die mitgeteilten Beobachtungen sprechen m. E. dafür, an der These des jungen Blum festzuhalten: Bei der Erzählung von Jakobs Traum in Gen 28,…7911–13a1.16–19a handelt es sich um die in Betel überlieferte Gründungslegende des Jhwh-Heiligtums.80 Deren Entstehung lässt sich in der Zeit vor den Aramäerkriegen im 9. Jh., leichter aber in der Zeit danach vorstellen, also im 8. Jh., in den Tagen, da Jerobeam II. das Nordreich regierte. Hier stimme ich Erhard Blum, dem älter gewordenen, gern zu.81 Die Ansetzung der Betel-Überlieferung in die erste Hälfte des 8. Jh.s wird vom archäologischen Befund insofern gestützt, als stark wachsende Siedlungsaktivitäten in Betel nur in dieser Zeit belegt sind.82 Auch begegnen anikonische Mazzeben vor allem im 9./8. Jh. auch an anderen heiligen Orten,83 so im offiziellen Jhwh-Heiligtum in Arad oder in kultischen Installationen am Tor in T. el-Fara/Tirza, in et-Tel/Bethsaida, vielleicht auch in Dan. Ende des 7. Jh.s diskreditieren Prohibitive wie Dtn 16,21.22 Mazzeben als Repräsentationen Jhwhs endgültig.84 Von der prominenten Rolle der Mazzebe in Betel mit mehreren Anspielungen auf sie in der Jakobüberlieferung wäre dann wohl kaum noch neu erzählt worden.85 Die exegetischen Bemühungen um Gen 28 haben uns Möglichkeiten, aber auch Grenzen historischer Auslegung vor Augen geführt. Lässt sich daraus ein Grundsatz für das gewinnen, was Erhard Blum „Exegetik“86 genannt hat? 79 Um sich einen möglichen ursprünglichen Anfang vorzustellen, an dessen Stelle die nachträgliche Einbindung in den Kontext durch V. 10 getreten ist, ersetze man mit Blum (Komposition, 26, Anm. 77) probeweise V. 10 durch Ex 3,1a1: … ‫היה רעה את הצאן יעקב‬ 80 Auch Blum rechnet noch in seinem letzten Beitrag zur Sache mit der Einbindung einer „nicht mehr zu rekonstruierende[n] Heiligtumsätiologie“ (Jakobs Traum, 54), und auch für Köhlmoos spricht „prinzipiell […] nichts dagegen, Gen 28,11–12.16–18 für ein genuines Stück Bet-Eler Theologie zu halten, das vom Kontext der Jakobsgeschichte unabhängig ist“ (Bet-El, 241); trotzdem lehnt sie die Annahme einer „vorgängige[n] Tradition über Bet-El […] im Sinne eines Hieros Logos“ ab (ebd., 239). 81 So zuletzt Blum, Jacob Tradition, 210. 82  So I. Finkelstein / T. Römer, Comments on the Historical Background of the Jacob Narrative in Genesis, ZAW 126 (2014) 317–338, hier 325–326 mit Verweis auf I. Finkelstein / L. Singer-Avitz, Reevaluating Bethel, ZDPV 125 (2009) 33–48. 83 Ich danke Herrn Kollegen Jens Kamlah für diesen Hinweis. 84 Die Beziehung der Aschere auf Jhwh, neben dessen Altar sie steht, in V. 21 wird bei der Mazzebe durch die Erläuterung „die Jhwh, dein Gott, hasst“ hergestellt, so dass die Repräsentanz eines Fremdgottes anders als in 2 Kön 3,2; 10,26–27 („Mazzebe Baals“) ausgeschlossen ist. 85 Gen 35,13–15 (P oder nach-P) macht aus der Mazzebe als kultischer Repräsentanz Gottes in 28,18–19a einen Gedenkstein für die Begegnung mit Gott. 86 E. Blum, Notwendigkeit und Grenzen historischer Exegese. Plädoyer für eine alttestamentliche „Exegetik“, in: B. Janowski (Hg.), Theologie und Exegese des Alten Testaments / der Hebräischen Bibel. Zwischenbilanz und Zukunftsperspektiven (SBS 200), Stuttgart 2005, 11– 40 (wieder abgedruckt in E. Blum, Grundfragen der historischen Exegese. Methodologische, philologische und hermeneutische Beiträge zum Alten Testament, hg. von W. Oswald und K. Weingart [FAT 95], Tübingen 2015, 1–29).

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Vielleicht ein Satz wie dieser, mit dem einst Traugott Holtz, mein Greifswalder Lehrer im Fach Neues Testament, unserer studentischen „Fantastik“ im Seminar begegnete: Möglich ist vieles, wahrscheinlich nur manches; Aufgabe der Exegese ist es, das Wahrscheinlichere vom weniger Wahrscheinlichen zu unterscheiden.

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Köckert, M., Vätergott und Väterverheißungen. Eine Auseinandersetzung mit Albrecht Alt und seinen Erben (FRLANT 142), Göttingen 1988. – Die Rückverweise auf Gen 28,10–22 innerhalb der Jakobüberlieferung und in Hos 12, in: A. Michel/N.K. Rüttgers (Hg.), Jeremia, Deuteronomismus und Priesterschrift. Beiträge zur Literatur- und Theologiegeschichte des Alten Testaments, Festschrift für Hermann-Josef Stipp zum 65. Geburtstag (ATSAT 105), St. Ottilien 2019, 103–130. – Die Traumerzählung Genesis 28 im Licht altorientalischer Tempeltheologie und Tempelbaunachrichten, in: J. J. Krause/W. Oswald/K. Weingart (Hg.), Eigensinn und Entstehung der Hebräischen Bibel. Erhard Blum zum siebzigsten Geburtstag (FAT 136), Tübingen 2020, 77–98. Koenen, K., Bethel. Geschichte, Kult und Theologie (OBO 192), Freiburg i. Ue. 2002. Köhlmoos, M., Bet-El – Erinnerungen an eine Stadt. Perspektiven der alttestamentlichen Bet-El-Überlieferung (FAT 49), Tübingen 2006. Kratz, R. G., Die Komposition der erzählenden Bücher des Alten Testaments (UTB 2157), Göttingen 2000. Levin, C., Der Jahwist (FRLANT 157), Göttingen 1993. Maag, V., Zum Hieros Logos von Beth-El, in: Ders., Kultur, Kulturkontakt und Religion. Gesammelte Studien zur allgemeinen und alttestamentlichen Religionsgeschichte. Zum 70. Geburtstag hg. von H. H.  Schmid und O. H. Steck, Göttingen 1980. Nauerth, T., Untersuchungen zur Komposition der Jakoberzählungen. Auf der Suche nach der Endgestalt des Genesisbuches (BEATAJ 27), Frankfurt a. M. u. a. 1997. Rendtorff, R., Jakob in Bethel. Beobachtungen zum Aufbau und zur Quellenfrage in Gen 28,10–22*, ZAW 94 (1982) 511–523. Revell, E. J., The Repetition of Introductions to Speech as a Feature of Biblical Hebrew, VT 47 (1997) 91–110. Schmidt, L., El und die Landverheißung in Bet-El (die Erzählung von Jakob in Bet-El, Gen 28,11–22), in: Ders., Gesammelte Aufsätze zum Pentateuch (BZAW 263), Berlin / New York 1998, 137–149. Schott, M., Die Jakobpassagen in Hosea 12, ZThK 112 (2015) 1–26. Steck, O. H., Exegese des Alten Testaments. Leitfaden der Methodik. Ein Arbeitsbuch für Proseminare, Seminare und Vorlesungen, Neukirchen-Vluyn 121989. Taschner, J., Verheißung und Erfüllung in der Jakob­erzählung (Gen 25,19–33,17) (HBS 27), Freiburg i. Br. 2000. Van Seters, J., Prologue to History. The Yahwist as Historian in Genesis, Westminster 1992. – Divine Encounter at Bethel (Gen 28,10–22) in Recent Literary-Critical Study of Genesis, ZAW 110 (1998) 503–513. Westermann, J., Genesis (BK I/2, Lfg. 17), Neukirchen-Vluyn 1980. Wellhausen, J., Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, Berlin 1889.

The Comparison of Innerbiblical Parallels as a Starting Point for Synchronic Exegesis and as an Instrument to Control Diachronic Analysis Shimon Gesundheit The following study seeks to show that the comparison of innerbiblical parallels is useful both for the synchronic exegesis of the received text as well as for the diachronic analysis of earlier literary stages and often receives insufficient attention in current research. In what follows, three texts will be investigated with respect to their intertextual connections. First, the narrative in Num 32:1–33 will be interpreted in its received form (I). This will be followed by a comparison with its brief parallel in Deut 3:18–20, which will contribute first to the synchronic interpretation of this text (II). The following step will then consider possible earlier forms of these verses on the basis of textual inconsistencies, which will be supported by a final comparison of Deut 3:18–20 with its parallel in Josh 1:12–15 (III).

I. A Synchronic Reading of the Narrative in Num 32:1–33 Without wishing to dispute the possibility that the present form of the narrative in Num 32:1–33 is the result of a complex process of literary growth,1 here the aim is to show how the received text can be interpreted synchronically in a meaningful way.2 1 For overviews of research on the literary development of Num 32, see P. J.  Budd, Numbers (WBC 5), Waco 1984, 337–342; E. W.  Davies, Numbers (NCBC), Grand Rapids 1995, 329–333; U. Schorn, Ruben und das System der zwölf Stämme Israels: Redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zur Bedeutung des Erstgeborenen Jakobs (BZAW 248), Berlin / New York 1997, 137–139; U. Fistill, Israel und das Ostjordanland: Untersuchungen zur Komposition von Num 21,21–36,13 im Hinblick auf die Entstehung des Buches Numeri (ÖBS 30), Frankfurt am Main et al. 2007, 114–116; H. Seebass, Numeri 22,2–36,13 (BK IV/3), Neukirchen-Vluyn 2007, 327–339. 2 On the interpretation of Num 32, see also M. Noth, Das vierte Buch Mose: Numeri (ATD 7), Göttingen 1966, 202–208; S. E.  Loewenstamm, The Relation of the Settlement of Gad and Reuben in Num. xxxii: 1–38: Its Background and Its Composition, Tarbiz 42 (1972/1973) 12–26 (Hebrew); English version: The Settlement of Gad and Reuben as Related in Num. 32:1– 38: Background and Composition, in: Idem, From Babylon to Canaan: Studies in the Bible and Its Oriental Background, Jerusalem 1992, 109–130; S. Mittmann, Deuteronomium 1,1–6,3

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The narrative recounts four exchanges between Moses and the tribes of Reuben and Gad, who wish to settle in Transjordan because it is suitable for cattle rearing. The first verse of the chapter sets the stage: ‫ומקנה רב היה לבני ראובן ולבני גד עצום מאד‬ ‫ויראו את ארץ יעזר ואת ארץ גלעד והנה המקום מקום מקנה‬

The word ‫ מקנה‬begins and ends this verse. At the beginning of the verse, it is accompanied by the adjective ‫רב‬. In the syntactic center of the verse, the subject is further amplified by the words ‫עצום מאד‬. Through an inner monologue,3 the Reubenites’ and Gadites’ concern and the motivation for their subsequent speech before Moses, Eleazar, and the leaders of the congregation is already adumbrated. The second half of the verse (‫)ויראו את ארץ יעזר ואת ארץ גלעד והנה המקום מקום מקנה‬ suggests that these tribes covet the land on account of its abundance of cattle, which was already emphasized in the first half of the verse. Yet this is not stated explicitly. Such a statement is also absent in the Reubenites’ and Gadites’ first speech in vv. 2–4:

literarkritisch und traditionsgeschichtlich untersucht (BZAW 139), Berlin / New York 1975, 95– 107; M. Wüst, Untersuchungen zu den siedlungsgeographischen Texten des Alten Testaments: I. Ostjordanland (BTAVO.B 9), Wiesbaden 1975, 91–118; S. Boorer, The Promise of the Land as Oath: A Key to the Formation of the Pentateuch (BZAW 205), Berlin / New York 1992, 403– 410; Schorn, Ruben, 137–166; H.  Seebass, Erwägungen zu Numeri 32:1–38, JBL 118 (1999) 33–48; L. Schmidt, Die Ansiedlung von Ruben und Gad im Ostjordanland in Numeri 32,1–38, ZAW 114 (2002) 497–510; R. Achenbach, Die Vollendung der Tora: Studien zur Redaktionsgeschichte des Numeribuches im Kontext von Hexateuch und Pentateuch (BZAR 3), Wiesbaden 2003, 369–376; Fistill, Israel und das Ostjordanland, 113–129; C. M.  Carmichael, Reuben’s Legacy (Numbers 32–36), in: Idem, The Book of Numbers: A Critique of Genesis, New Haven / London 2012, 159–178; O. Artus, Numbers 32: The Problem of the Two and a Half Transjordanian Tribes and the Final Composition of the Book of Numbers, in: C. Frevel et al. (eds.), Torah and the Book of Numbers (FAT II 62), Tübingen 2013, 367–382; L. M.  Marquis, The Composition of Numbers 32: A  New Proposal, VT 63 (2013) 408–432; I.  Kislev, The Story of the Gadites and the Reubenites (Numbers 32): A Case Study for an Approach to a Pentateuchal Text, in: J. Gertz et al. (eds.), The Formation of the Pentateuch: Bridging the Academic Cultures of Europe, Israel, and North America (FAT 111), Tübingen 2016, 619–629. 3 M. Weiss, Einiges über die Bauformen des Erzählens in der Bibel, VT  13 (1963) 456– 475, defines this concept as follows: “Was ist die ‘Erlebte Rede’? Sie ist eine der verschiedenen Möglichkeiten der Rede‑ oder Gedanken-Wiedergabe in der Erzählung. Der Erzähler oder eine seiner Gestalten gibt die Rede oder den Gedanken eines seiner Helden bzw. eines seiner Partner nicht vorführend in Gestalt der Aussage als ‘direkte Rede’ wieder (A sagt: ‘Ich kann das nicht tun’), auch nicht berichtend in Form der ‘indirekten Rede’ (A sagt, er könne das nicht tun), sondern in der Perspektive der sie erlebenden Person, als quasi objektiven Bericht in dritter Person (A kann das nicht tun), in Form einer Tatsache, ohne dass der Erzähler seine Worte als Tatsache aufgefasst zu sehen wünscht, sondern – wie gesagt – als Spiegelung der (meist nicht ausgesprochenen) Worte oder Gedanken seiner Figur bzw. seines Partners. In der Form fehlt jede Andeutung, dass es Rede ist. Formal sieht die e.R. (= erlebte Rede) also wie ein TatsachenBericht aus, in Wirklichkeit aber ist sie eine manchmal ernst sich einfühlende, oft auch ironische Nachahmung der Rede oder des Gedankens der erwähnten Person” (461).

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‫ ויבאו בני גד ובני ראובן ויאמרו אל משה ואל אלעזר הכהן ואל נשיאי העדה לאמר‬2 ‫ עטרות ודיבן ויעזר ונמרה וחשבון ואלעלה ושבם ונבו ובען‬3 ‫ הארץ אשר הכה יהוה לפני עדת ישראל ארץ מקנה הוא ולעבדיך מקנה‬4

It is only after their speech goes unanswered by Moses, Eleazar, and the leaders of the congregation4 that the two tribes state their request explicitly (v. 5): ‫ויאמרו אם מצאנו חן בעיניך יתן את הארץ הזאת לעבדיך לאחזה אל תעברנו את הירדן‬

Moses reacts to this request with a strong rebuke. He criticizes the two tribes’ lack of solidarity through a rhetorical question (v. 6):5 ‫ויאמר משה לבני גד ולבני ראובן האחיכם יבאו למלחמה ואתם תשבו פה‬

The reader now understands the problem with the two tribes’ desire. It also becomes clear why the tribes were initially reluctant to voice their morally problematic request. In vv. 16–19, the tribes respond to Moses’ criticism in a second round of negotiations, modifying their request and seeking to avoid damaging their solidarity with the other tribes. Their speech is introduced in v. 16 by the words ‫ויגשו אליו ויאמרו‬. Some scholars have regarded this expression as problematic here, since it would normally be expected only at the beginning of a speech, while in v. 16 the two tribes are already in the middle of their negotiation with Moses.6 4 On such a synchronic interpretation of the received form of a text in which direct speech is introduced twice through )‫ויאמר(ו‬, see M. Shiloach, “And he said … And he said”, in: A. Weiser / B. Z.  Luria (eds.), Sefer Korngreen, Tel Aviv 1964, 251–267 (Hebrew). In contrast, for the view that this phenomenon reflects the disunity of the text, see S. A. Meier, Speaking of Speaking: Marking Direct Discourse in the Hebrew Bible (VT.S 46), Leiden 1992, 77–80. For an attempt at a linguistic explanation, see E. J.  Revell, The Repetition of Introductions to Speech as a Feature of Biblical Hebrew, VT 47 (1997) 91–110, who, however, does not rule out the interpretation proposed here: “Commentaries and translations show that a repeated introduction is often interpreted as implying a lapse of time […] between the two speeches. Such interpretation is often suitable” (ibid., 108; but see also p. 103 n. 27.) 5 In a second response (vv. 7–15) – and in late Priestly language that draws upon the received form of the story of the spies in Num 13–14 (which contains both Priestly and non-Priestly elements) –, Moses criticizes the request by the two tribes as a sin against God (see esp. vv. 14– 15). This long harangue anticipates Moses’ arguments in the second round of negotiations (see below). Since in vv. 16–19 the two tribes do not address this religious critique of their request and do not seem to be aware of it, it is possible that vv. 7–15 are a later theological expansion, albeit one that could have already layn before the author of Deut 3:18–20. The idea that vv. 7–15 are a later addition forms a broad scholarly consensus; see A. Kuenen, Historisch-kritische Einleitung in die Bücher des Alten Testaments hinsichtlich ihrer Entstehung und Sammlung I/1. Die Entstehung des Hexateuchs, Leipzig 1887, 101; C. A. Simpson, The Early Traditions of Israel: A Critical Analysis of the Pre-deuteronomic Narrative of the Hexateuch, Oxford 1948, 272; J. Licht, Commentary on the Book of Numbers, vol. 3 (Hebrew), Jerusalem 1985, 168– 169; E. Blum, Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189), Berlin / New York 1990, 112–113; Boorer, Promise, 404–408; Loewenstamm, Settlement, 129; Schorn, Ruben, 139– 140; Schmidt, Ansiedlung, 500; Achenbach, Vollendung, 381–385; Seebass, Erwägungen, 37, 39 with n. 19; Idem, Numeri 22,2–36,13, 328–329; Artus, Numbers 32, 368, 370; Marquis, Numbers 32, 409. 6 See, e. g., M. Wüst, Untersuchungen, 95–99, 104.

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However, the introduction of speech using the verb ‫ ויגשו‬without repeating the subject can be understood as a second attempt by the two tribes after their first attempt was sharply criticized and rebuffed by Moses:7 ‫ויגשו אליו ויאמרו גדרת צאן נבנה למקננו פה וערים לטפנו‬ ‫ואנחנו נחלץ חשים לפני בני ישראל עד אשר אם הביאנם אל מקומם‬ ‫וישב טפנו בערי המבצר מפני ישבי הארץ‬ ‫לא נשוב אל בתינו עד התנחל בני ישראל איש נחלתו‬ ‫כי לא ננחל אתם מעבר לירדן והלאה כי באה נחלתנו אלינו מעבר הירדן מזרחה‬

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The greater part of this speech is dedicated to the two tribes’ solidarity with the other tribes. Although the question of cattle (‫ )מקנה‬appears once again at the beginning of the speech (v. 16), the emphasis is on the two tribes’ willingness to assist the other tribes (expressed positively in v. 17 and negatively in v. 18). Instead of the focus being on the cattle as in their original request, it is now on a new keyword, ‫נחלה‬. This term serves the two tribes’ new tack, since ‫ נחלה‬is not simply a “possession” but an “inheritance” that is associated with the fulfillment of the divine promise of the land. In the last clause (v. 19b), the Reubenites and Gadites seek to justify their request by referring also to Transjordan, which they covet on account of its abundance of cattle, as ‫נחלה‬. Yet this daring idea is expressed only hesitantly at first: Here, ‫( נחלה‬v. 19b) is not a divine gift but instead “came” to the two tribes almost by chance (‫)באה נחלתנו אלינו‬. The two tribes no longer refer to their desire for the land (‫ארץ מקנה‬, v. 4), which they originally claimed as ‫אחזה‬, but instead use the term ‫נחלה‬. The narrator seems to consciously differentiate between the terms ‫ נחלה‬and ‫אחזה‬. Whereas he seems to understand ‫ אחזה‬as simply a settlement or possession,8 he uses the term ‫ נחלה‬in the sense of “inheritance of 7 In

a manuscript of a detailed essay on this narrative, B. Jacob writes: “‫ נגש‬bedeutet allemal ein Herantreten, eine Vorwärtsbewegung nach etwas hin (vom Standpunkte des Kommenden), bei welcher eine gewisse Energie zu entwickeln und irgend eine Scheu zu überwinden ist. Es bezeichnet also ein entschlossenes, herzhaftes, keckes, verwegenes Herantreten. Es wird immer von einem niedriger Stehenden gegen einen höheren oder von einem schwierigen und gefährlichen Unterfangen gesagt; u. a. besonders vom priesterlichen Dienst. Stellen anzuführen ist überflüssig, da jeder es bestätigt. Aber eine der unsrigen genau entsprechende ist Gen 44,18; vgl. auch 18,23” (B. Jacob, “Mit Hilfe Gottes”. Quellenkritik und Exegese an einer Probe: Interpretation von Num 32, in: S. Gesundheit et al. (eds.), B. Jacob, Studien zur Thora, Stuttgart 2021, 99–170, here 142). 8 The term ‫ אחזה‬can also refer to a temporary settlement or one outside of the promised land. For example, the settlement of Jacob’s family in Egypt is described using the verb ‫אחז‬ (Gen 47:27), which means “to grasp, hold on to” in contrast to the meaning “to inherit, possess” of the verb ‫נחל‬. In Deuteronomy, the land of Israel is always referred to as ‫נחלה‬, and in the Holiness Code it is always referred to as ‫( אחזה‬on this, see J. Milgrom, Leviticus 17–22 [AB 3A], New York 2000, 2172–2173). In P and in other Priestly compositional strata, ‫ אחזה‬and ‫ נחלה‬both appear, sometimes even as ‫( אחזת נחלה‬Num 27:7). Within the Pentateuch, the term ‫מורשה‬ – which is largely synonymous with ‫נחלה‬ – is used once in a Priestly context (Exod 6:8). However, in contrast to ‫נחלה‬, the term ‫ אחזה‬refers to a permanent possession only with further qualification (e. g., ‫אחזת עולם‬, Gen 17:8; 48:4; ‫ אחזת אבתיו‬in Lev 25:41; ‫ אחזת יהוה‬in Josh 22:19). According to the Priestly perspective of the Holiness Code, every settlement is temporary and

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the promised land”. As will be seen in what follows, this shift in terminology from ‫ אחזה‬in the first speech to ‫ נחלה‬in the second is significant. Equally noteworthy is the fact that Moses does not accept the term ‫ נחלה‬for Transjordan. In his response (vv. 20–24), Moses corrects the two tribes’ second line of argumentation, mentioning three points: a) In response to the Reubenites’ and Gadites’ declaration of their solidarity with the remaining tribes (‫ואנחנו נחלץ חשים לפני בני ישראל‬, v. 17), Moses appeals to their responsibility to God (‫אם תחלצו לפני יהוה למלחמה‬, v. 20). Whereas the two tribes refer to the ‫ נחלה‬of the ‫ בני ישראל‬in their second speech (vv. 16–19), in his response (vv. 20–24) Moses speaks of their responsibility “before YHVH” (‫לפני‬ ‫[ יהוה‬4x], with two further references to ‫ )יהוה‬and of “war” (‫)מלחמה‬. In Moses’ words, this war is no longer simply a war of conquest for the ‫ בני ישראל‬but God’s war with his enemies (‫ועבר לכם כל חלוץ את הירדן לפני יהוה עד הורישו את איביו מפניו‬, v. 21). Now, the two tribes’ responsibility before God is mentioned first and their solidarity with Israel follows: ‫ונכבשה הארץ לפני יהוה ואחר תשבו והייתם נקיים מיהוה‬ ‫( ומישראל והיתה הארץ הזאת לכם לאחזה לפני יהוה‬v. 22). In their third speech (vv. 25– 27), the two tribes correct their wording according to these new priorities:‫ועבדיך‬ ‫( יעברו כל חלוץ צבא לפני יהוה למלחמה כאשר אדני דבר‬v. 27). b) Moses rejects the two tribes’ attempt to refer to Transjordan as ‫ נחלה‬and continues to describe it as ‫( אחזה‬v. 22). c) In their second speech, the two tribes continue to refer first to cattle and then to their children (‫גדרת צאן נבנה למקננו פה וערים לטפנו‬, v. 16), while Moses inverts this order: ‫( בנו לכם ערים לטפכם וגדרת לצנאכם‬v. 24). In their third speech (vv. 25–27), the two tribes seem to accept Moses’ prioritization (here they also refer to their wives for the first time, also before the cattle): ‫טפנו נשינו מקננו וכל‬ ‫( בהמתנו יהיו שם‬v. 26). In his third and final speech (vv. 28–30), Moses concludes the negotiation, continuing to refer to Transjordan as ‫( אחזה‬v. 29). In their fourth speech (vv. 31–32), the two tribes agree to Moses’ instructions (‫את אשר דבר יהוה אל עבדיך כן נעשה‬, v. 31).9 Nevertheless, they try to retain their own terminology – by way of a compromise – by referring to their land through a combination of both terms: ‫נחנו נעבר חלוצים לפני יהוה ארץ כנען ואתנו אחזת נחלתנ ​ו‬ ‫( מעבר לירדן‬v. 32).10 is not based in the actual ownership of the land, since the land belongs to God and the Israelites are considered “aliens and tenants” in their land (Lev 25:23; see M. Bauks, Die Begriffe ‫מֹוָרׁשָה‬ und ‫ ֲא ֻחּז ָה‬in Pg: Überlegungen zur Landkonzeption der Priestergrundschrift, ZAW 116 [2004] 171–188, here 174–181). The author of Num 32 is familiar with the Deuteronomic term ‫ נחלה‬as well as the Priestly term ‫ אחזה‬and makes use of their semantic differences.  9 Whereas in Num 32:25 the two tribes promise to do what Moses asks of them, in v. 31 they vow to do what God tells them. This fits with the development mentioned above in which the two tribes’ responsibility toward God takes on increasing importance in Moses’ negotiations with them. Although God does not intervene during the negotiations, the two tribes regard Moses’ words as God’s word in v. 31. 10 Cf. Num 27:7.

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II. Deut 3:18–20 Compared to Num 32:1–33 1. The Borders of the Promised Land according to D and P In Deut 1–3 and other Deuteronomic and Deuteronomistic texts, the idea that Transjordan is part of the promised land predominates and is expressed in different ways: a) The description of the borders of the promised land in Deut 11:24 evidently includes Transjordan. A parallel description is found in Josh 1:4, and the same idea seems to be expressed in Gen 15:18 as well. In contrast to this, the Priestly text in Num 34:3–12 does not include Transjordan within the borders of the promised land. b) In Deut 2:24–25, the crossing of the Arnon marks the beginning of the conquest of the promised land.11 In contrast, elsewhere it is always the crossing of the Jordan that represents the beginning of the conquest (Deut 11:31; cf. Num 33:51; 35:10; Deut 2:29; 3:25, 27; 4:21, 26 and passim).12 c) Deut 1–3 differentiates terminologically between areas that are part of the promised land and which the Israelites are instructed to conquer and those that are not part of the promised land and which the Israelites are either not instructed to conquer or are even forbidden from doing so. See, e. g., Deut 1:8 (instructions to conquer): ‫ראה נתתי לפניכם את הארץ באו ורשו את הארץ אשר נשבע יהוה לאבתיכם לאברהם‬ ‫ליצחק וליעקב לתת להם ולזרעם אחריהם‬

and 1:21: ‫ראה נתן יהוה אלהיך לפניך את הארץ עלה רש כאשר דבר יהוה אלהי אבתיך לך‬

In contrast, see Deut 2:4–5, 8–9, 19 (prohibition from conquering): ‫ […] אתם עברים בגבול אחיכם בני עשו הישבים בשעיר וייראו מכם ונשמרתם מאד‬4 ‫ אל תתגרו בם כי לא אתן לכם מארצם […] כי ירשה לעשו נתתי את הר שעיר‬5 ‫ […] ונפן ונעבר דרך מדבר מואב‬8 ‫ ויאמר יהוה אלי אל תצר את מואב ואל תתגר בם‬9 ‫ מלחמה כי לא אתן לך מארצו ירשה כי לבני לוט נתתי את ער ירשה‬ ‫ וקרבת מול בני עמון אל תצרם ואל תתגר בם כי לא אתן מארץ בני עמון לך ירשה‬19 ‫ כי לבני לוט נתתיה ירשה‬

11 Here, the conquest of the promised land begins under Moses. This accords with the view that appears occasionally in Deuteronomy in which Moses is not forbidden from entering the promised land and instead dies of old age after the conquest of Transjordan (Deut 31:2). 12 According to this view, Moses is forbidden from entering the promised land on account of his (Num 19:12; 27:14) or Israel’s (Deut 1:37; 3:26; 4:21) sins.

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In this way, Transjordan is described explicitly as part of the promised land (2:24):13 ‫[…] ראה נתתי בידך את סיחן מלך חשבון האמרי ואת ארצו החל רש והתגר בו מלחמה‬

In contrast, in Num 32, Transjordan is not regarded as an original part of the promised land. The initiative to take possession of Transjordan, which is suitable for the Reubenites’ and Gadites’ livestock, comes from these two tribes and is initially criticized strongly by Moses. The two tribes are allowed to take possession of it and settle in it only after several rounds of negotiation with Moses, in which they commit to participating in the conquest of the promised land to the west of the Jordan.14 2. The Status of Transjordan in Deut 3:18–20 Upon first glance, Deut 3:18–20 seems to be a brief summary of Num 32:1–33. The contents and language of this short text indicate that it is dependent upon Num 32.15 The commonalities between the two texts can be seen in the following synoptic overview: Num 32

‫ ואנחנו נחלץ חשים‬17 ‫לפני בני ישראל‬ ‫ טפנו נשינו מקננו וכל בהמתנו‬26 ‫ ומקנה רב היה לבני ראובן ולבני גד‬1

Deut 3 ‫ ואצו אתכם בעת ההוא לאמר יהוה אלהיכם‬18 ‫נתן לכם את הארץ הזאת‬ ‫לרשתה‬ ‫חלוצים תעברו‬ ‫לפני אחיכם בני ישראל כל בני חיל‬ ‫ רק נשיכם וטפכם ומקנכם‬19 ‫ידעתי כי מקנה רב לכם‬

13 On the tension between this verse and the secondary vv. 26–31, see S.  Gesundheit, Midrash-Exegesis in the Service of Literary Criticism, in: C. Berner / H. Samuel (eds.), The Reception of Biblical War Legislation in Narrative Contexts (BZAW 460), Berlin 2015, 73–86. 14 In the fulfillment report of this commitment in Josh 22, Transjordan is even described as ‫( טמאה‬v. 19). 15  See, e. g., J. Hempel, Die Schichten des Deuteronomiums: Ein Beitrag zur israelitischen Literatur‑ und Rechtsgeschichte (Beiträge zur Kultur‑ und Universalgeschichte 33), Leipzig 1914, 66–67; A. D. H.  Mayes, Deuteronomy: Based on the Revised Standard Version (New Century Bible Commentary), Grand Rapids 1981, 146–147; M. Weinfeld, Deuteronomy 1–11 (AB 5), New York 1991, 189. Schmidt, Ansiedlung, 508 and R. Heckl, Moses Vermächtnis: Kohärenz, literarische Intention und Funktion von Dtn 1–3 (ABG 9), Leipzig 2004, 427–428, also regard Deut 3:18–20 as dependent upon the most basic material in Num 32. Other scholars, however, assume the opposite direction of dependence: J. Van Seters, The Life of Moses: The Yahwist as Historian in Exodus–Numbers, Louisville 1994, 436 ff.; E. Otto, Deuteronomium 1–11. Erster Teilband: 1,1–4,43 (HThKAT), Freiburg i. Br. 2012, 94–109; Achenbach, Vollendung, 369–388. Likewise, T. Veijola, Das fünfte Buch Mose: Kapitel 1,1–16,17 (ATD 8,1), Göttingen 2004, 84, regards Num 32 as dependent upon Deut 3:18, 19aαb, 20 and Josh 1:12–15, while J. J. Krause, Exodus und Eisodus: Komposition und Theologie von Josua 1–5 (VT.S 161), Leiden / Boston 2014, 117, regards both texts as derived from a common tradition.

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Num 32 ‫יהיו שם בערי הגלעד‬ ‫וישב טפנו בערי המבצר מפני‬ ‫ישבי הארץ‬ ‫עד אשר אם הביאנם אל מקומם‬ ‫עד התנחל בני ישראל איש נחלתו‬ ‫עד הורישו את איביו מפניו‬ ‫ונכבשה הארץ לפני יהוה‬

Deut 3 26 17 17 18 21 22

‫ואחר תשבו… והיתה הארץ הזאת לכם‬ ‫לאחזה לפני יהוה‬

‫ישבו בעריכם אשר נתתי לכם‬ ‫ עד אשר יניח יהוה לאחיכם ככם‬20

‫וירשו גם הם את הארץ אשר יהוה‬ ‫אלהיכם נתן להם בעבר הירדן‬ ‫ושבתם איש לירשתו אשר נתתי לכם‬

Upon closer investigation, however, it becomes clear that the Deuteronomic/ Deuteronomistic text is a tendentious summary of the narrative in Num 32. Moreover, there is no indication in Deut 3:18–20 that these verses are the result of a lengthy and difficult negotiation between the two tribes and Moses. There is also no indication that the initiative to take possession of Transjordan came from those tribes, who coveted its pastureland on account of their large stock of cattle. What is more, the words ‫( ידעתי כי מקנה רב לכם‬v. 19) suggest that Moses initiated the conquest of Transjordan and allotted the land to the two and one-half tribes of his own accord. Here, the keyword ‫ מקנה רב‬is taken up from Num 32:1–5. Yet whereas in Deut 3:19 it clearly serves as a justification for Moses’ decision to allot the land of Transjordan, in Num 32:1–5 it is used by the Reubenites and Gadites as an argument in their request for a possession in Transjordan. Thus, Deut 3:18–20 also omits Moses’ initial opposition that is described in detail in Num 32:6 (7–15).16 3. ‫ ירש‬- ‫ נחל‬- ‫אחז‬ As was discussed above, in Num 32 Moses uses only the noun ‫ אחזה‬and the verb ‫ אחז‬in all four rounds of negotiation over the possession of Transjordan. In contrast, the Reubenites and Gadites also refer to Transjordan as ‫ נחלה‬in order to place it on par with the land to the west of the Jordan and thereby to express the legitimacy of their claim to taking possession of it. No traces of this terminological tension remain in Deut 3:18–20. Rather, in line with the borders of the promised land found elsewhere in Deuteronomy, Transjordan is described as a legitimate possession. This explains the text’s intentional divergences from its Vorlage in Num 32, which are indicated with solid underlining in the following comparison:

16 On

the secondary nature of Num 32:7–15, see fn. 5.

The Comparison of Innerbiblical Parallels

Num 32

117

Deut 3

‫נחנו נעבר חלוצים‬ ‫לפני יהוה‬ ‫טפנו נשינו מקננו וכל בהמתנו‬ ‫ומקנה רב היה לבני ראובן ולבני גד‬ ‫יהיו שם בערי הגלעד‬ ‫וישב טפנו בערי המבצר מפני ישבי‬ ‫הארץ‬ ‫עד אשר אם הביאנם אל מקומם‬ ‫עד התנחל בני ישראל איש נחלתו‬ ‫עד הורישו את איביו מפניו‬ ‫ונכבשה הארץ לפני יהוה‬

32 26 1 26 17 17 18 21 22

‫ואחר תשבו […] והיתה הארץ הזאת לכם‬ ‫לאחזה לפני יהוה‬

‫ ואצו אתכם בעת ההוא לאמר‬18 ‫יהוה אלהיכם נתן לכם את הארץ הזאת‬ 17 ‫לרשתה‬ ‫חלוצים תעברו‬ ‫לפני אחיכם בני ישראל כל בני חיל‬ ‫ רק נשיכם וטפכם ומקנכם‬19 ‫ידעתי כי מקנה רב לכם‬ ‫ישבו בעריכם אשר נתתי לכם‬ ‫ עד אשר יניח יהוה לאחיכם ככם‬20

‫וירשו גם הם את הארץ אשר יהוה‬ ‫אלהיכם נתן להם בעבר הירדן‬ ‫ושבתם איש‬ ‫לירשתו אשר נתתי לכם‬

While all of the divergences indicated by solid underlining aim to depict Transjordan as the legitimate ‫ ירשה‬of the promised land and to insist on the equivalence of this ‫ ירשה‬with that of the remaining tribes, the divergence in v. 18 (indicated by dashed underlining) expresses a different but related aim: The Deuteronomic/Deuteronomistic text draws on terminology from the second round of negotiation in Num 32 (v. 17) and not from the last round (v. 32). Num 32

Deut 3 ‫ ואנחנו נחלץ חשים‬17 ‫לפני בני ישראל‬

‫ חלוצים תעברו‬18 ‫לפני אחיכם בני ישראל כל בני חיל‬

This is all the more surprising given that Deut 3 purports to quote Moses directly. The Deuteronomic/Deuteronomistic text may prefer the expression ‫לפני‬ ‫( בני ישראל‬Num 32:17) over ‫( לפני יהוה‬Num 32:32) in order to avoid mentioning Moses’ criticism of the two tribes and his refusal to recognize Transjordan as part of the promised land. Essentially, Moses’ criticism is that the two tribes’ desire to settle in Transjordan is a sin against God that is comparable to the cardinal sin of the spies, who “discourage[d] the hearts of the Israelites from going over

17 Cf.

Deut 29:7: ‫ונקח את ארצם ונתנה לנחלה לראובני ולגדי ולחצי שבט המנשי‬.

118

Shimon Gesundheit

into the land that YHVH has given them” (Num 32:7).18 Thus, Moses’ criticism in Num 32 repeatedly emphasizes the two tribes’ responsibility toward God, who is giving the promised land (to the west of the Jordan) as an inheritance: ‫ויאמר משה לבני גד ולבני ראובן האחיכם יבאו למלחמה ואתם תשבו פה‬ ‫ולמה תנואון [תניאון] את לב בני ישראל מעבר אל הארץ אשר נתן להם יהוה‬ ‫כה עשו אבתיכם בשלחי אתם מקדש ברנע לראות את הארץ‬ ‫ויעלו עד נחל אשכול ויראו את הארץ ויניאו את לב בני ישראל לבלתי בא‬ ‫אל הארץ אשר נתן להם יהוה‬ ‫ויחר אף יהוה ביום ההוא וישבע לאמר‬ ‫אם יראו האנשים העלים ממצרים מבן עשרים שנה ומעלה את האדמה‬ ‫אשר נשבעתי לאברהם ליצחק וליעקב כי לא מלאו אחרי‬ ‫בלתי כלב בן יפנה הקנזי ויהושע בן נון כי מלאו אחרי יהוה‬ ‫ויחר אף יהוה בישראל וינעם במדבר ארבעים שנה עד תם כל הדור העשה הרע‬ ‫בעיני יהוה‬ ‫והנה קמתם תחת אבתיכם תרבות אנשים חטאים לספות עוד על חרון אף יהוה אל ישראל‬ ‫כי תשובן מאחריו ויסף עוד להניחו במדבר ושחתם לכל העם הזה‬

6 7 8 9



1 0 11



1 2 13

1 4 15

Although the two tribes are prepared to make a concession after Moses’ intervention and to commit to the remaining tribes to take part in the conquest of the promised land, Moses corrects them further, although this time he does not emphasize solidarity toward the other tribes (solid underlining) but instead the two tribes’ responsibility toward God (dashed underlining): ]…[ ‫ ואנחנו נחלץ חשים לפני בני ישראל עד אשר אם הביאנם אל מקומם‬17 ‫ לא נשוב אל בתינו עד התנחל בני ישראל איש נחלתו‬18 ]…[ 19 ‫ ויאמר אליהם משה אם תעשון את הדבר הזה אם תחלצו לפני יהוה למלחמה‬20 ‫ ועבר לכם כל חלוץ את הירדן לפני יהוה עד הורישו את איביו מפניו‬21 ‫ ונכבשה הארץ לפני יהוה ואחר תשבו והייתם נקיים מיהוה ומישראל‬22 ‫והיתה הארץ הזאת לכם לאחזה לפני יהוה‬ ‫ ואם לא תעשון כן הנה חטאתם ליהוה ודעו חטאתכם אשר תמצא אתכם‬23

As already noted, Deut 3:18–20 avoids any mention that the two tribes’ settlement in Transjordan could pose a religious problem or that Moses does not regard Transjordan as part of the land promised by God as in Num 32. Instead, in line with Deuteronomic/Deuteronomistic tradition, the author of Deut 3:18–20 regards Transjordan as an integral part of the promised land. Thus, for this author there is no reason to recall the two tribes’ responsibility toward God (‫לפני‬ ‫ )יהוה‬to take part in the conquest of Canaan in order not to “discourage the hearts of the Israelites from going over into the land that YHVH has given them” (Num 32:7). For him, only the two tribes’ solidarity toward the remaining tribes (‫לפני‬ ‫ )אחיכם בני ישראל‬is important. In Deut 3:18–20, however, this is not in question, such that all of the issues that are debated in Num 32 are avoided. 18 This criticism is developed in detail in the likely secondary vv. 7–15 (see fn. 5 above), although it is also expressed in Moses’ response in vv. 20–23.

The Comparison of Innerbiblical Parallels

119

4. Literary Style: ‫– יהוה אלהיכם‬ ‫יהוה‬ It should also be noted that despite the use of Num 32 as a literary Vorlage, the language of Deut 3:18–20 has been aligned with Deuteronomic/Deuteronomistic style. Thus, the divine name ‫ יהוה‬alone has been replaced by the expression ‫יהוה‬ ‫אלהיכם‬: Num 32

]…[ ‫עד אשר‬ ]…[ ‫עד‬ ‫עד הורישו את איביו מפניו‬ ‫נכבשה הארץ‬ ‫לפני יהוה‬ ‫ואחר תשבו […] והיתה הארץ הזאת לכם‬ ‫לאחזה לפני יהוה‬

Deut 3

17 18 21 22

‫ יהוה אלהיכם נתן לכם את הארץ הזאת‬18 ]…[ ‫לרשתה‬ ‫ עד אשר יניח יהוה לאחיכם ככם‬20

‫וירשו גם הם את הארץ‬ ]…[ ‫אשר יהוה אלהיכם נתן‬ ‫ושבתם איש‬ ‫לירשתו אשר נתתי לכם‬

Equally notable is this author’s decision to use the Deuteronomic/Deuteronomistic formula ‫( עד אשר יניח יהוה ל‬v. 20).19 This expression fits well with the content of Deut 3:18–20, according to which Transjordan is just as much a part of the promised land as the land to the west of the Jordan. It is the gift of God, who promises rest (‫ )יניח יהוה‬following conquest.20 God guarantees a successful conquest and is thus also responsible for giving rest. In Deut 3:20 there is no reference to the two tribes taking part in the conquest of the land to the west of the Jordan “before YHVH” as a condition for settling in Transjordan (cf. Num 32:2: ‫)ונכבשה הארץ לפני יהוה ואחר תשבו […] והיתה הארץ הזאת לכם לאחזה לפני יהוה‬. 5. Deut 3:18–20 in Context Deut 3:18–20 is introduced as a retrospective of prior events through the expression ‫בעת ההוא‬.21 The speech in these three verses is clearly directed at the tribes 19 Cf.

Deut 12:10; 25:19; Josh 21:44; 23:1; 2 Sam 7:1, 11; 1 Kgs 5:18. also the parallel use of ‫ מנוחה‬and ‫ נחלה‬in Deut 12:9. 21 J. G.  Plöger, Literarkritische, formgeschichtliche und stilkritische Untersuchungen zum Deuteronomium (BBB 26), Bonn 1967, 218–225, showed convincingly that the formula ‫בעת‬ ‫ ההוא‬introduces secondary additions (see already Hempel, Schichten, 118–119). Plöger notes: “Am häufigsten steht er [sc. der Ausdruck] im dtr Geschichtswerk. Die Verbindung mit dem Vorhergehenden ist meist lose (Dt 1,9 3,18 3,23 Jos 6,26 11,10 11,21 u. ö.). Daraus ergibt sich ein wichtiger Hinweis für die Textanalyse. ‫ בעת ההוא‬wird zum Signal. Jedoch darf dieses Mittel zur analytischen Entflechtung nur in Verbindung mit anderen Gründen angewandt werden, weil es nicht immer und darum nicht absolut sicher auf literarische Komposition oder Texterweiterung hindeutet.“ (Plöger, Untersuchungen, 223). Indeed, within Deut 1–3, Deut 1:9–15, 16–18; 2:33–37; 3:4–7, 8–11, 12–17, 18–22, 23–28 – all of which are introduced with the formula ‫בעת‬ ‫ההוא‬ – can be evaluated as later additions on other grounds. The original continuation of 3:3 is thus 3:29, which is supported by both terminological and thematic considerations. 20 See

120

Shimon Gesundheit

of Reuben, Gad, and half-Manasseh, although they are not explicitly mentioned in v. 18a. Rather, a pronoun is used (‫)ואצו אתכם‬. Thus, the author moves directly from Moses’ speech to the entire people to a speech to the two and one-half tribes referred to in the third person in Deut 3:12–17 (also introduced by ‫)בעת ההוא‬. The retrospective in Deut 3:18–20 builds upon vv. 12–17. Whereas in vv. 12– 17 there is no link back to Num 32, vv. 18–20 seek to establish this missing link. In particular, the commitment of the two and one-half tribes to take part in the conquest of Canaan to the west of the Jordan is mentioned explicitly. The fulfillment of this commitment is described in detail in Josh 1:11–18; 4:12–13; 22:1–9. Yet, as has been shown above, the reference to Num 32 in Deut 3:18–20 cannot be regarded as simple literary dependence and the use of the same theological concepts. Rather, Deut 3:18–20 reflects a conscious alignment with its Deuteronomic/Deuteronomistic context and a shift in theological Tendenz.

III. Diachronic Analysis of Deut 3:18–20 and Comparison with Josh 1:12–15 The transition from v. 19 to v. 20 contains a problem in terms of content: The idea that leaving behind women, children, and cattle for a limited amount of time “until YHVH gives rest to your kindred, as to you, and they too have occupied the land that YHVH your God is giving them beyond the Jordan” (v. 20) does not make sense. In reality, the temporal limitation does not relate to leaving behind women, children, and cattle, but to the recruiting of the men who will take part in the conquest by the remaining tribes (“then each of you may return to the property that I have given you,” v. 20).22 In other words, the original continuation of v. 18 is found in v. 20, while v. 19 is a later insertion that disrupts its surrounding context. Likewise, the words ‫ ידעתי כי מקנה רב לכם‬in v. 19 can also be evaluated as a parenthetical statement on syntactic grounds, whether inserted secondarily or intended as a side comment by the narrator from the outset. The link back to Num 32 was also strengthened by these insertions, aligning the Deuteronomic/ Deuteronomistic report with the narrative in Numbers. Evidently, the scribes who added the various materials in v. 19 were bothered by the original absence of certain elements from the negotiations in Num 32 and sought to eliminate this tension. This diachronic analysis is supported by the comparison with the parallel text in Josh 1:12–15:

22 Thus,

there is no mention of women, children, and livestock in v. 20.

The Comparison of Innerbiblical Parallels

Josh 1:12–15 ‫ ולראובני ולגדי ולחצי שבט המנשה‬12 ‫אמר יהושע לאמר‬ ‫ זכור את הדבר אשר‬13 ‫צוה אתכם משה עבד יהוה לאמר‬ ‫יהוה אלהיכם מניח לכם ונתן לכם את הארץ‬ ‫הזאת‬ ‫ נשיכם טפכם ומקניכם‬14 ‫ישבו בארץ אשר נתן לכם משה‬ ‫בעבר הירדן‬ ‫ואתם תעברו חמשים לפני אחיכם‬ ‫כל גבורי החיל ועזרתם אותם‬ ‫ עד אשר יניח יהוה לאחיכם ככם‬15 ‫וירשו גם המה את הארץ אשר יהוה‬ ‫אלהיכם נתן להם‬ ‫ושבתם לארץ ירשתכם וירשתם אותה‬ ‫אשר נתן לכם משה עבד יהוה‬ ‫בעבר הירדן מזרח השמש‬

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Deut 3:12–22

‫ ואצו אתכם בעת ההוא לאמר‬18 ‫חלוצים תעברו לפני אחיכם בני ישראל כל‬ ‫בני חיל‬ ‫ רק נשיכם וטפכם ומקנכם‬19 ‫ידעתי כי מקנה רב לכם‬ ‫ישבו בעריכם אשר נתתי לכם‬

‫ עד אשר יניח יהוה לאחיכם ככם‬20 ‫וירשו גם הם את הארץ אשר יהוה‬ ‫אלהיכם נתן להם‬ 23‫בעבר הירדן‬ ‫ושבתם איש לירשתו‬ ‫אשר נתתי לכם‬

The author of Josh 1:12–15 evidently also regarded the interruption of the original connection between Deut 3:18 and 3:20 as a textual problem. In order to smooth out the text, he rearranged the verses, inadvertently coming very close to reconstructing the original sequence. In this reformulation, the temporal limitation is once again in a logical context (“But all the warriors among you shall cross over armed before your kindred and shall help them, until YHVH gives rest to your kindred as well as to you […],” vv. 14–15). The author of Josh 1:12–15 thus created a new sentence structure that resulted in a more logical text. Instead of beginning with the general statement as in Deut 3:18 (“all your troops shall cross over armed as the vanguard of your Israelite kin”) and then having to qualify it in the following verse (“Only your wives, your children, and your livestock […] shall stay behind in the towns that I have given to you”), the author of Josh 1:12–15 begins by referring to the settlement of women, children, and livestock (v. 14) and then refers to the recruitment of the men through the use of a waw oppositionis, adding the pronoun and inverting the order of the subject and predicate (instead

23 Whereas in Deut 3:20 the expression “beyond the Jordan” refers to the land to the west of the Jordan (in line with the setting of the narrative), the same expression in Josh 1:14–15 – evidently reflecting the author’s late perspective – refers to the eastern side of the Jordan. Correspondingly, this author omitted the expression “beyond the Jordan” from his Vorlage in Deut 3:20, which can only refer to the western side of the Jordan, although he added it in Josh 1:14–15 with reference to the land to the east of the Jordan.

122

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of ‫ חלוצים תעברו לפני אחיכם‬as in Deut 3:18, the author of Josh 1:14 writes: ‫ואתם‬ ‫)תעברו חמשים לפני אחיכם‬. In the reworked form of Josh 1, the main section (vv. 14–15) also connects seamlessly to the introduction (v. 13). Whereas in Deut 3 the logic of the transition from the introduction (v. 18a) to the first clause (v. 18b) is unclear, the coherence of the parallel text in Josh 1 is immediately evident and was further strengthened by replacing the word ‫ בעריכם‬from the Vorlage in Deut 3 with ‫בארץ‬, creating a terminological link with the first clause: ‫ […] יהוה אלהיכם מניח לכם ונתן לכם את הארץ הזאת‬13 ]…[ ‫ נשיכם טפכם ומקניכם ישבו בארץ אשר נתן לכם משה‬14

In addition, the author of Josh 1 mentions the addressees explicitly in v. 12 (“To the Reubenites, the Gadites, and the half-tribe of Manasseh Joshua said […]”), while the absence of such a reference in Deut 3 is problematic. The clause ‫( ידעתי כי מקנה רב לכם‬Deut 3:19) has no equivalent in Josh 1. It is possible that the author intentionally omitted such a statement found in his Vorlage. However, since a similar phrase is used elsewhere,24 it cannot be ruled out that these words were not yet part of the text that lay before the author of Josh 1:12–15.

IV. Conclusion Whenever parallel texts are found, they should be compared with each other in all of their details. This applies both to the synchronic interpretation of the received text and to the diachronic analysis of its earlier literary stages. The exegetical potential of such comparison has been illustrated here through a topic found in three interconnected parallel texts. The comparisons carried out resulted in surprisingly new observations and conclusions that diverge from those of other recent research. The question of literary dependence between parallel texts and the possibility of determining the direction of such dependence should not be ruled out from the outset through the assumption of a common tradition. The problem with doing so is that such an assumption brings another completely hypothetical element into play, namely, the existence of an oral or written tradition upon which two or more textual parallels depend. Such speculation can only help to explain the striking similarities between the texts on a theoretical level but does not aid in the exegesis of the texts, since in such cases the peculiarities and di-

24 In line with Moses’ surrounding speech, the verb ‫ ידעתי‬in the clause ‫ידעתי כי מקנה רב לכם‬ (Deut 3:19) appears in the first person and should have been changed to a third-person verb or omitted by the Deuteronomistic author of Josh 1.

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vergences between the texts are usually not analyzed further.25 The question of whether two or more texts are literarily dependent (and the direction of dependence) can only be determined by a detailed comparison of the texts. 1. The Synchronic Exegesis of the Received Text of Num 32:1–33 The narrative in Num 32 contains a number of almost verbatim repetitions, which has led literary critics to conclude that it is not a compositional unity. It seems that its literary development was quite complex. Thus far, no consensus has been reached on this question, even in terms of a general compositional model.26 This study has attempted to compare the numerous repetitions during the four rounds of negotiation between Moses and the two tribes – almost as parallel texts – and to use this comparison in the synchronic interpretation of the received text. 2. The Comparison of Num 32:1–33 with Deut 3:18–20 The comparison of Num 32:1–33 with its parallel in Deut 3:18–20 has shown that although the Deuteronomistic author of the latter passage made use of Num 32, he clearly diverged from its original theological aims in order to express his own perspective. This observation also differs from the approach of recent studies that do not regard Deut 3:18–20 as dependent upon Num 32 but instead propose a common tradition underlying both texts and attribute their verbatim correspondences to a Deuteronomistic reworking in Num 32.27 25 An example of how the assumption of a common tradition long hindered the detailed study of two parallel texts can be found in the case of the parallel festival calendars in Exod 23:14–19 and Exod 34:18–26. As long as Exod 34:18–26 was ascribed to J and Exod 23:14–19 to E, the many similarities between these texts were attributed to the putative common tradition underlying J and E. However, with only a few exceptions (see the references in S. Gesundheit, Three Times a Year: Studies on Festival Legislation in the Pentateuch [FAT 82], Tübingen 2012, 13 fn. 4), the differences between the two festival calendars were not given sufficient attention. Only a detailed comparison of the two texts could demonstrate the literary dependence of the festival calendar in Exod 34:18–26 upon Exod 23:14–19 and show that Exod 34:18–26, which was previously regarded as the older text, is a late reformulation and inner-biblical midrash of Exod 23:14–19; see S. Gesundheit [= S. Bar-On], The Festival Calendars in Exodus XXIII 14–19 and XXXIV 18–26, VT 48 (1998) 161–195; see also E. Blum, Das sog. “Privilegrecht” in Exodus 34,11–26: Ein Fixpunkt der Komposition des Exodusbuches?, in: M.  Vervenne (ed.), Studies in the Book of Exodus: Redaction  – Reception  – Interpretation (BEThL 126), Leuven 1996, 347–366; D. M.  Carr, Method in Determination of Direction of Dependence: An Empirical Test of Criteria Applied to Exodus 34,11–26 and Its Parallels, in: M. Köckert / E. Blum (eds.), Gottes Volk am Sinai: Untersuchungen zu Ex 32–34 und Dtn 9–10 (VWGTh 18), Gütersloh 2001, 107–140; M. Köckert, Wie kam das Gesetz an den Sinai?, in: C. Bultmann / W.  Dietrich / C.  Levin (eds.), Vergegenwärtigung des Alten Testaments: Beiträge zur biblischen Hermeneutik, FS R. Smend, Göttingen 2002, 13–27. 26 See the overview of research in fn. 1 above. 27 Krause, Exodus und Eisodus, 112.

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3. The Comparison of Deut 3:18–20 and Josh 1:12–15 as a Control for the Diachronic Analysis The comparison of Deut 3:18–20 and Josh 1:12–15 supports the diachronic analysis of Deut 3:18–20 and shows that the tensions noted in this passage were also perceived by the author of Josh 1, who – despite the extensive dependence upon his Vorlage – rearranged the text and in doing so came quite close to an earlier form of Deut 3 as proposed in the diachronic analysis. In such cases, the biblical authors’ awareness of such textual inconsistencies can support the conclusions of literary critics, indicating that the problems raised in a diachronic analysis of the text are not simply subjective and can indeed point to the reworking of an earlier form of the text. Last but not least, this study has sought to show that biblical exegesis calls for two methodological approaches – a synchronic reading of the received text and a diachronic analysis of its development – which should be used in tandem in order to determine mutual dependence and as a check against each other.

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Die Erkennbarkeit intentionaler innerbiblischer Intertextualitätam Beispiel von Jeremia 26 und 36* Hermann-Josef Stipp I. Einführung Wie jegliche Zweige der Wissenschaft, so unterliegt auch die alttestamentliche Exegese dem Wellenspiel von Strömungen und Plausibilitätsstrukturen. Themen werden entdeckt und verbrauchen sich. Will ein Wissenschaftler Gehör finden und als aktuell gelten, empfiehlt es sich, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen und ihn zu beschleunigen, solange er noch in Schwung ist. Als ich in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts meine ersten Gehversuche in unserem Fach unternahm, bewies man seine Kompetenz und Zukunftsfähigkeit als Exeget, indem man in den untersuchten Texten möglichst viele Schichten entdeckte. Es war jene Phase, der später so schmeichelhafte Etiketten wie „Neo-Literarkritik“ oder „Literarkritische Brunstzeit“ angeheftet wurden. Da es weiterhin zunehmend angeraten war, allerorten die Spuren deuteronomistischer Hände bloßzulegen, brachen zudem die düsteren Jahre des „PanDeuteronomismus“ an. Als mit der Zeit verständlicher Überdruss die Oberhand gewann, schwang das Pendel in die Gegenrichtung, und man wandte sich der kanonischen Exegese zu: Jetzt zählten der Endtext und seine Interferenzen mit dem wie auch immer abgesteckten Kontext. Nachdem auch daran das Interesse ermattet war, demonstrierte man seine Sensibilität, indem man möglichst oft die Tora oder den Tempel zwischen den Zeilen hervorlugen sah. Und heute gehören die Erscheinungen der Intertextualität zu den angesagtesten Themen.1 Derlei Schwerpunktbildungen – manche sagen auch: Moden – bilden für den Fachbetrieb ein ambivalentes Phänomen. Einerseits lässt sich sämtlichen beispielhaft aufgezählten Gegenständen nicht ihr sachliches Recht absprechen: Eine Vielzahl unserer biblischen Perikopen ist in sich geschichtet; unter den theologischen Schulen aus alttestamentlicher Zeit haben die Deuteronomisten neben * Die vorliegende Untersuchung wurde während eines Forschungs‑ und Lehraufenthalts an der Universität Stellenbosch (Südafrika) im Februar/März 2018 erarbeitet. 1 Als Initialzündungen intertextueller Forschung in den Bibelwissenschaften in Buchform gelten gemeinhin die Arbeit von R. B.  Hays, Echoes of Scripture in the Letters of Paul, New Haven u. a. 1989, und der Sammelband von S. Draisma (Hg.), Intertextuality in Biblical Writings, FS B. van Iersel, Kampen 1989.

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den Priestern den nachhaltigsten Einfluss ausgeübt; die Erklärung des kanonisierten, schon immer im Gottesdienst und der privaten Bibellektüre gelesenen Endtextes steht im Pflichtenheft einer Exegese, die sich als Zweig jüdischer oder christlicher Theologie versteht; Heiligtümer spielten in der altisraelitischen Religion eine zentrale Rolle; die Tora gewann stetig an Bedeutung; und Intertextualität zählt zu den fundamentalen Ingredienzen der Textproduktion und ‑rezeption, oder genauer: der Sinnkonstitution überhaupt. Andererseits birgt die zeitweilige Privilegierung einzelner Themen durch einen informellen Prestigebonus für die damit befassten Forscher die Gefahr, Übertreibungen zu fördern. Wenn ich recht sehe, ist gerade in den Pionierphasen solcher Trends die Neigung zur Methodenreflexion wenig ausgeprägt; im Gegenteil ist man bestrebt, Beweisanforderungen möglichst abzusenken  – jedenfalls für sich selbst und den eigenen Freundeskreis. Weil viele dabei sein wollen, wo die Erschließung neuer oder wiederentdeckter Forschungsfelder eine reiche Ernte an Reputation verheißt, sollen methodische Skrupel nicht im Wege stehen. Dazu kommt der ewige Interessenkonflikt zwischen der Wissenschaft und den Wissenschaftlern, also zwischen dem Gebot der methodischen Strenge und dem Profilierungsdruck auf den Forschern. Freilich wird man einräumen müssen, dass eine gewisse methodische Freizügigkeit in experimentellen Phasen der Forschung wohl kaum zu vermeiden ist: Begibt man sich auf nur schwach kartiertes Terrain, müssen die Regeln des sachgerechten methodischen Vorgehens erst entwickelt werden. Methodenreflexion ist ein hochgradig retrospektives Unterfangen: Erst wenn sich im Wechselspiel von Versuch und Irrtum einigermaßen konsensfähige Hypothesen herausgeschält haben, kann man mit Aussicht auf belastbare Antworten fragen, auf welchen Wegen die überzeugenden Theorien gewonnen wurden. Methodenreflexion mag mitunter zum Gedankenexperiment aufgrund bisher anderweitig gesammelter Erfahrungen greifen, aber überwiegend ist sie damit beschäftigt, jene Prozeduren zu identifizieren, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, indem sie glaubhafte Thesen hervorbrachten. Auf die Dauer kommt jedoch keine Disziplin umhin, rückblickend die Spreu vom Weizen zu scheiden und im Zuge einer jederzeit revidierbaren Zwischenbilanz einstweilen gültige methodische Regeln zu formulieren. Angeregt von Erhard Blums Forderung nach einer „alttestamentliche[n] Exegetik im Sinne einer verstetigten Metareflexion des exegetischen Geschäfts“,2 soll die vorliegende Studie einen kleinen Beitrag zu einem aktuellen Teilgebiet leisten, nämlich zur sachgerechten Erschließung von Intertextualität im Alten 2 E. Blum, Notwendigkeit und Grenzen historischer Exegese. Plädoyer für eine alttestamentliche „Exegetik“ (2005), in: Ders., Grundfragen der historischen Exegese. Methodologische, philologische und hermeneutische Beiträge zum Alten Testament, hg. von W. Oswald und K. Weingart (FAT 95), Tübingen 2015, 1–29, hier 3.

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Testament.3 Es gilt also, mit Blum für den Bereich der Intertextualität „nach den ‚Bedingungen exegetischer Arbeit‘ zu fragen. Zu diesem Fragehorizont gehört die theoretische Reflexion und die Anleitung zu induktiven Kontrollen des ‚disziplinären Sprachspiels‘, wobei“ Blum „unter Letzterem die Gesamtheit derjenigen ‚Regeln‘ und Axiome versteh[t], denen eine anerkannte Kommunikation innerhalb des Faches folgt“.4 Über herkömmliche Methodenlehren hinaus sind mithin primär die expliziten und mehr noch die stillschweigenden Axiome (oder sollte man treffender von Dogmen reden?), die die exegetische Theoriebildung steuern, in die Reflexion zu heben und auf ihre Berechtigung zu prüfen. Für den Begriff der Intertextualität folge ich Ulrich Broich, der Intertextualität als „Bezug zwischen einem Text und anderen Texten“ definiert.5 Daher schließt der Terminus die i.F. zu behandelnde innerbiblische Anspielung ein. Mit Berufung auf jene Theoretiker, die das Konzept der Intertextualität entwickelt haben (v. a. Julia Kristeva, Michail Bachtin, Roland Barthes, Jacques Derrida und Michael Riffaterre), fordern jedoch manche Exegeten, den Ausdruck auf eine achrone bzw. ahistorische Analyse rezipientenseitiger Phänomene zu begrenzen. Dagegen fielen vom Verfasser strategisch eingesetzte Bezüge auf Kotexte in die Zuständigkeit der schon seit dem 18. Jahrhundert betriebenen Einfluss‑ bzw. Rezeptionsforschung und seien mit Termini wie Einfluss, Anspielung, innerbiblische Schriftauslegung u. a. zu belegen.6 Ein solches Postulat ergibt sich erst recht, wenn man die 3 Zur aktuellen Orientierung über den Theoriestand vgl. F. Berndt / L. Tonger-Erk, Intertextualität. Eine Einführung. Mit einer Auswahlbibliographie von Sebastian Meixner (Grundlagen der Germanistik 53), Berlin 2013; A. Ternès, Intertextualität. Der Text als Collage. Unter Mitarbeit von J. Haidinger, Wiesbaden 2016. Einführung aus exegetischer Warte: S. Seiler, Intertextualität, in: H. Utzschneider / E. Blum (Hg.), Lesarten der Bibel. Untersuchungen zu einer Theorie der Exegese des Alten Testaments, Stuttgart 2006, 275–293. Neuere Forschungsberichte zur biblischen Intertextualitätsforschung bieten G. D.  Miller, Intertextuality in Old Testament Research, CBR 9 (2011) 283–309; N. McKay, Status Update. The Many Faces of Intertextuality in New Testament Study, Religion and Theology 20 (2013) 84–106; S. Emadi, Intertextuality in New Testament Scholarship. Significance, Criteria, and the Art of Intertextual Reading, CBR 14 (2015) 8–23. Zu Jer: R. Liwak, Vierzig Jahre Forschung zum Jeremiabuch. IV. Intertextualität und Rezeption, ThR 77 (2012) 1–53. – Vgl. auch den rezenten Sammelband von Z. Zevit (Hg.), Subtle Citation, Allusion, and Translation in the Hebrew Bible, Sheffield / Bristol 2017. 4 Blum, Exegetik, 28. 5 U. Broich, Art. Intertextualität, in: H. Fricke u. a. (Hg.), Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 2: H–O. 3., neubearb. Aufl. Berlin 2000, 175–179, hier 175. Vgl. auch etwa M. Martinez, Art. Intertextualität, in: H. Brunner / R. Moritz (Hg.), Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik, 2., überarb. u. erw. Aufl. Berlin 2006, 177–178, hier 177: „Im weitesten Sinn umfaßt I[ntertextualität] alle Bezüge eines literarischen Textes auf andere literarische oder auch außerliterarische (Prä‑)Texte.“ 6 So etwa B. D.  Sommer, A Prophet Reads Scripture. Allusion in Isaiah 40–66, Stanford 1998, 6–10; Miller, Intertextuality, 305; D. M.  Carr, The Many Uses of Intertextuality in Biblical Studies. Actual and Potential, in: M. Nissinen (Hg.), Congress Volume Helsinki 2010 (VT.S 148), Leiden 2012, 505–535; R. L.  Meek, Intertextuality, Inner-Biblical Exegesis, and Inner-Biblical Allusion. The Ethics of a Methodology, Bib. 95 (2014) 280–291. S. ferner unten Anm. 14.  – Vgl. demgegenüber C. B.  Hays, Echoes of the Ancient Near East? Intertextuality and the Comparative Study of the Old Testament, in: J. R.  Wagner u. a. (Hg.), The Word

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Theorie der Intertextualität – bzw. deren Ausweitung auf sämtliche bedeutungstragenden Medien (Intermedialität)7 – untrennbar mit bestimmten Philosophemen des Poststrukturalismus verwoben sieht.8 So besehen, kann ein erweiterter Begriff von Intertextualität als bloße modische Umetikettierung rein traditioneller literaturwissenschaftlicher Verfahren erscheinen.9 Die verlangte terminologische Differenzierung hat sich jedoch einstweilen in der Exegese nicht durchgesetzt, noch entspricht sie der Praxis der deutschsprachigen Literaturwissenschaft.10 Die vorliegende Studie klassifiziert daher vom Autor bewusst generierte Bezüge auf sog. Intertexte als Dimension der Intertextualität, deren Analyse ferner nicht an ein poststrukturalistisches Credo gebunden ist.11

Ein typisches methodisches Problem intertextueller Studien ist etwa eine Taxonomie einschlägiger Phänomene vom Zitat über Anspielung, Anklang und Echo sowie unterschiedlich dichte Parallelen bis hin zu beliebigen Intertexten.12 Was Leaps the Gap, FS R. B. Hays, Grand Rapids / Cambridge 2008, 20–43, hier 26–35, der die vielfach erhobene Behauptung, die „klassische“ Theorie der Intertextualität habe Geschichte und auktoriale Intention als irrelevant abgetan, für ein Missverständnis hält.  7  Für ein bibelwissenschaftliches Beispiel solcher Studien vgl. etwa A. Wagner, Typological, Explicit, and Referential Intertextuality in Texts and Images of the Old Testament and Ancient Israel, in: M. Bauks (Hg.), Between Text and Text. The Hermeneutics of Intertextuality in Ancient Cultures and Their Afterlife in Medieval and Modern Times (Journal of Ancient Judaism Supplements 6), Göttingen 2013, 259–269.  8 So D. I.  Yoon, The Ideological Inception of Intertextuality and Its Dissonance in Current Biblical Studies, CBR 12 (2013) 58–76.  9 E. van Wolde, Trendy Intertextuality?, in: S. Draisma (Hg.), Intertextuality in Biblical Writings, FS B. van Iersel, Kampen 1989, 43–49, sieht Anlass, vor der Gefahr zu warnen, dass der Terminus Intertextualität lediglich als „a modern literary theoretical coat of veneer over the old comparative approach“ diene (43). 10  Dies dokumentieren nicht zuletzt die in Anm. 3 genannten Einführungen. Zum selben Ergebnis gelangt für die anglophone Literaturwissenschaft das Streiflicht (aus bibelwissenschaftlicher Warte) von W. Kynes, Intertextuality. Method and Theory in Job and Psalm 119, in: K. J.  Dell / P. M.  Joyce (Hg.), Biblical Interpretation and Method, FS J. Barton, Oxford 2013, 201–213, hier 204–206. – Die i.F. diskutierte Arbeit von H. Knobloch (s. Anm. 16) untersucht nach eigener Auskunft „Phänomene von Intratextualität und Intertextualität“ (12). 11 Ähnlich votiert beispielsweise W. Kynes, My Psalm Has Turned into Weeping. Job’s Dialogue with the Psalms (BZAW 437), Berlin 2012, 17–27. 12  Für Entwürfe solcher Taxonomien im Dienste der Bibelwissenschaften vgl. z. B. Sommer, Prophet, 10–31; C. R akel, Judit  – über Schönheit, Macht und Widerstand im Krieg. Eine feministisch-intertextuelle Lektüre (BZAW 334), Berlin 2003, 27–30; J. H.  Charlesworth, Towards a Taxonomy of Discerning Influence(s) between Two Texts, in: D. Sänger / M. Konradt (Hg.), Das Gesetz im frühen Judentum und im Neuen Testament. Festschrift für Christoph Burchard zum 75. Geburtstag (NTOA 57), Göttingen 2006, 41–54; L. C.  Stahlberg, Sustaining Fictions. Intertextuality, Midrash, Translation, and the Literary Afterlife of the Bible (LHB/OTS 486), New York 2008, 38–58; Kynes, Psalm, 30–33; J. J.  Krause, Exodus und Eisodus. Komposition und Theologie von Josua 1–5 (VT.S 161), Leiden / Boston 2014, 46–58. Ein Raster, das nach unterschiedlicher Wahrnehmbarkeit intertextueller Phänomene beim Hören und Lesen von Texten zu differenzieren sucht, entwirft C. Edenburg, Intertextuality, Literary Competence and the Question of Readership. Some Preliminary Observations, JSOT 35 (2010) 131–148. Eine besonders differenzierte Taxonomie intertextueller Bezüge, speziell zugeschnitten auf frühjüdische Literatur, bietet P. Alexander, A Typology of Intertextual Relations Based on the Manchester-Durham Typology of Anonymous and Pseudepigraphic Jewish Literature of Antiquity, in: M. Bauks (Hg.), Between Text and Text. The Hermeneutics of Intertextuality

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ferner die Effekte intertextueller Erscheinungen bei antiken Rezipienten angeht, sind Fragen zu klären wie etwa jene, wie ein wohldefiniertes Publikum zu einer gegebenen Zeit an einem bestimmten Ort den Ausgangskontext auffasste, welche Kenntnisse der literarischen Parallelen es besaß, welches Verständnis es ihnen beilegte und welche Konsequenzen es aus der Inbezugsetzung der betroffenen Texte ableitete. Naturgemäß lassen sich intertextuelle Bezüge nur zwischen Texten konstatieren, die uns bekannt sind. Diese Feststellung mag selbstverständlich klingen, ist aber trotzdem hervorzuheben, weil ihre Folgen, wie zu zeigen bleibt, nicht immer hinreichend bedacht werden. Denn wir können allenfalls in vagen Umrissen abschätzen, wie sich die auf uns gekommene altvorderorientalische Literatur zu der jeweils einem spezifischen Publikum in Israel bekannten Literatur verhielt.13 Die rezeptionsorientierte, achrone Frage nach den Effekten intertextueller Befunde bei einem gegebenen Publikum lässt sich immer stellen; dafür ist es gleichgültig, ob der Verfasser die betreffenden Phänomene planvoll oder unabsichtlich hervorgebracht hat. Im letzteren Fall können die Intertexte sogar jünger sein als der Ausgangstext und müssen nur dem Publikum, nicht aber dem Autor bekannt sein. Hier indes möchte ich einen Bereich behandeln, der traditionell zu den Hauptaufgaben der Exegese gehört und besonders weitreichende Folgen für die Auslegung zeitigt, aber auch besondere Schwierigkeiten aufwirft: die Behauptung intentionaler Intertextualität. Solche verfasser‑ bzw. produktionsorientierten Theorien sind erheblich spezifischer als Hypothesen, die auf das Postulat einer steuernden Intention verzichten. Denn sie räsonieren nicht nur darüber, was in den Köpfen möglicher Rezipienten vorgehen mochte, indem solche Thesen plausible Wirkungen von Texten per Interferenz mit Kotexten zu ermitteln trachten. Vielmehr suchen sie vor allem in den Kopf des Autors zu blicken, indem sie den Anspruch erheben, er habe willentlich ein intertextuelles Signal gesetzt, um damit das Verständnis seines Werkes bei seinen Adressaten in einer kontrollierten Weise zu lenken. Damit betreiben solche Thesen, was die Exegeten trotz aller kritischen Anfragen nach wie vor weit überwiegend zu ihrem Kerngeschäft zählen: die Suche nach der auktorialen Intention. Konkret geht es um die altbekannten literarischen Instrumente der Zitate, Formulierungsanleihen und Anspielungen, freilich in einer speziellen Zuspitzung: Es geht um exegetische Postulate, wonach ein Verfasser nicht im Klartext ausgesprochen habe, was er sagen wollte, um stattdessen das Augenmerk seines Publikums mittels intertextueller Techniken auf Verweisin Ancient Cultures and Their Afterlife in Medieval and Modern Times (Journal of Ancient Judaism Supplements 6), Göttingen 2013, 66–84. 13 Dies betont zu Recht Carr, Intertextuality, 520–522.529. So z. B. auch K.  Schmid, Literaturgeschichte des Alten Testaments. Eine Einführung, Darmstadt 2008, 26, der allerdings in seinen eigenen Arbeiten zur Intertextualität im Alten Testament aus dieser Tatsache kaum erkennbare Konsequenzen zieht.

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größen zu führen, in deren Licht die Rezipienten seine Intentionen erschließen mussten. Es geht also um Literatur, deren Aussageabsicht ohne die Kenntnis der Verweisgröße(n) und ihrer Interpretation(en) durch den Autor nicht einmal annähernd zu erfassen war und ist. Es geht um Literatur, deren Pointe einzig unter Einbezug der Verweistexte zu durchschauen ist. Über weniger anspruchsvolle Deutungen intertextueller Phänomene hinaus hängen Postulate intentionaler, auktorial gesteuerter Intertextualität an mindestens fünf miteinander verwobenen Prämissen: Erstens muss feststehen, dass zwischen den betreffenden Passagen eine literarische Abhängigkeit vorliegt. Zweitens muss die Abhängigkeitsrichtung geklärt sein, was drittens impliziert, dass der Intertext älter ist als jener, der auf ihn verweist. Im Unterschied zu rezipientenzentrierten Theorien setzen Thesen intentionaler Intertextualität zwangsläufig immer zumindest relative Datierungshypothesen voraus.14 Viertens müssen solche Annahmen unterstellen, dass das Zielpublikum nach Meinung des Autors mit der uns bekannten Quelle hinreichend gut vertraut war, um den Verweis als solchen wahrzunehmen, also ihn nicht etwa zu übersehen oder stattdessen Brücken zu ähnlichen Formulierungen in anderer damals umlaufender Literatur zu schlagen, die verloren gegangen ist. Mit steigender Zahl der Werke, auf die der Verfasser anspielte, muss ihn sogar eine regelrechte „portable Bibliothek“15 mit den implizierten Rezipienten verbunden haben. Fünftens ist dem Autor die Überzeugung zuzuschreiben, dass seine Adressaten den Querbezug in geeigneter Weise dekodieren würden, um daraus keine anderen als die von ihm gewünschten Schlüsse zu ziehen. Im Folgenden soll versucht werden, exemplarisch neuere Postulate intentionaler Intertextualität auf ihre Gültigkeit zu prüfen. Der mir gezogene Rahmen zwingt mich, eine winzige Auswahl zu treffen. Dabei erlaube ich mir, das Bei14 Nur in günstigen Ausnahmefällen geht die Abhängigkeitsrichtung eindeutig aus signifikanten Differenzen zwischen den relationierten Passagen selbst hervor, doch überwiegend sind die Abweichungen so geartet, dass die Existenz einer Abhängigkeit und – bei positivem Votum  – ihre Richtung strittig bleiben. Zur Illustration dienen kann die weiter unten erörterte Parallele zwischen Jer 36,28 einerseits sowie Ex 34,1 und Dtn 10,1–2 andererseits. Die masoretischen Überschüsse in Jer 36,28 MT sind fraglos aus Ex 34,1 bzw. Dtn 10,1–2 abgeleitet, während Jer 36,28 AlT gegenüber diesen Pentateuch-Parallelen die Priorität innehaben muss – sollte überhaupt eine Abhängigkeit bestehen, was nicht gesichert ist. Vgl. ferner z. B. unten Anm. 32. – Gegen M. Fishbane, Biblical Interpretation in Ancient Israel, Oxford 1985, erklärt L. Eslinger, Inner-biblical Exegesis and Inner-biblical Allusion. The Question of Category, VT 42 (1992) 47–58, die Abhängigkeitsrichtungen zwischen relationierten Passagen in der Bibel für schlechthin unbestimmbar und fordert schon deshalb eine achrone bzw. an der kanonischen Buchfolge orientierte Betrachtung innerbiblischer Anspielungen: „Such an approach to i[nner] b[iblical] a[llusion] [wie etwa von Fishbane betrieben, HJS] can only be as good, as reliable, and as useful as the literary history on which it is based. If the model of the Bible’s literary history is wrong, the analyses of inner-biblical exegeses can only compound the fallacy.“ (52) S. dazu die Replik von B. D.  Sommer, Exegesis, Allusion and Intertextuality in the Hebrew Bible. A Response to Lyle Eslinger, VT 46 (1996) 479–489. 15 So eine griffige Prägung („portable library“) von R. B. Hays, Echoes of Scripture, 29.

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spielmaterial der Dissertation von Harald Knobloch mit dem Titel „Die nachexilische Prophetentheorie des Jeremiabuches“ zu entnehmen.16 Diese Arbeit behandelt die Kapitel Jer 26 und 36, die anerkanntermaßen eine wichtige Rolle für zentrale Fragen der Analyse des gesamten Buches, aber auch für darüber hinausreichende Themen wie die Schriftprophetie als solche spielen. Knobloch hat sich in seiner gründlichen Studie bemüht, eine Menge intertextueller Verweise zu erheben, die sich vorwiegend auf den Pentateuch beziehen und sein Gesamtverständnis der beiden Kapitel in eine Richtung lenken, die weit von bisherigen Sichtweisen abweicht. Rüdiger Liwak hat in seinem rezenten Forschungsbericht zum Jeremiabuch die Arbeit Knoblochs als „die Forschung weiterführend[ ]“ begrüßt,17 und es ist abzusehen, dass die unterbreiteten Thesen in den Diskussionen um die Redaktionsgeschichte und Auslegung des Buches eine maßgebliche Rolle spielen werden. Wie mir scheint, sind Knoblochs Beweisversuche hinreichend repräsentativ für neuere Verfahren der Identifikation intentionaler Intertextualität, um daran grundlegende Probleme der Axiomatik und Methodik dieses Arbeitsschritts zu reflektieren.18 Zugleich gibt mir die Durchleuchtung seiner Argumentation Gelegenheit, näher zu erklären, warum ich den betreffenden Theorien in meiner Kommentierung des Jeremiabuchs nicht folge.19

II. Ein sicheres Beispiel für intentionale Intertextualität Vor der Diskussion von Material aus der Arbeit Knoblochs erscheint es zweckmäßig, als Kontrastfolie ein Paradebeispiel unbezweifelter intentionaler Intertextualität im Alten Testament vorzustellen, zumal es ausgerechnet in einem der von Knobloch analysierten Kapitel steht. Es handelt sich um Jer 26,18d–f, das Zitat aus Mi 3,12, das einige Männer von den Ältesten des Landes bei Jeremias Tempelprozess als Präzedenzfall zur Verteidigung Jeremias anführen. Dabei 16 H. Knobloch, Die nachexilische Prophetentheorie des Jeremiabuches (BZAR 12), Wiesbaden 2009. Seitenzahlen ohne weitere Angaben beziehen sich auf dieses Buch. Vgl. ähnlich bereits E. Otto, Jeremia und die Tora. Ein nachexilischer Diskurs (2007), in: Ders., Die Tora. Studien zum Pentateuch. Gesammelte Schriften (BZAR 9), Wiesbaden 2009, 515–560. 17 R. Liwak, Vierzig Jahre Forschung zum Jeremiabuch. II. Zur Entstehungsgeschichte, ThR 76 (2011) 265–295, hier 294. 18 Methodische Kritik an intertextuellen Studien in der alttestamentlichen Wissenschaft ist keine Neuigkeit. Klassiker-Status errungen hat die Philippika von S. Sandmel, Parallelomania, JBL 81 (1962) 1–13, die schon vor mehr als einem halben Jahrhundert resümierte: „It seems to me that we are at a junction when biblical scholarship should recognize parallelomania for the disease that it is.“ (13) Vgl. weiterhin z. B. A. Schoors, (Mis)use of Intertextuality in Qoheleth Exegesis, in: A. Lemaire / M. Sæbø (Hg.), Congress Volume Oslo 1998 (VT.S 80), Leiden 2000, 45–59; Carr, Intertextuality, 517–520; R. J.  Kelly, Identifying Literary Allusions. Theory and the Criterion of Shared Language, in: Z. Zevit (Hg.), Subtle Citation, Allusion, and Translation in the Hebrew Bible, Sheffield / Bristol 2017, 22–40. 19 H.-J. Stipp, Jeremia 25–52 (HAT I/12,2), Tübingen 2019. Der vorliegende Aufsatz soll die knappen Bemerkungen zu H. Knobloch S. 110 ergänzen und untermauern.

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kennzeichnen sie den Textauszug explizit als Zitat zwar nicht des Michabuches, aber doch des Propheten Micha aus Moreschet: ‫מִיכ ָיה ַהּמֹוַרׁשְּתִי ָהי ָה נִּבָא ּבִימֵי ִחז ְ ִקּי ָהּו ֶמלְֶך־י ְהּודָ ה וַּיֹאמֶר אֶל־ּכָל־עַם י ְהּודָ ה לֵאמֹר‬ ‫ּכֹה־ ָאמַר י ְהוָה צְבָאֹות צִּיֹון ׂשָדֶ ה ֵתחֵָרׁש וִירּוׁשָלַי ִם עִּי ִים ִּת ְהי ֶה וְהַר ַהּבַי ִת לְבָמֹות יָעַר‬ Micha aus Moreschet wirkte als Prophet in den Tagen Hiskijas, des Königs von Juda, und sagte zum ganzen Volk Judas: So spricht Jhwh der Heerscharen: Zion wird zu Ackerland umgepflügt, Jerusalem wird zu Trümmerhaufen und der Tempelberg zu überwucherten Höhen.

Wie dem Passus zu entnehmen ist, glaubte der Autor der dtr Grundschicht von Jer 26 in exilischer Zeit,20 den Propheten Micha mit Aussicht auf Einverständnis als Autorität anführen zu können. Die Exaktheit des Zitats, das von der masoretischen Ausgabe seiner Vorlage nur in einem geringfügigen dialektalen Detail abweicht (‫ עִּי ִים‬statt ‫)עִּי ִין‬,21 und die breite Bekanntheit des Michaworts sind ohne eine schriftliche Überlieferung kaum vorstellbar. Der Verfasser setzte folglich bei seinen Adressaten die Kenntnis einer Vorform des heutigen biblischen Buches aus dem Dodekapropheton voraus. Sofern allerdings das Gerichtswort Mi 3,9–12 damals nicht erheblich vom heutigen Stand abwich – und es gibt keinen Anlass, das zu vermuten –, las der Autor von Jer 26* seine Vorlage deutlich anders, als wir es heute tun. Laut Jer 26,18 war der Spruch an das ganze Volk Juda (‫ )ּכ ָל־עַם י ְהּודָ ה‬gerichtet; dagegen benennt der einleitende Aufmerksamkeitsruf Mi 3,9 nur die führenden Schichten als Adressaten: die Häupter des Hauses Jakob und die Anführer des Hauses Israel (‫ָראׁשֵי‬ ‫)ּבֵית יַעֲקֹב ּו ְקצִינ ֵי ּבֵית יִׂשְָראֵל‬. Gewichtiger ist der Unterschied, dass die Sprecher in Jer 26 das Gerichtswort als konditionierte Unheilsprophetie auffassen, deren Eintreffen sich durch das „Besänftigen des Angesichts Jhwhs“ abwenden ließ (V. 19). Dafür bietet die Vorlage keine Handhabe; das gilt erst recht, wenn nach dem einhelligen Urteil der kritischen Exegese die Kap. 4–7 des Micha-Buches mit ihrem hohen Anteil an Heilsorakeln exilisch-postexilische Zutaten bilden,22 sodass sich der Autor von Jer 26* aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine Ausgabe des kleinen Werkes bezog, die rein unheilstheologisch geprägt war. Wenn er auf das ältere Prophetenbuch einen entlastenden Präzedenzfall für seinen Helden stützte, impliziert dies selbstredend, dass er seine Vorlage weder kritisieren noch korrigieren wollte. Vielmehr machte er sie seinen Aussagezielen dienstbar, indem 20 Zur Rekonstruktion, Analyse und Datierung der dtr Grundschicht von Jer 26 s. H.-J. Stipp, Jeremia im Parteienstreit. Studien zur Textentwicklung von Jer 26, 36–43 und 45 als Beitrag zur Geschichte Jeremias, seines Buches und judäischer Parteien im 6. Jahrhundert (BBB 82), Frankfurt a. M. 1992, 17–65; Ders., Jeremia 25–52, 80–110. 21 Vgl. auch die Schreibung ‫ וִירּוׁשָלַי ִם‬im Unterschied zu ִ‫ וִירּוׁשָלַם‬Mi 3,12. 22 So z. B. R. Kessler, Micha (HThKAT), Freiburg i. Br. ²2000, 41–47; J. Jeremias, Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha (ATD 24,3), Göttingen 2007, 115–120; E. Zenger, Das Zwölfprophetenbuch, in: Ders. u. a., Einleitung in das Alte Testament. 9., aktualisierte Aufl. hg. von C. Frevel (KStTh 1,1), Stuttgart 2016, 630–709, hier 674–675.

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er ihr einfach seine eigene, textfremde Interpretation überstülpte, im Vertrauen darauf, dass seine Adressaten ihm beipflichten würden. Angesichts der Autorität, die er seiner Berufungsinstanz zumaß, erscheint sogar zweifelhaft, ob er sich des Abstands zwischen der Quelle und seiner eigenen Leseweise überhaupt bewusst war. Wie die ausdrücklich konditioniert formulierten Drohungen in Jer 26,3–6 untermauern, hegte er ein Konzept von Prophetie, wie es exemplarisch durch Jon 3,4–10 repräsentiert wird, wonach Unheilsansagen im Normalfall immer bedingt waren, gleichgültig ob sie dies aussprachen oder nicht. Folglich entnahm der Verfasser dem Michabuch, was im Rahmen seines Vorverständnisses notwendig gemeint gewesen sein musste, wie auch immer der konkrete Wortlaut beschaffen war. Für die Analyse intentionaler Intertextualität folgt daraus, dass zwei verführerische Axiome zu vermeiden sind: Erstens das Axiom der Perennität der Exegese, das davon ausgeht, dass die Texte in der Antike ebenso verstanden wurden wie heute. Bei der Interpretation von Anspielungen verleitet das Perennitätsaxiom dazu, moderne Leseweisen der Referenztexte anachronistisch jenen biblischen Autoren zu unterschieben, die im Rahmen intertextueller Arbeitstechniken darauf verwiesen. Zweitens ist vor dem weit verbreiteten Abrogationsaxiom zu warnen, dem zufolge quellenfremder Gebrauch notwendig Kritik oder Korrektur am Bezugstext ausdrückt. Denn diese Art der Indienstnahme konnte lediglich eine andere Interpretation des Verweisziels verkörpern, mit dem sich sein Verwender nahtlos einig wähnte. Wie weit antike Exegesen von den heutigen abwichen, illustriert die einschlägige Überlieferung bekanntlich auf Schritt und Tritt. Die Quellenlage nötigt uns zu dem Eingeständnis, dass wir über die antiken Leseweisen unserer biblischen Texte nichts aussagen können, solange uns keine positiven Zeugnisse dazu vorliegen.

III. Die These von Harald Knobloch Mit den obigen grundsätzlichen Überlegungen im Rücken können wir in die Auseinandersetzung mit der These von Harald Knobloch eintreten, die zunächst in gebotener Kürze zu umreißen ist. Wie der Titel seiner Studie „Die nachexilische Prophetentheorie des Jeremiabuches“ andeutet, habe es zu den Hauptzwecken seiner Untersuchungsgegenstände gehört, eine Prophetentheorie zu propagieren, und zwar in Opposition zu einer konkurrierenden Prophetentheorie. Für Knobloch entstammen Jer 26 und 36 „einem gemeinsamen Verfasserkreis von jeremianischen Tradentenpropheten […], dem es in erster Linie um fundamentaltheologische Fragen geht, wie sie die mosaische Prophetentheorie der nachexilischen Pentateuchredaktion aufgeworfen hat“ (283). Namentlich in Dtn 31,9–13 und dem Mose-Epitaph Dtn 34,10–12 habe die priesterlich geprägte Pentateuchredaktion eine Offenbarungs‑ und Verschriftungstheorie

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verfochten, laut der „mit der Verschriftung der Tora und dem Tod Moses mit keinen weiteren legitimen prophetischen JHWH-Offenbarungen zu rechnen ist“ (285), sodass „ein Zugang zum Gotteswillen nur über die verschriftete und den Priestern überantwortete Tora erfolgen“ könne (1). Konkret gesprochen: Das Mose-Epitaph „[lässt] das Ende jeglicher Prophetie mit dem Tod des Erzpropheten koinzidieren“ (178). Demgegenüber hätten die Tradentenpropheten hinter Jer 26 und 36 mit Instrumenten schriftgelehrter Anspielungen im Medium der Figur ihres Protagonisten die Faktizität nachmosaischer prophetischer Offenbarung verteidigt und Jeremia in einer sublimen antimosaischen Polemik als „bessere[n] Ersatz für Mose“ präsentiert (285), insofern „Jeremia […] der letzte große prophetische Offenbarungsmittler JHWHs gewesen“ sei, „dessen Worte unmittelbar Tora JHWHs gewesen sind“ (286). Knobloch folgt darin seinem Lehrer Eckart Otto, der erklärt hat: „Der Diskurs geht um die Frage, ob es noch nach der mit dem Tod des Mose beendeten Gründungszeit eines idealen Israel prophetisch vermittelte Offenbarung JHWHs gebe und damit auch ein neues Eingreifen Gottes in der Zukunft oder nicht.“23 Im Kern fußt die These auf einem neuartigen Verständnis des Mose-Epitaphs: ‫ וְֹלא־קָם נָבִיא עֹוד ּבְיִׂשְָראֵל ּכְמֹׁשֶה ֲאׁשֶר י ְדָ עֹו י ְהוָה ּפָנ ִים אֶל־ּפָנ ִים׃‬10 ‫ לְכ ָל־ ָהאֹתֹות וְ ַהּמֹופְתִים ֲאׁשֶר ׁשְלָחֹו י ְהוָה לַעֲׂשֹות ּבְאֶֶרץ ִמצְָרי ִם לְפְַרעֹה ּולְכָל־עֲבָדָ יו ּולְכ ָל־אְַרצֹו׃‬11 ‫ ּולְכֹל ַהּי ָד ַה ֲחזָקָה ּולְכֹל ַהּמֹוָרא ַהּגָדֹול ֲאׁשֶר עָׂשָה מֹׁשֶה לְעֵינ ֵי ּכָל־יִׂשְָראֵל׃‬12 Niemals wieder ist in Israel ein Prophet aufgetreten wie Mose, den Jhwh von Angesicht zu Angesicht erkannt hat, 11  (ein Prophet wie Mose) hinsichtlich24 all der Zeichen und Wunder, die Jhwh ihn im Land Ägypten am Pharao, an allen seinen Dienern und an seinem ganzen Land zu vollbringen gesandt hat, 12  sowie hinsichtlich all (der Beweise) seiner starken Hand und all der großen Schreckens(taten), die Mose vor den Augen von ganz Israel vollbracht hat. 10 

Laut herkömmlicher Interpretation erhoben die Schlussworte des Pentateuchs Mose zum Erzpropheten, also zum Propheten von unübertrefflicher, alle künftige Prophetie normierender Autorität.25 Demgemäß ist in dem Satz 10a26 die 23 E. Otto, Der Pentateuch im Jeremiabuch. Überlegungen zur Pentateuchrezeption im Jeremiabuch anhand neuerer Jeremia-Literatur, ZAR 12 (2006) 245–306, hier 297–298; Ders., Jeremia und die Tora, 557–558 (zit. bei Knobloch 11). 24 E. Jenni, Die hebräischen Präpositionen. Bd. 3: Die Präposition Lamed, Stuttgart 2000, 281, Rubrik 925: Lamed modi zur Bezeichnung des Tertium comparationis bei Vergleichen. 25  Dieses Konzept findet sich schon breit entfaltet bei Philo, einschließlich des Titels ἀρχιπροφήτης (De mutatione nominum 125; Quaestiones et solutiones in Genesin 4.8); s. S. L. Cook, On the Question of the „Cessation of Prophecy“ in Ancient Judaism (TSAJ 145), Tübingen 2011, 93–95. An neueren Dtn-Kommentaren vgl. etwa G. Braulik, Deuteronomium II. 16,18–34,12 (NEB), Würzburg 1992, 246, für den Dtn 34,10–12 die „Einzigartigkeit“ und „Unvergleichlichkeit Moses“ charakterisiert; ebenso nahezu wortgleich E. Nielsen, Deuteronomium (HAT I/6), Tübingen 1995, 311. M. Rose, 5. Mose. Teilbd. 2: Rahmenstücke zum Gesetzeskorpus. 1–11 und 26–34 (ZBK.AT 5), Zürich 1994, 586, erkennt im Mose-Epitaph eine „‚laudatio‘ auf die Einzigartigkeit des Mose“. J. R.  Lundbom, Deuteronomy. A Commentary, Grand Rapids 2013, 949: „Moses was the prophet par excellence.“ Vgl. E. Otto, Deuteronomium 12–34.

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Präpositionalverbindung ‫ ּכְמֹׁשֶה‬als distante Präpositionalapposition zu ‫ נָבִיא‬aufzufassen: Niemals wieder ist in Israel ein Prophet aufgetreten (von demselben Rang) wie Mose. Anschließend definiert die ausgedehnte Erläuterung 10b–12 Moses prophetische Einzigartigkeit, indem sie seine uneinholbaren Alleinstellungsmerkmale aufzählt, aufgrund derer er alle anderen israelitischen Propheten überragt. Es ist nicht zu erkennen, dass Knobloch den Wortlaut grammatisch anders deuten würde, doch legt er ihm einen weit abweichenden Sinn bei, der sich etwa wie folgt paraphrasieren lässt: Niemals wieder ist in Israel ein Prophet aufgetreten wie Mose (einer war; also ein Mann, der wie Mose das Charisma eines Propheten besaß). Demnach besteht die durch das Mose-Epitaph hervorgehobene Singularität Moses nicht nur in seiner einzigartigen Autorität, sondern obendrein in seiner Eigenschaft als letzter israelitischer Prophet.27 Nach Mose sei nicht bloß kein Prophet von gleichem Rang mehr aufgetreten, sondern überhaupt keiner  – womit das Mose-Epitaph einschlussweise allen nachmosaischen prophetischen Ansprüchen die Legitimität bestreite. Ist das richtig, dient die Erläuterung 10b–12 nicht dem definitorischen Zweck, die Merkmale der prophetischen Sonderstellung Moses gegenüber allen späteren Propheten zu benennen, sondern sie fungiert lediglich als Illustration, die gewisse Besonderheiten des letzten israelitischen Propheten auflistet. Diese „mosaische Prophetentheorie der nachexilischen Pentateuchredaktion“ (s. o.) sei es, der die Kreise hinter Jer 26 und 36 ihre konträre Prophetentheorie entgegensetzten, wonach der Prophetismus in der postmosaischen Ära fortlebte, also sehr wohl authentische Offenbarung durch Propheten stattfand. Um Knoblochs neuartige Exegese von Dtn 34,10–12 zu würdigen, muss man sich ihre Implikationen vor Augen führen. Knobloch deutet die Erläuterung 2. Teilbd.: Deuteronomium 23,16–34,12 (HThKAT), Freiburg i. Br. 2017, 2284, dem zufolge jetzt das Mose-Epitaph den Tod Moses nicht mit dem Ende prophetischer Offenbarung schlechthin, sondern lediglich dem Abschluss der Toraoffenbarung gleichsetzt (von der das Mose-Epitaph allerdings nicht redet): „Mit dem Tod des Erzpropheten Mose endet die Zeit mosaischer Offenbarungsmittlerschaft der Tora. Von da an ist die Toraoffenbarung nur noch in der von Mose verschrifteten Gestalt zugänglich und Prophetie an die Auslegung der Tora gebunden. Die Autoren der nachexilischen Fortschreibung des Deuteronomiums wenden sich im Epitaph in Dtn 34,10–12 gegen eine nachexilische Tradentenprophetie, wie sie sich insbesondere im Buch Jeremia niedergeschlagen hat.“ Diese Interpretation bleibt hinter dem obigen Zitat (Anm. 23) zurück, doch stellt sich weiterhin das Problem, inwiefern sie durch den Wortlaut des MoseEpitaphs gedeckt ist. Die Anschlussfrage nach dem postulierten Gegensatz zu den sekundären Bestandteilen des Jeremiabuches hängt zusätzlich an deren Exegese (wie etwa von Jer 26,4–5). 26 Die Satzgliederung basiert auf W. Richter, Biblia Hebraica transcripta. Forschungsdatenbank 3.0, 2018, Internet: http://www.bht.gwi.uni-muenchen.de/. 27 So neuerdings auch J. Stackert, A Prophet like Moses. Prophecy, Law, and Israelite Religion, Oxford 2014, 117–123, auf der Basis einer abweichenden syntaktischen Analyse: „[T]he kāp in ‫ כמׁשה‬is a conjunction, with the verbal idea („as Moses arose“) in ellipsis.“ (119) Wieso diese (unwahrscheinliche) syntaktische Interpretation den von Stackert postulierten Sinn stützen soll, verstehe ich nicht.

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V. 10b–12 so, dass sie ersatzlos entfallen könnte, ohne den Sinn des Mose-Epitaphs entscheidend abzuwandeln, denn für dessen Botschaft, wie von Knobloch aufgefasst, hätten schon die ersten fünf Worte von 10a gereicht: ‫וְֹלא־קָם נָבִיא‬ ‫ עֹוד ּבְיִׂשְָראֵל‬Niemals wieder ist ein Prophet in Israel aufgetreten. In den Spuren Knoblochs muss man daher annehmen, dass der Autor sich höchst missverständlich ausgedrückt habe, denn es liegt ja am Wortlaut des Mose-Epitaphs, wenn die Fachgemeinde das Stück bislang immer nur als Deklaration von Moses normierender prophetischer Autorität, nicht aber als „das Ende jeglicher Prophetie“ (s. o.), mithin als Negation jeder postmosaischen prophetischen Offenbarung gelesen hat. Weiterhin muss Knoblochs Interpretation unterstellen, dass der nachexilische Autor des Epitaphs auch priesterlichen Propheten wie allen voran Ezechiel und Sacharja28 die Legitimität abgesprochen habe. Obendrein müsste die aus kultischen Kreisen stammende chronistische Literatur, die dem Prophetismus bekanntlich einen eminenten Stellenwert einräumt, sich über das priesterliche Verdikt hinweggesetzt haben.29 Man hätte es begrüßt, hätte Knobloch diese Implikationen seiner These beim Namen genannt und dazu Stellung bezogen. Denn die Konsequenzen wiegen schwer: Wer Knobloch schon bei seiner Deutung des Mose-Epitaphs nicht folgen kann, für den fallen seine exegetischen Bemühungen zum Jeremiabuch praktisch komplett als gegenstandslos dahin, weil es die postulierte Zielscheibe von Jer 26 und 36, die priesterliche Negation postmosaischer prophetischer Offenbarung, gar nicht gegeben hat. Bereits vor allen Problemen im Detail hängt das ganze imposante Ideengebäude, das Harald Knobloch in seinem Buch entfaltet, an dem einen seidenen Faden seiner Auslegung des Mose-Epitaphs. Zu alldem ist der von Knobloch an Dtn 31,9–13 abgelesene priesterliche Monopolanspruch auf die Bewahrung und Auslegung der Tora an der Tatsache zu messen, dass Mose die von ihm niedergeschriebene Tora laut V. 9 nicht nur den levitischen Priestern, sondern auch einer so unscharf umschriebenen Gruppe wie „allen Ältesten Israels“ anvertraut. Nur so viel zu den Grundsatzproblemen von Knoblochs Theorie. Naturgemäß muss hier die Frage ausgeklammert bleiben, inwieweit die von Knobloch vorausgesetzte Pentateuchanalyse von Eckart Otto tragfähig ist.30 Weiterhin sehe ich davon ab, dass die Kapitel Jer 26 und 36 nach meinem Urteil literarisch uneinheitlich sind und jeweils nur teilweise auf denselben Autor zurückgehen, insofern beide Kapitel von jener Redaktion bearbeitet wurden, die ich die patrizische nenne.31 Für eine sachgemäße Stellungnahme erscheint mir aus28 Vgl.

Ez 1,3; Sach 1,1.7; Esr 5,1; 6,14. Vgl. ferner zu Haggai Hag 2,10–14. Frühjudentum war die Überzeugung verbreitet, in einer prophetenlosen Zeit zu leben, allerdings häufig verbunden mit der Hoffnung auf die Wiederkehr der Prophetie in der Zukunft. Zugleich dauerten mantische Aktivitäten durchaus fort. Zu diesem widersprüchlichen Befund s. detailliert Cook, Cessation of Prophecy. 30 Vgl. Knobloch, Prophetentheorie, 13–16. 31 Zu meiner eigenen redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Jer 26 und 36 s. H.-J. Stipp, Jeremia, der Tempel und die Aristokratie. Die patrizische (schafanidische) Redaktion des 29 Im

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reichend und schon aus Raumgründen geboten, nur die zentralen Schritte von Knoblochs Beweisversuchen zu überprüfen, die zeigen sollen, dass der mutmaßliche Verfasser von Jer 26 und 36 seine Apologie postmosaischer prophetischer Offenbarung mit intertextuellen Werkzeugen betrieben habe. Ich tue dies in der – freilich von Skepsis getrübten – Hoffnung, Knoblochs windungsreiche Argumentation im Folgenden wenigstens einigermaßen zutreffend zu resümieren. Ihm zufolge profilieren Jer 26 und 36 den Propheten Jeremia als Kontrastfigur zu Mose, wie er in der „pentateuchredaktionellen Gestalt“ (224) der Perikope vom Goldenen Kalb Ex 32–34 charakterisiert werde, und zwar mit dem Ziel, durch Jeremia den Offenbarungsempfänger vom Gottesberg zu überbieten und so die auf Mose gestützten Monopolansprüche der priesterlichen Träger der Pentateuchredaktion auf Wahrung und Auslegung der Tora zu untergraben. Die einschlägigen intertextuellen Signale erreichen für Knobloch eine solche Intensität, dass Jer 26 und 36 „ihre theologische Grundgrammatik der Rezeption von Ex 32 und Ex 34 in ihrer pentateuchredaktionellen Gestalt verdanken“ (224). Trifft dies zu, blieben uns die Intentionen des postulierten Autors der beiden Jer-Kapitel dauerhaft verschlossen, hätte die Überlieferung seine Quellen ausgeschieden. Diese Verweise gilt es nun zu betrachten.

IV. Mutmaßliche Anspielungen auf Ex 32–34 in Jer 26 und 36 Für Knobloch (154–157) zitiert Jer 36,3d aus der Fürbitte Moses in Ex 34,9: Jer 36,3d Ex 34,9ef

‫וְ ָסלַ ְחּתִי לַעֲ�ֹונ ָם ּולְ ַחּטָאתָם‬ ‫וְ ָסלַ ְח ָּת לַעֲ�ֹונ ֵנּו ּולְ ַחּטָאתֵנּו ּונ ְ ַחלְּתָנּו‬

Eine ähnliche Formulierung kehrt wieder in der Perikope vom Neuen Bund Jer 31,31–34: Jer 31,34de

‫ּכִי ֶא ְסלַח ֽלַעֲ�ֹונ ָם ּולְ ַחּטָאתָם ֹלא ֶאזְּכָר־עֹוד‬

Dies sind sämtliche Belege der Junktur von ‫סלח‬, ‫ עָ�ֹון‬und ‫ ַחּטָאת‬im Alten Testament. Jer 31,34de ist zusätzlich zu vergleichen mit: Jes 43,25 ‫ָאנֹכִי ָאנֹכִי הּוא מֹחֶה פְׁשָעֶיָך לְ ַמעֲנ ִי וְ ַחּטֹאתֶיָך ֹלא ֶאזְּכֹר‬

Knobloch schließt aus vagen Gründen, die sich schwer zusammenfassen lassen, dass diese Stellen literarisch voneinander abhingen, wobei „die Richtung der Abhängigkeit plausibler von Ex 34,9 nach Jer 36,3 verläuft als umgekehrt“ (157), wie

Jeremiabuches, in: ders., „Nimm dir eine Buchrolle und schreibe!“ (Jer 36,2). Gesammelte Aufsätze zum Jeremiabuch (FRLANT 281), Göttingen 2021, 226–286; Ders., Baruchs Erben. Die Schriftprophetie im Spiegel von Jer 36, in: Ders., Studien zum Jeremiabuch. Text und Redaktion (FAT 96), Tübingen 2015, 381–408.

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er in Anerkennung der unklaren Indizienlage sehr zurückhaltend formuliert.32 Weiterhin sei Jer 31,34 ein Kombinationszitat: Aus Jer 36,3 sei der Satz ‫ּכ ִי ֶא ְסלַח‬ ‫ לַעֲ�ֹונ ָם‬entlehnt, während ‫ ּולְ ַחּטָאתָם ֹלא ֶאזְּכָר־עֹוד‬aus Jes 43,25 stamme (157–160). Für Knobloch propagieren die Zitate aus Ex im Jeremiabuch den Vorrang Jeremias gegenüber Mose, indem sie dem Bild Moses in der Perikope vom Goldenen Kalb Erzählungen von der „Vermittlung durch Jeremia und nicht durch Mose“ gegenüberstellen (163). Zu diesem Zweck „transformiert“ der Autor von Jer 36 „die Mosefürbitte am Sinai in Jer 36,3 zu einer direkten JHWH-Rede an Jeremia“ (159): Worum Mose bitten muss, das sagt Jhwh dem Propheten Jeremia zu. Bestätigt findet Knobloch seinen Standpunkt durch Parallelen zwischen Jer 26 und Ex 32, wie zusammengestellt in folgender Synopse (nach Knobloch 161): Jer 26 3 a b c d

‫אּולַי יִׁשְמְעּו‬ ‫וְיָׁשֻבּו‬ ‫אִיׁש מִּדַ ְרּכֹו הָָרעָה‬ ‫וְנ ִ ַח ְמּתִי אֶל־הָָרעָה‬ ‫ֲאׁשֶר ָאנֹכ ִי חֹׁשֵב לַעֲׂשֹות לָהֶם‬ ‫ִמּפְנ ֵי ֹרעַ ַמעַלְלֵיהֶם‬ S. o. 3a ‫אּולַי יִׁשְמְעּו‬

Ex 32 12 c d 14 a b

‫ׁשּוב ֵמחֲֹרון ַאּפֶָך‬ ‫וְ ִהּנָחֵם עַל־הָָרעָה לְעַּמֶָך‬ ‫וַּיִּנָחֶם י ְהוָה עַל־הָָרעָה‬ ‫ֲאׁשֶר ּדִ ּבֶר לַעֲׂשֹות לְעַּמֹו‬

30 d e

‫וְעַּתָה ֶאעֱלֶה אֶל־י ְהוָה‬ ‫אּולַי ֲאכַּפְָרה ּבְעַד ַחּטַא ְתכֶם‬

Zu Ex 32,14 sind weitere Parallelen in Jer 26 anzuführen: Ex 32,14ab ‫וַּיִּנָחֶם י ְהוָה עַל־הָָרעָה ֲאׁשֶר ּדִ ּבֶר לַעֲׂשֹות לְעַּמֹו‬ 26,13cd ‫וְיִּנָחֵם י ְהוָה אֶל־הָָרעָה ֲאׁשֶר ּדִ ּבֶר עֲלֵיכ ֶם‬ 26,19de ‫וַּיִּנָחֶם י ְהוָה אֶל־הָָרעָה ֲאׁשֶר־ּדִ ּבֶר עֲלֵיהֶם‬

Aufgrund seiner Prämisse der gemeinsamen Verfasserschaft von Jer 26 und 36 rechtfertigt Knobloch bei den Übereinstimmungen mit Jer 26 nicht mehr eigens die Priorität von Ex 32. Für ihn verfechten die Parallelen, die die Erzählung von Jeremias Tempelprozess in Kap. 26 mit Ex 32 verbinden, ebenso wie Jer 36 das Programm der „Vermittlung durch Jeremia und nicht durch Mose“ (s. o.). Deshalb wird in Jer 26,3.13/Jer 36,3 die vermittelnde Position Moses […] bewusst ausgeklammert, d. h. Moses Fürbitte faktisch für unwirksam erklärt (vgl. Jer 15,1). Literarisch wird dieser stilisierte Seitenhieb durch die Umformulierung der mosaischen Fürbitte […] in direkte JHWH-Rede […] greifbar, die dem Propheten Jeremia in den Mund gelegt wird. Damit nimmt Jeremia unter umgekehrtem Vorzeichen die Position des Mose ein, wird ihm doch im Kontext des Gesamtbuches die Fürbitte untersagt (Jer 7,16; 11,14; 14,11), um die Wirkmächtigkeit der (Unheils)Worte JHWHs möglich zu machen. (162) 32 Für die umgekehrte Abhängigkeitsrichtung votiert E. Aurelius, Der Fürbitter Israels. Eine Studie zum Mosebild im Alten Testament (CB.OT 27), Stockholm 1988, 52–54.123.

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Noch prägnanter markiere Jer 26 dieses Aussageziel in V. 13 sowie abermals deutlicher in V. 19, weil das Plädoyer der Ältesten zugunsten Jeremias zwar „in kombinierender Weise literarisch auf Ex 32,11 und Ex 32,14 zurückgreift“ (164), dabei jedoch „wieder Mose als wirkmächtigen Interzessor völlig aus[spart]“ (165): Jer 26,19c–e ‫ וַּיִּנָחֶם י ְהוָה אֶל־הָָרעָה ֲאׁשֶר־ּדִ ּבֶר עֲלֵיהֶם‬ Ex 32,11a Ex 32,14ab ‫וַּיִּנָחֶם י ְהוָה עַל־הָָרעָה ֲאׁשֶר ּדִ ּבֶר לַעֲׂשֹות לְעַּמֹו‬

‫ אֶת־ּפְנ ֵי י ְהוָה‬ ‫ אֶת־ּפְנ ֵי י ְהוָה אֱֹלהָיו‬

>‫וַיְחַל יְהֹויָקִים‬ [‫] ֶמלְֶך־י ְהּודָ ה‬

Ex 34,1 b ‫ּפְסָל־לְָך ׁשְנ ֵי־לֻחֹת ֲאבָנ ִים ּכִָראׁשֹנ ִים‬ c ‫וְכ ָ ַתבְּתִי עַל־ ַהּלֻחֹת אֶת־הַּדְ בִָרים‬ d ‫ֲאׁשֶר הָיּו עַל־ ַהּלֻחֹת הִָראׁשֹנ ִים‬ e ‫ֲאׁשֶר ׁשִּבְַר ָּת‬

Dtn 10,1b.2a–c ist mit Ex 34,1b–e identisch, abgesehen von orthographischen Details und der Variante ‫ וְ ֶאכְּתֹב‬Dtn 10,2a anstelle von ‫ וְכָ ַתבְּתִי‬Ex 34,1c. Bei Jer 36,28 sind die masoretischen Überschüsse gegenüber dem älteren alexandrinischen Text durch [eckige Klammern] markiert; ein alexandrinischer Überschuss ist durch gekennzeichnet.

47 Sommer, Prophet, 32, hat anhand des deuterojesajanischen Korpus dem geprägten Vokabular sogar vollends die Fähigkeit abgesprochen, intendierte intertextuelle Verweise anzuzeigen: „[W]e cannot view an older text as a source for a passage […] if both utilize stock vocabulary“. Edenburg, Intertextuality, 140, unterstreicht: „[S]ince formulae are frequently employed in widely diverse contexts, they will not necessarily trigger specific literary associations, either by a hearer or a reader“. S. ferner unten Anm. 54.

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Die beiden Passagen übermitteln ähnlich geartete göttliche Aufträge: Für einen zerstörten Schriftträger ist Ersatz zu beschaffen (Jer 36) bzw. herzustellen (Ex 34; Dtn 10,1–2), damit er mit jenem Wortlaut beschriftet werden kann, der bereits auf dem Vorgängerdokument stand. Im Unterschied zu den vorigen Beispielen ist der Wortlaut der Parallelen nicht als geprägt erweisbar, sodass literarische Abhängigkeit von vornherein mit erheblich größerer Wahrscheinlichkeit in Betracht kommt. Dependenz liegt zweifellos vor bei den vier prämasoretischen Zusätzen in Jer 36,28b–d, die sämtlich Entsprechungen in Ex 34,1 bzw. Dtn 10,1–2 besitzen und den Wunsch bezeugen, den Passus an diese Gegenstücke anzunähern.48 Was indessen das Verhältnis der alexandrinischen Fassung des Verses zu den Parallelen in Ex und Dtn angeht, so ist festzustellen: Setzt man die Ex-Priorität nicht wie Knobloch einfach aufgrund von andernorts gewonnenen – und obendrein schwachen – Argumenten voraus,49 sondern sucht man die Abhängigkeitsrichtung aus dem gegebenen Wortlaut zu erschließen, kann man allenfalls JerAlT 36,28 die Priorität zusprechen, zumal wenn man die von David Carr ermittelten Kriterien zur Bestimmung der Abhängigkeitsrichtung zwischen innerbiblischen Parallelen als valide anerkennt.50 Das Adjektiv ‫ ִראׁשֹון‬nimmt in den Pentateuch-Belegen mit zwei Fällen eine dominante Rolle ein (zumal es anschließend in Ex 34,4 und Dtn 10,3.4 wiederkehrt). Deshalb ist zwar vorstellbar, dass der Erstautor der Pentateuch-Belege sich an JerAlT 36,28 orientierte, aber das Adjektiv aus eigenem Antrieb hinzusetzte. Hätte sich jedoch umgekehrt der Verfasser von JerAlT 36,28 ein Vorbild an den Pentateuch-Belegen genommen, wäre es völlig unglaubhaft, dass er das Adjektiv gleich doppelt übergangen hätte. Noch weniger hätte er auf ‫ ִראׁשֹון‬verzichtet, hätte er seiner Erzählung einen 48 Neuerdings führt N. Mastnjak, Deuteronomy and the Emergence of Textual Authority in Jeremiah (FAT II 87), Tübingen 2016, 75–77, das Fehlen von ‫ ִראׁשֹון‬in JerG* 36,28 auf eine angebliche kürzende Tendenz von JerG* zurück, mit Berufung auf D. Barthélemy, Critique textuelle de l’Ancien Testament. 2. Isaïe, Jérémie, Lamentations (OBO 50/2), Freiburg i. Ue. 1986, 713–714. Diese Tendenz gab es nicht, wie längst oft genug nachgewiesen worden ist. Barthélemy selbst hat seine ältere Sichtweise im Sinne der heutigen Mehrheitsmeinung revidiert, wie indirekt hervorgeht aus der Studie seines Schülers Y. Goldman, Prophétie et royauté au retour de l’exil. Les origines littéraires de la forme massorétique du livre de Jérémie (OBO 118), Freiburg i. Ue. / Göttingen 1992. 49 Im Einklang mit seinen Prämissen geht Knobloch in diesem Zusammenhang auf Dtn 10,1–2 nicht näher ein. 50 D. Carr, Method in Determination of Direction of Dependence. An Empirical Test of Criteria Applied to Exodus 34,11–26 and Its Parallels, in: M. Köckert / E. Blum (Hg.), Gottes Volk am Sinai. Untersuchungen zu Ex 32–34 und Dtn 9–10 (VWGTh 18), Gütersloh 2001, 107– 140, hier 126: „A text tends to be later than its ‚parallel‘ when it: 1) Verbally parallels that text and yet includes substantial pluses vis-à-vis that text. […] 3) Includes a plus that fills what could have been perceived as an apparent gap in its parallel. 4) Includes expansive material in character speeches, particularly theophanic speech.“ (Hervorhebung im Original.) Vgl. auch die Kriterienliste von J. M.  Leonard, Identifying Inner-Biblical Allusions. Psalm 78 as a Test Case, JBL 127 (2008) 241–265, hier 258, mit dem Fazit S. 264: „Important for the purpose of determining the direction of textual dependence is the difficulty of imagining how either of the preceding examples could have worked in the opposite direction.“

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erkennbaren intertextuellen Verweis auf Ex 34,1 einpflanzen wollen. Zu alldem ist ‫ ִראׁשֹון‬eines der bevorzugten Lexeme der prämasoretischen Ergänzer gewesen, das sie mehrfach in das Buch einschoben (16,18; 17,12; 34,5), was zusätzlich für ihre späte Interpolation spricht. Die übrigen Abweichungen kommen hinzu. Ein Autor, der ein intertextuelles Signal zu setzen wünschte, hätte den prämasoretischen Texttradenten niemals so viele Betätigungsmöglichkeiten hinterlassen. Ohnehin ist eine Anspielung von JerAlT 36,28 auf Ex 34 schon aufgrund der Abfassungszeiten ganz unwahrscheinlich. Der Vers bezeichnet die rohe Schriftrolle als ‫ ְמגִּלָה‬, ein Leitfossil der Grundschicht der Erzählung, die ein ereignisnahes Publikum voraussetzt, wie mehrere Merkmale belegen. Insbesondere spielt V. 9 MT auf die Zerstörung Aschkelons durch Nebukadnezzar 604 per bloßer Jahres‑ und Monatsangabe an, und V. 30 bedroht Jojakim mit der unerfüllten Ansage seiner verweigerten Beisetzung.51 Diese Züge sind nur begreiflich, sofern der Autor noch zu Lebzeiten Jojakims schrieb. Wenn aber Ex 34, wie Knobloch der Einfachheit halber einmal zugestanden sei, damals noch gar nicht existierte,52 konnte der Verfasser auch nicht darauf verweisen. Zu alldem steht das Adjektiv ‫ ִראׁשֹון‬in Jer 36,28 für das Konzept der „Urrolle“, wonach das von Jojakim verbrannte Dokument die erste (und einzige) Niederschrift der Orakel Jeremias gewesen sei. Diese Vorstellung entspricht jedoch den Aussagezielen der patrizischen Redaktion, die die judäische Aristokratie zur Retterin der jeremianischen Prophetie ausrief. Dagegen nötigt bei den identifizierbaren Fragmenten der Grundschicht nichts zur Annahme, das verbrannte Schriftstück habe bereits dort als „Urrolle“ gegolten.53 Schon deshalb genügte zu seiner Charakterisierung der Relativsatz ‫( ֲאׁשֶר ׂשַָרף < ַה ֶּמלְֶך> יְהֹויָקִים‬28e AlT), während die Qualifikation ‫ ִראׁשֹון‬entbehrlich war. Es bleiben sogar erhebliche Zweifel, ob JerAlT 36,28 seinerseits für Ex 34,1 bzw. Dtn 10,1–2 als Modell diente. Denn die Übereinstimmungen erklären sich befriedigend aus der Ähnlichkeit der beschriebenen Vorgänge, die, wie für die biblisch-hebräische Prosa zu erwarten, in teilweise identisches Vokabular ge51 S. H.-J. Stipp, Zwei alte Jeremia-Erzählungen: Jer 28* und 36*. Fallstudien zum Ursprung der Jeremia-Erzähltradition, in: ders., „Nimm dir eine Buchrolle und schreibe!“ (Jer 36,2). Gesammelte Aufsätze zum Jeremiabuch (FRLANT 281), Göttingen 2021, 188–214, hier 201–212, mit weiteren Gründen für die ereignisnahe Abfassung der Grundschicht. Wie dort ebenfalls dargelegt, resultiert die abweichende Datumsangabe in Jer 36,9 AlT aus einer Verschreibung. Zu Jer 36,30 s. ferner unten Anm. 60. 52 Zur exilisch-postexilischen Entstehung von Ex 32–34 vgl. z. B. T. Römer, Der Pentateuch, in: W. Dietrich u. a. (Hg.), Die Entstehung des Alten Testaments. Neuausgabe (ThW 1), Stuttgart 2014, 53–166, hier 121. Allerdings bleibt die Literargeschichte des Komplexes heftig umstritten, und es werden weiterhin Teile aus vorexilischer Zeit hergeleitet; s. dazu etwa die Beiträge in dem Sammelband von M. Köckert / E. Blum (Hg.), Gottes Volk am Sinai. Untersuchungen zu Ex 32–34 und Dtn 9–10 (VWGTh 18), Gütersloh 2001; sowie M. Konkel, Sünde und Vergebung. Eine Rekonstruktion der Redaktionsgeschichte der hinteren Sinaiperikope (Exodus 32–34) vor dem Hintergrund aktueller Pentateuchmodelle (FAT 58), Tübingen 2008. 53 S. Stipp, Baruchs Erben.

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kleidet wurden.54 Wie Christof Hardmeier zu Recht betont hat, besitzen „sachverhaltsbedingte Beziehung[en]“ für die Diagnose literarischer Abhängigkeiten nur geringe Zeugniskraft,55 weil sie  – in den Worten von Joachim Krause  – einfach aus dem „Bezug auf Elemente einer geteilten lebensweltlichen Umgebung“ erwachsen können.56 Im gegebenen Fall kann die Frage jedoch offen bleiben, weil die Feststellung genügt: Sollte tatsächlich eine Dependenz zwischen den Passagen im Pentateuch und in Jer bestehen, verläuft sie von JerAlT zu den Pentateuch-Belegen und nicht umgekehrt. Einen erkennbar intendierten intertextuellen Verweis von Jer 36,28 auf Ex 34,1 und Dtn 10,1–2 hat erst ein prämasoretischer Bearbeiter geschaffen. Wie seine Einschübe dokumentieren, meinte er, dass der ältere Wortlaut keinen hinreichend deutlichen Bezug zum analogen Auftrag Jhwhs an Mose zum Ausdruck brachte – sonst hätte er gar nicht erst einzugreifen brauchen. Das masoretische Sondergut belegt hier und an vielen anderen Stellen des Buches, dass seine Schöpfer zu ihrer fortgeschrittenen, leider schwer eingrenzbaren Ära57 in der Tat ausgezeichnete Kenntnisse des werdenden alttestamentlichen Kanons besaßen.58 Für frühere Epochen kann dies jedoch nicht unbesehen unterstellt werden. Vor allem setzen prämasoretische Zutaten bei den Rezipienten keine Vertrautheit mit den Quellen der Einschübe voraus, denn die retuschierten Passagen bleiben auch ohne die Kenntnis der Spendertexte verständlich (wie

54 Dieser Sachverhalt lässt sich an den Weisen veranschaulichen, wie Gen 37 und Jer 38 die Gefangenschaften Josefs und Jeremias in Zisternen schildern. Siehe H.-J. Stipp, Die Verfasserschaft der Trostschrift Jer *30–31, in: Ders., „Nimm dir eine Buchrolle und schreibe!“ (Jer 36,2). Gesammelte Aufsätze zum Jeremiabuch (FRLANT 281), Göttingen 2021, 107–129, hier 120– 122. – Vgl. ferner auch hierzu Sommer, Prophet, 32 (vgl. oben Anm. 47): „[W]e cannot view an older text as a source for a passage […] if both […] treat a subject that calls for certain words.“ J. H.  Choi, Traditions at Odds. The Reception of the Pentateuch in Biblical and Second Temple Period Literature (LHB/OTS 518), New York 2010, 30, gibt zu bedenken: „When faced with similar lexical content, we cannot automatically assume that the similarity signifies anything other than the fact that there may not have been any other way to say something, or conversely, the fact that there is only one way of saying something.“ 55 C. Hardmeier, Jesajaforschung im Umbruch, VF 31 (1986) 3–31, hier 16. 56 Krause, Exodus, 50. 57 Neuerdings datiert A. D.  Hornkohl, Ancient Hebrew Periodization and the Language of the Book of Jeremiah. The Case for a Sixth-century Date of Composition (Studies in Semitic Languages and Linguistics 72), Leiden 2014, das masoretische Sondergut in Jer „near the beginning of the Persian Period or in the early post-exilic period at the latest“ (368). Vgl. dagegen H.-J. Stipp, Der prämasoretische Idiolekt im Jeremiabuch, in: Ders., Studien zum Jeremiabuch. Text und Redaktion (FAT 96), Tübingen 2015, 83–126, hier 123, Anm. 66; R. Rezetko, The (Dis)Connection between Textual and Linguistic Developments in the Book of Jeremiah. Hebrew Bible Textual Criticism Challenges Biblical Hebrew Historical Linguistics, in: R. F. Person / R. Rezetko (Hg.), Empirical Models Challenging Biblical Criticism (Ancient Israel and Its Literature 25), Atlanta 2016, 239–269; K. Schmid, How to Date the Book of Jeremiah. Combining and Modifying Linguistic‑ and Profile-based Approaches, VT 68 (2018) 1–19. 58 S. Stipp, Sondergut, 106–108.

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ohnehin die prämasoretischen Revisionen, gemessen an ihrem Volumen, den Sinn der aufnehmenden Kontexte in erstaunlich geringem Maß modifizieren59). So ergibt sich: Wie zitiert, verdanken Jer 26 und 36 für Harald Knobloch „ihre theologische Grundgrammatik der Rezeption von Ex 32 und Ex 34 in ihrer pentateuchredaktionellen Gestalt“ (224). Die Anspielungen hätten dem Zweck gedient, der Prophetentheorie der priesterlichen Trägerkreise der Pentateuchredaktion entgegenzutreten. Wie jedoch der Blick auf den mutmaßlichen zentralen Programmtext jener Kreise, das Mose-Epitaph, lehrt, ist schon höchst zweifelhaft, ob die von Knobloch daraus entnommene Prophetentheorie tatsächlich jemals vertreten wurde. Dazu passt der Befund, dass keiner der maßgeblichen Belege Knoblochs spezifisch genug ist, um als intendierter intertextueller Verweis auf den Pentateuch einzuleuchten. Mehrere seiner Belege sind allein deshalb auszuscheiden, weil sie gar keine tauglichen Gemeinsamkeiten mit dem Pentateuch aufweisen. Nach ihrem Abzug verbleiben nur wenige Parallelen: Die Verse Jer 26,3.13.19 haben mit Ex 32,12.14 die Rede von der Reue Jhwhs gemeinsam, und Jer 36,3 ist mit Ex 34,9 durch die Wendung „Schuld und Sünde vergeben“ verbunden. Hier handelt es sich indes um Sprachmaterial aus dem dtr-deuterojeremianischen Repertoire, das an den Jer-Stellen jeweils in größere, von dieser Terminologie geprägte Passagen eingebettet ist, die aufgrund der Verbreitung des einschlägigen Formelguts eine Fülle von Gegenstücken innerhalb und außerhalb des Jeremiabuchs besitzen. Zudem spiegeln die erhaltenen schriftlichen Belege, nach der Natur der fraglichen Diktion zu schließen, nur einen schmalen Ausschnitt ihres zeitgenössischen Gebrauchs wider. Ein ungleich größerer Anteil entfiel auf einen ausgiebigen mündlichen Einsatz. Obendrein ist die Möglichkeit verbindlich einzukalkulieren, dass zum Abfassungsdatum viel mehr Literatur ähnlicher Eigenart umlief und weitere Parallelen anbot. Aus allen diesen Gründen wäre eingehend zu rechtfertigen, warum ausgewählte Übereinstimmungen über Buchgrenzen hinweg als Anspielungen auf spezifische biblische Passagen gewertet und ihnen eine Schlüsselrolle für die Identifikation der Aussageziele des Verfassers zugeschrieben wird. Zu der Frage, ob ein antiker israelitischer Schriftsteller meinen konnte, die von Knobloch angeführten Parallelen würden sich für wiedererkennbare intertextuelle Signale eignen, gesellen sich dann noch die dargelegten Probleme mit den Funktionen, die die Verweise ausgeübt haben sollen. Die Überprüfung lieferte das Resultat: Die paränetische Eigenart der betroffenen Literatur und ihre theologischen Schwerpunkte begrenzen die Quellenkenntnis und die Komplexität der Interpretationsprozesse, von denen sich plausibel behaupten lässt, 59  S. H.-J. Stipp, A Semi-Empirical Example for the Final Touches to a Biblical Book. The Masoretic Sondergut of the Book of Jeremiah, in: R. Müller / J. Pakkala (Hg.), Insights into Editing in the Hebrew Bible and the Ancient Near East. What Does Documented Evidence Tell Us about the Transmission of Authoritative Texts? (CBET 84), Leuven 2017, 295–318, hier 302–311.

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dass die Autoren sie von ihren Adressaten erwarteten. Nach alldem erscheint sehr schwer glaubhaft, ein Autor habe zu vorgerückter nachexilischer Stunde Jer 26 und 36 verfasst und die beiden Erzählungen von vornherein für ein Publikum bestimmt, das die Parallelen mit Ex 32,12 und 34,9 aus allen anderen Übereinstimmungen mit zeitgenössischen Diskursen selegieren und als antimosaische Polemik deuten konnte. Abschließend bleibt zu ergänzen: Eine Auseinandersetzung mit Harald Knobloch wäre unvollständig ohne den Hinweis auf Eigenarten von Jer 26 und 36, die seiner Analyse entschieden widerstreiten. Jer 26 stellt den Priestern pauschal „die Propheten“ als Mitankläger Jeremias an die Seite, und zwar ohne jede explizite Einschränkung beispielsweise auf Falschpropheten (Jer 26,8c.11a.16a). Jer 36 zitiert seinen Helden mit dem Orakel des verweigerten Begräbnisses für Jojakim (V. 30), eine Ansage, die schon in der Antike als problematisch empfunden wurde, weil sie bekanntermaßen nicht eingetroffen war.60 Wenn ein Autor in nachexilischer Zeit die Legitimität prophetischer Offenbarung gegen priesterliche Monopolansprüche verteidigen wollte, hätte er sich wohl kaum ins eigene Fleisch geschnitten, indem er „die Propheten“ einträchtig mit den Priestern das Todesurteil für Jeremia fordern ließ. Ebenso wenig hätte er Jeremia als „bessere[n] Ersatz für Mose“ (s. o.) präsentiert, indem er ihm ein vaticinium falsum post eventum in den Mund legte. In der Summe rechtfertigt das diskutierte Beispiel die Kritik Erhard Blums, wonach die biblische Intertextualitätsforschung häufig einer „sachlichen und methodischen Engführung“ verfalle, wenn sie faktisch vom Axiom der „Gleichsetzung der uns überkommenen Traditionsliteratur und der Traditionswelt des alten Israel“ gesteuert sei, oder kürzer: dem Vollständigkeitsaxiom. Blum fährt fort: „Dies ist m.W. so ausdrücklich nie vertreten worden. Mehr noch, einmal expliziert, wird eine solche evident unhistorische Konstruktion gewiss allgemein zurückgewiesen werden. Gleichwohl ist sie für die Logik vieler Argumentationszusammenhänge unabdingbar.“61 Eine These wie die Harald Knoblochs ist jedenfalls kaum ohne das Vollständigkeitsaxiom zu denken.

60 Vgl. hierzu E. J.  Smit, So How Did Jehoiakim Die? JSem 6 (1994) 46–56; C. Begg, The End of King Jehoiakim. The Afterlife of a Problem, JSem 8 (1996) 12–20; S. Delamarter, The Vilification of Jehoiakim (a.k.a. Eliakim and Joiakim) in Early Judaism, in: C. A.  Evans / J. A.  Sanders (Hg.), The Function of Scripture in Early Jewish and Christian Tradition (JSNT.S 154), Sheffield 1998, 190–205; O. Lipschits, „Jehoiakim Slept with his Fathers …“ (II Kings 24:6) – Did He?, JHS 4 (2003) Art. 1. 61 Blum, Exegetik, 16 (Hervorhebungen im Original).

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V. Methodischer Ertrag Die vorgelegte exemplarische Kontrolle einer These zu intentionaler Intertextualität im Alten Testament verfuhr überwiegend in herkömmlichen Bahnen, indem sie die Tauglichkeit der angeführten Parallelen und die Glaubwürdigkeit der ihnen zugeschriebenen Funktionen überprüfte. Entsprechend dem eingangs formulierten Programm wurde indes darüber hinaus versucht, auf einer Metaebene die impliziten Axiome und Prämissen der Argumentation zu identifizieren. Dabei traten bedenkliche Voraussetzungen zutage, denen hier die Termini Abrogationsaxiom und Vollständigkeitsaxiom beigelegt wurden. Nebenbei war zusätzlich auf eine verbreitete Prämisse hinzuweisen, die das Etikett Perennitätsaxiom erhielt. Als besonders folgenreich für den Gedankengang erwies sich ein Theorem, das zwar keinen axiomatischen Rang besitzt, aber ebenso fragwürdig erscheint, nämlich das unterstellte literatursoziologische Modell, dem zufolge die alttestamentliche Literatur überwiegend von Mitgliedern exklusiver gelehrter Zirkel für Adressaten gleichen Zuschnitts verfasst wurde. Im Interesse der Wahrheitsfähigkeit unserer Disziplin besteht dringender Bedarf an methodischer Reflexion, ob und, wenn ja, unter welchen Bedingungen die genannten Vorannahmen als berechtigt gelten dürfen. Wie ferner der Blick in neuere Publikationen zeigt, trifft beim aktuellen Meinungsklima in unserem Fach nahezu jede Hypothese zu intentionaler Intertextualität, die bloß ein Minimum an lexikalischen und/oder strukturellen Gemeinsamkeiten vorweisen kann, auf Glaubensbereitschaft. Die Wellenschläge, denen solche Plausibilitätsstrukturen unterliegen, stützen allerdings die Prognose, dass die gegenwärtigen Sichtweisen in absehbarer Zukunft der verdienten Kritik verfallen werden – um dafür irgendeiner anderen Übertreibung Platz zu machen. Es ist ein Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit, der ersten, wünschenswerten Hälfte dieser Trendwende vorzuarbeiten. Der vorliegende Aufsatz kann hierzu nur einen bescheidenen Beitrag leisten, weil eine schmale Fallstudie natürlich nur wenige verallgemeinerungsfähige Lehren liefert. Bedingt durch das Beispielmaterial, bezieht sich der methodische Ertrag vor allem auf die Zeugniskraft geprägter Sprache für die Diagnose intentionaler Intertextualität. Allgemeingültig und dringend, allerdings auch ganz unspezifisch ist der Imperativ, dass die Beweisanforderungen an Hypothesen zu intentionaler Intertextualität deutlich steigen müssen. Immerhin erlauben die analysierten Fälle die Ableitung einiger Regeln. Sie sind banal, sollten sich von selbst verstehen und traten auch schon vielfach in Kriterienkatalogen auf,62 werden aber in einschlägigen Publikationen fortwährend missachtet:63 62 Auf biblische Texte zugeschnittene Kriterienlisten bieten beispielsweise Hardmeier, Jesajaforschung, 14–16; R. B. Hays, Echoes of Scripture, 20–32; C. B.  Hays, Echoes of the Ancient Near East, 35–42 (mit der erklärten Absicht, den Kriterienkatalog von R. B. Hays zu präzisieren); Leonard, Identifying Inner-Biblical Allusions, 246; D. Emanuel, From Bards to

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1. Die Erkennbarkeit intertextueller Signale hängt an ihrer Spezifität. Um diese zu sichern, sind folgende Standards einzuhalten: a) Die Gemeinsamkeiten müssen sich auf Wortverbindungen oder Cluster erstrecken, eine Mindestschranke, die allenfalls in gut begründeten Ausnahmefällen unterschritten werden darf. b) Die Signifikanz des Vokabulars fällt mit seiner Häufigkeit und/oder Alltäglichkeit. Deshalb wächst der erforderliche Grad an Spezifität mit dem Grad der Formelhaftigkeit des Sprachmaterials. 2. Die Vorannahmen zum Umfang des zeitgenössischen Literaturbetriebs sind zumindest provisorisch zu explizieren. Das zeitgenössische Angebot an Lesestoff ist nicht mit den nach Ursprungsdatum einschlägigen Anteilen des Alten Testaments gleichzusetzen. Neben der schriftlichen Literatur ist die orale Sprachpraxis einzukalkulieren. 3. Die Prämissen zur Eigenart des angezielten Publikums sind offenzulegen: Wie war jener Adressatenkreis nach Größe, Kenntnissen und interpretativer Kompetenz beschaffen, von dem der Autor erwartete, in seinem Sinne verstanden zu werden? Die literatursoziologischen Voraussetzungen müssen mit dem Charakter der betroffenen Literatur in Einklang stehen. 4. Die Grenzen unseres Wissens in den beiden vorangegangenen Hinsichten sind zu benennen und müssen die Reichweite und den Anspruch der Hypothesenbildung limitieren. Biblical Exegetes. A Close Reading and Intertextual Analysis of Selected Exodus Psalms, Eugene 2012, 17–20; Kynes, Psalm, 37–60; W. Morrow, Legal Interactions. The mišpāṭîm and the Laws of Hammurabi, BiOr 70 (2013) 309–331, hier 311–313; Krause, Exodus, 58–61; A. Brodersen, The End of the Psalter. Psalms 146–150 in the Masoretic Text, the Dead Sea Scrolls, and the Septuagint (BZAW 505), Berlin 2017, 24–27; J. M.  Leonard, Identifying Subtle Allusions. The Promise of Narrative Tracking, in: Z. Zevit (Hg.), Subtle Citation, Allusion, and Translation in the Hebrew Bible, Sheffield / Bristol 2017, 91–113. Vgl. weiterhin den Forschungsbericht über die Debatte um den Kriterienkatalog von R. B. Hays in der englischsprachigen neutestamentlichen Wissenschaft von D. A.  Shaw, Converted Imaginations? The Reception of Richard Hays’s Intertextual Method, CBR 11 (2013) 234–245. 63 Entsprechend den aktuellen methodischen Trends mehren sich die Beispiele aus dem Bereich der Verhältnisbestimmung von Jeremiabuch und Pentateuch, die illustrieren, welch geringe Beweisanforderungen derzeit an die Diagnose intendierter Verweisstrukturen gestellt werden und welch gewagte Vorstellungen von den damaligen Rezeptionsbedingungen als vertretbar gelten. Weiterhin scheint sich der Mangel an methodischem Problembewusstsein bisweilen mit einem enormen Maß an Risikofreude zu paaren, wenn es gilt, den mutmaßlichen Anspielungen Funktionen zuzuschreiben. Fragen in solchen Hinsichten werfen etwa die neueren Arbeiten von Benedetta Rossi auf; vgl. B. Rossi, Conflicting Patterns of Revelation. Jer 31,33–34 and Its Challenge to the Post-Mosaic Revelation Program, Bib. 99 (2018) 202– 225; dies., Struggling for Authority. Prophecy and Torah in Jonah 3,8–10 and Jer 26,1–19, in: G. Benzi / E. Di Pede / D. Scaiola (Hg.), Profeti maggiori e minori a confronto. Major and Minor Prophets Compared (Nuova biblioteca di scienze religiose 61), Roma 2019, 127–138; dies., Reshaping Jeremiah. Scribal strategies and the prophet like Moses, JSOT 44 (2020) 575– 593; dies., Lo scritto profetico in Ger 36. Tra fragilità e sovversione, Ricerche storico-bibliche 32 (2020) 199–219.

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Augustins Umgang mit der Heiligen Schrift als aktuelles Modell der Schriftauslegung? Eine Gegenthese im Blick auf seine quaestiones in heptateuchum Walter Groẞ Ein Blick auf Augustinus mag in dem Kontext dieses Bandes erstaunen. Ich möchte damit die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass vor allen methodischen Einzelproblemen die Frage von großer Bedeutung ist, was wir unter „biblischer Text“ verstehen. Daran entscheidet sich, welche Fragen wir sinnvollerweise an ihn stellen und mit welchen Methoden wir legitimer Weise darauf zu antworten versuchen können. Nachdem diese Frage lange im Sinn des historischkritischen Methodenensembles entschieden zu sein schien, ist dies zurzeit nicht mehr der Fall. Aktuell wird dies im Zusammenhang mit Ansätzen wie kanonischer Exegese, Endtextexegese und schrankenloser Intertextualität diskutiert. Auf dieses auch terminologisch sehr vielfältige und heftig, nicht immer ohne ideologischen Einschlag umkämpfte Gebiet werde ich mich nur indirekt einlassen. Angesichts mancher Bemühungen, auch die Kirchenväterexegese zu revitalisieren, auf die ich gegen Ende dieses Aufsatzes eingehen werde, kann diese Diskussion wegen des großen zeitlichen Abstands vielleicht etwas weniger emotional geführt werden. Der für eine solche Fragestellung bei weitem geeignetste Kandidat aus der Reihe der lateinischen Kirchenväter ist Augustinus, denn er hat seine exegetische Arbeitsweise nicht nur vielfach gewandelt, sondern auch gründlich und selbstkritisch reflektiert und war in der protestantischen Exegese noch in der Reformationszeit und in der katholischen Exegese bis in das 19. Jh. einflussreich. Von seinen zahlreichen exegetischen Werken habe ich sein umfangreiches Alterswerk quaestiones in heptateuchum (QH) ausgewählt,1 verfasst um 420, (1) weil er darin vor allem den sensus proprius den „buchstäblichen Sinn“ zu ergründen sucht, während der übertragene Sinn aller Spielarten von Allegorese bis 1 Alle Zitate aus den quaestiones stammen aus W. Groẞ, Augustinus: Quaestiones in Heptateuchum. Zweisprachige Ausgabe. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert, in: J. Brachtendorf / H. Drecoll (Hg.), Augustinus. Opera. Werke. K. Exegetische Werke, Bd. 77, Teil 1 und 2, Paderborn 2018. Dort sind im Folgenden berührte Details der exegetischen Praxis Augustins ausführlicher dargestellt und belegt.

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Typologie zurücktritt, und weil er (2) zur Zeit dieser seiner Arbeit an Genesis bis Richter, nicht immer zu seiner Freude, durch Hieronymus gezwungen war zu akzeptieren, dass sein durch die ihm zugängliche LXX und die darauf basierenden altlateinischen Übersetzungen (Sammelname Vetus Latina, VL) vertretener Bibeltext in nicht wenigen Fällen vom hebräischen Wortlaut, den ich im Folgenden, historisch nicht ganz zutreffend, textus masoreticus (TM) nenne, abweicht. In den quaestiones hat es Augustinus daher nicht nur mit der Spannung zwischen sensus proprius, Auslegung secundum litteram einerseits und dem übertragenen Sinn, sensus spiritalis, andererseits zu tun, sondern seine Suche nach dem sensus proprius kompliziert sich durch die ihm bewusste Einschränkung, den biblischen Text des Alten Testaments nicht in seinem ursprünglichen hebräischen Wortlaut, sondern nur in Übersetzungen greifen zu können.

I. Augustins Voraussetzungen Voraussetzung jeglicher exegetischer Arbeit war für Augustinus die Inspiration und die daraus folgende Inerranz der Bibel. Nicht die Intention biblischer Autoren, sondern die Aussagen Gottes wollte er erforschen. Sie kommen in der Bibel unverfälscht, wenn auch im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten menschlicher Sprache zum Ausdruck. Gott aber wollte nur Wahres, Gutes und religiös Nützliches aussagen. Mögliche, gelegentlich am Rande zugegebene Verfälschungen konnten erst durch unaufmerksame Schreiber eindringen. Augustinus sucht in erster Linie nach der theologischen Bedeutung; in zweiter Linie versucht er, die Wahrheit der von Gott eingegebenen biblischen Aussagen zu erweisen, indem er jede Art von Widersprüchen zwischen Bibelstellen aufzulösen unternimmt.2 Augustinus hat stets mit mehreren Bibelhandschriften gearbeitet. Denn die in seiner nordafrikanischen Kirchenprovinz liturgisch verwendete VL lag in Exemplaren sehr unterschiedlicher Qualität vor. Er wollte zwar kein professioneller Textkritiker oder Philologe sein, sondern einerseits aus eher pastoralen Gründen seinen Gläubigen den Text des Alten Testaments erklären und andererseits diesen Text zugleich gegen die Kritik von Heiden und Manichäern verteidigen, aber er war sich bewusst, dass er dazu vor aller philologischen Kleinarbeit, der er sich mit großem Fleiß widmete, eine vertrauenswürdige Textbasis benötigte. Er wusste, dass die VL aus der LXX übersetzt war; ihm war dagegen nicht bekannt, dass die LXX auf Grund mehrerer Anpassungen an den ebenfalls noch in unterschiedlicher Gestalt vorliegenden hebräischen Text selbst noch im Wandel war und seine lateinischen Exemplare in manchen Punkten auf unterschiedliche Entwicklungsphasen der LXX zurückgingen. Dass die lateinischen Übersetzer 2 Vgl. QH qu. 1,119: ut scriptura falli vel fallere non credatur. 1,72: mentiri scriptura non potest.

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öfter den griechischen Text missverstanden oder ungeschickt übersetzt und auch Kopisten weitere Fehler hineingebracht hatten, war ihm, dem ausgebildeten Rhetorikprofessor, bewusst. Er suchte einen zuverlässigen Text abzusichern, indem er die lateinischen Kodizes nach der LXX korrigierte. Dafür gibt es in den quaestiones zahlreiche Beispiele. Die Fehleranfälligkeit der Lateiner bereitete ihm allerdings kein grundsätzliches Problem, denn im Gegensatz zu diesen waren ihm die LXX inspirierte und daher unfehlbare Übersetzer des hebräischen Textes; er hielt im Gegensatz zum älteren Hieronymus, der sich darüber lustig machte,3 an der jüdischen, christlich noch weiter radikalisierten LXX-Legende fest. Deswegen verunsicherte ihn auch nicht grundsätzlich, dass er kein Hebräisch verstand. Er gestand zu: Si [Moyses] hebraea voce loqueretur, frustra pulsaret sensum meum nec inde mentem meam quidquam tangeret; si autem latine, scirem, quid diceret.4 Wenn Mose in hebräischer Sprache spräche, würde er vergeblich an meinen (Gehör‑)Sinn anklopfen und folglich meinen Verstand nicht im Geringsten berühren; wenn er aber lateinisch spräche, würde ich verstehen, was er sagte.

Aber im Gegensatz zu früheren Werken wie De Genesi contra Manichaeos, De Genesi ad litteram liber imperfectus und dem umfassenden, allerdings systematisch ausgerichteten Werk De Genesi ad litteram war ihm während seiner Arbeit an den quaestiones der scharfzüngige Hieronymus beständig ein Stachel im Fleisch. Bei seiner Arbeit an QH lag ihm bezüglich Genesis von Hieronymus Hebraicae quaestiones in libro Geneseos vor. Exodus bis Numeri konnte er von Hieronymus unbehelligt bearbeiten, aber ab seiner Arbeit am Deuteronomium kannte er die später sog. Vulgata (Vulg) des Hieronymus. Außerdem waren in manchen seiner lateinischen Kodizes wohl, wenn auch unsystematisch, Obeloi und Asterisken aus der Hexapla des Origenes eingetragen. Zudem kannte er zumindest theoretisch die jüngeren griechischen Übersetzungen der „Tres“ Aquila, Symmachus und Theodotion.

3 Ursprünglich hatte auch Hieronymus die Inspiration der siebzig Übersetzer angenommen; vgl. Biblia Sacra, alia praefatio VII,8: Nec hoc Septuaginta interpretibus, qui Spiritu Sancto pleni ea quae vera fuerunt transtulerunt, sed scriptorum culpae adscribendum, aber im Prologus in Pentateucho leugnet er sie und macht sich über die LXX-Legende lustig: nescio qui primus auctor septuaginta cellulas Alexandriae mendacio suo exstruxerit, quibus divisi eadem scriptitarint […]. Aliud est enim vatem, aliud esse interpretem. Da sich die obige von Augustinus geteilte Überzeugung von der Inspiriertheit der LXX in der katholischen Theologie lange, bei einigen Autoren bis in die Mitte des 20. Jh.s, der Zustimmung erfreute, sah sich noch im Jahr 2016 die Neue Einheitsübersetzung zu der Klarstellung veranlasst: „Doch bei der LXX handelt es sich nicht um eine prophetische Neuoffenbarung Gottes in griech. Sprache, sondern um sukzessive Übersetzungen von unterschiedlicher Qualität über einen beträchtlichen Zeitraum“ (Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Gesamtausgabe, 1. Auflage, Stuttgart 2016, 1453). 4 Conf. 11,5.

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Augustinus konnte daher nicht ignorieren, dass die LXX vom hebräischen Wortlaut, den er aber nicht kontrollieren konnte, in vielen Fällen abwich. Dagegen immunisierte er sich durch seine These, dass die Kirche im Besitz zweier inspirierter Fassungen des Alten Testaments ist und, dem Vorbild der neutestamentlichen Autoren, wie er generell annahm, folgend die griechische Fassung bevorzugt hat. Derselbe Geist nämlich, der in den Propheten war, als sie sprachen, war auch in den siebzig Männern, als sie diese Worte übersetzten; er konnte selbstverständlich mit seiner göttlichen Autorität auch etwas anderes sagen; es wäre so, wie wenn ein Prophet beides gesagt hätte, da beides derselbe Geist sagte, und dasselbe konnte er auf andere Weise sagen, so dass verständnisvollen Leuten, wenn schon nicht dieselben Wörter, doch derselbe Sinn aufleuchtete, und anderes konnte er auslassen und anderes hinzufügen.5

So konnte Augustinus mit Plus und Minus der LXX gegenüber TM, soweit sie ihn überhaupt interessierten, entspannt umgehen. Wechselseitige Textkritik wäre unter dieser Voraussetzung allerdings weder möglich noch notwendig. Probleme tauchten dann auf, wenn (1) TM und LXX dem sensus proprius nach nicht nur Verschiedenes, sondern sich Widersprechendes enthielten. (2) Wenn innerhalb seines griechischen Bibeltextes Widersprüche auftauchten. (3) Wenn die Bibel von Patriarchen, die er im Gegensatz zu deren Frauen für heiligmäßig hielt, moralisch oder religiös Anstößiges oder für anstößiges Verhalten anderer Personen göttliche Belohnung berichtete. In den quaestiones sucht er bei generell apologetischer Tendenz mit Scharfsinn, gelegentlich spitzfindigen Distinktionen und unter Ausnützung aller ihm aus der Rhetorik vertrauten Redefiguren wie anticipatio, ellipsis, hyperbole, pleonasmus, prolepsis, synecdoche sowie der damals akzeptierten Neuorganisation von Wortfolgen und der Annahme spezifisch biblischer idiomatischer Ausdrucksweisen, darunter locutio inusitatissima, die Lösung zunächst auf der Ebene des Wortsinnes, des sensus proprius; wenn dies aber nicht möglich ist, wechselt er auf die Ebene des übertragenen Sinnes, des sensus spiritalis.

II. Augustins Problemlösungen An vier Beispielen sei sein Vorgehen erläutert. Sie lassen sein Verständnis des biblischen Textes und eines methodisch kontrollierten Umgangs mit ihm erkennen. TM und LXX widersprechen sich: Jona 3,4, qu. 1,169. Jona kann die Vernichtung Ninives nur entweder nach drei Tagen (LXX) oder nach 40 Tagen (TM) ange5 Civ.

18,43 l. 26–33.

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kündigt haben. Hier hilft nur der geistliche, in diesem Fall der christologische Sinn. Augustinus: Aber man soll auch nicht annehmen, die siebzig Übersetzer, die man zu lesen pflegt, hätten darin geirrt, dass sie nicht ‚vierzig Tage’, sondern ‚noch drei Tage, und Ninive wird zerstört werden’ sagen […]. Sie waren ja mit höherer Autorität ausgestattet, als es dem Beruf von Übersetzern zukommt, und haben so in prophetischem Geist übersetzt: ‚drei Tage’, obgleich sie keineswegs verkannten, dass man in den hebräischen Codices ‚vierzig Tage‘ las […]. Und weil er nach drei Tagen auferstand, nach vierzig Tagen aber auffuhr, bezeichnen die hebräischen Codices durch die Zahl an Tagen das eine dieser Ereignisse, das später eingetreten ist; das andere der drei Tage aber, die zum selben Komplex gehören, wollten die LXX nicht in sklavischer Übersetzung, sondern kraft prophetischer Autorität erwähnen. Wir wollen daher nicht sagen, dass eines der beiden falsch ist, noch wollen wir für die einen Übersetzer gegen die anderen streiten, da einerseits diejenigen, die aus dem Hebräischen übersetzen, uns beweisen, dass das, was sie übersetzen, so geschrieben steht, andererseits die Autorität der siebzig Übersetzer, die auch durch ein so großes von Gott gewirktes Wunder bestätigt wird, auf Grund ihres so hohen Alters in den Kirchen bekräftigt wird.

Durch den Überstieg auf den geistlichen, in diesem Fall den christologischen Sinn verliert der Widerspruch auf der Ebene des wörtlichen Sinns somit, ohne beseitigt zu werden, jede Bedeutung. Der Widerspruch im Wortsinn ist dann mit der Inspiration durch Gott und der Wahrhaftigkeit Gottes vereinbar, wenn Gott gerade durch diesen vordergründigen Widerspruch eine geistliche Wahrheit mitteilen wollte. Wieweit und inwiefern in diesen Fällen der wörtliche Sinn dennoch erhalten bleibt, bleibt unklar; er ist jedenfalls irrelevant. Widersprüche innerhalb der LXX. Nach den LXX-Zahlen des Stammbaums Adams Gen 5,1–32 hätte Metuschelach die Sintflut um vierzehn Jahre überlebt, was Gen 7,13.21–22 widerspricht, denen zufolge nur Noachs Familie, acht Personen, zu denen Metuschelach nicht zählt, überlebt haben: ein unter den alten jüdischen wie christlichen Exegeten berühmtes, die Inerranz der Schrift gefährdendes Problem. In qu. 1,2 verweist Augustinus zwar, belehrt durch Hieronymus Qu. Hebr. Gen., auf TM, übernimmt aber nicht dessen abweichende hebräische Zahlen, denen zufolge Metuschelach in der Flut umgekommen ist. TM ist ihm lediglich ein Zeuge dafür, dass Metuschelach die Sintflut nicht überlebt hat. Wie es sich tatsächlich verhielt, dass nämlich Metuschelach schon sechs Jahre vor der Flut starb, entnimmt er griechischen Zeugen, codicibus paucioribus sed veracioribus. Augustinus votiert somit nicht mit TM gegen LXX, sondern mit drei Codices der LXX (+ einem lateinischen und einem syrischen), die für ihn die genuine LXX repräsentieren, gegen alle anderen LXX-Codices, die er für fehlerhaft erklärt. Dass diese drei einen Mischtext bieten, der bereits geschaffen wurde, um zwischen TM und LXX zu vermitteln, entgeht ihm. In Civ. 15,10–13 diskutiert Augustinus den Sachverhalt ausführlicher; hier bietet er als mögliche Lösung an, dass bereits derjenige Kopist, der als erster die originale LXX aus der alexandri-

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nischen Bibliothek des ägyptischen Königs erhielt und von dessen Kopie alle weiteren Exemplare der LXX abhängen, in die richtige Übersetzung der Siebzig durch Nachlässigkeit und unabsichtlichen Irrtum falsche Zahlen eingeführt hat.6 Qu. 2,176 zu Ex 40,34–35: Auch hier findet Augustinus die Lösung auf der Ebene des geistlichen Sinnes. Beachtung verdient die sehr erstaunliche Tatsache, dass während die Wolke, die doch auch Herrlichkeit des Herrn genannt wird, herabstieg und das Zelt erfüllte, Mose das Zelt nicht betreten konnte, er, der doch auf dem Berg Sinai, als er das Gesetz zum ersten Mal empfing, ‚in die Wolke hineinging, wo Gott war‘ (Ex 20,21). Ohne Zweifel also spielte er damals eine andere Rolle als jetzt: und zwar damals die Rolle derer, die der geheimsten Wahrheit Gottes teilhaftig werden, jetzt aber die Rolle der Juden, denen sich die Herrlichkeit des Herrn, die im Zelt ist – das ist die Gnade Christi – wie eine Wolke entgegenstellt, ohne dass sie sie verstehen. Und deswegen tritt er nicht in das Zelt des Zeugnisses ein. Und man muss annehmen, dass dies nur einmal, sogleich, als das Zelt errichtet worden ist, um dieser oder einer anderen Vorausbezeichnung willen geschehen ist. Denn die Wolke war auch nicht immer in der Weise über dem Zelt, dass Mose dorthin nicht eintreten konnte, da sich die Wolke nämlich nicht entfernte, außer wenn ihnen dieses Signal, sich zu trennen, gegeben wurde.

Mehrfach ringt Augustinus mit der Frage, wer die zweiten steinernen Gesetzestafeln beschriftet hat, und zwar sowohl in der quaestio zu Exodus wie auch, unter Berichtigung des dort Gesagten, in der quaestio zu Deuteronomium. Dieses Problem wird ja, unter anderen methodischen Vorgaben, bis heute in der modernen Exegese kontrovers diskutiert. Die zweiten Tafeln kann nur entweder Gott (so Dtn 10,1.4: „Damals sagte Jhwh zu mir: Hau zwei Steintafeln zurecht, so wie die ersten … Ich will auf die Tafeln die gleichen Worte schreiben, wie auf die ersten … Wie bei der ersten Inschrift schrieb Jhwh auf die Tafeln die Zehn Worte.“) oder Mose (so Augustins Deutung von Ex 34,28: „Mose blieb bei Jhwh vierzig Tage und vierzig Nächte. Er aß kein Brot und trank kein Wasser. Er schrieb auf Tafeln die Worte des Bundes, die Zehn Worte.“) mit dem Dekalog beschriftet haben. Augustinus rettet sich von diesem Widerspruch auf der Ebene des wörtlichen Sinns auf die des geistlichen Sinns und legt ihn dahingehend aus, dass deswegen beides von den zweiten Tafeln gesagt worden ist, weil einerseits Gott durch seine Gnade die Verwirklichung des Gesetzes im Menschen bewirkt, andererseits der Mensch, der durch seinen Glauben die Gnade Gottes empfängt, zum Neuen Bund gehört und mit dem ihm helfenden Gott mitarbeitet.7

Dieser Fall ist auch deswegen aufschlussreich, weil Augustinus in überraschender Offenheit darüber reflektiert, was er getan hätte, wenn ihm nicht der Aufstieg zum geistlichen Sinn eingefallen wäre. „Falls wir nicht, gewaltsam zwar, aber mit unzweifelhafter Notwendigkeit, gezwungen werden (nisi forte violenter quidem 6 Civ.

7 Qu.

15,13,17–23. 5,15,4. Ausführlicher zu diesem Problem: Groẞ, Quaestiones Bd. 2, 286–290.

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sed certa necessitate conpellimur), in dem Satz: ‚und er schrieb auf die Tafeln die Worte des Bundes, die Zehn Worte‘ nicht Mose, sondern den Herrn [als Subjekt] mitzuhören.“8 Auf Grund seiner Deutung im geistlichen Sinn jedoch werden wir keineswegs gezwungen, auf Grund einer gewaltsamen Deutung herauszuhören (non cogimur violento intellectu subaudire), dass Gott geschrieben habe, wo doch die Schrift gesagt hat: ‚Und Mose war dort vor dem Angesicht Gottes vierzig Tage und vierzig Nächte; er aß kein Brot und trank kein Wasser, und er schrieb auf die Tafeln die Worte des Bundes;‘ das klingt doch sehr danach (unde valde sonat), dass Mose geschrieben hat.9

Augustinus gibt also zu, dass ihm das Dogma der Irrtumslosigkeit und Widerspruchsfreiheit der Schrift so wichtig und unbezweifelbar ist, dass er sich im Extremfall zu dessen Verteidigung sogar gezwungen gesehen hätte und dazu bereit gewesen wäre, die Auslegung einer der beiden sich widersprechenden Aussagen auf der Ebene des Literalsinnes violento intellectu so auszulegen und hinzubiegen, dass der Widerspruch verschwindet. Er kann freilich nur deswegen decouvrierend so starke Ausdrücke benutzen, weil er letztlich dieser Notlösung durch den geistlichen Sinn entkommen ist. Moralisch oder religiös bedenkliche Aussagen. Gen 12,10–20 (qu. 1,26): Abraham hat nicht gelogen, als er Sara Pharao gegenüber als seine Schwester ausgab, dies ist auch kein Zeichen seiner Glaubensschwäche, vielmehr hat er, indem er lediglich verschwieg, dass sie seine Frau war,10 Sara Gott selbst anvertraut, zugleich aber durch ihre Bezeichnung als seine Schwester, um Gott nicht zu versuchen, das ihm Mögliche zu ihrer Bewahrung getan. Im Übrigen hat Pharao an den wenigen Tagen nicht mit ihr den Beischlaf vollzogen, weil nach damaligem Brauch Frauen dafür lange kosmetisch vorbereitet werden mussten. Gen 17,17 (qu. 1,36): Als Abraham angesichts der Verheißung der Geburt Isaaks lachte, war dies ein Lachen des Staunens und der Freude – im Gegensatz zu Sara, die aus Zweifel an der Verheißung lachte.11  8 QH

5,15,3. 5,15,4. 10 Vgl. c. mend. 10,23: Non est ergo mendacium, cum silendo absconditur verum, sed cum loquendo promitur falsum „Es ist daher keine Lüge, wenn die Wahrheit durch Verschweigen verborgen, sondern nur, wenn durch Reden Unrichtiges geäußert wird.“ 11 Vgl. Augustinus, civ. 16,31. Das Motiv des Lachens ist aus namensetymologischen Gründen seit ältester Zeit mit Isaak („er [ein Gott oder der Vater] hat gelacht“) verbunden. Der priesterschriftliche Autor hat das Lachen Saras hinter der Zeltwand aus der älteren Erzählung Gen 18,12–15 in das Lachen Abrahams im Akt der Anbetung vor dem Gott, der sich ihm vorgestellt hatte (Gen 17,1), verwandelt (Gen 17,17). Dieses Lachen Abrahams blieb bis in jüngste Zeit umstritten, Augustins Auslegung dominierte aber bis in den Beginn des 20. Jh.s. Die Abraham entlastende Deutung des Augustinus: Staunen und Freude vertritt in der Formulierung Calvins noch H. L.  Strack, Die Bücher Genesis, Exodus, Leviticus und Numeri (KK), München 1894. Nur Jubel nennt B. Jacob, Das erste Buch der Tora. Genesis. Übersetzt und erklärt, Berlin 1934 (Nachdruck unter dem Titel: Das Buch Genesis, Stuttgart 2000), nur Verwunderung A. Dillmann, Die Genesis erklärt (KEH 11), Leipzig 41882. E. König, Die Genesis eingeleitet, über 9 QH

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Gen 25,1–4 (qu. 1,70): Dass Abraham nach Isaaks wunderbarer Geburt noch mit Ketura Kinder zeugte, zeigt nicht einen Mangel an Enthaltsamkeit, sondern ist ein prophetisches Zeichen, insofern die Konkubinenkinder für das fleischliche Volk der Juden und die Häretiker stehen. Gen 28,18; 31,45; 35,13–15 (qu. 1,84; 1,96; 1,116): Jakob stellt die Masseben nicht als Objekte kultischer Verehrung, sondern als Zeichen, im Fall der Massebe von Betel, die er salbt, als prophetischen Verweis auf die Salbung Christi auf. Er spendet das Trankopfer nicht dem Stein, sondern über dem Stein. Gen 30,37.42 (qu. 1,93): Durch den Hirtentrick mit den geschälten Zweigen, für den er unnötigerweise Zweige von drei Baumarten verwendete, vollzog Jakob, der Prophet, ein prophetisches Zeichen. Allerdings erläutert Augustinus es nicht. Außerdem hat Jakob nicht ungerecht gehandelt, weil er Laban nicht um seinen gesamten Viehbestand brachte. In Gen 43,34 (qu. 1,144) wird zwar von Josef und seinen Brüdern gesagt: biberunt autem et inebriati sunt cum eo, aber Josef hat sich nicht betrunken und kann daher von Säufern nicht als Vorbild genannt werden, denn inebriati sunt bezeichnet hier lediglich Sättigung.12 Immer wieder beschäftigt ihn vor allem, setzt und erklärt, Gütersloh 2+31925, 512, versteht es als „ein doppelsinniges Lachen, das der Freude und das des Zweifels“. Da Abraham an der Realisierbarkeit der Verheißung zweifelt (17,17), deswegen um Segen für den bereits vorhandenen Ismael bittet (17,18), Gott dem aber zunächst ein energisches „Nein!“ entgegensetzt (17,19), wird seit H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, Göttingen 81969, 271, zu Recht überwiegend die Auslegung vertreten, dass Abraham „vor Gott niederfällt und dabei über seine Verheißung lacht“; seit G. von R ad, Das erste Buch Mose. Genesis (ATD 2–4), Göttingen 101976, 159 („ein geradezu schauerliches Lachen, todernst und jenseits jeden Spaßes, Glaube und Unglaube hart aneinanderstellend“), C. Westermann, Genesis. 2. Teilband: Genesis 12–36 (BK I/2), Neukirchen-Vluyn 1981 (Abrahams Lachen „hat etwas Bizarres im unmittelbaren Gegenüber zu dem ihm Wunderbares verheißenden Gott“), H. Seebass, Genesis II: Vätergeschichte I (11,27–22,24), Neukirchen-Vluyn 1997 („die psychologische Unmöglichkeit dieses Verses [ungläubiges Lachen mit Anbetung verbunden]“), bemüht man sich um eine vertiefte theologische Deutung. 12 Hier liegt ein interessantes Übersetzungsproblem vor. VL+Vulg: inebriati sunt und LXX: ἐμεθύσθησαν geben wörtlich TM wieder. Das hebräische Verb ‫ ׁשכר‬bedeutet „betrunken sein/ werden“ und wird andernorts mehrfach metaphorisch gebraucht. Hier allerdings, in Verbindung mit „sie tranken“, besteht kein Grund, von der Bedeutung „sich berauschen, betrinken“ abzugehen. Dennoch hat Augustinus mit seinem pastoralen Anliegen langfristig Einfluss in wissenschaftlichen und Gebrauchsübersetzungen ausgeübt. Selbst das Lexikon von W. Gesenius / F. Buhl, Wilhelm Gesenius’ hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament (in Verbindung mit H. Zimmern … bearb. von Frants Buhl), Berlin 171915, gibt, neben sonstigem „sich berauschen“, für Gen 43,34 die Bedeutung „bis zur Fröhlichkeit trinken“. Entsprechend die Kommentare von Gunkel, von R ad, Westermann: „und wurden guter Dinge“; Einheitsübersetzung 1980 und Zürcher Bibel 2007: „und waren guter Dinge“ (Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung, Stuttgart 1980; Zürcher Bibel, Zürich 2007.); Luther-Revision 1984: „und wurden fröhlich mit ihm“ (Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart 1984; obgleich Luther selbst 1545 übersetzt hatte: „und wurden truncken mit jm“ [Biblia. Germanica 1545. Das ist: Die gantze Heilige Schrifft / Deutsch / Auffs new zugericht M. D.XLV. Neudruck Stuttgart]; so auch die Neue Einheitsübersetzung (Stuttgart 2016): „und sie wurden trunken“, Luther-Revision 2017: „und wurden trunken mit ihm“ [Die Bibel. Nach Martin Luthers Übersetzung. Lutherbibel revidiert 2017. Mit Apokryphen, Deut-

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dass so oft im Alten Testament Personen lügen oder zu lügen scheinen. Gen 44,15 (qu. 1,145): Josefs Behauptung, er wahrsage (auguratur),13 ist keine Lüge, weil er das nur im Scherz sagte: Lügen werden nämlich von Lügnern ernsthaft, nicht im Scherz vorgetragen; wenn aber Dinge, die es gar nicht gibt, gleichsam im Scherz behauptet werden, wird das nicht als Lügen angerechnet.

Die Hebammen (Ex 1,19–20) werden von Gott nur dafür gelobt, dass sie aus Barmherzigkeit die Tötung der israelitischen Knaben verhinderten; ihre Lüge, durch die sie sich vor Pharao verteidigten, dass nämlich die Hebräerinnen gebärten wie die Tiere und die Hebammen daher stets zu spät kämen, um die Knaben beim Geburtsvorgang sterben zu lassen, hat Gott aber nicht gebilligt, sondern er hat nur, seinerseits aus Barmherzigkeit, nachsichtig darüber hinweggesehen (qu. 2,1). Vor allem ist Augustinus natürlich bemüht, das Gottesbild vor Missverständnissen zu schützen. Dass Gott etwas erkunden will oder zweifelt oder in einer Situation etwas wahrgenommen oder erkannt hat, was er somit zuvor so nicht wusste, schließt Augustinus aus (qu. 1,39). „Auch dies: ‚um zu erkennen‘ ist entsprechend einer idiomatischen Ausdrucksweise gesagt, als sollte gesagt werden: ‚um euch erkennen zu lassen‘“ (qu. 1,57).14 „Ich habe erkannt“ steht für „ich habe dich erkennen lassen“ (qu. 1,58).15 „Er hat gesehen“ steht für „er hat sehen lassen“ und bezeichnet durch die Ursache ihren Effekt (qu. 1,58). Von Gott müssen alle Gemütsbewegungen, perturbationes, ferngehalten werden.16 Perturbatio non cadit in deum. Seine Drohung geschieht ohne irati adfectus, „Affekt sche Bibelgesellschaft 2017]). Noch ganz auf der Linie des Augustinus Strack, Genesis: „und wurden satt“ mit Erklärung: „‫ ׁשכר‬bezeichnet hier nur die Reichlichkeit des Genusses, nicht das Trunkenwerden“. Eine mittlere Lösung bietet die Wiedergabe durch Jacob und Seebass: sie „zechten“. Dagegen unverblümt König, Genesis, und Elberfelder Bibel: „berauschten sich“ (Die Heilige Schrift. Aus dem Grundtext übersetzt. Elberfelder Bibel, revidierte Fassung, Wuppertal / Zürich 41995). M. Oeming, Art. ‫ׁשכר‬, ThWAT VIII, 1995, 1–5, hier 1, bemerkt vorsichtig: Das Wort „hat bisweilen pejorativen Beiklang und betont die Konsequenzen des (unmäßigen) Alkoholtrinkens, meint dann also ‚sich betrinken, berauschen, besaufen‘.“ 13 J. De Boeft, Art. Divinatio, AL 2, 1996–2002, 517–519, hier 517: „Ohne zu leugnen, dass man durch divinatio zutreffende Voraussagen über die Zukunft erlangen kann, hält Augustinus sie für eine gefährliche Praxis, da sie Domäne der Dämonen ist, die curiositas der Menschen befriedigen soll und täuschen kann.“ 14 Vgl. auch qu. 2,58; 5,13; 5,19; 7,17.3. 15 Dieser erstmalig in der jüdischen Auslegung durch Jub 18,16 bezeugten Exegese von Gen 22,12 hat Augustinus (vgl. auch civ. 16,32) in der westlichen Kirche zu nachhaltigem Erfolg verholfen. Vgl. die auslegungsgeschichtliche Untersuchung von J.-L. Ska, „And Now I know“ (Gen 22:12), in: Ders., The Exegesis of the Pentateuch. Exegetical Studies and Basic Questions (FAT 66), Tübingen 2009, 111–138. 16 Zu Augustins Lehre über perturbationes/passiones, aber ohne Bezug auf dessen Gotteslehre vgl. J. Brachtendorf, Cicero and Augustine on the Passiones, REAug 43 (1997) 289– 308, hier 295–307.

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eines Zornigen“, sein Zorn ist ohne Erregung (ira sine perturbatione) (qu. 1,39).17 Die Aussage, er sei eifersüchtig, ist daher eine abschreckende Metapher dafür, dass sein Volk nicht ungestraft mit fremden Göttern huren darf (qu. 2,158). Gott ist Geist (spiritus); daher wird er von keinem Ort umfasst und lässt auch nicht gleichsam seine Glieder körperliche Haltungen wie Stehen und Sitzen einnehmen. Es liegt aber in seiner Allmacht, sichtbare Gestalten anzunehmen (adsumptio formarum visibilium) (qu. 2,101). Gott ist überall (qu. 2,61; 2,66; 2,75; 2,154.6; 3,30; 5,10.1). Besonders oft betont Augustinus, dass Gott gerecht ist. Er hebt dies auch in Fällen hervor, in denen man dies anzweifeln könnte, gibt aber über die Behauptung hinaus, Gott sei gerecht, kaum Argumente. Röm 9,14 genügt. Vgl. z. B. qu. 6,10 zu den Ausrottungskriegen Israels: Ohne Zweifel ist aber auch die Art von Krieg gerecht, die Gott befiehlt, bei dem es keine Ungerechtigkeit gibt (vgl. Röm 9,14) und der weiß, was einem jeden zugefügt werden muss. In diesem Krieg ist der Heerführer oder das (Kriegs‑)Volk selbst nicht so sehr als Urheber des Krieges als vielmehr als dienend Ausführender zu betrachten.

Augustinus ist sich der Berechtigung, ja Notwendigkeit, in Fällen eines seines Erachtens unangemessenen biblischen Wortlauts zum geistlichen Sinn überzugehen, und der Existenz eines solchen Sinnes so gewiss, dass er ihn 27 mal nur behauptet, ohne es für nötig zu halten, ihn zu explizieren, und dass er sogar die Schwierigkeiten, einen solchen zu finden, ausspricht. Z. B. qu. 1,70 zu Abrahams Zeugung von Kindern mit Ketura und einer allegorischen Erklärung: Daher muss man auch in jenem Verhalten Abrahams etwas Derartiges suchen. Obgleich einem nicht leicht eine Idee einfällt, will ich einstweilen sagen, was mir in den Sinn kommt.

Qu. 1,76 zu den Reichtümern Isaaks: Daher erbaut diese Erzählung denjenigen, die sie fromm verstehen, nicht wenig den rechten Glauben, selbst dann, wenn es nicht gelingen würde, für diese Dinge eine geistliche Bedeutung herauszupressen.

Qu. 1,93 zum Hirtentrick Jakobs mit den geschälten Zweigen: Und deswegen zwingt diese Angelegenheit dazu, eine Prophetie und eine vorausdeutende Bedeutung zu suchen. Eine solche vollführte Jakob als Prophet zweifellos; und deswegen darf man ihn nicht des Betruges anklagen. Man kann nämlich nicht glauben, dass er etwas Derartiges ohne geistliche Offenbarung gemacht hat.18

Qu. 6,11 zur Kriegslist gegen Ai: Man muss fragen, ob jede Täuschungsabsicht als Lüge zu beurteilen ist und, falls das zutrifft, ob eine Lüge gerecht sein kann, durch die jener getäuscht wird, der es verdient hat, 17 Vgl.

qu. 2,10. wendet hier auf Jakob das Prinzip an, das er in doctr. chr. 3,18 formuliert hat: quod in aliis personis plerumque flagitium est, in divina vel prophetica persona magnae cuiusdam rei signum est. 18 Augustinus

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getäuscht zu werden, und wenn nicht einmal diese Lüge als gerecht erfunden wird, bleibt nur, dass nach irgendeiner zeichenhaften Bedeutung das, was bezüglich des Hinterhalts geschehen ist, auf die Wahrheit bezogen wird.

Zu dieser apologetischen Funktion des geistlichen Sinnes und zu seinen sonstigen Funktionen in der biblischen Theologie Augustins wären weit ausführlichere Darlegungen nötig. Stattdessen will ich aber eine grundsätzlichere Überlegung anstellen, die dem Thema dieses Bandes entspricht.

III. Augustins Praxis als Modell heutiger Schriftauslegung? Ausgangspunkt für Augustinus ist, dass Gott durch die menschlichen Autoren Wahres und moralisch Nützliches mitteilt. Die historischen Umstände der menschlichen Verfasser interessieren ihn ebenso wenig wie ästhetische Aspekte biblischer Texte, auch humorvollen Details biblischer Erzählungen begegnet er seinerseits ohne jeden Anflug von Humor. Er liest sie einzig aus seelsorgerlichem Interesse und unter dem doktrinalen Aspekt, welche theologischen und moralischen Lehren er ihnen entnehmen kann und inwiefern sich die Ereignisse tatsächlich so abgespielt haben, wie sie berichtet sind. Gott sorgt durch seine Inspiration dafür, dass die menschlichen Autoren seine Wahrheit unverfälscht weitersagen, soweit die menschliche Sprache dazu geeignet ist und selbst wenn sie ihrerseits nicht immer den vollen Sinn ihrer Worte erkennen können. Auf Grund der Autorschaft Gottes ist die ganze Bibel eine Einheit und wahr. Gottes Wahrheit aber ist zeitlos, und da Gott Autor aller Teile der Bibel ist, ist aus der Sicht des Auslegers Augustinus die ganze Bibel ein einziger flächiger Text, zwar mit unterschiedlicher Gewichtung von Altem und Neuem Testament, aber doch so, dass jeder Satz der Bibel zu jeder Zeit wahr und daher auch mit jedem anderen Satz der Bibel kombinierbar und durch ihn erklärbar ist, freilich auch mit jedem sachlich übereinstimmen muss. So kombiniert er z. B. in De Genesi ad litteram das Sechstagewerk in Gen 1 mit dem Satz Sir 18,1, der nach seinem lateinischen Wortlaut besagt, dass Gott alles auf einmal (simul) erschaffen hat.19 Daraus folgert er: Da dies wahr ist, steckt diese Wahrheit auch hinter dem Sechstagewerk, das daher im Sinn der Simultanschöpfung auszulegen ist.20 Das ist in sich völlig konsequent, und Augustins Auslegungen des Alten Testaments waren nicht grundlos bis in den Beginn der Neuzeit höchst einflussreich, sie sind ein 19 Vgl. W. Groẞ, Gen 1 und 2 bei Augustinus aus alttestamentlicher Perspektive (im Druck). Während der griechische Wortlaut von Sir 18,1 hervorhebt, dass Gott das All insgesamt, in allen seinen Teilen erschaffen hat: Ὁ ζῶν εἰς τὸν αἰῶνα ἔκτισεν τὰ πάντα κοινῇ, betont VL die Simultaneität des gesamten Schöpfungsaktes: qui vivit in aeternum creavit omnia simul. 20 Gen.Litt. 4,33,51–52. Die Verteilung des simultanen Schöpfungsaktes auf sechs Tage in Gen 1 sei eine pädagogische Maßnahme zugunsten der Armen im Geiste.

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herausragendes, wenn auch an die Denkweisen seiner Zeit gebundenes, ExegeseModell. Nun versucht aber Ludger Schwienhorst-Schönberger in zahlreichen Publikationen diese Auslegungsmethode Augustins zu revitalisieren. Er behauptet, Augustins „Umgang mit der Hl. Schrift“ könne – „über alle kulturellen Differenzen hinweg – durchaus als ein Modell der Schriftauslegung verstanden werden, das nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat“.21 Ihm ist zwar überwiegend an der Wiedergewinnung des Augustinus so wichtigen geistlichen Sinns und der dafür notwendigen Erleuchtung des Bibellesers gelegen.22 Aber in dem Aufsatz, aus dem dieses Zitat stammt, erläutert er seine These an Gen 1,1–2, das Augustinus entsprechend der regula fidei auf creatio ex nihilo auslegt. Schwienhorst-Schönberger entnimmt zwar der modernen Exegese, dass Gen 1,1–2 nicht von einer creatio ex nihilo spricht, bestenfalls diesbezüglich eine „Leerstelle“ aufweist, die Augustinus durch „kontextuelle Schriftauslegung“ auffülle. Aber er führt seinerseits einen Beleg auf, der s.E. von creatio ex nihilo handelt, 2 Makk 7,28, und schließt daraus, „dass die von Augustinus vertretene Interpretation von Gen 1,1–3 als creatio ex nihilo in gesamtbiblischer Perspektive möglich ist, wenngleich dieser Text die Vorstellung nicht vertritt.“23 Er spitzt sogar noch zu: „Es ist also möglich, in gesamtbiblischer Perspektive Gen 1 im Sinne der creatio ex nihilo zu interpretieren, selbst wenn die Vorstellung dort nicht explizit vertreten wird, mehr noch: wenn die gegenteilige Auffassung sogar implizit vorzuliegen scheint.“24 Nach der Konzeption und Ausdrucksweise Schwienhorst-Schönbergers treffen somit folgende drei Thesen auf Gen 1,1–2 zu: (1) Der Text hat eine „ursprüngliche Bedeutung“, „die die primären Rezipienten dieses Textes aller Wahrscheinlichkeit nach herstellten“25; diese umfasst nicht eine creatio ex nihilo. (2) Der Text hat zusätzlich auch einen „impliziten“ Sinn; dieser widerspricht einer creatio ex nihilo, da Gen 1,2 den Zustand vor der Schöpfung beschreibt. (3) Im alttestamentlichen Kanon findet sich andernorts, in 2 Makk 7,28, die Vorstellung von der creatio ex nihilo. Daher kann auch Gen 1,1–2 „in gesamtbiblischer Perspektive“26 im Sinn der creatio ex nihilo interpretiert werden. Wie das folgende Beispiel Ps 1 zeigt, ist das im Grunde nicht nur eine Möglichkeit, sondern, weil dieser Sinn auf der Ebene des Kanons hergestellt wird und der Kanon eine normierende Größe ist, der normative Sinn von Gen 1,1–2. Augustinus weist, wie De Genesi ad litteram zeigt, eine solche Auslegung von Gen 1,1–2 dem wörtlichen Sinn, dem sensus proprius, zu. Aber warum sollten wir 21 L. Schwienhorst-Schönberger, Augustins Auslegung von Genesis 1 in Confessiones 11–13 und die moderne Bibelwissenschaft, in: N. Fischer / D. Hattrup (Hg.), Schöpfung, Zeit und Ewigkeit. Augustinus: Confessiones 11–13, Paderborn 2006, 169–184, hier 184. 22 Das wird im Folgenden nicht kritisiert. 23 Schwienhorst-Schönberger, Augustins Auslegung, 179–180. 24 Ebd., 181 (Auszeichnung von mir). 25 Ebd., 178. 26 Ebd., 181.

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heute einem Text einen Sinn zuweisen, dessen Gegenteil er zumindest implizit vertritt? Haben wir nicht andere Instrumente, mit voneinander abweichenden oder gar sich widersprechenden biblischen Belegen umzugehen? Was berechtigt uns zu solcher Sinnzuweisung, zumal wir vieles über die historischen Umstände der Erzeugung dieser Texte zu wissen meinen? Für Augustinus ist die Autorschaft Gottes der Berechtigungsgrund dafür, auch in Gen 1 die creatio ex nihilo zu finden. In seiner Perspektive hat Gen 1 freilich immer schon die creatio ex nihilo vertreten; von unterschiedlichen Sinnen vor und im Kanon weiß er nichts; das würde seiner Konzeption diametral widersprechen. Schwienhorst-Schönberger verweist neben der „Notwendigkeit eines von der Rezeptionsgemeinschaft akzeptierten Verfahrens der Sinnbegrenzung und Sinneröffnung“ auf den Kanon: „Als literarische Texte sind die Texte der Heiligen Schrift mehrdeutig (polysem). Ihre letztlich normative Bedeutung gewinnen sie nicht als Einzeltexte, sondern als Teiltexte eines Makrotextes, den wir als Kanon bezeichnen. Der Kanon schreibt eine begrenzte Vielstimmigkeit (Polyphonie) fest und grenzt darüber hinaus die Mehrdeutigkeit (Polysemie) biblischer Texte ein.“27 Schwienhorst-Schönberger schreibt anlässlich seiner Deutung, der tags und nachts über die Tora nachsinnende Mann von Ps 1 sei wegen des Zusammenhangs mit Ps 2 und des lebenslang in der Tora lesenden Königs im Königsgesetz Dtn 17,14–20 eine königlich-messianische Gestalt, obgleich das der Intention des Verfassers des Psalms wahrscheinlich nicht entspreche. Man wird die Spannung wohl so zu lösen haben, dass man in der wissenschaftlichen Exegese diesen Prozess der Bedeutungsverschiebung bzw. der Sinnentfaltung sorgfältig beschreibt. Normativ dürfte allerdings jene Bedeutung sein, die der Text im vorliegenden kanonischen Kontext entfaltet.28

Was soll man sich unter der Normativität dieses messianischen Verständnisses vorstellen, außer dass so aus der Mehrzahl heute vertretener Auslegungen diejenige des Verfassers die Weihe der Normativität erhält? Auch scheint mir in einem Band zu Ehren eines evangelischen Kollegen der Hinweis angebracht, dass zumindest die von Schwienhorst-Schönberger vorgelegte kanonische Auslegung von Gen 1,1–2 mithilfe von 2 Makk 7,28 bestenfalls eine katholische sein könnte, da die Makkabäerbücher nicht zum protestantischen Kanon gehören. Die exegetische Methode Augustins und deren Aufnahme durch SchwienhorstSchönberger (Schw.) unterscheiden sich in wichtigen Punkten und erweisen sich so als miteinander unvereinbar:

27 L. Schwienhorst-Schönberger, Einheit statt Eindeutigkeit. Paradigmenwechsel in der Bibelwissenschaft?, HerKorr 57 (2003) 412–417, hier 413 (Auszeichnung von mir). 28 L. Schwienhorst-Schönberger, Wiederentdeckung des geistigen Schriftverständnisses. Zur Bedeutung der Kirchenväterhermeneutik, ThGl 101 (2011) 402–425, hier 422.

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(a) Grund für die Flächigkeit des gesamten biblischen Textes ist für Augustinus der außerhalb der Zeit stehende Gott, der die Teiltexte zwar zu unterschiedlichen Zeiten, aber auf Grund seiner Allwissenheit immer schon in miteinander vereinbarem Sinn geoffenbart hat. Für Schw. erzeugt sie dagegen der Kanon. Die Bibel insgesamt ist ein flächiger Text, weil ihre Einzeltexte in einem historischen, also kontingenten, jedenfalls heute in Einzelheiten nicht mehr rekonstruierbaren Prozess und mit uneinheitlichen Ergebnissen in kirchlichen Kanongestalten abschließend zusammengefasst wurden. (b) Die sachliche Übereinstimmung scheinbar divergierender Texte ist daher für Augustinus von vornherein gegeben. Schw. sieht dagegen, dass zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Kontexten verfasste Texte ursprünglich Unterschiedliches bzw. sich Widersprechendes aussagten; ihre Vereinbarkeit bzw. Übereinstimmung wird erst sekundär durch ihre Einfügung in den Kanon hergestellt. (c) Augustinus fragt nach der Wahrheit eines Textes und betont mehrfach, dass diese Wahrheit in manchen Fällen nur im Modus der Wahrscheinlichkeit erfasst werden kann, weswegen unterschiedliche Auslegungen in manchen Fällen nebeneinander akzeptiert werden können, solange sie nicht der regula fidei widersprechen. Bei Schw. wird dagegen aus der Frage nach der Wahrheit der biblischen Aussage diejenige nach der Normativität des erhobenen Sinnes, und dieser muss, um als Norm funktionieren zu können, eindeutig und klar erkennbar sein. Dieser Sinn überlagert und verändert u.U. den noch erkennbaren ursprünglichen Sinn eines Teiltextes. (d) Augustinus bezieht sich gelegentlich explizit auf die regula fidei. Gott gibt seine Wahrheit durch den menschlichen inspirierten Autor, der Interpret erhebt sie mit Hilfe seiner exegetischen Methoden. Bei Schw. dagegen tritt der quasi hypostasierte Kanon in metaphorischer Rede, die wahren Subjekte verdeckend, als Subjekt auf: Er begrenzt Vielstimmigkeit und grenzt Mehrdeutigkeit ein. Der Kanon ist in dieser Sicht nicht nur die Sammlung der Texte, die die Kirche als norma normans innormata akzeptiert und mit deren Vielstimmigkeit sie umgehen muss, sondern der Kanon ist aktiv an der normativen Sinnbestimmung und Sinnveränderung einzelner seiner Texte beteiligt. Augustinus sucht nach der immer schon im Text gegebenen zeitlosen Wahrheit, nach Schw. produziert in nicht wenigen Fällen der Kanon den normativen Sinn erst bei der Eingliederung in den Kanon und weist diesen dem Text selbst dann zu, wenn er vor dieser Eingliederung einen anderen oder gar gegenläufigen Sinn besessen hatte. Bei genauerem Hinsehen leistet dies freilich nicht der Kanon, sondern die Dogmatik.29 Wenn in Gen 1 die Schöpfung geschildert wird ohne creatio ex nihilo, ja indirekt sogar unter Annahme von dem Schöpfungsakt vor29 Diesen Aspekt hat Herr Dr. Ernst Dörrfuß in die Diskussion auf dem Symposion eingebracht.

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gegebenen Größen, und sich im Kanon auch 2 Makk 7,28 findet, wo (in der Auslegung von Schw.) von creatio ex nihilo die Rede ist, könnte man daraus auch folgern, dass der Kanon als Kanon beides nebeneinander gelten lässt, eine normative Entscheidung nicht erzwingt, oder man könnte Gen 1 den Vorzug geben, da dort explizit die Erschaffung der Welt dargestellt wird, während der zweite Text in andersartigem Kontext des Martyriums und der Rettung aus dem Tod das Schöpfungsmotiv einführt. Dass bei der Rezeption des biblischen Textes durch eine Religionsgemeinschaft diese in der Bibel auch nach Normen sucht, ist unbestritten. Aber der Schritt vom Sinn eines Textes zu seiner Normativität ist so einfach nicht vollziehbar. Warum einem Text wie Ps 1, der als poetischer Text ohnehin Kandidat für gleichermaßen ansprechende unterschiedliche Sinnebenen ist, nur weil er im Kanon steht, ein normativer Sinn abgepresst werden sollte, leuchtet überhaupt nicht ein. Ich folgere daraus: Augustins in sich konsistentes Exegesemodell setzt einen flächigen Bibeltext voraus, für dessen Verständnis historische Umstände keine Rolle spielen. Weder ist es möglich, diese historischen Umstände im Sinne der historisch-kritischen Exegese als relevante Größen in Augustins Modell einzuführen, ohne es zu zerstören, noch ist es möglich, Augustins Modell ohne innere Widersprüche in moderne Auslegungen zu integrieren, die von den wenigstens zum Teil erhebbaren historischen Umständen der Entstehung, Fortschreibung und Rezeption nicht absehen können. Schwienhorst-Schönberger konstatiert: „Eine theologisch reflektierte Vermittlung beider Modelle steht noch aus.“30 Hoffentlich schließt sie, wenn sie denn überhaupt möglich sein sollte, auch eine exegetische Reflexion und eine Überführung „normativer“ Wünsche in eine intersubjektiv überprüfbare exegetische Methodik ein.31

Literaturverzeichnis Biblia. Germanica 1545. Das ist: Die gantze Heilige Schrifft / Deutsch / Auffs new zugericht M. D.XLV. Neudruck Stuttgart. Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung, Stuttgart 1980. Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Gesamtausgabe, 1. Aufl., Stuttgart 2016. Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart 1984. Die Bibel. Nach Martin Luthers Übersetzung. Lutherbibel revidiert 2017. Mit Apokryphen, Deutsche Bibelgesellschaft 2017. Die Heilige Schrift. Aus dem Grundtext übersetzt. Elberfelder Bibel, revidierte Fassung, Wuppertal / Zürich 41995. Zürcher Bibel, Zürich 2007. 30 Schwienhorst-Schönberger,

Wiederentdeckung, 423.

31 Vgl. hierzu weiterführend M. Konkel, Paradigmenwechsel in der Exegese? Zur Unhinter-

gehbarkeit der historischen Fragestellung, ThGl 101 (2011) 426–442.

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de Boeft, J., Art. Divinatio, AL 2, 1996–2002, 517–519. Brachtendorf, J., Cicero and Augustine on the Passiones, REAug 43 (1997) 289–308. Dillmann, A., Die Genesis erklärt (KEH 11), Leipzig 41882. Gesenius, W. / Buhl, F., Wilhelm Gesenius’ hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament (in Verbindung mit H. Zimmern … bearb. von Frants Buhl), Berlin 171915. Groẞ, W., Augustinus: Quaestiones in Heptateuchum. Zweisprachige Ausgabe. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert, in: J. Brachtendorf / H. Drecoll (Hg.), Augustinus. Opera. Werke. K. Exegetische Werke, Bd. 77, Teil 1 und 2, Paderborn 2018. – Gen 1 und 2 bei Augustinus aus alttestamentlicher Perspektive (im Druck). Gunkel, H., Genesis übersetzt und erklärt, Göttingen 81969. Jacob, B., Das erste Buch der Tora. Genesis. Übersetzt und erklärt, Berlin 1934 (Nachdruck unter dem Titel: Das Buch Genesis, Stuttgart 2000). König, E., Die Genesis eingeleitet, übersetzt und erklärt, Gütersloh 2+31925. Konkel, M., Paradigmenwechsel in der Exegese? Zur Unhintergehbarkeit der historischen Fragestellung, ThGl 101 (2011) 426–442. Oeming, M., Art. ‫ׁשכר‬, ThWAT VIII, 1995, 1–5. von R ad, G., Das erste Buch Mose. Genesis (ATD 2–4), Göttingen 101976. Schwienhorst-Schönberger, L., Einheit statt Eindeutigkeit. Paradigmenwechsel in der Bibelwissenschaft?, HerKorr 57 (2003) 412–417. – Augustins Auslegung von Genesis 1 in Confessiones 11–13 und die moderne Bibelwissenschaft, in: N. Fischer / D. Hattrup (Hg.), Schöpfung, Zeit und Ewigkeit. Augustinus: Confessiones 11–13, Paderborn 2006, 169–184. – Wiederentdeckung des geistigen Schriftverständnisses. Zur Bedeutung der Kirchenväterhermeneutik, ThGl 101 (2011) 402–425. Seebass, H., Genesis II: Vätergeschichte I (11,27–22,24), Neukirchen-Vluyn 1997. Ska, J.-L., „And Now I know“ (Gen 22:12), in: Ders., The Exegesis of the Pentateuch. Exegetical Studies and Basic Questions (FAT 66), Tübingen 2009, 111–138. Strack, H. L., Die Bücher Genesis, Exodus, Leviticus und Numeri (KK), München 1894. Westermann, C., Genesis. 2. Teilband: Genesis 12–36 (BK I/2), Neukirchen-Vluyn 1981.

Performativität und Mündlichkeit als Kategorien alttestamentlicher Exegese Helmut Utzschneider I. Das Alte Testament und die „Gutenberg-Galaxis“ Der Begriff „Gutenberg-Galaxis“ geht zurück auf Marshall McLuhan, den Medientheoretiker der „Toronto School of Communication“ – andere sagen: den Guru der Popkultur.1 Bezeichnet wird damit eine Sphäre, in der der Gewinn und die Verbreitung von Nachrichten und Erkenntnissen wesentlich bestimmt ist vom Medium des geschrieben-gedruckten Textes. Damit verbunden ist die Frage, ob und inwiefern die Erkenntnisse selbst durch das Medium des gedruckten Buches beeinflusst, ja bestimmt sind. In der Theologie und den Geisteswissenschaften leben wir grundsätzlich noch heute in dieser Galaxie, die sich freilich durch die elektronischen Medien, mit denen wir alle täglich umgehen, zu so etwas wie einer Gutenberg-Microsoft-Galaxis zu erweitern beginnt. In gewisser Weise galaktisch mutet auch die Vorstellung eines nicht unerheblichen Teils unserer Wissenschaft von der medialen Kultur des Alten Testaments an. Konrad Schmid spricht sicher nicht nur für sich, wenn er bemerkt: Die Literatur des Alten Testaments sei „über weite Strecken von Schriftgelehrten für Schriftgelehrte […] geschrieben worden“.2 Das Alte Testament – ein Spiralnebel sich gegenseitig beleuchtender literarischer Sterne, hervorgebracht und in Bewegung gehalten von auf einander einschreibenden und voneinander abschreibenden Schriftgelehrten? Ein Schelm, wer dabei an unsere durch die Elektronik befeuerte Produktion von Kommentaren, Monographien und Aufsätzen denkt! Nun muss man sich nicht auf McLuhans Galaxie-Vergleich einlassen (und noch weniger auf seinen Slogan „The medium is the message“), um die Frage sinnvoll und weiterführend zu finden, in welchen Medien die Texte des Alten

1 Originalausgabe: M. McLuhan, The Gutenberg-Galaxis – The Making of the Typographic Man, Toronto 1962 (deutsch: Ders., Die Gutenberg-Galaxis  – Die Entstehung des typographischen Menschen, Hamburg 2011). Vgl. dazu S. Grampp  / M. McLuhan, Eine Einführung, Konstanz / München 2011, 102–116. 2 K. Schmid, Literaturgeschichte des Alten Testaments. Eine Einführung, Darmstadt 2008, 49.

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Testaments verbreitet und rezipiert wurden sowie welche Wechselwirkungen zwischen den Medien und der Auslegung der Texte bestehen. Gewiss, das Medium der Schrift, sei es in Form des Manuskripts oder des geschriebenen bzw. gedruckten Buches, ist nicht zu hintergehen, weder historisch für die Entstehung des Alten Testaments, noch aktuell für seine Rezeption und Auslegung. Die Frage ist aber: Ist es allein oder vorwiegend das Medium der Schrift bzw. die Kultur des Schreibens, die das Alte Testament geprägt hat und seine Rezeption bestimmt? Die Frage hat viele Facetten. Viel diskutiert wurde und wird die Rolle der Bilder im Symbolsystem des Alten Testaments. Mindestens ebenso wichtig ist die Frage des Verhältnisses von schriftlichen zu mündlichen Medien, auch wenn es darum in letzter Zeit etwas stiller geworden zu sein scheint. Ich möchte diese Frage hier aufgreifen, und zwar ausgehend von einem ganz bestimmten Verständnis des Begriffs der Performanz bzw. der Performativität.

II. Was ist Performanz? Der Begriff der Performanz bzw. das zugehörige Abstraktum Performativität hat sich in den letzten Jahrzehnten in den Kultur‑ und Geisteswissenschaften, inzwischen auch in der Theologie, ausgebreitet wie ein Flächenbrand. Darauf kann ich hier auch nicht ansatzweise eingehen. Der Zugang, den ich hier wie bereits anderswo vorschlage,3 ist von der Theaterwissenschaft entlehnt, genauer gesagt von dem von Erika Fischer-Lichte geleiteten DFG-Schwerpunktprogramm „Theatralität“ (1996–2002). Fischer-Lichte entschlüsselt den schillernden Begriff der Performanz durch das schlichte deutsche Wort „Aufführung“ und definiert den Begriff wie folgt: eine Aufführung [ereignet sich] […] in der und durch die leibliche Ko-Präsenz von Akteuren und Zuschauern. Damit sie zustande kommen kann, müssen zwei Gruppen von Personen, die als ‚Handelnde‘ und ‚Zuschauende‘ agieren  – wobei die Zugehörigkeit im Laufe der Aufführung wechseln kann – sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort versammeln und dort eine Situation […] miteinander teilen.4

Zunächst impliziert diese Definition, dass Aufführungen grundsätzlich einmalige und unwiederholbare Ereignisse sind. Sie werden primär durch die agierenden Personen getragen. Texte können dabei eine Rolle spielen, müssen es aber nicht. Wenn Texte  – gesprochen oder gesungen  – präsent sind, dann 3 Vgl. H. Utzschneider, Art. Drama (AT), WiBiLex (https://www.bibelwissenschaft.de/ stichwort/200072/); Ders., Performanz als Exegese – Exegese als Performanz am Beispiel von Joel 1–2, in: H.-J. Fabry (Hg.), The Books of the Twelve Prophets. Minor Prophets – Major Theologies (BEThL 295), Leuven 2018, 279–304. 4 E. Fischer-Lichte, Einleitung: Theatralität als kulturelles Modell, in: Dies. u. a. (Hg.), Theatralität als Modell in den Kulturwissenschaften, Tübingen / Basel 2004, 7–26, hier 11.

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sind sie es in den Gestalten, Stimmen, der Mimik und Gestik der Sprecherinnen und Sprecher. Mit im Spiel ist auch die Umgebung, die Szenerie, in der sich die Aufführung ereignet. Das kann, es muss aber keineswegs ein Theater im landläufigen Sinn sein, es kann auch ein Liedvortrag, eine Rezitation oder ein Gottesdienst5 sein. Kurz: In Aufführungen treten Texte „verkörpert“ und damit multimedial in Erscheinung: ein Dramentext im Drama, ein Gedicht in der Rezitation, ein Märchen beim Vorlesen; ein Tora-, ein Evangelien‑ oder ein Qur’antext im Gottesdienst. Nun hat Fischer-Lichte darüber hinaus die Möglichkeit offengelassen, bestimmte Texte auch in schriftlicher Gestalt performativ wahrzunehmen. In Abgrenzung zur „verkörperten Performativität“ spricht sie von „strukturelle[r] Performativität“ und bestimmt diese so: „literarische Texte [können] Körperlichkeit, Präsenz […] und Ereignishaftigkeit simulieren und suggerieren“.6 Anders gesagt: Durch strukturelle Performativität „fungieren“ literarische Texte „metaphorisch selbst als Bühne der Aufführung […], indem sie Theatralität fingieren und als solche reflektieren, und Bilder, Räume und Bewegungen mit dem ihr innewohnenden imaginativen Potential vor ihrem Publikum ausstellen“.7 So kann auch „Lesen […] ein performativer Akt“ sein.8 Voraussetzung ist, dass die Leser ihrer Imagination Raum geben, die in den Erzählungen enthaltenen Bilder zu sehen und die Worte der Sprecher als Stimmen zu hören. Ich halte dieses Verständnis von Performanz und Performativität für erhellend und weiterführend. In meiner eigenen Arbeit an den prophetischen Redetexten9 habe ich die vielleicht missverständliche Vorstellung des „dramatischen Textes“, durch die Performanz-Begrifflichkeit ergänzt und – wie ich hoffe – verdeutlicht. Die Kategorie der „Performanz“ ist m. E. nicht nur zum Verständnis der Prophetie, sondern auch des Pentateuchs, nicht zuletzt der Gesetzestexte, hilfreich. Um diesen Textbereich geht es im Folgenden in erster Linie.

III. Modelle zum Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit alttestamentlicher Texte „Mündlichkeit“ und „Schriftlichkeit“ werden in der alttestamentlichen Wissenschaft meist in dieser Reihenfolge gesehen und behandelt. Dass sich dies zu ändern beginnt, zeigt, dass die Forschungsgeschichte in Bewegung ist. Wir 5 In der Praktischen Theologie wird die Performanztheorie in diesem Sinne rezipiert, vgl. U. Roth, Die Theatralität des Gottesdienstes (PThK 18), Stuttgart 2011. 6 E. Fischer-Lichte, Performativität. Eine Einführung, Bielefeld 22013, 140. 7 Ebd., 141 mit Zitat aus H. R. Velten, Performativitätsforschung, in: J. Schneider (Hg.), Methodengeschichte der Germanistik, Berlin / New York 2009, 549–572, hier 555. 8 Fischer-Lichte, Performativität, 143. 9 H. Utzschneider, Micha (ZBK.AT 24.1), Zürich 2005. Vgl. auch oben, Anm. 3.

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zeichnen vier wichtige Stationen derselben nach, wobei die vierte und letzte (Rhetorik und strukturelle Performanz: James W. Watts, Dominik Markl) einem performativen Verständnis am nächsten kommt. 1. Mündlichkeit und Volksleben – das Phasenmodell von Hermann Gunkel bis Odil Hannes Steck Das im 20. Jahrhundert vorherrschende Modell rechnet mit zwei aufeinander folgenden, relativ scharf getrennten medialen Phasen der Literaturgeschichte des Alten Testaments. Auf eine in der vorstaatlichen Zeit Israels vorherrschende Phase der Produktion und Überlieferung von Texten im Medium der Mündlichkeit folgt in der staatlichen Zeit eine zweite Phase, in der vordem mündlich überlieferte Texte verschriftet, literarisch umgestaltet und schriftlich weiter tradiert wurden. Das Modell wurde zunächst durch Hermann Gunkel entwickelt und in strukturell ähnlicher Weise für die Vätererzählungen der Genesis und die Spruchüberlieferung der Prophetenbücher durchgeführt. Ausgangspunkt sind jeweils kleine Einheiten mit ihrem je spezifischen „Sitz im Volksleben“,10 für den die mündliche Kommunikation typisch ist. In seinem Genesiskommentar von 1910 hat Gunkel die „Kunstform der Sagen“ detailliert beschrieben.11 Die Sagen seien „in dieser Form schwerlich als Erzeugnisse des Volkes selbst [zu] verstehen“, sondern „Volkserzähler[n]“ zuzuschreiben, „kundig der alten Lieder und Sagen“.12 Im Gedächtnis und im Munde solcher Erzähler wandern die Sagen dann nicht nur durch unterschiedliche Regionen des Landes, sondern auch durch die Zeiten. Dabei agglutinieren sie zu „Sagenkränzen“, bis sie in staatlicher Zeit in die Quellenschriften des Jahvisten bzw. Elohisten aufgenommen wurden und damit in das Stadium der schriftlichen Literatur eintraten. Nominell blieb Gunkels Vorstellung der schriftlichen Phase zwar im Rahmen des Urkundenmodells des 19. Jahrhunderts, er verstand die Urkunden aber weniger als Erzeugnisse von Schriftstellern denn als „Sagenbücher“, also von der mündlichen Phase her.

Eine ganz neue Gestalt hat Martin Noth dem Phasenmodell gegeben. In seiner „Überlieferungsgeschichte des Pentateuch“ von 1948 kam es ihm nicht so sehr auf die Texte und ihre Formen als vielmehr auf die Themen an, wir würden heute vielleicht sagen: die Diskurse, zu denen sich unterschiedliche Einzelüberlieferungen bündeln ließen: die Herausführung aus Ägypten, die Hineinführung 10 H. Gunkel, Die Israelitische Literatur, Stuttgart 1962, 3 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1925). 11 Ihren „Sitz im Volksleben“ hat Gunkel in eine viel zitierte Formulierung gefasst, die man auch als Regieanweisung für eine Performanz lesen kann: „Die gewöhnliche Situation aber, die wir uns zu denken haben, ist diese: am müßigen Winterabend sitzt die Familie am Herde, die Erwachsenen und besonders die Kinder lauschen gespannt auf die alten, schönen, so oft gehörten und immer wieder begehrten Geschichten aus der Urzeit. Wir treten hinzu und lauschen mit ihnen.“ H. Gunkel, Genesis, Göttingen 81969 (unveränderter Nachdruck der 3. Auflage 1910), XXXI. 12 Gunkel, Genesis, XXXI.

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in das palästinische Kulturland, die Verheißung an die Erzväter, die Führung in der Wüste, die Offenbarung am Sinai. Als „Heimat“ der Themen vermutete er nach Regionen und Trägergruppen differenzierte Überlieferungskreise im vorliterarischen Milieu der Frühgeschichte Israels.13 In ihrer Zusammenstellung formte sich der thematische Aufriss des späteren Pentateuchs. In diesem Sinne bildet Noth zufolge die vorliterarische, mündliche Phase der traditionellen Diskurse „die für das Werden des Ganzen entscheidenden Anfänge[…] und ersten Stadien des Wachstums“.14 Mit ihrem Übergang in die Pentateuchquellen in staatlicher Zeit nehmen die Stoffe dann Schriftform an und sind damit „aus dem Bereich […] des Kultischen und aus dem Bereich des […] Volkstümlichen in den Bereich des Theologischen, der Reflexion und der zusammenfassenden Gesamtbetrachtung eingetreten.“15 So tritt bei Noth der das Phasenmodell bestimmende Entwicklungsgedanke deutlich hervor.16 In der Folgezeit verschob sich der Fokus der Forschung von der mündlichen Überlieferung hin zur Überlieferung in Schriftform. Erhard Blum etwa ging in seinen „Studien zur Komposition des Pentateuch“ von 1990 programmatisch „von den Kontexten und Gestaltungen aus, welche den komplexen Gesamttext formativ konstituieren“ und forderte für „diese […] am Ende stehenden Überlieferungsbildungen […] alle Aufmerksamkeit“.17 Die Rückfrage nach mündlichen Vorstufen der schriftlichen Überlieferung ist damit zwar nicht ausgeschlossen, aber gewissermaßen auf die hinteren Plätze der exegetischen Agenda verwiesen. Radikaler noch war der Umbruch in der Prophetenforschung.18 Hatte man noch bis ins letzte Drittel des vorigen Jahrhunderts angenommen, die mündliche Verkündigung der Prophetengestalten aus den schriftprophetischen Texten herausfiltern zu können,19 so postulierte Odil Hannes Steck 1999, „die in der Ära der Formgeschichte dominante Sicht der Propheten als Redner“ sei durch „das literarische Prophetenbild“ zu ersetzen.20 13 Vgl.

M. Noth, Die Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, Darmstadt 1948, 46. 1. 15  Ebd., 246. 16   M. H.  Floyd, „Write the Revelation!“ (Hab 2:2). Re-Imagining the Cultural History of Prophecy, in: E. Ben Zvi / M. H.  Floyd (Hg.), Writings and Speech in Israelite and Ancient Near Eastern Prophecy (SBL Symposion Series 10), Atlanta 2000, 103–143, hier insbesondere 105–122. 17 E. Blum, Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189), Berlin / New York 1990, 4 (Hervorhebung H. U.). 18 Vgl. dazu ausführlich H. Utzschneider, Die Mündlichkeit der biblischen Schriftprophetie. Versuch einer Bestandsaufnahme, in: J. Krispenz (Hg.), Scribes as Sages and Prophets. Scribal Traditions in Biblical Wisdom Literature and in the Book of the Twelve (BZAW 496), Berlin/Boston 2021, 33–64. 19 Vgl. etwa Hans Walter Wolffs Vorstellung von der „Auftrittsskizze“ (H. W. Wolff, Dodekapropheton I, Hosea (BK XIV/1), Neukirchen-Vluyn 21965, XIV–XV; ähnlich H. Wildberger, Jesaja 28–39 (BK X /3), Neukirchen-Vluyn 1982, 1550. 20  O. H.  Steck, Die Prophetenbücher und ihr theologisches Zeugnis, Tübingen 1996, 9. 14 Ebd.,

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2. Oral aesthetic – Oral continuum: Susan Niditch Etwa zur gleichen Zeit kritisiert die US-amerikanische Alttestamentlerin Susan Niditch in ihrer einflussreichen Arbeit „Oral World and Written Word. Ancient Israelite Literature“ von 1996 das Phasenmodell um so vernehmlicher und bringt das Thema „Mündlichkeit“ von einer anderen Seite her in die Diskussion der alttestamentlichen Bibelwissenschaft zurück. The diachronic approach to orality and literacy is […] misguided, devaluating the power of orally composed and oral-style works. Such an approach ignores the possibility that written works in a traditional culture will often share the characteristics of orally composed works. It misrepresents ancient literacy as synonymous with literacy in the modern world of print […] and draws too artificial a line, chronologically and cultural, between oral and written literatures.21

Niditchs Position ist entscheidend durch die „Oral Formulaic Theory“ der Homer-Forscher Milman Parry und Albert B. Lord sowie durch Medientheoretiker wie Walter J. Ong (übrigens ein Kollege McLuhans in Toronto) beeinflusst. Anders als Ong22 rechnet Niditch nicht mit einer prinzipiellen Differenz, einem „great divide“, zwischen oraler und skripturaler Kultur im alten Israel. Auch eine prinzipielle Spannung zwischen biblischen Texten im mündlichen und im schriftlichen Medium spielt bei ihr, anders als beispielsweise bei William M. Schniedewind,23 keine Rolle. Sie plädiert für ein „Continuum“24 von der mündlichen Überlieferung zur schriftlichen Literatur, die ja beide zu derselben ganz überwiegend illiteraten Kultur gehören. Das Kontinuum, oder besser vielleicht: die Kopräsenz von Schriftlichkeit und Mündlichkeit zeige sich daran, dass die schriftlich überlieferten Texte von einer „oral aesthetic“ durchzogen seien, die sich im Gebrauch von Formeln, durch Wiederholungen von Leitworten und Leitwortspielen und nicht zuletzt durch gattungshafte Prägungen ausdrücke. Um den schriftlichen Texten mit den angedeuteten sprachlichen Mitteln ein „oral register“, eine mündliche Sprachebene, einzuziehen, bedarf es keiner direkten diachronen Linien von bestimmten, mündlich entstandenen Texten zu ihren späteren schriftlichen Abkömmlingen. Die „Ästhetik der Mündlichkeit“ ist im kollektiven Gedächtnis der Schreiber verankert und wirkt sich auf deren Produkte unmittelbar aus. Somit tritt an die Stelle des Nacheinanders von Mündlichkeit und Schriftlichkeit die Gleichzeitigkeit und anstelle der Entwicklung von der inferioren oralen Volkskultur zur höheren, staatlichen Schriftkultur die gegenseitige Bereicherung beider Kulturen. 21 S. Niditch, Oral World and Written Word. Ancient Israelite Literature, Louisville 1996, 3.

22  W. J.  Ong, Oralität und Literalität. Die Technologisierung des Wortes, Wiesbaden 22016, 5–14 (Original: Ders., Literacy and Orality. The Technologizing of the Word, London 1982). 23  W. M.  Schniedewind, How the Bible Became a Book. The Textualization of Ancient Israel, New York 2004, 13. 24 Niditch, Oral World, 78.

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3. „Oral-written education“ und das Gedächtnis: David Carr, Karel van der Toorn25 Die institutionellen Voraussetzungen der engen Verflechtung beider medialer Kulturen haben dann die Arbeiten von David Carr26 und Karel van der Toorn27 eingehend beleuchtet. Sie befassen sich mit der Ausbildung („education“) und der Profession der „Schriftkundigen“ nicht nur im Alten Israel, sondern auch in dessen Nachbarkulturen. Dabei zeichnet sich ab, dass die angehenden „Literati“ im Erlernen des Schriftsystems ebenso wie im Auswendiglernen traditioneller (auch schriftlich vorliegender) Texte und im Vortrag des Gelernten trainiert wurden. Kurz: „writing, orality and memory are intertwined.“28 Zur Ausbildung und zum Anforderungsprofil eines „Schreibers“ gehörte es also, sich in drei (nicht nur zwei) Medien sicher zu bewegen: der Schrift, dem mündlichen Vortrag und dem Gedächtnis. Das Auswendiglernen der Texte scheint sich auch oder sogar vorwiegend im Nachsprechen des Lehrervortrages vollzogen zu haben.29 Dabei fungierten Schrift und Schriftdokumente weniger als Leit-, denn als Hilfsmedien: biblical literature, qua written literature, was written in a context where memorization and performance of ancient tradition was writing supported, so that one internalized and/or performed biblical traditions through the help of written manuscripts.30

Kurz: Die Ausbildung der „Literati“ war „Schrift-gestützt“, beinhaltete die „Internalisierung“ der schriftlichen Literatur sowie ein rhetorisches Training. Letztlich zielte sie auf die Performanz, also die Aufführung der Texte, vor welchem Forum auch immer.

25 Weitere neuere Literatur zum Lehren und Lernen: J. Taschner, Weisung für Israel. Lernen und Lehren der Tora als Grundkonstante im Volk Israel, BiKi 65 (2010) 14–18; G. Fischer, „Wer ist wie ein Lehrer?“ Beobachtungen zu Gottes Lehren und Erziehen im AT, in: S. Gehrig / S. Seiler (Hg.), Gottes Wahrnehmungen. Helmut Utzschneider zum 60. Geburtstag, Stuttgart 2009, 30–40. K. Finsterbusch, Weisung für Israel. Studien zu religiösem Lehren und Lernen im Deuteronomium und in seinem Umfeld (FAT 44), Tübingen 2005. 26  D. M.  Carr, Writing on the Tablet of the Heart. Origins of Scripture and Literature, Oxford / New York 2005. 27 K. van der Toorn, Scribal Culture and the Making of the Hebrew Bible, Cambridge, MA / London 2007. 28 Carr, Writing, 127. 29 Vgl. ebd., 127.136. Bei den Samaritanern scheint dies bis heute so zu sein, wie S. Schorch, Das Lernen der Tora bei den Samaritanern heute und drei samaritanische Erzählungen über das Lernen, WuD 26 (2001) 107–126, hier 115, berichtet. 30  D. M.  Carr, Orality, Textuality and Memory. The State of Biblical Studies, in: E. Ben Zvi / M. H.  Floyd (Hg.), Writings and Speech in Israelite and Ancient Near Eastern Prophecy (SBL Symposion Series 10), Atlanta 2000, 161–173, hier 169.

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4. Rhetorik und Performanz: Von James Muilenburg bis Dominik Markl Das gerade skizzierte Curriculum legt die Frage nahe, inwieweit wir so etwas wie eine „Rhetorik“ in alttestamentlichen Texten entdecken oder aus ihnen erschließen können. Nach einer neueren Definition ist Rhetorik „die Kunst der Meinungsbeeinflussung durch eine triftig argumentierende, sinnvoll gegliederte, stilistisch ansprechende und wirkungsvoll vorgetragene Rede, zunächst im Mündlichen, dann aber auch, wie im Brief, im schriftlichen Kontext.“31 Aus der Definition gehen wichtige Merkmale der Rhetorik hervor. Sie bezieht sich vorwiegend, aber nicht ausschließlich, auf den mündlichen Redevortrag, hat also  – in unserer Terminologie  – eine verkörperte Performanz im Blick. Sie ist auf die Überzeugung („persuasion“) des Publikums aus und sie setzt eine stilistisch und strukturell elaborierte Textgestalt voraus. Kurz gesagt: sie hat eine adressatenbezogen pragmatische und eine textbezogen ästhetisch-literarische Dimension. Es war James Muilenburg in seiner legendär gewordenen „Presidential Address“ des SBL-Annual Meetings 1968, der die Kategorie der Rhetorik als „rhetorical criticism“ in die neuere alttestamentliche Wissenschaft eingeführt hat.32 Er hatte dabei freilich primär die textbezogene Dimension im Blick. Erst einige seiner Nachfolger und Schüler haben sich dann auch der pragmatischen Seite zugewandt.33 In der Traditionslinie des Ansatzes des „rhetorical criticism“ stehen m. E. auch Arbeiten wie die von James W. Watts und Dominik Markl. Watts geht in seiner Arbeit „Reading Law. The Rhetorical Shaping of the Pentateuch“ (1999) von einer Beobachtung aus, die uns auch hier noch eingehender beschäftigen wird: „Whatever the actual origins of Israel’s laws, the Bible depicts their oral proclamation as based on written texts.“34 Dabei hat er durchaus die pragmatische Zielsetzung der Rhetorik im Blick: „Persuasion was thus a principal reason for reading law in public“.35 Sein Interesse gilt dann freilich nicht dieser performativen Praxis als solcher als vielmehr deren formgebendem Einfluss auf die „conventions of written genres“.36 So dominiert bei ihm zunächst das literarische Interesse am geschriebenen Text. Erst im letzten der fünf Kapitel 31  W. G.  Müller, Art. Rhetorik, in: A. Nünning (Hg.), Metzlers Lexikon der Literatur‑ und Kulturtheorie, Stuttgart / Weimar 52013, 656–657, hier 656. 32 J. Muilenburg, Form Criticism and Beyond, JBL 88 (1969) 1–18, insb. 8–18. Das Konzept des „Rhetorical Criticism“ freilich ist keine Erfindung Muilenburgs, sondern geht auf USamerikanische Literaturwissenschaftler zurück, vgl. etwa W. C. Booth, Rhetoric of Fiction, Chicago 1961. 33 So z. B. Y. Gitay, Prophecy and Persuasion. A Study of Isaiah 40–48, Bonn 1981. Vgl. dazu P. Trible, Rhetorical Criticism. Context, Method, and the Book of Jonah, Minneapolis 1994, 32–48. 34  J. W.  Watts, Reading Law. The Rhetorical Shaping of the Pentateuch (Biblical Seminar 59), Sheffield 1999, 23. 35 Ebd., 32. 36 Ebd., 33.

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des Buches kommt die pragmatische Dimension wieder zum Vorschein, und zwar in der Frage nach den „historical implications“ der rhetorischen Analyse.37 Anders gelagert ist Dominik Markls Untersuchung „Gottes Volk im Deuteronomium“. Bei ihm wird der Begriff der Rhetorik (wiewohl er nicht fehlt) durch den Begriff „Pragmatik literarischer Texte“, also den Handlungsaspekt der Rhetorik, akzentuiert. Nach Markl geht diese Pragmatik in literarischen, d. h. hier zunächst schriftlichen Texten aus der Mündlichkeit hervor: Literarische Texte sind der Unmittelbarkeit der mündlichen Kommunikationssituation enthoben und daher zahlreicher Möglichkeiten des unterstützenden sprachlichen Handelns (Ton, Mimik, Gestik etc.) beraubt, weshalb Autoren literarischer Texte all das, was sie an ihren Adressaten handelnd bewirken wollen, in rein sprachliche Mittel kleiden müssen.38

Die Schrift als Medium hat die Aufgabe, Mündlichkeit zu inszenieren: Das Dtn inszeniert die ‚Mündlichkeit‘ seiner Hauptinhalte in Moses Reden, um eine Redesituation zu erzeugen, die geeignet ist, die ‚Schallmauer‘ der Fiktionalität zu durchbrechen und direkten Bezug zum Rezipienten herzustellen.39

Mit dem Begriff „inszenierte Mündlichkeit“ beschreibt Markl ziemlich genau das, was wir als strukturelle Performanz bezeichnet haben und was auch „literarische Mündlichkeit“40 genannt werden könnte. Damit deutet sich eine – ich nehme Markls Ausdruck auf – weitere „Schallmauer“ an, die nämlich, die die literarisch-strukturellen von den verkörperten, historischen Performanzen trennt. Lässt sich auch diese Schallmauer durchbrechen? Mit anderen Worten: Gibt es Zugänge von den überlieferten schriftlichen „Inszenierungen“ (zum Begriff s. u.) zu den tatsächlichen verkörpert-mündlichen Aufführungen alttestamentlicher Texte? Darum geht es im nächsten Abschnitt.

IV. Spuren „verkörperter Performanz“ – eine Stichprobe anhand von Dtn 31,9–13; Jos 8,30–35 und Neh 8,1–12 Um es vorwegzunehmen: Selbstverständlich gewähren die alttestamentlichen Texte, die über Verlesungen von Gesetzen erzählen oder sie als Redetexte repräsentieren, keinen unmittelbaren Zugang zu bestimmten historischen Aufführungen. Schon per definitionem sind „verkörperte Performanzen“, wie gesagt, 37 Ebd., 134; „rhetorical analysis of the Pentateuch’s form provides clues to the historical process by which the literature was shaped“ (ebd., 147). 38 D. Markl, Gottes Volk im Deuteronomium (BZAR 18), Wiesbaden 2012, 10. 39 Markl, Gottes Volk, 81. 40 Vgl. dazu H. Utzschneider, „Seht das Wort YHWHs …“ Vorüberlegungen zu einer ästhetischen Theologie des Alten Testaments, in: Ders., Gottes Vorstellung. Untersuchungen zur literarischen Ästhetik und ästhetischen Theologie des Alten Testaments (BWANT 175), Stuttgart 2007, 328–349, hier 347.

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einmalige, unwiederholbare Ereignisse. Wir können freilich versuchen, Spuren solcher Aufführungen zu entdecken. Als Stichproben41 haben wir dazu drei Texte ausgewählt, nämlich Dtn 31,9–13; Jos 8,30–35 und Neh 8,1–12 bzw. 1 Esdras 9,37b–55, wobei Jos 8,30–35 und Neh 8,1–12 bekanntlich von Dtn 31 abhängig sind. Alle drei Texte gehören deutlich in die nachexilische, nach neuerer Meinung in die hellenistische Zeit.42 Dtn 31,9–13 erzählt von der Herkunft der schriftlichen Tora und dem Projekt ihrer künftigen Aufführung. Jos 8,30–35 und Neh 8,1–12 berichten von vergangenen performativen Ereignissen, deren Personen, Orte und Zeiten zumindest zum Teil fiktiv sind. Alle drei Texte aber teilen ein gemeinsames Set performativer Handlungselemente mit jeweils zusätzlichen Elementen. Darin konzipieren und reflektieren sie Aufführungen der Tora. Mein Vorschlag ist, sie als Entwürfe zu und Reflexionen über Aufführungen, und in diesem strengeren Sinne43 als Inszenierungen bzw. Inszenierungsvarianten, zu lesen.

41 Weitere einschlägige Texte sind Ex 24,4–8; Dtn 6,6–9; 2 Kön 23,1–3 im Alten Testament sowie mSota 7,8 und mJoma 7,1 und Josephus Ant 11.154–155. Vgl. A. van der Kooij, The Public Reading of Scriptures at Feasts, in: C. M. Tuckett (Hg.), Feasts and Festivals (CBET 53), Leuven 2009, 27–44; und J. W. Watts, Using Ezra’s Time as a Methodological Pivot for Understanding the Rhetoric and Functions of the Pentateuch, in: T. B.  Dozeman / K. Schmid / B. J.  Schwartz (Hg.) The Pentateuch. International Perspectives on Current Research (FAT 78), Tübingen 2011, 489–506, insb. 494. 42 Eckart Otto schreibt Dtn 31,9–13 einheitlich seiner nachexilischen Pentateuchredaktion des frühen 4. Jh.s (E. Otto, Deuteronomium 12–34. Bd. 2: 23,16–34,12 [HThKAT], Freiburg i. Br. / Basel / Wien 2017, 2101–2102) und Jos 8,30–35 einer spätnachexilischen Fortschreibung des 3.–2. Jh.s zu. Neh 8 sei in jeder Einzelheit eine Auslegung von Dtn 31 (vgl. ebd., 2118–2120). Nach Raik Heckl spiegelt die „Esra-Nehemia-Komposition“, in der die Verkündigung der Tora in Neh 8–10 den Schlussstein bildet, „die Sicht der hellenistischen Zeit“ wider. (R. Heckl, Neuanfang und Kontinuität in Jerusalem [FAT 104], Tübingen 2016, 373–376, das Zitat 376). Vgl. auch D. Böhler, 1 Esdras (IEKAT), Stuttgart 2015, 19. Anders noch K. D. Schunk, Nehemia (BK XXIII), Neukirchen-Vluyn 2009, XVI–XVII. Ihm zufolge ist die „Esra in Neh 7,72b–8,18 vom Verfasser von Esra/Nehemia zugeschriebene Verlesung des Gesetzes vor der Jerusalemer Gemeinde […] keineswegs als unhistorisch anzusehen.“ Der Bericht darüber soll „aufzeigen, dass nach Abschluss der von Nehemia vollzogenen Erneuerung der Stadtmauer Jerusalems und der Erhöhung seiner Einwohnerzahl […] nun auch die religiösen Grundlagen neu gelegt und gefestigt wurden.“ (ebd., XVII). 43 Die Theatralitätsforschung unterscheidet, anders als unsere Alltagssprache, zwischen Inszenierung und Aufführung. „Unter Inszenierung ist der Prozess zu verstehen, in dem ausprobiert, festgelegt und nach Aufführungen häufig wieder verändert wird, was in der Aufführung zu welchem Zeitpunkt an welchem Punkt des Raums erscheinen soll.“ (Fischer-Lichte, Einleitung, 14). Etwas anders akzentuiert jüngst H.-J. Fabry, „Gewalt über Gewalt“. Die dunklen Seiten Gottes im Zwölfprophetenbuch, in: Ders. (Hg.), The Books of the Twelve Prophets. Minor Prophets – Major Theologies (BEThL 295), Leuven 2018, 3–29, hier 15, den Begriff: „Die Inszenierung bringt ein Etwas (ein Ereignis, ein Werk, einen schriftlichen Text eines Autors …) […] auf die Bühne, setzt es in sinnlich Wahrnehmbares um und zielt […] auf einen dramatischen Effekt so, dass Leserinnen und Leser, Hörerinnen und Hörer dieses Etwas synästhetisch wahrnehmend erleben.“ (Hervorhebungen im Original).

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1. Die Inszenierung(en) Das Set gemeinsamer Handlungselemente setzt sich wie folgt zusammen: a. Ein materiell vorhandener, schriftlicher Text der „Tora des Mose“ wird (bzw. soll) b. durch dazu besonders befähigte Personen als Akteure c. vor einer Versammlung des Volkes bzw. der Gemeinde als Publikum d. an einem hervorgehobenen Ort verlesen und ausgelegt (werden). e. Die Gemeinde bzw. das Volk, nun als Akteur, äußert sich zustimmend. f. Die Verlesung hat einen besonderen Anlass, eine politische bzw. soziale Zäsur und/oder ein Fest. In den drei Texten sind diese Merkmale je spezifisch ausgeprägt, weitere können dazukommen. Dtn 31,9–13 ist zunächst dadurch hervorgehoben, dass die „Tora des Mose“ als materielle Größe, als Buch, durch Mose allererst hergestellt wird. Er zeichnet darin seine soeben gehaltene Rede44 auf. Die regelmäßigen Verlesungen seiner Aufzeichnung, mit denen er die Levitenpriester und Ältesten45 dann betraut, sollen sich an der Ur-Performanz der Moserede orientieren.46 Modellhaft ist somit auch die Rolle des Mose selbst. Viele sehen ihn hier dargestellt als „Vorbild der Schreiber“ bzw. der „Schriftgelehrten“.47 Von der Inszenierung in Dtn 31 her gesehen ist das aber nur die halbe Wahrheit. Diejenigen, die künftig die MoseRede rezitieren (wer immer dies realiter dann ist), verkörpern Mose vor allem als Redner-Propheten. Als Ort der künftigen Aufführungen bestimmt Mose „den Ort, den Jhwh erwählen wird“, also wohl den Tempel zu Jerusalem. Die Rolle des Volkes ist weitgehend rezeptiv. Sie sind da, „damit sie hören und damit sie lernen, Jhwh, euren Gott, zu fürchten und alle Worte dieser Tora zu tun.“ (V. 12). Gleichwohl sind sie keine unbeteiligten Zuschauer, sondern Betroffene. Denn die Verlesungen sollen am Laubhüttenfest eines jeden Schemitta-Jahres stattfinden, also jeweils im Jahr des Schuldenerlasses (Dtn 15,1–3). Die Inszenierung 44 Nach Markl, Gottes Volk, 165, umfasst sie Dtn 5–30, mindestens aber 5–26; vgl. J.P. Sonnet, The Book within the Book. Writing in Deuteronomy (Biblical Interpretation Series 14), Leiden u. a. 1997, 248. Otto, Deuteronomium 23,16–34,12, 2111, erweitert auf 1,6–30,20. Noch weiter zieht R. Heckl, Mose als Schreiber. Am Ursprung der jüdischen Hermeneutik des Pentateuchs, ZAR 19 (2013) 177–234, hier 225, die Reichweite. 45 So Markl, Gottes Volk, 169; anders Otto, Dtn 23,16–34,12, 2116, nach dem nur die „levitischen Priester“ mit der Promulgation der Tora beauftragt werden. 46 Vgl. auch C. Hardmeier, New Relations between Systematic Theology and Exegesis and the Perspectives on Practical Theology and Ethics, in: Ders., Erzähldiskurs und Redepragmatik im Alten Testament. Unterwegs zu einer performativen Theologie des Alten Testaments (FAT 46), Tübingen 2005, 371–381, hier 378: „Here the written form certainly does not in any way replace the oral one, but, on the contrary, serves to preserve it, so that the Tora as performative implementation can be heard again and again.“ Ähnlich auch Sonnet, Book, vgl. 143–145. 47 Vgl. Van der Toorn, Culture, 166–167; Otto, Dtn 23,16–34,12, 2116; Markl, Gottes Volk, 174.

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von Dtn 31 feiert somit, kurz gesagt, die periodische Restitution von fraternité und egalité unter den Israeliten. Die Inszenierung von Jos 8,30–35 setzt voraus (Jos 1,8), dass Josua das Gesetz mit sich führt, das Mose vor den Augen der Israeliten geschrieben hatte (V. 32, vgl. Dtn 31,9). Davon fertigt Josua eine weitere „Abschrift“ an, und zwar schreibt er sie, entsprechend Dtn 27,2, auf Steinstelen, die er dann wohl auf dem Berg aufrichtet (V. 32). Josua ist es dann auch, der das Gesetz der ganzen Gemeinde Israels vorträgt (V. 34). Ort des Geschehens ist entsprechend Dtn 27,4 „der Berg Ebal“ (V. 30). Entsprechend Dtn 27,5 baut Josua dort zunächst einen Altar, und die Israeliten bringen Opfer dar. Schließlich wird, in Anlehnung an Dtn 27,11–26, das Volk an der Verlesung in einer Art Choreographie beteiligt. Es nimmt an der Lade in zwei Gruppen Aufstellung, die eine Gruppe, ganz Israel und die Ältesten, mit Blick zum Berg Ebal, die Priester und Leviten mit Blick zum Garizim (V. 33). Dabei empfängt es den Segen, den ihm bereits Mose zugesprochen hat (V. 33, entsprechend Dtn 11,29). Die Inszenierung hat, und dies fällt gegenüber Dtn 31 und Neh 8 ins Auge, kein Fest als Anlass, sondern feiert die sich vollendende Landnahme, anders als in Dtn 27,2 vorgesehen, nicht beim Übergang über den Jordan, sondern auf dem Berg Ebal. Gegenüber Dtn 31 sind die Figuren und ihre Rollen komplexer. Wie Mose schreibt Josua das Gesetz nieder, wie ein Levit bzw. Ältester verliest er das Gesetz, wie ein Priester segnet er das Volk. Das Volk ist keineswegs nur Zuhörer oder Zuschauer, sondern es gestaltet die Szene aktiv mit. In Neh 7,72b–8,12 (MT) bzw. 1 Esdras 9,37b–55 (LXX) ist die Rolle des „ganzen Volkes“ noch stärker betont. Es versammelt sich „wie ein Mann“ aus eigener Initiative und fordert von Esra, dem Schreiber (1 Esdras 9,39: dem Hohepriester und Vorleser), die Tora des Mose „zu bringen“. Auf dieses Verlangen hin tritt Esra auf und verliest die Rolle der Tora des Mose. Ort der Handlung ist der „Platz am Wassertor“ bzw. nach 1 Esdras 9,38 der „Platz des nach Osten liegenden Tempeltors“ (s. u. IV.4 Location). Esra rezitiert von einer großen hölzernen Bühne (‫מגדל‬ ‫עץ‬, ξυλίνον βῆμα Neh 8,4 / 1 Esdras 9,42) herab „vor Männern und Frauen und allen, die zu hören verstanden“ (V. 2–4). Zur Rechten und zur Linken flankieren ihn dabei sieben bzw. sechs Männer (die Ältesten von Dtn 31,9?). Als Esra das Buch öffnet, erheben sie sich, Esra spricht ein Segenswort, das Volk respondiert mit Amen und verneigt sich bis zum Boden. Nun zum Anlass: Im Aufriss der Esra-Nehemia-Komposition markiert die Performanz eine fundamentale Zäsur in mehrerlei Hinsicht. Wie die Volksversammlung anlässlich der Einweihung des ersten, nach der Rückkehr der Gola erbauten Altars (Esra 3; 1 Esdras 5,46) ist sie zu Beginn des 7. Monats datiert und schließt damit die Rückkehrwanderung ab.48 Zugleich verweist die Datierung auf 48 Bei Nehemia sind „nach Abschluss der von Nehemia vollzogenen Erneuerung der Stadtmauer Jerusalems und der Erhöhung seiner Einwohnerzahl […] nun auch die religiösen Grundlagen neu gelegt und gefestigt“ (Schunk, Nehemia, XVII).

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den siebten Monat auf das Laubhüttenfest, das zwar erst in Neh 8,14 ausdrücklich erwähnt wird, aber in Neh 7,72b doch wohl „von Anfang an vorausgesetzt ist“.49 In V. 7–8 wird das Motiv des Lernens hervorgehoben, das in Dtn 31,13 vorbereitet ist: Dreizehn, als Leviten bezeichnete Männer hätten das Volk, im Gesetz unterwiesen (‫)מבינים את העם לתורה‬. Gerahmt sind die Vorgänge durch die Versammlungs‑ und Festszenerie (V. 1.9–12), dabei fällt auf, dass die Leviten das Volk auffordern, den Tag nicht mit Weinen und Trauer, sondern mit Essen und Trinken als großes Freudenfest zu begehen. Soweit die drei exemplarischen Inszenierungen für die Performanz der Tora. Sie sind, wie gesagt, im Ganzen fiktiv. Aber in ihrem konzeptionellen Nachdenken über Anlässe und Locations, über die Rollen und ihr Verhältnis zu einander sind sie bereits als solche Spuren einer realen Aufführungspraxis. In Hinsicht auf mancherlei Motive und im kulturgeschichtlichen Vergleich lassen sich diese Spuren noch weiter profilieren. 2. Gesetzesperformanz und Volksversammlung Öffentlich in Inschriften präsentierte Gesetzestexte, die, wie in Jos 8,30–35, auch öffentlich verlesen werden, sind aus griechischen Stadtstaaten der spätarchaischen sowie der klassischen Zeit (7. bis Mitte des 4. Jh.), bekannt.50 Mit der Mose-Tora teilen diese Dokumente eine Reihe von Eigenschaften: Sie sind von einer Gottheit sanktioniert und stehen unter ihrem Schutz. Sie setzen traditionelle Gebräuche oder Rechte voraus. Vor allem aber: „they were designed to be read and recited.“51 Im Blick auf Jos 8,30–35 vertritt Joachim Schaper die These, dass die Zeremonie der Niederschrift und Verlesung des Gesetzes die Funktion hatte, dieses in Kraft zu setzen: „According to the logic of this narrative in the Deuteronomistic History, the Torah is put in force only when it is finally inscribed on Mt Ebal and read publicly“.52 Knoppers und Harvey meinen, dass „das Erscheinen des geschriebenen Gesetzes begünstigt worden ist durch den Übergang von einem monarchischen […] Gemeinwesen in ein Gemeinwesen, in dem sich eine Mehr49 Heckl, Neuanfang, 323. Laut der folgenden Notiz in Neh 8,13–14 wird das Fest gewissermaßen wieder neu entdeckt. Zugleich schlägt die Datierung eine Brücke zu Dtn 31,9. 50  G. N.  Knoppers / P. B.  Harvey Jr., The Pentateuch in Ancient Mediterranean Context. The Publication of Local Lawcodes, in: G. N. Knoppers / B. M.  Levinson (Hg.), The Pentateuch as Torah. New Models for Understanding its Promulgation and Acceptance, Winona Lake 2007, 105–141, hier insbesondere 106–108. Knoppers und Harvey (107, Anm 8) berufen sich auf R. Meiggs / D. Lewis, A Selection of Greek Historical Inscriptions to the End of the Fifth Century B. C., Oxford 1988. Vgl. auch J. Schaper, The „Publication“ of Legal Texts in Ancient Judah, in: Knoppers / Levinson, Pentateuch, 225–236. 51 Vgl. Knoppers / Harvey, Pentateuch, 108. 52 Schaper, Publication, 235.

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zahl von unterschiedlichen Parteiungen oder Funktionsträgern die Herrschaft zu teilen hatten.“53 Diese Beschreibung passt zwar nicht auf die erzählte Welt des Josuabuches, sie passt aber recht gut auf das nachexilische Jerusalem. In Hinsicht auf die Rolle der Volksversammlung hat Wolfgang Oswald im Anschluss an den Althistoriker Karl-Joachim Hölkeskamp54 gezeigt, dass in frühgriechischen Poleis die Volksversammlung über Gesetze beschlossen hat, und zwar auch über solche, die „in einer paradigmatischen Urzeit von einem Gesetzgeber vorgelegt“ worden sind.55 Nach Oswald trifft dies zunächst auf die Szene von Ex 24,3 zu. Dort akzeptiert das Volk die soeben verkündeten „Worte Jhwhs und alle Rechtsordnungen“ mit der Zusicherung: „Alle Worte, die Jhwh gesagt hat, wollen wir tun.“ Die in Jos 8,30–35 und Neh 8,5–6 beschriebenen Zeremonien können nicht in demselben, aber doch in einem ähnlichen Sinn verstanden werden. In Jos 8,30–35 ist das Gesetz als solches nicht neu, neu aber ist, dass es nun – und dafür stehen die Stelen, auf die es Josua schreibt – im Lande in Geltung ist. Mit der Szenerie auf dem Ebal ist dabei wohl eine antisamaritanische Pointe verbunden. Nach Neh 8,5–6 „öffnet“ Esra „das Buch vor aller Augen“, spricht – wie Josua in Jos 8,33 – einen Segen, und das Volk antwortet mit einem zweifachen Amen. Wolfgang Oswald zufolge geht es hier um nichts Geringeres als „um die idealisierte Realisierung eines staatstheoretischen Entwurfs, der die Versammlung der Exilsrückkehrer als politisches Zentrum definiert, die einen Toralehrer als Verkünder und Bewahrer der theonomen Verfassung an ihrer Seite hat.“56 In beiden Seitentexten zu Dtn 31,9–13 fungiert die Volksversammlung als Forum der Gesetzespromulgation57 und als Organ ihrer Ratifizierung bzw. Bekräftigung.58

53  „[T]he rise of public written law seems to have been facilitated by the transition in a particular society from a monarchic […] polity to a polity that involved some degree of shared rule by a number of different parties or office holders.“ (Knoppers / Harvey, Pentateuch, 137). 54  K. J.  Hölkeskamp, Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im archaischen Griechenland (Historia Einzelschriften 131), Stuttgart 1999. 55 Vgl. W. Oswald, Die Exodus-Gottesberg-Erzählung als Gründungsurkunde der judäischen Bürgergemeinde, in: K. P. Adam / F. Avemarie (Hg.), Law and Narrative in the Bible and in Neighbouring Ancient Cultures (FAT II 54), Tübingen 2012, 35–51, hier 48–49. 56 W. Oswald, Staatstheorie im Alten Israel. Der politische Diskurs im Pentateuch und in den Geschichtsbüchern des Alten Testaments, Stuttgart 2009, 244. 57 Mein vor kurzem verstorbener akademischer Lehrer Klaus Baltzer hat darauf hingewiesen, dass sich in hethitischen Suzeränitätsverträgen die Bestimmung findet, dass sie in bestimmten Abständen immer wieder vorzulesen seien. Vgl. K. Baltzer, Das Bundesformular (WMANT 4), Neukirchen 21964, 91–92. Der Unterschied ist aber, dass die Adressaten der Verlesung dort vor allem die betroffenen Vasallen waren. Hier ist es die Volksversammlung – und zwar nicht nur als Adressat, sondern als „Veranstalter“ und Mitgestalter der Performanz. 58 Zur Mündlichkeit der Interaktion in den Institutionen der Polis vgl. auch Hölkeskamp, Schiedsrichter, 271–272. Auch Hölkeskamp betont die Gleichzeitigkeit und Interaktion von schriftlichen und mündlichem Medien (vgl. ebd., 280).

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3. Belehrung und Begeisterung Mit den Aufführungen unserer Stichprobe sind also rechtliche und didaktische Zwecke verbunden. Was Dtn 31,12–13 in dürren Worten andeutet, gestaltet Neh 8,7–8 üppig aus. Dreizehn Leviten hätten die Tora Gottes vorgetragen. Die nachmittägliche Teampredigt der dreizehn Leviten, von der Neh 8,7–8 zu berichten weiß, soll für das Volk „Einsicht schaffen“, „so dass man das Gelesene verstehen konnte“ (‫)במקרא ושום שכל ויבינו‬. Wie dies vorzustellen ist, führt die Erzählung nicht aus. Neh 8,8 gibt immerhin einen Hinweis. Die Leviten hätten die Tora ‫ ְמפָֹרׁש‬gelesen. Wie auch immer man das Partizip Pu‘al von der Wurzel ‫פרׁש‬ versteht, es verweist wohl auf synagogale Praktiken, sei es die Rezitation in Abschnitten („Paraschen“), sei es die Übersetzung in die aramäische Volkssprache („Targume“).59 Bemerkenswert ist auch die Version in 1 Esdras 9,48. Sie hebt neben der kognitiven die affektive Dimension der Performanz hervor. Die Leviten sollen „das Gesetz des Herrn vor dem Volk mit Begeisterung lesen“, wörtlich als inspirierende (ἐμφυσιοῦντες > ἐμφυσιόω).60 Ähnlich heißt es in 1 Esdras 9,55 nach der Übersetzung Dieter Böhlers: „sie waren durch die Worte, die man sie gelehrt hatte, sowohl begeistert als auch wieder gesammelt worden.“ Man hat Neh 8 als Vor‑ oder gar Abbild des synagogalen Gottesdienstes verstanden.61 Auch wenn es durchaus gemeinsame Elemente gibt, sind die Volksversammlungen, die unseren Texten vorschweben, mit den Synagogengemeinschaften (noch) nicht gleichzusetzen. Dagegen spricht auch die Location, die Neh 8 ebenso wie 1 Esdras 9 voraussetzen. 4. Die Location Neh 8,1 lokalisiert die Volksversammlung auf „dem Platz, der vor dem Wassertor ist“. In Karten des nachexilischen Jerusalem werden dafür unterschiedliche Standorte auf einer nord-südlichen Linie entlang der östlichen Stadtmauer Jerusalems angegeben.62 Die vergleichsweise genaueste Ortsvorstellung vermittelt wohl immer noch die Liste der Mauerabschnitte in Neh 3,25–26.63 Sie verlegt das Wassertor relativ weit nach Norden in die Nähe des Königspalastes und des Tem59 Hans Heinrich Schaeder hat darunter einen Ausdruck für begleitendes Übersetzen ins Aramäische verstanden. Die Stelle wäre so ein früher Beleg für die Targum-Praxis. Vgl. H. H.  Schaeder, Esra der Schreiber (BHTh 5), Tübingen 1930, 53. Andere verstehen es von der Grundbedeutung der Wurzel „trennen“ her und übersetzen „abschnittsweise“. Vgl. Gesenius18, 1084; Schunk, Nehemia, 231. 60 Vgl. zu dieser Deutung Böhler, 1 Esdras, 217–218.222. Er übersetzt: „wobei sie die Lesung zugleich mit Begeisterung erfüllten“. 61 Vgl. zu Lit. und Diskussion Schunk, Nehemia, 236. 62 Vgl. M. Ben-Dov, Carta’s Illustrated History of Jerusalem, Jerusalem 22006, 86–87. 63 Dort heißt es zum „Wassertor“: „von gegenüber dem Winkel und dem Turm, der vom (einstmals davidischen?) Palast des Königs vorspringt, bis zu dem oberen Turm, der beim

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pelberges. In welchen historisch-topographischen Zusammenhang passt diese Ortsvorstellung? Ich vertraue hier auf die Expertise von Israel Finkelstein, der, wie übrigens auch Dieter Böhler, meint, dass der in Neh 3 beschriebene Mauerverlauf „was inspired by the construction of the Late Hellenistic, Hasmonean city-wall.“64 Ein weiteres wichtiges Detail ist dabei auch, dass das Wassertor nach Neh 3 nicht mit der Mauer verbunden, sondern vor dieser im freien Gelände stehend gedacht ist.65 Neh 8,1.3 stellt sich ein Gelände vor, das Raum bot für eine größere Menschenansammlung samt einer erhöht stehenden, ziemlich geräumigen Holzkonstruktion (‫)מגדל עץ‬. Man wird also eher an eine langgestreckte Bühne denn an ein Rednerpult oder eine Kanzel denken. Diese Ortsvorstellung kommt Versammlungsplätzen „griechischer Bürgergemeinschaften“ ziemlich nahe. Der Althistoriker Christoph Höcker beschreibt sie so: Solche Plätze wurden zunächst einfach durch Freiflächen mit einer „Geländeerhebung“ gebildet. „Das Bema“, das als Rednertribüne diente, sei „ein zunächst eher unscheinbares, aber baulich gefaßtes Podest“ gewesen, das sich an den Orten erhob, an denen größere Versammlungen tagten.66 Ganz ähnlich waren übrigens auch griechische Theater in vorklassischer Zeit angelegt: Sie nutzten einen freien Platz im Gelände, z. B. den südlichen Abhang der Akropolis, als Zuschauerbereich und Tanzplatz (die spätere Orchestra).67 Die Location, die Neh 8 im Auge hat, könnte also durchaus ein Versammlungsplatz am Abhang östlich des Ophel, in der Nähe des Tempelberges gewesen sein, der vielleicht schon in persischer, wohl aber in hellenistischer Zeit ähnlich Wachthof liegt, (26) bis gegenüber dem Wassertor im Osten und dem großen vorspringenden Turm.“ Übersetzung nach Schunk, Nehemia, z.St. 64 I. Finkelstein, Jerusalem in the Persian (and Early Hellenistic) Period and the Wall of Nehemiah, JSOT 32 (2008) 501–520, hier 511. Vgl. D. Böhler, Die Heilige Stadt in Esdras A und Esra-Nehemia. Zwei Konzeptionen der Wiederherstellung Israels (OBO 158), Freiburg i. Ue. / Göttingen 1997, 382 ff. 65 H. Donner, Art. Jerusalem, BRL2, 1977, 157–165, hier 158.162; E. Otto, Jerusalem – die Geschichte der Heiligen Stadt (UT 308), Stuttgart 1980, 107. Vgl. auch H. G. M. Williamson, Ezra – Nehemiah (WBC 16), Grand Rapids 1985, 287. 66 C. Höcker, Art. Rednerbühne, in: H. Cancik u. a. (Hg.) Der Neue Pauly, http://dx.doi. org/10.1163/1574–9347_dnp_e1019790, abgerufen am 8. März 2018. 67 „Allen frühen griech. Th. gemeinsam ist, daß sie den Gegebenheiten des Geländes angepaßt sind. Als Zuschauerbereich wurde stets ein natürlicher Hang gewählt; die Orchestra (ὀρχήστρα), d. h. der Tanzplatz für den Chor, wurde teilweise mit Hilfe einer Stützmauer als ebene Fläche davor angelegt. Feste Bühnengebäude gab es noch nicht. Dies zeigt neben der arch. Dokumentation auch die Bezeichnung skēnḗ (σκηνή, wörtl. „Zelt“) für das Bühnenhaus.“ (H. D.  Blume / H. P.  Isler, Art. Theater, in: H. Cancik u. a. (Hg.), Der Neue Pauly, http:// dx.doi.org/10.1163/1574–9347_dnp_e1206910, abgerufen am 22. März 2018). Übrigens bestanden die römischen Skenae aus Holz. Vgl. Auch M. Bieber, The History of the Greek and Roman Theater, Princeton 1961, 54–59.63. Nach Jos Ant XV,1 habe Herodes der Große u. a. in Jerusalem ein Theater im hellenistisch-römischen Sinn erbauen lassen. J. Patrich, Herod’s Theatre in Jerusalem. A New Proposal, IEJ 52 (2002) 231–239, vermutet, „that the theatre was located at the head of one of the valleys, with the seats resting against the hillside“ (ebd., 231), sowie, dass es sich um eine einfache Holzkonstruktion gehandelt hat (ebd., 237–238).

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den bescheidenen griechischen Anlagen gestaltet war und als Schauplatz für Versammlungen und Aufführungen mancherlei Art diente.68 Werfen wir noch einen Blick auf die Darstellung der griechischen Version. 1 Esdras 9,37–38 (vgl. auch 5,46) lokalisiert die Volksversammlung nicht auf dem „Platz, der vor dem Wassertor war“, sondern „auf dem weiten Platz (εὐρύχωρον) des nach Osten liegenden Tempeltors“ (ἐπὶ τὸ εὐρύχωρον τοῦ πρὸς ἀνατολὰς τοῦ ἱεροῦ πυλῶνος).69 Es ist nicht ersichtlich, ob sich die Ortsvorstellungen in Neh 8 und 1 Esdras 9 wirklich unterscheiden. Bemerkenswert ist aber doch, dass 1 Esdras die Volksversammlung und die Verlesung des Gesetzes näher an den Tempel heranrückt (noch deutlicher 1 Esdras 5,46). Damit rücken Darstellungen der Mischna ins Blickfeld, die die Gesetzesverlesungen – sei es am Laubhüttenfest durch den König Agrippas I. (Sota 7,8), sei es am Versöhnungstag durch den Hohepriester (Joma 7,1)  – im Heiligtum bzw. in dessen Vorhof (Sota 7,8; vgl. schon Jer 26,2) lokalisieren. Insgesamt legt unsere Stichprobe nahe, dass die mündliche Performanz der Tora Kernstück von Aufführungen war, die vielleicht schon in der späten persischen, eher aber der hellenistischen Zeit in Jerusalem stattfanden und zwar an Locations und zu Gelegenheiten, die ihr Vorbild in Versammlungsplätzen und Theateranlagen griechischer Stadtstaaten hatten. Dabei spielte die politische und religiöse Körperschaft der Stadt (und ihres Umlandes), das „Volk“ und seine Versammlung, die wichtigste Rolle, und zwar sowohl als Publikum wie als Akteur.

V. Performativität und Mündlichkeit in Forschung und Lehre der Exegese des Alten Testaments Wir sind ausgegangen von der Wahrnehmung, dass die alttestamentliche Exegese der Gegenwart, zumindest in ihrem „Mainstream“, sich vorwiegend auf die alttestamentlichen Texte als Schriftdokumente bezieht und die Kultur, aus der das Alte Testament hervorgegangen ist, vor allem als Schriftkultur in den Blick nimmt. Unsere Frage war demgegenüber: Ist es allein oder vorwiegend das 68 Agora und Tempel waren auch in den griechischen Poleis die Räume, „in denen Gesetzgebung als Verfahren und die Satzung als [scil. schriftliches] Monument angesiedelt waren“ (Hölkeskamp, Schiedsrichter, 284). 69 Auf einem εὐρύχωρον vor einem Stadttor Samarias findet nach 2 Chr 18,9 LXX auch die Propheten-Performanz vor den beiden Königen Israels und Judas statt. In 1 Kön 22,10 ebenso wie in 2 Chr 18,9 MT wird dieser Platz als ‫„ גֶֹרן‬Tenne“ bezeichnet; die Tenne ist nicht nur ein landwirtschaftlicher Arbeitsplatz, sondern auch ein Platz, an dem man Feste und wohl auch religiöse Performanzen feierte (Hos 9,1; Ruth 3,1–6). Stadttore und eine ggf. zugehörige „Piazza“ sowie auch das Tor des Tempelbezirks (vgl. Jer 7,2) waren also wohl Locations für Aufführungen aller Art (vgl. dazu auch H. Utzschneider, Michas Reise in die Zeit. Studien zum Drama als Genre der prophetischen Literatur des Alten Testaments [SBS 180], Stuttgart 1996, 98, Anm. 278).

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Medium der Schrift bzw. die Kultur des Schreibens, die das Alte Testament geprägt haben und prägen und auf die die Auslegung zu achten hat? Ich hoffe, es konnte im Rahmen der Stichprobe gezeigt werden, dass 1. schriftlich tradierte Texte Mündlichkeit literarisch inszenieren; mit Erika Fischer-Lichte nennen wir diese literarisch-ästhetische Eigenschaft „strukturelle Performativität“ und dass 2. diese strukturelle Performativität der schriftlichen Texte nicht nur auf verkörperte Performativität hin angelegt ist, sondern dass so gestaltete Texte auch tatsächlich in „Aufführungen“ mit politisch-rechtlichen, didaktischen und kultischen Intentionen verkörpert wurden. Unsere Stichprobe hat zwar keine Aufführungen als solche rekonstruieren können, aber doch Spuren nachzuzeichnen versucht, die auf das Milieu des hellenistisch beeinflussten JudaJerusalem verweisen. Kurz: Mündlichkeit, Schriftlichkeit und Performativität bedingen einander. Welche Folgerungen wären daraus in Forschung und Lehre unseres Faches zu ziehen? Dazu zwei abschließende Bemerkungen: 1. In der exegetischen Forschung bedürfen m. E. sowohl die strukturelle Performativität der Texte des Alten Israels als auch die performative Kultur, die die Texte bezeugen und reflektieren, vertiefter Aufmerksamkeit. Wie es für unsere Wissenschaft eigentlich charakteristisch ist, sind wir dazu auf Anregungen aus Nachbarwissenschaften angewiesen: Theaterwissenschaft und ‑geschichte habe ich schon genannt; weiterhin sind Rhetorikforschung und der sog „performance criticism“ zu nennen. Der letztere ist einerseits mit der US-amerikanischen Szene des kirchlichen story-telling eng verbunden, andererseits tritt er auch mit wissenschaftlichem Anspruch auf, wenn er biblische Texte gewissermaßen experimentell rezitiert, um ihren performativen und affektiven Potentialen auf die Spur zu kommen.70 Schließlich hat die performative Dimension alttestamentlicher Texte auch Bedeutung für die Theologie des Alten Testaments. Darauf haben Walter Brueggemann jenseits und Christof Hardmeier diesseits des Atlantiks aufmerksam gemacht.71 2. Welche Relevanz haben Mündlichkeit und Performativität in der Lehre? Gestatten Sie, dass ich dazu einen sehr subjektiven Eindruck wiedergebe, den ich nach vierzig Jahren Lehrerfahrung in unserem Fach als Defizit empfinde. Wir bringen unseren Studierenden viele Feinheiten im Umgang mit den schriftlichen Texten nahe. Dass man diese Texte auch sprechen kann, dass sie in Sprecherinnen 70 D. Rhoads, Performance Criticism. An Emerging Methodology in Second Testament Studies – Part I, BTB 36 (2006) 118–133 / Part II, BTB 36 (2006) 164–184; Utzschneider, Performanz als Exegese. 71 Vgl. C. Hardmeier, Erzähldiskurs und Redepragmatik im Alten Testament. Unterwegs zu einer performativen Theologie des Alten Testaments (FAT 46), Tübingen 2005; dort besonders „Systematische Elemente der Theo-logie in der Hebräischen Bibel“, 339–354; W. Brueggemann, Theology of the Old Testament. Testimony, Dispute, Advocacy, Minneapolis 1997, stellt sich in die Tradition des „rhetorical criticism“ (ebd., 54–55). Vgl. zu beiden Utzschneider, „Seht das Wort YHWHs …“, 344–347.

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und Sprechern verkörpert werden können, spielt in unserer Lehre kaum eine Rolle. Die Folgen dieses Defizits kann man erleben, wenn man manche Pfarrerinnen und Pfarrer im Gottesdienst biblische Texte sprechen hört und sieht. Sie klingen allzu oft papieren und konturlos, an Mimik und Gestik springt nichts über. Ich denke, wir sollten diese Dimension der Texte nicht der Praktischen Theologie oder der kirchlichen Praxis allein überlassen bzw. sie damit allein lassen. Auch können wir uns kaum damit zufriedengeben, dass neu übersetzte oder revidierte Bibeln beachtliche Auflagen erzielen und biblische Texte auf die Bildschirme von Computern, Tablets oder Smartphones geholt werden können. Letztlich bleibt die Bibel damit im Ghetto der „Gutenberg-Microsoft-Galaxis“. Es ist eine hermeneutische Grundüberzeugung der Theologie, dass in biblischen Texten Glaubenszeugnisse von Menschen zu uns sprechen. Älteren theologischen Zeitgenossen unter uns mag dabei die sog. Kerygma-Theologie in den Sinn kommen, der es um „die Erfahrung der Anrede durch das Kerygma“ ging.72 Geschriebene Texte mögen, im Sinne struktureller Performanz, „ansprechend“ sein. Zu einer wirklichen Anrede bedarf es m. E. aber der menschlichen Stimme und des menschlichen Gesichts.

Literaturverzeichnis Baltzer, K., Das Bundesformular (WMANT 4), Neukirchen 21964. Ben-Dov, M., Carta’s Illustrated History of Jerusalem, Jerusalem 22006. Bieber, M., The History of the Greek and Roman Theater, Princeton 1961. Blum, E., Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189), Berlin / New York 1990. Blume, H. D. / Isler, H. P., Art. Theater, in: H. Cancik u. a. (Hg.), Der Neue Pauly (http://dx.doi.org/10.1163/1574–9347_dnp_e1206910). Böhler, D., Die Heilige Stadt in Esdras A und Esra-Nehemia. Zwei Konzeptionen der Wiederherstellung Israels (OBO 158), Freiburg i. Ue. / Göttingen 1997. – 1 Esdras (IEKAT), Stuttgart 2015. Booth, W. C., Rhetoric of Fiction, Chicago 1961. BRL2. Brueggemann, W., Theology of the Old Testament. Testimony, Dispute, Advocacy, Minneapolis 1997. Carr, D. M., Orality, Textuality and Memory. The State of Biblical Studies, in: E. Ben Zvi / M. H.  Floyd (Hg.), Writings and Speech in Israelite and Ancient Near Eastern Prophecy (SBL Symposion Series 10), Atlanta 2000, 161–173. – Writing on the Tablet of the Heart. Origins of Scripture and Literature, Oxford / New York 2005. Donner, H., Art. Jerusalem, BRL2, 1977, 157–165.

72  Vgl. U. H. J.  Körtner, Theologie des Wortes Gottes. Positionen – Probleme – Perspektiven, Göttingen 2001, 37.

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On the Meaning and Uses of the Category of “Diachrony” in Exegesis* David M. Carr This essay proposes to do, in reverse, a task executed for synchronic exegesis in an essay that Erhard Blum published in 2004 under the title “Von Sinn und Nutzen der Kategorie ‘Synchronie’ in der Exegese.”1 This important methodological study pushed against a widespread tendency, present even today, to define as “synchronic” forms of biblical interpretation that specifically exclude any historical considerations of text prehistory, socio-historical context, etc. Notably, in the process of developing his argument about synchronic interpretation, Blum did much of what this essay proposes to do. He offered a definition of the sense and use of “diachronic” interpretation. His terminological starting point was an observation that de Saussure introduced the category of “synchrony” into contemporary study of linguistics when he advocated synchronic study of a given language as system at a given point, an approach that contrasted with an earlier focus in linguistics on the diachronic study of language change over time. Taking his cue from this notion of “Synchronie”, Blum argues in his 2004 essay that synchronic biblical exegesis similarly should focus on analysis * This essay represents a publication of preliminary results of research initially executed in preparation of a commentary on Genesis 1–11 for the Kohlhammer International Exegetical Commentary on the Old Testament (Stuttgart 2021). As such, parts of this essay preserve the relatively lightly-documented style of that commentary series. In addition, though this essay is focused on particular issues regarding diachrony and exegesis, it reviews data in a way that will overlap with and complement a fuller publication of my literary-critical pre-studies of the primeval history in a monograph, The Formation of Genesis 1–11: Biblical and Other Precursors, New York 2020. My deep thanks to Erhard Blum for comments on earlier iterations of this work as well as to the volume editors and to my doctoral student, Aron Freidenreich, for extensive help in editing and improving this essay. Liane Feldman also read and provided useful feedback on a version of this essay. 1 E. Blum, Von Sinn und Nutzen der Kategorie ‘Synchronie’ in der Exegese, in: W. Dietrich (ed.), David und Saul im Widerstreit: Diachronie und Synchronie im Wettstreit (OBO 261), Freiburg i. Ue. / Göttingen 2004, 16–30; reprinted in: E. Blum, Grundfragen der historischen Exegese: Methodologische, philologische und hermeneutische Beiträge zum Alten Testament, ed. W. Oswald and K. Weingart (FAT 95), Tübingen 2015, 55–68. This essay originated in a presentation by Erhard Blum at an East-West meeting of German Old Testament scholars in Berlin in 1993, twenty-five years ago. This was around the time that I first had the opportunity to meet and work with Erhard Blum during my 1993–1994 sabbatical in Heidelberg where I wrote my book Reading the Fractures of Genesis: Historical and Literary Approaches, Louisville 1996.

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of a given biblical text as system at a given point. Meanwhile, “diachronic” study of a text, so Blum, focuses on the travel of biblical texts over time into their present manuscript-attested forms. In particular, diachronic analysis studies how a given text was built out of prior written and/or oral prestages. Such analysis is important, according to Blum, both to help the exegete define the scope of a unit to be interpreted synchronically and possibly to distinguish between different levels of synchronic interpretation. To be sure, the textual system implicit in a given final form, e. g., proto-MT, can also be analyzed synchronically. Nevertheless, Blum suggests that a synchronic exegesis of text formed over time must avoid reading into it a complete, coherent literary system that is not actually there. Since many biblical texts contain within themselves multiple literary levels with non-harmonized literary systems, there is a real risk that the interpreter of the final form will merely harmonize them and read into them an artificial unified system. In the balance of this essay I will do three main things, in each case synthesizing more than a century’s-worth of well-established textual observations and arguments by previous scholars.2 I start by using the Genesis flood account, particularly its competing chronological systems, as an illustration of the cogency of Blum’s proposals regarding the uses of diachronic analysis to support multi-level synchronic exegesis of texts, particularly those texts that seem to preserve originally separate sources that all have their own interconnec­ ted literary systems.3 Then I will reflect more briefly on the question of the exegetical significance of less clear cases of diachronic growth, particularly cases of subtle scribal revision that are not reliably identifiable through redaction-critical analysis. Finally, the third part of this essay will return to the Genesis flood story for reflection on the exegetical significance of cases where we have good reason to posit a certain range of types of diachronic growth.

I. The Flood Narrative as an Illustration of the Exegetical Significance of Clearly Competing Systems I turn first to the Genesis flood narrative as a whole. Though this text is often used as a showcase for source criticism, it should be noted at the outset that the broader narrative reads relatively adequately, and it has not presented insuperable problems to ancient interpreters reading it in its present form. After initial 2 Insofar as this essay builds on such observations to make points about exegesis, it will cite representative studies rather than providing documentation for specific, widely-recognized features in the text. 3 An additional benefit of this example is that it allows me to illustrate ways that my analysis is informed by unpublished reflections on flood chronology generously shared with me by Erhard Blum as I have worked on the above-mentioned commentary on Genesis 1–11.

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sections providing background on the flood’s cause and God’s instructions to Noah, the text begins in Gen 7:6 to give a chronologically-plotted narration of each stage of the flood’s coming and receding. Outline of Existing Chronology in Gen 6:5–9:17 4 [brackets] indicate implicit dates 6:13–22 God’s first speech to Noah (and execution) [?40 days prior to 7:11? cf. 7:6] 7:4, 10 God’s speech to Noah seven days prior to the flood With 7:11 implicitly the 10th day of the 2nd month of his 600th year 7:11 Opening of heavenly portals on the 17th day of the 2nd month of Noah’s 600th year 7:12 Forty days and nights of rain 7:24 The waters prevail over the highest parts of the earth 150 days 8:2a Closing of heavenly portals [not specifically dated, but implicitly post 150 days; 7:24] 8:3b Waters recede after 150 days 8:4 Five months [150 days] after flood onset, ark aground on mountains of Urartu 8:5a The waters continue to recede up through the 10th month (of Noah’s 600th year) 8:5b The mountains appear on the first day of the 10th month (of Noah’s 600th year) 8:6 After forty days [eight months after God’s speech to him]: Noah opens the ark 8:8 Seven days later (see ‫ ויחל עוד שבעת ימים‬8:10;5 thus nine months after flood’s arrival; 7:11): Noah sends out a dove 8:10 After waiting seven days, Noah sends dove out again, returns with branch 8:12 After waiting seven days, Noah sends dove again, and it stays away 8:13 [one month later] Day 1 of Noah’s 601st year: waters dry from earth, Noah sees the surface of ground has dried

[1.1.600?] [10.2.600] 17.2.600* [17.2.600 to 27.3.600] [17.2.600 to 17.7.600] [17.7.600] [17.7.600 onward] 17.7.600 [to 30.10.600] 1.10.600 [10.11.600] [17.11.600] [24.11.600] [1.12.600] 1.1.601

4 This table is modelled on one given to me by Erhard Blum, which builds in turn on observations in U. Cassuto, A Commentary on the Book of Genesis: Part 2: From Noah to Abraham, with an appendix: A fragment of part 3, trans. I. Abrahams, Jerusalem 1964 (1949 Hebrew original), 43–45. 5 See the excursus below for the background of this dating.

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47 days later (= one year from flood’s arrival) the earth 17.2.6016 is dry

With the ground dry again, the text moves to describe the exit of Noah and those with him from the ark on God’s orders (8:15–19). This sets the stage for Noah’s sacrifice and Yhwh’s resolve not to respond again to human evil by disrupting creation and destroying life (8:20–22). The section concludes with a series of divine speeches to Noah and his sons about post-flood conditions (9:1–7 and 9:8–17), then a story about Noah and his sons (9:18–27) before concluding with a genealogical conclusion that dates Noah’s death in relation to the flood (9:28–29).

Excursus on the Implication on an Additional 7-Day Interval before Gen 8:8–12 The most implicit part of the above table is the above dating of Noah’s sending of the first dove seven days after he initially opened the ark cover (Gen 8:6). As previous commentators have observed, this initial seven-day interval before the first sending of the dove is implied in the description of Noah’s second sending of the dove, where it is said that he waited an “additional” (‫ )עוד‬seven days (Gen 8:10).7 In addition, the above surveyed math of the current flood chronology needs this additional seven days to have Noah’s first sending of the dove occur exactly nine months after the flood arrived (thus implicitly 17.11. of Noah’s 600th year) and then Noah’s third and final sending of the dove falls on or near the first of the twelfth month of Noah’s 600th year (40 + [7] + 7 + 7 = 61 days after 1.10.600 in Gen 8:5b).8 In these ways, the present Genesis flood narrative implies a seven-day interval between 8:6 and 8:8 by its overall system and by Gen 8:10, even though it does not explicitly state it.

6 See

the excursus below on the text of Gen 8:14 for the reading here of 17.2.601 for Gen 8:14.  See particularly K. Budde, Die biblische Urgeschichte (Gen. 1–12,5), Gießen 1883, 271–272, and H. Seebass, Genesis I: Urgeschichte (1,1–11,26), Neukirchen-Vluyn 1996, 217. In addition, it should be noted that the bird scene in the Gilgamesh version of the flood story, a scene that appears to have particularly close affinities to the (non-Priestly) scene in Gen 8:6–12, has the flood hero wait seven days before his first release of a bird, and indeed that initial bird released after a seven-day interval is a dove as well (11:147–150). This suggests that the non-P bird scene in Gen 8:8–12 likely had a more explicit chronological indicator of a seven-day interval before its outset, though this indicator was likely lost at some point, as were other parts of non-P to be discussed below. 8 The language here is qualified („on or near the first of the twelfth month“) because the 61 days implied in Gen 8:6, 10, 12 do not exactly match with the schematic 30 day months seemingly assumed elsewhere in the Noah/flood narrative (e. g., 7:11, 24; 8:3–4) to put Noah’s final sending of the dove precisely on the first day of Noah’s twelfth month. Within this system, the 61 days implied in 8:6, 10, 12 would only place that sending on the first day of Noah’s twelfth month if it included both the first day of the tenth month of Noah’s life (noted in 8:5b) and the 1.12.600 date (implicit in Gen 8:12). Insofar as the composer of the present P narrative was even focused on problems like these, he may have been impelled to introduce some awkwardness at this point because he was combining a non-P chronology focused on 7-day intervals (imperfectly preserved in 8:8–12) and a Priestly chronology based on 30-day months (for more on this see below). 7

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Excursus on the Text of Gen 8:14 (also 7:11 LXX), Lunar and Solar Calendars In agreement with many commentators, this essay takes the reading of ‫בשבעה עשר יום‬ (found in 4Q252 2:1; Jub 5:31) as reflecting (or parallel to) the original reading for 8:14, rather than the reading of ‫( בשבעה עשרים יומו‬MT, SP) or (retroverted) ‫( בשבעה ועשרים‬LXX). The reading [‫ עשרים]יום‬in SP, MT and LXX for 8:14 results from a well-attested scribal shift from ‫ עשר יום‬to ‫עשרים‬.9 A similar reading of the 27th, found only in the LXX for Gen 7:11 (cf. 17th in MT, SP), results either from a similar shift in the LXX reading or a scribal coordination by the producer of the LXX-Vorlage (or the LXX translation) of the date in 7:11 with the modified reading in 8:14 (so that the flood lasts one year). Such scribal coordination is especially well attested for the LXX Pentateuch.10 To be sure, from the time of Genesis Rabbah (33:17) onward, there has been speculation that the one year, ten day difference between the date as given in the proto-MT of Gen 7:11 (17th day of the 2nd month of Noah’s 600th year) and the date given in the protoMT of Gen 8:14 (27th day of the 2nd month of Noah’s 601st year) might arise from the flood chronology reflecting some kind of compromise between a 354 day lunar year and a 365 day solar year. Nevertheless, as Ibn Ezra noted a long time ago, lunar years vary in length, such that the ten day difference in the proto-MT flood chronology (7:11; 8:14) could not reliably coordinate a lunar and a solar year.11 Moreover, Seebass points out that other parts of the (P) flood chronology work with 30 day months (7:24; 8:3, 4), not lunar months that vary in length (averaging just over 29.5 days).12 Finally, a dating of the flood from the 17th day of the 2nd month of Noah’s 600th year to the 17th day of the 2nd month of Noah’s 601st year would stand as one year whether that year was reckoned by the lunar or solar system.13 In sum, the odd one-year, ten-day complete length of the flood in the proto-MT and SP texts of Gen 7:11; 8:14 seems to result from a scribal error (in 8:14), rather than being explainable as a compromise or coordination of lunar and solar systems.14 And even if this conclusion is unpersuasive, an explanation of the odd dating in the main witnesses for Gen 8:14 is not decisive for the following reflections on the preceding parts of the Genesis flood chronology.  9  On this, see especially R. Hendel, 4Q252 and the Flood Chronology of Genesis 7–8: A Text-Critical Solution, DSD 2 (1995) 72–79. 10 E. Tov, The Harmonizing Character of the Septuagint of Genesis 1–11, in: W. Kraus / S. Kreuzer (eds.), Die Septuaginta: Text, Wirkung, Rezeption (WUNT 325), Tübingen 2014, 315–332. 11 Ibn Ezra notes that the lunar year accommodated in the (MT) biblical chronology must be a “full” (‫ )שלימה‬year of 355 days (where the months of Cheshvan and Kislev each have 30 days) rather than a regular lunar year (354 days; where Cheshvan has 29 days) or a defective lunar year (353; where Cheshvan and Kislev both have 29 days). To be sure, these are later rabbinic calculations of the lunar year. But Ibn Ezra’s comment points to the fact that the concept of ‘year’ is a fundamentally solar one, while lunar revolutions vary in length, from about 29.25 to 29.8 days, thus meaning that the correspondence of lunar revolutions and solar years will be approximate and vary from year to year. 12 Seebass, Genesis I: Urgeschichte, 219. 13 Private communication from Erhard Blum. 14 For discussion and critique of hypotheses regarding the Genesis flood chronology and Jubilees, see G. Darshan, The Calendrical Framework of the Priestly Flood Story in Light of a New Akkadian Text from Ugarit (RS 94.2953), JAOS 136 (2016) 507–514, here 507–508 (including notes 5 and 6 on 508).

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This is an unusually large pericope, but it is joined together by an overall focus on Noah, his sons, and a life-destroying flood that they, their spouses and pairs of other earth-based life species survive. At the same time, there are some subtle clues, even within its intricate chronological system, that this composition was constructed out of textual elements that pre-existed their current context. For example, the text does not fully coordinate its mention of forty days/nights of rain (7:12; also 7:4) and its attribution of the flood to an opening of primal springs and heavenly portals for 150 days (7:11, 24; then 8:2a), a period whose end coincides with the grounding of the ark on the mountains of Ararat (8:4; cf. 7:11). Another chronological incongruity, among others to be discussed below, is the lack of any narrative rationale for why several dates in the narrative fall on the 17th of the month (7:11; 8:4, 14) rather than the first (e. g., Gen 8:13). Readers committed to a harmonizing reading of the flood narrative have sought to find solutions to problems like these. Nevertheless, I will maintain, building on the source-conflation approach to this text established since the analyses of Schrader, Hupfeld and Budde over a hundred years ago,15 that a reading of the present form of the Noah/flood story gains precision from a recognition that it is a complex mix of three types of material: a partially preserved non-P flood narrative featuring chronological markers of 7‑ and 40-days, an originally independent Priestly flood narrative focused on dating the flood vis-à-vis the 600th year of Noah’s life (and implicitly the New Year), and some conflational additions that coordinate these two strands (including the abovenoted datings on the 17th of various months). Source-Critical Interlude Before proceeding to discuss these three components further, however, it is important to review some of the important data that have made this older conflation approach to the flood narrative so compelling. This is especially needed since the last thirty years have seen an increasingly large number of studies arguing that the above-mentioned non-P strand of the flood was not originally independent, but was created from the outset as a compositional extension of the Priestly flood strand.16 This supplementary approach to the non-P flood 15 These studies established the basic contours of source division in the flood narrative that have been the basis for discussion in the century-plus after their publication: H. Hupfeld, Die Quellen der Genesis und die Art ihrer Zusammensetzung von neuem untersucht, Berlin 1853, 6–16, 132–136; E. Schrader, Studien zur Kritik und Erklärung der biblischen Urgeschichte, Zürich 1863, 136–154; Budde, Biblische Urgeschichte, 248–276. 16 G. Wenham, Genesis 1–15 (WBC 1), Waco 1987, 144–181, esp. 168; Idem, The Priority of P, VT 49 (1999) 240–258, here 250–252; J. Blenkinsopp, The Pentateuch: An Introduction to the First Five Books of the Bible (AncB Reference Library), New York 1992, 78–98; Idem, P and J in Genesis 1:1–11:26: An Alternative Hypothesis, in: A. Beck et al. (eds.), Fortunate the Eyes that See: Essays in Honor of David Noel Freedman in Celebration of His Seventieth Birth-

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narrative has been based particularly on the fact that the consensus-defined non-P flood strand is incomplete, lacking at the very least a preserved version of Yhwh’s instructions for Noah to build an ark and Noah’s execution of them.17 Nevertheless, we should not be surprised to see gaps in the hypothesized non-P flood account since conflation of originally separate documents typically preserves only portions of the sources.18 Conflators are not focused on preserving source documents for the purposes of later source-critics. They aim to produce understandable narratives. In this case, the conflator appears to have used the P flood narrative as the main structure, liberally supplemented with select parts of an originally separate non-P flood narrative. Most importantly, the hypothesis that the non-P flood strand was created as a supplement to P fails to account for numerous distinctive aspects of the present narrative. To start, the Genesis flood account is distinguished by an unusual amount of doubling, approximately 15 doublets, many characterized by contrasting elements. 1. The deity’s “seeing” of a problem of evil in humanity (6:5–6 Yhwh)//ruin of the earth by the violence of all flesh (6:12 [see also 6:11, 13] God) that will prompt the flood; day, Grand Rapids 1997, 1–15, here 8–10; J. L.  Ska, El relato del Diluvio: un relato sacerdotal y algunos fragmento redaccionales posteriores, EstBib 52 (1994) 37–62 (ET: Idem, The Story of the Flood: A Priestly Writer and Some Later Editorial Fragments, in: Idem, The Exegesis of the Pentateuch: Exegetical Studies and Basic Questions [FAT 66], Tübingen 2009, 1–22); D. Petersen, The Formation of the Pentateuch, in: Idem et al. (eds.), Old Testament Interpretation: Past, Present, and Future – Essays in Honor of Gene M. Tucker, Nashville 1995, 31–45, here 42–43; T. Krüger, Das menschliche Herz und die Weisung Gottes: Elemente einer Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der Tora-Rezeption im Alten Testament, in: R. G.  Kratz / T. Krüger (eds.), Rezeption und Auslegung im Alten Testament und in seinem Umfeld: Ein Symposium aus Anlass des 60. Geburtstags von Odil Hannes Steck (OBO 153), Freiburg i. Ue. / Göttingen 1997, 65–92, here 74–81; E. Bosshard-Nepustil, Vor uns die Sintflut: Studien zu Text, Kontexten und Rezeption der Fluterzählung Genesis 6–9 (BWANT 165), Stuttgart 2005, 49–77; A. Schüle, Der Prolog der hebräischen Bibel: Der literar‑ und theologiegeschichtliche Diskurs der Urgeschichte (Genesis 1–11) (AThANT 86), Zurich 2006, 258–260; C. Y. S.  Ho, The Supplementary Combination of the Two Creation Stories in Genesis 1–3, in: H. Niemann / M. Augustin (eds.), Stimulation from Leiden: Collected Communications to the XVIIIth Congress of the International Organization for the Study of Old Testament (BEATAJ 54), Frankfurt a. M. 2006, 13–21, here 15–18; M. Arneth, Durch Adams Fall ist ganz verderbt: Studien zur Entstehung der alttestamentlichen Urgeschichte (FRLANT 217), Göttingen 2007, 171–198. 17 Some of the earliest arguments (for the non-P flood story as supplement) are reviewed, but not endorsed, in E. Blum, Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189), Berlin / New York 1990, 282, note 206, who already places such an approach within the context of the older approach to P as Grundschrift and non-P as supplement. For Blum’s own initial arguments against a supplementary approach to non-P in the primeval history, see Idem, Art. Urgeschichte, TRE 34, 2002, 436–445, here 438. 18 For discussion of this phenomenon in the few documented examples of conflation, see G. F.  Moore, Tatian’s Diatessaron and the Analysis of the Pentateuch, JBL 9 (1890) 201–215, here 203; D. M.  Carr, The Formation of the Hebrew Bible: A New Reconstruction, New York 2011, 88–90, 112.

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 2. Assertions that Noah is an exception to this problem in enjoying Yhwh’s favour (Gen 6:8)//being righteous (6:9 [in his generations]).19  3. The deity’s decision to destroy humanity (Gen 6:7 Yhwh)//all flesh (Gen 6:13 God)  4. The deity’s announcements to Noah of the oncoming flood (God 6:17//7:4 Yhwh);  5. The deity’s commands for Noah to enter the ark with his family: sons, wife, and sons’ wives (God 6:18b)//house (7:1a Yhwh);  6. The deity’s commands to bring representatives of each of the earth’s animals onto the ark (God, one pair of animals 6:19–20//7:2–3 Yhwh, 7 pairs each of pure animals, 1 pair each of impure animals);  7. Assertions that Noah complied with the deity’s orders (God 6:22//7:5 Yhwh);  8. Explicit descriptions of Noah’s entry into the ark (7:7//7:13);  9. Causing of the flood by opening of heavenly and earthly portals (7:11) or 40 days of heavy rain (7:12); 10. The rising of the flood waters so that the ark floated on them (7:17b ‫רבה‬//7:18– 20 ‫;)גבר‬ 11. The “death” (7:22 ‫ )מות‬or “perishing” (7:21 ‫ )גוע‬of all life; 12. The ending of the flood through the closing of portals (8:2a) or end of heavy rain (8:2b) 13. The gradual receding of waters for forty days (8:3a, 6 ‫וישבו המים מעל הארץ הלוך‬ ‫ )ושוב‬or the 150 days up through 10 months 8:3b–5a (see 8:5a ‫והמים היו הלוך‬ ‫)וחסור‬, with “waters” as an explicit subject in both;20 14. The drying of the surface of the ground (8:13b)/earth (8:14b); 15. Final scenes where the deity resolves not to destroy the ground on account of humanity (Yhwh 8:20–22)//send another flood to destroy all flesh and ruin the earth (9:8–17 God). These and other doublets have been discussed and analyzed in numerous prior analyses, and there is no need to rehearse further details here.21 The crucial thing 19 See M. Witte, Die biblische Urgeschichte: Redaktions‑ und theologiegeschichtliche Beobachtungen zu Genesis 1,1–11,26 (BZAW 265), Berlin 1998, 76, for citation of earlier treatments and arguments that Gen 7:1b is a secondary, potentially conflational addition to its context, mediating between the descriptions of Noah’s favor (Gen 6:8 non-P) and righteousness (Gen 6:9). A decision on this point does not affect the following analysis. 20 Cf. J. C.  Gertz, Das erste Buch Mose (Genesis): Die Urgeschichte Gen 1–11 (ATD 1), Göttingen 2018, 266. This assignment by Gertz of Gen 8:3a to the same source as 8:3b–5a (P) is based, in my view, on a misinterpretation of the similarity of the parallel constructions in Gen 8:3a and 8:5a as signs of the same source rather than another indication of doubling. Recognizing Gen 8:3a as a non-P doublet to 8:3b–5a provides an explanation for the combination of parallel formulations between these text-elements and yet slightly divergent vocabulary between otherwise similar formulations in 8:3a (non-P) and 8:5a (P). 21 For example, some of these doublets – e. g., 7:11b–12, 23; 8:2, 3 – are contiguous and short enough that Cassuto (Genesis: Part 2, 24–25) and others have argued that they are actually examples of semi-poetic speech or other narrative techniques embedded in the flood narrative.

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to note in this context is the unique extent to which the Gen 6:5–9:17 narrative is characterized by sets of two. Such doubling is not typical of scribal supplementation of an earlier Vorlage since supplementation can presuppose and expand on existing material. Instead, the doubling across the flood narrative is a prominent initial indicator suggesting that it was created through the conflation of two pre-existing, originally separate accounts of Noah and the flood. This hypothesis of conflated documents has been further reinforced by additional analyses that have sorted members of the doublets – and texts related to them – into two relatively complete stories of Noah and the flood. Identifications of these two strands previously have identified a Priestly flood strand in Gen 6:9, 11–22; 7:6, 11, 13–16a, 17a* [without “forty days”], 18–21, 24; 8:1–2a, 3b–5, 13a, 14–19; 9:1–17; substantial parts of a non-Priestly flood strand preserved in 6:5–6, 7aα*, 7b–8; 7:1–2, 3b–5, 7*, 16b, 10, 12, 17b, 22, 23*; 8:2b–3a, 6–12, 13b, 20–22, and a number of conflational additions (to be discussed) in loci such as Gen 6:7a*, 10; 7:3a, 7:7–9*, 17a* (forty days), 23*.22 To be sure, as noted above, the original P and non-P stories are not fully preserved in the present text. Rather P was more fully preserved as the main basis for this narrative, while portions of the non-P flood story were used to expand on it. An additional indicator that such portions of non-P were once part of a separate and more complete flood story is the way that the conflator appears to have rearranged at least parts of the non-P material so that those parts now fit better with the Priestly substructure. The clearest example seems to be the locating of the non-P notice about Yhwh shutting Noah into the ark (Gen 7:16b) not at its likely original location right after the non-P report of Noah’s entry into the ark (7:7*), but now after the Priestly report of the entry of Noah and the animals See, for example, Ska’s invocation of ‘proleptic summary’ for 8:3a in relation to 8:3b in Ska, Story of the Flood, 9. Nevertheless, such models are a stretch in these cases, and even if they raised doubts about some of the above-listed doublets in the flood story, they cannot explain numerous others. Thus, for example, even after extended arguments against a few classic doublets in past analyses (nos. 8, 10, 13, 14 in the above list), Ska’s “J” flood narrative (see ibid., 3–12), still has eleven of the above fifteen doublets. 22 The following analysis will refine and modify this initial listing, in particular with regard to likely conflational additions regarding chronology that will be identified in below in Gen 7:11*; 8:4, 5bα, 14a. Following Blum, Studien, 280, Gen 6:10 is included here as a possible conflational addition (and left out of the above-identified P strand) because it interrupts the movement from P’s affirmation of Noah’s righteousness (6:9aβb) to its report of the contrasting corruption of the earth (Gen 6:11) and might have had more of a function in the present conflate text than it would have in an originally separate P source (though cf. the example of contiguous sections of P doubling a similar report of Terah’s fathering of three sons, Gen 11:26/27). Blum suggests that the P-like conflator-composer of the present text may have created Gen 6:10 to echo the Priestly (or Toledot book) report of Noah’s fathering of Shem, Ham and Japhet in Gen 5:32 after the intervening non-P material about divine-human marriages and the prelude to the flood (Gen 6:1–8) had been included. Cf., however, arguments to the contrary in Gertz, Das erste Buch Mose, 78–80.

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into the ark (7:13–16a).23 Such a rearrangement would not have been necessary if the non-P elements in Gen 7:12 and 16b had been created from the outset by a redactor-composer, expanding on the P flood narrative. But this rearrangement was necessary for a conflator composing the present text, since that redactor could not have Yhwh close Noah into the ark (Gen 7:16b) before first giving the second, Priestly report of his entry into it (7:13–16a). The original separateness of the P and non-P narratives is also indicated by how they each feature different conceptual systems that have not been completely harmonized with one another. For example, as scholars have long recognized, the non-P flood story prepares for a description of Noah’s sacrifice of clean animals after the flood (8:20) by having Yhwh instruct Noah in 7:2 to bring seven pairs of clean animals onto the ark (‫ )הבהמה הטהרה‬along with one pair of each unclean animal (‫)הבהמה אשר לא טהרה‬, while the Priestly strand lacks such a sacrifice narrative and instead describes God ordering Noah to bring only one pair of each kind of animal onto the ark (6:19–20; execution in 7:15–16a). So also, the Priestly flood narrative notes that the tops of the mountains already have appeared (8:5) before the non-P narrative describes a dove unable to find a place to land (8:9).24 In addition, as we will see in more detail below, there are various issues with the chronological systems in the flood narrative. For example, as in some other parts of P, the Priestly narrative emphasizes exactitude, even stressing that Noah entered the ark on the very day that the portals of heaven and earth opened to let the waters onto the earth (7:13, linking to 7:11). Nevertheless, within the present conflated text, the specificity of the Priestly notice about the “very day” that Noah entered the ark (7:13) now follows and conflicts with the generality of the preceding non-P report of heavy rain falling on the earth “forty days and forty nights” (7:12). A redactional/supplement model for the non-P portions of the flood narrative also cannot account well for the way some portions of non-P appear to have been secondarily adapted to agree with their P counterparts. Thus, the redactor who combined the strands secondarily harmonized their divergent concepts of which animals entered the ark (described above) by supplementing the non-P description of Noah’s entry into the ark (7:7a*) with an awkward note about clean and unclean (‫ )הבהמה אשר איננה טהרה‬animals coming to Noah in the ark, one pair each as “God” (‫ )אלהים‬commanded (7:8–9). This note about clean and unclean animal pairs here mentions pure and impure animals, thus initially sounding somewhat like an execution of Yhwh’s order to bring seven pairs of clean and unclean animals onto the ark (7:2).25 Nevertheless, it ends up using a 23 This verse is indicated as 7:7* to signify that the non-P notice likely did not include the P-like specification of family that is now in it. On this, see the discussion of 7:7 below. 24 Gertz, Das erste Buch Mose, 226. 25 Gen 7:8–9 only somewhat like non-P here because its terminology for pure and impure (‫ )הטהורה…אשר איננה טהרה‬diverges slightly from that used in (non-P) Gen 7:2 (‫הטהורה…אשר לא‬ ‫)טהרה הוא‬.

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similar doubled formulation to non-P’s ‫ שבעה שבעה‬for its contrasting assertion that Noah only brought two of each kind of animal (‫ )שנים שנים‬onto the ark, thus reinforcing P’s concept of how many animals were rescued (7:14–16a; also 6:19– 20).26 So also, the explicit listing of members of Noah’s family entering the ark in Gen 7:7* resembles language for his family seen in Priestly texts (e. g., 6:18b; 8:15b versus non-P “your house” 7:1) and it is marked as a possible harmonizing revision of non-P (to P) by its divergence from the singular verb for entry at the outset of 7:7 and by the exclusive focus on Noah in the report of Yhwh’s shutting of the door behind him (7:16b).27 We see another example of secondary harmonization of non-P with P in the apparent addition of a P-like catalogue of animals in Gen 6:7 to a sentence that initially seems to have focused exclusively on Yhwh’s resolve to wipe humanity off the face of the ground because he was sorry he made them. This adds a P-like focus on animals and the flood (see 6:11, 12b; 7:14–16a; 8:17–19; 9:2–6, 10–17) to the outset of a non-P strand. That non-P strand focuses more exclusively than P on Yhwh’s dealings with humanity, especially Noah (Gen 6:5–8; 7:7a*, 16b; cf. P in Gen 6:11–13), while depicting animals as side-actors/collateral damage to the destruction of humanity. In this respect, yet another similarly formed, secondary “from … to” catalogue appears to have been added to the non-P report of destruction in Gen 7:23 as well (‫)מאדם עד־בהמה עד־רמש ועד־עוף השמים‬, this time 26 Blum, Studien, 284–285. See also H. Donner, Der Redaktor: Überlegungen zum vorkritischen Umgang mit der Heiligen Schrift, Henoch 2 (1980) 1–30, here 24–25; BosshardNepustil, Vor uns die Sintflut, 71–72. Cf. the alternative treatment of Gen 7:7–9 by Baruch Schwartz that divides 7:7–9 between: 1) a J continuation of the execution report in 7:5 that is embedded in parts of Gen 7:8–9, where the pure and impure animals come into the ark (‫ומן‬ ‫ ;)הבהמה הטהורה ומן הבהמה אשר איננה טהרה ומן העוף באו אל־תבה‬and 2) a Priestly report of Noah and his family’s entry into the ark (7:7) and the animals coming to Noah two by two (Gen 7:8bβ–9); with the words ‫ באו אל תבה‬attributed to both sources (B. Schwartz, The Flood Narratives in the Torah and the Question of Where History Begins [Hebrew], in: M. Bar-Asher [ed.], Shai le-Sara Japhet: Studies in the Bible, Its Exegesis and Its Language, Jerusalem 2007, 139–154, here 147, note 15; my thanks to B. Schwartz [private email communication November 7, 2018] for the wording above, clarifying his view on this in a correction of this part of the published form of the article). As far as I can see, there is nothing within 7:7–9 itself to commend this approach. The proposal mainly seems a means of trying to distribute the text into semi-readable sources in a way that minimizes the contribution of a redactor/conflator. 27 A. Dillmann, Die Genesis (KEH 11), Leipzig 1892, 143 (ET 276–277); Budde, Biblische Urgeschichte, 258. Gertz, Das erste Buch Mose, 258, takes this similarity in the list description of Noah’s family in Gen 7:7 and Gen 6:18 (P) as an indicator that Gen 7:7 as a whole derives from P. This understanding of 7:7, however, does not explain the divergence between this longer list of Noah’s family members in 7:7 and the singular verb at the outset of the sentence (‫)ויבא‬, leaves non-P without an entry report (for Noah) to precede Yhwh’s closing of the ark behind him (Gen 7:16b), and requires Gertz to engage in some acrobatics to explain the doubling of the description of Noah’s entry in Gen 7:7* (non-P) and 7:13–16a (P). Ska, Story of the Flood, 5–6, attempts to downplay the diachronic significance of the doublet of Noah’s entry by arguing that the kind of doubling seen here is typical of P, with particular parallels between 7:6–9 and Gen 17:23–27. Here, Ska, like Gertz, does not attend to evidence that Gen 7:7* preserves a distinctive non-P report focused on Noah’s entry preceding Yhwh’s closing of the ark behind him (7:16b).

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followed by a resumptive repetition that all beings were wiped off the earth (‫וימחו‬ ‫ ;מן־הארץ‬cf. 7:23aα* ‫)וימח את־כל־היקום אשר על־פני האדמה‬.28 Finally, most have recognized a secondary harmonizing addition in 7:3a.29 In contrast to Gen 7:2, which specifies that Noah is to bring only one pair each of every unclean animal, Gen 7:3a has Yhwh command Noah to bring seven pairs each of all birds of heaven, implicitly even including unclean birds like ravens (see 8:7).30 This command, which interrupts the movement from the instruction to bring animals in 7:2 to the purpose clause in 7:3b, apparently was inserted as a supplement to 7:2 by a post-Priestly scribe, using Priestly language for gender, ‫( זכר ונקבה‬cf. 7:2 ‫ אשתו‬,‫)איש‬. This scribe apparently noted that the description of Noah’s sacrifice in 8:20 has him sacrificing both “animals” (‫ )בהמה‬and “birds” (‫)עוף‬, while birds had not been explicitly mentioned in the original order to Noah to bring all “animals” on the ark (‫ ;הבהמה‬Gen 7:2). Likely in the original level of non-P the word “animal” (‫ )הבהמה‬in Gen 7:2 was intended to encompass both land animals and birds, but the scribe who added birds in Gen 7:3a was noting their explicit mention in the Priestly catalogue of animals to be brought on the ark (Gen 6:20; see also 8:19) and added a correspondingly explicit mention of birds into the non-P entry instructions of Gen 7:1–4.31 Such secondary harmonizations do not typically need to be added to redactional supplements, since redactional supplements are built around their Vorlagen and usually do not accidentally conflict with them. That an authorredactor saw a need to expand and revise these non-P texts through adding marked secondary elements such as Gen 6:7*; 7:3a; 7:7*–9 and 7:23* is another indicator that the non-P flood texts into which they were inserted were not originally composed as a supplement to P. These indicators of the secondary harmonization of non-P texts to P help highlight how much the original non-P texts fail to connect with the Priestly texts they have been thought to supplement. For example, aside from the above-discussed 28 An additional mark of the likely editorial character of the resumptive repetition in 7:23aβ is its use of ‫ ארץ‬to specify the ground from which life was destroyed rather than ‫( פני האדמה‬cf. 6:7; 7:4, 23aα). 29 Budde, Biblische Urgeschichte, 257, provides the classic arguments. 30 There is some dispute about whether the sending of the raven in Gen 8:7 belongs to P, non-P or is a secondary addition. Though assignment of this verse to non-P is not crucial for the following, see Budde, Urgeschichte, 271, and Witte, Biblische Urgeschichte, 140, for arguments against assignment to P and for a particular linkage of 8:7 to non-P. Also note an apparent fragment of a bird scene with a dove and a waterbird in a fragment of an Ugaritic Akkadian version of the flood narrative, RS 94.2953 as reinterpreted in A. Cavigneaux, Les oiseaux de l’arche, Aula Orientalis 25 (2007) 319–320. This text was brought to my attention by Darshan, Calendrical Framework, 509–512, who seems to assume an assignment of the raven element here to P (pp. 507–509, 512). 31 Cassuto, Genesis: Part 2, 75–76 suggests that Gen 7:3a anticipates Noah’s use of birds to learn about the receding of the flood, something that would not require a distinction of pure and impure birds. On this, cf. Blum, Studien, 284, note 212.

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catalogue of animals secondarily added to Gen 6:7 (and the use of the verb ‫ברא‬ for create), the core of the anticipation of the flood in Gen 6:5–7 connects to the non-P account of Yhwh’s forming (‫ )יצר‬of the human from “the ground” (‫;האדמה‬ 2:7) and not to broader cosmological elements of the Priestly Genesis 1 account. Even at loci of potential overlap between P and non-P, the non-P texts do not connect with P. For example, the non-P flood strand prominently features the number seven, both in Yhwh’s command to Noah to bring seven pairs of clean animals on the ark (7:2) and especially in non-P’s specification of seven-day intervals between Yhwh’s entry order and the coming of the flood (7:4, 10) and between Noah’s sendings of birds (Gen 8:10, 12). Yet nothing in this non-P strand coordinates or connects its seven-day chronological scheme (in the flood) with the seven-day, Sabbath-focused framework introduced in Gen 1:1–2:3 (P). In this way and others the original non-P flood story appears to work within a synchronic system bounded exclusively by non-P texts. It does not connect with the P texts with which it is now combined, aside from evident secondary additions such as above-discussed expansions found in Gen 6:7*; 7:3a, 7*–9 and 7:23*. In sum, the recently popular redactional/supplement model for the non-P stratum fails to account for the major features of the present flood account. These include: 1. Its extensive doubling 2. The fact that the non-P and P strata – even with some gaps (expected in a text that has been conflated) – both represent relatively readable wholes 3. Evidence that the non-P stratum has been rearranged from a likely different order in an earlier text (e. g., Gen 7:16b) 4. Only partially resolved conflicts between the conceptual and chronological systems of P and non-P 5. Evidence that some portions of the non-P flood stratum have been secondarily adapted to better conform to P 6. Ways that the non-P strand works exclusively within a synchronic system bounded by other non-P texts and does not link in an integral way with the P texts it supposedly expanded upon.32 Together these are powerful data that confirm the basic source-critical approach to the flood that was initially advanced more than two and a half centuries ago by Astruc and refined over subsequent years. At the same time, as Blum has argued previously, the present Genesis flood narrative manifests a complex mix of levels 32 Note J. C.  Gertz, Beobachtungen zum literarischen Charakter und zum geistesgeschichtlichen Ort der nichtpriesterlichen Sintfluterzählung, in: M. Beck / U. Schorn (eds.), Auf dem Weg zur Endgestalt von Genesis bis II Regum. Festschrift Hans-Christoph Schmitt zum 65. Geburtstag (BZAW 370), Berlin / New York 2006, 41–57, here 44–46, who observes that the beginning and end of the Genesis flood narrative betrays signs of competing, originally separate, structural systems.

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of Priestly sources and P-like compositional strata, levels that will be explored in more depth below.33 Before moving to that discussion, however, it is important to note that this conclusion about the conflate character of Genesis 6–9, in turn, means that this text is a conflation of a Priestly flood narrative with a non-P flood narrative that once had one or more elements that are now missing from the present conflate text. In particular, insofar as the source-conflation model for the flood narrative holds, the non-P strand in it must have once included some kind of initial divine announcement or instruction for Noah to build an ark and also a report of his compliance, building the ark. The non-P entry instructions in Gen 7:1–4* cannot be the only divine pre-flood instruction. They presuppose some kind of earlier speech by Yhwh regarding the flood and the need to build an ark. Likely such an initial speech to Noah followed and was introduced by the non-P statement that Noah found favor with Yhwh (6:8). In addition, Gen 7:1 refers to the ark (‫)התבה‬ as if it were an existing, known entity, indicating that some sort of non-Priestly ark construction report was eliminated as well.34 To be sure, this back-reference to the ark has been taken by many as evidence suggesting that the non-P layer of the flood account presupposes P, in this case the preceding Priestly instruction for Noah to build an ark (Gen 6:14–16).35 Nevertheless, this datum is consistent with either a supplementary or source approach to the background of non-P, and the above-established source approach better accounts for references in later non-P flood texts to parts of the ark that are not mentioned in the Priestly construction instructions, e. g., its window (‫ ;חלון‬8:6) and cover (‫ ;מכסה‬8:13b).36 Likely there were more such conflicts between the now missing non-P version of Yhwh’s construction instructions and the P version of such instructions in Gen 6:14–16. Insofar as this was so, such conflicts probably contributed to the conflator’s decision to replace the non-P instructions by Yhwh about design and building of the ark with the Priestly speech that combines God’s instructions 33 See in particular, Blum, Studien, 281–285, and his updated treatment of the profile of P in Idem, Noch einmal: Das literargeschichtliche Profil der P-Überlieferung, in: F. W.  Hartenstein / K. Schmid (eds.), Abschied von der Priesterschrift? Zum Stand der Pentateuchdebatte, Leipzig 2015, 32–64, here especially 50–55. Though the following discussion delineates the contours of the P-like conflation of P with non-P, it will not include a complete exploration of the diachronic levels within P (e. g., identifying remnants of a Priestly Toledotbook, the Priestly flood narrative and P-like conflational-compositional elements in the present text) nor explicitly treat the question of the diachronic relation of these various levels of P to non-P. For more discussion of these issues, see my above noted, forthcoming monograph (The Formation of Genesis 1–11, 142–152) and commentary on Genesis 1–11, pp. 233–273 (especially 233–238). 34 The Mesopotamian flood narratives to be discussed below as precursors to non-P generally included extensive construction narratives, e. g., Atrahasis 3.1.39–3.2.14; Gilgamesh 11:48–78. In this respect, P’s very brief compliance report following God’s construction instructions (6:22) is the exception rather than the rule. 35  E. g. Blenkinsopp, Pentateuch, 80; Idem, Genesis 1:1–11:26, 9; Bosshard-Nepustil, Vor uns die Sintflut, 65, note 114. 36 Gertz, Das erste Buch Mose, 228–229.

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about ark construction (Gen 6:14–16) with God’s instruction to enter it (6:18–21; cf. non-P 7:1–4*). The result was a conflate narrative that followed the original non-P scheme of separate divine speeches before and after ark construction, but used a Priestly speech about both construction and entry (6:13–21) in place of the initial non-P speech about ark construction. The conflator then replaced the non-P report of construction of the ark with the Priestly compliance report (6:22), and only then preserved the separate non-P entry instruction by Yhwh (7:1–4) and initial compliance report (7:5). Exegetical Consequences of Source-Critical Analysis of the Flood These source-critical conclusions then have substantial consequences for making sense of textual elements in P and non-P that were not originally meant to be read together. To start, I suggest that the above source analysis would suggest that proper analysis of the non-P portions of the flood narrative should not just attend to their function in the present, conflate text, but also and particularly to how these non-P texts relate to each other in a specifically non-P context. For example, a particular focus on the non-P portions of the flood account helps bring out distinctive aspects of a non-P chronology oriented around 40‑ and 7-day intervals that are blurred when it is considered as part of the present P/ non-P composition. Forty-day intervals mark the longer periods of the coming of the flood through torrential rain (7:4, 12) and the initial, gradual receding of the flood waters before Noah opens the ark window (8:3a, 6).37 A seven-day period marks the shorter interval between that entry order and the coming of the flood (7:4, 10) and then 7-day periods precede each of the three sendings of the doves (Gen 8:10 [note ‫ עוד‬here vis-à-vis 8:8], 12). As I have noted, the conflator did not preserve the non-P instruction to Noah to build the ark or report of the ark construction process and so we have no chronological notices relating to either. Nevertheless, the conflator may have preserved a reflection of the original non-P chronology in implicitly dating the P speech in Gen 6:13–21 to the first day of Noah’s 600th year. As Lemche and Nielsen point out (building on earlier observations by Cassuto), the date now given in the present text of Gen 7:11 for the arrival of the flood is 47 days (17th day of the 2nd month) into Noah’s 600th year.38 This otherwise unexplained date 37 See Budde, Urgeschichte, 263–264, and some recent analyses (e. g., Gertz, Das erste Buch Mose, 263) for persuasive arguments that the mention of a forty-day period in Gen 7:17a is a conflational addition to what was originally a Priestly resumption of the flood theme in Gen 7:17* after its extensive report of the entry of Noah and the animals into the ark (Gen 7:13–16a). Gen 7:17a, even with its non-P like mention of forty days, does not have a clear place or function in a non-P narrative following on the closing of Noah in the ark (Gen 7:16b) and report of a fortyday rain (7:12). 38 Cassuto, Genesis: Part 2, 71; E. Nielsen, Oral Tradition: A Modern Problem in Old Testament Introduction, Chicago 1954 (1952 Original), 100; N. P.  Lemche, The Chronology in the

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equals 47 days into the year, which would place Yhwh’s speech to Noah 7 days in advance of the flood (7:4, 10) exactly 40 days after Noah’s 600th year began. Building on a personal communication from Erhard Blum, this otherwise unexplained date of Yhwh’s speech to Noah on the 40th day of his 600th year implies that God’s first speech to him (Gen 6:13–21, P) occurred at the outset of Noah’s 600th year, followed by a forty-day period of ark construction that then preceded Yhwh’s instructions to enter the constructed ark (Gen 7:1–4).39 Thus, the dating in Gen 7:11 of the arrival of the flood on the 17th day of the nd 2 month of Noah’s 600th year may, in whole or in part, be a faint conflationalredactional echo of an original non-P chronology.40 That non-P chronology would have separated Yhwh’s initial ark instructions and the ark entry order in Gen 7:1–4* by a forty-day process of ark construction. Certainly, of the two time intervals common across the non-P flood narrative, such a forty-day interval would have made more sense as a length of time to complete construction of the ark than the seven-day interval prominent at other points (e. g., Gen 7:4, 10; Story of the Flood, JSOT 18 (1980) 52–62, here 58. These 47 days are counted according to the 30-day schematic month system implicit in other parts of the Priestly chronology (7:24; 8:3, 5a) and then adopted and reflected in P-like chronological notices identified below as part of the conflation of P and non-P (e. g., 8:4; cf. 7:11). 39  See already Blum’s reflections on chronology (building here on Lemche, Chronology) in Blum, Studien, 283, note 207, that then link with his compositional model for P. Cf. Gertz, Das erste Buch Mose, 261, for some objections to these earlier formulations. 40 There is some question about whether the dating in Gen 7:11 as a whole is conflational or just the dating on the 47th day. Blum, Studien, 281–283, notes that Gen 7:11 is somewhat superfluous in a hypothesized P text that would move directly from the mention of Noah’s 600th year in 7:6 to the dating in Gen 7:11, and he then goes on to rightly note the likely origins of the Gen 7:6 notice in the Noah section of a Toledot book, a section beginning in Gen 5:32 and ending with flood-oriented datings in 9:28–29. This then leads to his proposal that the partial doublet of Gen 7:6 (Toledot book) in Gen 7:11 is a remnant of a pre-Priestly flood narrative that was utilized by the P author of the present text alongside the Toledot book and the non-Priestly flood narrative. Ska, Story of the Flood, 5, notes, however, that there is some precedent for P’s use of this kind of redundant narration (with a similar dating scheme) in the report of circumcision in P’s other major “covenant” narrative, Genesis 17:23–27. Moreover, the dating to a specific day in Gen 7:11 is necessary for the following P reference to Noah’s entry into the ark “on this very day” (‫ ;בעצם היום הזה‬Gen 7:13). This would suggest that an originally separate P tradition did have some kind of dating of the arrival of the flood after the overall notice of Noah’s 600th year in Gen 7:6, probably one corresponding to Gen 7:11, but dating the arrival of the flood to the first day of that year. The notice about “on that very day” in 7:13 then would clarify the specific function of that dating in a separate P flood tradition: first the notice of the overall year (7:6), then the specific dating of the flood’s arrival [originally] on the first of the year (7:11), and – building on that – the notice in 7:13 that Noah entered the ark with his family and animals “on that very day” (cf. 7:11, not 7:6). Having the date for the flood’s onset in Gen 7:11 originally be on the first of the year would mean that P placed the flood renewal of creation across the span of exactly one year, much as P later dates the span separating the exodus from the Tabernacle construction across a similar one-year period, from first month/day (measured by day of the exodus) to exactly one year later (Exod 12:1–2; 40:1). This latter point is my synthesis of informal observations made to me privately by Liane Feldman (and cited with permission) on March 27, 2019.

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8:8, 10).41 Moreover, it is likely that non-P included some such interval for this construction process, given that non-P provides 7‑ or 40-day intervals for every other stage of the flood. If this theory regarding the conflation-redactional character of the dating in Gen 7:11 holds, then non-P’s narrative of the flood originally spanned 148 days.42 This would suggest that the original chronological scheme in non-P was as follows: Overview of the (partially preserved) non-P dating system [Missing non-P first speech of Yhwh regarding construction of the ark] [Missing forty-day period of ark construction] 7:1–4 Second speech of Yhwh regarding entry into the ark 7:10 Arrival of the flood 7:4, 12 Duration of the flood rain 8:3a, 6 Duration of initial receding of flood waters 8:10, 12 Three sendings of birds each preceded by three 7-day intervals Total number of days covered

[40 days after first speech] [7 days after second speech] [40 days and nights] [40 days] [21 days] 148 days

Furthermore, and here again I am persuaded by Lemche and Blum’s reflections, this 148 day figure roughly corresponds to five lunar months (29.7 days times 5 = 148.5). Within non-P this is likely an accidental product of its various 7‑ and 40-day intervals. Nevertheless, it is striking that the Priestly narrative features a prominent focus on the flood being caused by a 150 day period of waters prevailing over the ground (7:24; 8:3b; cf. also 7:11; 8:4), followed by another full 150 day period of falling waters up through the end of the tenth month (8:5a): thus 10 schematic months of 30 days each. This parallel of 148 days (for the complete flood process in non-P) and 150 days (in P for the rise and then fall of the flood) is unlikely to be coincidental. Instead, the P chronology appears to be an elongating adaptation of an original non-P chronology. It replaced the overall 148 day non-P chronology with two sets of five schematic 30-day months (150 days), 10 months (300 days) in total. In sum, though one must be cautious to note that crucial parts of the non-P chronology are not preserved, this theory about an 41 To be sure, Tablet 11 of the Gilgamesh Epic features this 7-day length of time at precisely this point, for the period of ark construction (11:57, 76, 97). As will be discussed below, this depiction of construction being completed in just seven days is a byproduct of what seems to be part of a broader trend in the Gilgamesh epic to apply the 7-day period used for the flood rain in earlier iterations of the Mesopotamian flood tradition to other elements in the story. As is evident here, the non-P flood narrative seems to have complemented its use of such 7-day intervals at some points in the flood (e. g., between ark construction and entry, before sending of the doves) with use of longer 40-day intervals at some other points – such as for ark construction or length of flood rain – where the Gilgamesh Epic used the shorter 7-day interval. 42 For an overview, see Lemche, Chronology, 53–54.

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original non-P chronology spanning 148 days ([40+] 7+40+40+[7]+7+7)43 provides the best available explanation of both the unexplained start of the flood dating in the present text on the 47th day of Noah’s 600th year (7:11; see also 8:4, 14) and the focus of the P chronology on 150-day (five 30-day month) intervals. These reflections, combined with the above synchronic overview of the present flood chronology in the conflate Genesis 6–9 text, lead to a further important innovation vis-à-vis the source analysis of the flood narrative: the P-like dates that are oriented to and build on the 47th day of Noah’s 600th year in Gen 7:11, are not parts of an originally separate Priestly chronology. Instead, since the initial date in Gen 7:11 appears to be a conflational link of a Priestly chronology focused on Noah’s 600th year and a non-P chronology (40+7 days), this raises the suspicion that other dates by month and day in Genesis 7–8 (Gen 8:4, 5bα, and 14) are likewise conflational. Each builds on the conflational date in Gen 7:11 and likewise link the P and non-P strands together into an overall conflate chronological system (surveyed above). Let us look at each in turn. To start, Gen 8:4 dates the landing of the ark on the mountains of Ararat on the 17th day of the seventh month of Noah’s 600th year, thus five months and implicitly 150 days after the above-discussed conflational date for the arrival of the flood on the 17th day of the 2nd month of that year (Gen 7:11). Yet the preceding P account depicts the flood waters as prevailing over the earth across a full 150day, five-(schematic)month period (7:24; 8:3b). Despite the fact that P describes the ark as being exactly twice as high (30 cubits; Gen 6:15) as the waters were above the mountains (15 cubits, 7:20), it does not make much sense that the ark would run aground on one of those mountains precisely at the end of the 150-day period of prevailing waters (8:4).44 This suggests that the dating in 8:4, like the initial dating with which it is coordinated (7:11), is conflational. Next, the note in 8:5b that the mountaintops appeared on the first day of the tenth month comes late after the dating of receding flood waters in 8:5a. The latter date seems to mark the end of a full ten-month, 300 day (150+150), process: the prevailing of flood waters for a total of 150 days (7:24; 8:3), implicitly followed by another 150 days or five 30-day (schematic) months that would then extend up through the end of the ten months noted in Gen 8:5a.45 Yet the text immediately after Gen 8:5a, Gen 8:5b, seems to step back to the beginning of that tenth month, dating the appearance of the mountains to the first day of that month. This dating on the first of the tenth month (of Noah’s 600th year) in 8:5b, 43 Brackets here indicate intervals that are implied in the wording of the text, but not explicitly stated (see discussion above). In this sense, the non-P chronology (much like the non-P flood narrative more generally) is only partially preserved. 44  Cf., e. g., Cassuto, Genesis: Part 2, 103; Gertz, Das erste Buch Mose, 266–267, on the possible implication that the draft of the 30-cubit high ark matched the 15 cubits depth between the water and the tops of the mountains in 7:20. 45 See Gesenius18, 922, for review of the range of ways ‫ עוד‬can function as a temporal preposition.

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though awkward, likely is a conflational addition that helps insure that Noah’s first sending of a dove occurs nine months after the flood’s arrival (see above excursus) and Noah’s last sending of the dove occurs at or around the first day of the twelfth month of Noah’s 600th year, one month prior to the initial conclusion of the flood on the first day of the first month of Noah’s 601st year (8:13).46 Similarly, interpreters have long been puzzled by the close juxtaposition of a dating in 8:13 of the drying of the waters on the first day of Noah’s 601st year and then an immediately following dating in 8:14 of the drying of the earth on the 17th day of the 2nd month of Noah’s 601st year.47 The form of the second dating in 8:14, with its orientation to the 47th day of Noah’s 601st year, seems coordinated with the above-noted conflational dating of the arrival of the flood one year earlier on the 47th day of Noah’s 600th year (7:11). This extension of the drying process into the 2nd month of Noah’s 601st year, however, caused an implicit conflict with the surrounding Priestly chronology. If the flood only fully ends on the 47th day of Noah’s 601st year, then a subsequent 350 years (Gen 9:28) would take his lifespan partway into his 951st year (cf. 950 years in Gen 9:29).48 Originally, P probably just noted the complete drying of the earth on the first day of the year (Gen 8:13a, 14b) a couple of months after the conclusion of the receding of flood waters at the end of the tenth month (Gen 8:5*). In sum, all three datings of flood events on the 17th of the month – Gen 7:11; 8:4, 14 – are likely secondary additions to their contexts, and the conflational character of these dates would help explain their common, and otherwise unexplained similar focus on the seventeenth of various months. In this case, the striking focus of these three seemingly secondary date notices on the seventeenth was likely caused by the conflator’s need to coordinate a Priestly chronology (based on 30-day months) linked to Noah’s 600th year and a 40+7 chronology embedded in the non-P strand.49 Moreover, as argued above, we see a similar chronological coordination of P and non-P strands in the evident secondary dating of the non-P process of bird sending by way of the date in Gen 8:5b. 46 See the above Excursus on the Implication on an Additional 7-Day Interval before Gen 8:8–12 for more on the dating system that seems to be at work and an explanation of the qualified language used here. 47 Most try to infer a sharp distinction between Noah seeing that the surface of the ground dried (‫)חרבו פני האדמה‬, which is dated to the first day of Noah’s 601st year in 8:13, and the drying of the earth (‫)יבשה הארץ‬, which is dated about two months later in 8:14 (probably 17.2.601; MT/ SP 27.2.601; see above excursus on the text of 8:14). For example, Rashi says that 8:13 refers to the surface just being somewhat hardened like clay (‫ )נעשית כמין טיט שקרמו פניה מלמעלה‬while 8:14 indicates that the earth had become as hardened as normal (‫)נעשה גריד כהילכתה‬. Ibn Ezra has a similar comment on Gen 8:13 referring to incomplete drying, and this kind of approach is continued into later commentaries by D. Luzatto, B. Jacob (Das erste Buch der Tora: Genesis, Berlin 1934, 223–224) and others trying to make sense of the existing text of Gen 8:13–14. 48 I am indebted to a personal communication from Liane Feldman (March 27, 2019) for this observation. 49 Cf. Lemche, Chronology, 57–58.

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This theory of the conflational character of datings in 8:4, 5bα and 14a (and modification of dating in 7:11) not only would explain details and oddities in the date system in the Priestly portions of 8:1–14, but it would also highlight an important emphasis in the original Priestly Noah-flood narrative: P’s idea that the flood occurred across Noah’s 600th year (Gen 7:6; see also 9:28) and was completely over by the outset of the first day of Noah’s 601st year (Gen 8:13). We see a similar emphasis on the first day of the year in the Priestly tabernacle narrative (Exod 40:2, 17), one that – though dated vis-à-vis the exodus (40:17) – implicitly links the construction of the tabernacle with the New Year, and by way of that, with creation. In this case, the emphasis on the first of the year in Gen 8:13 – though dated in this case vis-à-vis the years of Noah’s life – may have served a similar purpose.50 P anticipated the Near Year elements in the later tabernacle construction narrative that coordinate it with the Passover/Spring New Year (Exod 40:2, 17), by asserting in 8:13a, 14b that God reestablished the dry ground of the human habitat on a similar first-of-the year date.51 Such chronological observations are somewhat complicated to present, but they are an excellent example of the many ways in which prior diachronic analysis of the flood narrative into originally separate sources can clarify key elements of the present text. Although one can attempt a unifying analysis of the present flood narrative with its chronology, such a reading can only go so far. For key elements of that flood chronology, e. g., the datings on the 17th of the month (Gen 7:11; 8:4a, 14), emerge exclusively out of the attempt of a conflator to merge non-P and P chronological systems. Moreover, one does not correctly perceive the contours and intent of the non-P and P chronological systems until they are perceived alongside each other. On the one hand, the non-P chronology seems to expand and adapt an emphasis on seven days that was already present in the Mesopotamian flood narratives that it partially modelled itself upon.52 Now non-P expands that Mesopotamian seven-day scheme to encompass additional periods in the flood and even to the number of pure animals that Noah sacrificed. Meanwhile, isolating the conflational additions to P helps us see how the Priestly writer also drew on Mesopotamian precedents for his chronology. In this 50 Such an association of Noah’s chronology with the New Year/creation would correlate well with the fact that Noah is depicted in P as a righteous, new Adam, successfully ruling over and preserving a selection of the entire animal world (Gen 6:9, 18–21 fulfilling Gen 1:26–28). On this depiction, see especially N. C.  Baumgart, Die Umkehr des Schöpfergottes: Zu Komposition und religionsgeschichtlichem Hintergrund von Gen 5–9 (HBS 22), Freiburg i. Br. 1999, 267–272. 51 E. Zenger, Gottes Bogen in den Wolken: Untersuchungen zu Komposition und Theologie der priesterschiftlichen Urgeschichte (SBS 112), Stuttgart 1983, 173, note 22; B. Janowski, Tempel und Schöpfung: Schöpfungstheologische Aspekte der priesterschriftlichen Heiligtumskonzeption, JBTh 5 (1990) 37–69, here 55; T. Pola, Die ursprüngliche Priesterschrift: Beobachtungen zur Literarkritik und Traditionsgeschichte von Pg (WMANT 70), NeukirchenVluyn 1995, 124–125, note 350. 52 This seven-motif in Mesopotamian flood narratives (especially tablet 11 of Gilgamesh) and the non-P flood narrative is discussed below in relation to other parallels.

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case P placed the flood during Noah’s 600th year, a Babylonian ner53 and echoed New Years themes seen in tablet 11 of Gilgamesh (11:75) with its placement of the beginning of the post-flood period at the new year (Gen 8:13). Much more could be said about the synchronic contours of the non-P and P flood narratives as well as their conflational combination. Nevertheless, even just this chronologically-focused probe can illustrate the importance of identifying and separately analyzing the non-P, P and conflate levels of the text. And this analysis is only possible on the other side of a prior diachronic analysis of the flood narrative. At the same time, legitimate questions can be raised about the extent to which such diachronic analysis can be applied to other biblical texts and/or be taken as a necessary prelude to exegetical interpretation of them. After all, the doubling and other strong indicators of growth can be found here partly because this flood narrative was created out of originally separate, parallel written documents. Nevertheless, we have other likely cases of the combination of originally separate written documents in the Bible, such as the non-P Jacob and Joseph stories, the book of Deuteronomy with the non-P Tetrateuch, or the major blocks of the David story that were the original focus of the above-mentioned article by Erhard Blum on synchrony and exegesis.54 Finally, there are some instances where the biblical text contains clear internal signs that it is the product of supplementary scribal expansion. Take, for example, the addition of divine instructions for construction of an incense altar and bronze laver (Exod 30:1–10, 17–21) to God’s instructions for the tabernacle, an addition marked in part by the placement of both items after the instructions for the other constructed parts of the tabernacle (25:8–27:21) and after instructions for clothing and investiture of the priests (Exod 28–29). The examples of such disjunctive redaction could, of course, be multiplied. Indeed, Blum has argued that much Priestly material, such as the Priestly version of the Jacob Bethel story in Gen 35:9–15 is both a true doublet and yet composed, from the outset, for its present position at the end of the Jacob story as a corrective to the Jacob-Bethel story toward its beginning.55 Here again, diachronic analysis of such disjunctive redaction, introducing a competing 53 J. Skinner, A Critical and Exegetical Commentary on Genesis (ICC 1), Edinburgh 21930, 163; Carr, The Formation of Genesis 1–11, 158. 54 Blum, Synchronie. I stress “written” precursors here because writing played a major role in insuring the fixed transmission of pre-biblical oral-written traditions so that the contours of such traditions were preserved (on this, see the arguments gathered in my Writing on the Tablet of the Heart: Origins of Scripture and Literature, Oxford / New York 2005). Since the Hebrew Bible was formed in an oral-primary culture, it likely also builds on numerous exclusively oral traditions. Nevertheless, the lack of written stabilization of such exclusively oral traditions makes their contours and competing systems inherently less detectable. 55 E. Blum, Die Komposition der Vätergeschichte (WMANT 57), Neukirchen-Vluyn 1984, 265–270, and a more recent formulation in Idem, Das literargeschichtliche Profil der P-Überlieferung, 47–50.

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conceptuality into the text that it expands, is helpful for a precise synchronic understanding of the meaning and function of a text like Gen 35:9–15. In conclusion, diachronic analysis is especially important for cases like the flood narrative, but also some kinds of compositional supplements, where we have full, truly competing literary conceptual systems.

II. The Reduced Exegetical Relevance of Relatively Indistiguishible Forms of Scribal Expansion This leads to consideration of cases where diachronic analysis is insignificant, or at least less significant. To start, even the best diachronic analysis is not so exegetically significant insofar as it uncovers more minor textual irregularities of the sort produced by ordinary authorial error and/or minor redactional shifts. It is difficult, to be sure, to identify such ‘error’ with methodological precision, given the large gap between ancient and contemporary ideals of composition. Nevertheless, biblical scholars may incline a bit too much toward the assumption that all original authors of biblical texts wrote perfectly, such that every instance of possible non-ideal writing (however it is identified) is seen as a mark of scribal revision or conflation.56 In addition, it is important to consider cases where biblical texts are the product of a more subtle form of scribal revision, one that is less recognizable because it carefully builds on and/or does not disrupt the conceptuality of the text it expands. Documented cases of scribal revision have shown a number of instances where we know compositional expansion has occurred that would have been very difficult to detect without having separate iterations of a given tradition. For example, assuming that the proto-MT edition of Jeremiah represents a generally later edition of the book than that reflected in the Vorlage of the LXX (and/or the edition[s] seen in 4QJerb and 4QJerd), it appears that it would have been impossible in most instances to reconstruct an edition close to that Vorlage purely on the basis of the proto-MT. Similarly, it would be extremely difficult in most cases to reliably reconstruct a text like 2 Samuel–Kings if our only datum were the text of Chronicles. Such cases are not the exception. On the contrary, it is likely that the Bible preserves numerous other layers of relatively unmarked scribal revision 56 Erhard Blum is an exception to this statement. See his Notwendigkeit und Grenzen historischer Exegese: Plädoyer für eine alttestamentliche Exegetik, in: B. Janowski (ed.), Theologie und Exegese des Alten Testaments/der Hebräischen Bibel: Zwischenbilanz und Zukunftsperspektiven (SBS 200), Stuttgart 2005, 11–40, here 15–16 (reprinted in E. Blum, Grundfragen der historischen Exegese: Methodologische, philologische und hermeneutische Beiträge zum Alten Testament, ed. W. Oswald and K. Weingart [FAT 95], Tübingen 2015, 1–29). For more discussion of this issue, also see D. M.  Carr, Looking at Historical Background, Redaction and Possible Bad Writing in Gen 6,1–4: A Synchronic and Diachronic Analysis, BN 181 (2019) 7–24.

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and compositional expansion. Building on this basic knowledge, the last few decades have seen numerous studies arguing for a myriad of hypotheses about multiple layers of revision embedded in biblical texts, hypotheses based on a mix of text-internal factors and other considerations related to historical considerations and posited relations of inter-textual dependence. It remains to be seen how much lasting value many of these newer theories about more subtle forms of scribal revision in the Bible will have. As is clear from other contributions to this volume, there are methodological challenges to secure identification of inter-textual dependence, and serious questions can be and have been raised about the criteria and methodology of recent redactioncritical studies. Be that as it may, I propose the following principle: insofar as a hypothesized redactional layer does not markedly disrupt the conceptuality of its existing context, it is not only less reliably identifiable, but also less exegetically significant. Of course, one might still pursue such redaction-critical studies for purely historical reasons. And that is no small thing, since many of us are quite interested in questions of the history of religion or history of Israel that could be informed by methodologically controlled diachronic analysis of key biblical texts. Nevertheless, I suggest that, for the purposes of exegesis, the contribution of diachronic analysis is relatively less substantial, the more a hypothesized redactional layer builds around and/or extends the context that it is thought to build upon. These are relative judgments, but they have significant implications for exegetical method. After all, part of the drive toward provision of exhaustive, multi-layered redactional analysis in current scholarship has been a) the growing perception that biblical texts probably do contain multiple layers of scribal revision and b) the belief that knowledge of the contours of those layers is crucial for doing adequate exegesis of biblical texts. So far, I am suggesting that diachronic layering becomes exegetically crucial to the extent that a biblical text embeds originally separate written conceptual-literary systems – like the Genesis flood narrative – or is the product of markedly disruptive or disjunctive compositional expansion. Otherwise, reconstruction of more subtle scribal revisions, to the extent that such reconstruction is feasible, is of more historical than exegetical significance.

III. The Exegetical Significance of Intermediate, Indeterminant Diachronic Cases (non-P Flood) Finally, I want to argue for an intermediate situation where diachronic change is relevant to exegetical work: cases where a biblical text contains indicators that point to some sort of traditio-historical process, but the nature of that process is less clear, at least as far as consensus in the broader scholarly world is concerned.

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Here again, I will present a case from the Genesis flood story to illustrate my point. Since the late 1800’s, a number of scholars have suspected that an early form of the non-Priestly primeval history lacked a flood narrative. An initial version of this theory was developed already in 1872 by Wellhausen, largely on the basis of the fact that the etiology of various professions linked to Lamech’s sons in Gen 4:20–22 did not seem to presuppose that these sons and their descendants would be destroyed by a global flood.57 Though Wellhausen (and soon after him, Kuenen and Stade)58 saw non-P flood and ethnic elements as supplements to an earlier non-P primeval history that lacked a flood, their work was soon followed by Budde’s advocacy of a source-conflation approach to the same problems.59 Over the next four decades, Budde’s source approach influenced many to postulate that the non-P primeval history was created out of two, originally separate J source strands: an early non-P strand that lacked a flood narrative and another non-P strand featuring a flood.60 Scholars varied quite substantially in their identification of these pre-Yahwistic sources, yet this source approach to the formation of the Yahwistic primeval history enjoyed significant popularity over almost a half-century, up until the early 1920’s. Then, the project of finding parallel non-P sources in Gen 1–11 was dealt a striking blow by a 1924 article by Staerk.61 In particular, Staerk noted how the variety and the fragmentary and nonsensical character of the various proposed non-P flood and non-flood sources contrasted with the stability of identification, relative continuity and clear structure of the overall P and non-P primeval strands. Perhaps partly because Staerk’s article coincided with a more general abandonment of the attempt to elaborate on the four basic sources of the newer Documentary Hypothesis, it marked the beginning of the end of efforts to find separate sources behind the non-P primeval history up through the end of the twentieth century.62 57 J. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, Berlin 41963, 10. 58  A. Kuenen, Historisch-critisch onderzoek naar het ontstaan en de verzameling van de boeken des Ouden Verbonds, Amsterdam 1887–1893, 140, 227–228, 245–246 (ET 142–143, 233– 234, 252); B. Stade, Beiträge zur Pentateuchkritik: 1. Das Kainszeichen. Zur Entstehungsgeschichte der jahwistischen Pentateuchquelle und zur israelitischen Sagenkunde, ZAW 14 (1894) 250–318, here 274–281. 59 Budde, Biblische Urgeschichte, esp. 309–311, 314, 321–322, 325–326. 60  E. g. H. Holzinger, Genesis (KHC), Freiburg i. Br. et al. 1898, XVII, XXV, 91; R. Smend, Die Erzählung des Hexateuch auf ihre Quellen untersucht, Berlin 1912, 16–26; H. Gunkel, Genesis (HAT 1), Göttingen 1917, 1–3, 25–26, 53–54, 77 (ET 2–4, 25–27, 54–55, 79). 61 W. Staerk, Zur alttestamentlichen Literarkritik: Grundsätzliches und Methodisches, ZAW 42 (1924) 34–74. 62 R. H.  Pfeiffer, A Non-Israelitic Source of the Book of Genesis, ZAW 7 (1930) 66–73, here 68; Skinner, Genesis, 2–4; and S. Mowinckel, The Two Sources of the Predeuteronomic Primeval History (JE) in Gen. 1–11, Oslo 1937, though cf. Mowinckel’s retraction of this approach: Idem, Erwägungen zur Pentateuch-Quellenfrage, Oslo 1964, 60.

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Despite that demise of a source approach to the formation of the non-P/J primeval history, mine and others’ work on the non-P text of Genesis has identified numerous indicators of some kind of diachronic distinction between the non-P flood narrative material and other portions of the non-P primeval history.63 I will discuss these indicators under the following headings: 1) the observation (already in Budde’s Urgeschichte) of contrasting, only partly compatible pictures of Noah in the non-P primeval history; 2) the way the non-P flood narrative disrupts the etiological focus of multiple elements in the non-P primeval history; 3) the theological/ideological contrast of the non-P flood narrative with the non-P primeval history in general and Gen 6:1–4 in particular; and 4) the way the non-P flood narrative contrasts with the rest of the non-P primeval history in the level and specificity of its parallels with a specific Mesopotamian literary tradition. I will discuss all four issues in the following before reflecting on different diachronic models that can account for these features and the exegetical significance of such reflections (5). 1. The Two Noahs To start, from Budde onward, numerous scholars have noted a striking contrast between depictions of Noah as flood hero in (the non-P portions of ) Gen 6:5–8:22 and depiction of him as founder of viticulture and discoverer of inebriating drink in Gen 5:29; 9:20–27.64 The latter depiction appears more deeply rooted in the broader non-P primeval history. Much as some other texts in that history speak of characters or humans in general “beginning” (forms of ‫ )חלל‬different aspects of human life (e. g., Gen 4:26; 6:1; 10:8), Gen 9:20–27 opens with a depiction of Noah functioning as a “man of the ground” (‫ )איש האדמה‬when he “begins” to provide humans comfort through products, grapes, produced out of the ground. Several texts in the Bible stress how wine (or alcohol in general) can provide humanity joy (Judg 9:13; Ps 104:15; Prov 31:6) and even comfort (‫ ;תנחומים‬Jer 16:7).65 Seen in this light, Noah’s discovery of viticulture and inebri63 Carr, Formation of Genesis 1–11, 159–175. For recent precursors, see in particular R. G.  Kratz, Die Komposition der erzählenden Bücher des Alten Testaments: Grundwissen der Bibelkritik (UTB 2137), Göttingen 2000, 252–263 (ET 251–259), and I. Dershowitz, Man of the Land: Unearthing the Original Noah, ZAW 128 (2016) 357–373. 64  E. g. Budde, Biblische Urgeschichte, 310–311; Dillmann, Genesis, 156–157 (ET 301); Stade, Das Kainszeichen, 274; Skinner, Genesis, 181–182; Staerk, Zur alttestamentlichen Literarkritik, 52. 65 Some had wanted to argue that the prophecy about a “cup of comfort” (‫ )כוס תנחומים‬in Jer 16:7 is irrelevant here because “wine” is not explicitly mentioned, e. g., R. Lux, Noah und das Geheimnis seines Namens: Ein Beitrag zur Theologie der Flutgeschichte, in: Idem (ed.) “… und Friede auf Erden”: Beiträge zur Friedensverantwortung von Kirche und Israel, Festschrift für Christoph Hinz zum 60. Geburtstag (VIKJ 18), Berlin 1988, 109–135, here 118; and N. C.  Baumgart, Gen 5,29: Ein Brückenvers in der Urgeschichte und zugleich ein Erzählerkommentar, BN 92 (1994) 21–37, here 31–32. Nevertheless, Jer 16:7 assumes as background the concept of

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ating drink in Gen 9:20–21 stands as an initial fulfillment of the announcement by his father in Gen 5:29 that Noah would “provide comfort to us” (‫“ )ינחמנו‬out of the ground that Yahweh had cursed” (‫ )מן־האדמה אשר אררה יהוה‬from “our work (‫ )מעשנו‬and hard labor of our hands (‫”)עצבון ידנו‬. Notably, the word used here, ‫“( עצבון‬toil, labor”), is a rare one in the Hebrew Bible, appearing only in the texts under discussion here: 3:16, 17–19 and 5:29.66 These verses then point to the Noah story in 9:20–27, the very place where he first starts fulfilling his own role as a “man of the ground” (‫ ;איש האדמה‬9:20, cf. ‫ האדם‬in Gen 2:5, 7; 3:23). Thus, much as other parts of the non-P primeval history feature implicit or explicit associations of names of major characters with their role vis-á-vis humanity (e. g., 2:7 ‫ ;האדם‬3:23; 3:20 ‫)חוה‬, so also Gen 5:29; 9:20–27 associate Noah’s name (‫ )נח‬with the comfort (‫ ינחמנו>נחם‬in 5:29) that he provided humanity through inebriation-producing wine. In this way the non-P primeval history provides an etiology of the civilization of humans through progress from wild water to cultivated drink, much like that seen in multiple Mesopotamian cosmogonies. To be sure, in contrast to such cosmogonies, the story in Gen 9:22–27 goes on to depict the negative potential of Noah’s discovery of wine. Ignorant of wine’s effects, Noah gets so drunk that he passes out naked in his tent and places a curse on future offspring when he realizes that Ham saw his nakedness and told others about it. This emphasis in Gen 5:29; 9:20–27 on the positive and negative potential of Noah’s discovery of wine resembles the emphasis in other parts of Gen 2:4b–4:24 on the two-edged (Janus-faced) character of other aspects of mature human life, such as the production of children both standing as a compensation for irreversible mortality and as a cause of female “labor” (24–22 ,20–3:16 ‫)עצבון‬ or the emphasis on agriculture both providing for humanity and involving lifelong labor (again ‫ ;עצבון‬Gen 3:17–19).67 These links between Gen 3:17–19; 5:29 and 9:20–21 are particularly important because they span multiple episodes of the primeval history. They are part of a web of echoes and connections that link the story of breakdown in parent-child relations in Gen 9:20–27 with the story of challenges of the first human couple in Gen 2–3 and the first brothers in Gen 4:1–16. Nevertheless, these echoes and cross-history links are now obscured by the intervening non-P flood narrative,

alcohol-induced inebriation, an inebriation which – in an Israelite context – was generally provided by wine. 66 This latter observation was highlighted in a private communication from my colleague at Union Theological Seminary, New York, Esther Hamori. 67 Blum, Urgeschichte, 439–440. For a similar wordplay in English (women in labor/travail) and French (femmes en travail) for both female labor and other labor, see D. Erbele-Küster, Generationenfolge und Geschlecht: Variationen über drei alttestamentliche Texte, in: M. Bid­ well-Steiner / K. S.  Wozoning (eds.), Gender and Generation, Innsbruck 2005, 33–48, here 35.

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such that Noah’s role as flood hero becomes primary, while the story of him and his sons in 9:20–27 appears almost as an appendix.68 2. Disruption of Etiological Focus These initial reflections on Gen 9:20–27 connect to the next way in which the non-P flood narrative contrasts with the surrounding non-P primeval history: its disruption of the etiological focus of multiple stories in that history. The non-P primeval history resembles numerous earlier Mesopotamian cosmological texts in the way it offers a broader etiological account of human civilization: growing of crops (especially including irrigation), domestication of animals, the discovery of cultural goods like clothing and cultured-alcoholic beverages, and the founding of cities.69 In its case, the non-P primeval history provides an etiology of the socio-economic world of ancient Judah that lends a patina of realism to its own account of the nature of adult human life and Israelite social life in particular. Gen 2:4b–3:24 starts by describing the emergence of civilized (rational and clothed), mortal, yet sexually-differentiated and reproducing humans, destined to a lifelong agricultural toil (‫ ;עצבון‬3:17–19, 23; also 2:5) of the ground (‫)האדמה‬. This initial picture of farming humanity is then put in a broader context in the following non-P materials, which give the background of semi-nomadic Kenites and human violence (Gen 4:1–16, also 4:20), the emergence of the first city (4:17), musicians and artisan-crafts (associated in Gen 4:21–22 with Kenites), and ancient giant-like figures (6:1–4) seen in other Israelite traditions to have inhabited pre-Israelite Transjordan and Canaan up to even David’s time.70 Then the non-P materials after the flood provide etiological background to the emergence of viticulture (Gen 9:20–21) and an arrangement of Levantine peoples with “Shem” at the top, “Yaphet” associated closely with Shem in his tent, and Canaan subjected to both brothers (9:25–27).71 68 Budde, Biblische Urgeschichte, 309, an observation revived in C. Levin, Der Jahwist (FRLANT 157), Göttingen 1993, 117. 69 For specialist surveys of the broad etiological dimension of Mesopotamian cosmological texts, see especially C. Wilcke, Vom altorientalischen Blick zurück auf die Anfänge, in: E. Angehrn (ed.), Anfang und Ursprung: Die Frage nach dem Ersten in Philosophie und Kulturwissenschaft, Berlin 2007, 5–39, and A. Zgoll, Welt, Götter und Menschen in den Schöpfungsentwürfen des antiken Mesopotamien, in: K. Schmid (ed.), Schöpfung (Themen der Theologie 4), Tübingen 2012, 17–70, esp. 25–30. 70 For David, see e. g., 2 Sam 21:15–22; 1 Sam 17. For the pre-Israelite Transjordan, see Num 13:33; Deut 1:28; 2:10–11, 20–21; 3:11; 9:2; Amos 2:9. 71 The Levantine associations of Canaan are clear. “Shem” is not the name of an identifiable Near Eastern people but is usually understood to be particularly associated with Israel by virtue of the fact that Gen 9:26 depicts Yhwh as Shem’s god. The identity of “Yaphet” in 9:25–27 has proven an unsolvable interpretive issue. The most frequent alternatives are Philistines (e. g., Wellhausen, Composition des Hexateuchs, 15), Hittites (e. g., Procksch, Genesis, 74–75) or Phoenicians (e. g., Budde, Biblische Urgeschichte, 318–365).

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Meanwhile, the inclusion of a flood narrative in the sequence of the non-P primeval history significantly disrupts the etiological force of the portions of that history that occur before the flood in Gen 2:4b–6:4. The tent dwellers and artisans featured in Gen 4:20–22 ostensibly die in the flood of Gen 6:5 ff. So also, the flood destroys the primeval giants whose earlier existence in Canaan and Transjordan is explained in Gen 6:4. More subtly, the inclusion of a flood narrative obliquely conflicts with the implicit dichotomy set up between Adam and Eve’s sons in Gen 4:1–24//4:25–26. Though the Sethite line is ostensibly set up to provide a substitute for lost Abel alongside his murderous brother (Gen 4:25) and this line soon begins to call on God’s name (Gen 4:26), God ends up destroying the Sethites along with Cain’s descendants because of their overwhelming evil (Gen 6:5 ff.).72 It is difficult to see how the non-P flood narrative itself links to this etiological dimension of the broader non-P primeval history. One might be tempted to see Yhwh’s introduction of extended forty-day torrential rain at the outset of the flood narrative (7:4, 12) and his later promise to restore seasonal rhythms (Gen 8:22) as an introduction of the “rain” that non-P notes as missing at the very outset of creation (Gen 2:5). Nevertheless, on closer inspection, it appears that the note about lack of rain in Gen 2:5 mainly serves as contrastive background for the following description of the watering of the luxuriant Eden garden and the rest of the earth through a primal spring (Gen 2:6) and world rivers coming out from Eden (Gen 2:10–14). The following non-P narrative then describes humans being sent out from the garden to work the ground (Gen 3:17–19, 23; 4:1–2) with no apparent narrative needed to explicitly describe how that farming was made possible through rain or irrigation. Finally, when rain is first explicitly noted in the non-P flood narrative (Gen 7:4, 12), it is not introduced as an explicitly new phenomenon (cf. e. g., Gen 2:24; 4:26; 9:20), and the conclusion of that narrative merely promises the restoration of natural rhythms  – seedtime and harvest, cold and heat, summer and winter, day and night – conspicuously lacking any specific reference to crop-watering rain. In sum, the bulk of the non-P flood narrative is non-etiological and just focuses on world destruction 72 Of course, many have argued that the genealogy Gen 4:25–26 is a post-Priestly addition at the seam between non-P (4:1–24) and P (Gen 5:1ff ). For early arguments along these lines, see F. Tuch, Kommentar über die Genesis, Halle 1838, 99–100, and Schrader, Studien, 122–124. Nevertheless, it is difficult for advocates of this approach to explain why a post-Priestly redactor would create a two-generation genealogical report in Gen 4:25–26 that doubled the AdamSeth-Enosh genealogy in 5:1–8 to which that post-Priestly genealogical report was bridging (yet avoided including alternate versions of names in Gen 4:1–24 found in P, e. g., Qenan in 5:9–14//Cain in 4:1–17). On this, see Hupfeld, Quellen der Genesis, 129–130. In addition, the fact that the Priestly Adam to Noah genealogy in Gen 5* precedes Noah with correlates to all the patriarchal names in Gen 4:1–26 – with no names of fathers, besides Noah, that lack counterparts in Genesis 4 – is most economically explained through the theory that P adapted and reorganized a genealogy like that in 4:1–26.

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and selective rescue of Noah and his “house” (Gen 7:1).73 Only Noah’s sacrifice and the following divine promise provide background to Yhwh’s decision not to kill all life again because of human evil (8:21) and Yhwh’s future non-interruption of natural rhythms (8:22).74 3. Contrast of the Non-P Flood Narrative with Surrounding Non-P Primeval History This essay does not provide the occasion for a full exegesis of the richly complex texts of the non-P primeval history. Nevertheless, a brief treatment should indicate some important contrasts between the ambivalent reflection on God’s relationship with humans in most of the non-P primeval history and the more clear-cut perspective on divine-human relations in the non-P flood narrative.75 The bulk of the non-P primeval history features a complex picture of divinehuman relations. Though God predicts that the human will “certainly die” if he eats of the fruit of wisdom, God responds to actual disobedience with a mix of responses: indignation (Gen 3:11), pronouncement of punishment on the humans (3:16–19), care in providing them durable animal-skin garments to cover the nakedness that they now see (3:21), and fear that these humans possessing godlike knowledge might also acquire godlike immortality (3:22). Similarly, God responds to Cain’s murder of his brother with a combination of outrage (4:10), an actual curse on Cain (4:11–12), and yet gracious provision of protection to Cain after his protest (4:13–15). When the sons of God marry daughters of humanity, God does not express judgment of any kind. Though God resolves that the offspring of the unions will not enjoy the immortality that their semi-divine status might have given them, God still allows humans – even the future semidivine offspring of these unions – the possibility of enjoying an extraordinarily long lifespan (by ancient standards) of 120 years.76 Across this whole sequence 73 J. C.  Gertz, Noah und die Propheten: Rezeption und Reformulierung eines altorientalischen Mythos, Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 81 (2007) 503–522, here 518–522 argues that the non-P flood narrative can be seen as an etiology of the judging-forgiving God of the prophets. If this is the case, it is a much more oblique and divinely-focused etiology/theogony than the etiological elements discussed above. 74 Gertz, Das erste Buch Mose, 275. For reflections on the unclear link of 8:22 (especially in SP and LXX) with the preceding non-P flood narrative, see Dershowitz, Man of the Land, 358–360. 75 Though this essay as a whole synthesizes research done in preparation of a commentary on Genesis 1–11 for Kohlhammer (see author’s note 1 above), this section is particularly dense in building on exegesis of specific texts spanning that section. 76 J. Klein, The ‘Bane’ of Humanity: A Lifespan of 120 Years, Acta Sumerologica 12 (1990) 57–70, here 62; H. Seebass, Die Gottessöhne und das menschliche Maß: Gen 6,1–4, BN 134 (2007) 5–22, here 15–17; J. Van Seters, Prologue to History: The Yahwist as Historian in Genesis, Louisville 1992, 153. Van Seters (ibid., 159, note 14) notes that one fragment of the catalogue of women (fr. 19a in H. G.  Evelyn-White, Hesiod: Homeric Hymns, Epic Cycle, Homerica [LCL 57], Cambridge, MA 1936, 603) has Sarpedon, a son of Zeus, granted a life­

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of non-P primeval narratives before the flood, humans are proactive actors and speakers, often behaving in ways that explicitly cause Yhwh’s concern. Nevertheless, Yhwh never responds to any such acts with unrestricted judgment, and often combines a measure of judgment with explicit care, even for the brothermurderer Cain. Contrast this perspective with that of the non-P flood account. In it humans are purely passive figures, both humanity in general (which is killed) and Noah, the flood hero, who never speaks. Instead, the non-P flood narrative starts (6:5) and concludes (Gen 8:21) with a totalizing negative judgment on the moral quality of humans in general: that “the [thoughts of the] heart” (‫ )לב [מחשבת] יצר‬of humans are evil (‫)רע‬, indeed (in the case of Gen 6:5) “only evil all the time” (‫רק רע‬ ‫)כל־היום‬. The preceding non-P stories in Gen 2:4b–4:26; 6:1–4 have not prepared us for such an undifferentiated negative judgment on human potential nor for the globally violent divine response to it.77 In particular, Gen 6:1–4 serves poorly as a lead-in to the flood narrative. Though the non-P flood story is presented as caused by God’s perception of the evil formation of the thoughts of humans all the time (Gen 6:5), Gen 6:1–4 focuses resolutely on what happened when the “sons of God” powerfully took whatever human women they wanted as wives.78 Furthermore, God never speaks a word of negative judgment on these marriages, and, as mentioned above, the human lifespan limit that God imposes, 120 years (Gen 6:3), is unusually long by ancient standards.79 Finally, even if Gen 6:3 is interpreted as a divine punishment, it is then difficult to know the purpose of the additional punishment of the flood (6:5–7). Indeed, if 6:1–4 led into such an additional punishment, it is striking that the flood story itself never mentions God’s punishment of the sons of God nor the death of the semi-divine offspring produced by their marriages (6:3–4).80 span equal to “three generations of mortal man,” which could be understood to be 120 years as three times 40 years. Klein’s article treats a version of the Enlil and Namzitarra myth found at Emar that, like Gen 6:3, features mention of the outer limit of human life as 120 years. In both cases, the limit of 120 years represents an extraordinarily long life (as is the case with Moses’s 120 years as well, Deut 34:7). 77 Kratz, Komposition, 253 (ET 251). 78 Skinner, Genesis, 141–142. Despite the efforts of some commentators (e. g., Wenham, Genesis 1–15, 141) to build a link to the flood by assuming some complicity of daughters in the marriages, Gen 6:2–4 provides no indicator whatsoever of judgment on humans. 79 See earlier, note 76. 80 Skinner, Genesis, 141; H. S.  Kvanvig, Gen 6,1–4 as an Antediluvian Event, SJOT 16 (2002) 79–112, here 89; W. Bührer, Göttersöhne und Menschentöchter: Gen 6,1–4 als innerbiblische Schriftauslegung, ZAW 123 (2011) 495–515, here 507. Though the ‫( נפלים‬likely “giants”) in 6:4a are not explicitly identified as offspring of the divine-human pairings, the association is clear, both because of the placement of this statement just after the divine-human marriages and God’s response (6:2–4) and because the offspring of divine-human pairings often were giants, like the gods typically were. For more discussion of ancient concepts of divine physiogamy and citations, see E. Hamori, ‘When Gods Were Men’: The Embodied God in Biblical and Near Eastern Literature (BZAW 384), Berlin / New York 2008, esp. 91–94.

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4. Unusual Levels of Parallels to Mesopotamian Precursors in the Non-P Flood Account Yet another way that the non-P flood account contrasts with other non-P primeval stories is in the level of specific connections that it manifests to earlier Mesopotamian literary traditions. Other, non-flood parts of the non-P primeval history share general characteristics of Mesopotamian primeval traditions and appear to be in critical dialogue with their broader themes (e. g., human wisdom versus human mortality, origins of agricultural water, cities, fame-name). Nevertheless, none of the non-flood portions of the non-P primeval history follows specific plotlines of a Mesopotamian text. In contrast, the non-P flood narrative in Gen 6:5–8:22* – though divergent in its monotheism and some other important respects from Mesopotamian flood accounts – is clearly recognizable as a Judean appropriation of the Mesopotamian flood story as reflected in the Atrahasis Epic (hereafter often abbreviated Atr for citations), Sumerian Flood Story (// ‘Eridu Genesis’ PBS V/1; cited as Sumerian Flood) and the eleventh tablet of the Standard Babylonian Edition of the Gilgamesh Epic (hereafter often abbreviated Gilg). To start, it follows a similar trajectory of movement in the Mesopotamian flood narratives. Parallels between the non-P flood narrative and Mesopotamian precursors include the following:81 1. Humans causing discomfort in god(s) through noise (Atrahasis)82 or evil (Gen 6:5–6, esp. 6:6b) 2. A divine decision to destroy human life with a flood (Gen 6:7//Gilg 11:14, see also Sumerian Flood 156–159)

81  The cuneiform flood stories are incompletely preserved. The citations given here provide a rough guide to the better preserved sections of the relevant scenes in the Mesopotamian flood narratives that are parallel to elements in Genesis (see the literature for discussion of gaps and partially preserved sections of the relevant texts). Atrahasis is cited here following the rendering of the better preserved Old Babylonian version in B. Foster, Before the Muses: An Anthology of Akkadian Literature, Bethesda 32005, 247–253, with the other recensions not providing significant additional parallels. The Sumerian Flood story (//‘Eridu Genesis’ PBS V/1) line numbers follow those given in the left column of the the reproduction of Jacobsen’s translation of that text given in P. Miller, Eridu, Dunnu and Babel: A Study in Comparative Mythology, HAR 9 (1985) 244–247. The citations of Gilgamesh follow A. R. George, The Babylonian Gilgamesh Epic: Introduction, Critical Edition and Cuneiform Texts, vol. 1, Oxford 2003, 705–717. 82 The existing copies of Atrahasis only preserve references to human multiplication (and unhappiness of Enlil about it) before other disasters (e. g., drought and pestilence; OB Atrahasis I: 353–359; II: 2–8 along with the Neo-Assyrian recension (K 3399+3934 rev. iv 2–8; see also the speech of Enlil in BE 39099 rev I 2–7). Nevertheless, it is likely that the unpreserved lead-up to the flood in Atrahasis had a similar reference. See the arguments of W. Moran, Atrahasis: The Babylonian Story of the Flood (review of Millard, Atrahasis), Bib 52 (1971) 51–61; A. D.  Kilmer, The Mesopotamian Concept of Overpopulation and Its Solution as Reflected in the Mythology, Or 41 (1972) 160–177.

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3. A deity’s instructions to his human devotee on the need to enter an ark to allow him, his family and animals to survive the flood (Gen 7:1–4//Atr 3.1.20–35; Sumerian Flood 153–160; Gilg 11:21–31) 4. The entry into the ark from before the oncoming flood (Gen 7:7*//Atr 3.2.29– 46; Gilg 11:81–94) 5. Explicit note regarding shutting the ark (Gen 7:16b//Atr 3.2.51–52; Gilg 11:94) 6. Onset of a flood resulting from a violent storm over a set number of days: 7 days (Atr 3.3.5–24; Sumerian Flood 201–203; Gilg 11:97–116 [6 days, 7 nights])83 or 40 days (Gen 7:12) 7. Death amidst the resulting flood (Gen 7:22–23//Atr 3.4.6–9; Gilg 11:124, 135) 8. End of the flood and sacrifice by the flood hero (Gen 8:2b–3a, 20//Atr ~3.5.30– 32 [see 3.5.34–36]; Sumerian Flood 204–213; Gilg 11:157–160), 9. After smelling the sweet smell of the offering – promise by Yhwh not to destroy humanity again (Gen 8:21–22)//debate among the gods of the wisdom of having destroyed humanity by flood (Atr 3.5.34–3.6.4; Gilg 11:161–195). In particular, the non-P flood story shares several elements of the Mesopotamian flood tradition evident in tablet eleven of Gilgamesh. For example, scholars have noted the remarkable resemblance between the non-P depiction of Noah’s sending of a raven and then a dove out after the diminishment of the flood (8:6– 12) and the depiction in Gilgamesh of Utnapishtim sending a dove, sparrow and raven out at the same point (11:147–156), including a strikingly close parallel to Gilg 11:150 in Gen 8:9aα.84 In addition, the non-P flood story shares a particular focus on the number seven with the Gilgamesh version of the flood story. Whereas other versions of the Mesopotamian tradition depict the flood rain as lasting seven days, the Gilgamesh version also features a seven-day period of ark construction before the coming of the flood (11:57, 76, 97; cf. 7:4, 10), another sevenday period separating the end of the flood and Noah’s sending of the birds (11:144–147; cf. 8:10, 12),85 and an emphasis on seven in relation to other loci (e. g., seven parts of the ark 11:62; parts of sacrifice 11:159; and of bread baked 11:225– 230, 237–241; cf. the seven pairs of pure animals brought on the ark in Gen 7:2). In addition to these general literary parallels there is a basic contrast between the local links of the broader non-P primeval history and the specifically Mesopotamian character of the flood narrative. On the one hand, the non-P primeval history connects in multiple ways with elements of its Levantine context: small83 See George, Babylonian Gilgamesh Epic, 515, 711, for discussion of textual traditions on the duration of the flood (especially 11:128). 84 C. Westermann, Genesis 1–11 (BKAT I/1), Neukirchen-Vluyn 1974 (ET 1984), 600 [ET 447]. See note 30 above for source-critical questions surrounding Gen 8:7 and mention of an Ugaritic text (RS 94.2953) that – like Gilgamesh – also seems to feature the flood hero sending out different kinds of birds. 85 The Gilgamesh epic has yet another locus of seven-day chronology later with the seven days of insomnia for the flood hero (11:209).

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scale farming and domestication of animals, Levantine peoples such as Kenites and Canaanites. On the other hand, the non-P flood narrative adds to the non-P primeval history a description of a natural threat – overwhelming flood – which is native to Mesopotamia (in early spring), but is not a major threat in the Levantine context.86 5. Multiple Explanatory Models The above elements point, I think, to some kind of diachronic distinction between the non-P flood narrative and the rest of the non-P primeval history. I myself have been inclined to follow Wellhausen’s initial proposal and interpret the features mentioned above as indicators that the non-P flood narrative was a compositional supplement to the non-P primeval history. This supplement may have been prompted in part by a wish to provide an earlier non-P primeval history with a correlate to the flood account that was so prominent in famous Mesopotamian texts, such as the Atrahasis epic or the standard edition of the Gilgamesh epic. Indeed, the later text, the Standard Babylonian edition of Gilgamesh, features a documented addition of a flood narrative to an earlier epic that could provide an analogy to the supplementation of the non-P primeval history with the non-P flood narrative. Perhaps an ancient Judean author, aware of analogies such as Atrahasis and the flood narrative in SB Gilgamesh, refashioned an earlier non-P Noah into a flood hero. The insertion point of the non-P flood narrative at its current location might also have been prompted in part by the correspondence between the reference to human multiplication in Gen 6:1 and a likely reference to human multiplication at the outset of the flood account in Atrahasis.87 Though human multiplication is not implied as the cause of the flood in Gen 6–8 (in contrast to Atrahasis), a scribe interested in adding a flood account to an earlier non-P primeval account could have been prompted to put it here, after 6:1–4, at this Atrahasis-like point. Be that as it may, one might argue instead that the flood narrative was always part of the non-P primeval history, even as its differences from its context were caused by its distinctive traditio-historical roots in Mesopotamian flood traditions. Chances are high that the author of the overall non-P primeval history – with or without a flood narrative – knew Mesopotamian flood traditions, including the Standard edition of the Gilgamesh epic and the Atrahasis epic, with 86 Gertz, Noah und die Propheten, 510. On Mesopotamian floods, see J. N.  Postgate, Early Mesopotamia: Society and Economy at the Dawn of History, London 1992, 181–183. Note that the flood text at Ugarit (RS 22.421) is the Levantine exception proving the rule, since it occurs in a scribal context (Ugarit) with broad and deep attestation of influence from the SumeroAkkadian tradition. Notably, the flood tradition does not occur in relation to creation or other primeval events in this one-tablet version from Ugarit. 87 See above, note 82 for suppositions regarding this portion of Atrahasis.

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its creation to flood scope. For example, there are numerous ways that the non-P garden of Eden story interacts with themes of mortality and maturation that are prominent in the Gilgamesh epic. Perhaps the author of the non-P primeval history, working in a Levantine context, simply depended more specifically on Mesopotamian precursors in crafting his flood account than in crafting the other parts of his cosmology. If so, then the separate traditio-historical background of this more lightly-adapted flood account might explain some of the above-discussed features: especially its disruption of etiological features in the surrounding primeval history and the way this story of global destruction helped elicit – written as it was in a morally-oriented Judean context – an explanatory introduction attributing such widespread destruction to a correspondingly deep evil in humanity (6:5–7). Indeed, one might even follow Baumgart, Gertz, and my own earlier work in hypothesizing that there once was an originally independent non-P primeval history that started with the lack of humans and rain in Gen 2:5 and concluded with Yhwh’s coming to terms with humans and restoration of natural rain and other rhythms in the wake of the flood in 8:20–22.88 In addition, there are some ways that the surrounding non-P primeval history narratives can be seen as undergoing key developments on either side of the non-P flood narrative. For example, building on earlier scholarship, Jericke argues for a development from mythic prehistory in Gen 2:4–4:26; 6:1–4 that lacks historical geographical loci (cf. e. g., “Eden” in Gen 2:8; 10, 15; 3:23–24; the “land of Nod/wandering” Gen 4:17) to the beginning of human history on the other side of the flood, with mention of known historical cities, such as Kalneh, and Babylon.89 So also, Abramsky has interpreted the language of Nimrod “beginning” to be a “warrior on the earth” as representing the inauguration of a new, post-flood form of heroism, one following on the death of the bygone giants mentioned at the outset of Gen 6:4 and partly anticipated in the next part of the same verse describing the birth of “warriors” later on as the sons of god continued to enter the daughters of humanity.90 Such indicators could be evidence that the non-P flood narrative, though traditio-historically distinct, was built into the non-P primeval history from the beginning. Nevertheless, none of these posited shifts by Jericke and Abramsky are explicitly thematized in the non-P primeval history, and there are important ways in which the pre-flood Cain/Kenite traditions of Gen 4:1–24 are not just 88 Baumgart, Umkehr des Schöpfergottes, 385–398; J. C.  Gertz, The Formation of the Primeval History, in: C. Evans et al. (eds.), The Book of Genesis: Composition, Reception, and Interpretation (VT.S 152), Leiden / Boston 2012, 107–135, here 131; Carr, Formation of the Hebrew Bible, 469. 89 D. Jericke, Die Ortsangaben im Buch Genesis: Ein historisch-topographischer und literarisch-topographischer Kommentar (FRLANT 248), Göttingen 2013, 68–69. 90 S. Abramsky, Nimrod and the Land of Nimrod II, BetM 83 (1980) 323–325 (Hebrew). Abramsky goes rather far in this strong final-form oriented reading, positing Nimrod as an alternate form of heroism to the pre-flood (and deceased) “men of the name” of Gen 6:4.

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mythic, but also introduce elements of initial socio-historical development, especially if the city that Cain builds in Gen 4:17 is the famous first city of Mesopotamian tradition, Eridu, in this case perhaps built by Enoch and named after his son, Irad, whose birth is narrated in the following verse.91 Furthermore, though the creation-flood combination in the Atrahasis epic has led many (including myself at an earlier point) to believe the non-P flood narrative was always part of the non-P primeval history, it is possible that I and other scholars may have been a bit too influenced by this example.92 It is ever clearer that numerous Mesopotamian cosmologies lacked a flood narrative, even as the Mesopotamian authors of such (non-flood) cosmologies likely knew the Atrahasis epic and/or other prominent Mesopotamian flood traditions. Indeed, it seems as if – despite the fact that Atrahasis and SB Gilgamesh were still being copied and were well known in scribal circles – Mesopotamian cosmologies created during the Iron Age (e. g., the Creation of the King, the Assur Bilingual [KAR 4]) lacked a flood narrative. Finally, the likelihood of the non-P flood narrative being original to its context is reduced by several ways in which the exposition to the non-P flood narrative (Gen 6:5–8) interacts in contrastive ways with the surrounding primeval history. For example, there are several contrasts between this exposition and the story of sons of God and daughters of humanity with which it is immediately contiguous (Gen 6:1–4). There humans were beginning to multiply (‫“ )רבב‬on the surface of the earth” (‫ ;על־פני האדמה‬6:1), and the sons of god “saw” that the daughters of humans were ‫“( טבת‬beautiful, good”; 6:2). The non-P flood narrative picks up on this new collective use of ‫ האדם‬for all of humanity (cf. ‫ האדם‬as individual earlier in Gen 2:4b–4:1) along with a focus on seeing and multiplication, but now Yhwh “sees” that the evil of humanity is “great/multiplied” (‫ רב‬adjective) on earth (6:5a) and that humanity itself is not good, but only evil in its heart (6:5b). There, in 6:1–4, Yhwh gave a speech merely providing an outer limit for human life (6:3). Here, Yhwh gives a speech culminating in a resolve to wipe humans off the same “surface of the ground” that they had multiplied on (6:7, cf. 6:1).93 In the end, despite my own inclinations to view the non-P flood narrative as a literary expansion of its context, there are arguments to be advanced in favor of either option: that the non-P flood narrative was added at a later stage in the formation of that non-P primeval history or that it was always part of the non-P primeval history, albeit a part with quite distinct traditio-historical roots. One prominent diachronic model that does not make sense, given the data, is the one that was popular in the late 1800’s and early 1900’s (advocated initially by Budde): 91 U. Cassuto, A Commentary on the Book of Genesis: Part 1: From Adam to Noah, trans. I. Abrahams, Jerusalem 1961 (1944 Hebrew original), 228–231. 92 Cf., e. g., Carr, Reading the Fractures, 241–245, and Gertz, Formation, 131. 93 Cassuto, Genesis: Part 1, 302; N.  M. Sarna, Genesis (JPS Torah Commentary 1); Philadelphia 1989, 47.

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that the non-P flood narrative was created as part of a parallel non-P primeval history distinct from much of Gen 2–3, 4 and 6:1–4. Not only does the non-P primeval history lack the kinds of doublets and relatively readable text that help us recognize conflation of P and non-P in the Pentateuch, but it is ever more clear how intensively the non-P flood narrative builds on and responds to the surrounding non-P primeval history. The main point for the present purposes is this: whether one opts for the one diachronic model or the other, an exegete can conclude that the non-P flood narrative represents a distinct element within the broader non-P primeval history. Its distinct character, rooted in its distinct traditio-historical background, means that it represents a competing literary-ideological system within the non-P text. Recognition of this basic diachronic distinction between the non-P flood narrative and the rest of the non-P primeval history could help the exegete discover new levels of meaning in the biblical text, rather than being unduly influenced by past interpretive trends to read the absolute judgment on humanity in the non-P flood narrative (e. g., Gen 6:5–7) back into the preceding non-P stories that lacked that emphasis. For example, starting already in 4Q Paraphrase of Genesis and Exodus, we see the emergence of long-term tendencies of interpreters to read the global negative judgment on humanity in Gen 6:5–7, more particularly the judgment on humans’ “evil inclination” back into the garden of Eden story (4Q422 1:11–12). Similar tendencies are manifest in the widespread Christian reading of Gen 2–3 as a story of “original sin” or later readings of it as a straightforward story of “crime and punishment.” Diachronic distinction of 6:5–7 from preceding non-P stories (whatever model is adopted) can help contemporary exegetes uncover the nuanced picture of human liability and potential in the non-P primeval history outside the flood narrative, along with Yhwh’s mixed reaction to humans.

IV. Concluding Reflections In summary, Erhard Blum’s methodological intervention provides important guidance both to why diachronic study of a text’s prehistory can be relevant to biblical exegesis and when and how it can be relevant. At this point in time, it is ever clearer that we cannot know everything we might wish to know about a biblical text’s prehistory. Sometimes the indicators are clear enough that diverse researchers can reach a relatively solid consensus, for example in where one would distinguish P and non-P in the primeval history. Moreover, I continue to think that we have reached the “high water mark,” so to speak, in attempts to explain this data as the result of non-P scribal expansion of a Priestly superstructure. In other cases, such as the above-mentioned subtle scribal revisions documented in biblical traditions, the biblical text contains diachronic layering

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that is indistinct enough that it is relatively insignificant exegetically. And in yet other cases, such as the distinct character and history of the non-P flood narrative, we have good reason to think that a specific range of diachronic processes stand behind a given biblical text, and we can use those insights for exegesis even when the exact nature of such processes is less clear. Distinction between these kinds of cases can help add precision to the use of diachronic analysis to enrich various levels of synchronic reading of the biblical text. Moreover, this distinction can help biblical scholars avoid mistaken attempts to achieve a fundamentally unreachable clarity on some diachronic cases for the purposes of exegesis.

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Von der Notwendigkeit einer disziplinären Selbstverständigungin der Exegese des Alten Testaments Erhard Blum Wesentliche Anstöße zu Überlegungen über die Notwendigkeit, die Ziele, Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Fachs im Horizont einer Theorie der Exegese bzw. „Exegetik“ kritisch zu bedenken, ergaben sich für mich vor allem aus zwei Erfahrungen: Zum einen aus der schon seit dem Studium sich aufdrängenden Wahrnehmung rekurrenter methodischer Engführungen in der exegetischen Forschung, zum anderen aus der seit den 1980er Jahren offenkundigen Schwierigkeit einer substantiellen fachlichen Konsensbildung in Grundfragen der Literaturgeschichte des Alten Testaments (und damit verbunden der Geschichte des alten Israel). Nun kann auch ein relativ breiter Konsens per se keinen Erweis der historischen Triftigkeit einer Hypothese bilden, was sich nicht nur theoretisch, sondern auch an den Windungen der Forschungsgeschichte leicht zeigen ließe. Umgekehrt deutet gleichwohl das seit Jahrzehnten sich eher verstärkende Auseinanderdriften der internationalen Forschung daraufhin, dass es sich nicht nur um eine transitorische Krise handelt, sondern um Strukturprobleme, die Anlass zu einer kritischen Bestandsaufnahme sein sollten.

I. Diagnostische Befunde In meiner Tübinger Antrittsvorlesung „Notwendigkeit und Grenzen historischer Exegese. Plädoyer für eine alttestamentliche ‚Exegetik‘“ aus dem Jahr 2001,1 habe ich als grundlegendes Strukturproblem die Diastase zwischen hochgesteckten Erklärungsansprüchen und einer dafür defizienten Datenbasis diagnostiziert. Die Erklärungsansprüche reichen von der Rekonstruktion der Welt des biblischen Israel (in allen denkbaren Aspekten) bis zu Wortlautrekonstruktionen der Einzeltexte und ihrer Vorstufen/ Vorlagen sowie deren Verortung in ihren primären, sekundären, tertiären etc. historischen Kontexten. Zwar vermag die seit dem 2. Weltkrieg aufblühende Palästina-Archäologie die materielle Kultur 1 Unter demselben Titel publiziert in: B. Janowski (Hg.), Theologie und Exegese des Alten Testaments/der Hebräischen Bibel (SBS 200), Stuttgart 2005, 11–40 [i.F. Blum, Plädoyer] = E. Blum, Grundfragen der historischen Exegese (FAT 95), Tübingen 2015, 1–29. Der folgende Abschnitt I bildet teilweise eine (neu akzentuierende) Epitome von ebd., 13–17.24–28.

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der einschlägigen vorchristlichen Jahrhunderte partiell zu erschließen, doch bleiben externe literarische Quellen sporadisch, weshalb die Hypothesen zur Rekonstruktion der Texte und deren geschichtliche Kontextualisierung ganz überwiegend auf Korpus-internen Analysen beruhen, wobei das Korpus als Ganzes erst in mittelalterlichen Manuskripten belegt ist. Dies bedeutet, es handelt sich schon im Ansatz um ein hochambitiöses Unterfangen. Zumal die Gefahr von Zirkel‑ und Kurzschlüssen liegt auf der Hand. Das wichtigste methodische Werkzeug für eine Analyse der Vorgeschichte gegebener Texte, die „Literarkritik“, beruht auf der Vermutung, dass redaktionelle Fügungen oder Bearbeitungen gewisse Spuren in den Texten hinterlassen. Solche Spuren findet man in Inkohärenzen, insbesondere inhaltlichen/ formalen Spannungen/Widersprüchen sowie störenden Doppelungen, die als Anzeichen einer diachronen Uneinheitlichkeit der Texte gelten und als Basis für die Vorstufenrekonstruktion(en) dienen. Dabei sind freilich schon die Qualifizierungen einer exegetisch registrierten Inkohärenz als „Spannung“ oder einer Wiederholung als „störend“ alles andere als trivial. In der Sache betrifft dies etwa die Frage, wie zwischen akzeptierten Stilmitteln und abweichenden oder missratenen Textgestalten zu unterscheiden sei, wobei diese Unterscheidung einzelsprachlich und kulturell durchaus verschieden ausfallen mag.2 So kann man beispielsweise fragen: Wann/warum gelten Wiederholungen in rhetorischen Texten, in alltäglichem Reden oder in Erzählungen als wirkungsvoll oder als störend? Genügt es in Erzählungen, das Ein-/Austreten eines Akteurs in/aus einer Szene im Fortgang der Handlung nur implizit anzuzeigen (z. B. 1 Kön 1,15–28 [Batseba]; 2 Kön 4,12–15 [Sunemiterin])? Entspricht es akzeptierter Erzählökonomie, die Ausführung eines Auftrags nicht eigens mitzuteilen (z. B. Jos 1,10 f. [mit Weiterführung in 3,2 f.]; Ex 8,16–19.20 ff.; 9,1–4.5 ff. und passim in der Plagenerzählung [anders Samaritanus und 4QpaleoExodm z.St.!3]; Jes 7,3–9; 8,1–2)? Oder handelt es sich dabei um Textdefekte? – Stilistische Möglichkeiten dieser Art sind schon in älterer Literatur notiert,4 werden aber in literarkritischen Analysen selten bedacht.

Auch wenn wir Probleme dieser Art ausklammern und idealtypisch eine Analyse unterstellen, in der ausschließlich „echte Spannungen“ und/oder „störende Doppelungen“ etc. herangezogen werden, bleibt die Frage, unter welchen Bedingungen sich auf der Basis solcher Beobachtungen eine oder gar mehrere 2 Vgl. E. Blum, Zwischen Literarkritik und Stilkritik. Die diachrone Analyse der literarischen Verbindung von Genesis und Exodus  – im Gespräch mit Ludwig Schmidt, ZAW 124 (2013) 493–515. 3 Dazu E. Ulrich, Empirical Evidence for Scribal and Editorial Transmission of Second Temple Religious Literature, in: R. Müller / J. Pakkala (Hg.), Insights into Editing in the Hebrew Bible and the Ancient Near East. What Does Documented Evidence Tell Us about the Transmission of Authoritative Texts? (Contributions to Biblical Exegesis and Theology 84), Leuven 2017, 41–57, hier 46. 4 Besonders prominent: W. Baumgartner, Ein Kapitel vom hebräischen Erzählstil, in: H. Schmidt (Hg.), ΕΥΧΑΡΙΣΤΗΡΙΟΝ. FS H. Gunkel I (FRLANT 19,1), Göttingen 1923, 145– 157.

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Vorstufen eines Einzeltextes im Wortlaut rekonstruieren lassen. Zumindest zwei Konditionen erscheinen elementar: (a) die diachrone Signifikanz der beobachtbaren Inkohärenzbefunde und (b) ihre Suffizienz. Letztere bedeutet: die Verfasser/Redaktoren haben hinreichende Spuren der Art hinterlassen, dass es möglich ist, eine adäquate Schichtenanalyse durchzuführen. Mehr noch, üblicherweise deklarieren redaktionsgeschichtliche Untersuchungen einen Text, der keine Inkohärenzen aufweist, als diachron einheitlich. Damit wird die Suffizienz-Bedingung sogar in einer verschärften Version supponiert: Soweit in einem Text Vorstufen/Vorlagen verarbeitet wurden, ist davon auszugehen, dass diese in dem überlieferten Text indiziert sind. Die genannten Annahmen werden, soweit mir bekannt, weder in Methodenbüchern noch in anderen Zusammenhängen thematisiert, m.a.W., es handelt sich um verdeckte, implizite Axiome.5 An deren Triftigkeit bestehen jedoch erhebliche Zweifel. Schon das Signifikanz-Axiom hat in dieser Generalisierung einfache Erfahrungen gegen sich: Unebenheiten, formale Mängel, sprachlich abweichende Formulierungen unterlaufen auch einem „primären“ Autor, der sie übersehen oder für zu vernachlässigen halten mag.6 Widersprüche, Leerstellen, Unschärfen können auch narrative oder rhetorische Gestaltungselemente darstellen, zumal in komplexen, „hintergründlichen“ Texten. Andererseits gehen in handschriftlicher Überlieferung sperrige Lesungen mitunter auf kontingente mechanische Abschreibfehler zurück. Erst recht steht die Plausibilität des Suffizienz-Axioms infrage. Wer könnte die Möglichkeit ausschließen, dass Tradenten auf sorgfältige angepasste Bearbeitungen bedacht waren, ja mitunter auch Inkohärenzen ihrer Vorlagen absichtlich oder beiläufig geglättet haben? Nicht weniger einschlägig sind eventuelle Auslassungen oder mehr oder weniger tiefgreifende Transformationen der Vorlagen durch die Tradenten. Bei allen Konstellationen dieser Art greift das Instrumentarium der klassischen Literarkritik ins Leere. Unverkennbar ist, dass beide Axiome den Ausschluss einer Fülle von Möglichkeiten implizieren. Von einer gezielten Strategie kann hier nicht gesprochen werden, weil die beschriebene „Axiomatik“ – einen Teilaspekt ausgenommen – offenbar weder bewusst war noch reflektiert wurde. Aber die innere Logik der über Generationen praktizierten Literarkritik hat ihre Pointe in der massiven Reduktion von Komplexität einer historischen Wirklichkeit, die sich andernfalls dem analytischen Zugriff zu entziehen scheint. Die einzige Option, die im methodischen Verfahren angelegten Kurzschlüsse historisch zu plausibilisieren, wäre der Nachweis, dass die biblische Literatur sich in entscheidenden Hinsichten von der bekannten antiken und altorienta5 Der in Blum, Plädoyer, 15–16 gewählte Ausdruck „Postulat“ suggeriert eine bewusste Reflexion der Suppositionen und erscheint deshalb weniger geeignet. 6 So gilt die fehlende Redeeinleitung in Ex 4,5.8 älteren und neueren Kommentatoren schlicht als „Anakoluth“.

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lischen Literatur unterscheidet. Tatsächlich wird etwa für den Pentateuch die These vertreten, dass Traditionsbildung in dieser Literatur prinzipiell additiv, d. h. ohne Auslassungen und Transformationen der Vorstufe, erfolgt sei: „Immer schon, seit man die Gottesgeschichte niederzuschreiben begann, war der Heilige Text sakrosankt. Er ist nach seinem inneren Wesen ‚kanonisch‘“ (C. Levin).7 Die Frage ist: Handelt es sich bei einer solchen weitgehenden Annahme um die zirkuläre Rechtfertigung einer bestimmten Art von Redaktionsgeschichte oder lässt sie sich mit überindividueller Evidenz belegen? Im letzteren Falle wäre das Suffizienz-Axiom zumindest in einem Teilaspekt plausibilisiert. Bei den soeben diskutierten Axiomen ging es um die Validität der Textbefunde, die in einem herkömmlichen literarkritischen Verfahren gesucht (bzw. nicht gesucht) und ausgewertet werden. Für die Wahrnehmung und vor allem für die Auswertung von Befunden gleichermaßen wichtig sind aber die möglichen Modelle einer Textgenese, mit denen Exegeten rechnen, lenken diese doch unvermeidlich die imaginierten Hypothesenbildungen, vor allem deren Bandbreite. So mag es nicht sehr verwundern, dass auch in diesem Zusammenhang ein weitreichendes implizites Axiom zu diagnostizieren und auf den Prüfstand zu stellen ist, in diesem Fall das Axiom der Selbigkeit/Identität der jeweils diachron analysierten Texte. Gemeint ist damit die selbstverständliche Voraussetzung, dass es bei der Frage nach der Diachronie eines Textes um die Genese ein und derselben Entität geht. Am augenfälligsten spiegelt sich diese Präsupposition in einem verbreiteten Sprachgebrauch, wenn etwa von „Grundschicht“ und „Ergänzungsschichten“ gesprochen wird oder allgemeiner von der „Vorstufenrekonstruktion“. Hierzu gehören des Weiteren metaphorische Redeweisen wie die vom „Wachstum der Texte“ u. Ä.m. In Literatur aus der Gründerzeit der Disziplin findet sich besagter Sprachgebrauch noch nicht durchgehend, was wohl mit der damals größeren Bedeutung des Urkunden-/Quellenmodells zusammenhängt: Ist ein Text aus der Konflation zweier (oder mehr) zuvor eigenständiger literarischer Werke („Urkunden/Quellen“) entstanden, erscheint eine „Selbigkeit“ des untersuchten Texts von den Anfängen der jeweiligen Quelle bis zur „Endgestalt“ von vornherein ausgeschlossen. Auch die „Wachstum“-Metapher wird sich nicht aufdrängen, ebenso wenig die Rede von „Fortschreibung“. Letztere wiederum repräsentiert die seit den 1980er Jahren besonders prominente und teilweise als die grundlegende Methodik literargeschichtlicher Exegese propagierte Arbeitsweise der Redaktionsgeschichte.8 „Fortschreibung“ setzt die Selbigkeit des Textes selbstverständlich 7 C. Levin,

Der Jahwist (FLANT 157), Göttingen 1993, 441. Art. Redaktionsgeschichte / Redaktionskritik I. Altes Testament, TRE 28, Berlin 1997, 367–378. Als Gegenstand der Redaktionsgeschichte gilt hier (369) „das Textwerden von seinen Anfängen im Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit über sämtliche literarische Stadien bis zu seiner vorliegenden Gestalt.“ Damit wird Redaktionsgeschichte zum Generalschlüssel diachroner Exegese. Kritische Anfragen dazu im Folgenden. Zur begrifflichen Präzision: „Redaktionsgeschichte“ stellt weder eine Methode (= regelgeleitetes Verfahren) dar noch einen „Methodenschritt“, wie es gern in den Lehrbüchern für das 8 R. G.  Kratz,

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voraus – und damit auch die theoretische Möglichkeit einer tiefgestaffelten TextStratigraphie. Selbstverständlich gibt es in der Hebräischen Bibel zahlreiche literargeschichtliche Befunde, die mit Begriffen wie „Grundschicht“, „Vorstufe“ oder „Fortschreibung“ adäquat und präzise zu bezeichnen sind. Problematisch wird es nur, wenn sich dieses Textentstehungsmodell mit einer Art Totalitätsanspruch verbindet. Beträchtliche Teile der alttestamentlichen Literatur würden damit verfehlt, wie gleich zu zeigen sein wird.

II. Dokumentierte Prozesse der Traditionsbildung im Bereich der biblischen Überlieferung Angesichts der einigermaßen komplexen Problematik diachroner Textanalysen sollte es sich anbieten, nach konkreten Fällen zu fragen, in denen die analytisch angenommenen Textbildungsprozesse nachweisbar vorliegen. Potentielle Beispiele dafür gibt es tatsächlich in beträchtlicher Zahl. Dennoch kam diese Kontrollmöglichkeit in der Exegese relativ spät in den Blick.9 Konkret geht es um biblische bzw. antik-jüdische Texte, deren Vorlagen belegt sind, bei denen also Ausgangs‑ und Zieltexte von Redaktionen/Editionen etc. direkt verglichen werden können. Solche Vergleiche ermöglichen zum einen typologisierende Bestandsaufnahmen einschlägiger Textbildungen, zum anderen virtuelle „Simulationen“ textinterner literargeschichtlicher Analysen – und deren methodologische Auswertung. Stephen A. Kaufmans Untersuchung der Tempelrolle (11QT) und ihrer Rezeption des Pentateuchs bildete hierzu eine Pionierarbeit.10 Typologisch identifizierte er nahezu wörtliche Textübernahmen, modifizierte Rezeptionen, die Eintragung größerer Textstücke („gross conflation“) neben der Kombination einer Vielzahl kleinerer Textelemente („fine conflation“), aber auch Neuformulierungen in leichter Anlehnung an überlieferte Texte („paraphrastic conflation“). Sein Urteil über die Möglichkeit der Rekonstruktion von Vorlagen allein auf Basis der Tempelrolle klingt ernüchternd: „next to impossible“.11 Mit einer weiter gefassten Fragestellung präsentierte sodann ein von Jeffrey H. Tigay herausgegebener Sammelband12 mit Arbeiten jüdischer, vor allem Jeruexegetische Proseminar heißt, sondern ein Erklärungsmodell (neben anderen!) für die Genese von Traditionsliteratur.  9 Von der für die klassische Pentateuch-Quellenhypothese interessanten Analogie der Evangelienharmonie Tatians (um 170 n. Chr.) abgesehen. Ein wichtiger Beitrag dazu war G. F. Moore, Tatian’s Diatessaron and the Analysis of the Pentateuch, JBL 9 (1890) 201–215 (wieder­ abgedruckt in Tigay, Models [unten Anm. 12], 243–256). 10 S. A.  Kaufman, The Temple Scroll and Higher Criticism, HUCA 53 (1982) 29–43. 11 Kaufman, Temple Scroll, 42. 12 J. H.  Tigay (Hg.), Empirical Models for Biblical Criticism, Philadelphia 1985.

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salemer Bibelwissenschaftler unterschiedliche Modelle der Textgenese etwa am Beispiel des Gilgamesch Epos, diverser textgeschichtlicher Befunde im Vergleich von MT und Samaritanus bzw. der Septuaginta und/oder unter Heranziehung innerbiblischer Paralleltexte. Gegenwärtig gelten die Publikationen von Kaufman und Tigay als Klassiker, obgleich sie längere Zeit ohne Resonanz geblieben waren. Im angelsächsischen Raum war es vor allem David M. Carr, der sich des Themas intensiv angenommen hat, und dies insbesondere in der Zuspitzung auf die methodologischen Implikationen und Konsequenzen der „empirischen“ Fallbeispiele.13 Eingebettet in sorgfältige methodologische Überlegungen fragt er nach signifikanten Tendenzen in den dokumentierten Fällen, wobei er einerseits eine vorherrschende Neigung zu Erweiterungen/Ergänzungen vorgegebener Überlieferungen erkennt, neben denen andererseits aber auch Beispiele für kräftige Eingriffe wie Auslassungen bzw. mehr oder weniger freie Neuformulierungen stehen. Angesichts der daraus resultierenden Grenzen rein interner Rekonstruktionen geht es Carr um Leitlinien für die konkreten Analysen. Der deutschsprachige Raum blieb lange scheinbar unberührt von solchen Fragestellungen.14 Umso erfreulicher ist die aktuell intensive Auseinandersetzung damit in verschiedenen Projekten und Publikationen, zum einen von Reinhard Müller und Juha Pakkala,15 zum anderen von Benjamin Ziemer,16 jeweils mit sehr spezifischen Fokussierungen. 13 D. M.  Carr, Reading the Fractures of Genesis. Historical and Literary Approaches, Louisville 1996, 23–39; Ders., Method in Determination of Direction of Dependence. An Empirical Test of Criteria Applied to Exodus 34,11–26 and Its Parallels, in: M. Köckert / E. Blum (Hg.), Gottes Volk am Sinai. Untersuchungen zu Ex 32–34 und Dtn 9–10 (VWGTh 18), Gütersloh 2001, 107–140; Ders., The Formation of the Hebrew Bible. A New Reconstruction, Oxford 2011, 37–149. Zu verweisen ist an dieser Stelle auch auf H. J.  Tertel, Text and Transmission. An Empirical Model for the Literary Development of Old Testament Narratives (BZAW 221), Berlin 1994. 14 Eine wichtige Ausnahme  – offenbar ohne Kenntnis von Kaufman und Tigay  – bildet J. Werlitz, Studien zur literarkritischen Methode. Gericht und Heil in Jesaja 7,1–17 und 29,1– 8 (BZAW 204), Berlin / New York 1992, mit einem detaillierten Vergleich zwischen 1 Chron 17 und 2 Sam 7 als Fallstudie innerhalb eines ausgesprochen lesenswerten methodenkritischen Kapitels. S. Kaufmans Studie war dagegen die Initialzündung für meine eigene Beschäftigung mit dem Thema, zunächst in Lehrveranstaltungen in Heidelberg und Augsburg sowie in diversen Vorträgen. Auch in den von H. Utzschneider initiierten Treffen „Theorie der Exegese“ in Neuendettelsau war die Thematik von Anfang an virulent; vgl. auch H. Utzschneider / S. A.  Nitsche, Arbeitsbuch literaturwissenschaftliche Bibelauslegung. Eine Methodenlehre zur Exegese des Alten Testaments, Gütersloh 2001, 217: „Zur Vertiefung: ‚Empirische Literarkritik‘“. 15 J. Pakkala, God’s Word Omitted. Omissions in the Transmission (FRLANT 251), Göttingen 2013; R. Müller / J. Pakkala / B. T. H.  Romeny, Evidence of Editing. Growth and Change of Texts in the Hebrew Bible (SBL.Resources for Biblical Study 75), Atlanta 2014; R. Müller / J. Pakkala (Hg.), Insights into Editing in the Hebrew Bible and the Ancient Near East. What Does Documented Evidence Tell Us About the Transmission of Authoritative Texts? (Contributions to Biblical Exegesis and Theology), Leuven 2017; R. Müller, Was die Textgeschichte über die Entstehung des Alten Testaments lehren kann, ThLZ 142 (2017) 709–724. 16 B. Ziemer, Die aktuelle Diskussion zur Redaktionsgeschichte des Pentateuch und die empirische Evidenz nach Qumran, ZAW 125 (2013) 383–399; Ders., Kritik des Wachstums-

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Dokumentierte Überlieferung und das Postulat einer sakrosankten ‚kanonischen‘ Schrift Müller und Pakkala haben die Frage einer „empirischen“ Prüfung literarkritischer Zugänge wirkungsvoll auf die Tagesordnung auch der europäischen Forschung gesetzt – mit einer internationalen Tagung in München und mit Publikationen, in denen die bisherigen Forschungsansätze rezipiert und diskutiert werden. Die extensive Aufarbeitung paradigmatischer Fallbeispiele (mit einem Schwerpunkt auf der Textgeschichte) aus allen Teilen des hebräischen Kanons sowie aus nachbiblischer Literatur (Jub, Tempelrolle) verbreitert zudem die materiale Basis und leistet damit einen wesentlichen Sachbeitrag. Wie die Präsentation zu erkennen gibt, hat die Autoren selbst besonders beeindruckt, dass die einschlägigen Beispiele neben den verbreiteten additiven Erweiterungen auch Kürzungen, Auslassungen oder Neuformulierungen vorgegebener Texte dokumentieren. Diese Fokussierung verwundert wenig angesichts ihrer eigenen exegetischen Schulung in der Tradition einer konsequenten Redaktionsgeschichte mit dem verbreiteten Postulat einer exklusiv additiven „Fortschreibung“ der „nach ihrem inneren Wesen ‚kanonischen‘“ Überlieferung.17 Diese Annahme erweist sich aufgrund des vorliegenden Materials als nicht haltbar. Das supponierte Bild der biblischen Texttradition diente der Absicherung des methodischen Vorgehens, war aber in gewisser Weise eine Spiegelung der subjektiven redaktionsgeschichtlichen „Evidenz“.18 Zugleich wird an den vorgelegten Fallbeispielen aber auch etwas deutlich, worauf die meisten Protagonisten der Debatte hinweisen: Auch bei den hier in Anschlag gebrachten „dokumentierten“ Belegen sind die Befunde nicht einfach selbst-evident, vielmehr handelt es sich um interpretierte „Empirie“. Im Einzelfall bleibt eine kritische Prüfung geboten. So kann man bei einigen Beispielen Pakkalas für „Omission as a Mean of Ideological or Theological Censorship“ fragen, ob sie wirklich einschlägig sind: – Die Interpretation von Dtn 32,8–9 MT als „Omission of Polytheistic Conceptions“19 folgt zwar einer verbreiteten Deutung der bekannten Lesart(en) von LXX und 4QDeutj, die sonstige Verwendung = von ‫ בני אלהים‬im Alten Testament (cf. den Hiob-Prolog) und die Vorstellung der „Völker-Engelfürsten“ in Dan 10 führen jedoch darauf, dass LXX und modells. Die Grenzen alttestamentlicher Redaktionsgeschichte im Lichte empirischer Evidenz (VT.S 182), Leiden 2020. 17 S. oben bei Anm. 7. 18 Sehr deutlich ist dies freilich schon bei Werlitz mit Blick auf entsprechende Implikationen bei H. Schweizer, Literarkritik, ThQ 168 (1988) 23–43, formuliert: „Indem Literarkritik zur Methode jeder Textbearbeitung erhoben ist, ist die Erwartung traditionstreuer Redaktionen Grundgesetz alttestamentlicher Literargeschichte.“ Und: „Indem die Regeln des Textwachstums den empirisch-epistemologischen Möglichkeiten, solche zu erkennen, angepaßt werden, wird Wirklichkeit konstruiert.“ (Werlitz, Studien, 85 mit Anm. 99). 19 Pakkala, Omissions, 185–187.

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4QDeutj hier eine relativ späte Angelologie im Blick haben.20 Die MT-Lesart impliziert im Übrigen ihrerseits einen Midrasch auf der Basis der traditionell 70 Völker in Gen 10 und der 70 Seelen Israels in Ägypten nach Gen 46,27; Ex 1,5 und Dtn 10,22. Wenig hilfreich ist es, dass hier und in anderen Fällen von „omission“ nicht mit Blick auf Textbestandteile gesprochen wird, sondern bezogen auf abstrakte Inhalte. Die grundlegende Differenz zwischen „Auslassung“ und „Umformulierung“ sollte jedoch auch terminologisch deutlich markiert sein. – Auch für Dtn 32,43 MT leuchtet die angebliche Tilgung einer polytheistischen Aussage, die in 4QDeutq mit ‫( הרנינו שמים עמו והשתחוו לו כל אלהים‬LXX: παντες υιοι θεου) vorgelegen hätte,21 nicht ein: ‫​השתחוו לו כל אלהים‬22 ist ein Zitat von Ps 97,7b, wo mit ‫אלהים‬ ebenfalls kein Pantheon, sondern das göttliche Personal im Himmel gemeint ist, wie Ps 97,7a und 96,5–6 eindeutig belegen. Insgesamt zeigen Dtn 32,43_4QDeutq+LXX keine Auslassung in MT an, sondern eine sukzessive hymnische Auffüllung. Kurzum: Dtn 32,8 f.43 liegen auch in den Q-Lesarten auf einer Linie mit 32,15 f.21a. – „The Omission of a Statue of Yhwh in Josh 24:26“ bezieht sich vielversprechend auf den Vergleich von MT (‫ )אשר במקדש יהוה‬und LXX (απεναντι κυριου), dem Pakkala entnimmt, dass in Jos 24,26 ein ursprüngliches ‫ לפני יהוה‬ausgelassen (sprich: umformuliert) worden sei „to avoid the idea that here was a statue of Yhwh that the Israelites had worshipped beside a holy tree and a Massebah.“23 Dabei werden jedoch die unmittelbar davor behandelten und als sekundär beurteilten LXX-Lesarten 24,1.25, denen zufolge die Versammlung nicht in Sichem, sondern in Silo ενωπιον της σκηνης του θεου stattfand, ausgeblendet. Diese erklären sich einfach damit, dass LXX (bzw. ihre Vorlage) Jos 24 an den JosP-Kontext mit der Stiftshütte in Jos 18 angeglichen hat. In LXX wird der Zeugenstein also nicht vor einer nach Silo zu projizierenden Jhwh-Statue aufgestellt, sondern schlicht vor dem dort befindlichen Heiligtumszelt der Wüstenzeit. Methodisch mag dieses Beispiel zeigen, wie elementar auch im Bereich der Textgeschichte die synchrone Analyse des Kontextes (hier auf LXX-Ebene) bleibt. – In 2 Kön 10,23 gibt es laut Pakkala24 in acht LXX-Minuskeln und einer altlateinischen Handschrift ein umfangreiches Plus zwischen V. 23bα und bβ: „et eicite omnes seruos domini qui inuenti fuerint in templum bahal. Et factum est sicut locutus est ieu rex et cum nemo fuisset ibi de seruis domini“. Gestützt auf eine unzutreffende Rückübersetzung des Satzes „Et factum est …“, die wiederum mit der Übersetzung des griechischen Textes über20 S. die Hinweise in E. Blum, Beschneidung und Passa in Kanaan. Beobachtungen und Mutmaßungen zu Jos 5, in: C. Hardmeier u. a. (Hg.), Freiheit und Recht. FS F. Crüsemann, Gütersloh 2003, 292–322, hier 313 Anm. 75, und en detail: K. Schmid, Traditionsgeschichtliche und literarische Aufnahmen vorgegebener Stoffe? Dtn 32,8f und Ps 82 als methodische Testfälle (2006), in: Ders., Schriftgelehrte Traditionsliteratur. Fallstudien zur innerbiblischen Schriftauslegung im Alten Testament (FAT 77), Tübingen 2011, 125–141, sowie auch die bei Pakkala, Omissions, 186 Anm. 4, genannten älteren Kommentatoren. 21 Pakkala, Omissions, 187–191. Auch die Vermutung, die 4QDeutq-Lesart ‫כי דם בניו יקום‬ impliziere, „that Yhwh had sons“, und sei deshalb in MT modifiziert (‫)דם עבדיו‬, erscheint religionsgeschichtlich allzu phantasiereich; die Metapher stand schon in Dtn 14,1 bereit. 22 Pakkalas Übersetzung, ebd., 188: „let all the sons of god bow to him“, gibt die LXX wieder, nicht die Q-Lesart („Werft euch vor ihm nieder, all ihr Göttlichen!“). 23 Pakkala, Omissions, 197–199, hier 199. 24 Pakkala, Omissions, 234–237. Unglücklicherweise fungiert dieses Beispiel später in den „Conclusions“ als zentrales Exempel für angebliche Defizite bisheriger literarkritischer Analysen (ebd., 373–377).

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tragen wird, sieht Pakkala das Plus als älteren Text, der in MT gekürzt worden sei – wegen der „theologically offensive idea that the worshippers of Yhwh were worshipping alongside the worshippers of Baal in Baal’s temple“. Die Ausgangsargumente für die Annahme einer Auslassung sind die Behauptungen, dass MT (a) in V. 24 „confusing“ sei (unklar bleibe, wer den Tempel für die Opfer betrat) sowie (b) in V. 23 „grammatically awkward because the ‫ כי אם‬seems to have no function in the present text“. Nichts davon trifft zu: (1) ‫כי אם‬ ist hier in der regulären Bedeutung „sondern (nur die Baaldiener)“25 gebraucht. (2) Als Subjekt in V. 24 ist eindeutig Jehu (+ Jonadab) vorauszusetzen, weil die Baal-Anhänger sich gemäß V. 20 ff. in Sicherheit wiegen sollen. (3) Die Ausführung des Befehls von V. 23 ist – wie häufig – als selbstverständlich vorausgesetzt.26 (4) Auch in MT ist die Möglichkeit, dass Jhwh-Diener sich im Baal-Tempel aufhalten könnten, nicht ausgeschlossen.27 Kurzum: Hier liegt keine Auslassung vor, sondern offenbar der Eintrag eines späten LXXAbschreibers, der die pünktliche Ausführung des Jehu-Befehls festgehalten wissen wollte.

So viel an kritischen Hinweisen. Die Grundthese, wonach dokumentierte Fallbeispiele belegen, dass auch in relativ späten Phasen der Literargeschichte neben additiven Ergänzungen auch mit Textkürzungen bzw. mit Transformationen des Ausgangstextes zu rechnen ist, behält ihre Geltung. Der Band „Evidence of Editing“ beschränkt sich auf eine kleinere, aber (hinsichtlich Textsorten und Kanonteilen) repräsentative Auswahl von Fallbeispielen. Hilfreich ist insbesondere, dass die Verfasser die Kapitel jeweils mit sorgfältig abgewogenen Überlegungen abschließen, ob bzw. in welchem Umfang und ggf. auf welcher Grundlage exegetische Analysen ohne Kenntnis der Kontrolltexte in der Lage wären, ältere Fassungen der Texte verlässlich zu rekonstruieren oder zu umreißen. Das Gesamtbild ist sehr gemischt.28 Während beispielsweise die Befunde zu dem Abschnitt über die Asylstädte in Jos 20 (Nr. 4) trotz differierender Textüberlieferung in MT und LXX sowie mehrerer alttestamentlicher Vergleichstexte so komplex bleiben, dass eine definitive Klärung kaum zu erreichen ist, erscheint etwa im Fall von Num 13–14 (in MT, LXX und Samaritanischer Pentateuch) (Nr. 3) sowie mit Blick auf die Texte in 2 Kön 11– 12 // 2 Chron 22–24 (Nr. 15) die Identifikation einzelner Erweiterungen auch ohne Zuhilfenahme der Vergleichstexte möglich, vollständige Vorlagenrekonstruktionen bleiben dagegen unrealistisch. Ein deutlich positiveres Resümee zeichnet sich dagegen bei Ri 6,7–10 (Rede eines anonymen Propheten) (Nr. 5) und 1 Kön 6,11–14 (in den Tempelbaubericht eingeschaltete Gottesrede an Salomo) (Nr. 7) ab. Der erste Abschnitt fehlt in einer Qumran-Handschrift (4QJudga), der zweite in der Septuaginta. Auch ohne die textgeschichtlichen Bestätigungen ließe sich in beiden Fällen jeweils 25 S.

z. B. CDH IV, s. v. 14 ‫כי‬.a. 240 bei Anm. 3. 27 In der Narration zielt die Aufforderung Jehus, keine Jhwh-Diener zu dulden, natürlich darauf, seine radikale Parteinahme für Baal vorzutäuschen. Doch auch davon abgesehen ist die Vorstellung als solche in der Hebräischen Bibel nicht unerhört; cf. nur 1 Kön 18,21. 28 In diesem Fall mag der generelle Verweis auf Müller u. a., Evidence, genügen. 26 S. o.

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ein ganzes Syndrom von Argumenten einer klassischen diachronen Analytik (nicht nur der „Literarkritik“ im engeren Sinne) für die Annahme späterer Einschreibungen nennen. Dazu gehören  – in unterschiedlichen Gewichtungen  – Beobachtungen zur narrativen Einbindung und zum phraseologischen Profil, im Fall von Ri 6 auch zu literarischen Querverbindungen.29 Entsprechende Analysen in der älteren Sekundärliteratur bestätigen dieses Bild. Nimmt man die Befunde ernst, dann stellen die Arbeiten zu „documented evidence“ die Axiome der Signifikanz und Suffizienz textinterner Anhaltspunkte für eine Rekonstruktion der Diachronie alttestamentlicher Texte fundamental infrage. Welche Konsequenzen sind daraus für die Theorie und die konkrete Arbeit literargeschichtlicher Analysen zu ziehen? Durchweg insistieren die referierten Untersuchungen darauf, dass die Beschäftigung mit der Literargeschichte der Hebräischen Bibel unverzichtbar sei. Auch von einer eigenartigen Engführung der Begründung abgesehen,30 erscheint eine solche Rechtfertigung historischer Exegese einerseits überflüssig, weil die grundsätzliche Ablehnung geschichtlicher Arbeit in der Fachdisziplin kaum eine nennenswerte Rolle spielt. Andererseits und vor allem ist sie für die zur Lösung anstehenden Fragen nicht zielführend, weil von dem Wünschenswerten, von dem, was Forschung leisten sollte, logisch kein Weg zu dem Möglichen führt, zu dem, was Forschung leisten kann.31 Die Auskünfte dazu, wie und unter welchen Voraussetzungen wissenschaftliche Exegese auch angesichts der dokumentierten Unwägbarkeiten plausible historische Analysen realisieren kann, bleiben bisher ausgesprochen vage. Neben dem Anliegen, die Analyse dokumentierter Sachverhalte noch systematischer voranzutreiben, oder dem Appell zu einer konsequenteren textgeschichtlichen Arbeit beziehen sie sich in der Hauptsache auf das Bewusstsein und Eingeständnis des hypothetischen Charakters von Vorstufenrekonstruktionen (vor allem im Wortlaut) und auf das Bedenken möglicher Bearbeitungsprozesse wie Auslassungen, Neuformulierungen oder Umstellung.32 Doch was kann dies konkret bedeuten, wenn sich solche Prozesse nahezu völlig dem analytischen Zugriff entziehen? 29 Neben der in Müller u. a., Evidence, genannten Literatur, s. auch Blum, Plädoyer (zu Ri 6) und E. Blum, Der Tempelbaubericht in 1 Könige 6,1–22. Exegetische und historische Überlegungen, in: J. Kamlah (Hg.), Temple Building and Temple Cult. Architecture and Cultic Paraphernalia of Temples in the Levant (2.–1. Mill. B. C. E.) (ADPV 41), Wiesbaden 2012, 291– 316, hier 293.298 mit Anm. 27. 30 Es geht allein um die Bibel als „historische Quelle“. S. Pakkala, Omissions, 376: „Without a diachronic approach of the texts, we do not have a historical source in the Hebrew Bible“, und passim in den einschlägigen Publikationen (o. Anm. 15). Die im engeren Sinne exegetische Aufgabe, das Verstehen der Texte in ihrem jeweiligen historischen Kontext (grundsätzlicher dazu: Blum, Plädoyer) kommt nicht in den Blick. 31 Dies betrifft auch Teile der Argumentation von R. G.  Kratz, The Analysis of the Pentateuch, ZAW 128 (2016) 529–559, hier 538–544. 32 Pakkala, Omissions, 377; Müller / Pakkala, Insights, 9; Müller, Textgeschichte, 10.

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Die methodologische Brisanz der Frage lässt sich mit einem Zitat von O. H. Steck vertiefen, das Pakkala anführt: „Analysen, die auf der Annahme von Überlieferungstorsi, verlorenen älteren Überlieferungsbestandteilen und unmotivierten Zusätzen beruhen, büßen eo ipso an Plausibilität ein.“33 Dieser von Steck als „methodischer Leitaspekt“ intendierte Satz führt auf ein grundlegendes Dilemma: Die Regel erscheint vorderhand zwingend, weil sie eine Argumentation mit prinzipiell nicht kontrollierbaren Sachverhalten ausschließt. Mit dem Nachweis (dessen es kaum bedurft hätte) jedoch, dass literarhistorisch mit solchen Sachverhalten durchaus zu rechnen ist, erweist sie sich als eine Reduktion von Möglichkeiten, die  – wie weitere Reduktionen dieser Art  – die „Funktionalität“ der Methodik erhält, allerdings nur zum Schein: Eine Exegese, die ihre Regeln so formuliert, dass historische Möglichkeiten, die analytisch nicht zu erfassen sind, prinzipiell ausgeschlossen werden, ist keine historische Disziplin mehr, sondern wird zum Glasperlenspiel. – Die Frage nach den Konsequenzen der von Müller und Pakkala herausgestellten Befunde ist nach wie vor offen. Dokumentierte Überlieferung und das Axiom der diachronen Selbigkeit eines Textes und seiner mutmaßlichen Vorlage Zeitgleich mit den vorstehend besprochenen Untersuchungen hat Benjamin Ziemer ein paralleles Projekt verfolgt, das naturgemäß mit (z. T.) demselben Textmaterial arbeitet, dabei aber so etwas wie eine kritische Theorie der Redaktionsgeschichte des AT anstrebt.34 Näherhin geht es um die Destruktion des von Ziemer so genannten „Wachstumsmodells“. Dieses impliziere für Texte der alttestamentlichen Traditionsliteratur (1) die vollständige Erhaltung der literarischen Vorstufen („additives Prinzip“), (2) deren Rekonstruierbarkeit (die Redaktion kann identifiziert werden: „Differenzprinzip“) und (3) (in der Regel) eine vollständige Verdrängung der Vorstufenversion („Singularitätsprinzip“).35 Im Hauptteil der Arbeit werden diese Axiome in aufwendigen Fallstudien, die von altorientalischer Literatur über alttestamentliche Parallelüberlieferungen bis 33 O. H.  Steck, Bewahrheitungen des Prophetenworts. Überlieferungsgeschichtliche Skizze zu 1. Könige 22,1–38, in: H.-G. Geyer u. a. (Hg.), „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ FS H.-J. Kraus, Neukirchen-Vluyn 1983, 87–96, hier 96, zitiert in Pakkala, Omissions, 38 mit Anm. 114. 34 Ziemer, Kritik. Die der umfangreichen Monographie zugrundeliegende Habilitationsschrift wurde 2017 bei der Theologischen Fakultät in Halle eingereicht und im folgenden Jahr angenommen. 35 Die grundlegende Gemeinsamkeit mit den Fragestellungen bei Müller / Pakkala liegt auf der Hand, ebenso die Affinität zu einigen Problemstellungen in Blum, Plädoyer. Obwohl gerade die Wachstums-Metapher die Identität der untersuchten Größe suggeriert, geht es Ziemer nicht um das oben problematisierte Axiom der Selbigkeit (dazu i.F.), sondern um Präsuppositionen, die als Teilaspekte den Axiomen der Signifikanz bzw. der Suffizienz zuzuordnen sind. An dieser Stelle ist anzumerken, dass Blum, Plädoyer (2005), bei Ziemer – ebenso wie bei Müller / Pakkala – nicht rezipiert ist.

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zu frühjüdischer Literatur reichen, einer eingehenden „empirischen“ Prüfung unterzogen.36 Das Fazit ist deutlich pointierter als bei Müller / Pakkala: „In keinem einzigen Fall war die Vorlage vollständig und unverändert in einer redaktionellen Neuverschriftung enthalten. ‚Literarisches Wachstum‘ im Sinne des in der redaktionsgeschichtlichen Methode bislang herrschenden Modells ist […] im Umfeld biblischer Texte […] bisher nicht nachweisbar.“37 Dem Paradigma des Textwachstums stellt er ein alternatives Modell gegenüber, das sich an den Büchern / Handschriften als Bezugsgröße orientiert und an deren Schreibern / Autoren: Diese hätten als Kopisten oder als Redaktoren vor der Wahl gestanden, was sie schreiben wollten: eine vollständige, genaue Kopie, eine Exzerpthandschrift oder eine Neuverschriftung. Letzteres bedeutete die Notwendigkeit auszuwählen, wo die Vorlage unverändert bleiben, umgestaltet oder ergänzt werden sollte. Die untersuchten Beispiele dafür legten nahe, „dass eine aktualisierend erweiternde Bearbeitung und die vollständige Bewahrung des Wortlauts der Vorlage einander gegenseitig ausschließen.“38 Der Entschiedenheit von Ziemers Diagnose entspricht die der daraus gezogenen Konsequenzen für die Exegese. Dies demonstriert bereits ein vor der Monographie publizierter Aufsatz.39 Thematisiert werden darin aktuelle Diskussionen um Gen 15 und 17 sowie Bezüge zwischen Bundesbuch, Deuteronomium und Tempelrolle, im Zentrum steht aber die von R. G. Kratz als besonders geeignetes Exempel für den „Prozess der Redaktions‑ und Rezeptionsgeschichte innerhalb des Alten Testaments und darüber hinaus“ angeführten Ahnfrauerzählungen in der Genesis mit der These einer Abhängigkeitskette Gen 26 → 12 → 20, die in Jubiläen und im Genesis-Apokryphon weitergehe. Ziemer kann leicht vorführen, dass jede interne Analyse weit davon entfernt wäre, den Wortlaut der jeweiligen Vorlage oder auch nur Spezifika der Handlung rekonstruieren zu können, sowohl von den nachbiblischen Rezeptionen her als auch innerbiblisch.40 Das Resultat ist vernichtend für jeden redaktionsgeschichtlichen Erklärungsansatz zu den Ahnfrauerzählungen im Sinne von „Fortschreibung“, „Vorstufenrekonstruktion“ etc. Denn wie auch immer man Gen 12*, 20*, 26* seriell sortieren will, keine der Episoden steht in einer Vorstufen-Relation zu einer anderen, wohl aber gibt es gute Gründe dafür, dass Vorlagen-Abhängigkeiten bestehen, in dem Sinne, 36 Im Einzelnen: Gilgamesch, Äg. Totenbuch, Chronikbücher, Jer: MT und LXX, Dan: MT und LXX, Est: MT und LXX, 3 Esr, Jub, GenApokr, Pseudo-Philo, 4Q175, 4Q174, 11QPsa, Tempelrolle, Papyrus Nash, 1QS, CD, 1QM, Henoch-Literatur, Synoptische Evangelien, Evangelienharmonien, Lev 23 und Num 28 (Passa-Mazzot), Samaritanus und MT, Jes: 1QJesa, MT, LXX. Für die Auswahl hat sich Ziemer weitgehend an der Zusammenstellung in Kratz, Redaktionsgeschichte, 367–368 orientiert. 37 Ziemer, Kritik, 697. 38 Ebd., 698. 39 Ziemer, Diskussion. Der Verfasser bezieht sich darin auf mehrere Beiträge im ersten Heft der ZAW von 2013. 40 Ebd., 388–394.

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dass Tradenten-Erzähler sich an bekannten Erzählversionen orientiert haben etc. Im Falle von Gen 20 ist zudem offenkundig, dass diese Version auch bei den Rezipienten die Kenntnis der älteren Abraham-Sara-Episode voraussetzt.41 Ziemer erwägt diese alternative Möglichkeit gar nicht, weil er ausschließlich vom Wachstumsmodell und dessen „Axiom der Selbigkeit“ der Texte ausgeht. Dafür hatte er freilich eine Steilvorlage, insofern Kratz in seinem Beitrag das Konzept der Redaktion inklusive der Selbigkeit des Textes und den Begriff der Rezeption programmatisch zusammenschaltete, um von da aus die nachbiblische Rezeptionsgeschichte in den Blick zu nehmen: Ist es richtig, dass die Entstehung eines biblischen Textes von seinen Anfängen bis zu seiner letzten Gestalt (!) als dynamischer Prozess der Rezeption und (innerbiblischen) Interpretation begriffen werden kann, so stellt sich die Frage, wie sich dieser Prozess zu der Rezeption und (außerbiblischen) Interpretation […] verhält.42

Dass Ziemer die (im Effekt reduktionistische) Totalisierung des Konzepts redaktioneller Fortschreibung an dieser Stelle nicht hinterfragt, mag überraschen.43 Allerdings weist seine Alternative zum Wachstumsmodell, ein „Buch-“ oder „Verschriftungsmodell“, ihrerseits eine Tendenz zur Generalisierung auf und droht damit in eine reduktionistische Falle zu geraten.

41 B. Jacob, Das Buch Genesis, Berlin 1934, 474–475; J. Van Seters, Abraham in History and Tradition, New Haven 1975, 171–172. Gen 26, wo Sara erst gar nicht in das Haus des fremden Königs gerät, wird allerdings kaum die älteste Version sein. Erst recht ist sie nicht aus dem Wortspiel mit „Isaak“ (Gen 26,8) herausgesponnen, steht dieses doch in keinem genuinen Zusammenhang mit den Konstituenten der Erzählungen von Gefährdung und Rettung der Ahnfrau. 42 R. G.  Kratz, Das Alte Testament und die Texte vom Toten Meer, ZAW 125 (2013) 198–213, hier 200. Bezeichnenderweise stellt Ziemer ein Teil-Zitat der Aussage seiner Auseinandersetzung mit Kratz voran. 43 Allerdings muss man mit noch deutlich drastischeren Beispielen für eine mangelnde Unterscheidung zwischen dem „Wachsen“ eines und desselben Textes und diversen Rezeptionen eines bzw. mehrerer Texte rechnen. So setzt sich Pakkala in Omissions, 71–72 mit Carr auseinander, der in Formation, 145 ausführt: „[E]ven the most complex documented cases rarely feature more than two or three stages of major revision of a given text, with ‚major‘ being defined here as revisions that go beyond memory variants of minor scribal glosses and harmonizations/ coordinations.“ Pakkala widerspricht dem und verweist als Beispiel auf „the festival legislation of the Pentateuch (including the Temple Scroll)“. Die Reihe von „revisions“ reiche hier von einer älteren Vorlage für das Bundesbuch („an older monarchical document [or the Code of Hammurabi, as assumed by some]“) über das „Urdeuteronomium“ und das „Heiligkeitsgesetz“ zu Num 28–29 und schließlich zur Tempelrolle. Dementsprechend hätte die Festordnung wenigstens fünf verschiedene „major editions“ in ihrer Literargeschichte erfahren. Offenbar spricht Pakkala aber von etwas anderem als Carr: Während Carr sich auf verschiedene redaktionelle Revisionen ein-und-desselben Textes bezieht, steht „the festival legislation“ für eine Pluralität von Texten, die ein gemeinsames Thema haben. Zwar kann man zwischen diesen Texten viele Möglichkeiten der Rezeption, Beeinflussung, des Widerspruchs etc. annehmen, doch würde jemand Num 28–29 als die vierte Redaktionsstufe/Edition von Ex 23,14–19 oder gar des Bundesbuches bezeichnen wollen?

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Deutlich wird dies im selben Aufsatz bei der Diskussion über Gen 15 und „P“. Hier bestreitet Ziemer die Möglichkeit einer nach-P-Bearbeitung in Gen 15, wie sie u. a. von M. Köckert vertreten wird,44 mit methodologischen Konsequenzen, die sich s.E. aus den dokumentierbaren Beispielen ergeben: Es ist so gut wie ausgeschlossen, aus einem gegebenen Text dessen literarische Vorlage auch nur annähernd in Stil, Wortlaut, Umfang und Inhalt zu rekonstruieren. Das gilt schon für eine unmittelbare Vorlage, es gilt aber erst recht für eine Vorstufe zweiten oder dritten Grades, da auf jeder Stufe ‚mit Umformulierungen, Auslassungen und vor allem mit Zufügungen‘ (Kratz) zu rechnen ist.45

Zugleich teilt Ziemer offenbar den ungewöhnlichen Forschungskonsens bei der Identifizierung der „P“-Texte im Pentateuch und auch die erstaunliche „Einigkeit darüber, dass das Werk der Verfasser von Gen 17* in Ur-, Erzeltern‑ und Exodusgeschichte in allen kanonischen Fassungen weitestgehend im Wortlaut und in der ursprünglichen Reihenfolge erhalten ist.“46 Dies sei aber gemäß obigem Fazit nur zu erwarten, wenn „die Formulierung von Gen 17* unmittelbar mit der Endredaktion des Pentateuch zusammenfällt.“ Damit stehe eine nach-PRedaktion in Gen 1547, die zudem in ihrer sonstigen kontextuellen Zuordnung angeblich unklar bleibt,48 infrage. – Was sind die Voraussetzungen dieser Sicht? Ziemer bezeichnet ein Werk oder Buch, das in irgendeiner Weise substantiell bearbeitet wurde, als „Neuverschriftung“, für die das Prinzip der „Auswahl“49 charakteristisch sei. Dabei gelte: „Hinzufügen geschieht nie allein, sondern nur im Zusammenspiel mit weiteren Vorgängen, wie homogenisierender Auffüllung und Angleichung, Neuanordnung und/oder Auslassung von Elementen des Vorlagentextes.“50 Die Richtigkeit der Einzeldeutungen der behandelten Texte einmal unterstellt, bezieht und stützt sich die Aussage auf eine begrenzte Zahl kontingenter Fallbeispiele. Eine Generalisierung ist von daher logisch nicht möglich.51 Sie erweist sich aber auch als sachlich problematisch. Tatsächlich zeigen sich schon in dem untersuchten Material „individuelle“ Besonderheiten. In der masoretischen Edition des Jeremiabuches mit ihrem umfangreichen Sondergut gegenüber der 44 M. Köckert, Gen 15: Vom „Urgestein“ der Väterüberlieferung zum „theologischen Programmtext“ der späten Perserzeit, ZAW 125 (2013) 25–48. 45 Ziemer, Diskussion, 396 46 Ebd., 387 (Hervorhebungen i.O.). 47 Zu (m. E.) klaren nach-P-Texten, die mit Gen 15 kontextuell verbunden sind, s. E. Blum, The Linguistic Dating of Biblical Texts – An Approach with Methodological Limitations, in: J. Gertz u. a. (Hg.), The Formation of the Pentateuch. Bridging the Academic Cultures of Europe, Israel, and North America (FAT 111), Tübingen 2016, 303–325, hier 315–325. 48 Ziemer, Diskussion, 389–390. 49 „[I]n Bezug auf den konkreten Textumfang und/oder die Textanordnung oder die gewählte Textversion ebenso wie in Bezug auf die je verwendeten Formeln, Formulierungen und andere sprachliche Mittel.“ Ziemer, Kritik, 709–710. 50 Ebd., 709. 51 Dies gilt erst recht für die oben (bei Anm. 38) zitierte Aussage, wonach eine erweiternde Bearbeitung und die vollständige Bewahrung des Wortlauts sich wechselseitig ausschlössen.

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alexandrinischen Version sind, unbeschadet der makro‑ und mikrostrukturellen Umstellungen und der Erweiterung durch einzelne größere Abschnitte, fast keine Auslassungen zu erkennen. Das „Buch-Modell“ scheint denn auch primär von Werken wie Chronik, Jubiläenbuch und Genesis-Apokryphon her inspiriert zu sein. Dabei handelt es sich aber um eigenständige „neue“ Werke, deren Autoren vorgegebene Traditionsliteratur breit rezipieren und mit unterschiedlichen Techniken, darunter Auswählen, Kopieren, Umschreiben und Ergänzen, um sie mit umfangreichen Eigenformulierungen zu einer Schrift mit eigenem Geltungsanspruch zu komponieren. Die Bezeichnung „Neuverschriftung“ mag sich mit einem solchen Texttyp verbinden lassen, nicht aber „Redaktion“, „Fortschreibung“ oder rewriting, wäre es doch unsinnig, Pentateuch, Samuel-, Königsbücher und Psalmen als Vorstufen der Chronik zu verstehen. Aus der ChronikPerspektive handelt es sich um selektiv verarbeitete Vorlagen.52 Im Vergleich damit bleiben die bereits besprochenen Fälle signifikant, die als Beispiele für die Möglichkeit gelten, geschlossene Einschreibungen textintern zu identifizieren: Ri 6,7–10 und 1 Kön 6,11–14. Sie werden bei Ziemer nicht näher behandelt.53 Dabei werfen sie ein Licht auf Möglichkeiten, die bei dem Terminus „Neuverschriftung“ offenbar nicht mitgedacht sind: Die jeweils vier Verse mit Gottesreden in Ri 6 bzw. 1 Kön 6 bilden gezielte lokale Erweiterungen. Sonstige Texteingriffe im engeren Kontext sind textgeschichtlich nicht zu sehen; Ri 6,7–10 hat im Ri-Buch keine Entsprechungen, wohl aber Bezüge zu Jos 24. Aufgrund dieser Befunde von Neuverschriftungen des Richter‑ oder Königsbuches zu sprechen, machte wenig Sinn. Auch technisch sind solche Zutaten ohne komplette „Neuschrift“ eines Richter‑ oder Königsbuches denkbar. Selbst für umfangreichere Texte, wie etwa die in vieler Hinsicht singuläre AbrahamEpisode von Gen 14, konnte es genügen, ein entsprechendes Blatt in eine Rolle einzukleben (Papyrus) oder einzunähen (Leder).54 Sowohl das verbreitete Konzept der Redaktionsgeschichte als auch das von Ziemer ins Spiel gebrachte Modell der „Neuverschriftung“ neigen demnach zu einer gewissen Generalisierung, was wiederum gern zu einer Vereinfachung bzw. einer Ausblendung von Möglichkeiten führt. Dem kann wohl nur entgegengewirkt werden, wenn der Blick auf die bekannten bzw. zu plausibilisierenden 52 Von daher verwundert es, dass Ziemer, Kritik, 272 den Vergleich der Chronik mit ihren Vorlagen zu dem „innerhalb der Hebräischen Bibel beste[n] empirische[n] Beispiel für Redaktion“ erklären kann. Ein solch weiter Gebrauch von „Redaktion“ dient jedenfalls nicht der Klarheit. 53 Ziemer, Kritik, 219–220, erwägt bezogen auf 1QJudga, „dass solche Textstücke in einer freieren Abschrift, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, als entbehrlich gelten konnten.“ Mit Blick auf die Gottesrede in Ri 6,7–10 ist dies nicht sehr überzeugend. 54 Die relativ geringe Zahl solcher textgeschichtlicher Befunde, selbst wenn man die Belege für den alexandrinischen Text in Jeremia einbezieht, dürfte damit zusammenhängen, dass LXX und die Qumran-Handschriften doch eine relativ späte Phase der Literargeschichte des Alten Testaments betreffen, in der frühe abweichende Buch-/Werk-Versionen schon ausgeschieden und verloren waren.

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Phänomene von Textformationen in ihrer ganzen Vielfalt gerichtet wird. Zur Illustration sollen hier einige Typen der Textgenese mit Bezug auf die Verwendung von Vorlagen angeführt werden (mit Beispielen), allerdings ausschließlich für narrative Prosatexte sowie ohne Anspruch auf Systematik und Vollständigkeit: (a) Freie Neuformulierung in der Rezeption vorliegender Texte

Vorlagen und neugestaltende Rezeption innerbiblisch dokumentiert – Elisa‑ und Eliazyklus:55 2 Kön 4,1–7 (Elisa: arme Witwe in Samaria; Ölwunder)    + 4,8–37 (Elisa: reiche Sunemiterin; Auferweckung des Sohnes) → 1 Kön 17,8–16 (Elia: arme Witwe zu Sarepta; Öl‑ und Mehlwunder)    + 17,17–24 (Elia: arme Witwe zu Sarepta; Auferweckung des Sohnes) – Die Ahnfrauerzählungen in Gen 12,10–20; 20; 26,*1–11

(b) Bestehendes Kompositwerk erweitert durch Einfügung eigenständiger Kompositionen/Überlieferungen – Vordere Propheten ← Eliazyklus / Elisazyklus56 / 1 Kön 2257

Einschreibung neuer Episoden

Vordere Propheten ← 1 Kön 13;58 Naboterzählung59

(c) Neu-Edition auf der Basis bestehender Werke mittels gezielter Einschreibungen – Proto-Pentateuch (KP inkl. KD) → Transitorischer Hexateuch (Gen-Jos): Das „Tora­buch Gottes“ (+ Gen 33,19; 35,2–5; 48,15 f.; 21 f.; 50,25 f.; Ex 13,19; Jos 24,1–32)60

55 Dazu E. Blum, Der Prophet und das Verderben Israels. Eine ganzheitliche, historischkritische Lektüre von 1 Kön 17–19, VT 47 (1997) 277–292, hier 278–283 = Ders., Textgestalt und Komposition. Exegetische Beiträge zu Tora und Vordere Propheten (FAT 69), Tübingen 2010, 339–353, hier 340–346. Für die zweite Episode bereits A. Rofé, Classes in the Prophetical Stories. Didactic Legenda and Parable, in: G. W.  Anderson u. a. (Hg.), Studies on Prophecy (VT.S 26), Leiden 1974, 143–164, hier 149–150. 56 H.-J. Stipp, Elischa – Propheten – Gottesmänner. Die Kompositionsgeschichte des Elischazyklus und verwandter Texte, rekonstruiert auf der Basis von Literar‑ und Textkritik zu 1 Kön 20.22 und 2 Kön 2–7 (ATSAT 24), St. Ottilien 1987; S. Otto, Jehu, Elia und Elisa. Die Erzählung von der Jehu-Revolution und die Komposition der Elia-Elisa-Erzählungen (BWANT 152), Stuttgart 2001 (mit Lit.). 57 H.-J. Stipp, Ahabs Buße und die Komposition des deuteronomistischen Geschichtswerks, Bib. 76 (1995) 471–497. 58 E. Blum, Die Lüge des Propheten. Ein Lesevorschlag zu einer befremdlichen Geschichte (1 Kön 13), in: Ders. (Hg.), Mincha (FS R. Rendtorff ), Neukirchen-Vluyn 2000, 27–46 = Ders. Textgestalt, 319–338. 59 E. Blum, Die Nabotüberlieferungen und die Kompositionsgeschichte der Vorderen Propheten, in: R. G.  Kratz u. a. (Hg.), Schriftauslegung in der Schrift. FS O. H. Steck (BZAW 300), Berlin 2000, 111–128 = Ders., Textgestalt, 355–374. Die Unterscheidung zwischen „Einfügung“ (einer gegebenen Überlieferung) und „Einschreibung“ (für den Kontext formuliert) kann freilich eine Frage von Indizien sein (ebd., 120–122 = 364–366); sie kann darüber hinaus verschwinden, wenn eine vorgegebene Überlieferung auf einen individuellen Kontext hin umformuliert wird. 60 E. Blum, Die Komposition der Vätergeschichte (WMANT 57), Neukirchen-Vluyn 1984,

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(d) Editorische Formation eigenständiger Bücher, basierend auf Kompositwerk und eigenständigen Überlieferungen – Richterbuch ← + Anhang (Ri 17–21) und Anfang (Ri 1)61 – Samuelbücher ← Anhänge (2 Sam 21–24)62

(e) Einbindung eigenständiger Vorlagen in ein neues Werk

– DtrG ← Saul-David-Erzählungen / Annalen der Könige von Israel und Juda (selektiv) etc.63

(f ) Literarische Vorlage fortgeschrieben, gekürzt, erweitert etc. zu neuer Version – Zweiteilige Jakob-Esau-Laban-Erzählung → dreiteilige Jakoberzählung64

(g) Verknüpfung eigenständiger Erzählungen

– Jakoberzählung + Josephgeschichte + Gen 48* (Jakobsegen) → Jakobgeschichte65 – Aufstiegsgeschichte Davids + Thronfolgegeschichte → Dynastieerzählung (F. Stolz)66

Ob alle Beispiele bzw. deren Voraussetzungen geteilt werden, ist zweitrangig. Es geht primär um die grundsätzliche Möglichkeit solcher „Typen“ der Textgenese. Im folgenden Abschnitt wird darauf zurückzukommen sein.

III. Konsequenzen für die exegetische Arbeit – eine Einladung zu gemeinsamer Selbstverständigung Jede fachwissenschaftliche Publikation impliziert pragmatisch eine Einladung zu einer direkten oder indirekten Kommunikation über die betreffende Position bzw. Fragestellung. Hier soll es darüber hinaus um das Desiderat einer sachlich anstehenden Kommunikation innerhalb des Faches gehen. Die kritische Prüfung der Möglichkeiten textinterner diachroner Analysen anhand dokumentierter überlieferungsgeschichtlicher Prozesse hat in vieler Hinsicht ernste Zweifel an der Realisierbarkeit der selbst gesetzten Zielvorgaben 40–61; zuletzt Ders., Once Again. The Compositional Knot at the Transition between Joshua and Judges, in: C. Berner / H. Samuel (Hg.), Book-Seams in the Hexateuch I. The Literary Transitions between the Books of Genesis/Exodus and Joshua/Judges (FAT 120), Tübingen 2018, 221–240. 61 U. Becker, Richterzeit und Königtum. Redaktionsgeschichtliche Studien zum Richterbuch (BZAW 192), Berlin 1990; E. Blum, Once Again (zu Ri 1). 62 M. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien. Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament (SKG.G 18,2), Halle 1943, 62 Anm. 3; zuletzt C. Edenburg, 2 Sam 21–24. Haphazard Miscellany or Deliberate Revision?, in: Müller / Pakkala, Insights, 189–222. 63 Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, 61–66. 64 E. Blum, The Jacob Tradition, in: C. Evans u. a. (Hg.), The Book of Genesis. Composition, Reception, and Interpretation (VT.S 152), Leiden 2012, 181–211. 65 Blum, Komposition, 246.253–254.258. 66 F. Stolz, Das erste und zweite Buch Samuel (ZBK.AT 9), Zürich 1981.

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geweckt. Diese Zweifel werden dadurch verstärkt, dass sie den Plausibilitätsdefiziten der impliziten Axiome beim üblichen Verfahren der Literarkritik korrespondieren. Zugleich blieb die Frage der methodischen Konsequenzen bisher entweder offen,67 gleich ob die Forderung, auf Literargeschichte nicht zu verzichten, eher defensiv oder mit einem offensiven „Weiter-so!“ vertreten wird, oder die Frage wird sehr konkret, aber nicht weniger pauschal, beantwortet mit der Forderung einer Beschränkung entstehungsgeschichtlicher Thesen auf maximal einen Schritt hinter die handschriftlich bezeugten Textgestalten – ohne Ansehen der divergierenden Befunde. Die hier anstehenden Fragen, mit sehr weitreichenden Folgen hinsichtlich ‚Anspruch und Wirklichkeit‘ der Disziplin als ganzer, verlangen nach einem breiten und ernsthaften Austausch innerhalb des Faches, nach einer diskursiven Selbstverständigung. Die folgenden Ausführungen verstehen sich in diesem Sinne als ein in jeder Hinsicht offener Gesprächsbeitrag. Darin wird es zunächst darum gehen, ob und wie Parameter für tragfähige exegetische Analysen zu gewinnen sind. „Empirisch“ fundierte Parameter Nach Lage der Dinge erscheint es geboten, bei der Suche nach tragfähigen Kriterien und Parametern von empirisch gestützten „Daten“ auszugehen. Dazu gehören zunächst die (relativ wenigen) dokumentierten Fälle, in denen der dokumentierte Befund diachroner Arbeit am Text nachweislich mit begründeten textinternen Hypothesen kongruiert. In den neueren Publikationen sind dies jedenfalls Ri 6,7–10 und 1 Kön 6,11–14; des Weiteren wird man mit H.-J. Stipp einige Abschnitte des MT-Sonderguts in Jeremia: 29,16–20; 33,14–26; 39,4–13 hinzurechnen dürfen.68 Darüber hinaus bietet sich m. E. aber an, auch nach Bereichen elementarer Übereinstimmungen innerhalb des Fachs zu fragen und danach, worauf die allfällige Übereinstimmung beruht. Das nächstliegende Beispiel dafür ist die Abgrenzung der sog. priesterlichen Texte („P“ im umfassenden Sinne) innerhalb des Pentateuchs. Auch wenn, wie schon betont, selbst ein relativ breiter Konsens doch nur beschränkte Signifikanz hat, kommt der nahezu kompletten 67 Dabei helfen auch quasi-salvatorische Erklärungen über den hypothetischen Charakter der Analysen (der freilich für alle historischen Rekonstruktionen gilt) oder über die Vorsicht, die zu walten habe, nicht weiter, solange die Plausibilitätskriterien nicht klar sind, nach denen die Hypothesen zu beurteilen wären. 68 H.-J. Stipp, A Semi-Empirical Example for the Final Touches to a Biblical Book. The Masoretic Sondergut of the Book of Jeremiah, in: Müller / Pakkala, Insights, 295–318, hier 317: „It seems reasonable to say that even without the testimony of the Old Greek, numerous critical scholars would still advocate the secondary status of these passages within their contexts. Yet the mass of the Sondergut would be impossible to uncover, and we would never have guessed that the entire book had been rearranged, and even less so that the Oracles against the Nations had been given a new sequence.“

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Übereinstimmung bei der Identifizierung der priesterlichen Texte im Pentateuch (und darüber hinaus) eine andere, in der alttestamentlichen Forschung wahrhaft singuläre Qualität zu. Die Übereinstimmung69 besteht etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts70 – international und unabhängig von konfessionellen Prägungen, sofern überhaupt das Recht einer kritischen historisch-philologischen Forschung an der Hebräischen Bibel zugestanden wurde/wird.71 Gerade angesichts der eingangs notierten atonalen Mehrstimmigkeit, die große Teile der Forschung ansonsten bestimmt, hat dieser Konsens gleichsam eine vermittelt-„empirische“ Bedeutung. Was sind die Merkmale/Parameter, welche die hohe Erkennbarkeit der P-Texte vor dem Hintergrund der nicht-P-Überlieferung ermöglichen? Die sieben mutmaßlich wichtigsten seien hier erinnert (in der Regel ohne Beispiele und Belege): (1) Häufige sachliche/narrative/thematische Dubletten, z. T. nicht harmonisierbar (2) Ausgeprägte Spannungen in diskontinuierlichen Fügungen mit nicht-P, z. T. in klarem Widerspruch bzw. als Korrektur der Vorlage72 (3) An markanten Positionen in sich gerundete Abschnitte, z. B. Gottesreden (4) Markante Terminologie und Phraseologie mit hohem Wiedererkennungsgrad (5) Interne Querbezüge, Verknüpfungen durch Rück‑ und Vorverweise oder durch wörtliche Wiederholungen etc. (6) Makrostrukturelle Markierungen, verbunden mit narrativen und diskursiven Verflechtungen (7) Durchgehendes, komplexes inhaltliches Profil, kontrastierend zur nicht-P-Überlieferung

Zumeist koinzidieren mehrere dieser Merkmale; dies ermöglicht die konsensuelle „Scheidung“ des „P-Fadens“ selbst im Falle fortlaufender (linearer) Verflechtung mit nicht-P-Episoden (Sintflut; Ex 13 f. etc.). Auf den ersten Blick schwach markierte, kürzere Elemente, die zudem kontinuierlich in den unmittelbaren Kontext eingebunden sind, können dank dichter sprachlicher Übereinstimmung mit eindeutiger P-Verankerung zugeordnet werden.73 Überhaupt dürfte die hohe sprachliche, d. h. phraseologische und stilistische Signifikanz und Geschlossenheit den vielleicht wichtigsten Beitrag zur Identifizierbarkeit der P-Texte leisten. 69 Leider gibt es keine empirischen Erhebungen in der Kollegenschaft zu solchen Fragen. Nach meinem Eindruck betrifft die Übereinstimmung deutlich über 95 % der fraglichen Texte. 70 Th. Nöldeke, Die s.g. Grundschrift des Pentateuchs, in: Ders., Untersuchungen zur Kritik des Alten Testaments, Kiel 1869, 1–144, konnte bereits die Ernte einfahren. 71 Interessanterweise ist der Konsens in der Identifizierung als „priesterlicher“ Abschnitt oder Vers auch unabhängig von den jeweiligen Theorien über den Charakter der „Schicht“ (Quelle, Bearbeitung, zweistufige Komposition), über mögliche inner-P-Vorlagen, über etwaige Fortschreibungen (P1, P2 etc.) oder über die Zuordnung des „Heiligkeitsgesetzes“. 72 Vgl. Gen 35,9–15 oder Ex 6,2–8, dazu E. Blum, Noch einmal. Das literargeschichtliche Profil der P-Überlieferung, in: F. Hartenstein / K. Schmid (Hg.), Abschied von der Priesterschrift? Zum Stand der Pentateuchdebatte (VWGTh 40), Leipzig 2015, 32–63, oder das Ohel Moed ab Ex 25 neben Ex 33,7–11. 73 Vgl. Gen 12,5; 13,6; 31,17 f. ← 36,6; 46,6.

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Wesentlich gestützt wird die diachrone Differenzierung durch intensive synchrone Analysen der strukturellen, narrativen und inhaltlichen Zusammenhänge auf der Ebene der P-Komposition(en),74 die primär wohl dem Interesse an der Theologie von P zu verdanken sind.75 An wenigen Stellen ist noch zu erkennen, dass Abschnitte der nicht-P-Vorlage von P überlagert (Geburt Isaaks in Gen 21,1–676) bzw. retouchiert wurden (z. B. Ex 34,29–3577). In diesen Fällen sind „Vorstufenrekonstruktionen“ nicht möglich. Strittig ist die Interpretation der Lücken innerhalb der narrativen Fabel von P, die zudem vom Profil des diachronen Grundmodells für „P“ nicht zu trennen ist.78

Die skizzierte Kumulierung signifikanter Parameter im P-Syndrom, vor allem aber die gleichsam ungehemmte, ja z. T. intentionale diskontinuierliche Fügung von P und vor-P ist nicht nur in der alttestamentlichen Prosaüberlieferung exzeptionell, sondern auch im Vergleich mit nachbiblischen Werken wie Tempelrolle, Jubiläen, Genesis-Apokryphon, Pseudo-Philo, Josephus etc. Sie fällt schlicht aus dem Rahmen dessen, was als Textmodell altorientalischer und jüdischer Traditionsliteratur zu erwarten ist. Wie andernorts ausgeführt, ist dies ein entscheidender Grund für die These, dass die singuläre Formation des Pentateuchs aus rein innerjüdischen Prozessen nicht hinreichend zu erklären ist, wohl aber unter Einbeziehung spezifischer Rahmenbedingungen der persischen Politik.79 74 Zur Fragwürdigkeit der unseligen Reduzierung des Begriffs der „Synchronie“ auf die sog. Endgestalt biblischer Texte/Bücher s. E. Blum, Vom Sinn und Nutzen der Kategorie „Synchronie“ in der Exegese, in: W. Dietrich (Hg.), David und Saul im Widerstreit – Diachronie und Synchronie im Wettstreit (OBO 206), Freiburg i. Ue. / Göttingen 2004, 16–30 = Blum, Grundfragen, 56–68, und Kratz, Redaktionsgeschichte, 368. 75 Vgl. etwa E. Blum, Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189), Berlin 1990, 287–332 mit dem Verweis auf (noch) ältere Untersuchungen von N. Lohfink, E. Zenger u. a. 76 Die von Gen 18,10–15 her zu erwartende narrative „Gestaltschließung“ (C. Hardmeier) mag auch (bis auf sprachliche Anklänge) ganz verdrängt worden sein. 77 E. Blum, The Diachrony of Deuteronomy in the Pentateuch. The Cases of Deuteronomy 1–3 and the Prophetic Tent of Meeting Tradition, in: P. Dubovský / F. Giuntoli (Hg.), Stones, Tablets, and Scrolls. Periods of the Formation of the Bible (Archaeology and Bible 3), Tübingen 2020, 283–299, hier 298. 78 Vgl. die Diskussion in E. Blum, Noch einmal, 35–43, und Th. Römer, Zwischen Urkunden, Fragmenten und Ergänzungen. Zum Stand der Pentateuchforschung, ZAW 125 (2013) 2–24, hier 15–17. Ein interessantes Detail bildet in diesem Zusammenhang der nahtlose Übergang von Ex 2,23aß–25 (P) zu 6,2 ff. (P), mit der Einschränkung, dass hier die Einführung des menschlichen Hauptakteurs Mose fehlt. Dieses Fehlen stellt kein „ästhetisches“ Problem (im Sinn von „Geschmacksfrage“) dar (Römer, Urkunden, 17 Anm. 72), sondern eines der narrativen Kohärenz und fügt sich insofern perfekt zu der auch von Römer vertretenen Möglichkeit eines separat formulierten P-Konzepts, das als (P‑)Vorlage für die Verknüpfung mit nichtP-Vorlagen diente. Für die Signifikanz entsprechender narrativer Kohärenzstörungen kann man „empirisch“ auf Beispiele wie die Michal-Notiz in 1 Chr 15,29 oder den Satz „während David in Jerusalem wohnte/saß“ in 1 Chr 20,1 verweisen, die im Chr-Kontext blinde narrative Elemente darstellen, aber zugleich – von 2 Sam her gesehen – Auslassungen aus der Vorlage anzeigen (im zweiten Fall: die gesamte Batseba-Affäre). 79 Dazu Blum, Studien, 333–360; Ders., Esra, die Mosetora und die persische Politik, in:

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Unbeschadet dessen liegt es nahe, von der P-Überlieferung her nach anderen Exempeln für relativ breite Übereinstimmungen bei der Abgrenzung literarischer Schichten zu fragen. Dabei wird der Blick wohl in erster Linie auf die deuteronomistische(n) Redaktion(en) im Bereich der Vorderen Propheten fallen. Die Annahme solcher Bearbeitungen war bereits vor M. Noth in der Forschung selbstverständlich. Auch wenn Noths Deuteronomistisches Geschichtswerk (DtrG) im Bereich von Dtn 1 bis 2 Kön 25 als planvolles Werk eines Autors inzwischen in vieler Hinsicht wieder zur Debatte steht und teilweise von der Annahme zahlreicher dtr Hände abgelöst wird, besteht hinsichtlich der Identifikation der Texte, die als dtr gelten können, immer noch ein erheblicher Konsens, auch wenn er dem zu P nicht gleichkommt.80 Als Hauptmerkmale fungieren wieder signifikante sprachliche Profile81 und ein erkennbares theologisches Profil. Ähnlich wie bei P kann die Analyse sich dafür an programmatischen Abschnitten mit Gottesreden, Reden von Hauptakteuren und mit evaluierenden Abschnitten der (anonymen) Verfasser orientieren. Relativ hoch erscheint die Trennschärfe dann, wenn Erzählungen oder Erzählkreise mit eigenem Profil (wie diverse Prophetengeschichten in Kön) in den dtr geprägten Zusammenhang eingebunden sind. Als wichtiges Kontrollinstrumentarium kommen hier potentiell die jeweiligen synchronen Kohärenzprüfungen hinzu. Was haben die hinsichtlich der Konsensfindung positiven „Leuchttürme“ der identifizierbaren priesterlichen (und deuteronomistischen) Texte einerseits und die einschlägigen empirischen Fallbeispiele andererseits gemeinsam? Nach meiner Einschätzung sind es – in wechselnden Kombinationen – primär folgende Parameter: (1) Kontrastive sprachliche und/oder inhaltliche Profilierung der diachron zu unterscheidenden Textkomponenten. (2) Das Vorliegen textlicher „Einheiten“ mit erkennbaren „Rändern“ (1 Kön 6; JerMT-Sondergut)82, evtl. im Verbund mit bekannten Techniken der An-/ Einbindung (Aufnahme, Wiederaufnahme etc.) (Ri 6). R. G.  Kratz (Hg.), Religion und Religionskontakte im Zeitalter der Achämeniden (VWGTh 22), Gütersloh 2002, 231–256 = Ders., Textgestalt, 177–205. Zur weitläufigen Diskussion, in welcher der o.g. Sachverhalt allerdings eher selten berücksichtigt wird, s. K. Schmid, Persische Reichsautorisation und Tora, in: ThR 71 (2006) 494–506; Ders., The Persian Imperial Authorization as Historical Problem and as Biblical Construct. A Plea for Differentiations in the Current Debate, in: G. N.  Knoppers / B. M.  Levinson (Hg.), The Pentateuch as Torah. New Models for Understanding Its Promulgation and Acceptance, Winona Lake 2007, 22–38. 80 Methodisch ist auch zu bedenken, dass „dtr“-Phraseologie bis in frühjüdische Literatur hinein verbreitet ist und offenbar zu einem allgemeinen Idiom religiöser Sprache wurde. 81 In diesem Zusammenhang mag der Verweis auf den Klassiker M. Weinfeld, Deuteronomy and the Deuteronomic School, Oxford 1972, und darin auf den Appendix A. Deuteronomic Phraseology genügen. 82 Die Formulierungen sind bewusst offen gehalten, weil mit vielen unterschiedlichen Phänomen zu rechnen ist: szenische (relative) Eigenständigkeit, Redeeinheit vs. Darstellung/ Bericht der Erzählerebene, Bericht vs. Bewertung etc.

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(3) Das Vorliegen mehr oder weniger ausgeprägter Spannungen zwischen den Texten/Textelementen (Ri 6) oder auffallender Differenzen in der Textsorte (1 Kön 6) oder unterschiedlicher Textpragmatik u. ä.m. (4) Das Vorliegen signifikanter (expliziter/impliziter) Querbezüge zum engeren/ weiteren Kontext (Ri 6). (5) Synchrone Analysen der angenommenen Ebenen bestätigen/verstärken unterschiedliche Grade der Textkohärenz (Ri 6; 1 Kön 6). Diese noch recht grobe Aufstellung bedarf selbstverständlich der Entfaltung und der Ergänzung, Letzteres allein schon deshalb, weil primär diskursive, poetische, präskriptive, paränetische oder aufzählende Textsorten hier allenfalls am Rande in den Blick genommen wurden. Mehr noch, selbst als differenzierter und kompletter Kriterienkatalog bliebe sie für eine mutmaßlich große Anzahl narrativer Texte in einer fundamentalen Hinsicht irrelevant, insofern die Aufstellung nur für solche Textbildungstypen einschlägig ist, wie sie in Abschnitt II als Typen (b)–(g) präsentiert wurden, d. h. für Formationen, die in irgendeiner Spielart eine erkennbare Fügung von Textkomponenten einschließen. Dem stehen alle Textrezeptionen gegenüber, die als freie Neuformulierungen gelten können. Diese Einschränkung war de facto bereits vorweggenommen mit der Orientierung der Merkmale/Parameter an solchen „empirischen“ Beispielen, welche die Möglichkeit einer textinternen Analyse zu belegen scheinen. Eben diese Möglichkeit ist nämlich für das inner‑ und außerbiblisch vielfach belegte Textbildungsmuster (a) evident ausgeschlossen – womit sich die eingestandene Zirkularität als zwangsläufig und begründet erweist. Beziehen wir uns im Folgenden demnach allein auf Textbildungen, die in einem weiten Sinne mit „Text-Fügungen“ einhergehen,83 so wird damit zwar mutmaßlich ein erheblicher Teil (auch) israelitischer Texte ausgeklammert. Zugleich bleibt aber eine große Anzahl biblischer Texte im Fokus, nicht zuletzt solche, die in der Forschung vorrangig „literarkritisch“ traktiert wurden. Unsere bisherigen Befunde für diesen Bereich legen nahe, dass die Wahrscheinlichkeit, historische Textbildungsprozesse mit den Möglichkeiten textinterner Analysen hinreichend zuverlässig erkennen zu können, weder unter allen Bedingungen und Konstellationen gleich ist, noch beliebig. Die Bedingungen lassen sich vielmehr, so eine hier zur Diskussion gestellte These, mit Gründen einem dynamischen Spektrum zuordnen, dessen Pole am ehesten mit der Benennung von Tendenzen bestimmt werden können. In Aufnahme der oben gelisteten Parameter steht danach an einem Ende des Spektrums Prognose A: Die Möglichkeit einer erkennbaren diachronen Text83 Diese Beschränkung ist nicht mit dem Modell einer exklusiv additiv arbeitenden Literaturbildung zu verwechseln: Textfügungen und Texttransformationen bzw. ‑kürzungen schließen sich nicht aus.

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fügung und einer verlässlichen Rekonstruktion der Textgenese gewinnt umso höhere Plausibilität, (1) je deutlicher die an der Textformation beteiligten Komponenten sich in der sprachlichen und/oder inhaltlichen Prägung unterscheiden und (2) je eher es sich um abgeschlossene bzw. an den Rändern konturierte Komponenten handelt, ggf. im Verbund mit kompositionellen Techniken und (3) je eindeutiger und massiver Indizien von Inkohärenz im Bereich der Syntax, Semantik, Pragmatik und/oder Genres zu erkennen sind und (4) je komplexer und dichter allfällige Kontextbezüge gefügter Komponenten sind und (5) je klarer die zu unterscheidenden diachronen Textzusammenhänge sich in synchronen Analysen bewähren. Am anderen Ende des Spektrums steht Prognose Z: Die Möglichkeit einer erkennbaren diachronen Textfügung und einer verlässlichen Rekonstruktion der Textgenese verliert tendenziell an Plausibilität, (1) falls die an der Textformation beteiligten Komponenten sich in der sprachlichen und/oder inhaltlichen Prägung nicht signifikant unterscheiden und (2) falls es sich um fortlaufend (linear) miteinander verschränkte Textelemente handelt und (3) falls keine oder undeutliche Indizien von Inkohärenz im Bereich der Syntax, Semantik, Pragmatik und/oder Genres zu erkennen sind und (4) falls keine signifikanten Bezüge der Komponenten auf andere, ihrerseits signifikante Kontexte erkennbar sind und (5) falls einer der diachron unterschiedenen Textzusammenhänge sich in der synchronen Analyse nicht als sinnvoll erweist. Da die in beiden „Prognosen“ aufgeführten Konditionen eher selten in der kompletten Aufreihung begegnen werden, könnte man versucht sein, zur Bestimmung von Zwischenstufen sich einen Algorithmus vorzustellen, der alle möglichen Kombinationen kreiert und reiht. Dies allerdings wäre ein Holzweg, nicht nur deshalb, weil es zwischen den Konditionen kein apriorisches Geltungsgefälle gibt und weil die Reihung grundsätzlich offen ist für weitere Komponenten, sondern vor allem, weil nicht viel an der Quantität der Parameter hängt, aber umso mehr an ihrer Qualität, d. h. an dem Grad ihrer Signifikanz (und ggf. an ihrer Suffizienz). In bestimmten Fällen mögen auch einzelne Konditionen hinreichen (z. B. A[5] / Z[5]).

Exemplarische Konkretionen der Parameter und die Frage nach den Grenzen Bevor wir auf das skizzierte ‚dynamische Spektrum‘ zurückkommen können, soll die Rolle methodischer Parameter zunächst an den sieben in Abschnitt II aufgelisteten Textbildungstypen84 bzw. an den dort angeführten Beispielen konkretisiert werden, zumindest in Ansätzen. 84 S.

oben S. 254–255, dort auch Literaturverweise, die i.F. die Ausnahme bleiben.

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Ad (a): Zwei aufeinanderfolgende Wunder-Episoden (mit ausgeprägt magischen Elementen) der literarisch vorliegenden Elisa-Vita wurden für den Eliazyklus neu erzählt und dabei an den Kontext angepasst (z. B. eine Frau, nicht zwei; Mehrung von Öl und Mehl in Dürre‑ und Hungersnot). Zugleich sind die auf den „heiligen Gottesmann“ fokussierten Legenden frei umgestaltet zu theologischen Exempla über das Vertrauen auf das JhwhWort im Munde Elias. Zwar gibt es in 1 Kön 17 vereinzelte Anzeichen einer narrativen Inkohärenz, vor allem den Umstand, dass die arme Witwe in der zweiten Episode ein Haus mit Obergeschoss besitzt. Diese Spuren85 erschließen sich aber erst aus dem Vergleich mit 2 Kön 4, sie sind redaktionskritisch irrelevant. Ein Rückschluss auf die realen Vorlagen wäre nicht einmal in Umrissen möglich. Entsprechendes gilt für die Ahnfrauerzählungen (s. o.). Kurzum: Dieses eminent wichtige Muster der Textbildung,86 das in der Standardexegese weithin ausgeblendet erscheint, unterscheidet sich kategorial von den in (b)–(g) angeführten Fällen. Ad (b): Jedenfalls seit den 1980er Jahren hat sich ein zunehmend breiter Konsens etabliert, wonach ein Großteil der genannten Prophetenerzählungen, wenn nicht alle, nach-dtr in die entstehenden Königsbücher eingefügt/-geschrieben wurden. Zugleich werden die Anfänge dieser Erzähltraditionen bzw. Erzählkompositionen zu einem erheblichen Teil in dem noch bestehenden Nordreich Israel gesehen. Dieser Konsens stützt sich auf Beobachtungen zur narrativen Eigenständigkeit, zu den Gattungen, den inhaltlichen Profilierungen, von signifikanten Widersprüchen zum tragenden dtr Kontext (z. B. bei 1 Kön 22) oder zu Techniken der Einschreibung (z. B. 1 Kön 13). Zum Teil bestätigt der stringente (synchrone) Zusammenhang der zu erschließenden Zielvorlage die nachträgliche Einschreibung (so bei der Nabot-Geschichte). Einsichten zur Pragmatik mit korrespondierenden Datierungen können für die Unterscheidung von Einfügungen und Einschreibungen hilfreich sein. Im Wesentlichen greifen hier demnach Aspekte der Parameter (#1)–(#3), (#5). Ist neben diesem Einbau klar umrissener Erzählungen mit weiteren unkenntlichen Zusätzen, Kürzungen oder Umschreibungen der Ziel-Vorlage zu rechnen (wie von Ziemer postuliert)? Wahrscheinlich nicht: Derartige Eingriffe liegen weder in der Logik der Einfügung thematisch hochprofilierter und geschlossener „Textbausteine“ noch gibt es dafür indirekte Indizien.87 Ad (c): Die Stringenz dieser Einschreibungen beruht auf einem Geflecht narrativer Ketten von Gen 33,19 bis Jos 24, das mit Jakobs Kauf eines Feldes vor der Stadt Sichem(!)

85 Dazu gehören theoretisch auch die Reden von „ihrem Haus (= familia)“ in 1 Kön 17,15 (MT) und von „meinen/deinen/ihren Söhnen“ in 1 Kön 17,12.13.15 (LXX), die genau besehen analytisch sogar in die Irre führen würden. 86 Die Erhebung und Beschreibung seiner innerbiblischen „Dokumentation“ bleibt als Aufgabe. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass neben den Ahnfrauerzählungen auch die Parallelen in Gen 26B und 21B (Abraham und die Philister in Beerseba) heranzuziehen wären; die ElisaLegenden wurden bekanntlich nicht nur mit Elia neuerzählt, sondern auch mit dem Jesus der synoptischen Evangelien. 87 Die zwei Einschreibungen mit dem Gottesmann in Bethel und Nabot „docken“ z. T. eng an den Vorlagen-Kontext „an“ und greifen auf diesen aus, bleiben dabei aber deutlich erkennbar. Zu 1 Kön 13 s. K. Weingart, Jerobeam und seine Kulthöhen. Geschichte als Argument im religiösen Diskurs der Perserzeit, in: J. J.  Krause u. a. (Hg.), Eigensinn und Entstehung der Hebräischen Bibel. FS E. Blum (FAT 136), Tübingen 2020, 315–330, hier 319–320.323–324. Zu 1 Kön 21 vgl. Blum, Nabotüberlieferungen, 119–125 = 364–371.

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einsetzt und mit der Beisetzung der Gebeine Josephs auf eben diesem Feld88 den Bogen schließt. Dazu gehören die Kurznotizen über das Vermächtnis Josephs (Gen 50,25 f.) und die Mitnahme seiner Gebeine beim Auszug (Ex 13,19). Mit dieser Linie ist aber vor allem die Abrenuntiation der Fremdgötter (‫ )הסירו את אלהי הנכר‬durch Jakob und seine Familie „unter der ‫ אלה‬bei Sichem“ in Gen 35,2–4 (im Nahkontext von 33,19) verflochten, welche das Ablegen (‫ )הסיר‬der Fremdgötter (‫ )אלהי הנכר‬durch Josua/Israel in Sichem präfiguriert – im Kontext des Bundesschlusses, dessen Zeugenstein Josua unter der ‫ אלה‬im Jhwh-Heiligtum zu Sichem aufstellt. Dabei erklären sich Gen 35* und Jos 24 wechselseitig: Wirkt Jakobs Aktion im Genesiskontext unvorbereitet, so erschließt sie sich von Jos 24 her: Das darin wichtige, aber ebenfalls unvermittelt erscheinende Motiv der mesopotamischen Götter,89 denen die Väter Abrahams und Nahors jenseits des Euphrat gedient hatten, beruht auf einer aktualisierenden Lesung der Jakob(‑Laban)-Überlieferung: Dabei mutierten die „(Familien‑)Götter“ des Nahor-Enkels Laban, die von Josephs Mutter von jenseits des Flusses (Gen 31,21) mitgenommen worden waren, zu einem Fall mesopotamischer „Fremdgötter“ in Jakobs Familie (Gen 35) und zu einem Paradigma für die Adressaten von Jos 24. – Die Zusammenhänge von Jos 24 wurden hier skizziert, weil sie vor Augen führen, wie grundlegend narrative Querbezüge für die Identifizierung einer Einschreibung sein können (#4), hier neben (#1) und (#2), auch ohne durchgehende literarkritische Indizien. Die Interpretation der Einschreibungen als (intendierte) Neu-Edition eines Hexateuchs mit Jos 24 als Abschluss ergibt sich nicht allein aus der Profilierung der Josuarede als „ein Hexateuch in kleinster Form“ (G. von Rad), sondern – besonders schlagend – aus der Selbstbezeichnung des (mit der Genesis einsetzenden und) in Jos 24 kulminierenden Werks als „Torabuch Gottes“ (Jos 24,26).90 Ad (d): Die Rede von „Buchanhängen“ im Richterbuch und in 2 Samuel bzw. die Deutung von Ri 1 als eine Art Vorbau am Buchanfang ist weit verbreitet.91 Die Gründe dafür liegen in der Disparatheit dieser Komponenten innerhalb des „Anhangs“ (2 Sam 21–24) und/oder gegenüber dem Kernbereich der Bücher und in ihrer strukturellen Positionierung. Besonders signifikant ist letztere in 2 Sam mit der Unterbrechung der Groß88 In unmittelbarem Anschluss an die Beisetzung Josuas auf seiner ephraimitischen ‫נחלה‬, der

zudem das gleiche Lebensjahr wie Joseph erreicht hat. 89 Das Motiv gehört zur Samaritaner-Thematik, die für die Pragmatik von Jos 24 wesentlich ist. 90 Die nach-P Ansetzung beruht auf Indizien. Dazu gehört der Befund, dass die beiden einzigen Beispiele für den Kauf eines Stücks Land durch die Erzväter Israels der Kauf „des Feldes Ephrons“ vor Mamre (Gen 23,17 etc.) durch Abraham für die Bestattung Saras, das dann zum Grab der drei Erzeltern-Generationen wurde, und eben der Kauf des Feldes vor Sichem durch Jakob darstellen, beide Male mit Nennung des Kaufpreises. Diese Parallele zeigt zum einen an, dass Gen 33,19 schon auf einen Grabkauf „zielt“, zum anderen, dass Joseph mit der Grabtradition dem Rang nach in die Nähe der Erzeltern gerückt wird. Die besondere Verbindung von Grab und Landkauf spiegelt sich indirekt in Gen 48,(15 f.) 21 f., einem Zweig der Jos 24-Linie (E. Blum, The Connection between the Books of Genesis and Exodus and the End of the Book of Joshua [hebr.], in: Z. Talshir / D. Amara [Hg.], On the Border Line. Textual [Criticism] meets Literary Criticism. In Honor of Alexander Rofé [Beer-Sheva 18], Beer-Sheva 2005, 13–32, hier 22–23). In diesem Vermächtnis betont Jakob die Einnahme Sichems (das Joseph gehören soll!) von den Amoritern (!) „mit meinem Schwert und Bogen“. Zu dieser mit Gen 34 kollidierenden Akzentuierung dürfte der Kauf des Grabfeldes bei Sichem als Kontrast zu denken sein. 91 Beim Richterbuch wird auch gern von einem „Rahmen“ gesprochen (in der Annahme einer verbindenden Konzeption).

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erzählung über das Davidhaus zwischen 2 Sam 20 und 1 Kön 1 f. Ob bei solchen Anhängen eine (technische) Schriftrollengrenze am Anfang stand oder die Einfügung einer Überlieferung, die an anderer Stelle nicht sinnvoll gewesen wäre, wird vielleicht nicht zu entscheiden sein. Signifikant bleibt aber das Bestreben, diverse literarische Einzeltexte oder Textgruppen nicht separat zu überliefern, sondern in die bestehenden Rollen der späteren Vorderen Propheten einzufügen. Sollte dies mit den Anfängen des Prozesses einer „Kanon“-Bildung zusammenhängen? Eher waren es doch wohl die (im Vergleich zur Königszeit) dürftigen Ressourcen der hebräischen Schreiberschulen in persischer Zeit,92 die dazu nötigten, auch ‚randständige‘ Überlieferungen in die kontinuierlich gepflegte ‚Standardliteratur‘ einzuarbeiten, wenn man verhindern wollte, dass jene verloren gehen. Technisch boten Anfügungen am Anfang oder Ende einer Rolle dafür naturgemäß relativ praktische Lösungen. Literaturgeschichtlich aber konnte sich damit eine eigene Dynamik hin zu einer bestimmten Konzentration und schließlich Kanonbildung entfalten. Mit Blick auf die Prosaliteratur dürfte es von daher kein bloßer Zufall sein, dass neben diesem Prozess der Sammlung und Bündelung93 Werke wie die Chronik, die für das neue eigenständige Werk die überkommene ‚Standard-Bibliothek‘ eklektisch ausschreibt, erst ab der spätpersischen Zeit auftreten. Auch diese Überlegungen zeigen die Problematik einer Generalisierung des Werktypus von Chronik, Jubiläen etc. (s. u.). Ad (e): Typologisch geht es hier um das Komplement zu den Einfügungen/-schrei­ bun­gen (b)–(d). In methodischer Hinsicht effektiv erweisen sich ausgeprägte Profilkontraste zwischen „Bausteinen“ und kompositionellen/redaktionellen Texten  – etwa bei der relativ stabilen Differenzierung von Annalennotizen und dtr Königsbeurteilungen, selbst wenn keine typisch literarkritischen Indizien vorliegen. Auch für die Abgrenzung vor-dtr Erzähltraditionen glaubte die klassische Forschung des vorigen Jahrhunderts mit narratologischen Konturierungen von Großerzählungen (Aufstiegsgeschichte Davids; Thronfolgegeschichte) festen Boden unter den Füßen zu haben (m. E. vielfach zu Recht). In der neueren Diskussion erscheint dagegen die Skala der diversen Strata nach oben offen,94 wobei teilweise das additive Wachstumsmodell unter der Hand selbst zum Argument wird.95 Ad (f ): Wie wuchtig sich dichte narrative Strukturen und Gestaltschließungen selbst gegen sperrige diachrone Modelle behaupten können, belegt im Fall der Jakoberzählung die Analyse von H. Gunkel, der für solche Dinge freilich ein ausgeprägtes Sensorium hatte. Unbeschadet der Annahme redaktionell verflochtener Parallelfäden (J, E) sowie diverser 92 Nennenswerte epigraphische Funde setzen im Umkreis von Jehud erst spätpersisch im 4. Jh. v. Chr. ein (zuerst aramäisch, dann – in Samaria – auch hebräisch) und schließlich (vor allem mit Qumran) in Judäa in hellenistisch-römischer Zeit. Falls diese materiale Fundsituation nicht hochgradig kontingent ist, wird man für das 6./5. Jahrhundert mit einer sehr begrenzten professionellen hebräischen Schreibertätigkeit rechnen müssen. 93 Ebenso evident erscheint mir, dass bei diesem „sammelnden“ Prozess auch die additiven Fügungen dominieren. Davon zu unterscheiden sind lineare Fortschreibungen, wie sie das MTSondergut in Jer belegt. 94 Vgl. den eindrücklichen Forschungsbericht von W. Dietrich  / Th. Naumann, Die Samuelbücher (EdF 287), Darmstadt 1995. 95 So z. B. mit dem Argument, dass ein Erzählungsanfang der Thronfolgegeschichte (ThFG) nicht erkennbar sei. Dabei sind Erzählungsanfänge (inkl. metatextlicher Überschriften) von Zusammenstellungen/Fügungen in einem größeren Erzählkontext (fast) notwendig betroffen. Die Alternative wären Erzählungsanthologien im modernen Sinn.

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Zusätze identifizierte er hier einen eigenständigen „Sagenkranz“, eine „künstlerische Komposition“, die mit Geburt und Konflikten der Zwillinge einsetzte (Gen 25B) und mit deren Aussöhnung den Abschluss erreichte (32–33);96 die Isaak-Philister-Episoden (Gen 26) haben offensichtlich nichts damit zu tun. Auch wenn das Bild der Textentstehung ohne die Quellenhypothese stark vereinfacht wird, hatte diese gleichwohl richtig erkannt, dass sich die Darstellungen, wie Jakob bei Laban zu seinem großen Herdenreichtum gekommen war, widersprechen: Jakobs trickreiche Erschleichung (Kap. 30) und ein göttliches, in einer Traumvision mitgeteiltes Wunder (Kap. 31) stehen nebeneinander. Dass Letzteres von Jakob seinen Frauen erst nachholend erzählt wird, schließt eine Erklärung mit eigenständigen Quellen (J/E) aus. Vielmehr handelt es sich um die korrigierende Fortschreibung einer vorgegebenen zweiteiligen Jakob-Esau-Laban-Geschichte, der – ausweislich narrativer Querverbindungen – auch die Ausgestaltung zur vorliegenden dreiteiligen Rondo-Gestalt (A  – B  – A') mit dem Finale in Gen 32 f. zu verdanken ist. Zwar heben sich Formulierungen der Fortschreibung z. T. deutlich ab, doch ist auch mit Überschreibungen etc. zur rechnen. M.a.W., eine Vorstufenrekonstruktion im Wortlaut erscheint nicht möglich.97 Methodisch basiert die Analyse primär auf narratologischen Kohärenzanalysen (#5), daneben auf literarkritischen und gattungskritischen Fragestellungen (#3), gestützt durch Befunde zur Pragmatik (#3). Sollte sie sich bewähren, ist sie ein Beispiel dafür, dass diachrone Differenzierungen auch ohne komplette Wortlautrekonstruktionen exegetisch sinnvoll sein können. Ad (g): Erkennt man in Jakoberzählung und Josephgeschichte zwei zunächst eigenständige Großerzählungen, erklärt sich die kompositionelle Bedeutung der vor-P-Episode von Gen 48* und deren Vorbereitung in Gen 41,50–52 (Geburt von Ephraim und Manasse) sehr einfach: Die Abschnitte erweisen sich literarkritisch und aufgrund ihres ursprungsätiologischen Skopus’ (Manasse, Ephraim und die Überlegenheit des Letzteren) als Einschreibungen in die ältere Josephgeschichte.98 Zugleich steht diese Segenszene an Jakobs Lebensende in einer ‚typologischen‘ Beziehung zu der mit seinem blinden Vater Isaak in Gen 27, allerdings mit einer wesentlichen Rollen-Umkehr: in 48 ist es der blinde Vater selbst, der die Zuordnung von Erst‑ und Zweitgeborenem willentlich umkehrt. Über diese eindrucksvolle Inclusio werden Jakoberzählung und Josephgeschichte literarisch zu einer ‚Lebensgeschichte‘, zur Geschichte Jakobs verbunden. Zugleich war diese schlichte, in jeder Hinsicht additive Verknüpfung sehr wahrscheinlich mit einer Kürzung verbunden: mit dem Wegfall der ursprünglichen Einleitung der Josephgeschichte.99 96 H. Gunkel, Genesis (HK 1,1), Göttingen 31910, 291–293. Die substantiellen „Zusammenfügungen müssen bereits J wie E vorgelegen haben. Bei dieser komplizierten Entstehung des Ganzen hat es keinen Zweck, einzelne bestimmte Redaktorenhände unterscheiden zu wollen. […] Die Anfänge des Prozesses reichen jedenfalls in die älteste, uns erreichbare Zeit hinein; das Ganze ist schon in sehr alter Zeit ziemlich fertig gewesen.“ (293) Selbst vereinfacht, nötigt die Urkundenhypothese in diesem Fall zu einer seriellen Vervierfachung der Erzählung mit i. W. gleicher Grundstruktur: Alte Komposition → J und E → JE. 97 Blum, Jacob Tradition, 297: „[S]ince we received the story as a whole from this narrator’s hand, any attempt at reconstructing the presumed earlier tradition word-for-word would remain conjectural.“ 98 Dazu insbesondere H. Donner, Die literarische Gestalt der alttestamentlichen Josephsgeschichte (SHAW.PH), Heidelberg 1976, 27–28.30–34. Wie in der Abfassungszeit kaum anders denkbar, ist Donner zugleich bemüht, diese Abschnitte den Quellen J/E zuzuordnen. 99 In der Regel bedeuten derartige ‚weiße Flecken‘ für die Auslegung allerdings keinen erheblichen Verlust; s. dazu grundsätzlicher den Beitrag von D. M. Carr in diesem Band.

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Im Gesamtüberblick über die vorgestellten Beispiele kann das Übergewicht additiver Fügungen narrativer Einheiten auffallen. Dies mag schlicht an der Auswahl liegen. Daneben ist aber auch mit der zu (d) angesprochenen, durch äußere Faktoren begünstigten Tendenz zur Bündelung literarischer Überlieferung zu rechnen, einer Tendenz, die ähnlich auch für Bereiche wie die Prophetenbücher oder den Psalter von Bedeutung ist. Insgesamt bestätigt sich von daher erneut die Kritik beider hier kritisch diskutierten ‚Totalisierungen‘ partikularer Modelle, des Fortschreibungsmodells ebenso wie der auswählenden Neuverschriftung. Zugleich stehen wir nun allerdings wiederum vor der Frage nach allfälligen Konsequenzen für ein tägliches ‚Geschäft‘ der Disziplin, nämlich für die analytische Erarbeitung der Literaturgeschichte des Alten Testaments. Die von B. Ziemer offensiv vertretene Forderung, generell „auf mehrstufige Vorlagenrekonstruktionen zu verzichten“,100 kann auf den ersten Blick als besonders konsequent erscheinen. Sie erweist sich aber bei genauerer Betrachtung als nicht tragfähig begründet. Diese Einschätzung bezieht sich wesentlich auf die bereits erörterte Engführung des Entstehungsmodells. Weitere Gründe kommen jedoch hinzu, so schon die einfache Frage, was und wie besagte Mehrstufigkeit zu zählen wäre: In der Logik des „Buch-Modells“ scheinen sich alle mehr oder weniger punktuellen Eingriffe mutmaßlich mehrerer Hände an verschiedenen Stellen des Buches unterschiedslos aufzuaddieren. Aber ergibt dies auch Sinn, wenn diese Eingriffe unabhängig voneinander sind bzw. sich nicht voraussetzen? Darüber hinaus bliebe eine buchhalterische Summierung rein quantifizierend ohne die notwendige Gewichtung der qualitativen Signifikanz diskutierter Befunde. Erinnert sei bspw. an die Möglichkeit, dass markante narrative (oder diskursive) Strukturen „tiefer liegender“ Textzusammenhänge sich im überlieferten Text klarer abzeichnen als jüngere Bearbeitungen. (Freilich hilft die als Hauptparadigma empirischer Kontrolle herangezogene Chronik in dieser Hinsicht nicht weiter, weil darin alle Großerzählungen der Vorlagen entweder ganz ausgelassen oder nur in fragmentierten Episoden wiedergegeben sind.) R. Müller und J. Pakkala bleiben, wie schon angezeigt, in ihren Folgerungen deutlich zurückhaltender. Denkbare Konsequenzen werden allgemein angesprochen und beziehen sich überwiegend auf den epistemologischen Status literargeschichtlicher Analysen, auf ihren hypothetischen Charakter und ihre potentielle Unabgeschlossenheit,101 verbunden mit der Abwehr einer grundIm Vergleich mit der Jakobgeschichte stellt die Verbindung der Saul-David-Erzählungen vor der Integration in das DtrG (sei es als „Dynastieerzählung“ [F. Stolz] oder als Werk eines „Höfischen Erzählers“ [W. Dietrich]) vor deutlich komplexere Probleme. 100 Ziemer, Kritik, 713 u. passim. Zu ähnlich radikalen, aber weniger eingehend begründeten Konsequenzen vgl. R. F.  Person Jr. / R. Rezetko, Introduction: The Importance of Empirical Models to Assess the Efficacy of Source and Redaction Criticism, in: Dies. (Hg.), Empirical Models Challenging Biblical Criticism (Ancient Israel and Its Literature 25), Atlanta 2016, 1–35. 101  So z. B. Müller, Textgeschichte, 718: „[I]m Licht solcher methodisch kaum erschließbarer literargeschichtlicher Phänomene ist immer einzuräumen, dass ein Teil der Entwick-

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sätzlichen Absage an diachrone Textanalysen. Diese Abwehr bezieht sich auch auf die mathematisch begründete Überlegung, wonach die Wahrscheinlichkeit der Korrektheit der Analyse eines Textes, die unter Eins liegt, sich mit jedem Analyseschritt exponentiell reduziert und damit rasch gegen Null geht, allerdings ohne die Zurückweisung nachvollziehbar zu begründen.102 R. G. Kratz argumentiert dazu: „Yet the mathematical argument does not make sense and could easily be reversed: without any sort of diachronic analysis, the probability of any statement about the composition of the Pentateuch and its historical setting would drop to 0 %.“103 Dabei bleibt freilich unklar, weshalb „the mathematical argument does not make sense“ und weshalb die triviale Feststellung, dass ohne Analyse gar keine Aussage über die Entstehung des Pentateuchs möglich wäre, etwas für die Frage besagen sollte, ob bzw. welche Analysen des Pentateuchs mit hinreichender Wahrscheinlichkeit möglich sind.

Auch unabhängig von Mathematik steht die Frage im Raum, wie es um den Realismus tiefgestaffelter Stratigraphien zu Einzeltexten steht. Aufgrund seiner Arbeit mit dokumentierter Literargeschichte formuliert etwa D. Carr: „All too often, biblical studies have attempted to trace every step in the growth of a biblical text to its present form. Some have found evidence of eight to fifteen (or more) layers of sources and redactional expansions in a single chapter or set of verses. Yet I suggest that these more complicated reconstructions of textual prehistory have not stood and will not stand the test of time.“104 R. Müller, der dieses Zitat ebenfalls anführt, lehnt Überlegungen dieser Art ab,105 ebenso wie Kratz.106 Gibt es also Grenzen der Seriosität exegetischer Vorstufenrekonstruktionen oder ist die Skala unbegrenzt offen? Nach meinem Urteil gibt es Grenzen. Sie lassen sich freilich nicht mathematisch errechnen und festlegen, dies nicht nur lung nicht mehr rekonstruiert werden kann.“ Mit Blick auf mögliche Auslassungen resümiert Pakkala, Omissions, 382 skeptischer: „An analysis where each word of the older text is ascribed to a certain literary stratum becomes a very risky, if not impossible, undertaking. At most, one could talk about broader developments and general theological tendencies of the older text.“ 102 Müller, Textgeschichte, 710, etwa argumentiert damit, dass mit Fehlern bei jeder historischen Forschung zu rechnen sei, „auch dort, wo die Quellenlage weit weniger kompliziert ist als beim Alten Testament. Wer Fehler a limine ausschließen wollte, müsste ganz darauf verzichten, Dokumente vergangener Zeiten als historische Quellen zu verwenden.“ Bei dieser Generalisierung bleibt unberücksichtigt, dass es hier um Analysen geht, bei denen die Möglichkeit, Fehler (nachträglich) als solche zu erkennen bzw. auszuschließen, möglicherweise nicht gegeben ist. 103 Kratz, Analysis, 541. 104 Carr, Formation, 4. 105 Müller, Textgeschichte, 710: „Wenn die postulierten Schichten eines Textes eine bestimmte Zahl übersteigen, wird das Modell – meist ohne nähere Begründunge – als unplausibel zurückgewiesen, wobei sich mitunter der Eindruck nicht vermeiden lässt, es werde eher nach ästhetischen als nach historischen Kriterien geurteilt.“ Der Begriff „ästhetisch“ dürfte auch hier als Euphemismus für „Geschmacksurteil“ gebraucht sein. 106  S. z. B. Kratz, Analysis, 543: „Yet whoever stops after the second, third, or fourth layer should be aware that in doing so, he or she has by no means solved the literary problem of the Pentateuch or fully explained the process of its composition.“

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deshalb, weil die Wahrscheinlichkeit zutreffender Analyseresultate sich weder generell noch für den Einzelfall quantifizieren lässt,107 sondern auch schon deshalb nicht, weil – wie bereits zu Ziemers Vorschlägen notiert – nicht selbstverständlich und durchgehend von einer sachlichen Interdependenz zwischen Analysestufen auszugehen ist. Gleichwohl wäre es (auch hier) verfehlt, die Mathematik gering zu schätzen, unterstreicht besagte stochastische Regel doch zumindest die Schärfe des Plausibilitätsproblems: Hält man sich die in Abschnitt I angezeigte Problematik der impliziten Signifikanz‑ und Suffizienz-Axiome exegetischer Analysen vor Augen im Verbund mit dem empirischen Aufweis von Auslassungen, Umformulierungen, Schreibfehlern etc. im Prozess der Überlieferung, die methodisch schlicht nicht zu kontrollieren sind, so ist es – für Vorstufenrekonstruktionen ein-unddesselben Textes – wohlbegründet, von einer tendenziell sinkenden Plausibilität mehrstufiger Rekonstruktionen auszugehen. Plakativ formuliert: die behauptete Rekonstruktion der fünfzehnten Vorstufe eines Einzeltextes ist bereits in einer grundsätzlichen Perspektive unplausibel und überschreitet die Grenzen einer seriösen historischen Untersuchung. Doch wie lässt sich jenseits solcher Extrem-Szenarien angemessen und zielführend über allfällige Plausibilitätsgrenzen exegetischer Rekonstruktionen reden? Entscheidend wird es sein, von pauschalisierenden Alternativen nach dem Muster „alles oder nichts“ wegzukommen. Dabei kann es zudem nicht nur darum gehen, sich innerdisziplinär darüber zu verständigen, ob es möglich ist, zielführend literargeschichtlich am Alten Testament zu arbeiten, vielmehr gilt es differenzierend zu klären, wie, unter welchen Konditionen, mit welchen methodisch geleiteten Fragestellungen etc. diese Arbeit geleistet werden kann. Auf eben diese Art von Differenzierung zielte denn auch die Erarbeitung eines „dynamischen Spektrums“ für Bedingungen realistischer textinterner Textanalysen, sofern die Möglichkeit durchgreifend neu formulierter Texte nicht gegeben ist. Den Ausgangspunkt bildeten empirisch gestützte Befunde sowie weithin/ gänzlich unstrittiges literargeschichtliches ‚Grundwissen‘. Auch wenn in diesem Rahmen die verschiedenen Parameter nur schlagwortartig verkürzt und ohne die erforderliche systematische Entfaltung benannt werden können, zeichnet sich als wesentliches Ergebnis ab, dass in der Tat von tendenziell divergierenden Plausibilitäten – je nach Merkmalen und Profilen der untersuchten Größen – auszugehen ist. Gemäß der  – wiederum vereinfachten  – „Prognosen A“ und „Z“ stehen polar auf der einen Seite gegenüber ihrem jetzigen Kontext hochprofilierte (hinsichtlich Sprache, Konzeption, Skopoi, Fabel etc.) Komponenten, häufig als größere/kleinere Texteinheiten mit deutlich konturierten Fügungen/Nähten, 107 Mit der möglichen Ausnahme der Identifizierung von „priesterlichen Textelementen“, die in vielen Fällen vereinfacht mit 1 („sicher“) angesetzt werden könnte.

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die einerseits (synchron) auf der Ebene der eingefügten/-geschriebenen Elemente signifikante Gemeinsamkeiten, Querbezüge etc. aufweisen und deren Ziel-Vorlage(n) andererseits synchron (jeweils) als kohärenter Zusammenhang plausibilisiert werden kann. Derartige ‚Ideal‘-Cluster sind eher selten, treffen immerhin aber weitgehend auf das – seinerseits exzeptionelle – Phänomen der P-Texte im Pentateuch zu. Mit Einschränkungen lassen sie sich auch auf das eine oder andere Beispiel für die Formationstypen (b)–(g) beziehen, wobei auch diese Beispiele (vor allem zu [b], [d], [e]) hier allerdings nur hinsichtlich elementarer Grundfragen ihrer Diachronie in den Blick genommen wurden. Weiterreichende Analysen führten vermutlich rasch zum Dissens. Am anderen Ende des Spektrums stehen insbesondere linear fortlaufend ineinander verflochtene Textkomponenten, die hinsichtlich ihres sprachlichen, traditionsgeschichtlichen, konzeptionellen etc. Profils in hohem Maße/weitgehend homogen sind.108 Betroffen davon sind m. E. Untersuchungen, die dergleichen in Textbereichen wie der sog. Thronfolgegeschichte oder der nicht-P-Erzählungen nachzuweisen versuchen, sei es im Modell durchlaufender paralleler Quellenscheidungen, sei es in redaktionskritischen Vorstufenrekonstruktionen. Die „Prognose“ deklariert selbstverständlich nicht die apriorische Unmöglichkeit solcher Analysen, prognostiziert aber besondere, partiell strukturelle Erschwernisse der Durchführung mit Blick auf eine Plausibilisierung, und dies im Fall mehrstufiger Scheidungen/Vorstufenrekonstruktionen potenziert. Was bedeuten solche Distinktionen für die fachliche Arbeit? Sind sie innerhalb der Disziplin konsensfähig, wenn ja/nein, in welchen Hinsichten, mit welchen Einschränkungen etc. lassen sie sich zu einer konsensuellen systematischen Methodologie weiterführen? Welches sind mögliche Konsequenzen für den Umgang mit den kaum zu leugnenden Grenzen rein textinterner Rekonstruktionen der Vorgeschichte biblischer Texte? Was bedeuten die Konsequenzen für das Selbstverständnis des Faches, für die Ansprüche an die Analyseziele, aber auch für die kritischen Maßstäbe der Disziplin? Alle diese Fragen und weitere lassen sich nach meinem Verständnis einer alttestamentlichen „Exegetik“ zuordnen. All dies sind jedenfalls Fragen, die nur in einer offenen, konstruktiven Kommunikation unter den Vertreterinnen und Vertretern der Fachdisziplin sinnvoll zu klären sind. Dies erscheint aber auch geboten. Ein schlichtes „Weiter-so!“ wird nicht reichen.

108 Sollte man die Büchse der ungünstigen Konditionen im Übermaß füllen, könnte man die Unmöglichkeit einer kohärent und/oder sinnvoll rekonstruierbaren Vorlage hinzufügen.

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Die Autoren Erhard Blum ist Professor emeritus für Altes Testament an der Eberhard Karls Universität Tübingen. David M. Carr ist Professor of Old Testament am Union Theological Seminary in New York. Shimon Gesundheit ist Professor of Hebrew Bible an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Walter Groẞ ist Professor emeritus für Altes Testament an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Christof Hardmeier (†) war Professor emeritus für Altes Testament an der Universität Greifswald. Matthias Köckert ist Professor emeritus für Altes Testament an der Humboldt-Universität zu Berlin. Joachim J. Krause ist Privatdozent für Altes Testament an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Hermann-Josef Stipp ist Professor emeritus für Altes Testament an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Helmut Utzschneider ist Professor emeritus für Altes Testament an der Augustana Hochschule Neuendettelsau. Kristin Weingart ist Professorin für Altes Testament an der LudwigMaximilians-Universität München.

Stellenregister Hebräische Bibel Genesis 1–11 831 1 171 1,1–31 39 1,1–2,3 211 1,1–2 172 f. 1,31 39 2–9 42 f. 2–3 234 2,4–6,4 226 2,4–4,26 228, 232 2,4–4,24 224 2,4–4,1 233 2,4–3,24 225 2,5 42, 224–226, 232 2,6 226 2,7 211, 224 2,8 232 2,10–14 226 2,10 232 2,15 232 2,24 226 3,1–7 14 3,11 227 3,16–19 227 3,16 224 3,17–19 224–226 3,20 224 3,21 227 3,22 227 3,23–24 232 3,23 224–226 4 234 4,1–24 226, 232 4,1–16 224 f. 4,1–2 226 4,5 41 4,10 227 4,11–12 227 4,13–15 227 4,17 225, 232 f. 4,20–22 222, 226 4,20 225

4,21–22 225 4,25–26 226 4,25 226 4,26 223, 226 5,1–32 165 5,1 39 5,29 223 f. 6–8 7, 1818, 231 6,1–4 223, 225, 228, 231–234 6,1 223, 231 6,3 228 6,4 226, 232 6,5–9,17 201–202, 207 6,5–8,22 223 6,5–8 209, 233 6,5–7 211, 228, 232, 234 6,5–6 205, 229 6,5 ff. 226 6,5 228 6,6 229 6,7 206, 209–211, 229, 233 6,8 206, 212 6,9 39, 206 6,11–13 209 6,11 209 6,12 205, 209 6,13–21 213, 214 6,13 206 6,14–16 212, 213 6,15 216 6,17 206 6,18–21 213 6,18 206, 209 6,19–20 206, 208 f. 6,20 210 6,22 206, 213 7,1–4 210, 212–214, 230 7,1 206, 209, 227 7,2–3 206 7,2 208, 210 f., 230 7,3 210 f., 214 7,4 204, 206, 211, 213 f., 226, 230

278

Stellenregister

7,5 206, 213 7,6 201, 218 7,7–9 210, 211 7,7 206, 207–209, 230 7,8–9 208 7,10 211, 213 f., 230 7,11 203, 204, 206, 208, 213–218 7,12 204, 206, 208, 213, 226, 230 7,13–16 208 7,13 165, 206, 208 7,14–16 209, 209 7,15–16 208 7,16 207, 209, 211, 230 7,17 206 7,18–20 206 7,20 216 7,21–22 165 7,21 206 7,22–23 230 7,22 206 7,23 209, 210 f. 7,24 203 f., 215 f. 8,1–14 218 8,2–3 230 8,2 204, 206 8,3–5 206 8,3 203, 206, 213, 215 f. 8,4 203, 204, 215–218 8,5 202, 208, 215–218 8,6–12 230 8,6 202, 206, 212 f. 8,7 210 8,8–12 202 8,8 213, 215 8,9 208, 230 8,10 211, 213, 215, 230 8,12 211, 213, 217, 230 8,13 204, 206, 212, 217–219 8,14 203 f., 206, 216–218 8,15 209 8,17–19 209 8,19 210 8,20–22 206, 232 8,20 56, 66123, 208, 230 8,21–22 230 8,21 227 f. 8,22 226 f. 9,2–6 209 9,8–17 206 9,10–17 209 9,20–27 223–225

9,20–21 224 f. 9,20 224, 226 9,22–27 224 9,25–27 225 9,28 217 f. 9,29 217 10,8 223 11,10 39 11,31 74 12–25,18 78 12–21 80 12–22 75, 77 12 250 12,1–3 10051 12,1 74 12,2–3 74–76 12,2 73 f. 12,3 74, 105 12,6 62119 12,7 74, 76, 10051 12,10–20 167, 254 12,17–18 10049 13,14–17 10051 13,14–16 105 14 253 15 80, 10051, 252 15,1–5 74139 15,1 78 15,2–3 75 15,2 77 15,4–5 75 f. 15,5 76 15,6 76 15,7 74, 76 15,18–21 75 15,18 74, 76, 114 15,19–21 74 16,10 74 17 252 17,8 1128 17,17 167 18,1–2 96 18,8 74 18,10 75 f. 18,12 75 18,14 75 f. 18,19 101 20 97, 250–252, 254 20,3 97 20,4–5 98 20,6–7 35 20,8 97 21,1–6 258

Stellenregister 21,1–3 75 f. 21,17 96 21,18 74139 22 22, 23, 39, 42 22,1–19 5, 11–89 22,1–14 24, 50, 72, 75 22,1 22, 37, 40, 46–50, 53 f., 60, 63, 68, 69–70, 76–78, 78, 81, 83 22,2 1818, 20, 22, 23, 47, 48, 50, 51–53, 53–67, 69, 70 f., 73, 76–78, 79, 80–83 22,3–13 51, 60, 70–72 22,3–8 51–52, 54, 57, 63, 70 f. 22,3 42, 47, 51–53, 60–64 22,4–8 52 f. 22,4 52, 54, 60 f., 63, 71, 81, 84 22,5–8 53 22,5–6 63 22,5 52 f., 60 f., 67, 70, 73, 79, 81 22,6–8 52–54, 60–63, 63 22,6 52–54, 63, 64 22,7–8 68 22,7 40, 47–50, 54, 61, 63 f., 68–69, 81–83 22,8 54, 60, 62–64, 68, 71 f., 79, 81 f. 22,9–13 53 f., 61, 63–72 22,9–10 54, 70 f., 75–78, 81, 84 22,9 51, 54, 57, 63–66, 68, 70, 77, 82, 84 22,10 50, 64–66, 68, 76 f. 22,11–12 54, 65, 69, 75 22,11 40, 47 f., 49–50, 54, 68–72, 76 f. 81, 83 f., 96 22,12 22–24, 48, 50, 69–71, 75–78, 80 f. 22,13 23, 54 f., 64–66, 69–71, 79–82, 84 22,14 63–73 22,15–18 24, 73–78, 81 22,15 72 22,16–18 76 22,16 73–78, 80 f. 22,17–18 74 f. 22,17 73 f., 75140, 76 22,18 74, 76 22,19 24, 47, 51 f., 60 22,20 46 24,7 74, 76 24,60 75140

24,67 75 25 265 25,1–4 168 26 250, 265 26,1–11 254 26,2–5 74 f. 26,2–3 10051 26,3–5 73 26,3–4 75 f. 26,3 74 26,4 74 26,5 76 26,24 100 27 265 27,1 48 f. 27,18 48 f. 27,20 99 28,10–22 5, 91–108 28,10–19 102 28,10–12 94 28,10 91 f., 103 28,11–19 93 28,11–13 92 f., 106 28,11 103 28,12–13 98, 105 28,12 95–97, 102 f. 28,13–16 93, 95, 10472 28,13–15 91, 95, 99, 102 28,13–14 92, 100 28,13 92, 95 f., 98–100, 105 28,14 105 28,15 92 f., 100–103 28,16–22 93 28,16–19 92, 105 f. 28,16–17 97 28,16 92, 93, 95–100, 10472 28,17–18 97 f., 102 28,17 93–95, 9630, 102–105 28,18 97, 102, 104, 168 28,19 10219, 104 28,20–22 91–93, 10260 28,20–21 94, 102 28,22 102 30 265 30,37 168 30,42 168 31 265 31,3 100 f. 31,10–13 9841 31,11 48, 49 31,13 93, 101 31,21 263 31,45 168

279

280 32–33 265 32,2–3 9630 32,10 100 f. 33,19 254, 262 f. 35,1 101 35,2–5 254 35,2–4 263 35,3 93, 101 35,7 101 35,9–15 219 f. 35,13–15 10685, 168 37,2 39 37,13–14 49 37,13 48 37,14 49 41,50–52 265 43,34 168 44,15 169 46,2–4 10051 46,2 48 f. 46,27 246 47,27 1128 48 255, 265 48,4 1128 48,15 f. 254 48,21 f. 254 50,25 f. 254, 263 Exodus 1,5 246 1,19–20 169 3 69131 3,4 48 f. 6,8 1128 8,16–19 240 8,20 ff. 240 9,1–4 240 9,5 ff. 240 13 f. 257 13,19 254, 263 16,18 149 17,12 149 21,1 39 23,14–19 12325 24,3 190 25,8–27,21 219 28–29 219 30,1–10 219 30,17–21 219 32–34 139–153 32 140 f., 152 32,11 141 32,12 142 f., 152 f.

Stellenregister 32,13 73 32,14 140–143, 147, 152 32,20 143 34 152 34,1 13214, 148–151 34,4 149 34,5 149 34,9 139, 142 f., 147, 152 f. 34,18–26 12325 34,28 166 34,29–35 258 40,2 218 40,17 218 40,34–35 166 Leviticus 9,3 66123 25,23 1138 25,41 1128 Numeri 10,33 72, 73135 13–14 1115, 247 19,12 11412 22,21–34 69131 27,7 1128, 11310 27,14 11412 32 115 f., 120 32,1–33 6, 109–120, 123 32,1–5 116 32,2–4 110 32,2 119 32,4 112 32,5 111 32,6 111, 116 32,7–15 1115 32,7 118 32,14–15 1115 32,16–19 111, 113 32,16–17 1115 32,16 111–113 32,17–22 119 32,17 112 f., 117 32,18 112 32,19 112 32,20–24 113 32,20–23 11818 32,20 113 32,21 113 32,22 113 32,24 113 32,25–27 113 32,25 1139

Stellenregister 32,26 113 32,27 113 32,28–30 113 32,29 113 32,31–32 113 32,31 113 32,32 113, 117 34,3–12 114 Deuteronomium 1–30 19, 3262 1–3 114, 11921 1,5 39 1,6–30,20 34 1,6–3,29 34 1,6 39 1,8 114 1,9–15 11921 1,16–18 11921 1,21 114 1,37 11412 2,4–5.8–9 114 2,19 114 2,24–25 114 2,24 115 2,26–31 11513 2,33–37 11921 3,3 11921 3,4–7 11921 3,8–11 11921 3,12–17 11921, 120 3,18–22 6 3,18–20 1115, 114–124 3,18 117, 11921, 120–122 3,19 116, 120, 122 3,20 119, 120 f. 3,23–28 11921 3,26 11412 3,29 11921 4,8 39 4,9–14 34 4,21 11412 5,1 145 5,2–31 34 6,4 145 9,1 145 9,7–10,11 34 10,1–2 13214, 148–151 10,1 166 10,3–4 149 10,4 166 10,22 246 11,24 114

12 61 12,5 62119 12,9 11919 12,13–14 61, 62119 14,23 62119 14,25 62119 15,1–3 187 16,21–22 106 17,14–20 173 18,16–20 34 20,3 145 23,22–24 77141 23,22 77141, 78 23,23 78 27,2 188 27,4 188 27,5 188 27,11–26 188 29,7 11717 31,2 11411 31,9–13 7, 135, 138, 185–193 31,9 39, 188 31,10–13 39 31,12–13 191 31,13 189 32,8–9 245 32,43 246 33,25 94 34,10–12 135–138 Josua 1,4 114 1,8 188 1,10 f. 240 1,11–18 120 1,12–15 6, 120–122, 124 1,12 122 1,13 122 1,14–15 121 1,14 121 f. 3,2 240 4,12–13 120 6,26 11921 8,30–35 7, 185–193 11,10 11921 11,21 11921 18 246 20 247 22 11514 22,1–9 120 22,19 1128, 11514 23–24 145 24 253, 262 f.

281

282 24,1–32 254 24,1 246 24,2–15 35 24,25 246 24,26 246, 263 Richter 1 255, 263 6 259, 260 6,7–10 247, 253 6,26 56 9,13 223 11,30–39 77 11,30–35 67125 11,30–31 67, 77 f. 11,31 55 f. 11,34 78 11,39 67125, 77141 17–21 255 1 Samuel 3,4–8 48 3,4 49 3,16 48 6,14 55110 7,9 55 f. 8 145 12 145 21,3–4 35 22,12 48 f. 22,13 49 28,21–22 35 2 Samuel 1,4–10 35 1,7 48 f. 12,7–10 35 20 264 21–24 255, 263 1 Könige 1 f. 264 1,15–18 240 6 259 f. 6,7–10 256 6,11–14 247, 253, 256 8,14–61 145 8,29 62119 13 254, 262 17 262 17,8–16 254 17,17–24 254 22 254, 262

Stellenregister 2 Könige 3 67 3,2 10684 3,26–27 67125 3,27 55 f., 58, 65 4 262 4,1–7 254 4,8–37 254 4,12–15 240 10,23 246 10,26–27 10684 11–12 247 17,13 145 17,23 145 18–19 19, 27 21,10–15 145 23 19 Jesaja 2,3 62119, 73 5,1–6 35 6 14 6,5 14 6,8 49 6,9–10 14 7–8 27 7,3–9 240 8,1–2 240 18,7 62119 22,1–15 41 30,8 31 30,29 73 36–37 19, 27 40,16 66123 43,23 66123 43,25 139, 140, 142 Jeremia 7,2 145 16,7 223 17,19 145 19,1 145 19,14 145 22,1–2 145 24 144 26 6, 135 f., 138–142, 147, 152 26,1 147 26,2–3 135 26,2 145, 147, 193 26,3 142 f., 147, 152 26,8 153 26,11 153

Stellenregister 26,13 141 f., 152 26,16 153 26,18 133, 134 26,19 134, 141 f., 152 29,16–20 256 29,24–32 31 29,27 31 31,31–34 144 31,34 139, 140, 142 33,14–26 256 36 6, 31, 135 f., 138 f., 152 f. 36,1 147 36,2 139 36,3 140, 142, 147, 152 36,6 145 36,8 145 36,10 145 36,28 148–151 36,30 153 36,38 13214 39,4–13 256 42,10–22 144 44,1 145 44,20 145 44,24 145 Ezechiel 43,20 56 43,24 55110 Hosea 12 12,5 12,7

5, 93, 101 93, 101 93, 101

Amos 4,4 94 5,5 94 7,7 96 9,1 96 Jona 3,4–10 135 3,4 164 Micha 3,9 134 3,12 133 4–7 134 4,2 62119, 73 Sacharja 8,3 73

Psalmen 1 173 2 173 13 19 24,3 73 26,8 62119 30 19 55 20 96,5–6 246 97,7 246 104,15 223 Hiob 1,1 37 1,6–21 50101 1,8–9 37 1,13–21 37 1,20–21 37 1,21 38 1,22 38, 50101 2,7–10 50101 2,3 37 2,7–8 37 2,9–10 37 2,10 38 3–31 34, 38 3,1–31,40 50101 3,1 ff. 37 31,40–32,1 38 32,1–5 38, 50101 32,6–41,26 38 42,1–6 38, 50101 42,3–5 38 42,7–10 50101 42,8 56 Proverbien 1,7 38 9,10 38 31,6 223 Ruth 1,6 37, 39 1,7–22 37 1,7–19 39 1,7 39 1,8–14 38 1,16–17 38 2,2–4,17 37 2,4 39 4,1 39 4,13–17 38

283

284

Stellenregister

Esra 3 188

8,1–12 7, 185–193 8,1 191, 192 8,3 192 8,5–6 190 8,7–8 191

Nehemia 3,25–26 191 7,72 189

2 Chronik 3,1 62119 22–24 247

Daniel 10 245

Septuaginta 1 Esdras 5,46 188 9,37–55 186 9,37–38 193 5,46 193 9,48 191 9,55 191

2 Makkabäer 7,28

172, 173, 174

Jesus Sirach 18,1 171

Neues Testament Römerbrief 9,14 170

Alter Orient Atrahasis Atr 3.1.20–35 Atr 3.2.29–46 Atr 3.2.51–52 Atr 3.3.5–24 Atr 3.4.6–9 Atr 3.5.30–32 Atr 3.5.34–3.6.4 Atr 3.5.34–36

230 230 230 230 230 230 230 230

Gilgamesch Gilg 11,14 Gilg 11,21–31 Gilg 11,57 Gilg 11,62 Gilg 11,75 Gilg 11,76 Gilg 11,81–94

229 230 230 230 219 230 230

Gilg 11,94 Gilg 11,97–116 Gilg 11,97 Gilg 11,124 Gilg 11,135 Gilg 11,144–147 Gilg 11,147–156 Gilg 11,150 Gilg 11,157–160 Gilg 11,159 Gilg 11,161–195 Gilg 11,225–230 Gilg 11,237–241

230 230 230 230 230 230 230 230 230 230 230 230 230

Sumerische Fluterzählung 153–160 230 156–159 229 201–203 230

Stellenregister

Qumran 4QDeutj 245, 246 4QJudga 247 4QJerb 220

4QJerd 220 4Q252 2,1 203 4Q422 1,11–12 234

Jüdische Schriften Jubiläenbuch 5,31 203

Rabbinische Literatur Mischna Sota 7,8 Joma 7,1

193 193

Bereschit Rabba 33,17 203

285

Sachregister deuteronomistisch ​101, 114, 116–120, 123, 127, 259 Deuteronomistisches Geschichtswerk ​3, 27, 93, 144 f., 189, 255, 259 diachron ​412, 5, 7, 25, 109, 122–124, 199 f., 219, 220 f., 223, 235, 242, 248, 255 f., 258, 267 Diachronie ​7, 12, 24, 45 f., 199f, 242, 248, 269 Endtext ​412, 127 f. Endtextexegese ​2, 161 Exegetik ​VI, 4 f., 8, 11 f., 25 f., 82 f., 85, 106, 128, 239, 269 Fluterzählung ​7 f., 165, 200–235, 257 Formgeschichte/formgeschichtlich ​16, 181 Gattung, ‑sgeschichte, ‑skritik ​16, 45, 91, 182, 262, 265 Geschichte Israels ​26, 239 Gestaltschließung ​40–43, 264 Historik ​12, 25 historisch-kritische Exegese ​1 f., 15, 22, 43–45, 175 Inerranz ​6, 162, 165 Inspiration ​6, 162, 165, 171 Kanon ​1, 3, 15, 20, 24, 147, 151, 172–175, 245, 247, 264 kanonische Exegese ​412, 127, 161 kommunikationspragmatisch ​5, 18, 19, 21, 23, 24, 3263, 43, 82, 83, 85 Kommunikationssituation ​2, 30, 38, 48, 185 Kommunikatives Handlungsspiel ​29, 30–33 kontextuelle Schriftauslegung ​2, 172

Lesehermeneutik der Behutsamkeit ​16, 18, 44, 55107, 82 Literarkritik/literarkritisch ​1, 5, 16, 20, 23, 44, 46, 127, 240 f., 248 Literaturgeschichte ​2, 180, 239, 266 Mündlichkeit/mündlich ​1, 7, 31, 39, 142, 146, 152, 155, 177–198, 2428 Narratologie ​19 Pentateuch ​3, 136, 147, 151, 179–181, 242, 257 f., 267 Performativität ​7, 177–179, 193 f. priesterliche Texte/Priesterschrift ​3, 8, 45, 128, 256 f., 259 Redaktionsgeschichte/redaktionsgeschichtlich ​1, 24, 6, 16, 46, 221, 241 f., 245, 249, 253 Rezeption, ‑sgeschichte ​128 f., 175, 250 f., 251, 254 Rezeptionsästhetik/rezeptionsästhetisch ​2, 6, 15 Schriftlichkeit ​7, 31, 179–185, 194 Schriftprophetie, ‑prophetisch ​32, 133, 181 Sprecher-Origo ​30–33 synchron ​5, 24, 109–113, 123 f., 200, 220, 235, 258 Synchronie ​7, 12, 15, 45 f., 199, 219 Textkommunikation ​12–33 Traditionsgeschichte, traditionsgeschichtlich ​ 16, 221, 269 Unheilsprophetie, ‑prophetisch ​19, 134 Urgeschichte ​8, 14, 222–234 Urkundenhypothese ​2, 43, 180, 222, 242