Euer Dorf soll schöner werden: Ländlicher Wandel, staatliche Planung und Demokratisierung in der Bundesrepublik Deutschland 9783666317118, 9783525317112, 9783647317113

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Euer Dorf soll schöner werden: Ländlicher Wandel, staatliche Planung und Demokratisierung in der Bundesrepublik Deutschland
 9783666317118, 9783525317112, 9783647317113

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© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Umwelt und Gesellschaft

Herausgegeben von Christof U. Mauch, Helmuth Trischler und Frank Uekötter

Band 6

Vandenhoeck & Ruprecht © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Sebastian Strube

Euer Dorf soll schöner werden Ländlicher Wandel, staatliche Planung und Demokratisierung in der Bundesrepublik Deutschland

Vandenhoeck & Ruprecht © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor. Mit 1 Karte, 1 Abbildung und 2 Tabellen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-31711-2 ISBN 978-3-647-31711-3 (E-Book) Umschlagabbildung: MF-Kurier, ca. 1961, 16.

© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: textformart, Göttingen Druck und Bindung: w Hubert & Co, Göttingen © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Unser Dorf soll schöner werden – Grundlagen und Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.1 Initiatoren und Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.1.1 Die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 26 1.1.2 Graf Lennart Bernadotte und die Insel Mainau . . . . . . . . 28 1.1.3 Das Präsidium der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft . . . 32 1.1.4 Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1.2 Die Grüne Charta von der Mainau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.2.1 Vom Heimatschutz zum Landschaftsschutz . . . . . . . . . . 38 1.2.2 Landschaftsgestalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1.2.3 Landschaft und Ökologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1.3 Politische Durchsetzung und Wettbewerbsstruktur . . . . . . . . 45 1.3.1 Einigung mit Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1.3.2 Teilnahmebedingungen und Teilnehmer . . . . . . . . . . . 48 1.3.3 Die Bundesbewertungskommission . . . . . . . . . . . . . . 53 1.4 Dorfwettbewerbe 1936–1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1.4.1 DAF-Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1.4.2 Schönheit in Stadt und Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1.4.3 Die Modernisierung der bayerischen Heimatschützer . . . . 60 2. Anpassung an neue Verhältnisse. Der Dorfwettbewerb 1961–1963 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.1 Vom Volksraum zum bäuerlichen Kulturraum . . . . . . . . . . . 65 2.1.1 Die Kriterien des Bundeswettbewerbs 1961 . . . . . . . . . . 66 2.1.2 Die Landschaft bei Heinrich Wiepking . . . . . . . . . . . . 67 2.1.3 Anpassung an die Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.2 Drei Dörfer räumen auf: Die lokale Umsetzung der Bewertungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2.2.1 Westerheim: Wiederaufbau auf dem Lande . . . . . . . . . . 79 2.2.2 Altenburschla: Grenzerfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . 84 2.2.3 Niederdreisbach: Stahlhütte im Dorf . . . . . . . . . . . . . . 89 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Inhalt

2.3 Selbstvergewisserung und Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2.3.1 Fazit der Bundesbewertungskommission 1961 . . . . . . . . 91 2.3.2 Ordnung im Dorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2.3.3 Kein Blumenschmuckwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2.3.4 Überarbeitung des Erfolgsmodells 1962 . . . . . . . . . . . . 100 3. Ein Wettbewerb entdeckt seine Gesellschaft: Neuausrichtung des Wettbewerbs 1963–1967 . . . . . . . . . . . . . . . 105 3.1 Tradition oder Fortschritt? Uneinigkeit nach dem Dorfwettbewerb 1963 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.1.1 Die »Wandlung des Menschen« gelingt . . . . . . . . . . . . . 106 3.1.2 Ein Paradies jenseits »monströser Stadtgebilde« . . . . . . . 110 3.1.3 »Aus den Sünden der Väter lernen« . . . . . . . . . . . . . . . 114 3.1.4 Absage an die bäuerliche Volkskultur . . . . . . . . . . . . . 117 3.2 »Stillstand ist Rückschritt«. Westerheim im zweiten Dorfwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3.3 Entscheidung für die »neue Ordnung«: Arbeitstagung des AID 1964 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3.3.1 Das »Dorf der neuen Ordnung« . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3.3.2 Von der Erziehung der ländlichen Gesellschaft . . . . . . . . 129 3.3.3 Funktion statt Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3.3.4 Planung oder bürgerschaftliches Engagement . . . . . . . . . 134 3.3.5 Forderungen der Landschafts- und Grünplaner . . . . . . . 136 3.3.6 Wettbewerb auf allen Ebenen: Erfahrungsberichte . . . . . . 138 3.3.7 Vom Kulturraum zum Funktionsraum . . . . . . . . . . . . . 140 3.4 Der dritte Wettbewerb 1965: Implementierung der »Neuen Ordnung« . . . . . . . . . . . . . . . 142 3.4.1 Schwierigkeiten in der Außendarstellung . . . . . . . . . . . 142 3.4.2 »Naive Freiheit« statt funktionale Zwänge . . . . . . . . . . . 145 3.4.3 Von der Neugestaltung zur Neuordnung . . . . . . . . . . . . 146 3.4.4 Der Landschaftsplan: Die Landschaft wird zum Ökosystem 149 3.4.5 Datensammlung in den Dörfern . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3.4.6 Agenten des Wandels: Kommunalpolitiker als Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4. Von der Planung zur Gesellschaftsreform 1967–1979 . . . . . . . . . . 162 4.1 Erfolgreiche Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4.1.1 Vorbildliche und weniger vorbildliche Dörfer . . . . . . . . . 163 4.1.2 Vereinbare Gegensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 4.1.3 Konflikte um ästhetische und kulturelle Normen . . . . . . 168 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Inhalt

4.1.4 Ergebnisse des Wettbewerbs 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4.1.5 Neue Entwicklungsziele und Konflikte mit den Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4.2 Das Ende der Planungseuphorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4.2.1 Ziel erreicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4.2.2 1971: Golddörfer als Leuchttürme . . . . . . . . . . . . . . . 183 4.2.3 1973: Kritik und sozialliberale Neuausrichtung . . . . . . . . 188 4.3 Anpassung in den Dörfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 4.3.1 Altenburschla wird eingemeindet . . . . . . . . . . . . . . . . 194 4.3.2 Westerheim: Ein Bürgermeister und sein Dorf . . . . . . . . 198 4.3.3 Beton statt Stahl in Niederdreisbach . . . . . . . . . . . . . . 201 4.4 Mehr Demokratie und verstärkte Modernisierungskritik . . . . . 206 4.4.1 Der »verantwortungsbewusste Bürger« . . . . . . . . . . . . . 206 4.4.2 Neue, alte Dörfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4.4.3 Denkmalschutz als Heimatschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Gedruckte Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

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Einleitung

Im Jahr 1967 hielt Graf Lennart Bernadotte, Schlossherr auf der Insel M ­ ainau, ehemaliger schwedischer Prinz und Präsident der Deutschen Gartenbau-Gesell­ schaft (DGG), einen Vortrag zum Thema: »Das Rosendorf Schmitshausen weist Wege in die Zukunft«.1 Er stellte dieser Rede eine lange Beschreibung des Dorfes im Landkreis Südwestpfalz voran. Offensichtlich fand Bernadotte in Schmitshausen alles, was ein »schönes Dorf« in der Bundesrepublik ausmachen sollte: »Von allen Seiten ist der Anblick des Dorfes gewinnend. Von Obstgärten, Baumpflanzungen und Wald umgeben, wurden in fünf bis sechs Jahren im Dorf Haus und Hof, Straßen und Plätze, Vorgärten und Einfriedungen und mitten im Dorf ein Dorfplatz unter sachverständiger Leitung neu und vorbildlich gestaltet und gepflegt. Alte schöne Bäume und neugepflanzte Baumgruppen beleben das Ortsbild. Am Eingang liegt das gepflegte Ehrenmal und am anderen Ende des Dorfes ein von einer guten Mauer umgebener, neugestalteter Friedhof. […] Diese Gemeinschaftsleistung verdient besondere Anerkennung. Eine halbe Wegstunde vom Dorf entfernt, liegt abseits – drunten im Tal – die Kirche am Rande des Gemeindewaldes. Der Weg zur Kirche durch den Gemeindewald war bis vor kurzem vernachlässigt, teils Schutthalde, teils Müllplatz. Heute ist dieser Wald, vor allem unter Mitwirkung der Jugend, mit einem vielgestaltigen Naturlehrpfad zu einem herrlichen, mustergültigen Naherholungsgebiet ausgebaut, das bereits zum Vorbild und Anziehungspunkt geworden ist. Hierzu zählt auch das schön eingebettete Wiesental. Wenn die dort leider aufgeforstete, frühere Gemeindewiese auf Wunsch der Landespfleger bald wieder freigelegt wird, sind alle Voraussetzungen für eine besondere Auszeichnung für dieses Naherholungsgebiet gegeben.«2

So zeichnete Graf Lennart Bernadotte das Bild des perfekten Dorfes, wie es sich die Verantwortlichen des Wettbewerbs Unser Dorf soll schöner werden erdacht hatten. Das Rosendorf wies alle wesentlichen Kriterien für ein »Golddorf«, wie die Siegerdörfer des Bundeswettbewerbs genannt wurden, auf: Die Einbettung in eine sorgfältig gepflegte deutsche Kulturlandschaft, die harmonische Verbindung von Tradition und Fortschritt, die intakte Dorfgemeinschaft, in der verantwortungsbewusste Bürger und vor allem auch die Jugend zusammen­arbeiten, um die als Heimat wahrgenommene Umwelt zu erhalten, 1 Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1967, Das Rosendorf Schmitshausen weist Wege in die Zukunft. 2 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Einleitung

sowie die über den unmittelbaren lokalen Umkreis hinausweisende Nützlichkeit der Gemeinde für das gesellschaftliche Ganze in ihrer Funktion als Er­ holungsraum. Diese Konzeptionen des modernen Dorfes stehen im Mittelpunkt dieses Buches. Wie entstanden sie, wie wirkungsmächtig waren sie für die Neuordnung des ländlichen Raumes in der Bundesrepublik und welche Konsequenzen hatte die Anwendung dieses Leitbildes für die Bewohner des länd­lichen Raums? Die Bedeutung des Leitbildes, das Bernadotte am Beispiel von Schmits­ hausen entwarf, reicht dabei weit über das Rosendorf hinaus. Im Rahmen des Wettbewerbs Unser Dorf soll schöner werden, an dem von 1961 bis zum Jahr 1979 40.651 Dörfer mit unter 3.000 Einwohnern teilnahmen, wurde dessen Zielvorstellungen flächendeckend in der Bundesrepublik verbreitet und zu einer wesentlichen Grundlage für die Neuordnung des ländlichen Raumes während der 1960er- und 1970er-Jahre.3 Auch wenn bei der Anzahl der Teilnehmer zahlreiche Mehrfachbewerbungen zu berücksichtigen sind, gab und gibt es in Deutschland kaum ein Programm, das den ländlichen Raum in dieser Breite und Intensität prägte.4 Zudem bezog der Wettbewerb die Dörfer selbst in den Neuordnungsprozess mit ein – und zwar in wesentlich größerem Ausmaß als andere Maßnahmen zur Neuordnung des ländlichen Raumes, wie etwa die Raumplanung. So wurde der Wert der bis 1979 durch die beteiligten Dörfer erbachten Eigenleistungen beispielsweise auf mindestens 1,5 Milliarden DM geschätzt.5 Der Hauptgrund für den Erfolg des Wettbewerbs war, dass er Richtlinien und Antworten auf Fragen gab, die den Zeitgenossen in den 1960er- und 1970er-Jahren als gewaltige Herausforderung erschienen: »Die Probleme unserer Zeit berühren nicht nur die Großstädte, sondern auch das, was man schlicht flaches Land nennt. Auch dieses macht einen Strukturwandel durch, der wegen der Geschwindigkeit seines Ablaufs einmalig ist«, stellte Lennart Bernadotte im weiteren Verlauf seiner Rede fest und schloss daran die rhetorische Frage an: »Was kann man auf dem Lande tun, um das gute Alte zu bewahren und dennoch dem Fortschritt Tor und Tür zu öffnen?« Die Lösung, die der Graf im Anschluss präsentierte, war der Dorfwettbewerb: »Die Antwort ist eine ganz einfache Methode, nämlich den Wettbewerbsgedanken zu wecken, um so einen legitimen Antrieb für den Fortschritt zu erzielen, schlummernde Kräfte wachzu­

3 Zur Bedeutung des Wettbewerbs vgl. auch: Rainer Pöppinghege, »Unser Dorf soll planbar werden. Expertentum und Landschaftsschutz im Wettbewerb 1961–1973, in: Geschichte im Westen, Jahrgang 26 (2011), 181–205, hier vor allem 181/182. 4 Herbert Strack, Heinrich Bomkamp, Unser Dorf soll schöner werden. Dokumentation und Auswertung der Bundeswettbewerbe 1961–1979. Schriftenreihe des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Heft 259. Münster-Hiltrup 1981, 113. 5 Ebd., 86. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Einleitung

rufen und Vorbilder sichtbar zu machen, die bislang nicht bekannt waren.«6 Ob die Antwort tatsächlich so einfach war, wie hier suggeriert wird, sei zunächst einmal dahingestellt. Wichtig ist an dieser Stelle, dass die Ausführungen des »Herren der Mainau«, wie er sich bisweilen selbst titulierte, deutlich machen, was das zentrale Ziel des Wettbewerbs war: Die Bewältigung und Steuerung des von Bernadotte als »rasanter Strukturwandel« gekennzeichneten Veränderungsprozesses des ländlichen Raums. Solche und ähnliche Formulierungen finden sich oft in den Quellen im Umfeld des Dorfwettbewerbs. Immer wieder wird man mit verschiedenen Varianten der Beschreibung eines epochalen Strukturwandels konfrontiert, der mit scheinbarer Zwangsläufigkeit und Unabänderlichkeit über die Bundesrepublik und insbesondere über den ländlichen Raum hereinbrach. »The Times They Are A-Changin’«, zitiert Eckart Conze Bob Dylan, um den Zeitraum zwischen 1957 und 1966 zu charakterisieren.7 In den Augen der Zeitgenossen schien es wirklich die Zeit selbst zu sein, die den Veränderungsprozess vorantrieb, der sich kaum als historischer Prozess mit seinen fein ausdifferenzierten Mechanismen begreifen ließ, sondern allenfalls als ein gnadenloses Voranschreiten, dem es so gut wie möglich zu folgen galt. Gerade der Wettbewerb stellte allerdings, das wird aus den Bemerkungen Bernadottes deutlich, den Versuch dar, den sich scheinbar jeglicher Beeinflussung entziehenden Strukturwandel zu kontrollieren und in geordnete Bahnen zu lenken. Eine ambitionierte Zielsetzung, denn dieser Strukturwandel war nun in der Tat gerade auf dem Land so einschneidend, dass mancher Politiker, vor dieser Herausforderung kapitulierte. In der historischen Forschung wird dieser Veränderungsprozess als »agrarische Transition«8 behandelt. Gunther Mai beschreibt diesen Prozess als gesamteuropäisches Phänomen, das sich vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart erstreckt und in zwei aufeinanderfolgende Veränderungswellen zerfällt: Erstens die »Deagrarisierung der Ökonomie« und zweitens die daraus folgende »Deruralisierung des ländlichen Raums«, die durch die »Entbäuerlichung von Bauer und Dorf« geprägt war.9 Entscheidend sind die starke Abnahme des Anteils der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt und der starke Rückgang der Beschäftigung in der Landwirtschaft während des 20. Jahrhunderts in den westlichen Industrienationen sowie etwas später in der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten. Beziffert man den Anteil, 6 Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1967, Das Rosendorf Schmitshausen weist Wege in die Zukunft. 7 Eckart Conze, Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik von 1949 bis in die Gegenwart. München 2009, 227. 8 Ein hervorragender Forschungsüberblick findet sich bei: Gunther Mai, Die Agra­rische Transition. Agrarische Gesellschaften in Europa und die Herausforderungen der industriellen Moderne im 19. und 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 33, 2007, 471–517. 9 Ebd., 472. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Einleitung

den die Landwirtschaft am Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik hatte, ergibt sich in der Tat ein deutliches Bild. Ihr Anteil reduzierte sich zwischen 1950 und 1970 von 12,1 Prozent auf 3,6 Prozent und sank bis zum Ende der 70erJahre noch einmal auf einen Anteil von knapp 2 Prozent ab. Verbunden war dieser Rückgang mit einer enormen Arbeitskräftefreisetzung. 1950 arbeiteten über 5,1 Millionen Menschen in der Land- und Forstwirtschaft. 1960 waren es immerhin noch etwas über 3,6 Millionen, in den folgenden 20 Jahren reduzierte sich die Anzahl der Beschäftigten im primären Sektor um mehr als die Hälfte auf etwas über 1,4 Millionen Menschen. So sank der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten gemessen an der Anzahl der Gesamtbeschäftigten von nicht ganz 25 Prozent im Jahr 1950 auf 5,5 Prozent im Jahr 1980. Verbunden war diese Reduzierung an wirtschaftlicher Bedeutung allerdings mit einer beträchtlichen Produktionssteigerung: Konnte man 1950 nur 2,48 Menschen pro Hektar ernähren, waren es 1980 bereits 3,6. Der Selbstversorgungsgrad in der Bundesrepublik blieb daher während dieser Zeit mit geringen Schwankungen bei 72 Prozent auch relativ stabil.10 Frank Uekötter hat diesen Umbruch zu Recht als einen Wandel bezeichnet, der in seiner »Radikalität […] wohl nur mit der neolithischen Revolution zu vergleichen ist.«11 Viele Zeitgenossen reagierten zunächst beunruhigt auf diese Veränderungen. Für den Landesbauminister von Nordrhein-Westfalen Joseph Paul Franken (CDU) etwa war dieser radikale Wandel Ausdruck einer Modernisierung, die er kritisch bis panisch betrachtete. Als 1963 in Bonn die Siegerdörfer des zweiten Wettbewerbs geehrt wurden, sprach er von »Entartungserscheinungen menschlichen Seins«, denen »mit allen Kräften Einhalt zu gebieten« sei,12 wenn er die negativen Folgen des Strukturwandels beschrieb. In den Augen Frankens und anderer konservativer Zeitgenossen drohte der unwiderrufliche Verlust traditioneller Werte und Kultur, deren Wurzeln bis ins Mittelalter zurückreichten und die ein existenzieller Bestandteil der deutschen Kulturnation waren. Die Folgen dieses Verlusts beschrieb Gunther Mai jüngst als »Tod des Bauerntums«, also als das »Verschwinden eines jahrtausendealten Kulturmusters und Sozialtypus, sowie – vor allem seit etwa 1960 und nicht nur in der westlichen Hälfte Europas  – das Ende der kulturellen Dominanz agraristischer Leitbilder.«13 10 Alois Seidl, Deutsche Agrargeschichte. Frankfurt a. M. 2006, 281–282. 11 Frank Uekötter, Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft. Göttingen 2011, 12. 12 Archiv der DGG, Ordner AID 1964, Die Wandlungen des ländlichen Raums, 29.11. 1963, 4. 13 Mai, Agrarische Transition, 473. Einer der einflussreichsten Historiker, der diese Sicht teilt, ist sicherlich Eric Hobsbawm, der im Untergang des Bauerntums eine der wesentlichen Ursachen für die Entstehung von Massenarmut im 20.  Jahrhundert sieht. »The p ­ easantry, which had formed the majority of the human race throughout recorded history, had been made redundant by agricultural revolution […].« Eric Hobsbawm, Age of Extremes. The Short Twentieth Century 1914–1991. London 1994, 415. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Einleitung

Für manchen Agrarhistoriker war daher die Geschichte des ländlichen Raumes und seiner Bewohner nur als eine Untergangsgeschichte mit fatalem Ende vorstellbar. »Wie schreibt man eine Geschichte des Verschwindens ehemals bedeutsamer sozialer Klassen?«, fragte etwa Josef Mooser.14 Diese im Kern als Verfallsgeschichte konzipierte Erzählung von der Entwicklung des ländlichen Raumes im 19. und 20. Jahrhundert bildet die Grundlage vieler – vor allem aus der Perspektive der Agrargeschichte geschriebenen  – Historiografien des ländlichen Raumes.15 Diskutiert wurde nur noch über den Zeitpunkt, zu dem der endgültige Verfall einsetzte. Abgesehen von einigen Ausnahmen16 wird der entscheidende Umbruch meist für die 1960er-Jahre konstatiert, während die 50er-Jahre sich noch einmal als »Blütezeit des bäuerlichen Familienbetriebs und der geschlossenen dörflichen Gemeinde« erweisen.17 Einige Grundlagenwerke der Agrargeschichte klammern das 19.  und 20.  Jahrhundert sogar insgesamt aus ihren Betrachtungen aus, da ihnen anscheinend ihr Untersuchungsgegenstand abhandengekommen ist.18 Diese negative Bewertung des Strukturwandels geriet allerdings schon zu Beginn der 60er-Jahre in die Kritik. Statt Zerstörung und Verlust von Tradition zu beklagen, wurde vielfach auch die Chance einer gesellschaftlichen Neuordnung betont. Die Loslösung aus tradierten Strukturen wurde nun vielmehr als Möglichkeit gesehen, alte Zöpfe abzuschneiden. Traditionen und gewachsene Strukturen waren aus dieser Perspektive Entwicklungshemmnisse, von denen man sich auf dem Weg in eine moderne Zukunft befreien musste.19 So war es etwa 14 Josef Mooser, Das Verschwinden der Bauern. Überlegung zur Sozialgeschichte der »Entagrarisierung« und Modernisierung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert, in: Daniela Münkel (Hrsg.), Der lange Abschied vom Agrarland. Agrarpolitik, Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft zwischen Weimar und Bonn. Göttingen 2000, 27. Ähnlich auch: Josef Mooser, Kommentar, in: Matthias Frese, Michael Prinz (Hrsg.), Politische Zäsuren und gesellschaftlicher Wandel im 20. Jahrhundert. Paderborn 1996, 389–401. 15 Vergleiche hier auch Ulrich Kluge. Er sieht in der Anpassung der Landwirtschaft an »die industrialisierte, wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft« nicht nur einen Verlust an »Bäuerlichkeit«. Letztlich, betont er, war dieser Weg auch verantwortlich für eine »für Mensch und Tier katastrophale Krise der Land- und Ernährungswirtschaft«. Damit meint Kluge vor allem BSE sowie weitere Lebensmittel- und Verbraucherskandale. Ulrich Kluge, Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 20. Jahrhundert. München 2005, 3, 69. 16 Walter Achilles, Die Entbäuerlichung des Bauern 1880–1913, in: Wolfgang Jacobeit, ­Josef Mooser, Bo Strath (Hrsg.), Idylle oder Aufbruch? Das Dorf im bürgerlichen 19. Jahrhundert. Ein europäischer Vergleich. Berlin 1990, 59–152. 17 Mai, Agrarische Transition, 473. 18 Vgl. Werner Rösener, Einführung in die Agrargeschichte. Darmstadt 1997. 19 Die Zukunftserwartungen, die mit einer Abwendung von traditionellen Strukturen verbunden war, war dabei durchaus keine utopischen Großentwürfe, sondern bezogen sich auf ganz konkrete materielle Verbesserung im persönlichen Lebensumfeld. In den Dörfern etwa ging es nicht um Entwürfe einer neuen agrarisch geprägten Bauerngesellschaft, sondern um bessere Straßen, verbesserte sanitäre Einrichtungen und vor allem verbesserte Verdienstmöglichkeiten. Allgemein zur Konkretisierung von Zukunft in den 1950er- und 60er-Jahren © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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für den Bundespräsidenten und ehemaligen Bundeslandwirtschaftsminister Heinrich Lübke nicht nur die demokratische Verfassung und die Möglichkeit zur Mitbestimmung, die aus den Bundesbürgern die Mitglieder einer »freien Gesellschaft und eines freien Volkes« machten, sondern ebenso die Freiheit von den Zwängen traditioneller sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Bindungen.20 Erst die Loslösung aus diesen Traditionen erlaubte den Bürgern, ihre Zukunft von Grund auf neu und in weitgehender Freiheit zu gestalten. Gleichzeitig bot sich hier die Möglichkeit, traditionelle Ordnungsvorstellungen, die ideologisch und politisch hochgradig belastet waren, durch neue, wissenschaftlich begründete, rationale Ordnungsparadigmen zu ersetzen. Die »kulturelle Dominanz agraristischer Leitbilder«21, zu denen auch die Vorstellung von einer »bäuerlichen Volkskultur« gehört hatte, wurde in der Bundes­ republik im Laufe der 60er-Jahre zunehmend von funktionalen Ordnungsvorstellungen abgelöst, die vor allem auf eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen des ländlichen Raums abzielten. Dieser Prozess, bei dem lokales und traditionelles Wissen von akademischem Wissen, das sich wissenschaftlicher Forschung und rationalen Zweck­ überlegungen verdankt, verdrängt wird, ist wohl eine der kennzeichnenden Entwicklungen der Moderne und des 20.  Jahrhunderts.22 Sehr zugespitzt hat diese Entwicklung der amerikanische Ethnologe James C.  Scott dargestellt. Scott geht letztlich davon aus, dass im 20. Jahrhundert eine »Ideologie der Hoch­ moderne«, die sich etwas verkürzt in den Phänomenen Zentralisierung, Ratio­ nalisierung, Verwissenschaftlichung und Bürokratisierung fassen lässt, mit denen der Staat eine Verbindung eingegangen sei, die der radikalen Durchsetzung zentralstaatlicher Herrschaftsansprüche gegen lokal verortete Gesellschaften vgl. Gabriele Metzler, Konzeptionen politischen Handelns von Adenauer bis Brandt, politische Planung in der pluralistischen Gesellschaft. Paderborn u. a. 2005, 143 ff. Zum Fehlen von utopischen Zukunftsentwürfen speziell in der Landwirtschaft vgl. Uekötter, Die Wahrheit, 122 ff. Uekötter spricht von einer »Revolution ohne Utopie«. 20 Heinrich Lübke, Unser Dorf soll schöner werden, in: Bulletin der Bundesregierung, 4. Dezember 1963, Nr. 213, 1893. 21 Mai, Agrarische Transition, 473. 22 Für die Verwissenschaftlichung der Raumplanung vgl. Ariane Leendertz, Ordnung schaffen. Deutsche Raumplanung im 20. Jahrhundert. Göttingen 2008. Zur Neuordnung der Agrargesellschaft nach wissenschaftlichen Kriterien, Willi Oberkrome, Die Geschichte der deutschen Landbauforschung, Agrarökonomie und ländlichen Sozialwissenschaft im Spiegel von Forschungsdienst und DFG (1920–1970). Stuttgart 2009. Zum Versuch lokales Wissen in den Prozess der Verwissenschaftlichung einzubeziehen siehe: Friedemann Schmoll, Die Vermessung der Kultur. Der »Atlas der deutschen Volkskunde« und die Deutsche Forschungsgemeinschaft; 1928–1980. Stuttgart 2009. Aktuell zur Modernisierung der Landwirtschaft: Frank Uekötter, The Magic of One. Reflections on the Pathologies of Monoculture. München 2011. Grundlegend: Margit Szöllösi-Janze, Wissensgesellschaft in Deutschland: Überlegungen zur Neubestimmung der deutschen Zeitgeschichte über Verwissenschaftlichungs­ prozesse, in: Geschichte und Gesellschaft 30, 2004, 277–313. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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(communities) diente. Wenn dieser Staat zudem autoritär sei und auf eine schwache Zivilgesellschaft stoße, wäre das Ergebnis »potentiell tödlich.«23 Scott reduziert dabei allerdings den Staat auf einen nicht weiter differenzierbaren Leviathan, als alleinigen Motor der vielfältigen Prozesse, die unter dem Begriff der Modernisierung zusammengefasst werden. Gegen den Staat und die von ihm durchgesetzte Modernisierung war Widerstand nur in lokalen Rückzugsgefechten möglich. Problematisch an dieser Betrachtung ist, dass der Staat und die von ihm durchgesetzte Rationalisierung und Bürokratisierung zum alleinigen Movens historischer Veränderung wird. Die Zivilgesellschaft, vor allem in ihrer Verfasstheit als lokal verortete Gemeinschaften mit lokalem Wissen, die Scott in ihrer Bedeutung so hoch einschätzt, haben in diesem Konzept höchstens die Möglichkeit, als retardierendes Moment in den historischen Prozess ein­ zugreifen. Nicht umsonst entwickeln Scotts Theorien ihre größte Plausibilität dort, wo man es als Historiker mit autoritären Staaten zu tun hat, denen weitreichende Machtmittel zur Durchsetzung ihrer Planungsvorhaben zu Verfügung standen. Als eines der eindrücklichsten Beispiele für die katastrophalen Folgen der von Scott beschriebenen Politik kann der Generalplan Ost gelten.24 Dieser radikale Versuch einer Neuordnung ländlicher Räume, der in dieser Weise nur im Verbund mit dem völkisch und rassistisch begründeten Vernichtungskrieg im Osten vorstellbar war, hat auch für die Neuordnung ländlicher Räume in der Bundesrepublik Bedeutung und besonders für den Dorfwettbewerb, da Mit­ arbeiter am Generalplan Ost ganz wesentlich an der Konzeption des Dorfwettbewerbs beteiligt waren. Besonders hervorzuheben ist dabei der Landschaftsgestalter Heinrich Wiepking,25 der sowohl am Generalplan Ost mitgewirkt, als auch wesentlich zur Konzeption des Dorfwettbewerbs beigetragen hat. So ist es denn nicht verwunderlich, dass etwa Willi Oberkrome den Wettbewerb 23 Scott, Seeing Like a State, 4–5. 24 Zum Generalplan Ost vgl. Isabel Heinemann, Wissenschaft und Homogenisierungsplanung für Osteuropa. Konrad Meyer, der »Generalplan Ost« und die Deutsche Forschungsgemeinschaft«, in: dies., Patrick Wagner (Hrsg.), Wissenschaft, Planung, Vertreibung. Neuordnungskonzepte und Umsiedlungspolitik im 20.  Jahrhundert. Stuttgart. 2006, 45–72. David Blackbourn, Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft. Pantheon. München 2008, 307–376. Mechthild Rössler, Sabine Schleiermacher (Hrsg.), Der »Generalplan Ost«. Hauptlinien der nationalsozialistischen Planungs- und Vernichtungs­ politik, Berlin 1993. Michael Hartenstein, Neue Dorflandschaften. Nationalsozialistische Siedlungsplanung in den »eingegliederten Ostgebieten« 1939 bis 1944. Berlin 1998. 25 Über die Person Wiepkings liegen mittlerweile zahlreiche Arbeiten vor. Gert Gröning, Joachim Wolschke-Bulmahn, Die Liebe zur Landschaft. Teil 3: Der Drang nach Osten. München, 1987. Dies., Grüne Biographien. Biographisches Handbuch zur Landschaftsarchitektur des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Berlin, Hannover 1997. Ein gutes Beispiel für die fachinterne Auseinandersetzung der Landschaftsarchitekten mit Wiepking ist auch die biographisch angelegte Doktorarbeit von Ursula Kellner, Heinrich Wiepking (1891–1973). Leben, Lehre und Werk. Hannover 1998. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Unser Dorf soll schöner werden in direkte Kontinuität zur NS-Zeit stellt. Man habe sich zu Beginn der 1960er-Jahre »auf die Dorfwettbewerbe der nationalsozialistischen Epoche« besonnen und den Dorfwettbewerb »unter dem Zuspruch der Heimatorganisationen in Gestalt des Bundeswettbewerbs ›­Unser Dorf soll schöner werden – unser Dorf in Grün und Blumen‹« wieder auf­leben lassen.26 Neben den alten NS-Planern spielt allerdings ab den 60er-Jahren auch ein neuer Typus des Planers eine Rolle, den Thomas Etzemüller sehr treffend als Sozialingenieur bezeichnet hat.27 Ebenso wie die Vorgängergeneration waren auch diese überzeugt von ihrem Wissen und ihrer Befähigung zur Steuerung und Neugestaltung hochkomplexer Räume. Auch sie konnten wenig mit lokalem Wissen anfangen und glaubten an die Notwendigkeit staatlicher Steuerung  – was ihnen aber fehlte, war die völkische und rassistische Hybris ihrer Vorgänger. Damit sind zwei der wesentlichen historischen Entwicklungen benannt, in deren Rahmen sich der Dorfwettbewerb und die Neuordnung des ländlichen Raumes in den 1960er-Jahren abspielen und die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen. Erstens ein rasanter Strukturwandel, der seinen drastischen Ausdruck in der Entbäuerlichung und Deagrarisierung weiter Teile des ländlichen Raumes findet, und zweitens einem sich aus der Ideologie der Hochmoderne herleitenden Anspruch des bürokratischen Staates, seine Herrschaft gegenüber lokalen Gemeinschaften durchzusetzen, um so auch abseits der Zentren seinen Gestaltungs- und Ordnungswillen durchsetzen zu können. Für die Bundes­ republik gewinnt allerdings spätestens mit Beginn der 1960er-Jahre ein dritter Prozess entscheidend an Bedeutung, der sich in den Begriffen Pluralisierung, Demokratisierung und Westernisierung bündeln lässt.28 So ist die Neuordnung des ländlichen Raumes, wie sie der Wettbewerb anstrebte, eingebettet in eine größere Entwicklung der Neuordnung der Bundesrepublik. Entscheidend für den Dorfwettbewerb war hier, dass »[d]er moderne Staat als diejenige Instanz, die verbindliche Entscheidungen fällt, […] nicht mehr als von der Gesellschaft getrennt [galt], vielmehr war er ein Teil von ihr, […] in welchem Entscheidungen aus einem deliberativen Prozess hervorgingen.«29 Der Wettbewerb mit seiner Betonung des bürgerschaftlichen Engagements fügte sich einerseits sehr gut in diese Entwicklung, anderseits wurde es auch im Rahmen des Wettbewerbs 26 Oberkrome, Deutsche Heimat, 476. 27 Thomas Etzemüller, Social Engineering als Verhaltenslehre des kühlen Kopfes. Eine einleitende Skizze, in: ders. (Hrsg.), Die Ordnung der Moderne. Social Engineering im 20. Jahrhundert. Bielefeld 2009, 30. Bezeichnenderweise nutzt Thomas Etzemüller die Metapher des Gärtners – auch die Beamten im Bundeslandwirtschaftsministerium waren oft ausgebildete Gärtner –, um sein Konzept des social engineering zu verdeutlichen. 28 Wie westlich sind die Deutschen? Amerikanisierung und Westernisierung im 20. Jahrhundert. Göttingen 1999. Ulrich Herbert (Hrsg.), Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung, 1945 bis 1980. Göttingen 2002. 29 Gabriele Metzler, Konzeptionen politischen Handelns von Adenauer bis Brandt politische Planung in der pluralistischen Gesellschaft. Paderborn, München 2005, 13. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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schwieriger, Ordnungsvorstellungen, wie sie etwa im Rahmen des Dorfwettbewerbs als Wettbewerbskriterien entwickelt wurden, auf lokaler Ebene zu implementieren und durchzusetzen. Wie zu zeigen sein wird, war der Dorfwettbewerb oft beides. Ein Mittel das die bürgerschaftliche Beteiligung an der Neuordnung des ländlichen Raumes förderte, aber auch ein Mittel, das die Steuerung und Kontrolle der Neu­ ordnung bis in das kleinste Dorf hinein ermöglichte. Die inneren Widersprüche dieser beiden Aufgabenstellungen begleiteten den Wettbewerb von Anfang an. Somit war der Wettbewerb auch ein Forum, in dem die »Spannung zwischen Vorgabe und Freiheit, Gemeinschaft und Individuum, Experte und Laie, Mündigkeit und Übermächtigung«, die so kennzeichnend für moderne Ordnungspolitik ist, ausgiebig diskutiert und vermittelt wurden.30 Einen besonderen Höhepunkt sollten diese Diskussionen anlässlich der Gemeindereformen der 1970er-Jahre erreichen, als der Dorfwettbewerb von den Organisatoren als ein Ersatz für den Verlust der kommunalen Selbstständigkeit gesehen wurde.31 Es stellt sich die Frage, ob der Dorfwettbewerb ein Teil  der »Reform für den Bürger« darstellte, die diesem helfen sollte, aber letztlich ohne dessen Beteiligung stattfand, oder ob er eine »Reform mit dem Bürger« war.32 Unser Dorf soll schöner werden erlaubt damit tiefe Einblicke in eine bundesrepublikanische Ordnungspolitik, in der autoritäre und partizipative Elemente in einem komplexen Miteinander dazu eingesetzt wurden, die Modernisierung der Bundesrepublik voranzutreiben. Angesichts der größeren historischen Entwicklungen, in die der Wettbewerb eingebettet war, und der spezifischen Akteure, die mit diesem Wettbewerb verbunden waren, ergeben sich für diese Untersuchung drei zentrale Aspekte: Erstens die Frage nach dem Leitbild des Wettbewerbs. Nach dem Ende der Dominanz »agraristischer Leitbilder« bestand zunächst Unsicherheit darüber, in welche Richtung die Entwicklung des ländlichen Raums nun voranschreiten sollte. Der Dorfwettbewerb war ein Forum, in dem neue Leitbilder nicht nur diskutiert wurden. Die Frage nach dem Leitbild des Wettbewerbs, beziehungsweise den Leitbildern der beteiligten Personen und der Veränderung dieser Leitbilder während der 1960er- und 70er-Jahre, hat deshalb besondere Relevanz, weil sie in Form von Bewertungskriterien und als Richtlinien, an denen sich Tausende Dörfer orientierten, in den Prozess der Neuordnung des ländlichen Raumes 30 Etzemüller, Social Engineering, 36. 31 Zur Gemeindereform vgl. Sabine Mecking, Janbernd Oebecke, Die kommunale Neugliederung als gesellschaftliche und rechtliche Herausforderung in Vergangenheit und Gegenwart, in: dies. (Hrsg.), Zwischen Effizienz und Legitimität. Kommunale Gebiets- und Funktionalreform in der Bundesrepublik Deutschland in historischer und aktueller Perspektive Paderborn 2009, 1–31. 32 Sabine Mecking, Bürgerwille und Gebietsreform: Demokratieentwicklung und Neuordnung von Staat und Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen 1965–2000. München 2012, 460. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Eingang fanden. Von besonderer Bedeutung wird es dabei sein, Akteure zu benennen, die neue Ideen entwickelten und im Rahmen des Wettbewerbs umsetzten. Deren Agenda war vielschichtig und lässt sich weder auf eine »Ideologie der Hochmoderne« reduzieren, noch auf ein »social engineering« der 1960er-Jahre. Gerade im Umfeld des Dorfwettbewerbs fanden sich viele sogenannte »Modernisierungskritiker«, die einer Technisierung und Rationalisierung äußerst kritisch gegenüberstanden und sehr darum bemüht waren, Konzepte, die der Idee der Modernisierung zu widersprechen schienen, in die Gestaltung ländlicher Räume einfließen zu lassen. Dazu gehörten etwa der Landschaftsschutz, lokale Identität und lokales Wissen, kultureller Essentialismus, Ideen von Gemeinschaft und eine in lokalen Traditionen verortete Ästhetik. Zweitens stellt sich die Frage, wie eine weitreichende Politik der Neustrukturierung und Neuordnung mit demokratischen Mitteln durchsetzbar, und in­ wieweit die Zivilgesellschaft an diesem Neuformierungsprozess beteiligt war. Was Strukturreformen anging, wurde gerade dem ländlichen Raum ein Beharrungsvermögen nachgesagt, welches noch in den 1960er-Jahren die Verantwortlichen der Gemeindereform befürchten ließ, »dass größere umfassende Gebietsreformen wegen der großen Beharrungskräfte eigentlich nur in Diktaturen oder nach militärischen Niederlagen möglich seien.«33 Wie also konnte der Dorfwettbewerb zu einem solchen Erfolg werden und Tausende von Dörfern dazu bewegen, die Neuordnung ihrer Heimat selbst in die Hand zu nehmen? Und inwieweit gelang es dem Dorfwettbewerb, neue Formen der Kommunikation und der Partizipation zu entwickeln? Drittens soll gezeigt werden, wie der Wettbewerb auf lokaler Ebene in den Dörfern umgesetzt wurde. Dabei wird – ganz im Sinne Scotts – von besonderem Interesse sein, ob und in welcher Form die Vorgaben, die der Dorfwettbewerb machte, auf der lokalen Ebene transformiert wurden und inwieweit daraus Ergebnisse entstanden, die so nicht vom Wettbewerb intendiert waren. Wie groß war also die Diskrepanz zwischen Planung und der Umsetzung vor Ort? Wer waren in den Dörfern die Agenten – und wer die Gegner der Modernisierung? Wie veränderten sich die Dörfer selbst im Laufe der 1960er- und 70er-Jahre? Gerade diese lebensweltliche Veränderung und ihre Auswirkungen sind bisher kaum erforscht worden. Tendenziell werden vor allem die Beharrungskräfte der Landbewohner betont, die trotz der massiven strukturellen Umbrüche an alten Gewohnheiten und Traditionen festhielten. Aus diesem Grund wird auch die Bedeutung der ländlichen Bevölkerung für die Modernisierung des ländlichen Raums selbst meist sehr gering eingeschätzt.34 Um diese präziser zu hin 33 Mecking, Die kommunale Neugliederung, 2. 34 Thomas Schlemmer, Hans Woller, Die Erschließung des Landes 1949 bis 1973. München 2001. Jaromir Balcar, Politik auf dem Lande. Studien zur bayerischen Provinz 1945 bis 1972. München 2004. Wolfram Pyta, Dorfgemeinschaft und Parteipolitik 1918–1933. Die © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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terfragen, wurden für diese Arbeit drei Dörfer aus der Vielzahl der Teilnehmer ausgesucht. Das wesentliche Auswahlkriterium war deren Mehrfachteilnahme auf Bundesebene sowohl in den 1960er- als auch in den 70er-Jahren, um so historische Veränderungen auf lokaler Ebene abbilden zu können. Näher untersucht werden die folgenden Dörfer: Altenburschla in Hessen, das 1961 und 1973 am Bundeswettbewerb teilnahm, Niederdreisbach in RheinlandPfalz (1961,1965 und 1975) und Westerheim in der Nähe der bekannten ehemaligen Weberstadt Laichingen, auf der Schwäbischen Alb gelegen (1961, 1963 und 1973). All diese Dörfer gewannen bei jeder Teilnahme mindestens »Silberplaketten«, teilweise aber auch »Goldplaketten«. Ein Problem bei der Untersuchung des ländlichen Raums ist die »starke Binnendifferenzierung« desselben.35 Die drei Dörfer können nicht repräsentativ für alle Dörfer stehen, die am Wettbewerb teilnahmen. Wie sich zeigen wird, hing dazu die Umsetzung vor Ort viel zu stark von den lokalen Gegebenheiten ab. Eben dies wird vermutlich auch auf alle anderen Dörfer zutreffen, die am Wettbewerb teilnahmen. In diesem Sinne sind die drei hier untersuchten Dörfer als Fallbeispiele zu bewerten, anhand derer sich die Implementierung von zentral geplanten Modernisierungsbemühungen auf lokaler Ebene untersuchen lässt.36 Damit ist es auch nicht das primäre Ziel der Arbeit, durch die Untersuchung der Dörfer »über die Lokalgeschichte und deren mikro-historische Untersuchung […] Zusammenhänge der allgemeinen Geschichte«37 zu erschließen. Vielmehr werden die ausgewählten Dörfer untersucht, um weitere wichtige Akteure bei der Neuordnung des ländlichen Raumes ins Blickfeld zu rücken. So kann Verschränkung von Milieu und Parteien in den protestantischen Landgebieten Deutschlands in der Weimarer Republik. Düsseldorf 1996. Eine Ausnahme etwa stellt Paul Erker dar, der auf die Bedeutung der Bauern bei der Modernisierung der Agrarwirtschaft verweist. Paul Erker, Der lange Abschied vom Agrarland, in: Matthias Frese, Michael Prinz (Hrsg.), Politische Zäsuren und gesellschaftlicher Wandel im 20.  Jahrhundert. Regionale und vergleichende Perspektiven, Paderborn 1996, 327–360. Von der lokalen Seite nähert sich Antonia Humm der Neuordnung des ländlichen Raums in einer vergleichenden Studie für Bundesrepublik und der DDR. Antonia Maria Humm, Auf dem Weg zum sozialistischen Dorf? Zum Wandel der dörflichen Lebenswelt in der DDR von 1952 bis 1969 mit vergleichenden Aspekten zur Bundesrepublik Deutschland. Göttingen 1999. Einen allgemeinen Überblick liefern: Werner Troßbach, Clemens Zimmermann, Die Geschichte des Dorfes. Stuttgart 2006. 35 Karl H. Schneider, Wege in die Moderne. Varianten dörflicher Entwicklung zwischen 1945 und 1970, in: Münkel, Der lange Abschied, 86. 36 Am griffigsten wurde diese Vorgehensweise von Clifford Geertz für sein Fachgebiet zusammengefasst, der schrieb: »Der Ort der Untersuchung ist nicht der Gegenstand der Untersuchung. Ethnologen untersuchen nicht Dörfer (Stämme, Städte, Wohnbezirke), sie untersuchen in Dörfern.«, in: Clifford Geertz, Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie von Kultur, in: ders.: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt a. M. 1987, 32. 37 Hans Medick, Weben und Überleben in Laichingen 1650–1900. Lokalgeschichte als Allgemeine Geschichte. Göttingen 1996, 16.  © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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gegebenenfalls auch die Bedeutung und Wirkmächtigkeit der von den Organisatoren und Planern des Dorfwettbewerbs getroffenen Entscheidungen richtig eingeordnet werden. Damit soll an dieser Stelle auch betont werden, dass keine umfassende Geschichte der ausgewählten Dörfer geschrieben wird. Vielmehr beschränkt sich die Untersuchung weitgehend auf den Dorfwettbewerb und die damit verbundenen Veränderungen. Gerade bei einer Untersuchung der Dörfer tritt auch die nicht unproblematische Quellenlage deutlich hervor, die sich dort so heterogen zeigt, wie es die Dörfer selbst sind. In Gemeinden wie etwa Westerheim, die ihre Selbstständigkeit bis heute behielten, findet sich ein geordnetes Archiv, das allen bürokra­ tischen Ansprüchen und damit auch denen der Zitierbarkeit genügt. Schwieriger war die Lage in den Gemeinden Niederdreisbach und Altenburschla. Die Dorfarchive präsentieren sich hier vor allem als Privatsammlungen der Bürgermeister. Das Ordnungssystem der Akten und die Beschriftung der Ordner kann nicht mit jenen Standards verglichen werden, die in offiziellen Archiven gelten.38 Trotzdem lässt sich gerade in diesen Dorfarchiven viel Material finden, das interessante Einblicke in die Entscheidungsprozesse der Dorfeliten, aber in gewissem Maß auch in die Alltagswelt der Dorfbewohner ermöglicht. So erwiesen sich die Dorfarchive insgesamt als sehr viel ergiebiger als die Archive der übergeordneten Verbandsgemeinden und Kreise, die zwar professionell geführt wurden, aber nur sehr wenig Schriftverkehr zum Dorfwettbewerb aufbewahrten. Ein weiterer wichtiger Quellenfundus war das Archiv der Deutschen Gartenbaugesellschaft (DGG). Die hier aufgefunden Akten und Briefe erlauben einen Einblick in die Organisations- und Entscheidungsprozesse, die dem Wett­ bewerb zugrunde lagen. Zudem machten sie es möglich, die Beziehungen der Wettbewerbsinitiatoren und Organisatoren zu den staatlichen Stellen und den Dörfern zu beleuchten. Von besonderem Interesse waren die in den Akten der DGG zahlreich vorhanden Redemanuskripte von Personen wie Heinrich Lübke über Graf Bernadotte bis hin zu Vorsitzenden der Bundesbewertungskommission wie Hans Ulrich Schmidt oder Gerhard Olschowy. Ihren Reden kommt in dieser Arbeit besondere Bedeutung zu. Denn der Dorfwettbewerb war von Anfang an auch als ein Vermittlungsinstrument gedacht, um der ländlichen Bevölkerung die Notwendigkeit des vom Dorfwettbewerb propagierten Neuordnungsprozesses zu verdeutlichen. Diese Reden, vielfach gehalten während der medial stark begleiteten Ehrung der Siegerdörfer, waren Teil einer öffentlichen Inszenierung, deren Ziel darin bestand, den Diskurs über den ländlichen Raum zu prägen und zentrale Themenfelder zu besetzen. Eine Analyse dieser Reden 38 Die Ordner entsprechen nicht unbedingt den Standards eines regulären Archivs, erwiesen sich jedoch als äußerst ergiebig an Quellen. Alle in dieser Arbeit zitierten Akten und Schriftstücke aus den beiden genannten Ordnern besitzt der Autor auch als Fotografien. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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erlaubt daher ein genaueres Verständnis nicht nur des Dorfwettbewerbs, sondern auch des Selbstverständnisses wesentlicher Akteure und ihrer Beziehung zuein­ander. Bei einigen Reden – gerade bei der des Bundespräsidenten Lübke – konnte der Ghostwriter nicht identifiziert werden. Da der langjährige Bundeslandwirtschaftsminister in Fragen des ländlichen Raumes mit Sicherheit als Experte angesehen werden kann, wird allerdings davon ausgegangen, dass Lübke nicht bloße Verlautbarungen eines anderen Autors von sich gab, sondern inhaltlich hinter den von ihm gehaltenen Reden stand. Weitere wichtige Quellen sind im Bundesarchiv erschlossen. Da der Wett­ bewerb seine besondere Bedeutung auch dadurch erlangte, dass er eines der wenigen Projekte der Dorferneuerung darstellte, das nicht unter der Hoheit der Länder stand, fand sich vor allem im Bestand des Landwirtschaftsministeriums eine beachtliche Menge an Material. Da hier auch die Koordination mit den Bundesländern stattfand, war zugleich ein Zugriff auf die Landesebene möglich. Neben systematischen Fragen, zur Konzeption des Wettbewerbs, steht die diachrone Perspektive im Vordergrund der Darstellung. In den 1960er- und 70er-Jahren macht der Dorfwettbewerb drei grundsätzliche Wandlungsprozesse durch: Begonnen als ein Projekt von Gärtnern und Landschaftsgestaltern mit dem Ziel, Tradition und Technik mit den Mitteln des Landschafts- und Umweltschutzes zu verbinden, wandelte er sich recht schnell zu einem Instrument zur Modernisierung ländlicher Räume, um ab den frühen 70er-Jahren als Bürgerinitiative ein Beispiel für den von der sozialliberalen Regierung angestrebten gesellschaftlichen Umbau darzustellen. Damit fügt sich der Dorfwettbewerb in eine Periodisierung der Moderne, die Anselm Doering-Manteufel anhand des Ordnungsbegriffs entwickelt. Er unterscheidet drei »Zeitschichten«, die sich in einen Zeitraum zwischen etwa 1880 und 2005 teilweise deutlich überschneiden. Die erste Zeitschicht wird dabei gekennzeichnet »von der Erschöpfung […] des klassischen liberalen Fortschrittverständnisses«, die zweite von »geplan­tem Fortschritt«, die dritte von einer »flüchtigen Moderne«, in der sich die Möglichkeit zu einer planvollen Zukunftsgestaltung zusehends auflösen.39 In dieser Arbeit werden alle drei Zeitschichten berührt. Die erste und dritte Zeitschicht allerdings nur in ihren Ausläufern. Die Kritik am klassischen liberalen Fortschrittsverständnis spielte zu Beginn des Wettbewerbs 1963 noch eine gewichtige Rolle. Das Ende der Planungseuphorie ist Ende der 70er-Jahre auch im Wettbewerb spürbar. Ihren besonderen Schwerpunkt legt die Arbeit allerdings auf die »geplanten« 60er- und teilweise 70er-Jahre, die als »Scharnierjahrzent«,40 39 Anselm Doering-Manteuffel, Konturen von »Ordnung« in den Zeitschichten des 20. Jahrhunderts, in: Thomas Etzemüller (Hrsg.), Die Ordnung der Moderne. Social Engineering im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2009, 43–44. 40 Axel Schildt, Detlef Siegfried, Karl Christian Lammers, Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften. Hamburg 2000, 13 f. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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in dem es gar zu einer »Umgründung der Republik«41 kam, eine besondere Bedeutung haben. So fügt sich der Wettbewerb auch in die größere Geschichte des 20. Jahrhunderts ein.42 Der Dorfwettbewerb, der sich in etwa 15 Jahren dreimal neu erfand, ist symptomatisch für den vielfältigen »Strukturbruch«, der ein wesentliches Merkmal dieser »Zeit nach dem Boom« ist.43 Dabei steht nicht so sehr die »Suche nach Sicherheit« im Vordergrund, die als Reaktion auf den Strukturbruch durchaus vorhanden war, sondern vor allem auch die große Offenheit, Wandlungs- und Konfliktfähigkeit der an der Neuordnung des ländlichen Raumes Beteiligten.44 Auch im Rahmen des Dorfwettbewerbs zeigte sich allerdings im Laufe der 70er-Jahre ein verstärktes Krisenbewusstsein, das die grundsätzliche Zuversicht in die Machbarkeit des Neuordnungsprozesses erschütterte. Es wird dabei zu klären sein, ob die 70er-Jahre sich auch im Rahmen einer Untersuchung des Dorfwettbewerbs als epochaler Zeitraum des Wandels darstellen oder ob sich die Veränderungen, die der Wettbewerb zu dieser Zeit durchlief, nahtlos in die bisherige Dynamik des Wettbewerbs einfügen.45 Dementsprechend ist die Arbeit auch in drei größere Bereiche gegliedert. Im ersten Teil geht es darum, die Voraussetzungen und die Entstehungsgeschichte des Wettbewerbs sowie die ersten beiden Wettbewerbe (1961 und 1963) näher zu beleuchten. Dabei werden vor allem eingehender die DGG und ihr Umfeld beschrieben. Auch ideengeschichtliche Voraussetzungen wie die Grüne Charta oder die Vorstellungswelt Heinrich Wiepkings werden hier ausführlicher thematisiert. Aufgrund der Fragen nach Brüchen und Kontinuitäten betrachtet ein Kapitel zudem die Dorfwettbewerbe des Dritten Reichs näher. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den Wettbewerben zwischen 1963 und 1969. Dabei steht die Neuausrichtung von Unser Dorf soll schöner wer­ den in Richtung einer verstärkten Modernisierung des ländlichen Raumes im Vordergrund. Ins Blickfeld kommen die Beamten des Bundeslandwirtschaftsministeriums sowie die vor Ort wirkenden Experten, die den Wettbewerb auf lokaler Ebene umsetzten. Des Weiteren wird in diesem Abschnitt zu zeigen sein, inwieweit die ursprünglichen Intentionen des Wettbewerbs auch zu diesem Zeitpunkt noch weiter wirkten. 41 Manfred Görtemaker, Kleine Geschichte der Bundesrepublik. München 2007, 271. 42 Zur Frage der Periodisierung vgl. auch: Ulrich Herbert, Europe in High Modernity. Reflections on  a Theory of the 20th Century, in: Journal of Modern European History 5, 2007, 5–22; Margit Szöllösi-Janze, Wissensgesellschaft in Deutschland: Überlegungen zur Neubestimmung der deutschen Zeitgeschichte über Verwissenschaftlichungsprozesse, in: Geschichte und Gesellschaft 30, 2004, 277–313. 43 Anselm Doering-Manteuffel, Lutz Raphael, Nach dem Boom. Perspektiven der Zeit­ geschichte seit 1970. Göttingen 2010, 13.  44 Eckart Conze, Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart. 45 Zu den 70er Jahren als Epochenschwelle vgl. Konrad H. Jarausch (Hrsg.), Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte. Göttingen 2008. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Im dritten Abschnitt, der sich mit den 70er-Jahren beschäftigt, stehen Veränderungen des Wettbewerbs, die mit dem Regierungswechsel 1969 einhergingen, im Mittelpunkt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium, das unter der Führung des liberalen Josef Ertl verstärkt Interesse am Wettbewerb bekundete, wird dabei näher betrachtet. Im Mittelpunkt stehen hierbei  – angesichts der Gemeindereform, die für den Dorfwettbewerb stets an Bedeutung gewann,  – Fragen nach der Vereinbarkeit von bürgerschaftlichem Engagement und staatlicher Ordnungspolitik. In allen drei Abschnitten werden Kapitel über die drei untersuchten Dörfer eingeflochten. Anhand dieser Beispiele soll gezeigt werden, welche konkreten Folgen der Dorfwettbewerb auf lokaler Ebene hatte. Zudem wird die Interaktion zwischen den Organisatoren des Wettbewerbs sowie der Bundesbewertungskommission auf der einen sowie den Dorfbewohnern auf der anderen Seite näher beleuchtet.

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1. Unser Dorf soll schöner werden – Grundlagen und Vorgeschichte

Der Wettbewerb Unser Dorf soll schöner werden verdankt seine Entstehung keiner parteipolitischen oder ministerialen Initiative, sondern den Ideen einer Gruppe von Menschen, die sich um die Person des Grafen Lennart Bernadotte und in der Institution der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft (DGG) sammelten. Von großer Bedeutung für diese Gruppe war außerdem die Insel Mainau, die sowohl als praktischer Treffpunkt als auch als ideeller Ort eine wichtige Rolle spielte. In diesem ersten Kapitel wird es zunächst darum gehen, das Umfeld in dem der Dorfwettbewerb entwickelt wurde, näher zu beleuchten. Anschließend wird die Verabschiedung der Grünen Charta von der Mainau betrachtet, die eine weitere Voraussetzung für die Entstehung des Wettbewerbs darstellte. Dort wurden erstmals viele der Ideen formuliert, die sich auch im Wettbewerb wiederfanden  – so zum Beispiel die Neuformulierung des Landschaftsschutzes in Richtung Umweltschutz, die eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Wettbewerb darstellt. Im folgenden Abschnitt wird der Dorfwettbewerb in den 1960er- und 70erJahren überblicksartig vorgestellt und die wichtigsten Zahlen und Daten dargelegt, um Einsicht in die Größenordnung und räumliche Ausdehnung des Wettbewerbs zu erhalten. Auch wenn Unser Dorf soll schöner werden der erste Dorfwettbewerb war, der auf dem gesamten Gebiet eines deutschen Staates durchgeführt wurde, stellte er jedoch nicht den ersten Dorfwettbewerb überhaupt dar: Bereits in der Zeit zwischen 1936 und 1939 hatten Dorfwettbewerbe stattgefunden. Diese sollen hier noch einmal näher betrachtet werden, um im weiteren Verlauf der Frage nach Kontinuität und Bruch genauer nachgehen zu können.

1.1 Initiatoren und Institutionen »Ich kann mich noch genau daran erinnern.«1 Mit diesen Worten leitet der aus dem schwedischen Königshaus stammende Graf Lennart Bernadotte, Besitzer der Insel Mainau, in seinen Memoiren den Bericht über die Entstehung des Dorfwettbewerbs Unser Dorf soll schöner werden ein. Eines Tages sei er mit dem Auto von der Insel Mainau nach Stuttgart gefahren und habe, da die großen

1 Lennart Bernadotte, … ein Leben für die Mainau. Memoiren. Konstanz 1996, 186. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Straßen so verstopft gewesen seien, einen Umweg über die Dörfer gemacht. Was der Graf dort sah, gefiel ihm nicht: Misthaufen neben der Hauptstraße, schlecht erhaltene Häuser und natürlich kein »Blättchen in den Wohnbezirken«. Da kam ihm der Gedanke: »Wie wäre es, wenn die DGG (Deutsche Gartenbau-Gesellschaft) einen Wettbewerb ausschriebe, dessen Ziel es sein sollte, die ländliche Umgebung angenehmer zu gestalten?« Lennart Bernadotte besprach die Idee noch mit dem Geschäftsführer der DGG Horst Hammler, dieser »anti­chambrierte« und diskutierte mit einigen verantwortlichen Persönlichkeiten und so wurde ohne größere Umschweife 1961 der erste Bundeswettbewerb ­Unser Dorf soll schöner werden initiiert – damals noch mit dem erklärenden Untertitel Unser Dorf in Grün und Blumen versehen. Dass die Entstehungsgeschichte um einiges komplexer verlief, als es der Bericht Lennart Bernadottes vermuten lässt, versteht sich von selbst.2 Doch auch hinter dieser Erzählung, im Gestus des genialischen Einfalls vorgetragen, der so vielen Autobiografien großer Männer zu eigen ist, spiegelt sich bereits eines der wesentlichen Merkmale des Wettbewerbs wider, das ihn zu einem der erfolgreichsten Unternehmungen zur Umstrukturierung des ländlichen Raumes in den 1960er- und 70er-Jahren der Bundesrepublik machte: Das ästhetische Unbehagen, das Bernadotte bei der Durchquerung des ländlichen Deutschlands in den späten 50er-Jahren verspürte, entsprang nicht nur dem übersteigerten Feinsinn eines Aristokraten aus dem schwedischen Königshaus. Der Graf konnte sich vielmehr sicher sein, dass er dieses Missfallen mit der Mehrzahl der Bundesbürger teilte. Rückständigkeit und sogar Armut wurden schon lange als zentrale Merkmale der agrarisch strukturierten Gebiete jenseits der wirtschaftlichen Zentren angesehen. War dieser Abwärtstrend in den späten 1940er- und frühen 50er-Jahren kurzzeitig gestoppt worden, öffnete sich die Schere zwischen urbanen und ländlichen Räumen im Rahmen des Wirtschaftswunders wieder zusehends. Gerade die Landwirte verloren den Anschluss an die ökonomische Entwicklung in der Bundesrepublik: So reduzierte sich etwa der Anteil der Landwirtschaft am Bruttosozialprodukt zwischen 1950 und 1970 um gut 70 Prozent. Statt 12,1 Prozent trug die Landwirtschaft nun nur noch 3,6 Prozent zum BSP bei; dieser Anteil sank in den 70er-Jahren noch einmal auf 2 Prozent ab.3 Die Beobachtungen, die Lennart Bernadotte während seiner Landpartie über die geringen finanziellen Möglichkeiten der Landwirte machte, deckten sich also durchaus mit dem wirtschaftlichen Trend. Anders als die meisten Beobachter allerdings. hatte der Graf die Möglichkeit, etwas für die ästhetische Aufwertung des ländlichen Raumes zu tun: In seinen Funktionen als Spross des 2 Zum tatsächlich auch schon damals nicht mehr im Stil einer Honoratiorenpolitik erreichbaren Unterstützung des Wettbewerbs durch das Bundeslandwirtschaftsministerium vgl. Kapitel I.3, 44 ff. dieser Arbeit. 3 Alois Seidl, Deutsche Agrargeschichte. Frankfurt a. M. 2006, 282. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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schwedischen Königshauses und Herr der Insel Mainau sowie als Präsident der DGG standen ihm beträchtliche Möglichkeiten zur Verfügung.

1.1.1 Die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft Die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft, der Lennart Bernadotte vorstand, war 1822 in Berlin als Verein zur Beförderung des Gartenbaus im Preußischen Staate gegründet worden.4 Auf Betreiben des damaligen preußischen Staatsministers der geistlichen Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten, Freiherr von Altenstein, wurde der Verein gegründet, um die gärtnerische Praxis in den preußischen Provinzen effizienter zu gestalten und neue Erwerbsmöglichkeiten für Landwirte, etwa durch die Anpflanzung von Gemüse oder Zierpflanzen, zu propagieren. Mitglieder des Vereins waren zunächst vor allem Beamte des Königlichen Botanischen Gartens in Berlin und Gutsbesitzer.5 In dieser Form bestand die DGG mehr oder weniger bis 1933 fort. Nach der Gleichschaltung der DGG während der NS-Herrschaft erfolgte im Jahr 1955 die Wiederbegründung des Vereins in Berlin. Maßgeblicher Antreiber hierzu war Ernst Schröder. Der Vorsitzende des Zentralverbands des Deutschen Gartenbaus (ZVG) war ein äußerst rühriger Lobbyist, der die Interessen der Obst- und Gartenbaubetriebe in Deutschland sehr geschickt vertrat.6 Das wichtigste Gremium innerhalb der DGG war der Vorstand; diesem gehörten Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft an. Das Binde­glied zwischen diesen Gruppen fand sich in der Beschäftigung mit dem »Grün«. Hierunter waren alle Formen der Gärtnerei zu verstehen, vom Privatund Schrebergarten über die großen Gartenbaubetriebe hin zu den Stadtgärtnereien der Großstädte sowie der Landschaftsgestaltung. Im Rahmen des Dorf 4 Leider ist die historische Literatur sowohl für die DGG als auch die Person Lennart Bernadotte sowie die Insel Mainau nicht sehr umfangreich. Über die Geschichte der DGG gibt es außer einer unveröffentlichten Magisterarbeit, die anlässlich des 170. Geburtstags der DGG geschrieben wurde, eigentlich keine nennenswerte historische Literatur. Silke Krieg: Die Geschichte der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e. V. im Wandel der Zeiten, unveröffentlichte Magisterarbeit im Fach Geschichte an der Universität Konstanz, 1992. Über die Person Lennart Bernadotte gibt es eine Reihe populärer Biografien, die allerdings wissenschaftlich kaum von Interesse sind. Ein typisches Beispiel: Roger Orlik, Lennart Bernadotte »…der König vom Bodensee«. Albstadt 2002. Am ergiebigsten, wenn auch mit der üblichen Vorsicht zu genießen, ist noch Lennart Bernadottes Autobiografie: Bernadotte, … ein Leben. Am interessantesten sind insgesamt noch die Arbeiten des Lokalhistorikers Arnulf Moser über die Insel Mainau während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit. Arnulf Moser, Die andere Mainau 1945. Paradies für befreite KZ-Häftlinge. Konstanz 1995. Arnulf Moser, Das französische Befreiungskomitee auf der Insel Mainau und das Ende der deutsch-französischen Collaboration 1944/45. Sigmaringen 1980. 5 Krieg, Die Geschichte, 10–11. 6 Gröning, Wolschke-Bulmahn, Grüne Biographien, 350. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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wettbewerbs erlangten im Besonderen die Landschaftsgestalter im Vorstand an Bedeutung. Herausragende Beispiele sind hier etwa der ehemalige Direktor des Instituts für Landschafts- und Gartengestaltung an der Friedrich-WilhelmsUniversität in Berlin und Mitarbeiter am Generalplan Ost, Heinrich Wiepking sowie sein ehemaliger Schüler und späterer Direktor der Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege (1954 bis 1978), dem heutigen Bundesamt für Naturschutz, Gerhard Olschowy. Letzterer konnte zudem die Ehre für sich in Anspruch nehmen, länger als jeder andere Preisrichter Teil der Bundesjury des Dorfwettbewerbs gewesen zu sein (1961 bis 1977). Als auf der Gründungsversammlung in Berlin am 12. Oktober 1955 die Ziele des Vereins festgelegt wurden, ging es vor allem darum, mit der DGG einen Verband zu schaffen, der auf die Popularisierung gärtnerischer und landschaftsgestalterischer Ideen abzielte. Damit sollte sie den Zentralverband des Deutschen Gartenbaus öffentlichwirksam ergänzen, der vor allem ein Instrument lobbyistischer Interessensvertretung in Bonn war – ein Geschäft, in dem sich der ZVGChef Schröder als ehemaliges DVP-Mitglied des Preußischen Landtags und des Reichstags bestens auskannte. Als zentrale Aktivitäten des wiederbegründeten Vereins wurden schon damals neben der Veranstaltung von Vorträgen und Besichtigungen, der Förderung der Gartenbauforschung sowie Veröffentlichungen, die »Förderung von Ausstellungen und Wettbewerben unter Verleihung von Auszeichnungen« bestimmt.7 Nach der Wiederbegründung war es notwendig, Mitglieder für die DGG zu werben. Dazu wandte sich Graf Lennart Bernadotte im Juni 1956 mit einem Brief an gärtnerisch tätige Institutionen, Unternehmen und Einzelpersonen. In dem Brief nutzte er gekonnt die Semantik eines technikkritischen Heimat­ schutzes und eines kulturkritischen Konservatismus: »Die Technisierung und Automatisierung, die Unrast unserer Tage und die Überfütterung mit Reizen aller Art fordern Maßnahmen zur Überwindung dieser Entwicklung«, hieß es dort. Die notwendige »geistig-seelische Gesundung« des Menschen solle durch die »Beschäftigung mit der Natur, der Pflanze, der Arbeit im eigenen Garten, der Beobachtung des Werdens und Vergehens an seinen [sic!] Geschöpfen und das Aufwachsen in einer gesunden Kulturlandschaft« herbeigeführt werden. Adressaten dieser Botschaft waren »alle Verantwortlichen im staatlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich, aber auch […] die als Pflanzen- und Gartenfreunde Tätigen, die Gärtner und Kleingärtner, die seit langem zum tragenden Gerüst unserer Arbeit gehören«.8 Zumindest in der Bundeshauptstadt Bonn kamen Graf Bernadottes Forderungen gut an. Bereits während der ersten Sitzung des Präsidiums der DGG im Hotel Savoy in Frankfurt im Februar 1956 konnten Ernst Schröder und der

7 Krieg, Die Geschichte, 31. 8 BA, B136, Akt. 8641, im Juni 1956. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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1955 zum Präsident der DGG gewählte Lennart Bernadotte von ihrem Treffen mit Bundeskanzler Konrad Adenauer sowie Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke berichten. Der Bundeskanzler habe in einer längeren Besprechung ausdrücklich großes Interesse an der Arbeit der DGG bekundet und für das laufende Geschäftsjahr eine Unterstützung von 7.500 DM zugesichert; für das nächste Jahr waren weitere 10.000 DM versprochen worden. Auch das Landwirtschaftsministerium zeigte sich zu großzügiger finanzieller Unterstützung bereit und sagte für das erste Geschäftsjahr 5.000 DM zu. In den Folgejahren sollte die Förderung auf 12.000 DM erhöht werden.9

1.1.2 Graf Lennart Bernadotte und die Insel Mainau Mit Lennart Bernadotte hatte die DGG einen Präsidenten gewählt, der Dank seiner guten Kontakte in die Politik sowie Kraft seiner aristokratischen Abstammung Türen öffnete, was im Zusammenspiel mit Schröder den Zugang zu zahlreichen Fördermitteln ermöglichte. Um das Ziel der DGG – die Popularisierung gärtnerischer und landschaftsgestalterischer Ideen – breitflächig umzusetzen, brachte der Graf in seiner Person außerdem ein weiteres zentrales Erfolgskriterium mit: Es handelte sich bei Lennart Bernadotte um einen berühmten Mann. Die Grundlage für dessen Popularität war seine Zugehörigkeit zum schwedischen Königshaus. Lennart Bernadotte wurde am 8. Mai 1909 in Stockholm als Sohn des Prinzen Wilhelm von Schweden geboren, sein Großvater war König Gustav V. von Schweden, seine Mutter die Großfürstin Maria Pawlowna. Zu weltweiter Berühmtheit gelangte Lennart Bernadotte allerdings erst, als er im März 1932 in London die bürgerliche Karin Nissvandt heiratete, was zu seinem Ausschluss aus dem schwedischen Könighaus führte. Die beiden wurden zu einem der Celebrity-Paare der 30er-Jahre, denen die Fotografen nachstellten und deren Gesichter die Titel diverser Fotomagazine und Damen-Wochen­ magazine schmückten. In den 30er-Jahren pendelte der nun bürgerliche Lennart Bernadotte – seinen luxemburgischen Grafentitel »de Wisborg« erhielt er erst 1951 von seiner Großtante, Charlotte Großherzogin von Luxemburg  – vor allem zwischen Stockholm, der Insel Mainau und der Côte d’Azur10. Die Insel Mainau hatte seine Großmutter Victoria von Baden einst in die Familie Bernadotte eingebracht. Lennart Bernadotte übernahm die Verwaltung der Insel bereits in den 30er 9 Archiv der DGG, Ordner Originale Protokolle Sitzungen, Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums der Deutschen Gartenbaugesellschaft in Frankfurt, Hotel Savoy, am 06.02.1956, 2–3. 10 Dort verbrachte sein Großvater Gustav V. den Sommer, mit dem er sich im Laufe der 1930er-Jahre wieder aussöhnte. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Jahren und kaufte sie seinem Vater 1952 ab. Besonders viel Aufwand machte ihm die Verwaltung aber nicht – zunächst blieb dem jungen Prinzensohn genug Zeit, um sich dem schönen Leben zu widmen. Begeistert schwärmt der Auto­ liebhaber in seiner Autobiografie vom »bis dahin schönsten Auto der Welt«, seinem Horch Cabrio, das er sogar seinem Mercedes vorzog und mit dem er auf den neuen Reichsautobahnen ganz wunderbare Ausflüge machen konnte.11 Mit dem Horch fuhr er zu den Olympischen Spielen, deren perfekte Organisation er bewunderte, obwohl er der politischen Inszenierungen bald überdrüssig wurde. Wenig politisch denkend, beklagte Bernadotte vor allem die Humorlosigkeit der »braunen Menschen« und wandte einige Mühe auf, um den von der NSDAP auf der Insel Mainau eingesetzten Betriebsobmann wieder loszuwerden, da dieser sich in die Betriebsführung einmischte. Die Kriegsjahre verbrachte er in Stockholm, wo er sich als Chefredakteur des Magazins FOTO betätigte, und begann, als Cutter für verschiedene Filmgesellschaften zu arbeiten. 1947 gründete er zusammen mit einem Kollegen die Gesellschaft Artfilm, deren größter Erfolg die Produktion des Kon-Tiki-Films von Thor Heyerdahl war. Seine filmerischen Kenntnisse versuchte Lennart Bernadotte auch später immer wieder in die DGG einzubringen. So plante man bereits auf deren ersten Sitzung, einen Dokumentarfilm herzustellen, »in dem gute, mit Grünanlagen versehene Städte solchen Städten gegenübergestellt werden, die als Muster dafür herausgestellt werden können, wie ein Städtebild nicht aussehen sollte.«12 Dieser Plan wurde allerdings aufgrund der hohen Kosten von 30.000 DM nicht umgesetzt. Bis 1952 führte Lennart Bernadotte die Filmgesellschaft in Stockholm, bis er sich entschloss, die Mainau endgültig zu seinem Lebensmittelpunkt zu machen. Dort begann Bernadotte, mittlerweile luxemburgischer Graf, damit, die Insel zu einer der bedeutendsten Attraktionen der Bodenseeregion auszubauen. Neben seiner eigenen Bekanntheit war die wichtigste Erfolgsgrundlage der Schlosspark der Insel. Diesen hatte der Urgroßvater des Grafen, Großherzog Friedrich I. von Baden, anlegen lassen und dabei das milde, fast subtropische Klima der Insel genutzt, um exotische Bäume und Blumen, wie etwa Riesen-Zypressen, Mammut- und Ginkgobäume, anzupflanzen. Der Graf erkannte schnell, welche Möglichkeiten sich dort boten und begann, die Parkanlagen und die Insel in ein »Touristikunternehmen« umzuwandeln. Schon in den 30er-Jahren ließ er Wege anlegen, verkaufte Postkarten und eröffnete ein Ausflugslokal. Die Insel Mainau wurde so zu einem der bekanntesten Parks Deutschlands und Graf Lennart Bernadotte, der keinerlei gärtnerische Ausbildung besaß, 11 Bernadotte, … ein Leben, 70. 12 Archiv der DGG, Originale Protokolle Sitzungen, Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums der Deutschen Gartenbaugesellschaft in Frankfurt, Hotel Savoy, am 06.02.1956, 4. Das äußert erfolgreiche suggestive Prinzip der Gegenüberstellung von »guten« und »schlechten« gestalterischen Beispielen war vom Architekten Paul Schultze-Naumburg entwickelt worden und spielte auch bei der Konzipierung des Dorfwettbewerbs ein wichtige Rolle. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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zum »ersten Gärtner der Republik«. Durch seine Bemühungen stieg in der Zeit zwischen 1932 und 1939 die Zahl der Besucher der Insel Mainau von jährlich 45.000 Besucher auf 350.000 Besucher an.13 Nachdem, bedingt durch den Kriegsausbruch, kaum mehr Touristen auf die Insel kamen, wurde die Mainau im Sommer 1943 vom Verwalter der Insel und mit Zustimmung Bernadottes an die Organisation Todt vermietet, die dort ein Erholungsheim einrichten wollte. Man einigte sich darauf, dass die Organisation Todt 50 % des durchschnittlichen Gewinns aus Friedenzeiten als Pacht bezahlen und einige technische Verbesserungen auf der Insel durchführen würde.14 Allerdings konnte die Organisation Todt die Insel nie in ihrem Sinne nutzen, da diese und das darauf liegende Barockschloss im Oktober 1944 durch das Auswärtige Amt dem Kollaborateur und Chef der faschistischen Parti Populaire Francaise als Exilsitz zugewiesen wurde.15 Nach dem Ende des Krieges requirierte am 17. Mai 1945 die französische Armee die Insel, um dort französische Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau unterzubringen.16 Ab Juni 1945 startete Lennart Bernadotte erste diplomatische Anfragen über den schwedischen Botschafter in Paris, um wieder in den Besitz der Insel Mainau zu gelangen. Die französische Besatzungsmacht sah allerdings zunächst wenig Notwendigkeit hier einzulenken, da die Insel nicht als Besitz eines Neutralen eingestuft wurde und Lennart Bernadotte von Seiten der französischen Polizei in Konstanz vorgeworfen wurde, er hätte »Pro-Nazi-Gefühle« gehabt. Anfang 1946 erschien Lennart Bernadotte persönlich auf der Insel Mainau und reichte im Februar in Paris eine Beschwerde gegen die Besetzung der Mainau ein.17 Die Vermarktung der Insel als Sehenswürdigkeit begann bereits im Juni 1946. Der Eintritt betrug damals 50 Pfennig für Erwachsene, 20 Pfenning für Kinder. Schnell konnte man wieder an die alten Erfolge anknüpfen. In den 50er-Jahren setzte sich diese Entwicklung fort und Ende der 60er-Jahre konnten weit über eine Million Besucher pro Jahr begrüßt werden. Auch in den 90er-Jahren besuchten im Schnitt noch etwa 1,5 Millionen Besucher jährlich die Insel Mainau. Neben der touristischen Vermarktung seiner Insel setzte der Graf seinen bekannten Namen auch gezielt dafür ein, die Mainau zu einem Treffpunkt für Wissenschaftler und Politiker zu machen. Das bekannteste Beispiel ist das Treffen der Nobelpreisträger, das seit 1951 jedes Jahr auf der Insel stattfindet und von Anfang an einen wichtigen Beitrag dazu leistete, die Bundesrepublik wieder in die internationale Forschung zu integrieren. Für den Dorfwettbewerb Un­ ser Dorf soll schöner werden waren allerdings die sogenannten Mainauer Rund­ 13 Bernadotte, … ein Leben, 159 ff. 14 Moser, Die andere Mainau, 11–13. 15 Ebd., 21–25. 16 Ebd., 39–44. 17 Diese und weitere Angaben zur französischen Besetzung der Mainau aus: Ebd., 1­ 01–115. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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gespräche wichtiger, die seit 1957 auf der Insel stattfanden. Hier trafen sich – wie es so schön im Vorwort der Grünen Charta der Mainau heißt – ein »Kreiß unabhängiger und verantwortungsbewußter Männer und Frauen.« Darunter befanden sich auch wichtige Landes- und Bundespolitiker: Neben Altbundes­präsident Theodor Heuss und Heinrich Lübke, der sowohl in seiner Funktion als Landwirtschaftsminister als auch als Bundespräsident an den Gesprächen teilnahm, besuchten auch Bundesbauminister Paul Lücke und der baden-württember­ gische Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger in den 60er-Jahren häufig die Insel Mainau. Stets waren bei den Veranstaltungen auch wichtige Landschaftsgestalter und Planer vertreten, wie etwa der ehemalige Reichslandschaftsanwalt Alwin Seifert, der an der TU München lehrte. Vor allem aber wurden Professoren und Mitarbeiter des Instituts für Landespflege und Landschaftsgestaltung der TU Hannover als Wissenschaftler auf die Insel eingeladen. So gehörten Heinrich Wiepking-Jürgensmann und ab 1959 Konrad Buchwald als Direktoren des Instituts zu den regelmäßigen Gästen. An den Mainauer Rundgesprä­ chen 1961 nahm auch der Landschaftsplaner Konrad Meyer teil, ebenfalls Professor am Institut für Landespflege. Konrad Buchwald hatte sich persönlich für die Einladung des ehemaligen SS-Oberführers und Leiters des Planungsamts beim Reichskommissar zur Festigung des Deutschen Volkstums eingesetzt, woraufhin die Zusage schnell erteilt wurde – lediglich seine Frau konnte Konrad Meyer nicht mitbringen, da »infolge der starken Beteiligung der Herren aus Wirtschaft und Politik nur noch Einladungen direkt an Fachkundige ergehen«18 konnten. Neben Wirtschaftsführern, Politikern und Wissenschaftlern trafen sich dort zudem eine Reihe von Stadtgärtnern und Beamte aus Landes- und Bundesministerien. Besondere Bedeutung bei den Mainauer Rundgesprächen hatte das Präsidium der DGG, dessen Mitglieder fast in jedem Jahr geschlossen anreisten und die bestens vernetzt – angefangen von Präsident Lennart Bernadotte, der Heinrich Lübke in persönlicher Freundschaft verbunden war – dafür sorgten, dass auch zahlreiche andere Besucher erschienen. Weitere zentrale Personen des Präsidiums waren der junge aufstrebende Beamte Gerhard Olschowy, der die wichtigste Verbindung der DGG ins Bundeslandwirtschaftsministerium darstellte, und Professor Heinrich Wiepking-Jürgensmann, der den engen Kontakt der Insel Mainau mit den Landschaftsplanern der TU Hannover aufrechterhielt. Da diese beiden Präsidiumsmitglieder eine wesentliche Rolle bei der Planung des Dorfwettbewerbs spielten und Olschowy von 1961 bis 1973 Mitglied des Bundes­bewertungskommission war, welche die Punkteverteilung im Wettbewerb vornahm, sei hier kurz auf einige biografische Details der beiden Personen eingegangen. 18 Archiv der DGG, Ordner 5.  Mainauer Rundgespräche, Brief an Konrad Buchwald, 06.02.1961. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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1.1.3 Das Präsidium der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft Der aus Breslau stammende Gärtner Gerhard Olschowy studierte ab 1941 bei Heinrich Wiepking-Jürgensmann am Institut für Gartengestaltung an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin.19 Nach dem Krieg war er Ministerialbeamter im Bundeslandwirtschaftsministerium und ab 1953 als Referent für Maßnahmen der Landschaftspflege zuständig. Zunächst ging es ihm vor allem um die Verhinderung von Bodenerosion, um so die Abtragung von ertragreichem Mutterboden zu verhindern. Im Rahmen dieser Beschäftigung kam Olschowy schon früh in Kontakt mit der Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege. 1964 wurde Olschowy als Direktor der Bundesanstalt Nachfolger von Gert Kragh, ebenfalls ein Student Wiepkings. Er führte den Reformkurs seines Vorgängers fort und setzte die endgültige Abwendung vom konservierenden Heimatschutz hin zur gestaltenden Landschaftspflege durch.20 So verankerte Olschowy schon in seiner Antrittsrede als Direktor den Natur- und Landschaftsschutz als wesentlichen Bestandteil in der Modernisierungspolitik der 60er-und 70er-Jahre.21 Heinrich Wiepking-Jürgensmann war Graf Lennart Bernadotte in enger Freundschaft verbunden. Die DGG stiftete sogar einen Heinrich-WiepkingPreis, der bis 1995 an besonders erfolgreiche Diplomanten der Landschaftsplanung verliehen wurde. Nur zwischen 1972 und 1982 wurde der Preis nicht verliehen; dies lag vor allem an den schweren Belastungen aus Heinrich Wiepkings Tätigkeiten im Dritten Reich. Diese waren durch ein von der Fachschaft des Instituts für Landespflege an der TU Hannover verteiltes und öffentlich ausgeschlagenes Flugblatt publik geworden, was zu einer ersten intensiven Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit bedeutender bundesdeutscher Landschaftspfleger führte.22 Wiepkings Verstrickungen in den NS-Machtapparat begannen mit der Übernahme der Leitung des Instituts für Gartenwissenschaften im Jahr 1934. Dabei hatte er sich in einem äußerst hitzig geführten Machtkampf gegen Gustav Allinger, einen erfolgreichen Gärtner und Gartenverbands-Funktionär, durch­ gesetzt. Sein Konkurrent war beim Kampf um die Professur nicht davor zurück 19 Staatsarchiv Osnabrück Dep. 72 b, Nr. 14, Studentenkartei, Olschowy. 20 Hans-Werner Frohn, Naturschutz macht Staat  – Staat macht Naturschutz. Von der staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen bis zum Bundesamt für Naturschutz 1906 bis 2006. Eine Institutionengeschichte, in: Schmoll, Friedemann (Hrsg.), Natur und Staat. Staatlicher Naturschutz in Deutschland 1906–2006. Bonn 2006, 232–236. 21 Vgl. Olschowys Rede zur Amtseinführung: Gerhard Olschowy, Die Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege. Aufgaben und künftige Arbeit, in: Natur und Landschaft, Heft 8, 1964, 121–122. 22 Staatsarchiv Osnabrück, Dep. 72 b, Nr. 53. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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geschreckt, ein Ehrengerichtsverfahren gegen Wiepking vor der Reichskammer der Künste anzustreben, das allerdings nicht zustande kam. Begründung für jenes Verfahren war die Verwendung von Entwürfen auf NS-Gartenausstel­ lungen, die Wiepking während der Weimarer Republik für jüdische Kunden gefertigt hatte.23 In seiner Funktion als Gartenbauprofessor stieg Wiepking während der ­NS-Herrschaft neben Reichslandschaftsanwalt Alwin Seifert zum bedeutendsten Landschaftsplaner des Deutschen Reichs auf. Mit Seifert lieferte er sich immer wieder heftige Machtkämpfe um Einfluss im NS-Staat, in die beide auch ihre jeweiligen Vorgesetzten miteinbezogen. So kam es anlässlich der Reichsgartenausstellung 1939 in Stuttgart zu einem ersten Showdown. Gegenseitig warfen sie sich weltanschauliche Rückständigkeit sowie mangelndes Verständnis für bodengebundene Gestaltung vor. Um sich auf der Höhe der Zeit zu positionieren, betonte Seifert seine antisemitische Gesinnung, die »außer Frage« stand, da er, wie er an Wiepking schrieb, »schon 1911 einem sehr antisemitischen, völkischen Geheimbund eintrat [und] Juden nach Möglichkeit gemieden [hatte].«24 Wiepking wies hingegen ausdrücklich auf seine »Aufräumarbeiten« nach dem Krieg hin, als er mit der ihm unterstehenden Pionierkompanie »sämtliche Arbeiter- und Soldatenräte der durchzogenen Ortschaften vom Rhein bis Schweinfurt« aufräumte, bevor er gegen die »Regierung des Juden Eisner […] regelrecht Krieg geführt habe.«25 Einen letzten Angriff unternahm Seifert nach der Veröffentlichung von Wiepkings Buch Die Landschaftsfibel, welches Grundlage der Landschafts­ planung im NS-Staat wurde und auch in der frühen Bundesrepublik bleiben sollte.26 Seiferts Vorgesetzter, Fritz Todt, verbat sich in einem Brief im Dezember 1941 an Wiepking dessen Kritik am Autobahnbau im Dritten Reich; er forderte: »Der Deutsche Straßenbau hat es erfreulicher Weise nicht nötig, auf Mahnungen von Gartengestaltern zu warten, die er selbst vor Jahren nicht an der Mit­arbeit beteiligt hat, weil ihre Arbeiten nicht gerade den Grundsätzen landschaftlich verbundenen Schaffens entsprachen.«27 Wiepking führte im Gegenzug seine neuen Protektoren beim Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums, Heinrich Himmler, ins Feld, die er »pflichtgemäß« von »Ihrem Brief« in Kenntnis gesetzt habe.28 Für den Reichskommissar arbeitete 23 Gröning, Wolschke-Bulmahn, Grüne Biographien, 18. 24 Seifert spielt hier vermutlich auf die Thule-Gesellschaft an. Staatsarchiv Osnabrück, Dep. 72 b, Nr. 20, Brief vom 31.10.1939. 25 Staatsarchiv Osnabrück, Dep. 72 b, Nr. 20, Brief Wiepking an Seifert vom 24.10.1939. 26 So gratulierte Walther Darré Wiepking persönlich zur Landschaftsfibel; er sei »außerordentlich vom Durchlesen dieses ausgezeichneten Werkes befriedigt gewesen«. Staatsarchiv Osnabrück Dep. 72 b, Nr. 37, Brief vom 14.06.1944. 27 Staatsarchiv Osnabrück Dep. 72 b, Nr. 37, Brief vom 2.12.1941. 28 Staatsarchiv Osnabrück Dep. 72 b, Nr. 37, Abschrift Brief vom 09.12.1941. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Wiepking ab 1941 als Leiter der Gruppe Landschaftsgestaltung in den neuen Siedlungsgebieten. In dieser Funktion wirkte er umfassend an der Planung der Neugestaltung und Neubesiedelung der nach 1939 okkupierten Gebiete in Polen mit und veröffentlichte mehrere Aufsätze zu diesem Thema.29 Nachdem Wiepking 1945 aus Berlin geflohen war, wurde er von 1949 bis 1959 Direktor des Instituts für Landespflege und Landschaftsgestaltung der TU Hannover. Erst 1972 kam es zum Eklat, als Wiepking im Rahmen der Hochschulwochen einen Vortrag halten sollte und die Studentenvertretung erklärte, »daß Herr Wiepking aufgrund seines politischen Wirkens während der ­NS-Zeit und der naturideologischen Interpretation der Landespflege als Repräsentant des Faches nicht tragbar ist.«30 Die Insel Mainau bot also selbst zutiefst verfeindeten Wissenschaftlern und ehemaligen SS-Landschaftsplanern wie Seifert und Wiepking einen Rahmen, in dem Gespräche möglich waren, und die Grüne Charta von der Mainau, an der sie beide mitwirkten, zeugt sogar von einer inhaltlichen Zusammenarbeit. Das Präsidium der DGG wurde nach der Neugründung des Vereins verstärkt zu einer der zentralen Stellen, an denen Graf Lennart Bernadotte seine beträchtlichen Fähigkeiten bei der Bildung von sozialen Netzwerken einsetzen konnte. Bereits in den frühen 60er-Jahren vernetzten sich dort nicht mehr nur wichtige Experten aus dem Bereich der Landschaftsgestaltung – wie Olschowy und Wiepking sowie bedeutende Gärtner, wie der Stadtgärtner von Bielefeld und spätere Vorsitzende der Bundesbewertungskommission des Wettbewerbs ­Unser Dorf soll schöner werden Hans Ulrich Schmidt oder der Stadtgärtner von Frankfurt am Main, Johannes Sallman –, sondern zunehmend auch politische Größen. Eines der politisch einflussreichsten Mitglieder des Präsidiums der DGG in den 60er-Jahren war der CDU-Politiker Hermann Pünder. Als ehema­liger Oberdirektor des Wirtschaftsrats der Bizone und Mitglied des Bundes­tages betonte er in seiner 1968 erschienen Autobiografie, dass die Mitarbeit im Präsidium der DGG ihm »bis zur Stunde eine besondere Freude bieten« würde.31 Pünder war in seiner Funktion als Mitbegründer des Deutschen Volksheimstättenwerkes zur DGG gestoßen, zwei Vereinigungen, die sich seiner Ansicht nach durch sehr ähnliche soziale Zielsetzungen nahestanden.32 Ein weiterer CDU-Politiker im Führungsgremium der DGG war der Minister für Landesplanung, Wohnungsbau und öffentliche Arbeiten in Nordrhein-Westfalen (1963–1966), Joseph Paul Franken. Die SPD war im Präsidium vor allem durch 29 So etwa in der SS-Zeitschrift Das Schwarze Korps. Heinrich Wiepking, Die Erhaltung der Schöpferkraft, in: Das Schwarze Korps, 8, Nr. 38, 4. Heinrich Wiepking, Gegen den Steppengeist, in: Das Schwarze Korps, 8, Nr. 42, 4.  30 Zitiert nach: Ursula Kellner, Heinrich Friedrich Wiepking, 21. 31 Hermann Pünder, Von Preußen nach Europa. Stuttgart 1968, 424. 32 Ebd., 273 f. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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zwei Oberbürgermeister vertreten, von denen Max Brauer der langjährige Oberbürgermeister von Hamburg (1946–1953, 1957–1960) sicherlich der bekanntere war. Aber auch der Dortmunder Oberbürgermeister Dietrich Keuning (1954– 1969) war Mitglied des Bundestags und im Präsidium des Deutschen Städtetags und damit kein politisches Leichtgewicht. In den 70er-Jahren wurde das Präsidium der DGG mit dem Natur- und Heimatschützer sowie ewigen Landwirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen (1966–1979), Diether Deneke, um einen weiteren profilierten Sozialdemokraten ergänzt. Der ausgebildete Gärtner stellte als Ehrenmitglied im Bund Deutscher Landschaftsarchitekten eine wichtige Ergänzung des Präsidiums dar. Sein christdemokratisches Gegengewicht war zu dieser Zeit der bayerische Wirtschaftsminister (1970–1988) Anton Jaumann. Nach der Wahl Wolfgang Habers war Heinrich Wiepking, der bis zu seinem Tode 1973 Mitglied des Präsidiums blieb, nicht mehr der einzige Professor im Präsidium der DGG. Haber, der an der TU München dem Institut für Landespflege (später von ihm umbenannt in Institut für Landschaftsökologie) vorstand, war einer der profiliertesten Vertreter der sogenannten »ökologischen Wende«, mit der die Abwendung von einem durch den Landschaftsbegriff geprägten Naturschutz hin zu einem auf Öko­ systemen beruhenden Naturschutz einherging.

1.1.4 Netzwerke Um die Person Lennart Bernadottes, die Organisation Deutsche GartenbauGesellschaft und den Ort Insel Mainau hatte sich in den späten 50er- und frühen 60er-Jahren bis in die 80er-Jahre ein enges Netzwerk gebildet. Darin trafen auf bemerkenswerte Weise all jene Personen zusammen, deren Interessen auf die Neugestaltung von Landschaft und Umwelt ausgerichtet waren und damit auch besonders auf den ländlichen Raum, der weit mehr mit Landschaft und Natur in Verbindung gebracht wurde als die urbanen Ballungsräume. Lennart Bernadotte war als homme celebré, der zudem kaum in die NS-Vergangenheit verstrickt war, der Mittelpunkt und die integrierende Gestalt dieses weitverzweigten Netzwerks. Darin übernahm er in bester schwedischer Tradition als neutraler Makler den Ausgleich der verschiedenen Interessen, der es allerdings im rechten Augenblick verstand, seine Zugehörigkeit zum schwedischen Königshaus einzusetzen, sodass Entscheidungen zustande kamen. Bernadotte vermittelte zwischen Politkern, Wissenschaftlern, »Herren aus der Wirtschaft«, Gärtnern und Landschaftsgestaltern. Eine große Hilfe war ihm dabei die Insel Mainau selbst, die, klimatisch günstig gelegen, mit ihrem 400 Jahre alten Barockschloss und ihrem Park das perfekte Ambiente und durch ihren Ausbau zum Tourismus-Ziel die nötige Infrastruktur bot, um die verschiedenen Interessensgruppen zusammenzuführen. Die Kombination von Schloss, Park und © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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königlichem Geblüt übte eine beträchtliche Anziehungskraft auf die Zeitgenossen aus, sodass auch ein Bundespräsident gerne eine Einladung des »Herrn der Mainau« an seinen Hof annahm. Die offiziellen Anlässe für solche Einladungen und die nötigen Mittel hierzu ließen sich durch die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft generieren, die durch verschiedene Ministerien gefördert wurde. Sie entwickelte sich immer mehr zu einem Ansprechpartner für Staat und Wirtschaft, wenn es um Fragen der Landschaft, Natur und Umwelt ging. Außerdem lieferte sie den administrativen Unter­bau für die Projekte, die auf der Insel Mainau von Landschaftsgestaltern, Politikern und Wirtschaftlern erdacht wurden. So wurden etwa über die DGG Mittel beantragt, oder sie trat als Veranstalter von Informationsabenden und der Mainauer Rundgespräche auf. Und nicht zuletzt war es die DGG, die vom Bundeslandwirtschaftsministerium mit der Durchführung des Bundeswett­ bewerbs Unser Dorf soll schöner werden beauftragt werden sollte. Die Idee, welche die Männer, die sich auf der Insel Mainau trafen, einte, war der Wille, den ländlichen Raum neu zu gestalten. Und nur Männer waren es, denn bis weit in die 70er-Jahre nahm keine Frauen an den Gesprächen teil. Dieser Gestaltungswille ging dabei weit über das hinaus, was der konservierende Heimatschutz ursprünglich gefordert hatte. Er begnügte sich aber auch nicht mit einer rein rationalen Neugestaltung etwa landwirtschaftlicher Flächen, wie sie in verschiedenen Projekten zur Verbesserung der Agrarstruktur schon lange Tradition hatte und schon seit den 1920er-Jahren mit der Flurbereinigung weiter vorangetrieben worden war. Den Initiatoren des Bundeswettbewerbs, die sich auf der Insel unter anderem im Rahmen der Mainauer Rundgespräche trafen, ging es vielmehr um die ästhetische und kulturelle Neubeschreibung eines Raums, den sie durch ihre Arbeit überhaupt erst als einheitlichen Raum definieren sollten: den ländlichen Raum. Der Gestaltungswille sowie die ästhetischen und kulturellen Vorstellungen, die diesen Bemühungen zugrunde lagen, beruhten auf äußerst verschiedenen historischen und strukturpolitischen Annahmen: Sie mochten dem individuellen Gestaltungswillen eines Mannes wie Graf Lennart Bernadotte entspringen, der als Aristokrat dazu erzogen worden war, im großen Stil als Gestalter zu wirken; konnten wie bei Wiepking aus der Verquickung von Heimatschutz mit den Zukunftsvisionen des NS im okkupierten Osten entstehen; oder aus der Einsicht, dass zum Erhalt der natürlichen Lebensbedingungen eine Neu­ gestaltung der Strukturen des ländlichen Raumes unausweichlich sei, wie es bei Olschowy der Fall war. So verschieden die Ideen und die Männer waren, die sich auf der Insel Mainau zusammenfanden, sie passten in eine Gesellschaft, die in den 60er- und 70er-Jahren damit beschäftigt war, einen enormen Strukturwandel zu bewältigen und daran glaubte, diesem mit modernen Mitteln der Planung und Wissenschaft nicht nur Herr zu werden, sondern ihn in ihrem Sinne gestalten zu können. Am deutlichsten wurde diese Vorstellungswelt in einem Doku© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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ment, das man durchaus als Manifest der Männer, die sich auf der Mainau versammelten bezeichnen kann: Der Grünen Charta von der Mainau.

1.2 Die Grüne Charta von der Mainau Als im April 1961 die fünften Mainauer Rundgespräche stattfanden, war der erste Bundeswettbewerb Unser Dorf soll schöner werden bereits angelaufen. Die Grundideen, auf denen der Wettbewerb beruhte und die der künftigen Neugestaltung des ländlichen Raumes Ziel und Ordnung geben sollten, waren in den Wettbewerbsregeln erfasst. Allerdings nutzte man das Mainauer Rundgespräch, um diese Ideen in Form eines Manifests, auf »dessen Geist der Dorfwettbewerb beruhte«33 und das sich an die Parlamente und die Öffentlichkeit richtete, im großen Rahmen zu propagieren. Der drei Seiten lange Text erhielt den klangvollen Namen Die Grüne Charta von der Mainau. Von Anfang an wurde der Wettbewerb von seinen Organisatoren also nicht nur als ein Mittel zur Neuordnung des ländlichen Raumes betrachtet, sondern im Zusammenhang mit der Charta auch als wesentlicher Beitrag zum Landschafts- und Umweltschutz. Die Bedeutung der Grünen Charta für die Geschichte des Umweltschutzes in der Bundesrepublik wurde dabei zunächst als marginal einschätzt. In einer Geschichtsschreibung, die sich mit dem Ursprung der populären Umweltschutzbewegungen der 1970er- und 80er-Jahre beschäftigte, wurde sie als »eine Aktion über die Köpfe der Menschen hinweg« bezeichnet, die nicht geeignet gewesen wäre, »eine Wende im öffentlichen Problembewusstsein herbeizuführen«.34 Mittlerweile wird die Charta von vielen Seiten allerdings als ideengeschichtlicher Markstein gesehen. So bezeichnete David Blackbourn sie als »ein einmaliges Manifest […] des Umweltschutzgedankens im Westdeutschland der Nachkriegszeit.«35 Deutsche Historiker betonen auch die Bedeutung des Dokuments als Abwendung von einem restaurativen Landschaftsschutz, der vor allem von der Heimatschutzbewegung geprägt war. Im Gegensatz dazu sei das »Menschenbild der Grünen Charta […] liberal geprägt und prinzipiell offen für urbane Modernität« gewesen.36

33 Olschowy, Dorfverschönerung und Dorfverbesserung, 4. Vgl. auch: Strack, Bomkamp, Unser Dorf, 1. 34 Klaus Georg Wey, Umweltpolitik in Deutschland. Kurze Geschichte des Umweltschutzes in Deutschland seit 1900. Opladen 1982, 170. 35 David Blackbourn, Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft. München 2006, 399. Ähnlich auch bei: Sandra Chaney, Nature of the Miracle Years. Conversation in West Germany, 1945–1975. New York u. a. 2008, 133. 36 Jens Ivo Engels: Naturpolitik in der Bundesrepublik. Ideenwelt und politische Verhaltensstile in Naturschutz und Umweltbewegung, 1950–1980. Paderborn 2006, 133. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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1.2.1 Vom Heimatschutz zum Landschaftsschutz Zentrales Anliegen der Charta war es, den Umweltschutzgedanken zu einem maßgeblichen Bestandteil zukünftiger strukturpolitischer Entscheidungen zu machen. So wurden in der Grünen Charta »um des Menschen willen […] der Aufbau und die Sicherung einer gesunden Wohn- und Erholungslandschaft, Agrar- und Industrielandschaft« als »unerläßlich« gefordert. Um dieses Ziel zu erreichen, wollte man Raum-, Landschafts- und Grünordnungspläne auf »allen Planungsebenen« aufstellen, die auch rechtlich durchsetzbar waren. Weiterhin sollten Eingriffe in Natur und Landschaft möglichst schonend vorgenommen und eventuelle Schäden »wiedergutgemacht« werden. Denn die Landwirtschaft müsse auf dem Prinzip der Ressourcenschonung fußen und die Bevölkerung durch »verstärkte Unterrichtung der Öffentlichkeit« auf die drohenden Ge­fahren für die »Landschaft in Stadt und Land« sensibilisiert werden.37 Ganz wesentlich war bei der Formulierung jener Gefahren, dass die Verfasser der Charta sich nicht damit »begnügte[n], diese Schäden [Wasser- und Luftverschmutzung] aus ästhetischen Gründen zu kritisieren, sondern eine ernsthafte Beeinträchtigung der natürlichen Umwelt konstatierten.«38 Grundlage hierfür war ein neuartiges Umweltverständnis der Verfasser: Die Forderungen, die in der Charta aufgestellt wurden, bedeuteten eine Abkehr von dem auf ästhe­tischen Prinzipien beruhenden Umweltschutzgedanken der Heimatschützer und beinhalteten für den Landschaftsschutz ganz neue Kompetenzen und Gestaltungsspielräume. Es waren dabei folgende Punkte, an denen die Abkehr vom Heimatschutz besonders deutlich wurde und die auch bei der Konzeption des Dorfwettbewerbs eine wichtige Rolle spielen sollten: 1. Die Heimatschützer bemühten sich vor allem um die Bewahrung isolierter »Naturdenkmäler«, deren Erhaltungswert sich primär aus ihrem hohen Symbolcharakter heraus erklärte. Typische Beispiele wären etwa der »Kampf um den Hohen Meißner« in Nordhessen, der ein wichtiger Symbolort für die bündische Jugendbewegung war und als Steinbruch genutzt wurde, oder die Bemühungen um den Erhalt der Lüneburger Heide, deren Landschaft durch den Heimat­ dichter Hermann Löns beschrieben worden war.39 Der Landschaftsbegriff der Grünen Charta hingegen beschränkte sich nicht auf einzelne Orte, sondern erfasste die gesamte topografische Oberfläche. Außerdem kam zur räumlichen Ausweitung, die mit dem Landschaftsbegriff verbunden war, eine inhaltliche 37 Sonderdruck Grüne Charta von der Mainau, 1961, Konstanz, Artikel V. 38 Ditt, Naturschutz, 526. 39 Helmut, Sauer, Die Entstehungsgeschichte der Meißner-Misere, Das Werraland, Nr. 30, 1978, 33–38. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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hinzu, weil in der Charta auch explizit »Boden, Luft, Wasser, Pflanzen- und Tierwelt« als wesentlich der Landschaft zugehörig verstanden wurden. 2. Da die Heimatschutzbewegung den Schutz räumlich begrenzter Orte mit hohem Symbolgehalt forderte, konnte sie grundsätzlich an ihrer partiellen Technik- und Wirtschaftsfeindlichkeit, die sich allerdings nur auf sehr spezifische Natur- und Kulturräume beschränkte, festzuhalten.40 Es erschien zumindest bis in die 50er-Jahre möglich, bestimmte Orte, die den Kriterien des Heimatschutzes entsprachen, gänzlich aus dem Prozess der Modernisierung heraus­zulösen; einige Heimatschützer hielten sogar bis in die 60er-Jahre an diesen Vorstellungen fest.41 Der räumlich entgrenzte Anspruch des Landschaftsschutzes, wie ihn die Grüne Charta formulierte, ließ eine generelle Ablehnung technischer und wirtschaftlicher Entwicklung nicht zu. Da sie die Unterscheidung zwischen schützenswerten spezifischen Orten und einem ansonsten jeglicher Modernisierung prinzipiell offenstehenden Gesamtraum beendete. Nun mussten ganzheitliche Konzepte entwickelt werden, die sich auf den gesamten Raum der Bundesrepublik erstreckten. Die rasante technische und wirtschaftliche Entwicklung der 50er- und 60erJahre – wie die Industrialisierung der Landwirtschaft, der Druck auf stadtnahe, ländliche Räume durch Pendler, der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Zunahme des Tourismus etc. – wurde nicht sui generis als Bedrohung empfunden, sondern nur insofern, als sie das natürlich gewachsene Gleichgewicht zu zerstören drohte. Da die »gesunde Landschaft«, wie es in der Grünen Charta heißt, »in alarmierendem Ausmaß verbraucht« wurde42, drohte nicht nur die Natur zerstört zu werden, sondern eben auch die Lebensgrundlage der Menschen. Besonders deutlich wird diese pragmatische Sicht auf die Umwelt, wenn der Landschaft ganz konkrete Funktionen als »Wohn- und Erholungslandschaft, Agrar- und Industrielandschaft« zugeschrieben werden. In dieser funktional differenzierten Landschaft ging es nicht um den Schutz der Natur um ihrer selbst willen, sondern darum, ihre Funktionsfähigkeit zu sichern. Ein Natur­ schutz, der sich direkt auf die Natur bezog, wäre in den Augen der Verfasser der Grünen Charta nicht zielführend gewesen, da sein Nutzen für die Menschen 40 Alan Confino hat gezeigt, dass diese kritische Haltung gegenüber dem wirtschaftlich-technischen Fortschritt nicht mit einer generellen Ablehnung von Innovationen auf technischem und wirtschaftlichem Gebiet einherging, sondern sich tatsächlich auf Orte beschränkte, die im Rahmen der »Heimat-Idee« eine hohe Bedeutung als integrativ wirkende Symbole erhalten hatten. Confino schreibt dazu: »The Heimat idea functioned successfully as an integrative symbol because it was an ideal that kept reality at a safe distance, giving a respite from everyday social and political conflicts.« Jenseits dieser symbolischen Orte wurden die Realitäten sozialen und politischen Wandels allerdings durchaus anerkannt. In: Alan Confino, The Nation as  a Local Metaphor. Würtemberg, Imperial Germany and National Memory, 1871–1918. Chapel Hill, u. a. 1997, 184. 41 Vgl. 179 ff dieser Arbeit. 42 Sonderdruck Grüne Charta von der Mainau, 1961, Konstanz, Artikel III. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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nicht konkret ersichtlich war. In diesem Sinne war es nur folgerichtig, wenn in der Charta »Technik und Wirtschaft« als gleichberechtigte Grundlagen »un­ seres Lebens« anerkannt wurden und daher ein Ausgleich zwischen Natur und Technik gefordert wurde.43 3. Obwohl funktionale Zusammenhänge in der Charta stark betont wurden, blieb der Begriff Landschaft allerdings oft mit der ästhetischen Betrachtung der topografischen Oberfläche verbunden. So bleiben die Verfasser bei der Beschreibung der Gefahren der von ihnen postulierten Landschaftszerstörung dem ästhetisierenden Jargon der Heimatschützer in großen Teilen treu: Landschaft wird »verunstaltet«, »lebendiger Boden vernichtet«, »Luft verun­reinigt«, Grundwasser »verdorben«.44 Offensichtlich fehlte es sowohl an Material als auch an sprachlichen Ausdrucksmitteln, um die funktionalen Zusammenhänge präzise zu beschreiben. Da die Konkretisierung der angemahnten Landschaftszerstörung ausblieb, kratzte die Kritik der Grünen Charta im Detail im wahrsten Sinne des Wortes nur an der Oberfläche. Gleiches galt im Übrigen für die Lösungsvorschläge: Außer der Forderung nach einem »nachhaltigen frucht­ baren Landbau« – hier lagen schon damals konkrete Forschungsergebnisse zur Abtragung von ertragreichem Boden durch zu intensive landwirtschaftliche Nutzung vor – finden sich keine konkreten Verweise darauf, welche negativen Entwicklungen der konstatierte »alarmierende Verbrauch« der Landschaft für die Zukunft habe, geschweige denn, wie dieser konkret zu stoppen sei. Insgesamt war mit der Grünen Charta von der Mainau eine enorme Aus­ weitung der gestalterischen Ansprüche des Naturschutzes verbunden. Die Abwendung vom spezifischen Ort und Hinwendung zum Raum, die Inkludierung von Technik und Wirtschaft in die Belange des Naturschutzes und die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Landschaft als genuiner »Lebensraum« einer modernen »Funktionsgesellschaft« verlangten nach wesentlich weitreichenderen Maßnahmen, als sie die Heimatschützer im Auge hatten. Um diese Forderungen durchzusetzen, wandten sich die Urheber der Grünen Charta an den Staat. Nur er hatte die weitgehenden Hoheiten gerade gesetzgeberischer Natur inne, die es ermöglichten, auf einen so großen Raum wie den des Staatsgebietes Einfluss zu nehmen und das Funktionieren der Gesellschaft, die in diesem Raum lebte und von diesem abhängig war, sicherzustellen. So lautet denn auch die primäre Forderung in der Charta, »eine rechtlich durchsetzbare Raumordnung für alle Planungsebenen« zu schaffen.45 Daraufhin wurden die Pläne für die anderen Bestandteile der Funktionslandwirtschaft benannt, wobei die Be­ tonung auf dem Erhalt und der Neuorganisation der Erholungs- und Agrarlandschaft lag. 43 Ebd., Artikel IV. 44 Ebd., Artikel III. 45 Ebd., Artikel V/1. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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1.2.2 Landschaftsgestalter Die große Bedeutung, die die Verfasser der Grünen Charta dem Staat bei der Durchsetzung ihrer Ziele einräumte, erklärt sich nicht nur aus der Notwendigkeit, auf dessen Autorität zurückgreifen zu müssen, sondern auch aus den persönlichen Erfahrungen der Verfasser der Grünen Charta. Bevor die Inhalte des Dokuments auf dem Grünen Parlament anlässlich des fünften Mainauer Rundgesprächs beschlossen wurden, erarbeitete zunächst eine Kommission von 16 Personen eine Vorlage. Diese ging dann noch einmal durch die Hände von drei Professoren, die die Charta abschließend beurteilten: Es waren neben Heinrich Wiepking seine alten Intimfeinde Alwin Seifert und Gustav Allinger46 letzterer war 1933 bis 1935 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst. Nachdem Wiepking verhindert hatte, dass Allinger den Lehrstuhl für Landschaftsgestaltung in Berlin bekam, arbeite dieser 1934 bis 1938 als Landschaftsanwalt bei der Organisation Todt und plante die landschaftlich korrekte Streckenführung der Reichsautobahn. 1953 bis 1959 war Allinger Professor an der TU Berlin und damit quasi der Nachfolger Wiepkings.47 Alwin Seifert war als Reichslandschaftsanwalt (1940–1945) während des Nationalsozialismus sein Vorgesetzter gewesen. Diese drei Professoren besetzten die drei wichtigsten Lehrstühle für Landschaftsgestaltung in der jungen Bundesrepublik. Sie kontrollierten die akademische Ausbildung der Landschaftsgestalter und setzten sich vehement für eine Professionalisierung ihres Berufs ein, der daraufhin eine bedeutsame Kompetenzausweitung erfahren sollte. In diesen Bemühungen waren sich die drei Professoren trotz aller Diadochenkämpfe, die sie während der NS-Herrschaft ausfochten, einig. Zumindest Wiepking und Seifert hatten die Erfahrung gemacht, dass die Durchsetzung dieser Ansprüche nur mithilfe eines starken Staates möglich war, der ihnen die Räume öffnete, in denen sie ihre Pläne umsetzen konnten. Sei es durch den Bau der Reichsautobahn48, der im Inneren gänzlich neue Räume erschloss, oder durch die gewaltsame Öffnung von Räumen durch die Eroberungs- und Vernichtungskriege, die den Generalplan Ost ermöglichten. Erst der Staat, der, wie Wiepking es 1942 forderte, seine »heilige Verpflichtung« wahrnahm, die Landschaft zu »neuem inhaltsreichen Leben zu bringen«, ermöglichte den Landschaftsarchitekten, ihre Arbeit in dem von ihnen gewünschten Ausmaß durchzuführen.49 Der NS-Staat war dieser Verantwortung in den Augen von Wiepking und Seifert nachgekommen 46 Erich Kühn, Kommentar zur Grünen Charta, in: Die Grüne Charta von der Mainau mit Kommentar, Sonderdruck, Pfullingen 1961, 8.  47 Gröning, Wolschke-Bulmahn, Grüne Biographien, 16. 48 Zum Wirken Seiferts beim Bau der Reichsautobahn vgl. Thomas Zeller, Driving Germany. The Landscape of the German Autobahn, 1930–1970. New York u. a. 2007. 49 Wiepking-Jürgensmann, Heinrich Die Landschaftsfibel, 12. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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und hatte ihnen damit die Möglichkeit gegeben, »segensreich« auf die deutsche Landschaft einzuwirken. Ob dies in der Bundesrepublik auch so sein würde, musste sich in den Augen der Professoren erst noch zeigen. In der verantwortlichen Kommission fanden sich wichtige Landschaftsgestalter und Umweltschützer der zeitgenössischen Bundesrepublik wieder.50 Neben Graf Lennart Bernadotte und dem Geschäftsführer der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft, Horst Hammler, waren auch andere Präsidiumsmitglieder der DGG, wie Gerhard Olschowy und Joseph Paul Franken, der ab 1963 Minister für Landesplanung, Wohnungsbau und öffentliche Arbeiten in Nordrhein-Westfalen wurde, vertreten. Auch weitere Professoren waren Mitglieder jener Kommission, wie Werner Lendholt, der von 1939 bis 1943 Generalreferent für Landschaftspflege und Naturschutz in dem von den Nationalsozialisten annektierten Warthegau in Polen war und ab 1958 Nachfolger Wiepkings als Direktor des Instituts für Grünplanung und Gartenarchitektur an der TU Hannover wurde. Auch Hermann Mattern, ab 1935 Landschaftsanwalt bei der Organisation Todt, ab 1961 Nachfolger Allingers auf der Professur für Landschaftsbau und Gartenkunst an der Technischen Universität Berlin, nahm teil.51 Hinzu kamen wichtige Vertreter aus dem Establishment der Gartengestaltung, wie der Präsident des ZVG Ernst Schröder und der Vorgänger von Gerhard Olschowy im Amt des Präsidenten der Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege, Gerd Kragh. Vonseiten der Stadtplanung war mit dem Aachener Professor für Städtebau, Erich Kühn, der sich der Modernisierung der deutschen Städte verschrieben hatte, neben Wilhelm Wortmann nur eine Autorität vertreten. Als Urheber der Charta traten also fast ausschließlich Experten auf, die oft auch ein klares berufsständisches Interesse an der Ausweitung des Landschaftsschutzes und dessen Verankerung in der bundesdeutschen Gesetzgebung hatten. Da sich von der Umweltzerstörung Betroffene oder deren Verbands- bzw. politische Vertreter allerdings nicht sich unter den Autoren befanden, ist die Beschreibung der Grünen Charta als ein »Eliteprojekt« jedoch durchaus zutreffend.52

1.2.3 Landschaft und Ökologie Die Charta erhob den Anspruch, alle Landschaften der Bundesrepublik zu erfassen – also gleichsam urbane wie ländliche Räume. Allerdings zeigte sich sowohl in der Zusammensetzung der Verfasser als auch in den aufgestellten For 50 Neben den Genannten: Erich Kühn, Konrad Buchwald, Eberhard Herzner, Josef W. Hollatz, Werner Pohl, Gustav Rohlfs, Johannes Sallman. Vgl. Kühn, Kommentar, 7. 51 Gröning, Wolschke-Bulmahn, Grüne Biographien, 244. 52 Karl Ditt, Naturschutz, 499–535. Daraus eine weitgehende Unwirksamkeit der Charta abzuleiten, wie Karl Ditt es tut, greift allerdings zu weit, wie sich noch zeigen wird. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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derungen ein klares Übergewicht von Experten für den ländlichen Raum sowie an Zielsetzungen, die lediglich den ländlichen Raum betrafen. Wohl um deutlich zu machen, dass die Grüne Charta den Anspruch hatte, nicht nur für die ländlichen Gebiete von Bedeutung zu sein, wurde neben dem Landschaftsgestalter Konrad Buchwald von der TU Hannover auch der frisch gekürte Rektor derselben Universität, Wilhelm Wortmann, dafür gewonnen, bei der Vorstellung der Charta während des Grünen Parlaments einen erläuternden Vortrag zu halten. Darin plädierte Wortmann nachhaltig dafür, die Trennung zwischen Stadt und Land aufrecht zu erhalten, da eine Angleichung die »Gefahr all zu großer Auflösung« beinhaltete.53 Diese Assimilation würde gerade durch neuere Trends wie den zur Gartenstadt weiter vorangetrieben, die eine der Hauptursachen für den Verbrauch der »gesunden Landschaft« sei. Nicht Industrie und Technik waren für Wortmann die Ursachen für Landschaftszerstörung, sondern mangelnde Raumordnung und »landschaftsfremdes Verhalten der Menschen«.54 Er plädierte für eine verstärkte Konzentration und Verdichtung im Städtebau, indem die notwendigen Erholungsräume für die Bewohner der Stadt im so freigehaltenen Umland geschaffen werden sollten. Obwohl Wortmann Städteplaner war, favorisierte er ein planerisches Denken, das von der ländlichen Landschaft ausging, die er im Gegensatz zur Stadt sah, da nur so die Zerstörung der Landschaft verhindert werden könne. Konrad Buchwald forderte in seiner Rede zunächst die Entwicklung einer »Ökologie des Menschen« und beklagte die mangelnden wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen ökologischem Lebensraum und Industriegesellschaft .55 Aus diesem Grund forderte er eine verstärkte Grundlagenforschung und eine intensivere Berücksichtigung ökologischer Aspekte in der Ingenieursausbildung an den Technischen Hochschulen. Damit zeigte Buchwald ein wesentliches Defizit der Charta auf. Beim Versuch, diese Zusammenhänge zu skizzieren, plädierte er für den Ausbau der Erholungslandschaften, da diese ein »Heilmittel« gegen die »psychische und körperliche« Über­ forderung seien, die von der »industriellen Großstadtwelt« ausginge. Insgesamt wünschte sich Buchwald einen Bewusstseinswandel, der dazu führen sollte, dass sich der Mensch wieder als Teil eines ökologischen Ganzen verstehen und damit eine nachhaltige Grundlage für zukünftige Entwicklungen legen möge.56 53 Wilhelm Wortmann, Die Natur in der Stadt, in: Die Grüne Charta von der Mainau mit Kommentar, Sonderdruck, Pfullingen 1961, 14. 54 Ebd., 19. 55 Ebd., 22. 56 Der Begriff der »ökologischen Wende«, mit dem die Verbindung naturwissenschaft­ licher Erkenntnisse und des Naturschutzes beschrieben wird und der im Allgemeinen erst für die 1970er- und 80er-Jahre verwendet wird, drängt sich hier durchaus auf. Allerdings scheint ein solches Verständnis von Naturschutz zwar bei Einzelpersonen wie Buchwald © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Beide Vorträge zur Vorstellung der Charta verdeutlichen, wie stark weiterhin von einer Trennung von Stadt und Land ausgegangen wurde. Während Wortmann diese Gelegenheit allerdings dazu nutzte, sich selbst als Städteplaner Freiräume zu schaffen, indem er die Verantwortung für den Erhalt der Umwelt und der traditionellen Kulturlandschaft dem ländlichen Raum übertrug, versuchte Buchwald eine Idee zu entwickeln, wie sich der Ausgleich zwischen Natur und Mensch, der im ländlichen Raum teilweise noch gegeben sei, auf ökologischer Basis in eine moderne Industriegesellschaft übertragen ließe. Die Mittel, die er hierzu vorschlug  – Verwissenschaftlichung, Ausbildung von Experten, Regulierung und Planung auf nationaler und transnationaler Ebene –, zielten nicht mehr darauf ab, die Reste einer heilen ländlichen Welt zu erhalten. Statt­dessen wollte Buchwald eine der Gegenwart angemessene Landschaft schaffen, in der die Umwelt nicht mehr als eine frei verfügbaren Ressource betrachtet werden sollte, die dem technischen und wirtschaftlichen Fortschritt unbegrenzt zur Verfügung stand, sondern als eine lebensnotwendige Grundlage für alle zukünftigen Entwicklungen verstanden werden musste. Grundlage dafür war ein neues ökologisches Verständnis, das die Idee vom Schutz vor allem symbolisch bedeutsamer Naturdenkmale durch die Vorstellung von komplexen ökologischen Zusammenhängen ersetzte und so die vielfältigen Abhängigkeiten technischer und wirtschaftlicher Entwicklung von landschaftlich ökologischen Zusammenhängen deutlich machte. Verbunden war damit eine räumliche Entgrenzung des Geltungsanspruchs landschaftsbezogener ökologischer Zukunftsgestaltung, die sich nun nicht mehr auf spezifische Orte in Form von Naturdenkmälern bezog, sondern auf den gesamten Raum der Bundesrepublik. Die großen Gewinner dieser Entwicklung waren die Experten, in diesem Fall vor allem Landschaftsplaner, die diese Zusammenhänge in all ihrer Komplexität beschreiben konnten und somit, zumindest in ihrer Selbstwahrnehmung, die einzigen waren, die diesen Prozess in die richtige Richtung lenken konnten. In diesem Sinn war die Charta durchaus eine »Aktion über die Köpfe den ­Menschen hinweg«,57 was aber zumindest deren Autoren nicht weiter belastete, denn an die breite Bevölkerung war die Charta nicht adressiert.58 Sie bereits vorhanden gewesen zu sein, jedoch noch keine Flächenwirkung erreicht zu haben. Zum Begriff der ökologischen Wende vgl. Jens Ivo Engels, Hans Werner Frohn, Friedemann Schmoll, (Bearb.), Natur und Staat. Staatlicher Naturschutz in Deutschland 1906–2006, (= Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 35), Münster 2006. 57 Klaus Georg Wey, Umweltpolitik. 127. 58 Einzig der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss, der ebenfalls am fünften Mai­ nauer Rundgespräch teilnahm, kritisierte die Orientierung der Charta auf ein Publikum, das hauptsächlich aus den Vertretern staatlicher Organe bestand. Er wandte ein: »Die CHARTA [i. O.] wendet sich zu sehr aus ihrer Natur der Forderung heraus an öffentlich rechtliche Stellen und an die Gemeinschaftsleistung. Sie spricht zu wenig den Menschen an, dieses kleine Individuum, das einen so ungeheueren Spaß an seinem Balkon mit seinen Blumen hat und © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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wurde nach ihrer Vorstellung auf dem Grünen Parlament an alle Bundestagsund Landtagsabgeordneten verschickt; Lennart Bernadotte und Ernst ­Schröder übergaben die Grüne Charta persönlich an Bundeskanzler, Bundespräsident und Landwirtschaftsminister. Sämtliche Ministerpräsidenten der Bundesländer und weitere Vertreter des Staates erhielten die Charta von wichtigen Mitgliedern der DGG überreicht.59 Der Staat galt den Verfassern als Garant für eine an den Bedürfnissen der Landschaft ausgerichtete Entwicklung. Nur er hatte in den Augen der Experten die nötigen Machtmittel in der Hand, vor allem in der Form von Gesetzen, um den ansonsten zerstörerisch wirkenden Kräften technischen und wirtschaftlichen Fortschritts die nötigen Zügel anzulegen, die die Modernisierung in eine Richtung lenken würde, die dem Wohle aller diente. Zudem war der Staat selbst durch seine Infrastrukturpolitik einen der wichtigsten Gestalter der neuen bundesdeutschen Landschaft. Als der nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister Gustav Niermann 1961 die Richtlinie erließ, »daß anzustreben sei, daß im gesamten Geschäftsbereich des Ministeriums […] die programmatischen Forderungen der Grünen Charta richtungsweisend werden für Überlegungen, Planungen und Vorhaben«60, war eines der zentralen Ziele der Charta erreicht. In diesem Umfeld, in dem die Neustrukturierung des ländlichen Raumes geplant und durchgeführt wurde, entfaltete die Grüne Charta von der Mainau, die einen neuen ländlichen Raum visionierte, der Zukunftssicherheit durch die landschaftliche und ökologische Domestizierung wirtschaftlich-technischen Fortschritts versprach, ihre größte Wirkungskraft. Mit dem Dorfwettbewerb sollte diese Planvorstellung als Wettbewerbsziel erstmals im großen Stil auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Dies zeitigte Ergebnisse, die nicht zuletzt die Verfasser der Charta selbst sehr überraschten.

1.3 Politische Durchsetzung und Wettbewerbsstruktur Die hohe Bedeutung, die dem Staat von den Gärtnern und Landschaftsplanern auf der Insel Mainau bei der Umgestaltung des ländlichen Raumes zugewiesen wurde, und die guten Verbindungen der Initiatoren zu wichtigen Repräsentandas ein kleines Gärtchen pflegt.« Damit benennt Heuss eine der wichtigen Ursachen für den Erfolg des Dorfwettbewerbs, was sich allerdings erst später zeigen würde. Staatsarchiv Osnabrück Dep. 72 b, Nr. 98, Zusammenfassung der Vorschläge redaktioneller Änderungen für die Endfassung der Grünen Charta der Mainau. 59 Archiv der DGG, Ordner Originale Protokolle Sitzungen, Ergebnisbericht über die 20. Vollsitzung des Präsidiums der Deutschen Gartenbaugesellschaft, 11.09.1961. 60 Nachrichtenblatt für Naturschutz und Landschaftspflege, 32 (1961), 17 f., zitiert nach: Kai F. Hünemörder, Die Frühgeschichte der globalen Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950–1973). Stuttgart 2004, 37. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Grundlagen und Vorgeschichte

ten und Verantwortungsträgern im Kabinett Konrad Adenauers führten dazu, dass die politische Durchsetzung des Bundeswettbewerbs Unser Dorf soll schö­ ner werden sich nicht als besonders schwierig erwies. Auf Bundesebene schien die Zustimmung von Anfang an recht gewiss; als Problem stellte sich allerdings die Einbeziehung der Bundesländer in den Wettbewerb heraus.

1.3.1 Einigung mit Bund und Ländern Um sich deren Zustimmung zu sichern schrieb Ernst Schröder, der Chef des Zentralverbands des Deutschen Gartenbaus, in seiner Funktion als Vizepräsident der DGG am 30. November 1959 an den erst kürzlich ernannten Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Werner Schwarz.61 Schröder berichtete in seinem Schreiben von Seminaren mit dem Titel »Das schöne Dorf – Das Dorf in Grün und Blumen«. Diese Seminare, die sich an landwirtschaftliche »Lehrerinnen und Lehrer« sowie Vorsitzende der ländlichen Hausfrauenvereine wendeten, seien so erfolgreich gewesen, dass sie ihn und Graf Lennart Bernadotte auf die Idee gebracht hätten, in diese Richtung weiterzuarbeiten. In einem Wettbewerb sollten Dörfer und Gemeinden festgestellt werden, die »in ihrer Grün- und Blumenpflege besonders vorbildlich sind«, um sie der Öffentlichkeit »in eindringlicher Form« zu präsentieren und so andere Gemeinden zur Nachahmung anzuregen.62 Schröder betonte, der Amtsvorgänger von Schwarz und jetzige Bundespräsident, Heinrich Lübke, begrüße die Pläne »auf das wärmste« und habe seine Schirmherrschaft als Bundespräsident »fest in Aussicht« gestellt habe. Diese Zusicherungen waren anscheinend auf der Insel Mainau in Gesprächen zwischen Graf Lennart Bernadotte und Lübke bzw. Schwarz zustande gekommen.63 Um den Wettbewerb durchzuführen, wäre es allerdings hilfreich, die Bundesländer in den Wettbewerb mit einzubeziehen. Aus diesem Grund sollten dem Bundeswettbewerb Länderwettbewerbe vor­ geschaltet werden, in der Verantwortung der jeweiligen Landesminister für Landwirtschaft. Sie würden die »erforderlichen Grundlagen« für die letzte Runde des Wettbewerbs, also den Bundeswettbewerb, schaffen. Der Bundeslandwirtschaftsminister Werner Schwarz sollte seinen Kollegen auf Landesebene dieses Vorgehen »empfehlen« und so die Zustimmung der Länder einholen. Des Weiteren bat Schröder um eine Förderung von 10.000 DM – sollten Rückfragen aufkommen, verwies er auf Gerhard Olschowy, der im Hause an 61 BA, B 116, Akt. 10891, 30. November 1959. 62 Ebd. 63 Horst Hammler, Erfahrungsbericht über den Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, in: AID (Hrsg.), Bericht über die Bundesarbeitstagung »Unser Dorf soll schöner werden« vom 13. bis 16. Juli 1964 in Landau/Pfalz. Bad Godesberg 1964, 72. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Politische Durchsetzung und Wettbewerbsstruktur 

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wesend sei und der gerne für weitere Fragen zur Verfügung stehen würde.64 Außerdem machte Schröder in seinem Schreiben deutlich, dass außer dem Bundespräsidenten noch keine offiziellen Stellen von den bundesweiten Wettbewerbsplänen informiert seien und erst durch die Zustimmung des Bundeslandwirtschaftsministeriums die Durchführung des Wettbewerbs gesichert sei. Im Frühjahr 1960 wurde daraufhin eine Reihe von Besprechungen mit Vertretern der Bundesländer im Bundeslandwirtschaftsministerium durchgeführt. Größere Streitpunkte gab es offensichtlich nicht und so war man sich recht schnell einig. Wichtig war den Ländern vor allem, den Wettbewerb »von unten her«65 zu organisieren, den Wettbewerb also zwischen Kreis, Land und Bund auf drei Ebenen zu staffeln. Außer in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen, wo es Probleme mit der Finanzierung gab, sicherten alle Länder zu, dass sie bis spätestens Ende Juli 1961 die Landessieger an die Bundesprüfungskommission melden würden.66 Die Realisation des Wettbewerbs auf lokaler Ebene wurde in der Regel dem Landjugendberatungsdienst übertragen. In Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland hatte diese mit den landwirtschaftlichen Berufsschulen verknüpfte Organisation die Durchführung vor Ort zu verantworten.67 Der Landjugendberatungsdienst hatte ursprünglich die Aufgabe, Jugendlichen ländliches Handwerk und entsprechende Berufe wieder schmackhaft zu machen. Offensichtlich sahen also die Länder im Dorfwettbewerb zunächst weniger ein Mittel zur Neugestaltung des ländlichen Raumes, sondern vor allem einen Weg, um die Jugend im Dorf sinnvoll zu beschäftigen und damit der Landflucht entgegenzuwirken. In Nordrhein-Westfalen übernahmen die Verbände für Obstund Gartenbau die lokale Ausrichtung des Wettbewerbs; allerdings ergaben sich daraus Probleme mit der Finanzierung, da die Verbände kaum über staat­ liche Mittel verfügten und so für die Durchführung des Wettbewerbs eine staat­liche Unterstützung erwarteten. In Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg oblag die Durchführung des Wettbewerbs den Gemeinden selbst. Insgesamt sorgte erst die Einbindung der Länder dafür, dass der Bundeswett­ bewerb ein starkes föderales und lokales Element bekam, das den notwendigen breiten Unterbau schuf, aus dem sich der Wettbewerb zu einem Massenphänomen entwickeln konnte.

64 Olschowy hatte vom Präsidium der DGG bereits vor Längerem den Auftrag erhalten, mögliche Wettbewerbe innerhalb der DGG verantwortlich zu betreuen. Archiv der DGG, Ordner Originale Protokolle Sitzungen, Niederschrift über die vierzehnte Sitzung des Vollpräsidiums der Deutschen Gartenbaugesellschaft, 11. Mai 1956. 65 BA, B 116, Akt.10839, 16.07.1960. 66 BA, B 116, Akt 10839, 08.09.1960. 67 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Grundlagen und Vorgeschichte

Tab. 1: Gesamtzahl der teilnehmenden Dörfer nach Bundesland  

1961

1963

1965

1967

1969

202

254

280

260

275

Niedersachsen

29

20

87

92

327

Nordrhein-Westfalen

30

112

375

536

605

Hessen

355

727

845

879

535

Rheinland-Pfalz

447

1243

1395

1698

892

79

62

74

72

107

800

834

650

786

1088

42

70

71

81

103

1984

3322

3777

4404

3932

Schleswig-Holstein

Baden-Württemberg Bayern Saarland Gesamt/Jahr

Anzahl der Dörfer, die in jedem Bundesland auf Kreisebene am Wettbewerb teilnahmen. Aus dieser Gruppe rekrutierten sich anschließend die Teilnehmer auf Landes- und Bundesebene.

1.3.2 Teilnahmebedingungen und Teilnehmer Dabei waren die Teilnahmebedingen für die Dörfer, die am Wettbewerb teilnehmen wollten, recht rigide. An Unser Dorf soll schöner werden durften und dürfen bis heute nur Dörfer mit einer Einwohnerzahl bis zu 3.000 Einwohner teilnehmen. Schon im zweiten Wettbewerb 1963 wurden die Richtlinien so verändert, dass auch nichtselbstständige Dörfer oder Ortsteile »mit vorwiegend dörflichem Charakter«, die weniger als 3.000 Einwohner hatten, am Wettbewerb partizipieren konnten.68 Ausgeschlossen waren von Anfang an anerkannte Kur- und Badeorte. Der Wettbewerb konzentrierte sich also von Beginn an auf Gemeinden mit »klassischem« dörflichem Charakter; zu diesem gehörten etwa eine gewisse Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe und eine räumlich abgeschlossene Siedlungsstruktur. Orte die bereits einen funktionierenden Fremdenverkehr hatten, interessierten die Macher des Wettbewerbs dagegen nicht. Gemeinden, die bereits eine Goldplakette auf Bundesebene gewonnen

68 Zu den hier und im Folgenden gemachten Angaben, zu Statistiken und administra­ tiven Abläufen des Wettbewerbs vgl. Strack, Bomkamp, Unser Dorf, 8–17. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Politische Durchsetzung und Wettbewerbsstruktur 

1971

1973

1975

1977

1979

Gesamt/Bundesland

246

220

183

0

232

2152

408

560

504

401

579

3007

801

830

933

1106

1150

6478

276

392

470

409

390

5278

1050

850

857

791

774

9997

82

141

561

718

703

2599

1107

1183

1303

1117

1163

10031

110

139

155

176

162

1109

4080

4315

4966

4718

5153

40651

Quelle: Herbert Strack, Unser Dorf soll schöner werden. Dokumentation und Auswertung der Bundeswettbewerbe 1961–1979. Münster-Hiltrup 1981, 113, Anlage 5.

hatten, durften in den 60er-Jahren nicht erneut am Wettbewerb teilnehmen. In den 70er-Jahren wurde diese Regelung gelockert und die Gemeinden konnten nach drei Wettbewerben wieder teilnehmen. Die Anzahl der teilnehmenden Dörfer variierte dabei von Bundesland zu Bundesland stark; generell lässt sich allerdings feststellen, dass die Anzahl der teilnehmenden Dörfer im Laufe der Zeit zunahm. Insgesamt nahmen auf Kreis-, Landes- und Bundesebene zwischen 1961 und 1979 40.651 Dörfer am Wettbewerb teil (vgl. Tabelle 1), wobei mit Abstand die meisten Dörfer aus Bayern und Rheinland-Pfalz kamen. Dabei ist allerdings eine beträchtliche Anzahl von Mehrfachanmeldungen zu berücksichtigen, die leider nicht genau beziffert werden kann. Besonders hoch dürften die Mehrfachteilnahmen in den Bundesländern Hessen und Rheinland-Pfalz zwischen 1961 und 1967 gewesen sein, da in diesem Zeitraum auf Landes- und Kreisebene jeweils ein Dorfwettbewerb jährlich stattfand, der zum Bundesentscheid führte, während in den anderen Bundesländern nur ein Wettbewerb alle zwei Jahre erfolgte. Hierdurch tauchen vermehrt Dörfer doppelt in der Wertung auf, was die hohen Teilnehmerzahlen für diese Bundesländer und den Einbruch nach 1967 zum Teil erklärt. Dies ändert allerdings nichts daran, dass der Wettbewerb zunächst vor allem in Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Schleswig-Holstein besonders gut angenommen wurde, während andere Flächenstaaten wie © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Grundlagen und Vorgeschichte

Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zunächst zurückhielten und erst in den 70er-Jahren hohe Teilnehmerzahlen erreichten. Bei einem Treffen der zuständigen Länderreferenten im Bundeslandwirtschaftsministerium 1962 führte man die geringe Beteiligung in diesen Bundesländern darauf zurück, dass in den ersten beiden Wettbewerben die Ausschreibung nicht über die Landkreise, sondern über die Landwirtschaftsschulen bekannt gemacht wurde.69 In Nordrhein-Westfalen waren vor allem die oben genannten Finanzierungsprobleme Auslöser für die geringen Teilnehmerzahlen in den ersten Wettbewerbsjahren. Insgesamt lässt sich aber festhalten, dass der Dorfwettbewerb im gesamten ländlichen Raum der Bundesrepublik – wenn auch mit zeitlichen Verschiebungen – seine Wirkung entfaltete und kaum ein Dorf vom Wettbewerb unberührt blieb. Auch bei der Teilnahme auf Bundesebene ist eine relativ regelmäßige Verteilung über das Gebiet der Bundesrepublik zu beobachten (vgl. Karte 1). Hier nahmen zwischen 1961 und 1979 280 Dörfer, von denen 130 mit der höchsten Auszeichnung, einer »Goldplakette«, prämiert wurden, am Wettbewerb teil. Bei der geografischen Verteilung der teilnehmenden Dörfer ist eine gewisse Häufung in einem durch die Mittelgebirge geprägten Gebiet erkennbar, das sich quer durch die Bundesrepublik vom Pfälzer Wald über den Hunsrück und Taunus zum Westerwald und Sauerland bis hin zum Osthessischen Bergland zieht. Hierfür lassen sich vor allem zwei Gründe nennen: Zum einen fand sich in den benannten Mittelgebirgslagen, wie noch aufgezeigt wird, ein naturräumliches Umfeld, das den ästhetischen Ansprüchen der Preisrichter von Unser Dorf soll schöner werden sehr entgegen kam.70 Darüber hinaus konnten sich gerade in den Mittelgebirgen jene klassischen Dorfstrukturen erhalten, die als Voraussetzung für die Teilnahme am Wettbewerb galten. Ein nicht unerheblicher Faktor für die Häufung waren zudem die hohen Teilnehmerzahlen in den Bundesländern Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen und später auch in Nordrhein-Westfalen, die es diesen Bundesländern ermöglichten, besonders viele Dörfer zum Bundeswettbewerb anzumelden, da die Zahl der Anmeldungen auf Bundesebene von der Zahl der Teilnehmer auf Landesebene abhing. So kamen beim ersten Wettbewerb 1961 von 32 Teilnehmern acht aus Bayern und Hessen sowie sechs Teilnehmer aus Rheinland-Pfalz. Aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen stammten hingen nur jeweils zwei Teilnehmer. Im Laufe der 60er-Jahre wurden die Teilnehmerzahlen reduziert, um weiterhin eine gleichmäßige Begutachtung zu ermöglichen. In den 70er-Jahren stieg

69 BA, B 116, Akt. 10840, 02.03.1962, 3. 70 Nicht umsonst etwa findet sich im Nordhessischen Bergland die bereits erwähnte Symbollandschaft des »Hohen Meißner«. Im Werra-Meißner-Kreis erreichten immerhin vier Orte zwischen 1961 und 1979 den Bundesentscheid des Wettbewerbs. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Politische Durchsetzung und Wettbewerbsstruktur 

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Karte 1: Die Karte zeigt alle Teilnehmer des Bundeswettbewerbs Unser Dorf soll schöner wer­ den im Zeitraum von 1961 bis 1979. Quelle: Herbert Strack, Unser Dorf soll schöner werden. Dokumentation und Auswertung der Bundeswettbewerbe 1961–1979. Münster-Hiltrup 1981, 119, Anlage 10. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Grundlagen und Vorgeschichte

die Teilnehmerzahl aufgrund des hohen Zuspruchs, den der Wettbewerb erfuhr, wieder an. 1977 stellten die Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern mit jeweils sechs Teilnehmern und Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mit jeweils fünf von 30 Teilnehmern die meisten Dörfer. Von den 250 Dörfern, die zwischen 1961 und 1977 am Wettbewerb teilnahmen, stammten immerhin 51 aus Rheinland-Pfalz und 50 aus Bayern. Tab 2: Anzahl der teilnehmenden Dörfer auf Bundesebene  

1961 1963 1965 1967 1969 1971 1973 1975 1977

Gesamt/ Bundesland

Schleswig-Holstein

6

2

2

2

2

2

2

2

0

20

Niedersachsen

2

1

1

1

3

3

4

4

3

22

Nordrhein-Westfalen

2

2

2

3

4

5

5

5

6

34

Hessen

8

4

6

6

4

1

3

3

3

38

Rheinland-Pfalz

6

5

6

8

5

6

5

5

5

51

Baden-Württemberg

3

1

1

1

2

1

2

4

5

20

Bayern

8

4

4

4

6

6

6

6

6

50

Saarland

2

1

1

1

2

2

2

2

2

15

37

20

23

26

28

26

29

31

30

250

Gesamt/Jahr

Quelle: Abschlussberichte Bundeswettbewerbe 1961 bis 1977.

Auffällig ist zudem die Häufung von »Golddörfern« in einzelnen Landkreisen. Besonders stechen dabei der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen in Bayern und der Hochsauerlandkreis in Nordrhein-Westfalen heraus, in denen sich jeweils acht beziehungsweise sieben »Golddörfer« befinden. Auch hier lagen gewisse naturräumliche und strukturelle Vorteile zugrunde, die vor allem im Fall von Weißenburg-Gunzenhausen noch durch einen äußerst ehrgeizigen Landrat begünstigt wurden. Für die vorliegende Arbeit wurden drei Dörfer ausgewählt, an denen die Auswirkungen des Dorfwettbewerbs auf lokaler Ebene nachgezeichnet werden. Zwei davon liegen in Hessen und eines im Bundesland Rheinland-Pfalz: Altenburschla, das in Hessen im bereits erwähnten Werra-Meißner-Kreis liegt, gewann 1961 beim ersten Dorfwettbewerb eine Gold- und 1973 eine Silber© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Politische Durchsetzung und Wettbewerbsstruktur 

53

plakette. Niederdreisbach, im Landkreis Altenkirchen (Westerwald)  gelegen, erhielt 1961 und 1965 eine Bronzeplakette sowie 1975 eine Goldplakette. Das Dorf Westerheim auf der SchwäbischenAlb nahm 1961, 1963 und 1973 am Wettbewerb teil. 1961 erhielt die Gemeinde eine Bronzeplakette, 1963 und 1973 wurde das schöne Dorf jeweils mit einer silbernen Auszeichnung bedacht.

1.3.3 Die Bundesbewertungskommission Diese Plaketten wurden von der Bundesbewertungskommission verteilt, deren Mitglieder die Dörfer begutachteten und aus dem Kreis der Auslober des Wettbewerbs berufen wurden. Neben dem Bundesministerium für Ernährung waren dies der Deutsche Gemeindetag sowie der Deutsche Landkreistag; hinzu kamen der Zentralausschuss der Deutschen Landwirtschaft und die DGG, die schließlich beauftragt wurde, den Wettbewerb durchzuführen.71 Gerhard Olschowy war für das Bundeslandwirtschaftsministerium in der Kommission. Der Gemeindetag und das Institut für Landschaftsgestaltung schickten einen Vertreter, der Bauernverband zwei. Der Großteil der Preisrichter bestand aus Gärtnern – diese stellen mit Hans Ulrich Schmidt, Stadtgärtner von Heilbronn, den Vorsitzenden der Bundesprüfungskommission sowie fünf weitere Preisrichter.72 Im Verlauf des Wettbewerbs verloren die Gärtner und Landschaftsgestalter allerdings zugunsten anderer Institutionen ihre Mehrheit in der Bundesbewertungskommission; darauf wird an entsprechender Stelle eingegangen. Vorerst aber zeigte sich, dass die Gärtner und Landschaftsgestalter, die den Wettbewerb auf der Insel Mainau ganz wesentlich aus der Taufe gehoben hatten, im Rahmen der politischen Durchsetzung des Wettbewerbs bereit waren, weitere Institutionen bei der Durchführung desselben zu beteiligen, um so auch anderen Gruppen, die ein Interesse an der Gestaltung des länd­ lichen Raumes hatten, in das Projekt Dorfwettbewerb einzubinden. Gleichzeitig aber achteten die Vertreter der DGG darauf, im entscheidenden Gremium eine klare Mehrheit von über 50 Prozent zu haben und gleichzeitig den Vorsitzenden zu stellen, damit die konzeptionelle Oberhoheit über das Projekt nicht verloren ging. Die Bundesbewertungskommission war im August jeweils drei Wochen gemeinsam in einem Bus unterwegs und bereiste die Dörfer. Diese äußerst zeitaufwendige Form der Begutachtung verlangte den Mitgliedern der Kommission einiges ab. Gerade auch das menschliche Miteinander schien bei diesen Touren, auf denen man miteinander viel Zeit auf engstem Raum verbrachte, von großer Bedeutung gewesen zu sein. So machte etwa der Generalsekretär 71 Strack, Bomkamp, Unser Dorf, 2. 72 Ebd., 114. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Grundlagen und Vorgeschichte

der Deutschen Gartenbaugesellschaft Horst Hammler, der seit dem ersten Bundeswettbewerb Mitglied der Bewertungskommission war, 1969 gegenüber dem Landwirtschaftsministerium deutlich, dass es sehr angenehm wäre, wenn der Ministerialrat Dr. Bielefeldt in Zukunft nicht mehr vom Landwirtschaftsministerium bestellt würde, um an der Bewertungskommission teilzunehmen. Es hätten sich, obwohl dieser eigentlich »sehr angenehm gewesen sei […], gewisse menschliche Probleme ergeben.«73 Die Durchführung des Wettbewerbs stand  – trotz zwischenmensch­licher Differenzen  – auf sicherem Boden und auch die politische Durchsetzung glückte: Den Verantwortlichen der DGG gelang es, den Dorfwettbewerb auf eine breite Basis zu stellen. Der dazu notwendigen bundespolitischen Unterstützung konnten sie sich dank der guten politischen Vernetzung ihres Präsidiums, insbesondere Graf Lennart Bernadottes und Ernst Schröders, sicher sein. Durch die Einbeziehung der Bundesländer und weiterer Interessensgruppen gab die DGG dem Bundeswettbewerb das Fundament, das notwendig war, damit der Wettbewerb zu einem bundesweiten Erfolg wurde. So entstanden zwar gewisse regionale und lokale Schwerpunkte sowie zeitliche Verschiebungen bei der Teilnahme am Dorfwettbewerb, insgesamt nahm aber eine große Anzahl von Dörfern im gesamten Bundesgebiet teil.

1.4 Dorfwettbewerbe 1936–1938 Das von Kooperation geprägte Modell des Bundeswettbewerbs Unser Dorf soll schöner werden unterscheidet sich von dem einzigen anderen Versuch, der bis dahin auf nationaler Ebene unternommen wurde, einen übergreifenden Dorfwettbewerb durchzuführen. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) scheiterte in den Jahren 1936/37 daran, auf Reichsebene deutsche Musterdörfer zu finden, sodass während der NS-Diktatur nur auf lokaler Ebene erfolgreiche Dorfwettbewerbe durchgeführt wurden. Vor allem in Bayern wurden durch Gauleitung von München-Oberbayern der Wettbewerb »Schönheit in Stadt und Land« vorangetrieben. Mit Hilfe des Wettbewerbs sollten vor allem der Tourismus gefördert und Herrschaftsansprüche im ländlichen Raum durchgesetzt werden.

1.4.1 DAF-Wettbewerb Während der Olympischen Spiele, anlässlich derer sich das Deutsche Reich zahlreichen Besuchern besonders positiv präsentieren wollte, führte die DAF 1936 erstmals einen reichsweiten Wettbewerb durch, der das Ziel hatte, so 73 BA, B 116, Akt. 10891, 03.10.1969. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Dorfwettbewerbe 1936–1938 

55

genannte »Musterdörfer« ausfindig zu machen.74 Am 22.  Juli 1936 wurde im Völkischen Beobachter unter der Überschrift »Der Weg zum deutschen Musterdorf« verkündet, dass »es in der kurzen Zeit von drei Monaten gelungen« sei, »32 Gaumusterdörfer, 46 Kreismusterdörfer und 6 Mustergüter zu schaffen und 58 Dörfer allgemein zu verschönern.«75 Ziel der ganzen Aktion war es, Vorbilder zu schaffen, an denen sich andere Dörfer, die nicht die Ehre hatten, als Musterdorf anerkannt zu werden, ein Beispiel nehmen konnten. Dabei standen neben dem äußeren Erscheinungsbild der Dörfer vor allem infrastrukturelle und hygienische sowie Fragen der landwirtschaftlichen Produktion im Vordergrund. In diesem Sinn sollten die gesundheitlichen Verhältnisse verbessert und wirtschaftliche Anlagen derart geplant werden, damit sie »den Aufgaben in der landwirtschaftlichen Erzeugung am besten gerecht werden«76 konnten. Aller­ dings hielt sich der Wettbewerbscharakter der Aktion zu diesem Zeitpunkt noch in Grenzen, da die meisten Gaumusterdörfer – wie auch der Völkische Be­ obachter eingestehen musste – durch die Gauleiter, ohne vorherigen Wettkampf auf Gauebene zu solchen ernannt worden waren. Die Arbeiten, die für die »Dorfverschönerung« durchgeführt wurden, beschränkten sich zunächst auf »Entrümpelungs-, Säuberungs-, und Verschönerungsaktionen«. Allerdings konnte unter diesen Aktionen auch ein recht umfangreiches Maßnahmenpaket verstanden werden, wie ein Bericht als »Anre­ gung und Leitung« für Dorfbürgermeister in der Nationalsozialistischen Land­ post deutlich machte. Der Artikel, in dem die Erfahrungen diverser Landräte und Bürgermeister zusammengefasst wurden, empfahl unter anderem, Bäume zu pflanzen, Drahtzäune mit Büschen zu verdecken, die »Verschandelung« des Dorfbilds mit Reklame zu beenden und Fuhrwerken die Fahrt über Rasenflächen zu verbieten. Allerdings spielten auch größere infrastrukturelle Maßnahmen eine Rolle. So wurden »Straßen ausgebessert oder neu angelegt, Brücken gebaut, Flüsse reguliert« und insgesamt »die Bahnhöfe […] durch gärtnerische Anlagen verschönert«.77 Die Maßnahmen zielten vor allem darauf ab den Dörfern ein angenehmes und präsentables äußeres Erscheinungsbild zu verleihen. Letzteres war umso wichtiger, als internationale Teilnehmer des Weltkongreß für Freizeit und Er­ holung, der im Juli 1936 in Hamburg tagte, durch die Musterdörfer geführt wer 74 Bedauerlicherweise sind nach Angaben des Bundesarchivs die Akten der DAF, die sich mit diesem Dorfwettbewerb beschäftigten, während des Zweiten Weltkriegs verloren gegangen. Im Bundesarchiv in Berlin konnte nur in den Beständen des Reichslandbund-Pressearchivs (BA R 8034 II) eine relativ umfangreiche Sammlung von Zeitungsausschnitten zum Thema gefunden werden, der auch die hier zitierten Artikel entnommen wurden. 75 Der Weg zum Deutschen Musterdorf, in: Völkischer Beobachter, Nr. 204, 22.07.1936, Bestand: BA, R 8034 II, Akt. 3116, Bl. 171. 76 Ebd. 77 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Grundlagen und Vorgeschichte

den sollten.78 In den zu besuchenden Dörfern legte man daher auch großen Wert auf deren touristische Vermarktbarkeit. Neben dem Ziel, mit den Musterdörfern nach außen  – gerade auch gegenüber dem Ausland  – einen positiven Eindruck zu erwecken, wurde mit der Aktion der DAF aber auch ganz klar das Ziel verfolgt, den ideologischen und institutionellen Zugriff der NSDAP und ihrer Organisationen auf den ländlichen Raum zu festigen. Entrümpelung und Säuberung bedeuten in diesem Sinne nicht nur, dass die Misthaufen von der Straße nicht mehr einsehbar waren, sondern diente auch einer »radikale[n] Um- und Neuformung«.79 Denn in der »Verfallszeit«, wie die Weimarer Republik bezeichnet wurde, »war etwas Fremdes in die deutsche Landschaft gekommen«, sodass diese ihren »ursprünglichen, arteigenen, bäuerlichen und deutschen Charakter verloren hatte«.80 Im Artikel der Nationalsozialistischen Zeitung Rheinfront spiegelt sich eine Geisteshaltung, die es ermöglichte, nicht nur missliebige Misthaufen aus dem Dorfbild zu entfernen. Gleichzeitig begleiteten die DAF und die NSDAP die Suche nach dem Musterdorf mit einer Vielzahl von ideologisshen Maßnahmen. Die KDF-Ämter organisierten Fahrten in die Musterdörfer, das Sportamt der DAF veranstaltete Schwimmkurse, das Amt für Volksgesundheit beriet die Dörfer in hygienischen Fragen, die NS-Frauen­ schaft sollte Kindergärten und Schwesternstationen errichten und das Amt Feierabend der DAF die Dorffreizeit vorbildlich gestalten.81 Das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft wiederum rief eine Reihe eigener Wettbewerbe ins Leben – unter anderem einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen von Um- und Neubaugehöften, der im Jahre 1941/42 reichsweit auf Gauebene durchgeführt wurde. Dieser Wettbewerb wiederum rief auf regionaler Ebene bei den im Reichsnährstand organisierten Landesbauernschaften herbe Kritik hervor. Vor allem argwöhnte man, praktische wirtschaftliche Überlegungen müssten hinter ästhetischen Erwägungen zurückstehen. So beschwerte sich etwa ein Vertreter der Landesbauernschaft Südmark im Ministerium darüber, dass in dem Wettbewerb für das Alpenland »die dort ausgestellten Arbeiten nach rein künstlerischen Gesichtspunkten aus­ gewählt worden seien« und die anwesenden Architekten die »unerfahrenen Landwirte an die Wand gedrückt« hätten.82 Der erzürnte landwirtschaftliche Bauberater forderte daraufhin die Annullierung der Ergebnisse sowie eine erneute Ausschreibung des Wettbewerbs und wendete sich explizit gegen »Stadtarchitekten, die jetzt unter dem Titel ›Heimatliches Bauen‹ ihr Herz für die 78 Ebd. 79 G. Corinth, Gestaltung des deutschen Dorfes. Der Nationalsozialismus als Kultur­ träger des neuen Deutschland, in: Nationalsozialistische Zeitung Rheinfront, 24.07.1936. 80 Ebd. 81 Der Weg zum Deutschen Musterdorf, in: Völkischer Beobachter, Nr. 204, 22.07.1936. 82 BA, R 3601, Akt. 2450/2, Bl. 318. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Dorfwettbewerbe 1936–1938 

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Landwirtschaft entdecken.«83 Auch aus Salzburg und Weimar gingen ähnliche Briefe im Reichslandwirtschaftsministerium ein.84 Diese Versuche zeigen, dass es in der Diktatur vor allem im Zeitraum zwischen 1936 und 1938 vielfältige Bemühungen gab, regionale Dorfwettbewerbe durchzuführen. Dabei war die DAF-Aktion zur Findung von Musterdörfern mit Sicherheit die umfangreichste. Allerdings gelang es auch der DAF nicht, ihren Wettbewerb einheitlich auf Reichsebene durchzusetzen. Die Aktion, die offensichtlich stark auf den in Hamburg stattfindenden Weltkongreß für Freizeit und Erholung zugeschnitten war, setzte sich nämlich lediglich in Norddeutschland durch; alle in den Zeitungsartikeln erwähnten Dörfer liegen in einem Gebiet zwischen Hamburg, Berlin und dem Harz. In Württemberg etwa erschien im Mai 1936 im Stuttgarter N. S. Kurier ein Artikel, der beklagte, dass dort im Bezug auf die Aktion der DAF »wahrlich noch nicht viel geschehen sei«.85 Konkurrierende Organisationen der NSDAP und die über ihren Machtbereich eifersüchtig wachenden Gauleiter verhinderten, das Zustandekommen eines dem Bundeswettbewerb Unser Dorf soll schöner werden in seiner Ausdehnung vergleichbaren reichsweiten Dorfwettbewerbs. Auf regionaler Ebene allerdings konnten – meist durch die Unterstützung ehrgeiziger Gauleiter – durchaus einflussreiche Dorfwettbewerbe realisiert werden.

1.4.2 Schönheit in Stadt und Land Einer der umfangreichsten Wettbewerbe war der Wettbewerb Schönheit in Stadt und Land, der im Gau München-Oberbayern stattfand. Dieser wurde per Ministerialbekanntmachung am 20. Mai 1937 ausgeschrieben und hatte das Ziel, diejenigen Gemeinden auszuzeichnen, welche »die Anordnung des Bayerischen Staatsministers des Inneren Adolf Wagner vom 11. November 1935 über Sauberkeit und Schönheit in Stadt und Land möglichst restlos durchführten und da­ rüber hinaus das ihnen überkommene Erbgut bewahrten und pflegten.«86 Adolf Wagner, der bereits am Hitler-Ludendorf-Putsch teilgenommen hatte, war seit 1930 Gauleiter von Oberbayern, seit 1933 bayerischer Innenminister und hatte in dieser Funktion wesentlich an der Entstehung des Konzentrationslagers 83 BA, R 3601, Akt. 2450/2, Bl. 319/320. 84 BA, R 3601, Akt. 2450/2, Bl. 324. 85 Wo ist das schönste schwäbische Dorf? Andere Gaue haben Musterdörfer geschafften, in: Stuttgarter N. S. Kurier, Nr. 209, 08.05.1936. 86 Wettbewerb Schönheit in Stadt und Land, in: Schönere Heimat. Erbe und Gegenwart, 34. Jahrgang, Heft 5, 108. Die besondere Bedeutung, die vor allem die Gauleiter als treibende Kraft bei der Restrukturierung ländlicher Räume im »Altreich« hatten, zeigt auch Uwe Mai in seinem Buch: Uwe Mai, Rasse und Raum. Agrarpolitik, Sozial- und Raumplanung im NSStaat. Paderborn 2002. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Dachau mitgewirkt. Wagner hatte mit seinem Erlass über »Sauberkeit und Schönheit in Stadt und Land« eindeutige Richtlinien aufgestellt, denen es zu entsprechen galt, wollte man bei dem Wettbewerb erfolgreich sein. Dabei zielte der Erlass vor allem auf vier Kernbereiche ab: 1. Landschaft: Hier sollte eine möglichst gute Integration des Ortes in die umgebende Landschaft sowie ein nachhaltiger Umgang mit wesentlichen Landschaftsmerkmalen, etwa Flüssen und Bächen oder markanten Landschaftsformationen, prämiert werden. 2. Sauberkeit: Diese hatte in allen öffentlichen und privaten Gebäuden und Anlagen zu herrschen. 3. Gemeinschaftsanlagen: Friedhöfe, Gaststätten und vor allem Partei-Gebäude, wie etwa lokale Ortsgruppenhäuser der NSAP oder der Hitlerjugend, mussten mit besonderer Sorgfalt errichtet und gepflegt werden. 4. »Pflege des Erbgutes«: Damit war besonders der Erhalt von regional typischen figurativen Elementen gemeint, vor allem Häuserfassaden, aber auch Plastiken oder Ladenschilder.87 Die Ziele, die mit der Anordnung Wagners und mit dem Wettbewerb verfolgt wurden, werden deutlicher, wenn man die Zusammensetzung der Ausschüsse betrachtet, welche die Aufgabe hatten, die Siegergemeinden zu küren. Den Vorsitz im Hauptausschuss nahm der bayerische Innenminister, also Wagner, ein, von den sechs Beisitzern war einer ein Abgesandter des Reichspropaganda­ ministeriums, zudem wurden zwei weitere Vertreter des bayerischen Innenministeriums entsandt. Erstaunlich ist allerdings die Zusammensetzung der übrigen Juroren: So teilte sich Innenminister Wagner den Vorsitz im Hauptausschuss mit dem Leiter des Fremdenverkehrsverbands München und Süd­ bayern – auch auf allen anderen Ebenen war ein Vertreter der Fremdenverkehrsverbände miteinbezogen. Auf Kreis- und Gauebene waren zudem Mitglieder des Bayerischen Heimatbunds und des Bund Naturschutz für Bayern vertreten. Der Heimatbund war neben dem Bezirksbauernführer auch auf Bezirks­ebene anzutreffen.88 An dieser Konstellation zeigt sich sehr deutlich, mit welchen Kräften die NSDAP strategische Bündnisse schloss, um die von ihr gewünschte Neustrukturierung und Durchdringung des ländlichen Raumes zu verwirk­ lichen. Der Schulterschluss von NSDAP, Tourismusämtern sowie Heimat- und Naturschutz deutetet, spezifischere Ziele als die Aufsprengung lokaler länd­ licher Milieus, die sich dem Machtanspruch der NSDAP bisher zum Teil erfolgreich widersetzt hatten, an. Denn die zentrale Bedeutung, die dem Fremdenverkehr bei diesem Wettbewerb zugewiesen wurde, weist darauf hin, dass Wagner 87 Der Wettbewerb »Schönheit in Stadt und Land« auch in Nordbayern und der Bayerischen Ostmark, in: Schönere Heimat. Erbe und Gegenwart, 35. Jahrgang, Heft 2, 108. 88 Ebd., 40. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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den ländlichen Raum vor allem als Tourismusregion verstand – mit dem Berchtesgadener Land lag immerhin eines der wichtigsten und prestigeträchtigsten Urlaubsgebiete des Dritten Reichs in seinem Gau. Dieser Gedanke manifestierte sich auch am Beispiel der Städte und Dörfer, die vom Hauptausschuss zur Prämierung ausgesucht wurden: diese waren fast alles ausgewiesene Urlaubsorte. Die Stadt Lindau im Bodensee erhielt den ersten Preis, die Gemeinde Neubeuern, die am Eingang des Inntals liegt und als bayerisches Vorzeigedorf – inklusive ausladender Balkone und Lüftlmalerei – galt, erhielt den zweiten Preis. Weiter wurde die Stadt Burghausen sowie die Gemeinden Schwangau und Bad Wiessee ausgezeichnet, ebenfalls Orte mit ausgeprägtem touristischem Potenzial. Einzig das Dorf Fristingen, heute ein Stadtteil von Dillingen a. d. Donau, konnte nicht als ausgesprochener Ferienort bezeichnet werden. Die Preisrichter lobten die aufgezählten Städte und Dörfer für ihre »Sauberkeit« und »Ordnung« und den Erhalt ihres »ursprünglichen Charakters« – wobei unter Letzterem vor allem pittoreske Details verstanden wurden, die im Sinne einer touristischen Vermarktbarkeit im wahrsten Sinne des Wortes das malerische Aussehen der Orte hervorhoben. In Lindau betonte man etwa die »Beschriftungen der Häuser« und »Hauszeichen« oder in Neubeuern die »Hausbemalung«.89 Die zwei weiteren Erfolgskriterien Sauberkeit und Ordnung zielten zunächst darauf ab, zu überprüfen, inwiefern die NSDAP in der Lage war, ihre Vorstellun­ gen nicht nur »auf den bevorzugten Plätzen und Straßen« durchzusetzen, sondern auch »in die abgelegenen Winkel und Gassen der Altstadt« zu tragen, wie es ihr in Lindau anscheinend gelungen war.90 Vor allem aber diente die Durchsetzung von Ordnung und Sauberkeit beim Wettbewerb Schönheit in Stadt und Land auch einer Öffnung ländlicher Räume, die traditionell durch die Landwirtschaft beherrscht waren, zu einer verstärkten touristischen Nutzung hin. Bezeichnend ist hier die Verbannung sogenannter Dungstätten, vulgo Mist­ haufen, von der Front der Höfe an deren Rückseite, die als Verbesserung der Sauberkeit und Ordnung angemahnt wurde, aber primär den Zweck erfüllte, den Tourismus behindernde Elemente landwirtschaftlichen Wirkens in den Hintergrund zu drängen. Hier zeigen sich deutliche Parallelen zu der von der DAF durchgeführten Suche nach dem Musterdorf in Norddeutschland, wo es ebenfalls vor allem darauf angekommen war, etwaigen Besuchern ein möglichst angenehmes, also auch geruchsfreies Dorf zu präsentieren. Ein dritter Aspekt des Wettbewerbs wird in der Preisbegründung für das Dorf Fristingen deutlich, das vor allem aufgrund seiner »vorbildlichen Leistungen« im Bereich der »nationalsozialistischen Gemeinschaftsarbeit« ausgezeich 89 Der Wettbewerb »Schönheit in Stadt und Land« auch in Nordbayern und der Bayerischen Ostmark, in: Schönere Heimat. Erbe und Gegenwart, 34. Jahrgang, Heft 5, 106. 90 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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net wurde. Diese drückte sich durch den Bau eines großen Freibades aus. Hier wurde primär die Integration der lokalen Dorfgemeinschaft in oder durch die nationalsozialistische Volksgemeinschaft prämiert, die ihren Ausdruck auch in dem hohen Grad an Sauberkeit und Ordnung fand, die in dem kleinen Dorf herrschte. Darüber hinaus schufen sich die Dorfbewohner mit dem Freibad einen Ort, der die Volksgemeinschaft in Form eines neuen Freizeitverhaltens sinnfällig symbolisierte. Das Freibad war kein Ort traditioneller Freizeitgestaltung, die an althergebrachte Bräuche und kirchliche Feiertage gebunden war, sondern Ort einer, in ihrer badebehosten Nacktheit gleichförmigen, sich der Körper- und somit im NS-Staat auch Wehrertüchtigung hingebenden Volksgemeinschaft. In den Augen der Preisrichter war die Dorfgemeinschaft hier nicht primär Hort eines lokalen, potenziell widerständigen Eigensinns, sondern die logische Verlängerung der Volksgemeinschaft, die sich selbstverständlich in diese eingliederte, wenn man ihr das richtige Umfeld bot.91 Neben der gesellschaftlichen Eingliederung der ländlichen Gebiete Oberbayerns hatten die Macher des Wettbewerbs aber auch eine klare Vorstellung davon, welche praktischen Funktionen diese Region im Dritten Reich einnehmen sollte. Die funktionale Einbindung der ländlichen Räume Oberbayerns in das Dritte Reich als Tourismusregion ergänzte sich dabei mit der sozialen Integration der Dorfgemeinschaften in die Volksgemeinschaft.92

1.4.3 Die Modernisierung der bayerischen Heimatschützer Im Rahmen dieses von der NSDAP forcierten Strukturwandels sahen sich die Heimatschützer, die in diesen Prozess eingebunden waren, erstmals mit der Frage konfrontiert, inwiefern sie ihre »Käseglocken-Politik«, die vor allem auf den Erhalt überkommener Formen und Strukturen ausgerichtet war, zu einer auf die Zukunft gerichteten, gestaltenden Politik wandeln sollten. So schrieb der Regierungsbaumeister Ernst Jäger, Vorsitzender des Bayerischen Heimatbunds, anlässlich des Wettbewerbs Schönheit in Stadt und Land unter der Überschrift »Heimatschutz – Heimatgestaltung«: »Der Bayerische Heimatbund sieht es demzufolge als seine vordringliche Aufgabe an, in richtiger Würdigung des 91 Zum Verhältnis Dorfgemeinschaft und Volksgemeinschaft siehe auch: Wolfgang Kaschuba, Peasants and Others. The Historical Contours of Village Class Society, in: Richard J. Evans, Robert Willia (Hrsg.), The German Peasantry. Conflict and Community in Rural Society from the Eighteenth to the Twentieth Centuries. New York 1986, 236 ff. 92 Celia Applegate und Alon Confino haben in anderen Zusammenhängen bereits auf die Bedeutung von Heimat und Lokalität als Vermittler zwischen dem Nationalen und dem Lokalen bzw. als Raum praktischer Umsetzung von Modernisierung und nationaler Mobilisierung hingewiesen. Celia Applegate, A Nation of Provincials. The German Idea of Heimat. Berkely u. a. 1990. Confino, The Nation. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Begriffes ›Heimatschutz‹, bei der Lösung aller Fragen, welche für die Heimat­ gestaltung [Hervorhebung i. O.] von Bedeutung sind, in vorderster Front und mit Leidenschaft mitzuarbeiten.«93 Mit einem Satz wandte sich Jäger damit vom jahrzehntealten Prinzip des Schutzes ab und sprach von Gestaltung. Die Wendung vom (Heimat-)Schutz zur (Heimat-)Gestaltung scheint für den Regierungsbaumeister möglich, weil seiner Ansicht nach, unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, Heimat so gestaltet werden konnte, dass das Primat der Kultur bei der Gestaltung von Wandel auch in Zeiten technischen und wirtschaftlichen Fortschritts erhalten blieb. Oder – um es in der Sprache Jägers zu sagen – dem »Baumeister« Vorrang vor dem »Unternehmer« gegeben würde.94 Auch der Geschäftsführer des Landesfremdenverkehrsverbands München und Südbayern, Walter Steinbauer, schlug mit seinen Ausführungen zum Wettbewerb Schönheit in Stadt und Land zunächst in eine ähnliche Kerbe. Er verwahrte sich dagegen, »dass damit [mit dem Wettbewerb] nichts als ein wirtschaftlicher Erfolg erstrebt wird«.95 Stattdessen betonte Steinbauer die besondere Rolle des Fremdenverkehrs, die darin bestünde, »den Gästen aus dem Ausland bei […] der Besichtigung der kulturellen Werte des deutschen Volkes in Stadt und Land die Leistungen des Dritten Reiches zu erschließen«. Jene kulturellen Werte des deutschen Volkes, die es in Oberbayern zu besichtigen gab und deren Schönheit die Volksgenossen zum Zwecke der Stärkung der Volksverbundenheit bewundern sollten, zeichneten sich für Steinbauer vor allem durch einen zentralen Wert aus: »Schön ist, was echt ist«.96 Damit präzisierte der Tourismusfachmann den Kulturbegriff, der im Wettbewerb Schönheit in Stadt und Land als Leitlinie galt, als einen Begriff, der Authentizität in den Mittelpunkt stellt. Diese erwüchse aus »unverfälschtem Volkstum«, das »stets jenes Richtige, zugleich Schöne und Zweckmäßige« hervorbringt, das wahre Schönheit auszeichnet. Schönheit und Authentizität, die aus dem Volkstum erwuchsen, hätten daher vor allem die Aufgabe, den Tourismusgästen ein ästhetisches Erlebnis zu ermöglichen, das sie in ihren Herkunftsregionen nicht erfahren konnten, und ihnen gleichzeitig das Gefühl zu vermitteln, sich durch das »irgendwie Vertraute« in der ihnen fremden Umgebung geborgen zu fühlen. Tourismus und Heimatschutz gingen im Wettbewerb Schönheit in Stadt und Land ein Bündnis ein, das sicherlich auch als eine unter dem Druck der NSDAP in Gestalt des Gauleiters Wagner zustande gekommene Zwangsehe zu bezeichnen ist. Nicht übersehen werden darf dabei das gemeinsame Fundament für diese Zwangsehe: Beide Parteien waren sich darin einig, dass die Dör 93 Der Wettbewerb »Schönheit in Stadt und Land« auch in Nordbayern und der Bayerischen Ostmark, 109. 94 Ebd. 95 Steinbauer, Walter: Fremdenverkehr im schöneren Land, in: Schönere Heimat. Erbe und Gegenwart, 34. Jahrgang, Heft 5, 122. 96 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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fer Oberbayerns die reinste und schönste Volkskultur ausdrückten und somit dort die Basis nationalsozialistischer Volksgemeinschaft seinen bildlichen Ausdruck fand. Der klare Ausdruck dieser Versinnbildlichung deutschen Wesens, war aller­ dings keine Selbstverständlichkeit; das machten die Heimatschützer deutlich. Rudolf Pfister etwa, Architekt bei der Heimatschutzbewegung, verwies angesichts des Wettbewerbs Schönheit in Stadt und Land in einem Artikel auf die Fallstricke »bodenständigen und volksgerechten« Bauens. Mangelndes Talent und fehlende Ernsthaftigkeit waren seiner Ansicht nach auch die Ursache schlimmer Geschmacksverirrungen. Pfister wetterte gegen die »verfluchte Theaterarchitektur«, die »Lederhosen-Architektur« und »Salon-Tirolerei«, die mit dem »grausam missbrauchten Begriffen von Blut und Boden« gerechtfertigt werden würde[n]«.97 Die alten Differenzen zwischen Heimatschutz und Fremdenverkehr werden in seinem Artikel noch einmal deutlich, wenn gefragt wird: »Soll unsere Heimat vielleicht die Bühne eines Bauerntheaters übler Art für Fremde werden?« Allerdings sah selbst ein ausgewiesener Heimatschützer wie Pfister die Lösung des Problems nicht einfach in einer Stärkung volkstümlicher Kultur, sondern in der besseren Ausbildung und ästhetischen Schulung vom Architekten und sonstigen Experten im Bereich des ländlichen Bauens. Denn, so Pfister: »Bauen ist eine heilige Pflicht, kein Erwerbsquelle für Unfähige!« Es ging ihm wie vielen Heimatschützern eben auch darum, die Gestaltungshoheit über den ländlichen Raum zu behalten oder zu erringen, denn man selbst war ausgewiesener Experte auf dem Gebiet ländlichen Bauens. Da war »Volkskultur« als Ausdruck lokal geprägten Formempfindens und lokaler sozialer Strukturen ebenso Konkurrenz wie die »Theaterarchitektur«, die der Fremdenverkehr hervorbrachte. Mit den Vertretern der Fremdenverkehrsverbände waren aber immerhin strategische Bündnisse möglich, da man sich darin einig war, den ländlichen Raum und seine »Volkskultur« eben nicht als ein Phänomen zu betrachten, das sich vor allem aus lokalen, geschlossenen Gemeinschaften entwickelte, sondern als Teil  eines Prozesses wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Neustrukturierung in einem größeren gesellschaftlichen (völkischen) Zusammenhang zu verstehen. Die NSDAP in der Gestalt von Gauleiter Josef Wagner übernahm, wenn man das Beispiel des Wettbewerbs Schönheit in Stadt und Land betrachtet, dabei die Führungsrolle. Der Wunsch nach einer Durchsetzung der Herrschafts­ ansprüche der NSDAP auch in der Peripherie von Wagners Gau setzte dabei einen Prozess in Gang, der eine beschleunigte Entwicklung Oberbayerns zu einer der zentralen Tourismusregionen des Dritten Reichs zur Folge hatte. Eine Reagrarisierung und Stärkung der landwirtschaftlichen Produktion als wirt 97 Rudolf Pfister, Der gute Wille allein tut’s nicht, in: Schönere Heimat. Erbe und Gegenwart, 34. Jahrgang, Heft 5, 123. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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schaftlicher Kernbereich ländlicher Gemeinden, wie ihn die NS-Propaganda und vor allem Walther Darré gefordert hatte, spielte dabei keinerlei Rolle.98 Die Integration der ländlichen Gemeinden und Kleinstädte Oberbayerns in Volksgemeinschaft und Volkswirtschaft des Dritten Reiches sollte also nicht so sehr auf agrarwirtschaftlicher Basis geschehen als vielmehr durch eine Forcierung des Tourismus. Die Durchführung in Oberbayern steht beispielhaft für die Konzipierung eines gelungenen Dorfwettbewerbs während der NS-Diktatur  – und demon­ striert zugleich die besondere Stellung des Tourismus als Erfolgsgarant. Dieser förderte eine unmittelbare Vernetzung der Gemeinden nicht nur mit dem Umland, sondern auch mit den wirtschaftlichen und politischen Zentren des NS-Staates, und trieb so die Inkludierung dieser Räume in das nationalsozialistische Wirtschafts-, Herrschafts- und im Falle Oberbayerns auch Propagandasystem voran.99 Die Heimatschützer spielten dabei eine wichtige Rolle: Sie lieferten die nötige lokalisierte, aber trotzdem allgemeinverständliche Einheitsästhetik, welche die Integration der ländlichen Räume Oberbayerns in das Dritte Reich bildlich zum Ausdruck brachte. Dabei standen gerade nicht lokale Ausdrucksformen im Mittelpunkt, sondern das zentrale Thema einer einheitlichen, historisch gewachsenen, deutschen (Volks-)Kultur. Lokale Ausdrucksformen dienten dabei vor allem der Variation der Einheitskultur, die so auf ästhetischer Ebene weiterhin die Möglichkeit zur Differenzierung und zur Beibehaltung regionaler Identitäten bot.100 Gleichzeitig wurden diese fest in übergeordnete nationale Kultur-, Wirtschafts- und Herrschaftsräume integriert und konnten schließlich nicht als eigenständiger Ausdruck einer autonomen lokalen Kultur verstanden werden.101 98 Zur Modernisierung der landwirtschaftlichen Produktion in der NS-Zeit und deren Wechselwirkung mit der Blut und Boden-Ideologie vgl. Gustavo Corni, Horst Gies, Brot – Butter  – Kanonen. Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers. Berlin 1997. 99 Zur Herrschaftsdurchsetzung der NSDAP im ländlichen Raum Bayern vgl. die beiden Studien: Klaus Tenfelde, Proletarische Provinz. Radikalisierung und Widerstand in Penzberg/Oberbayern 1900 bis 1945, in: Martin Broszat, u. a. (Hrsg.), Bayern in der NS-Zeit IV. München 1981, 1- 382. Und Zofka Zdenek, Dorfeliten und NSDAP. Fallbeispiele der Gleichschaltung aus dem Bezirk Günzburg, in: Dies., Bayern in der NS-Zeit, 383–422. 100 Die Erhaltung regionaler Identität im NS-Staat wird auch von Uwe Mai betont. Die integrativen Momente der NS-Herrschaft erläutert er allerdings weniger, was aus seiner Fokussierung auf die Umsiedlungspläne von großen Teilen der ländlichen Bevölkerung im Rahmen der Ostbesiedlung zu erklären ist. Diese wurden von der betroffenen Bevölkerung abgelehnt. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass der Wettbewerb Schönheit in Stadt und Land nach Kriegsbeginn nicht mehr durchgeführt wurde. Mai, Rasse und Raum, 362. 101 Nur am Rande sei hier angemerkt, dass bei der Inszenierung der Person Adolf Hitlers und des Führermythos’ auf dem Berghof in Berchtesgaden die Möglichkeiten einer facettenreichen Darstellung mithilfe lokaler Stilmittel, wie etwa Alpenpanorama und Trachten­ janker, ausgiebig genutzt wurde. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Willi Oberkrome hat die These vertreten, dass es sich beim Wettbewerb ­ nser Dorf soll schöner werden um ein Wiederaufleben der NS-Dorfwett­ U bewerbe handelte.102 Allerdings findet sich in den Akten nicht ein einziger Hinweis auf eine institutionelle oder personenbezogene Kontinuität zwischen dem Bundeswettbewerb und den von der DAF bzw. dem bayerischen Innenminister durchgeführten Wettbewerben. Auch eine Abgrenzung findet nicht statt, mit keinem Wort wird die Vergangenheit erwähnt. Es mag sich hier auch um ein beredtes Schweigen handeln, das typisch für den Umgang mit der NS-Vergangenheit in den 50er- und frühen 60er-Jahren ist. Auch soll hier nicht ausgeschlossen werden, dass es auf Landesebene personelle oder institutionelle Kontinuitäten gegeben hat. Wie sich im nächsten Kapitel zeigen wird, gibt es allerdings im inhaltlichen Bereich und vor allem bei den Bewertungskriterien sehr wohl starke Kontinuitäten zur den Wettbewerben aus dem Dritten Reich: In seiner Fixierung auf die Landschaft, in die es die Dörfer einzubinden galt, auf bäuerliche Kultur, die in den Bewertungskriterien durchaus als Volkskultur verstanden wurde, und auf lokale Bautraditionen bewegt sich der Dorfwettbewerb durchaus in der Kontinuität der Landschaftsgestaltung im Dritten Reich, wie sie in den NS-Dorfwettbewerben und besonders für den Generalplan Ost entworfen wurde.103 Hier macht sich ganz deutlich die Handschrift von Heinrich Wiepking bemerkbar. Wie sich zeigen wird, hatte sein Schüler Gerhard O ­ lschowy es zudem verstanden, Wiepkings Ideen so weit an die Gegenwart anzupassen, dass sie an die Planungen des bundesrepublikanischen Dorfwettbewerbs anschlussfähig waren.

102 »[…] besann man sich […] auf die Dorfwettbewerbe der nationalsozialistischen Epoche. Sie lebten unter dem Zuspruch der Heimatorganisationen in Gestalt des Bundeswettbewerbs ›Unser Dorf soll schöner werden – Unser Dorf in Grün und Blumen‹ um 1960 wieder auf.« Oberkrome, Deutsche Heimat, 476. 103 Einen guten Überblick über die Planungen von Dörfern im Rahmen des Generalplans liefert: Michael Hartenstein, Neue Dorflandschaften. Nationalsozialistische Siedlungs­ planung in den »eingegliederten Ostgebieten« 1939 bis 1944. Berlin 1998. Zur Planung von Siedlungen in den ländlichen Gebieten vgl. auch: Leendertz, Ordnung schaffen, 167 ff. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

2. Anpassung an neue Verhältnisse. Der Dorfwettbewerb 1961–1963

Von grundlegender Bedeutung für den Wettbewerb waren dessen Bewertungskriterien. Sie stellten das wichtigste Instrument dar, mit dem die Organisatoren von Unser Dorf soll schöner werden die Entwicklung im ländlichen Raum steuern wollten. Aus diesem Grund gilt es an dieser Stelle, die Kriterien, die für den ersten Bundeswettbewerb aufgestellt wurden, genau zu untersuchen. Dabei wird sich zeigen, dass die ausgearbeiteten theoretischen Bewertungskriterien bereits nach dem ersten praktischen Einsatz im Wettbewerb massiv überarbeitet wurden. Die signifikante Änderung der Kriterien und der gesamten Ausrichtung ist auch der Grund für den sehr kurzen Zeitraum, der in diesem Kapitel beschrieben wird. Gerade ein Blick in die Dörfer, die am Wettbewerb teilnahmen, macht deutlich, wie die Bewertungskriterien in den Dörfern gänzlich anders rezipiert und umgesetzt wurden, als es die Verantwortlichen des Wettbewerbs erwarteten. Diese Erfahrung bewog die Wettbewerbsinitiatoren dazu, deutliche Änderungen am Wettbewerb vorzunehmen, der sich von nun an mehr einem Programm der Modernisierung zuwandte.

2.1 Vom Volksraum zum bäuerlichen Kulturraum Nachdem sich die Organisatoren im Frühjahr 1960 zur Durchführung des Dorfwettbewerbs entschlossen hatten, musste man sich nun noch darauf einigen, nach welchen Kriterien die Dörfer im Wettbewerb zu beurteilen seien.1 Am 8. September 1960 trafen sich hierzu die Mitglieder der Bundesbewertungskommission im Bundeslandwirtschaftsministerium in Bonn, um die Bewertungs­ kriterien für den ersten Bundeswettbewerb 1961 festzulegen. An der Sitzung nahmen Vertreter des Bundes Deutscher Gartenarchitekten, Abgesandte der Landwirtschaftskammern und des Bauernverbands teil. Zudem waren Gerd Kragh, der damalige Direktor der Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege, Horst Hammler als Generalssekretär der DGG und Gerhard Olschowy als Präsidialmitglied der DGG und Vertreter des Bundeslandwirt-

1 Es ist leider nicht exakt festzustellen, wer genau die Kriterien entworfen hat. Sicher scheint zu sein, dass die Mitglieder der zukünftigen Bundesbewertungskommission, der die Bewertung der Dörfer obliegen sollte, dabei eine wesentliche Rolle spielten. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Der Dorfwettbewerb 1961–1963

schaftsministeriums anwesend.2 Auffällig ist, dass in dieser designierten Bewertungskommission einige wichtige Vertreter fehlten, wie etwa der Präsident der ersten und folgenden Bundesbewertungskommissionen, Hans Ulrich Schmidt, während andere Personen, wie Gerd Kragh, nicht in der tatsächlich die Dörfer besuchenden Kommission mitwirkten.

2.1.1 Die Kriterien des Bundeswettbewerbs 1961 Die Kriterien, auf die sich die vorläufige Bewertungskommission einigten, waren in drei Bereiche unterteilt, dabei wurde wiederum stark auf die Trennung zwischen öffentlichem und privatem Raum geachtet. Ein gewisser Freiraum wurde den Preisrichtern in der Bewertung besonderer Leistungen gelassen. Die drei Bereiche wurden als »A: Öffentliche und Gemeinschaftliche Aufgaben, B: Private Aufgaben« und »C: Bewertung besonderer Leistungen« bezeichnet.3 Insgesamt konnten von den Preisrichtern einhundert Punkte vergeben werden; in den Bereichen A und B galt es, bis zu 40 Punkte zu verteilen, bei C konnten nur 20 Punkte vergeben werden. In den Bereichen A und B konzentrierten sich die Bewertungsmerkmale ausschließlich auf die ästhetische Ausgestaltung öffentlicher Anlagen und privater Gärten, wobei vor allem botanische Aspekte im Vordergrund standen. Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, »dass die Grünanlagen dem Charakter des Dorfes und der Landschaft entsprechen«. Aus diesem Grund sollten »solche Pflanzen und Materialien verwendet [werden], die der Tradition des Dorfes und der bäuerlichen Gärten gerecht werden.« Die Kommission warnte vor dem »unbedachten Übernehmen von Motiven und Elementen betont städtischer Grünanlagen«. Besonders positiv bewertet wurde zusätzlich die Verwendung von »Steinmaterial, das in seiner Art und Bearbeitung landschaftsgebunden ist«. Standortgerechte Pflanzen waren auf jeden Fall fremden Arten »wie Hängeweiden, Trauerbirken, Blaufichten, Blutbuchen, Lebensbäumen u. ä. m.« vorzuziehen. Ein weiterer wichtiger Punkt galt der Einbindung des Dorfes durch Schutzpflanzungen in die umgebende Landschaft, die sowohl Wind, Rauch und Lärm abhalten, als auch die Verbindung zwischen Dorf und Landschaft offensichtlich machen sollten. Außenreklame und ähnliche Erscheinungen städtischer Konsumwelten sollten so gut wie möglich verhindert oder auf speziell dafür vorgesehene Orte beschränkt werden. Im privaten Bereich wurde be­ sonders auf »Einfriedungen mit bodenständigem Material« hingewiesen. Des Weiteren galt es, die historische Bausubstanz zu erhalten, wobei auch moderne 2 BA, B 116, Akt.10839, 08.09.1960. 3 BA, B 116, Akt.10839, 19.09.1960. Auch alle weiteren Zitate zu den Kriterien aus diesem Dokument. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Vom Volksraum zum bäuerlichen Kulturraum 

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Gebäude positiv zu bewerten waren, falls sie »sich dem Charakter des Dorfes und der Landschaft anpassen.« Ein besonderes Augenmerk richtete die Kommission auf die sogenannten Hausbäume: Hier gab es klare Vorstellungen von regionaler Überlieferung für als typisch anzusehende Bäume – so galten etwa Eichenhage als typisch für Niedersachsen und Westfalen, während Ulmen sowie Graupappelgruppen eher in den Marschgebieten zu finden seien und geschnittene Buchen in der Eifel. Zudem sollte allgemein auf eine saubere und ordentliche Anmutung von Höfen, Gärten und öffentlichem Raum geachtet werden. Unter Abschnitt C, den besonderen Leistungen, wurden viele Aspekte wie eine besonders aktive Teilnahme an der Dorfgemeinschaft, etwa durch Vereine und Jugendgruppen, sowie an der gemeinsamen Verschönerung des Dorfes, auch unter Hinzuziehung von Fachleuten, gleichfalls gerne gesehen. Weiterhin konnten hier zehn Punkte für nicht näher spezifizierte, besondere Leistungen vergeben werden. Aus diesen Kriterien wird das Bemühen der Planer des Dorfwettbewerbs deutlich, jegliche urbane Ästhetik vom Dorf fernzuhalten. Stattdessen wurden die Formen einer traditionellen lokalen (Bauern-)Kultur propagiert, die offensichtlich als typisch ländlich galten. Hier macht sich ganz deutlich die Handschrift von Heinrich Wiepking bemerkbar, der die Landschaftsgestaltung im NS-Staat wesentlich mitgeprägt hatte. Da Wiepking das entscheidende Bindeglied zur NS-Zeit darstellte und seine Ideen zur Landschaft für die Bewertungskriterien des Bundeswettbewerbs zunächst maßgeblich waren, sollen an dieser Stelle einige Schriften Wiepkings aus den 1920er- bis 40er-Jahren genauer betrachtet werden.

2.1.2 Die Landschaft bei Heinrich Wiepking Heinrich Wiepking war einer der wichtigsten Vertreter des während des Nationalsozialismus entstehenden Bündnisses zwischen Heimatschützern und dem modernen Ordnungsdenken, vor allem bei der SS, deren Zusammen­arbeit im Generalplan Ost am deutlichsten sichtbar wurde. Dieses Bündnis zwischen Verfechtern einer regional zu verortenden, ethnokulturell authentischen Landschaft mit Vertretern zentralisierter und autoritärer Herrschaftsansprüche sieht Oberkrome darin begründet, dass beide Parteien »der Landschaft eine dezidiert volkstumsbildende Potenz zuschrieben.«4 Niedergeschlagen hat sich diese Überzeugung in dem Schlagwort »Landespflege ist Volkspflege«. Das Bündnis mit dem expandierenden Apparat der SS bot Landschaftsgestaltern wie 4 Oberkrome, Deutsche Heimat, 248. Sehr deutlich wird dies auch in den Ausführungen des Heimatschützers Pfister anlässlich des Wettbewerbs Schönheit in Stadt und Land. Vgl. 60 ff. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Wiepking die Möglichkeit, sich neue Aufgabenfelder zu erschließen, die weit über den konservatorischen Erhalt von Landschaften und der Gestaltung von Privatgärten hinausreichten. Seine Position als Experte, die ihm Dank seiner Professor für Landschaftsgestaltung an der Universität Berlin zukam, nutzte er geschickt aus, um sich und seine Ideen erfolgreich zu positionieren. Bis sich Wiepking allerdings in dieser Position befand, hatte er seine Landschaftsidee über einen langen Zeitraum entwickelt. In den 30er-Jahren, damals noch unter dem Doppelnamen Wiepking-Jürgensmann, den er vor der Scheidung von seiner ersten Frau führte, verfasste er einige seiner wichtigsten Schriften. In ihnen betonte er ganz im Einklang mit den Vorstellungen der Heimatschützer, dass die deutsche Landschaft regionale beziehungsweise stammliche Wurzeln habe, die sich in ihr widerspiegeln würden, und stellte dar, wie dieser Zusammenhang bei der Neugestaltung etwa von Dörfern zu berücksich­ tigen sei.5 Dabei unterstrich er zudem die Verbindung zwischen innerer Natur des Menschen und der äußeren Natur: So hatte der Erhalt dieser Landschaften für Wiepking nicht nur eine ästhetische und kulturelle Dimension, sondern auch eine soziale Komponente, und war daher dringend geboten, denn »ausgesprochen verwahrloste Landschaften sind sogar gleichbedeutend mit Verbrecherlandschaften«, in denen es vermehrt zu Straftaten kommen würde.6 Vor allem aber forderte Wiepking den Erhalt bäuerlicher Gärten in den Dörfern, die genauso wie das bäuerliche Haus und die bäuerliche Kulturlandschaft aus »volkskundlichen und urtümlichen Gründen« die Unterschiede zwischen den verschiedenen Stammesgruppen widerspiegeln würden. Sofern nicht gegen die ästhetischen Prämissen verstoßen wurde, war er aber auch zu pragmatischen Kompromissen bereit: Obwohl der amerikanische Haselnussstrauch in ­deutschen Gärten eine fremde Pflanze sei, war er für Wiepking vertretbar, weil er mehr Früchte trage und das völlig gleiche Aussehen habe wie die deutsche Haselnuss.7 An diesem Beispiel zeigte sich schon zu diesem Zeitpunkt sein Bestreben, wirtschaftliche Effizienzsteigerung und Rationalisierung mit dem Erhalt regionaler Strukturen zu vereinbaren. Neben dieser Landschaftsidee, die Wiepking vor allem aus der Vorstellungswelt der Heimatschützer heraus entwickelte und welche die Traditionen der deutschen Volksstämme betonte, entwickelte sich allerdings eine aggressive Form der Verquickung von Landschaft und deutschem Nationalismus, der die Herrschaftsansprüche Deutschlands im Osten legitimierte. David ­Blackbourn hat diese Landschaftsidee ausführlich untersucht und gezeigt, wie diese in 5 Wiepking-Jürgensmann, Heinrich: Über das grüne Dorf. Heimatspflege-Heimatgestal­ tung. Ständige Beilage der Zeitschrift Der deutsche Baumeister, Nr. 7, 1939, 74. 6 Ebd. 7 Ebd., 75. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Preußen und im Kaiserreich vor allem nach den polnischen Teilungen um sich griff und zu einer der zentralen Rechtfertigungen für die Inbesitznahme ehemals polnisch besiedelter Gebiete wurde.8 Dabei wurden große Traditions­linien zur deutschen Ostbesiedelung während des Hochmittelalters und den großen Landeskulturmaßnahmen geschlagen, wie etwa der Trockenlegung des Oderbruchs, die Friedrich II. durchführen ließ. Die Vorstellung des besonderen Verhältnisses zwischen Land und Leuten wurde dabei jedoch nicht mehr an die regional verwurzelten Traditionen der deutschen Volksstämme rückgebunden, sondern zu einem der wesentlichen Kennzeichen eines nationalen deutschen Volkscharakters und deutschen Volkstums. So entwickelte sich, wie David Blackbourn schreibt, die Vorstellung, »that Germans possessed  a ­special feeling for nature, yet they also had  a special talent for shaping the land«.9 Diese urdeutschen Fähigkeiten der Naturempfindung und der Landschaftsgestaltung wurden in scharfen Kontrast zum speziell polnischen und allgemein slawischen Umgang mit der Umwelt gesetzt, der auf Ausbeutung des Bodens und der natürlichen Ressourcen beruhte und der im Regelfall eine Verwandlung von Kulturlandschaften in lebensfeindliche Wildnis oder – noch schlimmer – in ausgeplünderte, wüstenähnliche Steppenlandschaften zur Folge hatte. In dem auf diesem Bewusstsein aufbauenden, landschaftsgestalterischen Sendungsbewusstsein sieht Blackbourn eine der wichtigsten moralischen Rechtfertigungen für die deutschen Gebietsansprüche im Osten während des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Während sich das Landschaftsverständnis der Heimatschützer auf eine innere Erneuerung Deutschlands auf Basis stamm­ licher Traditionen richtete, war das Landschaftsideal, das seine Wurzeln in der Ost­expansion Preußens hatte, stets auch nach außen gerichtet und hatte immer schon kolonisatorische Züge. Das vermag zu erklären, warum Wiepking sich in den späten 30er-Jahren und vor allem nach dem Angriff auf die Sowjetunion diesem Landschaftsverständnis stärker zuwandte und die nach innen gerichtete Denkschule des Heimatschutzes in den Hintergrund trat. Der ehemalige Hauptmann Wiepking hatte allerdings bereits 1920 unter dem Eindruck der Kriegs­niederlage einen Aufsatz verfasst, der als geradezu prototypisch für das von Blackbourn beschriebene Landschaftsverständnis gelten kann. Wiepking profilierte sich mit dem Aufsatz, den er 1920 im Mai/Juni-Heft des Zentralblatts des aufstrebenden Berufszweigs der Gartenarchitekten Die Gartenkunst veröffentlichte erstmals vor einem größeren Fachpublikum als Garten- und Landschaftsarchitekt. In seinem Artikel »Friedrich der Große 8 Vgl. dazu: Blackbourn, Die Eroberung, 307–319 und David Blackbourn, The Garden of Our Hearts: Landscape, Nature, and Local Identity in the German East, in: David Blackbourn, James Retallack (Hrsg.), Localism, Landscape, and the Ambiguities of Place: German Speaking Central Europe, 1860–1930. Toronto u. a. 2007, 149–164. 9 Ebd., 151. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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und Wir« beklagte er, dass »wir, unsere Väter und Großväter durch die Maschine, durch die Entfremdung vom Boden in unserem Denken und Empfinden klein, schwach und hässlich« geworden seien.10 Das Gegenbeispiel fand er in der »festen, aufrechten, starken und freudigen« Persönlichkeit Friedrichs des Großen und in seiner Siedlungsplanung auf den der Landwirtschaft neu erschlossenen Flächen des Oderbruchs, in der sich eben jene Charaktereigenschaften des Königs widerspiegeln würden.11 Dabei machte Wiepking deutlich, dass es sich bei der Melioration des Oderbruchs nur um die Rekultivierung eines angestammten deutsch-germanischen Siedlungsgebiets handelte. »[D]enn Germanen waren es, die seit Urzeiten auf den Werdern in der fruchtreichen Ebene wohnten. Nach der Völkerwanderung überfluteten dann starke slavische [sic!] Wellen den germanischen Osten und verdrängten die seßhafte Bevölkerung, und das einst außerordentlich zahlreich besiedelte Land verfiel völlig den wilden Gewalten des Wassers, das nun verheerend die ganze reiche Niederung alljährlich überflutete.« Erst dank der Anstrengungen der mittelalterlichen Kaiser, aber vor allem der preußischen Hohenzollern, sei diese Wildnis »wieder zu einem blühenden, fruchtreichen Stück deutscher Heimat geworden.«12 In den folgenden Jahren verfeinerte Wiepking seine Thesen, mit denen er schließlich im Nationalsozialismus auf breiter Ebene reüssierte. 1937 betonte er dabei noch stark die Partikularismen der deutschen Stämme, die dazu geführt hätten, dass sich Deutschland als »ein Land der Landschaften« dem Beobachter erst in der Betrachtung der von den verschiedenen Volksstämmen geschaffenen Landschaften erschließen würde.13 Doch schon damals war es Wiepkings Ziel, in einem großangelegten – oder wie man heute sagen würde inter­disziplinären – Forschungsprojekt, an dem unter anderem Geologen und Biologen, aber auch Rassen- und Volkskundler sowie Geschichts-, Rechts-, und Sprachforscher mitwirken sollten, »durch die Erforschung der verschiedenen Einzellandschaften zu zusammenhängenden Schlüssen und Ergebnissen zu kommen«.14 Trotz der Betonung der Unterschiede zwischen den Landschaften, mit denen Wiepking an die Diskurse der Heimatschützer anknüpfte, kam es ihm also darauf an, die verbindenden Elemente dieser Landschaften verstärkt in den Mittelpunkt zu stellen. Gleichzeitig deutet sich in diesem Gedanken bereits jene komplexe Definition von Landschaft an, die den Landschaftsbegriff der Grünen Charta von der Mainau prägte und eine der Grundlagen des öko­ logischen Verständnisses von Natur war. 10 Heinrich Wiepking, Friedrich der Große und Wir, in: Die Gartenkunst, Mai–Juni Heft 1920, 72. 11 Zur Trockenlegung des Oderbruchs vergleiche auch: Blackbourn, Die Eroberung, 5­ 3–79. 12 Wiepking, Friedrich der Große, 77. 13 Heinrich Wiepking-Jürgensmann, Das Volk als Gestalter der Landschaft, in: Raumforschung und Raumordnung, Heft 5, Februar, 1937, 187. 14 Ebd., 189. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Noch deutlicher wird dies in Wiepkings 1942 veröffentlichten Opus ­Magnum, der Landschaftsfibel, das er konsequenterweise den beiden Berufsgruppen zueignete, die für seine Pläne zur Eindeutschung und Begrünung des Ostens von entscheidender Bedeutung waren, »Deutschen Bauern und Soldaten«. In hymnischen Tönen pries Wiepking in seinem Buch die Schönheit der Landschaft, die aus der Verbindung von deutschem Volk und Natur hervorgegangen sei – von Stämmen oder regionalen Traditionen ist hier keine Rede mehr: »Wir sind das älteste Ackervolk des Weltnordens, sind noch heute ein Pflanzenvolk. Kein Volk der Erde ist pflanzenhafter mit einer lebensbejahenden schönen Umwelt verwurzelt als unseres, das empfindsam im Kreis der Gestirne und des organischen Lebens eingegliedert ist.« Die Bauten, die deutsche Bauern in diesem Geiste errichteten hätten, seien, so schreibt Wiepking weiter, sogar »Weltraumschöpfungen aus germanisch-deutscher Landschaftsseele.«15 Scharf abgegrenzt wird die deutsch-germanische Landschaftsidylle nach Osten. »So unterscheiden sich auch die Landschaften der Deutschen in allen ihren Wesensarten von denen der Polen und Russen – wie die Völker selbst. Die Morde und Grausamkeiten der ostischen Völker sind messerscharf eingefurcht in die Fratzen ihrer Herkommenslandschaften.«16 Diese Thesen bettet Wiepking klar in einen rassentheoretischen Kontext ein, da bei aller Bedeutung von äußeren Bedingungen wie Klima oder Landschaftsprofil es letztlich das »biologisch geschlossene und aktive Volk« sei, das die Gestalt der Landschaft entscheidend beeinflusse. Rassen­durchmischung hingegen, wie etwa in den Städten, führe bestenfalls zu »unharmonischen und chaotischen Landschaften«.17 Wiepking war dabei stets darum bemüht, auch den praktischen, öko­ nomischen Nutzen seiner Ideen deutlich zu machen.18 Er entwickelte im Rahmen des Generalplans Ost aus der Betrachtung und dem Erleben der deutschen Landschaft Musterentwürfe für eine zukünftige Gestaltung des ländlichen Raums, die sich vor allem auf die neu zu besiedelnden Gebiete in Polen und der Ukraine bezogen. Dabei ging es ihm nicht nur um die landschaftlich-kulturelle »Eindeutschung« dieser Gebiete – wie etwa durch die Anpflanzung von Einzelbäumen, die, wie er betonte, zu den zentralen Symbolen germanischer Landschaften gehörten –, sondern auch um praktische Maßnahmen, sei es durch den Einsatz von Hecken, um Winderosion zu verhindern, oder durch natur­gerechte 15 Wiepking-Jürgensmann, Die Landschaftsfibel, 21–22. 16 Ebd., 13. 17 Ebd., 23. 18 Damit fügte sich Wiepking durchaus in die Verwissenschaftlichungsprozesse während des Nationalsozialismus ein, wie ihn Margit Szöllösi-Janze beschreibt. Vgl. Margit Szöllösi-Janze, Wissensgesellschaft – ein neues Konzept zur Erschließung der deutsch-deutschen Zeitgeschichte?, in: Hans-Günter Hockerts (Hrsg.), Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konflikts, Schriftenreihe des Historischen Kollegs, Kolloquium, Bd. 55, München 2004, 282–283. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Verbauung von Flüssen und Straßenplanung. Mithilfe dieser Maßnahmen sollte der neue Lebensraum im Osten so gestaltet werden, dass zukünftige deutsche Siedler heimisch werden konnten und so dessen wirtschaftliches Poten­zial voll nutzbar wurde. Eng verbunden war für ihn damit die Absicht, den zukünf­tigen deutschen Herrschaftsbereich als einheitliche deutsch-germanische Kulturlandschaft klar abzugrenzen, und so nach der militärischen Inbesitznahme der Räume auch die kulturelle Herrschaft des Deutschen Reiches in den besetzten Gebieten für jedermann deutlich zu manifestieren. Zu dieser Form kultureller Grenzziehung eigneten sich nach Wiepkings Ansicht Landschaften besonders gut, gehörte es doch nach seiner Definition zur entscheidenden Eigenschaft von Landschaften, dass sie Grenzen festlegten. »Die ›Übersehbarkeit‹ einer Landschaft ist oft größer als das Menschenauge reicht, doch muß sie ›geschlossen‹ sein, wenn wir einen Teil der Erdoberfläche als Landschaft bezeichnen.«19 Die Landschaft, der es an »Geschlossenheit« am meisten fehlte, war für den Landschaftsgestalter im Übrigen die Norddeutsche Tiefebene, die nach Osten offen war. Ein unvertretbarer Zustand: »Die offene Grenze nach Osten wird uns in diesem Buch, von den verschiedenen Seiten aus betrachtet, stark beschäftigen. Sie muss geschlossen werden.«20 Wiepking begnügte sich allerdings nicht damit, Rechtfertigungen und Strategien für eine deutsche Besiedelung im Osten zu entwerfen. Er wollte auch die reichsdeutsche Gesellschaft reformieren. In diesem Sinne dienten ihm die Planungen für den Osten auch dazu, die Utopie eines neuen Deutschlands zu entwerfen. Dabei ging er allerdings weit über die regional und stammlich geprägten Entwürfe der Heimatschützer hinaus: Er erträumte eine nationale Volksgemeinschaft, die das ihr eigene besondere Naturverständnis, das ihr als »Pflanzenvolk« zukam, dazu nutzte, nicht nur als Volk in Einheit mit sich selbst zu leben, sondern auch in Einheit mit der umgebenden Natur. So erhob Wiepking eine Forderung, die auf das Herz der gesellschaftspolitischen Ordnung des Dritten Reichs abzielte. Er verlangte nicht weniger als eine Neudefinition der Volksgemeinschaft: »Wie wir eine Volkgemeinschaft aufbauten, so muß auch eine Landschaftsgemeinschaft erwachsen, eine wirkliche und beständig wirkende, eine heilbringende Einheit von Volk und Landschaft, Pflanzen und Tieren.«21 Dieses »ethnoökologische Denken«22, das die gleichberechtigte Ein 19 Wiepking-Jürgensmann, Die Landschaftsfibel, 11. 20 Ebd. 21 Ebd., 12. 22 Willi Oberkrome hat daher durchaus recht, wenn er in dem Ziel der »Erneuerung des deutschen Volkstums«, um die es auch Wiepking letztlich ging, das »Herzstück eines auf die Kategorien Volk und Landschaft festgelegten, wenn man so will, ethnoökologischen Denkens« sieht, »das sich in den letzten Dekaden des Kaiserreichs zu konturieren begann und im nationalsozialistischen Deutschland seinen Höhepunkt erreichte«. Oberkrome, Erhaltung und Gestaltung, 8. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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beziehung der Landschaft mit ihrer Flora und Fauna in die Volksgemeinschaft forderte, verlangte auch die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Pflanzenund Tierwelt bei allen zukünftigen administrativen und politischen Maßnahmen, die auf die Volksgemeinschaft abzielten. Eine Bedrohung oder Zerstörung der Landschaft und der sich darin befindenden Tiere und Pflanzen war somit auch als direkte Bedrohung der Volksgemeinschaft zu werten und musste aus diesem Grund auf jeden Fall verhindert werden. Unter völkischen Vorzeichen kann man hier die Forderungen der Grünen Charta von der Mainau erkennen. Es ging Wiepking schließlich nicht mehr nur darum, durch den Verweis auf die traditionelle Gestalt der Landschaft regionale oder nationale Identität zu stiften, sondern darum, nachzuweisen, dass die Volksgemeinschaft existen­ziell von der sie umgebenden Landschaft abhängig sei  – der Landschaft also eine wie Oberkrome es nennt »volkstumsbildende Potenz« innewohne.23 Dies wurde seiner Ansicht nach im Osten besonders deutlich. Das »größte Verbrechen« der »ostischen Menschen« bestand denn für Wiepking auch darin, diese existenzielle Abhängigkeit von der Umwelt nicht zu berücksichtigen und sich somit der eigenen Lebensgrundlage zu berauben. Denn »er [der ostische Mensch] ist nicht fähig, natürliche Gegebenheiten und Voraussetzungen für die nachkommenden Geschlechter zu verwalten. Er ist auch im 20. Jahrhundert noch ein böser Räuber, der allzu häufig erntet, was er im eigentlich bäuerlichen Sinne nicht säte. Er ist Nutzer im übelsten Sinne und lebt aus der stetig schwindenden Masse des Vorhandenseins natürlicher Ertragsbedingungen.«24 Das Ziel der von Wiepking visionierten Landschaftsgemeinschaft war also nicht nur die erfolgreiche Besiedelung neuen Lebensraums oder die fast mystische Erneuerung des deutschen Volkstums in seiner wahren Bestimmung als »Pflanzenvolk«, als ein »bizarres Sanierungswerk der sozialen und biologischen Konstitution der Deutschen«.25 Das Ziel war auch ganz praktisch eine nachhaltige Ressourcennutzung und der Schutz der Umwelt als Lebensgrundlage des mit der Natur so eng verwobenen deutschen Volkes. Genau an dieser Stelle, so wird sich zeigen, waren seine Ideen in der Bundesrepublik anschlussfähig. Die These Blackbourns, es habe zwar in allen Plänen zur Ostbesiedelung »Anzeichen für ein umwelt­bewusstes Denken« gegeben, die aber folgenlos geblieben seien, da der Kriegsverlauf ihre Um­setzung verhindert habe und »wir deshalb nie erfahren werden, ob die ›Synthese‹ von Natur und Technik funktioniert hätte«,26 unterschätzt das 23 Oberkrome, Deutsche Heimat, 476. 24 Wiepking-Jürgensmann, Die Landschaftsfibel, 25.  Die bäuerliche Landwirtschaft, die vom deutschen Bauern betrieben wurde, war in diesem Sinne für Wiepking das Parade­ beispiel für nachhaltiges Wirtschaften. 25 Lutz Raphael, Radikales Ordnungsdenken und die Organisation totalitärer Herrschaft: Weltanschauungseliten und Humanwissenschaftler im NS-Regime, in: Geschichte und Gesellschaft, Heft 27, 2001, 27. 26 Blackbourn, Die Eroberung, 353–356. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Weiterwirken dieser Ideen in der Bundesrepublik deutlich. Sie zielten von Anfang an nicht nur auf die besetzten Gebiete im Osten ab, sondern waren zumindest bei Wiepking von Anfang an auch auf Deutschland ausgerichtet. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Wiepking auch in der Bundesrepublik begann, seine Ideen in die Tat umzusetzen.

2.1.3 Anpassung an die Bundesrepublik Es gab zwar keine institutionellen Verbindungen zwischen den Dorfwettbewerben während der 30er-Jahre und dem Wettbewerb Unser Dorf soll schöner wer­ den. Doch die Frage nach der Übernahme von NS-Gedankengut in die Bundesrepublik stellt sich hier, wie in anderen Bereichen auch, trotzdem. Im Fall des Dorfwettbewerbs stellt sie sich auf Grund der engen Verbindung zwischen Wiepking und Olschowy sogar in besonderem Maße. In der Zeitschrift Natur und Landschaft wurde 2006 gefragt: »Welche gemeinsame Geschichte und welches Denken verbirgt sich hinter Olschowys uneingeschränkter Solidarität mit Wiepking?«27 Zweifellos war Olschowy einer der wichtigsten Übersetzer der Wiepking’schen völkischen Gedankenwelt in die demokratische Bundesrepublik. Im Rahmen dieses Übersetzungsprozesses kam er allerdings auch zu grundlegenden semantischen und letztlich auch inhaltlichen Verschiebungen. Geschickt verstand es Olschowy, wesentliche Elemente in die Landschaftsplanung und den Naturschutz der Bundesrepublik einzubringen. Die Landschaftsfibel ist in einem Aufsatz aus dem Jahr 1957 der Referenzpunkt, mit dem sich Olschowy bei der Gestaltung dörflicher Siedlungen beschäftigt.28 Darin greift er dessen technische Anleitungen zum Erosions- und Windschutz sowie seine praktischen Thesen zur richtigen Positionierung von dörflichen Siedlungen an Hügelhängen auf. Olschowy scheut sich dabei nicht, Wiepkings Elogen über den Wald und den deutschen Baum, in denen das »Pflanzenvolk« wiederauflebte, in seinem Aufsatz ausführlich zu zitieren.29 Auch wenn er keine Angst vor völkischen 27 Reinhard Piechocki, Der staatliche Naturschutz im Spiegel seiner Wegbereiter. Band 12. Gerhard Olschowy (1915–2002): »Ökologie als Maßstab«, in: Natur und Landschaft, Heft 11, November 2006, Jahrgang 81, 551. 28 Gerhard Olschowy, Landschaftspflege und Ansiedelung, in: Natur und Landschaft, Heft 8, 1957, 133–135. In selben Jahr erschien eine Ausgabe von Natur und Landschaft unter dem bezeichnenden Titel: »Gesundes Land – Gesundes Volk«. Natur und Landschaft, Heft 6, 1957. 29 U. a. zitiert Olschowy Wiepking mit der Aussage: »Die Lieder unseres Volkes um­jubeln Baum und Strauch, Wasser und Heide, Gestirne des Himmels und den Gesang der Vögel. Wir alle sind entwicklungsgeschichtlich Kinder des Waldrandes, Kinder des Hages und fühlen uns erst behaglich, wenn ein wärmender und schützender Laubmantel unsere wohnlich gemachte Erde umschließt.« Olschowy, Landschaftspflege, 134. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Konnotationen zeigt, vermeidet er doch jeden Bezug auf etwaige »wüste« Landschaften im Osten. Dies mag vor allem dem völlig neuen Bezugsrahmen geschuldet sein, dem die Landschaftsplaner nun gegenüberstanden – ging es doch nicht mehr um die Besiedelung und Gestaltung riesiger Flächen im Osten, sondern um die Neuanlage von einzelnen Bauernhöfen für Vertriebene oder aus der Dorflage ausgesiedelte Bauernhöfe im »Weißen Venn in Westfalen, im Emsland […] oder im Hunsrück.«30 Noch deutlicher werden die Übernahmen und Abwandlungen der Ideen Wiepkings durch Olschowy in einem Aufsatz aus dem Jahr 1962, der aus einem Vortrag an der Technischen Hochschule in Weihenstephan hervorgegangen war.31 In dem Aufsatz Über Gliederung und Gestaltung der bäuerlichen Kultur­ landschaften zeigt sich, wie Olschowy das Konzept von Wiepkings germanischvölkischer Landschaft in die Bundesrepublik überführte. Statt die Landschaft völkisch an ein mystifiziertes deutsch-germanisches »Pflanzenvolk« zurück­ zubinden, galten nun die Bauern als Schöpfer der Landschaft. Aus der völkischen Landschaft Wiepkings war eine aus bäuerlichem Schaffen erwachsene Kulturlandschaft geworden. Ganz ohne Volkstum ging es allerdings auch bei Olschowy nicht. Statt nach den konkreten historischen, wirtschaftlichen und sozialen Entstehungsbedingungen dieser bäuerlichen Kulturlandschaft zu fragen, ging auch Olschowy 1962 noch davon aus, dass die Kulturlandschaft letztendlich einem »bäuerlichen Volkstum« entwachsen sei, das ebenso wie das germanische Volkstum Wiepkings einem mystischen Raum jenseits des historischen Wandels zu entstammen schien.32 Doch schließlich machten sich auch bei Olschowy erste Zweifel breit. Angesichts der rasanten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik, und dem damit verbundenen Strukturwandel war selbst er sich nicht mehr sicher, ob sich Landschaft und bäuerliches Volkstum tatsächlich so resistent gegen historischen Wandel zeigten, wie er gehofft hatte. Er erkannte, dass »Straßen- und Wasserbau, Industrie- und Siedlungsbau, Untertage- und Tagebau« zu »unvermeidbaren Ein­ griffen und landschaftlichen Schäden« führten. Dies wiederum hatte gravierende Folgen für die bäuerliche Volkskultur. »Mit dem Verschwinden von Baum und Strauch gleichlaufend« sei »auch der Verfall der Baukultur und nicht selten auch des bäuerlichen Brauch- und Volkstums« zu befürchten.33 Der mögliche 30 Ebd., 135. 31 Gerhad Olschowy, Über Gliederung und Gestaltung der bäuerlichen Kulturland­ schaften, in: Natur und Landschaft, Heft 4, 1962, 49–54. 32 Am griffigsten hat diese Vorstellung der Volkskundler Josef Dünninger in den 30erJahren formuliert. Er schrieb: »Volkstum hat ein anderes Grundgesetz als die Geschichte. Volkstum ist ewige Dauer, zeitlos, im natürlichen Jahresablauf sich erfüllend, im Innersten unwandelbar, von Uranfang an geprägt und vorbestimmt, ohne Zeit, aber im Raum.« Josef Dünninger, Volkswelt und Geschichtliche Welt. Berlin u. a. 1937. 33 Olschowy, Gliederung und Gestaltung, 49. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Verlust völkischer und nationaler Identität stand dabei für Olschowy nicht im Mittelpunkt. Seine Bedenken waren praktischerer Natur. Die Gefahr bestand für ihn darin, dass ein Volkstum unterzugehen drohte, dessen Existenz die Voraus­setzung für das Weiterbestehen der bäuerlichen Kulturlandschaft war. Diese bildete den Raum, in dem ressourcenschonendes Wirtschaften und eine nachhaltige, die Umwelt schützende Entwicklung am besten verwirklicht wurden. In der bäuerlichen Kultur war der »Ausgleich zwischen Technik und Natur«, den auch Olschowy als höchstes Ziel formulierte, gelungen.34 Ihr Ende sei gleichbedeutend mit dem Ende der bäuerlichen Kulturlandschaft. Die Folgen: Wind­erosion, Frostschäden, Hochwasser, Versteppung. Der Druck, der durch den als unabwendbar angesehenen Ausbau der Infrastruktur und den nun begrenzten Raum auf die Landschaft ausgeübt wurde, ließ es möglich erscheinen, dass in Westdeutschland eben jene wüsten, ausgebeuteten Landschaften entstanden, die Wiepking noch vor 20 Jahren den »ostischen Völkern« zum Vorwurf gemacht hatte und die damals ein wesentliches Merkmal ihrer kulturellen und rassischen Minderwertigkeit waren. Dieses Denken findet sich auch in den Kriterien für den Bundeswettbewerb Unser Dorf soll schöner werden wieder. Die Fixierung der Kriterien des Dorfwettbewerbs auf standortgerechte Anpflanzungen und Hausbäume sowie auf lokale Baustoffe und die Einbindung in die umgebende Landschaft hatte eben nicht nur ästhetische Gründe – entrüstet wies man später den Vorwurf zurück, mit dem Dorfwettbewerb einen reinen Blumenschmuckwettbewerb zu veranstalten. Es ging vielmehr darum, eine ländlich-bäuerliche Kultur und die damit verbundene Kulturlandschaft zu bewahren, da nur sie eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes ermöglichte. Ein Beispiel hierfür ist die Fixierung Olschowys auf die sogenannten »Hausbäume«, denen in den Bewertungskriterien eine längere Passage gewidmet wurde und die Olschowy in seinem Aufsatz fast wortgleich wiederholte. Diese Bäume, die eines der markantesten Symbole für Dauerhaftigkeit waren,35 symbolisierten nicht nur eine historische Veränderung transzendierende Langlebig­ keit, sondern fungierten gleichzeitig als Symbol für eine lokale und regionale bäuerliche Kultur, die in engster Verbindung mit der sie umgebenden Landschaft existierte.36 Stand etwa eine alte Eiche vor einem Bauernhof, war die Ar 34 Ebd., 54. 35 Dass Haus- und Einzelbäume während des Nationalsozialismus auch als Symbol für rassische Reinheit herhalten konnten, zeigt die Eloge Heinrich Wiepkings auf den »Einzelbaum«: »Wo der Einzelbaum fehlt, gleich auf guten oder schlechten Böden, ist ein Einbruch fremden Blutes, ein nicht voll eingedeutschter Volkssplitter oder eine Rassenverschlechterung anzunehmen.« Wiepking-Jürgensmann, Das Volk, 190. 36 Ein eher marginaler Wettbewerb, der 1936 von der Landesbauernschaft Bayern veranstaltet wurde, stellte den Hofbaum sogar in den Mittelpunkt. In einem Artikel zum jenem Wettbewerb im Wochenblatt der Landesbauernschaft Bayern heißt es über den Hof© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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chitektur des Bauernhofes für die Ziele des Wettbewerbs nur noch zweitrangig, symbolisierte der alte Baum doch weit deutlicher die Anbindung an die heimatliche Landschaft und deren vermeintlich Jahrhunderte zurückreichende Kontinuität. Das Bauernhaus selbst war mit seiner äußeren Gestalt im Zweifelsfall schon immer den Wechselfällen ökonomisch begründeter Rationalisierungsprozesse unterlegen. Das Fällen einer solchen alten Eiche wäre somit auch einer Kappung der Verbindung zum bäuerlichen Volkstum und der Landschaft gleichgekommen. Fluchtpunkt dieser Vorstellung war letztendlich die Errichtung der von Wiepking visionierten »Landschaftsgemeinschaft«, die auf regionaler Ebene schon seit der Besiedelung durch die deutschen Stämme funktioniert hatte, auf nationaler Ebene, um so seine beschworene »wirkliche und beständig wirkende, […] heilbringende Einheit von Volk und Landschaft, Pflanzen und Tieren« zu erreichen. Denn allein die in der Landschaftsgemeinschaft verbürgte, natürlich gewachsene Einheit von Land und Leuten ermöglichte eine notwendige Entwicklung des ländlichen Raumes, in der gleichzeitig die allseits gefürchteten negativen Auswirkungen der Modernisierung – im Besondern der Verlust regionaler und lokaler Traditionen sowie daraus folgend die Zerstörung der Umwelt und damit der Lebensgrundlage – in Zaum gehalten würden. Der »Glauben an die ethnische Funktionalität der intakten landschaftlichen Natur« wurde bei Olschowy durch den Glauben an eine ethische Funktionalität ersetzt, welche Ideen von Nachhaltigkeit, Harmonie und Ausgleich fest in den Entwicklungsprozess der Bundesrepublik integrieren würden. Die Bewertungskriterien des ersten Bundeswettbewerbs hatten also nicht einfach den restaurativen Erhalt einer überkommenen Ästhetik zum Ziel oder die Bewahrung deutscher Ethnie in Sinne des NS, sondern sollten die Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes legen. Zumindest Wiepking sah dieses Ziel mit dem Dorfwettbewerb erreicht. Als er im Jahr 1969 die Emeritierungsrede für Professor Konrad Meyer hielt, schloss er seine Rede mit einer längeren Ausführung über den Wettbewerb Un­ ser Dorf soll schöner werden, den er als Umsetzung all ihrer gemeinsamen Vorstellungen beschrieb. Wiepking war gerade von der Preisverleihung in Bonn zurück­gekommen und berichtete emphatisch: »Ich hätte Ihnen, lieber Herr Kollege Meyer, gewünscht, daß sie die glücklichen Gesichter der Menschen aus den Dörfern gesehen hätten. Es war eine einzigartige Offenbarung unserer baum: »Die Haus- und Hofbäume, die wir allenthalben auf dem Lande vorfinden, verbinden den Hofbesitzer aufs engste mit seiner Scholle, sie halten ebenso wie die alte Dorflinde, den Gedanken des unverrückbaren Eigentums am Heimatboden, die Verwurzelung des Bauern mit dem Boden wach, sie stehen daher in engem Zusammenhang mit dem vom Reichsbauernführer herausgestellten Gedanken von Blut und Boden.« Verschönerung der Dörfer durch Blume, Strauch und Baum, in: Wochenblatt der Landesbauernschaft Bayern, Nr. 31, 23.07.1936, 1444. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Erkenntnisse, daß Landespflege Volkspflege ist und sein muß. Dieser Wettbewerb wurde durch Gärtner und Gartenmenschen veranlasst. An ihrer Spitze stehen Schwarzhörer und Diplomgärtner aus Berlin und Hannover.«37 Dass Wiepking mit dieser Sicht auf den Dorfwettbewerb 1969 recht alleine stand, war ihm zu diesem Zeitpunkt möglicherweise selbst nicht mehr ganz klar. Zunächst aber startete der erste Dorfwettbewerb nach den Kriterien, die Wiepking und Olschowy ganz wesentlich mitgestaltet hatten. Begrifflichkeiten wie die »Landschaft« und der »bäuerliche Kulturraum«38 hatten Einzug gehalten in die Bewertungskriterien von Unser Dorf soll schöner werden und damit auch die Vorstellung, dass eine nachhaltige und die natürlichen Ressourcen schonende Modernisierung des ländlichen Raumes am besten im Rahmen bäuerlicher und damit ursprünglich auch völkischer Kultur vonstattengehen sollte. Allerdings sollte sich recht schnell zeigen, wie wenig diese Prämissen in der praktischen Durchführung haltbar waren. Zuallererst wurde dies in den Dörfern selbst deutlich, die an dem Wettbewerb teilnahmen.

2.2 Drei Dörfer räumen auf: Die lokale Umsetzung der Bewertungskriterien Beim ersten Dorfwettbewerb, im Juli 1961, sollte sich zeigen, ob die Dorfbewohner die in sie gesetzten Erwartungen erfüllten. Doch wie kamen die Dörfer mit den Anforderungen zurecht, die im Rahmen des Dorfwettbewerbs an sie gestellt wurden? Teilten die Dorfbewohner die Vorstellungen von einer landschafts­ gebundenen Identität mit den Planern des Dorfwettbewerbs? Waren die traditionellen Strukturen, auf die Wiepking und Olschowy so stark setzten, tatsächlich noch vorhanden und ermöglichten sie einen nachhaltigen Fortschritt auf dem Lande? Ein Blick in die Dörfer soll die Antworten liefern. 37 Staatsarchiv Osnabrück Dep. 72 b, Nr. 55.21.11.1969. Ebenso erhellend ist die Antwort Konrad Meyers, die sehr deutlich zeigt, wie wenig wichtige Exponenten völkischer Landschaftsgestaltung und Landschaftsplanung auch im Jahr 1969 von ihren Überzeugungen abgerückt waren. Konrad Meyer schrieb an Wiepking: »Mit ihren Worten ist mir noch einmal unsere schöne gemeinsame Zeit in Berlin lebendig geworden. Ich habe auch noch einmal die von Ihnen verfassten Richtlinien zur Gestaltung der ostdeutschen Landschaften gelesen. Sie enthalten Gedanken, die auch heute noch Gültigkeit haben und aus dem Geist ›Landespflege = Volkspflege‹ geschrieben sind. Wir unterliegen heute immer wieder der Gefahr, vor allem Eifer im Sachlichen das letzte große Ziel zu vergessen, nämlich daß alle Landschafts- und Raumordnung doch dem Menschen dienen soll und daher Volksordnung ist. […] Der farblose Begriff ›Gesellschaft‹ hat keine Wärme und beinhaltet nicht das, was wir unter ›Volk‹ verstehen und für das wir unser Leben lang gekämpft haben.« Staatsarchiv Osnabrück Dep. 72 b, Nr. 55, Brief vom 15.12.1969. 38 Zum Begriff des Kulturraums vgl. Karl Ditt, Der Wandel historischer Raumbegriffe im 20. Jahrhundert und das Beispiel Westfalen, in: Geographische Zeitschrift 93, 2005, 216. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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2.2.1 Westerheim: Wiederaufbau auf dem Lande Im Oktober 1961 erhielt die schwäbische Gemeinde Westerheim im Kreis Münsingen einen Brief, in dem ihr zur Erlangung der Bronzeplakette im Bundeswettbewerb Unser Dorf soll schöner werden gratuliert wurde. Als besondere Leistung wurde die Gestaltung der Ortsmitte gelobt, von der es hieß: »Durch die Grüngestaltung sind Kirche, Kriegerehrenmal und Rathaus (Fachwerk) zum umgrünten Mittelpunkt des Ortes geworden.«39 Zudem wurde die vorausschauende Baulandwirtschaft des Ortes gelobt, die »normale Baulandpreise« sichern würde. Bei der Anmerkung zu den unvermeidlichen Hausbäumen hielt sich die Bundesbewertungskommission allerdings zurück; »Hausbäume sind vorhanden«, hieß es hierzu lapidar.40 Vollkommen zufrieden war man mit der Gestaltung des dörflichen Grüns aber wohl nicht, denn man empfahl, die »Jugend« verstärkt am Wettbewerb zu beteiligen, um bei der Pflege des »Grüns bald weiter Fortschritte zu machen«.41 Das Dorf Westerheim erhielt mit der Bronzeplakette die niedrigste Auszeichnung, die im Bundeswettbewerb möglich war, da alle Gemeinden, die es bis zur Endrunde auf Bundesebene geschafft hatten, mit mindestens der Bronzeplakette belohnt wurden. Die Kritik, die aus diesem Urteil herauszulesen ist, hatte ihren Grund in der in den Augen der Bundesbewertungskommission mangelnden Einbeziehung breiterer Bevölkerungsschichten in den Dorfwettbewerb und die nicht ausreichende Bewahrung lokaler Volkskultur in Form des dörflichen Grüns. Die Ausgangslage in Westerheim, gelegen auf der Schwäbischen Alb im Alp-Donau-Kreis unweit von Ulm, war auch in den späten 50er- und frühen 60er-Jahren noch geprägt von den starken Zerstörungen des Krieges. Am 21.  April 1945 hatte sich eine motorisierte Einheit der Wehrmacht mit etwa 100 Fahrzeugen in das Dorf zurückgezogen. Diese wurde überraschend von anrückenden amerikanischen Truppen angegriffen.42 In der Württembergischen Gemeindezeitung beschrieb Bürgermeister Walter den Zustand des Dorfes und seiner Bewohner nach der Zerstörung: »24 Menschenleben waren bei dieser Katastrophe zu beklagen. 91 Wohnhäuser und 105 Scheunen waren ganz ­zerstört. Was blieb waren Ruinen, waren Jammer und Elend, Hunger und Verzweiflung. Trauer um den Verlust an Menschen, Gebäuden, lebendem und totem Inventar«.43 39 Archiv der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, 12. Oktober 1961. 40 Ebd. 41 Ebd. 42 Gemeinde Westerheim (Hrsg.), Luftkurort Westerheim. Salach 1986, 147–150. 43 Hans Walter, Westerheim das schöne Dorf, in: Württ. Gemeinde Zeitung, 15.06.1961, Nr. 11, 213. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Diese Zerstörungen waren der Grund, warum nach Ende des Krieges keine Flüchtlinge einquartiert wurden, sodass der Ort 1950 mit 1.330 Personen sogar etwas weniger Einwohner hatte als 1939; damals wohnten 1.364 Menschen in Westerheim. Im Laufe der 60er- und 70er-Jahre steigerte sich die Einwohnerzahl allerdings erheblich: von 1.486 Einwohnern im Jahr 1961 auf 2.077 im Jahr 1976. In dem einst agrarisch geprägten Dorf waren 1977 rund 24 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig, in der Gemeinde fanden sich immer noch 110 landwirtschaftliche Betriebe  – 1939 arbeiteten noch 72 Prozent aller Beschäftigten in der Landwirtschaft. 1973 hingegen verdienten 63 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ihren Lebensunterhalt im produzierenden Gewerbe. Handel- und Verkehr stellten Arbeitsplätze für fünf Prozent der Bevölkerung bereit. 1984 mussten 745 Bewohner ihren Wohnort verlassen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen, der sich oft in einem der aufstrebenden Maschinenbaubetriebe in Merklingen und Laichingen befand. Nach Westerheim kamen nur 151 Menschen, um dort zu arbeiten.44 Der geringe Anteil an Beschäftigten im Dienstleistungsbereich erstaunt, erreichte Westerheim im Laufe der 60er- und 70er-Jahre doch eine enorme Ausweitung der Fremdenverkehrsüber­ nachtungen. Diese stiegen von 500 im Jahr 1955 auf 65.000 im Jahr 1968 und auf 255.000 im Jahr 1976. Dieser Anstieg beruhte vor allem auf der Errichtung von sieben Skiliften, der Ausweisung eines Campingplatzes mit 1.100 Stell­plätzen 1967 und dem Aufbau einer Feriensiedlung 1973.45 Tatsächlich stellte der für die Durchführung und Umsetzung des Dorfwettbewerbs in Westerheim verantwortliche Bürgermeister, Hans Walter, nicht Umweltschutz und Tradition in den Mittelpunkt. Seine eigene Beurteilung der für den Dorfwettbewerb erbrachten Leistungen beruhte auf einer ganz anderen, lebenspraktischen Erfahrung: Für ihn war die Wiederaufbau- und Moder­ nisierungsleistung maßgeblich, die in den letzten Jahren im Dorf durchgeführt worden war. Der Ausgangspunkt für alle Überlegungen zur Veränderung und Neuorganisation des Dorfes war somit für die Bewohner von Westerheim nicht ihr Verharren in einer überzeitlichen Volkskultur und auch nicht die geschlossene Dorfgemeinschaft, sondern die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges. Eine Neuordnung der Gemeinde bedeutete, zunächst die Folgen des Krieges zu überwinden und den durch die Zerstörung gewonnenen Gestaltungsraum auszunutzen, um dann wichtige infrastrukturelle Maßnahmen durch­zuführen. Auch die von der Bewertungskommission positiv erwähnten niedrigen Baulandpreise erklären sich im Übrigen zu einem guten Teil aus den unfreiwillig freigewordenen Flächen im Dorfzentrum. In einem Brief an das Landwirtschaftsministerium von Baden-Württemberg, in dem der Bürgermeister über die Erfolge 44 Vgl. Krämer (1989), Niederdreisbach, 179–183. 45 Gemeindearchiv Westerheim, Reg. N. 366.2, Verschönerung des Ortsbildes, Anmeldung zum Landeswettbewerb 1977. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Westerheims beim Wettbewerb berichtet, sprach Hans Walter nicht über Hausbäume und die deutsche Landschaft, sondern über den »grosszügigen [sic!] Ausbau der Ortstraßen«, der durch »die seit Jahren erfolgte Kanalisation des Ortsnetzes« möglich geworden sei.46 Aber nicht nur der Infrastruktur­ausbau wurde durch die Zerstörungen des Krieges erleichtert – auch die Begrünung des Ortes schritt voran. In der Württembergischen Gemeindezeitung berichtet Walter, dass die Zerstörung der Ortsmitte die Möglichkeit bot, abgebrannte Bauernhöfe auszusiedeln und Ruinengrundstücke in Grünanlagen umzuwandeln.47 Nicht eine bereits bestehende traditionelle Landschaft mit Bauernhöfen und traditionellen bäuerlichen Gärten war hier die Grundlage für die Begrünung des Dorfes, sondern die Kriegszerstörung, die Freiflächen für eine großzügige Grün­ gestaltung schufen. Der alte »verschmutzte« Dorfteich, vom Bürgermeister im Sprachgebrauch der Schwäbischen Alb als »Hüle« bezeichnet und ein äußert typisches, regionales Charakteristikum für die wasserarme Schwäbische Alb48, wurde nicht etwa gereinigt und begrünt, sondern zugeschüttet und durch einen unterirdischen Löschwasserbehälter ersetzt. Auf der so gewonnenen Fläche errichtete man eine »Grünanlage mit Sitzbänken und Kinderspielplatz«.49 Das alte Backhaus in der Ortsmitte wurde abgerissen und im neuen Gemeinschaftshaus untergebracht, in dem es auch eine Gemeinschaftswaschanlage und Bäder sowie eine Gefrieranlage gab.50 Der Verfasser einer Bildunterschrift in einem Artikel zum Dorfwettbewerb in der Zeitschrift die demokratische gemeinde [i. O.] brachte es auf den Punkt, als er – entgegen der Vorstellungen der Planer – unter ein Foto des Dorfplatzes der Gemeinde Westerheim schrieb: »Daß Grünanlagen keineswegs allein den Städten vorbehalten sein müssen […], dafür liefert die Gemeinde Westerheim […] einen überzeugenden Beweis.«51 Das städtische Vorbild, das nach den Intentionen der Veranstalter des Dorfwettbewerbs eigentlich der negativen Abgrenzung dienen sollte, wurde nun auf einmal als nachahmenswert beschrieben und die stolze Behauptung des Andersseins wich einem trotzigen »Wir-können-auch«. Hier mag die besondere Ausgangslage der Gemeinde Westerheim eine Rolle spielen, die mit den Städten das Schicksal großflächiger Zerstörungen durch 46 Archiv der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, 17.08.1961. 47 Walter, Westerheim, 97. 48 Welch hohes lokales Identifikationspotential in der Hüle steckte, zeigt sehr eindrücklich die lesenswerte Heimatgeschichte des Dorfes Zainingen unweit von Westerheim. Frieder Mutschler, Zainingen. Das Dorf an der Hüle. Römerstein 1984. 49 Registratur der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, Verschönerung des Ortsbildes, 17.08.1961. 50 Walter, Westerheim, 97. 51 Hans Ulrich Schmidt, Von der Kunst die Selbsthilfe zu aktivieren, in: Die demokra­ tische Gemeinde, Heft Z215E, Januar 1962, 8. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Abb. 1: Hans Ulrich Schmidt, Von der Kunst die Selbsthilfe zu aktivieren, in: Die demokra­ tische Gemeinde, Heft Z215E, Januar 1962, 8.

den Krieg teilte und deshalb ein so großes Augenmerk auf eine den Städten analoge Aufbauleistung legte. Entscheidend war aber wohl etwas anderes. Denn dem Dorfbürgermeister Hans Walter war die Rhetorik von Bodenständigkeit, Heimat und Landschaft durchaus bekannt gewesen und somit stand ihm dieser Bezugsrahmen auch zur Verfügung. In seinen handschriftlichen Notizen zum Dorfwettbewerb notierte sich Walter: »Keine Attraktion oder Sensation! Keine Verstädterung. Gesetz der Harmonie, des Entsprechenden; des Gemäßen, Zugehörigen.«52 Die Ideale von Heimat, der Einbindung des Neuen in das traditionell Vorgefundene, von der Integration des Neuen in alte Kulturräume und Landschaften, des harmonischen und produktiven Miteinanders von Mensch und Umwelt waren dem Bürgermeister nicht fremd. Nur versinnbildlichten sich diese Ideale für den Bürgermeister nicht in Hausbäumen oder traditioneller Architektur – und offensichtlich schon gar nicht in einem dreckigen Dorfteich –, sondern in der gemeinsamen Aufbauleistung, die die Gemeinde seit dem Krieg vollbracht hatte. Er notierte sich weiter: »Zählt nicht Blumen, sondern die 52 Handschriftliche Notizen des Bürgermeisters zum Dorfwettbewerb 1961 od. 1963, leider ohne Datum, zu finden unter: Archiv der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, Unser Dorf soll schöner werden. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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gewachsene Leistung der Gemeinschaft, die sich zu Idealen gerne führen lässt.«53 Neben dem Stolz auf die durch das Dorf erbrachte Leistung wird hier allerdings auch deutlich, dass die Leistungen, welche die Gemeinschaft erbrachte, nur unter Anleitung erfolgen konnten. Dorfgemeinschaft, wie sie der Bürgermeister verstand, zeichnete sich somit durch zwei Dinge aus: durch ihre Leistungsfähigkeit und durch ihre Bereitschaft, sich führen zu lassen. Damit besaß der Bürgermeister, womöglich bedingt durch seine Position, einen weit pragmatischeren Zugang zum Thema der Dorfgemeinschaft, als ihn die Organisatoren des Dorfwettbewerbs hatten. Das Beispiel zeigt, dass der Dorfwettbewerb in Westerheim in der konkreten Umsetzung eine Angelegenheit war, die vor allem durch die lokalen historischen Voraussetzungen sowie die handelnden Personen bestimmt war. Diese kannten – im Fall von Bürgermeister Walter – zwar sehr wohl die Diskurse, denen die Kriterien des Dorfwettbewerbs entsprangen, und eigneten sich teilweise den entsprechenden Sprachgebrauch an, blieben aber trotzdem an die Bedingungen vor Ort geknüpft. Für die Gemeinde stellten sich die Veränderungen, die im ländlichen Raum nach den Krieg Einzug hielten, eben nicht als jener fatale historische Bruch mit jahrhundertealten Traditionen dar, der andernorts das sorgsam gefügte Gewebe einer intakten Dorfgemeinschaft zu zer­reißen drohte und die gewohnte Heimat samt selbstgeschaffener Kulturlandschaft vernichtete. Westerheim hatte im Krieg einen weitaus konkreteren, gewalttätigeren und zerstörerischen Angriff zu erdulden gehabt. In der kollektiven Erinnerung war dieser weit wichtiger als die Technisierung oder die Massengesellschaft. Im Gegenteil: Technik und wirtschaftliche Entwicklung ermöglichten erst den Wiederaufbau der Heimat  – eine Erfahrung, die große Teile der im urbanen Raum Westdeutschlands angesiedelten Bevölkerung teilte. Vor diesem gemeinsamen Erfahrungshintergrund war auch die ästhetische Annäherung Westerheims an die westdeutsche Mehrheitsgesellschaft mit ihren Kinderspielplätzen, gut ausgebauten Straßen und ordentlich aufgeräumten Blumenkästen nur folgerichtig. Der Erhalt eines alten Dorfweihers, der einst benötigt wurde, um auf den trockenen, verkarsteten Böden der Schwäbischen Alb Wasser für das Vieh zu sammeln, musste aus dieser Perspektive betrachtet wie ein heilloser Anachronismus wirken. Die Auszeichnung durch den Bundeswettbewerb 1961 wurde als Anerkennung für die Wiederaufbau- und Modernisierungsleistung empfunden, welche die Dorfbewohner erbracht hatten; dass man dabei nicht die Goldmedaille gewonnen hatte, weil man zu wenig Rücksicht auf regionale und lokale Traditionen sowie die Umwelt genommen hatte, störte zumindest den Bürgermeister wenig. »Westerheim Bronzemedaille – Bürgermeister nach Bonn auf Kosten des

53 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Bundes!«54, notierte sich Hans Walter schwungvoll mit Ausrufezeichen auf seinem Handzettel. Die Gemeinde Westerheim und er hatten dank des Dorfwettbewerbs ihr peripheres Dasein als armes Bauerndorf auf der Schwäbischen Alb hinter sich gelassen und wurden – so musste es der Bürgermeister sehen – durch den Bundespräsidenten als vollwertiges Mitglied der bundesrepublikanischen Gesellschaft begrüßt.

2.2.2 Altenburschla: Grenzerfahrungen Es waren nicht die Zerstörungen des Krieges, die in Altenburschla alte Strukturen zerstörten, es war die Teilung Deutschlands, die in dem Ort alles veränderte. Die Gemeinde Altenburschla, seit der Gebietsreform 1972 ein Stadtteil von Wanfried, war an drei Seiten vom Staatsgebiet der DDR umschlossen und verlor somit einen Großteil ihrer bisher nach Thüringen, vor allem nach Eisenach und Mühlhausen, ausgerichteten wirtschaftlichen und sozialen Verbindungen. In der im Werra-Meißner-Kreis gelegenen Gemeinde wohnten im September 1950 631 Personen, darunter 160 Heimatvertriebene, die auch den Großteil der 152 katholischen Dorfbewohner stellten.55 Damit hatte sich die Zahl der Einwohner im Vergleich zu 1939, als Altenburschla lediglich 337 Einwohner hatte, fast verdoppelt. 1961 ging die Einwohnerzahl auf 504 Einwohner zurück und blieb bis 1970 mit 503 Einwohnern auf diesem Niveau. Der Bevölkerungsrückgang war vor allem auf die Abwanderung der Flüchtlingsfamilien zurückzuführen, die in dem abgeschnittenen Dorf keine Erwerbsmöglichkeiten fanden. Mit dem Wegzug der Heimatvertrieben sank auch die Anzahl der katholischen Gemeindemitglieder in diesem Zeitraum auf 42.56 Bis heute hat sich an der Bevölkerungszahl wenig verändert; 2007 hatte Altenburschla 459 Einwohner. 1950 war die kleine Gemeinde stark von der Landwirtschaft geprägt: Gut 50 Prozent der insgesamt 348 Beschäftigten waren zu diesem Zeitpunkt in der Land- und Forstwirtschaft tätig, 35 Prozent wurden als Arbeiter klassi­ fiziert, im Handel arbeiteten etwa 6 Prozent der Erwerbstätigen und im öffentlichen Dienst 8 Prozent. 1970 waren nur noch 29 Prozent der Beschäftigten in Land- und Forstwirtschaft tätig, womit die Gemeinde zwar einen starken Rückgang zu verzeichnen hatte, aber immer noch sehr deutlich über dem Bundes­ durchschnitt lag. Die frei gewordenen Arbeitskräfte wurden weitgehend von der Industrie aufgenommen, wo jetzt 50 Prozent der Beschäftigten arbeiteten. Be 54 Archiv der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, Verschönerung des Ortsbildes, Unser Dorf soll schöner werden. 55 Gemeindearchiv Altenburschla, Ordner Dorfwettbewerb, Blatt Nr. I/1. 56 Gemeindearchiv Altenburschla, Ordner Dorfwettbewerb Gemeindeblatt der Volkszählung 1970. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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sonders die Werke des Landmaschinen-Herstellers Massey-Ferguson, der 1952 im 15 Kilometer entfernten Eschwege eine Fabrik errichtete, wurden zu einem wichtigen Arbeitgeber. Handel und Verkehr spielten dagegen weiter eine untergeordnete Rolle; dort arbeiteten jetzt 7 Prozent und in sonstigen Wirtschaftsbereichen 14 Prozent der Beschäftigten. Insgesamt wurden 1950 499 Hektar Land von 71 Betrieben bewirtschaftet, wobei nur 215 Hektar auf Ackerflächen ent­f ielen – die restlichen Flächen dienten als Nutzwälder oder Weideflächen.57 Politisch konnte sich in Altenburschla bei Landtagswahlen zwischen 1946 und 1970 immer die SPD durchsetzen, wobei sie bei den Bundestagswahlen 1969 mit nur einer Stimme Vorsprung den Sieg erlang. Dies ist vermutlich auf die besondere Bedeutung der neuen Ostpolitik Willy Brandts für die kleine Grenz­ gemeinde zurückzuführen.58 Die Grundlage für die Teilnahme des Dorfes Altenburschla am Bundeswettbewerb war der Ausbau der Straßen. In seiner Beschreibung der im Dorf geleisteten Arbeit berichtete der Lehrer Adolf Weber: »Noch vor drei Jahren glich das Dorfbild einer verwahrlosten Ansammlung von Häusern mit Straßen, die von Schlaglöchern übersät und besonders bei Regenwetter schlammigen Feldwegen ähnlich waren, so daß Altenburschla mit dem Namen ›Schlamperode‹ im ganzen Kreisgebiet in Verruf kam. Die Einwohner ließen ihre Häuser nicht erneuern, da in kurzer Zeit der aufspritzende Straßendreck alle Mühe wieder zunichtemachte.«59 Erst nachdem im Jahr 1956/57 die Kreisstraßen ausgebaut worden waren, machte man sich auch in Altenburschla daran Kanalisation und Straßen zu erneuern. Da in Hessen der Landjugendberatungsdienst für die Durchführung des Wettbewerbs auf lokaler Ebene zuständig war, begann dieser nach dem Aufruf zum Dorfwettbewerb auf Landesebene im Jahr 1958, sich unter der Leitung des damaligen Vorsitzenden der Landjugend und späteren Bürgermeisters Karl Montag intensiv mit der weiteren Verschönerung des Dorfes zu beschäftigen. Beteiligt waren an einer ersten Ortsbesichtigung neben der Landjugend auch die Landfrauen, der Ortslandwirt, der Vogelschutzbeauftragte, der örtliche Obstbauberater, der Bürgermeister und der Lehrer Adolf Weber.60 Diese Zusammensetzung bietet einen schönen Überblick über die Gruppen, die den Dorfwettbewerb auf lokaler Ebene organisierten: Neben den örtlichen Honoratioren wie dem Bürgermeister, dem Lehrer und dem Ortsbauer waren es die Landfrauen und die Dorfjugend, die als Arbeitskräfte dringend benötigt wurden, sowie der Vogelschutzbeauftragte und der Obstbauberater, deren Hinzuziehung als »Experten« und Berater von der DGG im Allgemeinen sehr 57 Gemeindearchiv Altenburschla, Ordner Dorfwettbewerb. Blatt Nr. I/1. 58 Gemeindearchiv Altenburschla, Ordner Dorfwettbewerb Stadtteil Altenburschla. 59 Gemeindearchiv Altenburschla, Ordner Dorfwettbewerb, Unser Dorf soll schöner werden, August 1959. 60 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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begrüßt wurde. Den Experten kam dabei die Aufgabe zu, Wissen, das nicht vor Ort als lokales Wissen zur Verfügung stand, in den Prozess der Dorfverschönerung einfließen zu lassen. Der Vogelschutzbeauftragte hatte dabei in Altenburschla die Aufgabe, in Fragen des Naturschutzes beratend tätig zu sein. Die Obstbauberater, die meist eine gärtnerische Ausbildung hatten, wurden von der DGG oft als lokale Vertreter wahrgenommen, deren Aufgabe darin bestand, über eine dem Landschaftsschutz entsprechende Anpflanzung des dörflichen Grüns zu wachen. Insgesamt hielten sich die Verantwortlichen in Altenburschla recht genau an das Motto, das dem ersten Dorfwettbewerb beigestellt war: Unser Dorf soll schöner werden – Unser Dorf in Grün und Blumen. Man investierte vor allem in die Begrünung des Dorfes: 50 Blumenkästen, 35 Bäume, 45 Sträucher und Gehölze sowie diverse Rankengewächse, Rosen und Blumenzwiebeln wurden verpflanzt. Dank der Anweisung durch den Obstbauberater hatte man  – bis auf einige Ausnahmen wie Blutbuche und Trauerweide  – vermieden, ortsfremde Bäume zu pflanzen. Das war ganz im Sinne der Bundesbewertungskommission. Die Finanzierung der doch recht beträchtlichen Kosten für den Kauf des Pflanzmaterials war anscheinend nicht problematisch – die Gelder für die Anschaffung wurden größtenteils vom Land durch den Landjugendberatungsdienst zur Verfügung gestellt, ein anderer Teil der Mittel kam vom Kreis oder wurde durch Spenden aufgebracht.61 Wichtig war es dem Chef der Landjugend Montag und seinen Helfern sowie den Dorfbewohnern vor allem im Dorf aufzuräumen; ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf das »Stinkgässchen« gelegt. Das zwischen dem Fluss Werra und dem Dorf gelegene Gässchen hatte seit langer Zeit als Ablageplatz für den Dorfmüll und als Einleitung für Abwässer in die Werra gedient. Hier entfernte die Landjugend sämtlichen Müll, legte einen Kiesweg an, stellte Bänke auf und säte einen schönen Rasen aus.62 Dass man damit nicht nur einen beschaulichen kleinen Park schuf, sondern ihn auch direkt an der Grenze zur DDR anlegte – die Grenze verlief direkt hinter dem Ort durch den Fluß Werra –, wird zwar in den Unterlagen zum Dorfwettbewerb in Altenburschla nicht gesondert erwähnt, war aber mit Sicherheit allen Beteiligten bewusst. Die Aufräumarbeiten dienten somit nicht nur der Verschönerung des Dorfes, sondern waren auch demonstrativer politischer Akt zu einem Zeitpunkt, als die DDR-Grenzbefestigungen massiv ausgebaut wurden und man das in Sichtweite jenseits der Werra gelegene Großburschla zum Sperrgebiet erklärte. So waren wie in Westerheim auch in Altenburschla die Arbeiten, die im Dorf für den Wettbewerb durchgeführt wurden, an konkrete his-

61 Ebd. 62 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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torische Gegebenheiten wie den Grenzbau gekoppelt. Die Einordnung des eigenen Dorfes in die politische Landschaft und in eine Ästhetik des Wiederaufbaus war für die dörfliche Identität – zumindest soweit sie im Rahmen des Dorfwettbewerbs zu beobachten ist – wesentlich wichtiger als die Selbstverortung in regionale ethnokulturelle Zusammenhänge. In den Jahren 1960 und 1961 wurde die Arbeit in Altenburschla fortgesetzt. Man riss die Dorfschule am Anger ab und ersetzte sie durch eine kleine Grünanlage »mit Sträuchern und Rosen«, über die nun sowohl Kirche als auch die danebenliegende Dorfschenke erreicht werden konnten.63 Bei der Gestaltung dieser Anlage hatte man die Ratschläge des Kreisgartenbau-Oberinspektors sowie des Landwirtschaftsrates vom hiesigen Kreislandwirtschaftsamt eingeholt. Die Dorfbewohner nahmen sich die Anweisungen der Berater offensichtlich zu Herzen. So pflanzten die Verantwortlichen eine Vielzahl weiterer Bäume und Hecken an, um ganz im Sinne von Landschaftsgestaltern wie Wiepking »den ›Baumschleier‹ zu vervollständigen und den Windschutz zu verstärken.«64 Die meisten Arbeiten führten zehn Jugendliche der Landjugend durch, bei größeren Arbeiten wirkte aber anscheinend ein großer Teil der Gemeinde mit, wobei sich, laut Lehrer Adolf Weber, besonders die Landfrauen hervortaten. Am Ende seines Berichts konnte der Dorflehrer mit einer Reihe beeindruckender Zahlen aufwarten, die die Leistung der Dorfgemeinschaft verdeutlichen sollten. So wurden nach seinen Angaben »ca. 17.000 Stunden an freiwilliger Arbeit geleistet« sowie »52.000 DM an privaten Mitteln zur Renovierung der Häuser und Hoflagen« aufgewendet.65 In knapp drei Jahren wurden unter anderem »19 öffentliche Anlagen erstellt, 380 Blumenkästen und Schalen angebracht, 220 Sträucher, 400 Rosen, 8 Hecken und lebende Zäune, 281 Bäume und Baumreihen gepflanzt«.66 Der Erfolg blieb nicht aus. Altenburschla bekam 1961 eine Goldplakette zuerkannt. Mit 89,3 Punkten von 100 möglichen hatte die Gemeinde die höchste Punktzahl aller Dörfer, die am Bundeswettbewerb teilgenommen hatten.67 »Die geistige und materielle Leistung aller Bürger von Altenburschla verdient a­ ller höchste Anerkennung«, schwärmten die Verfasser des Abschlussberichts zum ersten Dorfwettbewerb.68 Das Dorf musste in den Augen der Preisrichter als 63 Ebd. 64 Ebd. 65 Ebd. 66 Ebd. 67 Normalerweise ist es leider nicht mehr möglich, die genauen Punktezahlen zu eruieren. Die Punktezahl für Altenburschla wurde allerdings handschriftlich auf dem Abschlussbericht für den Dorfwettbewerb 1961 im Archiv der DGG vermerkt. Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Abschlussprotokoll des »Bundeswettbewerbs unser Dorf soll schöner werden – unser Dorf in Grün und Blumen«, 12. 68 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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eines der Musterbeispiele für den Wettbewerb gelten, hatte es doch alle Anforderungen der Bewertungskommission erfüllt: Als Dorfgemeinschaft zusammengewirkt, die richtigen Bäume gepflanzt, Sauberkeit und Ordnung geschaffen, mit Beratern zusammengearbeitet – kurzum Verantwortung für die Gestaltung der eigenen Heimat übernommen und dies auch noch im Rahmen der richtigen Ästhetik. Die zentrale Leistung der Bewohner von Altenburschla bestand allerdings nicht im fleißigen Arbeiten am schönen Dorf, sondern war tatsächlich eine geistige: Die Dorfbewohner oder zumindest diejenigen, die sich wie Karl Montag massiv für den Dorfwettbewerb engagierten, waren in der Lage gewesen, einen Perspektivwechsel zu vollziehen, der es ihnen ermöglichte, ihr Dorf von außen zu betrachten. Die Dorfwelt Altenburschlas war nicht geprägt vom selbstgenügsamen Blick seiner »Insassen« nach innen und entsprach nicht der »Welt der abgeschotteten in sich ruhenden und sich selber genügenden, agrarisch geprägten Dörfer und Weiler«, die Wolfram Pyta noch für die 20er-Jahre beschrieb.69 Hier hatte man gelernt, die eigene Heimat mit den Augen derjenigen zu sehen, die von außen kamen – wie die Nachbardörfer, die Altenburschla als »­Schlamperode« bezeichneten. Oder eben aus der Perspektive jener, die von jenseits der Grenze nun auf einen kleinen Park blickten, statt auf das »Stinkgässchen«. Sowie von der westdeutschen Seite aus der Perspektive jener Besucher, die nun auf einer schönen Parkbank sitzend den Blick auf die Grenze inklusive Flusssperre, Minengürtel, Stacheldraht und später auch Mauer werfen konnten. Dass das »Stinkgässchen« einstmals aus gutem Grund hinter den Höfen angelegt worden war, wo die Werra, solange man keine Kanalisation besaß, den Schmutz abtransportiert hatte und wo man vor allem von der Dorfmitte her den Müll weder sehen noch riechen konnte, spielte nun keine Rolle mehr – mit der Kanalisation hatte es seine ausgewiesene Funktion verloren. Auch der »Baumschleier«, der das Dorf so schön in die Landschaft einfügte und den Preisrichtern ausnehmend gut gefiel, hatte einen ästhetischen Hintergrund: für den, der von außerhalb auf das Dorf blickte. In diesem Fall konnten Besucher durch die umliegenden Berge sogar aus der Vogelperspektive wahrnehmen, was sonst nur mit planerischer Fantasie möglich war. Dabei wusste der Dorflehrer sehr genau, warum und für wen sich das Dorf so herausgeputzt hatte. »Es ging […] darum, allen Betrachtern einen freundlichen, gepflegten, schmucken Anblick zu bieten. Das um so mehr, als täglich Besucher ins Dorf kommen, manchmal Hunderte, um das Dorf an der Zonengrenze zu besichtigen.«70 Die Dorfbewohner brachten mit ihren Umbauarbeiten keine tief in ihnen verwurzelten Gefühle ethnokultureller Zugehörigkeit oder 69 Pyta, Dorfgemeinschaft, 35. 70 Gemeindearchiv Altenburschla, Ordner Dorfwettbewerb, Unser Dorf soll schöner werden, 1. August. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Heimatliebe zum Ausdruck, sondern wollten die Erwartungen der Besucher – zu denen letztlich auch die Bundesbewertungskommission gehörte  – an eine ländliche Umgebung erfüllen. Es überrascht daher auch nicht, dass die Hauptantreiber für den Wettbewerb nicht aus dem Kreis der bäuerlichen Bevölkerung des Dorfes kamen, sondern den nichtbäuerlichen Eliten des Dorfes entstammten, wie der Dorflehrer oder Karl Montag, der die Poststelle und den Kramer­ laden im Dorf leitete. In Altenburschla hatte man begriffen, dass es im Rahmen des Dorfwett­ bewerbs nur in zweiter Linie darum ging, sich selbst eine neue Heimat zu formen. In erster Linie bestand die zentrale Motivation darin, die Erwartungen der Besucher des Dorfes zu erfüllen und ihnen ein heimatliches Gefühl zu vermitteln. Angesichts der stets präsenten innerdeutschen Grenze konnte dies auch stellvertretend für ein bundesrepublikanisches Heimatgefühl stehen, was es den Dorfbewohnern sicherlich leichter machte, sich auf ihre Aufgabe einzulassen. Der Lohn dafür waren neben Goldplaketten auch Besucher, die Geld in Dorfschenke und Pensionen des Ortes brachten, sowie – wie später noch weiter ausgeführt wird71 – eine gesellschaftliche und politische Anerkennung, die sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckte.

2.2.3 Niederdreisbach: Stahlhütte im Dorf Gänzlich anders geartet war und ist hingegen die Gemeinde Niederdreisbach. Für das im rheinland-pfälzischen Westerwald gelegene Dorf stellte das Ende des lokalen Erzabbaus sowie die Schließung der Niederdreisbacher Hütte das entscheidende Moment der Veränderung während der 60er- und 70er-Jahre dar. Die Hütte, die seit 1728 bestanden hatte, wurde im Jahr 1963 geschlossen und abgerissen. Sie war eine der letzten mittelständischen Hütten gewesen, die die jahrhundertealte Tradition der Eisengewinnung im Westerwald fortgeführt hatte. Allerdings wurde in Niederdreisbach auf dem Gelände der Hütte recht schnell ein Betonwerk errichtet, das bereits 1964 die Produktion aufnahm. 1978 arbeiteten dort 150 Personen.72 Deshalb gingen auch die Einwohnerzahl in Niederdreisbach nicht zurück. Nach dem Krieg war sie von 390 im Jahr 1939 auf 591 angestiegen, bis 1974 folgte eine weitere Steigung auf 930 Personen. Von den 436 Arbeitnehmern in Niederdreisbach mussten 1974 nur 162 pendeln, immerhin 226 Niederdreisbacher fanden im produzierenden Gewerbe vor Ort ihr Auskommen. In der Land- und Forstwirtschaft war 1974 kein Niederdreisbacher mehr beschäftigt. Die Landwirtschaft hatte allerdings nie eine besondere Rolle

71 Vgl. Kapitel IV.3 Altenburschla wird eingemeindet 72 Helmut Krämer, Niederdreisbach im Wandel der Zeit. Horb am Neckar 1989, 322. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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in dem kleinen Ort gespielt, selbst 1961 waren nur neun Einwohner im primären Sektor tätig gewesen.73 Niederdreisbach nahm in diesem Jahr am Bundeswettbewerb teil. Allerdings bekam das Dorf nur 65,6 Punkte zuerkannt und musste sich deshalb mit einem der hinteren Plätze und einer einfachen Bronzeplakette zufriedengeben. Zwar war, wie die Bundesbewertungskommission feststellte, die Sauberkeit und Ordnung im Orte vorbildlich, dafür mangelte es an anderer Stelle deutlich.74 Ein Wirtschaftsplan war vorhanden, aber weder Bauleitplan noch Grünplan lagen vor. So wurde unter der Führung des Bürgermeisters die alte Allee abgeholzt und sich nicht einmal die Mühe gemacht, neue Bäume anstelle der alten zu pflanzen. Mit der Begrünung hatte man es in Niederdreisbach insgesamt nicht so genau genommen. Die Neubausiedelung, die ohnehin mangelhaft an den Ort angebunden war, hatte man ebenfalls unzureichend mit Bepflanzungen versehen und auch dem neuen Industriegelände fehlte ein schöner Baumschleier. Außerdem hatte sich Niederdreisbach offensichtlich ein Übermaß an Kitsch zuschulden kommen lassen – »die zum Teil aufwendige und sehr verschieden­ artige Umzäunung der einzelnen Vorgärten geht über das erforderliche Maß hinaus«, wie im Abschlussbericht nüchtern festgestellt wurde.75 Dass der Ort nie besonders stark durch die Landwirtschaft geprägt war, sondern vorwiegend durch die Eisenverhüttung, die im Westerwald eine große Tradition hatte, mag erklären, warum die Begrünung nicht glückte. Die Niederdreisbacher Hütte, erlebte wie viele kleine Hütten im Siegerland auch ab den 1860er-Jahren einen langen Zeitraum der Prosperität. Sie etablierte sich als Hersteller von Spezialstahlen; getragen wurde diese Entwicklung meist von einzelnen Ingenieuren, die als Leiter der Stahlwerke eingestellt waren und dafür zu sorgen hatten, dass die kleinen Hütten innovative Spezialstahle herstellten. Im Fall von Niederdreisbach war Ingenieur Herrmann Thaler, der bereits 1917 in die Hütte eintrat, der wichtigste Innovator. Er erfand Spezialeisen und Stahle, wie etwa Nikrofen, eine Nickel-Chrom-Legierung, die der Hütte lange das Überleben sicherte. Im Jahr 1960 verstarb Thaler; zu seinem Tod vermerkte die Dorfchronik: »1960. Der 4. Februar ist der Todestag von Dr. Thaler – und damit auch das Todesurteil über die Niederdreisbacher Hütte gefällt.«76 Die kleine Hütte war ein frühes Opfer des sich bereits am Horizont abzeichnenden Struktur­ wandels der Stahlindustrie. Niederdreisbach allerdings traf es nicht so hart wie später das Ruhrgebiet. Man hatte sich rechtzeitig um einen Nachfolgebetrieb 73 Gemeindearchiv Niederdreisbach, Bundeswettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« 1975. Gemeinde Niederdreisbach, 5.  74 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Abschlussprotokoll des »Bundeswett­ bewerbs unser Dorf soll schöner werden – unser Dorf in Grün und Blumen«, 3. 75 Ebd. 76 Krämer, Niederdreisbach, 314. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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gekümmert. Nach der Stilllegung der Hütte nahm am 1. April 1962 die Firma NH-Beton die Arbeit auf. Auch in Niederdreisbach war also die Teilnahme am Dorfwettbewerb mit einer einschneidenden Umwälzung in der Gemeinde verbunden. Die Einwohner, von denen ein Großteil in der Hütte gearbeitet hatte, waren durch deren Schließung dazu gezwungen, sich umzuorientieren. Die gesamte Gemeinde suchte nach einem neuen Selbstverständnis, das bisher auf den Traditionen des Bergbaus im Siegerland und dem Bewusstsein, ein Teil  der industriellen Moderne zu sein, beruht hatte. Im Jahr 1963 wurde nicht nur das Ende der industriellen Moderne in Niederdreisbach eingeläutet, sondern durch den Wettbewerb auch die Bestätigung erlangt, dass man den Strukturwandel bewältigen und zu neuer Identität finden könne. Dieses neue Selbstverständnis wurde in den nächsten Jahren weiterentwickelt – am dessen Ende stand nicht mehr die Industriegemeinde Niederdreisbach, sondern die Wohngemeinde Niederdreisbach.77

2.3 Selbstvergewisserung und Anpassung Nach dem ersten Wettbewerb galt es für die Bundesbewertungskommission, ein Fazit aus dem ersten Wettbewerb zu ziehen. Es sollte Gerhard Olschowy und besonders dem Bundespräsidenten Heinrich Lübke bei seiner Rede am Vorabend der Verleihung der Siegerplaketten in Bad Godesberg überlassen bleiben, die Ziele des Wettbewerbs und seine allgemeine Bedeutung öffentlich zu erläutern und einzuordnen. Intern mussten sich die Organisatoren des Wettbewerbs mit erster Kritik auseinandersetzen.

2.3.1 Fazit der Bundesbewertungskommission 1961 Die Bewertungskommission des ersten Bundeswettbewerbs war mit ihren Ergebnissen äußerst zufrieden. Im Abschlussprotoll zum Wettbewerb am 12. Oktober 1961 stellte sie nach fast vierwöchiger Bereisung fest: »Der Wettbewerb war ein voller Erfolg. Die Ergebnisse übersteigen das Erwartete in allen Dörfern bei weitem.«78 Besonders glücklich war man darüber, dass die »hohen Leistungen an Ordnung und Schönheit in den Gemeinden« von den Dorf­bewohnern selbst erbracht und »nicht durch besondere Geldzuwendungen von Behörden« stimuliert worden waren. Benannt wurden auch diejenigen Gruppen im 77 Vgl Kapitel IV.5 78 Archiv der DGG, Ordner Abschlussberichte, Abschlussprotokoll des Bundeswett­ bewerbs »Unser Dorf soll schöner werden – unser Dorf in Grün und Blumen«, 2. Auch die folgenden Zitate auf der Seite siehe dort. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Dorf, die sich bei der Umsetzung des Dorfwettbewerbs verdient gemacht hatten: »Schuljugend, Landjugend und vor allem die Landfrauen« hätten sich »mit besonderem Eifer und großer Begeisterung der Dorfverschönerung angenommen«, hieß es im Bericht. Hervorgehoben wurde auch die »außerordentliche Stärkung und Belebung« des »Gemeinschaftsgefühls«, die durch den Dorfwettbewerb herbeigeführt worden sei. Die dörflichen Vereine hätten sich in seinen Dienst gestellt und sogar Gegensätze zwischen Vertriebenen und Einheimischen seien »durch die Arbeit an gemeinsamen Aufgaben überbrückt worden«, weshalb sie in den teilnehmenden Dörfern »nicht mehr festgestellt werden konnten«. Nur in zwei Punkten ergaben sich für die Bundesbewertungskommission Einschränkungen. So war die »beratende Hilfe von Fachleuten«, etwa aus den lokalen Landwirtschaftsämtern (Obstbauberater) oder aus den unteren Naturschutzbehörden (Vogelschutzbeauftragter), zwar »oft spürbar« und wurde von den Dörfern, wenn vorhanden, auch angenommen. Allerdings war sie eben noch keine Selbstverständlichkeit und nicht allgemein durchgesetzt. Abschließend konstatierte die Bundesbewertungskommission: »Als Fazit muss grundsätzlich festgestellt werden, daß alle am Bundeswettbewerb beteiligten Dorfgemeinden großen Eifer an [sic!] der Neuordnung und Verschönerung ihrer ländlichen Umwelt, eine uneigennützige Bereitschaft zur gemeinschaftlichen Arbeit und eine klare Erkenntnis des Wertes des Lebens auf dem Lande be­ wiesen haben. Der Wettbewerb zeigt eindringlich, welche gesunde Kraft das Landvolk als Fundament unseres Staates auch heute darstellt.«79 Wesentliche Prämissen, die bei der Konzipierung des Wettbewerbs eine große Rolle gespielt hatten, schienen sich damit aus der Sicht der Bundesbewertungskommission zu bestätigen. 1. »Das Landvolk«. Man vermied zwar den Begriff Bauern, knüpfte aber offensichtlich an die »Bauernideologie« von Wiepking und Olschowy an, auch wenn man die entsprechenden Begrifflichkeiten vermied. Die Landbevölkerung galt den Preisrichtern als eine der tragenden Kräfte des Staates und hatte einen positiven, »gesundenden« Einfluss auf die Gesellschaft. 2. Veränderungsprozesse und Wandlungen erwuchsen im ländlichen Raum nach wie vor aus den Anstrengungen der lokalen Gemeinschaft und nicht aus einem überörtlichen, entpersonalisierten und staatlich forcierten Struktur­ wandel. Sie speisten sich damit aus dem in den Dörfern noch lebendigen Volkstum. Deutlicher Ausdruck dieser Eigenständigkeit der Dorfgemeinschaften war für die Bundesbewertungskommission die Tatsache, dass es praktisch keiner staatlichen Intervention etwa in Form finanzieller Zuwendungen bedurfte,

79 Archiv der DGG, Ordner Abschlussberichte, Abschlussprotokoll des Bundeswett­ bewerbs »Unser Dorf soll schöner werden – unser Dorf in Grün und Blumen«, 3. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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um die von der Bundesbewertungskommission festgestellten Veränderungen zu bewirken. 3. Durch die gemeinsame Arbeit an der »Neuordnung« ihrer Dörfer entstand eine Gemeinschaft, die in hohem Maß integrativ wirkte und Randgruppen wie Jugendliche, Frauen und Vertriebene weit besser einbeziehen konnte als in Dörfern, in denen es den Wettbewerb nicht gab. 4. Der Dorfwettbewerb war als Institution in der Lage, mit äußerst geringem Mittelaufwand alle positiven Kräfte zu wecken und in die richtige Richtung zu lenken. Ein echtes Defizit entdeckte man bei »der Aufstellung von Bauleitplänen und Grünleitplänen« in den Dörfern; diese »erwies sich für alle Gemeinden als notwendig«, war aber eher die Ausnahme denn die Regel. Moderne Methoden des Planens, die eine Rationalisierung und bessere Durchsichtigkeit dörflicher Entwicklung ermöglicht hätten, wurden kaum angenommen. Hier schienen die von Bundesbewertungskommission so gelobte Eigenständigkeit und der enge Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft einer erfolgreichen Implementierung moderner Planungsmethoden im Weg zu stehen. Offensichtlich brauchte man in den Dörfern keine Pläne, da das Versprechen von Rationalität und Transparenz, das mit solchen Plänen einherging, in den »face to face communities« keine Notwendigkeit darstellte und Probleme auf informeller Ebene gelöst wurden.

2.3.2 Ordnung im Dorf Gerhard Olschowy veröffentlichte Mitte Oktober 1962 im Bulletin der Bundes­ regierung einen Artikel, in dem er die Ergebnisse des Bundeswettbewerbs offiziell vorstellte. Er schloss sich dabei den Ergebnissen an, zu denen Hans Ulrich Schmidt und die Bundesbewertungskommission gelangt waren. In einem letzten Abschnitt allerdings ging er über das Fazit der Bundesbewertungskommission hinaus und unternahm den Versuch, den Wettbewerb in ein größeres Konzept zur Neuordnung des ländlichen Raumes einzuordnen. Damit wollte Olschowy offiziell deutlich machen, dass es bei dem Wettbewerb um mehr ging als um die bloße ästhetische Neugestaltung des ländlichen Raumes. Denn der Wettbewerb, so Olschowy, sei über die »bloße Verschönerung« hinaus gewachsen und habe »zu einer tatsächlichen und umfassenden Ordnung im Dorf geführt.«80 Diese zeigte sich für Olschowy zum einen in der Errichtung von Infrastruktur, wie beispielsweise Turnhallen, Sportplätzen, Freibädern, Schul­ plätzen, Dorfangern und Wanderwegen. Zum anderen betonte er erneut die

80 Gerhard Olschowy, Unser Dorf soll schöner werden, in: Bulletin der Bundesregierung, 17.10.1961, Nr. 195, 1843. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Bedeutung des Landschaftsgedankens: Durch den Wettbewerb hätten Schönheit und Ordnung sich bis in den letzten Winkel der Wirtschaftshöfe und über die Dorfgrenzen hinaus in die Landschaft erstreckt. »Aus der Tradition des Bauerngartens« heraus und in »richtiger Beziehung zum Charakter des Hofes, des Dorfes und der Landschaft« seien, so Olschowy, »schöne baumumstandene[n] Bauernhöfe mit blühenden Gärten und durchgrünte und in die Landschaft eingefügte Dörfer« entstanden. Dadurch wurde der »überlieferte Charakter« des Landes erhalten – und nicht durch eine »missverstandene« Übertragung »städtischer Elemente« auf das Dorf zerstört.81 Olschowy verortete damit den Bundeswettbewerb fest in der Wiepking’schen Landschaftsidee. Die Durchsetzung von Ordnung und Schönheit bedeuteten in diesem Sinn vor allem die Aufrechterhaltung bzw. Wiedererrichtung einer überlieferten bäuerlichen Kulturlandschaft, in der sich Ordnung und Schönheit als Produkt einer natürlichen Entwicklung aus den Traditionen lokalen Kulturschaffens (Bauerngärten) wie von selbst ergaben – sofern man nur die Unordnung (das heißt, nicht in eine traditionelle bäuerliche Volkskultur eingebundene, verbreitende städtische Elemente) erfolgreich vom Lande fernhielt. Olschowys Einordnung des Dorfwettbewerbs fiel auf fruchtbaren Boden: Bei der Verleihung der Siegerplaketten in der Beethovenhalle in Bonn Ende Oktober zog Bundespräsident Heinrich Lübke das abschließende Fazit zum ersten Bundeswettbewerb. Dabei griff er sowohl die Gedanken der Bundes­ bewertungskommission als auch Olschowys Einordnung auf. Allerdings setzte er durchaus einige neue Schwerpunkte. In seiner Rede, die vom Fernsehen übertragen wurde, betonte er den positiven Einfluss, den die Landbevölkerung auf die Gesellschaft hätte. Ähnlich wie Olschowy ging es ihm dabei darum, den Wettbewerb in größere Zusammenhänge einzuordnen, um deutlich zu machen, dass der Wettbewerb ein Mittel sei, das nicht nur zu einer »Renaissance, einer Wiedergeburt unseres ländlichen Lebens«82 führen, sondern auch auf größere gesellschaftliche Wandlungsprozesse positiv einwirken könnte, die er als »Vermassung und Nivellierung« durchaus negativ deutete. So stellte Lübke fest: »Es ist erfreulich, festzustellen, daß in unserem Volke auch im Zeitalter der sogenannten Vermassung und der Nivellierung aller Bedürfnisse immer noch Kräfte lebendig sind, denen es um die Gestaltung eines individuellen, auf natürlicher Grundlage aufgebauten Daseins geht.«83 Wichtig war dem Bundespräsidenten dabei, der Jugend Alternativen zu den großen, von ihm konstatierten gesellschaftlichen Trends aufzuzeigen, um so Alternativen, das heißt vor allem westliche beziehungsweise nicht kommunis­ 81 Ebd. 82 Heinrich Lübke, Verschönerung des Landschaftsbildes, in: Bulletin der Bundesregierung, 29.11.1961, Nr. 222, 2083. 83 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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tische Formen der Vergesellschaftung nachhaltig zu verankern.84 Die feste Verbindung von Naturliebe und gemeinschaftlichem Mitteineinander erschien Heinrich Lübke als der geeignete Weg, dieses Ziel zu erreichen. »Darum sollten wir die Jugend in ihrem eindrucksfähigen Alter vor allem zur Pflege des Schönen in der Natur anhalten«85, stellte er in seiner Rede vor den Besuchern der Beethovenhalle86 fest. Dem Wettbewerb Unser Dorf soll schöner werden billigte der Bundespräsident dabei große Bedeutung zu: Nicht nur, dass er zur Beschäftigung mit der Natur auffordere, er entzünde auch die Motivation der Jugend. Lübke war davon überzeugt: »Unsere jungen Menschen wollen nur richtig angesprochen und auf bedeutsame Aufgaben hingelenkt werden.« Die richtige Ansprache war wohl durch den Wettbewerb erfolgt, denn dieser habe viel »Idea­ lismus« und »Opferbereitschaft« bei der Jugend geweckt.87 Lübkes Kritik an der Gegenwart richtete sich dabei nicht  – wie man angesichts der Verwendung kulturkritischer Begrifflichkeiten wie Vermassung hätte erwarten können – gegen die USA. Amerika war ihm auch im Bezug auf den Dorfwettbewerb ein Vorbild. Der zentrale Anknüpfungspunkt bestand für Lübke im Prinzip der Selbsthilfe, das er, ebenso wie die Preisrichter der Bundesbewertungskommission, durch den Dorfwettbewerb in besonderer Weise gefördert sah. In der Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft, ohne dabei »möglichst hohe Forderung« an den Staat zu stellen, sah er ein »demo­k ratisches Ideal«, das die Amerikaner »bei allem Wohlstand« immer wieder verwirklichten.88 Diesen Geist der gemeinschaftlichen Selbsthilfe wollte Lübke, so sehr er die lokale Verschönerung von Dorfplätzen, Friedhöfen, Häuserfronten und Straßen auch lobte, über das engere dörfliche Umfeld hinaus ausgedehnt sehen. Das Prinzip der Selbsthilfe sollte Teil  der Neustrukturierung des ländlichen 84 Wie groß die Angst der Jugendpolitiker in der 50er und 60er Jahren war, die Jugend an die »Kommunisten« zu verlieren, zeigt sich etwa an den Erinnerungen von Heinz ­Westphal. Heinz Westphal, Jugendpolitik in Deutschland 1945–1995, in: Ulrich Herrman, Jugendpolitik in der Nachkriegszeit. Zeitzeugen – Forschungsberichte – Dokumente, Weinheim, München 1993, 21–27.  Vgl. auch: Jürgen Reulecke, Jugend und Jugendpolitik im mentalitäts­ geschichtlichen Kontext der Nachkriegszeit in Westdeutschland. In: Ebd., 75–90. Eine gute Zusammenfassung der jugendpolitischen Diskussion der 50er Jahre findet sich bei: Sebastian Kurme, Halbstarke. Jugendproteste in den 1950er Jahren in Deutschland und den USA. Frankfurt a. M. 2006, 243–263. 85 Ebd. 86 Die Beethovenhalle wurde 1990 als ein Musterbeispiel für organisches Bauen im Gegensatz zu rein funktionsbestimmten Bauten unter Denkmalschutz gestellt. 87 Lübke, Verschönerung, 2083. 88 Ebd. Damit knüpft Lübke, ohne sie genauer zu bezeichnen, an kommunale Utopien in den USA an. Hier wird deutlich, dass demokratische Alternativentwürfe zu einer ordnungsfixierten Moderne, auf der Basis lokaler Gemeinschaften, durchaus kein bundesrepublikanische Phänomen waren, sondern sich unter anderen Vorzeichen auch etwa in den USA finden. Zu religiösen lokalen Utopien in den USA vgl. Robert P. Sutton, Communal Utopias and the American Experience. Religious Communities, 1732–2000. Westport u. a. 2003. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Raumes werden, die Lübke in Programmen wie »Flurbereinigung, Vergrößerung von Bauernstellen, Aussiedlung usw.« verwirklicht sah. Ein übergeordnetes »gemeinsames Planen und Arbeiten« sei der Weg, um die gemeinsamen Ziele zu verwirklichen.89 In seiner Rede ging es Lübke also nicht primär darum, den Dorfwettbewerb und die damit verbundenen Werte von Natur, Gemeinschaft, Selbsthilfe und traditioneller Volkskultur gegen eine Modernisierung, die unter den Schlagworten »Vermassung und Nivellierung« kritisch betrachtet wurde, in Stellung zu bringen. Vielmehr zeigte sich für ihn im Dorfwettbewerb, der Weg zu einer alternativen Moderne90 und die Möglichkeit alte Frontstellungen zwischen Modernisierungskritikern und Befürworten zu überwinden. Alte Schranken galten für Lübke selbst jedenfalls nicht – so sah er die Werte von Gemeinschaft und Selbsthilfe durchaus im Einklang mit einem modernen Gesellschaftsentwurf nach US-amerikanischem Vorbild. In der »Liebe zur Natur« erkannte er keine besondere Gabe des deutschen Volkes, sondern eine für alle Menschen gültige anthropologische Konstante, die »uns Menschen vom Schöpfer ein­gepflanzt worden« sei und die es bei allen Entwicklungen zu beachten gelte.91 Aus dieser Perspektive war die Einbindung lokaler Gemeinschaften und die Berücksichtigung der natürlichen Umwelt bei größeren staatlichen Unternehmungen wie der Flurbereinigung auch keine Abweichung von einem »normalen« Modernisierungsprozess im Sinne einer alternativen Modernisierung, sondern für den Bundespräsidenten ein notwendiger Schritt, um auf dem Weg zu einer zeit­ gemäßen Neuordnung des ländlichen Raumes voranzukommen. Der Unterschied, der sich in der Bewertung des Wettbewerbs zwischen der Rede von Heinrich Lübke und dem Artikel von Gerhard Olschowy ergibt, ist vor allem einer der unterschiedlichen Kontextualisierung. Während Olschowy den Dorfwettbewerb fest in den Ideen der deutschen Landschaftsgestaltung der letzten siebzig Jahre verankerte, ordnete der Bundespräsident den Wettbewerb in das Umfeld demokratischer grassroot movements nach US-amerika­nischem Vorbild ein, die für ihn eine logische Ergänzung des in der Bundesrepublik stattfindenden Modernisierungsprozesses waren. In der Rede von Heinrich Lübke wird deutlich, dass sich die Diskussion um die Ausgestaltung des länd­lichen Raumes in der Bundesrepublik neu zu ordnen begann. Den Landschaftsgestaltern wie Gerhard Olschowy ging es bei ihren Bemühungen vor 89 Lübke, Verschönerung, 2083. 90 Gunther Mai versteht unter alternativer Moderne den Versuch »einer Versöhnung technischer Modernisierung mit ganzheitlichen Sozialformen«, der auf Kosten einer Modernisierung des agrarischen Sektors durchgeführt wurde. Auf die Bedeutung von Natur und Landschaft als Grundlage für die »ganzheitlichen Sozialformen« geht Mai in seinem an­ sonsten extrem kenntnisreichen Aufsatz leider nur bedingt ein. Mai, Die Agrarische Tran­ sition, 505. 91 Lübke, Verschönerung, 2083. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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allem darum, mithilfe des Dorfwettbewerbs lokale kulturelle Traditionen in den ländlichen Gebieten der Bundesrepublik aufrechtzuerhalten oder zu erneuern. Die Gefahren, die in ihren Augen aus der »Entbäuerlichung« und »Deagrarisierung« der ländlichen Räume besonders für die Natur und die lokalen Gemeinschaften in den Dörfern entstanden, sollten durch die Förderung kultureller Praktiken, deren Wirksamkeit sich in der Vergangenheit erwiesen hatte, ausgeräumt werden. Heinrich Lübke war dieser Standpunkt nicht fremd, wie seine kritischen Bemerkungen zur Vermassung und der Nivellierung aller Bedürfnisse zeigen. Geschickt umging er allerdings die kulturkritischen Implikationen dieser Betrachtung des Dorfwettbewerbs. Er verstand es, durch das Andocken an amerikanische Traditionen der grassroot movements den Dorfwettbewerb nicht als einen Beitrag zum Erhalt genuin deutscher Bauernkultur zu beschreiben, sondern als ein Mittel zur Festigung urdemokratischer Strukturen darzustellen. Symptomatisch für die Loslösung Lübkes aus den Denktraditionen der Landschaftsgestalter war die Verwendung des Landschaftsbegriffs in seiner Rede – dieser tauchte nämlich nicht auf. Bezeichnenderweise wurde nur der Begriff des »Landschaftsbilds« genutzt und sogar an prominenter Stelle in die Überschrift gesetzt. Die Verwendung des Landschaftsbilds betonte jedoch den hohen symbolischen, eben »bildlichen« Gehalt, welcher der Landschaft innewohnte, marginalisierte gleichzeitig aber den von den Landschaftsgestaltern in der Tradition Wiepkings angenommen realen Einfluss auf das Verhalten und soziale Gefüge der Menschen, die in dieser Landschaft lebten. Das Landschaftsbild bei Lübke stellte nicht jenen unmittelbaren Ausdruck deutscher Kultur und deutschen Wesens dar, wie etwa für Wiepking noch »die Landschaft«, sondern eben nur eine bildhafte Repräsentation, die der Interpretation und Gestaltung offen stand. Genau aus diesen Gründen schätzte etwa Gerhard Olschowy den Begriff Landschaftsbild ganz und gar nicht. In seiner Kommentierung des geplanten Bundesbaugesetzes für das Bundeslandwirtschaftsministerium plädierte er für eine Ersetzung des Begriffs »Landschaftsbild« durch den Begriff »Landschaft«. Als Grund hierfür gab er an: »Der Begriff Landschaftsbild könnte rein ästhetisch verstanden werden, obwohl andere Belange der Landschaft wichtiger sein können.«92

2.3.3 Kein Blumenschmuckwettbewerb Für die Organisatoren und Vordenker des Dorfwettbewerbs stellte die Reduzierung ihrer Bemühungen um die Landschaftspflege auf eine rein ästhetische Ebene durchaus auch ein praktisches Problem dar. Dies führte beispielsweise 92 BA, B 116, Akt. 9430, 03.01.1958. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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dazu, dass die Finanzierung des Wettbewerbs aus Mitteln des Bundeslandwirtschaftsministeriums durch den Bundesrechnungshof infrage gestellt wurde, da dieser den Wettbewerb nun als reine Verschönerungsaktion begriff. Das Bundeslandwirtschaftsministerium bezog die Finanzierungshilfen, die es der DGG zur Durchführung des Bundeswettbewerbs zur Verfügung stellte, aus den Töpfen zur Förderung der Landschaftspflege. Weil für den Bundesrechungshof diese Mittelzuweisung nicht nachvollziehbar war, äußerte er am Ende des Jahres 1961 deutliche Kritik: Der Bundesrechnungshof hatte am 20.  Dezember 1961 die Vergabe von 26.135 DM an die DGG aus den Mittel zur Förderung der Landschaftspflege beanstandet, indem er feststellte: Der »mit Bundes­ mitteln finanzierte Wettbewerb ›Unser Dorf soll schöner werden, unser Dorf in Grün und Blumen‹ – steht mit Zweckbestimmung der Ausgabebewilligung im Haushaltsplan nicht im Einklang.«93 Diese Zweckbestimmung sah vor, die Mittel nur zur Durchführung von Landschaftspflege einzusetzen. Darunter waren »ordnende, aufbauende und gestaltende [Unterstreichung i. O.] Maßnahmen in einem Landschaftsraum mit dem Ziel zu verstehen, den Naturhaushalt mit seinen Faktoren Boden, Wasser, Klima und Vegetation nachhaltig leistungsfähig zu erhalten und zu entwickeln.«94 Für den Bundesrechnungshof war nicht ersichtlich, wie der Bundeswettbewerb diese Ziele erreichen sollte, zumal die eingesetzten Mittel vor allem zur Deckung der Reisekosten für die Bundesbewertungskommission und zur Ausrichtung der Verleihung der Siegerplaketten in der Beethovenhalle in Bonn eingesetzt wurden. Er machte deutlich, er würde von einer Weiterverfolgung »dieses Falles« nur deshalb absehen, weil ein eine nachträgliche Umfinanzierung kaum durchführbar sei.95 Aufgrund dieser Vorwürfe sah sich das Bundeslandwirtschaftsministerium zu einer ausführlichen Entgegnung gezwungen, die von Gerhard Olschowy verfasst wurde. Weil es Olschowy darum ging, den Dorfwettbewerb in größere Zusammenhänge der Neuordnung des ländlichen Raumes einzubetten und die Notwendigkeit des Wettbewerbs für die Landschaftspflege zu verdeutlichen, versuchte er erneut, die übergeordnete Bedeutung des Wettbewerbs, der das Ziel habe, »den Lebensraum für den bäuerlichen Menschen zu verbessern, sein Heimatgefühl zu stärken und der Landflucht zu begegnen«, zu erklären.96 Er wandte sich gegen den Vorwurf, dass es sich bei Unser Dorf soll schöner werden um einen »sogenannten Blumenschmuckwettbewerb«97 handeln würde.

93 BA, B 116, Akt. 10839, 12.01.1962. Das erste Schreiben, mit den oben genannten Vorwürfen, das den Akten nur als Anhang im Brief vom 12.01.1962 beiliegt, wurde am 20.12.1961 versendet. 94 BA, B 116, Akt. 10839, 12.01.1962. 95 Ebd. 96 Ebd. 97 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Um das Ziel der Verbesserung des Lebensraums für den bäuerlichen Menschen zu erreichen, stehe vielmehr das »Grün« im Vordergrund, der Blumenschmuck wäre »demgegenüber von untergeordneter Bedeutung«.98 Weiter betonte Olschowy, die Verschönerung des Dorfes sei natürlich auch Landschaftspflege, da »das Dorf, der Weiler und auch der Einzelhof […] integrierende Bestandteile der bäuerlichen Kulturlandschaft« wären. Daher müsse die Begrünung des Dorfes durch »die Anlage von öffentlichen Grünflächen, die Anlage von Schattenbäumen an Dungstätten und Brunnen, von Gehölzen an Straßen, Wegen und Gewässern, von Schutzpflanzungen an Bauerngärten und Obstanlagen« als »Maßnahmen der Landschaftspflege« verstanden werden, weil das Dorf Teil der bäuerlichen Kulturlandschaft sei. Die Verschönerung des Dorfes und damit der Landschaft stellte einen sinnvollen Weg zur Erreichung der vorgegebenen Ziele dar, dies hatte nach Olschowys Ansicht der Wettbewerb definitiv gezeigt. Zur Bestätigung dieser Einschätzung fügte er zwei Bulletins der Bundesregierung bei, die die Rede des Bundespräsidenten und eine kurze Zusammenfassung des Abschlussfazits der Bundesbewertungskommission enthielten. Geradezu verärgert äußerte sich Olschowy darüber, dass der Bundesrechnungshof die großen Eigenleistungen in den Dörfern sowie die beträchtlichen Leistungen der Bundesländer nicht anerkannte. Er betonte, die relativ geringen Mittel des Bundes hätten ein Vielfaches an Investitionen ausgelöst. Deshalb stünden »den Bundesmitteln in mehr als ausreichendem Maße Leistungen der anderen beteiligten oder interessierten Stellen gegenüber.«99 Die Reduzierung des Dorfwettbewerbs auf einen rein ästhetisch zu verstehenden »Blumenschmuckwettbewerb« stellte für die Veranstalter des Bundeswettbewerbs eines der größten Probleme bei der Durchsetzung ihrer weitreichenden Ziele dar  – nicht zuletzt, weil damit auch die hohen Ansprüche der Landschaftsgestaltung auf rein gärtnerische Verschönerungsaktionen verengt wurden. Der Referatsleiter Gartenbau im Bundeslandwirtschaftsministerium Herbert Klinkmann, eigentlich ein großer Befürworter des Wettbewerbs und Mitglied der Bundesbewertungskommission, meinte etwa, man habe aus dem Wettbewerb zunächst einen »Blumenschmuckwettbewerb« gemacht was ein, »in geistiger Hinsicht fast abenteuerliches Unternehmen« gewesen sei.100 Deshalb mussten die Ideen, die Olschowy dem Bundesrechnungshof dargelegt hatte, insgesamt deutlicher herausgearbeitet werden, um so weitere Missverständnisse für den nächsten Wettbewerb, der 1963 stattfinden sollte, zu verhindern. Schon beim nächsten Treffen zwischen den zuständigen Referenten des 98 Ebd. 99 Ebd. 100 Herbert Klinkmann, Die Richtlinien für den Wettbewerb 1967, in: Bundesanstalt für Vegetationskunde (Hrsg.), Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Ausgabe 3, 1968, 49. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Der Dorfwettbewerb 1961–1963

Bundeslandwirtschaftsministeriums und der Landwirtschaftsministerien der Bundesländer sowie Vertretern der DGG in Bonn machte man sich daran, dem Vorwurf des »Blumenschmuckwettbewerbs« zu begegnen.

2.3.4 Überarbeitung des Erfolgsmodells 1962 Am 2. März 1962 trafen sich die für den Bundeswettbewerb Unser Dorf soll schö­ ner werden zuständigen Referenten der Bundesländer sowie der Generalsekretär der DGG, Horst Hammler, und der Vorsitzende der Bundesprüfungskommission, Gartenbaudirektor Hans Ulrich Schmidt, im Bundeslandwirtschafts­ ministerium zu einem Arbeitstreffen. Als Vertreter des Bundesministeriums waren Gerhard Olschowy sowie der Ministerialrat Herbert Klinkmann und der Oberregierungsrat Gebbers anwesend. Nach den Erfahrungen des ersten Wettbewerbs war man zusammengekommen, um Schlussfolgerungen zu ziehen und zu überlegen, in welche Richtung er weiterentwickelt werden konnte. Dabei deuteten sich bereits programmatische Neuansätze an, die den Wettbewerb in den nächsten Jahren prägen sollten. Besonders wichtig war es den Anwesenden nach den Erfahrungen mit dem ersten Wettbewerb, nach außen zu kommunizieren, dass es sich bei dem Bundeswettbewerb »um keinen sogenannten Blumenschmuckwettbewerb handelt[e].«101 Aus diesem Grund wurde beschlossen, den Titel des ersten Wettbewerbs, der Unser Dorf soll schöner wer­ den. Unser Dorf in Grün in Blumen gelautet hatte, verkürzt werden und der Zusatz Unser Dorf in Grün und Blumen in Zukunft entfallen sollte. Die zweite Schlussfolgerung, die man aus den bisherigen Erfahrungen zog, zielte darauf ab, Aspekte der gemeinschaftlichen Leistungen innerhalb des Dorfes stärker in den Vordergrund zu stellen. Daher hob das Gremium die bisherige Trennung von »öffentlichen« und »gemeinschaftlichen« Aufgaben bei den Bewertungs­ kriterien auf und beschloss, diesen Bereich in Zukunft nur noch unter der Überschrift »gemeinschaftliche« Aufgaben zu bewerten.102 Dadurch sollte – ganz im Sinne der vom Bundespräsidenten gelobten Selbsthilfeleistungen der Gemeinden – der gemeinschaftliche Charakter des Zusammenlebens im Dorf, in dem öffentliche Aufgaben stets nicht durch staatliche Maßnahmen gelöst wurden, stärker betont werden. Nach wie vor war das dörfliche Grün von großer Bedeutung. Auch wurden weiterhin die Lage des Dorfes in der Landschaft und die Ausgestaltung des öffentlich Raumes sowie privater Gärten mit Pflanzen mit mehr Punkten bedacht, als die bauliche Ausgestaltung des Dorfes. So konnte sich der Referent aus Rheinland-Pfalz mit seiner Forderung nach einer stärkeren Berück­sichtigung 101 BA, B 116, Akt. 10840, 02.03.1962, 9. 102 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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von baulichen Maßnahmen nicht durchsetzen. Der Wunsch des Saarlands, die Teilnahmeberechtigung auf Dörfer mit bis zu 5.000 Einwohnern auszudehnen, fand ebenfalls kein Gehör. Erfolgreich hingegen war Nordrhein-Westfalen mit seiner Forderung, Gemeindeteilen, sofern diese über eine klar abgegrenzte Dorfstruktur verfügten, die Teilnahme am Dorfwettbewerb zu ermöglichen, selbst wenn die Gesamtgemeinde über 3.000 Einwohner habe. Trotz dieser Nachbesserungen war man sich aber insgesamt einig darüber, dass der erste Dorfwettbewerb ein großer Erfolg gewesen sei. Und da bei der Durchführung des ersten Wettbewerbs noch nicht festgestanden hatte, ob und wann er wiederholt werden würde, beschloss man, Unser Dorf soll schöner werden in Zukunft regelmäßig im Zwei-Jahres-Turnus durchzuführen. Als ein Jahr später im März 1963 in Bonn die Vorbereitungssitzung der Bundesbewertungskommission für den zweiten Bundeswettbewerb stattfand, konnten ihre Vertreter feststellen, dass die »Durchführung eines umfassenden Bundeswettbewerbs im Jahre 1963 gesichert« sei.103 Allerdings beschloss die Kommission einige weitreichende Änderungen, die sich klar aus den Erfahrungen des ersten Wettbewerbs speisten. Die zukunftsweisendste Anpassung war wohl, die Einigung der Kommission, den Wettbewerb stärker in ordnungs­ politische Bemühungen zur »Strukturwandlung des Dorfes« einzubinden, indem man die lokale Implementierung aller Arten von Plänen, »Flächennutzungsplan, Bauleitplan, Landschaftsplan, Flurbereinigung« bei der Bewertung stärker berücksichtigen wollte.104 Beim ersten Wettbewerb waren hier Defizite aufgefallen, die nun beseitigt werden sollten. Dies war einer der ersten Schritte hin zu einer die Zukunft planenden Modernisierung, die den Wettbewerb die nächsten Jahre bestimmen sollte. Zudem sollte die Bürgerbeteiligung am Wettbewerb weiter voran getrieben werden. Deshalb wurde die Mitwirkung der örtlichen Vereine beim Dorfwettbewerb und vor allem der Landfrauen, deren Mitarbeit beim Dorfwettbewerb als äußerst wichtig angesehen wurde, gestärkt. Dazu bat man das Kommis­ sionsmitglied Luise Purps, die Präsidentin der Deutschen Landfrauen-Verbände, einen Aufruf zur Beteiligung der Verbände zu veranlassen, während Graf Lennart Bernadotte mit dem Präsidenten des Sportbundes sprechen sollte. Ein Großteil der Teilnehmer der Bewertungskommission war bei der Organisation des ersten Wettbewerbs 1961 noch nicht beteiligt gewesen und gehörte 1963 zum ersten Mal der Kommission an. Die einzigen personellen Kontinuitäten in dem Gremium stellten neben dem Vorsitzenden Hans Ulrich Schmidt der Generalsekretär der DGG, Horst Hammler und Gerhard Olschowy dar. Auch neue Institutionen waren hinzugekommen. In der Kommission, die sich im September 1960 getroffen hatte, dominierten noch die Vertreter des Bundes­ 103 Archiv der DGG, Lose Akten 1963, 12.03.1963, 3. 104 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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landwirtschaftsministeriums, der DGG und frei schaffende Landschaftsgestalter, die durch zwei Vertreter der Landwirtschaft ergänzt worden waren.105 Im März 1963 war die Bundesprüfungskommission zwar nach wie vor mit Vertretern der DGG und des Landwirtschaftsministeriums besetzt, die Bauernschaft allerdings war nur noch durch Luise Purps vertreten. Der Wunsch nach einer verstärkten Verankerung des Wettbewerbs auf der lokalen Ebene zeigte sich in der Aufnahme von Verbandsvertretern der Gemeinden in die Bundes­ bewertungskommission. Als Vertreter des Deutschen Gemeindetags kamen Ludwig Blumentrath und als Vertreterin des Deutschen Landkreistags MarieLuise Knipphals hinzu.106 Die Bundesbewertungskommission verlegte ihren Schwerpunkt von den Vertretern der Landwirtschaft auf die Gemeinden, die nun anstelle der Bauern die Entwicklung vorantreiben sollten. Die Veränderungen, die diese Kommission im Vergleich zum vorher­ gehenden Wettbewerb beschloss, spiegeln die Zusammensetzung wider. Zwar wurden an der offiziellen Zielsetzung und der Struktur des Wettbewerbs wenig verändert, doch überarbeitete die neu zusammengestellte Kommission die Bewertungsrichtlinien für die Preisrichter, mit denen die Punktevergabe gesteuert wurde. Man behielt zwar die Dreiteilung der Wettbewerbskriterien bei, sprach aber nicht mehr von »Öffentlichen und gemeinschaftlichen Auf­ gaben«, »Privaten Aufgaben«, und »Besonderen Leistungen«. Stattdessen wurden die »Selbsthilfeleistungen der Gemeinde«, »Gemeinschaftsaufgaben« und »Private Aufgaben«107 geprüft. Die beiden letzteren Bereich, die nun mit jeweils 35 Punkten belohnt werden konnten, blieben nach wie vor dominiert von der Anpflanzung und Pflege von Bäumen, Sträuchern und Blumen. Dabei galten die gleichen Vorgaben wie im ersten Wettbewerb, also die Betonung von bodenständigen Pflanzen und kulturräumlich abgestimmten Hausbäumen, »landschaftlich gebundenem« Baumaterial, der Traditionen des Bauerngartens und die Ablehnung von »Elementen städtischer Grünanlagen«.108 Unter dem Abschnitt »Selbsthilfeleistung der Gemeinde«, für den 30 Punkte vergeben werden konnten, hatte man drei Bereiche zusammengefasst, die im letzten Wettbewerb kaum oder nur am Rande vorgekommen waren. Als erstes sollte der »Allgemeine Eindruck des Dorfes« vor allem also der »Zustand und [die] Grüngestaltung der Straßen, Wege und Plätze« benotet werden. Auf den ersten Blick lässt sich zunächst kein Unterschied zum vorhergehenden Wett­ bewerb feststellen  – in den Erläuterungen wird aber deutlich, dass überprüft werden sollte ob moderne Planungsmethoden Einzug ins Dorf gehalten hatten. Explizit wird in den neuen Bewertungsrichtlinien auf »Landschaftsplan, 105 BA, B 116, Akt.10839, 08.09.1960. 106 Archiv der DGG, Lose Akten 1963, 12.03.1963, 2. 107 Archiv der DGG, Lose Akten 1963, 20.03.1963, 2. 108 Ebd., 5–6. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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­ lächennutzungsplan, Bauleitplan« und »Flurbereinigung« verwiesen. Als zweiF ten wesentlichen Punkt bei den Selbsthilfeleistungen der Gemeinden wurden »Ordnungseinrichtungen« genannt. Wie im letzten Wettbewerb wurde dabei, auf die lange Tradition der Heimatschützer zurückgreifend, vor allem auf die Regelung der »Außenreklame« – also das Anbringen von Werbeplakaten und Reklametafeln – verwiesen. Nun fielen aber auch die Anlage von Müllkippen unter diesen Gesichtspunkt. Drittens wurde als Selbsthilfeleistung der Gemeinden noch die Einrichtung von »Kultur-, Erholungs- und Freizeiteinrichtungen«, wie »Kinderspielplatz, Sportplatz, Schwimmbad, Freilichtbühne« gewürdigt.109 Die Sicherung des ländlichen Kulturraums in Form der Landschaft und der damit einhergehenden engen Verbindung von Land und Leuten als Garant einer umwelt- und ressourcenschonenden Entwicklung stand also auch in der zweiten Runde des Wettbewerbs im Mittelpunkt. Immerhin wurden bei der Bewertung zwei Drittel der Punkte für Leistungen vergeben, die sich mit der landschaftlichen Ausgestaltung des Dorfes und seiner Umgebung durch Bäume, Sträucher und Blumen beschäftigten. Allerdings gewannen Leistungen die sich um die Komplexe von Selbsthilfe, Planung und Ordnung gruppierten, erheblich an Bedeutung. Die Dynamik der dörflichen Entwicklung, die durch Unser Dorf soll schöner werden weiter angeschoben wurde und schon die Veranstalter des ersten Bundeswettbewerbs überrascht hatte, blieb weiterhin das entscheidende Erfolgskriterium. Dass die Entwicklung im Dorf auch ohne staatliches Zutun oder massiven Modernisierungsdruck von außen von der Dorfbevölkerung selbst getragen wurde, gehörte für die Organisatoren zu den positivsten Überraschungen, die der Wettbewerb bereithielt. Schnell erkannte man, wie durch die ideelle Unterstützung der dörflichen Selbsthilfe beträchtliche finanzielle Mittel eingespart werden konnten. Gleichzeitig eröffnete der Wettbewerb auch die Chance, diese Entwicklung durch den geschickten Einsatz von Wettbewerbskriterien zu steuern. Dabei kam es beim zweiten Durchgang jedoch darauf an, die Autonomie, die die Gemeinden durch die eigenständige Finanzierung, Planung und Gestaltung ihres Gemeindegebiets erhalten hatten, nicht überhandnehmen zu lassen. Die von den Wettbewerbsplanern auf theoretischer Ebene hoch gehaltene Autonomie lokaler Entwicklung fand ihre praktischen Grenzen in dem Augenblick, in dem die lokale Praxis nicht mehr mit den Vorstellungen der Landschaftsgestalter für einen ländlichen deutschen Kulturraum kongruent lief. Hinzu kam, dass gerade vonseiten der Gemeindeverbände eine einheitliche Entwicklung des ländlichen Raumes auf struktureller Ebene gewünscht wurde. Um diese Einheitlichkeit sowohl auf struktureller als auch ästhetischer Ebene zu gewährleisten, wurde daher durch die Forcierung moderner Planungs­ bemühungen die Integration lokaler Gestaltungsbemühungen in ­größere Zu 109 Ebd., 4. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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sammenhänge vorangetrieben. In diesem Zusammenhang wurde auch der Ordnungsbegriff des Wettbewerbs konkretisiert, der nun nicht mehr nur auf die Einhegung von Auswüchsen der Konsumgesellschaft wie die Werbung abzielte, sondern auf die Integration von Dörfern in größere räumliche und administrative Zusammenhänge. Vor allem die Forderung nach einer Berücksichtigung von Flurbereinigung, Bauleitplänen, Landschafts- und Flächennutzungsplänen macht dies deutlich. Aber auch die Errichtung von Wegweisern, die auf andere Gemeinden verweisen, die räumliche Neuordnung des Dorfes durch Straßenschilder und Abschaffung der alten Hausnamen oder die Gründung von übergemeindlichen Abfallbeseitigungsverbänden sind typische Kriterien, die in diesem Umfeld entwickelt wurden. Bezeichnend hierfür ist auch, dass nun nicht mehr von Dörfern, sondern von Gemeinden gesprochen wurde, womit die administrative Bedeutung ländlicher Siedlungen betont wurde. Obwohl also im zweiten Dorfwettbewerb die Bemühungen um einen von Landschaft geprägten, kulturell eigenständigen ländlichen Raum noch die zentrale Rolle spielten, nahmen schon jetzt die Bemühungen um eine Öffnung des ländlichen Raums für zentral organisierte Planungen und strukturpolitische Maßnahmen deutlich zu.

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3. Ein Wettbewerb entdeckt seine Gesellschaft: Neuausrichtung des Wettbewerbs 1963–1967

Was sich bereits beim Wettbewerb 1963 angedeutet hatte, wurde bei den nun folgenden Durchgängen 1965 und 1967 in die Tat umgesetzt. Der Dorfwett­ bewerb schwenkte auf einen Modernisierungskurs ein. Die Grundlage hierfür war die Erkenntnis, dass das Menschen- und Gesellschaftsbild, welches dem ersten Wettbewerb zugrunde lag, nicht mehr mit der Realität, so wie sie sich den Wettbewerbsorganisatoren in den ersten zwei Runden dargestellt hatte, in Einklang zu bringen war. In einem ersten Kapitel soll dieser Erkenntnisprozess nachgezeichnet werden – angereichert wird dies mit einem Kapitel zur Lage im Dorf Westerheim, aus dem deutlich wird, wie stark die Modernisierungstheorie auch in den Dörfern Anklang fand. Nachdem sich die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass der Wettbewerb einer inhaltlichen Neuausrichtung bedurfte, kam es im Herbst 1964 zu einer wichtigen Tagung des Agrarinformationsdienstes (AID), während der das weitere Vorgehen entworfen wurde. Dieser Tagung wird das zweite Kapitel gewidmet. Wichtige Entscheidungen standen an: Wer sollte künftig die Ordnung im ländlichen Raum gewährleisten? Sollte dies auf lokaler Ebene durch die Dorf­ gemeinschaft auf der Basis von traditionellen Praktiken wie Nachbarschaftshilfe erfolgen? Oder sollte man künftig die überregionale Planung und den Zugriff von Experten auf das Land stärken? Dies bedeutete für den Wettbewerb eine Neuorientierung, in deren Mittelpunkt ein neues Raumverständnis stand, das den ländlichen Raum vor allen Dingen als Funktionsraum begriff. Der Wettbewerb 1967 war der erste Wettbewerb, in dem die Neuausrichtung des Wettbewerbs ihre volle Wirkung entfaltete. Unser Dorf soll schöner werden hatte nun nicht mehr nur das Ziel einer ästhetischen Neugestaltung des ländlichen Raumes, sondern strebte eine umfassende Neuordnung an. Gleichzeitig begannen sich zwei neue zentrale Probleme herauszukristallisieren: Mit dem Ende der Ästhetisierung nicht nur des Dorfes, sondern auch der Natur als Landschaft nahm ökologisches Denken einen immer größeren Raum ein. Die neue Komplexität, die damit in den Wettbewerb einzog, stellte die Organisatoren vor bedeutende Herausforderungen. Zudem zeigte sich, dass der Konflikt darüber, ob die Neuordnung dezentral auf lokaler Ebene oder zentral gesteuert werden sollte, noch nicht vorüber war.

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3.1 Tradition oder Fortschritt? Uneinigkeit nach dem Dorfwettbewerb 1963 Der zweite Dorfwettbewerb überraschte mit einem starken Anstieg der Teilnehmerzahlen. Aus 3.024 Dörfern, welche auf Landesebene an dem Wettbewerb teilgenommen hatten, wählte die Bundesbewertungskommission 20 Dörfer aus und begutachtete sie vom 28. August bis zum 12. September 1963.1 Die Leistungen waren aus ihrer Sicht so überzeugend, dass in diesem Jahr keine Bronzeplaketten, sondern nur Gold- und Silberauszeichnungen vergeben wurden. Das positive Fazit Hans Ulrich Schmidts und der gesamten Bewertungs­kommission nach dem zweiten Durchgang verwundert also nicht: Das ge­änderte Punkte­ system hatte sich nach Ansicht der Beteiligten »als sehr guter Bewertungsmaßstab für alle Leistungen« erwiesen.2

3.1.1 Die »Wandlung des Menschen« gelingt Vor allem war Hans Ulrich Schmidt von der Tatsache angetan, wie äußerst positiv Unser Dorf soll schöner werden bei der dörflichen Bevölkerung aufgenommen wurde. Er konnte feststellen, »daß dieser Wettbewerb in seinem Wert vom ländlichen Menschen erkannt und tatkräftig aufgegriffen worden ist.«3 Dass Schmidt die Zielgruppe des Dorfwettbewerbs an dieser Stelle unter dem Begriff des »ländlichen Menschen« subsumiert, zeigt deutlich, dass die traditionellen Ansprechpartner für Entwicklungsprojekte im ländlichen Raum, nämlich B ­ auern und Landarbeiter, als soziale Gruppen in den Augen der Bewertungskommission nicht mehr präsent genug waren, um als Zielgruppe für den Wettbewerb zu dienen. An die Stelle von Unterscheidung auf der Basis des aus­geübten Berufs und der sozialen Stellung trat eine Definition auf räumlicher Basis, die allein auf deren Verortung im ländlichen Raum beruht. Es kommt so zu einer Trennung von ländlicher Gesellschaft, die rein über ihre räumliche Zugehörigkeit definiert wird, und einer »landwirtschaftlichen Gesellschaft«, die gerade nicht mehr über ihre Verortung im ländlichen Raum definiert wird. Die Zugehörigkeit zur »landwirtschaftlichen Gesellschaft« definiert sich nun ganz wesentlich durch »die Partizipation am agrarischen Produktionsprozess.«4

1 Archiv der DGG, Ordner Abschlussberichte, Erfahrungsbericht über den Bundeswettbewerb 1963 »Unser Dorf soll schöner werden«, 1. 2 Ebd. 3 Ebd. 4 Uekötter, Die Wahrheit, 445. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Die Auflösung alter Klassen- oder Gruppenzugehörigkeiten führte Schmidt vor allem auf den sich stetig beschleunigenden Strukturwandel des länd­lichen Raums zurück. Selbst in den zwei Jahren, die seit dem ersten Wettbewerb vergangen waren, machten sich nach seiner Ansicht »die Schwierigkeiten des Strukturwandels in wesentlich stärkerem Maße als 1961 bemerkbar.«5 Schmidt war, stärker noch als anlässlich des ersten Wettbewerbs, darum bemüht darzulegen, dass der Wettbewerb mehr sei als ein »Wettstreit um die Vervollkommnung des äußeren Dorfbilds«. Sein »grundlegendster Erfolg« müsse vielmehr »in der Wandlung der Menschen selbst gesehen« werden. Diese Veränderung des Menschen korrespondierte für Schmidt in positiver Weise mit den Wandlungen des ländlichen Raumes und ermöglichte seinen Bewohnern, die Veränderungen ihrer Heimat mitzugestalten, statt sie passiv über sich ergehen zu lassen. Demzufolge war die zentrale Leistung des Wettbewerbs aus Schmidts Sicht, »daß das Dorf wieder zu einer wirklichen Lebens­ gemeinschaft« geworden sei, die durch »Gemeinsinn und Nachbarschaftshilfe« Leistungen erbringen konnte, »die keine staatliche Hilfe alleine zu erreichen in der Lage wäre.«6 Durch das einigende Ziel, eine Goldplakette zu gewinnen, hätte sich eine Solidarität unter den Dorfbewohnern eingestellt, die es den Dörfern erlaube, aus eigener Anstrengung auch dort, wo der Staat nicht als Motor des Wandels auftrat, an der gesellschaftlichen Entwicklung teilzuhaben. Der »ländliche Mensch« übernahm also aus eigenem Antrieb die Verantwortung für seinen »Lebensraum« – der Dorfwettbewerb hatte in den Augen Schmidts dabei lediglich die Funktion einer Initialzündung. Die Aufgaben, die mit dieser Verantwortung einhergingen, ließen sich wiederum nur gemeinschaftlich bewältigen. So hob der Chef der Bundesbewertungskommission auch die Leistungen, die in Selbsthilfe erbracht wurden, in seinem Erfahrungsbericht besonders hervor. Erhebliche Fortschritte durch Selbsthilfemaßnahmen wären besonders bei der Errichtung der dörflichen Infra­struktur und vor allem im hygienischen Bereich – etwa beim Ausbau der Kanalisation oder der Müllbeseitigung  – zu beobachten.7 Diese Maßnahmen schufen, so Schmidt, erst die Voraussetzung für »Ordnung und Sauberkeit« im Dorf. Jene wurden zudem auch durch Aufräumarbeiten, wie den Abriss alter »Schuppen«, die »Ordnung der Reklame«, die Pflanzung neuer Dorfbäume und das Aufstellen von Blumenkästen befördert. Gerade bei den Selbsthilfe­ maßnahmen und den Aufräumarbeiten habe sich zudem die »notwendige Zusammenarbeit von politischer Gemeinde, Schule und Kirche« bestens be-

5 Archiv der DGG, Ordner Abschlussberichte, Erfahrungsbericht über den Bundeswettbewerb 1963 »Unser Dorf soll schöner werden«, 1. 6 Ebd. 7 Ebd., 2. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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währt.8 Die Dorfgemeinschaft stellte sich in diesem Sinne auf einer sehr niedrigschwelligen Ebene als Ordnungsgemeinschaft dar: Sie schuf Ordnung jenseits staat­licher Aufforderung oder gar behördlichem Zwanges, indem sie sich nicht nur auf abstraktem diskursivem Feld auf eine allgemeinverbindliche Struktur ­einigte, sondern diese auch tatsächlich umsetzte und so selbst angesichts des rasanten Strukturwandels für Stabilität sorgte. Damit war die Teilhabe an der Dorf­gemeinschaft nicht nur von der Zustimmung zur gemeinsamen Ordnung abhängig, sondern auch von der praktischen Umsetzung der gemeinsamen Vorstellungen. Durch die Notwendigkeit zur Teilnahme vor Ort blieb zum einen die räumliche Geschlossenheit der Dorfgemeinschaft gewährleistet, da eine lokale Anwesenheit notwendig war, um Struktur zu schaffen; zum anderen verblieb die Kontrolle über die konkrete Umsetzung abstrakter Ordnungs­paradigmen in den Händen der im Dorf Anwesenden. Besonders angetan war Schmidt davon, dass die neu in das Bewertungs­ system aufgenommenen Punkte von den Dörfern umgesetzt worden waren. So hatte sich seiner Meinung nach »die Erkenntnis der Notwendigkeit einer sinnvollen, vorausschauenden Planung des Dorfbereichs […] in allen Dörfern des Wettbewerbs durchgesetzt.« Besonders in den größeren Orten lägen schon Bauleitpläne vor oder wären zumindest in Vorbereitung. Die neue »Bodenvorratspolitik« ermögliche zudem eine geordnete neue Bebauung.9 Wieder hervorgehoben wurde die »harmonische Eingliederung der Vertriebenen in die Dorfgemeinschaft«. 1963 allerdings tauchen als integrationsbedürftige Gruppen neben den Vertriebenen erstmals auch neue Dorfbewohner auf wie »Pendler und im Ort tätige Industriearbeiter«. Auch diese konnten mithilfe des Dorfwettbewerbs in die Dorfgemeinschaft integriert werden, »weil sie Aufgaben in der Gemeinschaft zu erfüllen haben«, wie Schmidt feststellte.10 Zum Ende seines Erfahrungsberichts fasste der Leiter der Bundesbewertungskommission seine Beobachtungen in einem Plädoyer für die Leistungskraft kleiner Gemeinden zusammen, für die ihr »sehr geringes Steueraufkommen« keine zwangsläufige Behinderung bei ihrer Entwicklung darstellen würde. Zwar sei »eine ausreichende Finanzkraft des Dorfes […] eine der Grundlagen für die Neuordnung des ländlichen Lebensraums«, doch noch wichtiger sei »der gute Wille, das Beste für die Nachbarschaft, Gemeinde und Heimat zu leisten«. Diese Einsatzbereitschaft habe sich im Dorfwettbewerb vielfach gezeigt, sei weit über den Dorfwettbewerb hinaus gegangen und sollte als »Vorbild für alle Gemeinden vom kleinsten Dorf bis zur Weltstadt Beachtung finden.«11 8 Ebd. 9 Ebd. 10 Ebd., 3. 11 Ebd., 3. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Die Aussagen Schmidts machen deutlich, dass es ihm mit seiner Betonung der Gemeinschaft und der dörflichen Selbsthilfe tatsächlich nicht um die romantische Verklärung von kollektiven Sozialformen ging, die er gegen die moderne Gesellschaft in Stellung bringen wollte. Viel wichtiger war ihm, eine dem ländlichen Raum – der sich durch geringe finanzielle Leistungskraft, einen hohen Nachholbedarf im Bereich der Infrastruktur und eine relative staatsferne, dafür stark lokale Mobilisierbarkeit auszeichnete – angemessene Entwicklungsperspektive zu eröffnen. Nur die aus der Gemeinschaft heraus erbrachte Selbsthilfe, so Schmidt, ermöglichte es, den ländlichen Raum und seinen Dörfern überhaupt an den rasanten Entwicklungen der Gegenwart teilzunehmen. Im offiziellen Abschlussprotokoll des Wettbewerbs 1963 fanden sich alle von Hans Ulrich Schmidt formulierten Punkte wieder. Besonders erfreut war man über die große Teilnehmeranzahl, im Vergleich zu 1961 eine Steigerung von 81 Prozent.12 Dass diese Zunahme vor allem auf Sondereffekte in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hessen zurückzuführen war, erwähnte man allerdings nicht.13 Die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls, der Ausbau der Infra­ struktur, verbesserte Maßnahmen der Landschaftspflege – die allerdings in den Kontext einer Verbesserung landwirtschaftlicher Betriebe gesetzt wurde –, Aufräumarbeiten, gute Beratung und die Integration von Vertriebenen wurden in einer Liste mit zehn Punkten besonders hervorgehoben.14 Die eigentliche Leistung des Dorfwettbewerbs bestand nach Ansicht der Bundesbewertungskommission, ganz im Sinne Schmidts, darin, als er die »Lösung grundlegender und notwendiger Entwicklungsaufgaben fördert[e].«15 Im letzten Punkt des Abschlussfazits wurde außerdem eine Forderung an die Politik gestellt: Um den »Dauererfolg des Wettbewerbs« zu gewährleisten, müsse »es ein Anliegen der Gesellschaftspolitik sein, durch Änderung des kommunalen Finanzsystems und Verbesserung des Finanzausgleichs in allen Bundesländern die Leistungskraft der kleinen Gemeinden zu erhöhen.«16 Auch im Bundeslandwirtschaftsministerium zeigte man sich von den Leistungen von Unser Dorf soll schöner werden angetan. Der Diplomgärtner Rainer Piest, der neben Gerhard Olschowy zweites Mitglied der Bundesbewertungskommission aus dem Landwirtschaftsministerium war, verfasste am 1.  Oktober 1963 für seinen Abteilungsleiter im Landwirtschaftsministerium einen Vermerk, in dem er seine Eindrücke des Wettbewerbs zusammenfasste. Dieser war für den Beamten ganz klar mehr als ein Blumenschmuckwettbewerb. Piest stellte gegenüber seinem Vorgesetzen klar fest: »[E]r [der Wettbewerb] ist 12 Ebd. 13 Zu den Teilnehmerzahlen vgl. 50. 14 Archiv der DGG, Ordner Abschlussberichte, Abschlußprotokoll des Bundeswett­ bewerbs 1963 »Unser Dorf soll schöner werden«, 1–2. 15 Ebd., 1. 16 Ebd., 1–2. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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ein Stück Landwirtschaftspolitik.«17 Wesentliche Leistung des Wettbewerbs war auch für Piest die »Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und die Besinnung der Dorfgemeinschaft auf sich selbst.« Euphorisch stellte er in seinem Vermerk fest, dass in manchen der teilnehmenden Dörfer »zum ersten Mal seit 50 Jahren neue Wohnhäuser gebaut worden sind!18« Weniger begeistert zeigte sich Rainer Piest allerdings von der Arbeit der Kreisfachberater für Obst- und Gartenbau; sie waren seiner Meinung nach überfordert. Defizite verbuchte er vor allem auf »landschaftspflegerischem und gartengestalterischem Gebiet.« Um Empfehlungen von Experten zu verhindern, welche die Dörfer in Punkto Finanzierung und Arbeitsaufwand überlasten würden, sei »dringend Umschulung nötig bzw. der Einsatz entsprechender Fachkräfte.« Die Bedeutung der Experten stand für Piest dabei außer Frage: »Richtige fachliche Beratung ist hier alles«, wie er betonte.19 Schon bald sollte daher über den Agrar-Informations-Dienst eine Reihe umfassender Schulungen für die Berater, die im Rahmen des Dorfwettbewerbs tätig waren, stattfinden. Die Verantwort­lichen des Dorfwettbewerbs wie Olschowy oder Schmidt sahen im Dorfwettbewerb also einen Motor für progressiven Wandel und konnten sich in dieser Einschätzung ihres Wettbewerbs auch durchaus vom Bundespräsidenten unterstützt sehen.

3.1.2 Ein Paradies jenseits »monströser Stadtgebilde« Anlässlich der Verleihung der Siegerplaketten zum zweiten Dorfwettbewerb 1963 in der Beethovenhalle in Bonn hielt der frisch gekürte Landesbau­minister von Nordrhein-Westfalen Joseph Paul Franken (CDU) eine Rede zum Thema »Wandlungen des ländlichen Raumes«20. Diese zeigte, dass der Dorfwettbewerb durchaus auch anders ausgedeutet werden konnte. Franken hegte keinen Zweifel an der Dynamik des Wandels auf dem Lande, den er in geradezu klassischer Weise modernisierungstheoretisch interpretierte und kulturkritisch betrachtete. In einem umfassenden Rückblick ordnete er den zeitgenössischen Strukturwandel in einen langen historischen Prozess ein, der mit der Aufklärung und der Durchbrechung »des einheitlichen Weltbilds des mittelalterlichen Menschen« begonnen hatte. Damit wurde in Frankens Augen ein Prozess in Gang gesetzt, der in seiner »Zwangsläufigkeit« nicht zu stoppen war. Dieser unterliege, spätestens seit Erfindung der modernen Technik, einer Beschleunigung, 17 BA, B 116, Akt. 10840, 01.10.1963. 18 Ebd. 19 Ebd. 20 Archiv der DGG, Ordner AID 1964, Die Wandlungen des ländlichen Raums, 29.11.1963, 3. Auch die nächsten Zitate von dort. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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sodass vor allem in den Städten »langsames, organisches Wachstum, das zum Teil weit über tausend Jahre hinweg ihr Gesicht geprägt hatte, von hektischer Vergrößerung abgelöst wurde.« Der Landesbauminister schien durchaus eingeschüchtert von den Problemen, die die schnell ablaufenden Veränderungen, die zunehmende Komplexität gesellschaftlichen Miteinanders und die politische Steuerung von Prozessen aufwarf. Das »monströse Stadtgebilde« an Rhein und Ruhr etwa bereitete ihm solche Sorgen, dass »man in schwachen Stunden fast kapitulieren möchte«. Als Hauptursache dieser Probleme sah Franken die Technik im Zusammenspiel mit der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung an. Am Ende der durch die Aufklärung in Gang gesetzten Entwicklung, die sich für Franken als Verfallsgeschichte darstellte, erkannte der CDU-Minister den »entwurzelten Mensch, [der] seine innere Leere nur durch ›Außersichgeraten‹ zu überdecken trachtet.« Laut Franken suchten die Menschen zu diesem Zweck »übergroße Sportstadien« auf, die als »Kultstätten der Moderne« quasi das geistige Zentrum der modernen Gesellschaft bilden würden. Er äußerte weiter vehement Kritik an der Gegenwart, wie sie sich in den urbanen Räumen der Bundesrepublik darstellte. Diese ging über die taktische Kritik eines Politikers an urbanen Räumen vor einem ländlichen Publikum hinaus und formulierte ein tiefes Unbehagen an einer Zeit ohne Ordnung und ohne Sinn, die ihren Ausdruck in Technisierung und rasanter wirtschaftlicher Entwicklung fand und in der Menschen in der Massengesellschaft aufgehen würden, während sie sich von »Rundfunk, Fernsehen und Kino« das Miteinander austreiben ließen. Ein menschenwürdiges Dasein erschien Franken unter diesen Umständen nicht möglich und so fasst er diese Entwicklungen gegenüber seinen Zuhörern als »Entartungserscheinungen menschlichen Seins« zusammen, denen »mit allen Kräften Einhalt zu gebieten« sei.21 Wenn der nordrhein-westfälische Landesbauminister davon sprach, sich mit aller Macht gegen die verheerenden Entwicklungen zu stemmen, hatte er allerdings weder Revolution noch Restauration im Sinn. Ihm schwebte vielmehr vor, einen Ort zu finden, der unberührte, geradezu paradiesische Qualitäten besaß und der unter allen Umständen davor bewahrt werden musste, eine ähnliche Entwicklung zu nehmen wie die urbanen Räume: der ländliche Raum. Denn »noch ist der ländliche Raum weithin von den negativen, bestürzenden Folgen einer schrankenlosen Technisierung verschont geblieben«, stellte Franken hoffnungsvoll fest. Seine Qualität als Raum, der von der Technisierung weitgehend nicht betroffen war, wurde für den CDU-Minister vor allen Dingen in den wohlgeordneten Landschaften sichtbar. Der Minister entwickelte jedoch aus diesem Verständnis des Landes keine alternativen Modelle für den ländlichen Raum, 21 Archiv der DGG, Ordner AID 1964, Die Wandlungen des ländlichen Raums, 29.11.1963, 4. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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sondern wollte – ganz im Gegensatz zu Schmidt etwa – auf dem Land sehr wohl eine vormoderne Ordnung etablieren. Auf politischer Ebene war dieses Ziel in dieser Form allerdings nicht durchsetzbar, wie Franken sehr wohl begriff. Gerade die Agrarpolitik des Schirmherrn des Wettbewerbs, Heinrich Lübke, hatte zwischen 1953 und 1959 die Modernisierung der Landwirtschaft und damit auch ganz wesentlich die des ländlichen Raumes vorangetrieben. Lübke förderte die Flurbereinigung und die Auflösung von »Zwergbetrieben«; die Mechanisierung wurde mit zinsverbilligten Krediten unterstützt. Vor allem aber brachte Lübke 1955 den Grünen Plan auf den Weg, dessen Ziel darin bestand, die sozialen Unterschiede zwischen der ländlichen und urbanen Bevölkerung einzuebnen und damit eben jenen Prozess voranzutreiben, den Franken so verteufelte, der sozialpolitisch aber dringend erwünscht war.22 Also blieben auch die Forderungen Frankens ganz auf der Ebene durchsetzbarer Modernisierungsbemühungen und des Wiederaufbaus verhaftet. So forderte Franken eine Stärkung und finanzielle Unterstützung der Landwirtschaft unter gleichzeitiger Einbeziehung der Bedeutung des ländlichen Raumes als Ausgleichs- und Erholungsraum für die Bewohner der Städte. Zudem pro­ pagierte er ganz klassisch die Angleichung der Lebensverhältnisse durch infra­ strukturelle Projekte und die Ansiedelung von Industrien auf dem Lande.23 Weil diese Politik im Kern allerdings auf eine Integration des ländlichen Raumes der Bundesrepublik in nationale, supranationale und transnationale wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge abzielte und somit zu einem weiteren Abbau der kulturellen Differenz zwischen Stadt und Land beitrug, lief sie der eigentlichen Stoßrichtung von Frankens Ausführungen komplett zu­ wider. Hierdurch sah sich der Landesbauminister gezwungen, zu verdeutlichen, dass die Differenz zwischen Stadt und Land von einer wirtschaftlichen und sozialen Integration des ländlichen Raumes unberührt blieb. Zu diesem Zweck 22 Rudolf Morsey, Heinrich Lübke. Eine politische Biographie. Paderborn u. a. 1996, ­218–253. Vgl. auch: Ulrich Kluge, Vierzig Jahre Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Band 1. Hamburg u. a. 1989, 227 ff. Zur Verbreitung des »zweiten Nahrungsregimes« zwischen 1950 und 1970 vgl. Enst Lanthaler, Landwirtschaft in der Globalisierung (1870– 2000), in: Markus Cerman, Ilja Steffelbauer, u. a. (Hrsg.), Agrarrevolutionen. Verhältnisse der Landwirtschaft vom Neolithikum zur Globalisierung. Innsbruck u. a. 2008, 259 ff. Einen interessanten Zugriff, aus politikwissenschaftlicher Sicht, auf die Modernisierung der Landwirtschaft bietet: Melanie Kröger, Die Modernisierung der Landwirtschaft. Eine vergleichende Untersuchung der Agrarpolitik Deutschlands und Österreichs nach 1945. Berlin, 2006, 27–50. 23 Zur Geschichte des Gedankens des Ausgleichs der Lebensbedingungen vgl.: Ariane Leendertz, Der Gedanke des Ausgleichs und die Ursprünge des Leitbilds der »gleichwertigen Lebensbedingungen«, in: Heinrich Mäding, Wendeling Strubelt, (Hrsg.), Vom Dritten Reich zur Bundesrepublik. Beiträge einer Tagung zur Geschichte der Raumforschung am 12. und 13. Juli 2008 in Leipzig. Hannover 2009, 210–225. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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verwies er auf ein Gleichnis des damaligen Bischofs von Münster, Heinrich Tenhumberg. Es erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens, das erkennt, dass es trotz aller neuen, modischen Gewänder, die es trägt, das Gesicht seiner Mutter hat. Franken zog daraus die Schlussfolgerung: »So ist es wohl um das neue und das alte Dorf: Die Formen können fallen, das Wesen muss bleiben.«24 Die Annahme, die Umsetzung der von Franken geschilderten Pläne hätte letztlich genauso wenig Einfluss auf den ländlichen Raum hätte wie ein mo­ discher Kleiderwechsel, mochte die Selbstberuhigung eines konservativen Poli­ tikers sein, der sich in den 60er-Jahren dem Druck ausgesetzt sah, eine Politik der Modernisierung voranzutreiben – zumal sich der Druck auf den länd­lichen Raum und die Landwirtschaft im Besondern seit Inkrafttreten der »Gemein­ samen Agrarpolitik« (GAP) in der EWG 1958 noch einmal erhöht hatte.25 Zudem arbeiteten immer weniger Menschen in der Landwirtschaft, und die strikte Trennung von industriell-urbanem Raum und ländlich-agrarischem Raum löste sich im Rahmen der stetig zunehmenden »Pendlerwanderung« immer mehr auf.26 Strukturpolitik als Verkleidung – diese fast sophistische gedankliche Volte machte es Franken wohl leichter, die Modernisierung voranzutreiben. Denn indem er strukturellen Veränderungen keinen Einfluss auf das Wesen des ländlichen Raumes zugestand, stellte er letztlich die Abgrenzbarkeit und eindeutige Beschreibung des ländlichen Raumes insgesamt infrage. Hiermit war aber nun offen, wodurch die kulturelle Identität eines Raumes zu bestimmen sei – wenn nicht durch seine Strukturen. Franken fand für dieses Problem eine durchaus klassische Antwort: »Unsere Dörfer müssen nicht nur schöner werden, sie müssen auch, wenn sie so wollen, wieder frommer werden! Sie können die Räume sein, in denen der Mensch als Gottes Geschöpf in Freiheit und Eigenverant­ wortung und in Demut wirkliches Leben erfährt.«27 Mit der Rückbindung des ländlichen Raumes und seiner Bewohner an die göttliche Schöpfung sicherte Franken die Unveränderlichkeit dieses Raumes und seiner Bewohner gegenüber solch weltlichen Dingen wie moderner Strukturpolitik ab. In diesem Sinne bekam der ländliche Raum bei Franken tatsächlich einen paradiesischen Charakter, der – die fromme Anerkennung dieses Zustands durch die Bewohner des Paradieses vorausgesetzt – nicht nur eine positive Regulierung des historischen Fortschritts ermöglichte, sondern ihn in seinem Wesenskern unangreifbar für jegliche geschichtliche Veränderung machte. 24 Archiv der DGG, Ordner AID 1964, Die Wandlungen des ländlichen Raums, 29.11.1963.7. 25 Kluge, Vierzig Jahre, 238–244, 283–294. 26 Ebd., 278. 27 Archiv der DGG, Ordner AID 1964, Die Wandlungen des ländlichen Raums, 29.11. 1963 11. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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3.1.3 »Aus den Sünden der Väter lernen« Am selben Tag wie Franken, am 29.  November 1963, hielt auch der Bundes­ präsident eine Rede anlässlich der Verleihung der Siegerplaketten in Bonn  – diesmal allerdings nicht vor dem großen Auditorium, sondern in kleinerem Rahmen auf einem Empfang der Siegerdörfer-Bürgermeister beim Bundes­ präsidenten.28 Wie Franken beschäftigte auch Heinrich Lübke sich mit dem Wandel, den die »technische Revolution« herbeigeführt habe. Anders als Franken sah er jedoch den ländlichen Raum nicht unberührt von diesem Wandel. So stellte der Bundespräsident in seiner Rede fest: »Die Auswirkungen der technischen Revolution haben das Land zwar später erreicht als die Groß- und Kleinstädte. Die soziologischen Veränderungen, die sie hervorrufen, sind aber nicht weniger einschneidend.«29 Lübke dachte dabei vor allem an das Verschwinden der bäuerlichen Bevölkerung und den Zuzug von Pendlern in die Dörfer. Damit dockte er an die Diskurse um die Entagrarisierung des ländlichen Raumes an und benannte als zentrale Aufgabe des Dorfwettbewerbs und der Neustrukturierung insgesamt, die Befriedigung der Bedürfnisse neuer gesellschaft­licher Gruppen zu sichern, die bisher bei der Neuordnung des ländlichen Raumes keine Rolle gespielt hatten. Die neuen Dorfbewohner stellten seiner Ansicht nach auch neue Anforderungen an die dörfliche Infrastruktur, die mit dem Lebenskomfort der Stadt mithalten müsse. Dazu zählte die Errichtung von Trinkwasserleitungen, Kläranlagen, Straßen, Parkplätzen, Schulen und Kinder­ gärten. Allerdings müsste, betonte der Bundespräsident, bei diesem Ausbau der dörflichen Infrastruktur in jedem Fall verhindert werden, »daß dabei die gleichen oder ähnliche Fehler wiederholt werden, wie beim allzu raschen Ausbau und Wachstum unserer Städte, vor und nach der letzten Jahrhundertwende.«30 Mit diesen Beobachtungen zeichnete der Bundespräsident ein wesentlich nuancierteres Bild, als Franken es in seiner auf der Opposition zwischen Stadt und Land aufbauenden Rede getan hatte. Lübke wollte den ländlichen Raum nicht von der Entwicklung abkoppeln; ihm galt die Teilhabe des ländlichen Raumes an den Errungenschaften der Moderne als unabdingbare Voraussetzung dafür, den ländlichen Raum als Lebensraum auch für neue Bevölkerungsschichten attraktiv zu erhalten. In Zukunft sollten lediglich Fehlentwicklungen bei der Modernisierung im ländlichen Raum vermieden werden. Darunter verstand Lübke im Gegensatz zu Franken nicht die gesamte Entwicklung seit der Aufklärung, sondern konkrete städtebauliche Fehlbildungen um die Jahrhundert 28 Heinrich Lübke, Unser Dorf soll schöner werden, in: Bulletin der Bundesregierung, 04.12.1963, Nr. 213, 1893. 29 Ebd. 30 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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wende. Da die »Städteplaner« diese Gefahr bereits erkannt hätten und sich daher »bemühten, den neuen Wohngebieten ländlichen Charakter zu verleihen, Landschaft und Wohnen in Harmonie miteinander zu bringen«, war das Risiko, dass sich diese Fehler wiederholen würden, gering. Jene »Städteplaner«, wie Lübke die Planer des ländlichen Raumes nannte, hätten »aus den Sünden der Väter gelernt«; so konnte verhindert werden, »Dörfer im schlechten Sinne verstädtern und zu unorganischen Siedlungsgebilden« zu machen.31 Auch Lübke forderte also eine natürliche und organische Anmutung, die er in den Städten oft als nicht erfüllt ansah, allerdings ließ er durchaus den Weg für eine positive Verstädterung im Sinne von Modernisierung offen. Offensichtlich sah er die Städteplaner als wesentliche Träger einer zukünftigen Neuformierung des ländlichen Raumes – und nicht die Bewohner des ländlichen Raumes selbst. Daher war ihm auch der Bewusstseinswandel bei den Städteplanern wesentlich wichtiger, als der von Schmidt betonte Bewusstseinswandel der ländlichen Bevölkerung. Den Ausgangpunkt für die Modernisierung des ländlichen Raumes bildeten nicht mehr die traditionellen und lokal geerdeten Lebens- und Kulturformen der ländlichen Bevölkerung. Im Gegenteil: Gegenüber den Dorfbürgermeistern machte der Bundespräsident in seiner Rede deutlich, dass die ländliche Bevölkerung sogar verantwortlich sei für wesentliche Fehlentwicklungen in den Dörfern. Allzu lange ging man davon aus, die Dörfer vernachlässigen zu können. Aber »das Chaos widersprüchlicher Baustile, verunreinigter Dorfanger, verschmutzter Dorfteiche und wahllos benutzter Schuttabladeplätze« wäre ein deutlicher Ausdruck von »Gleichgültigkeit und mangelnder Verantwortung der Bewohner gegenüber dem Gesamtbild des Dorfes«.32 Die traditionellen dörflichen und bäuerlichen Lebensformen, die etwa für Wiepking und Olschowy Unordnung und Umweltverschmutzung auf dem Lande seit Jahrhunderten verhindert hatten, wurden zur Zielscheibe von Lübkes Kritik: Räume, die mit traditionellen Mitteln geordnet worden waren, wie die bäuerliche Kulturlandschaft oder der ländliche Bauerngarten, die gerade gegen die Anfechtungen urbanen Planens und Wirtschaftens die großartige deutsche Kulturlandschaft geschaffen hatten, wichen dem Bild von gleichgültigen und verantwortungslosen Dorfbewohnern, die nicht mehr in der Lage waren, ihre eigene Umgebung hinreichend zu bewahren und zu gestalten. Damit stellt Lübke allerdings grundsätzlich infrage, ob bäuerliche (Volks-)Kultur und Volkstum angesichts der soziodemografischen Umbrüche im Dorf, die er zu Beginn seiner Rede beschrieben hatte, überhaupt noch die richtige Grundlage für eine Neuordnung des ländlichen Raums seien. Die verändernde Kraft der Volkskultur, die bei Wiepking als völkisch-germanisches Volkstum die Transformation des Ostens herbeiführen sollte, bei Olschowy als bäuerliche Volks 31 Ebd. 32 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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kultur eine geordnete Entwicklung des ländlichen Raumes begründen sollte und die selbst bei Schmidt noch ein beachtliches Mobilisierungspotenzial entwickelte, war anscheinend versiegt. Zumindest für den Bundespräsidenten war auf dieser Basis weder eine ausreichende Mobilisierung von lokalen Gemeinschaften zu leisten, noch verfügten diese als Dörfer über das notwendige Wissen, um die Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen. Dieses exklusive Wissen, so muss man nach der Rede Lübkes annehmen, stand allein den Städteplanern zur Verfügung.33 Dass Lübke den Wettbewerb trotzdem für einen großen Erfolg hielt, steht außer Frage. Aber Garant für den Erfolg war eben nicht die Reaktivierung der bäuerlichen Volkskultur, die mit ihrem Beharrungs­ vermögen und ihren traditionellen Praktiken der Raumgestaltung die Modernisierung im Zaum gehalten hatte.34 So schloss Lübke seine Rede dann auch mit einer emphatischen Einschätzung des Wettbewerbs ab. »Eine aus privater Initiative zustande gekommene Aktion, wie ›Unser Dorf soll schöner werden‹ ist ein Beweis für die innere Kraft unserer Gesellschaft und für ihre Fähigkeit, sich den veränderten Erfordernissen der Gegenwart anzupassen.«35 Damit entwarf der Bundespräsident ein Gesellschaftsbild, das die Wandlungsfähigkeit der Deutschen Gesellschaft und ihrer Fähigkeit, sich historischen Umständen anzupassen, betonte. Für den länd­lichen Raum galt hier einzig die Einschränkung, dass Experten und Ak­ tionen wie der Dorfwettbewerb eine Starthilfe geben und das nötige Wissen zur 33 Der Verlust von lokaler Kultur und traditionellem Wissen in den Dörfern trieb nicht nur den Bundespräsidenten um. Gerade in der Volkskunde war dies das beherrschende Thema, musste sie doch befürchten, dass möglicherweise ihr gesamter Forschungsbereich in sich zusammenfiel. Hermann Bausinger schuf mit seinem 1961 veröffentlichten Buch »Volkskultur in der technischen Welt« sicherlich einen der wichtigsten Beiträge zu dieser Diskussion. Auch er stellte fest, dass »sich als Reliktsgebiete ›des Volkes‹ nicht mehr ohne weiteres Bauerndörfer anbieten« würden. Er führte den Zusammenbruch lokaler (volks-)kultureller Ordnungsfunktionen nicht auf technische und urbane Neuerungen zurück, die, wie Bau­ singer deutlich machte, sehr wohl in die lokale (Volks-)Kultur zu integrieren seien und so zum Entstehen einer neuen Volkskultur beitragen könnten. Stattdessen habe ihr Verschwinden oder ihre Degenerierung zum selbstreferentiellen Imitationssystem tieferliegende Ursachen. Zentral war dabei der Verlust der historischen und räumlichen Rahmenbedingungen, in die lokale Traditionen und lokales Wissen, trotz aller gegenteiligen Behauptungen, schon immer eingebettet waren. Angesichts dieses Ergebnisses schwankt Bausinger zwischen der Alternative, den »Bildungswert der alten Volkskultur« schlicht »aufzugeben«, oder »im Gegenteil gerade jetzt jene vergangene Ordnung und Bindung bewusst in den Bildungs­prozeß einzubauen.« Bausinger mochte sich nicht auf eine Initiative festlegen. Der Bundes­präsident hatte sich anscheinend zur ersteren Alternative entschlossen. Vgl. Hermann Bausinger, Volkskultur in der technischen Welt. Stuttgart 1961, 14 ff., 132 ff., 175. Zum Wandel der Volkskunde und vor allem auch ihres Raumverständnisses vgl. zudem: Friedemann Schmoll, Die Vermessung der Kultur. Der »Atlas der deutschen Volkskunde« und die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1928–1980, Stuttgart 2009. 34 Lübke, Unser Dorf, 1893. 35 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Verfügung stellen mussten. Nicht umsonst benutzte Lübke hier den Begriff der Gesellschaft, denn damit erteilte er gleichzeitig der Idee von einer deutschen Volksgemeinschaft  – beruhend auf einer traditionellen potenziell sogar ins Transzendente reichenden Volkskultur – eine klare Absage. Hatte doch aus seiner Perspektive diese durch ihr starres Beharren auf eine unveränderbare kulturelle Essenz eine geordnete Modernisierung gerade auch des ländlichen Raumes stets verhindert und so ganz wesentlich zu den von Lübke beklagten Zuständen in den Dörfern geführt. Eine selbstbestimmte Gestaltung der Zukunft, für Lübke nur als Modernisierung vorstellbar, war nur mit einer Gesellschaft möglich, die sich aus den Normierungen volkskultureller Traditionen und den Begrenzungen löste, die volksgemeinschaftliche Ideen der Entwicklung auferlegten. In diesem Sinnen war die »freie Gesellschaft«, von der Lübke sprach, nicht nur die demokratisch frei verfasste Gesellschaft, sondern auch eine Gesellschaft, die sich aus alten kulturellen und sozialen Bindungen gelöst und damit die Chance hatte, ihre Zukunft von Grund auf neu und in weitgehender Freiheit zu gestalten.

3.1.4 Absage an die bäuerliche Volkskultur Bei der Dienstbesprechung der Länderreferenten für den dritten Bundeswettbewerb am 12. März 1964 zeigte sich, dass die Verantwortlichen für den Wettbewerb zusehends auf die Linie einschwenkte, die in der Rede des Bundespräsidenten ihren Ausdruck gefunden hatte. In seiner Einführung betonte Gerhard Olschowy als wichtigstes Ergebnis des Bundeswettbewerbs, dass das Verständnis für den eigentlichen Sinn des Wettbewerbs stark angewachsen sei. Dieses läge darin, eine »neue Ordnung« im Dorfe einzuführen. Damit betonte auch er nunmehr stärker als zuvor den Aspekt der Neuordnung und der Veränderung – auf die bäuerliche Volkskultur verwies er in seiner Rede nicht mehr. Dass sich dieses Bewusstsein mittlerweile verstärkt durchsetze, zeige sich seiner Meinung nach vor allem daran, wie sich die Dörfer mittlerweile im Rahmen des Wett­ bewerbs zu immer langfristigeren Vorhaben entschließen würden, die »zu wirklichen Verbesserungen der Ordnung im Dorfe führen« würden.36 Einzig bei der dringend notwendigen fachlichen Beratung ergaben sich noch große Defizite, die vor allem aus dem Mangel an qualifizierten Experten herrühre. Um diese Schwäche auszugleichen, beschlossen die versammelten Länderreferenten vor allem zwei wesentliche Maßnahmen: 1. In der Ausschreibung des nächsten Wettbewerbs sollte deutlich gemacht werden, dass die Gemeinden die Veränderungen in übergeordnete Planungen,

36 BA, B 116, Akt. 10840, 12.03.1964. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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wie landwirtschaftliche Rahmenpläne, Flurbereinigung, Landschaftspläne und Bauleitpläne einordnen müssen. Damit sollte sowohl eine höhere Transparenz der Veränderungsprozesse in den Dörfern gewährleistet sein als auch sichergestellt werden, dass die Veränderungen nach rationalen und funktionalen Kriterien durchgeführt wurden und nicht, wie es von den Länder­referenten teilweise angenommen wurde, auf Basis irrationaler Traditionen. 2. In die gleiche Kerbe schlug der Beschluss, die Beratung zu verbessern. Zu diesem Zweck sollte der Deutsche Gemeindetag die Bürgermeister durch Vorträge über die Ziele des Wettbewerbs aufklären, zudem müssten zukünftige Berater auf Landes- und Bundesebene durch Arbeitstagungen für den Wettbewerb geschult werden.37 Die große Arbeitstagung auf Bundesebene, bei der die Grundzüge einer zukünftigen Beratung verhandelt werden sollten, fand bereits im Sommer 1964 in Landau in der Pfalz statt und wird Thema des nächsten Kapitels sein. Vor allem war man sich nach der Durchführung des zweiten Wettbewerbs in den Ministerien der Länder und auf Bundesebene offensichtlich über die doch beachtliche politische Bedeutung des Wettbewerbs einig. Dieser war mit seiner großen Breitenwirkung bestens dazu geeignet, die Neuordnung des ländlichen Raumes als auch in der breiten Bevölkerung auf dem Lande als Ziel zu verankern und sie zur Mitwirkung an diesem Prozess anzuregen. Seiner politischen Bedeutung sollte in Zukunft dadurch Rechnung getragen werden, dass der Dorfwettbewerb ab 1965 nicht mehr von der DGG ausgeschrieben wurde, sondern vom Bundeslandwirtschaftsministerium. Selbstverständlich würde die Durchführung bei der DGG verbleiben, beschlossen im Juni 1964 Olschowy und Landwirtschaftsminister Schwarz.38 Zudem sollte für den dritten Wettbewerb 1965 der Bundeskanzler die Schirmherrschaft übernehmen, da Un­ ser Dorf soll schöner werden stark an politischer Bedeutung gewonnen und sich zu einem wirksamen Instrument zur Neuordnung des ländlichen Raumes ent­ wickelt habe. Die unterschiedlichen Betrachtungen, die Unser Dorf soll schöner werden zuließ, sollten für den weiteren Verlauf des Wettbewerbs in verschiedenem Ausmaß Folgen haben. Am wenigsten konnten sich letztlich die restaurativen Vorstellung des Landesbauministers Franken durchsetzen, der den Dorf­ wettbewerb als ein Vehikel sah, mit dessen Hilfe der ländliche Raum als eine Art Gegenraum zu den von ihm als entmenschlichend betrachteten urbanen Räumen etabliert werden sollte. Zwar erkannte auch Franken, dass auf politischer Ebene an einem infrastrukturellen Ausbau im ländlichen Raum kein Weg vorbeiführte. Grundsätzlich sah er hier aber den Ort, an dem der Mensch in

37 Ebd. 38 BA, B 116, Akt. 10840, 20.06.1964. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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vormoderner Glückseligkeit unberührt vom Veränderungszwang historischer Ereignisse leben konnte. Der eigentliche Konflikt um die Weiterentwicklung des Dorfwettbewerbs verlief allerdings zwischen den Positionen, die vom Vorsitzenden der Bundesbewertungskommission Schmidt und von Bundespräsident Lübke umrissen worden waren. Einig war man sich hier über die Notwendigkeit der Entwicklung des ländlichen Raumes im Sinne einer Modernisierung und Integration in größere räumliche, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge. Uneinigkeit herrschte allerdings über die Träger dieser Modernisierung. Der Staat wurde zwar von beiden nicht als primäre Säule der Modernisierung des länd­ lichen Raumes gesehen, während aber Schmidt in den dörflichen Gemeinschaften die wichtigsten und aktivsten Akteure sah, betonte Lübke vor allem die Notwendigkeit planerischer Maßnahmen und des Einsatzes von Experten. Zwar schätzte er individuelles Engagement und Selbsthilfe als Ausdruck einer freien und demokratischen Ordnung, die sich von alten Zwängen befreite, doch war er grundsätzlich nicht der Meinung, dass die Dorfgemeinschaften in der Lage wären, die anstehenden Entwicklungsaufgaben selbstständig zu lösen. In einer Art Kompromiss beschlossen die Verantwortlichen der Länder und des Bundes, die Aktivierung der Dorfgemeinschaft zwar weiter als ein primäres Ziel des Dorf­wettbewerbs bestehen zu lassen, dabei allerdings durch den Einsatz von Beratern und die Einbindung in übergeordnete Planungszusammenhänge verstärkt steuernd auf den Entwicklungsprozess des ländlichen Raumes einzu­ wirken. Damit ging man einen Mittelweg, der seinen Bewohnern weiterhin – wenn auch teils aus sehr pragmatischen Gründen wie der Finanzierbarkeit  – eine wesentliche Bedeutung bei der Neuordnung ihres Lebensraums einräumte. Gleichzeitig aber wurde versucht, auch jenseits der Wettbewerbskriterien neue Steuerungsmöglichkeiten zu etablieren. Die hohe Bedeutung, die den Betroffenen hier eingeräumt wurde, war durchaus keine Selbstverständlichkeit. Dies sei hier am Rande durch ein Beispiel illustriert, das auf eine andere Bemühung des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Neuordnung des ländlichen Raumes verweist: Dabei ging es darum, Landwirten, die aus den Dörfern ausgesiedelt werden sollten, preiswerte Möglichkeiten zur Errichtung von neuen Bauernhöfen zu bieten – nämlich in Fertigbauweise. Diverse Arbeitsgruppen wurden eingesetzt, um zu diesem Zweck Vorschläge zu erarbeiten. Eine dieser Arbeitsgruppen, die für die »Entwicklung von Entwurfssystemen für den rationalisierten Bau von Wohnhäusern bäuerlicher Familienbetriebe« zuständig war, hatte mithilfe eines Fragebogens 158 bäuerliche Betriebe in ganz Deutschland zu ihren Vorstellungen zu neuen Wohnhäusern befragt.39 Zwar wurden nur 72 Fragebogen zurückgeschickt, von 39 BA, B116, Akt. 17608, Arbeitsbericht über die »Entwicklung von Entwurfssystemen für den rationalisierten Bau von Wohnhäusern bäuerlicher Familienbetriebe«, 1. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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denen wiederum nur 62 ausgewertet werden konnten, doch die Erkenntnisse, die die beiden beauftragten Experten Wilhelm Landzettel, Architekturprofessor für den ländlichen Raum an der TU Hannover, und der Architekt Wilhelm Miehling aus den Fragebögen gewannen, sind trotzdem sehr erhellend. Denn sie zeigen, wie weit sich die Adaption moderner Ideen von Raumgestaltung und Planung gerade bei Architekten zu Beginn der 60er-Jahre festgesetzt hatte und wie wenig Wert diese dabei auf die scheinbar unqualifizierten Meinungen der Betroffenen legten. Grundsätzlich teilten Landzettel und Miehling die Auffassung, dass sich das Leben auf dem Lande nicht vom Leben in den Städten unterscheiden würde: »Die Lebensgewohnheiten der Menschen gleichen sich immer mehr an«, stellten sie kategorisch zu Beginn ihrer Ausführungen fest.40 Die beiden Experten waren davon überzeugt, der durch die Industrialisierung in Bewegung gesetzte Prozess würde auch vor der Landwirtschaft und den Bauern nicht haltmachen würde. So kanzelten sie die Kritik eines Bauern, der sich gegen eine zu starke Trennung von Berufs- und Wohnsphäre auf seinem Bauernhof gewehrt hatte, mit dem Hinweis ab: »Dazu wäre zu sagen, dass diese Trennung in der modernen Industriegesellschaft weitgehend vollzogen ist. Die Landwirtschaft geht zwangläufig, wenn auch verspätet, einen ähnlichen Weg. Nur die geistige Führungsarbeit eines Betriebes bleibt im Wohnbereich.«41 Eine klare Meinung hatten die Architekten auch zu der vom Dorfwettbewerb so sehr gepriesenen Verwendung lokaler Materialien beim Hausbau. »Außenhautarbeiten in Naturstein, Holzfachwerk mit Ausfachungen, Schiefer, Holzschindeln gehören endgültig der Vergangenheit an.«42 Ästhetische Einwände gegen Flachdächer waren für die beiden lediglich Ausdruck der geistigen Engstirnigkeit von Menschen, welche die Notwendigkeit rationalisierten Bauens nicht erkannten. Durchdrungen vom Bewusstsein des eigenen Expertenwissens war für die beiden Architekten klar, dass die Objekte ihrer Beobachtungen nur die Wahl hatten, sich ihren Ratschlägen entweder zu fügen oder als Modernisierungsverlierer vom Fortschritt überholt zu werden und somit in der Irrelevanz zu verschwinden.

40 Ebd. 41 Ebd., 6. 42 Ebd., 8. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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3.2 »Stillstand ist Rückschritt«. Westerheim im zweiten Dorfwettbewerb Das Dorf Westerheim43 hatte es beim zweiten Bundeswettbewerb 1963 erneut bis in den Bundeswettbewerb geschafft und verbesserte sich in diesem Jahr auf eine Silberplakette. Im Erfahrungsbericht zum Bundeswettbewerb wurde die kluge Bodenpolitik der Gemeinde gelobt sowie das dörfliche Grün hervor­ gehoben, das mit schönen Blumen dem Dorf ein freundliches Aussehen gebe. Anerkennend äußerte man sich auch über den Einsatz eines Gartenarchitekten bei der Planung zur Begrünung der Ortsmitte. Die Kritik an einem allzu städtischen Aussehen der Gemeinde wurde nicht mehr geäußert und das Bemühen, an urbane Räume anzuschließen, wurde positiv gewertet. Die Bewertungskommission, die den Abschlussbericht verfasste, sprach nun davon, dass die Gemeinde das klare und wichtige Ziel habe, »das soziale Gefälle von Stadt und Land zu verringern.«44 Der Wunsch der Gemeinde Westerheim um einen Anschluss an die urbanen Räume wurde damit von der Bundesbewertungs­ kommission als ein Beitrag zum übergeordneten Projekt der Angleichung der Lebensbedingungen gedeutet. Auch die Lokalpresse, die während des ersten Wettbewerbs kaum über Wester­heim berichtet hatte, war nun voll des Lobes für die Gemeinde auf der Schwäbischen Alb. Der Besuch der Bundesbewertungskommission im Dorf wurde zum Anlass genommen, um über das »Musterbeispiel eines auf­ gelockerten, gepflegten und mit vielen Grünanlagen geschmückten Ortes« zu berichten, in dem schon »seit Jahren keine schmutzigen Häuserfassaden, keine ver­unkrauteten Gärten und keine Misthaufen vor den Anwesen« zu finden wären.45 Der Besuch der Kommission hatte laut der Berichterstattung der Lokalpresse geradezu den Charakter eines Events, an dem das ganze Dorf teilhatte – im Zentrum standen natürlich Pfarrer und Bürgermeister. Diese führten die Kommissionsmitglieder wie Zeremonienmeister für über eine Stunde durch das Dorf, während die Bewohner vor allem als Darsteller in Tracht und als Volksmusiksänger am Rande der Führung auftraten. Seinen Abschluss fand der Besuch in Westerheim mit einem Empfang im Gasthaus Adler – dort führte die Trachtengruppe Immergrün einen Bändertanz auf und das Quartett Eintracht brachte alte Heimatleider zu Gehör.

43 Niederdreisbach und Altenburschla nahmen in diesem Jahr nicht am Wettbewerb teil. 44 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Erfahrungsbericht über den Bundeswettbewerb 1963 »Unser Dorf soll schöner werden«. 45 Vorbildliche Gemeinschaft macht Westerheim zum schönsten Dorf des Landes, Geislinger Zeitung, 07.09.1963, 8. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Gegenüber der Lokalpresse lobte Schmidt als Vorsitzender der Kommission die großen Fortschritte, welche die Gemeinde seit dem letzten Besuch im Jahr 1961 gemacht hatte. Besonders habe es ihm das rege kulturelle Leben im Dorf angetan, das er durch die Aufführungen der Trachtengruppe und des Gesangsvereins kennenlernen durfte. Positiv hob er auch den Gemeinschaftssinn hervor, von dem er sich so eben ein Bild habe machen können. Außerdem herrsche nun auch noch mehr Ordnung in Westerheim und es gebe nun weit mehr Vorgärten als beim letzten Mal. Abschließend versäumte Schmidt es nicht, den Dorfbewohnern die Bedeutung ihrer Bemühungen im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang darzustellen und betonte, dass »das Fundament unseres Staates auf dem Lande« liege.46 Bürgermeister Walter nutzte die Zusammenkunft in der Gastwirtschaft ­Adler einmal mehr, um vor Dorfgemeinschaft und Kommission auf die Zer­ störungen des Krieges und somit auf die gemeinsame Erinnerung, die die Dorfgemeinschaft zusammenhielt, hinzuweisen. »Not schließt die Menschen zusammen«, notierte sich Walter dazu in Klammern auf seinem Sprechzettel für die Rede. Zudem machte er deutlich, dass die Aufbauleistung, die man in Westerheim erbracht hatte, der Weg wäre, um im gleichen Ausmaß an den Entwicklungen in der Bundesrepublik zu partizipieren wie die urbanen Räume. Das soziale Gefälle zwischen Stadt und Land müsse ausgeglichen werden, niemand dürfe schlechter leben, weil er auf dem Land wohne, betonte er.47 Dass Westerheim nicht weit von der Verwirklichung dieses Ziels entfernt sei, verdanke man dem vorbildlichen Gemeinschaftssinn, lobte der Bürgermeister und hob damit die Leistungsfähigkeit seiner Gemeinde hervor, die auch ohne fremde Hilfe in der Lage war, am gesellschaftlichen Fortschritt teilzuhaben. Diesen unterteilte er in drei Felder, auf denen man viel erreicht habe: Im Bereich Kultur lobte Walter besonders die Vereine und die Schule Westerheims. Unter dem Begriff Zivilisation subsumierte er in merkwürdiger, aber auf den zweiten Blick nicht völlig unplausibler Einigkeit Kirche, Friedhof und Kläranlage. Auf wirtschaftlichem Gebiet betonte er die Ansiedelung der Industrie und der Milch­ bauern. Zum Ende seiner Ansprache verpflichtete er sich ganz dem Fortschritts­ gedanken des Wettbewerbs, der ja Unser Dorf soll schöner »werden« heiße und nicht Unser Dorf ist schön. Mit den Worten »Stillstand bedeutet Rückschritt!« bekundete der Bürgermeister seinen Willen, den Fortschritt in Westerheim stetig weiter voranzutreiben – man habe nämlich noch viele weitere Pläne für die Zukunft.48

46 Ebd. 47 Archiv der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, Handschriftliche Notizen der Bürgermeisters zur Rede im Gasthaus Adler 1963. 48 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Beim zweiten Wettbewerb stellte sich Westerheim also als eine Gemeinde dar, die den Spagat zwischen Fortschritt und Tradition auf vorbildliche Weise zu bewältigen verstanden hatte. Einerseits war man in der Lage, vor Ort Ver­ änderungen zu ermöglichen und die von den Experten der Bundesbewertungskommission geforderten Innovationen umzusetzen. Gleichzeitig hatte Wester­ heim aber nicht seine »Seele« als Dorf verloren, wie wohl die Trachten und Volkslieder betonen sollten. Dennoch waren die Erneuerungen nicht aufgrund äußeren Drucks entstanden, sondern aus der Gemeinschaft heraus, die die notwendigen Fähigkeiten besaß, um sich anzupassen. Der Slogan des Bürger­ meisters »Stillstand bedeutet Rückschritt« bot scheinbar auch den richtigen Rahmen, um die Dorfbewohner hinter sich zu sammeln. Weitaus nüchterner als die Lokalpresse betrachtete die Südwestdeutsche Zei­ tung die Kür Westerheims zum »schönsten Dorf des Landes«. Auch hier zeigte man sich durchaus beeindruckt von den Leistungen im Dorf – besonders angetan war der Berichterstatter offenbar vom Trachtenverein und der Musik­ kapelle, die »natürlich längst einheitlich gekleidet ist«.49 Doch jenseits dieser Inszenierung von Dorfgemeinschaft und Tradition verwies die Südwest­deutsche Zeitung auf die handfesten strukturellen und politischen Voraussetzungen, welche die Aufbauleistung der Dorfgemeinschaft überhaupt möglich gemacht hatten: Am wichtigsten war das billige Bauland, das die Gemeinde zu verteilen hatte »und zwar zu einem Quadratmeterpreis, der in anderen Bezirken einer sagenhaften Vergangenheit angehört.«50 Tatsächlich kostete der Quadrat­meter Bauland in Westerheim 1963 nur 3 DM.51 Aus diesem Grund seien in Westerheim seit der Währungsreform über hundert Häuser entstanden – in Westerheim würden junge Paare sogar noch vor der Heirat in ein eigenes Haus ein­ ziehen, hieß es weiter in dem Artikel.52 Die Subventionierung der Bodenpreise und der Ausbau der Infrastruktur, die teilweise durch Ausgleichszahlungen finanziert worden waren, machten sich für die Gemeinde bezahlt. Von 1963 bis 1964 stiegen etwa die Gewerbesteuer­ einnahmen von 45.000 DM auf 75.000 DM, die Steuerkraft pro Einwohner nahm von 116 DM auf 132 DM zu. Weil sowohl die Bürger als auch die Gemeinde ganz real am Aufschwung partizipierten, hatte der Wettbewerb das Dorf nicht nur schöner, sondern auch wohlhabender gemacht. Es schien eine Korrelation zu geben zwischen der Verschönerung aus dem Geiste der Dorf­

49 Gerhard Reich, Die Schönste im Land, Südwestdeutsche Zeitung, 04.09.1963. 50 Reich, Die Schönste. 51 Archiv der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, Verschönerung des Ortsbildes, Ortsbesichtigung, Notizen des Bürgermeisters zur Ortsbesichtigung. 52 Eine Zahl, die der Bürgermeister allerdings je nach Belieben verkleinerte oder ver­ größerte, handschriftlich hatte er für seine Rede 200 neue Häuser notiert, auf den Hand­zettel zu Führung notierte er sich 90 Häuser. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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gemeinschaft mit ihren sprichwörtlich fleißigen und zähen Albbewohnern und dem zunehmenden Wohlstand im Dorf. Ob dieser allseits wahrgenommene, aber auch finanziell messbare Fortschritt sich den Bemühungen der Dorf­ gemeinschaft verdankte oder doch eher dem billigen Bauland und dem Wirtschaftswachstum der 50er- und 60er-Jahre, war aus dieser Perspektive für die Bewohner wohl nicht mehr klar zu unterscheiden. Zumindest in Westerheim war es mithilfe des Wettbewerbs gelungen, den Eindruck zu vermitteln, dass die Dorfgemeinschaft und ihre Repräsentanten Anteil am Wiederaufbau und wirtschaftlichen Aufschwung im Nachkriegsdeutschland hatten, diesen sogar aktiv mitgestalteten, wofür man durch den Wettbewerb die angemessene Anerkennung erhielt. In Westerheim hatte die Gemeinschaft nicht das Gefühl, als Teil der ländlichen Bevölkerung durch die rasante Entwicklung abgehängt zu werden. Die verbesserten Lebensbedingungen, denen sich die Einwohner Westerheims erfreuen konnten, waren Ausdruck und Ergebnis dieser Bemühungen um Partizipation am Fortschritt. Daher blickte der Bürgermeister mit gutem Grund optimistisch in die Zukunft. Die Gewissheit von Hans Walter erhielt einige Monate später eine ernsthafte Eintrübung – und das ausgerechnet an dem Abend, an dem die Dorfgemeinschaft im Gasthof Adler die Erfolge der letzten Jahre feiern wollte. Denn bis hin­ auf in das kleine Dorf auf der Schwäbischen Alb waren die Erschütterungen zu spüren, die die Ermordung John F. Kennedys am Vortag ausgelöst hatten. »Leider ist der heutige Abend durch den furchtbaren Mord in Amerika überschattet. Sie verstehen, daß wir unser Programm abgeändert haben, der Termin ließ sich nicht mehr ändern« – so leitete Walter seine Rede am 23. November im Wirtshaus Adler ein.53 Dies war der Preis, den die kleine Gemeinde für die Teilhabe an den großen Entwicklungen in der Welt Zahlen musste und nicht mehr in selbstgenügsamer Abgeschiedenheit existierte. Manchem Dorfbewohner mag an diesem Abend klar geworden sein, dass die Zukunft mehr als Ordnung, Wohlstand und Touristen nach Westerheim bringen würde.

3.3 Entscheidung für die »neue Ordnung«: Arbeitstagung des AID 1964 Vom 13. bis 16. Juli 1964 fand in Landau in der Pfalz eine Bundesarbeitstagung des Agrar-Informations-Dienstes unter dem Titel »Unser Dorf soll schöner werden« statt. An der Tagung nahmen insgesamt 57 Personen teil, die auf Landes 53 Archiv der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, Ortsbesichtigung, Handschrift­ liche Notizen des Bürgermeisters zur Feierstunde auf einem Schreiben des Landesverkehrs­ verbandes Württemberg, dessen lokaler Repräsentant seine Teilnahme an der Veranstaltung absagen musste. Das Schreiben ist auf den 22.11.1963 datiert. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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ebene als Preisrichter und Berater für den Wettbewerb tätig waren. Darunter befanden sich 20 Gärtner; neben einem kleinen Teil, der freischaffend arbeitete, waren die meisten als Diplomgärtner oder Gartenbauingenieur ausgebildet. Viele von ihnen arbeiteten bei Behörden – angefangen bei Landratsämtern, Landwirtschaftskammern auf Bezirksebene oder Landesministerien für Landwirtschaft bis hin zum Bundeslandwirtschaftsministerium. Die restlichen Teilnehmer der Konferenz entstammten zu guten Teilen der Ministerialbürokratie auf Landesebene; sie waren Verbandsvertreter des Obst- und Gartenbaus sowie Vertreter der Landwirtschaftsschulen. Dünn gesät waren hingegen die Teilnehmer aus den Reihen der Gemeinden, die auf der Tagung letztlich nur durch einen Lehrer, einen Dorfbürgermeister und eine Bäuerin sowie einen Beigeordneten des Gemeindetags vertreten waren. Erklärtes Ziel dieser Arbeitstagung war es, »für die Bundes- und Länderwettbewerbe gültige Grundsätze gemeinsam zu erarbeiten, nach denen der künftige Wettbewerb durchgeführt werden soll und seine Ziele erreicht werden können«, wie Gerhard Olschowy in seiner einleitenden Rede feststellte.54 Später sollten die Anwesenden diese Richtlinien als Berater im Rahmen des Bundeswettbewerbs an die Dörfer weitergeben. Damit war der Wettbewerb auf dem Weg seine »volkserzieherische Funktion« zu stärken und das Ziel »akademisch generiertes Planungswissen vor Ort umzusetzen« klar zu bestimmen.55 Eine weitere Neuerfindung des Dorfwettbewerbes kündigte sich an.

3.3.1 Das »Dorf der neuen Ordnung« Olschowy nutzte seine Eröffnungsrede, um auch hier eine programmatische Neuausrichtung des Wettbewerbs, die sich bereits nach dem zweiten Wett­ bewerb angedeutet hatte, zu skizzieren: »Welches ist nun das Ziel des Wett­ bewerbs?«, fragte Olschowy zu Beginn der Rede. »Sicher ist es das schöne und gepflegte Dorf, aber vor allem das Dorf der neuen Ordnung, die für die ländliche Siedlung und den ländlichen Raum überhaupt angestrebt wird. Noch besteht über diese Neuordnung keine endgültige Klarheit, doch zeichnen sich die Umrisse der künftigen Ordnung bereits deutlich ab. Es muß unser Bestreben sein, den Wettbewerb in dieses neue, künftige Bild hineinzustellen oder richtiger, mit diesem Wettbewerb einen wirksamen Beitrag zur Neu­ ordnung zu leisten.56 Deutlicher hätte man die Abwendung von einem Projekt 54 Archiv der DGG, Ordner AID 1964, Sinn und Ziel des Bundeswettbewerbs »Unser Dorf soll schöner werden«. Alle weiteren Zitate ebenfalls dort. 55 Pöppinghege, Unser Dorf, 189. 56 Archiv der DGG, Ordner AID 1964, Sinn und Ziel des Bundeswettbewerbs »Unser Dorf soll schöner werden«. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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der Dorf­verschönerung, das auf den Erhalt traditioneller Volks- und Bauernkultur abzielte, um so soziale, wirtschaftliche und ökologische Stabilität zu gewährleisten, hin zu einem zukunftsorientierten Denken, kaum formulieren können. Olschowy gab jedoch die Bauernkultur nicht leichten Herzens auf. Er bedauerte in seiner Rede, dass nicht mehr »der jahreszeitliche Ablauf der bäuerlichen Arbeit und der dörflichen Feste, die enge Bindung an Familie, Nachbarschaft und Kirche« das Leben des Bauern bestimmen würden.57 Als Hauptursache für den Verlust dieser kontinuitätstiftenden Strukturen sah er ebenso wie der Bundespräsident den soziodemografischen Wandel. Ein Zurück hinter diesen Strukturwandel der ländlichen Gesellschaft gab es für Olschowy nicht. Er hegte keinen Zweifel, dass die Bewohner der Städte durch ihren Zuzug in die Dörfer urbane Lebensstile und Ideen in die Dörfer getragen hatten, die die alte bäuerliche Volkskultur unwiderruflich zerstörten. Seinen Zuhörern in Landau erklärte er: »Heute sind die Einflüsse der Stadt und der Zivilisation in das Dorf eingedrungen, haben alte Bindungen und Vorstellungen gelockert oder gar zerstört und zumeist keinen vollwertigen Ersatz für das Verlorene gebracht.«58 Eine Modernisierung auf dem Boden der alten Volkskultur war also nicht mehr möglich. Damit vollzog Olschowy den entscheidenden Schritt zu einem Verständnis des ländlichen Raumes, wie er nach dem zweiten Wettbewerb vor allem vom Bundespräsidenten und teilweise von Schmidt formuliert worden war. Treu blieb er seinen alten Ideen nur insofern, als er eine simple Übernahme urbaner Konzepte aufgrund ihrer destruktiven Wirkung ablehnte. Olschowys weitere Ausführungen auf der Bundesarbeitstagung sind deshalb von dem Versuch geprägt, eine neue Siedlungsordnung für den ländlichen Raum zu beschreiben, die sich nicht an einer reinen Urbanisierung orientierte. Zwar forderte er – zunächst ganz im Sinne Lübkes – eine »städtebauliche Ordnung« des Dorfes. Explizit berief er sich dabei auf das Bundesbaugesetz, das am 23. Juni 1960 in Kraft getreten war und dessen Gültigkeit sich auf jede Form der Siedlung erstrecken würde. Damit verbunden war die regelgerechte Aufstellung von Flächennutzungs-, Bebauungs- und Landschaftsplänen, die eine weitere planlose Zersiedelung der Landschaft verhindern sollte. Konkret versuchte Olschowy allerdings, trotz seiner vorhergehenden Diagnose einer weitgehenden Irrelevanz bäuerlichen Lebens auf dem Dorfe, dessen letzte Reste als integralen Bestandteil dörflichen Lebens zu bewahren. So wendete er sich zwar nicht gegen eine Aussiedelung von Bauernhöfen im Allgemeinen, sprach sich aber gegen die Praxis, die Höfe so weit wie möglich vom Dorfkern entfernt anzusiedeln, aus,

57 Archiv der DGG, Ordner AID 1964, Sinn und Ziel des Bundeswettbewerbs »Unser Dorf soll schöner werden«. 58 Ebd., 1. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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da auch die ausgesiedelten Bauern zu Gemeinde gehörten und nicht vom kulturellen Leben des Dorfes abgeschnitten werden dürften. Insgesamt waren Olschowys Ausführungen von dem Wunsch geprägt, das in sich geschlossene Dorf als typische Siedlungsform für den ländlichen Raum zu erhalten. Denn: »Das Dorf muß sich – auch wenn es kein Bauerndorf mehr ist – seinen ländlichen Charakter bewahren.«59 Wichtigstes Vehikel zur Bewahrung des geschlossenen Siedlungscharakters des Dorfes war für Olschowy die »Ordnung des Dorfrandes«, um ein »ungeordnetes Hinausgreifen der Siedlung in die Feldflur zu verhindern.« Denn nur durch Geschlossenheit konnte erreicht werden, dass in den Dörfern nach wie vor »der Geist der echten Selbstverwaltung lebendig« sei, wie Olschowy betonte. Neben der Zielsetzung, das Dorf als geschlossene, nichturbane Siedlung mit möglichst bäuerlichem Charakter als dominante Siedlungsform für den ländlichen Raum zu erhalten, stand fast entgegengesetzt der Wunsch, das Dorf in größere Planungszusammenhänge zu integrieren und seine Reorganisation mit der Neuordnung des ländlichen Raumes zu verbinden. Olschowy dachte dabei vor allem an »Flurbereinigung, die Neuordnung des Wege- und Gewässernetzes, Meliorationsmaßnahmen, landschaftspflegerische Maßnahmen, Be- und Entwässerung«. Ziel dieser Maß­ nahmen war, dass sie »dem Menschen dienen: dem Mensch auf dem Land, der hier seinen gesicherten Lebens- und Wirtschaftsraum finden muß, und dem Menschen aus der Stadt, der hier Ausgleich und Erholung sucht.« In Olschowys Vortrag trat Sinn und Ziel von Unser Dorf soll schöner wer­ den klar hervor. Seine Bedeutung reorganisierte der Wettbewerb durch den als unumkehrbar wahrgenommenen Strukturwandel im ländlichen Raum, der nach langen Widerständen nun auch von den Befürwortern ländlicher Eigen­ ständigkeit akzeptiert wurde. Nach wie vor blieb allerdings die Stadt der ideal­ typische Widerpart des Landes. Allerdings war er nun dazu bereit, an einer Integration des ländlichen Raums in die Funktionsgesellschaft mitzuarbeiten. Dies allerdings nur unter der Vorgabe, dass der ländliche Raum auch in der »neuen Ordnung« seine Eigenständigkeit behalten sollte und sich auf keinen Fall der Stadt angleichen durfte. Um dies zu erreichen, verfolgte Olschowy drei Strategien: 1. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft musste so vorsichtig wie möglich durchgeführt werden, um so Reste bäuerlicher Volkskultur zu bewahren, die nach wie vor als das typischste Merkmal des ländlichen Raumes betrachtet wurden. 2. Das Dorf sollte als typische Siedlungsform des ländlichen Raumes erhalten werden. Von zentraler Bedeutung war dabei die Geschlossenheit des Dorfes. Dies galt in ästhetischer Hinsicht, in weit höherem Maße aber auch in sozialer

59 Ebd., 2. Alle weiteren Zitate ebenfalls dort. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Hinsicht für die Dorfgemeinschaft, die als idealtypische Form ländlichen Miteinanders gegenüber disparaten Formen des Zusammenlebens in Stadtgesellschaften unter allen Umständen verteidigt werden sollte. 3. Infrastrukturelle Maßnahmen sollten die strukturelle Integration des ländlichen Raumes vorantreiben, um so einem drohenden Funktionsverlust des ländlichen Raumes als Lebens- und Wirtschaftsraum, der sich vor allem in der Landflucht abzeichnete, entgegenzuwirken. Olschowy begriff die Bedeutung des ländlichen Raumes also nicht mehr wie sein Mentor Wiepking als einen Hort alter Volkskultur, mit deren Hilfe sich die negativen Auswirkungen der Modernisierung wie Umweltzerstörung oder so­ ziale Fragmentierung bekämpfen ließen. Stattdessen definierte er ihn über seine Funktionen, die der ländliche Raum in der sich abzeichnenden neuen Ordnung als Wohn-, Wirtschafts-, und Erholungsraum zu erfüllen hatte. »Sinn und Ziel des Bundeswettbewerbs« war für Olschowy nun, an der Schaffung eines länd­ lichen Raumes mitzuwirken, der strukturell in die neue Ordnung integriert war, genau aus diesem Grund aber auch seine sozialen und ästhetischen Eigenheiten bewahren sollte. Mit dieser Einschätzung der Lage auf dem Lande stand Olschowy nicht alleine. Auch in der Raumplanung wurden zu dieser Zeit ähnliche Überlegungen angestellt. Gerhard Isbary, der beim Institut für Raumforschung tätig war, formulierte sie in seinem 1964 erschienen Aufsatz »Ziele einer deutschen Raum­ planung«. Der Aufsatz erschien im Rahmen eines einflussreichen Bandes, der den bezeichnenden Titel »Deutschland ohne Konzeption? Am Beginn einer neuen Epoche« trug. Isbary bewegte sich in diesem Aufsatz in fast demselben semantischen Raum wie Olschowy, zog allerdings noch deutlichere Schluss­ folgerungen. Er betonte ebenfalls das Ende alter Ordnungsmodelle, war aber im Gegensatz zu Olschowy bereit, der neuen Ordnung auch einen Namen zu geben. Er sprach von der »Funktionsgesellschaft«, die »im Gegensatz zu der alten flächenbezogenen Agrargesellschaft« stehe. Auch »der bisher verwendete Name Industriegesellschaft lässt einen wesentlichen Punkt aus«, betont er, und meint damit die hohe Bedeutung, die Dienstleistungen in der neuen Gesellschaft zukäme. Auch er kritisiert, dass die Funktionsgesellschaft »mit dem ganzen Ungestüm eines Emporkömmlings, einst von der Agrargesellschaft geprägten Lebensraum an sich gerissen habe«. Dabei habe sie bis jetzt noch nichts Neues aufgebaut, »sondern auch vieles ohne jegliche Achtung des Gewordenen, achtlos zerstört, ja unwiederbringlich verwüstet.« Isbary leitet daraus allerdings nicht die Forderung nach einem Schutz von räumlichen Restbeständen der Agrargesellschaft ab, sondern forderte: »Das Ziel der Raumplanung ist also: Anpassung des Lebensraums an die Bedürfnisse der Funktionsgesellschaft«. Was an alten Strukturen noch vorhanden war, musste diesem Ziel untergeordnet werden. »Strukturreste der Vergangenheit stauen den Strom der Entwicklung«, formulierte er apodiktisch. Für den ländlichen Raum bedeutet dies, dass er sich auch © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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den Ansprüchen der Funktionsgesellschaft »an Arbeitsraum, an Wohnraum und Erholungsraum zu unterwerfen hatte«.60

3.3.2 Von der Erziehung der ländlichen Gesellschaft Nach Olschowys einleitenden Worten sprach auf der Bundesarbeitstagung der Referatsleiter für den Gartenbau im Bundeslandwirtschaftsministerium, Ministerialrat Herbert Klinkmann. Er schlug mit seinem Vortrag zu den »Wandlungen in der ländlichen Welt« in eine ähnliche Kerbe wie Olschowy, mit dem er den Ausgangspunkt seiner Überlegungen teilte. Das Dorf mit seiner überzeitlichen volkskulturellen Prägung war für Klinkmann ebenfalls unrettbar verloren. Um dies zu verdeutlichen, zitierte er aus einer Rede, die der nordrheinwestfälische Landwirtschaftsminister Gustav Niermann (CDU) 1963 auf der Insel Mainau gehalten hatte. Dieser stellte darin fest: »Das Dorf alter Prägung gehört der Vergangenheit an.«61 Wie Olschowy machte auch Klinkmann den Strukturwandel, der für ihn nach der Währungsreform einsetzte und den er als »zweite industrielle Revolution« bezeichnete, als den Hauptverantwort­lichen für das Verschwinden der alten Ordnung aus. Zwei Dinge galt es dabei seiner Ansicht nach für die Dörfer, die nun neu erstehen sollten, zu beachten: Erstens durften sie auf keinen Fall verstädtern und zweitens, musste die Er­haltung der Dorfgemeinschaft sichergestellt werden, die durch den Strukturwandel von der Auflösung bedroht war. Die Gefahr, die dabei von der Verstädterung ausging, stellte sich für Klinkmann nicht so sehr als die eines drohenden Funk­ tionsverlustes des ländlichen Raumes insgesamt dar, sondern vielmehr als Verlust der Dorfgemeinschaft an sich. Deren Existenz war für ihn die zwingende Voraussetzung dafür, dass das Dorf sich überhaupt in die neue Ordnung einpassen konnte. Dabei verstand der Ministerialrat die Dorfgemeinschaft nicht als Gemeinschaft, die auf der geteilten lokalen Volkskultur beruhte, sondern  – ganz so wie Lübke es skizziert hatte – als Community nach amerikanischem Vorbild, die sich an einem Ort zusammenfand, um an genau dieser Stelle eine gemeinsame Zukunft zu verwirklichen. »Im Rahmen der vielfältigen Bemühungen, die Wandlungen der ländlichen Welt in eine fruchtbare und harmonische Zukunft zu steuern, hat sich erfreulicherweise der Wettbewerb ›Unser Dorf soll schöner werden‹ zu einer sehr erfolgreichen und glücklichen Maßnahme entwickelt. Sie alle haben das durchweg selbst am unmittelbarsten erlebt. Diese so außer 60 Gerhard Isbary, Ziele einer deutschen Raumplanung, in: Robert Jungk, Hans Josef Mundt (Hrsg.), Deutschland ohne Konzeption? Am Beginn einer neuen Epoche. München u. a. 1964, 97–140. Zitate 104 ff. Vgl. auch: Leendertz, Ordnung schaffen, 345–349. 61 Klinkmann, Wandlung der ländlichen, 9. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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ordentliche positive Entwicklung hat ihre Gründe viel weniger in materiellen oder wirtschaftlichen Fortschritten als in dem Umstande, daß der Mensch, der in dem Dorfe lebte, unmittelbar angesprochen wurde und ihm bewusst gemacht wurde, daß das Anliegen seines Dorfes sein Anliegen ist.«62 Klinkmann stellt damit den erzieherischen Auftrag des Dorfwettbewerbs in den Vordergrund. Zwar betont auch er an anderer Stelle die Notwendigkeit infrastruktureller Maßnahmen und der funktionalen Integration des ländlichen Raumes, doch sah er den Wettbewerb dabei nicht in der Funktion des Überwachers, der mithilfe seiner Bewertungskriterien die Implementierung notwendiger Modernisierungsmaßnahmen steuerte, sondern als Mittel, um eine geteilte Zukunftsvision zu etablieren. Besondere Bedeutung räumte er der Jugend bei diesem Erziehungsprojekt ein: »Die Jugend sollte der Vortrupp sein, um die Evolution im Dorfe auszulösen und sie durchzuführen, möglicherweise auch eine unblutige Revolution.«63 Klinkmann ging davon aus, die Jugend würde nicht so am Alten hängen und wäre – insofern man ihr die richtige Richtung wies – aus dem Bedürfnis heraus, sich die Zukunft selbst zu gestalten, der beste Ansprechpartner, um allen Dorfbewohner, notfalls auch radikal, klarzumachen, dass die alten Zeiten ein für allemal vorbei waren. Damit das Ganze nicht aus dem Ruder lief, waren allerdings Experten notwendig. So sehr Klinkmann davon überzeugt war, dass die Dorfbewohner die Gestaltung ihres Dorfes selbst in die Hand nehmen würden, sobald sie sich auf eine gemeinsame Zukunft ihres Lebensraums geeinigt hätten, so unsicher war er doch, ob diese Vision die richtige sei. Die Experten, die darüber wachen sollten, ob die richtigen Ideen verwirklicht wurden, saßen auf der Bundesarbeitstagung als Preisrichter beim Wettbewerb und Berater im Publikum vor ihm und so sprach er sie direkt an: »Sie sind diejenigen, die den Menschen im Dorfe helfen und sie beraten wollen, damit die Aufgaben des Dorfes erkannt und mit richtigen Mitteln auf die beste Weise gelöst werden.«64 Gleichzeitig versuchte Klinkmann zu verhindern, dass die Planer die lokale Selbsthilfe durch zu starke Vorgaben erstickten oder gar die lokalen Unterschiede durch uniforme Planung einebneten. Denn nur aus dieser lokalen Identität ließen sich laut Klinkmann klare Entwicklungsziele für die einzelnen Dörfer entwickeln. Deshalb schrieb er den Beratern ins Stammbuch: »Jedes Dorf hat seine Individualität, die aus der Landschaft, seiner Umwelt und seinen Menschen geprägt worden ist. Sie zu erhalten, darin liegt eine hohe Verantwortung der Beratung.« Weiter warnte er: »Seien Sie aber auf alle Fälle darum bemüht, mögliche Gefahren eines Perfektionismus zu vermeiden. Die Initiative

62 Ebd., 8. 63 Ebd., 10. 64 Ebd., 8. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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muß immer von den Bewohnern ausgehen.«65 Denn natürlich wollte die neue Ordnung nicht totalitär sein, sondern sich ganz in den Dienst des Menschen stellen, dem es dabei zu helfen galt, sich zu seinem eigenen Besten selbst zu vervollkommnen. Trotz aller Differenzen baute Klinkmann mit seinem Entwurf für eine Zukunft des ländlichen Raumes wesentlich auf den Vorarbeiten von Personen wie Heinrich Wiepking oder Gerhard Olschowy auf. Diese hatten mit ihrer Betonung der Differenz zwischen Stadt und Land, ihrer Herausarbeitung der Unterschiede und klaren Abgrenzbarkeit verschiedener Landschaften bis hinunter auf die lokale Ebene überhaupt erst das Fundament geschaffen, auf dem 1964 die Annahme aufbaute, dass es so etwas wie eine Identität des länd­lichen Raumes, spezifischer Regionen oder einzelner Dorfgemeinschaften geben könne. Klinkmann definierte die lokale Identität der Dörfer nicht mehr kulturell, sondern führte sie auf eine praktische Differenz verschiedener Lebensumstände zurück, die aus den vielfältigen naturräumlichen und wirtschaftlichen Be­ dingungen sowie aus den unterschiedlichen Persönlichkeiten der Dorf­ bewohner herrührte. Dieses veränderte Verständnis von lokaler Identität er­ öffnete den zukünftigen Beratern eine Reihe neuer Möglichkeiten, mit denen sie sich wahrhaft als »Sozialingenieure« beweisen konnten66 – war es ihnen doch nun möglich, durch eine Veränderung der Lebensumstände auch auf die Identität der dörflichen Gemeinschaft einzuwirken und effektiv an der Schaffung neuer Gemeinschaften sowie neuer Menschen für eine neue Ordnung zu arbeiten. Mit dieser Umsortierung weitete Klinkmann die ursprüngliche Zielsetzung des Wettbewerbs von einer Neuordnung der Landschaft und des ländlichen Raumes aus auf eine Neuordnung der ländlichen Gesellschaft.

65 Ebd., 10. 66 Zum Thema Sozialingenieure schrieb Thomas Etzemüller einen Aufsatz, in dem er wesentliche Charakteristika dieser Gruppe zusammenfasst, die sich in hohem Maße bei den auf der Tagung anwesenden Gärtnern und Beamten wiederfinden. Etzemüller verweist dabei vor allem auf die besondere Stellung, die dem Experten eingeräumt wurde, und deren Be­mühen, die betroffenen Bürger zur rationalen Selbstregulierung und der Notwendigkeit stetiger Veränderungsbereitschaft zu ermuntern. Etzemüller, Die Ordnung, 11–41. Vgl. auch Lutz Raphael, Experten im Sozialstaat, in: Hans-Günther Hockerts (Hrsg.), Drei Wege deutscher Sozialstaatlichkeit. NS-Diktatur, Bundesrepublik und DDR im Vergleich. München 1998, 231–258. David Kuchenbuch, Geordnete Gemeinschaft, Architekten als Sozial­ ingenieure – Deutschland und Schweden im 20. Jahrhundert. Bielefeld 2010. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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3.3.3 Funktion statt Kultur Auch der Vertreter des Deutschen Gemeindetags Werner Cholewa67, der auf der Arbeitstagung ebenfalls ein einleitendes Referat hielt, betonte die Notwendigkeit einer Reform der kleinen Gemeinden der Bundesrepublik, da sie im Moment nicht in der Lage seien, die ihnen zugedachten gesellschaftlichen Auf­ gaben zu erfüllen. Geringe Steuerkraft und der Sog der Ballungsgebiete würden, wenn man nicht gegensteuere, sehr bald zu einer »sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Stagnation oder gar Rückläufigkeit« führen.68 Unter Verweis auf Gerhard Isbary betont auch Cholewa, dass das Problem einer mangelnden funktionalen Integration des ländlichen Raumes nicht mit dem »Gerede vom Dorf der guten alten Zeit« zu lösen sei.69 Auch aus seiner Sicht musste ein Neuanfang erfolgen, um den drohenden Funktionsverlust der Dörfer aufzuhalten und zu gewährleisten, dass »die Menschen in allen Räumen der Bundes­republik […] eine gleichwertige Teilhabe an den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Gütern unserer Nation haben.«70 Das Mittel, mit dem dies durchzusetzen sei, war für den Vertreter des Gemeindetags allerdings weniger der Dorfwettbewerb, über den er in seiner Rede ohnehin kaum sprach, als vielmehr eine Neuordnung des ländlichen Raumes mithilfe eines zu verabschiedenden »Bundesraumordnungsgesetzes«, das er als ein Gesetz zur Erneuerung der Gemeinden verstand. Er trug in zehn teilweise recht ausführlichen Thesen vor, welche Punkte dieses Gesetz zu enthalten habe. Wesentlich war für Cholewa vor allem, den ländlichen Raum bei seinen Restrukturierungsbemühungen nicht allein zu lassen, sondern durch Bund und Länder gemeinsam unterstützt würde. Dies galt sowohl in der Entwicklung von Zielvorstellungen und deren gesetzlicher Umsetzung, von großräumigen Planungen, die die Gesamtheit des ländlichen Raumes erfassen sollten, und besonders bei der Verteilung der finanziellen Lasten. Auch bei Maßnahmen, die der Modernisierung des Agrarsektors dienen sollten, galt es für Cholewa, auf eine Vereinheitlichung der Regeln hinzuarbeiten, wenn möglich sogar auf europäischer Ebene. Mögliche Probleme sah er vor allem in der finanziellen Ausschlachtung der Neustrukturierung des ländlichen Raumes. Daher galt es, jeglicher Form von Bodenspekulation einen

67 Cholewa war später viele Jahre stellvertretender Vorsitzender des Beirats für Raumordnung im Bundesbauministerium. Vgl. Franz Möller, Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Aufzeichnungen und Erinnerungen. Band 17. München 2004, 177. 68 Werner Cholewa, Gesetzliche Grundlagen für die Erneuerung der Gemeinden, in: AID (Hrsg.), Bericht über die Bundesarbeitstagung »Unser Dorf soll schöner werden« vom 13. bis 16.07.1964 in Landau/Pfalz, Bad Godesberg 1964, 17. 69 Ebd., 19. 70 Ebd., 17. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Riegel vorzuschieben und auch bei »Planer-Teams, Sanierungsgesellschaften und Spezialgesellschaften ein Auge darauf zu haben, daß aus der Sanierung kein Geschäft wird.«71 Als »Ziel der Erneuerung« beschrieb Cholewa die »gesunde Gemeinde«, die nicht nur als rudimentäres Überbleibsel einer vergangenen Epoche oder gar parasitärer Fremdkörper im Körper einer ansonsten funktionierenden Gesellschaft existierte. Für ihn bedeutete es vor allem, dass die Gemeinden »funktional eingegliedert« sein müssten, um so ihren Bürgern als vollwertiger Wohn-, Arbeits-, und Erholungsraum zur Verfügung zu stehen. Nur so konnten seiner Meinung nach die Dörfer »ihren Bürgern in einer sich schnell wandelnden Zeit eine Heimat bleiben«.72 Dem sich vollziehenden Wandel setzte Cholewa keinen statischen Kulturbegriff entgegen, sondern präsentierte die Vorstellung von einer modernen Gemeinde, deren Bedeutung und Identität sich an der Fähigkeit bemaß, am gesamtgesellschaftlichen Wandel teilzuhaben und weiterhin eine wichtige Rolle in den neugeordneten Räumen der Bundesrepublik zu spielen. Ein Ort, der keinerlei Funktionen besaß, hatte auf der mental map der sich abzeichnenden neuen Ordnung, die sich in den Augen der Tagungsteilnehmer in der Bundesrepublik durchsetzte, keinen Platz. Dies wurde auch im vierten Vortrag, der in der einleitenden Sektion der Bundesarbeitstagung gehalten wurde, deutlich. In ihm sprach der Diplomgärtner Rainer Piest aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium über die »Anlage und Finanzierung von Schutz- und Gehölzpflanzungen.«73 Statt die gesellschaftsgestaltende Bedeutung von Unser Dorf soll schöner werden auszuloten oder die Wichtigkeit funktionaler Eingliederung zu erläutern, zeigte Piest, wie sich die Wettbewerbsziele praktisch mithilfe gärtnerischer und landschaftsgestalterischer Maßnahmen erreichen ließen. Zweckfreie ästhetische Erwägungen im Zusammenhang mit Natur waren Pist völlig fremd; um positive Wirkung zu erzielen, müssten Pflanzungen vor allem drei Fähigkeiten haben, nämlich »funktionsgerecht, standortgerecht und pflegegerecht angelegt sein.«74 Damit unterwarf er das dörfliche Grün derselben Funktionslogik wie zuvor Olschowy den ländlichen Raum, Klinkmann die Bewohner des ländlichen Raumes und Cholewa die Gemeinden. Selbst die ästhetischen Normen, auf denen die Kriterien des Wettbewerbs fußten, subsumierte Piest unter dem Begriff der Funktionsgerechtigkeit. So heißt es bei ihm: »Unter ›funktionsgerecht‹ sei in diesem Zusammenhang auch verstanden, daß die Auswahl der pflanz­lichen 71 Ebd., 24–25. 72 Ebd., 25. 73 Rainer Piest, Anlage und Finanzierung von Schutz- und Gehölpflanzungen, in: AID (Hrsg.), Bericht über die Bundesarbeitstagung »Unser Dorf soll schöner werden« vom 13. bis 16.07.1964 in Landau/Pfalz, Bad Godesberg 1964, 26–31. 74 Ebd., 26. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Mittel und der Art oder Sorte dem Dorf gemäß sein muß, daß man es nicht überfremden, verniedlichen, überladen, zu bunt machen darf.«75

3.3.4 Planung oder bürgerschaftliches Engagement Nach Abschluss der Grundsatzreferate brach unter den Beratern eine heftige Debatte aus, in der die anwesenden Diplomgärtner und künftigen Sozial­ ingenieure darüber stritten, wie viel Beratung notwendig sei und wie viel Eigen­ leistung der Bürger wünschenswert.76 Zwar hielten einige der Anwesenden eindringliche Plädoyers dafür, die bürgerschaftliche Initiative gegenüber der Bedeutung von Fremdleistung und besonders Planung hochzuhalten, doch war man sich unter den Tagungsteilnehmern recht schnell darüber einig, für »eine klare und systematische Beratung« von Gemeinden zu plädieren. Bürgerschaftliches Engagement setzten die Berater zwar voraus, doch war man sich ­sicher, dass auch »die lebendigste und von großer Liebe getragene bürgerschaftliche Initiative […] sehr danebengehen kann, wenn die qualifizierte Beratung fehlt.«77 Man befürchtete »Beton- und Gartenzwergromantik, die bepflanzte Pyramide aus Autoreifen und die ›Mühle am rauschenden Bach‹ im bäuerlichen Vorgarten.« Anlass zu weiteren Diskussionen bot die von mehreren Tagungsteilnehmern kritisierte Bevorzugung von Gemeinden mit »bäuerlichem Charakter«, die  – obwohl der Strukturwandel ihre Anzahl und Bedeutung immer weiter ver­ ringern würde  – immer noch einen überproportional hohen Anteil der Bundessieger stellten. Um ihre Bedeutung in Zukunft zu mindern, sollten sich die Preisrichter stärker darauf konzentrieren, die Dinge zu bewerten, die im Rahmen des Wettbewerbs neu entstanden seien, und nicht so sehr auf bereits vorhandene Faktoren abzielen. Transformative Aspekte rückten damit gegenüber bewahrenden Aspekten immer stärker in den Vordergrund. Überraschenderweise machte Gerhard Olschowy letztlich den radikalsten Vorschlag der Bundesarbeitstagung: Das Leitbild des »dörflichen Charakters«, 75 Ebd., 26. 76 Auch so mancher Kreisgartenbauberater fühlte sich wohl durchaus angegriffen, da er den Eindruck hatte, es würde nicht nur die Kompetenz der Bevölkerung des ländlichen Raumes in puncto Neuordnung infrage gestellt, sondern sehr wohl auch die Kompetenz der Berater. So schrieb etwa der Geschäftsführer des Verbands des Pfälzischen Gemüse-, Obstund Gartenbaus, List, an den Geschäftsführer der DGG Hammler kurz nach der Tagung in Landau: »Ich hatte schon beim Mittagessen die Bemerkung gemacht, daß ich den Eindruck habe, daß man, mindestens von den Anwesenden in Landau aus gesehen, versucht, die Dorfwettbewerb zu bürokratisieren. Der Vormittag war für mich insofern enttäuschend, weil man die gute und zum Teil sogar hervorragende Mitarbeit der Kreisgartenbauberater in ein schiefes Licht stellte.« Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1965, 17.07.1964. 77 Aussprache über die Referate, in: AID (Hrsg.), Bericht, 32. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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den eine Siegergemeinde versinnbildlichen musste, sollte durch das des »länd­ lichen Charakters« ersetzt werden, da es das Dorf im üblichen Sinne eben kaum mehr gebe. Tatsächlich taucht der Begriff »Dorf« in der weiteren Zusammenfassung der Diskussion nur noch in Anführungszeichen auf. Die Schluss­ folgerungen aus dieser von Olschowy vorgeschlagenen Neuausrichtung des Leitbildes wurden in der Diskussion sofort gezogen. So ergab sich für alle Anwesenden die Forderung, in Zukunft verstärkt darauf zu achten, dass die »dörflichen Ordnungsmaßnahmen« auf lokaler Ebene »in eine regionale und überregionale Ordnungsidee« eingebunden werden müssen – wie etwa Cholewa in seinem Vortrag skizziert hatte.78 Nur so konnten weiter vereinzelte Ver­suche verhindert werden, eine überkommene »dörfliche Lebenswelt« zu erhalten. Stattdessen galt es, die ländliche Gemeinde auf jene Aufgaben vorzubereiten, die ihr in einer zukünftigen Funktionsgesellschaft zuwachsen würden  – und das durch eine verstärkte Beratung der ländlichen Gemeinden und am besten durch eine »langfristige Beratung durch einen Garten- und Landschaftsarchitekten in der Form von Pauschalverträgen mit dem Landkreis.«79 Aus Sicht der anwesenden Experten war es völlig klar, dass die Bewohner der Dörfer nicht die Kenntnisse hatten, um die Maßnahmen, die sich aus der Anforderung zur Anpassung an die Neuordnung des ländlichen Raumes ergaben, selbst durchzuführen. Nur die anwesenden Sozialingenieure, im Speziellen die Garten- und Landschaftsarchitekten, besaßen die dafür notwendige, meist universitäre Ausbildung, das erforderliche Wissen und den Überblick, um die Gemeinden auf ihre zukünftigen Funktionen als Teil des ländlichen Raumes entsprechend vorzubereiten. Mit diesem Schritt hatten sich die Grundlagen, auf denen der Dorfwett­ bewerb ruhte, innerhalb von fünf Jahren völlig gewandelt. Statt dem Vertrauen in die Selbstheilungskräfte bäuerlicher Volkskultur rückte nun, angesichts der Herausforderungen, die die Funktionsgesellschaft mit sich brachte, rationale Planung durch Experten in das Blickfeld der Verantwortlichen und Berater. So ist es nicht verwunderlich, dass man sich im weiteren Verlauf der Tagung nach einer Exkursion zu den pfälzischen Golddörfern Haardt an der Weinstraße und Böbingen der Diskussion über Planungsgrundlagen wie »Der Landschaftsplan als Grundlage der Flurneuordnung« und »Der Grünordnungsplan, ein Mittel zur Neuordnung der Dörfer« widmete.

78 Ebd., 35. 79 Ebd., 32. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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3.3.5 Forderungen der Landschafts- und Grünplaner Über den »Landschaftsplan als Grundlage der Flurneuordnung« referierte auf der Tagung Oberforstmeister Pflug, der im Landwirtschaftsministerium in Mainz arbeitete und unter anderem bei Konrad Buchwald studiert hatte.80 Pflug ging damit noch einen Schritt weiter als seine Vorredner; er recht­fertigte das Gebot zum Wandel nicht nur durch sachliche und historische Notwendigkeiten, sondern auch anthropologisch, denn »[s]eit jeher ist es das Streben des Menschen, sich eine Umwelt aufzubauen und zu gestalten, die seinem Wesen und seinen Bedürfnissen entspricht.«81 Ziel allen Planens und jedes Landschaftsplans musste es daher sein, dieses menschliche Streben nach einer Neuordnung der Dinge mit dem »natürlichen Ordnungsplan« und »ökologischen Grundgesetzen« in Einklang zu bringen, da es sonst zu »unübersehbaren Landschaftsschäden« käme. Das Problem war, dass es dabei ein System »ungemein vielfältiger und komplexer Faktoren und Kreisläufe« zu beachten galt, in dem es schnell zu Fehlern kommen konnte.82 Damit blieb die wesentliche Grundidee des Landschaftsgedankens weiterhin präsent, denn nach wie vor war die Landschaft die Form räumlicher Gestaltung, in der Technik und Natur bzw. Fortschritt und natürliche Ordnung am besten zu einer produktiven Einheit verschmolzen. Allerdings erschloss sich dieses Zusammenspiel auch den Deutschen nicht mehr automatisch aus ihrer ehemals rassischen Überlegenheit als »Pflanzenmenschen«, zudem konnte man angesichts des Verschwindens der bäuerlichen Kultur nicht mehr auf deren traditionelles Wissen zurückgreifen. Stattdessen musste in der neuen Zeit das Verständnis für komplexe Faktoren, die der Landschaft zugrunde lagen, mühsam erarbeitet werden. Daher stand am Anfang jedes Landschaftsplans eine aufwendige Landschaftsanalyse, deren Aufgabe es war, die komplexen Wirkungszusammenhänge, auf denen das Gleichgewicht einer Landschaft beruhte, transparent zu machen. Wo den Raumplanern jedoch das notwendige ökologische Wissen fehlte, sollte die Landschaftsplanung kommentierend und korrigierend eingreifen. So könnte sie etwa Straßenplanungen anpassen, »weil ein zur Erholung oder für die Wasserversorgung wichtiges Waldgebiet oder ein reizvolles Tal geschont werden muss.«83 Pflug war dabei sehr bemüht, den Eindruck zu vermeiden, er würde den Planungs- und Ordnungsanspruch anderer Organisationen wie etwa der Raumplanung nicht anerkennen. Gleichzeitig macht er aber deutlich, wie 80 Die Informationen entstammen der Teilnehmerliste und einem Verweis auf Buchwald im Vortrag. 81 o. N. Pflug, Der Landschaftsplan als Grundlage der Flurneuordnung, in: AID (Hrsg.), Bericht, 36. 82 Dieses Zitat wie auch die vorhergehenden. Pflug, Der Landschaftsplan, 36–37. 83 Auch die folgenden Zitate Ebd., 40–41. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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weit der eigene Gestaltungsanspruch ging und welchen Einfluss man ihm einräumen sollte. An den Bundeswettbewerb knüpfte Pflug die Hoffnung, dass er auch bei den Bürgern das Verständnis für die Notwendigkeit eines Landschaftsplans wachsen lassen würde, sodass »die Forderung nach dem Landschaftsplan eines Tages nicht mehr nur von oben, sondern mit großer Selbstverständlichkeit von dort kommt, wo man seit altersher weiß, daß das menschliche Tun mit dem Naturgegebenen in Einklang gebracht werden muß.«84 Halbwegs elegant schlug der Oberforstmeister hier noch einmal den Bogen zum ursprünglichen Landschaftsgedanken und den damit verbundenen Intentionen des Dorfwett­ bewerbs. Dass dieses althergebrachte Wissen aber nicht dazu führen könne, den Bewohnern des ländlichen Raumes die Hoheit über die Gestaltung der Landschaft zu überlassen, war für Pflug völlig klar. Die Wiedererweckung länd­licher Traditionen stand sicherlich nicht auf seinem Programm. Er wünschte sich vor allem die politische Unterstützung aus der Bevölkerung für eine zukünftige Landschaftsplanung, die »grundsätzlich [Unterstreichung i. O.] von Fach­ behörden für Landschaftspflege aufgestellt werden« sollte und der sich die betroffene Bevölkerung zu ihrem eigenen Wohle unterordnen würde.85 In der abschließenden Diskussion der Vorträge war man sich darüber einig, dass Planung allgemein und Landschafts- und Grünplanung im Besonderen in Zukunft eine hohe Priorität im Wettbewerb erhalten sollten. Daraus resultierte die Forderung, dass Landschafts- und Grünplaner in Zukunft als Berater und Planer insgesamt stärker in den Wettbewerb integriert werden müssten. Und weil sich die Anwesenden darüber einig waren, dass es viel zu wenig qualifizierte Berater gab, sollten über die zuständigen Landesministerien vom Bund Deutscher Gartenarchitekten erstellte Listen mit geeigneten Planern an die teilnehmenden Gemeinden weitergereicht werden. Zur Finanzierung würden vor allem das Bundeslandwirtschaftsministerium und die Landkreise herangezogen werden, die Jahresverträge mit Festhonoraren abschließen sollten. Auch der Vertreter des Gemeindetages Cholewa, der am vorherigen Tag davor gewarnt hatte, aus der Sanierung der Gemeinden ein Geschäft zu machen, hatte nichts gegen diese Ideen einzuwenden, da die Finanzierung nicht von den Gemeinden übernommen würde. Einzig bei der Verankerung ihres zukünftigen Wirkungsbereichs im Gesetz ruderten die Planer etwas zurück. Dass man nicht immer sofort nach dem Gesetzgeber rufen könne, darüber war man sich einig. Schließlich hätte beispielsweise der Goldene Plan gezeigt, wie auch Richtlinien ohne Gesetzeskraft beträchtliche Wirkung entfalten könnten, wenn die Verantwortlichen von der Richtigkeit der Richtlinien überzeugt waren. Genau dies galt für die entworfenen 84 Ebd., 48. 85 Ebd., 36. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Richtlinien der Teilnehmer der Bundesarbeitstagung, darüber gab es unter den Anwesenden keine Zweifel.86 Geradezu beispielhaft ist anhand der Aufzeichnungen zu beobachten, wie Experten ihren Anspruch, »Probleme zu definieren und zu lösen, in langen Aushandlungsprozessen untereinander bzw. mit den entsprechenden Institutionen durchzusetzen versuchten.«87 Das Bemühen der anwesenden Planer, bei der Neuordnung des ländlichen Raumes im Rahmen des Dorfwettbewerbs »die zahllosen Funktionsstellen, an denen die Gesellschaft gestaltet und gesteuert wird«88, zu besetzen oder gar solche Positionen neu zu schaffen, wird hier besonders deutlich.

3.3.6 Wettbewerb auf allen Ebenen: Erfahrungsberichte Nachdem man den Rahmen für die zukünftigen Wettbewerbe abgesteckt hatte, wurden zum Abschluss der Bundesarbeitstagung noch einige Erfahrungs­ berichte zum Wettbewerb verlesen. Diese sollten die verschiedenen Ebenen reflektieren, auf denen der Wettbewerb stattfand. So berichtete zunächst der Generalsekretär der Deutschen Gartenbaugesellschaft Horst Hammler von den Erfahrungen auf Bundesebene. Weil Hammler Unser Dorf soll schöner wer­ den vor allem als Möglichkeit sah, die Ziele des Wettbewerbs in großem Stil bekannt zu machen, legte er besonderen Wert auf Öffentlichkeitswirkung. Deshalb lobte er ausdrücklich den Vorsitzenden der Bundesbewertungskommission Hans U ­ lrich Schmidt, der für den Erfolg des Wettbewerbs maßgeblich verantwortlich sei, weil er große Begabung im Umgang mit der Presse zeige und in der Lage sei, die Anliegen des Wettbewerbs auch vor Ort an Beispielen zu konkretisieren. Besondere Bedeutung räumte Hammler auch der Feierstunde zur Verleihung der Preise in der Beethovenhalle in Bonn ein. Ihr Rahmen bot sich seiner Ansicht nach die Möglichkeit, weit in den gesellschaftlichen und politischen Raum hineinzuwirken. Allerdings zeigte sich, Hammlers Vorstellung von Öffentlichkeit recht eingeschränkt war, wenn er davon sprach, »die Feierstunde bei Regierungsmitgliedern, maßgeblichen Politikern, Organisations- und Verbandsleitern sowie höchsten Beamten als Appell an das Gewissen zur Neu­ordnung der ländlichen Welt empfunden und gewertet wird.«89 Über den Wettbewerb auf Landesebene berichtete Dr. Klein, ein Vertreter des Landwirtschaftsministeriums in Rheinland-Pfalz. 1963 hatten in diesem Bundesland 1.243 Dörfer am Wettbewerb Unser Dorf soll schöner werden teilgenommen – und damit lag es mit weitem Abstand vor allen anderen Ländern. 86 Aussprache über die Referate, in: AID (Hrsg.), Bericht, 48. 87 Etzemüller, Social Engineering, 20. 88 Ebd., 21. 89 Hammler, Erfahrungsbericht, 72. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Rheinland-Pfalz, so zeigte sich in der Ansprache des Ministeriumsvertreters, setzte den Dorfwettbewerb mit massiver staatlicher Unterstützung durch. Auf lokaler Ebene war als Ansprechpartner im Dorf nach Ansicht Kleins am besten der Bürgermeister oder der Lehrer geeignet. Der Pfarrer spielte hierbei meist eine geringe Rolle, hin und wieder wären aber auch er sowie Hausfrauen und Rentner die richtigen Vermittler. Dennoch sei es vor allem die Landjugend, die in Rheinland-Pfalz am ehesten für das Projekt zu gewinnen war. Ins­gesamt sei aber in Rheinland-Pfalz eine hohe Bereitschaft vorhanden, die Lebens­ bedingungen auf dem Lande mithilfe des Dorfwettbewerbs zu verbessern. Diese Bereitschaft müsse der Wettbewerb mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln fördern und in die richtige Richtung lenken. Die Landräte sollten als Nächstes darüber berichten, wie die Gemeinden zur Teilnahme am Wettbewerb bewegt werden konnten und auf die Voraus­ setzungen für eine erfolgreiche Teilnahme eingehen. So erklärte in diesem Rahmen der Landrat des im südlichen Nordrhein-Westfalen an der Grenze zum Saarland liegenden Kreises Birkenfeld, Dr. Kessler, wie es ihm gelungen war, innerhalb des Zeitraums von 1961 bis 1963 alle 102 Gemeinden unter 3.000 Einwohnern, die in seinem Kreis lagen, zur Teilnahme am Wettbewerb zu bewegen. Von Anfang an waren dort Kommissionen und – wie Kessler selbstbewusst betonte – auch »regelmäßig der Landrat selbst« unterwegs gewesen, um vielversprechende Dörfer auszuwählen und zu prämieren.90 Der Kollege von Landrat Kessler, der Landrat des Landkreises Simmern im Hunsrück, Rudolf Rumetsch, übte sich im Gegensatz zu seinem Vorredner in demonstrativer Bescheidenheit. Er habe einfach alle kreisangehörigen Gemeinden ohne weitere Diskussion zum Wettbewerb angemeldet und ihnen einen Lehrfilm vorgeführt. Sein entscheidender politischer Zug war es, eine »Kreisberatungskommission« zu berufen, die bis zu 60 Mitglieder hatte und in die er nicht Fachleute berief, sondern die Eliten des Landkreises – vor allem Lehrer, Bürgermeister und Beamte. Werbe- und Beratungsvorträge ließ der Landrat unentgeltlich anbieten. Allerdings konnte der Landkreis in den zwei Wettbewerben 1961 und 1963 noch keine Teilnehmer am Bundeswettbewerb vorweisen. Als Hauptursache für die fehlenden Erfolge sah Rumetsch den mangelnden Ausbau der Straßen, da die Bevölkerung erfahrungsgemäß wenig Neigung zeige, sich der Dorf­ verschönerung anzunehmen, wenn es nicht vorher zu einem modernen Ausbau der Straßen gekommen sei.91 Hier sprach der Landrat einen wesentlichen Punkt für die Akzeptanz des Wettbewerbs an, wie auch die nähere Betrachtung der Beispielsdörfer demonstriert. 90 Archiv der DGG, Ordner AID 1964, Erfahrungsbericht über die Wettbewerbe »Unser Dorf soll schöner werden« auf Kreisebene, 1. 91 Rudolf, Rumetsch, Erfahrungsbericht aus dem Landkreis Simmern, in: AID (Hrsg.), Bericht, 83. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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In der abschließenden Aussprache über die Erfahrungsberichte aus dem Dorfwettbewerb priesen die anwesenden Planer den auch das hohe Maß an Beratung, das sich in den Vorträgen dargestellt habe, und betonten deren enorme Bedeutung. Wiederum stellten sie fest, dass dringend tüchtige Fachberater für die Dorfverschönerung zur Verfügung gestellt werden müsten. Sehr zufrieden zeigten sich die Anwesenden außerdem über die »Förderung und Vertiefung des Gemeinsinns, der Nachbarschaftshilfe und der zunehmenden Beteiligung am politischen Leben«, die sich im Rahmen des Dorfwettbewerbs feststellen ließen.92

3.3.7 Vom Kulturraum zum Funktionsraum Auf der Bundesarbeitstagung, die im Juli 1964 in Landau in der Pfalz stattfand, zeigt sich also deutlich, dass sich bei wichtigen Akteuren und Planern von Unser Dorf soll schöner werden auf allen Ebenen  – von der Bundesebene bis hin­unter zur Kreisebene  – bereits wenige Jahre nach dem ersten Wettbewerb ein Paradigmenwechsel im Raumverständnis durchgesetzt hatte. Dieser erfolgte durch die Einleitung eines neuen Raumverständnisses, das Raum nicht mehr als Kulturraum verstand, sondern als Funktionsraum. Die Beschreibung des Raumes als Funktionsraum stand wiederum in engem Zusammenhang mit der Beschreibung der Gesellschaft als Funktionsgesellschaft. Der zentrale Unterschied zwischen Kulturraum und Funktionsraum bestand darin, Raum nun nicht mehr als Ausdruck und Grundlage der (Volks-)Kultur, also der in diesem Raum beheimateten Bevölkerung bzw. des in dem Raum beheimateten Volkes zu verstehen. Durch diese Neuausrichtung des Raumverständnisses ergaben sich zwangsläufig wesentliche Verschiebungen für die Neuordnung des länd­lichen Raumes, wie sie der Dorfwettbewerb bislang vorangetrieben hatte. Praktisch alle Anwesenden auf der Bundesarbeitstagung waren sich darin einig, dass das alte Dorf und dessen Kultur der Vergangenheit angehörte und in der Gegenwart keine Bedeutung mehr besaß. Raum definierte sich nun ausschließlich über die Funktionen, die er im Rahmen der Funktionsgesellschaft zu übernehmen hatte, um so ihr Funktionieren im größeren Rahmen zu gewährleisten. Für die Neuordnung des ländlichen Raumes mithilfe des Dorf­ wettbewerbs bedeutete dies vor allem zwei Dinge: 1. Die Sicherung und Neuetablierung von (volks-)kulturellen (Rest-)Werten trat in den Hintergrund. Damit verbunden war ein starker Rückgang der Bedeutung, die den kulturellen Praktiken der ländlichen und vor allem der bäuer­ 92 Aussprache über die Erfahrungsberichte über den Wettbewerb, in: AID (Hrsg.), Bericht, 94 ff. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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lichen Bevölkerung vonseiten der Verantwortlichen des Wettbewerbs für die Neuordnung des ländlichen Raumes eingeräumt wurde. Diese konnten kaum etwas zur Formung des Funktionsraums beitragen und waren darüber hinaus ein potenzielles Entwicklungshemmnis. Maximal war eine Einspeisung des alten Wissens in neue Wissenszusammenhänge möglich, hier konnte der Dorfwettbewerb als eine Schnittstelle funktionieren. 2. In den Vordergrund trat stattdessen die Einbindung des ländlichen Raumes in die Funktionsgesellschaft. Wesentlich waren dabei infrastrukturelle Maßnahmen, die quasi die Schnittstellen zwischen ländlichem Raum und restlichem Funktionsraum erhöhten und somit eine höhere Anzahl an An­ dockungsmöglichkeiten und eine bessere Verbindung ermöglichten. Zudem sollte der ländliche Raum verstärkt an die Planungsmechanismen anderer Räume, speziell urbaner Räume, herangeführt werden, um so eine höhere Kompatibilität zu gewährleisten. Dies galt im Besonderen auch für die Landschaft und das dörfliche Grün, die nun ebenso ihre Funktion zu erfüllen hatten wie Straßen oder Abwasserkanäle. Die Profiteure dieser Entwicklung waren die Experten, im Rahmen des Dorfwettbewerbs vor allem Gärtner und Landschaftsgestalter, die besonders in Bildungsinstitutionen oder der staatlichen Verwaltung tätig waren. Sie verfügten über das notwendige Wissen, um die Integration des ländlichen Raumes in den Funktionsraum BRD zu gestalten. Die zukünftigen Berater und Kommissionsmitglieder verbanden zudem vermehrt professionelle Interessen mit der Neuausrichtung: Diese bezogen sich sowohl auf handfesten finanziellen Profit, der mithilfe von Beraterverträgen gemacht werden sollte, als auch auf den Wunsch nach einem insgesamt größeren Einfluss auf die Neugestaltung des ländlichen Raumes. Durch einen konsequenten Einbezug der Grünplaner in die Planungsprozesse sollte ihre Autorität in der Neuordnung des ländlichen Raumes gewährleistet werden. Der Gestus der Grünplaner, die man mit Etzemüller durchaus als Sozialingenieure bezeichnen kann, war dabei geprägt von großem Vertrauen in die eigene Expertise. So war man sich unter den Planern sicher, dass sich den betroffenen Dorfbewohnern die Weisheit ihrer Ratschlüsse zwingend darstellen würde. Die Erfahrungsberichte der anwesenden Vertreter von Gemeinden und Kreisen schienen diese Annahme zu bestätigen. Anscheinend hatten zumindest die dörflichen Eliten begriffen, dass nur durch die Übernahme der ihnen zugewiesenen Funktionen die weitere Relevanz ihrer Dörfer in der Funktions­ gesellschaft gesichert werden konnte. Allerdings zeigte sich in den Ausführungen der auf der Bundesarbeitstagung anwesenden Vertreter der Gemeinden und Kreise das Bemühen darum, sich die Steuerung der Neuordnung ihrer Gemeinden durch die Berater nicht völlig aus der Hand nehmen zu lassen und den Einfluss auf den Veränderungsprozess zu behalten. Doch ihre Einflussmöglichkeiten hatten ebenso ausgedient wie die Vorstellungen der ersten Generation an Landschaftsgestaltern: Wiepkings Planungen galten noch einem neuen Raum, © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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der in den ewig währenden deutschen Volksraum eingegliedert werden musste. Jetzt plante man einen vorhandenen Raum, der in eine neue Zeit integriert werden musste.

3.4 Der dritte Wettbewerb 1965: Implementierung der »Neuen Ordnung« Nach der Entscheidung für das »Dorf neuer Ordnung« galt es Wege zu finden, mit denen die Forderungen, die in Landau erhoben wurden, umgesetzt werden konnten. Das Schmieden von Plänen war notwendig und Unterstützung für die neuen Ideen musste gefunden werden. Zunächst aber wurde der dritte Dorfwettbewerb durchgeführt. Diesen begleitete im Jahr 1965 eine Journalistin, um die Veränderungen, die sich in der Neuausrichtung des Wettbewerbs ergeben hatten, auch in größerem Stil nach außen zu kommunizieren.

3.4.1 Schwierigkeiten in der Außendarstellung Vilma Sturm war Redakteurin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und begleitete die Preisrichter 1965 auf ihrer Bewertungsfahrt. Sie schrieb sowohl als Literaturkritikerin als auch als Reisejournalistin speziell über Fragen der Stadtplanung und des Umweltschutzes für die Zeitung.93 In ihrem Artikel »Unterwegs mit der Bundesjury beim Wettbewerb ›Unser Dorf soll schöner werden‹« erörterte sie die Ziele des Dorfwettbewerbs ausführlich. Dabei stellte Sturm vor allem das Engagement und die Anpassungsfähigkeit der Dorfbewohner in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung und teilte den FAZ-Lesern mit: »Der Wettbewerb dient nicht der Konservierung eines Dornröschen-Dorfes, an dem die Zeit vorüberrauscht. Er sieht es vielmehr als seine vornehmste Aufgabe an zu beurteilen, wie die Dorfbewohner es vermochten, den gewandelten Strukturen des ländlichen Daseins Rechnung zu tragen, wie intensiv sie sich dabei zu gemeinschaftlicher Leistung zusammen taten und pro 93 Vilma Sturm war in den 70er- und 80er-Jahren eine wichtige Stimme in der deutschen Friedensbewegung und verfasste mehrere Essays und Romane. Während ihrer Zeit als Truppenbetreuerin im des Zweiten Weltkriegs veröffentlichte sie zudem mehrere Werke, die dem nationalsozialistischen Weltbild verhaftet waren. Später erschienen Bücher, die sich mit Fragen der Landschaft, der Umwelt und der Friedensbewegung auseinandersetzten. Ihr Nachlass inklusive eines intensiven Briefwechsels mit Heinrich Böll wird im Stadtarchiv Köln aufbewahrt und ist im Moment nicht zugänglich. Informationen unter: http://www.rheinischeliteraturnachlaesse.de. Auswahl an Veröffentlichungen: Vilma Sturm, Mädchen und Soldaten. Dülmen 1940. Vilma Sturm, Deutsche Naturparke in Wort und Bild. Stuttgart 1965. Vilma Sturm, Achtzig Jahre Krieg und Frieden. Düsseldorf 1991. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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duktive, gestalterische Kräfte aktivierten. Die Jury sieht die staatsbürgerliche, die politische Aufgabe, mit Hilfe dieses ursprünglich auf bloße Verschönerung, Ordnung und Sauberkeit gerichteten Unternehmens, die Dorfbewohner an öffentlichen Angelegenheiten zu beteiligen und sie damit politischer Trägheit und Gleichgültigkeit zu entreißen.«94 Sturm beschrieb die große Sorgfalt und Sensibilität, mit der die Jury-Mitglieder bei ihren Bewertungen vorgingen, und betonte deren Bemühen, jedem Dorf und dessen Bewohnern gerecht zu werden. Besonders angetan war die »katho­ lische Publizistin«95 allerdings von der geradezu kindlichen Demut, mit der die Dorfbewohner ihrer Ansicht nach das Urteil der Bewertungskommission annahmen. Ihre Eindrücke erinnern an die sentimentalen Schilderungen von Besuchen des Kaisers oder hoher Würdenträger aus dem Kaiserreich: »Wenn der Vorsitzende der Jury seine Schlussansprache hält, dann schnäuzen sich viele, manche Träne wird im Augenwinkel zerdrückt – so erhebend ist die Gelegenheit, sich vor den Abgesandten des Ministers darbieten zu dürfen, mit all den strahlend weiß verputzten Hauswänden, den frisch gestrichenen Zäunen, den Beeten und Springbrünnchen und dem geharkten Kies vor dem Totenmal, Belohnung monatelanger Anstrengung aufopferungsvollen Fleißes.«96 Die Autorität der Bundesjury erschien Sturm als das wichtigste Element des Bundeswettbewerbs. Ihre herausgehobene Stellung machte es in den Augen der Journalistin möglich, die Dorfbewohner in die richtige Richtung zu lenken und damit die positive Entwicklung des ländlichen Raumes voranzutreiben. So schloss sie ihren Artikel mit der Überlegung: »Die Jury verfügt über eine Autorität, die sie vielleicht noch mehr, noch kräftiger ins Spiel bringen sollte, um gegenwärtigen und zukünftigen Verirrungen im Erscheinungsbild des Dorfes entgegen­ zuwirken und den Strukturwandel voranzutreiben.«97 Die öffentlichkeitswirksame Berichterstattung über den Wettbewerb nahmen jedoch nicht alle so positiv auf, wie es sich die DGG erhofft hatte. Besonders die Dorfbewohner waren nicht glücklich damit, sich »vor den Abgesandten des Ministers darbieten« zu müssen. Der Vorsitzende des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Bellersdorf beispielsweise war ohnehin nicht zufrieden mit dem Verlauf des Wettbewerbs und schon gar nicht mit dem Artikel in der FAZ. In dem Brief, den er an die DGG, den Landrat sowie den hessischen Landwirtschaftsminister schickte, brachte er nicht nur im Namen des Vereins, son-

94 Vilma Sturm, Unterwegs mit der Bundesjury beim Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 213, 14.09.1965. 95 So bezeichnete der Spiegel 1968 Vilma Sturm, als er Auszüge der von ihr herausgegebenen und teilweise verfassten Untersuchung zur »Krisis der religiösen Sprache« veröffentlichte. Vilma Sturm, Einfach so dahingeschwafelt, in: Der Spiegel, 17/1968, 22.04.1968. 96 Sturm, Unterwegs. 97 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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dern »der gesamten Einwohnerschaft«98 seine Klagen vor. Der Vorsitzende beschwerte sich bitter darüber, dass Bellersdorf lediglich aufgrund eines fehlenden Bauleitplans nur mit der Bronzemedaille ausgezeichnet worden war und keine Goldmedaille errungen hatte. Wirklich erzürnt hatte ihn aber der Artikel von Vilma Sturm: »Es ist geradezu skandalös, wie sich die Verfasserin in einer Art und Weise über die Bewohner in den ›kleinen Nestern‹ lustig und den Wett­ bewerb lächerlich macht«99, ärgerte sich der Vereinsvorsitzende. Angesichts solcher Herablassung vonseiten einer etablierten Zeitung drohte er mit einem publizistischen Gegenschlag: »Wir fragen uns nunmehr, ob es nicht zweckmäßig wäre, die gesamte Presse des Bundesgebietes einschließlich der Bildzeitung auf all die Vorkommnisse aufmerksam zu machen.«100 Der Geschäftsführer der DGG, Horst Hammler, der auch Mitglied der Bundesjury gewesen war, sah sich angesichts solcher Vorwürfe dazu bemüßigt, schnell eine beschwichtigende Antwort zu geben. Er verstehe natürlich, dass der Vorsitzende erzürnt sei, schrieb er, da dieser so viele Mühen in den Wettbewerb gesteckt und »für den Fortschritt gearbeitet habe«.101 Man wisse natürlich, welche außerordentlichen Leistungen in Bellersdorf vollbracht worden seien, aber die Bronzemedaille sei angesichts der vielen Teilnehmer an sich schon eine sehr hohe Auszeichnung. Nicht nachvollziehen konnte Hammler allerdings den Zorn über den Artikel von Vilma Sturm. Dieser gebe doch nur die Eindrücke wieder, die die Autorin von den »menschlichen Qualitäten der für den Wettbewerb Verantwortlichen« gewonnen habe. Er selbst las aus dem Bericht »eine spürbare Hochachtung vor den Leistungen der Bürger kleiner Dorfgemeinden« heraus. Offensichtlich wollte Hammler mit dieser paternalistischen Haltung zur Beruhigung der Gemüter beitragen und beruhigend einwirken. Dennoch nahm er den Einwurf des Vorsitzenden des Verschönerungsvereins in keiner Weise als grundsätzliche Kritik auf die neue Planungsfixierung des Wettbewerbs wahr und ebenso wenig als eine berechtigte Beanstandung der Darstellung der ländlichen Bevölkerung als devote Claqueure im Artikel Sturms; zumindest ist das in den Akten nicht überliefert. Der Vorgang selbst wirft jedoch die Frage auf, wie sich die zunehmenden Forderungen nach Unterweisung der Dörfer und der Durchsetzung moderner Planungsmethoden auf die Bereitschaft der ländlichen Bevölkerung zur Teilnahme am Wettbewerb auswirkten. Lennart Bernadotte erkannte dieses Problem und verstand es auch hier, Gräben zu überbrücken und zumindest die Bürgermeister bestens zu integrieren. 98 Archiv der DGG, Ordner Schriftverkehr mit Gemeinden 1965, 16.09.1965. Leider ist der Name des Vorsitzenden nicht zu eruieren, da dieser nur handschriftlich unterschrieben hat. 99 Ebd. 100 Ebd. 101 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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3.4.2 »Naive Freiheit« statt funktionale Zwänge »Ihre Hoheit Graf Lennart Bernadotte« hielt auf der Feierstunde der Dorf­ wettbewerbe am 16. Dezember 1965 erstmals eine größere Rede zum Abschluss des Wettbewerbs. Diese Veranstaltung fand in der Redoute von Bad Godesberg statt, einem 1792 vom Kölner Kurfürsten errichteten Vergnügungsschloss, wo der Bundespräsident seinen Neujahrsempfang gab und das Auswärtige Amt Empfänge abhielt. Geschickt vermochte es der Graf, den zeremoniellen Rahmen der Feierstunde und seinen sozialen Status einzusetzen, um den anwesenden Gemeindebürgermeistern ihre Wichtigkeit zu versichern. Es war bezeichnend, dass Lennart Bernadotte zu diesem Anlass als »Ihre Hoheit« angekündigt wurde, die ihm eigentlich nach seinem Ausschluss aus der schwedischen Thronfolge nicht mehr zustand. Um die Bedeutung der Bürgermeister hervorzuheben, bezeichnete der Graf sie als Vertreter einer neuen »grünen Diploma­ tie«, die in dieser noblen Umgebung nicht fehl, sondern genau am richtigen Platz sei.102 Außerdem nutzte Bernadotte den feierlichen Rahmen dazu, diverse Aus­ zeichnungen zu verleihen. Im Namen der DGG überreichte er die »Silberne Medaille der Deutschen Gartenbaugesellschaft« an den Vorsitzenden der Bundesjury Hans Ulrich Schmidt »für besondere Verdienste um die Förderung des Bundeswettbewerbs ›Unser Dorf soll schöner werden‹«. Schmidt habe dem Wettbewerb den Stempel seiner wahrhaft humanen Persönlichkeit verliehen, begründete Bernadotte die Auszeichnung. Dabei spielte der Präsident der DGG geschickt mit seinem Status als Inselherr der Mainau: »Als solcher fühle ich mich durchaus souverän. Daher kann ich auch Orden verleihen.«103 Seine royale Herkunft sowie den Besitz eines der bundesdeutschen Sehnsuchtsorte der Nachkriegszeit setzte der Graf geschickt ein, um dem Wettbewerb als Integrationsfigur zu dienen. Mit der Verleihung von Titeln, die mehr sein sollten als eine private Auszeichnung, war gleichzeitig die Anerkennung seiner herausgehoben Position verbunden. Ein dringendes Anliegen, ja eine nachdrück­liche Warnung, bezüglich des Dorfwettbewerbs hatte Lennart Bernadotte auf der Feierstunde der Dorfwettbewerbe allerdings auch vorzubringen. Zwar schätzte er ausdrücklich die Rolle, die dem Wettbewerb bei der Neuordnung des länd­lichen Raumes zukam. Kritisch allerdings betrachtete er die Neigung, den Wettbewerb als Instrument zu verstehen, das es möglichst »professionell« einzu­setzen galt. Er wandte sich dabei »an Sie alle, meine Herrn Minister, Abgeordnete, Landräte, Bürgermeister und Präsidenten, sowie Geschäftsführer der großen 102 Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1965, Seine Hoheit Graf Lennart Bernadotte am 16.12.1965. 103 Ebd., 7. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Verbände«.104 Bernadotte befürchtete, eine zunehmende Verregelung, eine zu ausgedehnte Beratung und allzu klare politische Zielvorstellungen die zukünftig einzelne Gemeinden und ihre Bürger davon abhalten könnten, am Wettbewerb teilzunehmen. »Nur so lange wird er [der Bundeswettbewerb] Segen ausstrahlen können, als sich alle bemühen, den tierischen Ernst von ihm fernzuhalten und ihm jene eher naive Freiheit lassen, in der alle freudig mitwirken.«105 Sein Unbehagen formulierte Bernadotte angesichts der jüngsten Entwicklungen zwar recht umgänglich im Ton, aber durchaus deutlich in der Sache. Er erkannte, dass ein beträchtlicher Teil des Erfolgs des Wettbewerbs von seiner Offenheit abhing. Ergebnis dieser Offenheit war die durchaus im positiven Sinne als »naiv« bezeichnete Freiheit, die Entwicklung der Gemeinde in die eigenen Hände zu nehmen  – unbelastet von Traditionen und Konventionen oder gar volksgemeinschaftlichen Zwängen, aber auch frei von staatlichen Vor­gaben und funktionalen Zwängen. Der Graf warnte davor, diese Freiheit, die der Bundespräsident im Jahr zuvor noch gepriesen hatte, durch neue Ordnungs­ vorstellungen, die sich der Modernisierungstheorie verdankten, gleich wieder zu beschränken.

3.4.3 Von der Neugestaltung zur Neuordnung Hans Ulrich Schmidt, der soeben von Lennart Bernadotte für seine Verdienste als Vorsitzender der Bundesbewertungskommission geehrt worden war, nutzte seine Dankesrede, um die Veränderungen, die der Dorfwettbewerb in den letzten Jahren durchlaufen hatte, zu begründen. Vor allem rechtfertigte er dabei das neue Raumverständnis und die Loslösung von einem kulturräumlichen Denken sowie die Hinwendung zu funktionsräumlichen Vorstellungen. Er ging dabei nicht direkt auf die Mahnungen von Bernadotte ein, versuchte aber sehr wohl, Kritik aufzunehmen und aufzuzeigen, in welcher Form und an welchen Orten auch innerhalb des neuen Raumverständnisses Freiräume für bürgerschaft­ liches Engagement und Gestaltungswillen zu finden seien. Hans Ulrich Schmidt erschien der ländliche Strukturwandel in den 60erund 70er-Jahren als Zeitenwende und historischer Bruch, der in seiner Größenordnung selbst den Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit in den Schatten stellte. In einem Vorentwurf zu seinen Dankesworten veränderte Schmidt noch einmal die Überschrift seiner Rede. Ursprünglich war sie mit dem Titel »Das Dorf auf dem Wege zur Zukunft« überschrieben – er korrigierte dies aller-

104 Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1965, Seine Hoheit Graf Lennart Bernadotte am 16.12.1965, 4. 105 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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dings handschriftlich in »Das Dorf auf dem Weg zur neuen Ordnung«.106 Mit dieser Um­benennung drückte Schmidt die Gewissheit aus, dass »die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Wandlungen im ländlichen Raume« dazu führten, dass »Wirtschafts- und Lebensformen, die bis ins frühe Mittel­ alter zurückreichen, aufgegeben und neu gefunden werden«107 müssten. Wie er weiter in seiner Rede formulierte, fand also eine fundamentale Veränderungen statt, während historische Kontinuität und die damit verbundenen Ordnungs­ vorstellungen, die an den Anbeginn deutscher Geschichte zurückreichten, untergingen.108 Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung war für ihn die Ent­ agrarisierung und damit verbunden das Verschwinden des Bauernstandes. Die Aufgabe, die dem Dorfwettbewerb in dieser Situation zukam, lag für Schmidt darin, die im Entstehen begriffene neue Ordnung der Bevölkerung zu vermitteln und so die Bewohner des ländlichen Raumes dazu zu bewegen, diese mitzugestalten. So sollte mit Hilfe des Wettbewerbs Akzeptanz geschaffen werden, um die notwendige Unterstützung bei der Errichtung der neuen Ordnung zu erhalten. Von untergeordneter Wichtigkeit war der Dorfwettbewerb nach Schmidts Ansicht, wenn es darum ging, die strukturellen Rahmenbedingungen der neuen Ordnung zu schaffen. Hier konnte der Wettbewerb höchstens komplementär zu Maßnahmen wie der Flurbereinigung, der Raum-, Regional- und Bauleitplanung, der Dorfsanierung oder der Schulverbesserung wirken. Völlig klar war für Schmidt, dass die heraufziehende neue Ordnung sich nicht in einer simplen Übernahme des ländlicher Gebiete durch eine urbane Moderne und damit einer Angleichung von Stadt und Land erschöpfen könne. Er war fest davon überzeugt, auch unter der neuen Ordnung den ländlichen als spezifischen Raum erhalten zu können. So betrachte Schmidt die Entwicklung der Städte »in den letzten 150 Jahren« sehr kritisch als warnendes Menetekel. Die von ihm befürchtete Urbanisierung ländlicher Räume zerstörte in seinen Augen jene »harmonische Umwelt«, die das Land so positiv von der Stadt unterschied. Die zentrale Aufgabe des Wettbewerbs sah er folglich auch darin, genau diese zu erhalten: »Der Bundeswettbewerb ›Unser Dorf soll schöner werden‹

106 Archiv der DGG, Ordner: Bundeswettbewerb 1965, Das Dorf auf dem Wege zur neuen Ordnung, 16.12.1965. 107 Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1965, Pressenotiz, Kurzfassung der Ansprache von Dr. Hans Ulrich Schmidt […], am 16.12.1965, 1. 108 Wie weit diese Kontinuitäten für Schmidt zurückreichten wird an einem Diavortrag deutlich, der in seinem Nachlass im Stadtarchiv Bielefeld zu finden ist. Gleichzeitig offenbart sich, in welchen Traditionslinien der Vorsitzende der Bundesjury dachte. Die einleitenden drei Bilder des Vortrags, in dem er seine Arbeit als Stadtgärtner in Bielefeld erläuterte, zeigten: 1. Die Vertreibung aus dem Garten Eden. 2. Das Gartenhaus von Goethe in Weimar. 3. Einen »Bauerngarten 5000 v. Chr.« Leider besteht der gesamte Nachlass Schmidts in Bielefeld nur aus diesem Diavortrag. Stadtarchiv Bielefeld, NN Schmidt, 200,99 5–7. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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hat sich die Schaffung und Pflege einer harmonischen Umwelt zur Aufgabe gemacht«, betonte er in seiner Rede.109 Der Vorsitzende der Bundesbewertungskommission verstand unter »harmonischer Umwelt« jene Sphäre, in der ein Ausgleich möglich war zwischen einerseits den Leistungen, die innerhalb einer modernen funktional differenzierten Gesellschaft durch die Bewohner des ländlichen Raumes notwendigerweise erbracht werden mussten, um das Teilsystem sinnvoll zu erhalten, und andererseits dem individuellen Gestaltungsrahmen, der notwendig war, um frei von systemischen Zwängen das privaten Lebensumfeld gestalten zu können. Im Dorf – oder präziser: in der dörflichen Ansammlung von Eigenheimen mit Garten – war nach Schmidts Ansicht diese harmonische Umwelt zu finden: »Sie [harmonische Umwelt] erst macht das Leben auf dem Dorfe zu dem, was wir ›lebens­wert‹ nennen. Denn hier im geordneten, gesunden und schönen Dorf fühlt sich der Mensch mit der Gemeinschaft echt verbunden und lebt durch die Geborgenheit in Haus und Garten im persönlichen Bereich in voller Freiheit.«110 Einfamilienhaus und Garten stellten in diesem Entwurf die Sphäre persönlicher Entfaltung dar, während, abgemildert durch die Geborgenheit der Dorfgemeinschaft, der restliche Raum den Notwendigkeiten einer funktional differen­zierten Gesellschaft ausgeliefert war. Dieser Ordnungsentwurf war d ­ abei durchaus nicht utopisch, sondern konkretisierte sich in Siedlungen aus Einfamilienhäusern mit Garten, die in den 60er-Jahren auf dem Land unter tätiger Mithilfe des Dorfwettbewerbs und dessen Bewertungskriterien bereits ent­standen. Der Schmidt’sche Leitbegriff der harmonischen Umwelt beschreibt dabei eine wesentliche begriffliche Verschiebung innerhalb der Leitvorstellungen des Dorfwettbewerbs: Das auf dem binären Gegensatz Fortschritt versus Tradition bzw. den gewachsenen Strukturen beruhende Postulat des Ausgleichs, das darauf abzielte, Fortschritt und gewachsene Strukturen unter einem ethno­ kulturellen Überbau zu verbinden, wurde nun abgelöst vom Ziel der Harmonie, in der sich eine Vielzahl durchaus auch widersprüchlicher Variablen harmonisch und funktional zu einem Ganzen verbanden. Diese Harmonie musste allerdings komponiert – das heißt geplant und geordnet – werden, um Dissonanzen zu verhindern. Für die Neuordnung des ländlichen Raumes, die tatsächlich erst mit diesem Schritt von einer Neugestaltung zu einer Neuordnung wurde, bedeutete dies, dass der Leitbegriff der Landschaft, der den Ausgleich zwischen Fortschritt und Tradition im Raum beschrieb, zusehends durch den Begriff der Umwelt ersetzt wurde, der der neuen Multipolarität Rechnung trug. Die »harmonische Umwelt«, bezogen auf das Dorf und den ländlichen Raum, stellte 109 Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1965, Pressenotiz, Kurzfassung der Ansprache von Dr. Hans Ulrich Schmidt […], am 16.12.1965, 1. 110 Ebd., 4. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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daher zumindest bei Schmidt einen Raum dar, in dem Natur und Mensch, aber auch Individuum und Gesellschaft, ja sogar Gemeinschaft als Dorfgemeinschaft und Gesellschaft, Pendler und Bauern, Industrie und Fremdenverkehr in gegenseitiger Ergänzung und größtmöglicher Freiheit zusammen existierten konnten.

3.4.4 Der Landschaftsplan: Die Landschaft wird zum Ökosystem Nachdem 1965 das Bundesraumordnungsgesetz in Kraft getreten war, verstärkten sich die Forderungen nach einer Vereinheitlichung der Landschaftsplanung.111 In der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift Natur und Landschaft hatte Gerhard Olschowy 1965 seine Überlegungen zum Landschaftsplan aus­ geführt – man kann davon ausgehen, dass zumindest Hans Ulrich Schmidt den Aufsatz mit dem Titel »Der Landschaftsplan – Inhalt, Methodik und Anwendungsbereiche« zum Zeitpunkt seiner Dankesrede bereits kannte. Zu Beginn seiner Ausführungen definierte Olschowy zunächst den Begriff der Landschaft und griff dabei ganz selbstverständlich und ausdrücklich auf die Landschafts­ fibel seines ehemaligen Lehrers Wiepking zurück. Wie schon des Öfteren machte er Wiepkings Texte durch den schlichten Kniff, den Begriff »Volk« durch den Begriff »Mensch« zu ersetzen, für die gegenwärtige Diskussion nutzbar. Die zentrale Prämisse, die Olschowy von Wiepking übernahm, war die der kulturellen Prägung der Landschaft sowie der Unterscheidung zwischen Naturund Kulturlandschaft: »Die Kulturlandschaft ist immer Ausdruck der in ihr lebenden Menschen«112, während die unberührte Natur in der Bundesrepublik eigentlich nicht mehr zu finden sei. Zentrale Aufgabe der Landschaftspflege und damit auch des Landschaftsplans war es, »nachhaltig leistungsfähige, gesunde und menschenwürdige Landschaften aufzubauen.«113 Natürlich waren dies im Großen und Ganzen die Ziele, die Wiepking auch in der Landschafts­ fibel formuliert hatte – allerdings mit einem entscheidenden Unterschied, nämlich der Herausnahme der völkischen Ideologie zugunsten einer universalisierten Menschheit. Olschowy ging es nicht mehr darum, eine spezifisch deutsche Kulturlandschaft zu formen, sondern Räume, deren Ausgestaltung sich an Werten wie Menschenwürde, Gesundheit und Leistungsfähigkeit orientierte. Auch die Notwendigkeit, diese Räume zu gestalten, ergab sich nicht mehr aus der Bedrohung der Landschaft durch die »ostischen Rassen«, sondern aus einer eben 111 Zur Bedeutung des Bundesraumordnungsgesetzes für die Landschaftsplanung vgl. Carsten Runge, Entwicklungstendenzen der Landschaftsplanung. Vom frühen Naturschutz bis zur ökologisch nachhaltigen Flächennutzung. Berlin u. a. 1998, 133 ff. 112 Gerhard Olschowy, Der Landschaftsplan – Inhalt, Methodik, Anwendungs-bereiche, in: Natur und Landschaft, Heft 12, Dezember 1965, 221. 113 Olschowy, Der Landschaftsplan, 222. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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falls universell gültigen Notwendigkeit, die sich aus den Herausforderungen der »neuen Zeit« ableiten ließ. Dies beförderte den Rückzug auf eine Funktions­ logik, die in ihrer Abstraktheit und Mechanik weit universaler anzuwenden war als die immer an spezifische Kulturräume bzw. Volksräume rückgebundene Logik der (Volks-)Kulturlandschaften. Der Landschaftsplan hatte in der Vor­stellung Olschowys daher auch nicht mehr die Aufgabe, der Herstellung eines möglichst geschlossenen Volksraums zu dienen – etwa zum Zwecke der ebenfalls völkischen Inbesitznahme eines militärisch besetzen Raumes –, sondern zukünftig als ökologische Grundlage jeglicher Raumplanung nutzbar zu w ­ erden. So strebt Olschowy eine zunehmende Versachlichung des Landschafts­ verständnisses an, damit auch die Landschaftsplanung in Zukunft als »funktionale Planungsdisziplin« arbeiten kann. Als wissenschaftliche Grundlage für »die Versachlichung fungierte […] die Ökologie.«114 Wie bereits in der G ­ rünen Charta von der Mainau gefordert, sollte die Landschaft Grundlage der Planung werden, doch nicht etwa, weil durch eine Zerstörung der Landschaft ein Verlust an kultureller Identität befürchtet wurde, sondern weil nur auf Basis »landschaftsökologischer Untersuchungen«115 eine Planung möglich war, welche die Ziele der Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Menschenwürde sicherstellte. Auch bei Olschowy wird damit die neue Sicht auf die Landschaft als Umwelt deutlich, die sich als ein komplexes ökologisches Gefüge aus »Geologie, dem Boden, dem Wasser- und Klimahaushalt, der realen Vegetation und der potentiellen natürlichen Vegetation sowie den Natur- und Landschaftsschutzgebieten« manifestierte.116 Maßgeblich für die Durchsetzung dieser Idee war die auch bei Wiepking bereits vorhandene Vorstellung (bei diesem allerdings zugunsten der Planung der völkischen Besiedelung des Ostens in den Hintergrund gerückt), dass die Zerstörung der ökologischen Grundlagen eines R ­ aumes dessen Funktionsfähigkeit einschränkte, wodurch eine weitere Nutzung als »Wohn-, Wirtschafts-, oder Erholungsraum« nicht möglich wäre. Landschaftsplanung im Dienste der Neuordnung des ländlichen Raumes bedeutet in diesem Sinne vor allem Sicherstellung der ökologischen Funktionsfähigkeit eines bestimmten Planungsraumes, um so die Grundlagen für eine weitere Nutzung als Standort für Wirtschaft, Freizeit und Wohnen zu gewährleisten. Jeder Entwicklung des Raumes im Sinne einer der vorgenannten Zweckbestimmungen  – etwa Straßen- und Wegebau, Ansiedelung von Industrie, Errichtung eines neuen Wohngebietes, die Aussiedelung von Bauernhöfen, vor allem aber auch der 114 Stefan Körner, Kontinuum und Bruch: Die Transformation des naturschützerischen Aufgabenverständnisses nach dem zweiten Weltkrieg, in: Joachim Radkau, Frank Uekötter, Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. u. a. 2003, 425. 115 Olschowy, Der Landschaftsplan, 224. 116 Ebd., 222. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Naherholung117 – hatte daher eine eingehende ökologische Untersuchung vorherzugehen. Und diese konnte, davon war Olschowy überzeugt, unmöglich von den Bewohnern der Dörfer selbst geleistet werden, die sich bei der weiteren Ausgestaltung des Dorfes wiederum an die Ergebnisse dieser Untersuchungen zu halten hatten. Auch wenn Olschowy die Landschaft eingangs in Berufung auf Wiepking auch als Kulturlandschaft definiert hatte, spielte dies letztlich in seinen Überlegungen zum Landschaftsplan nur eine untergeordnete Rolle. Aufgabe des Landschaftsplans war nicht, wie es etwa beim Schutz der Hausbäume noch gegolten hatte, die kulturellen Artefakte einer Landschaft zu bewahren, sondern die Sicherung der ökologischen Grundlagen eines Raumes zu betreiben, um so dessen Entwicklung zu ermöglichen. Kulturelle Artefakte, die keinen ökologischen Nutzen aufwiesen, konnten dabei im Zweifelsfall auch einer ökologisch ab­gesicherten Entwicklung geopfert werden. Mit dem Begriff der Landschaft wurde also nicht mehr ein spezifischer Kulturraum beschrieben, sondern ein Ökosystem, dessen Wert sich allerdings nicht aus sich selbst heraus bestimmte, sondern aus seiner Bedeutung für eine nachhaltige ökonomische Entwicklung.

3.4.5 Datensammlung in den Dörfern Bei der Diskussion um den ländlichen Raum und den damit verbundenen Dorfwettbewerb schälte sich also immer deutlicher ein Primat der Entwicklung heraus. Dies wird auch in einem Brief deutlich, den Olschowy am 28. Dezember 1965 erhielt. Der Oberregierungsbaurat von Niederbayern, Helmut Rost, war von dem Artikel Olschowys über den Landschaftsplan und seinen eigenen Erfahrungen als Mitglied der Jury des Wettbewerbs auf Bezirksebene in Niederbayern im Jahr 1965 so angetan, dass er dem Direktor Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege Gerhard Olschowy einen Brief schrieb. Er wolle mit einigen Überlegungen Anregungen zu einer weiteren Entwicklung des ländlichen Raums geben, in dem er nun seit fünf Jahren Orts­ planung betreibe. Ausdrücklich begrüßte Rost die Anpassungen, die in den Bewertungskriterien des Wettbewerbs vorgenommen worden waren und auch in Bayern umgesetzt wurden. Sie würden die Lebensnähe des Wettbewerbs deutlich machen, denn dieser gehe mit der Zeit. Gerade die »mentale Verstädterung«, die auch auf dem Lande um sich greife, mache eine Anpassung der Wettbewerbs 117 Ebd., 223. Zur besonderen Bedeutung der Erholungs­planung für die Landschafts­ gestaltung vgl. Stefan Körner, Naturschutz und Landschafts­planung nach dem zweiten Weltkrieg, in: Franz Josef Brüggemeier, Jens Ivo Engels (Hrsg.), Natur und Umweltschutz nach 1945, Konzepte, Konflikte, Kompetenzen, Frankfurt a. M. 2005, 92 f. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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kriterien notwendig, um zu verhindern, dass der ländliche Raum »seine wesenhaften Züge verliere«. Unter »echter räumlicher Ordnung« verstand auch Rost ein System, in der Land und Stadt zwar unterschiedliche Funktionen übernahmen, sich trotzdem aber notwendig ergänzten und so eine Ordnung schufen, in der Stadt und Land auf vielerlei Ebenen harmonisch zusammenwirkten. Rost sprach davon, mithilfe einer »Integralplanung« den ländlichen Raum »in den Gesamtlebensraum einzuordnen«.118 An dieser Stelle kam für den Oberregierungsbaurat der Dorfwettbewerb ins Spiel. Dieser hatte nämlich seiner Meinung nach vor allem eine konkrete Aufgabe: »Es ist […] notwendig, daß der Wettbewerb Denkmodell für neue Leitbilder ist. Hierbei sind die Bewertungsmerkmale ganz entscheidende Wegbereiter.«119 Besondere Bedeutung räumte Rost allen Fragen der Planung und der infrastrukturellen Entwicklung ein. Zudem sollten die Dörfer vor dem Wettbewerb ausführliche statistische Angaben zur Zahl der Ein- und Aus­ pendler, infrastrukturellen Voraussetzungen von der Schule bis zur Müllabfuhr oder zur landwirtschaftlichen Struktur machen. Eventuell müssten diese Daten auch von Fachleuten vorher evaluiert werden; nur diese Erhebung würde es erlauben, die Dörfer korrekt einzuschätzen. Letztlich schwebte Rost eine riesige Datensammlung vor, die für eine weitere Neuordnung des ländlichen Raumes genutzt werden könnte. Tatsächlich wurde die Analyse Rosts im Februar 1966 bei der Besprechung der Länderreferenten im Bundeslandwirtschaftsministerium zur Planung des nächsten Wettbewerbs vorgelegt und diskutiert. Die Vertreter des Bundeslandwirtschaftsministeriums, besonders Klinkmann und Piest, begrüßten seine Vorschläge. Die Ländervertreter lobten zwar den »konsequenten Aufbau« von Rosts Überlegungen zur Reform der Bewertungskriterien, betrachteten sie aber insgesamt als zu weitgehend. Vor allem erschien ihnen die gewaltige Menge an Daten, die Rost von den Gemeinden im Rahmen einer Teilnahme am Dorf­ wettbewerb einholen wollte, als eine »Überforderung der Gemeinden, die abschrecken könnte«.120 Trotzdem beschloss man in Detailfragen einige Vorschläge Rosts zu übernehmen. Bevor man sich mit Rosts Vorschlägen weiter befasste, hielt Horst Hammler einen einleitenden Vortrag und übernahm damit Olschowys Rolle bei dem vorigen Treffen der Länderreferenten. Nach den Erkenntnissen der Bundes­ bewertungskommission, für die Hammler sprach, war der Knackpunkt der »ganz erhebliche Fehlbedarf an vorausschauender Planung […] und de[r] häufig 118 Archiv der DGG, Ordner: Bundeswettbewerb 1967, 28.12.1965. 119 Ebd. 120 Das von Rainer Piest erstellte Protokoll der Sitzung findet sich unter: BA, B116, Akt. 10891, Kurzniederschrift über die Besprechung der Länderreferenten für den Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« am 08.02.1966 im BML, Bonn, 5. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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anzutreffende Mangel an Beratung«.121 Damit bestätigte Hammler die Stoßrichtung zukünftiger Wettbewerbe ganz im Sinne der vorausgegangenen Diskus­ sionen bei der Bundesarbeitstagung in Landau. Darauf bedacht, Einmischungen in ihre kommunalpolitischen Ziele gering zu halten, erklärten die Länder, sie würden die Bedeutung des Bundeswettbewerbs zwar anerkennen, dieser dürfe aber nicht in den Vordergrund rücken, sondern sei lediglich ein wichtiges Nebenprodukt ihrer Politik. Besonders angetan waren die Referenten der Länder hingegen davon, dass durch den Bundeswettbewerb die Beziehungen zwischen Verwaltung und Gemeinden wesentlich enger und besser geworden seien, ja »geradezu von Ver­ waltungserleichterung gesprochen werden«122 könne. Der so verstärkte Kontakt zu den Gemeinden wirke sich bis hinauf zu den Landesregierungen aus, da diese durch den Wettbewerb einen »einzigartigen Querschnitt und Überblick« über die Probleme und Anliegen der Gemeinden erhalten würden.123 Nachdem man so die gegenseitigen Positionen bestimmt hatte, diskutierten die Vertreter von Bund und Ländern eine Reihe von Neuerungen für die nächste Runde des Wettbewerbs. Im Bereich der Planung beschloss man, die Bau­leitplanung weiterhin zu fördern, einen existierenden Bauleitplan aber nicht zur Voraussetzung für die Teilnahme zu machen, da dadurch zu viele Gemeinden von der Teilnahme abgeschreckt würden. Ministerialrat Klinkmann, der schon in Landau entschieden für die Beratung eingetreten war, brachte dieses Thema auch in Bonn auf den Tisch. Die Runde beschloss deshalb, die Empfehlung auszusprechen, »daß die Kreisverwaltung oder andere geeignete Träger Beratungsverträge mit fachlich versierten und erfahrenen Persönlichkeiten abschließen« sollten.124 Da man auf die Kreisgartenbauberater nur bedingt zurückgreifen könne, sollten die Verträge vor allem mit frei tätigen Gartenund Landschaftsarchitekten abgeschlossen werden. Damit war eine der zentralen Forderungen, welche die Garten- und Landschaftsarchitekten in Landau aufgestellt hatten, von höchster Stelle als politische Richtlinie übernommen worden. Eine lebhafte Diskussion ergab sich über den Punkt der teilnahmeberechtigten Gemeinden. Hier wurde aufgrund eines Vorschlags aus Niedersachsen beschlossen, den »ländlichen Charakter« nicht mehr zu einer zwingenden Teilnahmebedingung zu machen. In Zukunft sollte in der Ausschreibung »im wesentlichen« nur noch von »Gemeinden« die Rede sein. Der Referent aus Schleswig-Holstein setzte jedoch durch, auf die Begriffe »Dorf« und »länd-

121 BA, B116, Akt. 10891, 08.02.1966 im BML, 3. 122 Ebd. 123 Ebd. 124 Ebd., 7. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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lich« nicht gänzlich zu verzichten.125 Geleitet war dieser Vorstoß von der Erfahrung, dass ländlich oft als landwirtschaftlich missverstanden worden war und sich keine Einigkeit darüber erzielen ließe, was konkret unter »ländlich« zu verstehen sei. Die Länderreferenten konnten sich nur darauf einigen, dass der Begriff »eine bestimmte Siedlungsform in Korrespondenz zu ihrer Umgebung kennzeichnen soll«126, eine exakte Definition ließ sich allerdings nicht finden. Dass sich das Gremium nicht mehr darüber verständigen konnte, wie sich denn nun »ländlicher Charakter« definiere, zeigt deutlich, wie weit man sich inzwischen von der Annahme entfernt hatte, der ländliche Raum unterscheide sich in irgendeiner Form »wesenhaft« von urbanen Räumen. Anstelle einer »wesen­ haften« Definition des ländlichen Raumes, die sich aus einer kulturellen Differenz herleitete, war eine praktische Unterscheidung getreten, die aus einer funktionalen Differenz herrührte und die sich nicht mit dem Begriff des »Charakters« fassen ließ. Welch gewichtiges Nachspiel Rosts Anmerkungen hatten, zeigte sich an den Gesprächen, die nach der Besprechung mit den Ländervertretern im Bundeslandwirtschaftsministerium geführt wurden. Angeregt von Klinkmann, der von Rosts Ausführungen zutiefst überzeugt war, wurden nachträglich doch noch beträchtliche Teile in den Wettbewerb aufgenommen. Klinkmann ließ jedenfalls im Frühjahr 1967 ein ausführliches Schreiben über die »Richtlinien für den Bundeswettbewerb 1967« innerhalb des Landwirtschaftsministeriums zirkulieren; darin hieß es: »Alle Vertreter der Länderministerien anerkannten mit uns dankbar die überzeugende Darstellung der Problematik, die die Aufgabe des Wettbewerbs geworden ist, und waren genötigt, im Sinne des Herrn Rost Umstellungen und Veränderungen in der neuen Ausschreibung vorzunehmen, die wir für sehr wesentlich halten.«127 Klinkmann zitierte im Weiteren aus­führlichst aus dem Schreiben Rosts und machte sich dessen Auffassung über die Bedeutung des ländlichen Raumes zu Eigen. Daraufhin einigte man sich, dass die Gemeinden im Rahmen des Bundeswettbewerbs in Zukunft bei der Anmeldung Angaben zu ihrer Bevölkerungs-, Wirtschafts- und Raumstruktur machen sollten, wobei grundlegende Zahlen, wie etwa Einwohnerzahl, Größe der Höfe, Anzahl der angesiedelten Industrie und der Anteil von Ackerund Waldland an der Gemeindeflur ausreichten. Darüber hinaus mussten nun unter Punkt B »Gemeinschaftseinrichtungen« für die Bewertungskriterien explizit alle Planungsmaßnahmen vom Flächennutzungsplan über den Bebauungs- und Grünplan bis hin zur Flurbereinigung und zwischengemeindlichen Zusammen­arbeit genannt werden. Zudem hob man die Nachbarschaftspflege

125 Ebd., 6. 126 Ebd. 127 BA, B 116, Akt. 10891, 06.03.1967, 6. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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als besonderen Bewertungspunkt, der die hohe Bedeutung der Nachbarschaftshilfe herausstellen sollte, hervor.128 Damit wurde der Einfluss einer vorausschauenden Planung im Rahmen des Wettbewerbs weiter gestärkt.

3.4.6 Agenten des Wandels: Kommunalpolitiker als Multiplikatoren Länder und Bund hatten sich über eine Neuausrichtung des Wettbewerbs verständigt, nun mussten auch die Vertreter der Kommunalpolitik von diesem Konzept überzeugt werden. Zu diesem Zweck wurde von der Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege am 10. und 11. November 1966 eine Konferenz für Landräte und Oberkreisdirektoren in Würzburg abgehalten, die die Neuorganisation des Dorfwettbewerbs zum Inhalt hatte. Der Deutsche Gemeindetag, die Bundesanstalt und die DGG veranstalteten außerdem am 16. und 17. Februar 1967 in Michelstadt im Odenwald eine Konferenz für Gemeindebürgermeister, die gleichzeitig Auftaktveranstaltung für den vierten Bundeswettbewerb war. Den Landräten das neue Credo des Bundeswettbewerbs zu verkünden, war die Aufgabe des Bundeslandwirtschaftsministers Hermann Höcherl (CSU). In Würzburg hielt er die Einführungsansprache mit dem Titel: »Der Wettbewerb ›Unser Dorf soll schöner werden‹ – ein Instrument zur Neuordnung des ländlichen Raumes.«129 Höcherl stellte seinen Ausführungen zum Wettbewerb, die anscheinend nach Beratung mit dem persönlichen Referenten des Ministers zu einem guten Teil  von Klinkmann selbst formuliert worden waren130, eine Zeitdiagnose voran. In dieser betonte er die Schnelllebigkeit der Gegenwart, die eine enorme »Beschleunigung der Entwicklung« mit sich gebracht habe.131 Aus­geglichen würde diese nur durch die ebenfalls beschleunigte Produktion von Wissen und dessen allgemeine Verfügbarkeit durch moderne Kommunika­tionsmittel. Höcherl fasste zusammen: »Vermittlung und Verbreitung der wissenschaftlichen Analyse und Diagnose aller gesellschaftlichen, ­w irtschaftlichen, kulturellen usw. Entwicklungsvorgänge verschaffen uns nicht nur einen Überblick, sondern auch die Möglichkeit, frühzeitig Tendenzen abschätzen zu können. Daraus müssen die Konsequenzen gezogen und vorausschauend erwünschte Entwicklungsrichtungen gefördert oder unerwünschte

128 Ebd., 7. 129 BA, B 116, Akt. 10891, Konferenz für Landräte in Würzburg 10. und 11.11.1966 über den Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden«. 130 BA, B116, Akt. 109891, Anruf des derzeitigen persönlichen Referenten des Herrn Bundesministers, 07.10.1966. 131 BA, B 116, Akt. 10891, Konferenz für Landräte in Würzburg 10. und 11.11.1966 über den Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden«. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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umgelenkt werden.«132 Nachdem Höcherl solchermaßen ein Bekenntnis zur Vorhersehbarkeit und Steuerbarkeit zukünftiger Prozesse abgegeben hatte, stellte er den anwesenden Landräten den Dorfwettbewerb als ein probates Mittel vor, mit dem sich die Entwicklung ihrer Landkreise in die richtige Richtung steuern lasse. Dabei pries er Unser Dorf soll schöner werden als einen Weg an, mit dem der Verdichtung zu Ballungsräumen und der damit verbundenen Landflucht entgegengewirkt werden könne. Denn der Wettbewerb helfe, das »Strukturgefälle« zwischen Stadt und Land auszugleichen, und wirke damit gegen eine der wesentlichen Ursachen der Landflucht. Gleichzeitig verhindere er mit seinen Bewertungskriterien aber auch einen unbedachten Ausbau der Infrastruktur, damit die landschaftlich-ökologischen Grundlagen für die Wirtschaftsleistung sowie den Wohn- und Erholungswert des ländlichen Raumes erhalten blieben. Am wichtigsten aber war für Höcherl, den Landräten gegenüber aufzu­ zeigen, dass der Wettbewerb nicht nur zu einer Neuordnung des Raumes beitrug, sondern die zentralen Ideen, die mit dieser Neuorganisation verbunden waren, auch fest in den Köpfen der ländlichen Bevölkerung verankerte. Der Wett­bewerb habe das Verständnis für die notwendigen Strukturreformen bei den Bürgern geweckt, die sich nun auch ohne staatlichen Zwang um den Infra­strukturausbau und die Neuordnung ihrer Gemeinden kümmern würden. Ohne dieses Verständnis seien alle Reformen aufgepfropft und nur von halber Wirkung. Daher sei der Wettbewerb mittlerweile weit über die bloße Verschönerung des Dorfes hinausgegangen und zu einem »volkserzieherischen Experiment geworden«. Mit dieser Argumentation positionierte Höcherl den Wett­bewerb als ein wichtiges Instrument zur Modernisierung des ländlichen Raumes, das seine Bedeutung vor allem daraus gewann, dass es eine Beteiligung der Bevölkerung am Modernisierungsprozess ermöglichte und so potenziellen Widerstand gegen die Veränderung althergebrachter Strukturen und Ordnungsvorstellungen verhinderte. Die Experten und staatlichen Stellen behielten natürlich über die Bewertungskriterien und die Beratung ein beachtliches Maß an Steuerungsmöglichkeiten in Händen. Am Ende seiner Rede lieferte Höcherls noch ein Beispiel für Traditionsbildung von oben, als er erklärte, dass die Modernisierung im Übrigen schon seit Einführung des Wettbewerbs das Ziel desselbigen gewesen sei, »was man nur anfangs nicht gleich so deutlich zu sagen wagte.«133 Dies entsprach zwar nicht der Realität, aber Höcherl erteilte damit allen anderen Zweckbestimmungen des Wettbewerbs  – etwa als Bewahrer volkskultureller Traditionen – eine klare Absage. Dieser Ansicht schloss sich auch Gerhard Olschowy an. Nach der Tagung verfasste er offizielle »Leitsätze für den Wettbewerb ›Unser Dorf soll schöner 132 Ebd. 133 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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werden‹ als Instrument für die Neuordnung unseres Lebensraumes«134, die er in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Landkreistag auf der Tagung erarbeitet hatte. Auch in den Leitsätzen wurde betont, dass es »bei aller Würdigung lebendiger Tradition« die wichtigste Aufgabe des Dorfwettbewerbs sei, die Neuordnung des ländlichen Raumes voranzutreiben und deren Notwendigkeit den betroffenen Bürgern nahezubringen.135 Weiterhin wurden in Olschowys Schreiben acht Grundsätze für den Dorfwettbewerb benannt, in denen sich alle vorhergegangen Überlegungen wiederfanden. Natürlich war dabei die Betonung der hohen Bedeutung von Planung und Beratung durch Fachkräfte wesentlich. Zudem wurde dem Aspekt der Zusammenarbeit große Aufmerksamkeit gewidmet – dies bezog sich sowohl auf die Nachbarschaftshilfe in der Gemeinde als auch die zwischengemeindliche Zusammenarbeit sowie die Kooperation mit übergeordneten Institutionen. Bei allen Entwicklungen galt es weiterhin auf eine Ein- und Anpassung an landschaftliche Gegebenheiten zu achten. Dabei wurde Landschaft nicht mehr als Ausdruck der kulturellen Leistungen des deutschen Volkes oder gar als Ausdruck rassischer Überlegenheit gesehen, sondern als ökologische Grundlage für jegliche Entwicklung verstanden. Nachdem die Landkreise über die neue Zielrichtung des Wettbewerbs in­ formiert worden waren, galt es nun, die Gemeinden mit einzubeziehen. Die Auftaktveranstaltung in Michelstadt im Odenwald  – übrigens die einzige, die es in dieser Form jemals für Unser Dorf soll schöner werden gab – für den 4. Dorfwettbewerb wurde von den Veranstaltern (der DGG, der Bundesanstalt für Vege­tationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege und dem Deutschen Gemeindetag) als großes Forum gesehen, um Gemeindebürgermeister von der Neuausrichtung des Wettbewerbs zu überzeugen und für die Teilnahme am Wettbewerb zu begeistern. Wie viele Bürgermeister an der Tagung teilnahmen, ist leider aus den Unterlagen nicht zu ersehen. Die meisten Reden und wichtigen Ergebnisse wurden aber über Publikationen des Deutschen Gemeindetages an fast alle kleinen Gemeinden weitergeleitet. Ihnen wurde darin unter dem Motto »Besser Leben in der Gemeinde von Morgen« der Dorfwettbewerb als goldener Weg in eine bessere Zukunft präsentiert. Der Präsident des deutschen Gemeindetages und CDU-Bundestagsabgeordnete, Felix von Vittinghoff-Schell, stellte auf der Konferenz den Gemeinden in seiner Einführungsansprache den Wettbewerb als ein Mittel vor, mit dem sie auf den Weg »in die moderne arbeitsteilige Gesellschaft geführt werden s­ ollen«.

134 BA, B 116, Akt. 10891, Leitsätze für den Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« als Instrument für die Neuordnung unseres Lebensraumes. 135 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Dabei könnten sie aber ihren individuellen Charakter behalten und m ­ üssten nicht in der »seelen- und geschichtslosen Massengesellschaft untergehen«, von der es beispielsweise in Nordamerika bereits geradezu erschreckende Beispiele gebe.136 Dazu müssten die Gemeinden sich allerdings in »echter kommunaler Selbstverwaltung« üben. Der Wettbewerb, der sie dazu aufrufe, »aus eigener Kraft tätig zu werden«, und notwendige Hilfestellungen dazu leiste, setze hier genau am richtigen Punkt an.137 Der Dorfwettbewerb war aus Sicht des Gemeindetags also als Angebot an die Gemeinden zu verstehen, Modernisierung – wenn auch unter Anleitung – selbst in die Hand zu nehmen. Dadurch könnten sie nicht nur ein gewisses Maß an Kontrolle über diesen Prozess selbst behalten, sondern auch unter den Bedingungen einer funktionalen I­ ntegration politisch und kulturell eigenständig bleiben, um nicht Teil  einer gesteuerten »Massengesellschaft« zu werden. Die negativen Äußerungen von VittinghoffSchell zur Massengesellschaft und den USA entsprangen also, obwohl er dem westfälischen Uradel angehörte, nicht primär einer konservativ geprägten Kulturkritik, sondern politischen Vorbehalten gegenüber einer Modernisierung »von oben«, die drohte, die kommunale Eigenständigkeit gerade kleiner Gemeinden auf dem Lande zu beschneiden und ihnen eine eigenständige Entwicklung zu verwehren. Hans Ulrich Schmidt, der als Hauptredner der Veranstaltung auftrat und der immer ein Befürworter der dörflichen Selbsthilfe gewesen war, betonte ebenfalls die Notwendigkeit, einer aktiven Beteiligung der Gemeinden an der Neu­ ordnung des ländlichen Raumes. Die Bürgermeister nahm er in die Pflicht, indem er ihnen zunächst ihre Bedeutung versicherte und sie als »echte Per­ sönlichkeiten« bezeichnete. Als solche, so machte Schmidt allerdings auch deutlich, sei es ihre Aufgabe, die Neuordnung des ländlichen Raumes in ihren Gemeinden durchzusetzen. Denn »weder durch Gewalt, noch mit Geld« ließe sich erreichen, dass die Menschen sich an diesem Projekt beteiligen würden, sondern »nur durch den Einsatz echter Persönlichkeiten in der Gemeinschaft«.138 Schmidt war klar, ohne die Mithilfe oder gar gegen den Widerstand der Bevölkerung ließen sich weder der Dorfwettbewerb durchführen noch die Neu­ organisation des ländlichen Raumes. Die Bürgermeister als Agenten des Wandels zu gewinnen, würde die Durchsetzung beider Ziele enorm erleichtern. Die Podiumsdiskussion, die am Nachmittag veranstaltet wurde, brachte nicht mehr viel Neues. Am überraschendsten war noch die Forderung von Franz Höller, der im Sudetengau Propagandaschriften veröffentlicht hatte und 136 Ansprache des Präsidenten des Deutschen Gemeindetages, Dr. Felix Frh. v. Vittinghoff-Schell, Deutscher Gemeindetag nachrichten, Nr. 7/67, 17.02.1967. 137 Ebd. 138 Kurzfassung der Ansprache von Dr. Hans Ulrich Schmidt zum Thema »Persönlichkeiten prägen die Gemeinde«, Deutscher Gemeindetag Nachrichten, Nr. 5, 17.02.1967. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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an der Diskussion in seiner Position als Mitglied der Redaktion von Christ und Welt teilnahm, dass man, um die Kosten der Neuordnung des ländlichen Raumes abzudecken, doch einfach die Bundeswehr abschaffen und das freigewordene Geld in die Neuordnung stecken sollte.139 Ansonsten wiederholten Vitting­hof-Schell, Olschowy und Schmidt ihre bekannten Positionen. Dies lief vor allem darauf hinaus, die Bedeutung vorausschauender Planung zu betonen, die Notwendigkeit der Neuordnung des ländlichen Raumes als zwingend zu beschreiben und die Teilnahme der Bürger zu verlangen. Einzige weibliche Diskussionsteilnehmerin auf dem Podium war die Vertreterin der Landfrauen aus Allendorf, einer »Siegergemeinde« in Hessen. Sie bekam nicht viel Redezeit und nutzte sie vor allem, um zu erklären, weshalb die Landfrauen eine zentrale Bedeutung im Wettbewerb hätten. Diese begründete sich vor allem damit, »Haus und Garten« seien »Aufgaben der Frau« und sich so ganz natürlich eine Verantwortlichkeit für diese Gebiete auch über den privaten Bereich hinaus ergeben würde. Sie war auch die einzige unter den Konferenzteilnehmern, die anzumerken wagte: »Fachberatung alleine reicht aber nicht aus«, man müsse wirklich auf die Menschen eingehen. Schließlich gipfelte der Kongress in einem Aufruf zum Bundeswettbewerb 1967, in dem allen teilnehmenden Gemeinden zehn Grundsätze mitgegeben werden sollten. Diese orientierten sich stark an den von Olschowy in Zusammenarbeit mit den Landkreisen entwickelten Richtlinien, setzten aber noch zwei Punkte vorneweg. In ihnen wurde zuerst die besondere Bedeutung der Dörfer auch unter der »neuen Ordnung« thematisiert und hervorgehoben, dass bei aller funktionalen und räumlichen Integration die Gemeinden ihre Eigenständigkeit nicht verlieren dürften. Daher war »eine Neuordnung des Gesamtraumes nur möglich […], wenn die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Einzelräume berücksichtigt werden«.140 Der zweite Punkt hingegen formulierte die Konzessionen, zu denen die Gemeinden zum Zweck einer Neu­ ordnung des ländlichen Raumes bereit waren, und betonte die Bedeutung »inter­kommunaler Zusammenarbeit«, aus der sich viele wesentliche Verbesserungen bei kommunalen Versorgungsleistungen erreichen ließen. Mit der Betonung der Inter­kommunalität machte man allerdings deutlich, es solle sich hierbei immer um die Zusammenarbeit zwischen selbstständigen Gemeinden handeln sollte.

139 Handschriftliche Notizen zur Diskussion finden sich im Archiv der DGG, Ordner Konferenzen Michelsstadt/Würzburg 17.02.1967. Zu Höller vgl. Franz Höller, Von der SdP in die NSDAP. Ein dokumentarischer Bildbericht von der Befreiung des Sudetenlandes und vom Einzug der deutschen Truppen in das Protektorat Böhmen und Mähren. Karlsbad u. a. 1939. 140 Besser Leben in der Gemeinde von Morgen Bundeswettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« zeigt Wege. Deutscher Gemeindetag nachrichten, Nr. 6/67, 17.02.1967. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Nachdem die Kongressteilnehmer sich angesichts des Strukturwandels dazu entschlossen hatten, das »alte Dorf« für tot zu erklären, schritten die Verantwortlichen daran, den Dorfwettbewerb als ein Instrument zur Neuordnung des ländlichen Raumes auf der Basis funktionsräumlicher und ökologischer Vorstellungen neu auszurichten. Alte Ideen, die mit dem Dorfwettbewerb verbunden waren, wurden dabei wie von Höcherl schlicht als nicht existent betrachtet oder wie von Klinkmann sogar als »in geistiger Hinsicht fast ­etwas abenteuerlich«141 bezeichnet. Die Neuausrichtung machte den Wettbewerb für viele Gruppen interessant: Planer und Landschaftsgestalter sahen hier die Chance für neue Betätigungs- und Einkommensfelder, Politiker und Beamte auf Bundesebene erkannten die Möglichkeit, Einfluss auf die Neustrukturierung des »platten Landes« zu nehmen und der Autorität der Bundesländer in diesem Prozess etwas entgegenzusetzen. Aber auch die Länder und Landkreise begriffen den umorganisierten Wettbewerb als eine Gelegenheit, diesen Prozess selbst in die Hand zu nehmen. Für die Bewohner der Gemeinden und ihre politischen Vertreter stellte er sich ebenfalls als Gelegenheit dar, selbst Einfluss zu nehmen und sich nicht nur einer Modernisierung durch Experten und über­ geordnete staatliche Stellen unterordnen zu müssen – ein Einfluss, den es aber immer gegen die Forderungen nach funktionaler und räumlicher Integration abzuwägen galt. Über das Ausmaß, in dem die Dorfbewohner im Rahmen des Dorfwettbewerbs an der Neuordnung des ländlichen Raumes beteiligt werden sollten, herrschte zunächst auf Seiten der Organisatoren des Wettbewerbs Uneinigkeit. Während Planer und vor allem Vertreter des Bundeslandwirtschafts­ministeriums strenge Vorgaben und eine starke Kontrolle durch geschulte Berater favorisierten, waren Vertreter der DGG wie Graf Lennart Bernadotte oder Hans Ulrich Schmidt darauf bedacht, den Dorfbewohnern Freiräume einzurichten. Schließlich wurde die Teilhabe der ländlichen Bevölkerung am Neuordnungsprozess als wesentliches Element im Dorfwettbewerb verankert. Die Beweggründe hierfür waren allerdings unterschiedlich: Vertreter der DGG und der Gemeinden wollten die Dorfgemeinschaft im Sinne einer Modernisierung des ländlichen Raumes aktivieren und so einen Teil der finanziellen und strukturellen Nachteile, die kleine ländliche Gemeinden im Prozess der Modernisierung hatten, ausgleichen. Die Vertreter der Administration von Bundesebene bis hinunter zu den Land­k reisen hingegen sahen hier die Möglichkeit, durch eine Integration in den Veränderungsprozess etwaigen Widerständen gegen neue Entwicklungen die Spitze zu nehmen und gleichzeitig mithilfe von Bewertungskriterien und speziell geschulten Beratern die Entwicklung steuern zu können. Einig war man sich jedoch darin, dass der Wettbewerb ein hervorragendes Mittel sei, um die

141 BA, B 116, Akt. 10891, 06.03.1967, 1. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Bevölkerung über die Ziele und die Notwendigkeit einer Neuordnung aufzu­ klären und so deren Zustimmung zu diesem Projekt zu erhalten. Im Rahmen der nächsten Wettbewerbe würde es darum gehen, das richtige Gleichgewicht zwischen bürgerschaftlicher Beteiligung und staatlicher Steuerung in Form von Beratung und Bewertung zu finden. Dass dies nicht immer ganz einfach war, hatte schon die Kontroverse um den Zeitungsbericht von Vilma Sturm gezeigt.

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Der Wettbewerb schien sich 1967 gefunden zu haben. Er war als wesentliches Instrument zur Neuordnung des ländlichen Raumes anerkannt. Zwar war der Konflikt zwischen Planern und den Advokaten bürgerschaftlichen Engagements noch nicht ganz vorbei, doch kühlte er merklich ab. Die Vertreter einer zentralen Planung und stringenten Modernisierung hatten sich vorerst in vielen Punkten, wenn auch nicht allen, durchgesetzt. Die allgemeine Anerkennung, welche Unser Dorf soll schöner werden nun bekam, zog sogar eine Reihe von Gruppen an, die sich ebenfalls am Wettbewerb beteiligen wollten, um Einfluss auf die Entwicklung des ländlichen Raumes zu nehmen. Ab 1969 allerdings machte sich – nun unter veränderten politischen Vorzeichen – auch im Rahmen des Dorfwettbewerbs eine teilweise vehemente Planungskritik breit. Doch auch auf diese Kritik reagierten die Organisatoren des Wettbewerbs schnell. Zum dritten Mal in kürzester Zeit erfuhr er eine Umdeutung und galt jetzt als vorbildliche Bürgerinitiative, in der sich das Versprechen der sozialliberalen Koa­ lition von »mehr Demokratie« verwirklichen sollte. Trotzdem blieb der Einfluss der Planer und Modernisierer im Wettbewerb stark, Dies führte Ende der 70erJahre zu einer erneuten Welle der Kritik an Unser Dorf soll schöner werden, diesmal unter den Vorzeichen des Denkmalschutzes.

4.1 Erfolgreiche Jahre Nach Abschluss des Bundeswettbewerbs 1967 verfasste die Bundesbewertungskommission ihren bisher ausführlichsten Abschlussbericht. Die Kommission hatte ihre Zusammensetzung im Gegensatz zum Vorjahr stark verändert. Geblieben waren nur Hans Ulrich Schmidt, Gerhard Olschowy, Horst Hammler und Eduard Meyer zu Hoberge, der wieder als Vertreter des Deutschen Gemeinde­ tages an der Bereisung der Dörfer teilnahm. Hinzu kamen als Vertreter des Zentralausschusses der Deutschen Landwirtschaft der Diplomlandwirt Gerhard Drobig und als Vertreter der Agrarsozialen Gesellschaft der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Heinrich Rosenbaum (CDU) – erstaunlich insofern, als die Agrarsoziale Gesellschaft eine den Sozialdemokraten nahestehende Institution war. Als Vertreter des Deutschen Landkreistages war Georg Eisenbeis als Preisrichter beteiligt. Erstmals war in Gestalt des Regierungsbaudirektors Ernst Peter Schmitter, der für die Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaftliches Bauwesen teilnahm, auch ein Architekt in der Bundesbewertungskommission © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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vertreten. Als Beobachter ohne Stimmrecht waren zudem ein Vertreter des Württembergischen Gemeindetags, der Diplomgärtner Walter Mrass aus der Bundesanstalt von Olschowy, und Rainer Piest für das Bundeslandwirtschaftsministerium dabei.

4.1.1 Vorbildliche und weniger vorbildliche Dörfer Am Wettbewerb hatten im Jahr 1967 insgesamt 4.404 Gemeinden teilgenommen.1 Nach der Prüfung stellte die Bundesbewertungskommission fest: »Die Neuordnung des ländlichen Raumes und die Gesunderhaltung unserer Dörfer ist im Interesse der Allgemeinheit eine vordringliche Aufgabe unserer Tage. Der Bundeswettbewerb ›Unser Dorf soll schöner werden‹ erweist sich als ein hervorragendes Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Es ist keine vergleichbare Maßnahme bekannt, die mit so geringem Aufwand an öffentlichen Mitteln so überzeugende Leistungen erbracht hätte.«2 Dabei betonte die Jury auch die Steuerungsmöglichkeiten, die man mit dem Wettbewerb erhalten habe, da dieser »Kreisen, Bezirken und Ländern neuartige Möglichkeiten erschlossen« habe, »auf die ländliche Entwicklung im besten Sinne einzuwirken«.3 Zum Ende ihres Gutachtens stellte die Jury die bereits bekannten Forderungen nach dem verstärkten Einsatz von Plänen, einer ausgedehnten und qualifizierten fachlichen Beratung und der Integration in übergeordnete Planungen auf. Das neue Gewicht der Vertreter von Kreis- und Gemeindetag in der Jury kam in der neuen Forderung nach einer Finanzreform für Bund, Länder und Gemeinden zum Ausdruck, welche die Selbstverwaltung der Gemeinden sichern sollte. Bei einer näheren Betrachtung der Bewertungen, die von den Preisrichtern abgegeben wurden, wird beim Wettbewerb 1967 ein Idealtypus dörflicher Entwicklung sichtbar: Besonders geschätzt wurde die Funktionsfähigkeit des Dorfes gleichzeitig als Wohn-, Wirtschafts- und Erholungsraum. Am nächsten kam diesem wohl das Dorf Sasbachwalden im Schwarzwald, das damals 1800 Einwohnern hatte. Heute ist es das Zentrum einer beliebten Ferienregion. Dieses Potenzial erkannte auch schon die Jury: Ihrer Ansicht nach zeichnete sich Sasbachwalden dadurch aus, dass es der Gemeinde gelungen war, »Landwirtschaft und Landschaft harmonisch zu verbinden und ein geordnetes Ortsbild zu schaffen. Desgleichen wird die Landwirtschaft trotz wachsenden Fremdenverkehrs weiter gefördert und entwickelt.«4 Damit entsprach Sasbachwalden allen funktionalen Anforderungen, die an Siedlungen im ländlichen Raum gestellt

1 Archiv der DGG, Ordner Abschlussberichte, Abschlussbericht 1967, 1–3. 2 Ebd., 37. 3 Ebd. 4 Ebd., 8. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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wurden, und war gleichzeitig agrarischer Wirtschafts-, Wohn- und Erholungsraum. Zu verdanken hatte die Gemeinde dies nach Ansicht der Bewertungskommission ihrer vorbildlichen Planung – beispielsweise hatte man bereits 1957 einen Flächennutzungsplan aufgestellt. Im Bericht der Bewertungskommission wurde allerdings nur am Rande erwähnt, dass es sich bei der Landwirtschaft in Sasbachwalden fast ausschließlich um Weinbau handelte, was dank des guten Hektarerlöses nicht nur die Einbindung der Landwirtschaft in die Landschaft erheblich erleichterte, sondern auch zu einem geringeren Rationalisierungsdruck auf die Landwirtschaft führte, was die Anpassung der Landwirtschaft an neue Marktbedingungen vereinfachte. Die Preisrichter waren bemüht, auch anderen Dörfern mit einer weniger vorteilhaften Ausgangslage die Anerkennung einer Goldplakette zukommen zu lassen – wie etwa Kattenhochstadt in Mittelfranken nahe der Stadt Weißenburg. Das Dorf hatte 220 Einwohner und war rein bäuerlich geprägt. In seiner Bewertung wurde besonders die Selbsthilfeleistung hervorgehoben und der »hervorragende Gemeinschaftssinn«, der eine Weiterentwicklung des Dorfes möglich gemacht habe, sodass es in Kattenhochstadt kaum zur Landflucht komme, obwohl abseits der Landwirtschaft keine Arbeitsmöglichkeiten bestünden. Zudem lobte man das Jugendheim im Ort, in dem Jugendlichen aus der Stadt »das Land nahegebracht« wurde.5 Der gemeinsame Nenner zwischen Kattenhochstadt und Sasbachwalden war also die Funktionsfähigkeit des Dorfes als Wohn-, Wirtschafts- und Erholungsraum für städtische Jugendliche, die eine weitere Entwicklung der Gemeinde ermöglichte und ihre Existenz in der »Funktionsgesellschaft« rechtfertigte. Schlechte Bewertungen gab es demzufolge beim Bundeswettbewerb 1967 immer dann, wenn die Juroren eine oder gar mehrere dieser Funktionen eingeschränkt sahen. So lobte man in Wehrshausen (299 Einwohner) in Hessen zwar die Funktion der Gemeinde als Wirtschaftsraum dank der Beratung durch Fachleute, der Aufräumaktionen und der Weiterentwicklung der Landwirtschaft, die sich in »erfreulichen Formen neuzeitlicher ländlicher Nutzbauten« zeigte.6 Allerdings hatte man bei den Neubauten die notwendige Sorgfalt in der Bauleitplanung vermissen lassen und es zudem versäumt, einen Landschaftsplan aufzustellen. Damit gefährdete man nach Ansicht der Bundesbewertungskommission die Weiterentwicklung des Dorfes, da durch das ungeplante Bauen und die fehlende Berücksichtigung ökologischer Grundlagen jenseits der Agrar­ wirtschaft die Funktion des Dorfes als Wohn- und Erholungsraum nachhaltig eingeschränkt werden könnte. Für die Jury zeigte sich dies auch an dem ­etwas nachlässigen Umgang mit dem dörflichen Grün in Wehrshausen.



5 Ebd., 9. 6 Ebd., 19. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Im niedersächsischen Dorf Laubach (370 Einwohner) kritisierte die Bewertungskommission hingegen das Fehlen von »Ordnungseinrichtungen« wie etwa einer Kanalisation und einer Kläranlage. Das Dorf hatte zwar offensichtlich gute Erfolge bei der Weiterentwicklung des Camping-Tourismus im Kaufunger Wald erzielt, es allerdings versäumt, die Infrastruktur entsprechend auszubauen, was in den Augen der Preisrichter zum einen die Weiterentwicklung des Tourismus verhinderte und zum anderen den Wohnkomfort für die einheimische Bevölkerung stark einschränkte. Die Jury erkannte den hohen Schuldenstand der Gemeinde an, der einen Infrastrukturausbau behindert hatte, zeigte sich aber dennoch enttäuscht darüber, dass das Dorf nicht zu »organisierter Gemeinschaftsarbeit wie in anderen Orten« zusammengefunden hatte, um die Probleme vor Ort zu lösen.7 Ohne Selbsthilfe war aber gerade wegen des hohen Schuldenstandes keine Entwicklung möglich. So arbeiteten sich sowohl die Dörfer als auch der Bundeswettbewerb nach wie vor trotz aller forcierten Bemühungen um eine Modernisierung an dem Versuch ab, die Entwicklung im ländlichen Raum im Gleichgewicht zu halten. Dabei handelte es sich nicht mehr um das Gleichgewicht zwischen Natur und Technik, sondern darum, die verschiedenen Anforderungen, die ein Dorf in der »Funk­ tionsgesellschaft« als Wirtschafts-, Wohn- und Erholungsraum erfüllen musste, im Einklang zu halten. In diesem Versuch entstanden offensichtlich immer wieder Konflikte zwischen verschiedenen Nutzungskonzepten für den begrenzten Raum, der den Dörfern zur Verfügung stand. Trotzdem zeigte der Wettbewerb aus Sicht der Bundesbewertungskommission, dass die Gemeinden im Großen und Ganzen in der Lage waren, Entwicklung so zu steuern, dass sich Nutzungskonflikte in Grenzen hielten und die als notwendig betrachteten Veränderungen dennoch umgesetzt wurden.

4.1.2 Vereinbare Gegensätze Die Fähigkeit zur Anpassung wurde vor allem zwei Eigenschaften der Gemeinden zugeschrieben, die durch den Wettbewerb in besonderer Weise gefördert worden seien. Besonders deutlich wird dies in zwei Stellungnahmen, die Georg Eisenbeis und Eduard Meyer zu Hoberge anlässlich der Siegerehrung am 25.  November 1967 in der Beethovenhalle für den Landkreistag bzw. für den Gemeindetag veröffentlichten. Beide zeigten sich begeistert von den Erfolgen des Wettbewerbs, der sich als ein »Bollwerk gegen die Landflucht« erwiesen h ­ abe.8 7 Ebd., 20. 8 Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1967, Deutscher Landkreistag und Bundeswettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden«. Feststellungen von Kreisverwaltungs­ direktor Georg Eisenbeis. Ohne Datum. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Trotz der Einigkeit in diesem Punkt setzten jeder der beiden andere Akzente. Eisenbeis war geradezu euphorisiert von den Möglichkeiten, die der Wett­ bewerb bot, um die Bürgerschaft für die Modernisierungsziele der Administration zu gewinnen: »Nur selten können die Verantwortlichen einer Gemeinde, eines Kreises, die Aufgeschlossenheit, die Geschlossenheit und Einheit der Bürgerschaft für große kommunalpolitische Aufgaben und Ziele so hervor­ragend einsetzen und verwerten, wie bei dem Wettbewerb ›Unser Dorf soll schöner werden‹.«9 Eisenbeis betonte damit wieder die Steuerungsmöglichkeiten, die der Wettbewerb Planern und politisch Verantwortlichen bei der Neugestaltung des ländlichen Raumes in die Hand gab. Dass mit der administrativen »Verwertung« bürgerschaftlichen Engagements im Sinne entwicklungspolitischer Zielsetzung sich dann gerade nicht mehr als bürgerschaftliches, sondern als verwaltetes und gelenktes Engagement zeigte, schien dem Vertreter des Landkreistages nicht in den Sinn zu kommen. Der Vertreter des Gemeindetages zu Hoberge hingegen betonte die Leistungsfähigkeit der Gemeinden besonders aus ihrer Unabhängigkeit heraus. Es sei nicht beabsichtigt, »Mustergemeinden« zu schaffen, da es gelte, die »unverwechselbare Individualität« der einzelnen Gemeinden zu beachten.10 Zu Hoberge lobte erneut die Leistungsfähigkeit der Gemeinden, die große Entwicklungsaufgaben ganz im Alleingang durchführen könnten. So meinte er: »Es ist gelegentlich überschlagen worden, daß die Großstädte keine Sorge wegen der Finanzierung ihrer U-Bahnprojekte zu haben brauchten, wenn dort in gleicher Weise [Selbsthilfe] verfahren werden könnte.«11 Beide Sichtweisen auf den Dorfwettbewerb, zum einen als Mittel zur verstärkten administrativen Durchdringung der Gemeinden, zum anderen als Weg, bürgerschaftliches Engagement zu fördern und so die Selbstständigkeit der Gemeinden zu sichern, bestanden auf der Siegerehrung in der Beethovenhalle also nach wie vor nebeneinander. Diesem Zustand lag zugrunde, dass man sich über die entwicklungspolitische Zielsetzung einig war, den ländlichen Raum zu modernisieren und so Landflucht zu verhindern. Dabei war der Wettbewerb der »goldene Weg«, durch den sich administrative Steuerung und bürgerschaftliches Engagement verbinden ließen. Auch der Festredner auf der Abschlussveranstaltung Edmund Gassner, Direktor des Instituts für Städtebau, Siedlungswesen und Kulturtechnik der Universität Bonn12, konzentrierte sich in seiner Ansprache auf das Verhältnis zwischen Freiheit und Planung. Gassner kam es dabei allerdings nicht so sehr auf die politische Unabhängigkeit der Gemeinden an, sondern mehr auf indivi 9 Ebd. 10 Ebd. 11 Ebd. 12 Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1967, Abschlussfeier Bundeswettbewerb 1967 »Unser Dorf soll schöner werden« am 25.11.1967 in der Beethoven-Halle in Bonn. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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duelle Freiheitsräume der Bewohner. In ländlichen Gegenden ließen sich Möglichkeiten der individuellen Lebens(raum)gestaltung finden, die den Bewohnern in anderen Räumen verwehrt blieben. In diesem Zusammenhang brachte er auch den Begriff der Heimat wieder in die Diskussion ein, der im Rahmen der Ausrichtung auf eine funktionale Neuorientierung des ländlichen Raumes weitgehend verschwunden war. Die mittlerweile zum Allgemeinplatz gewordene Feststellung, dass das rein agrarisch geprägte Bauerndorf keine Zukunft mehr habe, war auch für Gassner der Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Dies bedauerte er allerdings nicht als großen Kulturverlust; ganz im Gegenteil sprach er den Bewohnern jener Dörfer, die die Transition zum modernen Dorf nicht geschafft hatten, das Recht zu, ihre Dörfer zu verlassen. Er wendete sich allerdings gegen den Begriff der Landflucht, der die teilweise aus strukturellen Gründen notwendige Abwanderung vom Land negativ konnotieren würde.13 Trotz dieser auf strukturellen Notwendigkeiten beruhenden Abwanderung hatte der ländliche Raum seiner Ansicht nach aber weiterhin eine wichtige Aufgabe zu erfüllen: Der zentrale Beitrag war, »Boden auf dem Lande bereitzustellen, als sozialen Lebensraum für die Gesamtbevölkerung«.14 Gassner plädierte für eine Aufhebung des auf einer binären Opposition aufgebauten »traditionellen Gegensatzes zwischen Stadt und Land« zugunsten einer »neuen Entwicklungsstufe der Gesellschaft«, in der »Stadt und Land« sich multipolar und einander netzwerkartig »durchwirken« würden.15 Dabei betonte Gassner allerdings, dass trotz einer Zukunft, in der »das Land ergänzender Teil  der rationalisierten, technisierten, industriellen Arbeitswelt wird«16, der ländliche Raum dennoch Alleinstellungsmerkmale habe, die sich nicht nur aus seiner Funktion herleiten ließen. Diese lagen für ihn in der Tatsache begründet, dass das Dorf – sofern man bei dessen Modernisierung zwar konsequent, aber unter Berücksichtigung bestehender Strukturen vorging  – auch weiterhin »als Heimat empfunden werden« könne. Unter Heimat verstand Gassner nicht die symbolisch überfrachtete Heimat der Heimatschützer, sondern einen »Bereich des Intimen und der Familie […], als Gegenpol zur großen Welt, die seinen [des Bewohners des Landes] Lebenskreis erweitert, ohne daß er sich in ihr zu verlieren braucht«. Damit formulierte Gassner einen Heimatbegriff, der in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen sollte und der nicht mehr auf die Erhaltung »stammlichen« Kulturguts oder einer »bäuer­lichen Volkskultur« fixiert war, sondern als persönlicher Nahbereich Rückzugsraum 13 Edmund Gassner, Das Dorf als Heimat, Gestalt und Verantwortung, in: der landkreis, Heft 1, 1968, 9–11. 14 Ebd., 9. 15 Ebd., 10. 16 Ebd., 11. Auch folgende Zitate hier. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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vor den Zwängen der »Funktionsgesellschaft« war und Platz für individuelle Entfaltung schuf. Während sich also die kommunalen Spitzenverbände noch immer nicht darüber einig waren, in welcher Weise der Wettbewerb in Zukunft genutzt werden sollte, wies Gassner bereits den Weg in eine Richtung, in der die Neugestaltung des ländlichen Raumes nach funktionalen Kriterien in den Hintergrund treten und die Gestaltung des individuellen Lebensraums an Bedeutung gewinnen sollte.

4.1.3 Konflikte um ästhetische und kulturelle Normen Nachdem der Dorfwettbewerb auch 1967 mit gestrafften Bewertungskriterien ausgestattet und in seiner Bedeutung für die Neuordnung des ländlichen ­Raumes allgemein große Anerkennung erntete, versuchten in den Jahren 1968 und 1969 eine Reihe von Verbänden, an diesem Prozess teilzuhaben. Sie for­ mulierten selbstständig Ansprüche und Forderungen, um sich am Wettbewerb zu beteiligen. Bei den Initiatoren des Bundesbewettbewerbs stießen sie dabei aller­dings nicht oft auf Verständnis. Ein prominentes Beispiel war Wilhelm Münker, der betagte Mitbegründer des Deutschen Jugendherbergswerks und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, der im Januar 1968 einen Brief an Olschowy schrieb. In seiner Funktion als Leiter der Arbeitsgemeinschaft gegen die Auswüchse der Außenreklame unterbreitete er Olschowy eine Reihe von Vorschlägen für den Wettbewerb,17 die zum großen Teil in der Agenda der Heimatschutzbewegung verankert waren. So forderte der 94-Jährige ganz in Manier der Heimatschutzbewegung aus Zeiten des Kaiserreichs unter anderem: »[K]eine Ziegelrohbauten, herrührend aus den Jahrzehnten nach dem 1870–71er Kriege, keine Düsterputzhäuser. Keine Markenartikel-Reklame an Litfasssäulen oder Wänden.«18 Unter Verweis auf den während der NS-Zeit eingeführten »Werberat der deutschen Wirtschaft« bezeichnete er diese Form der Reklame als »Naziwerk […] von Dr. GÖBBELS [i. O.] Gnaden«. Zudem verlangte er einen »Tadel für die sündigen Dörfer«, denn »dieser Pranger, öffentlich verlautbart«, würde mit Sicherheit eine größere Wirkung haben als nur das »Lob der Tugendsamen«. Mit diesen Forderungen fand Münker bei Olschowy allerdings wenig Zustimmung. Dieser war geradezu pikiert von den restaurativ heimatschütze­ rischen Forderungen des Leiters der Arbeitsgemeinschaft gegen die Auswüchse der Außenreklame. Zu dem Hinweis Münkers auf »die schmucken Dörfer aus der Zeit des Mittelalters« notierte er an den Briefrand, neben das unterstrichene 17 Vgl. auch: Frank Uekötter, Naturschutz im Aufbruch. Eine Geschichte des Naturschutzes in Nordrhein-Westfalen 1945–1980. Frankfurt a. M., u. a. 2004, 37–57. 18 BA, B 116, Akt. 10891, 11.01.1968 Auch die folgenden Zitate aus diesem Brief. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Wort Mittelalter: »Genau [i. O.] das ist es, Herr Münker.« Unter den abschließenden Satz des Verfassers, der anbot: »Bei etwaigen Unklarheiten gebe ich gern weitere Aufschlüsse«, vermerkte Olschowy: »Da müssten wir ihm ein dickes Buch schreiben.« Deutlicher konnte er die Abwendung von einem restaurativen Heimatschutz kaum markieren. Diese Bewegung war so offensichtlich der deutschen Mittelalterromantik verhaftet, dass sie sich in den Augen der Gruppen, die für den Dorfwettbewerb verantwortlich zeichneten, als absolut ungeeignet für eine Weiterentwicklung des ländlichen Raumes erwies. Gegen eine Regulierung der Außenwerbung im Rahmen des Wettbewerbs hatten die Organisatoren nämlich grundsätzlich nichts einzuwenden. Nur arbeitete man hierzu mit der Gesellschaft für Ordnung in der Außenwerbung zusammen, beziehungsweise legte das Bundeslandwirtschaftsministerium den Landesministerien für Landwirtschaft dies in einem Brief nahe.19 Die Gesellschaft für Ordnung in der Außenwerbung hatte gegenüber Münkers Arbeits­ gemeinschaft zwei Vorteile: Zum einen wurde sie  – im Gegensatz zu Münkers Ein-Mann-Aktion  – von den etablierten kommunalen Spitzenverbänden ge­tragen, zum anderen erkannte sie »Reklame und Werbung im öffentlichen Raum als legitimes Anliegen der Wirtschaft«20 an. Dort wandte man sich lediglich gegen Reklame in der offenen Landschaft, die deren Ästhetik erheblich stören und so deren Erholungswert deutlich einschränken würde. Darüber hinaus erkannte die Gesellschaft für Ordnung in der Außenwerbung den ländlichen Raum als einen Ort an, der verschiedenen Nutzungskonzepten offenstand, bei deren Implementierung jedoch darauf geachtet werden musste, dass es nicht zu Nutzungskonflikten kam und man stets den maßvollen Ausgleich suchen sollte. Im Gegensatz zu Münkers Forderungen, der bestimmte Nutzungen des länd­ lichen Raumes aus kulturräumlichen Erwägungen grundsätzlich ausschloss, waren die Ideen der Gesellschaft für Ordnung in der Außenwerbung damit auch in den Wettbewerb integrierbar. Allerdings sahen sich auch andere Gruppen, die es gewohnt waren, »Raum« in erster Linie unter kulturräumlichen Gesichtspunkten zu betrachten, immer mehr vom Wettbewerb ausgegrenzt. Selbst im Zentralverband des Deutschen Gemüse-, Obst- und Gartenbaus vermissten bestimmte Gruppen trotz der engen Anbindung an die DGG im Wettbewerb die entsprechende Würdigung ihrer Vorschläge. Beispielsweise machte van Vlyten, der für die Fachgruppe der Friedhofsgärtner sprach, in einem Brief an den Generalsekretär der DGG Horst Hammler seinem Unmut darüber Luft, dass die Gestaltung der Friedhöfe im Wettbewerb nicht entsprechend anerkannt werde. »Unseres Erachtens geht es nicht an, einer Gemeinde eine Goldplakette zuzuerkennen, ohne den Friedhof

19 BA, B 116, Akt. 10891, 05.05.1969. 20 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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entsprechend gewürdigt zu haben.«21 Zudem wünschte sich van Vlyten, in Zukunft Gemeinden, die am Wettbewerb teilnahmen, darauf hinzuweisen, dass sie sich bei der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal in Kassel (AFD) Informationsmaterial zuschicken lassen könnten. Besser wäre es noch, so der Leiter der Friedhofsgärtner, die DGG würde die Informationen über die teilnehmenden Dörfer direkt an die AFD weiterleiten, sodass die Fachgruppe den Dörfern selbstständig Informationen über die Gestaltung der Friedhöfe zukommen lassen konnte.22 Hammler war nicht sehr von van Vlytens Vorschlägen an­getan – er fühlte sich durch »Ton und Belehrung«, wie er handschriftlich auf dem Brief vermerkte, vor den Kopf gestoßen. Somit fand das Anliegen der Friedhofs­ gärtner und der AFD keine weitere Aufmerksamkeit, zumal die Gestaltung des Friedhofs durchaus in die Bewertung der Bundesjury mit einfloss. Anhand von Fällen wie diesem zeichnete sich gegen Ende der 60er-Jahre in der Geschichte des Wettbewerbs ein Konflikt ab, der ihn in steigender Heftigkeit bis zum Beginn der 80er-Jahre begleiten sollte: Organisationen, deren Wurzeln in der Heimatschutzbewegung lagen, hatten es nach der Neuausrichtung des Wettbewerbs als Instrument zur Neuordnung sehr schwer, ihre Anliegen im Rahmen von Unser Dorf soll schöner werden durchzusetzen, institutionell an den Wettbewerb anzudocken und etwa Preisrichter in die Bundes- oder Landesjurys zu delegieren. Dieser Konflikt stellte sich vor allem als ein Kampf um die Erhaltung spezifischer kultureller und ästhetischer Normen dar, die im Rahmen des Wettbewerbs an Bedeutung verloren hatten, beziehungsweise nur noch unter dem Aspekt ihrer Nützlichkeit unter raumordnerischen Gesichtspunkten eine Rolle spielten. Beim jährlichen Treffen der Länderreferenten am 24. Mai 1968 im Bundeslandwirtschaftsministerium bestätigte sich, die schwindende Bedeutung der älteren Traditionen des Heimatschutzes. Beispielsweise wurde das Anliegen der Friedhofsgärtner als so wenig relevant eingestuft, dass es nicht einmal zur Sprache kam. Münkers Anliegen hingegen wurde bei dem Treffen noch einmal thematisiert (wohl aufgrund der Bedeutung seiner Person), aber einmütig ab­gelehnt, da es »dieser Arbeitsgemeinschaft«, wie Münkers Organisation gegen die Auswüchse der Außenreklame tituliert wurde, an Sachlichkeit fehlen würde23 – ein bezeichnender Vorwurf an Münker, der mit seiner grundsätz­ lichen Argumentation keinen Spielraum für sachliche Kompromisse ließ. 21 Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1967, 24.10.1967. 22 Auch die AFD war stark von der Heimatschutzbewegung beeinflusst; ihr Begründer und Geschäftsführer war bis 1959 Werner Lindner, eine der zentralen Gestalten des Deutschen Heimatbundes zwischen 1914 und 1945. Über Werner Lindner wurde in Dortmund eine Dissertation verfasst, die nur online vorliegt. Barbara Banck, Werner Lindner. Industrie­ moderne und regionale Identität. Dissertation Technische Universität Dortmund 2008. Zu finden unter: https://eldorado.tu-dortmund.de/handle/2003/25010. 23 BA, B 116, Akt. 10891, 11.07.1968. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Andere Anliegen von Institutionen, die sich am Wettbewerb beteiligen wollten, wurden hingegen wohlwollend diskutiert. Durchaus ernsthaft sprachen die Länderreferenten beispielsweise über das Gesuch der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierschutz, »in der Wettbewerbsbewertung auch die Hundehaltung und die Begrenzung der Katzenzahl durch Kastration« zu berücksichtigen.24 Die Referenten bedauerten tatsächlich, dass der Wettbewerb von diesem Anliegen und seiner Durchführung bislang überfordert wäre. Da aber »der Sache selbst ihre Förderungswürdigkeit nicht abgesprochen werden kann«, beschlossen sie, die Berater, die im Rahmen des Dorfwettbewerbs tätig wurden, darauf hinzuweisen, die Anliegen des Tierschutzes nicht außer Acht zu lassen. Zwar argumentierten auch die Tierschützer grundsätzlich und normativ, allerdings führte eine Berücksichtigung ihres Anliegens nicht zu einer Einschränkung der Entwicklung des ländlichen Raumes. Im Gegensatz dazu wurde das Anliegen eines Gemeindeunfallversicherungsverbands, sich unter dem Motto »Das sichere Dorf« am Dorfwettbewerb zu beteiligen, verweigert. »Solche Ansinnen« – gemeint waren damit jegliche kommerziellen Anliegen  – »sind abzulehnen«, darin war man sich einig.25 Insgesamt brachte die Sitzung der Länderreferenten keine großen Neue­ rungen. Als bedeutsam sollte sich im weiteren Verlauf nur die Entscheidung zeigen, zukünftig die Ausschreibungstexte der verschiedenen Bundesländer für ihre Landeswettbewerbe aneinander anzugleichen. Hier deutet sich der Versuch an, den Einfluss der Länder auf den Wettbewerb zugunsten einer größeren Stringenz des Wettbewerbs zurückzudrängen. Konkrete Forderungen oder Beschlüsse dazu wurden allerdings nicht gestellt oder gefasst. Angesichts der Bemühungen verschiedener Institutionen, sich am Wett­ bewerb zu beteiligen, sahen die Länderreferenten wohl die Notwendigkeit, die Ziele des Wettbewerbs, wie sie in der Ausschreibung genannt wurden, zu prä­ zisieren, um Missverständnisse zu vermeiden. Deshalb wurde in der Ausschreibung für den Wettbewerb 1969 als Ziel des Wettbewerbs angegeben: »Dieser Wettbewerb soll dazu beitragen, die notwendige gesellschaftspolitische und strukturelle Neuorientierung des ländlichen Raumes von Seiten der Gemeinde her auf breiter Ebene zu unterstützen und zu intensivieren.«26 Die Neuformulierung des Wettbewerbsziels stellte eine nachträgliche Anpassung an die längst getroffene Entscheidung zur Neuorientierung des Wettbewerbs dar, die seit 1967 auch schon praktiziert wurde. Hiermit machten die Organisatoren aber noch einmal deutlich, dass das Ziel des Wettbewerbs die Neuordnung des länd-

24 Ebd. 25 Ebd. 26 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Bundeswettbewerb 1969 Unser Dorf soll schöner werden, 10. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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lichen Raumes war und nicht der Erhalt traditioneller ästhetischer und kultureller Normen. Die Neuausrichtung des Wettbewerbs – das zeigten die vielen Versuche verschiedenster Institutionen, sich an diesem zu beteiligen – war ein Erfolg. Der Wettbewerb wurde nun als wesentliches Mittel zu Neuordnung des ländlichen Raumes allgemein anerkannt und vorläufig konsolidiert.

4.1.4 Ergebnisse des Wettbewerbs 1969 Beim Bundeswettbewerb 1969 ging man den Weg, der ab 1967 eingeschlagen worden war, konsequent weiter. Es gab nur wenige Neuerungen in der Zu­ sammensetzung der Bundesbewertungskommission, wobei auffällig war, dass der Deutsche Landkreistag diesmal keine Delegierten in den Wettbewerb entsandte. Stattdessen nahm erstmals eine Frau als Mitglied der Bundesjury teil: Margarete Schmitz, die dem Deutschen Landfrauenverband im Wettbewerb vertrat, sollte bis 1975 Jurorin bleiben. Ein letztes Mal gab die Bundesprüfungskommission am Ende des Wettbewerbs ihre Feststellungen und Empfehlungen unter der Leitung Hans Ulrich Schmidts bekannt, der nach 1969 als Chef der Bundesbewertungskommission ausschied. Insgesamt verschärfte sich in diesem Abschlussbericht die Tendenz, von den teilnehmenden Gemeinden planerische Maßnahmen zu verlangen, sodass auch erstmals von den »Grenzen […], die dem Selbsthilfewillen vieler Gemeinden gesetzt sind«, gesprochen wurde.27 Zwar wurde der Selbsthilfe nach wie vor große Bedeutung eingeräumt, doch gerade im Bereich längerfristiger Planung und Orientierung stellte man Defizite fest, die durch die Selbsthilfe der Gemeinden nicht beseitigt werden könnten, da diesen die notwendige Perspektive fehlte. Oft würden »anstehende Aufgaben pragmatisch gelöst, ohne daß ein klares Bild über die mögliche oder wünschenswerte Entwicklung vorhanden ist«, hieß es in dem Bericht.28 Aus diesem Grund müssten die Gemeinden verstärkt in die übergeordnete Regionalplanung eingebunden werden und dürften sich gerade bei ihren Investitionen nicht so stark am isoliert betrachteten lokalen Bedarf orientieren. Trotz dieser Abstriche seien die Dörfer, die am Dorfwettbewerb 1969 teilnahmen, im Verhältnis immer noch vorbildlich und »ein Motor der Landentwicklung«, weshalb sie bei »der Vergabe öffentlicher Mittel für Entwicklungsmaßnahmen bevorzugt werden« sollten.29 Damit wurden mit dem Wettbewerb erstmals weiterreichende finanzielle Zuwendungen verbunden. Trotzdem betonte man nach wie vor die ideelle Bedeutung des Wettbewerbs, dem es ge 27 Ebd., 10. 28 Ebd. 29 Ebd., 7. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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lungen sei, »die Bevölkerung der teilnehmenden Dörfer handelnd an der Entwicklung ihres Gemeinwesens zu beteiligen«. Damit würden auch »auf dem Lande die Inhalte unserer Demokratie sehr deutlich«, wie die Jury konstatierte.30 Man war sich innerhalb dieses Gremiums also durchaus bewusst, dass eine Beteiligung der ländlichen Bevölkerung am Entwicklungsprozess nicht nur eine praktische Art war, möglichen Widerständen die Spitze zu nehmen, sondern auch als Ausdruck demokratischer Beteiligung an Entscheidungen gelten konnte. Selbst in Bellersdorf hatte man sich – trotz des Ärgers über die FAZ-Redakteurin Vilma Sturm im Jahr 1965 – entschlossen, erneut am Wettbewerb teilzunehmen und wurde mit einer Silberplakette belohnt, wobei die Goldplakette als höchste Auszeichnung dem Ort nach wie vor verwehrt blieb. Bellersdorf zeigte sich dennoch als gelehriger Schüler des Dorfwettbewerbs, der die Er­ neuerung des Dorfes anerkannte. So lobte die Bundesjury die Bemühungen um Modernisierung und hob hervor, dass »unschöne und alte Gebäude« be­ seitigt worden seien. Zudem habe man vor Ort »eine klare Vorstellung über die erwünschte Weiterentwicklung zum bevorzugten Wohnplatz für Auspendler und für Auswärtige auf billigem Baugrund.«31 Vor allem aber hob die Jury hervor, sei dies alles »unter der bewährten Führung von Persönlichkeiten des Ortes und des Bürgermeisters« vonstattengegangen.32 Mit diesem Lob sollte sicherlich Wiedergutmachung geleistet werden für die Konflikte, die sich während des Dorfwettbewerbs 1965 ergeben hatten. Die Bewahrung des Alten spielte in Bellersdorf wahrlich keine Rolle. Vielmehr war für die positive Bewertung ausschlaggebend, dass die Gemeinde, von der aus über die Autobahn in einer halben Stunde Gießen erreicht werden konnte, nun an der Entwicklung des »Pendler­wesens« partizipierte und mit der Bereitstellung preiswerten Wohnraums sowie »preisgünstige[r] Pensionen« für den Fremdenverkehr seine Funktionen als Wohn- und Erholungsort in der Region erfüllte.33

4.1.5 Neue Entwicklungsziele und Konflikte mit den Bundesländern Am 21.  November 1969 fand die Preisverleihung für den Bundeswettbewerb statt. Bei dieser Veranstaltung sprach erstmals ein Landwirtschaftsminister der FDP: Josef Ertl, der die Landwirtschaftspolitik der nächsten 14 Jahre prägen sollte. Ertl nutzte den großen Auftritt nur zwei Monate nach der Bundestagswahl, um den anwesenden Dorfbewohnern und der Presse die Richtlinien 30 Ebd., 8. 31 Ebd., 29. 32 Ebd., 29. 33 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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seiner Strukturpolitik in Bezug auf den ländlichen Raum auseinanderzusetzen. Der agrarwirtschaftliche Teil dieser Politik orientierte sich stark am »MansholtPlan« des ehemaligen niederländischen Agrarministers und gegenwärtigen Vizepräsidenten der EWG-Kommission Sicco Mansholt und war zum Teil auch schon von seinem Vorgänger Höcherl übernommen worden. Diese Politik zielte auf eine verstärkte Rationalisierung der Agrarwirtschaft ab. Dabei stand die Verkleinerung der Anzahl der Betriebe bei einer gleichzeitigen Vergrößerung der überlebenden Betriebe und einer Orientierung am Weltmarkt im Mittelpunkt. Gerade bei den kleineren Landwirten waren diese Ziele hoch um­stritten, was dem Minister wohl bewusst war. Auch wenn es um die Neuordnung des ländlichen Raumes ging, zog Ertl die Zügel an. Dass der Dorfwettbewerb hierzu ein wesentliches Mittel sei, be­stätigte sich seiner Ansicht nach schon allein aus der Zielsetzung des Wett­bewerbs, wie sie in der überarbeiteten Ausschreibung von 1969 formuliert worden war. Das eigentliche Ziel des Wettbewerbs sei es schon immer gewesen, einen Beitrag dazu zu leisten, »die notwendige gesellschaftspolitische und strukturelle Neuorientierung des ländlichen Raums« voranzutreiben.34 Zwei Konzepte hatten für Ertl dabei eine besondere Bedeutung. Während seiner Rede wollte er die Gelegenheit nutzen, um »ein kleines Plädoyer für das Zentrale-Orte-Programm der Bundesregierung« und »ein zweites Plädoyer, und zwar das für die Planung«, zu halten, erklärte er seinen Zuhörern in der Bad Godesberg.35 Die Bedeutung des Systems der Zentralen Orte36 ergab sich Ertls Meinung nach aus der Prognose, dass es in Zukunft nicht mehr allen und schon gar nicht kleinen Gemeinden möglich sein werde, die infrastrukturelle Ausstattung zur Verfügung zu stellen, die notwendig sei, um das Ziel einer Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen zu erreichen. Daher versuchte Ertl, im gleichen Atemzug Befürchtungen zu zerstreuen, wonach Gemeinden ohne zentral­örtlichen Charakter, »abgeschrieben« würden. Er betonte dagegen die arbeitsteilige Ver­ anlagung des Systems Zentraler Orte, in dem jedem Element seine Bedeutung zukommen würde. Die Zusammenarbeit in der Dorfgemeinschaft, wie sie in

34 Bulletin des Presse und Informationsamtes der Bundesregierung, 25.11.1969, Nr. 142, 1212. 35 Ebd., 1213. 36 Das »System der Zentralen Orte« war von Walter Christaller in den frühen 30er-Jahren entwickelt worden und wurde von ihm während seiner Arbeit für das Reichskommissariat für die Festigung deutschen Volkstums weiter ausgearbeitet. Diese Theorie ist damit eines der bekanntesten Beispiele für Kontinuitäten von der NS-Forschung in die Bundesrepublik hinein. Vgl. Walter Christaller, Die zentralen Orte in Süddeutschland. Eine ökonomischgeographische Untersuchung über die Gesetzmäßigkeit der Verbreitung und Entwicklung der Siedlung mit städtischer Funktion. Jena 1933. Immer noch Grundlegend: Mechthild Rössler, Wissenschaft und Lebensraum. Geographische Ostforschung im Nationalsozialismus. Berlin, 1990. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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der Vorbereitung zum Wettbewerb praktiziert wurde und ohne die die Ziele des Wettbewerbs niemals erreicht worden wären, galt dem Minister als Analogie zum System der Zentralen Orte. Ertl definierte damit die Dorfgemeinschaft vor allem über das »gemeinschaftliche Arbeiten«.37 Gemeinschaft in diesem Sinne stelle sich nicht über eine gemeinsame geteilte lokale Kultur und auch nur bedingt über räumliche Nähe her, sondern besonders aus der Notwendigkeit, zusammenarbeiten zu müssen, um bestimmte Entwicklungsziele zu erreichen. Dies bedeute zugleich, dass eine Verweigerung der Zusammenarbeit Entwicklung verhinderte. So, wie also jeder Dorfbewohner seine Rolle in der Dorfgemeinschaft eingenommen hatte, um die Entwicklung des Dorfes zu ermöglichen, sollten in Zukunft auch im Rahmen des Systems Zentrale Orte die einzelnen Gemeinden die ihnen zugedachten Aufgaben innerhalb der »funktionellen Arbeitsteilung der Gemeinden«38 übernehmen. Die Aufgabe der Planung in diesem Zusammenhang bestand nach Ertls Ansicht darin, sinnvolle Entwicklungsziele festzulegen, um eine effiziente Arbeitsaufteilung und Verteilung der vorhandene begrenzten Mittel zu gewährleisten, »um nicht Entwicklungsmöglichkeiten zu verbauen oder fehlzuinvestieren«. Nur innerhalb dieses Planungsvorgangs sei es auch möglich, überhaupt Entscheidungen über Richtung und Art der Entwicklung zu fällen, denn war der Entwicklungsvorgang einmal in Gang gesetzt, ließe er sich nicht mehr stoppen. Daher war für ihn auch klar: »Planen heißt ja nicht reglementieren, sondern es bedeutet, die Freiheit gewinnen, sich zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden zu können.« Die Flächennutzungs- und Grünordnungspläne, auf deren Einführung der Wettbewerb so viel Wert legte, waren daher seiner Ansicht nach für die Gemeinden eine Chance, um Entwicklung zu gestalten und nicht einfach nur passive Opfer eines ungeordnet verlaufenden Strukturwandels zu sein. Ertls Rede bei der Preisverleihung 1969 stand unter dem Diktat der Entwicklung. Es ging nun nicht mehr darum, Entwicklung in den Dörfern überhaupt erst möglich zu machen, sondern sie in die richtigen Bahnen zu lenken. Der beschränkende Faktor waren hierbei die finanziellen Mittel, sodass es Ertls Ansicht nach unmöglich war, jeder Gemeinde die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Es musste also darum gehen, Entwicklung so zu steuern, dass für alle Beteiligten ein gutes Ergebnis und im Sinne der »Funktionsgesellschaft« auch ein effektives Ergebnis zu erreichen war. Der Wettbewerb erwies sich für die Politik im doppelten Sinnen als nützlich: Er erlaubte erstens den umfassenden Zugriff auf den heterogenen ländlichen Raum und zweitens die Steuerung ganz unterschiedlicher Entwicklungsvorgänge in einem multi­

37 Bulletin des Presse und Informationsamtes der Bundesregierung, 25.11.1969, Nr. 142, 1214. 38 Ebd., 1213. Auch die folgenden Zitate hier. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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polaren Raum. Für die Gemeinden und ihre Einwohner bedeutete dies allerdings auch, sich dem Diktat der Planung beugen zu müssen, wenn sie gewähr­ leisten wollten, dass sie wie bisher an der Entwicklung partizipierten. Damit aber drohte den Gemeinden, die weiterhin auf einer eigenständigen Entwicklung beharrten und damit eventuell die Entwicklung anderer Gemeinden gefährdeten, der Ausschluss aus der »Entwicklungsgemeinschaft« und damit der Ausschluss von weiterer Entwicklung überhaupt. Es oblag einem Vertreter der Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege, nach Ertls Rede noch einmal die Gegenposition zu verdeutlichen. Dass nicht Gerhard Olschowy dies tat, sondern Walter Mrass, der die Schriftleitung für die von der Bundesanstalt herausgegebene Zeitschrift Natur und Landschaft innehatte, zeigt allerdings, wie wenig man anscheinend bereit war, sich in diesem Punkt zu weit aus dem Fenster zu lehnen.39 Mrass sah die Betonung von Planung kritisch: »Der Wettbewerb hat inzwischen ein N ­ iveau erreicht, durch das er in Gefahr geraten kann, sich überwiegend zu einem Planungswettbewerb zu entwickeln.«40 Auch die große Bedeutung, die der überörtlichen Zusammenarbeit beigemessen wurde, sah Mrass nicht nur positiv. Das Verständnis für Kooperation zu fördern, sei gerade angesichts der Verwaltungsreformen, das heißt Gemeindezusammenlegungen, nicht mehr nur von zentraler Bedeutung, sondern es sei ebenso wichtig, »vermehrt den Sinn für Eigenständigkeit [zu] stärken«, schrieb er.41 Mrass befürchtete auf Grund des Verlusts der kommunalen Selbstverwaltung, welche die Gebietsreform für viele Gemeinden bedeutete, und angesichts der Einschränkungen, welche die ab­ strakten Planungen der Verwaltung dem konkreten bürgerschaftlichen Engagement auferlegten, einen Verlust gerade jenen Engagements, das der Wettbewerb ja so dringend befördern wollte. Daher forderte er: »Vielmehr sollte geprüft werden, wo und wie die Verwaltung ein wenig zurücktreten kann, damit das gewünschte Engagement entsteht«.42 Diese Forderungen nach einer stärkeren Berücksichtigung kommunaler Interessen und des Gestaltungswillens und der Gestaltungsfähigkeit einzelner Bürger fand allerdings bei den Verantwortlichen des Wettbewerbs wenig Nachhall. Selbst die DGG, deren Vertreter wie Hans Ulrich Schmidt und Lennart

39 Walter Mrass machte im Übrigen im weiteren Verlauf durchaus Karriere in der Bundesanstalt und wurde 1984 für neun Jahre Direktor der mittlerweile in »Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie« umbenannten Institution. 40 Walter Mrass, Zum Bundeswettbewerb 1969 »Unser Dorf soll schöner werden«, in: der landkreis, Nr. 1, Januar 1970, 22–23. Dass der Aufsatz in einem Organ der kommunalen Spitzenverbände erschien, war angesichts der Tatsache, dass die Forderungen Ertls vor allem in deren Verwaltungshoheit eingriffen, wenig erstaunlich. 41 Ebd., 22. 42 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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­ ernadotte bisher stark für eine Berücksichtigung lokaler Interessen plädiert B hatten, waren auf den Kurs des Landwirtschaftsministeriums eingeschwenkt. Am deutlichsten wird dies in zwei Briefen, die Lennart Bernadotte an den hessischen Landwirtschaftsminister Tassilo Tröscher von der SPD und Otto Meyer, den Landwirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz (CDU), schrieb. In jenen zwei fast gleichlautenden Briefen brachte Bernadotte seine Beunruhigung zum Ausdruck, dass in den beiden Bundesländern keine beziehungsweise nur eine Goldmedaille an die Dörfer verliehen worden sei.43 In beiden Schreiben, die als »vertraulich« gekennzeichnet wurden, ein im Umfeld des Dorfwett­ bewerbs durchaus ungewöhnlicher Vorgang, betonte Bernadotte weiter, er habe in langen Gesprächen mit der Bundesjury nach den Ursachen für diesen Missstand gesucht. Als Ergebnis dieser Gespräche sei man darin übereingekommen, dass das Hauptproblem in der Organisation des Wettbewerbs in Hessen und Rheinland-Pfalz durch den Landjugendberatungsdienst liege. Diesem aber fehlten die politischen Kompetenzen, um den Wettbewerb erfolgreich durch­ zuführen. Bernadottes Vorwurf lautete, dass der Landjugendberatungsdienst sich vor allem auf die lokale Umsetzung des Wettbewerbs konzentriere, »die Koordinierung mit den anderen Ressortministerien« jedoch vernachlässige und so nicht in der Lage sei, die Aufgaben des Wettbewerbs »in einer größeren Dimension zu erkennen«.44 Daher werde der Wettbewerb in den beiden Bundes­ländern nicht ausreichend erfolgreich als Instrument »zur Neuordnung der ländlichen Welt« eingesetzt.45 Agrarminister Tröscher zeigte sich wenig angetan von der Kritik ­Bernadottes. Er machte in einem Antwortbrief zwar deutlich, er teile »die Sorge um die Weiterführung des Wettbewerbs ›Unser Dorf soll schöner werden‹«, ließ sich allerdings auf keine Diskussion über die Verantwortlichkeit des Landjugend­ beratungsdiensts ein.46 Vielmehr machte Tröscher deutlich, dass er die Probleme anders verortete: Seiner Meinung nach war die Zukunft des Wettbewerbs nicht so sehr durch den Einsatz des Landjugendberatungsdiensts infrage gestellt, sondern durch die »offenbar ›innere‹ Veränderung der Bewertungsmaßstäbe«.47 Er schrieb weiter: »Wenn in Zukunft solche Gemeinden bevorzugt ausgezeichnet werden sollen, die genau planerisch festgelegte in mehrjährigen Abstufungen laufende Pläne verwirklichen sollen, dann ist das, was diesen Wettbewerb zu einer Aufgabe der gesamten Bevölkerung gemacht hat, in einer solchen Zielsetzung nicht mehr enthalten.«48 Tröscher befürchtete, der Wettbewerb würde 43 Archiv der DGG, Ordner Dorfwettbewerb 1969, Brief an Tröscher vom 26.09.1969 und Brief an Meyer vom 26.09.1969. 44 Ebd. 45 Ebd. 46 Ebd. 47 Ebd. 48 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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sich weg von einem Instrument der Integration und Beteiligung der ländlichen Bevölkerung hin zu einem Werkzeug der Planungsimplementierung und der Überwachung von »Fünf-Jahres-Plänen« entwickeln, die vor allem nicht von ihm selbst sondern von den Verantwortlichen des Bundeswettbewerbs gemacht würden. In eine ähnliche Richtung ging auch die Antwort des rheinland-pfäl­zischen Ministers Otto Meyer, der in seinem Schreiben betonte, dass die Verantwortlichkeit des Landjugendberatungsdienstes der »Koordinierung mit anderen Stellen, die für die Entwicklung des ländlichen Raums verantwortlich sind«, nicht im Wege stehen würde.49 Aber auch er betonte: »Allerdings meine ich, und Sie werden mit mir darin übereinstimmen, darf im Wettbewerb die Planung im öffentlichen Bereich  – so wichtig sie auch ist  – nicht überbewertet werden. Nach wie vor gilt es in erster Linie durch den Wettbewerb die Initiative und die Aktivitäten der Bürger für die Entwicklung ihrer ländlichen Gemeinden zu wecken und zu erhalten.«50 Der Konflikt zwischen Befürwortern einer stärkeren Planung und den Befürwortern bürgerschaftlichen Engagements war damit klar abgesteckt, eine Lösung war allerdings zunächst nicht in Sicht. So wenig die DGG den Ländern vorschreiben konnte, wie sie den Wett­ bewerb zu gestalten hatten, so wenig Wirkung zeigten die Einwände der beiden Landesminister auf Bundesebene und damit auch auf den Wettbewerb ­Unser Dorf soll schöner werden. Hingegen erhielt das Landwirtschaftsministerium, das unter Ertl die Modernisierung des ländlichen Raumes forcierte, einen zu­ sehends stärkeren Zugriff auf den Wettbewerb, während Hans Ulrich Schmidt, der stets auf die Einbeziehung der Bürger in den Neuordnungsprozess gepocht hatte, nach dem Wettbewerb 1969 vom Ministerialdirektor Kurt Petrich als Vorsitzender der Bundesbewertungskommission abgelöst wurde. Petrich, der seine Karriere beim AID begonnen und seine Ausbildung teilweise in den USA absolviert hatte51, war ab 1970 Leiter der Abteilung für Agrarpolitik im Bundeslandwirtschaftsministerium; 1973 wurde er zum Leiter der Abteilung für die Entwicklung des ländlichen Raumes, Umwelt und Naturschutz und 1974 Chef der Abteilung für Ernährungspolitik.52 Die Entsendung eines so hoch­ rangigen Beamten als Präsident der Bundesbewertungskommission zeigt deutlich die große Bedeutung, die man dem Wettbewerb durch das Bundeslandwirt-

49 Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1969, Brief von Meyer an Bernadotte 17. Oktober 1969. 50 Ebd. 51 Helmut Röhm, Amerikanische Landwirtschaft: Erlebnisse und Erfahrungen deutscher Landwirtschaftsexperten mit Farmern, Professoren und Beratern in den USA. Hiltrup bei Münster 1951, 167. 52 Dienstnachrichten des BML (42/78) im Bundesarchiv. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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schaftsministeriums einräumte.53 In einem Gespräch, das Horst Hammler und Kurt Petrich im Vorfeld der Amtsübernahme durch Petrich führten, waren sich die beiden in der Bewertung der Lage in Hessen und Rheinland-Pfalz einig und sprachen sich für eine stärkere Rolle der Planung aus.54 Des Weiteren schlug Hammler vor, das Bundeslandwirtschaftsministerium sollte bei seinen Überlegungen »um eine planvolle Gestaltung des ländlichen Raumes« in Zukunft verstärkt auf der Basis von »in dieser Richtung bereits erfolgreichen Siegergemeinden« hinarbeiten sollte.55 Vonseiten der DGG war man nun anscheinend bereit, den Wettbewerb noch deutlicher in den Dienst einer zentral gesteuerten Neuordnung des ländlichen Raumes zu stellen. Im Gegenzug wurde der Wettbewerb vom Bundeslandwirtschaftsministerium aufgewertet und seine besondere Bedeutung für dieses Projekt auch auf personeller Ebene anerkannt. Zwar waren durchaus nicht alle Beteiligten am Dorfwettbewerb über die nochmals verstärkte Betonung von Planung, übergemeindlicher Zusammenarbeit und des damit einhergehenden Bedeutungsverlusts bürgerschaftlichen Engagements glücklich. Doch der teilweise sehr vorsichtig formulierte Widerstand, der dem Bundeslandwirtschaftsministerium und der DGG durch die Länder, kommunalen Spitzenverbände und Bundesanstalt für Vegetationskunde entgegenschlug, zerschellte scheinbar an der engen Allianz, die sich zwischen dem Bundeslandwirtschaftsministerium unter Ertl und der DGG herausbildete und die in den Folgejahren gemeinsam die Ausdifferenzierung des ländlichen Raumes von oben vorantreiben wollten.

4.2 Das Ende der Planungseuphorie Die gestiegene Bedeutung, die das Bundeslandwirtschaftsministerium dem Dorfwettbewerb zuschrieb, zeigte sich auch darin, dass ab 1971 die Siegerehrung nicht mehr in der Beethovenhalle in Bonn stattfand, sondern im Rahmen der »Grünen Woche« in Berlin. Durch die Verbindung dieser bekannten und in der Presse stets mit ausführlicher Berichterstattung gewürdigten ehemaligen Agrarmesse, die sich schon früh zur Verbrauchermesse gewandelt hatte, sollte der Siegerehrung noch mehr Öffentlichkeitswirksamkeit zuteilwerden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium war darauf bedacht, die Presseorgane 53 So sah man es auf jeden Fall bei der DGG, wo man sich freute: »Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat wegen der großen Bedeutung, die er dem Wettbewerb beimisst, für diesen Wettbewerb den Leiter Agrarpolitik seines Hauses, Ministerialdirektor Kurt Petrich bestimmt.« Archiv der DGG, Ordner Originalprotokolle Sitzungen 1–50, 1955–1977, 6.  54 BA, B 116, Akt. 10891, 03.10.1969. 55 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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im Vorfeld der Veranstaltung auf die Siegerehrung aufmerksam zu machen. So gab das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung am 20. Januar 1971 eine Presserklärung heraus, in der die Verleihung der Siegerplaketten am 3. Februar angekündigt wurde.

4.2.1 Ziel erreicht? Die Pressemittelung des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, worin die Siegerehrung angekündigt wurde, begann mit dem bezeichnenden Satz: »Das deutsche Dorf lebt.«56 In emphatischem Ton wurde die Wieder­ auferstehung des ein knappes Jahrzehnt zuvor für tot erklärten Dorfes gefeiert. Die Pressemitteilung erweckte den Eindruck, als sei der Kampf um die Neuordnung des ländlichen Raumes gewonnen worden; der »Marsch durch die Strukturen«57 habe nun endlich zu einem Ziel geführt. Die Rolle des Dorfwettbewerbs konnte nicht genug hervorgehoben werden. Unser Dorf soll schöner werden sei »längst zu einem Zauberschlüssel für private und bürgerschaftliche Eigenleistung auf dem Lande geworden«, die wiederum der wichtigste Schlüssel für den Erfolg bei der Neuordnung des ländlichen Raumes sei. So habe der Dorfwettbewerb das Tor geöffnet, das den Weg für die Neuordnung des ländlichen Raumes freigemacht habe. Damit räumte man auch dem bürgerschaftlichen Engagement Bedeutung ein, ohne darin einen Widerspruch zur Forcierung planerischen Engagements zu erkennen. Insgesamt komme dem Wettbewerb »eine bedeutende gesellschaftspolitische und volkswirtschaftliche Funktion« zu. Besonders betont wurde in der Pressemitteilung, dass die Leistungen, die durch die Selbsthilfe erbracht wurden, »den Staat und somit den Steuerzahler kaum etwas kosten«. Auch die Bedeutung der Landschaftspflege erklärte man nun in Begrifflichkeiten, die keine Missverständnisse mehr über die eigentliche Bedeutung dieses Aspekts des Dorfwettbewerbs aufkommen ließen: Der Beitrag zum Schutz der Landschaft, den die Gemeinden im Rahmen des Wettbewerbs erbrachten, wurde als ein Beitrag »zum Schutz unserer Umwelt« gesehen. So sei es mithilfe des Wettbewerbs gelungen, Dörfer dazu zu bewegen, »Beispielhaftes auf dem Gebiet der Planung und des Umweltschutzes [zu] leisten.«58 Damit sprach auch die Bundesregierung, welche die Presserklärung letztlich verantwortete, dem Wettbewerb eine zentrale Bedeutung für die Wieder­ belebung des ländlichen Raumes zu. Dies war unter anderem deshalb möglich, als der Wettbewerb die zentralen Aspekte des Neuordnungsprozesses, die sich 56 Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts- und Finanzpolitik, Nr. 14/1972, 20.01.1972, 2–4. 57 Ebd., 2. 58 Ebd., 3. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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in den Begriffen Planung und Umweltschutz nun so weit konkretisiert hatten, dass sie klar benennbar waren, in das Zentrum seiner Arbeit gerückt hatte. Am Ende der Pressemitteilung über die großen Erfolge des Wettbewerbs findet sich allerdings noch der kleine, im Gesamtkontext der Erklärung wie angeklebt wirkende Satz: »Die Höchstpunktzahl von 100 hat freilich kein Dorf erreicht.«59 Damit wurde das Idealziel, die höchste Entwicklungsstufe, wieder ein Stückchen in die Ferne gerückt, indem deutlich gemacht wurde, der absolute Endpunkt sei eben doch noch nicht erreicht sei. Dieses Defizit machte auch Josef Ertl auf seiner Ansprache während der Sieger­ehrung auf der Grünen Woche in Berlin deutlich. Vor allem zwei Entwicklungen galt es seiner Meinung nach weiter voranzutreiben: Zum einen sollen »Rationalisierung und Konzentrat«, wie er es nannte, weiter entwickelt werden.60 Diese Forderung ergab sich für ihn notwendigerweise aus der sozialen Verfassung als »Industriegesellschaft«. Zum anderen sollte »die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse weiter vorangetrieben werden«. Damit übernahm Ertl eine Zielsetzung, die von Raumplanern seit den 20er-Jahren entwickelt worden war.61 Ertl verstand es allerdings geschickt, diese alte Forderung mit den Zielen einer liberalen Politik zu verbinden. Der Appell nach »Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen« war seiner Meinung nach deshalb berechtigt, weil die Massenmedien eine »Transparenz der Lebensformen« geschaffen hätten, die auch bei den Bewohnern des ländlichen Raumes einen »Drang nach Chancengleichheit« entstehen ließen, den er als »liberaler Politiker« mit großer Sympathie betrachte. Dass es durch diese Zielsetzungen zu einer immer größeren Annäherung von ländlichen und urbanen Räumen kommen und »eine deut­ liche Abgrenzung des ländlichen Raums […] damit immer schwerer«62 werden würde, nahm Ertl als eine unausweichliche Folge unumgänglicher Entwick­ lungen hin. Die Notwendigkeit einer Angleichung der »Lebensformen« gewann somit gerade als Folge der Rationalisierung und Konzentration zum Zweck der fortschreitenden funktionalen Integration an Dringlichkeit. Dafür gab es mehrere Gründe. Solange das Leben auf dem Lande als bäuerliche Volkskultur konzep­ tioniert und eng mit der Vorstellung von einer fundamentalen kulturellen Differenz zwischen Stadt und Land verknüpft war, konnten unterschiedliche Lebensformen als Ausdruck genau jener kulturell begründeten Differenz betrachtet werden. Unter der Annahme einer immer weiter vorangehenden Auf­ lösung der kulturellen und lokalen Unterschiede zwischen Stadt und Land war ein weiterbestehender Unterschied beider Lebensformen nun vor allem als so 59 Ebd.  60 Archiv der DGG, Ordner Unser Dorf soll schöner werden 1971, 03.02.1971. 61 Leendertz, Der Gedanke, 210–225. 62 Archiv der DGG, Ordner Unser Dorf soll schöner werden 1971, 03.02.1971. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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ziale Differenz sichtbar. Zudem war die Angleichung der Lebensbedingungen implizit ein wesentlicher Teil des Versprechens gewesen, mit dem die Bewohner der Dörfer dazu bewegt worden waren, die Modernisierung des ländlichen Raumes mitzutragen und ganz wesentlich selbst voranzutreiben. Nachdem sie dabei  – wie es auch die Bundesregierung in ihrer Presserklärung öffentlich mitteilte – große Fortschritte gemacht hatten, war es nur konsequent, die versprochene Be­lohnung nun auch einzulösen. Bei diesen Erwägungen waren die wirtschaftlichen Benachteiligungen der Bewohner des ländlichen Raumes eine essenzielle Komponente. Noch wichtiger aber war, dass den Landbewohnern bestimmte, medial vermittelte Lebensstile (»Lebensformen«, wie Ertl es nannte) nicht zur Verfügung standen. Dies machte eine Entwicklung des ländlichen Raumes umso dringender notwendig, denn nur in »entwickelten Räumen« war es nach Ertl möglich, das medial vermittelte Leben im Alltag nachzuleben – nur sie boten die dazu notwendigen Verdienst-, Freizeit- und Wohnmöglichkeiten. Daher waren »entwickelte Räume«, in denen ein »Nebeneinander [Unterstreichung i. O.] verschiedener Betriebsund Organisationsformen«63 in harmonischer Ordnung möglich war, weiterhin die conditio sine qua non für eine Weiterentwicklung des ländlichen Raumes. Die galt laut Ertl in Bereichen, »in denen die Differenzen besonders gravierend sind«64, vor allem also das städtische Umland und ländliche Problemgebiete mit besonders mangelhaft ausgebauter Infrastruktur. Dabei weitete Ertl das Konzept der Harmonisierung über den Bereich einer funktionalen Harmonisierung von Räumen, wie sie etwa Hans Ulrich Schmidt gefordert hatte, auf den Bereich der Harmonisierung von Lebensstilen aus. In seiner Rede verdeutliche Ertl den Bewohnern der Golddörfer, dass sie also mitnichten bereits das Ziel des Wettbewerbs erreicht hätten und noch ein weiter Weg vor ihnen liege. Dieser allerdings würde wie bisher auch zu stetigen Verbesserungen führen und zu mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Kronzeugen dafür, dass diese Vision Wirklichkeit werden könne, waren die Sieger­gemeinden des Dorfwettbewerbs und deren »Pionierarbeit«.65 Sie hatten gezeigt, dass das Versprechen einer besseren Zukunft für den ländlichen Raum kein leeres Versprechen war, sondern dass das Ziel tatsächlich erreicht werden konnte.

63 Ebd. 64 Ebd. 65 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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4.2.2 1971: Golddörfer als Leuchttürme Um den Appell an die Dörfer noch deutlicher zu formulieren, war es in diesem Jahr die Aufgabe der Bundesbewertungskommission, Golddörfer als »Leucht­ türme«66 für eine zukünftige Entwicklung ausfindig zu machen. Dabei war man bei der Zusammensetzung der Kommission für den Wett­bewerb 1971 schließlich doch den Kritikern aus der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal entgegengekommen, sodass erstmals ein Abgesandter der Arbeitsgemeinschaft in der Kommission vertreten war. Ansonsten hatte sich bei der Zusammensetzung der Bundesbewertungskommission nicht viel geändert: Nach wie vor gehörten Gerhard Olschowy und Horst Hammler zu ihren Mitgliedern. Auch die kommunalen Spitzenverbände, die Agrarsoziale Gesellschaft  und der Deutsche Landfrauenverband hatten wieder Delegierte in die Kommission entsandt, zum großen Teil dieselben wie zwei Jahre zuvor. Neu hinzugekommen war Axel ­Staehly vom Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften. Die neue Stärke des Landwirtschaftsministeriums zeigte sich ebenfalls, denn mit Rainer Piest stellte das Landwirtschaftsministerium neben dem Vorsitzenden selbst erstmals ein zweites Mitglied in der Bundes­bewertungskommission. Die Juroren lobten in ihrem Abschlussbericht 1971 erneut die anhaltende Begeisterung der Bürger für die Erneuerung ihrer Gemeinden und stellten das Durchhaltevermögen der Siegergemeinden als gutes Beispiel heraus. So hieß es etwa über die Bewohner der bayerischen Gemeinde Gundelsheim im Landkreis Weißenburg, sie seien »von einem außerordentlichen Opfer- und Lebens­w illen« und »von aufgeschlossenem, fortschrittlichen Geist« geprägt.67 Dies waren die Eigenschaften, welche die Bundesbewertungskommission von Siegerdörfern erwartete und die den anderen Dörfern zum Vorbild gereichen sollten, damit auch ihnen die Errungenschaften des Fortschritts zuteil würden. Verdient im wahrsten Sinne des Wortes hatte sich das Golddorf Gundelsheim die Anerkennung auch dadurch, dass es von 2,5 Millionen Mark, die in die Sanierung des Dorfes geflossen waren, 2,2 Millionen selbst aufgebracht hatte. Dies war dem Dorf mit lediglich 156 Einwohnern durch den Einsatz von Nachbarschaftshilfe gelungen, ohne Schulden aufnehmen zu müssen. Die Gundelsheimer hatten damit genau jene Mischung aus Zukunftszuversicht, gemeinschaftlicher Zusammenarbeit und Engagement an den Tag gelegt, die der Dorfwettbewerb bei den Gemeinden zu wecken hoffte, und damit gezeigt, auch die Überlebens­ fähigkeit von Kleinstgemeinden gezeigt. Bei diesem Erfolg war auch wesentlich, dass das Dorf stets »in lobenswerter Zusammenarbeit aller zuständigen Behör 66 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Abschlußbericht Sechster Bundeswett­ bewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, 14. 67 Ebd., 20. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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den geplant« hatte.68 Nicht von Nachteil war es sicherlich, dass Gundelsheim über eine »dominierende Dorfkirche mit altem aus dem 13. Jahrhundert stammenden Kirchturm und dem sie umgebenden Friedhof und schönem jungem und altem Baumbestand«69 verfügte und so dem Idealbild eines kleinen länd­ lichen Dorfes entsprach. In diesem Wettbewerbsjahr standen bei den Bewertungen der Kommission bisweilen auch noch die alten Kriterien, wie sie zu Beginn des Wettbewerbs entwickelt worden waren, im Vordergrund. So wurde etwa in der Gemeinde Buch im Südschwarzwald gelobt, dass der Ort dank des »reichen Obst- und Nussbaumbestandes« und des »hohen Grünlandanteils und der angrenzenden Waldungen gut in die Landschaft eingegliedert« sei.70 Auch den Blumenschmuck und die Bauerngärten, die nun allerdings in gänzlich funktionalistischer Sprache »Wirtschaftsgärten« genannt wurden, lobte die Bundesbewertungskommission in Buch ausdrücklich. In der westfälischen Gemeinde Stockum südlich von Münster kam sogar noch der typisch niedersächsische Eichenhain zu Ehren. So war zumindest im Bereich der Dorfbegrünung die kulturelle Grenzziehung wichtiger als die politische. Auch sonst bot die Gemeinde einige klassische Merkmale  – in der Bewertung hieß es: »Die Gemeinde hat einen Grüngürtel, der das Dorf umgibt. Die im Dorf vorhandenen Wallhecken sind planmäßig erhalten und gepflegt, im Außenbereich weisen Neupflanzungen von Hecken und Vogelschutz- und Bienengehölzen darauf hin, daß man bewusst die Eingrünung weiterführt. Sie reicht bis zur ›Eika‹, einem Eichenhain, der als Mittelpunkt für die Bewohner gilt, aber auch für Volksfeste den geeigneten Platz und Rahmen gibt.«71 Die vor zehn Jahren entwickelten Kriterien waren bei der Bewertung von Stockum nach wie vor präsent, ihre Erfüllung allein hätte aber nicht für die Goldplakette gereicht. Diese hatte die Gemeinde nur erreicht, weil sie »hervorragende planerische Maßnahmen« eingesetzt hatte, um ihre Weiterentwicklung zu betreiben und einen Flächennutzungs- und einen Grünordnungsplan aufgestellt hatte.72 Neben zukunftsgewissem Engagement zeichnete das neue Dorf immer noch durch eine typisch ländliche Ästhetik aus, deren Bedeutung sich aus ihrer Funktion für die Gemeinschaftsbildung und den Naturschutz ergab. Im besten Falle wurden diese Leistungen durch eine hervorragende dörfliche Versorgungsinfrastruktur ergänzt. In Wallmerod im Westerwald wurde dies von der Bewertungskommission besonders gelobt: »Zentrale Wasserversorgung und Vollkanalisation sind bereits lange vor­handen, ein Gruppenklärwerk mit fünf weiteren Gemeinden befindet sich in Planung; für 68 Ebd. 69 Ebd. 70 Ebd., 15. 71 Ebd., 36. 72 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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staubfreie Müllabfuhr ist gesorgt. Der gut geleitete Kindergarten soll zur Mittelpunkteinrichtung auch für Nachbargemeinden werden. Neben dem Sportplatz ist eine neue Turnhalle im Bau, die mit angegliederten Mehrzweckräumen gleichzeitig die Funktion eines Dorfgemeinschaftshauses übernehmen soll. Die Erneuerung des Freibades ist geplant.«73 Zu all diesen hervorragenden Eigenschaften, die ein Golddorf 1971 besitzen musste, kam seit einiger Zeit eine weitere Herausforderung hinzu. ­Neben der Erbringung zahlreicher Leistungen mussten die Dörfer gleichzeitig ihre poli­ tische Selbstständigkeit aufgeben. Vor allem in Nordrhein-Westfalen, wo die Gemeindeneuordnung seit einigen Jahren rasch voranschritt und viele Eingemeindungen vorgenommen worden waren, legten die Preisrichter ihr Augenmerk verstärkt auf die Folgen des Verlusts der politischen Selbstständigkeit. Der allgemeine Tenor der Bundesbewertungskommission war, dass ihr Verlust grundsätzlich keine negativen Folgen für das Gemeinschaftsgefühl in den Dörfern gehabt habe – oder dies zumindest durch den Dorfwettbewerb kompensiert worden sei, wenn dieser den betroffenen Gemeinden nicht sogar die Möglichkeit gegeben habe, sich einen Teil ihrer Selbstständigkeit wieder zurück­ zuerobern. So erging es etwa nach Ansicht der Kommission dem 700-Einwohner-Dorf Marien­hagen, das in die Stadt Wiehl eingemeindet wurde. Hier hatten die Bemühungen der Marienhagener im Rahmen des Dorfwettbewerbs dazu geführt, dass sich der Bürgermeister von Wiehl dafür entschied, das sogenannte »­Wiehler Modell« zu entwickeln, wie es im Bericht der Bundesbewertungs­ kommission hieß. Dabei sollen bei der Bildung von Großgemeinden den Ortsvorstehern der Ortsteile gewisse gemeindliche Hoheitsrechte verbleiben, um so ein gewisses selbstständiges politisches Leben in den Teilgemeinden zu erhalten.74 In Wiehl habe sich gezeigt, dass so die Verbindung der Bürger zu ihrem Ortsteil gefestigt worden sei, was wiederum eine Motivation für Eigenleistungen bei der Dorfsanierung zur Folge gehabt habe. Im Wettbewerbsjahr 1971 sollten die Siegerdörfer über folgende Kennzeichen verfügen: Sie hatten eine engagierte, der Zukunft zugewandte Bevölkerung, die sich geschickt der Ästhetik des ländlichen Raumes bediente, damit das Dorf seinen Funktionen als Bestandteil des ländlichen Raumes erfüllen konnte. Dabei nutzte vor allem die dörfliche Elite das Mittel moderner Planung, um die In­ frastruktur auszubauen und überörtlich zusammenzuarbeiten. Dies alles führte im besten Fall dazu, negative Einflüsse durch den Verlust der Selbstverwaltung auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinden zu vermeiden. Die Belohnung für diese Siegerdörfer war eine Anhebung der Lebensqualität auf das Niveau der städtischen Bevölkerung und natürlich eine Plakette im Dorfwettbewerb.

73 Ebd., 45. 74 Ebd., 35. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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In ihrem Fazit setzte die Bundesbewertungskommission daher auch erstmals den Schwerpunkt auf »die Angleichung der Lebensbedingungen der Bevölkerung in Stadt und Land«.75 Wie es Bundesminister Ertl vorgegeben hatte, räumte man diesem Ziel höchste Priorität ein, begründete dies aber nicht mit einem durch mediale Vermittlung entstandenen Wunsch in der Bevölkerung, sondern mit dem sozialen Wandel in den Dörfern, da sich »die soziale Schichtung in ländlichen Gemeinden immer mehr der urbanen Gesellschaftsstruktur angleicht«. Dies wiederum bedingte in den Augen der Preisrichter »eine Anpassung der Wünsche der ländlichen Bevölkerung an zivilisa­torische Standards des städtischen Bereichs«.76 Dieses Ziel wurde nun zum wesentlichen Argument für weitere Neuordnungsbemühungen im ländlichen Raum: Es ging nicht mehr nur darum, die Funktionalität des ländlichen Raumes abzusichern, sondern die Anpassung der Lebensverhältnisse zu ermög­lichen. Das Problem hierbei war, dass noch einmal deutlich größere Investitionen notwendig wurden, als sie der bisherige Infrastrukturausbau erfordert hatte. Nicht zufällig tauchte das Wort »Fehlinvestition« als der am häufigsten gebrauchte Begriff in der Zusammenfassung der Kommission auf. Dieser Ausdruck, der von Ertl bei seiner Rede zur Preisverleihung 1969 eingeführt worden war, erfreute sich anscheinend immer größerer Beliebtheit. Man befürchtete Fehlinvestitionen in allen Bereichen – bei der allgemeinen Bautätigkeit auch bei der Infrastrukturausstattung77, im Bereich der Grünordnung und Landschaftspflege78 und beim Ausbau des Fremdenverkehrs.79 Das Problem der Fehlinvestition führte nicht nur dazu, dass das Geld knapp wurde, sondern sorgte auch dafür, dass der Planung zusehends eine neue pragmatische Bedeutung zukam. Sie war nun vor allem das Mittel, mit dem Investitionen zielgerichtet eingesetzt werden mussten, und nicht mehr das allein selig machende Vehikel auf dem Weg in eine paradiesische Zukunft. Dabei gewannen die Verantwortlichen einen weit pragmatischeren Zugang zur Planung, die nun nicht mehr lediglich Raumplanung im großen Stil mit dem Ziel der Errichtung einer neuen Gesellschaftsordnung, nämlich der »Funktionsgesellschaft«, beinhaltete, sondern die sich dem politischen Ziel der Entwicklung gleicher Lebensbedingungen in Stadt und Land zu fügen hatte. Auch die Überwindung fortschrittshemmender traditioneller Strukturen mithilfe ratio­naler Planung stand nicht mehr im Zentrum der Planungsbemühungen – diese waren nach allgemeiner Ansicht bereits längst durch den Strukturwandel auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet. Vielmehr brach nun geradezu ein 75 Ebd., 54. 76 Ebd. 77 Ebd., 58. 78 Ebd. 79 Ebd., 60. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Wettlauf zwischen Bund, Ländern und Kommunen aus, wer als Garant dafür angesehen wurde, dass das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen tatsächlich erreicht werden konnte. Dabei konkurrierten sowohl die Gemeinden untereinander als auch die Länder und der Bund, unter anderem auch im Bundeswettbewerb, aber besonders beim Infrastrukturausbau um Mittel, Einfluss auf Planung und Gestaltung sowie um ihre zukünftige Bedeutung in den von ihnen kontrollierten Räumen. Daher zielte die wie bereits in den letzten Jahren an zentraler Stelle vor­ gebrachte Kritik der Bundesbewertungskommission an unzureichender Planung nicht mehr so sehr allgemein auf die mangelnde Nutzung moderner Planungsmethoden in den Dörfern selbst ab, sondern auf die ungenügende Abstimmung zwischen den verschiedenen Parteien und deren Konkurrenzverhalten. So seien »ehrgeizige Vertretungen in kleineren Gemeinden häufig nicht einsichtig genug, um die Entwicklung ihrer Gemeinde unter den übergeordneten Gesichtspunkten der Entwicklung des größeren Raumes zu sehen«80, wurde im Abschlussbericht angemerkt. Der staatlichen Fachplanung von Bund und Ländern wurde vorgeworfen, sie würden zu wenig auf lokale Gegebenheiten eingehen und sei daher versucht, unrealistische und abgehobene Ziel­vorstellungen durchzusetzen. So würden »Fachplaner ihre Entscheidung vielfach isoliert« sehen und ließen sich »zu sehr von planerischen Wunschvorstellungen leiten«.81 Darunter leide die Abstimmung zwischen staatlicher Fachplanung und gemeindlichen Planungsträgern außerordentlich. Obwohl die Bundesbewertungskommission also auch die übergeordneten Planungsinstitutionen durchaus kritisierte, war die Lösung, die man – wenn auch nur verklausuliert  – vorschlug, letztlich darauf ausgerichtet, den übergeordneten Institutionen mehr Einfluss zukommen zu lassen, um durch eine zentralere Planung Konkurrenz und Abstimmungsprobleme zu vermeiden. Denn die Preisrichter machten zum Abschluss ihrer Bewertung der Planung sehr deutlich, »daß in der Regel die Gemeinden, häufig aber auch die Planungsstellen auf Kreis­ ebene, überfordert sind«.82 Dieses Defizit konnte eigentlich nur eine übergeordnete Planung durch Bund und Länder ausgleichen. Dass damit auch die wieder hervorgehobene Bedeutung einer lokalen Verankerung von Entwicklung und Planung weiter zurückgedrängt wurde, nahm man dabei offensichtlich in Kauf. Dies ist umso erstaunlicher, als die Preisrichter der Bundesbewertungskommission am Ende ihrer Abschlussbetrachtungen feststellten, die besondere Bedeutung des Wettbewerbs rühre nicht nur aus seiner Eigenschaft her, »eine sehr wirksame Initialzündung für die Neuordnung des ländlichen Raumes« darzu 80 Ebd., 56. 81 Ebd. 82 Ebd., 57. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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stellen. Mindestens ebenso bedeutend wie diese nun schon lange verankerte Zielsetzung des Wettbewerbs war auch, dass es gelungen sei, »die Bevölkerung der teilnehmenden Dörfer handelnd an der Entwicklung ihrer Gemeinwesens zu beteiligen« – ein Erfolg, der angesichts »der Gebiets- und Verwaltungsreform ganz besondere Bedeutung« hatte.83 Nach wie vor bestand dennoch weiter der Konflikt zwischen (kosten-)effizienter Planung und Entwicklung sowie einer Beteiligung der Gemeinden und ihrer Bürger an der Entwicklung des länd­ lichen Raumes, die notwendig war, damit die Planungen ohne größeren Widerstand umgesetzt werden konnten.

4.2.3 1973: Kritik und sozialliberale Neuausrichtung Der Konflikt um die Gewichtung dörflicher Eigenbeteiligung und dörflicher Planung, der bisher vor allem intern für Diskussionen gesorgt hatte, drohte nun allerdings verstärkt auch öffentlich auszubrechen. Bundeslandwirtschafts­ minister Ertl stand nach wie vor hinter dem Wettbewerb und gab daher auch für das Jahr 1973 wieder den Auftrag, ihn zu organisieren. Er sei von der Zweck­ mäßigkeit, »ja dringenden Notwendigkeit« des Wettbewerbs überzeugt, in dieser Haltung würden ihn außerdem seine Erfahrungen auf der Abschlussfeier während der Grünen Woche in Berlin bestätigen, schrieb er im Mai 1972 an Lennart Bernadotte.84 In seinem Antwortschreiben bedankte sich der Graf aufrichtig für den Brief, der ihm eine willkommene Unterstützung war. Bernadotte war erfreut über die Rückendeckung des Ministers, da der Wettbewerb mittlerweile in die mediale Kritik geraten war. Es hieß, der Dorfwettbewerb würde die Moder­ nisierung des ländlichen Raumes nicht effizient genug betreiben und »Aufwand und Erfolg« stünden in keinem Verhältnis.85 Bernadotte verteidigte Unser Dorf soll schöner werden vehement gegen die Kritik. Dabei betonte er, dass der Wettbewerb eben nicht nur der »strukturellen Weiterentwicklung« und Moderni­ sierung des ländlichen Raumes diene  – er bewirke mehr als einen mit den Händen greifbaren Strukturwandel etwa durch den Ausbau der Infrastruktur oder Veränderungen in der Agrarstruktur. Kritiker, die nicht darüber hinaus dachten, bezeichnete Bernadotte als »bornierte ›unpolitische‹ Mitmenschen, die nicht verstanden haben, daß alle Bemühungen der Bundesregierung und Ihres Hauses [des Bundeslandwirtschaftsministeriums] um eine menschen­ gerechte strukturelle Weiterentwicklung des ländlichen Raumes wenig Erfolg 83 Ebd., 62. 84 Archiv der DGG, Ordner Tätigkeitsberichte 1969–1991, Tätigkeitsbericht vom 01.09. 1971–31.08.1972, 8. 85 Ebd., 9. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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haben, wenn es nicht gelingt, die Bürger zum eigenen Mittun und Mitdenken zu veranlassen«.86 An dieser Stelle wird erneut die Bedeutung Bernadottes, der sich sonst oft im Hintergrund hielt und sein Handeln auf repräsentative Aufgaben beschränkte, für den Wettbewerb deutlich: Konsequenter als alle anderen Beteiligten, auch als die Beamten im Bundeslandwirtschaftsministerium oder die Bundes­bewertungskommission, verstand er den Wettbewerb als ein politisches Instrument, dessen Hauptaufgabe es war, in der Bevölkerung Zustimmung für die Neustrukturierung des ländlichen Raumes zu erzeugen. Diese Zustimmung begründete sich darauf, dass der Wettbewerb Gewinner bei dieser Neustrukturierung kürte und damit aufzeigte, dass das Dorf »neuer Ordnung« keine Schimäre war. Für Bernadotte war dieses Ziel nach wie vor erreichbar und brachte für alle Beteiligten Vorteile – schließlich war es das Versprechen des Wett­bewerbs, das eigene Dorf bei Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen schöner, bedeutsamer und wirtschaftlich erfolgreicher werden zu lassen. Nicht gänzlich unberechtigt hegte die ländliche Bevölkerung dennoch gegenteilige Befürchtungen angesichts der von Ertl vertretenen neuen Agrarpolitik und den damit verbundenen Umbrüchen. Die Tatsache, dass der Wettbewerb das Versprechen einer positiven zukünftigen Entwicklung glaubhaft vertreten konnte und diese den Bewohnern der Dörfer plausibel machte, war für ­Lennart ­Bernadotte die singuläre und durch keine andere Maßnahme zu ersetzende Leistung des Wettbewerbs. Unser Dorf soll schöner werden habe somit »weit­ reichende Entwicklungstendenzen zu einer gesellschaftspolitischen Neuorientierung in großartiger Weise ausgelöst«.87 In eben dieser Neuorientierung lag, so machte es Bernadotte noch einmal deutlich, die primäre Bedeutung des Wett­ bewerbs – und nicht im schönen Blumenschmuck und auch nicht in der Teerung der Dorfstraßen oder der Aussiedelung von Bauernhöfen. Bernadotte definierte die Bedeutung des Wettbewerbs als »staatspolitisch«88, womit er in dem Sinne Recht hatte, als der Bundeswettbewerb das Ziel verfolgte, Staatsbürger zu formen, welche die Entwicklungsziele des Staates teilten und bei deren Umsetzung mit den staatlichen Stellen zusammenarbeiteten. Dies allerdings nicht durch Zwang oder finanzielle Anreize, sondern aus der Überzeugung heraus, die staatlichen Institutionen würden den Bürgern dabei ein größtmög­ liches Maß an Mitbestimmung und Teilhabe einräumen. Das Landwirtschafts­ ministerium war daher aus Lennart Bernadottes Sicht gut beraten, sich am Wett­bewerb in verantwortlicher Position zu beteiligen, um so die eigenen Vorstellungen erfolgreich unter die Bürger bringen zu können. Aus diesem Grund bat er Ertl auch darum, Kurt Petrich wieder als Vorsitzenden der Bundesbewer 86 Ebd. 87 Ebd. 88 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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tungskommission zu entsenden, da dieser »nicht nur ein hervorragender Vorsitzender der Bundesprüfungskommission war, sondern auch eine Art Botschafter Ihres Hauses, der bei seinen vielen Ansprachen in den einzelnen Siegergemeinden mit großem Erfolg die weitgespannten Bemühungen Ihres Hauses einleuchtend der Presse und den Verantwortlichen darstellte«.89 Dem Wunsch Bernadottes wurde entsprochen und beim Bundeswett­bewerb 1973 war Kurt Petrich wieder Vorsitzender der Bundesprüfungskommission. Neben dieser Kontinuität in der Leitung der Bundesbewertungskommission ergaben sich einige gewichtige personelle Neuordnungen in der Jury. Nachdem sie schon im Jahr 1971 von acht auf elf Mitglieder vergrößert worden war, wurde im Jahr 1973 auf zwölf Personen aufgestockt; zudem waren einige Organisationen nicht mehr in der Bewertungskommission vertreten: Die Teilnahme der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal hatte sich offensichtlich mit der einmaligen Goodwill-Aktion im Jahr 1971 erledigt, denn sie durfte keinen Vertreter mehr entsenden. Und auch die Agrarsoziale Gesellschaft stellte keinen Preisrichter mehr. Auf die damit frei werdenden Positionen rückten neue Kommissionsmitglieder vor. So wurde der Frauenanteil in der Bundes­ bewertungskommission von eins auf zwei verdoppelt: Mit Hella Schaeffer, die sich als Jurorin mit Ruth Hanisch abwechselte, war neben der Vertreterin des Landfrauenverbands nun eine Abgesandte der Bundesvereinigung Deutscher Frauenverbände in die Bundesbewertungskommission eingezogen. Auch das Bundesbauministerium, das bisher nur Berater entsandt hatte, war mit Martin Krause ebenfalls in der Kommission vertreten. Außerdem entsandte das Institut für Städtebau, Siedlungswesen und Kulturtechnik der Universität Bonn Professor Herbert Strack in die Kommission.90 Vonseiten dieser neuaufgestellten Kommission und aus der Perspektive der Politik wurde die Auffassung Lennart Bernadottes zum Wettbewerb ganz wesentlich unterstützt. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, der FDP-Bundestagsabgeordnete Fritz Logemann, übernahm die Aufgabe, für den Abschlussbericht 1973 ein Schlusswort zu verfassen, in dem er die außerordentliche gesellschaftspolitische Aufgabe des Wettbewerbs betonte, die über strukturpolitische Maßnahmen hinausreiche. »Dieser Wettbewerb ist sicherlich eines der billigsten, aber auch der wirkungsvollsten Instrumente ländlicher Gesellschaftspolitik«91, stellte der Staatssekretär fest. Bezeichnend ist neben der Betonung der Wirtschaftlichkeit des Wettbewerbs besonders die Bedeutung die der Gesellschaftspolitik beigemessen wurde  – von Strukturpolitik ist in Fritz Logemanns Bericht keine Rede mehr. Diese 89 Ebd. 90 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Abschlußbericht Siebenter Bundeswettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, 2. 91 Ebd., 36. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Hervorhebung gesellschaftspolitischer Aspekte bezog sich nicht nur auf den Dorfwettbewerb. Vielmehr sei dies laut Logemann Ausdruck »unseres neuen Verständnisses von Agrarpolitik«, welche die FDP und das Bundeslandwirtschaftsministerium nicht mehr als »sektoral ausgerichteten Teil der Wirtschafts­ politik« verstehe. Das neue Schlagwort lautete jetzt: »Agrarpolitik ist schlechthin Gesellschaftspolitik.«92 Offensichtlich war man nun vonseiten des FDP-geführ­ ten Landwirtschaftsministeriums bereit, die Neuordnung des ländlichen Raumes nicht mehr nur unter der Prämisse der Raumordnung, die primär der Funktionslogik von Räumen verpflichtet war, zu betrachten, sondern sie, so wie es Ertl 1971 auf der Grünen Woche bereits angedeutet hatte, besonders als ein Problem sozialer und gesellschaftlicher Neuordnung zu begreifen. Das Hauptziel war hierbei, »eine Verbesserung der Lebensqualität für alle Menschen im ländlichen Raum«93 zu gewährleisten. Damit versprach man nicht mehr nur ein schöneres Dorf, sondern tatsächlich ein schöneres Leben für alle Bewohner des ländlichen Raumes. Im Zuge dieser Neudefinition der Agrarpolitik und damit auch der Ziel­ setzung des Dorfwettbewerbs trafen die Organisatoren auch endlich eine Entscheidung in dem Konflikt zwischen staatlicher Steuerung und bürgerschaft­ licher Beteiligung. Logemann machte deutlich, dass liberale Prinzipien in dieser Sache ausschlaggebend seien: »Es gehört zu den Selbstverständnissen einer liberalen Politik, daß der Staatsbürger auch in einer repräsentativen Demokratie soweit wie möglich im öffentlichen Bereich mitverantwortlich ist. Welche Ebene wäre hier geeigneter als die der Gemeinde.«94 So betrachtet waren die Eigenleistungen der Gemeindebürger und ihre Beteiligung an der Neuordnung ihrer Dörfer nicht nur ein Mittel zum Zweck, um etwa Kosten zu sparen oder um Widerstände angesichts der Umstrukturierungsmaßnahmen zu überwinden, sondern Ausdruck des idealtypischen Verhaltens mündiger und eigenverantwortlicher Staatsbürger, die nicht vom Staat erwarteten alle Probleme zu lösen, sondern die Dinge selbst in die Hand nahmen. So lobte er auch den Wettbewerb als ein Projekt, das im Einklang mit liberalen Grundwerten stehe: »Unsere freiheitlich-liberale Gesellschaftsordnung bietet einmalige Chancen der aktiven Freiheit der Aufforderung an die Bürger, Mitverantwortung für das öffentliche Wohl zu übernehmen. Hierzu hat auch der Wettbewerb ›Unser Dorf soll schöner werden‹ Wesentliches beigetragen.«95 Dass der kleine Koalitionspartner FDP und das von ihm geführte Landwirtschaftsministerium mit dieser Sicht der Dinge nicht allein standen, sondern auch die SPD dem Wettbewerb ihre volle politische Unterstützung zusicherte, 92 Ebd. 93 Ebd. 94 Ebd. 95 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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zeigte eine weitere Rede, die dem Abschlussbericht beigefügt war. Diese hatte der SPD-Innenpolitiker, Vizepräsident des Deutschen Bundestags und Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds Hermann Schmitt-Vockenhausen anlässlich der Jahrestagung der DGG am 14. September 1973 in Hamburg gehalten. Schmitt-Vockenhausen ging in seiner Analyse letztlich noch weiter als Logemann und sah den Wettbewerb als »Initiative von Bürgern für Bürger«.96 Für ihn stellte sich der Bundeswettbewerb nicht nur als ein Instrument dar, liberale Eigenverantwortung bei den Bürgern zu fördern, sondern gar als emanzipatorisches Mittel zur Beseitigung eines staatlich induzierten Untertanengeistes. »Mehr als ein Jahrzehnt Bundeswettbewerbe hat uns gezeigt, daß der Bürger seine anerzogene Passivität als Untertan in der staatlichen Gemeinschaft abgelegt hat«, betonte Schmitt-Vockenhausen. Der Bundeswett­ bewerb sei der größte »Multiplikator positiver Bürgerinitiativen«, den es überhaupt gebe, schwärmte der Abgeordnete weiter. Mit der Planungskritik war es Schmitt-Vockenhausen durchaus ernst: »Der verplante Bürger zeigt der allmächtig erscheinenden Technokratie und Bürokratie die Stirn«97, verkündete er. Zwar fühlte sich der promovierte Verwaltungsrechtler bemüßigt, nach diesen geradezu radikalen Worten das bürgerschaftliche Engagement, das sich im Rahmen des Dorfwettbewerbs zeige, als »positive Bürgerinitiativen« von »negativen Bürgerinitiativen« abzugrenzen, die sich in »Aktionen der Selbsthilfe außerhalb der Legalität« ausdrückten. An der grundsätzlichen Einschätzung, eine abwehrende Haltung gegenüber bürokratischer und technokratischer Planung als Ausdruck bürgerschaftlicher Emanzipation positiv zu bewerten, änderte dies jedoch nichts. Der Dorfwettbewerb bot dafür einen legalen Rahmen an und liefere somit »Anstöße zu weiteren Reformen«, die für die Entwicklung des ländlichen Raumes und der Bundesrepublik insgesamt nur positiv zu bewerten seien.98 Damit machte die SPD deutlich, dass sie den Bundeswett­bewerb als Bestandteil ihrer Reformpolitik betrachtete und ihm dabei eine wichtige Rolle einräumte. In den abschließenden Empfehlungen der Bundesbewertungskommission findet sich für das Jahr 1973 auch kein Verweis mehr auf Defizite in der Planung  – nicht ein einziges Mal fällt überhaupt das Wort Planung in der Stellungnahme. Stattdessen wurde die Notwendigkeit betont, angesichts der Gemeindereformen das Eigenleben der neuen Ortsteile zu erhalten und so die Identifikation der Bürger mit ihrem Umfeld zu bewahren. Gleichzeitig gelte es, weiterhin den Strukturwandel zu gestalten, der die »in Jahrhunderten gewachsene soziologische, bauliche und landschaftliche Struktur des Dorfes« massiv verändere. Die Aufgabe des Wettbewerbs bestehe dabei ganz wesentlich darin, 96 Ebd., 37. 97 Ebd. 98 Ebd., 39. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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»die Bürger in die Mitverantwortung einzubeziehen und ihnen bei der Durchführung der dafür erforderlichen Maßnahmen einen Raum zur Mitbestimmung zu sichern«.99 Zum dritten Mal also wurde der Wettbewerb neu ausgerichtet, um weiter dem zentralen Ziel der Neugestaltung des ländlichen Raumes untergeordnet zu sein: Unser Dorf soll schöner werden war 1961 mit dem Vorhaben initiiert worden, traditionelle Volkskultur zu bewahren und das darin verankerte lokale Wissen zu nutzen, um die Verwerfungen eines als Modernisierung wahrgenommenen Strukturwandels abzumildern. Recht schnell war man allerdings dazu übergegangen, die traditionelle Volkskultur als fortschritthemmende Überreste einer vergangenen Zeit zu betrachten und den Dorfwettbewerb als Mittel zur Durchsetzung einer Neuordnung des ländlichen Raumes auf dem Fun­ dament einer Funktionslogik zu nutzen, die sich rationaler Planungsmethoden bediente. Die Lösung bestand darin, die Modernisierung also nicht mehr zu problematisieren, sondern diese als zukunftssichernden Weg positiv anzunehmen. Während der 60er-Jahre hatte man zwar die Bedeutung bürgerschaft­ lichen Engagements betont, doch hatte sich dieses immer im Konflikt mit dem Ziel einer möglichst effektiven und damit zentralen Planung befunden und im Zweifelsfall immer hinter diesem Ziel zurückstehen müssen. Anfang der 70erJahre rückte die Beteiligung der Bürger an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes erneut in den Mittelpunkt. Dies hatte mehrere Gründe: Zum einen stellten sich nach zehn Jahren geplanter Neuordnung erste Erschöpfungserscheinungen ein, da man zwar stetig von der Bundesbewertungskommission honorierte Fortschritte erzielte, aber sich regelmäßig neuer und komplexerer Planungs­ bedarf ergab, ohne dass sich ein Ende abzeichnete. Zum anderen wurde mit der Betonung der Bürgerbeteiligung ein Versprechen eingelöst, das viele Bürger mit der sozialliberalen Bundesregierung verbanden. Vor allem aber sollte so ein Staatsbürger gefördert werden, dessen Mündigkeit zwingend notwendig war, um die gesellschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit auch auf dem Land die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen garantiert werden konnte. Wesentlich angeschoben wurde die Neuausrichtung des Wett­bewerbs diesmal nicht von den Organisatoren aus der DGG, sondern von der politischen Leitung des Bundeslandwirtschaftministeriums und von politischen Funktionsträgern aus SPD und FDP, die im Wettbewerb ein Mittel sahen, die gesellschaftliche Neuordnung der Bundesrepublik voranzutreiben. Auch wenn Graf Lennart Bernadottes Rolle in diesem Fall nicht zu unterschätzen ist (auch hier spielte er die Rolle des Moderators, der die verschiedensten Interessen ausglich), war es nicht mehr nur der Kreis »interessierter Männer«, die auf der Insel Mainau einsam bestimmten, wie es mit dem Wettbewerb weitergehen sollte.

99 Ebd., 34. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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4.3 Anpassung in den Dörfern Im Bereich der Konzeption und den damit verbundenen Paradigmen und Zielsetzungen erwiesen sich der Wettbewerb und die daran beteiligten Personen als äußerst wandlungs- und anpassungsfähig. Es stellt sich nun die Frage, ob dies in gleichem Maße für die am Wettbewerb teilnehmenden Dörfer galt, die sich schließlich nicht nur konzeptionell umorientieren, sondern sich mit der prak­ tischen Umsetzung der Wettbewerbsideen auseinandersetzen mussten. Wie auch im vorherigen Kapitel über die Dörfer stellt sich hier also wieder die Frage, inwieweit die konzeptionellen Neuausrichtungen, die der Dorfwettbewerb im Lauf der 60er- und frühen 70er-Jahre durchmachte, auf der lokalen Ebene an­ kamen und auf welche Weise die Dörfer eigene Wege beschritten.

4.3.1 Altenburschla wird eingemeindet Das Vorzeigedorf der ersten beiden Wettbewerbe, Altenburschla, hatte nach fast zehn Jahren wieder am Dorfwettbewerb teilgenommen. Für die Gemeinde, die einst von allen Siegerdörfern die größte überregionale Aufmerksamkeit erhalten hatte, reichte es im Dorfwettbewerb 1973 nur noch für eine Silbermedaille. Der Hauptgrund hierfür waren – soweit es die Beurteilung der Bundesbewertungskommission erläutert – zwei Fachwerkhäuser, die, sollten sie noch weiter ver­fallen oder an der Bausubstanz wesentliche Veränderungen erfahren, eine »Beeinträchtigung« des »geschlossenen Dorfbildes« verschulden würde. Kritisch sah man auch das Vorhaben, einen Campingplatz an der Werra anzulegen, da dieser zu Störungen in der Landschaft führen könne. So hatte sich Alten­ burschla teilweise zum Opfer seiner eigenen frühen Erfolge entwickelt, da jede Veränderung an dem prämierten Dorfbild erst einmal negativ auffallen musste. Die Bewertungskommission lobte zwar, »daß 1973 23 Häuser, und zwar meist Fachwerkhäuser, von den Eigentümern renoviert wurden«, sah aber anscheinend nicht genügend Gemeinschaftsgeist am Werke, da die Renovierung den einzelnen Eigentümern überlassen worden war, was kaum »über das Leistungsvermögen Einzelner hinausgehen« könne.100 Trotzdem wurde unter Verweis auf die extreme Grenzlage zur DDR, die das Gemeindegebiet von drei Seiten umschloss, die herausragende Leistung von Altenburschla unter schwierigsten Bedingungen gelobt. Verwiesen wurde in der Bewertung der Kommission auch auf das sicher einschneidendste Ereignis in der jüngsten Dorfgeschichte von Altenburschla, der 100 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Abschlußbericht Siebenter Bundeswettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, 16. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Eingliederung in die Stadt Wanfried im März 1972. Die Bewertungskommission betrachtete diesen Schritt als positiv, da er neue Möglichkeiten wie etwa den Entwurf eines regionalen Flächennutzungsplans oder die Erweiterung der Kläranlage ermöglichte.101 In der Gemeinde selbst war die Eingliederung nach der Aufmerksamkeit, der sich das Dorf in den vergangenen Jahren erfreut hatte, höchst umstritten. Noch im Dezember 1971 hatte der Gemeindevorstand von Altenburschla ein Schreiben des Hessischen Gemeindetages erhalten, das dem Dorf in Aussicht stellte, aufgrund seiner besonderen Stellung eine Ausnahmegenehmigung von der hessischen Landesregierung zu erhalten und so seine Selbstständigkeit zu behalten.102 Deshalb verschob man zunächst die Vertragsunterzeichnung mit der Stadt Wanfried über einen Zusammenschluss der Gemeinden. Am 25. März 1972 ließ sich allerdings auch für Altenburschla die Eingemeindung nicht mehr aufhalten. Bürgermeister Karl Montag, der mit dem Dorfwettbewerb große Erfolge gefeiert hatte, leitete an diesem Tag die letzte Sitzung der Gemeindevertreter der selbstständigen Gemeinde Altenburschla. »In bewegten Worten dankte er allen Mandatsträgern und Bürgerverordneten für ihre jahrelange ehrenamtliche Tätigkeit, während der sie sich voll und ganz für die Belange der Gemeinde eingesetzt haben«, steht im Protokollbuch der Gemeinde.103 Auch die Sonderrolle Altenburschlas schützte das Dorf also nicht vor der Eingemeindung. Die besondere Position, die der Ort unter den kleinen Dörfern der Bundesrepublik aufgrund seiner Grenzlage und seiner Erfolge beim Dorfwettbewerb hatte, manifestiert sich besonders deutlich im Gästebuch der Gemeinde. Hier verewigte sich beispielsweise am 29. Juli 1964 Bundespräsident Heinrich Lübke, der sich von Karl Montag durch das Dorf führen ließ, ebenso wie die Mit­glieder des Vereins der Ausländischen Presse in Deutschland, die das Dorf im April 1965 besuchten.104 Journalisten, unter anderem aus den USA, den Nieder­ landen, Syrien, Norwegen und Japan, besichtigten bei dieser Reise das kleine Dorf. Auch der Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger stattete dem Ort einen Monat vor der Wahl am 25.  August 1969 einen Besuch ab. Aus dem Eintrag von Erich Mende vom 25.  September 1971 lässt sich die Verbitterung ahnen, die der ehemalige FDP-Vorsitzende nach seinem kürzlich im Streit erfolgten Wechsel zur CDU wohl verspürte, auch wenn sich seine Worte vordergründig an Altenburschla richteten: »Ein Wiedersehen 1971  – es ist nicht leichter geworden! Dennoch niemals aufgeben, wenn es um Einheit, Recht und Frei 101 Ebd., 17. 102 Archiv Altenburschla, Protokollbuch der Gemeinde Altenburschla vom 15.04.1969 bis 10.12.1971. 103 Archiv Altenburschla, Protokollbuch der Gemeinde Altenburschla vom 15.04.1969 bis 25.03.1972. 104 Archiv Altenburschla, Gästebuch, ohne Seite, Datum falls vorhanden im Text. Auch die folgenden Zitate aus dem Gästebuch. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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heit geht!«, schrieb Mende ins Gästebuch. Aber nicht nur die Größen der bundesdeutschen Politik waren in den 60er- und frühen 70er-Jahren nach Alten­ burschla gekommen, auch diverse Ortsvereine der Volksparteien besuchten das schönste Dorf Deutschlands an der Zonengrenze. »Die Worte des ermordeten USA-Präsidenten John F. Kennedy: ›Fragt nicht, was der Staat für euch tut, fragt, was tut Ihr für den Staat‹ fanden in Altenburschla ihre Verwirklichung«, priesen die Mitglieder der Jungen Union Aachen Land und Jülich am 19. Juni 1965 die offenbar beeindruckende Selbsthilfeleistung des Ortes. Nur einen Tag später nahmen sich die Mitglieder des SPD-Stadtbezirks Kassel-Niederzwehren ein »Beispiel am wirklichen Gemeinschaftssinn« von Altenburschla. Der Kreis­ verband Moers der Sozialistischen Jugend Deutschland – Die Falken hinterließ am 3. April 1972 ein emphatisches Bekenntnis zu Willy Brandts Ostver­trägen im Gästebuch: »Wir haben uns selbst überzeugt, wie schwierig die Situation des Deutschen Volkes ist. Jedoch wir trotzen Beton und Stacheldraht. Unser Ja [Unterstreichung i. O.] zu den Ostverträgen bestreitet den ›Ewig Gestrigen‹, daß auch eine Verständigung nur die Unterordnung unter kommunistische Doktrinen bedeutet.« Den größten Anteil der Besucher aber machten Privatpersonen und Vereine aus, die in Altenburschla ihren Urlaub verbrachten oder einen Tagesausflug unternahmen, um sich ein Bild von der innerdeutschen Grenze zu machen oder aber auch nur die Landschaft des Werratals zu erleben. Eine weitere wichtige Gruppe von Besuchern waren Westberliner, die in Altenburschla aufgrund seiner günstigen Lage in der Nähe des Grenzübergangs Herleshausen/ Wartha Ferien- und Wochenendhäuser kauften. Sie erwarben alte Fachwerkhäuser oder bauten sich neue Häuser in einem Baugebiet, das für 50 Häuser ausgelegt war, was durchaus erstaunt, waren sie doch auch hier wieder auf drei Seiten von der DDR-Grenze umgeben.105 Insgesamt erlebte Altenburschla also einen beträchtlichen Aufschwung durch seine Teilnahme am Dorfwettbewerb. Allerdings ging zumindest die politische Aufmerksamkeit, die dem Dorf entgegengebracht wurde, in den 70er-Jahren stark zurück. Nach dem Eintrag von Erich Mende im Jahr 1971 findet sich beispielsweise keine Notiz eines bedeutenden Politikers mehr im Gästebuch, stattdessen dominieren Touristen. Dass die Gemeinde zumindest auf jeden Fall versuchen wollte, wieder an die alten Erfolge anzuschließen, zeigen die Bemühungen, die das Dorf für die Teilnahme am Wettbewerb 1973 auf sich nahm. Viel war es allerdings nicht, was Altenburschla in seiner Bewerbung für den Dorfwettbewerb 1973 an Neuem zu bieten hatte. Vor allem konzentrierte 105 Archiv Altenburschla, Ordner Chronik aus Altenburschlas alten Tagen von Wilhelm Pippart, ohne Datum, 8. Obwohl diese Angaben sich in einem Ordner finden, der Wilhelm Pippart, einem Heimathistoriker aus Wanfried, zugeordnet wird, steht unter den handschriftlichen Notizen, denen die Informationen über die Westberliner entnommen wurden: »Aufgeschrieben und Erinnerungen von Frau Christa Hosbach«. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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man sich in der Bewerbung darauf, die Erhaltung des für den Wettbewerb 1961 Geschaffenen zu betonen. »Neues ist schnell angelegt, kann aber eben so schnell verkommen«106, wurde vonseiten der Gemeinde im Bewerbungsschreiben erklärt. Der Erhalt dieser Neuerungen sei die schwierigste Aufgabe in den vergangenen 14 Jahren gewesen. Man betonte etwa, »trotz fehlender äußerer Motivation (Nichtteilnahme an Wettbewerben)« seien jährlich zwischen 2.500 und 3.000 freiwillige Arbeitsstunden in den Erhalt der öffentlichen Anlagen gesteckt und die schon früher von den Preisrichtern gelobten 23 Häuser renoviert worden. Auch für den Umweltschutz habe sich Altenburschla engagiert, wobei hier deutlich wurde, dass das Verständnis von Umweltschutz, welches in der Gemeinde gepflegt wurde, nur noch bedingt zeitgemäß war. Man verwies nämlich darauf, man habe eine Flurreinigung vorgenommen und »Ackerwagen voll Unrat abgefahren«.107 Ideen über ökologische Zusammenhänge oder spezifische Lebensräume von Pflanzen und Tieren spielten bei den Umweltschutz­ bemühungen der Altenburschlaer noch keine Rolle. Damit waren bereits alle neuen Anstrengungen aufgezählt, auf die das Dorf in seiner Bewerbung ver­ weisen konnte. Umso stolzer zählte man die Einrichtungen auf, die man in den frühen 60er-Jahren geschaffen hatte: das Dorfgemeinschaftshaus, den Dorfplatz, der auch ein alter Gerichtsplatz sei, den Kindergarten, die Grünanlagen. Auch die Geschichte von »Schlamperode« wurde erneut zum Besten gegeben. Alles in allem strahlte Altenburschla nicht mehr den Enthusiasmus des Neubeginns aus, der das Dorf noch in den 60er-Jahren gekennzeichnet hatte. Vielmehr vermittelte die Gemeinde den Eindruck einer gewissen Saturiertheit, die mit Stolz auf ihre im letzten Jahrzehnt erbrachten Leistungen zurückblickte. Selbst die Lokalzeitung, die – im Gegensatz zu dem beachtlichen Presseecho, das Altenburschla 1961 erzeugt hatte – als einzige über die Teilnahme 1973 berichtete, schrieb vor allem über die alten Erfolge aus den 60er-Jahren.108 Man war in Altenburschla, abgesehen vom Verlust der politischen Selbstständigkeit, offensichtlich zufrieden mit dem bisher Erreichten und darauf bedacht, den Status zu halten. Selbst mit der neuen innerdeutschen Grenze hatte man sich mittlerweile gut arrangiert. Statt alte Strukturen zu zerstören und wirtschaftliche Nachteile zu generieren, war sie mittlerweile fester Bestandteil des Ortes, sicherte Altenburschla nach wie vor eine gewisse Aufmerksamkeit und sorgte weiterhin für Besucher. Im Jahr 1972 konnte man etwa 11.500 Übernachtungen in der 500-Einwohner-Gemeinde zählen. Für eine Goldmedaille reichte all dies nicht. Die Gemeinde beharrte allerdings trotz ihrer Silbermedaille weiter auf ihre Sonderstellung. Im Gegensatz 106 Archiv Altenburschla, Ordner Dorfwettbewerb, Bundeswettbewerb 1973 »Unser Dorf soll schöner werden« Wanfried – Stadtteil Altenburschla. 107 Ebd. 108 Werra Rundschau, Samstag, 02.02.1974, 3. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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zu den ständigen Forderungen nach immer weiterer Entwicklung und stetigem Voranschreiten, hatte man sich in Altenburschla gut in der aktuellen Situation eingerichtet und selbst mit der DDR sein Auskommen gefunden. Für die Gemeinde bestand keine Notwendigkeit mehr, über den Status quo hinauszugehen. Der nächste große Umbruch, der in Altenburschla wieder größere Bewegungen auslöste, sollte noch 17 Jahre auf sich warten lassen. Erst nach dem Zusammenbruch der DDR und mit der Wiedervereinigung entstand für das schönste Dorf der Bundesrepublik wieder die Notwendigkeit zu erneutem Wandel.

4.3.2 Westerheim: Ein Bürgermeister und sein Dorf Auch Westerheim nahm 1973 wieder am Dorfwettbewerb teil und wurde mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. Die Gemeinde, mit 2.000 Einwohnern deutlich größer als Altenburschla, hatte ihre politische Selbstständigkeit bewahren können. Was der Bundesbewertungskommission an Westerheim besonders gut gefiel, waren die planerische Leistung und der Erfolg bei den Umstruktu­ rierungsmaßnahmen. So wurden der Bauleitplan, der Landschaftsrahmenplan und der Grünordnungsplan lobend hervorgehoben. Die Landwirtschaft sei weitgehend umstrukturiert, wie man feststellte.109 Und auch 1973 noch lobte die Bundesbewertungskommission die Wiederaufbauleistung in dem »zu zwei Dritteln zerstörten Dorf«. Hinzu kamen »gepflegte Vorgärten, Grünanlagen und reicher Blumenschmuck an den Häusern«, die dem Dorf »ein freund­ liches Aussehen« geben würden.110 Die besondere Leistung Westerheims aber bestand in diesem Wettbewerbsjahr darin, dass die Gemeinde den »Freizeitwert« vor Ort erheblich gesteigert hatte, indem es einen »Campingplatz mit ökumenischem Kirchenzentrum, beheiztem Freibad und sieben Skiliften« gebaut hatte. Damit hatte sich Westerheim in den Augen der Kommission als »Schwerpunktgemeinde der Erholung in der Schwäbischen Alb« etabliert und eine neue Bedeutung gefunden, die von den Preisrichtern als absolut zukunftssicher empfunden wurde. In einer seit 1971 jährlich von der DGG herausgegebenen Broschüre, in der alle Dörfer, die am Bundeswettbewerb teilnahmen, vorgestellt wurden, stellte sich die Gemeinde auch in diesem Licht dar: »Erholung in der Schwäbischen Alb: Westerheim ist Begriff hierfür!«111 Dies entsprach in den Augen von Bürgermeister Hans Walter im Übrigen nicht nur der Sicht der Bewertungskommission, sondern auch der Auffassung der Westerheimer Bürger, 109 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Abschlußbericht Siebenter Bundeswettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, 11. 110 Ebd., 12. 111 Deutsche Gartenbau-Desellschaft e. V. (Hg.): Siegerdörfer der Bundeswettbewerbe 1973, 1975. Bonn 1975, 20. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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die die »Funktion des Ortes als Erholungsgemeinde«112 erkannt hätten. Trotz dieser neuen Funktion würde man aber eine angemessene Entwicklung anstreben, »Dorf bleiben« und keine »Verstädterung« zulassen.113 Dies sah man allerdings bei der Kommission wohl etwas anders. Offensichtlich war man dort der Meinung, Westerheim habe einen Teil  seines dörflichen Charakters ver­loren. Die Jury machte diesen Nachteil unter anderem an einem Ferienhausgebiet fest, »das z. T. stark verdichtet und nicht ganz überzeugend« wirke. Aus diesem Grund sah sich die Kommission nicht im Stande, eine Goldmedaille an Westerheim zu vergeben und beließ es bei einer silbernen Auszeichnung. Dabei hatte gerade Bürgermeister Walter, der immer noch im Amt war, nichts unversucht gelassen, um das Dorf auf den Wettbewerb vorzubereiten. Nachdem am 23. Juli 1971 bekannt geworden war, dass die Landesbewertungs­ kommission – vor dem Bundesentscheid musste man ja im Landeswettbewerb gut abschneiden  – am 27.  Juli zur Besichtigung anreisen würde, verfasste er ein im Ton höchster Dringlichkeit gehaltenes Schreiben an alle Dorfbewohner. Angesichts der Situation und der – wie Bürgermeister Walter betonte – großen Konkurrenz, die Westerheim inzwischen in anderen Dörfern erwachsen sei, forderte er von den Dorfbewohnern, »alles Mögliche zur Verschönerung des Dorfbildes bis zum Dienstag beizutragen. Alles Mögliche ist viel.«114 Hierauf folgte eine lange Aufzählung von dringend zu erledigenden Arbeiten: »Alle Rasenflächen sollten frisch abgemäht werden. Noch nicht bebaute Bauplätze sollten abgemäht werden. Man sieht in Westerheim noch ganze Brennnesselnester innerhalb Ortsetter [mit Ortsetter wurden bis ins 17.  Jahrhundert rudimentäre Palisadenbefestigungen von Dörfern bezeichnet. Im Schwäbischen und Badischen hielt sich der Begriff als eine Bezeichnung für den Dorfkern. Anm.  d. Verf.]. Der letzten Kommission [der Kommission auf Bezirksebene] sind noch einige wüste Gartenzäune aufgefallen. So manche Hoffläche muss noch besser entrümpelt werden. An Mauern und Hecken wächst noch viel wildes Gras. Warum sind denn an einigen Häusern jetzt noch Vorfenster angebracht? Warum müssen ausgediente Autos im Ort stehen? Beim Landeswettbewerb sollten Straßen und Gehwege blitzsauber sein.«115 Diese lange Aufzählung zeigt deutlich, wie viel von dem, was die Wett­ bewerbskommissionen bei ihren Besuchen zu sehen bekamen, inszeniert war und recht wenig mit dem dörflichen Alltagsleben zu tun hatte. Offensichtlich wurde zumindest in Westerheim sehr kurzfristig eine Vielzahl von Verschönerungsmaßnahmen vorgenommen, um den Kommissionen den Eindruck zu vermitteln, die Bewohner des Dorfes seien ohne Ausnahme um die Ordnung und 112 Archiv der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, 11.07.1973. 113 Ebd. 114 Ebd. 115 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Sauberkeit nicht nur in ihrem privaten, sondern auch im öffent­lichen Bereich bemüht. Dabei ging es auch darum, die adäquate, also die korrekte funktionale Nutzung eines bestimmten Raumes nachzuweisen. Dies galt besonders für Räume, die wie die Straßen unter hohem finanziellem Aufwand modernisiert worden waren und als Aushängeschilder eines modernen Dorfes galten. Der Gebrauch der Straße als öffentlicher Autofriedhof musste in den Augen der Be­ wertungskommission wie eine Geringschätzung der teuer erkauften Güter des Fortschritts wirken. Noch problematischer war dies im Fall der nicht angemessenen oder nicht vorhandenen Nutzung des mit hohem Aufwand eingerichteten Dorfzentrums, das anscheinend teilweise mit Brennnesseln bewachsen war  – gerade weil dieser Ort doch geschaffen worden war, um als sichtbares Zentrum den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft zu symbo­lisieren und als öffent­licher Treffpunkt für dieselbe zu fungieren. Diese Not­wendigkeit versuchte Walter den Bürgern von Westerheim mit seinen Abschlussworten zu verdeutlichen: »Zeigen wir doch am Dienstag auch nach außen die echte Westerheimer-Dorf­ gemeinschaft, diesmal geht es ums Ganze. Wer weiß, ob Westerheim jemals wieder an einem solchen Wettbewerb auf Landesebene teilnehmen kann.«116 Indem gemeinsam für »Sauberkeit und Ordnung« im Dorf gesorgt wurde, inszenierte man in Westerheim also nicht nur Reinlichkeit und Ordnungsliebe, sondern auch eine Dorfgemeinschaft, die sich ihrer Verantwortung für das gemeinsame öffentliche Gut bewusst und die darauf bedacht war, dieses in ihrem eigenen Interesse als Ort gemeinschaftlicher Nutzung zu erhalten. Dies be­deutete allerdings auch, dass diese Räume nicht für die Nutzung gesellschaftlicher Gruppen außerhalb der Aktivitäten der Dorfgemeinschaft offen standen. Im Fall von Westerheim etwa sollte der Sellenberg, der im Ort lag und der vom Bürgermeister ausdrücklich als »Festplatz, als Auslauf für Kindergarten und Schule und als Erholungslandschaft mitten im Ort«117 gedacht war, also der Gemeinschaft dienen und gleichzeitig »eine Visitenkarte der Gemeinde«118 darstellen, nicht aber für andere Zwecke genutzt werden. Schüler, die »Rennfahrten mit alten Autos auf dem Sellenberg«119 veranstalteten, traten somit in den Augen des Bürgermeisters nicht nur den Geist der Gemeinschaft mit F ­ üßen, sondern machten sich offensichtlich auch keine Gedanken um die Außenwirkung des Dorfes und drückten damit eine Geringschätzung gegenüber der Dorfgemeinschaft aus. Ähnliches galt für Landwirte, die den Sellenberg als Abkürzung nutzten, um mit ihrem schweren Gerät zu den Feldern zu gelangen. »Warum müssen Zugmaschinen über den Sellenberg fahren?«,120 fragte Walter 116 Archiv der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, 23.07.1971. 117 Archiv der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, 11.07.1973. 118 Archiv der Gemeinde Westerheim, Reg. N. 366.2, 15.07.1971. 119 Ebd. 120 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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indigniert. Insgesamt kam sich der Bürgermeister in seinen Bemühungen um das Dorfbild und die Dorfgemeinschaft wohl manchmal recht einsam vor. So klagte er an die Dorfbewohner gewandt: »Ich fordere die Bevölkerung auf, zur Verschönerung des Dorfbildes nach besten Kräften beizutragen. Der Bürgermeister kann nicht alleine für Ordnung sorgen, geschweige denn einen Wettbewerb gewinnen. Sie alle müssen dazu beitragen, im Interesse eines schönen Dorfes in dem sich die Westerheimer und die Gäste wohlfühlen.«121 In Westerheim schienen bürgerliches Engagement und bürgerschaftliche Mitbestimmung im Rahmen des Dorfwettbewerbs nicht unbedingt aus dem Geiste emanzipierten und liberalen Bürgersinns zu erwachsen, sondern vielmehr aus den ständigen Aufforderungen eines ehrgeizigen Dorfbürgermeisters, der seine Mitbürger auf Erfolg zu trimmen versuchte. Diese Ausführungen sollen nicht unterstellen, es hätte in Westerheim überhaupt keine Dorfgemeinschaft gegeben, aber der Appell des Bürgermeisters ist ein Hinweis darauf, dass die Inszenierung, die im Rahmen der Besichtigungen für die Kommissionen gezeigt wurde, deutlich vom praktizierten Alltag in Wester­heim abwich. Die Dorfbewohner ließen sich offensichtlich nur durch stetige Ermahnungen des Bürgermeisters und den Verweis auf die Dringlichkeit der Maßnahmen sowie das Versprechen potenzieller Auszeichnungen dazu bewegen, an dieser Inszenierung teilzunehmen. Immerhin hatten damit die Verantwortlichen und Planer des Dorfwettbewerbs durchaus Recht, wenn sie betonten, es bedürfe »herausragender und verantwortlicher Personen«, damit die Vorgaben des Wettbewerbs in den Dörfern umgesetzt wurden. Allerdings entsprach dies nicht der Beteiligung mündiger Bürger am Neuordnungsprozess des ländlichen Raumes. Im Fall Westerheims bedeutete es lediglich, dass Bürgermeister Walter den Wettbewerb geschickt zu nutzen verstand, um seine Gemeinde erfolgreich als Fremdenverkehrsort zu platzieren und Verhaltensweisen zu disziplinieren, die diesem Ziel zuwiderliefen.

4.3.3 Beton statt Stahl in Niederdreisbach Niederdreisbach nahm erst 1975 wieder am Dorfwettbewerb teil. Die Gemeinde war mittlerweile Teil der Verbandsgemeinde Daaden, was bedeutete, dass der Ort seine politische Selbstständigkeit behielt, aber mit anderen Dörfern des Umkreises eine Verwaltungsgemeinschaft eingegangen war. Niederdreisbach präsentierte sich der Bundesbewertungskommission als »eine über Jahrhunderte gewachsene, saubere, lebendige Gemeinde […], die ihren Bürgern eine Heimat mit besonders hohem Wohnwert bietet«.122 121 Ebd. 122 Archiv der Gemeinde Niederdreisbach, Ordner Bundeswettbewerb 1975, 8.  © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Mit dieser Aussage positionierte sich Niederdreisbach (anders als etwa Westerheim) erstaunlicherweise als Wohngemeinde, obwohl beim Wettbewerb 1963 noch deutlich zu spüren war, dass die Traditionen des Ortes eigentlich durch den Bergbau und die eisenverarbeitende Industrie in der Dreisbacher Hütte geprägt waren. Dementsprechend hob man in den Bewerbungsunterlagen für den Wettbewerb vor allem auf die zahlreichen Faktoren ab, die Niederdreisbach zu einer lebenswerten Wohngemeinde machten. So wurde etwa auf das besonders gute kulturelle und sportliche Angebot verwiesen. Niederdreisbach konnte hier den Männergesangsverein Liederkranz – der auch bei der Plakettenverleihung in Berlin auftrat  –, einen gemischten Chor, einen Posaunenchor, einen Verein für Bewegungsspiele, eine Tischtennisgruppe, eine Frauengymnastikgruppe und natürlich einen Dorfverschönerungsverein vorweisen.123 Wichtig für seine Wohnqualität war auch die schöne Lage des Ortes: Eingebettet zwischen »breiten Bergrücken und engen Tälern mit schmaler Talsohle«, um­ geben von »Mischwäldern (Eichen, Birken, Hasel, Faulbaum) und Buchenhoch­ wäldern« lag Niederdreisbach recht idyllisch.124 Auch mit Baudenkmälern war die Gemeinde reich gesegnet  – von vorgeschichtlichen Gräberfunden bis zu einem Renaissance-Schloss, das beim Besuch der Gemeinde vom Verfasser der Arbeit allerdings nicht entdeckt werden konnte, hatte die Gemeinde nach eigenen Angaben allerhand zu bieten. Besonders stolz war man auf die alten Fachwerkbauten im Ortskern sowie die günstige Verkehrslage, die zwar im Ort ruhig war, aber eine schnelle Verbindung in das 15 Kilometer entfernte Siegen ermöglichte.125 Letzteres war wohl auch einer der wichtigsten Gründe, warum sich das Dorf als Wohngemeinde präsentieren wollte, bot sich doch Nieder­dreisbach als Pendlerwohnsitz für in Siegen Tätige hervorragend an. Entsprechend hatte man im Ort bereits sehr früh damit begonnen, Bebauungspläne zu entwickeln und »zur Schaffung dringend benötigten Baulands« drei Wohngebiete auszuweisen, ein weiteres befand sich 1975 in Planung.126 Dass die Bemühungen des Ortes, sich nach dem Ende des Stahlwerks 1963 zu einer Wohngemeinde zu wandeln, durchaus von Erfolg gekrönt waren, zeigt die Bevölkerungsstatistik: Zwischen 1950 und 1974 stieg die Anzahl der Dorfbewohner von 591 auf 930 Personen an.127 So ist es auch bezeichnend, dass Hans Breidenbach, der als Mitglied des Dorfverschönerungsvereins die Führung der Bundesbewertungskommission durch das Dorf übernahm, erst vor zehn Jahren in den Ort gezogen war. Aller­ dings gehörte er als Geschäftsführer der Fertigbetonwerke NH-Beton (NH 123 Ebd. 124 Ebd., 1. 125 Ebd., 2. 126 Ebd., 6. 127 Ebd., 5. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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steht für Niederdreisbacher Hütte), die aus der Hütte hervorgegangen und der größte Arbeitgeber vor Ort war, definitiv der lokalen Elite an. Weil Breidenbach sich außerstande sah, das zu diesem Anlass ausgewählte Gedicht in der lokalen Mundart vorzutragen, da »man ›Dreisber Platt‹ nur im Kindesalter er­ lernen kann«,128 wurde jenes den Preisrichtern in Schriftform mit dem Hinweis vorgelegt, Gemeinderatsmitglieder würden das Gedicht aber gerne ins Hochdeutsche übersetzen. Trotz dieses mundartlichen Defizits konnte Breidenbach im Rahmen der Führung den Bogen zwischen der Tradition der Eisenver­ arbeitung im Ort, die als kollektive und identitätsstiftende Erinnerung abge­ rufen und der Kommission als Grundlage für das Verständnis des Dorfes präsentiert wurde, und der Gegenwart schlagen. Breidenbach erklärte: »In unserem Raum hat das Eisen das Schicksal von Mensch, Wirtschaft und Landschaft bestimmt. […] Ich meine, das sollten Sie einfach wissen, wenn Sie hernach durch den Ort gehen.«129 Doch so unumgänglich diese Geschichte nach Meinung der Dorf­bewohner war, um den Ort zu verstehen, so wenig hatte sie mit seiner Gegenwart zu tun. Diese wurde durch das Betonwerk geprägt, was nicht nur als Verlust interpretiert wurde, sondern gerade nach den Kriterien des Dorfwettbewerbs durchaus als Fortschritt – das versuchte der Geschäftsführer und Vorstand des Dorfverschönerungsvereins deutlich zu machen. Statt der ­a lten Stahl­industrie mit ihren rauchenden Schloten sei man in Niederdreisbach nun darum bemüht, »umweltfreundliche Produktionsstätten zu schaffen und die Betriebe durch Grünanlagen in die Landschaft einzubinden.«130 Das Ende der Dreisbacher Hütte erfuhr eine entsprechende Umdeutung: Ihr Untergang bedeutete nicht den Verlust von Arbeitsplätzen und das Ende einer jahrhunderte-, wenn nicht jahrtausendealten Tradition, sondern die Möglichkeit, eine neue, bessere, umweltfreundlichere Industrie entstehen zu lassen, die sich letztlich harmonischer in den Naturraum einfügte als die alte stahlverarbeitende Industrie. Diese Interpretation lieferte die Grundlage, auf der sich der Ort als Wohnort neu erfinden konnte. Das wurde auch in den Ausführungen des Dorfverschönerungsvereins deutlich: So wurde der Bau von 55 Wohnhäusern in den letzten 55 Jahren hervor­ gehoben und der vorbildliche Ausbau der Versorgungseinrichtungen, die schönen Wanderwege und die »romantischen Winkel«, die überall im Dorf zu finden seien, sich aber nicht aufdrängen würden.131 Dies alles, so der immer wiederkehrende Topos, sei von einer Dorfgemeinschaft geschaffen worden. Unter anderem sorgte der Gemeinderat für die Pflasterung der Fußwege, der Gesangsverein für die Instandhaltung des Parkplatzes am Schwimmbad und die 128 Ebd., 11. 129 Ebd., 13. 130 Ebd., 14. 131 Ebd., 12. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Frauengymnastikgruppe kümmerte sich um die Friedhofsanlagen. Natürlich, so wurde noch einmal ausdrücklich betont, seien eben »nicht nur für den Tag der Besichtigung« Erneuerungen vorgenommen worden. Zusätzlich gestärkt sei die Dorfgemeinschaft, weil man, »um erst keinen Parteienzwist aufkommen zu lassen«, den Gemeinderat von Niederdreisbach in einer Personenwahl bestimmt hatte.132 So präsentierte sich der Ort als geschlossene Gemeinschaft und tradi­tionsbewusstes Dorf, das gleichzeitig fest in der Gegenwart verankert war. Neuen Dorfbewohnern wurden vor allem die vielen Vereine und das damit verbundene kulturelle Angebot angepriesen. Besonders deutlich wurde das ästhetische Zusammenspiel zwischen Tradi­ tion und Moderne in der kleinen Fotoausstellung, die vom Dorfverschönerungsverein anlässlich des Besuchs der Bewertungskommission zusammen­ gestellt wurde. Hier waren zuerst Aufnahmen des alten Ortskerns zu sehen, mit der Bildunterschrift: »Saubere, schmucke Fachwerkhäuser, die sich zwanglos um einen alten Stockbrunnen gruppieren, sind beredte Zeugen aus Niederdreisbachs Vergangenheit.« Daneben waren Bilder des neuen Gemeindehauses mit zugehörigen »modernen Gartenanlagen« zu sehen, die wie folgt kommentiert wurden: »Eindrucksvolle Gartenanlagen mit Betonfertigteilen geben hier und da dem Dorf Niederdreisbach ein ganz neues Gepräge.«133 Die Bundesbewertungskommission war vom alten bäuerlichen Ortskern Niederdreisbachs angetan, der ihrer Meinung nach so besonders war, dass er »künftig als Ensemble unter Denkmalschutz gestellt werden« sollte.134 Die äußerst rege Bautätigkeit im Ort betrachtete man hingegen mit zwiespältigen Gefühlen. Einerseits war die Bewertungskommission sehr davon angetan, wie die Gemeinde sich nach dem Ende der Dreisbacher Hütte neue Grundlagen geschaffen hatte. Anderseits hatte die Jury wohl durchaus Bedenken, die Gemeinde könnte die Ausschreibung von Bauland ein wenig übertreiben und mahnte an, »daß das Angebot an Bauflächen auf den tatsächlichen Bedarf beschränkt bleibt, um eine weitere Zersiedelung der Landschaft auszuschließen«.135 Angesichts der neuen Bepflanzung in einigen Dorfteilen wurde tatsächlich die als ästhetischer Maßstab in der alltäglichen Arbeit der Kommission immer noch präsente Kritik laut, es sei zukünftig darauf zu achten, »standortgemäße Baumarten« für die Bepflanzung auszuwählen.136 Auch der Blumenschmuck im Privatbereich hätte nach Meinung der Kommission durchaus etwas üppiger ausfallen können. Trotz dieser Einwände zeichnete man Niederdreisbach mit einer Goldmedaille aus, da 132 Ebd., 18. 133 Archiv der Gemeinde Niederdreisbach, Ordner Niederdreisbach im Wandel der Zeit, Geschichtliches. 134 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Abschlußbericht Achter Bundeswett­ bewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, 30. 135 Ebd. 136 Ebd., 31. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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die Kommission die Bemühungen um eine Weiterentwicklung des Ortes offensichtlich für bedeutsamer hielt als die exakte Einhaltung von ästhetischen Kriterien, und dem Ort letztlich konstatierte, dass er trotz aller Veränderungen den Charakter eines »gepflegten ländlichen Ortes« nicht verloren habe.137 In gewisser Weise lieferte Niederdreisbach mit seinem alten, gut erhaltenen Dorfkern und den Entwicklungszonen am Rande des Ortes, die nicht perfekt, aber doch mit großen Mühen an die vorhandenen naturräumlichen Gegebenheiten angepasst wurden, sogar eine Blaupause für die Entwicklungsmöglichkeiten, die einem Dorf offenstanden, um sich zu modernisieren, ohne den Kernbestand überlieferter Identität zu verlieren. Die lokale Presse war auf jeden Fall stolz auf die Gemeinde Niederdreisbach – in der lokalen Siegener Zeitung wurde ausführlich und mit großem Foto über die Siegerehrung in Berlin berichtet. Man zitierte Landwirtschaftsminister Ertl mit der Bemerkung, der Wettbewerb sei inzwischen mehr als eine Bürger­ initiative, und angesichts 5.000 teilnehmender Gemeinden müsse man wohl eher von einer Volksbewegung sprechen.138 Umso stolzer war man, bei dieser Volksbewegung an der Spitze zu stehen, oder wie die Rhein Zeitung schrieb, in Berlin »aufs höchste Bundespodest gestellt zu werden.«139 Auch Hans Breidenbach nutzte noch einmal die Gelegenheit, die Bedeutung Niederdreisbachs hervorzuheben. Er berichtete, wie sich internationale Firmenkunden stets begeistert zeigten, wenn er sie durch den Ort führte. Dies veranlasste die Rhein Zeitung zu den emphatischen Schlussworten: »So verbreitet sich Niederdreisbachs Ruhm in alle Himmelsrichtungen.«140 Alle drei Dörfer hatten während des letzten Jahrzehnts ihren Weg gemacht: Als Wohn- und Erholungsorte waren sie gut in die »neue Ordnung« integriert, die den Wettbewerbsmachern Anfang der 60er-Jahre vorgeschwebt hatte. Und sie hatten dabei, so stellten es zumindest die Preisrichter der Bundesbewertungskommission fest, ihren dörflichen Charakter und den engen Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft nicht verloren. Dass dazu vonseiten der Gemeinden ein erheblicher inszenatorischer Aufwand betrieben werden musste, war den Preisrichtern vermutlich durchaus bewusst, spielte bei ihren Entscheidungen aber anscheinend keine Rolle. In Altenburschla, Niederdreisbach und Westerheim konnte man mit der Inszenierung anlässlich des Dorfwettbewerbs gut leben, solange die Erfolge, die man errang, eine weitere positive Entwicklung der Gemeinden ermöglichten. Danach sah es Mitte der 70er-Jahre aus  – einzig die Gemeindereform warf ihren Schatten auf diese rosigen Zukunftsaussichten. Die eigentlichen Privilegien, die sich die gekürten Sieger 137 Ebd. 138 Niederdreisbacher holen ihr Gold in Berlin, Siegener Zeitung, 02.02.1976. 139 Gold aus dem »goldene Mainz«, Rhein Zeitung, 20.11.1975. 140 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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dörfer durch die Anstrengungen der letzten Jahre erworben hatten, nämlich eine stärkere Beteiligung an den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und lebensweltlichen Veränderungen in der Bundesrepublik, blieben davon zunächst unberührt.

4.4 Mehr Demokratie und verstärkte Modernisierungskritik Im Jahr 1975 ging die zwölfköpfige Bundesbewertungskommission wieder unter der mittlerweile bewährten Leitung des Ministerialdirektors Kurt ­Petrich auf Reisen. Auch beim Rest der Bundesbewertungskommission hatte sich anscheinend nach 14 Jahren Wettbewerb eine weitgehend feste Zusammensetzung gefunden, denn es kam mit Horst Schindler, dem Geschäftsführer der Bundes­arbeitsgemeinschaft für Garten- und Landespflege und dem Zusammenschluss der deutschen Gartenbauvereine, nur ein neuer Vertreter hinzu, der den Delegierten des Bundesverbands der gemeinnützigen Landgesellschaften ersetzte. Das bedeutete, dass weiterhin die DGG, die Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege, das Bundeslandwirtschaftsministerium, das Bundesbauministerium, der Landkreistag, der Städte- und Gemeinde­bund, der Landfrauenverband, der Deutsche Frauenrat und das Institut für Städtebau der Universität Bonn die restlichen Posten der Kommission besetzten.

4.4.1 Der »verantwortungsbewusste Bürger« In ihrem Abschlussbericht 1975 schloss die Bundesbewertungskommission nahtlos an die 1973 festgelegte Neuorientierung des Wettbewerbs an. »Der Wettbewerb demonstrierte beispielhaft bürgerschaftliche Selbsthilfe- und Gemeinschaftsleistungen. Er vereinte Bürger und Verwaltung zu richtungsweisenden Aktionen«, stellte man gleich eingangs fest.141 Diese Annahme schien sich zu bestätigen, als der Wettbewerb im Jahr 1975 eine Rekordbeteiligung zu verzeichnen hatte. Geradezu überrascht war man, dass die Teilnahme trotz der kommunalen Neuordnung des ländlichen Raumes nicht wie erwartet zurückgegangen war. Stattdessen hatten 4.966 Gemeinden und Ortsteile am Wett­bewerb teilgenommen, 654 mehr als im Jahr 1973.142 Tatsächlich war das Erstarken des Wettbewerbs neben der äußerst zahlreichen Teilnahme auf Kreisebene nach Meinung der Kommission zum Teil  sogar auf die Gemeindereform zurück­ 141 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Abschlußbericht Achter Bundeswett­ bewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, 5. 142 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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zuführen. Die Bundesbewertungskommission schloss sich der Analyse des nordrhein-westfälischen Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Diether Deneke, an, der festgestellt hatte: »Die hohe Teilnehmerzahl beweist, daß die Bürger in den politisch nicht mehr selbständigen Ortsteilen nicht resignieren, sondern sich jetzt erst recht für die schönere Gestaltung ihrer Wohnorte engagieren.«143 Der Dorfwettbewerb erschien den Landesregierungen und den Preisrichtern geradezu als Allheilmittel gegen die befürchteten negativen Auswirkungen der Gemeindereform. So zitierte die Bundesjury in ihrem Abschlussbericht auch den hessischen Landwirtschaftsminister Willi Görlach mit der Aussage: »In den politisch nicht mehr selbständigen Ortsteilen hat der Wettbewerb das Bewusstsein der Eigenverantwortung erhalten, weil er die Chance bürgerschaftlicher Mitwirkung in neuer Form vermittelt.«144 Allerdings darf hierbei nicht übersehen werden, dass das Vokabular von Eigenverantwortung und bürgerschaftlicher Mitverantwortung, das hier von den Länderministern und auch der Bundesjury im Mund geführt wurde, mit einer De-facto-Aufhebung politischer Eigenständigkeit und Selbstverwaltung für die kleinen Gemeinden einherging. Damit verloren sie auch die finanzielle Selbstständigkeit, so gering die Mittel in Teilen auch gewesen sein mochten.145 Die »Chance bürgerschaft­licher Mit­wirkung in neuer Form«, von der etwa Willi Görlach sprach, zeichnet sich zunächst erst einmal dadurch aus, dass sie eben keine politische Mitwirkung mehr darstellte, was den Gemeinden – wie man in Altenburschla deutlich sehen konnte – auch durchaus bewusst war. In diesem Sinne wurde der Wettbewerb weiterhin auf ganz ähnlich Weise wie in den vorangegangenen Jahren genutzt. Als Mittel um in der ländlichen Bevölkerung Zustimmung für weit­reichende Neuordnungsprojekte zu erhalten, indem verschwindende Gestaltungshoheit und Mitbestimmungsrechte in den Wettbewerb ausgelagert wurden. War es dabei in den 60er-Jahren um Strukturreformen im Rahmen der Modernisierung des ländlichen Raumes gegangen, so standen ab den frühen 70er-Jahren politische und Verwaltungsreformen im Mittelpunkt, die trotz einer veränderten Rhetorik ebenfalls vom Geist der Zentralisierung und funktionalen Effizienzsteigerung geprägt waren. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass viele Verantwortliche des Dorfwettbewerbs das bürgerschaftliche Engagement, welches sich im Dorfwettbewerb zeigte, tatsächlich mit hohen Idealen verbanden und als wichti 143 Ebd., 6. 144 Ebd. 145 Als »Eine Reform für und nicht mit dem Bürger« bezeichnet Sabine Mecking die kommunale Gebietsreform der 1960er- und 70er-Jahre. Sabine Mecking, Neues Bürgerbewusstsein im Bürgerstaat? Staatliche Planung und bürgerschaftlicher Eigensinn am Beispiel von Nordrhein-Westfalen, in: Sabine Mecking, Janbernd Oebecke, Zwischen Effizienz, 87. Vgl. auch Mecking, Bürgerwille, 2012. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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gen Bestandteil einer Reform der Bundesrepublik und speziell des Verhältnisses zwischen Bürger und Staat sahen. Hermann Schmitt-Vockenhausen pries auf der Preisverleihung für den Dorfwettbewerb am 31. Januar 1976 in Berlin erneut den Bundeswettbewerb als Bürgerinitiative: »Der Bundeswettbewerb ›Unser Dorf soll schöner werden‹ zeigt in eindrucksvoller und für mich bewegender Weise, daß dieser Staat und daß unsere Gemeinden noch mit den Bürgern rechnen können.«, erklärte der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeinde­ bundes gleich zur Einleitung seiner Rede.146 So war denn auch der zentrale Appell, den Schmitt-Vockenhausen an die anwesenden Vertreter der Sieger­ gemeinden richtete, eine Aufforderung zur Verantwortungsübernahme. »Zeigen Sie Ihrer Gemeinde, zeigen Sie diesem Staat, daß Sie Selbstverantwortung mit anderen Bürgern zum Wohle aller in der örtlichen Gemeinschaft zu übernehmen bereit sind.«147 Der SPD-Politiker betrachtete diese Übernahme von Verantwortung allerdings nicht als eine Einbahnstraße; auch der Staat müsse seinen Teil beitragen. Die Bürger hätten ein Anrecht darauf, »daß der Staat und die Gemeinden ihre Arbeit vor Ort unterstützen«. Der Bundeswettbewerb sei daher auch »eine Mahnung an alle Verantwortlichen in Bund und Ländern, mit einem aktiven Auffangkonzept zur Lebensfähigkeit des ländlichen Raums beizutragen«. Eine simple Forderung nach Abwanderung in die Städte gehöre dem »kommunalpolitischen Mittelalter« an und sei nicht die notwendige Antwort, denn die Bürger des ländlichen Raumes hätten sich durch ihre Bemühungen »einen Anspruch auf krisenfeste Arbeitsplätze in einer lebenswerten Umwelt« verdient.148 Allerdings war selbst Schmitt-Vockenhausens Idealismus nicht gänzlich ungetrübt von praktischen Erwägungen. Dass man mit den »Bürgern rechnen könne«, hatte auch bei ihm durchaus eine doppelte Bedeutung: »Selten ist eine Bürgerinitiative wie der Bundeswettbewerb mit so wenig Bürokratie und mit noch weniger Geld ausgekommen«, stellte er erfreut fest. Dies sei im Moment besonders wichtig, da »[i]n einer Zeit der Krise der öffentlichen Haushalte dieser Wettbewerb noch mehr Bedeutung [gewinnt]«.149 Auch Schmitt-Vockenhausen erkannte also durchaus den praktischen fiskalischen Nutzen des bürgerschaftlichen Engagements. Er räumte diesem zwar eine nachrangige Bedeutung im Gegensatz zur Reform von Gesellschaft und Politik ein, wusste dessen Nutzen als politisches Argument aber zu schätzen. Der verantwortliche Bürger, der sich im Dorfwettbewerb in so hervorragender Weise gezeigt hatte, wurde allerdings nicht nur für die Bezahlung von Infrastruktur und als tragendes Element lokaler und nationaler Gesellschaft in Haf 146 Deutsche Gartenbau-Gesellschaft (Hrsg.), Siegerdörfer der Bundeswettbewerbe 1973, 1975, Schriftenreihe der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft Heft 25, Münster-Hiltrup 1976, 70. 147 Ebd. 148 Ebd. 149 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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tung genommen – auch andere Verantwortungsbereiche waren ihm zu­gedacht. Schon im Jahr zuvor hatte der nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister Diether Deneke (SPD) seine Hoffnung im Bezug auf einen zukünftigen Umweltschutz auf den verantwortungsbewussten Bürger gesetzt.150 Bei der öffentlichen Generalversammlung der DGG im oberbergischen Dorf Nümbrecht, das 1973 eine Goldmedaille gewonnen hatte, lobte er die Einwohner des Dorfes: »Die Bürger demonstrieren bewußt und planvoll, wie sehr sie sich mit den Anliegen ihrer Gemeinde und ihrer Umwelt identifizieren, damit machen sie eine intakte Heimat zu ihrer eigenen Sache.« Dies führte Denekes Meinung nach auch zu einer neuen »Mitverantwortung«, die sich nicht mehr wie ursprünglich auf den engeren Wohnbereich bezog, sondern mittlerweile auch auf den Bereich des »Umweltschutzes« ausdehnte. Durch den W ettbewerb sei dieses Umweltbewusstsein zudem tiefer und dauerhafter verankert, als bei manchen »oft schnell wieder zerfallenden Bürgerinitiativen«.151 Deutlich kontrastierte Deneke diese mitverantwortlichen Bürger mit den Kritikern des neuen Landschaftsgesetzes.152 Obwohl er Landwirtschaftsminister war, hatte er dabei die Landwirte im Auge, die allerdings durch »Fehlinformationen und Falschinterpretationen« der Landwirtschaftsverbände gegen das Gesetz aufgehetzt worden seien. Insgesamt wertete Deneke das Verhalten der Landwirte allerdings als »Gruppenegoismus«, der das negative Gegenbeispiel zu den verantwortungsbewussten Bürgern darstellte, wie sie sich im Dorfwettbewerb gezeigt hatten. Das bürgerliche Engagement, das der Wettbewerb hervorgebracht habe, würde sich eben gerade »nicht im Nein-Sagen«, der Interessengruppen erschöpfen, sondern »produktive, gestalterische Kräfte« aktivieren.153 In gewisser Weise war der Wettbewerb damit auch in dieser Hinsicht wieder zu seinem Ausgangpunkt zurückgekehrt. Schon im Jahr 1961 hatte man den Dorfbewohnern bei der Bewahrung der Landschaft und Umwelt eine hohe Bedeutung eingeräumt – dabei hatte vor allem die »bäuerliche Volkskultur« mit ihrem überlieferten Wissen im Vordergrund gestanden. Dies hatte sich nun allerdings gänzlich verändert: Die Bauern stellten für Deneke die größten Stören 150 Diether Deneke war einer der profiliertesten Umweltschützer der 70er- und 80erJahre. In seine Zeit als Landwirtschaftsminister fallen unter anderem die Verabschiedung des Landschaftsgesetzes, das im Januar 1975 in NRW das Reichsnaturschutzgesetz von 1935 ablöste. Aus Protest gegen den geplanten Ausbau der A4 trat er 1979 von seinem Amt zurück. Danach übernahm er die Leitung verschiedener Umweltverbände in Nordrhein-Westfalen. Vgl. Almut Leh, Zwischen Heimatschutz und Umweltbewegung, die Professionalisierung des Naturschutzes in Nordrhein-Westfalen 1945–1975. Frankfurt a. M. 2006, v. a. 426. 151 Archiv der DGG, Ordner Tätigkeitsberichte 1969–1991, Tätigkeitsbericht für die Zeit von 01.09.1974 bis 31.08.1975, 3.  152 Die Kabinettvorlage zum Landschaftsgesetz findet sich hier: LAV HSA NW 30 Nr. 1189. 153 Archiv der DGG, Ordner Tätigkeitsberichte 1969–1991, Tätigkeitsbericht für die Zeit von 01.09.1974 bis 31.08.1975, 5. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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friede in Belangen des Naturschutzes dar. Das überlieferte Wissen der Landwirte garantierte kein nachhaltiges Wirtschaften, sondern beschränkte sich für ihn ganz im Gegenteil »auf eine Eigentumsvorstellung, die ihre Wurzeln noch im 19. Jahrhundert hat und nicht zuletzt zu jenem leichtfertigen und doch so folgenschweren Umgang mit unserer natürlichen Umwelt entscheiden beigetragen hat.«154 Diese Ansicht war tatsächlich harter Tobak, die vermutlich besser als die »Aufhetzung« der Interessenverbände erklärt, warum sich die Landwirte gegen die Pläne Denekes wehrten. Nicht nur wurden Besitzrechte mit Verweis auf das Allgemeinwohl angegriffen, es wurde ihnen damit zudem eine – zumindest von der CSU – bis heute anerkannte Kernkompetenz, die der Landschaftsgestaltung und -erhaltung, abgesprochen und in ihr Gegenteil verkehrt. Diese Kompetenz sah Deneke nun bei jenen »verantwortungsbewussten Bürgern« angesiedelt, die sich in Bürgerinitiativen, wenn auch am besten in kon­ trollierten Foren wie dem Bundeswettbewerb, zusammenschlossen, um gegen Umwelt- und Landschaftszerstörung zu kämpfen. Hier zeichnen sich erstmals auch neue Wählerpotenziale für Parteien ab, die versprechen sollten, die Sorgen der verantwortungsbewussten Bürger um die ihnen anvertrauter Umwelt ernst zu nehmen.

4.4.2 Neue, alte Dörfer Die im Vergleich zu Belangen des Umweltschutzes oder der Mitverantwortung geringere Bedeutung, die der strukturellen Neuordnung und Modernisierung des ländlichen Raumes eingeräumt wurde, zeigte sich auch daran, dass zwar wieder einmal das sich weiter verbessernde Planungsniveau der Gemeinden gelobt wurde, vor allem aber betonte man die besondere Bedeutung der Selbsthilfe, »weil dadurch auch finanzschwache, aber sonst sehr aktive Dörfer eine Chance zu gutem Abschneiden haben.«155 »Wie in den Jahren zuvor wurde die Selbsthilfe als Möglichkeit für die Dörfer beschrieben, mit geringem Aufwand an Steuermitteln die Infrastruktur auszubauen.« Die üblichen Kritikpunkte aus den vorhergehenden Jahren, also etwa Klagen über schlechte Planung oder mangelnde überörtliche Zusammenarbeit, finden sich in der Abschlussbewertung des Wettbewerbs von 1975 nicht. Stattdessen tauchten zwei neue Kritikpunkte auf. So wurden erstmals Bedenken gegenüber einer allzu sorglosen Modernisierung beziehungsweise dem Abriss alter Bausubstanz geäußert. Besonders problematisch waren nach Ansicht der Bundesbewertungskommission offensichtlich des Öfteren die Gestal 154 Ebd. 155 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Abschlußbericht Achter Bundeswett­ bewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, 5. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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tung der Fassaden mit modernen Verkleidungen sowie eine gelegentlich auftretende bedenkliche Farbgebung. Kritisch sahen die Juroren mittlerweile auch den Einsatz von zu viel Blumenschmuck. Dieser sei mitunter »übermäßig kostspielig und arbeitsaufwendig«, daher müsse hier noch weiter Aufklärungsarbeit geleistet werden, »um Bürgerinitiative und Bürgerleistung in vernünftige Bahnen zu lenken.156 Hier zeigt sich noch einmal, allerdings im nun fast marginalisierten Randbereich des Blumenschmucks, die Steuerungsfunktion, die der Wettbewerb im Bereich des bürgerlichen Engagements übernehmen sollte. Dabei wird deutlich, dass der Blumenschmuck offensichtlich vor allem unter praktischen Gesichtspunkten beurteilt wurde und seine ästhetischen und kulturellen Implikationen den harten Faktoren Kosten und Arbeitsaufwand untergeordnet wurden. Dies stand im auffälligen Widerspruch zur Neubewertung der Modernisierung von Gebäuden. Hier waren anscheinend erstmals nicht nur praktische Erwägungen zu einer von funktionalen Prinzipien geleiteten Modernisierung im Vordergrund. Vielmehr legte die Kommission jetzt auf den zumindest äußerlichen Erhalt dieser Gebäude Wert. Hier wurden anscheinend ästhetische Kriterien von Echtheit und Authentizität angelegt, die vormals Landschaften, Hausbäumen und Bauerngärten vorbehalten gewesen waren. So spielten die Erwägungen des Denkmalschutzes beim nächsten Dorfwettbewerb 1977 eine große Rolle. Beim mit Gold ausgezeichneten Dorf A ­ ichen, Teil der Stadt Waldshut-Tingen im Südschwarzwald, wurde ausdrücklich hervorgehoben, dass »in der Vergangenheit begangene Fehler« gutgemacht würden, »indem man Blech- und Kunststoffverkleidungen an Häusern wieder entfernt.«157 Gleichzeitig war die Kommission auch bereit zu rügen, wenn bei der Renovierung und Neugestaltung des Dorfes nicht genug Aufmerksamkeit auf die ursprüngliche Bausubstanz gelegt worden war. So wurden im fränkischen Silberdorf Custenlohr, Teil der Stadt Uffenheim, südlich von Würzburg, zwar ausdrücklich das »wunderschöne Ensemble mehrerer großer fränkischer Hofkomplexe […], deren Fachwerkfassade nach und nach wieder freigelegt wird«, gelobt. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich gemacht, dass in dem Dorf, dessen gesamter Dorfkern eventuell unter Denkmalschutz gestellt werden sollte, »die Einbeziehung neuer Gebäude in das Ortsbild in einigen Fällen misslungen ist,« da man es unterlassen habe, sich dabei an den überlieferten Gebäudeformen, der Materialwahl und Farbgebung zu orientieren.158 Diese oder ähnliche Kritik fand sich bei allen Dörfern, die im Wettbewerb nur eine Bronzemedaille gewannen. So wurde für das hessische Bottendorf festgestellt, 156 Ebd. 157 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Abschlußbericht Neunter Bundeswett­ bewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, 13. 158 Ebd., 26. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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»die Festsetzung im Hinblick auf die gestalterischen Belange [sei] sehr liberal gehalten.«159 Dies war durchaus nicht als Kompliment zu verstehen, sondern stellte eine kaum verhohlene Kritik an einer uneinheitlichen und nicht traditionellen Bebauung dar. Hinzu kam im Fall von Bottendorf, dass man beim Bau neuer Wohnsiedlungen nicht auf die landschaftliche Einbindung geachtet und so eine Arbeitersiedlung in einem Tal errichtet hatte, »das eigentlich nicht hätte bebaut werden dürfen.«160 Auch in der Gemeinde Grasdorf in Niedersachsen wurde die Überdeckung des alten Fachwerks durch moderne Fassadenmaterialien gerügt – auch hier kam die Liberalität, die der Gemeinderat bei der Gestaltung der Neubauten walten lies, nicht gut an.161 Besonders kritisch wurde es für die Dörfer, wenn die Preisrichter neben einer mangelnden Berücksichtigung denkmalschützerischer Gesichtspunkte auch noch eine zu starke Anlehnung an städtische Bauformen erkannten. Unter dem Vorzeichen des Denkmalschutzes tauchten hier wieder alte Kritikpunkte der Heimatschutzbewegung auf: So hieß es etwa über das Dorf Windhagen, südlich von Bonn in der Pfalz gelegen: »In den neuen Baugebieten und bei Einzelbau­ objekten im Ortszentrum ist die Wahl bezüglich der Gebäude-Dachformen sowie des Materials und der Farben sehr unterschiedlich ausgefallen. Hier zeigt sich deutlich der Einfluß aus städtischen Bereichen zugezogener Bürger [aus Bonn]. Eine Orientierung an ländlichen und traditionellen Bauformen ist nicht erkennbar.« Ähnliche Kritik mussten sich im Übrigen auch die privaten Gärten im Ort gefallen lassen; über sie hieß es: »Die überwiegend als moderne Zier­ gärten gestalteten Freiflächen weisen einen großen Bestand von Fichten und anderen Koniferen auf. Auch hier wird der Einfluß städtischer Gestaltungs­ tendenzen deutlich.«162 Nicht nur die Kritik an der Verstädterung der Dörfer war also auf einmal wieder aktuell, sondern auch die alte Forderung nach einer bodenständigen Bepflanzung des privaten und öffentlichen Grüns. Dies zeigt sich umgekehrt auch bei der Bewertung der Golddörfer. Das erst zwei Jahre zuvor in die Stadt Schmallenberg eingemeindete Dorf Fleckenberg etwa wurde nicht nur für die Bushaltestellen im »Fachwerkstil« gelobt, sondern für die gesamte bauliche Gestaltung. Durch gute Beratung in Verbindung mit lebendiger Tradition und strikten Gestaltungsvorgaben habe man ein geschlossenes Ortsbild erreicht, das sich unter anderem durch »Firstrichtungen parallel zu den Höhenlinien, Satteldach, einheitliche Dachziegel« auszeichnete.163 Natürlich bot Fleckenberg auch ein reges Vereinsleben, eine traditionelle Be­pflanzung mit »Wirtschaftsgärten« und nicht Ziergärten sowie eine funk­ 159 Ebd., 19. 160 Ebd. 161 Ebd., 42. 162 Ebd., 103. 163 Ebd., 32. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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tionierende Infrastruktur.164 Wesentlich für den Gewinn der Goldmedaille war in den späten 70er-Jahren aber nicht, dass man es geschafft hatte, eine moderne Infrastruktur aufzubauen, sondern das traditionelle Gesicht des Ortes bewahrt hatte. Der Ort wurde sogar explizit dafür gelobt, wie die »landwirtschaftlichen Betriebe den Kern des Ortes« bilden und »erhalten werden konnten.«165 Dies steht im direkten Gegensatz zu der zwei Jahrzehnte zuvor lang propagierten Aussiedelung der Höfe aus den Dörfern. Es gab allerdings nach wie vor die Orte wie Fleisbach in der Nähe von Wetzlar, wo »zur Auflockerung des Ortskerns« insgesamt 29 »Gebäudeeinheiten« abgerissen wurden.166 Das Dorf gewann trotzdem Gold, da man die Baufälligkeit all dieser Gebäude hatte nachweisen können. Hier wurde noch einmal die Verbreiterung der Bundesstraße gelobt und die konsequente Ausrichtung auf »die Funktion Wohnen und Naherholung« positiv hervorgehoben. Letztlich aber stellt Fleisbach damit die große Ausnahme im Wettbewerb von 1977 dar. Repräsentative Siegerdörfer sind das erwähnte Fleckenberg oder Oberleiterbach in Franken. In dem winzigen Dorf mit 250 Einwohnern standen immerhin 19 Gebäude und Hofkomplexe auf der Denkmalschutzliste  – jeglicher Kunststoff war aus dem Dorf entfernt worden.167 Im Dorfwettbewerb 1977 verabschiedeten sich die Preisrichter weitgehend von der modernen Funktionslogik, die den Wettbewerb die letzten zehn Jahre geprägt hatte; Kultur und Tradition hielten wieder Einzug bei Unser Dorf soll schöner werden. Dies hieß nicht dass die Verantwortlichen des Wettbewerbs ihren Gestaltungsanspruch aufgegeben hätten, doch Gestalten bedeutet nun nicht mehr Neuordnung sondern Verwaltung des Gegebenen.

4.4.3 Denkmalschutz als Heimatschutz Es hatte einen Grund, dass die Mitglieder der Bundesbewertungskommission, die im Jahr 1977 nur aus 11 Mitgliedern bestand (die beiden weiblichen Kommissionsteilnehmer fehlten), in diesem Jahr so sehr auf Belange des Denkmalschutzes achteten. Im Resümee über den Bundeswettbewerb des letzten Jahres stellte das Präsidium der DGG Anfang 1978 fest: »Bereits während des 9. Bundeswettbewerbs wurde vor allem von Seiten der Denkmalspflege gegen diesen Wettbewerb massive Kritik geäußert.«168 Verantwortlich wurde dafür der Deutsche Heimatbund gemacht, vor allem der Architekt Justinus Bendermacher. Der 164 Ebd., 31 165 Ebd., 32. 166 Ebd., 33. 167 Ebd., 60 f. 168 Archiv der DGG, Ordner Tätigkeitsberichte 1969–1991, Tätigkeitsbericht für den Zeitraum vom 01.09. bis 31.12.1977, 3. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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im Jahr 1905 geborene Bendermacher hatte 1943 mit dem Thema Die dörfli­ chen Hausformen der Nordeifel und ihre Beziehung zu Landschaft und Baustoff­ vorkommen promoviert und war danach als freischaffender Architekt und Ortsplaner tätig gewesen. Er war Mitglied des 1906 gegründeten Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz. Besonders in den 60er-Jahren war er in der Dorfinventarisation, also der Feststellung der gegeben Verhältnisse als Grundlage für weitere Planung, tätig.169 Obwohl Bendermacher zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seiner Kritik schon über 70 Jahre alt war, schien er einen Nerv zu treffen. In der Presse fand die Kritik des alten Heimatschützers auf jeden Fall ein breites Echo. So übernahmen etwa die Ruhr Nachrichten eine Meldung der dpa unter der Überschrift »Häuser für die Jury geopfert«, die Vorwürfe von Bender­ macher aufgriff.170 Dieser wurde in dem Artikel mit einer Studie zitiert, die den Titel »Dörfchen, Dörfchen auf dem Lande …« trug, und die der deutsche Heimatbund vorgelegt hatte. Die Zeitung zitierte den Architekten unter anderem mit den Worten: »Das gepflegte Geschmacksniveau ist miserabel, unwürdig und geht am eigentlichen vorbei, die Bewertungspraxis wirkt infantil.«171 Auch das von Olschowy und anderen nach dem ersten Wettbewerb im Jahr 1961 vermeintlich für immer aus der Diskussion verbannte Verdikt des Blumenschmuckwettbewerbs tauchte in leicht abgewandelter Form wieder auf. Bendermacher sprach vom »verunglückten Image eines Blumenkastenwettbewerbs«.172 Er kritisierte, dass alte Gebäude im Namen des schönen Dorfes aus Kostengründen lieber abgerissen würden statt sie zu renovieren. Das dies von einer Kulturnation auch noch honoriert würde, sei nicht hinnehmbar; so müsse sich der Wettbewerb als »staatliche Abreißaktion« bezeichnen lassen. Insbesondere wendete sich Bendermacher gegen eine ästhetische Modernisierung des dörf­ lichen Raumes mit den Mitteln der urbanen Moderne, die dazu führte, dass »die alten Holztüren zugunsten von messingverzierten Glastüren herausgeworfen werden« oder – ein immer wieder gerne genutztes Paradebeispiel für den ländlichen Raum – »selbst der Misthaufen kaschiert wird.«173 Diese Kritik war von anhaltender Dauer. Dies zeigte ein Artikel aus der Neuen Ruhrzeitung vom Oktober 1978. Dort wurde das Problem etwas differenzierter dargestellt und als ein Zielkonflikt geschildert zwischen dem Wunsch, den neu aufs Land ziehenden ehemaligen Stadtbewohnern eine Heimat zu bieten, und der Forderung, dass die Dörfer ihren Ursprung erhalten sollten – ein allgemeines Problem, das allerdings, wie der Autor meinte, »an der Kontro 169 Diese Informationen sind entnommen: Marco Kieser, Heimatschutzarchitektur im Wiederaufbau des Rheinlands. Köln 1998. 170 Häuser für die Jury geopfert, Ruhr-Nachrichten, 04.10.1977. 171 Ebd. 172 Ebd. 173 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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verse um den […] Bundeswettbewerb ›Unser Dorf soll schöner werden‹«, besonders deutlich würde.174 Auch in diesem Artikel wurde Bendermachers Verdikt vom »verunglückten Image eines Blumenkastenwettbewerbs« und der »staatlichen Abreißaktion« wiederholt. Als Gegenposition zitierte man in dem Artikel den Ministerialrat Wolfgang Ring, der mittlerweile im Bundeslandwirtschaftsministerium für den Bundeswettbewerb zuständig war. Dieser meinte zu den Vorwürfen: »Sollen wir ein ganzes Dorf verdammen, wenn der Ortskern stimmt, in den Neubaugebieten aber Steinmauern und Glastüren stehen?«175 Grundsätzlich bediente sich Ring des Arguments, das man auch schon in den frühen 60er-Jahren genutzt hatte, um die Kritik der Heimatschützer zurückzuweisen. Er machte deutlich, ein Eingehen auf die Forderungen Bendermachers würde dazu führen, dass die Entwicklung des ländlichen Raumes aufgehalten würde, was wiederum zu erheblichen Defiziten bei der Lebensqualität und infrastrukturellen Ausstattung für dessen Bewohner führen würde. Allerdings verstand es Ring, dieses Argument wesentlich medienwirksamer zu verpacken, als es noch seine Vorgänger getan hatten. Er betonte, »überkandidelte« Forderungen zum Erhalt der alten Bausubstanz dürften nicht dazu führen, »daß der Bauer weiter aufs Plumsklo geht.« Er verwies darauf, dass es sich bei dem Wettbewerb um einen »Strukturwettbewerb« handelte, dessen vornehmliche Aufgabe die »Neuordnung des ländlichen Raums« sei. Allerdings betonte er, müsse auch heutzutage die Erhaltung und Pflege historisch wertvoller Bauten Teil dieses Neuordnungsprozesses sein. Aus diesem Grund sei auch das Ziel des Denkmalschutzes in den Ausschreibungsrichtlinien für den Wettbewerb 1979 enthalten. Zudem würde in Zukunft auch ein Denkmalschützer in der Bundesjury vertreten sein.176 Damit hatte Ring zwar noch einmal die in den 60er-Jahren etablierte Zielrichtung des Wettbewerbs bestätigt, gleichzeitig aber war deutlich geworden, dass sich die Einwände der Heimatschützer nicht mehr so einfach in interner Runde beiseite wischen ließen. Zwar hatte der Vorstand der DGG zunächst durchaus versucht, die vor­ gebrachte Kritik wegen ihrer »unsachlichen Argumentation« zu ignorieren und sie zunächst vor allem als Hinweis auf »die Unkenntnis der Autoren um den Wettbewerb und seines Inhaltes« betrachtet und nicht als berechtigte Einwände gegen den Wettbewerb.177 So äußerte sich auch Diether Deneke öffentlich zur Sache. Der Landwirtschaftsminister und Vorstandsmitglied der DGG 174 Giselher Stark, Fürs »schöne Dorf« muß der Bauer nicht aus Plumpsklo, in: Neue Ruhrzeitung, 30.10.1978. 175 Ebd. 176 Giselher Stark, Fürs »schöne Dorf«. 177 Archiv der DGG, Ordner Tätigkeitsberichte 1969–1991, Zwischenbericht über Aktionen der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft für das 1. Quartal 1978, 2. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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kritisierte die »Schmähschrift« Bendermachers hart.178 Auch er wendete sich gegen »konservierende Schutzvorstellungen und elitäre Besserwisserei« von »Vorgestern« – die klassischen Vorwürfe gegen die konservative Heimatschutzbewegung.179 Für Deneke stellte der Wettbewerb eine Bürgerbewegung dar, und es empörte ihn, dass dieser als willfähriger Vollstrecker einer fehlgeleiteten Neuordnungspolitik präsentiert wurde. Doch insgesamt war die DGG und der Dorfwettbewerb durch die Vorwürfe Bendermachers sowie die (wie die DGG meinte) »einseitigen Presseberichte«, die zu einer »einseitigen Meinungsbildung« geführt hatten, beträchtlich unter Druck geraten.180 Man sah sich gezwungen, »die Wandlung vom konservierenden Heimatschutz zur zukunfts­ orientierten Landschaftsentwicklung, vom objektbezogenen Denkmalschutz zur ganzheitlichen Denkmalpflege«, die der Wettbewerb laut Dehner schon lange vollzogen hätte181, deutlicher zu kommunizieren. So passte man denn auch die Zielsetzung des Wettbewerbs ein weiteres Mal an. Dementsprechend hieß es im ersten Satz der Zielsetzung, es solle »die notwendige gesellschaftspolitische und strukturelle Neuorientierung des ländlichen Raums« betrieben werden.182 Die Grundlage für diese Neuorientierung – so viel machte die Preisrichter nun auch klar  – sollten allerdings die »historische Entwicklung und landschaftliche Gegebenheiten« sein.183 Die Organisatoren gaben also auch in der offiziellen Zielsetzung des Dorfwettbewerbs das große Projekt der Neuordnung des ländlichen Raumes nicht auf. Doch wurde immer deutlicher, dass seine Neuordnung und Modernisierung, wie sie bisher im Rahmen des Dorfwettbewerbs betrieben wurden, immer mehr an ihre Grenzen stießen und angegriffen wurden. Drei zentrale Gründe lassen sich hierfür nennen. 1. Trotz Rekordteilnahme ließen sich gerade bei den teilnehmenden Dörfern, aber auch darüber hinaus, Ermattungserscheinungen feststellen. Dies lag vor allem an den großen, für alle Beteiligten offensichtlichen Fortschritten, zu denen das Projekt der Modernisierung des ländlichen Raumes geführt hatte, beispielsweise im Bereich der Infrastruktur, der Vernetzung, des persönlichen Komforts und der Erwerbsmöglichkeiten für die Bewohner. Das Problem hierbei war, dass jede Anpassung, die im Rahmen der Neuordnung des ländlichen Raumes vor 178 Diether Deneke, Landschaftsentwicklung und Denkmalpflege als politische Zukunftsaufgabe. Wortlaut des auf der Jahresversammlung des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz am 18. Juni 1978 in Königswinter gehaltene Vortrages, in: Rheinische Heimatpflege, 15. Jahrgang, 1/78, 248. 179 Ebd. 180 Archiv der DGG, Ordner Tätigkeitsberichte 1969–1991, Tätigkeitsbericht für den Zeitraum vom 01.09. bis 31.12.1977, 3. 181 Deneke, Landschaftsentwicklung, 248. 182 Archiv der DGG, Ordner Tätigkeitsberichte 1969–1991, Tätigkeitsbericht für den Zeitraum vom 01.09. bis 31.12.1977, 3. 183 Ebd. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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genommen wurde, neue Entwicklungsprozesse zur Folge haben musste. Wie die Verantwortlichen des Dorfwettbewerbs niemals müde wurden zu betonen und auch der Bürgermeister von Westerheim so zutreffend formuliert hatte, war Stillstand gleich Rückschritt. Diesem Druck zur stetigen Veränderung wollten sich gerade jene Dörfer wie etwa Altenburschla, die in den 60er-Jahren viel erreicht hatten, in den 70er-Jahren nicht mehr stellen. 2. Eine weitere, auf den ersten Blick unauffällige Neuerung hatte sich in die Zielsetzung des Wettbewerbs im Jahr 1979 eingeschlichen. Man sprach nun nicht mehr von »Neuordnung«, sondern von »Neuorientierung«. Im Wandel dieser Begrifflichkeit spiegelte sich die zunehmende Planungskritik wider, wie sie etwa von Schmitt-Vockenhausen geäußert wurde. Die ungeheure Kom­ plexität des Prozesses der Neuordnung des ländlichen Raums, die sich im Laufe der Zeit geradezu exponentiell erhöhte, hatte es in den Augen vieler Verantwortlicher des Dorfwettbewerbs, wenn auch nicht aller – Lennart Bernadotte war hier eine Ausnahme – notwendig gemacht, immer mehr Planungsebenen ein­zuziehen und den Planern auf höherer Ebene immer größere Freiräume einzuräumen. Die Interessen einzelner Gemeinden oder Personen wurden dabei gerne als uninformierte Partikularinteressen wahrgenommen, die den großen Neuordnungsprozess behinderten. Der Dorfwettbewerb spielte dabei in manchen Fällen durchaus die Rolle des Vermittlers zwischen lokalen Interessen und übergeordneten Planungszielen. Auch wenn man seit Anfang der 70er-Jahre massiv daran arbeitete, den Wettbewerb als einen Weg der Bürgerbeteiligung darzustellen und zu nutzen, so war die Versuchung offensichtlich groß, den Wettbewerb dazu zu nutzen, durch eine Pseudobeteiligung in Randgebieten etwaige Widerstände aus der Bevölkerung zu befrieden. 3. Vor allem aber wurden die negativen Folgen des Neuordnungsprozesses mit der Zeit immer offensichtlicher. Dieser produzierte eben nicht wie versprochen immer schönere Dörfer, sondern – und hier lag der eigentliche Grund für den Erfolg der Kritik des Heimatschützers Bendermacher – Dörfer, die in den Augen der Zeitgenossen als hässlich galten. Die Zurückweisung der kulturellen und historischen Signifikanz der dörflichen Architektur und der sie umgebenden Landschaft, die auch im Rahmen des Wettbewerbs trotz gegenteiliger Ausgangssituation in den 60er-Jahren stattgefunden hatte, und die Betonung funktionaler und rationaler Aspekte wurden dem Dorfwettbewerb nun zum Vorwurf gemacht. Zentral war dabei, dass ein großer Teil der spezifisch länd­ lichen und regionalen Identität der ländlichen Gemeinden verloren ginge und es zu einer Suburbanisierung der Dörfer käme. Im Wesentlichen war dies eine Kritik an der Modernisierung des ländlichen Raumes, die von der Heimatschutzbewegung in dieser Form seit fast einhundert Jahren vorgebracht wurde. So ist es denn nicht verwunderlich, dass auch in den späten 70er-Jahren diese Kritik nicht von einer postmodernen Avantgarde vorgebracht wurde, sondern letztlich von denselben Männern wie seit den 1890er-Jahren. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Dabei hatten die Heimatschützer allerdings einen großen Schritt auf ihre alten Widersacher zugemacht, der ihren jetzigen Erfolg ganz wesentlich begründete: Aus den Heimatschützern waren Denkmalschützer geworden – dies bedeutete, auch die ehemaligen Heimatschützer gingen nicht mehr, wie bis in die 60er-Jahre, davon aus eine, wenn auch von allen Seiten bedrohte, lebendige Volks- und Regionalkultur vor den Attacken einer urbanen Moderne schützen zu müssen. Auch für sie waren die Reste ländlicher Kultur, die in den Dörfern noch existierten, die Artefakte einer untergegangenen Epoche – Denkmäler, deren Schutzbedürftigkeit sich aus ihrem Charakter als historisches Artefakt erklärte. Das Wiederaufflammen der Kritik der Heimatschützer bedeutete daher nicht eine Wiederkunft der alten Ideen von der Volkskultur, vielmehr hatten sich die Heimatschützer endgültig von der Vorstellung einer überzeitlichen, dem historischen Prozess enthobenen Volkskultur  – an die niemand mehr glaubte, die durch die NS-Herrschaft diskreditiert war und die keine Entsprechung mehr in der Realität hatte – verabschiedet und den historischen Wandel auch auf dem Lande anerkannt. Gleichzeitig war mit der Erklärung der alten Bausubstanz in den Dörfern allerdings auch ein vehementer Angriff auf die Funktionalisierung der Dörfer verbunden. Ein Denkmal unterlag nicht mehr der Funktionslogik, die im Dorfwettbewerb so lange propagiert worden war und hatte sich nicht praktisch als Wohn-, Wirtschafts- oder Erholungsraum zu bewähren. Der Schutz, der dem Denkmal zukam, entzog es gerade dieser Funktionslogik. Damit deutete sich auch Wandel in der ästhetischen Bewertung des Dorfes an, war diese ab Mitte der 60er-Jahre vor allem dem modernen Prinzip »form follows f­unction« verbunden, so ergab sich die Schönheit nun vor allem aus dem antiquarischen Charakter alter Dorfanlagen. Diese Antiquarisierung des Dorfes machte es wiederum als Lebensumfeld für diejenigen interessant, die einen ländlichen Lebensstil anstrebten. Dieser konkretisierte sich ästhetisch in den 80er-Jahren immer mehr in einem Landhausstil, der zu dieser Zeit zur vorherrschenden Bauform auf dem Lande wurde. Hier deutet sich eine Entwicklung an, die auch vom Dorfwettbewerb einen erneuten Kurswechsel verlangen sollte. Auch diesen ersten Schritt in eine Postmoderne sollte der Dorfwettbewerb, der in seinem Ursprung ganz sicher als Kind der Moderne bezeichnet werden kann, mit vollziehen und so seine Existenz bis heute sichern. Damit hatten die Verantwortlichen des Wettbewerbs die wesentliche Voraus­ setzung geschaffen, um in der öffentlichen Diskussion wieder Relevanz zu erlangen. Denn als historisches Artefakt hatten die alten Gebäude und Dorflandschaften eine wesentliche Bedeutung für die Gestaltung einer neuen ländlichen Identität, an deren Schaffung der Dorfwettbewerb so entscheidend mitgewirkt hatte. Einen »clean record« hingegen konnte der Wettbewerb weitgehend vorweisen, zumindest wenn es um die andere negative Folge der Modernisierungs­ © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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bemühungen der 60er- und 70er-Jahre ging: die Umweltzerstörung. Hier konnten die Verantwortlichen auf eine lange und weitgehend ungebrochene Tradition zurückblicken. Von Anfang an war man sich der Probleme, die mit einer Modernisierung des ländlichen Raumes für die Umwelt einhergehen würden, bewusst gewesen und hatte nach Lösungen gesucht, um die Belange der Umwelt mit der Neuordnung des ländlichen Raumes in Einklang zu bringen. Zwar war es den Verantwortlichen des Wettbewerbs nicht leicht gefallen, von einer kulturell geprägten und ästhetischen Sichtweise aus Natur und Landschaft um­ zuschwenken, doch mit Grünen Charta von Mainau zeigte sich bereits recht früh bei den wesentlichen Verantwortlichen ein differenziertes ökologisches Verständnis der Umweltfrage. Dies ermöglichte es dem Dorfwettbewerb, den sich ab Mitte der 70er-Jahre in diesem Bereich abzeichnenden Herausforderungen konsequent und zielgerichtet zu begegnen.

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Fazit

»Die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Wandlungen im ländlichen Raum sind umfassender und tiefgreifender als die so augenscheinlichen Veränderungen unserer Großstädte. Wirtschafts- und Lebensformen, die bis ins frühe Mittelalter zurückreichen, müssen aufgegeben werden und neue gefunden werden.«1 Diese Diagnose des Vorsitzenden der Bundesbewertungskommission Hans Ulrich Schmidt über den Zustand des ländlichen Raumes aus dem Jahr 1965 fasst prägnant die Gegenwartsanalyse zusammen, die am Anfang des Bundeswettbewerbs Unser Dorf soll schöner werden stand. Der rasante und radikale Wandel eines Raums, der sich in den Augen der Verantwortlichen des Dorfwettbewerbs in der Vergangenheit gerade durch seine Stabilität sowie langsame und geordnete Entwicklung ausgezeichnet hatte, verlangte nach einer Intervention – so sahen es die Gründer des Wettbewerbs wie Lennart Bernadotte oder Heinrich Wiepking und Gerhard Olschowy. Das Ziel war es von Anfang an, die radikalen Veränderungen so zu steuern, dass sie sich zukünftig in den Bahnen einer geordneten Entwicklung bewegten. Ohne eine solche befürchtete man Chaos und Fehlentwicklung, die bis zu einer Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen der bundesdeutschen Gesellschaft führen könnten. Der Wettbewerb sollte hingegen nie dazu benutzt werden, den Wandel generell aufzuhalten oder ihn gar rückgängig zu machen, sondern ihn zu gestalten. Das wichtigste Ziel, das mit dem Bundeswettbewerb verbunden wurde, war deshalb die Steuerung und Gestaltung von Entwicklung. Dabei zeigte der Wettbewerb eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit an den rasanten gesellschaftlichen Wandel, der sich in den 60er- und 70er-Jahren vollzog. Dreimal innerhalb kürzester Zeit richtete er sich völlig neu aus. Der Dorfwettbewerb Unser Dorf soll schöner werden reihte sich ein in eine Vielzahl von Maßnahmen, die in den 60er- und 70er-Jahren in der Bundes­ republik unternommen wurden, um Strukturwandel zu planen, zu ordnen und zu lenken. Anders als die meisten dieser Maßnahmen  – von der Agrarstrukturpolitik bis hin zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur  – ging die Initiative für den Dorfwettbewerb allerdings nicht von staatlichen Stellen aus, sondern beruhte auf dem Engagement einer Gruppe von Privatpersonen, die vor allem zu Beginn stark von Landschaftsgestaltern geprägt war, die ihre größten 1 Archiv der DGG, Ordner Bundeswettbewerb 1965, Kurzfassung der Ansprache von Dr. Hans Ulrich Schmidt, anlässlich der Feierstunde zum Abschluß des Bundeswettbewerbs 1965. »Unser Dorf soll schöner werden«, am 16.12.1965, 1. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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beruf­lichen Erfolge während der NS-Zeit erreicht hatten. Mit Graf ­Lennart ­Bernadotte fand diese Gruppe eine Integrationsfigur, mit der Insel Mainau einen Ort und mit der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft einen institutionellen Rahmen, die es ihr ermöglichten, ihre Ideen und Vorstellungen erfolgreich in den politischen Prozess der Neuordnung des ländlichen Raumes einzuspeisen. In diesen fanden damit Ideen Eingang, die für die 60er- und 70er-Jahre zunächst nicht mit diesem Prozess in Zusammenhang gebracht wurden. Dies sind Landschafts- bzw. Naturschutz, der Erhalt regionalen und lokalen (bäuerlichen) Wissens und der entsprechenden Kultur sowie die Integration und Beteiligung der ländlichen Bevölkerung am Neuordnungsprozess. Die Idee des Landschaftsschutzes, wie sie im Dorfwettbewerb propagiert wurde, verdankte sich besonders Heinrich Wiepking und seinem Schüler ­Gerhard Olschowy, der während der gesamten 60er-Jahre Mitglied der Bundes­ bewertungskommission war. Heinrich Wiepking entwickelte seine Vorstellungen über die Landschaft und ihre Bedeutung für die Gesellschaft seit den 20erJahren, ihre endgültige Ausformung erhielten sie allerdings um 1942 während seiner Mitarbeit am Generalplan Ost.2 Wiepkings Ansichten beruhten auf der Annahme, dass den Germanen bzw. Deutschen eine spezielle Gabe im Umgang mit der Umwelt gegeben sei. So seien sie, ganz im Gegensatz zu den slawischen Völkern Osteuropas, in der Lage, im Einklang mit der sie umgebenden Natur zu leben. Der Beweis für die These trat für Wiepking in der deutschen Kulturlandschaft für jeden sichtbar zutage, denn in ihrer Ordnung und Harmonie zeige sich, dass deutsche Bauern stets nachhaltig und verantwortlich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen umgegangen seien. Die Gegen­landschaft zur deutschen Kulturlandschaft manifestierte sich für ihn in den »Steppen« Osteuropas, die Wiepkings Meinung nach nicht natürlichen Ursprungs waren, sondern Ergebnis einer falschen und nicht nachhaltigen Nutzung der Umwelt durch die Slawen. Aus diesen Ideen leitete Wiepking nicht nur eine Rechtfertigung für die deutsche Besiedelung der militärisch in Besitz genommenen Gebiete Polens und der Sowjetunion ab; diese war für ihn notwendig, um im Osten wieder blühende Kulturlandschaften entstehen zu lassen, was mit einer slawischen Bevölkerung nicht möglich sei. Darüber hinaus forderte er vor Kriegsende, auch im Deutschen Reich sollte bei allen künftigen Planungen, die den ländlichen Raum betrafen, die umgebende Flora und Fauna mitberücksichtigt werden, um die besondere Beziehung des »Pflanzenvolks«, wie er die Deutschen bezeichnete, zu seiner Umwelt nicht zu zerstören. So sollte aus der Volksgemeinschaft eine

2 Auf die besondere Bedeutung des Generalplan Ost »Innovationsmotor« in diesem Fall für die Raumplanung macht auch Arianne Leendertz aufmerksam. Vgl. Leendertz, Ordnung schaffen, 143 f. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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»Landschaftsgemeinschaft« entstehen, in der weiterhin ein nachhaltiger Umgang mit der Umwelt gepflegt werden könne. In der Bundesrepublik erwies sich gerade Wiepkings Vorstellung vom Landschaftsschutz als Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung als anschluss­ fähig. Dazu musste allerdings das biologisch-rassische Gedankengut, das einen wesentlichen Teil  dieser Ideen ausmachte, ersetzt werden. Dies geschah zum einen 1961 in der Grünen Charta von der Mainau, in der die Idee des Landschaftsschutzes an das Grundgesetz angebunden wurde und nun dem Wohl aller Menschen zugutekommen sollte. Zudem fanden in diesem Rahmen erstmals ökologische Vorstellungen ihren Weg in den Landschaftsschutzgedanken. Für den Dorfwettbewerb noch wichtiger waren allerdings Gerhard Olschowys Bemühungen, das germanische »Pflanzenvolk« durch die »bäuerliche Volks­ kultur« zu ersetzen. Olschowy ging davon aus, es sei nicht eine quasi angeborene Fähigkeit der germanischen Rasse, die in der Vergangenheit das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur gesichert hatte, sondern dass die jahrhundertealte kulturelle Praxis des bäuerlichen Lebens und der Landwirtschaft die Umweltzerstörung verhinderte. In diesem Sinne entsprang die Fixierung des ersten Bundeswettbewerbs 1961 auf eine traditionelle, bäuerliche Gestaltung der Dörfer nicht einem kulturkritischen Ressentiment gegenüber der Moderne und den Veränderungen, die sie mit sich brachte, oder gar dem Wunsch nach der »Beglaubigung national­ kultureller Eigenarten«,3 sondern dem Wunsch, eine weitere, vor allem wirtschaftliche, Entwicklung der Bundesrepublik nicht durch einen verschwenderischen Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu gefährden. Dies so war Olschowy überzeugt, ließe sich am einfachsten erreichen, wenn man sich an der seit Jahrhunderten bewährten Praxis bäuerlichen Wirtschaftens und Lebens orientierte. Denn diese zeichnet sich gerade durch die Harmonie zwischen menschlichem Wirtschaften und Natur aus und fand ihren bildhaften Ausdruck in der bäuerlichen Kulturlandschaft. Schon mit dem zweiten Bundeswettbewerb 1963 und spätestens nach dem dritten Wettbewerb 1965 mussten Olschowy und seine Mitstreiter allerdings erkennen, dass es die bäuerliche Volkskultur nicht gab  – oder diese wie sie meinten, aufgrund des Strukturwandels verschwunden sei. Die meisten Ver­ antwortlichen von Unser Dorf soll schöner werden bedauerten diese Entwicklung; Olschowy etwa versuchte noch jahrelang, durch den Wettbewerb Reste der bäuerlichen Volkskultur zu retten. Andere, wie der Bundespräsident Heinrich Lübke, sahen schon 1963 eher die Chance zu einem echten Neuanfang, befreit von den Zwängen jahrhundertealter bäuerlicher Tradition. Auf jeden Fall entstand durch den Untergang des »alten Dorfes«, das noch von der »bäuerlichen Volkskultur« geprägt war, eine Lücke, die es durch den Wettbewerb zu schlie

3 Schmoll, Die Vermessung, 284. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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ßen galt. Es war nun nicht mehr klar, nach welchen Ordnungsparadigmen der ländliche Raum in Zukunft gestaltet werden sollte und in welche Richtung dessen Entwicklung gehen sollte. Mit dieser Unsicherheit schlug die Stunde einer funktionalen Raumdefinition und damit auch von Planung und Experten. Hatte sich bisher die Ordnung des ländlichen Raums aus der vermeintlich natürlich gewachsenen bäuer­ lichen, in der NS-Zeit völkischen, kulturräumlichen Gliederung desselben ergeben, so wurde der Raum nun über seine Funktion als Wirtschafts-, Wohn-, und Er­holungsraum geordnet. Mit diesem Übergang vom Kulturraum zum Funktionsraum sollten nun von Experten erstellte Landschafts- und Grün­ ordnungspläne einen geordneten Fortschritt im ländlichen Raum ermöglichen. Bis hinunter auf die lokale Ebene wurden nun Experten – oft waren es Gärtner und Landschaftsgestalter – eingesetzt, die Pläne ausarbeiteten und über deren Umsetzung in den Dörfern wachten. Im Bundeswettbewerb zeigte sich ihr Wirken darin, dass der vorausschauenden Planung und der Implementierung dieser Planung immer größerer Wert beigemessen wurde. Das Ziel gerade der Landschafts- und Grünordnungspläne war es dabei, weiterhin eine umweltverträg­ liche und ressourcenschonende Entwicklung auf dem Land zu ermöglichen. Die Bauern verloren dabei als traditionelle Wahrer des natürlichen Gleich­ gewichts im ländlichen Raum zusehends an Bedeutung. Ab Mitte der 70erJahre (implizit deutet sich dies – etwa bei Lübke – schon seit den frühen 60erJahren an) wurden sie von den Verantwortlichen des Dorfwettbewerbs teilweise nur noch als die Vertreter von Partikularinteressen wahrgenommen, die einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raumes mit ihren überholten Vorstellungen eher im Weg standen, als dass sie diese befördert hätten. An ihre Stelle sollte in den Augen der Initiatoren nun der aufgeklärte »verantwortungsbewusste Bürger« treten, der es nicht mehr dem Staat und seinen Planern überließ, die Entwicklung seines eigenen Lebensumfeldes zu gestalten, sondern diese Neuordnung selbst in die Hand nahm. Er war sich dabei, was unter anderem als das Ergebnis jahrelanger »Volksbildung« vor allem auch durch den Dorfwettbewerb gesehen wurde, der Gefahren eines unverantwortlichen Umgangs mit der Umwelt bewusst und würde, um eine negative Beeinträchtigung seines Lebens­ umfelds zu verhindern, korrigierend eingreifen. Die »Entbäuerlichung des Dorfes« stellt sich somit zumindest in diesem Fall durchaus auch als das Ergebnis politischer Entscheidungen dar und nicht nur als zwangsläufige Folge der schwindenden wirtschaftlichen Bedeutung des Agrarsektors. Die Vorstellung vom Bewohner des ländlichen Raumes als »verantwortungsbewusster Bürger« stand am Ende eines Konflikts, der den Wettbewerb fast von Anfang an geprägt hatte. In dessen Zentrum stand das Verhältnis zwischen steuernder Planung und unabhängigem bürgerlichen Engagement. Ein Faktor, der die Organisatoren des Bundeswettbewerbs im Jahr 1961 tatsächlich überraschte, war das hohe Maß an Eigenleistungen, welches die Bewohner des länd© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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lichen Raumes aufbrachten, um ihre Dörfer zu verschönern. Man führte dies auf die in den Dörfern wider Erwarten immer noch intakte Form des Zusammenlebens in einer Dorfgemeinschaft zurück. Um diese weiterhin zu erhalten, wurde im Wettbewerb deshalb auch Wert auf die Integration ortsfremder Gruppen, zunächst Heimatvertriebener, später vor allem Pendler gelegt. Schon nach dem ersten Dorfwettbewerb 1961 wurde den Organisatoren des Wettbewerbs die große finanzielle Bedeutung der Selbsthilfe deutlich. Ab etwa 1965 waren es besonders Bürgermeister und Landräte, aber auch Funktionäre der kommunalen Spitzenverbände, die erkannten, dass sich hier gerade für kleine Dörfer eine Möglichkeit bot, die Modernisierung ihrer Gemeinden vorzunehmen, was ansonsten ihre fiskalischen Mittel übersteigen würde. Aus diesem Grund unterstützten die Organisatoren ein eigenverantwortliches Vorgehen der Dörfer bei der Neuordnung ihrer Gemeinden – ihnen war klar, dass die beträchtlichen Leistungen an Arbeitskraft und Geld von den Dorfbewohnern nur dann aufgebracht würden, wenn diese auch die Entscheidungen über die Modernisierungsmaßnahmen in ihren Dörfern selbst fällen konnten. Diese Eigenverantwortlichkeit wurde allerdings von den Planern gerade auf lokaler Ebene kritisiert. Sie wandten ein, in den Dörfern sei nicht das notwendige Wissen vorhanden, um eine sinnvolle Modernisierung durchzuführen und daher könne es zu »Fehlinvestitionen« und falschen Entwicklungen kommen. Ein weiteres wichtiges Argument der Planungsbefürworter war die Notwendigkeit, die lokale Planung mit regionalen und nationalen Planungsvorhaben ab­ zugleichen, um ein sinnvolles Ineinandergreifen auf allen Ebenen zu gewährleisten. Auf keinen Fall sollte es zu einem unabgestimmten Nebeneinander lokal begrenzter Vorhaben kommen. Nach Ansicht der Experten konnte diese Abstimmung nur auf übergeordneter, das heißt auf Landes- wenn nicht auf Bundesebene zustande kommen. Dem Dorfwettbewerb kam dabei die Funktion eines Koordinators der Planung auf lokaler Ebene zu. Zudem erschien der Dorfwettbewerb nun den Vertretern von Ministerien und Planungsbehörden als ein hervorragendes Mittel, mit dem sich bürgerschaftliches Engagement und übergeordnete Planung vereinbaren ließen: Einerseits unterstützte und motivierte Unser Dorf soll schöner werden Selbsthilfe sowie Bürgerinitiativen und honorierte diese, andererseits ergab sich über die Bewertungskriterien die Möglichkeit, das Engagement der Dorfbewohner in eine bestimmte Richtung zu lenken, ohne mit gesetzlichen Mitteln oder sonstigen Zwängen arbeiten zu müssen. Vor allem aber ergab sich hier eine zentrale Steuerungsmöglichkeit für viele tausend Dörfer im gesamten Bundesgebiet, ohne dass die Planer jeweils vor Ort sein mussten. Dementsprechend wurde der Planung in den Bewertungskriterien des Dorfwettbewerbs auch eine stetig zunehmende Bedeutung während der 60er-Jahre eingeräumt. Gleichzeitig erkannte auch das Bundeslandwirtschaftsministerium die Wichtigkeit des Wettbewerbs und sah in ihm die Möglichkeit, Einfluss auf lokale Planungsvorhaben zu gewinnen. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Erst nach Durchführung des fünften Dorfwettbewerbs 1969 geriet die Planung deutlich in die Kritik. Nach dem Wettbewerb 1973 äußerten Bundestagsabgeordnete der FDP und der SPD, die dem Wettbewerb verbunden waren, deutliche Bedenken darüber, dass staatliche Planung lokales Engagement zu stark einschränken könnte. Diese Bedenken richteten sich allerdings nicht gegen den Wettbewerb – im Gegenteil, er galt jenen Kritikern und anderen Politikern nun als »Bürgerinitiative« par excellence, die schon immer die Mitwirkung des Bürgers an erste Stelle gerückt hatte. An dieser Neuausrichtung zeigt sich auch die große Flexibilität des Wettbewerbs, dessen Zielsetzung und Aufgaben sehr schnell angepasst werden konnten. Planung war zwar weiterhin ein Kriterium des Wettbewerbs, im Vordergrund stand nach 1973 allerdings das Ziel, die Bürger in die Maßnahmen zur Neuordnung des ländlichen Raumes mit einzubeziehen und »ihnen bei der Durchführung der dafür erforderlichen Maß­ nahmen einen Raum zur Mitbestimmung zu sichern.«4 Für diesen Sinneswandel waren vor allem drei Gründe verantwortlich: Zum einen wurde immer offensichtlicher, dass der Infrastrukturausbau und die Angleichung der Lebensverhältnisse in den kleinen Gemeinden fiskalisch nicht mehr zu bewältigen war. Aus diesem Grund kam den freiwillig erbrachten Eigen­leistungen der Dorfbewohner wieder eine größere, auch finanzielle, Bedeutung zu. Die mangelnde fiskalische Leistungskraft der kleinen Gemeinden war auch einer der Hauptgründe für die Gemeindereform, in der viele Dörfer ihre politische Selbstständigkeit verloren. Dies wiederum stellte eine weitere Ursache für die Betonung der Mitbestimmungsrechte der Dorfbewohner im Rahmen des Bundeswettbewerbs dar. Die Beteiligung der Bürger am Dorfwettbewerb und die Möglichkeit zur Gestaltung des eigenen Lebensumfelds im Rahmen des Wettbewerbs galten als ein Ausgleich für die verlorengegangene kommunale Selbstverwaltung und sollte dafür sorgen, dass sich die Dorfbewohner weiterhin mit ihren Ortsteilen identifizierten und Verantwortung für diese übernahmen. Nicht zuletzt stimmte zudem die Betonung von bürgerschaftlichem Engagement und Selbsthilfe mit den großen politischen Linien der sozialliberalen Bundesregierung überein, die »mehr Demokratie wagen« wollte. Dies alles erklärt allerdings nicht, warum Tausende Dörfer an Unser Dorf soll schöner werden teilnahmen. Schließlich war der Wettbewerb nicht deshalb so bedeutend, weil hier Überlegungen darüber angestellt wurden, in welche Richtung eine Neuordnung des ländlichen Raumes gehen sollte. Anscheinend enthielt der Wettbewerb auch für die Dörfer ein Angebot, das die Teilnahme lohnend erscheinen ließ. Um genauer zu klären, welche Erwartungen die Dörfer an den Wettbewerb hatten und wie dieser vor Ort umgesetzt wurde, sind in

4 Archiv der DGG, Ordner Abschlußberichte, Abschlußbericht Siebenter Bundeswettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, 34. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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der vorliegenden Arbeit deshalb drei Dörfer näher untersucht worden. Für alle drei untersuchten Dörfer gilt, dass die lokale Umsetzung von Unser Dorf soll schöner werden ebenso stark von den konkreten Gegebenheiten vor Ort abhing, wie von den durch die Bewertungskommission aufgestellten Richtlinien. In jedem Ort waren historische Ereignisse präsent, die die Entwicklung der Dörfer in den 60er- und 70er-Jahren prägten und damit auch bestimmten, wie der Wettbewerb sich in den jeweiligen Dörfern ausformte. Im schwäbischen Wester­ heim war es die Zerstörung durch den Krieg im Jahr 1945, im hessischen Altenburschla die innerdeutsche Grenze und der Mauerbau, im siegerländischen Niederdreisbach das Ende des örtlichen Stahlwerks Niederdreisbacher Hütte. Aufgrund konkreter historischer Ereignisse war in diesen Dörfern die Notwendigkeit entstanden, sich neu zu orientieren und zu verändern – Unser Dorf soll schöner werden bot allen drei Orten die Chance dazu. Der Wettbewerb lieferte mit seinen Bewertungskriterien eine wichtige Orientierungshilfe und vermittelte auf sehr niedrigschwelliger Ebene Entwicklungsziele von Planern, Behörden sowie Landes- und Bundesministerien. Gleichzeitig schuf er einen institutionellen Rahmen, in dem sich die Bewohner der Dörfer selbst an der Neuordnung des ländlichen Raumes beteiligen konnten. So war der Wettbewerb ein wesentlicher Vermittler zwischen staatlicher Neuordnungspolitik und den Interessen der ländlichen Bevölkerung. Die öffentliche An­ erkennung, die eine Teilnahme am Bundeswettbewerb oder gar die Verleihung einer Goldplakette mit sich brachte, war dabei eine starke Antriebsfeder für ganz erhebliche Eigenleistungen der Bevölkerung  – auch in finanzieller Hinsicht. Dabei waren die Dorfbewohner oder zumindest die Dorfbürgermeister sehr wohl in der Lage, über die Grenzen des Dorfes hinauszublicken und ließen sich nicht durch den vermeintlich beschränkten Horizont ihres ländlichen Daseins behindern. Durch die Öffentlichkeit, die eine Beteiligung am Wettbewerb zumindest auf Bundesebene mit sich brachte, konnten die Dorfbewohner die eigene Heimat von außen, quasi aus der Perspektive eines Besuchers betrachten. Dies half ihnen dabei, sich so neu zu erfinden, dass sie über die Grenzen des eigenen Dorfes hinaus in wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge eingebunden wurden. Alle drei Dörfer fanden dabei eine Identität oder – vielleicht passender – ein Label, welches es ihnen erlaubte, sich sowohl nach innen zu stabilisieren als auch nach außen zu präsentieren: Altenburschla wurde im Laufe der 60er-Jahre zu einem der deutschen Vorzeigedörfer an der innerdeutschen Grenze, Niederdreisbach beschrieb sich selbst als idyllischen und günstig gelegenen Wohnort und Westerheim entwickelte sich zu einem modernen Erholungsort. Mithilfe des Wettbewerbs war es den Dörfern gelungen, die negativen Ereignisse der Vergangenheit positiv umzudeuten und zu einem konstruktiven Teil der eigenen Geschichte und des Dorfes zu machen. In Altenburschla bedauerte man nicht länger den Verlust des thüringischen Hinterlands, die innerdeut© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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sche Grenze war in den 70er-Jahren ein fester Bestandteil des Ortes geworden. In dem schmucken Dorf mit seinen größtenteils renovierten Fachwerkhäusern profitierten die Bewohner von den Besuchen politischer Prominenz, aber besonders von den vielen Tages- und Übernachtungsgästen, die sich hier einen Eindruck vom Grenzgebiet verschafften. In Niederdreisbach erinnerte man sich in den 70er-Jahren durchaus noch an die lange Tradition der Eisenverhüttung, allerdings war es durch das Verschwinden des Stahlwerks möglich geworden, sich als umweltfreundlicher und gesunder Ort zu definieren; das Betonwerk, das die Stahlproduktion ersetzte, betonte dabei stets, dass man im Einklang mit der Natur produzierte. In Westerheim schließlich war die Erinnerung an die Schrecken des Krieges durch den Stolz auf eine Wiederaufbauleistung überdeckt worden, die es ermöglicht hatte, aus dem armen Dorf auf der schwäbischen Alb eine prosperierende Gemeinde zu machen. Gleichzeitig zeigte sich besonders am Beispiel Westerheims, wie stark die Selbstinszenierung der Orte von einigen Persönlichkeiten abhängig war. Hier trieb der Bürgermeister seine Mitbürger regelrecht dazu an, vor dem Besuch der Bundesbewertungskommission den Ort entsprechend herzurichten. Das Bild, das der Kommission präsentiert wurde, hatte wenig mit dörflichem Alltag zu tun. Trotzdem waren die Dorfbewohner offensichtlich bereit, sich an der Inszenierung zu beteiligen, da man Anerkennung und Prestige, die sich aus einer Teilnahme am Bundeswettbewerb ergeben konnten, durchaus zu schätzen wusste. Denn auch wenn Ursache und Richtung des Handelns in den Dörfern sich immer aus den lokalen Gegebenheiten und der lokalen Geschichte herleiteten, wollte man doch an der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik teilhaben.5 Der Dorfwettbewerb lieferte eine Möglichkeit dazu – die Anerkennung durch die Bundesjury war in diesem Fall gleichbedeutend mit gesamtgesellschaftlicher Honorierung für die erbrachten Leistungen, die Siegerehrung in Bonn und später in Berlin war auch ein feierlicher Akt der Bestätigung der Bedeutung, welche die Siegerdörfer für die Bundesrepublik hatten. Hat also der Wettbewerb Unser Dorf soll schöner werden einen wesentlichen Beitrag zur Neuordnung des ländlichen Raumes und zu dessen Modernisierung geleistet? Die Verantwortlichen des Dorfwettbewerbs und auch die Beamten und Politiker im Bundeslandwirtschaftsministerium sowie in den Landesministerien für Landwirtschaft sahen es auf jeden Fall so. Und auch in den Dörfern, die sich zu Tausenden am Wettbewerb beteiligten, nahm man die Anleitungen und Zielsetzungen des Dorfwettbewerbs offen auf, auch wenn die Gemeinden dafür oft individuelle Gründe hatten. Die Leitbilder des Wettbewerbs fanden großflächig Eingang in die Neuordnung des ländlichen Raumes der Bundesrepublik in den 60er- und 70er-Jahren. Dabei wurden auch Ideen zum



5 Troßbach, Die Geschichte des Dorfes, 267. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Landschafts- bzw. Umweltschutz sowie der bürgerlichen Selbsthilfe schon sehr früh in den Neuordnungsprozess integriert. Dabei war der Wettbewerb vor allem ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik, auf die er überraschend flexibel und schnell reagierte. Dies war auch deshalb möglich, da er unter der Leitung L ­ ennart Bernadottes immer ein sehr offenes Forum bot, in das neue Ideen schnell Eingang fanden. Nicht zu unterschätzen ist allerdings auch die Bedeutung, die der Wettbewerb zu Beginn für die Landschaftsgestalter der NS-Zeit um Heinrich Wiepking darstellte. Sie fanden hier eine Möglichkeit, ihre Ideen von Landschaftsgestaltung auch in der Bundesrepublik umzusetzen. Doch schon die Dorfwettbewerbe während der NS-Zeit, die mit ihrem Denken in den Kategorien des Volksraums fest jenem »antihistoristischen Denken« verhaftet waren, das Doering-Manteuffel als Kennzeichen der ersten »Zeitschicht« der Moderne versteht,6 strebten eine Entwicklung des ländlichen Raumes an. Dies bedeutete aber die Rückgängigmachung der negativen Einflüsse, die im Laufe des historischen Prozesses die Volkskultur und damit auch die Landschaft kontaminiert hatten und zu negativen Entwicklungserscheinungen im ländlichen Raum geführt hatten. Dies gilt in ähnlichem Maße, allerdings ohne das rassistische Element, auch für die Vorstellungen vom bäuerlichen Kulturraum, wie sie Olschowy propagierte. Wesentlich war für eine zukunftsorientierte Neuordnung des ländlichen Raumes, daher der Wandel der Raumvorstellungen ab Mitte der 60er-Jahre. Erst jetzt gingen die Verantwortlichen des Wettbewerbs von einem Funktionsraum aus, in dem strukturelle Aspekte im Zentrum standen und der Raum damit, anders als ein überzeitlicher Volks- oder auch Kulturraum, einer auf Fortschritt zielenden Gestaltung offen stand.7 Dieser Funktionslogik hatten sich auch die Dörfer zu fügen, wollten sie beim Dorfwettbewerb erfolgreich sein. Ein Dorf, das diese Funktionen nicht zumindest teilweise erfüllen konnte, hatte beim Wettbewerb keine Chance. Lokal verwurzelte Traditionen, kulturelle Normen oder das von James C. Scott so hoch geschätzte lokale Wissen spielten dabei zunächst keine oder nur eine unter­ geordnete Rolle. Es hat sich allerdings gezeigt, dass auch der Neuordnungsprozess auf funktionsräumlicher Basis in der Bundesrepublik nicht ohne Beteiligung der vor Ort ansässigen Bevölkerung möglich war. Auch wenn vor allem die Experten für das »dörfliche Grün« und Planungsbefürworter versuchten, diesen Einfluss möglichst gering zu halten, so waren sie eher Vertreter einer »dezidiert gemäßigte[n] Vorstellung von social engineering«,8 wie sie Thomas Etzemüller etwa für Schweden konstatiert, und nicht jene »visionary intellectu

6 Döring-Manteuffel, Konturen, 53. 7 Ebd., 58 f. 8 Etzemüller, Social Engineering, 19. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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als and planners«, die der »hubris of forgetting that they were mortals and acting as if they were gods« »schuldig« waren. Zwar neigten die Planer des Dorfwettbewerbs dazu, sich selbst als »far smarter and farseeing than they really were« und gleichzeitig »their subjects as far more stupid and incompetent than they really were« zu betrachten.9 Doch wurden solche Stimmen stets begleitet von anderen Meinungen, die der Selbstbestimmung der Dorfbewohner elementare Bedeutung bei der Neuordnung des ländlichen Raumes beimaßen. Vor allem als das Bundeslandwirtschaftsministerium nach den Wahlen 1969 seinen Zugriff auf den Wettbewerb verstärkte, mehrten sich diese Stimmen. Nicht zuletzt waren die Bewohner der Dörfer oft bereit, der Funktionslogik zu folgen, versprach diese doch eine Anhebung des Lebensstandards und eine Beteiligung am gesamtgesellschaftlichten Fortschritt. Eines war der Dorfwettbewerb damit mit Sicherheit nicht: ein Mittel zur Durchsetzung zentralstaatlicher Herrschafts­ ansprüche auf der lokalen Ebene. Auch wenn sich durchaus einige Anzeichen in diese Richtung zeigten, wird stattdessen deutlich, wie vielschichtig das Phänomen der Neuordnung des ländlichen Raumes sich in der Bundesrepublik in den 60er- und 70er-Jahren präsentierte. Letztlich geriet der funktionsräumliche Ansatz Ende der 70er-Jahre selbst in die Kritik. Im Rahmen des Dorfwettbewerbs entzündete sich diese daran, dass man durch eine blinde Befolgung der Funktionslogik in den letzten zwei Jahrzehnten lokale traditionelle Baustile vernachlässigt und so statt schöneren Dörfern hässlichere geschaffen habe. Deshalb räumte man ab 1979 denkmalschützerischen Aspekten eine wichtige Rolle im Dorfwettbewerb ein. Die Entwicklung des ländlichen Raumes war damit aber nicht zum Stillstand ge­ kommen und erschöpfte sich nicht im Denkmalschutz. Sie war erneut in eine neue Phase getreten, die bis in die 80er-Jahre reichte, in der es darum ging, die nun als solche eingeschätzten Fehlentwicklungen der 60er-Jahre zu korrigieren. Ein großes neues Beschäftigungsfeld sollte sich dem Dorfwettbewerb dann in den 90er-Jahren eröffnen, als Graf Lennart Bernadotte von Helmut Kohl persönlich gebeten wurde, Unser Dorf soll schöner werden in die Neuen Bundesländer zu tragen, um dort  – ganz in der Tradition des Blumenschmuckwett­ bewerbs – bei der Errichtung blühender Landschaften zu helfen. Hier allerdings traf der Dorfwettbewerb auf gänzlich andere Bedingungen als in der Bundesrepublik der 60er- und 70er-Jahre, wo Unser Dorf soll schöner werden mit seiner Kombination aus Steuerung und bürgerlicher Beteiligung genau das richtige Mittel war, um den Strukturwandel des ländlichen Raumes zu begleiten und zu gestalten. 1997 wurde der Wettbewerb in Unser Dorf hat Zukunft umbenannt. Damit sollte die Entwicklungsperspektive des Wettbewerbs gestärkt werden. Seit etwa 1998 hat der Wettbewerb mit stark zurückgehenden Teilnehmerzahlen zu

9 Scott, Seeing Like a State, 342 f. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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kämpfen. 1998 erreicht die Teilnehmerzahl einen Höchststand von 5.592 teilnehmende Dörfern. 2010 nahmen noch 3.330 Dörfer am Wettbewerb teil.10 Die Frage ob mit der Umbenennung des Wettbewerbs eine weitere erfolgreiche Neuerfindung gelungen ist, bleibt zu diesem Zeitpunkt offen.

10 Zitiert nach Zahlen der Landwirtschaftskammer NRW: http://www.dorfwettbewerb. de/arbeitshilfen/statistik/2-03-03-3.pdf abgerufen am: 23.10.2012. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Danksagung

Diese Arbeit wurde im Frühjahr 2011 von der Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität als Dissertation angenommen und von Martin H.  Geyer, Margit Szöllösi-Janze und Clemens Pornschlegel begutachtet. Eine Förderung durch die FAZIT-Stiftung erleichterte den Abschluss der Arbeit erheblich. Christof U. Mauch, Helmuth ­Trischler und Frank Uekötter möchte ich für die Aufnahme in die Reihe Umwelt und Gesellschaft herzlichen Dank aussprechen. Martin H.  Geyer möchte ich besonders für die jahrelange Betreuung danken. Immer hat er die richtige Mischung aus Geduld und der manchmal nötigen insistierenden Ermunterung gefunden. Er ließ mir den Freiraum, um eigene Gedanken zu entwickeln, und bewahrte mich gleichzeitig davor, mich zu verrennen. Seine Freude an Ideen, seine Anregungen und die wunderbare kollegiale Arbeitsatmosphäre, die unter seiner Leitung im Oberseminar an der LMU herrschte, waren für die Arbeit an diesem Buch von unschätzbarem Wert. Mein besonderer Dank gilt auch Frank Uekötter, der als präziser und kenntnisreicher Leser die Veröffentlichung der Dissertation betreut hat. Daniela ­Gasteiger danke ich dafür, dass sie das Manuskript mit großer Kompetenz und Genauigkeit gelesen hat. Nepomuk Gasteiger, Franziska Torma und Ariane Leendertz haben mir in vielen spannenden Diskussionen dabei geholfen, den Durchblick zu behalten oder auch wiederzufinden. Dankbar bin ich ihnen auch für die Abende, an denen Sie mir halfen, den nötigen Abstand zu finden. Danken möchte ich auch Agnes Kneitz, die die Arbeit im Rachel Carson Center Korrektur gelesen hat. Bei Vandenhoeck & Ruprecht hat Daniel Sander mich geduldig durch die mir unbekannte Welt der Wissenschaftsverlage geleitet, dafür danke ich ihm. Die Mitarbeiter in den besuchten Archiven waren mir mit ihrem kompe­ tenten Rat eine große Hilfe. Das gilt in besonderem Ausmaß für die Gemeindevertreter in den besuchten Dörfern Altenburschla, Niederdreisbach und Wester­heim. Ganz besonderen Dank schulde ich auch der viel zu früh verstorbenen Gräfin Sonja Bernadotte, die mir den Zugang zu den Archiven der Deutschen Gartenbau Gesellschaft ermöglichte. Die Recherchen im alten Jagdhaus auf der Insel Mainau gehörten zu den schönsten Erinnerungen an meine ­Dissertationszeit. Ohne die Hilfe meiner Familie – insbesondere meiner Eltern –, hätte ich die Dissertation nicht einmal beginnen können. Ihre Ermunterungen zur rechten Zeit sowie ihre moralische und bisweilen fiskalische Unterstützung werde © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Danksagung

ich nie vergessen. Mein größter Dank gilt meiner Frau Beatrice Lampe; mit un­ endlicher Geduld hat sie mich durch die Fährnisse der Dissertationszeit begleitet. An langen Abenden und in mancher Nacht hat sie die Arbeit Korrektur gelesen und mit mir unermüdlich über den Inhalt diskutiert. Ohne sie gäbe es dieses Buch nicht.

© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

Quellen- und Literaturverzeichnis

Ungedruckte Quellen Bundesarchiv Koblenz (BA) B 116 B 122 B 134 B 136

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bundespräsidialamt Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Bundeskanzleramt

Bundesarchiv Berlin (BArch) R 3601 R 8034 II NS 25

Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft Reichslandbund-Pressearchiv Hauptamt für Kommunalpolitik

Bundespressearchiv Staatsarchiv Osnabrück Dep. 72b

Nachlass Heinrich Wiepking

Stadtarchiv Bielefeld NN Schmidt 200.99

Nachlass Hans Ulrich Schmidt

Gemeindearchiv Westerheim Reg. N. 366.2

Verschönerung des Ortsbildes

Gemeinde Altenburschla Ordner Nr. 16 Wichtige Unterlagen Ordner Nr. 21 Geschichtliches über Altenburschla Ordner Dorfwettbewerb Ordner Protokolle Wichtig Dorf Hefter Chronik aus Altenburschlas alten Tagen Hefter Altenburschla Chronik eines Dorfes Chronik Altenburschla 1953–1963 Gästebuch Protokollbuch der Gemeinde vom 17.11.1957 bis 20.02.1969 Protokollbuch der Gemeinde Altenburschla vom 15.04.1969 bis 1978 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Gemeinde Niederdreisbach Ordner Bundeswettbewerb 1975 »Unser Dorf soll schöner werden« Ordner Familienforschung Ordner Niederdreisbach ab 1940 Ordner Dreisbach im Wandel der Zeit/Geschichtliches

Verbandsgemeinde Daaden Ordner 7/11/10 Ordner 7/71/10

Industrieansiedlung II 1. Firmenlisten 2. Schreiben an Betriebe Industrieansiedlung III Verbundene Betriebe

Deutsche Gartenbau-Gesellschaft Ordner 5. Mainauer Rundgespräche Ordner Abschlussberichte Ordner AID 1964 Ordner Bundesjury 1967 Ordner Bundeswettbewerb 1965 Ordner Bundeswettbewerb 1967 Ordner Bundeswettbewerb 1969 Ordner Deutsche Gartenbaugesellschaft 1960–1970 Ordner Konferenzen Michelstadt/Würzburg 1966/67 Ordner Originale Protokolle Sitzungen 1–50 Sitzung 1956–1977 Ordner Pressekonferenz 24.11.1967 Ordner Schriftverkehr mit Gemeinden 1965 Ordner Sitzungen Präsidium 1956–1965 Ordner Tätigkeitsberichte 1969–1991 Ordner Unser Dorf soll schöner werden 1971 Karton Lose Akten

Gedruckte Quellen und Literatur Achilles, Walter, Die Entbäuerlichung des Bauern 1880–1913, in: Wolfgang Jacobeit, Josef Mooser, Bo Strath (Hrsg.), Idylle oder Aufbruch? Das Dorf im bürgerlichen 19. Jahrhundert. Ein europäischer Vergleich. Berlin 1990, 59–152. AID (Hrsg.), Bericht über die Bundesarbeitstagung »Unser Dorf soll schöner werden« vom 13. bis 16. Juli 1964 in Landau/Pfalz. Bad Godesberg 1964. Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts- und Finanzpolitik, Nr. 14/1972, 20. Januar 1972, 2–4. Alp Bahadir, Sefik (Hrsg.), Kultur und Region im Zeichen der Globalisierung. Wohin treiben die Regionalkulturen. Neustadt an der Aisch 2000. Andrasfalvy, Bertalan, Landbevölkerung oder Bauerntum?, in: Siegfried Becker (Hrsg.), Ländliche Kultur. Symposium für Ingeborg Weber-Kellermann. Göttingen 1989, 39–50. Ansprache des Präsidenten des Deutschen Gemeindetages, Dr. Felix Frh. V. VittinghofSchell, in: Deutscher Gemeindetag Nachrichten, Nr. 7/1967, 17. Februar 1967. Applegate, Celia, A Nation of Provincials. The German Idea of Heimat, Berkely u. a. 1990. Balcar, Jaromir, Politik auf dem Land. Studien zur bayerischen Provinz 1945 bis 1972. München 2004. © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Register

A »Ackervolk« 71 Adenauer, Konrad  28, 46 AFD siehe Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal Agrar-Informations-Dienst (AID)  105, 110, 124 f., 178 Agrarische Transition  11, 167; siehe auch Strukturwandel »Agraristische Leitbilder«  12, 14, 17 Agrarpolitik  112 f., 189, 191 Agrarsoziale Gesellschaft (e. V.)  162, 183, 190 Aichen 211 AID siehe Agrar-Informations-Dienst Allendorf 159 Allinger, Gustav  32, 41 f. Altenburschla  19 f., 52, 84–89, 92, 121, 194, 198, 205, 207, 217, 226 f. – Bundeswettbewerb 1963  121 – Dorfwettbewerb 1961  52, 85–89, 194, 197 – Dorfwettbewerb 1973  52 f., 194, 196–198 Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (AFD)  170, 183, 190 Außenreklame, Regulierung der  55, 66, 103 f., 107, 168 f. Authentizität  61, 211 B Bad Wiessee  59 Bäuerliche Kultur (auch Bauernkultur)  64, 67, 76, 97, 115, 126, 136, 221 Bäuerliche Tradition  22 Bäuerlicher Garten (auch Bauerngarten)  68, 94, 99, 115, 134, 148, 184, 211 – Tradition  66, 81, 94, 102; siehe auch Garten Bauern  11, 71, 73, 92, 102, 106, 120, 122, 126 f., 149, 209, 221, 223; siehe auch »Landvolk«, Landwirte Bauleitplan  90, 93, 101, 103 f., 108, 118, 144, 153, 198 Bauleitplanung  147, 153, 164 Bausubstanz, alte  66, 194, 210 f., 215, 218 Baustile, lokale traditionelle  229

Bautradition, lokale  64 Bebauungsplan  126, 154, 202 Bellersdorf  144, 173 Bendermacher, Justinus  213–217 Berater  85–88, 92, 110, 116–119, 123, 125, 130 f., 134 f., 137, 139–141, 153, 156 f., 160, 171 Beratung  92, 109 f., 117 f., 130, 134 f., 139 f., 146, 153, 156 f., 159, 161, 164, 212 Bernadotte, Lennart  9–11, 20, 24–32, 36, 42, 45 f., 54, 101, 128–130, 145 f., 160, 177 f., 188, 217, 220, 228 f. – als Integrationsfigur  28, 34 f., 144 f., 221 – Bedeutung für den Dorfwettbewerb  189 f., 193 – Kritik am Dorfwettbewerb  145 f., 177 Bewertungskommission siehe Bundes­ bewertungskommission Blumenschmuck  99, 184, 189, 198, 204, 211 »Blumenschmuckwettbewerb«  76, 98–100, 109, 189, 214, 229 Bottendorf  211 f. Breidenbach, Hans  202 f., 205 Bronzemedaille siehe Plaketten Bronzeplakette siehe Plaketten Buch (Gemeinde)  184 Buchwald, Konrad  31, 42–44, 136 Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege  32, 155, 157, 176, 179, 206 – Personen  27, 32, 42, 65, 151, 163, 176 Bundesarbeitstagung des AID  1964  124, 126, 129 f., 133 f., 138, 140 f., 153 Bundesbewertungskommission  23, 53, 65 f., 79 f., 86, 88–95, 98 f., 101, 106, 109, 121, 123, 143, 152 f., 162–165, 183–187, 189, 192–195, 198 f., 200 f., 204–207, 210 f., 226 f. – Personen  20, 31, 34, 53 f., 66, 99, 102, 107–109, 119, 138, 146, 148, 162, 172, 178, 183, 187, 190, 202, 206, 213, 220 f.; siehe auch Bundesjury, Bundesprüfungs­ kommission Bundesjury  142 f., 163–165, 170, 173, 177, 199, 204, 207, 214, 227

© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317112 — ISBN E-Book: 9783647317113

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Register – Personen  27, 143–145, 147, 170, 172, 190, 215; siehe auch Bundesbewertungskommission, Bundesprüfungskommission Bundeskanzler (Amt)  45, 118 Bundeslandwirtschaftsministerium (Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten)  21, 23, 25, 28, 31, 36, 47, 50, 54, 65, 80, 97 f., 109, 118 f., 125, 137, 152, 154, 169 f., 177–179, 183, 188 f., 191, 206, 224, 229 – Personen  16, 22, 32, 53, 99–102, 109, 129, 133, 136, 138, 152, 160, 163, 178, 183, 189 f., 215, 227 Bundespräsident (Amt)  36, 45 f., 84, 145 Bundesprüfungskommission  47, 172 – Personen  53, 100, 102, 190; siehe auch Bundesbewertungskommission, Bundes­jury Bundesregierung, sozialliberale  21, 23, 162, 174, 180, 182, 188, 193, 225 Bundeswettbewerb siehe Dorfwettbewerb Unser Dorf soll schöner werden Bürger  14, 17, 25, 131, 133, 137, 146, 156 f., 159, 176, 183, 185, 189, 192 f., 206–209, 223 – verantwortungsbewusster  9, 208–210, 223 Bürgerbeteiligung  14, 17 f., 101, 140, 143, 156–161, 173, 178, 188, 191, 193, 201, 206, 217, 225 f., 228 f. Bürgerinitiative  21, 130 f., 134, 162, 178, 192, 205, 208–211, 224 f. Bürgerschaftliche Eigenleistungen  10, 99, 134, 180, 185, 191, 223, 225 f.; siehe auch Bürgerschaftliche Selbsthilfeleistungen Bürgerschaftliche Eigenverantwortung  191 f., 207 f., 224 Bürgerschaftliche Emanzipation  192, 201 Bürgerschaftliche Mitbestimmung  14, 189, 193, 201, 207, 225 Bürgerschaftliche Mitverantwortung  191, 193, 207, 209 f. Bürgerschaftliche Mitwirkung  101, 118, 207, 225 Bürgerschaftliche Selbsthilfe  95 f., 109, 119, 130, 158, 165 f., 172, 192, 210, 224 f., 228; siehe auch Selbsthilfe, Prinzip der Bürgerschaftliche Selbsthilfeleistungen  100, 102 f., 107–109, 142, 144, 148, 166, 172, 180, 196, 206, 210, 224; siehe auch Bürgerschaftliche Eigen­leistungen

Bürgerschaftliches Engagement  16, 23, 88, 119, 134, 142 f., 146, 162, 166, 176, 178–180, 183, 185, 188, 192 f., 197, 201, 207–209, 211, 220, 223–225; siehe auch Bürgerbeteiligung, Bürgerinitiative, Bürgerschaftliche Selbsthilfe, Dorfwettbewerb Unser Dorf soll schöner werden, Planung, Staat Burghausen 59 C Cholewa, Werner  132 f., 135, 137 Custenlohr 211 D DAF siehe Deutsche Arbeitsfront Deagrarisierung  11, 16, 97 Demokratie  14, 16, 18, 74, 95, 119, 162, 173, 225 – freie Gesellschaft  14, 117 – Funktion des Dorfwettbewerbs für  97 – grassroot movements  96 f. – repräsentative 191; siehe auch Bürger, Bürgerbeteiligung, Bürgerinitiative, Bürgerschaftliche Eigenleistungen, Bürger­schaftliche Eigen­verantwortung, Bürgerschaftliche Emanzipation, Bürger­schaftliche Mitbestimmung, Bürgerschaftliche Mitverantwortung, Bürgerschaftliche Mitwirkung, Bürgerschaftliche Selbsthilfe, Bürgerschaftliche Selbsthilfeleistungen, Bürgerschaftliches Engagement, Dorfgemeinschaft, Modernisierungsprozess, Selbstbestimmung Deneke, Diether  35, 207, 209 f., 215 f. Denkmalpflege  213, 216 Denkmalschutz  162, 211–213, 215 f., 218, 229 Deutsche Arbeitsfront (DAF)  54–56, 59 Deutsche Gartenbaugesellschaft (DGG)  20, 22, 24–29, 31 f., 34–36, 47, 85–87, 143, 155, 159, 169 f., 176–179, 192 f., 198, 206, 209, 213, 215 f. – Durchführung des Dorfwettbewerbs  25, 36, 47, 53 f., 98, 118, 145, 157, 221 – Vertreter  9, 25 f., 28, 31, 42, 45 f., 53 f., 65, 100–102. 134, 138, 144 f., 160, 169, 176 f. Deutscher Gemeindetag  53, 102, 118, 125, 132, 155, 157 f., 162 f., 165 f., 157 Deutscher Landfrauenverband  101, 172, 183, 190, 206; siehe auch Landfrauen

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Register

Deutscher Landkreistag  53, 102, 157, 162 f., 165 f., 172, 206 DGG siehe Deutsche Gartenbaugesellschaft Dorf  9 f., 105, 115, 117, 126, 131, 152, 160, 163 f., 167, 175, 182, 202, 212, 218, 222, 229 – Begriff  135, 153 f. – Bewohner  115, 119 f., 125–131, 133, 135, 137, 141, 148, 151, 158, 182, 189, 225 f., 227, 229 – mit dörflichem Charakter  48, 134 f., 205 – mit geschlossenem Siedlungscharakter  13, 48, 127 f., 194, 212 – mit ländlichem Charakter  127, 135, 153 f.; siehe auch Gemeinde, Kommunale Selbstverwaltung, Land, Ländlicher Raum, Stadt »Dorf der neuen Ordnung«  125–131, 147, 159, 189; siehe auch Ordnung Dorfbild  55 f., 85, 107, 194, 199, 201 Dorfgemeinschaft  9, 13, 60, 67, 80, 83, 87 f., 92 f., 105, 107–110, 119, 123 f., 127–129, 131, 148 f., 160, 174 f., 200 f., 203–205, 224; siehe auch Gemeinschaftsgefühl, Nachbarschaftshilfe Dörfliche Eliten  20, 89, 141, 185 Dorfwettbewerb Unser Dorf soll schöner werden  9–11, 16, 14–25, 30 f., 34, 36–49, 54, 57, 64 f., 70, 73, 77, 79–91, 93, 100 f., 108, 116, 118 f., 125, 130, 137–139, 145 f., 148, 156–160, 168–173, 188, 193 f., 198–201, 205, 216, 220 f., 225–230 – Aufgaben (auch Funktionen)  17, 20 f., 37, 47, 93 f., 96 f., 107, 114, 118, 125, 130, 138 f., 142 f., 145, 147 f., 152, 155–158, 160–163, 166, 170, 172, 174, 177, 189 f., 192 f., 211, 215, 217, 220, 224, 229 – Bewertungskriterien  9 f., 17, 65–67, ­76–78, 101–104, 108, 151 f., 154–156, 160, 168, 184, 198 f., 201, 203, 225 f. – Fazit  17, 21, 25, 91–98, 101, 103, 105–110, 114, 116–118, 121–124, 127, 129 f., 138–141, 153, 156, 162–165, 172 f., 176 f., 179–188, 194–199, 204–213, 217 – Finanzierung  47, 86, 92 f., 98 f., 103, 108 f., 137, 163, 180, 191, 208, 224 – Kontinuität zur NS-Zeit  15 f., 24, 32, 64, 67, 70 f., 73–78, 149 f., 220 f. – Kritik am  91, 98–100, 134, 144–146, 152 f., 162, 176–179, 187 f., 192, 213–217, 225, 229

– Leitbilder  9 f., 17, 48, 127, 134 f., 153 f., 199, 205, 227 – Neuausrichtungen  21 f., 100–103, ­105–108, 117 f., 125–140, 146 f., 151–157, 159 f., 162, 170–172, 179 f., 189, 191–193, 206 f., 223, 229 f. – Öffentlichkeitswirkung  37, 46, 138, 143 f., 157, 179–181 – Planer  15 f., 20, 31, 67, 78, 81, 103, 130, 137, 140 f., 162, 166, 187, 201, 217, 223 f., 226, 229 – Teilnahmebedingungen  48–50, 101, 152–155 – Teilnahmebereitschaft  139, 144, ­225–227 – Teilnehmerzahlen  48–54, 106, 109, 138 f., 230, 226, 229 – Würdigung  10, 18, 21, 25, 44 f., 49 f., 54, 91 f., 95, 98, 101, 116, 118, 129 f., 153, 156, 162, 165 f., 168, 172, 178–181, 187–189, 191 f., 208 f., 225, 227 – Ziele  10 f., 16 f., 20, 37, 45 f., 76 f., 98 f., 102 f., 105–108, 114, 118 f., 125, 127 f., 130, 133, 137–139, 147 f., 156 f., 171 f., 174, 179, 186 f., 189, 191, 193, 216, 220, 225, 227; siehe auch »Blumenschmuckwettbewerb«, Bürgerschaftliches Engagement, Dorfwettbewerbe 1936–1938, 1961, 1963, 1965, 1967, 1969, 1971, 1975, 1977, 1979, »Golddorf«, Grüne Charta von der Mai­ nau, Plaketten, Planung, Siegerdörfer, Siegerehrung, Siegergemeinden Dorfwettbewerbe 1936–1938  54–64, 228; siehe auch Schönheit in Stadt und Land Dorfwettbewerb 1961  65–97, 101 Dorfwettbewerb 1963  99–104, 106–110, 121–124, 138 Dorfwettbewerb 1965  142, 145, 173 Dorfwettbewerb 1967  155, 157, 159, 162–168 Dorfwettbewerb 1969  172–182 Dorfwettbewerb 1971  183–188 Dorfwettbewerb 1973  194–206 Dorfwettbewerb 1975  206–211 Dorfwettbewerb 1977  211–213 Dorfwettbewerb 1979  211, 217 E Eigenständigkeit  92 f., 127, 158f, 176, 207; siehe auch Gemeinde Eingemeindungen  185, 195, 212; siehe auch »Wiehler Modell« Einzelbaum  71, 76, 212

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Register Eisenbeis, Georg  162, 165 f. Entagrarisierung  114, 147 Entbäuerlichung  11, 16, 97, 223 Erholungslandschaften  38–40, 43, 200 Erholungsraum  10, 43, 112, 129; siehe auch Wohn-, Wirtschafts- und Erholungsraum Ertl, Josef  23, 173–176, 178 f., 181 f., 186, 188 f., 191, 205 Experten  17, 42–45, 85–87, 105, 110, 116 f., 119 f., 123, 130 f., 135, 138, 141, 156, 160, 223 f., 228 F FDP  191, 193 – Personen  173, 190, 195, 225 Fehlinvestition  186, 224 Feierstunde der Dorfwettbewerbe siehe Siegerehrung Flächennutzungsplan  101, 103 f., 126, 154, 164, 175, 184, 195 Fleckenberg  212 f. Fleisbach 213 Flurbereinigung  36, 96, 101, 103 f., 112, 118, 127, 147, 154 Franken, Joseph Paul  12, 34, 42, 110–114, 118 Fremdenverkehr  48, 58, 61 f., 149, 163, 173, 186; siehe auch Tourismus Friedhöfe  58, 95, 169 f. Fristingen  59 f. Funktionsgerechtigkeit 133 Funktionsgesellschaft  40, 127–129, 135, 140 f., 164 f., 168, 175, 186 Funktionslogik  133, 150, 191, 193, 213, 218, 228 f. Funktionsraum 105, 140 f., 146, 160, 223, 228 f.; siehe auch Kulturraum, Raum, Raumverständnis G Garten  67 f., 100, 121 f., 148, 198, 212; siehe auch Bäuerlicher Garten Gartenarchitekt  69, 121, 135, 153 Gärtner  16, 21, 27, 30, 32, 34 f., 45, 53, 78, 125, 131, 141, 223 Gassner, Edmund  166–168 Gebäude siehe Häuser Gebietsreform  84, 176, 188; siehe auch Gemeindereform Gemeinde  10, 105, 132 f., 152–154, 157 f., 160, 165–167, 176, 187

– Eigenständigkeit der  103, 158 f., 166, 176, 185, 198, 201, 207, 225 – mit dörflichem Charakter  134 f. – mit ländlichem Charakter  135, 153 f.; siehe auch Dorf, Kommunale Selbst­ verwaltung, Land, Ländlicher Raum, Stadt Gemeindereform  17 f., 23, 192, 205–207, 225; siehe auch Gebietsreform Gemeindetag siehe Deutscher Gemeindetag Gemeinschaftsgefühl  92, 109 f., 185 Generalplan Ost  15, 41, 64, 67, 71, 221 Gesellschaft  43 f., 72, 78, 106, 109, 111, 116 f., 120, 126, 131 – siehe auch Funktionsgesellschaft, Zivilgesellschaft Gesellschaftspolitik  109, 190 Gestaltung  9, 16, 29, 33, 61, 72, 74 f., 79, 87 f., 97, 107, 187, 212 – dörfliche (auch ländliche)  18, 25, 45, 53, 71, 96, 100, 103, 115, 130, 137, 147 f., 151, 167–169, 175, 179, 187, 192 f., 207, 212 f., 218, 220, 222 f., 225, 228 f.; siehe auch Grüngestaltung, Länd­licher Raum, Landschaftsgestalter, Landschafts­ gestaltung, Landschaftspflege, Raum­ gestaltung Gestaltungswille  16, 36, 146, 176 »Golddorf«  9 f., 52, 135, 182 f., 185, 212; siehe auch Siegerdörfer, Sieger­ gemeinden Goldmedaille siehe Plaketten Goldplakette siehe Plaketten Görlach, Willi  207 Grasdorf 212 grassroot movements  96 f. Grünanlagen  29, 66, 81, 87, 99, 102, 121, 197 f., 203 Grüne Charta von der Mainau  24, 34, ­37–45, 70, 73, 150, 219, 222; siehe auch Dorfwettbewerb Unser Dorf soll schö­ ner werden, Landschaftsschutz, Naturschutz, Umweltschutz Grüne Woche (Messe)  179, 181, 188, 191 Grüner Plan  112; siehe auch Ländlicher Raum, Lebens­bedingungen, bessere Grüngestaltung  79, 81, 99, 102 Grünordnungsplan  38, 175, 184, 198, 223 Grünplan  90, 154 Grünplaner  137, 141, 228 Gundelsheim  183 f.

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Register

H Haber, Wolfgang  35 Hammler, Horst  25, 42, 54, 65, 100 f., 138, 144, 152 f., 162, 169 f., 179, 183 Harmonische Umwelt (Schmidt’scher Leitbegriff)  147 f. Hausbäume  67, 76, 79, 81 f., 102, 151, 211 Häuser (auch Bauten, Gebäude)  71, 77, 79, 148, 159, 164, 168, 196, 199, 211 f., 215, 218 – Abriss  81, 173, 213 f. – Bau  110, 119 f., 120, 123, 164, 196, 203 – Denkmalschutz  211, 214, 229 – Fachwerkhäuser  68, 79, 120, 194, 196, 202, 204, 211, 227 – Fassaden  58 f., 95, 104, 121, 143, 198 f. – lokale Einbindung  67, 120, 211 – Renovierung  87, 194, 197, 211, 227 – Zustand  9, 25, 58, 85, 173; siehe auch Denkmalschutz Heimat  9, 18, 60–62, 82 f., 88 f., 107 f., 133, 167, 201, 209, 214, 226 Heimatschutz  27, 32, 36, 38 f., 58, 61 f., 69, 169 f., 216 Heimatschutzbewegung  37, 39, 62, 168, 170, 212, 216 f. Heimatschützer  38–40, 60, 62 f., 67–70, 72, 103, 167, 215, 218 – Kritik der  215–218 Heuss, Theodor  31, 44 f. Höcherl, Hermann  155 f., 160, 174 Hochmoderne, Ideologie der  14, 16, 18 Höller, Franz  158 I Identität  18, 63, 73, 76, 87, 91, 113, 130 f., 133, 150, 205, 217 f., 226 Infrastruktur  93, 107, 109, 114, 174, 184, 208, 213, 215 f., 225 – Ausbau  35, 39, 76, 81, 109, 114, 118, 123, 128, 156, 165, 182, 185–188, 210, 220 – Maßnahmen  55, 80, 128, 130, 141 Insel Mainau  24, 28–30, 35, 53, 145, 193, 221 Isbary, Gerhard  128 f. J Jäger, Ernst  60 f. Jury siehe Bundesjury K Kattenhochstadt 164 Kessler, Dr. (Landrat)  139

Keuning, Dietrich  35 Kiesinger, Kurt Georg  31, 195 Klinkmann, Herbert  99 f., 129–131, ­152–155, 160 Kommunale Selbstverwaltung  127, 158, 163, 176, 185, 207, 225; siehe auch Dorf, Gemeinde Kontroverse um FAZ-Bericht  143 f., 161, 173; siehe auch Sturm, Vilma Kragh, Gerd  32, 42, 65 f. Kreistag siehe Deutscher Landkreistag Kriegszerstörung  79–81, 84, 122, 226 Kühn, Erich  42 Kultur  61–63, 97, 122, 133, 140, 167, 213 – bäuerliche  64, 67, 76, 97, 115, 126, 136, 221 – ländliche  140, 218 – lokale  63, 67, 116, 175; siehe auch Volkskultur Kulturlandschaft  27, 44, 69, 72, 149–151 – bäuerliche  68, 75 f., 83, 94, 99, 115, 222 – deutsche  9, 115, 149, 221; siehe auch Landschaft, Natur Kulturraum  39, 63, 78, 82, 103, 140, 150 f., 169, 223, 228; siehe auch Funktionsraum, Raum, Raumverständnis L Laichingen  19, 80 Land  10 f., 38, 57, 61, 69, 77 f., 92, 94, 103, 105, 110, 111 f., 115, 118, 122, 127 f., 139, 148, 158, 164, 167, 173, 180 f., 193, 214, 218, 223 – und Stadt  43 f., 94, 112–114, 120–122, 225, 127, 131, 147, 151 f., 156, 164, 167, 181, 186 f., 214, 225; siehe auch Dorf, Gemeinde, Grüner Plan, Ländlicher Raum, Lebensbedingungen, bessere, Stadt Landflucht  47, 98, 128, 156, 164–167; siehe auch Lebensbedingungen, bessere Landfrauen  85, 87, 92, 101, 159; siehe auch Deutscher Landfrauenverband Landjugend  85–87, 92, 139 Landjugendberatungsdienst  47, 85 f., 177 f. Ländlicher Raum  10, 19, 36, 43 f., 59, 71, 103, 112–114, 126–129, 132 f., 154, 156, 167, 175, 179 f., 185, 208, 220, 223 – Bewohner  18–20, 92, 107, 113–115, 119, 137, 147 f., 156 f., 173, 178, 181 f., 189, 191, 201, 207 f., 212, 214–216, 221, 223, 229 – Definition 154

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Register – Entwicklung  13, 17, 65, 76 f., 103, 109, 116, 119, 143, 151 f., 162, 165, 169, 171, 173, 175 f., 178, 182, 188 f., 192, 217, 223, 228 f. – Funktionen  11, 128, 167, 169, 223 – Lebensraum  98 f., 107 f., 114, 119, 127 f., 130, 147, 157, 167 f. – Modernisierung des  18, 78, 112, 114 f., 117, 119, 127, 156, 160, 181, 188, 207, 210, 214, 216 f., 219, 227 – Neugestaltung des  36 f., 47, 68, 93, 105, 141, 148, 166, 168, 193, 211 – Neuordnung  10, 15–19, 22, 37, 93, 96, 98, 105, 108, 114 f., 118 f., 125, 127, 131 f., 134 f., 138, 140 f., 145, 148, 150, 152, ­156–160, 162 f., 168, 171 f., 174, 179 f., 187, 191, 193, 206, 210, 215–217, 219, 221, 225–229 – Neuorientierung  167, 171, 174, 189, 216 f. – Neustrukturierung  18, 45, 58, 95, 114, 132, 160, 189 – Verbesserung der Lebensqualität  181 f., 185 f., 191, 215; siehe auch Dorf, Gemeinde, Grüner Plan, Planung, Raum, Stadt Landschaft  35 f., 39 f., 43–45, 64, 67, 70–73, 75 f., 81, 97, 136, 141, 148, 150, 157, 163 f., 169, 209, 211, 217, 219, 228 – NS-Zeit  58, 64, 67, 70–73 Landschaftsarchitekt  41, 135, 153 Landschaftsbegriff  35, 38, 40, 70, 78, 97, 148 f., 151 Landschaftsbild 97 Landschaftsfibel, Die  33, 71, 74, 149 »Landschaftsgemeinschaft«  72 f., 77, 222 Landschaftsgestalter  21, 27, 31, 35 f., 4­ 1–43, 45, 53, 67, 72, 87, 96 f., 102 f., 141, 160, 220, 223, 228 Landschaftsgestaltung  26 ff., 34, 64, 67–69, 78, 96, 99, 133, 137, 210, 228 Landschaftspflege  32, 42, 65, 97–99, 109 f., 127, 149, 151, 180, 186 Landschaftsplan  38, 101 f., 104, 118, 126, 136 f., 149–151, 164, 223 Landschaftsplaner  31–34, 44 f., 75, 78, 137 Landschaftsplanung  33, 74, 78, 136 f., 149 f. Landschaftsschutz  18, 21, 24, 32, 38–40, 42, 86, 180, 221 f., 228; siehe auch Grüne Charta von der Mainau, Naturschutz, Umweltschutz

Landschaftszerstörung  40, 43, 73, 150, 210 »Landvolk« 92; siehe auch Bauern Landwirte  209 f.; siehe auch Bauern Landwirtschaft  11–13, 25, 38, 112 f., 120, 127, 163 f., Landzettel, Wilhelm  120 Laubach 165 Leben  140, 182, 185, 191, 221 – bäuerliches  115, 126, 222 – dörfliches  107, 122, 126, 115, 126 f., 135, 148 – ländliches  92, 94, 115, 120, 122, 127, 181 Lebensbedingungen, bessere  112, 114, 121, 124, 139, 174, 181 f., 186 f., 193, 225, 229; siehe auch Grüner Plan, Landflucht, Ländlicher Raum Lebensformen  115, 147, 181 f. Lebensraum  40, 43, 73, 98 f., 107, 114, 119, 127 f., 130, 152, 157, 167 f., 197 Lendholt, Werner  42 Lindau 59 Logemann, Fritz  190–192 Lübke, Heinrich  14, 20 f., 31, 46, 112, 126, 129, 195, 222 f. – Bewertungen der Dorfwettbewerbe  91, 94–97, 100, 114–117 M Mainauer Rundgespräche  30 f. Marienhagen 185 Mattern, Hermann  42 Mende, Erich  195 f. Merklingen 80 Meyer, Konrad  31, 77 f. Meyer, Otto  177 f. Meyer zu Hoberge, Eduard  162, 165 f. Miehling, Wilhelm  120 Moderne  14, 21, 91, 96, 111, 114, 204, 218, 222, 228 – urbane  147, 214, 218 Modernisierung  12, 15, 17 f., 21, 39, 45, 65, 77, 96, 113, 116 f., 119, 126, 128, 146, 156, 158, 193, 210, 218 f. Modernisierungskritik  18, 96, 158, 210, 214, 217 Modernisierungsprozess  39, 96, 156, 160 Montag, Karl  85 f., 88 f., 195 Mrass, Walter  163, 176 Münker, Wilhelm  168–170 Musterdorf  54–57, 59

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Register

N Nachbarschaftshilfe  105, 107, 140, 155, 157, 183; siehe auch Dorfgemeinschaft Natur  27, 35 f., 38–40, 44, 68–73, 76 f., 95– 97, 105, 133, 136, 149, 165, 219, 221 f., 227; siehe auch Kulturlandschaft, Landschaft, Naturraum, Naturschutz, Umweltschutz Naturdenkmäler  38, 44 Naturraum  39, 50, 52, 131, 203, 205 Naturschutz  32, 35, 39 f., 58, 74, 86, 184, 210, 221; siehe auch »Ökologische Wende«, Grüne Charta von der Mainau Neubeuern 59 Niederdreisbach  19 f., 53, 89–91, 121, ­201–206, 226  f. – Dorfwettbewerb 1961  90 f., 222 – Dorfwettbewerb 1963  91 – Dorfwettbewerb 1975  201–205 Niederdreisbacher Hütte  89–91, 202–204, 226 Niermann, Gustav  45, 129 Nümbrecht 209 NSDAP  29, 56 f., 58–62 O Oberleiterbach 213 »Ökologische Wende«  35, 43 f. Olschowy, Gerhard  20, 27, 31 f., 34, 42, 46 f., 53, 64 f., 91, 93 f., 96 f., 98, 100 f., 109 f., 115, 117 f., 129, 131, 149–152, 159, 162, 168 f., 176, 183, 214, 220–222, 228 – Leitbild des »ländlichen Charakters«  134 f. – Leitsätze für den Wettbewerb  156 f., 159 – neue Ordnung des ländlichen Raumes  125–128 – Weiterenwicklung der Thesen Wiepkings  74–78, 149–151 Ordnung  111 f., 119, 126 f., 129, 136, 152, 182, 221, 223 – und Sauberkeit  59 f., 88, 90 f., 93 f., 103– 105, 107 f., 117, 122, 124, 143, 199–201 – neue  112, 117, 125, 127 f., 129, 131, 133, 142, 147, 159, 189, 205; siehe auch »Dorf der neuen Ordnung«, Planung, Raumordnung, Raumplaner, Raumordnung P Petrich, Kurt  178 f., 189 f., 206 Pfister, Rudolf  62

»Pflanzenmenschen« 136 »Pflanzenvolk«  71–75, 221 f. Pflug, o. N. (Oberforstmeister)  136 f. Piest, Rainer  109 f., 133, 152, 163, 183 Plaketten  53, 185 – Bronze (auch Bronzemedaille)  53, 79, 83, 90, 106, 144, 211 – Gold (auch Goldmedaille)  19, 48–50, 52 f., 83, 87, 89, 106 f., 144, 164, 169 f., 173, 177, 184, 197, 199, 204 f., 209, 211, 213, 226 – Silber (auch Silbermedaille)  19, 52 f., 83, 106, 121, 173, 194, 197–199 Planer  16, 20, 31, 67, 78, 81, 103, 115, 130, 133, 137 f., 140 f., 160, 162, 166, 187, 201, 217, 223, 226, 229 Planung  15, 18, 34, 43–45, 72 f., 93, 101, 103, 113, 115, 117 f., 120, 125, 130, 135 f., 141, 147 f., 150, 166, 179, 180 f., 186 f., 192 f., 214, 221, 223 f. – als Leistung im Dorfwettbewerb  103, 121, 164, 180, 184 f., 196, 198, 209 f. – Befürwortung  174–176, 178–180, 224, 228 – Bürgerschaftliches Engagement und  130, 134, 160, 162, 166, 172, 174, 176, 178–180, 188, 192 f., 223 f., 225, 228 – Bürgerschaftliches Engagement und übergeordnete  96, 117–119, 224 – Defizite in  90, 93, 144, 164, 172, 187, 192, 210 – Kritik an  144, 162, 176–179, 187, 192, 214 f., 217, 225 – lokale und übergeordnete  119, 127, 163, 172, 185, 187, 217, 224 – Maßnahmen, Methoden und Mittel  36, 84, 93, 102 f., 119 f., 126, 144, 154, 172, 184 f., 187, 220 – staatliche  119, 187, 215, 225 – Stellenwert im Dorfwettbewerb  103, 137, 152, 155, 157, 159, 172, 174–177, 179, 186, 192, 223–225 – Steuerungsmöglichkeiten durch  119, 166, 175, 187, 220, 223 f. – vorausschauende  108, 152, 155, 159, 223 – übergeordnete  105, 119, 132, 172, 185, 187, 193, 217 – zentrale  19, 104, 162, 187, 193; siehe auch Bauleitplan, Bauleitplanung, Bebauungsplan, Flächennutzungsplan, Flurbereinigung, Grünordnungsplan, Grünplan, Grünplaner, Grünplanung,

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Register Landschaftsplan, Landschaftsplaner, Landschaftsplanung, Ordnung, Raumordnung, Raumplaner, Raumplanung Preise siehe Plaketten Preisverleihung siehe Siegerehrung Pünder, Hermann  34 Purps, Luise  101 f. R Rationalisierung  14 f., 18, 68, 93, 174, 181 Raum  16, 40–42, 63, 66 f., 72, 76, 83, 100, 111, 113, 115, 118, 132 f., 140–142, 148– 151, 156, 159, 167, 169, 182, 187, 191, 193, 200, 203, 220, 223, 228; siehe auch Erholungsraum, Funktionsraum, Kulturraum, Ländlicher Raum, Lebensraum, Urbane Räume, Volksraum, Wirtschafts-, Wohn- und Er­holungsraum Raumdefinition, funktionale  223 Raumgestaltung  120, 149, 167 Raumordnung  40, 43, 78, 191; siehe auch Ordnung, Planung Raumplaner  136, 181 Raumplanung  10, 120, 128, 136, 147, 150, 186 ; siehe auch Ordnung, Planung Raumverständnis, neues  105, 140, 146; siehe auch, Funktionsraum, Kulturraum Ring, Wolfgang  215 Rost, Helmut  151 f., 154 Rumetsch, Rudolf  139 S Sauberkeit siehe Ordnung Sasbachwalden  163 f. Schaeffer, Hella  190 Schmidt, Hans Ulrich  20, 34, 53, 66, 93, 100 f., 106–109, 110, 122, 126, 138, 145– 149, 158–160, 162, 172, 176, 178, 182, 220 Schmitshausen  9 f. Schmitt-Vockenhausen, Hermann  192, 208, 217 Schmitz, Margarete  172 Schönheit  57 f., 61, 71, 91, 94, 218 Schönheit in Stadt und Land (Wettbewerb)  54, 57–63, 228; siehe auch Dorfwettbewerb Unser Dorf soll schöner werden Schröder, Ernst  26–28, 42, 45–47, 54 Schwangau 59 Schwarz, Werner  46, 118 Scott, James C.  14 f., 18, 228 Selbstbestimmung  117, 229

Selbsthilfe, Prinzip der  95 f.; siehe auch Bürgerschaftliche Eigenleistungen, Bürgerschaftliche Selbsthilfe, Bürgerschaftliche Selbsthilfeleistungen Seifert, Alwin  31, 33 f., 41 Siegerdörfer  9, 12, 20, 58, 185, 194, 205 f. 213, 227; siehe auch »Golddorf«, Siegergemeinden Siegerehrung (auch Feierstunde der Dorfwettbewerbe, Preisverleihung, Verleihung der Siegerplaketten)  12, 20, 77 f., 98, 138, 145, 173, 179 f., 202, 205, 227 – Reden  12, 20 f., 91, 94, 110, 114, 145, 165 f., 173–175, 181, 186, 208 Siegergemeinden  135, 159, 179, 182 f.; siehe auch »Golddorf«, Siegerdörfer Silbermedaille siehe Plaketten Silberplakette siehe Plaketten Sozialingenieur (»social engineering«)  16, 131, 134 f., 228 SPD  34, 85, 191 f., 162 – Personen  135, 177, 192 f., 196, 208 f., 225 Staat  14–16, 20, 27, 36, 40–42, 44 f., 47, 60, 92, 100, 107, 139, 141, 191–193, 214, 220, 229 – und bürgerschaftliches Engagement  23, 92, 95 f., 103, 107–109, 119, 122, 143, 146, 156, 160 f., 180, 187, 189, 191–193, 196, 207 f., 223, 225 f., 229 Staatsbürger  189, 191, 193 Stadt  29, 43, 57–59, 71, 81 f., 111 f., 114 f., 126 f., 147, 152, 186 f., 193, 208 – und Land  43 f., 94, 112–114, 120–122, 225, 127, 131, 147, 151 f., 156, 164, 167, 181, 186 f., 214, 225; siehe auch Dorf, Gemeinde, Grüner Plan, Land, Ländlicher Raum, Lebensbedingungen, bessere Steinbauer, Walter  61 Stockum 184 Straßen  102, 141 – Ausbau  13, 55, 81, 83, 85, 139, 189, 200, 213 – Bau  55, 75, 114, 150 – Planung  72, 136 – Zustand  13, 95, 102, 199 f. Strukturpolitik  103, 113, 174, 190, 220 Strukturreformen  18, 156, 207 Strukturwandel  10–12, 16 f., 37, 58, 75, 101, 107, 110 f., 129, 134, 160, 186, 188, 192 f., 220, 222; siehe auch Agrarische Transition Sturm, Vilma  142–144, 161, 173 »System der Zentralen Orte«  174 f.

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Register

T Technik  21, 40, 43, 73, 76, 83, 110 f., 136, 165 Technische Entwicklung  39 f., 44 »Technische Revolution«  39, 114 Technischer Fortschritt  39, 44 f., 61 Technisierung  18, 27, 83, 111 Thaler, Herrmann  90 Tierschutz 171 Todt, Fritz  33 Tourismus  39, 54, 59, 61, 63, 165; siehe auch Fremdenverkehr Tradition  9, 13 f. 18, 21, 68 f., 71, 77, 80, 83, 89–91. 97, 103, 116–118, 123, 146, 148, 156, 170, 203, 213 – ländliche  18, 66, 81–83, 94, 97, 102, 105, 115 f., 118, 123, 126, 137, 157, 186, 193, 202, 204, 212 f., 222 f., 228 f. Tröscher, Tassilo  177 U Umwelt  9, 35f, 38 f., 44, 69, 71, 73, 82 f., 92, 96, 130, 136, 142, 148, 150, 208–210, 219, 221 f. Umweltbewusstsein 209 Umweltschutz  21, 24, 38, 73, 76, 80, 86, 142, 180 f., 197, 209, 228; siehe auch Grüne Charta von der Mainau, Landschaftsschutz, Naturschutz Umweltzerstörung  42, 77, 128, 210, 219, 222 Urbane Räume  25, 35, 42, 88, 111, 113, 118, 121 f., 141, 154, 181 Urbanisierung  126, 147; siehe auch Verstädterung V van Vlyten (Fachgruppe der Friedhofs­ gärtner)  169 f. Verleihung der Siegerplaketten siehe Siegerehrung Verstädterung  82, 115, 121, 129, 151, 199, 212; siehe auch Urbanität Vittinghoff-Schell, Felix von  157–159 Volk  16, 71 f., 77, 94, 116, 140, 149 – deutsches  61, 71, 73, 96, 157, 196 – »ostische Völker«  71, 76 Volksgemeinschaft  60, 62 f., 72 f., 117 Volkspflege  67, 78 Volksstämme 68–70 Volkstum  61, 76, 92, 115 – bäuerliches  75, 77

– deutsches  69, 73 – (völkisch-)germanisches  31, 33, 75, 115 Volkskultur  62 f., 64, 79 f., 115–117, 126, 128 f., 140, 218, 228 – bäuerliche  14, 75, 94, 115–117, 126 f., 135, 167, 181, 209, 222 – traditionelle  96, 126, 193; siehe auch Kultur Volksraum  142, 150, 228; siehe auch Raum W Wagner, Adolf  57–59 Wallmerod 184 Walter, Hans  80–84, 122–124, 198–201 Weber, Adolf  85, 87–89 Wehrshausen 164 Westerheim  19 f., 53, 79–84, 86, 105, ­121–124, 198–202, 205, 217, 226 f. – Dorfwettbewerb 1961  79–84 – Dorfwettbewerb 1963  121–124 – Dorfwettbewerb 1973  198–201 »Wiehler Modell«  185; siehe auch Eingemeindungen Windhagen 212 Wiepking, Heinrich (Wiepking-Jürgensmann, Heinrich)  15, 27, 31–35, 41, 64, 76, 87, 115, 131, 141, 220–222, 228 – Landschaftsidee  67–74, 94 – Weiterentwicklung der Thesen durch Olschowy  74–78, 149–151 Wohn-, Wirtschafts- und Erholungsraum  128 f., 133, 150, 163–165, 218, 223; siehe auch Erholungsraum, Raum Wortmann, Wilhelm  42–44 Z Zentralausschuss der Deutschen Landwirtschaft 53 – Personen 162 Zentralverband des Deutschen Gartenbaus (ZVG)  27, 169 – Personen  26 f., 42, 46, 169 Zivilgesellschaft  15, 18 Zivilisation  122, 126, 186 Zusammenarbeit – gemeindliche  9, 107, 174 f., 183 – überörtliche  157, 176, 179, 189, 210 – zwischengemeindliche  154, 157, 159 ZVG siehe Zentralverband des Deutschen Gartenbaus

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