Erlaubte Vorteilsannahme - §§ 331 StGB, 70 BBG, 10 BAT: Zugleich ein Beitrag zur Einheit der Rechtsordnung und zur »Rückwirkung« behördlicher Genehmigungen im Strafrecht [1 ed.] 9783428479955, 9783428079957

§ 331 Abs. 3 StGB ist eine unauffällige Norm. Sie hilft demjenigen Amtsträger, der einen Vorteil als Gegenleistung für e

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Erlaubte Vorteilsannahme - §§ 331 StGB, 70 BBG, 10 BAT: Zugleich ein Beitrag zur Einheit der Rechtsordnung und zur »Rückwirkung« behördlicher Genehmigungen im Strafrecht [1 ed.]
 9783428479955, 9783428079957

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 89

Erlaubte Vorteilsannahme – §§ 331 StGB, 70 BBG, 10 BAT – Zugleich ein Beitrag zur Einheit der Rechtsordnung und zur „Rückwirkung“ behördlicher Genehmigungen im Strafrecht

Von

Bernhard Hardtung

Duncker & Humblot · Berlin

BERNHARD HARDTUNG

Erlaubte Vorteilsannahme

Strafrechtliche Abhandlungen • Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser em. ord. Professor der Rechte an der Universität Hamburg

und Dr. Friedrich-Christian Schroeder ord. Professor der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 89

Erlaubte Vorteilsannahme - §§ 331 StGB, 70 BBG, 10 BAT Zugleich ein Beitrag zur Einheit der Rechtsordnung und zur „Rückwirkung" behördlicher Genehmigungen im Strafrecht

Von

Bernhard Hardtung

Duncker & Humblot * Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Rolf D. Herzberg, Bochum

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Hardtung, Bernhard: Erlaubte Vorteilsannahme : §§ 331 StGB, 70 BBG, 10 BAT ; zugleich ein Beitrag zur Einheit der Rechtsordnung und zur „Rückwirkung" behördlicher Genehmigungen im Strafrecht / von Bernhard Hardtung. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Strafrechtliche Abhandlungen ; N.F., Bd. 89) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-07995-7 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-07995-7

Dem Andenken meiner Mutter

Vorwort Die Abhandlung hat im Sommersemester 1993 der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation vorgelegen. Rechtsprechung und Literatur sind bis zum Herbst 1992 berücksichtigt. Vereinzelt konnten auch spätere Veröffentlichungen in die Fußnoten eingearbeitet werden. Herr Professor Dr. Rolf Dietrich Herzberg und Herr Wissenschaftlicher Assistent Dr. Horst Schlehofer haben die Entstehung der Arbeit durch zahlreiche und fruchtbare Gespräche gefordert. Ihnen schulde ich ebenso Dank wie Herrn Professor Dr. Friedrich-Christian Schroeder, der die Aufnahme der Arbeit in die Strafrechtlichen Abhandlungen befürwortet hat. Bochum, im November 1993 Bernhard Hardtung

Endlich war die adoptio fertig. Da sagte Frau Zwerger zu dem kleinen Mädchen: "So, jetzt bedank dich auch recht schön beim Herrn Amtsrichter, und gib ihm dein Blumenbukettl." Fanneri knickste und streckte ihr Sträußchen dem gestrengen Herrn hin. Bevor er sich besann, hatte er die Blumen in der Hand und war Frau Zwerger mit der Adoptatin verschwunden. Es lag eine Schenkung vor, unleugbar, und überdies konnte sie als der Belohnung halber geschehen sein. Dies aber war unverträglich mit dem Amte. Er befahl dem Schreiber, das Protokoll noch einmal vorzunehmen, und diktierte: "Erstens: Nach Abschluß des obigen Protokolls übergab das Wahlkind dem unterfertigten Richter fünf Blumen. Zweitens: Der unterfertigte Richter nahm die obengenannten Blumen an in der Erwägung, daß die Annahmeverweigerung das natürliche Gefühl der Dankbarkeit in dem Wahlkinde zu ersticken geeignet war. Drittens: Fünf Blumen mit Akt an den Herrn Gerichtsvorstand mit dem Ersuchen um geneigte Rückäußerung, ob gegen die Annahme Bedenken bestehen." Und der Schreiber wickelte um die Rosen und die gesprenkelten Nelken einen blauweißen Faden und legte sie zwischen die Aktendeckel, wo sie baldigst erstickten. (Aus Ludwig Thoma, Der Einser)

Inhalt

Einleitung

15

1. Teil: Geschichtlicher Abriß

17

1.

17

II.

Die frühen Rechtsordnungen 1. Das elementare Bedürfnis: Schutz vor Rechtsbeugung

17

2. Das neue Bedürfnis: Schutz vor Bedrückung

19

3. Die Vermengung der Motive

20

4. Folgerungen

22

Die Rechtsentwicklung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

23

1. Das germanische Recht

23

2. Das gemeine Recht

23

HI. Vom preußischen Allgemeinen Landrecht zu den Reichsgesetzen

27

1. Die Trennung von Straf- und Beamtenrecht

27

2. Das strafrechtliche Verbot der Vorteilsannahme und seine Ausnahmen

29

IV. Die Entwicklung bis zur Gegenwart

32

1. Das beamtenrechtliche Verbot der Geschenkannahme

32

2. Das strafrechtliche Verbot der Vorteilsannahme

35

3. Die nachträgliche Genehmigung

36

V. Zusammenfassung

37

2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

39

I.

Der Normzweck

40

1. Beamtenrecht

41

2. § 10 BAT, § 12 MTB D 3. §§ 331, 332 StGB

41 42

a) Uneigennützigkeit der Amtsträger

42

b)Einheitliches Rechtsgut der §§ 331, 332 StGB

43

c) Speziell: Das Fordern

45

4. Zusammenfassung

47

10 II.

Inhalt Der Normadressat

48

1. Beamte

48

a) Allgemeines

48

b)Das faktische Beamtenverhältnis

48

c) Verhältnis zu §§ 331, 332 StGB

50

2. Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes

52

3. §331 StGB

53

IE. Das Tatmittel

54

1. Vorteil

54

2. Belohnungen und Geschenke

55

3. Ergebnis

56

IV. Die Tathandlungen

56

V. Das Beziehungsverhältnis

58

1. Beziehungskomponenten

58

a) Amt und dienstliche Tätigkeit

58

b)Diensthandlung und (schiedsrichterliche Handlung

59

2. Art der Beziehung

61

3. "Verdacht der Bestechlichkeit"

66

4. Zusammenfassung

67

VI. Begrenzung des Verbots

67

1. Abzulehnende Begrenzungsversuche

68

2. Generelle Genehmigung

69

3. Sozialadäquanz

71

4. Erlaubtes Fordern

72

VII. Zusammenfassung

74

3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

75

I.

Einheit und Widerspruchsfreiheit

76

II.

Die "Einheit des Rechtswidrigkeitsurteils"

79

m. Verträglichkeit der Rechtsfolgen in § 331 StGB und §§ 70 BBG, 10 BAT 1. Rechtsgebietsbeschränkte Rechtsfolgen (Cramer)?

84 85

a)§ 331 Abs. 3 StGB als bloßer iS/rq/iinrechtsausschließungsgrund?

86

b)§ 70 BBG als bloßer Dz5z//?//;/arunrechtsausschließungsgrund? aa) Strafunrecht als Steigerung außerstrafrechtlichen Unrechts? bb) § 70 BBG als echter Erlaubnissatz cc) Rechtswidrige Genehmigungen

89 89 93 94

Inhalt c) Ergebnis 2. Konkurrenz zwischen § 331 Abs. 3 StGB und § 70 BBG

101 101

a)Die Ansicht Jeschecks

103

b)Die Ansicht Rudolphis

104

3. § 331 Abs. 3 StGB und § 10 BAT

104

IV. Vorläufiges Ergebnis und weiteres Vorgehen

105

4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

109

I.

Die rechtmäßige Genehmigung

110

1. Formelle Rechtmäßigkeit

110

2. Materielle Rechtmäßigkeit

112

II.

a) Beamtenrechtliche Genehmigung einer straftatbestandlichen Vorteilsannahme

112

b) Keine Genehmigung der Bestechlichkeit

114

c) Keine Genehmigung (schieds)richterlicher Vorteilsannahme

115

d)Genehmigungsfähige Tathandlungen aa) Annehmen und Sichversprechenlassen bb) Fordern?

116 116 117

e)Die Einheit der Rechtsordnung

118

3. Behördliches Ermessen

120

4. Rechtsfolge

124

Die rechtswidrige Genehmigung

130

1. Materielle Rechtswidrigkeit

130

a) Strafrechtliche Erwägungen aa) Wertungswiderspruch zur arbeitsrechtlichen Genehmigung bb) Wertungswiderspruch zwischen § 331 und § 333 StGB cc) Probleme für § 357 StGB und das Strafrecht allgemein dd) Ergebnis

132 132 133 134 135

b)Die öffentlich-rechtliche Lösung aa) § 44 Abs. 1 VwVfG bb) § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG aaa) Strafrechtsakzessorietät des Verwaltungsrechts bbb) Analogie zu § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG ccc) Die "gegenseitige" Akzessorietät ddd) Bedeutung für die Vorteilsannahme eee) Wirksamer Verzicht auf beamtenrechtliche Sanktionen cc) Anhang: § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG

135 136 136 136 138 144 149 151 152

c) Anhang: Die rechtswidrige Genehmigung im Arbeitsrecht

153

Inhalt

12 2. Formelle Rechtswidrigkeit

154

m. Ergebnis

155

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

157

I.

Meinungsstand

158

1. Recht des öffentlichen Dienstes

159

2. Strafrecht

160

a)Die Annahme unter Vorbehalt

160

b) Materielle Genehmigungsfahigkeit

162

aa) Die herrschende Ansicht bb) Abweichende Ansichten cc) Die Bedeutung der nachträglichen Genehmigung II.

163 164 166

Die Genehmigung vor Tatbestandserfüllung

166

1. Keine "Annahme" im Sinne des § 331 StGB?

167

2. Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand

171

a) Vorbilder

171

b) Mindestanforderungen

172

c) Weitere Tatbestandsmerkmale aa) Unmöglichkeit vorheriger Genehmigung bb) Keine Nutzung des Vorteils bis zur Genehmigung cc) Erklärung des Vorbehaltes

174 175 179 180

d)Das Sichversprechenlassen unter Vorbehalt

182

3. Ergebnis und Würdigung HI. Die Genehmigung nach Tatbestandserfüllung

183 185

1. Vorüberlegungen

185

2. Die rückwirkende Genehmigung

187

a) Rückwirkung im Strafrecht: Meinungsstand

187

b) Vorläufige Stellungnahme

191

c) Die dogmatische Natur rückwirkender Akte aa) "Echte" Rückwirkung bb) Deklarationslehre cc) Konstitutionslehre

194 194 195 198

d)Strafrechtsdogmatische Konsequenzen

199

e) Ergebnis und Würdigung

202

3. Die mutmaßliche Genehmigung a) Die mutmaßliche Einwilligung als dogmatische Heimat

203 203

Inhalt b)Die mutmaßliche Genehmigung der Vorteilsannahme aa) Unmöglichkeit vorheriger Genehmigung bb) Maßstab: Wille der Behörde cc) Subjektive Rechtfertigungselemente

206 207 207 212

c)Die Bedeutung der nachträglichen Genehmigung aa) Die nachträgliche Genehmigung als Beweisregel bb) Zulässigkeit dieser Beweisregel cc) Anhang 1: Bindungswirkung der Genehmigungsversagung? dd) Anhang 2: Gerichtliche Aussetzungspflicht vor Entscheidung

214 215 216 222

der Genehmigungsbehörde d)Die mutmaßliche Genehmigung des Sichversprechenlassens

224 225

4. Die rechtswidrige Genehmigung nach Tatbestandserfüllung IV. Ergebnis und Vergleich

225 228

6. Teil: Die Vorteilsgewährung

230

I.

Das Verbot

230

E.

Die Erlaubnis

233

1. Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand

234

2. Mutmaßliche Genehmigung

234

3. Geforderte Vorteile

235

Literatur

237

Einleitung § 331 Abs. 3 StGB ist eine unauffällige Norm. Sie hilft demjenigen Amtsträger, der einen Vorteil als Gegenleistung für eine Diensthandlung annimmt und damit den Straftatbestand des § 331 Abs. 1 StGB erfüllt. Sie gewährt ihm regelmäßig dann Straffreiheit, wenn seine Tat behördlich genehmigt wird. Nach überwiegender Ansicht ist sie ein Rechtfertigungsgrund. Diese zunächst so unscheinbare Regelung entpuppt sich bei näherem Zusehen als verwirrend und problematisch. Erstens existieren ganz ähnliche Vorschriften in den Beamtengesetzen und den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes. Auch dort ist die Vorteilsannahme verboten, kann aber genehmigt werden. Mit dieser Ähnlichkeit im Großen paaren sich jedoch zahlreiche Abweichungen im Detail. Sie können bei unbedachter Anwendung der Normen dazu führen, daß eine Vorteilsannahme beamtenrechtlich erlaubt, strafrechtlich aber verboten ist. Der wichtigste Unterschied: Nach allgemeinen öffentlich-rechtlichen Regeln ist auch eine rechtswidrige behördliche Genehmigung meist rechtswirksam; § 331 Abs. 3 StGB dagegen will erkennbar nur eine rechtmäßige Genehmigung gelten lassen. Gegen eine derart "gespaltene" Rechtslage könnte das Gebot der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung sprechen. So stellt sich die Frage, ob eine Harmonisierung der betroffenen Normen geboten ist (3. Teil) und - wenn ja - wie sie erreicht werden kann (4. Teil). Eine genaue Antwort darauf kann nur gelingen, wenn zuvor diejenigen Normen im Strafrecht und im Recht des öffentlichen Dienstes verglichen werden, die das Verbot der Vorteilsannahme formulieren (2. Teil). - Es zeigt sich also, daß bei der Vorteilsannahme das allgemeine Problem der Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts auftaucht. Es ist in jüngster Zeit vor allem im Umweltstrafrecht in den Mittelpunkt des Interesses geraten. Für die dort geführte Diskussion leistet die Untersuchung des § 331 Abs. 3 StGB gute Dienste, denn sie nähert sich derselben allgemeinen Fragestellung über eine andere, nicht umweltstrafrechtliche Norm und führt so zu neuen Einsichten. Sie befaßt sich dabei hauptsächlich mit der Frage nach der rechtfertigenden Wirkung einer rechtswidrigen Genehmigung. Sie befaßt sich nicht mit anderen Fragen, die im Zusammenhang mit der Verwaltungsakzessorietät erörtert werden, so etwa nicht mit der Strafbarkeit des rechtswidrig genehmigenden Amtsträgers und auch nicht damit, ob der Täter womöglich schon bei Erlangung der rechtfertigenden Erlaubnis eine Straftat begangen hat.

16

Einleitung

Zweitens spricht § 331 Abs. 3 StGB ausdrücklich auch von solchen Genehmigungen, die der Vorteilsannahme zeitlich nachfolgen. Will man sich über diesen Teil der Vorschrift keine Gedanken machen, so ist man schnell mit einer Deutung als Strafaufhebungsgrund bei der Hand. Aber damit wäre der Norm nur das durch den Wortlaut verlangte Minimum an Wirkung beigelegt. Vielleicht ergibt eine nähere Untersuchung, daß auch die nachträgliche Genehmigung die Vorteilsannahme soll rechtfertigen können. Die parallelen Vorschriften im Recht des öffentlichen Dienstes haben damit - so scheint es keine Probleme, denn die Genehmigungen können dort rückwirkend erteilt werden. Ist diese Rückwirkung womöglich auch im Strafrecht anzuerkennen, um die Einheit der Rechtsordnung zu wahren? Wie kann eine Rechtfertigung sonst dogmatisch bewerkstelligt werden? Davon handelt der 5. Teil. Diese mit § 331 Abs. 3 StGB verbundenen offenen Fragen haben der Norm die Kritik eingetragen, "wenig durchdacht" zu sein und "kaum lösbare Probleme" zu bergen.1 Die Probleme werden im Schrifttum teils für unbeachtlich erklärt und bleiben ungelöst, teils stellen die angebotenen Lösungen Sonderkonstruktionen dar, die eine Anbindung an gewohnte dogmatische Figuren vermissen lassen und damit das Bedürfnis nach systematischer Klarheit nicht befriedigen. Das Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, wie die diskutierten Probleme gelöst werden können und daß das vorhandene dogmatische Instrumentarium dazu genügend Mittel anbietet. Dabei soll ein besonderes Augenmerk in Ergebnis und Methode darauf liegen, die Grenzen des Strafrechts zu überschreiten und auch die übrigen Rechtsgebiete einzubeziehen. Das ist schon deshalb angezeigt, weil das Gebot der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, um das es immer wieder gehen wird, dem Rechtsanwender bestenfalls aufgibt, mögliche Spannungen zu lösen. In welchem Rechtsgebiet dafür die "Opfer" zu bringen sind, muß sich erst noch zeigen. So kann es durchaus sein, daß nicht das Strafrecht dem Beamtenrecht, sondern umgekehrt dieses jenem nachgeben muß. Für den Vorteilsgeber existiert in § 333 Abs. 3 StGB ein ganz ähnlicher Genehmigungsvorbehalt. Auf die Ähnlichkeiten und Besonderheiten dieser Vorschrift im Vergleich zu § 331 Abs. 3 StGB wird im letzten, 6. Teil eingegangen. Zur Vervollständigung ist der Arbeit als 1. Teil ein historischer Abriß vorangestellt. Einer abschließenden Zusammenfassung bedarf es nicht. Am Ende der einzelnen Teile und Abschnitte ist meist das Wichtigste resümiert.

1

Rudolphi, in: SK, §331Rn31.

1. Teil: Geschichtlicher Abriß Die Kompetenz der Verwaltungsbehörde, eine Geschenkannahme zu erlauben, ist noch jung. Sie ist erst 1975 in die Strafbestimmungen über die Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung aufgenommen worden.1 Damit ist der vorläufige Endpunkt einer Entwicklung erreicht, in der zunächst die Verbotssätze konkretisiert, differenziert und damit ausgedehnt worden sind. Erst darauf konnten Überlegungen aufbauen, unter welchen besonderen Umständen die grundsätzlich schädliche und deshalb verpönte Handlung ihre Strafwürdigkeit verlieren könnte. Diese Entwicklung soll hier in groben Zügen nachgezeichnet werden. I. Die frühen Rechtsordnungen 1. Das elementare Bedürfnis:

Schutz vor Rechtsbeugung

Das Verbot der Bestechlichkeit ist schon alt. Das ist nicht verwunderlich. In jeder nur in geringem Grade organisierten Gesellschaft treten Konflikte auf. Will die Gesellschaft den Konflikt durch die Autorität eines Dritten beilegen, so muß dessen Entscheidung für die Streitenden akzeptabel sein. Das ist sie nur, wenn der Dritte sachlich und unvoreingenommen urteilt. Nimmt er aber Geschenke gegen das Versprechen, im Sinne des Gebers zu entscheiden, so ist das sachliche Urteil zumindest in großer Gefahr. So haben dann auch die ältesten Kulturen ihren Richtern als dem Idealtypus des unparteiischen Dritten die Annahme von Bestechungsgaben verboten. Im altisraelitischen Recht findet sich etwa der Satz: "Du sollst das Recht nicht beugen und sollst auch die Person nicht ansehen und keine Geschenke2 nehmen; denn Geschenke machen die Weisen blind und verdrehen die Sache der Gerechten."3 1

Art. 19 Nr. 187 des EGStGB vom 2.3.1974 (BGBl. I, S. 469, 496) mit Wirkung vom 1.1.1975. 2 Damit ist nur das Geschenk zum Zwecke der Bestechung gemeint; Mayer, S. 666 Fnl. 3 5. Mose 16,19. Siehe auch noch 2. Mose 23, 8; 5. Mose 10, 17; 27, 25; 1. Samuel 8, 1-3; Psalm 15, 5; Sprüche 15, 27; 17,23; Jesaja 5,23; 33,15. 2 Hardtung

18

1. Teil: Geschichtlicher Abriß

Das wurde bald als nicht ausreichend angesehen. Denn auch der Richter, der ohne böse Absprache von einer Partei Geschenke nimmt, bringt sich damit in Gefahr, seine Neutralität zu verlieren und das Recht zu beugen. Zumindest aber wird die Gegenpartei Zweifel an der Sachlichkeit des Urteils hegen; damit sind Autorität und Funktion des Dritten bereits stark beeinträchtigt. Folglich mußte auch die bloßerichterliche Vorteilsannahme untersagt werden.4 Fast zwangsläufig fand das Verbot der Bestechlichkeit mit der Zeit Ausdehnungen in zweierlei Richtung. War die Gewährleistung eines sachlichen Urteils das Ziel, so war zum einen klar, daß auch derjenige für eine falsche Entscheidung verantwortlich war, der sie durch sein Geschenk an den Richter verursacht hatte. Zum Verbot der (passiven) Bestechlichkeit trat das der (aktiven) Bestechung.5 So sagt Demosthenes für das griechische Recht: "Wenn jemand ... behilflich ist bei Bestechung des Gerichtshofes ... oder des Senats und zum Zwecke der Bestechung Geld gibt oder annimmt... oder wenn er als Anwalt in öffentlichen oder Privatklagen sich bestechen läßt, so soll wegen alles dessen eine Klage ... gegen ihn anzustellen sein."6

Zum anderen gab es aber - das Zitat zeigt es, soweit es den Senat und die Anwälte erwähnt - noch andere Personen und Personengruppen, deren sachliche Entscheidung gewährleistet werden mußte. In diesen Zusammenhang gehört daher auch das Verbot, die Mitglieder der athenischen Volksversammlung durch Geschenke zu verleiten, ihre Stimme nach dem Willen der Geschenkgeber abzugeben.7 Ganz ähnliche Vorschriften finden sich im frühen römischen Recht CZwölftafel-Gesetze, 451 v. Chr.). Verboten war die aktive und passive Richter» und Zeugenbestechung; im Vorfeld war bereits die Annahme eines Vorteils verboten, der für die Bestimmung eines Richters zur Rechtsbeugung gewährt wurde.8 Damit hatte die Entwicklung einen vorläufigen Abschluß erreicht. Die Vorschriften sollten Entscheidungen verhindern, deren Sachlichkeit wegen eines 4 So konsequenterweise das talmudische Recht; dazu Mayer, S. 666; Engelhardt, S. 23. 5 Für das talmudische Recht siehe Mayer, S. 666. 6 In der Klageschrift gegen Stephanus; bei Mayer, S. 669. Ein noch weitergehendes Verbot zitiert Demosthenes in der Anklage gegen Midias (nach Mayer, S. 668): "Wenn irgend ein Athener Geld annimmt von jemand oder selbst einem anderen Geld gibt oder durch Anerbietungen andere verführt zum Nachteil des Volkes oder eines einzelnen Bürgers,... so soll er ehrlos sein, mit seinen Kindern und hinsichtlich alles dessen, was ihm gehört." 7 Mayer, S. 671. Vgl. dazu im heutigen Recht § 108b Abs. 1 u. 2 StGB: aktive und passive Wählerbestechung. 8 S. dazu Mommsen, S. 674 f. Die Annahme von Geschenken in einem Kapitalprozeß wurde gar als Mord bestraft; Mommsen, S. 674 Fn 6.

I. Die frühen Rechtsordnungen

19

Geschenkes nicht mehr gewährleistet war. Zum Kern dieses schädlichen Verhaltens gehörten echte Bestechlichkeit und Bestechung vor allem der Richter, aber auch anderer wichtiger Entscheidungsträger. Damit war ein Verhalten verpönt, das cum grano salis dem Regelungsbereich der §§ 332 Abs. 2, 334 Abs. 2 StGB entspricht. Darüber hinaus findet sich auch schon das Verbot der bloßen richterlichen Vorteilsannahme, wie wir es aus § 331 Abs. 1 StGB kennen.

2. Das neue Bedürfnis:

Schutz vor Bedrückung

Die weitere Entwicklung Roms zum Imperium ging mit einer Ausweitung der Verwaltung einher. Die römischen Beamten nutzten ihre Machtfülle mehr und mehr zur Bedrückung 9 der Bürger, sei es durch Erpressung oder auch nur durch das maßlose Fordern und Annehmen von Geschenken. Dies wurde zunächst nur als unmoralisch angesehen, ungesetzlich war es noch nicht.10 In der Lex Cincia (204 v. Chr.) wurde nur dem Schenkungsversprechen an den "Sachwalter" die rechtliche Wirksamkeit abgesprochen, die Schenkung selbst untersagt und dem Geber ein Rückforderungsrecht eingeräumt.11 Dieser zivilrechtliche Charakter war auch den späteren Gesetzen eigen, die unter dem Begriff der Repetundengesetze 12 zusammengefaßt werden. Die LexAcilia (123 v. Chr.) war die erste von ihnen, die strafrechtliche Züge aufwies, indem sie dem Täter gebot, das Doppelte des Erlangten zu erstatten.13 Die Lex Servilia (111 v. Chr.) dehnte den Adressatenkreis auf die Beamten und Richter Roms aus; auch Dritte, die den hingegebenen Vorteil erlangt hatten, konnten auf Herausgabe verklagt werden; als echte Strafe war der Verlust der politischen Rechte möglich.14 Besondere Bedeutung erlangte die Lex Julia de repetundis (59 v. Chr.). In ihr wurde den Beamten allgemein die Annahme von Geschenken verboten und die Strafe auf Ersatz des Vierfachen festgesetzt.15 Sie war das letzte Repetundengesetz der römischen Republik und galt aufgrund ihrer de9 Dieses Motiv für das Verbot, Geschenke anzunehmen, deutet sich auch schon in Jesaja 1,23, an. 10 Mommsen, S. 706; Rein, S. 627 Fn 2. 11 Mommsen, S. 705 f. 12 Crimen (pecuniarum) repetundarum; der Geschädigte konnte das Hingegebene zurückverlangen (repetere): so die Leges Porcia (184 v. Chr.), Calpurnia (149 v. Chr.) und Junia\ s. dazu Feldmann, S. 3; Mommsen, S. 708. 13 Mommsen, S. 708 f., 728. 14 Engelhardt, S. 5; Mommsen, S. 709, 729, 731 f. Diese Sanktion der "Ehrlosigkeit" nahm die Lex Cornelia repetundorum (81 v. Chr.) wahrscheinlich wieder zurück; Mommsen, S. 709, 728 f. 15 Auch Ausstoßung aus dem Senat und Exil waren in schweren Fällen möglich, Mayer, S. 672 f.

2*

20

1. Teil: Geschichtlicher Abriß

taillierten Regelung auch in der Kaiserzeit als Fundamentalgesetz;16 dort erfuhr sie noch weitere Verschärfungen. 17 Zum Kampf gegen die Bedrückung hätte es genügen sollen, so ist man geneigt zu denken, die Erpressung und das Fordern von Geschenken zu verpönen. Dann hätte sich die römische Rechtsprechung jedoch Beweisschwierigkeiten ausgesetzt, die sie vermeiden wollte.18 So wurde nicht nur der Kern, sondern auch der Randbereich des tadelhaften Verhaltens erfaßt und die Vorteilsannahme überhaupt verboten; eine besondere Beziehung zwischen Geschenk und Amt war nicht erforderlich.

3. Die Vermengung der Motive

Fanden auch die Repetundengesetze ihr ursprüngliches Motiv darin, die Bürger des römischen Reiches vor Bedrückungen zu schützen, so hat dennoch auch die Bekämpfung der Rechtsbeugung Einfluß auf den Gesetzesinhalt gehabt.19 Dieses Ziel stand bei den Gesetzes Sullas sogar im Vordergrund: In der Lex Cornelia repetundarum (81 v. Chr.) wurde die Vorteilsannahme für richterliche Tätigkeit mit dem Ersatz des Vierfachen bestraft; die nachfolgende Lex Cornelia de falsis belegte die aktive Richterbestechung mit derselben Strafe. 20 Damit wurde die Zwölftafel-Gesetzgebung bekräftigt. Die aktive Beamtenbestechung allerdings war nach römischem Recht nicht strafbar. 21 Daraus kann jedoch nicht sicher geschlossen werden, das Verbot der Vorteilsannahme für Beamte habe einzig den Zweck gehabt, die Bürger vor Bedrückungen zu schützen. Denn wer das Recht vor Beugung durch parteiliche Beamte schützen will, tut schon allein daran gut, den Beamten jede Vorteilsannahme zu versagen, darüber hinaus kann er zwar, muß aber nicht zugleich den Geber bestrafen. Ein solches Ungleichgewicht kennt auch das heutige Recht: Dem Amtsträger untersagt § 331 Abs. 1 StGB sogar, nach pflicht16

Zur Lex Julia siehe Engelhardt, S. 26; Feldmann, S. 4; Mayer, S. 672 f.; Mommsen, S. 709, 729; Rein, S. 625. 17 Knappe Darstellung bei Feldmann, S. 5; siehe auch Mommsen, S. 710; Rein, S. 631 f. 18 Das Verbot schon der Vorteilsannahme erkläre sich daraus, daß es so nicht mehr auf den Beweis ankomme, daß der Geber zur Schenkung gepreßt worden sei; Mommsen, S. 714, 716. Zu ergänzen ist wohl, daß damit ebenso der Nachweis des Forderns entbehrlich wurde. 19 So ordnete etwa die Lex Sempronius (123/122 v. Chr.) als Rechtsfolge einer Richterbestechung ein neues, rechtmäßiges Urteil an; Feldmann, S. 3 f. 20 Engelhardt, S. 25; Feldmann, S. 4; Rein, S. 623. 21 Mommsen, S. 717 f.; wenige Ausnahmen in der späten Kaiserzeit nennt Mommsen, S. 718 mit Fn 2.

I. Die frühen Rechtsordnungen

21

gemäßer Amtshandlung dafür einen Vorteil anzunehmen; der Vorteilsgeber aber ginge in einem solchen Fall gemäß § 333 Abs. 1 StGB straffrei aus. Sinn und Zweck des Vorteilsannahmeverbots für die römischen Beamten läßt sich folglich mit Blick nur auf die Verbotsnorm nicht klar bestimmen. Entsprechend gegensätzlich sind daher auch die Stellungnahmen in der Literatur. Während Feldmann eine lange konsequente Entwicklung von den ZwölftafelGesetzen bis zur Kaiserzeit sieht,22 betont Mommsen für die Repetundengesetze, daß die Motive des Vorteilsnehmers und -gebers ganz unerheblich gewesen seien und das moralische Unrecht, das bei der echten Bestechung beiden Teilen gemeinsam sei, rechtlich ohne Bedeutung gewesen sei.23 Über das Motiv des Gesetzgebers läßt sich mehr Klarheit gewinnen, wenn man die Betrachtungsweise ändert. In der Lex Julia finden sich erstmals Ausnahmen vom allgemeinen Verbot der Vorteilsannahme. Von einer behördlichen Genehmigung konnte nicht die Rede sein, aber es findet sich eine Aufzählung solcher Vorteile, deren Annahme den Beamten (nicht den Richtern!) erlaubt war. 24 Dazu gehörten Eß- und Trinkwaren sowie ähnliche kleinere Gegenstände, dann auch Ehrengaben und Geschenke von Verwandten.25 Den Grund hierfür sieht Mommsen darin, daß der Beamte nicht eigentlich bereichert sei. Dazu passen die Bestimmungen, in denen die Erlaubnis wieder eingeschränkt wurde: Der Gesamtwert der angenommenen Kleinigkeiten durfte im Jahr einen bestimmten Wert nicht überschreiten; die Statthalter mußten Gelder, die ihnen zur Schaffung von Ehrenmälern zur Verfügung gestellt worden waren, innerhalb einer festgesetzten Frist diesem Zweck zuführen. Diese Einschränkungen scheinen darauf hinzudeuten, daß auch hier nur der Bedrückung der Bürger Einhalt geboten werden sollte. Denn, so könnte man meinen, wer seine Macht zum Geschenkerwerb ausnutzt, wird sich nicht mit Kleinigkeiten abgeben. Tut er es doch und zwar mit solchem Fleiße, daß er binnen eines Jahres sein Vermögen beachtlich vermehrt, so hat er sich damit wieder als gefährlich erwiesen und die Vorteilsannahme muß verboten bleiben. Für den Gedanken der Rechtsbeugung scheint dagegen kein Raum. Mommsen fügt aber seinen Ausführungen hinzu, daß die tätergünstigen Ausnahmen u. a. keine Geltung hatten, wenn die kleinen Geschenke Mittel einer Bestechung waren.26 Das ist aufschlußreich. Diese Bestimmung stiftet nur 22

S. 5. Auch Stock, S. 63, sieht den Zweck der Repetundengesetzgebung darin, Bestechungen vorzubeugen. 23 S. 717 f. 24 Siehe dazu Mommsen, S. 715 f. 25 Mayer, S. 673, zitiert Stellen, in denen die Annahme solcher Geschenke geradezu empfohlen wird: Der Geber freue sich und empfände die Zurückweisung des Geschenkes als ungerechtfertigten Stolz. 26 S. 715 Fn 3 a.E. Für Mayer, S. 673, ist diese Einschränkung so wesentlich, daß er sie der Aufzählung der erlaubten Vorteilsannahme voranstellt.

22

1. Teil: Geschichtlicher Abriß

dann Sinn, wenn auch die Repetundengesetze der durch Bestechung verursachten Rechtsbeugung durch Beamte vorbeugen wollten. Ein Geschenk mag einen noch so geringen Wert haben - in der bekundeten Absicht genommen, dafür eine unsachliche Entscheidung zu treffen, ist es nicht tolerabel; das galt für das römische Recht wie für das heutige StGB.27 Wird ein Geschenk ohne bösen Willen genommen, besteht die Gefahr fort, ist allerdings reduziert. Erst wenn die Gabe noch dazu geringen Wert hat, ist die Gefahrdung in der Regel nicht mehr groß genug, um ein Verbot zu rechtfertigen. 28 Dazu paßt, daß später im zunehmenden Kampf gegen die Unsitte der Vorteilsannahme auch diese noch so geringe Gefahr berücksichtigt worden ist; in der Kaiserzeit wurde die Erlaubnis der Vorteilsannahme noch enger gefaßt: Die indirekte Bestechung durch Geschenke an die Ehefrau wurde erörtert, bestimmten Beamten war die Annahme von Geschenken völlig untersagt.29

4. Folgerungen

Die bis hier geschilderte Entwicklung läßt erkennen, daß dem Verbot der Vorteilsannahme ein doppelter Sinn innewohnte: Zum Schutze der sachlichen Entscheidung muß jedenfalls die Bestechlichkeit, zum Schutze vor Bedrükkung müssen Erpressung und das Fordern von Geschenken verboten sein. Unter beiden Gesichtspunkten ist eine Bestrafung der bloßen Vorteilsannahme nicht zwingend geboten. Die Vorteilsannahme schafft jedoch Gefahren: Sie macht zum einen den neutralen Dritten dem Geber geneigt; sie weckt zum anderen die Begierde des Nehmers auf weitere Vorteile und kann zur Verschleierung einer Vorteilsforderung dienen. Beide Gefahren rechtfertigen bereits je für sich ein Verbot der bloßen Vorteilsannahme. Solch ein Gefahrdungsdelikt greift aber weit. Also liegt die Schaffung begrenzter Ausnahmen nahe: Kleinigkeiten darf man annehmen. Das gilt aber nur, solange es sich wirklich bloß um eine Vorteilsannahme handelt. Zielt das Geschenk dagegen auf eine Rechtsbeugung, wird es abgepreßt oder auch nur gefordert, so ist es allemal verboten.

27 Die für die Vorteilsannahme in § 331 Abs. 3 StGB vorgesehene Genehmigungsmöglichkeit fehlt bei der Bestechlichkeit (§ 332). 28 Auch hier zeigt sich eine Parallele zur heutigen Diskussion, ob gewisse tatbestandliche Vorteilsannahmen sozialadäquat und damit erlaubt sind; dazu später im 2. Teil VI. 29 Siehe die Quellen bei Mayer, S. 673 f.

H. Die Rechtsentwicklung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

23

IL Die Rechtsentwicklung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts 1. Das germanische Recht

Die germanischen Volksrechte

enthielten - nach dem zu Anfang Gesagten

war das zu erwarten - Vorschriften gegen die richterliche Rechtsbeugung, in deren Zusammenhang auch30 die Richterbestechung geregelt war. Zu Anfang des 15. Jahrhunderts heißt es im Schwabenspiegel: "welch richter guet nympt von ainem der nicht recht hat vnd wider den der da recht hat... sol ... wizzen das er gotes huld verlorn hat... so sol er ez dem nicht geben der ims da gab. wann er ez dem richter dar vmb gab das er im vnrechtens hulf vnd das er das recht vertilget... ez sol der richter dem wider geben dem da vnrecht geschach. der richter ist im auch allen seinen schaden den er also da von gewan schuldig ze gelten."31

Zahlreiche Land- und Stadtrechte des späten Mittelalters straften nicht nur die Bestechlichkeit des Richters, sondern bereits auch die des Beamten im weitesten Sinne (Bürgermeister, Ratmänner, Amtmeister, Marktmeister), teilweise auch die aktive Bestechung.32 Und auch Hinweise auf das andere Motiv fehlen im Schwabenspiegel nicht: Der Machtmißbrauch der Richter, für ihre Tätigkeit von den Rechtsuchenden Güter zu fordern, wird gegeißelt: "Nu ob ain man sein recht nicht anders behaben mag er gebe demrichter güet ... wir raten im das er e sein güet gebe e er sein recht verliez ... da von ist ez im nicht sünde. ez habent die totliche sünd die so getan güet nemment. vnd da vor Süllen sich alle die hüeten die gerichts phlegent."33

2. Das gemeine Recht

In dieser Tradition stand auch das gemeine Recht. Die Peinliche Gerichtsordnung Karls V. (Constitutio

Criminalis Carolina) aus dem Jahre 1532 be-

stimmte in Art. 205, "wie die richter vonn straflung der vbelltatter Kein sonderlich Betonung nemen sollen. Jtem wir seindt bericht,... Das die Richtere ... belonung vonn dem Ancleger begern vnd Nemen, das gantz widder das ampt vnnd Wirde eines Richters, Auch das Recht

30

Freilich nur gelegentlich, siehe die Zusammenstellung bei Engelhardt, S. 32-35. Titel 68c (Landrecht) der Münchener Handschrift, abgedruckt bei Eckhardt, S. 152-154, jeweils unten. 32 Dazu His, S. 72 f., mit zahlreichen Nachweisen. 33 Titel 90 (Landrecht); aaO (Fn 31), S. 162 f., jeweils unten. 31

24

1. Teil: Geschichtlicher Abriß vnd alle pillicheit ist... Darumb wollen Wir, das furo alle solliche Richtter kein belonung von den clegern fordern oder nemen sollen."34

Klingt hier wiederum der Gedanke der Bedrückung ("belonung begern") an, so formuliert Art. 3 im Interesse einer sachlichen Entscheidung "des Richters eyde vber das plut zu richtenn. Jch ... schwer, das ich soll vnnd will ... Recht ergen lassenn ... vnd das nit lassen weder durch lieb, leid, miet35, gab noch keiner andern Sachen wegen ...' ,36 Die bloße Bekräftigung im Eid hat sich dann in der Reichs-Cammer-Gerichts-Ordnung von 1555 zu einer echten Strafnorm verdichtet: Stellt sich heraus, "daß der Urtheiler ... von Geschenck, Miet, Gaab ... oder anderer ... Ursachen, ein ... ungerechte Urtheil geben, oder daß die Procuratores von der Gegen-Parthey dergleichen Miet, Schenck und Gaab genommen ..., soll ... gegen den Urtheilern ... und ... Procuratorn ... gebührliche Straf filrgenommen werden."37 In begrenztem Umfang war auch die Beamtenbestechlichkeit verboten, wie § 6 des 1. Titels der Reichs-Policey-Ordnung von 1577 zeigt: "Würde aber ... (ein) Amptmann / deßgleichen die vom Adel / oder andere / die Ober-Gericht haben / um Geschenck / Gab / oder sonst ... nicht strafen / sondern solchs wissentlich unterdrucken ..., sollen dieselben ... gestraft (werden)."38 Eine recht eingehende Regelung über die Gewährung und Annahme von Geschenken und Bestechungsgaben vor Gericht enthält schließlich § 46 des Reichs- Visitations-A bschiedes von 1713: "So wird hiemit ernstlich anbefohlen, daß Ihrer (sc. der Richter) keiner ... in denen am Cammer-Gericht Rechts-hängigen Sachen weder durch sich selbst, noch die Seinige, einiges Geschenck, oder Nutzen, es seye vor oder nach ergangenem Urtheil, unter was Schein oder Vorwand, und durch wen es auch angeboten werden möchte, weder directe noch indirecte, anzunehmen Macht haben sollen."39 A n der Aufzählung der verschiedenen Begehungsmöglichkeiten wird deutlich, daß zum Schutze der richterlichen Autorität schon der Anschein einer Parteilichkeit vermieden werden sollte. Die nachfolgende Passage bringt dieses Anliegen deutlich zum Ausdruck: "Gestalten alle Partheyen ... durch so unredliche Wege die Justitz zu erkauften, oder aber auch nur die Beförderung der an sich sonsten gerechten Sach zu suchen,

34

Zitiert nach der Ausgabe von Kohler und Scheel, S. 105. "Miet" bedeutet hier Bestechungsgabe; His, S. 72 mit Fn 11. 36 Bei Kohler/Scheel, S. 8. 37 3. Theil, Titel UR (Ober die Revision), § 6; in: Reichs-Abschiede m, S. 134 f. 38 Reichs-Abschiede DI, S. 380. Die Vorschrift handelt vom Strafvollzug. 39 Reichs-Abschiede IV, S. 269. Die Richter durften sich auch keine Vorteile versprechen lassen; aaO, S. 270. 35

n. Die Rechtsentwicklung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

25

um so mehr zu vermeiden haben, als der dem Gericht hierdurch erweckte böse Ruff an der demselbigen gebührenden Autorität einen gantz unleidentlichen Abbruch thut ...' ,40

Um der Rechtspflege willen waren den Parteien sowie den Anwälten die Bestechung und auch die Vorteilsgewährung bei Strafe verboten; die Richter waren verpflichtet, jedes Vorteilsangebot unverzüglich anzuzeigen.41 In § 46 klingt allein das Motiv der gerechten Entscheidung an. Damit steht diese Norm in einer Reihe mit vielen anderen Vorschriften dieses Reichs-Abschieds, deren gemeinsamer Zweck es war, das Ansehen des Gerichtes durch Gewährleistung unparteiischer Urteile zu heben. Zwar verbietet § 46 nicht das Fordern von Geschenken. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß dieses Verhalten erlaubt sein sollte; es gehörte nur eben nicht zum Regelungsbereich dieses Gesetzes.42 Dafür spricht auch der § 102 des Abschieds, der es dem Gerichtspersonal bei Strafe verbietet, für die Abschrift von Akten von den Parteien mehr zu fordern als die "Copey-Gelder".43 War schon eine Bereicherung an Abschriften verboten, so doch erst recht der Eigennutz an der Rechtsprechung. In dieses Bild fügt sich eine Vorschrift, der zwar keines der beiden geschilderten Motive zugrunde liegt, die aber in engem Zusammenhang damit steht und noch aus einem anderen Grunde interessant ist. Sollten sich die Richter nicht an den Parteien bereichern, so natürlich auch nicht am Fiskus. Daher ordnete § 93 des Reichs-Abschiedes an: "Als sollen Cammer-Richter ... nicht... ohne Ihrer Kayserlichen Majestat ausdrückliche allergnädigste Erlaubniß etwas von Straff-Geldern sich selbst zueignen."44

Geldstrafen fielen der Staatskasse zu. Und doch konnten ausnahmsweise die Richter Nutzen davon haben - aber nur bei Erlaubnis von höchster Stelle. Damit ist § 93 der frühe Zeuge des gesetzlichen Genehmigungsvorbehaltes, der später große Bedeutung erlangen sollte. All diese Normen hatten einen sehr begrenzten Anwendungsbereich, galten nur für die Verfahren am Reichskammergericht. Sie stellen jedoch exemplarisch dar, welche Entwicklung die Strafbarkeit der Geschenkannahme im gemeinen Recht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts genommen hat:45 Im Vor40

Reichs-Abschiede IV, S. 269. Reichs-Abschiede IV, S. 270. 42 Ein ausdrückliches Verbot enthielt ja schon die CCC von 1532; s.o. bei Fn 34. 43 Reichs-Abschiede IV, S. 281; siehe auch § 48 (aaO, S. 271). Damit wird eine Vorschrift bekräftigt, die bereits in der Cammer-Gerichts-Ordnung von 1500 (unter VE: Von den Copeyen, so zu Zeiten die Procuratores begehren) enthalten war; siehe Reichs-Abschiede II, S. 69. 44 Reichs-Abschiede IV, S. 280. 45 Gute Darstellung bei Stock, S. 65, 69 ff. 41

26

1. Teil: Geschichtlicher Abriß

dergrund stand der Schutz vor Rechtsbeugungen. Er bedingte zunächst das Verbot der passiven, sodann das der aktiven Richterbestechung. Zugleich war den Richtern die Bedrückung der Rechtsuchenden untersagt. Die Entwicklung beider Linien führte zu einem früher ansetzenden Schutz und mündete konsequent im allgemeinen Verbot der Vorteilsannahme für Richter. Das Verbot der Bestechlichkeit wurde zunächst auf einzelne, später auf alle Beamtengruppen ausgedehnt. Daran schloß sich das Verbot der bloßen Vorteilsannahme an. Die Verbote und Strafen waren häufig vage und wiesen von Rechtskreis zu Rechtskreis große Unterschiede auf. Mit der Rezeption des römischen Rechts gewannen sie langsam an Konturen. Feste tatbestandliche Formulierungen waren erst mit dem Ende des 18. Jahrhunderts erreicht; so heißt es bei Feuerbach: "Die Bestechung (corruptio) wird begangen von einem Staatsbeamten durch Annahme eines ihm in Beziehung auf die Ausübung seines Amtes freiwillig dargebotenen oder zugesicherten Gewinnes, welchen er gesetzlich nicht zu fordern berechtigt ist. Wer solchen anbietet oder gibt (der Bestechende), wird als Miturheber bestraft." 46

Der Begriff "Bestechung" verwirrt. Nach heutiger Terminologie ist damit die Vorteilsannahme gemeint: die geplante Amtshandlung mußte nicht pflichtwidrig sein.47 Sie mußte allerdings - eine Einschränkung gegenüber dem heutigen Recht - noch bevorstehen.48 Erstmals taucht hier das "Fordern" auf. Es dient aber nur zur Umschreibung deijenigen Vorteile, deren Annahme dem Beamten erlaubt ist; das Fordern erfüllt dagegen nicht den Tatbestand. Das gemeinrechtliche Verbot der Vorteilsannahme entwickelte sich aus dem Verbot der Bestechlichkeit und diente dem Schutz vor Rechtsbeugungen. Trotz der Übernahme römisch-rechtlichen Gedankengutes war der Schutz vor Bedrückung nicht das Anliegen dieser Norm. Feuerbach stellt dazu klar: "Die Bestechung nimmt ihren Anfang von dem Bestechenden. Sein Bieten ist Aufforderung und Anreizung zum Nehmen. Wo niemand Lust hätte zu bestechen, da würde niemand bestochen seyn. Denn, wenn der Staatsbeamte mit dem Fordern den Anfang macht, so wird er nicht der Bestechung, sondern der Erpressung schuldig, weil in seinem Fordern der Zwang zum Geben immer stillschweigend enthalten ist." 49

Bei der Vorteilsannahme war mit der Rezeption des römischen Rechts zuweilen auch die "Minimaklausel" übernommen und die Annahme kleiner Ge46

Feuerbach, Lb, § 479b. Feuerbach, Lb, § 479c; Wächter, S. 472 (Anm. 90). 48 Feuerbach, Lb, § 479 (anders noch die 4. Auflage von 1808, § 479); zum damaligen Streitstand Wächter, S. 472 f. (Anm. 90). 49 Themis, S. 217. 47

DI. Vom preußischen Allgemeinen Landrecht zu den Reichsgesetzen

27

schenke50 gestattet worden. Um 1800 lehnt aber die Literatur zum gemeinen Recht diese Einschränkung ab: Sie habe im römischen Recht nur als Ausnahme vom generellen Verbot jeder Vorteilsannahme gegolten. Nun aber sei ohnehin nur der in Beziehung auf die Amtsausübung genommene Vorteil strafbar, für die Minimaklausel bleibe daher kein Raum.51 Wächter hält - in konsequenter Rezeption - allerdings auch die "unerlaubte Annahme eines, nicht zum Zwecke der Einwirkung auf eine Amtshandlung gegebenen, Geschenks" für strafbar und erkennt hier der Minimaklausel Geltung zu. Das ist jedoch ein Einzelfall; 52 ganz überwiegend wird dieses Verhalten als nicht strafwürdig angesehen.53 Daran wird erneut deutlich, daß im gemeinen deutschen Recht der Schutz vor Rechtsbeugungen das maßgebliche gesetzgeberische Motiv für die Verpönung der Vorteilsannahme war. 54

m . Vom preußischen Allgemeinen Landrecht zu den Reichsgesetzen Um 1800 hat das Verbot der Vorteilsannahme bereits leidlich feste Konturen, es wird deutlich von der Bestechlichkeit getrennt, wenn zwar nicht immer dem Namen, so doch dem Inhalt nach. Daher konzentriert sich die folgende Darstellung auf dieses Verbot und geht dabei vor allem der Frage nach, unter welchen Umständen die Vorteilsannahme erlaubt sein konnte.

7. Die Trennung von Straf- und Beamtenrecht

In den deutschen Territorialstaaten bildete sich - vornehmlich im 18. Jahrhundert - der Typus des Staatsbeamten im heutigen Sinne aus.55 Seine enge Bindung an den Landesherrn und seine besondere Pflichtenstellung machten bald spezielle und einheitliche Vorschriften erforderlich. Die Rechte und Pflichten des Beamtentums haben zuerst im preußischen Allgemeinen Land50

"Esculenta et potulenta" (Speisen und Getränke). Siehe dazu Wächter, S. 473 f. (Anm. 91). 52 So Wächter, S. 478 (Anm. 97), selbst. 53 Z.B. Feuerbach, Lb, § 479c Anm. 6. 54 Hönn etwa erwähnt in seinem "Betrugs-Lexicon" von 1724 nur die Gefahren, die aus der Geschenkannahme für die gerechte Entscheidung erwachsen, weil sich die Beamten "durch Geschencke zu ungerechten Verfahren verblenden lassen" oder zwar Geschenke ablehnen, aber "sich davor allerhand in die Küche spendiren lassen"; Stichwort "Beamte", Nr. 3 und 18. Siehe auch Nr. 23 ("Schmiralien"). 55 Die beispielhafte brandenburg-preußische Wandlung zum absolutistischen Staat und den damit einhergehenden Aufbau einer straffen Verwaltung stellt Forsthoff, VerfGesch, S. 43-52, dar; zur Entwicklung des Beamtenverhältnisses siehe Stock, S. 919. Die Entwicklung in Süddeutschland ist bei Wunder behandelt. 51

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1. Teil: Geschichtlicher Abriß

recht von 1794 (ALR) eine eingehende Regelung erfahren. 56 In die Gruppe dieser Vorschriften sind jedoch das Verbot der Bestechlichkeit und der Vorteilsannahme nicht aufgenommen worden; sie sind vielmehr im strafrechtlichen Teil des ALR verblieben, allerdings unter der besonderen Überschrift "Von den Verbrechen der Diener des Staates"57. In den übrigen deutschen Staaten verfuhr die Gesetzgebung des frühen 19. Jahrhunderts nicht anders. Zwar ergingen zahlreiche sog. Staatsdienergesetze58, in denen die rechtliche Stellung der Beamten geregelt wurde. Die Vorteilsannahme aber war hier nicht erfaßt. Statt dessen war noch immer das 60 Strafrecht sedes materiae. 59 Die Partikularstrafgesetzbücher , die in den Län-

56

Im 2. Teil, 10. Titel: "Von den Rechten und Pflichten der Diener des Staats". 2. Teil, 20. Titel, 8. Abschnitt. Zum Verhältnis der beiden Normkomplexe siehe Stock, S. 156-160. 58 Z.B. kurfürstlich-bayerische Hauptlandespragmatik über die Dienstverhältnisse der Staatsdiener v. 1.1.1805 (Churpfalzbaier. RegBL, S. 225); Staatsdieneredikt von Nassau v. 6.12.1811 (VOB1., S. 118); königlich-bayerisches Staatsdieneredikt v. 26.5.1818 (GBl., Sp. 333); badisches Staatsdieneredikt v. 30.1.1819 (StRBl., S. 11); Edict über die Civil-Staats-Beamten von Hessen-Darmstadt v. 12.4.1820 (RegBL, S. 189); württembergisches Civil-Staatsdienstgesetz v. 28.6.1821 (StRBl., S. 441); Civilstaatsdienst-Verordnung von Sachsen-Coburg v. 20.8.1821 (Samml. der LGes. u. Verordn. f. d. Herzogthum Coburg, Bd. 6, S. 151); kurhessisches Staatsdienstgesetz v. 8.3.1831 (GSlg., S. 69); Staatsdienstedikt von Sachsen-Altenburg v. 18.4.1831 (GSlg., S. 15); braunschweigisches Gesetz über den Civil-Staats-Dienst v. 12.10.1832 (GVSlg., S. 331); Gesetz des Königreichs Sachsen, die Verhältnisse der Civilstaatsdiener betreffend, v. 7.3.1835 (GVB1., S. 169). 59 Das badische Civil-Staatsdiener-Edikt, aaO, etwa erklärt in § 10 zur Abgrenzung ausdrücklich, es verbiete nur solche "Dienstvergehen und unwürdigen Handlungen eines Dieners, welche sich zu strengrechtlichen Untersuchungen nach dem Strafedict nicht eignen, die aber doch von der Beschaffenheit sind, daß der Diener, welcher sich derselben schuldig macht, das erforderliche Vertrauen verliert, und nicht im Dienste bleiben kann ..." Die Verstöße gegen strafrechtliche Verbote konnten freilich auch disziplinarisch geahndet werden (§ 12). 60 In dieser Arbeit sind berücksichtigt worden: Königlich-bayerisches StGB v. 16.5.1813 (RB1., S. 606); oldenburgisches StGB v. 10.9.1814 (entspricht bei anderer Zählung inhaltlich weitgehend dem bayer. StGB); sächsisches Criminalgesetzbuch v. 30.3.1838 (GVBL, S. 114); württembergisches StGB v. 1.3.1839; braunschweigisches Criminal-Gesetz-Buch v. 10.7.1840 (GVSlg., S. 219); hannoveraner Criminalgesetzbuch v. 8.8.1840; Criminalgesetzbuch für das Herzogtum Sachsen-Altenburg v. 3.5.1841 (entspr. weitg. dem sächs. CrGB); hessisches StGB v. 17.9.1841 (RgBl., S. 409); Criminal-Gesetzbuch für das Fürstentum Lippe v. 18.7.1843 (GSlg., S. 97; entspr. weitg. dem braunschw. CrGB); badisches StGB v. 6.3.1845; nassauisches StGB v. 14.4.1849 (entspr. weitg. dem hess. StGB); StGB für das Herzogtum Anhalt-Dessau v. 28.5.1850 (GSlg., S. 1835); preußisches StGB v. 14.4.1851 (GSlg., S. 101); StGB für das Herzogtum Anhalt-Bernburg v. 22.1.1852 (entspr. weitg. dem preuß. StGB); StGB für die Fürstentümer Waldeck und Pyrmont v. 15.5.1855 (entspr. weitg. dem 57

I. Vom preußischen Allgemeinen Landrecht zu den Reichsgesetzen

29

dem das gemeine Recht ablösten, enthielten häufig sehr detaillierte Bestimmungen in besonderen Abschnitten über die Staatsdiener oder die Amtsverbrechen.

2. Das strafrechtliche

Verbot der Vorteilsannahme und seine Ausnahmen

Wie war das Verbot der Vorteilsannahme inhaltlich ausgestaltet? Das ALR verbietet neben der Bestechlichkeit61 in § 360 allen Dienern des Staates die Annahme von Vorteilen, die ihnen "für die Ausrichtung ihres Amts" gewährt werden. Verboten ist nur die Annahme von "Geschenken oder Gaben, wozu die Gesetze ... nicht ausdrücklich berechtigen." Damit ist nicht viel über die Erlaubnisfahigkeit gesagt. Will man den Passus nicht so verstehen, daß damit nur das Kassieren von Verwaltungsgebühren erlaubt ist,62 so besagt er bloß, daß die Vorteilsannahme legitimiert werden kann - und auch nur durch Gesetz. Motiv, Umfang und Bedeutung bleiben dabei dunkel. Für die Richter galt diese Klausel gemäß § 366 nicht. Interessanter ist § 367. Er enthält eine Sonderbestimmung für Justizbedienstete: "Wenn eine Gerichtsperson in Amtsangelegenheiten, welche keinen Prozeß betreffen, Geschenke von den Parteyen nimmt, und es seinen Vorgesetzten nicht anzeigt: so soll dergleichen Vergehen nach Vorschrift des §. 360. geahndet werden ..."

Die bloße Anzeige an den Vorgesetzten nimmt der Vorteilsannahme hier das Unrecht. Noch dazu kann die Anzeige - die Formulierung legt das nahe nachträglich erfolgen. 63 Damit war eine außerordentlich täterfreundliche Norm geschaffen, die selbst von den Bestimmungen der nachfolgenden fast 200 Jahre nicht übertroffen worden ist.64 - Die Vorteilsgewährung war erst dann strafbar, wenn der Geber beabsichtigte, sich eine Gerichtsperson "in seinen Rechtsangelegenheiten überhaupt geneigt zu machen" (§ 368). preuß. StGB); sächsisches StGB v. 11.8.1855 (GVB1., S. 180); StGB für die Freie und Hansestadt Lübeck v. 20.7.1863 (Verordnungs- u. Bekanntm.-Slg., S. 143); sächsisches revidiertes StGB v. 1.10.1868 (GVBl., S. 909; entspr. weitg. dem sächs. StGB v. 1855). - Die meisten dieser Gesetze sind bei Stenglein, Sammlung, abgedruckt. Für die restlichen sei auf die Fundstellen in den amtlichen Sammlungen verwiesen. 61 2. Teil, 20. Titel, § 361. Siehe darüber hinaus noch §§ 337, 373 (Bedrückung durch Beamte) und § 340 (Rechtsbeugung des Beamten). 62 Gegen eine solche Deutung spricht: Gebühren sind keine "Geschenke und Gaben"; Gebühren kommen der Staatskasse zu, nicht dem Beamten (es mag aber noch Reste des Sportelwesens gegeben haben, wonach die Beamten sich aus den Gebühren finanzierten statt aus Leistungen ihres Dienstherrn). 63 Diese Ausnahmeregelung wurde nicht auf den Personenkreis erstreckt, der im allgemeineren § 360 erfaßt war; preuß. Rescript v. 16.9.1847 (MinBliV, S. 249). 64 § 331 Abs. 3 StGB etwa verlangt außer der Anzeige noch zusätzlich die behördliche Genehmigung.

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1. Teil: Geschichtlicher Abriß

In den Partikularstrafgesetzbüchern ist die Vorteilsannahme stets von der Bestechlichkeit geschieden worden. Täter konnten überwiegend alle Beamte im unmittelbaren und mittelbaren Staatsdienst sein, wenn auch die Formulierungen wechseln.65 Einige Gesetze stellten nur das Annehmen und Sichversprechenlassen unter Strafe. 66 Meist war dem Täter nun aber auch das Fordern verboten.67 Damit schützte das Verbot der Vorteilsannahme den Bürger faktisch auch vor Bedrückungen. Das ist aber gewissermaßen "versehentlich" geschehen. Bei den Beratungen zum preußischen StGB jedenfalls ist das "Fordern" nur auf Umwegen in den Tatbestand gelangt. Zunächst war festgestellt worden, daß § 360 ALR bloß das Annehmen, § 366 ALR dagegen zusätzlich auch das Sichversprechenlassen verpönte. Diese Ausdehnung erschien sachgemäß, so daß man auch das "versprechen läßt" in den Tatbestand des § 309 preuß. StGB aufgenommen hat. "Eine Konsequenz dieser Erweiterung war denn die Hinzufügung des 'fordern 1."68 Das leuchtet ein. Wenn die Vorteilsannahme verboten war, weil sie eine Gefahr für die Verwaltungstätigkeit bedeutete, dann mußte im Vorfeld mit der "Annahme" auch das "Angebot" dieses umechten Handels verboten werden, denn beide Taten sind gleich gefahrlich. Freilich war die Wortwahl unglücklich. Es hätte das Verbot genügt, die Gewährung von Vorteilen zu "erbitten" oder "anzuregen", eben die Initiative zu ergreifen. "Fordern" aber besagt viel mehr als nötig, denn in diesem Wort schwingt der Zwang zum Geben immer mit.69 Diese "scharfe" Wortbedeutung hat der Gesetzgeber aber nicht gewollt, und auch die Rechtsprechung hat beständig jede noch so verschleierte und umweghafte Initiative zur Vorteilserlangung als ein "Fordern" angesehen.70 Zurück zu den Partikulargesetzen. Immer mußte die Tathandlung eine irgendwie geartete Beziehung zum Amt aufweisen. Am wenigsten verlangte hierbei das württembergische StGB, dessen Art. 410 die Geschenkannahme

65

Wie im Text: Hannover Art. 340; Lübeck § 277. Bayern Art. 446; Sachsen (1838) Art. 312, (1855) Art. 363; Anhalt-Dessau § 308: Staatsdiener oder andere (in Pflicht stehende) öffentliche Beamte. Hessen § 439: alle öffentlichen Diener. Braunschweig § 248; Baden § 657: detaillierte Aufzählung. - Interessant Württemberg Art. 399: Hier werden erstmals die "förmlich in Pflicht genommenen Personen" ausdrücklich genannt; vgl. dazu im 2. Teil II 2. 66 Bayern Art. 446 mit Art. 355; Hessen Art. 450; Baden §§ 662 f. Nur vom Annehmen spricht Württemberg Art. 410. 67 Sachsen (1838) Art. 312, (1855) Art. 363; Hannover Art. 356, 357 Abs. 3 und 4; Anhalt-Dessau Art. 308; Preußen § 309; Lübeck § 260. 68 Goltdammer, S. 671. 69 Siehe Duden, Bd. 10 (Bedeutungswörterbuch), Stichwort "fordern", Bedeutung 1. Die Wortbedeutung war damals keine andere; vgl. das Zitat Feuerbachs, oben unter II 2 bei Fn 49. 70 Siehe die Ausführungen in RGRSpr 7,285 (286 f.).

I . Vom preußischen Allgemeinen Landrecht zu den Reichsgesetzen

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von jedem Amtsuntergebenen genügen ließ.71 Die übrigen Gesetze verlangten stets, daß der Vorteil für eine in das Amt einschlagende Handlung (oder Unterlassung) gegeben werde.72 Teilweise wird die Strafbarkeit allerdings ausdrücklich auf die vorherige Vorteilsannahme beschränkt; die nachträgliche ist nur dann verboten, wenn es sich um einen nicht unbedeutenden Geldwert handelt.73 Zwei Sachverhaltsgestaltungen, die heute gesetzlich nicht ausdrücklich erfaßt sind, aber nach einhelliger Ansicht unter § 331 StGB zu subsumieren sind, waren damals in eigenen Bestimmungen geregelt: zum einen die Vorteilsannahme durch einen Angehörigen mit Wissen des Beamten,74 zum anderen die nicht unverzügliche Rückgabe oder Anzeige eines unaufgefordert zugesandten Vorteils. 75 Unter welchen Umständen durfte der Beamte einen Vorteil annehmen? Stets dann, wenn er dazu durch "Gesetz, Instruction oder ausdrückliche Erlaubnis der vorgesetzten Behörde"76 berechtigt war. Andere Gesetzbücher erwähnen Gesetze und Instruktionen nicht, heben aber explizit auf eine behördliche Genehmigung ab. Die Genehmigung soll dabei entweder ohne weitere Voraussetzungen genügen,77 oder sie wird damit verknüpft, daß die fragliche Amtshandlung bereits vor der Geschenkannahme erfolgt sein muß;78 die Annahme von Bestechungsgaben konnte nicht erlaubt werden. § 309 des preuß. StGB erwähnt - wie schon früher das ALR - die Genehmigung nicht, sondern nur die gesetzliche Berechtigung. Dennoch erkennt ein Rescript von 1847 an, daß die Ministerien in Ausnahmefallen zur Genehmigung belügt sind.79 Daß die Er71

Damit rekurriert es als einziges der untersuchten Gesetzbücher auf das allgemeine römisch-rechtliche Verbot einer jeden Geschenkannahme. Deshalb ruht der Art. 411 des württ. StGB, der vier (!) Erlaubnistatbestände formuliert, auf einem Fundament, das ihn für unsere Untersuchung wertlos macht. 72 Preußen § 309; Lübeck § 260. Die Ausdrucksweise ist völlig uneinheitlich, eine Aufzählung wäre müßig. 73 Baden §§662 f., 667. 74 Bayern Art. 446 mit Art. 355; Sachsen (1838) Art. 315, (1855) Art. 366; Hannover Art. 356 Abs. 2; Hessen Art. 453; Anhalt-Dessau Art. 313. - Zur heutigen Rechtslage: 2. Teil HI 1. 75 Die Gesetze enthielten stets präzise Zeitangaben: Bayern Art. 446 mit Art. 355 (Anzeige binnen 3 Tagen); Sachsen (1838) Art. 316 (8 Tage), (1855) Art. 370 (1 Woche); Hannover Art. 356 Abs. 2 (3 Tage); Hessen Art. 453 (3 Tage); Anhalt-Dessau Art. 314 (8 Tage). - Zur heutigen Rechtslage unten 5. Teil H 2 c aa in Fn 107. 76 So eine wiederkehrende Wendung: Sachsen (1838) Art. 312, (1855) Art. 363; Anhalt-Dessau Art. 308. Hessen Art. 450 spricht ganz allgemein von "Befugnis". 77 Lübeck §260. 78 Bayern Art. 446 Abs. 2; Braunschweig § 257; Hannover Art. 357 Abs. 4; Baden §667. 79 Rescript v. 16.9.1847 (MinBliV, S. 249). Goltdammer, S. 671, erklärt, der in den ersten Entwürfen zum preuß. StGB enthaltene Hinweis auf eine Genehmigungsmöglichkeit sei später als selbstverständlich fortgelassen worden.

32

1. Teil: Geschichtlicher Abriß

laubnis bereits vor der Geschenkannahme erteilt worden sein muß, läßt sich für einige Gesetze aus den Formulierungen 80 oder der sonstigen Regelungsstrenge81 folgern; in Preußen verlangt ein Bescheid aus dem Jahre 185682 'Vorgängige Genehmigung"; das preuß. Ober-Tribunal 83 tritt dieser Rechtsansicht bei. Für die anderen Gesetzbücher muß diese Frage unbeantwortet bleiben. Aus der Fassung der meisten Normen ergibt sich allerdings noch das eine: Wird eine Vorteilsannahme genehmigt, so ist schon der Tatbestand nicht erfüllt.

IV, Die Entwicklung bis zur Gegenwart L Das beamtenrechtliche

Verbot der Geschenkannahme

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts ergehen in Preußen Gesetze mit überwiegend öffentlich-rechtlichem Inhalt, in denen das Verbot der Vorteilsannahme zur Sprache kommt. Zunächst wird lediglich auf das Verbot in § 360 des 20. Titels im 2. Teil des ALR Bezug genommen, um in diesem Zusammenhang das "Anerbieten" eines Geschenkes der Vorteils"gewährung" gleichzustellen.84 Dann aber findet sich in § 107 Abs. 2 der Zoll- und Verbrauchs-Steuer-Ordnung von 181885 ein explizites Verbot des Annehmens und auch des Forderns: "Insbesondere dürfen die Steuerbeamten unter keinen Umständen für irgend ein Dienstgeschäft ... ein Entgelt oder Geschenk, es sey an Geld, Sachen oder Dienstleistung, es habe Namen wie es wolle, verlangen oder annehmen."

Auch dies ist eine zwar verwaltungsrechtliche, aber nicht rein beamtenrechtliche Regelung, denn hier ist in § 107 Abs. 3 auch die Vorteilsgewährung verboten.86 Die zitierte Bestimmung wird von § 57 Abs. 3 der Versteuerungsordnung des Jahres 181987 wörtlich übernommen; §§ 57 Abs. 4, 88 verbieten und bestrafen wiederum die Vorteilsgewährung.

80

Bayern Art. 446 Abs. 2: "worden ist"; Hannover Art. 357 Abs. 4: "eingeholt ist". Nur die Annahme des Vorteils ist genehmigungsfähig (Lübeck § 260); der Vorteil darf vorher nicht gefordert oder versprochen worden sein (Hannover Art. 357 Abs. 4). 82 Bescheid, die Annahme von Geschenken für Amtshandlungen der VerwaltungsBeamten betreffend, v. 15.6.1856 (MinBliV, S. 219). 83 Urt. v. 6.9.1861, mitgeteilt in GA 1861, 788 f. 84 § 14 Buchst, c des Reglements zur Land-Consumtions-Steuer v. 28.10.1810 (GSlg., S. 40): "Da es den Officianten unter jeder Bedingung verboten ist, Geschenke an Geld und Geldeswerth anzunehmen...". 85 Vom 26.5.1818 (GSlg., S. 102). 86 Die Sanktion für einen Verstoß formuliert § 146. 87 Vom 8.2.1819 (GSlg., S. 102). 81

IV. Die Entwicklung bis zur Gegenwart

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Den nächsten Entwicklungsschritt zeigt die Kabinettsorder vom 24. 10. 184088. War bisher nur vom Verbot der Geschenkannahme die Rede, so geraten nun die Ausnahmen in den Blick: "Sollte sich in besonderen Fällen ein Schiffer veranlaßt finden, den Lootsen seine Dankbarkeit für die ihm geleisteten außerordentlichen Dienste zu bezeigen, so darf derselbe das Geschenk nur unter Vorwissen und mit Genehmigung des LootsenKommandeurs... aushändigen."89

Der Wortlaut trifft allein die Genehmigung der Vorteilsgewährung', aber die Regelung ergibt nur Sinn, wenn sie ebenso zugunsten des Lotsen die Gescherikannahme erlaubt. Das "Verlangen" eines Vorteils taucht ab hier nicht mehr auf. Es ist nie genehmigungsfahig und schon nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen verboten.90 Die Wendung "unter Vorwissen und mit Genehmigung" zeigt, daß die Erlaubnis der Geschenkannahme vorausgehen mußte; andernfalls wäre nicht erklärlich, warum der Genehmigungsbefugte vorher informiert werden sollte. Die ersten Ansätze zu einem umfassenden Beamtengesetz datieren von 1869. Dem Reichstag des Norddeutschen Bundes wird der Entwurf eines "Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Bundesbeamten"91 vorgelegt, dessen § 15 Abs. 2 lautet: "Zur Annahme von Geschenken oder Belohnungen in Bezug auf sein Amt bedarf jeder Bundesbeamte der Genehmigung der obersten Präsidial-Behörde."

Damit deckt sich der Entwurf nach Inhalt und Fassung bereits weitgehend mit den heutigen Vorschriften in Bund und Ländern, wenn er auch nicht über die erste Beratung hinausgekommen ist. Nach einem weiteren erfolglosen Versuch in der Session von 1870 hat ein erneuter Entwurf, diesmal als Beamtengesetz des Deutschen Reiches (RBG), die 3. Beratung nebst Abstimmung92 im Reichstag hinter sich gebracht, wurde aber vom Bundesrat nicht mehr erledigt. 1873 schließlich trat das RBG93 in Kraft. Es diente den Landesbeamtengeset88

Allerhöchste Kabinetsorder, die Erhebung der Hafengelder und sonstigen Schiffahrts-Abgaben, so wie der Lootsengebühren in den Seehäfen und für die Gewässer der Provinz Pommern betreffend (GSlg., S. 323). 89 So für den Hafen Swinemünde, Buchst. C, Nr. 11 Abs. 3 (GSlg, S. 327). Ganz ähnliche Regelungen bestehen für die weiteren Häfen (aaO, S. 332, 336, 340, 343, 351,357, 362). 90 Für die heutige Rechtslage genauer unten im 2. Teil IV, 4. Teil 12 d bb. 91 Reichstagsvorlage v. 18.3.1869; RT-Drs. 1/59. 92 11./14.5.1872; RT-Prot. 1,3, S. 889 (895 ff., 925), 1000. 93 Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, v. 31.3.1873 (RGBl. I, S. 61). Der Wechsel vom Norddeutschen Bund zum Deutschen Reich bedingte Korrekturen im Wortlaut des § 15 Abs. 2. 3 Hardtung

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1. Teil: Geschichtlicher Abriß

zen als Vorbild. 94 Ihm folgten das Deutsche Beamtengesetz (DBG) vom 26. 1. 193795, das Bundesbeamtengesetz (BBG) vom 14. 7. 195396 sowie das Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) vom 1. 7. 195797. Bald darauf waren in allen Bundesländern Landesbeamtengesetze geschaffen, die eine inhaltlich gleiche Regelung der Vorteilsannahme enthielten.98 - Entsprechende Bestimmungen haben auch für die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst gegolten. 99 Typisch für alle beamtenrechtlichen Verbote der Geschenkannahme ist die Möglichkeit der Genehmigung. Die neuen Gesetze sehen vor, daß die Kompetenz hierzu delegiert werden kann. Die heutige Rechtslage wird durch einige Verwaltungsvorschriften in Bund 100 und Ländern 101 ergänzt. Zum größten Teil erläutern sie die straf- und beamtenrechtlichen Bestimmungen. Besondere Be-

94

§ 15 RBG ist z.B. inhaltsgleich übernommen worden in § 21 des Gesetzes über den Civilstaatsdienst für das Herzogtum Braunschweig v. 4.4.1889 und in Art. 20 bay. BeamtenGv. 16.8.1908. 95 RGBl. I, S. 39. Siehe auch hier § 15. 96 BGBl. I, S. 551; jetzt i.d.F. v. 27.2.1985 (BGBl. I, S. 479). Die Vorteilsannahme ist in § 70 geregelt. 97 Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (BGBl. I, S. 667); jetzt i.d.F. v. 27.2. 1985 (BGBl. I, S. 462). Siehe hier § 43. 98 Siehe zur heutigen Rechtslage die Nachweise im 2. Teil pr. in Fn 2. 99 Z.B. § 5 Abs. 1 der Allg. Tarifordnung für Gefolgschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst (ATO) v. 1.4.1938 (RArbBl., S. VI 471). Zur heutigen Rechtslage: 2. Teil pr. bei Fn 6 f. 100 RdErl. d. Bundesmin. d. Inneren v. 20.3.1962: "Annahme von Belohnungen und Geschenken durch Bundesbedienstete" (GMB1., S. 120); RdErl. d. Bundesmin. d. Finanzen v. 25.3.1964: "Annahme von Belohnungen und Geschenken durch Bedienstete der Bundesfinanzverwaltung" (MinBIFin., S. 322); RdSchr. d. Bundesmin. d. Inneren v. 24.11.1981, betreffend Geschenke ausländischer amtlicher Stellen (abgedruckt bei Breier/Uttlinger, § 10 Hinw. 2). 101 Bayern: Bekanntm. d. Staatsmin. d. Finanzen v. 1.10.1962 "über das Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken durch Bedienstete des Bayer. Staates" (FMBl., S. 1814; ebenfalls abgedruckt im Amtsbl. d. Staatsmin. f. Arb. u. soz. Fürsorge, S. A 333); Entschließung d. Staatsmin. d. Finanzen v. 29.10.1962 "über das Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken durch Bedienstete der Steuerverwaltung (FMBl., S. 1815). Berlin: Rdschr. d. Sen. f. Inneres v. 17.12.1986 "über Annahme von Belohnungen und Geschenken durch Dienstkräfte des Landes Berlin" (Dienstbl. d. Sen. I 1987, S. 2). Nordrhein-Westfalen: VerwVO zur Ausführung des Landesbeamtengesetzes v. 4.1.1966 (SMB1. NW 2030; dort zu §76); RdErl. d. Innenmin. v. 23.8.1974: "Annahme von Belohnungen und Geschenken im Bereich der Polizei" (MinBl., S. 1296). Rheinland-Pfalz: VwVorschr. d. Min. d. Innern u. f. Sport v. 7.4.1987: "Annahme von Belohnungen und Geschenken durch Landesbedienstete" (MinBl., S. 194).

IV. Die Entwicklung bis zur Gegenwart

35

deutung haben sie aber deswegen erlangt, weil sie das behördliche Genehmigungsermessen konkretisieren. 102

2. Das strafrechtliche

Verbot der Vorteilsannahme

Das preußische StGB103 diente dem Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund 104 als Vorbild. Dessen § 331 lautete in enger Anlehnung an § 309 preuß. StGB: "Ein Beamter, welcher für eine in sein Amt einschlagende, an sich nicht pflichtwidrige Handlung Geschenke oder andere Vortheile annimmt, fordert oder sich versprechen läßt, wird ... bestraft."

Das mutet wie ein kurzer Schritt auf einem geradlinigen Weg an. Doch der Schein trügt. Im Entwurf der Bundeskommission105 war eine Kriminalstrafe für die bloße Vorteilsannahme der Beamten nicht vorgesehen. Das preuß. StGB sei vor allem in dem Titel über die Verbrechen und Vergehen im Amte "von dem Geiste ganz besonders großer Strenge durchdrungen"; die bloße Vorteilsannahme sei jedoch nicht der Kriminalstrafe bedürftig, sondern es müsse der Dienstpragmatik überlassen werden, inwieweit in solchen Fällen der Beamte zurechtzuweisen sei.106 In der Tat enthielt ja § 15 Abs. 2 des Entwurfs eines Beamtengesetzes für den Norddeutschen Bund ein Verbot der einfachen Geschenkannahme.107 Der Versuch, in diesem Bereich die Grenze zwischen Beamten- und Strafrecht neu zu ziehen, scheiterte in der 2. Beratung, in der auf Laskers Antrag hin die Bestimmung des § 309 preuß. StGB nachträglich in den neuen Entwurf aufgenommen wurde. 108 Bemerkenswert ist dabei Laskers Klarstellung, daß etwa Trinkgelder an Briefträger oder Schaffner nicht unter die Strafnorm fallen sollten. Ob sein Argument trägt, diese Ge-

102

Ausführlich dazu im 4. Teil I 3. Siehe dazu oben m 1 in Fn 60, m 2. 104 Vom 31.5.1870 (RGBl. I, S. 197). 105 RT-Drs. 1,1/5 v. 14.2.1870. Siehe dort S. 22. 106 So die Motive; aaO (Fn 105), S. 84 f. Ähnlich schon bei den Beratungen zu § 309 preuß. StGB; vgl. Goltdammer, S. 672. 107 Oben 1 bei Fn 91. Damit wurde an dem alten Grundsatz festgehalten, nur solche Pflichten in die Beamtengesetze aufzunehmen, die nicht schon strafgesetzlich erfaßt waren; vgl. DI 1 in Fn 59. 108 Sitzung v. 7.4.1870; RT-Prot. 1,4, S. 717 (743 f.). Daß damit § 15 Abs. 2 RBG überflüssig geworden war und hätte gestrichen werden können, ist womöglich schlicht vergessen worden. Trotzdem gibt die so entstandene Zweispurigkeit noch Sinn, demi das beamtenrechtliche Verbot greift etwas weiter als das strafrechtliche; dazu im 2. Teil, v.a. V 1. Zugleich sind aber durch diese Überlagerung all diejenigen Probleme entstanden, mit denen sich diese Arbeit befaßt. 103

3*

36

1. Teil: Geschichtlicher Abriß

schenke würden nur "bei Gelegenheit" der Diensthandlung, nicht aber "für" sie gegeben, ist später109 zu untersuchen. Wichtig ist an dieser Stelle nur, daß dieses Verhalten nach Ansicht des Reichsrates jedenfalls nicht strafrechtlich erfaßt sein sollte.110 Das StGB für das Deutsche Reich vom 15. 5. 1871111 änderte alle Formulierungen, die den Norddeutschen Bund betrafen, so um, daß sie nun ohne sonstige Sinnänderung das Deutsche Reich betrafen; andere Ziele sind damit nicht verfolgt worden;112 § 331 ist unverändert geblieben. Eine ausdrückliche Regelung über die Genehmigung existierte folglich nicht. Dennoch war diese Möglichkeit wie bisher anerkannt.113

3. Die nachträgliche Genehmigung

Lange Zeit hielt man die vorherige Genehmigung für ausreichend, um das weit gefaßte Verbot der Vorteilsannahme einzuschränken. Im Beamtenrecht kam die nachträgliche Genehmigung kaum einmal zur Sprache; wenn doch, wurde sie für unzulässig gehalten.114 Auch im Strafrecht wurde sie für unbeachtlich erklärt. 115 Die Entwürfe zum StGB von 1925 bis 1930116 brachten für unser Thema nichts Neues. Auch in den Beratungen der großen Strafrechtskommission ist die Genehmigung nicht zur Sprache gekommen.117 Im Entwurf von i960 118 findet sich dann erstmals eine ausdrückliche strafrechtliche Regelung im eigenen § 460 Abs. 3 119 . Dort ist von sowohl der vorherigen als auch 109

Unten 2. Teil V I I . In diesem Sinne spricht auch Mayer, S. 674 Fn 56, über das bayerische StGB: Dort besage der Wortlaut, der Beamte müsse das Geschenk "unbefugt" annehmen; diese Einschränkung sei erforderlich, denn insbesondere die niederen Beamten dürften sehr wohl Geschenke annehmen. 111 RGBl. I, S. 128. 112 So die amtl. Begr.; RT-Drs. 1,2/89 v. 1.5.1871, S. 207. 113 RGSt 63, 367 (368) behandelt bereits die zwei Möglichkeiten: "besondere Erlaubnis" und "stillschweigende Duldung"; vgl. noch BGH, LM Nr. 1 zu § 331 (LS); NJW 1960, 830 (831); JR 1961, 507. Aus der Lit. etwa Reindl, Art. 20 Anm. 3, m.w. Nachw. und Welzel, S. 540. 114 Pr. OVGE 96, 240 (241); Brand, BeamtenR, S. 563. Ähnlich die heute vorherrschende Ansicht; vgl. unten im 5. Teil 11. 115 Vgl. oben m 2 ab Fn 80. 116 Materialien, Bde. 3 bis 5. 117 Siehe dazu § 467 des Entwurfs von 1959, in: Niederschriften, Bd. 12, Anhang B, S. 640. 118 BT-Drs. 3/2150 v. 3.11.1960, S. 84 f. 119 Er gilt für die "Bestechlichkeit eines Amtsträgers". § 462 Abs. 3 bestimmt für besonders Verpflichtete entsprechende Anwendung. 110

V. Zusammenfassung

37

der nachträglichen Genehmigung die Rede. Die Vorschrift weist einige Unterschiede zum heutigen § 331 Abs. 3 auf; der wichtigste ist: Bei vorheriger und nachträglicher Genehmigung "ist die Tat nicht rechtswidrig." Die Genehmigung nach der Tat als Rechtfertigungsgrund also!120 Der E 1962 behält diese Regelung in § 460 Abs. 4 bei, formuliert in der Begründung jedoch eine beachtliche Einschränkung: Die "Annahme" dürfe bei der nachträglichen Genehmigung freilich nur "im Sinne der vorläufigen Entgegennahme des Vorteils unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung der Genehmigung" erfolgen. 121 Für den korrespondierenden Fall der Vorteilsgewährung nimmt § 462 Abs. 4 der Tat bei vorheriger Genehmigung die Rechtswidrigkeit, die nachträgliche soll nur zu Straffreiheit führen. 122 Eine weitere Differenzierung findet sich in der Amtlichen Begründung zu § 331 Abs. 3 StGB aus dem Jahre 1972123. Die Norm läßt - wie der korrespondierende § 333 Abs. 3 für die Vorteilsgewährung - nach ihrem Wortlaut in allen Fällen der Genehmigung (jedenfalls) die Strafbarkeit entfallen und legt sich damit dogmatisch nicht fest. 124 Dort findet sich dann ein Hinweis auf solche Fälle, wo die nachträgliche Genehmigung auch einer endgültigen Vorteilsannahme die Strafbarkeit nehme, nämlich dann, wenn eine Annahme unter Vorbehalt unmöglich ist, etwa bei einer Einladung zum Essen. Im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform ist die Genehmigungsmöglichkeit ein letztes Mal umfassend erörtert worden. 125 Danach soll auch die nachträgliche Genehmigung zumindest rechtfertigen. 126 Mit dem EGStGB von 1974127 ist schließlich die jetzige Fassung Gesetz geworden.

V. Zusammenfassung Im Interesse einer gerechten Entscheidung stellten die germanischen Volksrechte die Bestechlichkeit unter Strafe. Das gemeine Recht weitete dieses Verbot unter römisch-rechtlichem Einfluß auf die bloße Vorteilsannahme aus, ohne den Normzweck zu ändern. Seit den Partikularstrafgesetzbüchern ist in 120

So ausdrücklich die Amtl. Begr. zu § 460; aaO (Fn 118), S. 609. BT-Drs. 4/650, S. 652. 122 AaO, S. 655: "persönlicher Strafaufhebungsgrund". Argument: Der Geber habe das "Risiko der Nichtgenehmigung" auf sich genommen. Das ist unklar: Der Nehmer etwa nicht? 123 Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB); BT-Drs. 6/3250 v. 4.4.1972, S. 260 f. Ganz ähnlich Amtl. Begr. zum EGStGB-Entwurf v. 11.5.1973, BT-Drs. 7/550, S. 272. 124 So ausdrücklich die Amtl. Begr.; ebd. 125 Sonderausschuß-Prot. VII, S. 612-620. 126 BT-Drs. 7/1261, S. 21. 127 Siehe oben Fn 1. 121

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1. Teil: Geschichtlicher Abriß

diese Strafnorm mit der Tatmodalität des Forderns ein "Fremdkörper" aufgenommen worden, der die Initiative zur Vorteilsannahme bestrafen sollte und darüber hinaus beiläufig auch die Bedrückung der einzelnen Bürger tatbestandlich erfaßte. Mit der zunehmenden Ausweitung des Verbotes wurden Einschränkungen erforderlich. So sollten zum einen besonders unauffällige Verhaltensweisen wie etwa die Annahme von Trinkgeldern erlaubt sein. Zum anderen bestand die Möglichkeit, daß der Dienstherr die Geschenkannahme genehmigte. Die Beamtengesetze regelten dies ausdrücklich; im Strafrecht war es zunächst nicht gesetzlich normiert, aber dennoch anerkannt. In der neuen Fassung "überholte" das Strafrecht die Beamtengesetze, indem es nicht nur der vorherigen, sondern auch der nachträglichen Genehmigung ausdrücklich Bedeutung zuerkannte. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts ist die Vorteilsannahme "zweigleisig" geregelt. Die Formulierungen der beamten- und strafrechtlichen Normen weisen dabei über den gesamten Zeitraum typische Unterschiede auf. Ihnen soll im 2. und 4. Teil nachgegangen und die Frage beantwortet werden, ob sich darin auch inhaltliche Abweichungen verbergen.

2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme § 331 Abs. 1 StGB bestraft die "Vorteilsannahme", § 70 BBG verbietet die "Geschenkannahme". Die unterschiedliche Terminologie der Überschriften und Tatbestände läßt vermuten, daß hier etwas Verschiedenes, wenn auch Ähnliches geregelt wird. Beide Tatbestände sollen in diesem Teil miteinander verglichen werden. Das hat zwei Gründe. Zum einen gebietet schon die Themenwahl diese Untersuchung. Denn der ursprüngliche Fall einer "erlaubten Vorteilsannahme" ist deijenige, in dem die Tat schon gar nicht verboten ist. Der Vergleich der Rechtsgebiete muß folglich hier beginnen. Zum anderen und vor allem aber: Die Genehmigungsvorbehalte in § 331 Abs. 3 StGB und § 70 BBG weichen - zumindest nach ihrem Wortlaut - stark voneinander ab. Unsere These lautet, daß diese Unterschiede nicht zu Widersprüchen in der Rechtsordnung führen dürfen. 1 Die unterschiedliche Reichweite der Erlaubnisnormen kann aber nur dann zu Widersprüchen führen, wenn zunächst einmal die jeweiligen Verbotstatbestände erfüllt sind. Für diese Arbeit sind folglich nur solche Sachverhalte interessant, die beiden Verbotsnormen unterfallen, der beamten- und der strafrechtlichen. Je geringer diese Schnittmenge, um so geringer der Bereich, in dem erfolgreich mit dem Gebot der Vermeidung von Normwidersprüchen argumentiert werden kann. Es gibt neben §§ 331 StGB, 70 BBG noch weitere Vorschriften, die die Vorteilsannahme verbieten. Weitere Strafnormen enthalten §§ 332 StGB, 12 Abs. 2 UWG. Beide befassen sich mit der echten Bestechlichkeit, also der Annahme eines Vorteils für eine pflichtwidrige Handlung. Wegen dieses gesteigerten Unrechtsgehaltes ist dort keine Genehmigungsmöglichkeit vorgesehen. Deshalb scheiden diese Vorschriften aus der weiteren Betrachtung aus. Gemäß § 48 WStG sind §§ 331, 332 StGB auf Offiziere und Unteroffiziere, nur § 332 StGB ist auf Mannschaften anwendbar. Die weiteren Ausführungen gelten demnach auch für diese Personengruppen. Darüber hinaus befassen sich mit der Vorteilsannahme vor allem § 43 BRRG sowie die entsprechenden Vorschriften in den Landesbeamtengesetzen2. Diese Normen sind gemäß den Ge-

1

Eingehend im folgenden 3. Teil. §89 LBG BW i.d.F. v. 8.8.1979 (GVBl., S. 398); Art. 79 BayBG i.d.F. v. 11.5.1987 (GVBL, S. 149, ber. S. 301); Art. 44 bay. KWBG i.d.F. v. 19.11.1970; § 34 LBG Berlin i.d.F. v. 20.2.1979 (GVBl., S. 368); § 69 BG Bremen i.d.F. v. 3.3.1978 2

40

2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

neralverweisungen in § 46 DRiG und z. B. § 4 Abs. 1 S. 1 LRiG NW3 auch auf Richter anwendbar;4 für Soldaten gilt § 19 SG5. Für die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes enthalten die Manteltarifverträge in § 10 Abs. 1 BAT 6 und § 12 Abs. 1 MTB II 7 entsprechende Regelungen. Alle diese Verbotsnormen sind Gegenstand der folgenden Untersuchungen. Dabei wird stets auf §§ 331 StGB, 70 BBG, 10 BAT eingegangen werden, auf die anderen nur dort, wo ihr abweichender Inhalt es nötig macht.

I. Der Normzweck Der Zweck einer Norm ist nicht eines ihrer Tatbestandsmerkmale, sondern ihr Motiv. Daher können zwei Normen mit gleichem Tatbestand und gleicher Rechtsfolge einander nicht deshalb widersprechen, weil sie verschiedenen Zielen dienen. Umgekehrt sind widersprüchliche Normen nicht etwa deshalb miteinander verträglich, weil sie aus verschiedenen Zwecken gesetzt sind. Der Normzweck hat folglich für die Suche nach Normwidersprüchen keine unmittelbare Bedeutung. Eine Erläuterung der Schutzzwecke dient jedoch einem besseren Verständnis der Normen und kann für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale womöglich fruchtbar werden. Dieser mittelbaren Bedeutung wegen ist eine Untersuchung der Normzwecke angebracht. Der historische Teil hat gezeigt, daß die straf- und beamtenrechtlichen Vorteilsannahmeverbote einen gemeinsamen Ursprung haben. Das legt die Vermutung nahe, daß ihre Zwecke identisch sind. Diese Vermutung wird sich bestätigt finden.

(GBl., S. 107); § 74 HmbBG i.d.F. v. 29.11.1977 (GVB1., S. 367); § 84 HBG (Hessen) i.d.F. v. 14.12.1976 (GVB1. 1977, S. 42); §78 NBG (Nieders.) i.d.F. v. 11.12.1985 (GVB1., S. 493); § 76 LBG NW i.d.F. v. 1.5.1981 (GVB1., S. 234); § 78 LBG Rh.-Pf. i.d.F. v. 14.7.1970 (GVBL, S. 242); § 85 SBG (Saarl.) i.d.F. v. 25.6.1979 (Amtsbl., S. 570); § 86 LBH Schl.-H. i.d.F. v. 10.5.1979 (GVOB1., S. 299). 3

Die Länder sind gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 DRiG zu einer solchen Regelung verpflichtet. 4 Das ist unstreitig für das in § 70 BBG usw. enthaltene Verbot, siehe Gerner/ Decker/Kauffmann, § 15 A m. 2, §46 Anm. 6; Schäfer, in: Löwe/Rosenberg, § 15 DRiG Rn 1; Schmidt-Räntsch, § 15 Rn 6, § 46 Rn 41. - Für ehrenamtliche Richter gilt nichts anderes; § 112 GVG. 5 § 19 SG gilt über § 78 Abs. 2 ZDG auch für Zivildienstleistende; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 24.4.1992 - 12 K 2499/89 -, S. 8. 6 7

Vom 23.2.1961 (GMBL, S. 138).

Manteltarifvertrag für die Arbeiter des Bundes v. 27.2.1964 (GMBL, S. 174). Für die Arbeiter der Länder gilt der Manteltarifvertrag v. 27.2.1964 (MTL II; z.B. MinBl. NW, S. 581); dessen § 12 ist wortgleich mit § 12 MTB II. Für die Arbeiter der Gemeinden gilt der Bundesmanteltarifvertrag v. 31.1.1962 (BMT-G II).

41

I. Der N o r m e L Beamtenrecht

In Rechtsprechung und Literatur finden sich keine Meinungsverschiedenheiten über den Zweck des Verbotes der Geschenkannahme. Überwiegend wird formuliert, die Vorschriften dienten der Gewährleistung eines unparteiischen,

gerechten 8 und uneigennützigen

9

Beamtentums.10 Sie wollten bewirken, daß

schon der Eindruck der Bestechlichkeit vermieden werde,11 um so die Integri-

tät und das Ansehen des Beamtentums zu erhalten.12 Dies alles diene letztlich der Funktionsfähigkeit

des öffentlichen

Dienstes. 13

2. §10 BAT, §12 MTB II

Diese Normen unterscheiden sich lediglich im Normadressaten14 und sind sonst wortgleich. Sie entsprechen nach allgemeiner Ansicht weitgehend den Beamtengesetzen.15 Deshalb nimmt es nicht Wunder, wenn auch die Gedanken zum Normzweck den beamtenrechtlichen Aussagen entsprechen: Die Vorschriften sollten eine saubere und unbestechliche Verwaltung16 sowie das Vertrauen der Allgemeinheit darein 17 gewährleisten; sie sollten den Bürger davor schützen, zusätzliche Leistungen zu gewähren oder Benachteiligungen be-

fürchten zu müssen.18 Letztlich ginge es im Interesse der Allgemeinheit sowie der Angestellten und Arbeiter 19 um einen intakten öffentlichen

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Dienst} 0

Dazu wird auf § 52 Abs. 1 S. 2 BBG hingewiesen. Unter Hinweis auf § 54 S. 2 BBG. 10 Battis, § 70 Anm. 1; Fischbach, § 70 Anm. 1; Lindgen, Hb, S. 506; Mühl, in: GKÖDI, K § 70 Rn 1; Schütz, BBL, § 76 Rn 1, u. DiszR, C E 80; Ule, § 43 BRRG pr. 11 Battis, § 70 Anm. 1; Bochalli, BBG, § 70 Anm. 1, und LBG, § 76 Anm. 1; Fischbach, § 70 Anm. 1; Lindgen, Hb, S. 505 f., 510 f. 12 Bochalli, BBG § 70 Anm. 1; Fischbach, ebd.; Lindgen, Hb, S. 509. 13 BVerwG, DVB1. 1986, 147; 1987, 253; 1989, 204 (205); 1990, 259 (260 f.); RiA 1989, 108 (109). Ebenso Battis, § 70 Anm. 1. Ähnlich Lindgen, Hb, S. 509: "Bestand der staatlichen Ordnung". 14 § 10 BAT: "Angestellter"; § 12 MTB II: "Arbeiter". 15 Baumgärtel, in: GKÖD IV, T § 10 Rn 2; Böhm/Spiertz, § 10 Rn 3; Clemens u.a., § 10 Erl. 2. 16 Breier/Uttlinger, § 10 Erl. 1; Brüse, in: PK-BAT, § 10 Rn 1; Clemens u.a., ebd. 17 Baumgärtel, aaO (Fn 15), Rn 1; Breier/Uttlinger, ebd.; Scheuring u.a., § 12 Erl. 2. 18 BAG, NVwZ 1985, 142 (143); Böhm/Spiertz, § 10 Rn2; Clemens u.a., § 10 Erl. 2. 19 Breier/Uttlinger, § 10 Erl. 1. 20 Baumgärtel, ebd. (Fn 17); Breier/Uttlinger, ebd. 9

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2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme 3. §§331, 332 StGB

Während im Recht des öffentlichen Dienstes Einigkeit darüber besteht, daß mehrere Gedanken in die Formulierung des Normzweckes einfließen, streitet man im Strafrecht, welchem Gedanken der Vorrang gebührt. Die Formulierungen sind mannigfaltig, sagen aber in der Sache oft dasselbe; teilweise werden auch mehrere Schutzgüter zugleich angenommen. Ganz allgemein ist als Rechtsgut die Reinheit der Amtsausübung genannt worden.21 Das ist richtig, aber zu allgemein, denn dieses Rechtsgut wird auch von anderen Amtsdelikten verletzt.22 Die spezifische Unrechtsqualität bedarf einer genaueren Untersuchung. Die konkreteren Stellungnahmen lassen sich zunächst in zwei große Lager trennen. a) Uneigennützigkeit der Amtsträger Teilweise werden den §§ 331, 332 StGB verschiedene Schutzzwecke beigelegt: §331 StGB schütze als echtes Verletzungsdelikt die Unentgeltlichkeit der Amtsführung™ § 332 StGB dagegen diene der Verhinderung pflichtwidriger Amtshandlungen.24 Die Amtsführung ist aber häufig nicht unentgeltlich, ein solcher Grundsatz existiert somit nicht und kann folglich nicht Schutzgut sein.25 Diesem Einwand ist damit begegnet worden, die Formulierung zu präzisieren: § 331 StGB schütze die Ordnung des staatlichen Gebühren- und Abgabenwesens, den Grundsatz also, daß die Amtswalter für Amtshandlungen nur die gesetzlich zugelassenen Gebühren oder Abgaben annehmen dürften. 26 Rudolphi hat zu Recht kritisiert, daß damit nur das unmittelbare Regelungsziel der Vorschrift umschrieben ist.27 Warum dürfen Amtsträger nur die zulässigen Gebühren annehmen? Im Interesse der gebenden Bürger 28 liegt dieses Verbot

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RGSt 72, 174 (175 f.); BGHSt 10, 237 (241); Kohlrausch/Lange, Vor §331 Anm. II. 22 Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 3; Geppert, Jura 1981, 42 (46); Henkel, JZ 1960, 507 (508); Schröder, GA 1961, 289 (290). 23 BGHSt 12, 146 (147); Baumann, BB 1961, 1057 (1058); Birkmeyer, VDB IX, S. 311; Bohne, SJZ 1948, 693 (697); Henkel, ebd. Ausdrücklich dagegen Binding, Lb II 2, S. 730. 24 BGHSt 12, 146 (147); Baumann, ebd.; ähnlich Wagner, Amtsverbrechen, S. 277. 25 Cramer, ebd. (Fn 22); Geppert, ebd. (Fn 22); Schröder, GA 1961, 289 f.; Wagner, Amtsverbrechen, S. 233. 26 Wagner, Amtsverbrechen, S. 233 f., 271 f. 27 In: SK § 331 Rn 2. 28 Sie hat allerdings Wagner, Amtsverbrechen, S. 233, im Auge, wenn er von einem "Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)" spricht.

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meistens nicht, denn sie sind es gerade, die dem Amtsträger die Vorteile aus freien Stücken anbieten, versprechen und gewähren.29 Auch das Gebührenund Abgabenwesen selbst ist nicht betroffen, denn die gewährten Vorteile kommen den Amtsträgern persönlich zu und sind weder Gebühren noch Abgaben. Die Vertreter dieser Ansicht haben allerdings zu Recht deutlich gemacht, daß der vorteilsnehmende Amtsträger "an sich" korrekt handelt - nur daß er einen persönlichen Vorteil für seine dienstliche Tätigkeit annimmt. Anders gesagt: § 331 StGB schützt das Gebot der Uneigennützigkeit der Amtsträger®, wie es sich in §§ 36 S. 2 BRRG, 54 S. 2 BBG findet. Aber auch dieser allgemeine Grundsatz des öffentlichen Dienstes besteht nicht um seiner selbst willen, sondern folgt aus dem Gerechtigkeits- und Gleichheitsgebot.31 Die Uneigennützigkeit soll den Amtsträger vor Befangenheit und dem Anschein der Parteilichkeit bewahren.32

b) Einheitliches Rechtsgut der §§ 331, 332 StGB Damit ist die Brücke geschlagen zu denjenigen Stimmen, die §§331, 332 StGB den gemeinsamen Zweck beilegen, einer Beeinträchtigung sachlichen staatlichen Handelns zu wehren. Hier lassen sich die Meinungen weiter unterteilen. Die geringere Anzahl der Autoren formuliert, die §§ 331, 332 StGB dienten dem Schutz vor einer Verfälschung des Staatswillens, 33 und hat dabei vor al29

So auch Wagner, Amtsverbrechen, S. 234, selbst, der damit dem von ihm vertretenen Grundsatz die materielle Begründung entzieht. 30 Vgl. auch Bank, NJW 1962, 85; Cramer, aaO (Fn22), Rn22; Dreher/Tröndle, §331 Rn IIa. Erhellend auch Jakobs, Rn6/88, und Rudolphi, NJW 1982, 1417 (1419). 31 Battis, § 52 Anm. 4. 32 Battis, § 54 Anm. 3; Wenzel, DÖV 1976, 411 f. Das sieht auch Wagner, Amtsverbrechen, S. 234, ohne daraus Konsequenzen für die Schutzgutbestimmung zu ziehen. Für Richter gilt nichts anderes; siehe § 39 DRiG und dazu Schmidt-Räntsch, § 39 Rn 2. 33 Dölling, JuS 1981, 570 (573 f.); Maurach/Schroeder, BT 2, S. 202. So im Schwerpunkt auch RegE (BT-Drs. 7/550), S. 269 f. Ähnlich Eb. Schmidt, der den Schutz vor einer Verfälschung des Staatswillens zunächst zwar nur als Zweck des § 332 StGB ansehen will (NJW 1960, 802 [804]; Bestechung, Rn 143), dann aber den § 331 StGB mit Arthur Kaufmann (JZ 1959, 375 [377]) als "ein abstraktes Gefährdungsdelikt vom Bestechungsgedanken aus -" ansieht (Bestechung, Rn 267). - Gegen diese Ansicht Geppert, ebd. (Fn 22): Dazu passe nicht, daß auch die nachträgliche Belohnung unter Strafe gestellt sei. Das überzeugt nicht: Wer als Amtsträger erst einmal auf den Geschmack von Belohnungen gekommen ist, mag durchaus versucht sein, eine z. B.

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2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

lern die konkrete Verletzung der Dienstpflicht im Blick, die Bestandteil der Bestechungsvereinbarung ist. § 332 StGB ist danach ein konkretes, § 331 ein abstraktes Gefährdungsdelikt. 34 Bei dieser Deutung verfängt Cramers Einwand nicht, die Existenz des § 331 StGB sei mit diesem Schutzgut nicht zu begründen.35 Denn im geschichtlichen Teil ist deutlich geworden, daß die bloße Vorteilsannahme zu leicht in echte Bestechlichkeit umschlagen kann, als daß sie unbeachtet bleiben könnte; eine abstrakte Gefahr für die Sachlichkeit staatlicher Maßnahmen ist nicht zu übersehen.36 Aber der Kritik ist insoweit Recht zu geben, als die Begründung zumindest unvollständig ist. Denn wenn § 331 StGB vor abstrakten Gefahren für die staatliche Tätigkeit schützen will, so gerät eine andere, mittelbare Gefahr ebenfalls in den Blick: Eine intakte, funktionsfähige staatliche Verwaltung ist im demokratischen Rechtsstaat ohne das Vertrauen der Bevölkerung kaum vorstellbar. Mißtrauen die Bürger der Sachlichkeit der Amtsträger, so wird die Arbeit der Verwaltung allein durch vermehrte Widersprüche, Klagen, Beschwerden, Gegenvorstellung und andere "Gegenwehr" greifbar mühsamer, "informelle" Erschwerungen sind kaum zu fassen; sieht ein Bürger die Beamtenschaft insgesamt als empfanglich für Vorteile an, so ist er schneller zu einem Bestechungsversuch geneigt, als wenn er von der Integrität und Uneigennützigkeit der meisten Amtsträger überzeugt ist. Deshalb ist das Ansehen des Beamten erforderlich, um eine sachgerechte Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten zu sichern.37 Aus diesem Grund sehen die meisten Stimmen als Schutzgut vor allem das Vertrauen der Bevölkerung in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes.38 Auch nach dieser Meinung ist § 332 StGB eine Qualifikation des § 331,39 denn die Gefahr des Vertrauensverlustes ist bei der Bestechlichkeit größer als bei der Vorteilsannahme.

pflichtwidrige Amtshandlung "vorzuleisten", um erst danach eine Belohnung dafür einzufordern. 34 Geerds, JR 1981, 301 (302 f.); Eb. Schmidt, Bestechung, Rn 267. 35 In: Schönke/Schröder, § 331 Rn 3. 36 Siehe oben 1. Teil 11,4, II 2, V. Ebenso Eb. Schmidt, Bestechung, Rn 267. 37 Battis, § 54 Anm. 4 a; Wolff/Bachof/Stober, VerwR H, § 114 Rn 27. 38 RGSt 39, 193 (201: Makellosigkeit des Amtes nach außen); BGHSt 15, 88 (96 f. [mit gleicher Formulierung]); 352 (354: Vertrauen der Öffentlichkeit in die Reinheit der Amtsführung [nur zu § 332]); 30, 46 (48: Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes); NStZ 1984, 24 (25); NJW 1987, 1340 (1342); OLG Koblenz, wistra 1985, 83; OLG Frankfurt, NJW 1990, 2074 (2075); Begr. zu E 1925, S. 68; Begr. zu E 1927, S/72; Benfer, Rn694; Eser, S. 226; Fuhrmann, ZStW 72 (1960), 534 (537); Geppert, ebd. (Fn 22); Haft, S. 28 f.; Jakobs, Rn 6/86; Jescheck, in: LK, Vor § 331 Rn 17; Otto, BT, S. 469; Schmidhäuser, BT, Rn 24/4; Welzel, S. 539. Ausdrücklich dagegen Baumann, BB 1961,1057 (1058). 39 BGH, NStZ 1984,24; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 332 Rn 1.

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Den Befürwortern dieser Ansicht ist anzurechnen, daß sie diesen "mittelbaren" Rechtsgutsbezug offengelegt haben. Eine Abkehr vom Gedanken der Staatswillensverfalschung, wie sie gefordert wird, läßt sich mit ihr jedoch nicht begründen. Vielmehr ergänzen sich beide Aspekte zu einer befriedigenden Beschreibung der Unrechtsqualität, die den verpönten Handlungsweisen innewohnt;40 § 332 StGB ist eine Qualifikation des § 331.41 c) Speziell: Das Fordern In letzter Zeit hat Wagner42 angemerkt, daß das Fordern eines Vorteils eine Unrechtsqualität habe, die den anderen Begehungsformen fremd sei. Das Fordern eines Vorteils lasse zwar auch die Verfälschung des Staatswillens und einen Vertrauensschwund bei der Bevölkerung besorgen. Vor allem aber greife es in das Grundrecht der persönlichen Handlungsfreiheit des Bürgers ein. Damit ist ein Rechtsgut genannt, daß sich nicht in die oben vorgenommene Verknüpfung der anderen Schutzzwecke einbinden läßt. Nach Wagners Ansicht sprechen mehrere Überlegungen dafür, daß § 331 StGB mit dem Verpönen des Forderns vor allem dieses Individualrechtsgut schützt:43 Beim Fordern einer Belohnung schwinge das Moment der eigennützigen Bedrückung mit, das den anderen Modalitäten nicht innewohnt. Nur mit diesem tatsächlichen Befund sei erklärbar, daß geringwertige Vorteile zwar angenommen, nicht aber gefordert werden dürften. 44 Auch die Beamtengesetze sähen nur die Möglichkeit vor, die Annahme zu genehmigen, nicht aber auch das Fordern. 45 Schließlich beschränke das Strafrecht selbst im § 460 Abs. 4 E 1962 (heute §331 Abs. 3 StGB) den Rechtswidrigkeitsausschluß auf nicht geforderte Vorteile. Cramer hat gegen diese Ansicht ein Bedenken angemeldet:46 Wenn das Fordern neben den anderen Schutzgütern des Vorteilsannahmeverbotes noch zu-

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BGH, NStZ 1985, 497 (499: Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Allgemeinheit in sie); E 1962, S. 648 f.; Arzt/Weber, Rn419, 425, 434; Blei, BT, S. 454 ff ; Geerds, Bestechung, S. 50-55 (tendenziell anders wohl in JR 1981, 301 [302 f.]); Krey, BT, Rn 660; Lackner, § 331 Rn 1; Wessels, BT 1, § 25 I 2 (S. 235). Gute Darstellung bei Rudolphi, in: SK, § 331 Rn4. Vgl. noch die ausführliche Stellungnahme von Loos, in: Festschr. f. Welzel, S. 879 ff. 41 Arzt/Weber, Rn 436; Dreher/Tröndle, § 332 Rn 1; Eser, S. 227; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 6. 42 S. 231-234. Ebenso schon früher Feuerbach; siehe im 1. Teil D 2 bei Fn 49. 43 Ebd., mit ausführlicher Begründung. 44 Mit Nachw. der damaligen Literatur. Heute ist das aber streitig; vgl. unter VI 4. 45 Dazu genauer unten im 4. Teil 12 d bb. 46 In: Schönke/Schröder, § 331 Rn 3.

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2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

sätzlich die persönliche Handlungsfreiheit des Bürgers angreife, sei es widersprüchlich und unerklärlich, warum der Gesetzgeber das Fordern mit derselben Strafandrohung wie etwa das Annehmen versehen habe. Aber diese Kritik trifft nicht Wagner, sondern allenfalls den Gesetzgeber. Wenn Wagner die Ungleichartigkeit der Begehungsweisen aufzeigt, verlangt er damit keine besondere Unrechtsqualität des Forderns, sondern stellt sie nur fest. Er verlangt auch nicht, das Fordern strenger zu behandeln, er zeigt lediglich auf daß es strenger behandelt wird. Diese Ungleichbehandlung wäre gerade nicht erklärlich, wenn im Fordern eines Vorteils dasselbe Unrecht läge wie im (bloßen) Annehmen.47 Aber auch der Gesetzgeber wird sich Cramers Kritik erwehren können. Einerseits droht § 331 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu zwei, § 332 Abs. 1 StGB bis zu drei Jahren an. Diese Strafrahmen lassen genügend Raum, um das Fordern eines Vorteils hinreichend zu gewichten. Andererseits besteht für den Gesetzgeber kein zwingender Grund, getrennte Straftatbestände für Handlungen verschiedener Unrechtsgrade zu schaffen. Bei § 240 StGB etwa hat er es auch nicht getan, obwohl die Nötigung mit Gewalt eine andere Unrechtsqualität und einen höheren Unrechtsgrad aufweist als die Nötigung durch Drohung mit eben derselben Gewalt. Im Straftatbestand der Jagdwilderei hat er das Nachstellen dem Erlegen gleichgestellt und damit für die "Versuchshandlung" dieselbe Strafe angedroht wie für die unrechtsintensivere "Vollendung".48 Das ist stets und so auch in §§ 331, 332 StGB unbedenklich, denn es ist einhellige Ansicht, daß über § 46 Abs. 1 S. 1 StGB hinaus nicht nur die Schuld, sondern auch die Schwere des Unrechts Grundlage der Strafzumessung ist.49 Der historische Teil hat bereits gezeigt, inwieweit Wagners Modell berechtigt ist.50 Ein Amtsträger, der einen Vorteil wirklich "fordert", also energisch verlangt, bedrückt den Bürger in hohem Maße. Daß § 331 StGB mit der Bestrafung des Forderns also auch dem Schutz vor Bedrückung (objektiv) dient, kann gar nicht zweifelhaft sein. Aber diese Wirkung ist ein unbeabsichtigter Reflex, der allein durch die unglückliche Wortwahl in den Vordergrund gerät. Sie trifft wohl nicht einmal den typischen Fall des "Forderns": Der Täter legt es zumeist nicht darauf an, dem Geber mit seiner Amtsstellung zu imponieren und dreist und frei heraus ihm einen Vorteil abzuverlangen. Fast immer ist es gerade umgekehrt: Der Täter gibt seinem Gesprächspartner - oft verschleiert zu verstehen, daß die Gewährung eines Vorteils zum Nutzen beider Parteien

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Wie es Cramer, aaO, Rn 35, zu sehen scheint. Zum Verhältnis der Tathandlungen zueinander siehe nur Eser, in: Schönke/Schröder, § 292 Rn 5. 49 BGHSt 20, 264 (266); aus der Literatur siehe nur Günter Hirsch, in: LK, § 46 Rn 9 m.w.Nachw. 50 1. Teil m 2 bei Fn 67-70. 48

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(bei § 332 StGB) oder doch zumindest eine angemessene Freundlichkeit (bei §331 StGB) wäre. In diesen Fällen aber ist ein Angriff auf die persönliche Handlungsfreiheit nicht oder doch nur kaum zu finden. Aber ist dann erklärlich, warum das Fordern (auch in milder Form) um so vieles strenger behandelt wird als die anderen Tathandlungen? Die Motive zu §331 Abs. 3 StGB begründen die Genehmigungsunfähigkeit des Forderns mit Blick auf das gewohnte Rechtsgut, die Integrität des öffentlichen Dienstes: Das Fordern sei nun einmal "unvereinbar mit der Stellung des Amtsträgers ... und den Grundsätzen des öffentlichen Dienstes"51. Diese Begründung umfaßt beide Formen des Forderns, das vehemente wie das behutsame. Die Rechtsprechung der Disziplinargerichte zeigt, daß beides den Beamten stets als besonders fehlsam angelastet wird, weil der Beamte von sich aus die Initiative ergreift. Diese Ansicht wollte sich der Strafgesetzgeber zu eigen machen. Ob das bloße Initiieren einer Vorteilsgewährung - ohne besondere Pression des Gebers - einen so viel höheren Unrechtsgrad erreicht als das Sichversprechenlassen und das Annehmen, ist freilich eine strafrechtspolitische Frage, über die sich streiten ließe. Ebenso ist es aber zugleich unbestreitbar, daß es dem Gesetzgeber frei steht, sie wie geschehen zu entscheiden. Sieht er die Initiierung als hinreichend gesteigertes Unrecht an, so ist die gesetzliche Regelung in § 331 Abs. 3 StGB systematisch unbedenklich und ist die strenge Behandlung des Forderns überhaupt auch ohne Blick auf die persönliche Handlungsfreiheit des bedrückten Gebers gut begründbar. Die Verpönung des Forderns mag faktisch in manchen Fällen einen Schutz des Bürgers vor Bedrückung bedeuten - bezweckt ist dieser Schutz nicht.

4. Zusammenfassung

Allen bisher untersuchten Vorschriften liegt als Ziel ein intakter und effektiver öffentlicher Dienst zugrunde. Die Bestimmungen wollen ihn vor den spezifischen Gefahren beschützen, die aus der Annahme von Vorteilen resultieren: vor einer Verfälschung des Staatswillens als innerer, konkreter Gefahr und vor einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung als äußerer, abstrakter Gefahr. Beide Gefahren werden verursacht durch Parteilichkeit der Amtsträger; für den Vertrauensschwund genügt bereits die Besorgnis der Parteilichkeit. Beides wiederum wird durch Eigennützigkeit der Amtsträger begünstigt.

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RegE (BT-Drs. 7/550), S. 271. Gleichlautend schon E 1962, S. 651; ähnlich auch E l 960, S. 609. 52 So ausdrücklich BDH, DokBer. 1964, 2239 f. Weitere Nachweise später im 4. Teil 12 d bb. Zu Korrekturen über die Sozialadäquanz vgl. VI 4.

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2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

IL Der Normadressat 7. Beamte

a) Allgemeines Das beamtenrechtliche Verbot der Geschenkannahme wendet sich an Beamte53 vor und nach Beendigung des Beamtenverhältnisses. Das Beamtenverhältnis wird durch Ernennung begründet;54 es endet durch Entlassung, Verlust der Beamtenrechte, Entfernung aus dem Dienst nach dem Disziplinarrecht oder Eintritt in den Ruhestand.55 Einen Sonderfall regelt das Richtergesetz: Ein Beamter kann gemäß § 14 DRiG zum Richter kraft Auftrags ernannt werden. Dabei behält er sein bisheriges Amt (§15 Abs. 1 S. 1 DRiG), es wird also nicht im Sinne der Beamtengesetze beendet. Gleichzeitig ordnet § 15 Abs. 1 S. 3 DRiG an, daß die Pflichten aus dem Beamtenverhältnis ruhen. Danach wäre auch § 70 BBG unanwendbar. Deshalb ist das Verbot der Geschenkannahme ausdrücklich von der Ruhensanordnung ausgenommen.56 Mit all diesen Vorschriften gelingt die Erfassung des Adressatenkreises äußerst genau. Es gibt jedoch einen Problembereich:

b) Das faktische Beamtenverhältnis Für die Ernennung zum Beamten gelten strenge förmliche Voraussetzungen.57 Fehlt eine davon, so kommt es zu keiner Beamtenernennung (Nichternennung). Sind sie alle erfüllt, kann die Ernennung immer noch gemäß § 11 BBG nichtig sein. Bleibt nun zunächst verborgen, daß es zu keiner wirksamen Ernennung gekommen ist, und tritt der Betroffene seinen Dienst58 an, so stellt sich die Frage, ob auch für ihn das Verbot des § 70 BBG gilt. Dieselbe Frage stellt sich, wenn die Ernennung eines Beamten nach § 12 BBG 53

Definitionen finden sich in § 2 BBG und z.B. § 2 LBG NW. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BBG und z.B. § 8 Abs. 1 Nr. 1 LBG NW. 55 §§ 6 Abs. 3 und 4, 28-51 BBG, §§ 5, 11 BDO; z.B. §§ 30 S.l, 31-54 LBG NW, §§ 5, 11 DO NW. - Manche Gesetze nennen zusätzlich die Abberufung der kommunalen Wahlbeamten; z.B. § 30 S. 2 LBG NW. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen ist zweifelhaft; vgl. Schütz, BBL, § 30 Rn 3a m.w.Nachw. 56 Es ist nicht korrekt, wenn diese Ausnahmeregelung als bloße Klarstellung bezeichnet wird; so aber Gerner/Decker/Kauffmann, § 15 Anm. 2; Schäfer, in: Löwe/Rosenberg, § 15 DRiG Rn 1; Schmidt-Räntsch, § 15 Rn 6. 57 Vgl. § 6 Abs. 2 BBG. 58 Vgl. Schröcker, DVB1. 1957, 661 (664); ähnlich Brückner, S. 108, 135-138, der von "Stabilisierung" als Entfaltung gewisser Eigengesetzlichkeiten spricht, an die alle Beteiligten gebunden sind. 54

II. Der Normadressat

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etwa wegen arglistiger Täuschung mit Wirkung ex tunc59 zurückgenommen worden ist. Sie ist gelegentlich verneint worden: Diese Vorschrift gelte "mangels Beendigung im Sinne von § 70 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 nicht für Personen, deren Ernennung zum Beamten nichtig war (§ 11) oder zurückgenommen worden ist (§§ 12, 13 Abs. 2)."60 Das ist inhaltlich richtig, beweist aber noch nichts. Denkbar ist immerhin, das Merkmal "Beamter" selbst analog auf die fehlerhaft ernannten Personen anzuwenden.61 Diese Frage ist ein Ausschnitt des umfassenden Problems, welcher Art und welchen Inhalts das Rechtsverhältnis zwischen Behörde und de-facto-Beamten ist.62 Dieses Problem kann hier nicht erschöpfend behandelt werden;63 soviel sei aber gesagt: Wohl zu Recht wird zunehmend ein faktisches öffentlichrechtliches Dienstverhältnis angenommen.64 Die Rechtsentwicklung im Arbeitsrecht zeigt, daß bei den zunächst unerkannt nichtigen Arbeitsverhältnissen ein faktisches Rechtsverhältnis angenommen wird, das weitgehend dieselben Rechte und Pflichten eines normalen "rechtlichen" Arbeitsverhältnisses aufweist. Eine andere befriedigende Lösung ist für unwirksame Dauerrechtsverhältnisse nicht gefunden worden. Daher liegt es nahe, im Beamtenrecht entsprechend zu verfahren. 65 Ein weiteres Indiz bietet § 14 BBG.66 Dort werden für das Außenverhältnis zwischen Behörde und Bürger die Amtshandlungen des de-facto-Beamten denen eines "echten" Beamten gleichgestellt. Für das Innenverhältnis zwischen Behörde und de-facto-Beamtem schweigt das Gesetz; diese Lücke kann durch eine Analogie zu § 14 BBG geschlossen wer59 Diese Rechtsfolge ergibt sich nicht zwingend aus dem Wortlaut, ist aber allgemeine Ansicht; siehe nur von Münch, in: Bes VerwR, S. 32; WolffTBachof/Stober, VerwR D, § 111 Rn 20 a.E. 60 Battis, § 70 Anm. 1 (anders aber wohl § 6 Anm. 5 b: dem de facto-Beamten oblägen jedenfalls Nebenpflichten, z.B. zur Verschwiegenheit); ebenso Schütz, BBL, § 30 Rn 1, § 76 Rn 1, und DiszR, C II Rn 80. 61 So Brückner, S. 68 mit 148 f.; Mühl, in: GKÖD I, K § 70 Rn 2. Sogar für eine unmittelbare Anwendung plädieren Fromme, DÖD 1981, 69; Schröcker, DVB1. 1957, 661 (665,668). 62 Zum Meinungsstand siehe die Auflistung bei von Münch, in: Bes VerwR, S. 33: privatrechtlicher Dienstvertrag, faktischer privatrechtlicher Dienstvertrag, Rechtsverhältnis sui generis, öffentlich-rechtlicher Vertrag, faktisches öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis. Dort auch weitere Nachweise. 63 Siehe dazu die Monographie von Brückner. 64 BayVGHE 7, 110 (113: "[beamtenähnliches] Gewaltverhältnis"); ZBR 1973, 58 (59); Brückner, S. 148 f.; Fromme, DÖD 1981, 169; von Münch, ebd. (Fn62); Schröcker, DVB1. 1957, 661 (664: "zwar nicht vollgültiges, aber doch echtes Beamtenverhältnis"). Zumindest für möglich halten es BVerwG, DÖV 1972, 573 (575); 1983, 898 (899); Battis, § 6 Anm. 5 b. 65 Fromme, DÖD 1981,169 f.; Schröcker, DVB1. 1957,661 (664). 66 Fromme, DÖD 1981,169 (170).

4 Hardtung

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2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

den. Ob sie so weit trägt, daß der de-facto-Beamte alle Rechte und Pflichten eines "echten" Beamten hat, kann hier nicht beantwortet werden.67 Es gelten jedoch diejenigen Vorschriften analog, deren Zweck das gebietet.68 Da § 70 BBG die intakte Verwaltung vor inneren und äußeren Gefahren durch falsche Entscheidungen und Vertrauensverlust in der Bevölkerung schützen soll,69 ist diese Norm auch auf den de-facto-Beamten anwendbar, denn auch er schafft diese Gefahren durch die Annahme von Geschenken. Für die Fälle der Nichternennung und der nichtigen Ernennung ist dieses Ergebnis dogmatisch leicht faßbar. Umständlicher sind die Fälle der Zurücknahme (§ 12 BBG): Die Ernennung war wirksam, der Ernannte war "echter" Beamter. Die Rücknahme der Ernennung schafft nun die Fiktion, der Beamte sei nie ernannt worden.70 Auf dieser fiktiven Basis muß dann dort ein faktisches Beamtenverhältnis konstruiert werden, wo tatsächlich ein "rechtliches" bestand. Andersherum stellt es sich bei § 11 Abs. 1 S. 2 BBG dar, wonach eine nichtige Ernennung von der sachlich zuständigen Behörde rückwirkend bestätigt werden kann: In diesem Fall wird ein faktisches Beamtenverhältnis von der Fiktion eines rechtlichen überlagert. Das klingt seltsam, ist aber leicht hinzunehmen. Denn diese Konstruktionen sind keine Blüte der Dogmatik zum fehlerhaften Beamtenverhältnis, sondern schon im Gesetz enthalten, wie § 14 BBG - wenn auch nur für das Außenverhältnis zwischen Behörde und Bürger - deutlich zeigt.

c) Verhältnis zu §§ 331, 332 StGB Zu den Amtsträgern gehören nach strafrechtlicher Terminologie vor allem Beamte71 im statusrechtlichen Sinne.72 Der darin liegende Verweis auf die Beamtengesetze des Bundes und der Länder73 macht die vorangegangenen Ausführungen auch für §§ 331 ff. StGB verwertbar - mit einer Einschränkung allerdings: Wessen Beamtenverhältnis beendet ist, der ist kein Beamter und

67

Dafür wohl Fromme, DÖD 1981, 169 (170). Einschränkend etwa BayVGH, ZBR 1973, 58 (59): keine Pflicht des Dienstherrn zu Schutz und Fürsorge. Bereits in § 14 S. 2 BBG findet sich eine gesetzliche Einschränkung. 68 Bay VGHE 7,110(113). 69 Siehe oben 11. 70 Genauer zur Bedeutung rückwirkender Verwaltungsakte unten, 5. Teil III 2 c. 71 § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst, a StGB. 72 RGSt 60, 139 f.; Dreher/Tröndle, § 11 Rn 12; Welp, in: Festschr. f. Lackner, S. 761 f. 73 RGSt 39, 95; 60,139 f.; Dreher/Tröndle, § 11 Rn 14; Welp, aaO, S. 762.

II. Der Nonnadressat

51

damit kein Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst, a mehr.74 Unter diesem Gesichtspunkt erfaßt § 70 BBG einen größeren Personenkreis. Oben ist dargelegt worden, daß der fehlerhaft Ernannte kein Beamter ist. Seine Amtsträgereigenschaft läßt sich folglich nicht über § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst, a StGB begründen.75 Dennoch wird der faktische Beamte ganz überwiegend als Amtsträger angesehen.76 Teilweise wird dafür als Begründung geliefert, die Rückwirkung der beamtenrechtlichen Nichtig- und Rücknahmeerklärung sei für das Strafrecht unbeachtlich.77 Das trifft aber nur auf den wirksam Ernannten zu, dessen Ernennung rücknehmbar ist; er war bis zur Rücknahme tatsächlich und rechtlich Beamter, die beamtenrechtliche Rückwirkungsfiktion ist für den Straftatbestand unbeachtlich.78 Der fehlerhaft Ernannte aber war niemals Beamter, deshalb kann für ihn dieses Argument nicht zutreffen. Nach anderer Ansicht ist er Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c\ denn er sei wie jeder andere Beamte "dazu bestellt79 ..., bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle ... Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen".80 Das ist richtig, aber nicht unproblematisch. Während der Beamtenbegriff an das Innenverhältnis des Amtsträgers zum Staat anknüpft, hebt die "sonstige Bestellung" auf das Außenverhältnis zum Bürger ab,81 denn hier kommt es entscheidend auf die Wahrnehmung von "Aufgaben der öffentlichen Verwaltung" an. Dieser Begriff ist aber sehr unklar. Überwiegend wird er als Abgrenzung zu Gesetzgebung und Rechtsprechung verstanden.82 Nach anderer Ansicht kann darunter nicht mehr der Betrieb rein er74

RGSt 35, 75; BGHSt 11, 345 (347); Cramer, in: Schönke/Schröder, Vor § 331 Rn 2; Dreher/Tröndle, § 11 Rn 14; Jescheck, in: LK, Vor § 331 Rn 5; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 7. 75 RGSt 39, 95 (96); Dreher/Tröndle, § 11 Rn 14. A.A. natürlich diejenigen, die schon das Beamtengesetz auf den fehlerhaft Ernannten unmittelbar anwenden wollen; vgl. die Nachweise oben b in Fn 61. 76 RGSt 50, 18 (19); OLG Braunschweig, NdsRPfl. 1950, 127; Brückner, S. 145 f.; Cramer, aaO (Fn 74), Rn 4; Jellinek, S. 85; Jescheck, aaO (Fn 74), Rn 6; Mäurach/ Schroeder/Maiwald, BT 2, Rn 68/12. A.A. wohl lediglich RGSt 22, 39 (40 f.). 77 Cramer, aaO (Fn 74), Rn 5; Maurach/Schroeder/Maiwald, ebd. 78 Brückner, S. 92. Ungenau Cramer, ebd., der auf die "Möglichkeit strafrechtlicher Eigenbegriffsbildung" abhebt. - Genauer zur Bedeutung verwaltungsrechtlicher Rückwirkungsanordnungen für das Strafrecht unten 5. Teil IE 2 d. 79 Bestellung ist formfrei möglich; siehe nur Dreher/Tröndle, § 11 Rn20 m.w. Nachw, a.A. Dingeldey, NStZ 1984, 503 (504 f.), dessen zusätzlich geforderten Voraussetzungen aber beim faktischen Beamten vorliegen. 80 Dreher/Tröndle, § 11 Rn 14; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, Rn 68/12, 14; Plog/Wiedow/Beck, § 14 Rn 8. 81 Siehe nur Eser, in: Schönke/Schröder, § 11 Rn 21. 82 RegE (BT-Drs. 7/550), S. 209; Dreher/Tröndle, § 11 Rn22; Eser, aaO, Rn23; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, Rn 68/14; Tröndle, in: LK, § 11 Rn 25. 4*

52

2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

werbswirtschaftlicher Unternehmungen verstanden werden.83 Weiterhin wird teilweise vertreten, es dürfe sich nicht um "untergeordnete und mechanische Hilfstätigkeiten" handeln.84 Diese Einschränkungen könnten dazu führen, daß für einzelne faktische Beamte zwar § 70 BBG, nicht aber § 331 StGB gälte. Das wäre nicht schlimm, aber eine vermeidbare Inkongruenz: Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst, b StGB ist Amtsträger, wer in einem "sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht." Damit ist - wie bei Buchst, a - an das Innenverhältnis angeknüpft. 85 Die Ausführungen zum Beamtenrecht haben gezeigt, daß dieses auf den faktischen Beamten weitgehend anwendbar ist. Er befindet sich somit in einer vergleichbar besonderen Nähe zum Staat wie ein "echter" Beamter und die übrigen Personengruppen, für die anerkanntermaßen diese Formulierung gilt. 86 Zu dieser Vorschrift wird zwar häufig gesagt, das "Amts'Verhältnis meine etwas anderes als das z. B. beamtenrechtliche "Dienstverhältnis.87 Damit wird jedoch dem §11 StGB eine begriffliche Unterscheidung des Staats- und Beamtenrechts untergelegt, die ihm fremd ist. Denn gerade die Beamten, also die Mitglieder des typischen "Dienstverhältnisses, werden dort als Mitglieder eines "Amts'Verhältnisses88 und als "Amts"träger bezeichnet. - Der unsichere Rückgriff auf Buchst c des § 11 StGB ist somit entbehrlich.

2. Angestellte und Arbeiter des öffentlichen

Dienstes

Das Dienstverhältnis der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst wird durch privatrechtlichen Dienstvertrag begründet.89 Etwaige Fehler bei der Begründung90 können zu einem faktischen Arbeitsverhältnis führen, in dem wie im faktischen Beamtenverhältnis das Verbot der Geschenkannahme analog gilt. Im Unterschied zum Beamtenrecht entfällt das Verbot mit der Been-

83

Samson, in: SK, § 11 Rn 15; Welp, aaO (Fn 72), S. 782-786, mit beachtlichen Argumenten. 84 Dreher/Tröndle, § 11 Rn 22; Tröndle, in: LK, § 11 Rn 25 m.w.Nachw, ähnlich Baumgärtel, in: GKÖD, T § 6 Rn 9. Das wird für faktische Beamte allerdings kaum jemals zutreffen. 85 Zur Auslegung dieser Bestimmung siehe Welp, aaO (Fn 72), S. 762-764. 86 Etwa Minister des Bundes und der Länder, Wehrbeauftragte, Notare, Gemeinderäte. Vgl. die Zusammenstellung bei Welp, aaO (Fn 72), S. 764 Fn 16. 87 So z.B. Dreher/Tröndle, § 11 Rn 18: Deshalb seien Soldaten nicht darunter zu fassen. Als Beleg gelten diesen Stimmen die anerkannten Fälle dieser Gruppe. 88 Buchst, b: "sonstigen"! 89 Von Münch, in: Bes VerwR, S. 81; ausführlich Wolff/Bachof/Stober, VerwR H, § 119 Rn 1-4. 90 Dazu Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 119 Rn 2.

II. Der Normadressat

53

digung des Dienstverhältnisses91, das folgt aus dem vom Beamtenrecht abweichenden Wortlaut der §§ 10 BAT usw.92 Die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes sind Amtsträger, sofern sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen,93 also hoheitlich tätig werden.94 Erfüllen sie andere Aufgaben, müssen sie gemäß § 1 Abs. 1 VerpflG verpflichtet werden und sind damit "für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB.95 Hier können sich also die Tarifverträge und das Strafrecht überschneiden.

3. §331 StGB

Das in § 331 StGB enthaltene Verbot der Vorteilsannahme richtet sich an Amtsträger, für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (Abs. 1), Richter96 und Schiedsrichter (Abs. 2). § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB nennt drei Gruppen von Amtsträgern: Beamte und Richter (Buchst, a) unterliegen ebenfalls dem beamtenrechtlichen Geschenkannahmeverbot; sonstige Angehörige eines öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisses (Buchst, b), zum Beispiel Notare (vgl. § 1 BNotO), unterliegen meist keinem außerstrafrechtlichen Geschenkannahmeverbot;97 für sonst Bestellte (Buchst. c) 97a gelten wohl meist zugleich die Verbote in § 10 BAT usw. Für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (§11 Abs. 1 Nr. 4 StGB) können diesen tarifVertraglichen Verboten ebenfalls unterliegen, müssen es aber nicht. Die Schiedsrichter98 schließlich sind nur vom strafrechtlichen Verbot erfaßt. Wegen der unterschiedlichen Adressaten sind also Fälle denkbar, in denen nur § 331 StGB eingreift, etwa wenn sich ein Notar für die gelungene Errichtung eines komplizierten Testamentes mit einem neuen Bürostuhl beschenken 91

Dazu näher von Münch, in: Bes VerwR, S. 83; Wolff/Bachof/Stober, VerwR n, § 119 Rn 19 f. 92 Unstreitig; siehe etwa Baumgärtel, in: GKÖDIV, T § 10 Rn 2; Clemens u.a., § 10 Erl. 6; Scheuring u.a., § 12 Erl. 1. 93 § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst, c StGB; siehe oben bei Fn 80-84. 94 "Beamter" im amtshaftungsrechtlichen Sinne; Wolff/Bachof/Stober, VerwR n, § 118 Rn 1. 95 Dazu insb. Baumgärtel, aaO (Fn 92), § 6 Rn 8, § 10 Rn 11; Dreher/Tröndle, § 11 Rn 29-32; und das "Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz)" v. 2.3.1974, teilw. abgedr. bei Dreher/Tröndle, Anhang 19. 96 Sie sind zugleich Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst, a StGB). 97 Ausnahme: faktische Beamte; oben 1 c ab Fn 75. 97a Siehe dazu etwa BGHSt 38,199 ff. 98 §§ 1025-1048 ZPO, §§ 101-110 ArbGG. Sie sind keine Amtsträger; Dreher/ Tröndle, § 11 Rn 28; vgl. auch den Wortlaut des § 336 StGB.

54

2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

läßt. Dem Adressaten ist die Tat nur strafrechtlich verboten; das Recht des öffentlichen Dienstes schweigt dazu. Ein Widerspruch liegt in dieser Divergenz freilich nicht."

III. Das Tatmittel Die untersuchten Normen verbieten entweder die Annahme von "Vorteilen" (§331 StGB) oder von "Belohnungen und Geschenken" (§§70 BBG, 10 BAT).

7. Vorteil

Ein Vorteil ist jede Leistung, auf die der Täter keinen gesetzlich begründeten Anspruch hat und die ihn irgendwie besserstellt.100 Der Vorteil kann materiell oder auch immateriell sein,101 solange er zumindest einen objektiv meßbaren Rest enthält;102 deshalb sind auch Leistungen von ganz geringem Wert "Vorteile". 103 Weiterhin genügt es, daß der Vorteil dem Täter nur mittelbar zugute kommt, wenn also etwa einem seiner Angehörigen ein Vorteil zugewendet wird und auch der Täter davon seinen Nutzen hat, etwa indem er notwendige oder auch unnütze Aufwendungen spart.104

99

Siehe im 3. Teil IV bei Fn 156. Einhellige Meinung; siehe nur etwa BGHSt 33, 336 (339); JR 1989, 430 f.; OLG Frankfurt, NJW 1990,2074; Otto, BT, S. 471; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 19. 101 RGSt 64, 291; 77, 75 (77 f.); BGH, NJW 1959, 345 (346); NStZ 1985, 497 (499); RegE (BT-Drs. 7/550), S. 271; E 1962, S. 650; Arzt/Weber, Rn442; Geppert, Jura 1981, 42 (47); Sturm, JZ 1975, 6 (13); Wagner, JZ 1987, 594 (602). So schon Feuerbach, Themis, S. 210 f.: "Bei einem Handel ist die Art des Kaufpreises gleichgültig." Kritisch, aber nicht entschieden gegen immaterielle Vorteile äußern sich Jescheck, in: LK, §331 Rn 9; Lackner, §331 Rn5; Maurach/Schroeder, BT 2, S. 203. Deutlich dagegen Geerds, Bestechung, S. 63-67. 102 Baumann, BB 1961,1057 (1059 f.); Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 19, 21; Uckner, § 331 Rn4; Otto, BT, S. 471; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn21. Die Grenzen sind freilich fließend und umstritten. 103 OLG Celle, SJZ 1948, 685 (687); OLG Hamburg, HESt 2, 339 (340); Cramer, aaO, Rn 20; Creifelds, GA 1962, 33 (34); Fuhrmann, GA 1959, 97 (98); Jescheck, in: LK, § 331 Rn 8; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn20. A.A. Kaiser, NJW 1981, 321 (322): Erst ab 50 DM; dagegen aber Lackner, § 331 Rn 14. - Zu den gebotenen Einschränkungen der Strafbarkeit siehe unten VI. 104 RGSt 13, 396 (398); JW 1935, 1861; BGHSt 14, 123 (127 f.); Arzt/Weber, Rn 442; Cramer, aaO (Fn 102), Rn 22; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 1 la. Noch weiter gehend Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 22: Der Täter brauche Vorteile nicht "für sich" anzu100

m. Das Tatmittel

55

2. Belohnungen und Geschenke

Geschenke sind alle Vermögenswerten Gegenstände, die dem Täter unentgeltlich zugewendet werden.105 "Belohnung"106 ist der weitere Begriff und umfaßt alle sonstigen Vermögenswerten und immateriellen Vorteile; 107 auch hier kommt es nicht auf deren Wert an,108 und die Zuwendungen können mittelbar erfolgen. 109 Damit stimmen die "Belohnungen und Geschenke" inhaltlich mit dem "Vorteil" überein.110 Gelegentlich wird allerdings angemerkt, mit einer Belohnung sei "stärker als mit einem Geschenk der Dank für eine erbrachte Leistung verbunden."111 Aus diesen recht unverbindlichen Formulierungen wird jedoch nicht der Schluß gezogen, Belohnungen seien nur Vorteile für bereits geleistete Amtshandlungen. So sieht es einzig Lindgen112, der diese scheinbare Einschränkung jedoch gleich wieder zurücknimmt: In solchen Fällen werde es sich um Geschenke handeln. Das stimmt zwar nicht, soweit die Zuwendung nur immateriellen Wert hat, zeigt aber, daß Lindgen selbst nehmen; dagegen aber z.B. Lackner, § 331 Rn 6. Vgl. hierzu noch die Nachweise unten 5. Teil II 2 c aa in Fn 107. 105 BDHE 5, 57 (58); Baumgärtel, in: GKÖD IV, T § 10 Rn4; Brüse, in: PK-BAT, § 10 Rn 5; Clemens u.a., § 10 Erl. 3; Fischbach, § 70 Anm. II 1 Fn 2; Lindgen, Hb, S. 498; Mühl, in: GKÖD I, K § 70 Rn 3; Scheuring u.a., § 12 Rn 3; Schütz, BBL, § 76 Rn 2, und DiszR, C II Rn 81; Ule, § 43 BRRG Rn 1, unter Hinweis auf § 516 Abs. 1 BGB. 106 Die Belohnungen sind in § 15 DRiG (dazu oben II 1 a) neben den Geschenken nicht genannt. Dabei handelt es sich wohl um ein Versehen. Ein sachlicher Grund für diese Spaltung ist jedenfalls nicht erkennbar; vgl. Schmidt-Räntsch, § 15 Rn 6. 107 BVerwGE 73, 71 (73). Ebenso Baumgärtel; Clemens u.a.; Mühl; Scheuring u.a.; Schütz; Ule (alle ebd. [Fn 105]); weiterhin Böhm/Spiertz, § 10 Rn4; Lindgen, Hb, S. 498 f. A.A. ohne Begründung Fischbach, § 70 Anm. II 1, und Neeße, BayBZ 1959, 2 (nur materielle Vorteile) sowie Brüse, in: PK-BAT, § 10 Rn2 (immaterielle Vorteile nur bei Gewerbsmäßigkeit). 108 Baeck, Staats- und Selbstverwaltung 1951, 148; Baumgärtel, ebd. (Fn 105); Böhm/Spiertz, § 10 Rn 6; Clemens u.a., ebd. (Fn 105); Lindgen, Hb, S. 499, 507; a.A. wohl BAG, NVwZ 1985, 142 (143); Fischbach, § 70 Anm. II 1 (Beachtung des Unterschieds zwischen sog. kleinen Gefälligkeiten und Geschenken). Gegen diese Unterscheidung aber begründet BDHE 5, 57 (58 f.); Mühl, ebd. (Fn 105); siehe auch später unter VI. 109 BDHE 4, 59; 5, 49 (55); Battis, § 70 Anm. 2; Baumgärtel, ebd. (Fn 105); Böhm/Spiertz, § 10 Rn 7; Fischbach, § 70 Anm. II 1; Lindgen, Hb, S. 500; Mühl, ebd. (Fn 105); Schütz, BBL, § 76 Rn 2. 110 Vgl. auch die Formulierungen in VV NW zu § 76 (nachgew. im 1. Teil Fn 101), Nr. 1.1,1.2, und bei Battis, § 70 Anm. 2; Bochalli, BBG, § 70 Anm. 1, und LBG, § 76 Anm. 1; Schütz, BBL, § 76 Rn 2, und DiszR, C II Rn 81, die gar nicht erst zwischen Belohnungen und Geschenken trennen. 111 Clemens u.a., § 10 Erl. 3; ähnlich Böhm/Spiertz, § 10 Rn 4; Mühl, ebd. (Fn 105). 112 S. 499.

56

2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

seinem Wortlautargument letztlich keine Bedeutung beimessen will. Das wäre auch weder mit dem Zweck der Vorschrift vereinbar (auch nachträgliche Geschenke begründen die oben geschilderten Gefahren für die öffentliche Verwaltung) noch mit dem sonstigen Wortlaut, der nicht von einer besonderen Amtshandlung spricht, für die der Vorteil gewährt wird. Die Belohnung muß vielmehr in Bezug auf das Amt angenommen werden; das nimmt jeden Ansatzpunkt für die Bestimmung eines Zeitpunktes, nach dem der Vorteil gewährt werden müßte, um zur Belohnung zu werden.

3. Ergebnis

Die Inhalte der Begriffe "Vorteil" in §331 StGB einerseits und "Belohnungen oder Geschenke" im Recht des öffentlichen Dienstes andererseits sind identisch. So wird im Folgenden nur noch von "Vorteil" die Rede sein. IV. Die Tathandlungen § 331 StGB verbietet, Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. §§ 70 BBG, 10 BAT dagegen sprechen nur von der Annahme. In diesem Abschnitt soll es nicht um eine inhaltliche Beschreibung der Straftathandlungen113, sondern um die Frage gehen, ob im Recht des öffentlichen Dienstes womöglich das Fordern und Sichversprechenlassen eines Vorteils erlaubt sind. Die meisten Stimmen schweigen zu dieser Frage. Nur gelegentlich wird der Anwendungsbereich der §§70 BBG, 10 BAT ausdrücklich auf das Annehmen beschränkt114 oder umgekehrt auf das Sichversprechenlassen und Fordern ausgedehnt.115 Dieser Streit geht jedoch nicht um den Inhalt der Pflichten im öffentlichen Dienst, sondern lediglich um die Frage, wo diese Pflichten am Gesetz festzumachen sind. Denn § 70 BBG erfaßt nur einen Ausschnitt aus diesem Pflichtenkreis. 116 Die Pflichten der Beamten sind in §§ 52 Abs. 1 S. 2, 54 113

Siehe dazu die Kommentierungen. Zu einigen Besonderheiten des Forderns schon oben unter I 3 c und noch später unter VI 4; zur Annahme unter Vorbehalt 5. Teil II; zur Annahme durch Schweigen BGH, ZBR 1991, 312 (313). 114 So Mühl, in: GKÖDI, K § 70 Rn 12; Neeße, BayBZ 1959, 2. Wohl auch Clemens u.a., § 10 Erl. 6. 115 Baumgärtel, in: GKÖD IV, T § 10 Rn 10; Böhm/Spiertz, §10 Rn 8; Breier/Uttlinger, § 10 Erl. 1; Crisolli, § 10 BAT Rn 6; Lindgen, Hb, S. 499; wohl auch Ule, §43 BRRG Rn 2. 116 Mühl, aaO (Fn 114), Rn 11.

VI. Begrenzung des Verbots

57

S. 2, 3 BBG in den allgemeinen Begriffen der Unparteilichkeit, Gerechtigkeit und Uneigennützigkeit erfaßt. 117 In diesem Rahmen besteht breite Übereinstimmung: Der Angehörige des öffentlichen Dienstes darf etwa keinerlei dienstliche Handlungen vornehmen, die ihm oder einem seiner Angehörigen einen Vorteil bringen würden,118 und muß sich überhaupt von allen Einflüssen fernhalten, welche die Unparteilichkeit und Sachlichkeit irgendwie beeinträchtigen könnten;119 schließlich muß er schon den Verdacht der Bestechlichkeit vermeiden, damit eine ordentliche Erfüllung seiner Aufgaben gewährleistet ist. 120 Bereits daraus ergibt sich ohne weiteres, daß die Vorteilsannahme unzulässig ist; der speziellen Verbotsnorm in § 70 BBG hätte es insoweit gar nicht bedurft. 121 Um so weniger ist danach das Fordern eines Vorteils zulässig.122 Aber auch das Sichversprechenlassen ist wie das Annehmen eines Vorteils - wenn auch in abgeschwächter Form - ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Unparteilichkeit und Uneigennützigkeit.123 Genau dies sind daher auch die Argumente derjenigen, die alle drei Tathandlungen von § 70 BBG erfaßt sehen wollen.124 Der Wortlaut ist aber eindeutig: Er verbietet nur das Annehmen. Gegen eine analoge Anwendung jedoch ist nichts einzuwenden. §§ 52, 54 BBG erfassen die restlichen Tathandlungen zwar ganz zwanglos, aber zugleich sehr vage; deshalb kann die Regelung des § 70 BBG zur Konkretisierung dessen dienen, was der Beamte weder fordern noch sich versprechen lassen darf. Alle untersuchten Rechtsgebiete verbieten es gleichermaßen, Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen.

117

Für die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes gelten diese Grundsätze ebenfalls; vgl. § 8 Abs. 1 S. 1 BAT, 9 Abs. 9 S. 1 MTB II. 118 RDStrHE 1, 110 (120); BDHE 1, 67 (70); 3, 130 ff; 4, 59 (63 f.); BVerwGE 43, 42 (43); LVG Hannover, DVB1. 1953, 408 (LS Nr. 5); Lindgen, ZBR 1962, 318 (319); Mühl, in: GKÖDI, K § 54 Rn 8; von Münch, in: Bes VerwR, S. 41; Schütz, BBL, § 57 Rn 4; Wenzel, DÖV 1976, 411.- Diese Pflicht war in § 5 Abs. 1 DBG noch ausdrücklich geregelt. 119 BDHE 4, 1 (7); Schütz, BBL, § 57 Rn 4; Mühl, ebd. 120 Näher dazu unten V 3. 121 Vgl. Arndt, in: Behnke, Einf. B, Rn 44; Claussen/Janzen, Rn C 22. So ist bei Wolff/Bachof/Stober, VerwR n, § 114 Rn 15, § 70 BBG auch nur als Genehmigungsnorm erwähnt. 122 So schon ausdrücklich Nadler/Wittland/Ruppert, § 15 Rn 10. 123 Vgl. schon Feuerbach, Themis, S. 201. 124 Siehe Breier/Uttlinger, § 10 Erl. 2.

58

2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

V. Das Beziehungsverhältnis Die Vorteilsannahme ist stets nur dann verboten, wenn sie in einer besonderen Beziehung zur Tätigkeit des Normadressaten steht. Dieses spezifische Verhältnis ist in den verschiedenen Normen unterschiedlich beschrieben.

L Beziehungskomponenten

Auf der einen Seite dieser Beziehungsverhältnisse stehen der Vorteil, das Geschenk, die Belohnung. Der andere Bestandteil ist in den untersuchten Normen jeweils verschieden:

a) Amt und dienstliche Tätigkeit Ein Beamter darf keine Vorteile "in Bezug auf sein Amt" annehmen. "Amt" ist unglücklich gewählt, da es auch Beamte gibt, die kein Amt im statusrechtlichen Sinne125 innehaben; gemeint ist jede dienstliche Tätigkeit oder Stellung im öffentlichen Dienst einschließlich von Nebenämtern oder sonstigen, auf Veranlassung des Dienstherrn ausgeübten Nebentätigkeiten.126 Für die "dienstliche Tätigkeit" in § 10 BAT genügt ebenfalls irgendeine in die Zuständigkeit des Angestellten oder Arbeiters fallende Tätigkeit.127 Es ist - im Gegensatz zu § 331 StGB128 - nicht erforderlich, daß der Vorteil als Gegenleistung für eine bestimmte Tätigkeit genommen wird; 129 falls es aber so ist, kann diese Tätigkeit vor der Geschenkannahme, irgendwann danach oder auch nie ausgeübt werden.130

125

Z.B. "Regierungsrat". Näher Wolff/Bachof/Stober, VerwR D, § 109 Rn 3. BVerwG, DVB1. 1989, 204 (205); BDHE 5, 49 (55); 7, 67 (69); Battis, § 70 Anm. 2; Lindgen, Hb, S. 500 f.; Mühl, in: GKÖD I, K § 70 Rn 3; Schütz, BBL, § 76 Rn 3; Weimar, DÖD 1964,4 (5). 127 Baumgärtel, in: GKÖD IV, T § 10 Rn 6. 128 "Disziplinarer Überhang"; vgl. z.B. BDHE 5, 57 (59); 7, 67 (69); Lindgen, ebd. (Fn 126) und ZBR 1962, 318; Mühl, aaO (Fn 126), Rn 7. 129 BVerwGE 73, 71 (73); DVB1. 1989,204 (205); Böhm/Spiertz, § 10 Rn 11; Brüse, in: PK-BAT, § 10 Rn6; Fischbach, § 70 Anm. H 3; Lindgen, Hb, S. 501; Scheuring u.a., § 12 Erl. 3; Schütz, BBL, § 76 Rn 3; Thiele, ZBR 1958, 33 (34). 130 Baumgärtel, ebd. (Fn 127); Lindgen, Hb, S. 501. 126

V. Das Beziehungsverhältnis

59

b) Diensthandlung und (schieds)richterliche Handlung § 331 StGB meint mit einer Diensthandlung solche Handlungen, die in den Kreis der amtlichen Obliegenheiten des Täters fallen und von ihm in dienstlicher Eigenschaft vorgenommen werden.131 Die richterliche Handlung in § 331 Abs. 2 StGB meint jede durch die richterliche Unabhängigkeit gedeckte und Rechtsgrundsätzen unterliegende Handlung; die Justizverwaltungstätigkeit ist davon nicht umfaßt. 132 Cramer allerdings möchte auch diese Tätigkeit darunter fassen. Er verweist133 zur Begründung auf den Wortlaut: Ihm unterfalle alles, "was ein Richter in dieser Eigenschaft tut", im Gegensatz zu der früheren Fassung, deren Tatbestand von der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache sprach.134 Daran ist richtig, daß sich die Einschränkung der herrschenden Ansicht nicht dem Wortlaut entnehmen läßt. Sie ergibt sich jedoch aus der Überlegung, daß sich die richterliche Handlung auch qualitativ von der Diensthandlung unterscheidet und die Vorteilsannahme eines Richters die Funktionsfähigkeit gerade der rechtsprechenden Gewalt gefährdet; nur damit ist die Strafschärfung des Abs. 2 gegenüber Abs. 1 zu erklären. 135 Cramer hält dem entgegen, daß die im Laufe der Prozeßgeschichte wechselnde Zuständigkeitsverteilung zwischen Richter und Rechtspfleger oder zwischen Richter und Staatsanwalt nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten erfolgt und keineswegs nur am Bild des durch seine Unabhängigkeit geprägten Richters orientiert sei.136 Auch das ist richtig, rechtfertigt aber nicht die Einbeziehung von Justizverwaltungsakten. Denn damit ist nur gesagt, daß die gesetzliche Entscheidung, bestimmte Aufgaben dem Richter zuzuordnen, bedenklich sein kann. Ist diese Entscheidung aber einmal getroffen, so bleibt es dabei: Nur die Annahme eines Vorteils als Gegenleistung für eine richterliche Handlung, die keine bloße Justizverwaltungstätigkeit ist, beeinträchtigt die Funktionsfahigkeit der unabhängigen, rechtsprechenden Gewalt. Das genügt, denn es kommt nicht darauf an, ob die Gefahren der Vorteilsannahme eine Handlung betreffen, bei der die richterliche Unabhängigkeit geboten oder nicht geboten ist, sondern nur darauf, daß diese Handlung in richterlicher Unabhängigkeit vorgenommen wird. 131

RGSt 68, 70 (71); BGHSt 31, 264 (280); Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 10; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 11; Lackner, § 331 Rn 8; Wessels, BT 1, § 25 II 1 (S. 237). Zu den Details siehe etwa Dreher/Tröndle, § 331 Rn 5; Ebert, GA 1979 361 (363); Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 10-12. 132 RegE (BT-Drs. 7/550), S.271; Dreher/Tröndle, §331 Rn6; Lackner, §331 Rn 12; Rudolphi, aaO, Rn 13; Sturm, JZ 1975,6 (13). 133 In: Schönke/Schröder, § 331 Rn 13. 134 Vgl. dazu RG 71, 315; OLG Schleswig, HESt 2, 349 f. Die Änderung der Formulierung sollte aber keine inhaltliche Neuerung schaffen; RegE (BT-Drs. 7/550), S. 271. 135 So zu Recht Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 14. 136 Ebd.

60

2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

Schiedsrichterliche Handlungen sind solche, die in den Tätigkeitsbereich des Schiedsrichters fallen und das Verfahren oder die Sachentscheidung dem Schiedsvertrag gemäß fördern. 137 § 331 verlangt - im Gegensatz zu den Normen für den öffentlichen Dienst "eine" Diensthandlung. Der Vorteil darf nicht für den gesamten Umfang der Diensttätigkeiten des Täters gewährt werden, sondern er muß sich auf eine hinreichend bestimmte Diensthandlung beziehen. Dafür ist nach einhelliger Ansicht erforderlich, daß der Vorteilsnehmer innerhalb eines bestimmten Aufgabenkreises oder Kreises von Lebensbeziehungen nach einer gewissen Richtung hin tätig werden soll.138 Die überwiegende Ansicht verlangt darüber hinaus, daß die Diensthandlung nach ihrem sachlichen Gehalt zumindest in groben Umrissen erkennbar und festgelegt sein muß;139 gleichzeitig läßt sie es aber genügen, wenn schon das Verhältnis zwischen dem dienstlichen Zuständigkeitsbereich des Amtsträgers einerseits und der Berufs- oder Geschäftstätigkeit des Vorteilsgebers andererseits Sachbeziehungen und Berührungspunkte hervortreten läßt, die Rückschlüsse auf die Art der mit dem Vorteil zu erkaufenden Diensthandlung gestatten.140 Weiter wird allgemein formuliert, es genüge nicht, daß sich der Vorteilsgeber nur das allgemeine Wohlwollen des Nehmers sichere.141 Die Formulierungen schwanken, die gegenseitigen Zitierungen sind ungenau.142 Das spricht dafür, daß die fallbezogenen Unterschiede der vertretenen Ansichten nur äußerst gering sind. Dem genaueren Bestimmtheitsgrad kann hier nicht weiter nachgegangen

137

Dreher/Tröndle, § 331 Rn 6; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 15; genauer Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 14. 138 RGSt 11, 219 (221); 64, 328 (335 f.); BGHSt 32, 290 (291); NJW 1960, 830 (831); StV 1985, 146 f.; NStZ 1989, 74; OGHSt 2, 103 (110); RegE (BT-Drs. 7/550), S. 271; Cramer, aaO, Rn31; Dreher/Tröndle, §331 Rn 17; Lackner, §331 Rn 10; Rudolphi, in: SK, §331Rn29. 139 Nachweise wie in Fn 138; a.A. lediglich Cramer, ebd. 140 BGHSt 32, 290 (292); NStZ 1989, 74. Ganz ähnlich für das Recht des öffentlichen Dienstes Nadler/Wittland/Ruppert, § 15 Rn2: Die erforderliche Beziehung besteht immer dann, wenn nach der ganzen Sachlage eine andere vernünftige innere Begründung für die Zuwendung des Vorteils nicht zu finden ist. Ebenso Bochalli, BBG, § 70 Anm. 1; Breier/Uttlinger, § 10 Erl. 2; Lindgen, Hb, S. 500; Scheuring u.a., § 12 Erl. 3. 141 BGHSt 15, 217 (223), 239 (250 f.); NStZ 1984, 24; OLG Düsseldorf, NJW 1987, 1213 (1214); Dreher/Tröndle, § 331 Rn 17; Lackner, § 331 Rn 10. A.A. Cramer, ebd. (Fn 138): in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Ausgleichend u.a. Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 29, und Blei, BT, S. 460: Sehr seltener Fall, da der Geber sich in der Regel das Wohlwollen auf bestimmte Diensthandlungen werde sichern wollen; dagegen zu Recht Arzt/Weber, Rn 443 f. 142 Vgl. Cramer, ebd. (Fn 138), über BGHSt 32, 290 (291); oder Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 29, über Cramer, ebd.

V. Das Beziehungsverhältnis

61

werden. Für den Vergleich zum Recht des öffentlichen Dienstes genügt die Feststellung, daß die Straftatbestände mit der "Diensthandlung" nur einen Ausschnitt aus den dort anzutreffenden allgemeineren Begriffen ("Amt", "dienstliche Tätigkeit") erfassen. 143 - Die Diensthandlung muß jedenfalls nicht so weit konkretisiert sein, daß sich erkennen ließe, ob sie pflichtwidrig 144 oder pflichtgemäß ist; 145 denn daraufkommt es in § 331 StGB nicht an. 146 Sie kann in der Vergangenheit oder der Zukunft liegen. 147

2. Art der Beziehung § 70 BBG verbietet die Vorteilsannahme "in Bezug auf' das Amt, § 331 StGB spricht von einer "Gegenleistung"; gemeint ist dasselbe.148 Das Beziehungsverhältnis wird abwechselnd beschrieben als "do ut des"oder Austauschverhältnis 149 und als Äquivalenzverhältnis 150. Alle Begriffe sind unscharf: Ein "do ut des" im strengen Sinne wird von den Normen nicht verlangt, weil der Vorteil auch für eine schon erfolgte Diensthandlung gewährt

143

So auch BDHE 5,49 (55); Lindgen, Hb, S. 500; Mühl, in: GKÖDI, K § 70 Rn 5. Vgl. dazu § 332 Abs. 3 StGB und z.B. Cramer, in: Schönke/Schröder, § 332 Rn 7-20; Jescheck, in: LK, § 332 Rn 4-8. 145 So aber etwa Dreher/Tröndle, § 331 Rn 17. Zum alten Recht RGSt 64, 328 (336); BGHSt 15,239(250). 146 § 332 StGB ist lediglich eine Qualifikation des § 331 StGB: Arzt/Weber, Rn 445; Blei, BT, S. 460; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 7, 31; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 13, § 332 Rn 1, 10; Otto, BT, S. 469; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 18, 29. Mißverständlich Dreher/Tröndle, § 331 Rn8; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 11. - Vgl. schon RGSt 56,401 (403 f.). 147 So bereits der Wortlaut der Norm. Der innere Vorbehalt, die versprochene künftige Diensthandlung in Wirklichkeit niemals vorzunehmen, hilft dem Täter nicht; allg. Ansicht, siehe nur BGHSt, 15, 88 (93-100); Arzt/Weber, Rn 447. Streitig ist allein, ob die bloße Behauptung, eine Diensthandlung vorgenommen zu haben, ausreicht; dafür Cramer, aaO, Rn 16, 30; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 9; Geerds, JR 1981, 301; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 11, 13; Kuhlen, NStZ 1988,433 (434 f.); Lackner, § 331 Rn 11; Otto, BT, S. 471; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 17. Dagegen BGHSt 29, 300 (302-305); Arzt/Weber, Rn 446,448; Dölling, JuS 1981, 570 (572-574); Gülzow, MDR 1982, 802 (803 f.); Maiwald, NJW 1981, 2777 (2780). 148 Deshalb kann die Art der geforderten Beziehung hier für die beteiligten Nonnen gemeinsam und einheitlich erörtert werden. Die Stellungnahmen aus dem Bereich des Strafrechts werden allerdings deutlich überwiegen. 149 RegE (BT-Drs. 7/550), S. 271; Blei, BT, S. 460; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 17; Geppert, Jura 1981,42 (47); Krey, BT, Rn 669. 150 RGSt 2, 129; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 17; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 13; Rudolphi, in: SK, §331Rn27. 144

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2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

werden kann.151 "Austauschverhältnis" beschreibt zutreffend, was bereits der Tatbestand des § 331 StGB sagt: Vorteil und Diensthandlung müssen Leistung und Gegenleistung sein. Soweit der Begriff dagegen auf das zivilrechtliche Synallagma der gegenseitigen Verträge 152 verweist, ist er zu eng.153 Ein Äquivalenzverhältnis verlangt ebenfalls zuviel, denn es enthält die Voraussetzung, die gegenseitig gewährten Leistungen müßten zumindest subjektiv gleichwertig sein;154 das aber läßt sich den Vorschriften nicht entnehmen und wird auch nicht verlangt. So bleibt nur der Rückgriff auf das "Beziehungsverhältnis".155 Dieser Begriff sagt nur aus, daß eine Beziehung zwischen Vorteil und Dienstihandlung) bestehen muß, nicht aber, wie diese Beziehung auszusehen hat. Einigkeit besteht darüber, daß der Vorteil dem Empfanger "um einer bestimmten Diensthandlung willen",156 daß ihm der Vorteil gerade "für" das Amt oder eine Amtshandlung157 zugute kommen soll, so daß eine innere Verknüpfung zwischen beiden Komponenten bestehen muß. Deshalb genügt es nicht, wenn der Beschenkte den Vorteil im privaten Bereich und nur "gelegentlich" einer dienstlichen Tätigkeit annimmt, etwa aus Höflichkeit im Rahmen des sozialen Kontaktes.158 Die ganz überwiegende Ansicht formuliert, den Kern der Vorteilsannahme stelle die Unrechtsvereinbarung zwischen Nehmer und Geber dar. Sie werde vom Täter beim Fordern angestrebt, beim Sichversprechenlassen geschlossen und beim Annehmen des Vorteils realisiert. 159 Eine solche Vereinbarung ver151

"Do, quia dedisti". So Maurach/Schroeder, BT 2, S. 203; s. auch Rudolphi, ebd. Zum "do ut des", dem Synallagma und dem Austauschvertrag siehe Larenz, SchuldR AT, S. 202 f. 153 Ablehnend auch Lackner, § 331 Rn 10; Maurach/Schroeder, BT 2, S. 203. 154 Zum zivilrechtlichen Begriff des Äquivalenzverhältnisses siehe Heinrichs, in: Palandt, Vor § 320 Rn 8; Larenz, BGB AT, S. 45 f. 155 Jescheck, in: LK, § 331 Rn 13; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, Rn 78/15. 156 Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 5; Lackner, § 331 Rn 10. 157 Clemens u.a., § 10 Erl. 5; Fischbach, § 70 Anm. D 2; Lindgen, Hb, S. 500; Mühl, in: GKÖDI, K § 70 Rn 5. 158 Im Strafrecht RGSt 2, 129 (131 f.); 19, 19 (22); BGHSt 15, 239 (251 f.); NStZ 1984, 24; OLG Hamburg, SJZ 1948, 688; Cramer, aaO (Fn 156), Rn 12, 31; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 17; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 13; Lackner, § 331 Rn 9; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 27. Im Recht des öffentlichen Dienstes BVerwGE 73, 71 (74); pr. OVG, RVerwBl. 1936, 170; Böhm/Spiertz, § 10 Rn 12; Lindgen, Hb, S. 501; Ule, § 43 BRRG Rn 3. - Beispiel: Ein Untersuchungshäftling beschenkt den Abteilungsbeamten der JVA, weil er von dessen freundlicher Art angetan ist - keine Gegenleistung "für" dessen Diensthandlungen selbst (BGH, MDR 1993,161 f.) und auch kein "Bezug auf' dessen Amt; es kann aber ein "Verdacht der Bestechlichkeit" bleiben, dazu sogleich unter 3 ab Fn 179. 159 Z.B. BGHSt 10, 237 (240 f.); NStZ 1984, 24; wistra 1986, 218 (219); Dreher/Tröndle, § 331 Rn 15, 17; Jescheck, aaO, Rn 3,13, 17; Lackner, § 331 Rn 10; Rudolphi, aaO, Rn 28. 152

V. Das Beziehungsverhältnis

63

lange aber, daß zumindest der objektive Erklärungswert der Willensäußerungen von Nehmer und Geber korrespondiere. Verstehe der Nehmer den Geber falsch und finde er in dessen Äußerung irrtümlich eine Verknüpfung von Vorteil und Diensthandlung, so komme mit seiner Annahme dieses vermeintlichen Angebotes wegen Dissenses keine Unrechtsvereinbarung zustande, der Tatbestand der Vorteilsannahme sei dann nicht erfüllt. 160 Anderes gelte lediglich für das "Fordern", denn es sei eine einseitige Willenserklärung und erst auf den Abschluß der Unrechtsvereinbarung gerichtet.161 Die Gegenposition wird von Cramer 162 vertreten. Danach genügt es, wenn aus dem Verhalten des Nehmers deutlich wird, daß jedenfalls er Vorteil und Amt oder Diensthandlung als Leistung und Gegenleistung verknüpfe. Das folge aus dem Zweck der Verbotsnorm: Für die Erschütterung des Vertrauens in die Integrität der Angehörigen des öffentlichen Dienstes genüge es, wenn der Nehmer allein seine Unredlichkeit zeige, die Einstellung des Gebers sei dabei ganz unbeachtlich. Die herrschende Ansicht kann sich auf eine ungebrochene Rechtsprechungstradition berufen. 163 Die Gegenansicht kann gleichwohl dagegenhalten, daß die besondere Anforderung der herrschenden Lehre noch nirgends entscheidungserheblich war: Entweder lag die geforderte Voraussetzung vor, 164 hatte der Täter den Vorteil immer auch "gefordert", 165 konnte der "böse Wille" schon des Nehmers nicht bewiesen werden (so daß mangels Erkennbarkeit der inneren Verknüpfung auch die Mindermeinung die Tatbestandserfüllung verneint hätte),166 wurde die Sache lediglich zurückverwiesen,167 oder eine Verurteilung scheiterte aus noch anderen Gründen.168

160

Im Strafrecht Dreher/Tröndle, § 331 Rn 13; Jescheck, aaO (Fn 158), Rn 5; Lackner, §331 Rn 10; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, Rn 78/15; Rudolphi, aaO (Fn 158), Rn 25, 28; Welzel, S. 540. Im Recht des öffentlichen Dienstes Breier/Uttlinger, § 10 Erl. 2; Fischbach, § 70 Anm. II 5: zumindest stillschweigende Übereinstimmung beider Seiten. 161 Etwa RGSt 70, 166 (171); BGHSt 10, 237 (241); Maurach/Schroeder/Maiwald, ebd.; Rudolphi, aaO (Fn 158), Rn 24. 162 In: Schönke/Schröder, § 331 Rn 6, 30. 163 RGSt 31, 389 (390); 39, 193 (199); 65, 52 (53); 70, 166 (171); 72, 70 (72 f.); 77, 75 (77); BGHSt 4, 293 (297); 10, 237 (241); 15, 88 (93 f., 97), 239 (242, 249), 352 (355); NStZ 1984,24; MDR 1993,161. 164 RGSt 39, 193 (199 f.), 77, 75 (80 f.); BGHSt 15, 88 (93-100), 352. 165 RGSt 70, 166 (171); BGHSt 10, 237 (241 f.). 166 RGSt 31, 389 (390); 65, 52 (53); BGHSt 4, 293 (297); NStZ 1984, 24 (25); MDR 1993, 161 f. 167 RGSt 72, 70 (73). 168 BGHSt 15,239 (249-252).

64

2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

Der Wortlaut läßt die enge wie die weite Deutung zu. Der von § 70 BBG verlangte "Bezug" klingt zwar umfassender als die strafrechtliche "Gegenleistung". Doch kann die Wahl abweichender Begriffe zufällig sein und ist allein ohne Aussagekraft. Die Materialien zu § 331 StGB169 sind ebenfalls unergiebig. Einerseits ist vom "do ut des" die Rede, was sehr hohe - nach überwiegender Ansicht gar zu strenge170 - Anforderungen stellt. Andererseits heißt es: "Auf diese Weise werden alle Diensthandlungen ausgeschieden, die in keiner inneren Beziehung zu dem Vorteil stehen, und Leistungen des Vorteilsgebers ausgeschieden, die in keiner inneren Beziehung zu der Diensthandlung stehen." Damit ist durchaus vereinbar, diese innere Beziehung lediglich innerhalb der erkennbaren Vorstellung des Vorteilsnehmers zu suchen. Ganz ähnlich spricht häufig die Rechtsprechung von der "Unrechtsvereinbarung" und im selben Atemzug davon, daß "der Beamte seine Handlung ... als käuflich hinstellt."171 Die teleologischen Aspekte werden besonders deutlich, wenn man sie mit systematischen Erwägungen verknüpft. Zwar ist die Stellungnahme zum hier diskutierten Streit noch nie wirklich erforderlich gewesen.172 Aber in ganz ähnlichen Konstellationen sind beachtliche Aussagen getroffen worden. § 332 StGB etwa verpönt die Annahme eines Vorteils für eine pflichtwidrige Diensthandlung. Eben diesen Inhalt muß dann die auch hier verlangte173 Unrechtsvereinbarung haben, sonst wäre sie - der "Kern" des Verbotes - nicht von der in § 331 StGB verlangten zu unterscheiden. Folglich müßten, die herrschende Meinung zu § 331 StGB weitergedacht, bei § 332 StGB Nehmer und Geber zumindest nach dem objektiven Erklärungsweit ihres Verhaltens den Vorteil mit einer pflichtwidrigen Diensthandlung in Beziehung setzen. Und doch ist allgemein anerkannt, daß es für den Tatbestand des § 332 StGB genügt, wenn nur der Vorteilsnehmer um die Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung weiß; beim Geber dagegen reiche es aus, wenn er sich eine Beziehung zu nur überhaupt einer Diensthandlung vorstelle.174 Denn: "Es geht in § 332 StGB nicht um seine Strafbarkeit..., sondern nur um die schwere Bestechlichkeit des Beamten. Der innere Grund für dessen selbständige Strafbarkeit ist aber schon dann gegeben, wenn er den für eine Amtshandlung gegebenen Vorteil annimmt oder sich versprechen läßt, sofern nur er erkennt, daß die Handlung 169

RegE (BT-Drs. 7/550), S. 271; ebenso E 1962, S. 650. Oben bei Fn 151. 171 BGHSt 15, 352 (354); ähnlich BGHSt 15,239 (242, 249). 172 Siehe oben bei Fn 163-168. 173 Dreher/Tröndle, § 332 Rn2, 6; Jescheck, in: LK, Vor § 331 Rn 17; Lackner, § 332 Rn 4; Rudolphi, in: SK, § 332 Rn 12. 174 RGSt 31, 389 (390); 36, 66 (68); 39, 193 (199); 72, 70 (72 f.); 77, 75 (77); BGHSt 15, 352 (355); DreherHröndle, § 332 Rn7; Jescheck, in: SK, § 332 Rn 11; Lackner, § 332 Rn 6. 170

V. Das Beziehungsverhältnis

65

pflichtwidrig ist." 175 Diese am Normzweck orientierte Argumentation ist völlig korrekt. Dann muß aber die Prämisse falsch sein: Der Geber muß sich nicht dasselbe Unrecht vorstellen wie der Nehmer; eine Unrechts Vereinbarung ist zumindest nach dem üblichen Verständnis dieses Begriffes nicht erforderlich. Noch aufschlußreicher ist die Rechtsprechung zu § 333 StGB. Diese Norm betrifft die Strafbarkeit desjenigen, der einen Vorteil "anbietet, verspricht oder gewährt". Nach üblicher Formulierung "korrespondieren" diese Tathandlungen mit denen in §§ 331, 332 StGB.176 Auch hier ist nach überwiegender Ansicht eine Unrechtsvereinbarung erforderlich, die aber beim "Anbieten" - wie beim "Fordern" des § 331 StGB - lediglich angestrebt werden muß. Die Lehre zu § 331 StGB konsequent übernommen, müßte hier für die Strafbarkeit des Vorteilsgebers, der den Vorteil tatsächlich gewährt, erforderlich sein, daß auch der Nehmer zu verstehen gibt, er nehme den Vorteil "als Gegenleistung für" eine (pflichtwidrige) Diensthandlung. Und doch hat der BGH 177 , als es darauf ankam, die wohlbegründete Gegenansicht vertreten: Es ginge, so hat er zu Recht festgestellt, um die Strafbarkeit und das Verhalten des Gebers, das Verhalten des Nehmers sei irrelevant. Es sei "sinnwidrig", für das Merkmal des Gewährens engere Voraussetzungen zu verlangen als für das Merkmal des Anbietens. Es genüge also "auch für den Fall des Gewährens, daß der Geber den Willen hat, der Beamte solle den Sinn der Vorteilshingabe verstehen." Zur Unterstützung seiner Argumentation verweist er gar auf verschiedene Entscheidungen, die "zum umgekehrten Fall der Annahme eines ... Vorteils" ergangen seien. Diese Bezugnahme ist freilich nicht korrekt: In den angeführten Entscheidungen haben sich die Gerichte gerade nicht von der überkommenen Ansicht zum "Annehmen" eines Vorteils gelöst; stets heißt es nur, statt dessen habe der Täter den Vorteil aber gefordert, und das genüge. - Auch hier sprechen die materiellen Erwägungen des Gerichts für die Richtigkeit des Ergebnisses. Dann aber muß wiederum die Prämisse falsch sein: § 333 StGB verlangt keine Unrechts Vereinbarung im herkömmlichen Sinne, und § 331 StGB tut das ebensowenig. Auch die Argumente schließlich, die für die Sonderstellung der Tathandlung "Fordern" angeführt werden,178 unterstützen eher die Gegenposition. Beim Fordern sei eine Unrechtsvereinbarung nicht erforderlich, weil es erst auf den Abschluß einer solchen Vereinbarung abziele. Damit wird zugestanden, daß eine Unrechtsvereinbarung für den Tatbestand des § 331 StGB nicht unbedingt erforderlich ist. Dann müßte aber erklärbar sein, warum eine solche Vereinbarung bei den übrigen Tathandlungen verlangt wird. Der Hinweis, das

175

BGHSt 15, 352 (355). Genauer unten 6. Teil I bei Fn 1-7. 177 BGHSt 15,184(185). 178 Siehe oben bei und in Fn 161. 176

5 Hardtung

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2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

Fordern sei lediglich eine einseitige Willenserklärung, hilft nicht weiter, denn auch das Sichversprechenlassen als die Annahmeerklärung eines Anbietens des Vorteilsgebers ist nicht weniger "einseitig" als das Fordern, das doch auf die einverständliche Reaktion des Aufgeforderten abzielt. Beide Willenserklärungen sollen nach dem Willen des Erklärenden mit einer inhaltlich übereinstimmenden Erklärung des Gegenübers korrespondieren. Die zeitliche Reihenfolge ("Fordern" als Angebot, "Sichversprechenlassen" als Annahme des Angebots der Unrechtsvereinbarung) kann dabei keinen Unterschied machen. In beiden Fällen tritt derselbe Wille zur Unrechtsvereinbarung zutage. Genügt er für das Fordern, so genügt er auch für das Sichversprechenlassen und das Annehmen. Daß dort im typischen Fall tatsächlich eine Unrechtsvereinbarung zustande kommt, darf nicht daran irre machen, daß im atypischen Fall des Dissenses der Täter gleichermaßen dasjenige Unrecht verwirklicht, auf das es nur ankommt: das erkennbare Bemühen um eine Unrechtsvereinbarung.

3. "Verdacht der Bestechlichkeit"

Über die soeben gezogenen Grenzen hinaus ist es den Angehörigen des öffentlichen Dienstes weiterhin untersagt, auch nur den Verdacht einer Vorteilsannahme im Sinne der §§ 70 BBG, 10 BAT zu erregen. 179 Das sind typischerweise solche Fälle, in denen der Beamte oder Angestellte einen Vorteil allein im privaten Bereich entgegennimmt, wobei dies aber unter solchen Umständen geschieht, die Dritte zu der Annahme verleiten können, der Vorteil sei sehr wohl in bezug auf das Amt oder die dienstliche Tätigkeit angenommen worden, etwa weil Geber und Nehmer auch dienstlichen Kontakt haben. Mit §§70 BBG, 10 BAT läßt sich dieses Verbot freilich nicht mehr begründen,180 denn deren Tatbestand ist eindeutig nicht erfüllt. Ein Rückgriff auf §§ 52 Abs. 1 S. 2, 54 S. 2 BBG allein genügt ebenfalls nicht, denn unser Beamter ist in solchen Fällen ja völlig unparteiisch, gerecht und uneigennützig. § 54 S. 3 BBG spricht jedoch ausdrücklich davon, daß der Beamte auch außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muß, die sein Beruf er-

179 BVerwGE 43, 42 (44); ZBR 1967, 262 (263); BAG, NVwZ 1985, 142 (143); RDH bei Schulze/Simons, S. 141 (144); bei Schulze/Simons/Foerster, 1932, S. 74 (76), und 1934, 36 (39); BDHE 5,48 (49), 49 (56); BDH bei Döring, ZBR 1961, 383 (384); pr. OVGE 96, 240 (241), 242 (243 f.); RVerwBl. 1936, 170 f.; Baumgärtel, in: GKÖD IV, T §8 Rn8; Böhm/Spiertz, § 10 Rn2; Claussen/Janzen, RnC 23b; Mühl, in: GKÖD I, K § 54 Rn8, § 70 Rn7; Nadler/Wittland/Ruppert, § 15 Anm. 3; Schütz, BBL, § 57 Rn4; Wolfl/Bachof/Stober, VerwR D, § 114 Rn 15, sowie die in Fn 180 Genannten. 180 So aber VV NW zu § 76 (nachgew. im 1. Teil Fn 101), Nr. 2.1; Lindgen, Hb, S. 510 ff; Schütz, DiszR, C II Rn 86; Ule, § 43 BRRG Rn 3. Dagegen ausdrücklich Battis, § 70 Anm. 2.

VI. Begrenzung des Verbots

67

fordert. Damit ist die Brücke zu der Pflicht geschlagen, schon dieses Vertrauen nicht zu erschüttern. Das aber täte der Beamte, wenn er auch nur den "Verdacht der Bestechlichkeit" auf sich lüde.181 Die Herleitung auf diesem Wege führt im Umfang des Verbotes zu keiner Abweichung von der vorherrschenden Lehre. Wohl aber führt sie deutlich vor Augen, daß die Sanktion in solchen Fällen erheblich milder sein muß als in Fällen, die tatsächlich unter §§ 70 BBG, 10 BAT fallen. 182 Immerhin wird von den Angehörigen des öffentlichen Dienstes nicht nur verlangt, sich "objektiv" korrekt zu verhalten, sondern sie müssen darüber hinaus noch das böswillige Mißtrauen Dritter in Rechnung stellen - eine Negation des Vertrauensgrundsatzes geradezu.

4. Zusammenfassung

Die besondere Beziehung, die von den untersuchten Normen zwischen dem Vorteil einerseits und dem Amt, der dienstlichen Tätigkeit oder der Diensthandlung andererseits verlangt wird, ist immer gleich: Der Normadressat muß beide Komponenten nach außen erkennbar in eine innere Beziehung zueinander setzen. Ein Unterschied zwischen den Rechtsgebieten besteht lediglich in den Anforderungen an die zweite Komponente. Während im Recht des öffentlichen Dienstes jeder Bezug zum Amt oder zur dienstlichen Tätigkeit insgesamt genügt, verlangt das Strafrecht mehr: Erforderlich ist eine Diensthandlung, die zwar noch nicht bestimmt, aber doch hinreichend konkretisiert sein muß.

VL Begrenzung des Verbots Die Tatbestände der Verbotsnormen beschreiben den typischen Fall der gefahrlichen Vorteilsannahme und grenzen bereits zahlreiche unbeachtliche Fallkonstellationen aus. Aber es bleiben auch nach dieser Auslese Fälle übrig, die den Verbotsnormen unterfallen und dennoch als unschädlich angesehen werden. Das sind etwa die Neujahrsgelder für Müllwerker und Postboten, die Trinkgelder für Eilbrief- und Telegrammzusteller oder auch die zahlreichen kleinen Werbeartikel, die den Angehörigen des öffentlichen Dienstes geschenkt werden.

181

So der Sache nach BDHE 2,160 (161). Das sind in der Regel schwere Dienstvergehen (Fischbach, § 70 Anrn. I 1) und wichtige Gründe zur außerordentlichen Kündigung (Baumgärtel, in: GKÖD IV, T § 10 Rn 3). 182

5*

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2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme 1. Abzulehnende Begrenzungsversuche

Gelegentlich findet sich der Hinweis, in diesen Fällen fehle es bereits am Beziehungsverhältnis.183 Aber das kann nicht überzeugen. Der Postbote etwa, der weihnachtlich beschenkt wird, erhält das Geld, weil er Postbote ist; klingelte statt seiner ein Beamter der städtischen Bäderverwaltung - er ginge leer aus. Der Postbeamte erhält den Vorteil somit "in Bezug auf sein Amt". 184 Er erhält ihn sogar "als Gegenleistung dafür ..., daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme", so daß er nicht einmal von Strafe verschont bliebe; denn er bekommt den Vorteil nicht, weil er den gesamten Zustellbereich so vorzüglich bedient, sondern weil und damit er die Post des Vorteilsgebers ordentlich sortiert und ihm zeitig zustellt. Damit ist in einem bestimmten Aufgabenkreis die Richtung, in die der Beamte tätig wird, hinreichend bestimmt und die Tätigkeit in groben Umrissen erkennbar und festgelegt.185 Nach einer weiteren Ansicht soll die erforderliche Einschränkung der Normen dadurch erreicht werden, daß "Vorteile", "Geschenke" und "Belohnungen" eine bestimmte Schwelle der Geringfügigkeit überschreiten müssen.186 Diese Idee ist zwei Bedenken ausgesetzt. Zum einen ist es häufig - vor allem bei immateriellen Vorteilen - unmöglich, den Wert der Zuwendungen zu bestimmen. Zum anderen aber kann es nicht gelingen, eine starre Wertgrenze zu ermitteln, unterhalb deren die Geringfügigkeit beginnt. Denn der schlechte Eindruck, der durch die Annahme eines Vorteils entsteht, hängt von dem gesamten Kontext, von dem Zusammenwirken zahlreicher Faktoren ab. So ist ganz unabhängig vom seinem Wert die Integrität des öffentlichen Dienstes schwer erschüttert, wenn der Vorteil "für" eine Dienstpflichtverletzung oder nach hartnäckigem Fordern genommen wird. 187 Weiterhin schafft die Orien183

So etwa Bank, NJW 1962, 85 (86 f.); Battis, § 70 Anm. 2, 4 (bei üblichen Werbegeschenken); Blei, BT, S. 460; Engelhardt, S. 187 f.; Schlemmer, S. 32, 75 Fn226; tastend auch Maurach/Schroeder, BT 2, S. 205. In diesem Sinne schon Lasker bei den Beratungen zum StGB für den Norddeutschen Bund, siehe 1. Teil IV 2 bei Fn 109. Dagegen zu Recht Arzt/Weber, Rn454; Baumann, BB 1961, 1057 (1067); Eser, S. 228. 184 Denn es kommt allein darauf an, daß die Geschenke nicht angeboten würden, wemi der Beschenkte das Amt nicht bekleidete; vgl. Lindgen, Hb, S. 500. 185 So die übliche Begriffsbestimmung; dazu oben V 1 b ab Fn 138. 186 Kaiser, NJW 1981, 321 (322); Lindgen, Hb, S. 503. Vgl. auch § 304 Abs. 4 Österr. StGB: "Wer lediglich einen geringfügigen Vorteil annimmt oder sich versprechen läßt, ist nach Abs. 2 .(seil. Vorteilsannahme, entspricht ungefähr § 331 Abs. 1 StGB) nicht zu bestrafen, es sei denn, daß die Tat erwerbsmäßig begangen wird." Dagegen etwa Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 55; Geerds, Bestechung, z.B. S. 78, 83; Lackner, § 331 Rn 14; Eb. Schmidt, Bestechung, Rn 257. 187 Nicht ohne Grund läßt § 304 Abs. 4 Österr. StGB das Fordern eines Vorteils aus; vgl. eben in Fn 186.

VI. Begrenzung des Verbots

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tierung am Wert der Vorteile die Gefahr, sich allzu arglos an der tatsächlich geübten Praxis zu orientieren. Das zeigen die bisher als geringfügig angesehenen Summen und die Begründungen dazu: Gegenstände im Wert von etwa 3 Reichsmark, aber nur mit deutlich sichtbarem und festem Firmen- oder Werbeaufdruck; 188 3 DM (aber nie als Bargeld), weil es sich dann nur um "geringfügige Aufmerksamkeiten" handele;189 16 DM (mit derselben Begründung);190 50 DM, weil das § 248 a StGB entspreche.191 Zum österreichischen Recht wird gar die Summe von 2500 Schilling (ungefähr 350 DM) gehandelt!192

2. Generelle Genehmigung

Eine vor allem im Recht des öffentlichen Dienstes stark vertretene Ansicht möchte die gebotene Einschränkung über die Figur der generellen oder still-

schweigenden Genehmigung erreichen. 193 Sie verweist darauf, daß in §§70

BBG, 10 BAT, 331 Abs. 3 StGB die Möglichkeit einer behördlichen Genehmigung der Vorteilsannahme vorgesehen ist. Die zahlreichen Verwaltungsvorschrifien, die sich mit den Genehmigungsvoraussetzungen befassen, 194 enthalten recht detaillierte Aussagen über Fallgruppen, die als stillschweigend genehmigt "gelten" könnten.195 Damit haben sie eine generelle Genehmigung ausgesprochen. Die Richtlinien sind recht genau auf die Bedürfnisse im Recht des öffentlichen Dienstes zugeschnitten. Sie stellen von vornherein auf den bloßen Amtsbezug ab, und sie sehen vor, daß die Genehmigungsbehörden be188

Holling, DR 1942,1624 (1626). Lindgen, Hb, S. 503. 190 So Amelunxen (FAZ v. 2.1.1959) in Anlehnung an die Entscheidung einer Strafsache (Hannov. Allg. Zeitung v. 5.12.1958); mitgeteilt in BDHE 5, 57 (58). 191 Kaiser, NJW 1981, 321 (322). - Diese Zahl nennt übrigens auch das RdSchr. d. BMI 1981 (nachgew. im 1. Teil Fn 100) in Nr. 1 Abs. 2. Dort markiert sie jedoch eine völlig andere Grenze: "Beträgt der Wert des Geschenkes mehr als 50,- DM, soll die Zustimmung zur Annahme mit einer Auflage versehen werden." Bei Geschenken unter 50,- DM ist demnach eine Genehmigung noch lange nicht entbehrlich. 192 Bertel, in: Wiener Kommentar, § 304 Rn 10, unter Berufung auf die geltenden Sitten und mit dem Hinweis, man solle "nicht allzu kleinlich sein" (aaO, Rn 6). 193 RDH bei Schulze/Simons/Foerster, 1932, S. 77 (78 Fn); BDHE 5, 49 (56), 57 (59 f.); Battis, § 70 Anm. 4; Bochalli, BBG, § 70 Anm. 3 f., und LBG, § 76 Anm. 2; Böhm/Spiertz, § 10 Rn 14-17; Brüse, in: PK-BAT, § 10 Rn 9; Fischbach, § 70 Anm. D 5 Fn 5; Lindgen, Hb, S. 502-504; Mühl, in: GKÖD I, K § 70 Rn 6, 8; Schütz, BBL, § 76 Rn 5, und DiszR, C H Rn 84; Ule, § 43 BRRG Rn 4. Ebenso schon RGSt 63, 367 (368); Brand, BeamtenR, S. 564. 194 Nachgew. im 1. Teil Fn 100 f. - Sie gelten auch für die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst; siehe z.B. VwVorschr. Rh.-Pf. (nachgew. im 1. Teil Fn 101), Nr. 5.2. 195 Unten bei Fn 200. 189

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2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

stimmte Fallgruppen von der generellen Genehmigung wieder ausnehmen können.196 Damit sind durchaus angemessene individuelle Regelungen erreichbar. Die generelle Genehmigung hat gemäß § 331 Abs. 3 StGB auch im Strafrecht Bedeutung. Es wäre jedoch bedenklich, wenn man die generelle Genehmigung zum alleinigen Maßstab machen wollte. Zum einen ist es fraglich, ob Verwaltungsvorschriften eine zufriedenstellende und umfassende Formulierung der strafrechtlich "unschädlichen" Vorteilsannahmen leisten.197 Zum anderen legen die Richtlinien einen recht strengen Maßstab an. Das ist im öffentlichen Dienst mit seinen disziplinar- und arbeitsrechtlichen Sanktionen unbedenklich. Wenn die Kriminalstrafe dagegen nur ultima ratio sein soll, dann ist kaum einzusehen, warum im Strafrecht derselbe strenge Maßstab gelten sollte. Zum dritten hängt die Wirksamkeit von Genehmigungsentscheidungen nicht von der materiellen Übereinstimmung mit den (nur internen!) Verwaltungsvorschriften ab.198 Hätte etwa ein Abteilungsleiter im Bundesjustizministerium die Genehmigung zur Annahme eines Geschenkes aus seinem Mitarbeiterkreis anläßlich seines Dienstjubiläums beantragt und wollte nun der Bundesinnenminister entgegen seinen Richtlinien die erhoffte Genehmigung ausdrücklich versagen, 199 so wäre damit die nach allgemeiner Ansicht gebotene Einschränkung des § 331 StGB entfallen. Es ist aber ganz unwahrscheinlich, daß den Genehmigungsbehörden eine derart strafbarkeitsausweitende Macht übertragen werden sollte. Vielmehr sprechen die Wendungen in den Richtlinien selbst gegen diese Sichtweise. Dort heißt es, diese unschädlichen Fälle könnten "als stillschweigend genehmigt ... angesehen werden"200. Hätte die Erlaßbehörde selbst die Grenzen ziehen wollen und können sollen, so hätte sie die klare Aussage: "... wird allgemein im Voraus genehmigt..." gewählt. So aber läßt der fast unbeteiligt klingende Satz den Schluß zu, der Schöpfer der Richtlinien habe nur die bisher anerkannten Grenzen übernehmen und explizieren wollen.201

196

Etwa VV NW zu § 76 (nachgew. im 1. Teil Fn 101), Nr. 3.21; RdSchr. Berlin (nachgew. im 1. Teil Fn 101), Nr. HI.2.4.; Für Bedienstete der Finanzverwaltung finden sich schon in den Richtlinien selbst strengere Bestimmungen; vgl. RdErl. d. BMF (nachgew. im 1. Teil Fn 100), Nr. II 3 c Sätze 2-4; Entschl. Bayern v. 29.10.1962 (nachgew. im 1. Teil Fn 101). 197 Das ist etwa von Baumann, BB 1962, 503 ff., in einer genauen Untersuchung der Richtlinien bezweifelt worden. Kritisch ders., BB 1961,1057 (1067). 198 So auch Fischbach, § 70 Anm. 3. Ausführlicher im 4. Teil 13 ab Fn 69. 199 Vgl. dazu RdErl. des BMI v. 20.3.1962 (nachgew. im 1. Teil Fn 100), unter II.3. Siehe auch oben in Fn 196 und Battis, § 70 Anm. 4. 200 Z.B. RdErl. d. BMI v. 20.3.1962 (nachgew. im 1. Teil Fn 100), unter II. 3. 201 So auch Fischbach, § 70 Anm. 3.

VI. Begrenzung des Verbots

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3. Sozialadäquanz

Das fuhrt uns zu der Frage, auf welcher materiellen Überlegung die Entscheidung beruht, manche Verhaltensweisen aus dem Geltungsbereich der Verbotsnormen herauszunehmen. Im Strafrecht werden diese tatbestandlichen Grenzen überwiegend aus dem Gedanken der Sozialadäquanz abgeleitet.202 Die Sozialadäquanz einer "an sich" tatbestandlichen Vorteilsannahme dient als Korrektiv zur Ausgrenzung solcher Vorteilsannahmen, die "von vornherein nicht in der Lage sind, als böses Beispiel das Amtsethos der Amtsträger oder das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesetzmäßigkeit und Sachlichkeit der Verwaltung zu gefährden;" 203 Schmidhäuser spricht anschaulich und treffend von solchen Geschenken, "über die jeder Beteiligte sozusagen offen sprechen kann".204 So gibt die Grenzziehung zwischen tatbestandsloser und "bloß" genehmigungsfahiger Vorteilsannahme einen echten Sinn: Dem Tatbestand des § 331 StGB als abstraktes Gefahrdungsdelikt unterfallen solche typischen Handlungsweisen nicht, denen trotz gelungener Subsumtion unter den Wortlaut schon diese abstrakte Gefährlichkeit stets fehlt; deshalb liegt es auf der Hand, daß auch nur diese ganz unverfänglichen Verhaltensweisen in den Verwaltungsvorschriften generell als stillschweigend genehmigt angesehen werden, denn eine Einzelfallprüfung ist hier entbehrlich. Alle anderen Handlungen dagegen bleiben tatbestandsmäßig; sie können aber - im Einzelfall genehmigt werden.205 Das Kriterium der Sozialadäquanz weist gegenüber den bisher diskutierten Ansätzen den Vorzug auf, deren Nachteile zu vermeiden: Es kann auch solche Tathandlungen legitimieren, bei denen das Beziehungsverhältnis besteht; es macht die Befreiung vom Verbot nicht allein von einem Element des Tatbestandes (Geringfügigkeit des Vorteils) abhängig; es macht die Befreiung schließlich auch nicht von der "willkürlichen" Entscheidung einer Genehmigungsbehörde abhängig und hält so zudem an einem einheitlichen strafrechtli202

BGHSt 31, 264 (279); OLG Frankfurt, NJW 1990, 2074 (2075); Arzt/Weber, Rn 454; Benfer, Rn 709; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 20, 55, § 333 Rn 25; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 22; Geppert, Jura 1981, 42 (47); Haft, S. 288; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 15; Lackner, § 331 Rn 14; Preisendanz, § 331 Anm. 3 f; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 23, 33; Eb. Schmidt, Bestechung, Rn 262; Wessels, BT 1, 25 E 2 (S. 237 f.); aus dem Beamtenrecht Lindgen, Hb, S. 499. Sehr detailliert Geerds, Bestechung, S. 73-86. - Ähnlich Baumann, BB 1961, 1057 (1067); Eser, S. 228; Schmitt, ZStW 73 (1961), 414 (422): Gewohnheitsrecht; dagegen aber Maurach/Schroeder, BT 2, S. 205. 203 Rudolphi, in: SK, §331 Rn 33; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW 1990, 2074 (2075). Siehe dazu etwa den bei Peters, in: Festschr. f. Welzel, S. 426 Fn 39, geschilderten Fall. 204 BT, Rn 24/8. 205 Zur (belanglosen) Frage, ob die Genehmigung den Tatbestand oder erst die Rechtswidrigkeit ausschließt, genauer im 4. Teil 14.

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2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

chen Maßstab fest. Diese Vorzüge des Kriteriums "Sozialadäquanz" sind aber zugleich seine praktischen Nachteile. Gehen mehrere Aspekte in die Bewertung ein, so ist ihre jeweilige Gewichtung in der Gesamtschau weitgehend offen. Ist keine allgemein entscheidungskompetente Stelle (die Genehmigungsbehörde) vorhanden, so geht die Entscheidung auf den jeweiligen Interpreten (den Richter) über. So unbefriedigend das auch ist - es ist allemal hinnehmbar: Unscharfen gibt es schon bei der Subsumtion unter Tatbestandsmerkmale; und der Umstand etwa, daß gerichtliche Entscheidungen voneinander abweichen können, ist ganz unvermeidbar und im Rechtssystem geradezu integriert. 206

4. Erlaubtes Fordern

Eine Frage harrt noch ihrer Antwort: Kann es auch sozialadäquat oder generell genehmigt sein, einen Vorteil zu fordern? 201 Die Frage wäre zu bejahen, wenn schon die besondere Art des Vorteils allein die Annahme adäquat machte. So sieht es anscheinend Rudolphi, nach dessen Ansicht sogar ein Richter solche Vorteile für eine richterliche Handlung annehmen darf. 208 Aber das kann ebensowenig richtig sein wie eine Geringfügigkeitsgrenze. Die Konsequenz seiner Ansicht, daß der sozialadäquate Vorteil dann sogar als Gegenleistung für eine pflichtwidrige Diensthandlung gefordert werden dürfte, wird Rudolphi vermutlich nicht ziehen wollen. Dann aber läßt sich die Sozialadäquanz nicht an einem einzelnen Moment, sondern nur in einer Gesamtschau bestimmen. Die Frage wäre weiterhin zu bejahen, wenn das Fordern den üblichen Tathandlungen im Unrechtsgehalt gleichstünde: Darf der Beamte einen Vorteil annehmen, so darf er ihn auch fordern. Die Frage ist dagegen dort zu verneinen, wo im Fordern ein besonderer Unrechtsgehalt liegt:209 Das ist zweifellos bei einem massiven Fordern der Fall; die Bedrückung des Bürgers ist niemals sozialadäquat, selbst wenn sie der Erlangung nur kleinster Werte dient. Das ist wohl allgemeine Ansicht. Denn auch dort, wo die Adäquanz eines Forderns bejaht wird, ist meist die Rede von einem Amtsträger, der den Vorteil nur "schlüssig fordert". 210 An diesen Wendungen ist erkennbar, daß nur die gleichsam "milde" Form des Forderns gemeint ist, ein Fordern in dem Sinne, den 206

Sonst benötigte man keinen Instanzenzug. Dafür Dreher/Tröndle, §331 Rn22; Rudolphi, ebd. (Fn203); unentschieden Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 42; dagegen Engelhardt, S. 190; Lindgen, Hb, S. 502, 513, und ZBR 1962,'318 (321). Auch § 304 Abs. 4 Österr. StGB und Goltdammer, S. 672 sprechen sich gegen eine Zulässigkeit des Fordenis aus. 208 Ebd. (Fn 203). Wohl auch Otto, BT, S. 471. 209 Siehe oben I 3 c ab Fn 50. 210 Cramer; Dreher/Tröndle (beide ebd. [Fn 207]). 207

VI. Begrenzung des Verbots

73

ihm die überwiegende Ansicht beilegt: dem Angebot einer ("Unrechts")Vereinbarung an den Erklärungsempfänger. 211 Hat der "Fordernde" wirklich nur diese "unverbindliche Anregung" im Sinn und bringt er das auch zum Ausdruck, so ist das Element der Bedrückung darin nicht mehr auffindbar. Dann läßt es sich in der Tat hören, auch hier Raum für eine stillschweigende Genehmigung oder für den Gedanken der Sozialadäquanz zu lassen. Systematische Erwägungen sprechen allerdings dagegen. In § 331 Abs. 3 StGB ist vorgegeben, daß die Annahme eines geforderten Vorteils strafrechtlich nicht genehmigungsfähig ist. Das trifft sich mit den Aussagen, die zu dieser Frage im Recht des öffentlichen Dienstes gemacht werden.212 Wenn dort und im Strafrecht im Falle des Forderns keine ausdrückliche Genehmigung zugelassen wird, so ist konsequenterweise auch keine stillschweigende, allgemeine Genehmigung durch Verwaltungsvorschrift möglich. Diese Überlegung macht aber nicht den Rückgriff auf das Kriterium der Sozialadäquanz unmöglich. Zwar hat der Strafgesetzgeber in § 331 Abs. 3 StGB festgelegt, daß ein tatbestandsmäßiges Fordern ein so intensives Unrecht darstellt, daß auch die weiteren Umstände des Einzelfalls den fordernden Nehmer nicht vor Strafe schützen können. Er hat damit die Wertung des Beamtenrechts übernommen,213 daß die Initiative, die der Beamte mit dem Fordern ergreift, in deutlich höherem Maße rechtsgutsgefahrdend sei als das Annehmen und Sichversprechenlassen. Aber all das gilt eben erst für ein tatbestandsmäßiges Fordern. Geht es also um einen Fall, wo die Integrität des öffentlichen Dienstes typischerweise gefährdet ist, so kann das Fordern weder mit der Begründung genehmigt werden, es sprächen gewichtige Interessen des Beamten für die Forderung und die Annahme des Vorteils, noch mit der Feststellung, in diesem besonderen Fall sei die Integrität des öffentlichen Dienstes nicht in Gefahr. Ist das Fordern dagegen "von vornherein nicht in der Lage ..., als böses Beispiel das Amtsethos der Amtsträger oder das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesetzmäßigkeit und Sachlichkeit der Verwaltung zu gefährden",214 stellt es also schon typischerweise keine Gefährdung der Integrität des öffentlichen Dienstes dar, so ist es schon kein tatbestandliches Fordern im Sinne des § 331 StGB. - Oder tut der Postbote etwa wirklich Unrecht, wenn er am 2. Januar klingelt und lachend sagt, nach so vielen treuen Besuchen bestehe er auf einem Gläschen Wacholder?

211 Cramer, aaO (Fn207), Rn24; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 12; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 4; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 24. Diese Auslegung stimmt mit dem Willen des historischen Gesetzgebers überein; vgl. im 1. Teil EI 2 bei Fn 67-70. Siehe auch noch I 3 c. 212 Siehe im4. TeilI2dbb. 213 RegE (BT-Drs. 7/550), S. 271. 214 Siehe oben unter 3 bei Fn 203 und danach.

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2. Teil: Das Verbot der Vorteilsannahme

Das Fordern eines Vorteils kann zwar nicht allgemein genehmigt, wohl aber sozialadäquat sein. VIL Zusammenfassung Die Untersuchung der §§ 331 Abs. 1 und 2 StGB, 70 BBG, 10 BAT zum Verbot der Vorteilsannahme hat gezeigt, daß die Normen jeweils verschiedene und einander nur teilweise überschneidende Adressatenkreise ansprechen. Diesen Adressaten verbieten215 die Normen - trotz sprachlicher Abweichungen - inhaltlich exakt dasselbe: das Fordern, Sichversprechenlassen und Annehmen von "beziehungsvollen" Vorteilen. Lediglich das Merkmal, worauf der Vorteil bezogen sein muß, ist im Recht des öffentlichen Dienstes weiter gefaßt als im Strafrecht. Damit umschreiben die Straftatbestände nur einen Ausschnitt des rechtswidrigen Verhaltens, das außerstrafrechtlich normiert ist. Es hat sich gezeigt, daß die Verbotsnormen weitgehend identisch sind. Damit ist das Fundament geschaffen, auf dem die weitere Arbeit aufbauen kann. Prüfen wir nun, warum sich die Erlaubnistatbestände nicht widersprechen dürfen (3. Teil) und wie sich solche Widersprüche beseitigen lassen (4. Teil).

215

Teilweise nur in analoger Anwendung, siehe oben unter IV.

3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung "Zunächst ist festzustellen, daß § 331 Abs. 3 StGB mit den beamtenrechtlichen Vorschriften über die Verpflichtung zur Einholung einer Genehmigung für die Annahme eines Geschenkes nicht in Einklang zu bringen ist."1 Cramer nennt für diese These mehrere Beispiele:2 Einerseits lasse § 331 Abs. 3 StGB eine nachträgliche Genehmigung zu, das Beamtenrecht dagegen nicht. Andererseits könne nach dem Strafgesetz nicht die Annahme eines geforderten Vorteils genehmigt werden, im Beamtenrecht jedoch fehle diese Einschränkung. Schließlich verbiete das Strafrecht einem Richter ausnahmslos die Vorteilsannahme, gemäß § 46 DRiG sei aber die allgemeine beamtengesetzliche Regelung auch auf Richter anwendbar und folglich eine Genehmigung durchaus möglich. So einhellig diese Feststellungen getroffen werden, so unterschiedlich sind die Konsequenzen, die daraus zur Beseitigung der Widersprüche gezogen werden. Cramer3 nimmt an, daß Abs. 3 "nach eigenständigen strafrechtlichen Gesichtspunkten zu interpretieren" sei und daß den beamtenrechtlichen Vorschriften über den Genehmigungsvorbehalt "nur die Funktion einer Auslegungsregel" zukomme. Jescheck4 beruft sich zwar auf Cramer, argumentiert jedoch anders: Soweit das Strafrecht in Betracht komme, gingen die §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 "als Spezialregelungen" den Beamtengesetzen vor, "die für das Disziplinarrecht ihre Bedeutung behalten mögen." Rudolphi5 erwägt zwei Möglichkeiten für die Fälle, in deiien das Beamtenrecht dem Täter günstiger als das Strafrecht sei: Entweder könne man "den beamtenrechtlichen Vorschriften den Vorrang vor § 331 Abs. 3" einräumen, oder man könne zumindest das Strafverfahren nach § 153 StPO einstellen. Die tastenden Formulierungen zeigen, daß die genannten Autoren selber ihre Lösungen als erste Vorschläge ansehen, die der weiteren Diskussion bedürfen. Ihre Modelle unterscheiden sich stark und widersprechen einander teil1 Cramer, in: Schönke/Schröder, §331 Rn45. Ebenso Jescheck, in: LK, §331 Rn 17; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, Rn 78/22; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 31. 2 Ebd.; siehe auch Jescheck, ebd.; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 35 f. 3 AaO (Fn l),Rn46. 4 Ebd. (Fn 1). 5 AaO (Fn 1), Rn 35.

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3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

weise. Zudem beruht ihre Prämisse von der Widersprüchlichkeit der straf- und beamtenrechtlichen Normen auf einem Vergleich, in dem die bisherigen und üblichen Auslegungen hier des Straf- und dort des Beamtenrechtes schlicht einander gegenübergestellt werden. Daß bei diesem Normverständnis ein Widerspruch zutage tritt, ist offenbar. Vielleicht aber bedarf diese "rechtsgebietsisolierte" Auslegung einer Korrektur. Weiterhin lassen die aufgeführten Stellungnahmen unberücksichtigt, daß nicht nur den Beamten, sondern auch den Angestellten und Arbeitern im öffentlichen Dienst die Vorteilsannahme genehmigt werden kann. Hierfür gelten womöglich andere Regeln. Sie auszublenden ist eine unbegründete Schmälerung der Argumentationsbasis. Das Anliegen dieses Teils der Arbeit ist der Nachweis, daß solch eine beziehungslose Auslegung nicht zulässig ist, daß vielmehr die Einheit der Rechtsordnung eine rechtsgebietsüberschreitende, harmonisierende Auslegung der Genehmigungstatbestände gebietet.

I. Einheit und Widerspruchsfreiheit Mit dem Begriff "Einheit der Rechtsordnung" wird eine bestimmte Vorstellung über das Verhältnis von Normen einer Rechtsordnung zueinander verknüpft. Diese Vorstellung besagt, daß die einzelne Norm ihre volle Wirkung nur in Verbindung mit anderen Normen ihrer Rechtsordnung entfaltet, daß die Normen erst in ihrer Gesamtheit ein umfassendes (nicht: vollständiges) Regelungssystem darstellen, daß sie alle "einheitlich" dem gemeinsamen Ziel dienen, die Gesellschaft zu organisieren und zu ordnen.6 Diese Vorstellung bedeutet notwendigerweise, daß in einer solchen Einheit keine Widersprüche auftauchen: 7 Die Normen sollen miteinander, nicht gegeneinander wirken. Wenn Art. 22 GG bestimmt. "Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.", so kann nicht zugleich eine andere Norm derselben Rechtsordnung gelten, die für ebendieselbe Bundesflagge eine andere Farbkombination festlegt. Regelt ein Polizeibeamter den Kreuzungsverkehr von Hand und läßt § 36 Abs. 1, 2 StVO dessen Zeichen und Weisungen für die Verkehrsteilnehmer verbindlich sein, so kann weder eine andere Vorschrift mit gleichem zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich das Verhalten des Beamten für rechtsfolgenlos erklären, noch können gleichzeitige, aber inhaltlich abweichende Zeichen und Weisungen eines zweiten Polizeibeamten auf derselben Kreuzung ebenfalls verbindlich sein.

6

Siehe dazu Engisch, Einführung, S. 64 f., und Einheit, S. 26-29, sowie Günther, S. 90 f. (m.w. Nachw.), der allerdings die Spannungen zwischen dem "Spezialzweck" eines Rechtsgebietes und dem "Generalzweck" der gesamten Rechtsordnung betont. 7 Ausführlich Engisch, Einführung, S. 160-170, und Einheit, S. 41-67. Vgl. auch Ossenbühl, in: 57. DJT, S. L 42.

I. Einheit und Widerspruchsfreiheit

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§ 134 BGB schließlich beugt Widersprüchen besonderer Art vor: Was ein Gesetz verbietet, darf eine Vertragspartei nicht gleichzeitig leisten müssen.8 Einheitlich in diesem Sinne ist die idealtypische Rechtsordnung, in der die Widerspruchsfreiheit verwirklicht ist, weil in ihr schon keine widersprüchlichen Normen existieren. Aber auch jede reale Rechtsordnung weist diese Einheit auf. Sie mag zwar widersprüchliche Normen enthalten, doch neutralisieren sich diese, soweit die Unvereinbarkeit reicht: Treten etwa Verbot und Gebot gegeneinander an, so gelten beide nicht; das Tun ist erlaubt, und zugleich ist es dem Adressaten freigestellt. 9 Damit ist allerdings nur eine rechtstheoretische Feststellung getroffen. Für die Rechtspraxis kann sie so keine Geltung haben. Denn während die ideale Rechtsordnung auch in ihrer Anwendung und Konkretisierung durch Behörden und Gerichte widerspruchslos bleibt, ist dies für die reale Rechtsordnung nicht gewährleistet. Der Normwiderspruch muß erst erkannt sein, bevor daraus tatsächlich die Konsequenzen gezogen werden können und jede der widerstreitenden Normen unbeachtet bleibt. Damit wird das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung zu einem normativen, nicht bloß deskriptiven Satz.10 Die Rechtsanwender sind vor die Aufgabe gestellt, Widersprüche zunächst aufzufinden und sodann zu beseitigen. Dieses zweite bleibt eine Aufgabe deshalb, weil mit dem Auffinden der kollidierenden Imperative noch nicht von selbst die Auflösung des Widerspruches gegeben ist. Vielmehr ist immer die Frage zu beantworten, ob der Widerspruch in dem Sinne "unauflösbar" ist, daß beiden Normen ihre Geltung völlig versagt werden muß, oder ob die Spannung nicht auch durch eine veränderte Auslegung der Normen behoben werden kann,11 durch eine Auslegung freilich, die mit den herkömmlichen Methoden legitimierbar sein muß12 - so wie auch die "verfassungskonforme" Auslegung13 den Kanon der üblichen Methoden nicht erweitert, sondern gerade umgekehrt deren Leistungsvermögen durch inhaltliche Anforderungen an das Ergebnis begrenzt.14 Diese Gleichheit nimmt nicht Wunder, beruht doch das Gebot der Widerspruchsfreiheit auf den Grundentscheidungen unserer Verfassung. 15 Das Prin8

Medicus, Rn 647. Zu der besonderen Art solcher Widersprüche unten III 3. Genauer gleich unten im nächsten Absatz. 10 Engisch, Einheit, S. 41, 55: nicht Dogma, sondern Postulat (siehe aber auch S. 69: bald Axiom, bald Postulat); Kirchhof, S. 27, 30. 11 Engisch, Einheit, S. 43, scheidet diese Fälle terminologisch in echte und scheinbare Normwidersprüche. 12 Kirchhof, S. 31 f. 13 Allgemein hierzu Hesse, Rn 79 ff. 14 Larenz, Methodenlehre, S. 339 f.; siehe auch Stern, StaatsR, S. 135 ff., mit Rechtspr.-Nachw. 15 Hierzu und zum Folgenden findet sich eine gute Herleitung bei Günther, S. 94-96, mit zahlreichen Nachw. aus Verfassungsrechtspr. sowie Literatur zu Staatsrecht und 9

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3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

zip der Rechtsstaatlichkeit, das den Ländern in Art. 28 Abs. 1 GG vorgegeben und für die Bundesrepublik in Art. 20 GG vorausgesetzt ist, hat zahlreiche Konkretisierungen erfahren. Eine von ihnen ist das Gebot der Normenklarheit, das speziell für das Strafrecht im Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegt ist. Mit diesem Verfassungspostulat sind widersprüchliche Vorschriften unvereinbar: Das richtige Verhalten ist hier unklar, die Normen können den Adressaten nicht mehr anleiten und entfalten keine ordnende Kraft. Zur Verwirrung des Normadressaten reicht es dabei schon aus, wenn Verbot und Erlaubnis (oder Gebot und Freistellung) aufeinandertreffen; noch ärger ist es, wenn er sich zugleich Gebot und Verbot ausgesetzt sieht, denn häufig sind beide sanktionsbewehrt. - Zum anderen läßt auch der allgemeine Gleichheitssatz Normwidersprüche nicht zu. Er gebietet dem Normsetzer, Gleiches nicht ungleich zu behandeln.16 Diese Erwägungen treffen sich letztlich mit der Aussage Engischs17, der Gesetzgeber könne Widersprüchliches nicht gleichzeitig bewußt wollen, die Ungültigkeit unauflösbar widersprüchlicher Normen sei also ontologisch, nicht logisch begründet. Das ist in der Normlogik anerkannt. Ein Normwiderspruch ist zwar logisch mangelhaft und führt zur Unverständlichkeit der Sollenssätze; aber die Logik stellt diesen Mangel nur fest, sie behebt ihn nicht.18 Erst wenn die Rechtsordnung selber das Postulat der Widerspruchsfreiheit aufstellt, existiert der normative Obersatz, aus dem die Ungültigkeit der widersprüchlichen Normen folgt. 19 Ein Verstoß gegen das Gebot der Widerspruchsfreiheit besteht offensichtlich bei echten Afor/wwidersprüchen 20, wie sie in den Beispielen21 deutlich wurden. Diese können schon als abstrakte Normwidersprüche 22 auftreten: Zwei Gesetze knüpfen an identische Tatbestände unvereinbare Rechtsfolgen. Möglich ist aber auch, daß sich die Tatbestände zweier Normen mit einander ausschließenden Rechtsfolgen nur teilweise überschneiden. In dieser Schnittmenge ent-

Rechtstheorie. Siehe noch Breuer, DÖV 1987, 169 (177) m.w.Nachw.; M. Schröder, VVdStRL 1991, 196 (205 f., 214 f.). 16 Die beiden Aspekte Rechtsstaatlichkeit und Gleichheitssatz klingen auch bei Kirchhof, S. 8 f., an. 17 Einheit, S. 54 f. 18 Tammelo/Schreiner, S. 104,105; Weinberger, S. 213 Fn 5,214,216. 19 Schreiber, S. 60 (mißverständlich S. 87). Siehe noch Engisch, Einführung, S. 162 Fn 200b. 20 Allgemein dazu Larenz, Methodenlehre, S. 266 f. Speziell zum Verwaltungsrecht Jarass, WdStRL 1991,238 (261 f.). 21 Oben nach Fn 7. 22 So das erste Beispiel; allgemein dazu Engisch, Einführung, S. 162 f., und Einheit, S. 46-50.

I Die "Einheit des Rechtswidrigkeitsurteils"

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stehen konkrete Normwidersprüche 23. Ebenfalls unzulässig sind Wertungswidersprüche. Sie bestehen dort, wo "vom Gesetzgeber selbst für gleich Erachtetes ... grundlos verschieden und das von ihm selbst für verschieden Erachtete (nicht) entsprechend dieser Verschiedenheit" behandelt wird. 24 Die Formulierung zeigt bereits, daß solche Widersprüche nicht vor Art. 3 GG bestehen können. Das Gebot der Normenklarheit ist in solchen Fällen allerdings nicht verletzt: Es kann nur verträgliche Rechtsfolgen für identische Sachverhalte verlangen. Damit wird zugleich ein weiterer Unterschied zwischen Norm- und Wertungswidersprüchen offenbar. Die Existenz von Normwidersprüchen läßt sich "formal" nachweisen, indem ein Sachverhalt zwei Tatbeständen mit unvereinbarer Rechtsfolge subsumiert wird. Die Behauptung eines Wertungswiderspruchs bedarf darüber hinaus der viel schwierigeren und selten zwingenden "materiellen" Begründung, daß die verglichenen Sachverhalte der Gleichbehandlung bedürfen und jede andere Entscheidung willkürlich wäre. II. Die "Einheit des Rechtswidrigkeitsurteilsff Das Prinzip der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist so weitgehend anerkannt, daß es meist nur knapp erwähnt, häufig als Ausgangspunkt einer Argumentation verwendet, selten aber begründet wird. 25 Und doch gibt es einen Teilbereich innerhalb des so weit gefaßten Prinzips, wo der herrschenden Ansicht widersprochen wird. Es geht hierbei um die Frage, ob dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung das Gebot der "Einheit des Rechtswidrigkeitsurteils" entnommen werden kann. Dies wird überwiegend bejaht:26 Die Rechtswidrigkeit bezeichne den Widerspruch zwischen Norm und Wirklichkeit.27 Wer ein Gebot nicht befolge, handele ebenso rechtswidrig wie derjenige, der ein Verbot mißachte.28 Jede Norm innerhalb der Rechtsordnung gilt da-

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Engisch, Einheit, S. 50-55. Zu dieser Gruppe zählt der Fall 2 des zweiten Beispiels, mit der Besonderheit allerdings, daß hier sogar ein und dieselbe Nonn zu widersprüchlichen konkret- individuellen Verhaltensanweisungen führt. 24 Engisch, Einheit, S. 62 f., allgemein dazu S. 59-64, und Einführung, S. 163 f.; s. auch Larenz, Methodenlehre, S. 334-339, und Jarass, VVdStRL 1991, 238 (262 f.). 25 So z.B. viele der unter m 1 b aa in Fn 70 Genannten. Weiterhin RGSt 4, 30 (31 f.); Cramer, VermögensbegrifT, S. 91; Lenckner, JZ 1967, 105 (107); Neye, S. 39; Seibert, S. 241 f. 26 Ausführlich Seib und Münzberg (m.w.Nachw. zum Meinungsstand auf S. 14 Fn 32); siehe auch Engisch, Einheit, S. 55-58. 27 Z.B. Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 10. 28 Oder, anders gewendet und nicht gemäß der Bestimmungsnonn, sondern der ihr vorgelagerten Bewertungsnorm formuliert: Rechtmäßig sei ein Verhalten, das von der Rechtsordnung gebilligt, rechtswidrig ein solches, das von ihr mißbilligt werde. Zu den Anhängern der Imperativentheorie einerseits und denjenigen, die die Bewertungsfunk-

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3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

nach in jedem Rechtsgebiet: Wird in dem einen erlaubt, darf das andere nicht verbieten, und was hier rechtswidrig ist, kann dort nicht rechtmäßig sein.29 Aber natürlich können in jedem Rechtsgebiet an das einheitlich rechtswidrige Verhalten spezifische und damit unterschiedliche

Rechtsfolgen geknüpft wer-

den,30 hier Schadensersatz, da Kriminalstrafe, dort aber auch gar keine Sanktion. Häufig 31 wird dabei zugleich der Formalbegriff "Rechtswidrigkeit" vom materiellen des "Unrechts" getrennt; nur dieses könne in verschiedenen Graden vorliegen,32 Rechtswidrigkeit dagegen liege stets entweder völlig oder gar nicht vor. Einen anderen Weg hat etwa Günther beschritten. Er stellt dem "allgemeinen RechtswidrigkeitsbegrifT der herrschenden Meinung einen "dogmatischen" gegenüber, einen rechtsgebietsspezifischen Begriff der Rechtswidrigkeit, der je nach den besonderen Bedürfnissen des Rechtsgebiets inhaltlich ausgefüllt wird und sich deshalb von demselben Begriff eines anderen Rechtsgebietes unterscheiden kann.33 Diese Meinungsverschiedenheit bewegt sich zunächst auf rein terminologischem Gebiet. Die Mindermeinung bestreitet nicht den Grundsatz von der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.34 Sie wendet sich vielmehr gegen den Anspruch der herrschenden Meinung, daß der Begriff "Rechtswidrigkeit" zur Beschreibung eben dieses Grundsatzes geeignet sein und deshalb als rechtstheoretischer Begriff für diese "allgemeine", also rechts-

ten hervorheben, siehe Günther, S. 95 Fn 36. Die Unterschiede zwischen beiden Sichtweisen können für unser Thema vernachlässigt werden. Selbst wenn man formulieren wollte, Norm A "mißbillige" ein Verhalten, wohingegen zugleich Norm B das Verhalten lediglich "nicht mißbillige" (also nicht etwa sogar "billige"), wäre der Normwiderspruch nicht vermieden, sobald beide Bewertungen unter demselben rechtlichen Gesichtspunkt erfolgen (zu dieser Einschränkung sogleich nach Fn 51). Denn es liegt kein Unterschied darin, ob man sagt, ein bestimmtes Tun werde von einer Nonn "gebilligt" oder "nicht mißbilligt": Wenn die Vorschrift das Tun nicht mißbilligt, dann billigt sie es eben. Oder aber sie hat überhaupt keinen Gehalt und könnte ebensogut fehlen; eine solche Interpretation wäre aber weder Sinndeutung noch Sinngebung, sondern grundlose Sinnentleerung. 29 Z.B. Fischer, S. 115 f.; Münzberg, S. 120 ff. u. pass.; Welzel, S. 52. 30 Baumann/Weber, S. 261; Engisch, Einheit, S. 58; Hirsch, ebd. (Fn 27); Jescheck, AT, S. 293; Seib, S. 141 f. 31 Siehe Hirsch, in: LK, Vor § 31 Rn 11, m.w.Nachw.; anders z.B. Kern, ZStW 64 (1952), 255 ff. 32 Daher ist es nach allgemeiner Ansicht unschädlich, von besonderem "Strafunrecht" zu sprechen; siehe nur Maurach/Zipf, AT 1, Rn 2/26. 33 Zur Terminologie Günther, S. 83 f. 34 Günther, S. 99 ff.; Hübenett, S. 77; Kirchhof, S. 8, 10 u. v.a. 31 (der Rechtsanwender habe materielle Unterschiede in der Rechtswidrigkeit auszugleichen); Maurach/Zipf, AT 1, Rn 2/25, 25/12; Roxin, AT, Rn 14/32-36.

II. Die "Einheit des Rechtswidrigkeitsurteils"

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gebietsüberschreitende Rechtswidrigkeit reserviert werden müsse.35 Warum dies so sein sollte, ist in der Tat nicht recht einzusehen und bedürfte der Begründung. Es ist ebenso denkbar, den Begriff der Rechtswidrigkeit stets mit Blick auf die jeweils gemeinte Rechtsfolge zu formulieren und damit abzustufen. 36 Auch zahlreiche andere Rechtsbegriffe weisen in verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedliche Inhalte auf, wie etwa die divergierenden zivil- und strafrechtlichen Definitionen der Fahrlässigkeit (hier subjektiv, dort objektiv verstanden) zeigen. Die Möglichkeit einer begrifflichen Eigenständigkeit ist konsequenterweise schon in einer der frühen Stellungnahmen zu diesem Thema anerkannt worden, von einem Autor noch dazu, auf den sich die herrschende Ansicht ganz überwiegend beruft. Engisch hat bereits 1935 festgestellt, daß die Terminologie schwanken könne, ein solcher bloß "technischer" Widerspruch aber keine sachliche Bedeutung habe und daher die Einheit der Rechtsordnung nicht gefährde. 37 Derartige terminologische Verwerfungen finden wir auch nicht nur zwischen zwei Rechtsgebieten, sondern auch innerhalb eines Gebietes38 oder auch nur eines Gesetzes39, ja innerhalb derselben Norm 40 gar, ohne daß wir daran etwas auszusetzen fanden. Und es spricht in der Tat kein Sac/îargument gegen einen rechtsgebietsspezifischen Begriff der Rechtswidrigkeit; entscheidend ist allein die Zweckmäßigkeit der Begriffsbildung. 41 Daher macht Münzberg bereits in seiner Einleitung42 deutlich, daß "in der vorliegenden Arbeit von vornherein unterstellt wird, die Einheit des Rechtswidrigkeitsurteils sei ein erstrebenswertes Ziel ... Deshalb hat sie demjenigen nichts ... zu bieten, der eine beliebige Spaltung des Rechtswidrigkeitsbegriffs, je nach seinen strafoder zivilrechtlichen Funktionen, ... fur zulässig hält." Er erkennt damit die

35 Eine derartig "allgemeine" Begriffsfestlegung führt Seib, S. 8 f., 37-77 (zusammenfassend S. 78), vor. 36 Kirchhof, S. 32; Stratenwerth, Rn 186. 37 Einheit, S. 43-46, 53 Fn 4. Jüngst z.B. M. Schröder, VVdStRL 1991,196 (210). 38 Anspruch und Einrede bedeuten in der ZPO etwas anderes als im BGB, siehe nur Larenz, BGB AT, S. 248 ff. (v.a. 251 f.). 39 "Rechtswidrig" im StGB: Z. B. §§ 26, 27, 145d, 164 erfassen nur straftatbestandsmäßige rechtswidrige Taten (vgl. § 11 Nr. 5); für den rechtswidrigen Angriff in § 32 Abs. 2 genügen auch straflatbestandslose Handlungen; in § 113 Abs. 3 soll es weniger auf die "materielle Richtigkeif als vielmehr auf die "formale Rechtmäßigkeif ankommen (Nachweise bei Schönke-Schröder, § 32 Rn 19; § 113 Rn 21). 40 "Einzutragende Tatsache" bedeutet in § 15 Abs. 1 HGB die "wahre" Tatsache, in Abs. 3 dagegen die "falsche" Tatsache, die aber im Falle ihrer Wahrheit eintragungspflichtig wäre; Karsten Schmidt, S. 300, 314. 41 Siehe dazu die Überlegungen Kirchhofs, S. 6, 8. 42 S. 14 (Hervorhebung von mir).

6 Hardtung

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3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

terminologische Beliebigkeit an, sorgt sich allerdings43 um eine aus der begrifflichen Spaltung resultierende sachliche Abweichung. Daß er diese "Sorge" zu Recht hat, zeigt Günthers weiterer Gedankengang. Mit der begrifflichen Abkopplung hat er sich den Boden für nun auch inhaltliche Neuerungen bereitet. Nachdem er für den strafrechtsdogmatischen Begriff der Rechtswidrigkeit dargelegt hat, daß dieser nur eine Teilmenge der "allgemeinen" Rechtswidrigkeit beschreibe, nutzt er diese terminologische Basis für eine konzeptionelle Neuerung. Das StGB kenne zweierlei Arten von Rechtfertigungsgründen: 44 einmal solche, die den Täter vollständig rechtfertigten und damit der Tat die "allgemeine" Rechtswidrigkeit nähmen ("unechte Strafunrechtsausschließungsgründe"), dann aber auch solche, die der Tat nur die gesteigerte spezifische Strafrechtswidrigkeit nähmen ("echte Strafunrechtsausschließungsgründe") - hier bleibe eine rechtswidrige Tat, deren Unrechtsgehalt aber so weit reduziert sei, daß das Strafrecht keine Sanktion mehr daran knüpfe. 45 Hinter der divergierenden Terminologie verbirgt sich demnach ein Erkenntnisstreit: Die Mindermeinung hinterfragt und müht sich um eine Differenzierung für das, was die herkömmliche Ansicht als gegeben schlicht voraussetzt, daß nämlich ein Erlaubnissatz, wo auch immer er im Rechtssystem sich findet, stets die "allgemeine" Rechtswidrigkeit ausschließe, das von ihm in den Blick genommene Unrecht völlig beseitige. Wenn also Günthers Spaltung des Rechtswidrigkeitsbegrififs abgelehnt wird, 46 so bedeutet dies letztlich nichts anderes, als daß damit zugleich die allgemeine Frage nach der Reichweite und Wirkung von Erlaubnissätzen nicht angerührt wird. Das ist verwunderlich, denn für einzelne Erlaubnissätze zeigt sich, daß sie nicht stets und unbesehen in alle Rechtsgebiete übernommen werden. So hat vor allem Günther der herrschenden Lehre zahlreiche anerkannte "Ausnahmefalle" vorgehalten.47 Etwa die Fälle des polizeilichen Schußwaffeneinsatzes zeigten, daß die Rechtswidrigkeit nicht einheitlich beurteilt werden könne: Der Beamte, der seine polizeirechtlichen Kompetenzen überschreite, jedoch die Voraussetzungen des § 32 StGB erfülle, handele zugleich (polizeirechtlich) "rechtswidrig" und (strafrechtlich) "rechtmäßig", weil gerechtfertigt; eine Harmonisierung der kollidierenden Normen sei zwar häufig versucht48, jedoch nicht erreicht 43

Ebd., Fn 32. V.a. S. 257-260; siehe auch S. 395 (Nr. 8,10). 45 Eine ähnliche Spaltung sieht der Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder von 1977 (abgedruckt und kommentiert bei Ule/Rasch) in § 35 Abs. 2 vor: Notwehr und Notstand behalten ihre zivil- und strafrechtlichen Wirkungen. Umkehrschluß: Polizeirechtlich rechtfertigen sie nicht. 46 Kritisch Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 10; Jescheck, AT, S. 293 Fn 18. 47 Dazu die Auflistung S. 46-54. 48 Siehe die Darstellung bei Seebode, in: Festschr. f. Klug, S. 363-372. 44

II. Die "Einheit des Rechtswidrigkeitsurteils"

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worden. Ein weiterer, von Günther nicht erwähnter Fall betrifft den rechtfertigenden Notstand. Unter dieser Bezeichnung finden sich mit §§ 34 StGB, 228, 904 BGB drei Vorschriften, die den Handelnden unter jeweils verschiedenen Voraussetzungen rechtfertigen. Hier ist zwar grundsätzlich anerkannt, daß die zivilrechtlichen Vorschriften im Strafrecht Geltung haben und dem § 34 StGB als Sonderregelungen vorgehen.49 Und doch findet sich die Ansicht, eine Tat sei nicht schon ohne weiteres dann gerechtfertigt, wenn der Tatbestand des § 228 oder § 904 BGB erfüllt sei; vielmehr müsse man - etwa in dem Fall, daß jemand durch Bedrohung mit dem Tode zur Teilnahme an einem Diebstahl gezwungen wird - auf die allgemeinen Grundsätze des § 34 StGB korrigierend zurückgreifen, denn die zivilrechtlichen Notstandsbestimmungen enthielten aufgrund ihrer konkreteren Fassung Vergröberungen, 50 die - so ist wohl zu ergänzen - zwar im Zivil-, nicht aber im Strafrecht tragbar seien. - Mit diesen und zahlreichen anderen Einschränkungen wird unter der Hand der Obersatz aufgegeben, daß es die Einheit der Rechtsordnung und des Rechtswidrigkeitsurteils gebiete, allen Erlaubnissätzen eine rechtsgebietsüberschreitende Geltung beizumessen. Die Erkenntnis, daß dieser Satz in seiner Allgemeinheit nicht stimmt und daß statt dessen für jeden Rechtfertigungsgrund gesondert entschieden werden muß, wie weit er trägt, ist daher auch zunehmend formuliert worden, vornehmlich allerdings mit Blick auf die Frage, ob die Rechtfertigungsgründe des StGB auch im Zivil- und öffentlichen Recht eine Tat erlauben können.51 An dieser Stelle ist es ratsam, Mißverständnissen vorzubeugen. Wenn hier von der "allgemeinen", rechtsgebietsüberschreitenden Wirkung einer Erlaubnis die Rede ist, so ist damit keine "umfassende" Rechtfertigung gemeint. Das will folgendes besagen: Schlägt A dem B den Glaskrug des C so über den Kopf, daß der Krug zerspringt und B blutet, dann wirkt eine Einwilligung des C allgemein und somit rechtsgebietsüberschreitend mit der Folge, daß A strafund zivilrechtlich keine rechtswidrige Sachbeschädigung begangen hat und deshalb keine Sanktionen aus §§ 303 StGB, 823 Abs. 1 und 2 BGB fürchten muß. Die Einwilligung wirkt aber natürlich nicht umfassend, so daß die Körperverletzung des A rechtswidrig bleibt und A deshalb sehr wohl mit staatlicher Strafe (§§ 223, 223a StGB) und Schadensersatzansprüchen des B zu rechnen hat. Nicht anders bei §§ 331 StGB, 70 BBG: Läßt sich ein Beamter die Annahme einer Schreibtischlampe ordnungsgemäß genehmigen, so gilt diese Erlaubnis womöglich "allgemein", also rechtsgebietsüberschreitend, nämlich straf- und beamtenrechtlich; das wird sogleich zu untersuchen sein. 49

Siehe nur Hirsch, in: LK, § 34 Rn 82; Jescheck, AT, S. 318. Z.B. Lenckner, in: Schönke-Schröder, § 34 Rn 6 m.w.Nachw. 51 Roxin, in: Festschr. f. Oehler, S. 195; Seebode, aaO (Fn 48), S.368; Maurach/Zipf, AT 1, Rn 25/12 (allerdings unter Beibehaltung eines einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriff, siehe Rn 25/13); wohl auch Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn 27. 50

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3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

Ist diese Lampe aber Diebesware, so handelt der Beamte mit der Entgegennahme dennoch rechtswidrig, weil sein Verhalten dem Straftatbestand der Hehlerei unterfällt. Dieser Aspekt unrechten Verhaltens wird weder von den Verbotsnormen der §§ 331 Abs. 1 StGB, 70 BBG erfaßt, noch wird er bei der Erteilung einer Erlaubnis gemäß §§ 331 Abs. 3, 70 BBG berücksichtigt. Genau besehen sind solche Erlaubnisse also keine eigentlich rechtsgestaltenden Akte; vielmehr enthalten sie nur die Feststellung, daß das geprüfte Verhalten unter einem bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt nicht zu beanstanden ist.

Der C willigt nur in die Sachbeschädigung ein, nicht in die Körperverletzung; die Genehmigungsbehörde gestattet nur die Vorteilsannahme, nicht aber die Hehlerei. Die Erlaubnissätze sind tatbestandsbezogen, nicht aber sachverhaltsbezogen.

in. Verträglichkeit der Rechtsfolgen in § 331 StGB und §§ 70 BBG,10 BAT So viel kann an dieser Stelle bereits festgehalten werden: Das Postulat der Widerspruchsfreiheit verbietet es der Rechtsordnung, ein und dasselbe Verhalten unter ein und demselben rechtlichen Gesichtspunkt gleichzeitig zu erlauben und zu verbieten. Eine Trennung in Rechtsgebiete ist nicht möglich. Ein Handeln kann nicht vom Zivilrecht verboten und zugleich vom Öffentlichen Recht erlaubt werden. Trotzdem kann man davon sprechen, ein Handeln sei "zivilrechtlich verboten" und zugleich "öffentlich-rechtlich erlaubt", wenn man erkennt, daß damit die Begriffsinhalte wechseln. Der Satz könnte dann etwa besagen, daß sich im Zivilrecht ein Verbot mit Wirkung für die gesamte Rechtsordnung findet, daß aber das Öffentliche Recht dieses Handeln nicht auch verbietet, andererseits aber keine positive Gestattung aussprechen, sondern sich einer Stellungnahme und belastender Rechtsfolgen gänzlich enthalten will und zur abschließenden Beantwortung der Frage nach dem Erlaubtsein auf die anderen Rechtsgebiete verweist.52 In Anlehnung an den Begriff vom "rechtsfreien Raum", in dem sich die gesamte Rechtsordnung einer abschließenden Stellungnahme enthält, kann hier von einem "rechtsgebietsfreien Raum" gesprochen werden. - Analog kann ein Verhalten nicht vom Strafrecht als rechtmäßig, vom Disziplinarrecht aber als rechtswidrig angesehen werden, wenn man den "allgemeinen", also rechtsgebietsüberschreitenden Rechtmäßigkeitsbegriff zugrunde legt. Dagegen ist die Rede von einem "strafrechtmäßigen", aber "disziplinarrechtswidrigen" Handeln durchaus sinnvoll und bei Klarstellung der veränderten Terminologie auch ebenso unschädlich wie die Unterscheidung von "Strafünrecht" und "Disziplinarunrecht".

52 So ausdrücklich § 70 Abs. 3 S. 1 BauO NW. Das stellt nach Jarass, VVdStRL 1991, 238 (261 f. mit Fn 134), den Regelfall dar.

I. Verträglichkeit der Rechtsfolgen

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Aus der Einheit der Rechtsordnung folgt, daß grundsätzlich jeder Rechtssatz zur Anwendung gelangt, dessen Tatbestand erfüllt ist. Die Wirkung seiner Rechtsfolge ist dabei nicht auf dasjenige Rechtsgebiet beschränkt, dem die Norm angehört. Deshalb ist ein Verhalten, das den Tatbestand einer Verbotsnorm erfüllt, in der gesamten Rechtsordnung nicht mehr erlaubt, einerlei welchem Rechtsgebiet die Verbotsnorm angehört. Umgekehrt können auch Vorschriften des Beamtenrechts eine Handlung rechtfertigen, die einen Straftatbestand erfüllt. Der allgemeine Satz dagegen, die Einheit der Rechtsordnung und des Rechtswidrigkeitsurteils gebiete solch eine Wirkung, beruht auf der angreifbaren terminologischen Prämisse, es gebe nur einen allgemeinen Begriff der Rechtswidrigkeit. Zudem zeigt die Rechtswirklichkeit, daß "Erlaubnissätze" eines Rechtsgebietes nicht unbesehen auf ein anderes Rechtsgebiet übertragen werden,53 weder aus dem Strafrecht hinaus noch in das Strafrecht hinein.54 Das gilt auch für § 331 Abs. 3 StGB und §§ 70 BBG, 10 BAT 55 : Ob die Rechtsfolgen dieser Normen auf das jeweils andere Rechtsgebiet übertragen werden müssen, wird in der Literatur 56 uneinheitlich beantwortet. "Übertragung" ist freilich ein ungenauer Terminus. Zwei Fragen sind auseinanderzuhalten, bei deren Beantwortung zugleich eine Stellungnahme zu den bisher vertretenen Meinungen abfällt:

7. Rechtsgebietsbeschränkte

Rechtsfolgen (Cramer)?

Zum einen ist es denkbar, daß die Rechtsfolge einer tatbestandlich erfüllten Norm eintritt, daß aber diese Rechtsfolge so sehr auf dasjenige Rechtsgebiet zugeschnitten ist, dem die Norm angehört, daß sie in einem anderen Rechtsgebiet "wirkungslos" bleibt. Diese Norm ist dann nicht "übertragbar". Ein Beispiel hierfür sind die "echten Strafunrechtsausschließungsgründe", wie Günther sie versteht. Ist ihr Tatbestand erfüllt, so tritt ihre Rechtsfolge in allen Rechtsgebieten ein: Sie senken das Unrecht auf ein Maß, das für eine Krimi-

53 Deshalb ist der Begriff "Erlaubnis"satz für bloß rechtsfolgenbeseitigende Normen äußerst ungenau. In diesem mißverständlichen Sinn wird er daher für die weiteren Darlegungen vermieden. Taucht er in Anführungszeichen auf, soll damit eine genauere Bestimmung der Rechtsfolge offenbleiben. Auch ist zur Verdeutlichung dort, wo die Rechtsfolge einer Norm zu einer rechtsgebietsüberschreitenden Rechtfertigung führt, meist von einer "echten" Erlaubnis die Rede. 54 Siehe oben bei Fn 47 f. zum polizeilichen Schußwaffengebrauch einerseits und bei Fn 49 f. zum Notstand andererseits. 55 §§70 BBG, 10 BAT enthalten sowohl das allgemeine Verbot der Geschenkannahme als auch den Genehmigungsvorbehalt. Davon interessiert in diesem Zusammenhang nur noch das zweite. 56 Nachweise schon zu Anfang dieses Teiles in Fn 3-5.

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3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

nalstrafe nicht mehr ausreicht. Diese Bewertung muß auch zum Beispiel das Öffentliche Recht akzeptieren, weil dasjenige, was nach den Regeln eines Rechtsgebietes rechtswidrig ist, nicht in einem anderen Rechtsgebiet als nach den Regeln des einen rechtmäßig behandelt werden darf. 57 Das wirkt sich aber nur dort aus, wo das Öffentliche Recht etwa - wie in § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG - zur Voraussetzung macht, daß "gegen Strafgesetze verstoßen wird." Dagegen bleibt es dort bedeutungslos, wo das öffentliche Recht nicht die strafrechtliche Weitung zugrunde legt.58 Damit stellt sich die folgende Frage: Haben §§ 331 Abs. 3 StGB, 70 BBG59 derart rechtsgebietsspezifische Rechtsfolgen, daß sie für das jeweils andere Gebiet bedeutungslos sind? Nur wenn diese Frage zu bejahen wäre, könnte der Ansicht Cramers60 beigetreten werden, wonach die straf- und beamtenrechtlichen Genehmigungsvorschriften ohne gegenseitige Beeinflussung nebeneinander stehen. Es ist möglich, daß die Antwort auf diese Frage für § 331 Abs. 3 StGB und § 70 BBG verschieden ausfallt. Daher sollen in den folgenden Abschnitten beide Vorschriften getrennt untersucht werden.

a) § 331 Abs. 3 StGB als bloßer »rö/unrechtsausschließungsgrund? Die Reichweite strafrechtlicher "Erlaubnissätze" kann in dieser Arbeit nicht umfassend behandelt werden. Zum Meinungsstand sei nur darauf hingewiesen, daß die überwiegende Ansicht aus dem Grundsatz von der Einheit der Rechtswidrigkeitsfeststellung deduziert, die Geltung müsse die gesamte Rechtsordnung umfassen,61 während die Mindermeinung gerade bei dieser Fragestellung zu abweichenden Ergebnissen gelangt, indem sie - nach Günthers Terminologie - "echte Strafunrechtsausschließungsgründe" anerkennt.62 Nach dem bisher Gesagten ist diese Möglichkeit zumindest nicht auszuschließen, so auch nicht für § 331 Abs. 3 StGB. Für diesen wie für jeden anderen Rechtfertigungsgrund bedarf es grundsätzlich der Untersuchung, ob seine Rechtsfolge dem Täter auch außerstrafrechtlich, hier also disziplinarrechtlich hilft. Die beamten- und strafrechtliche Literatur schweigt dazu, und das zu Recht, denn ein näherer Blick in die Tatbestände der zu vergleichenden Normen 57

Jakobs, Rnll/6a. Das zeigt anschaulich die Diskussion zum polizeilichen Schußwaffengebrauch, oben bei Fn 47 f. 59 Zu § 10 BAT unter 3. 60 Oben 3. Teil pr. bei Fn 3. 61 Baumann/Weber, S. 262; Bockelmann/Volk, S. 87; Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 10; Jescheck, AT, S. 293; Spendel, in: LK, § 32 Rn 263-280, v.a. 275. 62 Günther, oben II bei Fn 44; weiterhin die in Fn 51 Genannten. 58

I. Verträglichkeit der Rechtsfolgen

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zeigt, daß diese Fragestellung rein theoretisch ist. Praktische Bedeutung könnte sie nur dann erlangen, wenn ein Fall denkbar wäre, in dem zwar die beamten- und strafrechtlichen Verbotsnormen und darüber hinaus der Tatbestand des § 331 Abs. 3 StGB erfüllt sind, nicht aber der des in § 70 BBG enthaltenen "Erlaubnissatzes". Denn nur dann wäre die Disziplinarrechtfertigung auf die rechtsgebietsüberschreitende Wirkung des strafrechtlichen Genehmigungsvorbehaltes angewiesen. Ein Vergleich beider Normen zeigt, daß dieser Fall nicht eintreten kann. § 70 BBG verlangt, soweit er den "Erlaubnissatz" formuliert, lediglich die "Zustimmung der obersten oder letzten obersten Dienstbehörde". Ohne auf diese Voraussetzungen näher einzugehen,63 genügt hier der Verweis auf den Wortlaut des § 331 Abs. 3 StGB. Diese Norm enthält mehrere Tatbestandsmerkmale; eines davon verlangt, daß "die zuständige Behörde die Annahme (des Vorteils) vorher genehmigt hat oder ... (nachträglich) genehmigt." Das entspricht inhaltlich dem § 70 BBG. Der strafrechtliche "Erlaubnissatz" ist aufgrund der übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen lex specialis - freilich nicht mit der Konsequenz, die dieser Begriff in der strafrechtlichen Konkurrenzlehre hat64 (denn ist § 331 Abs. 3 StGB tatbestandlich erfüllt, so scheidet eine Anwendung des § 70 BBG nicht aus), sondern im rechtstheoretischen, bloß beschreibenden Wortverständnis 65, das die hier allein wichtige Folgerung enthält: § 331 Abs. 3 StGB kann niemals erfüllt sein, ohne daß zugleich auch § 70 BBG eingriffe. Darin liegt freilich insofern keine "echte" Spezialität, als diese Feststellung auf der Prämisse beruht, daß beide, straf- und beamtenrechtliche Verbotstatbestände erfüllt sind. Ist der Täter aber nicht Beamter, sondern etwa Angestellter des öffentlichen Dienstes, so greift § 70 BBG schon als Verbotsnorm nicht ein. Hier kann natürlich § 331 Abs. 3 StGB dennoch erfüllt sein. Aber dann wäre die Ausgangsfrage sinnlos; denn warum sollte § 331 Abs. 3 StGB disziplinarrechtlich wichtig sein, wenn der Täter als Angestellter dem Disziplinarrecht ohnehin nicht unterfallt? Die gefundene Feststellung bleibt somit wichtig und richtig: § 331 Abs. 3 StGB kann für die in Rede stehenden Fälle niemals über § 70 BBG hinausgehen. Ein Bedenken könnte allerdings darin zu finden sein, daß § 331 Abs. 3 StGB ausdrücklich auch die nachträgliche Genehmigung erwähnt, von der die beamtenrechtlichen Normen schweigen. Mit dieser Bemerkung ginge § 331 Abs. 3 StGB jedoch nur über die Beamtengesetze hinaus, wenn er die zuständige Behörde zu einer Genehmigung ermächtigte, die nach den Beamtengesetzen nicht erteilt werden dürfte. Eine solche Wirkung ist der Vorschrift von

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Das soll erst im 4. Teil geschehen. Siehe z.B. Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, Rn 55/19: "Verdrängung" der allgemeineren Norm. 65 Dazu Larenz, Methodenlehre, S. 267 f. 64

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3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

Rudolphi66 beigelegt worden. Daß § 331 Abs. 3 StGB im Gegensatz zu den Beamtengesetzen eine nachträgliche Genehmigung zulasse, stelle einen Wertungswiderspruch dar, der aber aufgelöst werden könne, indem bei nachträglicher Genehmigung zwar nicht die Disziplinarwidrigkeit, wohl aber die Strafbarkeit des Amtsträgers entfalle. Das solle freilich nur dann gelten, wenn die Genehmigung "entsprechend den für die Erteilung der Zustimmung geltenden beamtenrechtlichen Grundsätzen erteilt" wird. Diese Einschränkung kann nur auf dem Genehmigungstatbestandsmerkmal "im Rahmen ihrer Befügnisse" fußen. Wenn aber die Behörde mit einer nachträglichen Genehmigung den Rahmen ihrer Befügnisse gerade überschreitet, wie Rudolphi es voraussetzt, so bleibt unerfindlich, wie diese Genehmigung dann strafbefreiende Wirkung soll haben können. Rudolphi formuliert allerdings, die Genehmigung müsse "entsprechend" (nicht: "gemäß") dem Beamtenrecht erteilt werden. Er mag damit andeuten, daß alle beamtenrechtlichen Voraussetzungen bestehen bleiben sollen - bis auf das Verbot nachträglicher Genehmigung. Aber auch dann wäre kaum zu erklären, warum der Dienstvorgesetzte eine beamtenrechtswidrige, weil nachträgliche Zustimmung erteilen sollte. Vor allem aber fehlte jede inhaltliche Begründung für diese Neuinterpretation des § 331 Abs. 3 StGB. Nein, es hilft alles nichts: Wenn das Beamtenrecht keine nachträgliche Genehmigung zuläßt, so handelt die Behörde auch nicht "im Rahmen ihrer Befügnisse", wenn sie der Vorteilsannahme erst nach der Tat zustimmt. Darauf weist auch Cramer 67 hin, der darin allerdings ebenfalls einen Wertungswiderspruch sieht. Aber dazu besteht kein Anlaß. Wenn der Wortlaut des §331 Abs. 3 StGB die rechtfertigende Wirkung einer nachträglichen Genehmigung daran bindet, daß die Behörde im Rahmen ihrer Befügnisse gehandelt haben muß, dann verweist er auf das Beamtenrecht. Dort ist über die Rechtmäßigkeit einer nachträglichen Genehmigung zu befinden. Nur für eine positive Antwort bringt § 331 Abs. 3 StGB zum Ausdruck, daß dies als Strafunrechtsausschließungsgrund beachtlich ist. Darin liegt kein Wertungswiderspruch, sondern eine schlichte Akzessorietät des Strafrechts zu den Beamtengesetzen. - Eine kompetenzbegründende Wirkung des § 331 Abs. 3 StGB, wie Rudolphi sie annimmt, hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt,68 und es besteht auch kein Grund, sie anzunehmen.69 Soweit also §331 Abs. 3 StGB von der nachträglichen Genehmigung spricht, kann dieser Satzteil immer nur in dem Umfang zur Anwendung ge66 In: SK, § 331 Rn 36, 50. So muß auch die These Hafts, S. 288, gedeutet werden, § 331 Abs. 3 StGB sei "unabhängig von den beamtenrechtlichen Regelungen." 67 In: Schönke/Schröder, § 331 Rn 45. 68 Amtl. Begr. (BT-Drs. 7/550), S. 272: "'offene' Regelung, die durch das Recht des öffentlichen Dienstes ausgefüllt wird." Ebenso Jescheck, in: LK, § 331 Rn 18; Lackner, § 331 Rn 17. 69 Dagegen auch eindeutig Blei, JA 1974, 377 (379); Dreher/Tröndle, § 331 Rn 19.

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langen, in dem schon nach Beamtenrecht eine nachträgliche Genehmigung zulässig ist. So fruchtbar auch die Frage nach echten Strafunrechtsausschließungsgründen sein mag - für unser Thema stellt sie sich nicht. b) § 70 BBG als bloßer D/sz//?//>7tfrunrechtsausschließungsgrund? Der Genehmigungsvorbehalt in § 70 BBG ist allgemeiner gehalten als § 331 Abs. 3 StGB und umfaßt daher mehr Fälle als dieser. Hat er im Strafrecht Bedeutung, so geht seine Wirkung dort über die des § 331 Abs. 3 StGB hinaus. Es ist aber auch eine andere Rechtsfolge vorstellbar: Wenn das Strafrecht als ultima ratio nur besonderes rechtswidriges Verhalten erfaßt, dann ist nicht ohne weiteres einzusehen, warum andere Rechtsgebiete aufgrund ihrer besonderen Regelungsbereiche und -ziele nicht ebenfalls nur einen Ausschnitt aller "allgemein" rechtswidrigen Handlungen erfassen sollten. Und folglich: Wenn es im Strafrecht bloße ^ra/ünrechtsausschließungsgründe gibt - warum dann nicht im Beamtenrecht auch bloße D/ra>//>7arunrechtsausschließungsgründe, die im Strafrecht keine rechtfertigende Wirkung hätten? Ein Normwiderspruch bestünde in diesem Falle nicht. Gegen eine derartige Beschränkung der von § 70 BBG angeordneten Rechtsfolge lassen sich allerdings zwei Argumente anführen. Das erste, eher abstrakte (aa) hat dabei letztlich keinen Bestand, wohl aber das zweite (bb). aa) Strafunrecht als Steigerung außerstrafrechtlichen Unrechts? Für die herrschende Ansicht folgt schon aus der Einheit der Rechtswidrigkeitsfeststellung begrifflich, daß ein außerstrafrechtlicher Rechtfertigungsgrund ein echter Erlaubnissatz ist und demnach auch für das Strafrecht Bedeutung hat.70 Die StGB-Entwürfe der 30er Jahre sahen eine Norm dieses Inhaltes vor, die lediglich Klarstellung des allgemein Anerkannten sein sollte.71 Aber 70 RGSt 47, 270 (276); 59, 404 (406); 61, 242 (247); 63, 215 (218); BGHSt, 11, 241 (244); Baumann/Weber, S. 261; Bockelmann/Volk, S. 87; Breuer, DÖV 1987, 169 (177); Dreher/Tröndle, Vor § 32 Rn2; Engisch, Einheit, S. 58; Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 10, 34; Jescheck, AT, S. 293; Kern, ZStW 64 (1952), 255 (262); Krey, Studien, S. 235; Lange, in: Festschr. f. von Weber, S. 166; Lenckner, in: Schönke-Schröder, Vor § 32 Rn 27; Ostendorf, JZ 1981, 165 (166); Samson, in: SK, Vor § 32 Rn 19; Stratenwerth, Rn 187; Wessels, AT, § 8 I 1 (S. 82); implizit auch Warda, in: Festschr. f. Maurach, S. 158. - Speziell zu § 331 StGB: BGH, NJW 1960, 830 (831); JR 1961, 507. 71 § 20 E 1925: "Eine strafbare Handlung liegt nicht vor, wenn die Rechtswidrigkeit der Tat durch das öffentliche oder bürgerliche Recht ausgeschlossen ist." Fast wortgleich § 23 E 1927, § 23 E 1930. Zum Regelungszweck vgl. Begr. zu E 1925, S. 20, und Begr. zu E 1927, S. 21 (alle drei Entwürfe abgedr. in: Materialien, Bde. 3-5).

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auch diejenigen Autoren, die einen rechtsgebietsspezifischen Begriff der Rechtswidrigkeit favorisieren, stimmen in diesem Punkt mit der herrschenden Ansicht überein.72 Der zivil- oder öffentlich-rechtliche Begriff der Rechtswidrigkeit weise zwar spezifische Besonderheiten auf und sei daher enger als der "allgemeine" Rechtswidrigkeitsbegriff. Aber die besondere Strafrechtswidrigkeit stelle von diesem schon eingeengten Begriff wiederum eine Teilmenge dar. So stünde die Zivilrechtswidrigkeit als Unterbegriff der allgemeinen Rechtswidrigkeit nicht neben der Strafrechtswidrigkeit, sondern in einer Stufenordnung über dieser.73 Wenn also ein außerstrafrechtlicher Rechtfertigungsgrund bereits die "weitere" Rechtswidrigkeit beseitige, so entfalle erst recht die "engere" Strafrechtswidrigkeit. 74 Für das Verhältnis des Strafrechts zum Zivilrecht ist die Gegenthese etwa von Lobe und Hans-Jürgen Bruns vertreten worden.75 Bruns argumentiert im Ansatz begrifflich, wie wir es bei Günther kennengelernt haben. Das Strafrecht habe eine andere Aufgabe als das Zivilrecht, deshalb könnten dessen Begriffe nicht unbesehen in das Strafrecht übernommen werden.76 Die Einheit der Rechtsordnung sei nicht in der Einheitlichkeit der Rechtsbegriffe, sondern auf höherer Ebene zu suchen.77 Diese "höhere Ebene" macht Bruns jedoch nicht deutlich. Das fuhrt dazu, daß er, nachdem er den zivilrechtlichen Begriff der Rechtswidrigkeit im Strafrecht für unmaßgeblich erklärt hat,78 damit zugleich auch eine inhaltliche Abweichung der zivil- von den strafrechtlichen Verhaltensanweisungen befürwortet. Zur Begründung verweist er auf den "besonderen Sinn und Zweck eines Rechtsgebiets",79 ohne ihn aber genauer zu fassen. Weiterhin nennt er die in den 20er Jahren geplante strafrechtliche Neuregelung von Notwehr und Notstand, deren Tatbestandsentwürfe von den §§ 227, 228, 904 BGB abwichen.80 Aber damit ist das Problem gerade erst beschrieben, nicht schon gelöst. In unserer heutigen Rechtsordnung besteht ja

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Günther, S. 362 f., 394 f. (Nr. 6, 12); Hallwaß, S. 98 f.; Seebode, in: Festschr. f. Klug, S. 373. Inhaltlich gehört auch Maurach/Zipf, AT 1, Rn 25/12, 29/15, trotz terminologischer Bindung an die h.M. (Rn 25/13) hierhin. 73 Günther, S. 159, 177 f., 247. Anschaulich auch zu Dohna, VerwArch 30 (1925), 233 (240 f.). 74 Günther, S. 362. Er führt als Beispiel das Züchtigungsrecht von Lehrer und Eltern an (S. 176 f.). 75 Ähnlich Bettermann, NJW 1957, 986 f.: Ein und dasselbe Verhalten könne privatrechtlich erlaubt und öffentlich-rechtlich verboten sein und umgekehrt; siehe auch Schubert, S. 19 f., 24,29. 76 Deutlich in Bruns' Zusammenfassung, S. 296-313, z.B. 303 und pass. 77 S. 297. 78 S. 259 f. 79 S. 261. 80 Ebd.

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eine solche Divergenz. Unter der Bezeichnung "Notstand" finden sich mit §§34 StGB, 228, 904 BGB drei Vorschriften, die den Handelnden unter jeweils verschiedenen Voraussetzungen rechtfertigen. Aber aus ihrer Existenz folgt nicht, daß auch jede dieser Normen nur in "ihrem" Rechtsgebiet Anwendung fände. 81 Und daß alle Vorschriften unter dem Titel "Notstand" firmieren 82, zeigt gerade im Sinne des Brunsschen Ansatzes nur, daß die RechtsÄegriffe nicht einheitlich sind und auch nicht zu sein brauchen. Lobe setzt eine Selbständigkeit der Rechtsgebiete eher voraus, als daß er sie begründet.83 Menschliche Gesellschaft bedürfe der Ordnung. Da die Menschen in verschiedenen Beziehungen zueinander lebten, müßten auch die Ordnungen dieser einzelnen Beziehungen jeweils voneinander abweichen. Die nötige Ordnung werde durch das Recht geschaffen, in dem die verschiedenen Lebensverhältnisse sich als einzelne Rechtsgebiete (Straf-, Zivil- und Öffentliches Recht) wiederfänden. Jedes dieser Rechtsgebiete entscheide für sich über die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens, habe eigene Gebote und Verbote, die von denen der anderen Rechtsgebiete abweichen könnten. Diese Selbständigkeit und Unabhängigkeit gelte folglich auch für den Ausschluß der Rechtswidrigkeit.84 Die bürgerlich-rechtlichen "Erlaubnissätze" hätten daher keine unmittelbare Bedeutung für das Strafrecht. Allerdings stehe es dem Strafrecht sehr wohl frei, die zivilrechtlichen Vorschriften zu übernehmen; das habe etwa § 23 E 1927 vorgesehen. - Diese Vorschrift stützt Lobes Argumentation jedoch nicht. Aus ihrer amtlichen Begründung erhellt, daß der Gesetzgeber nichts Neues schaffen, sondern lediglich allgemein Anerkanntes bekräftigen wollte.85 Gegen die These von Bruns und Lobe86 spricht zum Teil das Gebot der Widerspruchsfreiheit, in dem Bereich nämlich, wo dasselbe Verhalten zugleich geboten und verboten wird: Jede Mißachtung des Gebotes ist zumindest "allgemein" rechtswidrig, einerlei welchem Rechtsgebiet das Gebot angehört. Um allgemein rechtmäßig zu handeln, müßte man das Gebot befolgen und hätte damit wiederum allgemein rechtswidrig, weil verbotswidrig gehandelt. Für das Verhältnis von Verbot und "Erlaubnis" aber trifft dieser Einwand nicht zu. Hier besteht durchaus die Möglichkeit, die "Erlaubnis" des einen Rechtsgebietes lediglich als Rechtsfolgenverzicht, nicht dagegen als echte Ge81

Die entgegengesetzte Ansicht, daß §§ 228, 904 BGB einschrätihmgslos im Strafrecht gelten, ist damit allerdings ebensowenig dargetan; Nachw. zum Meinungsstreit oben bei Fn 49 f. 82 Für die §§ 228, 904 BGB ist dies nicht einmal eine amtliche Überschrift. 83 In: Festschr. f. von Frank, S. 33 f. 84 AaO, S. 56 f. 85 Siehe oben bei Fn 71. 86 Eine sehr ausführliche und detaillierte Kritik an Lobe findet sich bei Seib, S. 101111.

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Währung anzusehen.87 Eine solche Konzeption ist zum Beispiel für das Verhältnis zwischen Öffentlichem und Privatrecht vertreten worden.88 Sie ist aber auch denkbar, soweit sie das Verhältnis des Strafrechts zu anderen Rechtsgebieten betrifft. Die besondere Funktion des Strafrechts spricht nicht dagegen. Es dient zwar als ultima ratio dem Schutz vor besonders gravierenden Störungen89. Erreicht eine Tat schon nicht die Rechtswidrigkeit des Zivil- oder Öffentlichen Rechts, so fehlt jede Berechtigung, sie als strafrechtswidrig auszuweisen.90 Aber das alles besagt nichts für die Konstellation, daß etwa das Beamtenrecht mit dem Etikett "Rechtmäßigkeit" lediglich einen Sanktionsverzicht meint; denn dann ist die Tat ja "allgemein" rechtswidrig, im Beamtenwie im Strafrecht. Zwar findet sich gelegentlich der Satz, die Strafrechtswidrigkeit habe die schärfsten Konsequenzen der gesamten Rechtsordnung und könne deshalb auch am ehesten nicht mehr aufrechterhalten werden.91 Aber erstens ist schon fraglich, ob das Strafrecht wirklich schlimmere Sanktionen als die in § 5 Bundesdisziplinarordnung genannten hat. Freiheitsentzug ist allerdings ein großes Übel; Geldstrafe und Bewährungsstrafe sind es nicht unbedingt, immerhin kommt aber noch der Makel hinzu, vorbestraft zu sein, mit all seinen sozialen und oft auch wirtschaftlichen Nachteilen. Im Vergleich dazu sind Verweis und bloße Geldbuße als Disziplinarmaßnahmen leichter hinzunehmen. Bei Gehaltskürzung, Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt oder Kürzung des Ruhegehaltes fällt die Entscheidung nicht mehr so eindeutig aus. Entfernung aus dem Dienst und wohl auch Aberkennung des Ruhegehaltes bedeuten für den Beamten einen äußerst gewichtigen materiellen Nachteil, der zudem noch zeitlich andauert; das trifft den Beamten härter als eine Geldstrafe und vielleicht sogar als eine kurzfristige Freiheitsstrafe. Was aber wichtiger ist als die Schwere der möglichen Sanktionen, die ja doch jeder individuell bewertet: Strafrecht und Disziplinarrecht knüpfen zwar beide an einen Pflichtenverstoß des Beamten an. Aber sie setzen ihre Sanktionen zu verschiedenen Zwecken ein. Kriminalstrafe dient in erster Linie der Sühne der Schuld (§ 46 Abs. 1 S. 1 StGB), darüber hinaus hat sie zum 87

Oben unter DI. am Anfang. - Weitere Möglichkeit: Die Erlaubnis des einen Rechtsgebietes ergeht unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als das Verbot des anderen Rechtsgebietes (oben II nach Fn 51). 88 Z.B. Bettermann, NJW 1957, 986 f.; Jarass, VVdStRL 1991,238 (261, Fn 134). 89 BVerfGE 39, 1 (45-47); Baumann/Weber, S. 10; Breuer, DÖV 1987, 169 (177); zu Dohna, VerwArch 30 (1925), 233 (240 f., 242); Günther, S. 363; Maurach/Zipf, A T I , Rn2/13; Rudolphi, in: SK, Vor §1 Rn 14; Samson, JZ 1988, 800 (802); Schmidhäuser, AT, Rn 1/17; M. Schröder, WdStRL 1991,196 (208). - Siehe auch unter IV bei Fn 151-155. 90 Günther, ebd.; Roxin, AT, Rn 14/31, 18/9; ähnlich Schünemann, wistra 1986, 235 (238). 91 Jakobs1, Rn 11/6.

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Ziel, den Verurteilten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten (§§ 46 Abs. 1 S. 2, 56 Abs. 1 StGB) und die Rechtsordnung zu verteidigen (§§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 3, 59 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Disziplinarstrafe dagegen wird verhängt, läßt es sich § 14 BDO entnehmen, "um den Beamten ... zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und das Ansehen des Beamtentums zu wahren". Allein die Spezialprävention ist also gemeinsames Ziel von Kriminal- und Disziplinarstrafe; ihre sonstigen Zwecke aber differieren. 92 Wenn das aber so ist, liegt es auf der Hand, daß neben eine verhängte Kriminalstrafe nicht immer eine Disziplinarstrafe treten muß. Das ergibt sich auch aus § 14 BDO, wo besonders geregelt ist, daß eine Disziplinarstrafe nur unter besonderen Voraussetzungen neben einer verhängten Kriminalstrafe ausgesprochen werden darf. Der Gesetzgeber selbst war also für eine große Anzahl von Fällen der Meinung, daß hier den Beamten nur Kriminalstrafe und - trotz Dienstvergehens - keine Disziplinarmaßnahme treffen soll. Fazit: Strafunrecht ist zwar eine Steigerung außerstrafrechtlichen Unrechts. Wenn aber § 70 BBG allein die "Beamtenrechtswidrigkeit" (verstanden als Sanktionsverzicht) beseitigte, so entfiele damit nicht zugleich die Strafrechtswidrigkeit. Denn wenn aus disziplinarrechtsspezifischen Gründen keine Maßnahmen erforderlich sind, so kann dennoch aus strafrechtsspezifischen Gründen die Verhängung einer Kriminalstrafe geboten sein.

bb) § 70 BBG als echter Erlaubnissatz Die strafrechtliche Bedeutung des § 70 BBG ist aber dennoch zu bejahen. Denn diese Norm spricht nicht nur einen Disziplinarrechtsfolgenausschluß aus, sondern sie stellt darüber hinaus eine echte Erlaubnis dar und weist die genehmigte Vorteilsannahme als allgemein, also rechtsgebietsüberschreitend rechtmäßig aus. Bereits der Wortlaut spricht dafür. Hat der Beamte die erforderliche Zustimmung, so "darf" er ein Geschenk annehmen. Mit dieser Fassung ist die Annahme kaum vereinbar, der Beamte dürfe noch immer nicht, sondern habe lediglich keine Sanktion zu befürchten. Systematische Erwägungen stützen die Sicht, daß § 70 BBG eine echte Erlaubnis schafft. Die Norm steht im Abschnitt "Rechtliche Stellung des Beamten" und dort im Unterabschnitt "Pflichten". § 70 BBG enthält in erster Linie das Verbot der Geschenkannahme; die behördliche Zustimmung soll diese rechtliche Anordnung ungültig machen. Dann hat der Beamte folglich nicht mehr die Pflicht, keine Geschenke anzunehmen. Das aber bedeutet eine echte 92 Siehe dazu auch BVerfGE 21, 391 (401-407); Dürig, in: Maunz u. a., Art. 103 Rn 128; Schütz, DiszR, B D Rn 10-13; Tröndle, in: LK, Vor § 38 Rn 65.

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Erlaubnis. Von beamtenrechtlichen Sanktionen wird in diesem Zusammenhang nicht gehandelt. Erst § 77 BBG spricht unter der Überschrift "Folgen der Nichterfüllung von Pflichten" von den Rechtsfolgen eines Dienstvergehens und verweist auf die Bundesdisziplinarordnung. Sollte die Genehmigung wirklich nur die Beamtenrechtswidrigkeit und damit Disziplinarmaßnahmen entfallen lassen, so hätte die Regelung in diesen Zusammenhang gehört. Schließlich zeigt ein Blick in die Geschichte, daß es eine Zeit gab, in der nur das Beamtenrecht eine Genehmigungsklausel enthielt, nicht aber das Strafrecht. Und doch war anerkannt, daß eine Genehmigung den Vorteilsnehmer rechtfertigte. 93 Hier hatte also die beamtenrechtliche Norm eine strafrechtliche Wirkung. Weshalb sich das geändert haben sollte, bloß weil §331 Abs. 3 StGB geschaffen wurde, ist nicht einzusehen. cc) Rechtswidrige Genehmigungen Das Gesagte gilt für die strafrechtliche Bedeutung rechtmäßiger behördlicher Erlaubnisse. Es ist möglich, daß für rechtswidrige Genehmigungen etwas anderes gilt. In der Tat wird die Ansicht vertreten, das Strafrecht müsse jede behördliche Genehmigung in einem "materiellen Durchgriff' daraufhin überprüfen, ob sie mit den inhaltlichen Vorgaben des besonderen Verwaltungsrechts übereinstimme. Nur in diesem Fall soll die Genehmigung eine Straftat rechtfertigen können.94 Eine der ausführlichsten Begründungen stammt von Hübenett. Danach bewirken rechtswidrige Genehmigungen95 schon verwaltungsrechtlich keine echte Erlaubnis, sondern bloß einen "Verwaltungsunrechtsausschluß". Hübenett verweist darauf, daß sich im Strafgesetz eine Stütze für ihre allgemeine These finde, nämlich in §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB. Diese Vorschriften, so Hübenett, zeigten gerade, daß das Strafrecht einer im öffentlichen Recht wirksamen Genehmigung für sich die Wirkung abspreche.96 Damit 93

Vgl. 1. Teil IV 1 ab Fn 91 und 2 ab Fn 111. So z.B. Goldmann, S. 153, 246 f.; Horn, in: SK, Vor § 324 Rn 18; Ostendorf, JZ 1981, 165 (174); Otto, Jura 1991, 308 (312 f.); Schünemann, wistra 1986, 235 (240); Winkelbauer, UmweltstrafR, S. 66-73, und NStZ 1988, 201 (205); tendenziell auch Bloy, ZStW 100 (1988), 485 (504); ähnlich die Anhänger der "Rechtsmißbrauchslösung", dazu Nachweise unten im 4. Teil I 4 in Fn 99. - Dagegen etwa Breuer, NJW 1988, 2072 (2080); Dölling, JZ, 1985, 461 (469); Heine/Meinberg, in: 57. DJT, S. D48 f.; Holthausen, NStZ 1988, 256 (261); Immel, S. 130-137; Ossenbühl, in: 57. DJT, S. L 43,45 f.; Rudolphi, NStZ 1984,193 (197). 95 Nur solche, die zur Zeit der Straftat aufgehoben werden müssen; Hübenett, S. 96101, 152. Weitergehend Schünemann, ebd.: solche, die ex tunc zurückgenommen werden können. 96 S. 21-23, 80. 94

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kehrt sie freilich die gebotene Argumentationsrichtung um. Der Grundsatz von der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung hat, wie wir gesehen haben, Verfassungsrang. Folglich kann die These, dieser Grundsatz müsse nicht zwingend eingehalten werden, nicht durch einen Verweis auf eine einfachgesetzliche Vorschrift begründet werden.97 Im Gegenteil: Ist auch hier die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu verwirklichen, so muß das übliche Normverständnis im Strafrecht oder im Verwaltungsrecht korrigiert werden. Hübenett bietet aber auch einen inhaltlichen Begründungsgang. Sie setzt bei den Ausführungen von Günther und Jakobs98 an und rügt deren Ansicht, jeder außerstrafrechtliche Erlaubnissatz müsse zur Strafrechtfertigung führen. Mit dieser Begrenzung seien sie auf halbem Wege stehengeblieben. Der "entscheidende Fehlschluß" liege in der Annahme, eine verwaltungsrechtliche Erlaubnis besage stets, daß sich der "Schutz des Rechtsgutes erübrige"; denn nur auf dieser falschen Prämisse stellte die Strafrechtswidrigkeit einen Wertungswiderspruch zur Verwaltungsrechtmäßigkeit dar.99 Womöglich nehme aber die rechtswidrige Genehmigung dem Rechtsgut nicht seine allgemeine Schutzwürdigkeit und führe deshalb nicht zu einer echten Erlaubnis, sondern nur zu einem bloßen Rechtsfolgenverzicht. 100 Diese Vermutung findet Hübenett in folgendem bestätigt: Die Wirksamkeit eines fehlerhaften begünstigenden Verwaltungsaktes beruht vor allem darauf, daß der Adressat und Dritte in ihrem Vertrauen auf den Bestand der Erlaubnis geschützt werden sollen.101 Das Verwaltungsrecht - so Hübenett - könne diesem Vertrauensschutz aber nur Rechnung tragen, indem es das rechtswidrig genehmigte Verhalten "als wirksam erlaubt ansieht".102 Im Strafrecht dagegen sei der Vertrauensschutz "keine Frage der objektiven Größe Rechtswidrigkeit, sondern des Vorsatzes, der Fahrlässigkeit103 oder ... der Schuld."104 Demnach dürfe eine fehlerhafte Genehmigung

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Noch dazu spricht Hübenett von einem bloßen "Wertungs"-Widerspruch. Der wäre in der Tat nur scheinbar, wenn gute Gründe für eine Ungleichbehandlung sprächen; s.o. I a.E. Hier aber handelt es sich um einen Norm Widerspruch. 98 Siehe oben aa bei Fn 72, 89-91. 99 S. 80. 100 S. 81. 101 S. 86 f. mit zahlr. Nachw. aus dem Verwaltungsrecht. 102 S. 98. Schon die Formulierung ist verdächtig. Sie schildert als bloße Fiktion, was § 43 VwVfG tatsächlich anordnet und auch leistet: Wirksamkeit der Erlaubnis. Dazu unten bei Fn 120 f. - Ähnlich frei geht Schünemann mit dem Gesetz um, wenn er die §§43 ff. VwVfG kurzerhand zu "vereinfachenden Gesamtregelungen" erklärt; wistra 1986, 235 (239). 103 Diese Reihung macht deutlich, daß Hübenett hier nur den Verstoß gegen subjektive Sorgfaltspflichten meint. 104 S. 88, 97, 98; ebenso Horn, NJW 1981,1 (2).

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das jeweilige Verhalten "an sich nicht rechtfertigen. Bei berechtigtem Vertrauen auf die Erlaubnis der Handlung wären vielmehr die Fahrlässigkeit oder die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums zu verneinen."105 - Damit hat Hübenett die "Beweislast" umgekehrt: Die Einheitlichkeit der Rechtsordnung gebietet nicht mehr, die rechtswidrige Genehmigung grundsätzlich als Strafunrechtsausschließungsgrund anzusehen; vielmehr gebieten nun die allgemeinen Regeln der Strafrechtsdogmatik, dies grundsätzlich nicht mehr zu tun. Nur ausnahmsweise könne dies zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen notwendig sein.106 Nicht die genaue Bestimmung der Ausnahmen soll uns hier weiter interessieren, sondern Hübenetts Grundsatz: Das Verwaltungsrecht knüpft danach an rechtswidrige Genehmigungen einen Verwaltungsunrechtsausschließungsgrund, um das Vertrauen des Bürgers zu schützen; dieses Vertrauen berücksichtigt das Strafrecht erst im subjektiven Unrechtstatbestand oder gar erst bei der Schuld. An dieser These verwundert zunächst das eine: Deijenige Adressat, dem eine fehlerhafte, aber eben doch wirksame Genehmigung erteilt worden ist, wird, wenn er die erlaubte Betätigung vornimmt, dies im richtigen und deshalb auch "berechtigten Vertrauen auf die Erlaubnis der Handlung" tun. Dann aber, so sagt es Hübenett selber, befindet er sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum, denn wie sollte er wohl einsehen können, Unrecht zu tun, hat ihm doch gerade eben eine staatliche Behörde wirksam bescheinigt, Recht zu tun! Das aber hat zur Folge, daß auch dieser Täter straflos ausgeht. Hübenett hätte damit denselben Sachgedanken ("wirksame behördliche Genehmigung") lediglich von der Rechtswidrigkeit in die Schuld verlegt. So meint Hübenett es freilich nicht. Sie unterscheidet ja vielmehr ausdrücklich und streng zwischen dem straf- und dem verwaltungsrechtlichen Verbot. Im Rahmen des § 17 StGB will sie nur danach fragen, ob der Irrtum über das Strafunrecht für den Täter vermeidbar war. Aber damit wiederum macht sie den Unterschied zwischen Verbots- und Strafbarkeitsirrtum zunichte: Von der "Einsicht, strafbares Unrecht zu tun", spricht § 17 StGB deutlich nicht. - Entweder also ist Hübenetts Ansatz uneffektiv, oder aber er ist mit § 17 StGB unvereinbar. Ein zweiter Kritikpunkt betrifft nicht erst die Folgen, sondern setzt grundsätzlicher an und wiegt daher um so schwerer: Der strafrechtliche Vertrauensgrundsatz besagt, daß objektiv sorgfaltsgemäß handelt, wer mangels konkreter Zweifelsgründe darauf vertraut, daß andere Verkehrsteilnehmer sich korrekt verhalten. Das ist völlig anerkannt107 und zeigt, daß Hübenetts "allgemeine 105

S. 88. Ähnlich Otto, Jura 1991, 308 (312 f.). S. 88 f. 107 BGHSt 7, 118 (GS); 9, 92 (93 f.); 14, 97 (99), 201 (211); Böhmer, JR 1967, 291; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 15 Rn 149 ff.; Krümpelmann, in: Festschr. f. Bockelmann, S. 443 ff.; Samson, in: SK, Anh. zu § 16 Rn 21; Schroeder, in: LK, § 16 Rn 168176. 106

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Regeln der Strafrechtsdogmatik" dem Vertrauen des Täters durchaus die Macht geben, das objektive Unrecht auszuschließen. Die Suche nach den Gründen offenbart zugleich den Fehler in Hübenetts Argumentation. In diesen Fällen ist das objektive Unrecht nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Autofahrer vertraute, sondern weil er vertrauen durfte. 108 Natürlich hat sein Unfall einen Erfolgsunwert geschaffen; aber da jeder andere in seiner Situation ebenso vertraut und gehandelt hätte, kann die Rechtsordnung sein Vertrauen nicht mißbilligen - das von ihm gesetzte Risiko war erlaubt, seiner Tat fehlte der HandlungsurwçTt. 109 Daß es allein auf das Vertrauendürfen und letztlich gar nicht auf das wirkliche Vertrauen ankommt, zeigt das Korrektiv des Rechtswidrigkeitszusammenhangs: Dem hellseherischen Täter, der die Gefahr trotz fehlender Indizien erahnt und von ihr überzeugt ist, kann, wenn er dennoch handelt, der herbeigeführte Erfolg nicht zugerechnet werden, weil jeder Sorgfaltige auf die Ungefahrlichkeit des Tuns vertraut und deshalb ebenfalls gehandelt hätte.110 Das hätte Hübenett stutzig machen können. Denn sie hat erkannt, daß die Wirksamkeit rechtswidriger Genehmigungen darauf beruht, daß Adressat und Dritte auf die Erlaubnis sollen vertrauen dürfen }u Das wird in der gesetzlichen Vorgabe des § 43 VwVfG sogar noch viel deutlicher als in der nachgesetzlichen Strafrechtsdogmatik zum Vertrauensgrundsatz: Selbst wenn der Adressat die Fehlerhaftigkeit genau kennt und deshalb auf die Rechtmäßigkeit der Genehmigung nicht für einen Augenblick vertraut - selbst dann darf er vertrauen, und § 43 VwVfG läßt auch diesen Verwaltungsakt wirken. 112 Dieses Fehlen des Handlungsunwertes verkennt Hübenett, wenn sie von der "verbleibenden rechtlichen Mißbilligung des genehmigten Verhaltens" spricht 113 und damit stets nur den zweifellos verbleibenden Erfolgsunwert trifft. 114 Ähnlich ungenau argumentiert Winkelbauer: Die bis zu seiner Aufhebung anzuerkennende "Beachtlichkeit" des rechtswidrigen Verwaltungsaktes führe "niemals zur Rechtmäßigkeit des durch ihn geschaffenen Zustandes ..., das 108

RGSt 70, 71 (73); BGHSt 4,182 (187), 188 (191); Schroeder, aaO, Rn 169. Die allg. Bedeutung des Vertrauendürfens spricht Schroeder, aaO (Fn 107), Rn 170 an: Bewußte Fahrlässigkeit bedeutet stets unerlaubtes Vertrauen auf das Ausbleiben des Erfolges. 110 Allg. dazu nur Samson, in: SK, Anh. zu § 16 Rn 25. 111 S. 96, 97. 112 Diese Fallgruppe nimmt Hübenett nicht in den Blick und übersieht daher, daß der verwaltungsrechtliche Sanktionsverzicht einen - auch von ihr für unzulässig gehaltenen (S. 80 f., 88 f.) - Wertungswiderspruch zur von ihr bejahten Strafbarkeit des Täters schafft. Vgl. S. 99, wo es nur deshalb nicht zu einem Widerspruch kommt, weil Hübenett den Täter auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes vertrauen läßt. 113 S. 96, 98. 114 Deutlich S. 98. 109

7 Hardtung

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genehmigte Verhalten und der sich daraus realisierende Erfolg (bleiben) rechtswidrig;" diese "Beachtlichkeit" sei nun in strafrechtlichen Kategorien als Strafausschließungsgrund zu fassen. 115 Winkelbauers Beschreibung der Verwaltungsrechtslage und insbesondere seine Thesen zu Handlungs- und Erfolgsunwert finden jedoch in dem von ihm angeführten Beleg116 keine Stütze. Dort heißt es gerade umgekehrt, der Verwaltungsakt sei wirksam. Die Beseitigung seiner Wirkungen sei zwar geboten, obliege aber z. B. dem belasteten Betroffenen. Verteidige der sich nicht, so seien die Wirkungen des Verwaltungsaktes endgültig und auch nicht mehr rückgängig zu machen. Weshalb Winkelbauer die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes durch dessen "Beachtlichkeit" ersetzt und warum dadurch die vom Verwaltungsakt erlaubte Handlung rechtswidrig bleiben soll, ist unerfindlich. An anderer Stelle sagt der Autor denn auch ganz unkompliziert, der genehmigende Verwaltungsakt folge den "besonderen, in §§43, 44 VwVfG niedergelegten ... Regeln über seine Wirksamkeit

Hübenetts Argumentation wird zusätzlich dadurch behindert, daß sie nicht mit den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechtes argumentiert, sondern allein mit deren Sinn und Zweck.118 Damit geht sie über zu einer Diskussion der Motive und Gründe des Gesetzgebers, ohne hinreichend zu berücksichtigen, wie diese sich im Gesetz niedergeschlagen haben. Nur darauf aber kommt es an: Schafft § 43 VwVfG, der die Wirksamkeit rechtswidriger Genehmigungen anordnet, damit echte Erlaubnisse oder bloße Verwaltungsunrechtsausschließungsgründe? Das hängt zunächst von der Intention des jeweiligen Verwaltungsaktes ab. Es ist ja denkbar, daß schon der rechtmäßige Verwaltungsakt keine echte Erlaubnis schaffen will. § 70 BBG jedoch will es, soweit es das spezielle Vorteilsannahmeunrecht anbelangt.119 In diesen Fällen läßt sich dem Gesetz aber nirgends entnehmen, daß die rechtswidrige Genehmigung andere Wirkungen haben soll als die rechtmäßige. § 43 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG ordnen ohne Differenzierung "Wirksamkeit" an.120 Und wenn eine Erlaubnis wirkt, dann erlaubt sie. Der Mangel einer Unterscheidung ist auch nicht damit zu erklären, daß sie dem Verwaltungsrecht nicht möglich gewesen wäre.121

115

NStZ 1988,201 (205). Wolff/Bachof, VerwR I, § 51IV g (S. 436). 117 NStZ 1988,201 f. (Hervorhebung von mir). 118 S. 83. Ähnlich steht für Winkelbauer "zunächst einmal nichts entgegen", an die Wirksamkeit rechtfertigender Genehmigungen "weitere (rechtsgutsbezogene) Anforderungen zu stellen" (UmweltstrafR, S. 69), wobei er gesetzesfern und ganz mit Blick auf einen "wirksamen" und "effektiven Rechtsgüterschutz" und das "Prinzip materieller Gerechtigkeit" (aaO, S. 69 f.) argumentiert. 119 Oben bb. 120 Nur nichtige Akte sind gemäß Abs. 3 unwirksam. 121 So aber Hübenett; siehe oben bei Fn 102. 116

DI. Verträglichkeit der Rechtsfolgen

99

Warum sollte es nicht einen Absatz 4 des § 43 VwVfG etwa mit dem sinngemäßen Inhalt geben können: "Rechtswidrige Genehmigungen bewirken keine Erlaubnis; gegen das genehmigte Verhalten sind jedoch keine ordnungsrechtlichen Präventions- oder Sanktionsmaßnahmen zulässig."? Der Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1 VwGO zeigt, daß die Differenzierungsmöglichkeiten des Verwaltungsrechts über die Zweiteilung "wirksam/unwirksam" hinausgehen. Angesichts dieser klaren gesetzlichen Vorgaben kann auch ein Gedanke Schünemanns nicht durchdringen, wonach "das Institut der Rücknahme eines fehlerhaften Verwaltungsaktes ex tunc gemäß § 48 VwVfG zeigt, (daß) ... es bei den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht - wie im Strafrecht - um die Formulierung von Verhaltensnormen" gehe.122 Das läßt sich wohl nicht halten. Denn damit wäre zugleich gesagt, daß auch die rechtmäßige Genehmigung keine Verhaltensnorm sei, daß folglich auch sie den Adressaten nicht von dem gesetzlichen Verbot des begehrten Verhaltens befreien könnte. Das aber ist, wie wir gerade gesehen haben, mit den gesetzlichen Vorgaben in §§43 ff. VwVfG nicht mehr zu vereinbaren. Und überhaupt: Warum soll aus der Möglichkeit einer ex-tunc-Rücknahme folgen, daß die fehlerhafte Genehmigung keine Verhaltensnorm darstellen könne? Mit dieser These sagt Schünemann, die rechtswidrige Genehmigung schaffe keine Handlungserlaubnis, sondern sie tue nur so; die wahre Rechtslage offenbare sich erst in der ex-tunc-Rücknahme. Diese Sicht der Dinge aber stellt die Vorgänge, die sich bei "rückwirkenden" Rechtsakten abspielen, geradezu auf den Kopf. 123 Die Handlungsbefugnis, die gemäß §§ 43, 44 VwVfG aus der - wenn auch fehlerhaften - Genehmigung folgt, besteht tatsächlich. Der rückwirkende Aufhebungsakt rührt diese Genehmigungswirkung nicht an, sondern - gerade umgekehrt - er schafft eine bloße Fiktion: Er fingiert zu Lasten des Adressaten, der habe schon damals nicht so handeln dürfen, und kreidet ihm damit die Folgen seines Tuns an. Dies geschieht zu dem Zweck, den Adressaten für den Erfolgsnm/cri seines Tuns einstehen zu lassen.124 Aber damit ist es durchaus vereinbar, daß dem Adressaten seine Tat erlaubt bleibt. Bei seiner freien Entscheidung, ob er die ihm erlaubte Betätigung wahrnehmen soll oder nicht, kann der Adressat berücksichtigen, daß er für daraus resultierende Rechtsgutsbeeinträchtigungen Dritter womöglich wird einzustehen haben. Solche Konstruktionen sind unserer Rechtsordnung nicht fremd. Sie sind uns vor allem von der zivilrechtlichen Gefahrdungshaftung bekannt. Auch hier haftet der Schädiger allein wegen des Erfolgsunwertes und auch ohne Handlungsunwert. Eben so liegt es auch bei der fehlerhaften und deshalb rückwirkend auf122

Wistra 1986, 235 (239). Ausführlich dazu erst unten im 5. Teil EI 2 c, d. 124 Insoweit hat Schünemann also völlig Recht, wenn er betont, den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts gehe es um "Vertrauenstatbestände, Entschädigungsfragen und prozessuale Rechtslagen"; ebd. (Fn 122). 123



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3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

gehobenen Genehmigung. - Und gerade § 48 VwVfG zeigt übrigens in seinen Absätzen 2 bis 4, daß das Verwaltungsrecht bei der ex-tunc-Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte äußerst behutsam vorgeht und diese belastende Rückwirkung nur unter ganz besonderen, strengen Voraussetzungen zuläßt. Dann aber ist es stimmig, das Strafrecht als ultima ratio 125 in diesen Fällen gar nicht zum Zuge kommen zu lassen. Wenn Schünemann dagegen auf die von der Behörde mißachtete materielle Verwaltungsrechtslage zurückgreifen will, so ist das Unheil vorprogrammiert: Entweder nimmt die Behörde den fehlerhaften Verwaltungsakt niemals ex tunc zurück - dann wird der Bruch zwischen der verwaltungsrechtlichen Handlungserlaubnis und dem von Schünemann behaupteten strafrechtlichen Handlungsverbot offenbar. 126 Oder die Behörde nimmt ex tunc zurück. Dann ist die Einheit der Rechtsordnung genauso wie im ersten Fall zerbrochen, nur ist das nicht mehr so offensichtlich. Darüber hinaus aber übernimmt Schünemann in diesen Fällen eine den Täter belastende Rückwirkungsfiktion ins Strafrecht; das aber wird allenthalben unter Hinweis auf Art. 103 Abs. 2 GG zu Recht abgelehnt.127 Nach allem bisher Gesagten bedarf es schließlich keiner gesonderten Begründung mehr, daß auch der folgende Gedanke nicht überzeugen kann. Gelegentlich wird angeregt, den Unterschied zwischen Rechtswidrigkeit der Tat und deren Strafbarkeit fruchtbar zu machen: Die Strafrechtswidrigkeit könne dann an das materielle Besondere Verwaltungsrecht gebunden werden. Die Einheit der Rechtsordnung wäre mithin "schon dann als hinreichend gewahrt angesehen, wenn das formelle Verwaltungsrecht nicht über die Strafrechtswidrigkeit, sondern lediglich über die Strafbarkeit (der strafrechtswidrigen Tat) entscheidet ... Die Beseitigung der fehlerhaften Genehmigung ist also objektive Bedingung für die Strafbarkeit der von Anfang an strafrechtswidrigen Tat." 128 An dieser Konstruktion ist immerhin bemerkenswert, daß sie Bedeutung und Gefährdung der Einheit der Rechtsordnung erkennt. Und doch greift diese Lösung zu kurz. Sie harmonisiert lediglich die Rechtsfolgen. Aber sie sind nur das Sekundäre. Die Einheit der Rechtsordnung gebietet, wie wir gesehen haben, daß schon die Entscheidung, ob ein Verhalten unter ein und demselben Aspekt erlaubt oder verboten ist, einheitlich und widerspruchsfrei gilt. Halten wir fest: § 43 VwVfG hat das Motiv des Gesetzgebers, Vertrauen zu schützen, so umgesetzt, daß auch eine rechtswidrige Genehmigung so wie eine 125

So Schünemann selber, s.o. Fn 90 und dort im Text die weiteren Ausführungen. Dazu Breuer, NJW 1988, 2072 (2076,2078); Rudolphi, NStZ 1984,193 (197). 127 Z.B. Winkelbauer, DÖV 1988, 723 (726). Hierfür gelten dieselben Erwägungen, wie sie sich für die Rückwirkung von Gesetzen im Schrifttum zu §§ 1,2 StGB finden; siehe dazu nur Rudolphi, in: SK, § 1 Rn 7. 128 Horn, in: SK, Vor § 324 Rn 18; ähnlich z.B. Bloy, ZStW 100 (1988), 485 (504 Fn 78); Lackner, § 324 Rn 10; Lenckner, in: Festschr. f. Pfeiffer, S. 39-43. 126

EI. Verträglichkeit der Rechtsfolgen

101

rechtmäßige wirkt, unabhängig vom tatsächlichen Vertrauen des Adressaten. Damit kann auch die fehlerhafte Genehmigung ebenso wie die rechtmäßige eine echte Erlaubnis erzeugen. Sie fuhrt dann auch im Strafrecht unter dem jeweils geprüften rechtlichen Gesichtspunkt zu einem Ausschluß der objektiven Rechtswidrigkeit. Das maßgebliche Vertrauendürfen und So-handeln-Dürfen nimmt einem erfolgsunwerten Tun den Handlungsunwert. - Die gefundenen Ergebnisse gelten ebenfalls für die rechtswidrige Genehmigung. Kann also ein Täter aufgrund einer fehlerhaften, aber wirksamen behördlichen Genehmigung nicht strafrechtlich belangt werden, so drängt sich die Frage auf, ob dem Täter womöglich sein vorangegangenes Verhalten vorgeworfen werden kann, etwa eine Täuschung im Genehmigungsantrag. Zu diesem Gedanken der actio illicita in causa129 kann hier nicht mehr Stellung genommen werden. Soviel jedoch: Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung werden davon nicht beschädigt. Das bestrafte und das genehmigte Verhalten sind nicht mehr identisch und können folglich von der Rechtsordnung unterschiedlich behandelt werden.

c) Ergebnis Ob §331 Abs. 3 StGB ein echter oder unechter Strafunrechtsausschließungsgrund ist, konnte unbeantwortet bleiben, weil diese Frage für unser Thema nirgends von Bedeutung ist. Es hat sich aber gezeigt, daß der Genehmigungsvorbehalt in § 70 BBG einen echten Erlaubnissatz hinsichtlich einer Geschenkannahme enthält, der zu einer allgemeinen, rechtsgebietsüberschreitenden Rechtfertigung führt. Er stellt im Strafrecht einen echten Rechtfertigungsgrund dar und dient dort entgegen Cramers Ansicht nicht bloß als Auslegungsregel.

2. Konkurrenz zwischen § 331 Abs. 3 StGB und § 70 BBG

Zum anderen gibt es Fälle, in denen die Rechtsfolge einer Norm trotz Erfüllung des Tatbestandes nicht eintritt, etwa dann, wenn eine speziellere Norm die allgemeinere verdrängt. 130 Gehören beide Normen verschiedenen Rechts129

"Nicht der Gebrauch einer nach den Regeln des Rechts wirksamen (!) Erlaubnis, sondern die Erzeugung einer fehlerhaften Erlaubnis ist Mißachtung des Rechts," sagt Jakobs, Rn 16/29a in Fn 50 (er spricht von mittelbarer Täterschaft, was in der Sache aber dasselbe ist; Jakobs, Rn 21/84). Befürwortend weiterhin Lenckner, in: Schönke/ Schröder, Vor § 32 Rn23. Kritisch Winkelbauer, UmweltstrafR, S. 71 f.; dort auch weitere Nachw. 130 Allgemein dazu Larenz, Methodenlehre, S. 267 f.

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3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

gebieten an, so kann man auch hier sagen, die generelle Vorschrift sei nicht auf das andere Rechtsgebiet "übertragbar". Von dieser Vorstellung gehen diejenigen Ansichten aus, die immerhin im ersten Zugriff einen Widerspruch zwischen § 331 StGB und § 70 BBG sehen, diesen aber auflösen, indem sie teils dem straf- und teils dem beamtenrechtlichen Genehmigungsvorbehalt den Vorrang einräumen.131 Ein Normwiderspruch zwischen der Erlaubnis nach § 70 BBG und dem Verbot nach § 331 StGB, der beseitigt werden müßte, besteht allerdings - über das unter 1 Gesagte hinaus - nur dann, wenn Verbot und Erlaubnis unter demselben rechtlichen Gesichtspunkt ergangen sind, wenn also die unvereinbaren Rechtsfolgen aus demselben Tatbestand resultieren. 132 Diese Tatbestandsgleichheit besteht zwischen §§ 331 StGB, 70 BBG; das hat der 2. Teil gezeigt. Ihr rechtlicher Gesichtspunkt ist die Integrität des öffentlichen Dienstes, sind die das Amtsethos schädigenden Handlungen, Vorteile anzunehmen, sich versprechen zu lassen oder gar zu fordern. Dieses nach §§331 Abs. 1 StGB, 70 BBG identische tatbestandliche Verhalten darf - das ist im 4. Teil näher dargelegt - sowohl nach § 331 Abs. 3 StGB als auch nach § 70 BBG nur gestattet werden, wenn entweder die Gefahren für das geschützte Rechtsgut tolerabel sind oder überwiegende Interessen für die Geschenkannahme streiten. Man kann gegen die Identität der rechtlichen Gesichtspunkte nicht einwenden, die Verschiedenheit zeige sich doch schon daran, daß die eine Norm im Strafrecht und die andere im Beamtenrecht angesiedelt sei. Denn die unterschiedliche Verortung allein besagt wegen der Einheit der Rechtsordnung nichts. Ebensowenig wäre die These zu halten, daß § 331 StGB deshalb andere Gesichtspunkte als § 70 BBG berücksichtige, weil neben den Beamten noch zahlreiche andere Normadressaten unter seinen weiteren Begriff "Amtsträger" fallen. Daran ist zwar richtig, daß z. B. für einen Angestellten als Amtsträger unter dem Aspekt der Integrität des öffentlichen Dienstes andere, vielleicht mildere Maßstäbe gelten als für einen Beamten. Das kann sich bei der Sozialadäquanz und beim behördlichen Genehmigungsermessen auswirken; hier mag die gleiche Handlung beim Angestellten unbedenklich, beim Beamten jedoch bedenklich erscheinen. Aber erstens: Solche Wertungsunterschiede sind auch innerhalb der Beamtenschaft und somit auch innerhalb des § 70 BBG angebracht; so behandeln die Richtlinien einen auswärtigen Steuerprüfer strenger als einen Lehrer. Zweitens: Soweit es in § 331 StGB um nichtbeamtete Amtsträger geht, sind diese Fälle hier uninteressant, weil § 70 BBG dann nicht anwendbar ist. Handelt dagegen ein Beamter, so gilt § 70 BBG mit seinen auf Beamte zugeschnittenen Wertungen. Dann aber legt auch § 331 StGB 131 132

Am Anfang dieses Teiles bei Fn 4 f. Näher oben II nach Fn 51.

I . Verträglichkeit der Rechtsfolgen

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seinen Maßstab zugrunde, wie er auf Beamte abgestimmt ist. Wenn also § 331 StGB ebenso wie § 70 BBG das Verhalten eines Beamten daraufhin bewertet, ob es der Integrität des öffentlichen Dienstes schadet, kann man schlecht behaupten, § 331 StGB lege bei dieser Bewertung einen anderen Maßstab als § 70 BBG an, bloß weil die Strafnorm neben den Beamten noch andere Amtsträger erfaßt und deren Tun anders bewertet. Wie also lassen sich mögliche Widersprüche ausräumen?

a) Die Ansicht Jeschecks Nach Jescheck soll der § 331 Abs. 3 StGB den Beamtengesetzen vorgehen. Damit ist nicht wörtlich gemeint, daß diese Norm den Erlaubnissatz in § 70 BBG "verdrängte". Denn dazu bedürfte es zweier Voraussetzungen, deren eine hier fehlt. Zwar ist § 331 Abs. 3 StGB spezieller als § 70 BBG, aber damit allein verdrängt er diese Vorschrift nicht. Es muß vielmehr hinzukommen, daß die Rechtsfolgen beider Normen unvereinbar sind.133 Das aber ist hier nicht der Fall: Beide Normen nehmen der Tat (jedenfalls) ihr besonderes Strafunrecht. Solche Fälle hat Jescheck auch nicht im Sinn. Ihm ist es um Sachverhalte zu tun, in denen eine Strafrechtfertigung gerade nicht eintritt. Er befürwortet demnach einen Vorrang des gesamten strafrechtlichen Normenkomplexes zur Vorteilsannahme. Aus diesem Blickwinkel sind unvereinbare Rechtsfolgen sehr wohl möglich: Strafrechtswidrigkeit hier, Beamtenrechtmäßigkeit dort. 134 Das bedeutet aber zugleich: Verbot und echte Erlaubnis treffen aufeinander. Darin liegt ein Verstoß gegen die Prämisse der Widerspruchsfreiheit. Freilich kann dieser Normwiderspruch aufgelöst werden, indem man einem der Normenkomplexe den Vorrang einräumt. Dabei genügt es, die verbietende Rechtsfolge auf das Strafrecht zu "begrenzen", der beamtenrechtlichen Genehmigung aber "für das Disziplinarrecht" weiterhin Bedeutung zuschreiben.135 Wohlverstanden bedeutet das, der behördlichen Genehmigung die zu § 331 StGB in Widerspruch stehende allgemeine Rechtfertigung zu nehmen, ihr aber die "Disziplinarrechtfertigung", verstanden als bloßen Sanktionsverzicht, zu belassen. Damit wäre die Einheit der Rechtsordnung gewahrt.

133 134 135

recht".

Larenz, ebd. (Fn 130). Siehe die Beispiele zu Beginn dieses Teiles. So Jescheck, in: LK, § 331 Rn 17: "Ungleichheit im Strafrecht und Disziplinar-

104

3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

b) Die Ansicht Rudolphis Damit steht bereits fest, daß auch Rudolphi Recht haben kann, soweit er im Falle eines Widerspruches den Beamtengesetzen einen auch das Strafrecht umfassenden Vorrang einräumen will. Ob aber seiner oder der Ansicht Jeschecks zu folgen sein wird, kann erst an späterer Stelle untersucht werden.136 Keinen Beifall verdient dagegen Rudolphis Vorschlag, derartige Fälle über eine Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 StPO zu lösen. Der Richter, dessen Geschenkannahme nach §§46 DRiG, 70 BBG behördlich genehmigt ist, würde sich herzlich bedanken für die Belehrung, er sei mangels strafrechtlich wirksamer Genehmigung ein Straftäter und werde lediglich wegen seiner geringen Schuld nicht bestraft. Seine Verwirrung bestünde zu vollem Recht, denn Rudolphis prozessuale Lösung ließe den materiellen Normwiderspruch bestehen.137

3. § 331 Abs. 3 StGB und§10 BAT

§ 10 BAT 138 verbietet den Angestellten im öffentlichen Dienst die Annahme von Geschenken, enthält aber wie die beamtenrechtlichen Vorschriften einen Genehmigungsvorbehalt. Auch hier ist der Fall denkbar, daß dem Angestellten eine nach § 10 BAT rechtmäßige und rechtswirksame Erlaubnis erteilt wird, die aber den strengeren Anforderungen des § 331 Abs. 3 StGB nicht genügt. Auch darin liegt ein Widerspruch. Ein echter Normwiderspruch ist es freilich nicht, denn § 10 BAT ist kein Teil der staatlichen Rechtsordnung. Das bedarf allerdings einer näheren Begründung. Immerhin ist § 10 BAT gemäß § 4 des Tarifvertragsgesetzes eine "Rechtsnorm", die unmittelbar und zwingend zwischen den tarifgebundenen Personen gilt. Derartige Tarifnormen werden als Gesetze im materiellen Sinne angesehen, sie sind "Rechtsregeln kraft Anerkennung durch die staatliche Gewalt".139 Dennoch haben die Tarifnormen einen anderen Charakter als staatlich gesetzte Normen.140 Sie stammen nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber. Vielmehr zieht sich der Staat aus dem Bereich der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen weitgehend zurück; er überläßt diesen Bereich gemäß Art. 9

136

Im 4. Teil 12, II. Allg. ablehnend zur prozessualen Lösung Amelung, in: Brauer, Vorwort S. 1; Brauer, S. 17. Zum Problem selbst: 4. Teil 12 c, e, II. 138 Und die anderen tarifvertraglichen Bestimmungen; siehe im 2. Teil pr. Fn 6 f. 139 BVerfGE 34, 307 (316 f.); siehe auch E 18, 18 (25 f.); 28, 295 (304 f.); 44, 322 (341,346). 140 Näher Zöllner, S. 317. 137

IV. Vorläufiges Ergebnis und weiteres Vorgehen

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Abs. 3 GG den Tarifparteien und "leiht" diesen außerstaatlichen Stellen zur Verwirklichung ihrer Zwecke das Gestaltungsmittel "Rechtsnorm",141 so wie er seinen Bürgern für deren Rechtsgeschäfte das Gestaltungsmittel "Vertrag" zur Verfügung stellt. Die Tarifverträge sind autonome Normsetzung der Tarifparteien.142 Deshalb liegt in diesem Fall auch kein Widerspruch der Rechtsordnung in sich vor. 143 Das ist ein Unterschied zu den bisher betrachteten Fällen. Er ändert zwar nichts am Problem: Dem Adressaten wird nach wie vor gesagt "du darfst" und "du darfst nicht". Er verändert aber die Problemlösung: Der Arbeitgeber, der die Genehmigung erteilt, will mit ihr nicht "für die Rechtsordnung" sprechen (wie es die Genehmigungsbehörde des Beamten täte), sondern die Reichweite der Erlaubnis ist auf den arbeitsvertraglichen Rechtsbereich beschränkt - zwar kein bloßer Rechtsfolgen-, hier also Sanktionsverzicht, sondern echte Erlaubnis, aber deutlich neben den Vorgaben der Rechtsordnung und diesen untergeordnet. Deshalb können hier vertragliche Erlaubnis und (straf)gesetzliches Verbot nebeneinander bestehen. Der Tarifvertragsinhalt gehört nicht zur Rechtsordnung und ist folglich deren Streben nach Einheit nicht verpflichtet. Deshalb zwingt dieses Gebot auch nicht zur Übernahme der gesetzlichen Wertung "rechtswidrig" in das Vertragsverhältnis. 144 Der Adressat hat diesen unschädlichen Widerspruch zu ertragen; er kann es ja ohne weiteres sowohl vertraglicher Erlaubnis als auch gesetzlichem Verbot "recht machen", indem er das Erlaubt-Verbotene unterläßt.145 IV. Vorläufiges Ergebnis und weiteres Vorgehen § 331 Abs. 1 bis 3 StGB bestimmt die Grenze zwischen strafloser und strafbarer Vorteilsannahme; § 70 BBG scheidet die erlaubte von der verbotenen Geschenkannahme. Beide Vorschriften gehören derselben Rechtsordnung an. Beide beurteilen einen Sachverhalt unter demselben rechtlichen Gesichtspunkt, nämlich dem "Vorteilsannahmeunrecht". Daher müssen sie sich widerspruchsfrei zusammenfügen. Soweit sich die in ihnen enthaltenen Verbote und

141

BVerfGE 18,18 (25 f.); 44, 322 (348). BVerfGE 44, 322 (344). 143 Vgl. Tammelo/Schreiner, S. 103. 144 Umgekehrt gilt das natürlich erst recht: Das Tarifvertragsrecht kann niemals das Gesetz beeinflussen. Dazu Brüse, in: PK-BAT, § 8 Rn 97. 145 Erst wenn sich Gebot und Verbot gegenüberstehen, muß eine der Normen den Vorrang erhalten; das ist in diesem Falle stets die gesetzliche; vgl. oben I bei Fn 8 zu § 134 BGB. 142

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3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

Erlaubnisse widersprechen, gelten sie nicht, und in diesem Sinne ist die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung eine Tatsache. Der Umfang der Verbote und Erlaubnisse ist aber nicht eindeutig und damit unveränderlich im Gesetz vorgegeben, sondern der Auslegung zugänglich. Zudem kann der einen Norm gegenüber der anderen, die ihr widerspricht, der Vorrang zukommen.146 Folglich steht das Ausmaß der nicht anwendbaren, weil unauflösbar widersprüchlichen Normen nicht von vornherein fest, sondern muß ermittelt werden; in diesem Sinne ist die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ein Postulat.147 Damit ist das weitere Vorgehen festgelegt. Zunächst muß im Geltungsbereich der hier interessierenden Erlaubnisnormen jede für sich "isoliert" ausgelegt werden, so wie es bisher in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend geschehen und im 2. Teil bereits mit den Verbotsnormen gemacht worden ist. Liegt danach der Norminhalt (vorläufig) fest, ist nach Widersprüchen zwischen Straf- und Beamtenrecht zu fahnden. Sind sie gefunden, müssen sie beseitigt werden, sei es durch eine veränderte Auslegung in Gestalt einer geltungserhaltenden Reduktion, sei es durch Heranziehung einer Kollisionsregel.148 Nur falls dies nicht helfen sollte, müßten Erlaubnis und Verbot gemeinsam weichen.149 Dazu aber, soviel sei hier schon gesagt, wird es nicht kommen. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit wird durch Norm- und durch Werfartgswidersprüche verletzt. Beide zeigen sich durch den Vergleich der Rechtsfolgen, die einerseits das Strafrecht und andererseits das Beamtenrecht an ein und denselben Sachverhalt knüpfen. Dabei sind folgende Kombinationen möglich: - Der Sachverhalt kann zunächst so liegen, daß weder der straf- noch der beamtenrechtliche Verbotstatbestand erfüllt ist. Das ist uninteressant. - Sodann ist es möglich, daß zwar der Verbotstatbestand in § 70 BBG, nicht aber § 331 Abs. 1 StGB erfüllt ist. Das ist dort der Fall, wo der Täter einen Vorteil zwar in Bezug auf sein Amt, nicht aber als Gegenleistung für eine Diensthandlung annimmt.150 Das Beamtenrecht spricht als Rechtsfolge ein Verbot aus, ein Verstoß dagegen wäre allgemein rechtswidrig. Ein Normwiderspruch bestünde nur dann, wenn dem Schweigen des Strafrechts entnommen werden könnte, daß es das fragliche Verhalten erlaubte und als allgemein 146

Oben unter m 2. Vgl. Engisch, Einheit, S. 42 f. (mit Fn 2). 148 Oben unter III 2. Engisch, Einheit, S. 47-50, zeigt die damit einhergehenden Probleme auf. 149 Dann müßte in der nächsthöheren Rechtsquelle nach der geltenden Verhaltensanweisung gesucht werden. Diese Untersuchung hätte dann etwa bei Art. 2 Abs. 1 GG anzusetzen. 150 2. Teil V I . 147

IV. Vorläufiges Ergebnis und weiteres Vorgehen

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rechtmäßig bewertete. Dieser Schluß wäre jedoch nicht richtig. Das Strafrecht dient dem Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter.151 Es knüpft an besonders schädliche Verhaltensweisen als ultima ratio die Kriminalstrafe. 152 Die Straftatbestände beschreiben dieses gesteigerte Unrecht und haben deshalb strengere Unrechtsvoraussetzungen als die Normen anderer Rechtsgebiete.153 Ist kein Straftatbestand erfüllt, besagt dies nur, daß kein besonderes Strafunrecht erfüllt ist. Das Verhalten kann durchaus rechtswidrig sein, es fehlen ihm nur Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit. 154 Das Verhalten befindet sich folglich in einem "strafrechtsfreien Raum",155 das Strafrecht enthält sich jeder Aussage über die Zulässigkeit des fraglichen Tuns. Ein Widerspruch zum beamtenrechtlichen Verbot besteht auch in dieser Fallgruppe nicht. - Die nächste Gruppe umfaßt Sachverhalte, die nur den Verbotstatbestand des § 331 Abs. 1 StGB erfüllen. Die Ergebnisse des 2. Teiles zeigen uns, daß dieser Fall nur dann auftritt, wenn der Täter ein Amtsträger oder ein besonders Verpflichteter, nicht aber zugleich Beamter ist. Wie eben bestünde mutatis mutandis ein Normwiderspruch nur dann, wenn das Beamtenrecht dem strafrechtlichen Verbot eine echte Erlaubnis entgegensetzte oder zumindest das gesteigerte Strafunrecht verneinte. Das Beamtenrecht legt aber die Rechte und Pflichten allein der Beamten fest. Für alle anderen Amtsträger und besonders Verpflichteten sagt es nichts aus;156 es erlaubt ihnen nichts und befreit sie von keinen Sanktionen. Auch hier entsteht kein Normwiderspruch. - Sind schließlich beamten- und strafrechtlicher Verbotstatbestand erfüllt, so besteht ebenfalls kein Normwiderspruch. Ein Verstoß gegen das Verbot wäre sowohl nach Beamten- als auch Strafrecht allgemein rechtswidrig. Das gesteigerte Unrecht, das die Erfüllung des Straftatbestandes zum Ausdruck bringt, ist für die Frage nach Normwidersprüchen unerheblich. Erst an dieser Stelle werden die Genehmigungsvorbehalte in §§ 331 Abs. 3 StGB, 70 BBG belangvoll. Sind beide Erlaubnistatbestände erfüllt oder auch nicht erfüllt, so kann es wiederum zu keinen Widersprüchen kommen. Anders dagegen, wenn nur einer von beiden erfüllt ist: Eine nur strafrechtliche Erlaubnis ist zwar theoretisch möglich. Praktisch aber handelt es sich bei dieser Fallgruppe um eine leere Menge.157 Auf sie braucht nicht weiter eingegangen zu werden. Die 151 Baumann/Weber, S. 9 f.; Maurach/Zipf, AT 1, Rn 2/11, 19/4; genauer Jescheck, AT, S. 44 f.: Schutz für besonders schutzwürdige Rechtsgüter oder vor besonders gefahrlichen Angriffen. 152 Nachweise oben 1 b aa in Fn 89. 153 Maurach/Zipf, AT 1, Rn 2/26, 28. 154 Jescheck, AT, S. 2,44; Maurach/Zipf, AT 1, Rn 2/26, 19/4. 155 Zum Begriff des rechtsgebietsfreien Raumes siehe oben unter IE pr. bei Fn 52. 156 Ausnahme: Der faktische Beamte; siehe im 2. Teil II 1 b, c. Für ihn bleibt das beamtenrechtliche Verbot dann aber nicht hinter dem strafrechtlichen zurück. 157 Siehe oben m 1 a.

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3. Teil: Die Einheit der Rechtsordnung

nur beamtenrechtliche Erlaubnis ist oben158 bereits eingehend behandelt worden. Hier kommt es zu denjenigen Normwidersprüchen, die Gegenstand der strafrechtlichen Diskussion und das Thema des nächsten (4.) Teiles sind. Sind für all die genannten Fälle normwiderspruchsfreie Lösungen gefunden, kann es immer noch zu We/Ywwgswidersprüchen kommen: Nehmen wir an, die Harmonisierung des Strafrechts mit den Beamtengesetzen hätte ergeben, daß über den Wortlaut des § 331 Abs. 3 StGB hinaus - auch fehlerhafte, aber wirksame Genehmigungen die Vorteilsannahme rechtfertigten, soweit der Amtsträger zugleich Beamter ist. Nun könnte man versucht sein, für seinen Kollegen, der bloß öffentlicher Angestellter ist, am Wortlaut des § 331 Abs. 3 StGB festzuhalten und in der ihm erteilten rechtswidrigen Genehmigung keinen Strafunrechtsausschließungsgrund zu sehen. Das hieße jedoch, verschiedene Gruppen eines Personenkreises ungleich zu behandeln, die nach der Fassung des Straftatbestandes gerade gleich behandelt werden sollen (alle "Amtsträger"). Eine derart "gespaltene" Auslegung könnte vor Art. 3 GG schwerlich Bestand haben. Die im Vergleich zum Beamtenrecht gefundene Interpretation des §331 StGB müßte sich zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen folglich auch auf die verbleibende "Restmenge" der unbeamteten Amtsträger beziehen.159

158 159

Unterm l b . Oder aber sich schon für das Beamtenrecht als falsch erweisen: 4. Teil 12 e, II.

4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme Der strafrechtliche Genehmigungsvorbehalt darf in seiner Bedeutung nicht hinter den anderen echten Erlaubnissätzen der Rechtsordnung zurückbleiben, sein Tatbestand darf nicht enger als deren sein. Das ist die Vorgabe, die der 2. und 3. Teil geliefert haben:1 Die Verbotsnormen sind weitgehend deckungsgleich und beurteilen ein Verhalten unter demselben rechtlichen Gesichtspunkt. Die Genehmigungsvorschriften der verschiedenen Rechtsgebiete sind auf die gleiche Fallgruppe anwendbar. Dann aber gebietet es die Einheit der Rechtsordnung, daß sie einander nicht widersprechen. Ein Widerspruch bestünde dann, wenn das Strafrecht (§331 Abs. 3 StGB) als ultima ratio die rechtfertigende Wirkung einer Genehmigung erst später anerkennte als das öffentliche Recht (§ 70 BBG). Unter dieser Prämisse erscheinen zwei Bereiche problematisch. Zum einen müssen wir untersuchen, welche Rechtswirkungen die nachträgliche Genehmigung zeitigt; womöglich sind sie von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet verschieden. Diese Frage soll erst im nächsten, 5. Teil angegangen werden. Zum anderen ist schon der Normalfall problematisch: die vorherige Genehmigung. Um sie geht es hier. Dabei ist von besonderem Interesse, welche Bedeutung einer rechtswidrigen Genehmigung in allen drei Rechtsgebieten zukommt. Immerhin kann auch eine solche Erlaubnis nach den Grundsätzen des Verwaltungsrechts wirksam sein. Dabei müssen wir folgendermaßen vorgehen: Zunächst (unter I.) soll verglichen werden, welche Anforderungen die drei Rechtsgebiete an eine fehlerfreie Erlaubnis stellen. Das ist aus zwei Gründen interessant: Erstens zeigt uns dieser Vergleich, ob die Einheit der Rechtsordnung vielleicht schon hier zerbrochen ist; immerhin wird das von zahlreichen Autoren so gesehen.2 Dann müßte schon hier dazu angesetzt werden, Widersprüche zu beseitigen. Zweitens dient dieser Vergleich als Voruntersuchung, in welchem Umfang eine fehlerhafte, aber wirksame Genehmigung überhaupt in Betracht kommen kann. Denn die gefundenen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen sind zugleich mögliche Quellen für Fehler, die ganz unterschiedliche Rechtsfolgen haben können. - Später (unter II.) soll dann untersucht werden, wie sich einzelne Fehler der Genehmigung auswirken. 1 2

Siehe oben v.a. im 2. Teil VE, 3. Teil m 1. Siehe später unter 12 c, d bb.

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

I. Die rechtmäßige Genehmigung Die Genehmigungsvorbehalte in §§ 70 BBG, 10 BAT 3 und § 331 Abs. 3 StGB weichen in der Formulierung stark voneinander ab. Wie schon bei den Verbotsnormen ist zu prüfen, ob sich dahinter inhaltliche Unterschiede verbergen. Es ist allgemeine Ansicht, daß § 331 Abs. 3 StGB nicht eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß von Genehmigungen schafft. Die Norm verweist vielmehr auf das Recht des öffentlichen Dienstes und macht sich damit dessen Genehmigungsvoraussetzungen zu eigen.4 Das Strafrecht begnügt sich jedoch nicht mit einer allgemeinen Verweisung, sondern stellt seinerseits materielle Genehmigungsvoraussetzungen auf. Wichtig ist nur die Frage, ob das Strafrecht damit mehr als die anderen Rechtsgebiete verlangt. Auf deren Beantwortung liegt der Schwerpunkt in diesem Abschnitt. Die unproblematischen Genehmigungsvoraussetzungen sollen der Vollständigkeit halber kurz angesprochen werden.

1. Formelle Rechtmäßigkeit

Ein Rechtsakt ist nur dann rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Stelle in korrektem Verfahren und in richtiger Form gesetzt worden ist. § 331 Abs. 3 StGB spricht lediglich aus, die "zuständige Behörde" müsse gehandelt haben.5 Welche Stelle das ist, sagen die Vorschriften des öffentlichen Dienstes. Gemäß § 10 BAT ist der Arbeitgeber zuständig, also die öffentlich-rechtliche Körperschaft, die Vertragspartner des Angestellten oder Arbeiters geworden ist; hier kann die Zuständigkeit durch Verwaltungsvorschriften delegiert sein.6 Die Beamtengesetze erklären fast ausnahmslos die (nach Beendigung des Beamtenverhältnisses letzte) oberste Dienstbehörde 7 für zuständig. Allein § 43 BRRG und Art. 44 bay. KWBG sprechen von der Zuständigkeit des "Dienstherrn" und lassen damit offen, welche Behörde für den Dienstherrn zu 3 Beide Normen stehen auch hier wieder stellvertretend für die übrigen inhaltsgleichen Normen im Recht des öffentlichen Dienstes. 4 Siehe schon vorne, 3. Teil III 1 a bei Fn 66-69. 5 Die strafrechtlichen Kommentierungen gehen darüber nicht hinaus; vgl. Dreher/ Tröndle, § 331 Rn 19; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 18; Lackner, § 331 Rn 17. 6 Beispiel: RdErl. d. Kultusmin. NW v. 7.12.1984 (GABI. NW 1985, S. 10), Nr. II. 6.: Im Geschäftsbereich des Kultusministers sind zur Genehmigung der Geschenkannahme die personalaktenführenden Stellen, bei Lehrern im Angestelltenverhältnis die Regierungspräsidenten zuständig. - Genauer zur Zuständigkeit Jutzi, NStZ 1991, 105 (106 f.). 7 Näher bestimmt z.B. in § 3 Abs. 1 BBG.

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handeln hat;8 § 76 LBG NW erklärt den Dienstvorgesetzten für zuständig.9 Die Beamtengesetze sehen darüber hinaus die Möglichkeit vor, die Befugnis zur Zustimmung auf "andere Behörden" zu übertragen.10 Zuständig ist stets diejenige Stelle, der der Angehörige des öffentlichen Dienstes untersteht, wenn er die Genehmigung beantragt, auch wenn ihm der Vorteil in bezug auf eine frühere, andere Tätigkeit angeboten wird. 11 Der Angehörige des öffentlichen Dienstes hat die Vorteilsannahme nicht bloß mitzuteilen, sondern die Genehmigung auf dem Dienstweg zu beantragen.12 Die beamtenrechtliche Erteilung oder Versagung der Erlaubnis zur Vorteilsannahme ist eine öffentlich-rechtliche behördliche Entscheidung, deren Einzelfallregelung den Beamten in seiner privaten Sphäre trifft; sie ist ein Verwaltungsakt.13 Deshalb gelten die Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze zu Verfahren und Form.14 Die (Nicht-)Genehmigung der Vorteilsannahme eines Angestellten oder Arbeiters im öffentlichen Dienst ist eine privatrechtliche empfangsbedürftige Willenserklärung und unterliegt damit den allgemeinen bürgerlich- und arbeitsrechtlichen Vorschriften. 15 In beiden Fällen

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Ule, §43 BRRG Rn 4. Seit dem ÄnderungsG v. 31.3.1981 (GVB1., S. 194). - Das ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 LBG NW bei Landesbeamten die oberste Dienstbehörde. 10 So z.B. § 70 S. 2 BBG. Nur § 89 S. 2 LBG BW spricht von "nachgeordneten Behörden". §§ 76 LBG NW, 69 LBG Brm enthalten keine Delegationsnorm; in NW kann die Zuständigkeit jedoch gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 LBG übertragen werden. Beispiele: BW: §2 VO d. Innenmin. über die Übertragung beamtenr. Zust. im Geschäftsber. d. staatl. Innenverw. v. 18.2.1974 (GBl. BW, S. 132); § 1 S. 1 Nr. 3 VO d. Kultusmin. über die Übertragung beamtenr. Zust. v. 27.3.1975 (GBl. BW, S. 289). NW: § 6 VO zur Übertragung beamtenr. Zust. d. MinPräs. v. 17.8.1979 (SGV. NW 20305); § 4 Nr. 4 VO über beamtenr. Züst. im Geschäftsbereich des Min. f. Mittelst, u. Verk. v. 31.10.1982 (GVB1. NW, S. 730) i.d.F. v. 22.4.1988 (GVB1. NW, S. 181); § 5 Abs. 1 Nr. 4 VO über beamtenr. Zust. im Geschäftsber. des Finanzmin. v. 25.11.1982 (GVB1. NW, S. 758) i.d.F. v. 24.8.1988 (GVB1. NW, S. 375). RhPf: Art. I, D Nr. 4 der Anordn. über die Übertragung von Befugn. auf d. Geb. d. allg. Beamtenr. im Geschäftsber. d. Min. f. Fin. u. Wiederaufbau v. 6.4.1967 (GVB1. RhPf, S. 153). 11 Allg. Ansicht, siehe nur Battis, § 70 Anm. 4; Baumgärtel, in: GKÖD IV, T § 10 Rn 7; Schütz, BBL, § 76 Rn 8. 12 Siehe nur Breier/Uttlinger, § 10 Erl. 2; Mühl, in: GKÖD I, K § 70 Rn 8. Das ergibt sich bereits - auch ohne ausdrückliche Erwähnung - aus der normierten Pflicht zur Einholung einer Genehmigung; vgl. Badura, in: Erichsen/Martens, § 39 I (S. 352); Ule/Laubinger, S. 357. 13 Battis, § 70 Anm. 4; Plog/Wiedow/Beck, § 70 Rn 7; Schütz, BBL, § 76 Rn 7; Ule, § 43 BRRG Rn 4. A.A. ohne Begründung Lindgen, Hb, S. 504. 14 Insb. §§ 28, 36 f., 39-42 VwVfG. 15 Böhm/Spiertz, § 10 Rn 20. 9

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

kann die Genehmigung mit Auflagen und Bedingungen erteilt werden.16 Sie kann in sozialadäquaten Fällen als stillschweigend erteilt angesehen werden;17 in den übrigen Fällen muß sie ausdrücklich erteilt werden.18 Schriftform ist nicht vorgeschrieben, wird aber als ratsam empfohlen. 19 Die Genehmigung wird mit Bekanntgabe (§§ 43 Abs. 1, 41 VwVfG) bzw. Zugang (§ 130 BGB) wirksam. 2. Materielle Rechtmäßigkeit

Die Ermächtigungsgrundlagen im Recht des öffentlichen Dienstes nennen keine materiellen Genehmigungsvoraussetzungen. Auch §331 Abs. 3 StGB spricht zunächst nur davon, daß die zuständige Behörde "im Rahmen ihrer Befügnisse" handeln muß. Aber dem weiteren Wortlaut und dem strafrechtlichen Kontext lassen sich mehrere Einschränkungen entnehmen. Ob darin ein Widerspruch zum Recht des öffentlichen Dienstes liegt, muß im einzelnen untersucht werden. a) Beamtenrechtliche Genehmigung einer straftatbestandlichen Vorteilsannahme § 331 Abs. 3 StGB ist keine Ermächtigungsgrundlage zur Erteilung von Genehmigungen, sondern verweist lediglich auf die Genehmigungsvorbehalte im Recht des öffentlichen Dienstes.20 Die gesamte Abgrenzungsarbeit wäre also müßig, wenn gemäß §§70 BBG, 10 BAT eine Genehmigung ohnehin niemals zulässig wäre, sobald der Beamte oder Angestellte mit der Entgegennahme eines Geschenkes den Tatbestand des § 331 Abs. 1 StGB erfüllte, also den Vorteil nicht bloß in Bezug auf Amt oder dienstliche Tätigkeit, sondern sogar als Gegenleistung für eine bestimmte Diensthandlung annähme. Das wird in der Tat häufig so gesehen.21 Als Begründung findet sich stets der Hinweis, nur so 16 Z.B. § 36 Abs. 2, 3 VwVfG. Zu §§ 70 BBG, 10 BAT speziell Baumgärtel, aaO (Fn 11), Rn 9; Fischbach, § 70 Anm. V; Schütz, BBL, § 76 Rn 7. - RdSchr. d. BMI 1981 (nachgew. im 1. Teil Fn 100); VV NW zu § 76 (nachgew. im 1. Teil Fn 101), Nr. 3.4; Battis, § 70 Anm. 4; Clemens u.a., § 10 Erl. 7; Lindgen, Hb, S. 504; Mühl, aaO (Fn 12), Rn 10, sprechen nur von Auflagen. 17 Siehe dazu bereits oben im 2. Teil VI. 18 Baumgärtel, ebd. (Fn 11) (Überschrift); Lindgen, Hb, S. 502; Plog/Wiedow/Beck, § 70 Rn 6. 19 W NW zu § 76, aaO (Fn 16), Nr. 3.4; Lindgen, Hb, S. 504; Schütz, BBL, § 76 Rn5;Ule, §43 BRRG Rn 4. 20 Siehe schon oben im 3. Teil IE 1 a bei Fn 66-69. 21 Arndt, in: Behnke, Einf. B, Rn 80; Bank, NJW 1962, 85 (86, 1. Sp. u.); Schlemmer, S. 77 ff.; Schütz, BBL, § 76 Rn 6, und DiszR, C D Rn 85; Thiele, ZBR 1958, 33

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könnten die straf- und beamtenrechtlichen Verbote der Vorteilsannahme sinnvoll nebeneinander bestehen.22 Das impliziert zweierlei: Es setzt erstens voraus, daß bei unbefangener Betrachtungsweise Straf- und Beamtenrecht einander widersprechen, und es setzt zweitens voraus, daß dieser Konflikt zugunsten der strafgesetzlichen Regelung zu entscheiden ist. Das zweite - es wird von Bank lediglich behauptet23 - kann dahinstehen, wenn schon die genannte Prämisse falsch ist. Und sie ist es, wie ein Blick ins Strafrecht zeigt. § 331 Abs. 3 StGB sagt ja ganz explizit, daß er die rechtfertigende Wirkung einer beamtenrechtlichen Erlaubnis auch für den Fall gelten lassen will, daß der Täter den Straftatbestand des Abs. 1 erfüllt; 24 und auch vor Geltung dieser Norm war in Strafrechtsjudikatur und -lehre die rein im Beamtenrecht angesiedelte Genehmigung als Rechtfertigungsgrund anerkannt.25 Hier bestand und besteht keine Disharmonie, die beseitigt werden müßte. Ein am Schutzzweck der Normen orientierter Gedanke wird von Thiele26 formuliert. Die Strafbarkeit der Annahme eines Vorteils als Gegenleistung für eine Diensthandlung zeige, daß gerade durch diese spezielle Verknüpfung der Unrechtsgehalt der Tat höher sei als der in den vom Beamtenrecht beschriebenen Fällen. Das ist zweifellos richtig. Aber auch diese Erwägung rechtfertigt nicht den Schluß, ein solches Verhalten sei genehmigungsunfähig. Denn sie berücksichtigt nicht hinreichend die zahlreichen denkbaren Ausnahmen, derentwegen § 331 Abs. 3 StGB überhaupt nur existiert. Ein Zollbeamter etwa, der für die Aufdeckung eines internationalen Schmugglerrings von einem ausländischen Staat - wie dort üblich - eine Belohnung erhält,27 nimmt sie ebenso als Gegenleistung für eine Diensthandlung wie der Feuerwehrmann, der im Einsatz unter Lebensgefahr ein Kind vor dem Verbrennungstod gerettet hat und nun von den glücklichen Eltern, Inhabern eines Rundfunkgerätehandels, ein Fernsehgerät geschenkt bekommt.28 Sollte in diesen Fällen den (34); wohl auch Bochalli, BBG, § 70 Anm. 3, und LBG, § 76 Anm. 2, und Wiese, S. 111. Schwächer Scheerbarth/Höffken, S. 349 f. (Zustimmung "sollte" niemals erteilt werden); ähnlich Baumgärtel, in: GKÖD IV, T § 10 Rn 9 (nur "grundsätzlich" unzulässig). Deutlich a.A. Lindgen, Hb, S. 501 f. u. v.a. 505; Mühl, in: GKÖD I, K § 70 Rn 9; Plog/Wiedow/Beck, § 70 Rn 7, und schon Reindl, Art. 20 Anm. 3. - Mühl, aaO, Rn 5, 8, will aber in solchen Fällen keine stillschweigende Genehmigung zulassen. Mit Blick darauf, daß gerade diese Fälle im Strafrecht als sozialadäquate Handlungsweisen schon den Tatbestand nicht mehr erfüllen (oben 2. Teil VI 3), kann diese Differenzierung nicht überzeugen. 22 Ausführlich in diesem Sinne Bank, ebd. 23 NJW 1962,85 f. 24 Ebenso Baumann, BB 1961,1057 (1067). 25 Siehe schon oben im 1. Teil IV 2 a.E. 26 ZBR 1958, 33 (34 f.). Ähnlich Bank, NJW 1962, 85 (86). 27 Beispiel nach Plog/Wiedow/Beck, § 70 Rn 7. 28 Abgewandelt nach Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 45. 8 Hardtung

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

"Tätern" wirklich eine Genehmigung versagt bleiben müssen, weil der "Unrechtsgehalt" ihrer Tat sich wegen der Verknüpfung des Vorteils mit einer bestimmten Diensthandlung als zu hoch erwiesen hat und weil deshalb "nach Lage des Falles ... zu besorgen ist, daß die Annahme der Zuwendung die objektive Amtsführung des Beamten beeinträchtigen oder bei dritten Personen den Eindruck seiner Befangenheit entstehen lassen könnte"29? Deshalb kann auch keine Lösung überzeugen, die bei konkretem Diensthandlungsbezug zwar eine beamtenrechtliche Genehmigung für zulässig hält, ihr aber eine Wirkung im Strafrecht nicht zugesteht.30 Sie vermeidet zwar einen Normwiderspruch, wenn sie die "Beamtenrechtmäßigkeit" als bloßen Disziplinarrechtsfolgenverzicht versteht.31 Aber sie ist nach dem eben Gesagten zu streng. Im Recht des öffentlichen Dienstes ist die Genehmigung einer Vorteilsannahme grundsätzlich auch dann zulässig, wenn der Vorteil als Gegenleistung für eine Diensthandlung gewährt wird. § 331 Abs. 3 StGB fällt deshalb nicht ins Leere.

b) Keine Genehmigung der Bestechlichkeit Die Vorteilsannahme als Gegenleistung für eine pflichtwidrige Diensthandlung ist im Strafrecht nicht genehmigungsfahig, denn § 332 StGB enthält keinen Genehmigungsvorbehalt. Diese Begrenzung hat von Anfang an bestanden32 und gilt als Selbstverständlichkeit.33 Ergibt sie sich im Strafrecht bereits deutlich aus der Systematik der §§ 331, 332 StGB, so bietet der Wortlaut der §§ 70 BBG, 10 BAT keinen Anhaltspunkt. Und doch ist es auch im Recht des öffentlichen Dienstes einhellige Ansicht, daß der Bestechliche keine Genehmigung erhalten darf. Allgemein gilt, daß eine Genehmigung nur erteilt werden darf, wenn "nach Lage des Falles nicht zu besorgen ist, daß die Annahme der Zuwendung die objektive Amtsführung des Beamten beeinträchtigen oder bei dritten Personen den Eindruck seiner Befangenheit entstehen lassen könn29

So die übliche Formulierung zur materiellen Genehmigungsvoraussetzung im Recht des öffentlichen Dienstes; Nachw. unten in Fn 34. 30 Nur so läßt sich der Hinweis in W NW zu § 76, aaO (Fn 16), Nr. 4.3 a.E.: "Die Zustimmung des Dienstvorgesetzten ... schließt die Rechtswidrigkeit und damit die Strafbarkeit der Handlungsweise des Beamten nicht aus." deuten, nachdem die beamtenrechtliche Zulässigkeit einer Genehmigung in solchen Fällen weder ausdrücklich noch implizit (vgl. Nr. 3.4) ausgeschlossen worden ist. 31 Siehe dazu bereits oben im 3. Teil. 32 Vgl. nur die Regelungen der Partikularstrafgesetzbücher; dazu im 1. Teil EI 2. 33 BGH, NJW 1960, 830 (831); Cramer, aaO (Fn 28), Rn 43; Creifelds, GA 1962, 33 (36); Rudolphi, in: SK, § 332 Rn 18; Eb. Schmidt, Bestechung, Rn 207.

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te."34 Diese Besorgnis ist aber im Falle einer Bestechung bereits Realität geworden; deshalb ist hier eine Genehmigung niemals zulässig.35

c) Keine Genehmigung (schieds)richterlicher Vorteilsannahme Die Vorteilsannahme eines Richters oder Schiedsrichters (§331 Abs. 2 StGB) kann nicht durch eine Genehmigung strafrechtlich gerechtfertigt werden, denn der Abs. 3 des § 331 StGB bezieht sich ausdrücklich nur auf dessen Abs. 1. § 46 DRiG aber, der die beamtenrechtlichen Regelungen für Richter entsprechend gelten läßt, nimmt § 70 BBG von dieser Generalverweisung nicht aus. Daher ist im strafrechtlichen Schrifttum die Ansicht geäußert worden, §§46 DRiG, 70 BBG ließen eine Genehmigung für eine (schieds-)richterliche Vorteilsannahme zu.36 Hätten diese Stimmen Recht, bestünde in der Tat ein Widerspruch zwischen den Genehmigungsvorschriften. Das beamtenrechtliche Schrifttum äußert sich dazu nicht.37 Die Stellungnahmen zu § 46 DRiG dagegen sind einheitlich. Die Verweisung umfasse nur das in § 70 BBG enthaltene Verbot, nicht aber den Genehmigungsvorbehalt. Denn "die Stellung des Richters und die Rücksicht auf seine Unabhängigkeit lassen für eine Zustimmung ... keinen Raum."38 In der Tat ist es ja einhellige Ansicht, daß die richterliche Tätigkeit in besonderem Maße vor den Gefahren der Vorteilsannahme geschützt werden muß. Das lehrt die historische Einsicht, daß das Vorteilsannahmeverbot zunächst nur für Richter galt und erst später auch andere Personengruppen erfaßte, 39 ebenso wie der heutige § 331 Abs. 2 StGB, der ein gegenüber Abs. 1 erhöhtes Strafmaß aufweist. 40 Deshalb 34 So VV NW zu § 76, aaO (Fn 16), Nr. 3.4; ebenso RdErl BMI v. 20.3.1962 (nachgew. im 1. Teil Fn 100), II 5; Battis, § 70 Anm. 4; Baumgärtel, ebd. (Fn 21); Clemens u.a., § 10 Erl. 7; Mühl, aaO (Fn 21), Rn 10; Schütz, BBL, § 76 Rn 5; Ule, § 43 BRRG Rn 4. 35 So ausdrücklich RdErl BMI v. 20.3.1962, aaO, E 5; VV NW zu § 76, aaO, Nr. 3.4; Baumgärtel, ebd.; Lindgen, Hb, S. 502; Lochbrunner, Rn 112. 36 Cramer, aaO (Fn 28), Rn 45; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 17. 37 Lediglich bei Schütz findet sich an einer Stelle (BBL, § 76 Rn 5; sinngleich in DiszR, C E Rn 84) die Wendung "Beamte (Richter)". Das ist jedoch ein zu schwaches Indiz; die Formulierung kann auf Unachtsamkeit beruhen. 38 Schmidt-Räntsch, §46 Rn41; ebenso Gerner/Decker/Kauffmann, §46 Anm. 6; Schäfer, in: Löwe/Rosenberg, § 15 DRiG Rn 1. Arndt, in: GKÖD I, T § 46 Rn 19, möchte "ganz seltene Ausnahmen" zulassen. In seinem Beispiel wäre aber schon der Verbotstatbestand des § 70 BBG nicht erfüllt, weil dort das Geschenk dem Gerichtspräsidenten nicht in Bezug auf "sein" Amt gewährt wird; vgl. im 2. Teil V 1 a, 2. 39 Siehe 1. Teil I1,E. 40 Noch deutlicher drohte § 334 StGB a.F. Zuchthausstrafe an, während sich § 331 StGB a.F. mit Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten begnügte.

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

liegt die Vermutung nahe, daß die Generalverweisung in § 46 DRiG die Genehmigungsmöglichkeit des § 70 BBG nur "aus Versehen" mit erfaßt. 41 Bei dem gebotenen restriktiven Verständnis besteht zwischen Straf- und Richterrecht kein Widerspruch. 42

d) Genehmigungsfähige Tathandlungen aa) Annehmen und Sichversprechenlassen §§ 70 BBG, 10 BAT besagen, der "Annahme" eines Vorteils könne zugestimmt werden. Wenn aber diese Normen in analoger Anwendung das Sichversprechenlassen verbieten43 und wenn dieses nicht gefährlicher ist als die Annahme selbst, dann muß für dieses Verhalten der Genehmigungsvorbehalt analog gelten. § 331 Abs. 3 StGB erklärt Straffreiheit dann für möglich, wenn der Täter einen Vorteil "sich versprechen läßt oder annimmt". Die Straffreiheit soll dann davon abhängen, daß "die Annahme" genehmigt ist. Das ist ungenau. Daran wird zwar deutlich, daß beide Tathandlungen vom Gesetz als eng miteinander verknüpft und als gleichwertig angesehen werden: Das Sichversprechenlassen wird durch die Genehmigung des Annehmens gerechtfertigt. Der innere Grund liegt auf der Hand: Es ist kein Fall vorstellbar, wo das Sichversprechenlassen eines Vorteils schlimmer als dessen Annahme wäre, so daß in der Genehmigung des Annehmens implizit die Genehmigung des Sichversprechenlassen enthalten ist. Im Normalfall ist die Formulierung also unschädlich. Würde aber der Dienstherr aus irgendeinem Grunde nur das Sichversprechenlassen und nicht die Annahme genehmigen, so träte nach dem Wortlaut des §331 Abs. 3 StGB für das Sichversprechenlassen keine Strafbefreiung ein. Das ist natürlich nicht gewollt,44 und so ist § 331 Abs. 3 StGB auch in diesem Fall (analog) anwendbar.

41 Siehe dazu die ganz pauschalen Erwägungen in der Amtl. Begr. (BT-Drs. 3/516), S. 48. Dort ist übrigens auch ein genereller Vorbehalt notiert: Keine Geltung der Beamtengesetze, soweit sich im Einzelfall aus der besonderen Stellung des Richters Abweichungen ergeben. 42 So - wenn auch zögernd - Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 37. 43 Siehe oben im 2. Teil IV. 44 Vgl. Amtl. Begr. (BT-Drs. 7/550), S. 271.

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bb) Fordern? § 331 Abs. 3 StGB nimmt das "Fordern" ausdrücklich von den genehmigungsfähigen Handlungen aus. In dieser Strenge drückt sich die besondere Unrechtsqualität des Forderns aus, die entweder in der Bedrückung der Bürger oder aber zumindest im Ergreifen der Initiative zum Unrechtspakt zu finden ist.45 §§ 70 BBG, 10 BAT erwähnen das Fordern nicht. Die Verbotsnoxmen gelten für das Fordern analog, weil es als die schlimmere Handlungsweise erst recht verboten sein muß, wie §§ 52 Abs. 1 S. 2, 54 S. 2 BBG gezeigt haben.46 Deshalb kommt eine analoge Anwendung der Genehmigungsklauseln nicht ohne weiteres in Betracht: Wenn das Fordern in erhöhtem Maße gegen die Regeln des öffentlichen Dienstes verstößt, so kann es nicht schon deshalb analog genehmigungsfähig sein, weil "mildere" Handlungsweisen es sind. Andere Gründe, die für eine Genehmigungsfähigkeit des Forderns sprechen könnten, sind jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr wird das Fordern - in scharfer wie in milder Form - dem Beamten stets als besonders verwerflich angelastet.47 Deshalb ist hier eine Genehmigung nicht möglich.48 Ein Blick auf § 14 Abs. 1 und 2 HeimG49 bestätigt dieses Ergebnis: Auch dort sind nur Annahme und Sichversprechenlassen ausdrücklich verboten und zugleich erlaubnisfähig; das Fordern ist über den Wortlaut hinaus erst recht verboten, aber dem Wortlaut gemäß einer Genehmigung nicht zugänglich. Das ist in Rechtsprechung und Literatur zum Recht des öffentlichen Dienstes nirgends bestritten. Um so erstaunlicher ist es, daß strafrechtliche Stellungnahmen sich in diesem Punkt auf den offenen Wortlaut des § 70 BBG berufen und einen Widerspruch zum Strafrecht konstatieren.50 Mit gleichem Recht könnte man behaupten, das Beamtenrecht lasse auch eine Genehmigung für eine Bestechlichkeit im Sinne des § 332 StGB zu, denn auch das wird vom Wortlaut nicht ausgeschlossen. Man sieht hier jedoch keinen Widerspruch und akzeptiert das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal in § 70 BBG. Es ist nur

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Siehe oben im 2. Teil 13 c. Vgl. auch Amtl. Begr. (BT-Drs. 7/550), S. 271. Oben im 2. Teil IV. 47 BDH, DokBer 1961, 1561; 1964, 2239 f.; 1966, 2866; BVerwG, DokBer B 1973, 113 f.; pr. OVG, RVerwBl. 1936, 944 (945); Lindgen, ZBR 1962, 318 (321); Nadler/ Wittland/Ruppert, § 15 Rn 11; vgl. auch DiszH RliPf, ZBR 1963,191. 48 Lindgen, Hb, S. 502, 513. - Zur Korrektur über die Sozialadäquanz siehe im 2. Teil VI 4. 49 Gesetz über Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige (Heimgesetz) v. 7.8.1974 (BGBl. I, S. 1873). 50 So Cramer, ebd. (Fn 36); Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 35. Vorsichtiger Jescheck, in: LK, § 331 Rn 16 ("nicht ausdrücklich ausgeschlossen"). 46

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

konsequent, in diese ungeschriebene Einschränkung auch das Fordern einzubeziehen. Was für das Fordern selbst gilt, muß entsprechend für die Annahme des geforderten Vorteils gelten. § 331 Abs. 3 StGB spricht das deutlich aus: Selbst Annahme und Sichversprechenlassen sind nicht genehmigungsfahig, wenn sie einen Vorteil betreffen, den der Täter zuvor gefordert hat. Das ist nur konsequent. Dem geforderten Vorteil haftet seine Genehmigungsunfähigkeit gleichsam an. Es wäre seltsam, würde ein Amtsträger wegen der Forderung eines Vorteils bestraft, dessen Annahme ihm genehmigt worden ist. Auch hier besteht kein Widerspruch zwischen den verschiedenen Rechtsgebieten: Strafrecht und Recht des öffentlichen Dienstes lassen keine Genehmigung des Forderns oder der Annahme eines geforderten Vorteils zu. e) Die Einheit der Rechtsordnung Auch nach dem Recht des öffentlichen Dienstes darf eine Vorteilsannahme nicht genehmigt werden, wenn sie als Bestechlichkeit auftritt, einen Richter betrifft oder wenn der Vorteil gefordert wird. Diese oben dargelegten Restriktionen der §§ 70 BBG, 10 BAT, 46 DRiG sind allgemein anerkannt, wenn auch Anzahl und Eindeutigkeit der Stellungnahmen schwanken. Die dafür vorgebrachten Argumente sind freilich nicht zwingend. Es ist zwar richtig, daß alle drei Fälle in deutlich höherem Maße das geschützte Rechtsgut gefährden und ein höheres Unrecht darstellen als jene "Normalfälle", die keine dieser drei Besonderheiten enthalten. Das allein muß aber nicht unbedingt ausreichen, um die Genehmigungsmöglichkeit stets und ausnahmslos entfallen zu lassen. Denn im Einzelfall mag der typische Unwert durchaus einmal infolge besonderer Umstände auf ein solches Maß reduziert sein, daß eine Genehmigung immerhin zu bedenken wäre.51 Wirklich überzeugend lassen sich diese Restriktionen daher nur mit anderen, systematischen Erwägungen begründen: Ließe man in den drei genannten Fällen im Recht des öffentlichen Dienstes eine Genehmigung zu und würde sie erteilt, so bestünde in der Tat52 ein Normwiderspruch zu § 331 Abs. 3 StGB,53 der hier eindeutig keine Genehmigung zuläßt. Dieser Widerspruch über Recht 51

Vgl. dazu die ganz ähnlichen Probleme bei der stillschweigenden generellen Genehmigung und der Sozialadäquanz; oben 2. Teil VI 4. 52 So sieht es die strafrechtliche Literatur häufig; vgl. Cramer, ebd. (Fn 36); Jescheck, in: LK, § 331 Rn 17; Rudolphi, ebd. (Fn 50). 53 Freilich nur dort, wo neben dem dienstrechtlichen Verbot zudem das - etwas engere - strafrechtliche eingreift. Aber dieser Deckungsbereich ist hinreichend groß, vgl. zusammenfassend im 2. Teil VE.

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und Unrecht bedürfte einer Auflösung. Dazu stellt sich die Frage, welche Regelung den Vorrang genießt: die strafrechtliche oder die außerstrafrechtliche? Die privatrechtlichen Vereinbarungen in den Tarifverträgen darüber, was arbeitsvertraglich erlaubt ist, können natürlich gegenüber der (straf)gesetzlichen Regelung nichts bewirken.54 Die Landesbeamtengesetze müssen gemäß Art. 31 GG dem Bundesrecht folgen. 55 Folglich stehen sich § 331 Abs. 3 StGB und §§ 43 BRRG, 70 BBG, 46 DRiG gegenüber. § 331 Abs. 3 StGB ist die jüngste56 und zugleich detaillierteste Bestimmung zu den drei Fallgruppen. Die Grundsätze über den Vorrang der lex specialis und der lex posterior 57 sprechen - ganz im Sinne der allgemeinen Auffassung - für den Vorrang der strafrechtlichen Regelung. Als jüngere Norm spiegelt § 331 Abs. 3 StGB den aktuellsten Stand der legislativen Meinung wider, die sich ausdrücklich auch auf das Recht des öffentlichen Dienstes erstreckt hat.58 Vor allem aber müßten seine besonderen materiellen Genehmigungsvoraussetzungen leerlaufen, wenn stets schon eine Rechtfertigung gemäß § 70 BBG einträte; damit hätte § 331 Abs. 3 StGB keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr, sobald das Strafrecht mit dem Beamtenrecht kollidiert. 59 Nun mag man darauf hinweisen, daß die Vorschrift ihre strengen Voraussetzungen für die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes beibehalten könnte. Das aber hieße, einen schweren Wertungswiderspruch in Kauf zu nehmen. Je nach der Art des Amtsträgers - mal Beamter, mal Arbeiter - wäre der Vorteilsnehmer einmal aus § 70 BBG gerechtfertigt und dann wieder wegen des unerfüllten § 331 Abs. 3 StGB nicht gerechtfertigt. Diese Ambivalenz wäre untragbar. 60 Die Vermeidung von Norm- und schweren Wertungswidersprüchen bestätigt die in "rechtsgebietsisolierter" Untersuchung gefundenen Aussagen: In allen drei genannten Fällen ist eine Genehmigung der Vorteilsannahme gesetzlich unzulässig. Für § 10 BAT kann das Gesagte noch nichts bedeuten. Er ist dem Streben nach Einheit nicht verpflichtet, weil er nicht zur Rechtsordnung gehört.61 Er 54

Oben, 3. Teil m 3. Das ist zwar grob vereinfacht, genügt aber für unsere Zwecke. 56 Siehe im 1. Teil IV 1, 3. BBG und BRRG sind allerdings erst 1985 neu bekanntgemacht worden; 1. Teil IV 1 in Fn 96 f. 57 Trotz all der Schwierigkeiten, die mit ihnen verbunden sind; siehe nur Engisch, Einführung, S. 162 f., und Einheit, S. 47-50. Siehe auch vorne im 3. Teil EI 1 a. 58 Vgl. Amtl. Begr. (BT-Drs. 7/550), S. 271. Dagegen besagt die Neubekanntmachung der Beamtengesetze (siehe Fn 56) nichts; §§43 BRRG, 70 BBG wurden ohne neuerliche Reflexion über ihren Inhalt übernommen. 59 Das ist der Gedanke, auf dem der Vorrang der spezielleren Norm beruht; vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 267 f. 60 Schon oben im 3. Teil IV a.E. 61 Oben im 3. Teil m 3. 55

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

ist jedoch der Auslegung bedürftig und fähig. Das läßt Raum für die Einsicht, daß § 10 BAT den beamtenrechtlichen Vorschriften nachgebildet ist und daß für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes eine einheitliche Regelung getroffen werden sollte.62 Die Auslegung des § 10 BAT führt somit zu demselben Ergebnis.

3. Behördliches Ermessen

Liegen die formellen und materiellen Genehmigungsvoraussetzungen vor, so ist die zuständige Stelle nicht zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet. Nach dem Beamtenrecht muß sie die Entscheidung in einem Verwaltungsakt nach "freiem", d. h. pflichtgemäßem Ermessen treffen. 63 Im öffentlichen Recht bestimmt sich die Ausübung des Ermessens z.B. nach § 40 VwVfG. Danach muß sich die Behörde am Zweck des § 70 BBG orientieren und darf die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschreiten. Die Kompetenz verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung erstreckt sich gemäß § 114 VwGO auf die Frage, ob ein Ermessensfehlgebrauch 64 vorliegt. Im Recht der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes ist die Genehmigung eine privatrechtliche Willenserklärung; die Entscheidung ist gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen. 65 Auch hier kann beim Arbeitsgericht nur die Überschreitung der Grenzen des Ermessens geltend gemacht werden.66 In beiden Fällen muß die zuständige Stelle nicht nur den Zweck der §§ 70 BBG, 10 BAT in ihre Überlegungen einbeziehen, sondern auch das Interesse des Beamten oder Angestellten an der Annahme des Vorteils. Im öffentlichen Recht folgt diese Pflicht aus dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der eine Abwägung der kollidierenden öffentlichen und privaten Interessen verlangt;67 in § 315 Abs. 1 BGB ist diese Pflicht in dem Merkmal des "billigen"

62

Baumgärtel, in: GKÖDIV, T § 10 Rn 2; Clemens u.a., § 10 Erl. 2; Scheuring u.a., § 12 Erl. 1. Anders nur dort, wo der Wortlaut ausdrücklich abweicht, Beispiel: Vorteilsannahme nach Verlassen des öffentlichen Dienstes; oben 2. Teil II 2. 63 Mühl, in: GKÖD I, K § 70 Rn 10; Ule, § 43 BRRG Rn 4. 64 Einschließlich Ermessensüber- oder -unterschreitung. Allgemein dazu Martens, in: Erichsen/Martens, § 12 II 2 c (S. 197). 65 BAG, NVwZ 1985, 142 (143); Baumgärtel, aaO (Fn62), Rn9; Böhm/Spiertz, § 10 Rn 20; Brüse, in: PK-BAT, § 10 Rn 10; Clemens u.a., § 10 Erl. 7. 66 Söllner, in: MünchKomm, § 315 Rn 14. 67 BVerfGE 50, 166 (174); 51, 386 (396); BVerwGE 35, 291 (293); 42, 133 (134); 56, 56 (59); Martens, aaO (Fn 64), § 12 ü 2 b (S. 196), § 15 II 1 b a.E. (S. 222); Maurer, § 7 Rn 15; Wolff/Bachof, VerwR I, § 31 II d 2 a ay (S. 201). Speziell zum Dienstrecht VG Gelsenkirchen, Urt. v. 24.4.1992 - 12 K 2499/89 -, S. 12, 13 f.; Arndt, in: Behnke, Einf. B,Rn21.

I. Die rechtmäßige Genehmigung

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Ermessens enthalten, das eine Verwirklichung der Austauschgerechtigkeit im Einzelfall anzustreben gebietet.68 Das Ermessen der zuständigen Stellen wird durch zahlreiche Verwaltungsvorschriften angeleitet.69 Sie gelten für die beamtenrechtliche Genehmigung ebenso wie für die arbeitsrechtliche.70 Zum einen wiederholen sie die vorgegebenen Grenzen71 und bestätigen insoweit nur die Norm (§§ 70 BBG, 10 BAT). Zum anderen bestimmen sie, daß eine Genehmigung "nur erteilt werden darf 1, wenn keine Gefahr für die Unbefangenheit des Beamten oder für das Vertrauen Dritter in dessen Unbefangenheit bestehe;72 allein die Berliner Verwaltungsvorschrift 73 spricht davon, daß diese Gefahren bei der Entscheidimg "zu berücksichtigen" sind. Bei diesen Fällen handelt es sich um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, um eine bloße Kontrollerlaubnis. 74 Wird das geschützte Rechtsgut durch die Vorteilsannahme gar nicht berührt, gibt es auch keinen Anlaß zur Versagung der Genehmigung. Sind aber in solchen Fällen die Rechtsgüter, deren Schutz die Norm bezweckt, nicht einmal gefährdet und streitet andererseits die allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers für die Vornahme der präventiv verbotenen Handlung, dann ist nicht mehr zu sehen, welcher Ermessensspielraum der Behörde verbleiben könnte. Das muß zwar nicht zu einer "Korrektur" des Wortlautes führen wie in § 35 Abs. 2 BauGB;75 wohl aber ist hier das behördliche Ermessen auf Null reduziert. 76 Genehmigungsvorschriften können nicht nur als Kontrollerlaubnisse, sondern auch als Ausnahmebewilligungen zu verstehen sein, als repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt. 11 Dieses Prinzip wird von den Richtlinien negiert: Besteht eine Gefahr für das Rechtsgut, so verbieten sie eine Genehmigung, selbst wenn der Integrität des öffentlichen Dienstes im konkreten Fall andere, überwiegende Rechtsgüter entgegenstehen, seien das private Rechtsgü68

BGHZ 41, 271 (279); Söllner, aaO (Fn 66), Rn 16. Speziell zu § 10 BAT Böhm/ Spiertz, § 10 Rn 20. 69 Siehe die Auflistung im 1. Teil IV 1 in Fn 100 f. Zu ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften allgemein siehe etwa Ossenbühl, in: Erichsen/Martens, § 7 IV 2 b bb, 4 a (S. 86, 89). 70 2. Teil VI 2 in Fn 194. 71 Z.B. keine Genehmigung bei Bezug zu pflichtwidriger Diensthandlung; vgl. nur VV NW zu § 76, aaO (Fn 16), Nr. 3.4. S. 2. 72 Vgl. wiederum W NW zu § 76, aaO (Fn 16), Nr. 3.4 S. 1. 73 Unter m. 4.5. (nachgew. im 1. Teil Fn 101). 74 Vgl. Maurer, § 9 Rn 51-54. 75 Denn dort enthält bereits der Tatbestand den unbestimmten Rechtsbegriff "keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange"; siehe BVerwGE 18, 247 (249-251); 25, 161 (162). 76 Vgl. allgemein dazu Martens, aaO (Fn 64), § 12 II 2 c cc (S. 199 f.). 77 Dazu etwa Maurer, § 9 Rn 55 m.w.Nachw.

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

ter des Antragstellers 78, dessen allgemeine Handlungsfreiheit für sein Recht zur Annahme des Vorteils streitet, oder auch andere öffentliche Interessen,79 etwa - im Auswärtigen Dienst - der Bundesrepublik die Gunst der Vertreter ausländischer Staaten zu erhalten.80 §§70 BBG, 10 BAT, deren Ermessensanordnung die Richtlinien konkretisieren sollen, kennen diese Einschränkung nicht. Die Einräumung eines Ermessens dient vielmehr gerade zur Verwirklichung der Gerechtigkeit im Einzelfall. 81 Das bedeutet die Anweisung, in die Abwägung alle beteiligten Interessen einzubeziehen. Wäre wirklich nur dasjenige Rechtsgut beachtlich, dessen Schutz die Norm dient, wäre kein behördliches Ermessen erforderlich. Dann hätte es viel näher gelegen, schon im Gesetz anzuordnen, was nun die Richtlinien bestimmen: Eine Genehmigung kann (und muß!) genau dann und nur dann erteilt werden, wenn die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung durch die Vorteilsannahme nicht gefährdet wird. Es besteht kein Anlaß zu der Vermutung, daß §§ 70 BBG, 10 BAT so gemeint gewesen wären. Die Einräumung des Ermessens spricht deutlich dagegen. Dem Gesetzgeber war klar, daß die Vorteilsannahme zwar in der Regel mehr Schaden als Nutzen stiftet, in atypischen Fällen aber durchaus nicht zu beanstanden ist. Die atypische Lage kann dabei offensichtlich aus beiden genannten Umständen herrühren: Die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes kann schon gar nicht gefährdet sein, und es können wichtigere Interessen dem Verbot entgegenstehen. Eine detaillierte Regelung der Ausnahmefälle auf gesetzlicher Ebene mußte dem Gesetzgeber zu umständlich und unpraktikabel erscheinen.82 Deshalb hat er die konkrete Abwägung in die Hände der Verwaltung gelegt, indem er ihr ein Ermessen eingeräumt hat. Folglich hat die Genehmigungsbehörde bei ihrer Entscheidung auch diejenigen rechtlichen Interessen zu berücksichtigen, dieför die Annahme des Vorteils streiten. Erst diese Deutung entspricht den eigenen Interessen des Gesetzgebers (denn nur so können auch andere öffentliche Interessen berücksichtigt werden) und den grundrechtlichen Erwägungen

78

Das vertritt auch Preisendanz zu § 331 StGB; dort in Anm. 4 b . - Allg. zur Berücksichtigung der privaten Interessen bei der Ermessensausübung oben bei Fn 67 f. 79 So ausdrücklich etwa § 23 Abs. 1 LadenschlußG. Siehe auch BVerwGE 56, 56 (59); Maurer, § 9 Rn 55. 80 Ausdrücklich RdSchr. d. BMI, betr. Geschenke ausl. amtl. Stellen, (nachgew. im 1. Teil Fn 100) in Nr. 3. Siehe dazu auch das Urteil des OVG Münster vom 18.10.1991 (im 5. Teil pr.). 81 Bachof, JZ 1972,641 (642); Maurer, § 7 Rn 8. 82 Selbst dort, wo er Erlaubnis und Befreiung genauer geregelt hat, finden sich häufig salvatorische Klauseln, die der Behörde eine Einzelfallabwägung auch in Fällen erlauben, die im Gesetz unberücksichtigt geblieben sind; vgl. etwa § 35 Abs. 2 BauGB oder §68 Abs. 3 BauO NW.

EI. Ergebnis

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zu den Anforderungen an ein behördliches Ermessen,83 die eine Berücksichtigung der privaten Interessen verlangen. Während die Einräumung des Ermessens also zur Verwirklichung der Gerechtigkeit im Einzelfall dient, geben die Verwaltungsvorschriften - das entspricht ihrem Charakter als generelle Rechtssätze - einen allgemeinen, typisierenden Maßstab vor. Es ist jedoch anerkannt, daß die Ermessensbindung durch solche Richtlinien84 nicht die Ausübung eines die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Ermessens verhindern darf. 85 Denn die Richtlinien müssen mit dem objektiven Recht vereinbar sein.86 Soweit die Verwaltung nun einen im Sinne der Richtlinien atypischen Fall zu entscheiden hat - und das sind hier die Fälle des überwiegenden Interesses an einer Vorteilsannahme -, sind die Richtlinien - wörtlich genommen - nicht mehr mit dem objektiven Recht vereinbar, wie die obigen Ausführungen gezeigt haben. Sie sind allerdings einer Korrektur zugänglich. Verwaltungsvorschriften sind keine Außenrechtssätze, sondern haben lediglich als Innenrecht Geltung. Deshalb sind sie wie Willenserklärungen unter Berücksichtigung ihrer Praktikabilität auszulegen,87 so daß im Blick auf die atypischen Fälle nur ein eingeschränkter Geltungswille der Vorschrift besteht.88 Deshalb kann in unserem Fall den Richtlinien nicht entnommen werden, eine Genehmigung aufgrund überwiegender Interessen sei unzulässig. Im Gegenteil müssen die zuständigen Stellen auch hier in einer gerechten Einzelfallentscheidung alle beteiligten rechtlichen Interessen würdigen und gegeneinander abwägen. Die Hinweise in den Richtlinien behalten ihre Bedeutung lediglich insoweit, als sie deutlich machen, welch hohen Rang die Funktionsfahigkeit der Verwaltung hat und daß schon ihrer bloßen Gefährdung in der Abwägung ein beachtliches Gewicht zukommt.

83

Oben bei Fn67. Grundsätzlich besteht eine solche Bindung, denn die Richtlinien sind als innerdienstliche Weisungen verbindlich; z.B. § 55 S. 2 BBG. Siehe nur Maurer, § 24 Rn 16, und Ossenbühl, in: Erichsen/Martens, § 7IV 4 a (S. 89). 85 BVerwGE 31, 212 (213 f.); 37, 57 (59); 70, 127 (142); OVG Münster, NVwZ 1984, 600; Maurer, § 7 Rn 9; WolffTBachof, VerwR I, § 24 II d 2 8, § 31 II c 3 y (S. 119,198). Siehe auch die Nachweise oben in Fn 67. 86 BVerwGE 14, 313 (314 ff.); 36, 323 (325); NJW 1972, 1483. Dies unterfällt der richterlichen Kompetenz zur (impliziten) Oberprüfung; BVerwG, ZBR 1967, 95. 87 BVerwGE 37, 57 (58 f.); DÖV 1971, 748; DVB1. 1982, 195 (197); Kopp, Rn m/50; WolffTBachof, VerwR I, § 24 E d 2 (S. 119). 88 BVerwGE 37, 57 (59); DVB1. 1983, 997 (999). Nur durch diese Reduktion kann die Geltung der Richtlinie überhaupt erhalten werden. 84

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme 4. Rechtsfolge

Ist dem Angehörigen des öffentlichen Dienstes die Zustimmung zur Vorteilsannahme erteilt worden, so "darf' 89 er das Geschenk annehmen. Die Zustimmung stellt eine echte Erlaubnis der Vorteilsannahme dar, der sowohl nach § 331 Abs. 3 StGB als auch nach § 70 BBG strafrechtliche Bedeutung zukommt.90 Deshalb kann es für die Strafrechtsdogmatik nur noch fraglich sein, ob die Zustimmung schon den Tatbestand oder "erst" die Rechtswidrigkeit entfallen läßt. Zur Lösung von Sachproblemen kann die Einordnung allerdings nichts beitragen.91 So könnte etwa bei einem Irrtum des Amtsträgers allein für die Anhänger der strengen Schuldtheorie die Frage auftauchen, ob ein Tatbestandsirrtum (dann Rechtsfolge des § 16 StGB) oder ein bloßer Erlaubnistatbestandsirrtum (dann § 17 StGB) vorliegt.92 Einen weiteren Anwendungsfall glaubt Rengier93 ausgemacht zu haben: den Irrtum des Täters über die Erforderlichkeit einer Genehmigung. Sei die Genehmigung ein rechtfertigender Umstand, so stelle der Irrtum - ganz im Sinne der allgemeinen Ansicht - einen Verbotsirrtum dar; sei sie dagegen ein negativ gefaßtes Tatbestandsmerkmal, liege ein Tatbestandsirrtum vor. Folglich führe die dogmatische Einordnung der Genehmigung zu unterschiedlichen Rechtsfolgen eines Irrtums über die Erforderlichkeit der Genehmigung. Das überrascht, denn an anderer Stelle wendet sich Rengier ausdrücklich gegen das Unternehmen, aus einer umstrittenen dogmatischen Einordnung der Genehmigung materiellrechtliche Konsequenzen zu ziehen.94 Auch seine Begründung kann nicht überzeugen: Dort, wo das Handeln ohne Genehmigung ein Unrechtselement darstelle, der Sinn des Tatbestandes also in der Mißachtung der staatlichen Präventivkontrolle liege, dort erfasse derjenige Täter den normativen Sinngehalt des Tatbestandes nicht, der den Kontrollanspruch für nicht gegeben erachte oder von ihm gar nichts wisse; dann aber werte der Täter in seiner Laiensphäre nicht parallel. Dieses Argument beweist zuviel. Wäre 89

Nach dem Wortlaut des § 70 BBG. Oben im 3. Teil unter m 1 b. 91 Vgl. allgemein Breuer, NJW 1988, 2072 (2080); Ostendorf, JZ 1981, 165 (168); Rudolphi, DVB1. 1986, 302, und bei Lagodny, ZStW 101 (1989), 908 (936); Samson, in: SK, Vor § 32 Rn 57, und JZ 1988, 800 (801). A.A. Burgstaller bei Lagodny, aaO, S. 938; Tiedemann/Kindhäuser, NStZ 1988, 337 (342), und die in Fn99 genannten Anhänger der Rechtsmißbrauchslösung. 92 Zu solchen Fällen BGHSt 31, 264 (285-287); bedenklich OLG Neustadt, MDR 1963, 699. Ob statt diesen Entscheidungen der strengen Schuldtheorie zu folgen ist, kann hier nicht behandelt werden. Ich halte das für falsch. Die m.E. genaueste und überzeugendste Widerlegung für den im Text angesprochenen Bereich findet sich bei Kuhlen, S. 298-332. Siehe noch unten im 5. Teil m 3 b cc bei Fn 270-275. 93 In: ZStW 101 (1989), 874 (884). 94 AaO, S. 890, und bei Lagodny, ZStW 101 (1989), 908 (934 f.). 90

. Die r e i g e Genehmigung

es richtig, müßte für jedes (positive oder negative) Tatbestandsmerkmal gelten, daß der Vorsatz nicht nur das Vorliegen dieses Merkmals umfaßt, sondern darüber hinaus auch noch die Erforderlichkeit seines Vorliegens. Der Dieb müßte nicht nur wissen, daß die weggenommene Sache fremd ist, er müßte noch darüber hinaus wissen, daß die Fremdheit erforderlich war. Und eigentlich: Erforderlich wofür? möchte man fragen. Doch nur zum Eintritt der (primären) Rechtsfolge, des Verbotes - worüber zu irren dann einen Verbotsirrtum darstellt. Rengier ist allerdings zuzugeben, daß zuweilen der Gesetzeswortlaut selbst schon die Erforderlichkeit zum Tatbestandsmerkmal erhebt.95 Diese Entscheidung mag fragwürdig sein, ist aber fraglos gefallen. Der Irrtum darüber wird zum Tatbestandsirrtum.96 Aber dann wäre wiederum ein entsprechender Irrtum auf der Rechtfertigungsebene kein Verbotsirrtum, sondern ein Erlaubnistatbestandsirrtum. Diesen Umschlag verkennt Rengier, weil er nicht genügend zwischen Genehmigung einerseits und ihrer Erforderlichkeit andererseits trennt. Im unrechtsbegründenden Tatbestand ist die Genehmigung ein negatives Merkmal (denn sie muß fehlen), die Erforderlichkeit dagegen ein positives.97 Auf die Rechtfertigungsebene transponiert, wird die Genehmigung umgekehrt zum positiven Merkmal eines Erlaubsnistatbestandes, die Erforderlichkeit aber - und darauf kommt es jetzt an - zu einem negativen. Was im Tatbestand "Wer ohne erforderliche Genehmigung ..." lautet, heißt als Rechtfertigungsgrund: "Wer mit Genehmigung oder ohne Erforderlichkeit einer Genehmigung ...M.98 - Wie man es also auch dreht und wendet, ob Tatbestandsoder Rechtfertigungsmerkmal: Der Irrtum stellt so oder so entweder einen Verbots- oder einen (Erlaubnis-)Tatbestandsirrtum dar; materielle Unterschiede ergeben sich aus der Einordnung nicht. Beachtung könnte die Unterscheidung zwischen tatbestandsausschließender und rechtfertigender Genehmigung allerdings dann finden, wenn man jenem häufig anzutreffenden Gedanken folgt: Es sei unerträglich, einer erschlichenen, aber dennoch rechtswirksamen behördlichen Genehmigung eine un95 Z.B. §§ 327 Abs. 1, 2 Nr. 2, 328 Abs. 1, 330 Abs. 1 Nr. 3, 4. Weitere Beispiele bei Rengier, aaO (Fn 93), S. 886. Siehe auch § 325 Abs. 1 StGB und dazu Stree, in: Schönke/Schröder, § 325 Rn 26. 96 Das ist nicht zwingend. Die Erforderlichkeit kann auch als "gesamttatbewertendes" Merkmal gedeutet werden (näher zu diesen Merkmalen unten im 5. Teil DI 3 b cc bei Fn 270-275). Dann unterfällt ein Irrtum darüber stets dem § 17 StGB, einerlei ob es sich um ein Verbots- oder Erlaubnistatbestandsmerkmal handelt. Ganz in diesem Sinne heißt es oft, der Vorsatz des Täters müsse sich nicht auf das Merkmal "erforderlich" beziehen; so z.B. Horn, in: SK, § 327 Rn 5; Sack, § 327 Rn 121; Steindorf, in: LK, § 327 Rn 28. Dem soll hier nicht weiter nachgegangen werden. 97 Das sieht Rengier, ebd. (Fn 95), nicht. 98 Keinesfalls also schlicht: "Wer mit erforderlicher Genehmigung ..."

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

rechtsausschließende Wirkung beizumessen; sei das Fehlen einer Genehmigung Tatbestandsmerkmal, so erzwinge allerdings der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG deren Beachtlichkeit; sei die Genehmigung dagegen ein "bloß" rechtfertigender Umstand, so sei eine Korrektur mittels des Rechtsmißbrauchsgedankens möglich." Damit wäre freilich das zu Beweisende schon vorausgesetzt. Denn die These, Art. 103 Abs. 2 GG gelte nur für Verbotstatbestände, nicht aber für Rechtfertigungsgründe, ist ja nur auf der Prämisse sinnvoll, daß Tatbestand und Rechtswidrigkeit wirklich eigenständige Wertungsstufen darstellen. Dafür aber läßt sich keine Begründung finden. Deshalb läuft die Argumentation gerade in die umgekehrte Richtung: Weil es keinen gehaltlichen Unterschied gibt, gilt Art. 103 Abs. 2 GG sowohl für Verbots- als auch für Erlaubnistatbestände. Allerdings ist es dennoch in der Sache meist richtig und lediglich irreführend, wenn es überwiegend heißt, der Bestimmtheitsgrundsatz gelte für die Rechtfertigungsgründe nur "eingeschränkt".100 Denn diese Einschränkungen beruhen auf dem Gedanken, daß bei vielen Rechtfertigungsgründen in dem komplexen Geflecht verschiedenster beteiligter Rechtsinteressen keine derart klare Bündelung relevanter Merkmale möglich ist, wie dies auf Tatbestandsebene gelingt. Daraus läßt sich - und hier gerät unser Thema wieder in den Blick - nicht ableiten, daß dort, wo das Gesetz nun doch einmal einen Unrechtsausschlußtatbestand explizit und präzise formuliert, mit eben derselben Freiheit ein weiteres (strafbarkeitsausdehnendes!) Merkmal hinzugenommen werden darf. In § 32 StGB etwa ist der Rechtsmißbrauchsgedanke durchaus akzeptabel, weil diese Norm dem Richter nach ihrem Wortlaut ("geboten") eine Abwägung aufgibt. In § 331 Abs. 3 StGB wie in allen anderen Fällen einer 99 Allg. LG Hanau, NJW 1988, 571 (576); Horn, NJW 1981, 1 (3); Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn 61 u. v.a. 63; ders., in: Festschr. f. Pfeiffer, S. 32-34; Peine, NJW 1990, 2442 (2448); Roxin, AT, Rn 18/47, 51; Sack, § 327 Rn 37b; Schall, NJW 1990, 1263 (1268); Seier, JA 1985, 23 (27); Tiedemami/Kindhäuser, NStZ 1988, 337 (344); Winkelbauer, UmweltstrafR, S. 67, und NStZ 1988, 201 (kritisch aber dort auf S. 205); differenzierend Dölling, JZ 1985, 461 (464). Speziell zu § 331 StGB Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 53; Creifelds, GA 1962, 33 (41); Dreher/Tröndle, § 331 Rn 19 (anders zum Umweltstrafrecht Tröndle bei Lagodny, aaO [Fn 94], S. 939); Jescheck, in: LK, § 331 Rn 18; Lackner, § 331 Rn 17; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn46. Noch weitergehend Baumann, BB 1961, 1057 (1066): Schon das Fehlen der "vollen Kenntnis des wahren Sachverhaltes" mache die Genehmigung unwirksam. - Ostendorf, JZ 1981,165 (168,174 f.), und Otto, Jura 1991, 308 (313), halten auch eine Korrektur des Tatbestandes für möglich. 100 Z.B. Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 40; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn 25. - Weitergehend Amelung, JZ 1982, 617 (620): Bei Rechtfertigungsgründen gelte Art. 103 Abs. 2 GG gar nicht, sondern nur Art. 20 Abs. 3 GG. Die Gegenposition bezieht Rüping, in: BK, Art. 103 Abs. 2 GG (Zweitbearb.), Rn 50, 68: Verbot jedweder dem Wortsinn nicht mehr entnehmbarer Einschränkung bei Rechtfertigungsgründen. - Ähnlich wie im Text Eser, in: Schönke/Schröder, § 1 Rn 14,14a.

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behördlichen Genehmigung aber liegt die erforderliche Abwägung in Händen der zuständigen Behörde; der Strafrichter ist an deren Entscheidung gebunden. Wollte der Strafrichter mittels des Rechtsmißbrauchsgedankens nun doch wieder seine Wertung an die Stelle der behördlichen setzen, würde diese gesetzlich angeordnete Kompetenzverteilung zwischen vollziehender und rechtsprechender Gewalt unterlaufen. Darüber hinaus kann die Rechtsmißbrauchslösung im Bereich der Verwaltungsakzessorietät aus folgenden weiteren Gründen keine Anwendung finden.101 Erstens erzeugt sie einen Wertungswiderspruch. Die Einordnung der Genehmigung als Tatbestandsausschluß oder als Rechtfertigungsgrund beruht in erster Linie auf systematischen und dogmatischen Erwägungen auf dem Boden des jeweils zugrundegelegten Deliktsaufbaus. 102 Für den Täter, der sich eine Genehmigung erschleicht, und für das von ihm verwirklichte Unrecht ist diese Einordnung ganz zufällig. Deshalb ist nicht einzusehen, warum dann hiervon abhängen könnte, ob er rechtmäßig oder rechtswidrig gehandelt hat.103 Noch schwerer wiegt ein zweites Bedenken: Die Rechtsmißbrauchslösung tastet die verwaltungsrechtliche Wirkung der erschlichenen Genehmigung, also ihre Bedeutung als echte, allgemeine Erlaubnis nicht an und läßt damit die "strafrechtliche" Rechtfertigung erst später als die "außerstrafrechtliche" einsetzen. Damit erzeugt sie einen echten Normwiderspruch. Das aber ist nicht akzeptabel.104 Zur Einordnung daher nur so viel: Die überwiegende Ansicht hält § 331 Abs. 3 StGB für einen Rechtfertigungsgrund. 105 Teilweise wird ein Tatbe-

101 Ebenfalls dagegen Horn, in: SK, Vor § 324 Rn 16, und NJW 1988, 2335 (23362338); Hüwels, S. 42-48; Jakobs, Rn 16/29a; Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (884890); M. Schröder, VVdStRL 1991, 196' (225), Wimmer, JZ 1993, 67 (69 ff.), meist mit weiteren, über den Text hinausgehenden beachtlichen Erwägungen. Kritisch auch Samson, in: SK, Vor § 32 Rn 61. 102 Erhellend etwa Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rn 18. Siehe auch Fn 114. 103 Ebenso Rengier, aaO (Fn 93), S. 889 f. 104 Zur Unzulässigkeit eines Stufen Verhältnisses in dieser Richtung siehe näher im 3. Teil DI 1 b aa, cc. 105 BGHSt 31, 264 (285); OLG Hamburg, HESt 2, 339 (341); OLG Frankfurt, NStZ 1989, 76 f.; E 1962, S. 652; Arzt/Weber, Rn455; Baumann, BB 1961, 1057 (1066); Benfer, Rn 719; Blei, BT, S. 462, und JA 1974, 377 (380); Böhm/Spiertz, § 10 Rn 27; Brauer, S. 163; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn48; Dingeldey, NStZ 1984, 503 (505); Dreher/Tröndle, § 331 Rn 18; Eser, S. 228; Haft, S. 288; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 16; Krey, BT, Rn 670; Lackner, § 331 Rn 14; Maiwald, JuS 1977, 353 (356); Preisendanz, § 331 Anm. 4 pr.; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn40; Eb. Schmidt, Bestechung, Rn 258.

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

standsausschluß befürwortet. 106 Man wird unterscheiden müssen.107 Die Genehmigung der Vorteilsannahme kann Befreiung von einem repressiven Verbot sein. Hier wird die Behörde im Rahmen ihrer Dispositionsbefügnis nach dem Prinzip des überwiegenden Interesses tätig. 108 Soweit die Genehmigung einem Angestellten oder Arbeiter des öffentlichen Dienstes erteilt wird, ist diese privatrechtliche Willenserklärung nichts anderes als eine Einwilligung im herkömmlichen Sinn; soweit die Genehmigung einem Beamten erteilt wird, beruht sie zumindest auf identischen Wertungen und Figuren: Der Dispositionsbefugte darf eine maßgebliche Interessenabwägung vornehmen. 109 Insoweit kann auf die Ansichten zur dogmatischen Einordnung der Einwilligung verwiesen werden. 110 Die Genehmigung kann aber auch auf der Feststellung beruhen, daß das zu schützende Rechtsgut hier nicht in Gefahr, daß die Vorteilsannahme in diesem Einzelfall unbedenklich ist. Darin liegt nun keine Entsprechung zu dem zweiten Prinzip, auf dem eine Einwilligung beruhen kann, dem Gedanken des mangelnden Interesses. 111 Denn die Genehmigungsstelle gibt hier nicht etwa ein gefährdetes Rechtsgut preis, weil sie sich an dieser "kleinen Gefahr" nicht

106 Jung, in: Einführung, S. 129; Roxin, AT, Rn 17/45; Schmidhäuser, BT, Rn 24/8; Steindorf, in: LK, § 330a Rn 16; Wagner, Amtsverbrechen, S. 305 f., 372; Winkelbauer, NStZ 1988, 201 (202 f.). - Sax, JZ 1977, 326 (333) versteht sie als "negative Strafwürdigkeitsvoraussetzung". Diese eigenständige Deliktsstufe befürwortet er in JZ 1976, 9 ff., 429 ff.; gegen sie Otto, in: Gedächtnisschr. f. Schroeder, S. 58-68. 107 Weiterführend allg. Jakobs, Rn 16/28 f. Speziell zu § 331 vgl. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, Rn 78/23 f., wonach die Genehmigung entweder rechtfertigt oder aber belanglos ist, weil schon der Tatbestand mangels Rechtsgutsverletzung nicht betroffen ist. 108 Dazu klingen bei Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn49, und Winkelbauer, ebd. (Fn 106), Bedenken an. Sie beruhen darauf, daß die Autoren zu sehr auf den Wortlaut der Verwaltungsvorschriften abstellen und von deren unbedingter Maßgeblichkeit für die Genehmigungsstellen ausgehen. Siehe dagegen oben im Text unter 3. Cramer gibt seinen Bedenken letztlich kein Gewicht, vgl. aaO, Rn 48, 50; wohl aber Winkelbauer. 109 Jakobs, Rn 16/28 f., differenziert zwischen einer Genehmigung, die auf behördlicher Dispositionsbefugnis beruhe, und einer Genehmigung, in der die Behörde Risiko und Vorteil abwäge; ähnlich Brauer, S. 52. Das scheint mir keinen sachlichen Unterschied darzustellen: Die Behörde könnte nach erfolgter Abwägung das Schutzgut der Norm nicht zurücktreten lassen, wenn sie nicht dispositionsbefugt wäre; vgl. noch Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (876); Winkelbauer, UmweltstrafR, S. 21, und NStZ 1988, 201 (203). 110 Die h.M. nimmt Rechtfertigung an, die Mindermeinung befürwortet Tatbestandsausschluß; zum Meinungsstand siehe nur Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn 29, 33 f. Differenzierend etwa Jakobs, Rn 7/111-113. 111 So aber Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn48; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 40. Wie hier allgemein Winkelbauer, UmweltstrafR, S. 21.

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störte, sondern sie stellt schon die Ungefährlichkeit fest. Sie trifft keine Abwägung und disponiert nicht über das Rechtsgut. Sie stellt vielmehr fest: Die Verwirklichung des abstrakten Gefährdungstatbestandes ist konkret ungefährlich. Dieses Feststellungsergebnis allein kann aber nicht der Grund für die Erlaubnis sein, denn das Gesetz verlangt die behördliche Entscheidung und läßt keine andere, noch so kompetente Beurteilung der Sachlage gelten. Selbst eine vom Täter geglaubte und ex post bestätigte völlige Ungefährlichkeit soll nach dem Gesetz nicht ausreichen.112 Das Gesetz verlangt vom Täter die Befragung des Dienstherrn und bestraft den Ungehorsam, wenn die vorgeschriebene Kontrolle unterlaufen wird. Es bindet die Nichteinholung der Genehmigung damit nach ganz überwiegender Ansicht bereits in den Tatbestand ein.113 Zwingend ist das freilich nicht.114 Man könnte auch argumentieren, der Gesetzgeber habe die Genehmigung deutlich vom Tatbestand getrennt,115 der Tatbestand sei also nun einmal erfüllt, 116 und deshalb existiere die darin beschriebene abstrakte Gefahr. Damit aber liege das typische Unrecht vor, das zu umschreiben die Aufgabe des Tatbestandes ist; 117 die Genehmigung hebe lediglich dieses typische Unrecht auf. Nähme man den Blick vom hochabstrakten Rechtsgut der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes auf das "handfestere" der Uneigennützigkeit der Bediensteten oder des Vertrauens in die Integrität des öffentlichen Dienstes,118 so stellte jede tatbestandliche Vor112

Zu diesem allgemeinen Problemkreis im Rahmen der abstrakten Gefährdungsdelikte vgl. Berz, S. 100-118 m.w.Nachw. 113 Siehe dazu Brauer, S. 51 f.; Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 160; Jescheck, S. 331; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn61; Roxin, AT, Rn 17/44 f.; Winkelbauer, UmweltstrafR, S. 20. 114 Und auch nicht eindeutig. Jescheck etwa deutet die behördliche Erlaubnis in § 284 StGB mal als "negativ gefaßtes Tatbestandsmerkmal" (S. 221), mal als Rechtfertigungsgrund (S. 330). - Kritisch zu dieser Bindung an verwaltungsrechtliche Kategorien auch Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (878-881). 115 Allgemein messen dem Wortlaut die entscheidende Bedeutung zu Maurach/Zipf, AT 1, Rn 29/18; Meyer, JuS 1983, 513 (514). Kritisch Rengier, NStZ 101 (1989), 874 (879). 116 So Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 47; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 20. 117 Zur allgemeinen Sicht des Tatbestands als Inbegriff der charakteristischen Unrechtsmerkmale siehe nur Jescheck, S. 221, m.w.Nachw. - Deshalb paßt jedenfalls hier die These nicht, Handlungen, die nur einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterliegen, fehle typischerweise das Unrecht; so aber Winkelbauer, UmweltstrafR, S. 21 f. Rudolphi, in: SK, § 331 Rn40, weist zu Recht daraufhin, daß die typischerweise ungefährlichen Fälle bereits über das Korrektiv der Sozialadäquanz aus dem Tatbestand ausgeschieden worden sind. 118 Auf diese Möglichkeiten weist - allgemein - etwa Jakobs, Rn6/88, hin. § 331 StGB wird in diesem Sinne häufig als abstraktes Gefährdungsdelikt mit vergeistigtem Zwischenrechtsgut bezeichnet; vgl. Schünemann, JA 1975, 787 (798); Wolter, S. 328 f.; ähnlich Loos, in: Festschr. f. Welzel, S. 886-892, und ihm folgend Rudolphi, in: SK, 9 Hardtung

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

teilsannahme eine kleine, wenn auch erst in der Summierung mit anderen spürbare Beeinträchtigung des Rechtsgutes dar; die behördliche Genehmigung der Vorteilsannahme wäre dann doch als Einwilligung aus mangelndem Interesse zu qualifizieren. Da deren dogmatische Einordnung nun auch wieder streitig ist, 119 zeigt sich erneut die Fragwürdigkeit eines Verfahrens, das aus dieser Einordnung materielle Konsequenzen zu ziehen bereit ist. 119a

II. Die rechtswidrige Genehmigung 1. Materielle Rechtswidrigkeit

Die Aussage des § 331 Abs. 3 StGB ist klar: Nur eine materiell rechtmäßige Genehmigung (die zuständige Stelle muß "im Rahmen ihrer Befugnisse" handeln) soll eine Vorteilsannahme im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB (außer bei geforderten Vorteilen) rechtfertigen können.120 Die unrechtsausschließende Wirkung soll danach von der Verträglichkeit der Erlaubnis mit dem materiellen Recht des öffentlichen Dienstes abhängen. Der Strafrichter soll alle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen selbständig überprüfen können; allein den Ermessensspielraum der genehmigenden Stelle muß er beachten.121 Das kollidiert nicht mit dem Recht der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes. Nach § 10 BAT kann der Arbeitgeber die Vorteilsannahme erlauben. Die materiellen Voraussetzungen dafür hat er sich gleichsam selbst auferlegt, denn im Interesse seiner Vertragspartner sind sie gerade nicht. Verstößt nun der vom Arbeitgeber zur Erteilung der Genehmigung Berufene gegen eine dieser Voraussetzungen, so ist dies arbeitsvertraglich ohne Belang, denn er überschreitet nur seine Innenrechtsmacht; die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts "nach außen" bleibt davon unberührt. 122 Diese Wirkung beschränkt sich aber auf eine Erlaubnis im Rahmen des Arbeits Vertrages, für die gesetzliche Wertung besagt sie nichts.123 Ganz in diesem Sinne bestimmt

§ 331 Rn4; vgl. noch Cramer, in: Schönke/Schröder, Vor § 306 Rn 3a, und Tiedemann, ZStW 87 (1975), 253 (273). 119 Oben in FnllO. 119a Ebenso Wimmer, JZ 1993, 67 (69). 120 "Rechtfertigen" steht hier und später für "zumindest rechtfertigen"; vgl. unter 14. 121 So auch fast einhellig das Schrifttum: Dreher/Tröndle, § 331 Rn 20; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 18; Lackner, § 331 Rn 17; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn46; Sturm, JZ 1975, 6 (13). Das ist derselbe Prüfungsumfang, der auch den Verwaltungs- und Arbeitsgerichten zusteht; oben 13 bis Fn 66. 122 Dilcher, in: Staudinger, Vor § 164 Rn 33; Flume, S. 785-787; Heinrichs, in: Palandt, Vor § 164 Rn 2; Thiele, in: MünchKomm, § 164 Rn 97. 123 Oben, 3. Teil m 3.

II. Die rechtswidrige Genehmigung

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§ 8 Abs. 2 S. 3 BAT, daß der Angestellte eine arbeitsrechtliche Weisung "nicht zu befolgen" hat, wenn sie die Begehung einer Straftat zum Inhalt hat124 - eine Freistellung von der Gehorsamspflicht also. Die unanfechtbare Geltung des Strafrechts wird vorausgesetzt. Deshalb kommt die Regelung in § 331 Abs. 3 StGB zur vollen Geltung: Liegen seine tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vor, so bleibt die Vorteilsannahme gesetzlich verboten. Die Lage kompliziert sich, wenn wir auf die beamtenrechtliche Genehmigung blicken. Die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen stimmen dort mit den strafrechtlichen überein.125 Die Genehmigung wird jedoch in der Form eines Verwaltungsaktes erteilt. Für sie gilt also die verwaltungsrechtliche Besonderheit, daß eine mögliche Rechtswidrigkeit die Rechtswirksamkeit nicht hindert (§§ 43 ff. VwVfG). Ihre rechtfertigende Wirkung könnte sich nicht auf das Beamten- und Disziplinarrecht beschränken, sondern würde auch das Strafrecht ergreifen. 126 Damit ist für § 331 StGB ein Problemkreis angesprochen, der vor allem im Umweltstrafrecht diskutiert wird: die Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts. 127 Dort wird die Frage zur Zeit überwiegend im Sinne einer "strengen" oder einer "eingeschränkten Verwaltungsa/rteakzessorietät" beantwortet:128 einerseits keine "extreme" Akzessorietät zum Verwaltungsrecht dort, wo es die ex-tunc-Rücknahme eines Verwaltungsaktes vorsieht;129 kein Durchgriff auf das materielle Verwaltungsrecht andererseits.130 Streitig bleibt hier vor allem, ob das Strafrecht einem Täter die Berufung auf eine rechtswirksame Genehmigung wegen "Rechtsmißbrauchs" verwehren kann, eine Frage, die hier bereits verneint worden ist.131 Im Gegensatz zu den Vorschriften des Umweltstrafrechts stellt sich die Frage nach der Akzessorietät bei § 331 Abs. 3 StGB noch drängender. Anders als dort macht unsere Vorschrift selbst die drei diskutierten materiellen Vorgaben132 und verlangt - gleichsam als doppelte Sicherung - eine materiell 124

Zum Verhältnis von arbeitsrechtlichem Direktionsrecht und Strafrecht vgl. Brüse, in: PK-BAT, § 8 Rn 60, 97. 125 Oben unter 12. 126 Ausführlich im 3. Teil m 1, v.a. b. 127 Das Problem ist dort freilich umfassender. Es beinhaltet über die hier allein interessierende Genehmigung hinaus auch die Frage nach den strafrechtlichen Auswirkungen eines fehlerhaften, aber wirksamen Verbotes; siehe nur Kühl, in: Festschr. f. Lackner, S. 815 ff. 128 Zur Terminologie und zum Meinungsstand siehe Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (890-893). 129 Z.B. Horn, NJW 1981, 1 (3). - Ausführlicher zur Rückwirkung im Strafrecht unten im 5. Teil m 2. 130 Also keine "Verwaltungsrec/zfsakzessorietät". Siehe dazu bereits oben im 3. Teil m 1 b cc. 131 Siehe oben unter 14 bei Fn 99-104. 132 Oben unter 12. *

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

rechtmäßige Genehmigung. Der Wortlaut spricht damit deutlich gegen eine strenge Verwaltungsaktsakzessorietät.133 Die ganz überwiegende Literatur zu §331 Abs. 3 StGB folgt dieser Vorgabe des Gesetzestextes;134 allein Cramer beruft sich auch hier auf die verwaltungsrechtliche Wirksamkeitslehre und hält die fehlerhafte, aber (verwaltungsrechtlich) wirksame Genehmigung auch für strafrechtlich beachtlich.135 Man wird beiden Ansichten zum Teil recht geben können: Cramer im methodischen Vorgehen, der herrschenden Lehre im Ergebnis. Untersuchen wir zum besseren Verständnis zunächst, welche unliebsamen Konsequenzen eine wirksame fehlerhafte Erlaubnis im Strafrecht hätte (unter a); erst danach wenden wir uns der Frage zu, ob die - nach dem bisher, vor allem im 3. Teil Gesagten - offenbar unabwendbare Verwaltungsaktsakzessorietät in der Tat diese mißlichen Konsequenzen hat (unter b).

a) Strafrechtliche Erwägungen Das Strafrecht steht, wir erwähnten es bereits, auf dem Standpunkt, eine fehlerhafte Genehmigung könne eine Vorteilsannahme nicht rechtfertigen. Es möchte den Normwiderspruch zu seinen Gunsten lösen. Dafür existieren gute Gründe, denn die Wirksamkeit einer fehlerhaften Genehmigung hätte untragbare Folgen. aa) Wertungswiderspruch zur arbeitsrechtlichen Genehmigung Von den tarifvertraglichen Vorschriften für die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst werden die strafrechtlichen Bestimmungen nicht beeinflußt. 136 Eine fehlerhafte Genehmigung kann diesen Personenkreis nicht rechtfertigen. Wollte man im vergleichbaren Fall einen Beamten für gerechtfertigt halten, weil seine fehlerhafte Genehmigung als Verwaltungsakt ja nicht unwirksam sei, so stünde man vor einem schweren Wertungswiderspruch, der nicht zu legitimieren und kaum zu beheben wäre.137 133

Genauer: scheint deutlich dagegen zu sprechen; unten b bb ddd. Dreher/Tröndle, § 331 Rn 19; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 18; Lackner, § 331 Rn 17; Maiwald, JuS 1977, 353 (355 f.); Rudolphi, in: SK, § 331 Rn46; Sturm, JZ 1975, 13. Ähnlich BGH, Urt. v. 25.6.1953, 3 StR 608/51 (mitgeteilt bei Eb. Schmidt, Bestechung, Rn 259 f.). 135 In: Schönke/Schröder, § 331 Rn 53. Zur Vereinbarkeit dieser Ansicht mit dem Wortlaut nimmt er allerdings nicht Stellung. 136 Oben 3. Teil m 3. 137 Vgl. 3. Teil IV a.E. 134

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bb) Wertungswiderspruch zwischen § 331 und § 333 StGB Ein weiterer Mißstand ergäbe sich aus dem Zusammenspiel der §§ 331 und 333 StGB, der passiven und der aktiven Vorteilsannahme also. Das Gesetz erklärt Geber und Nehmer für strafbar, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. § 333 StGB stellt zunächst - im Gegensatz zu § 331 StGB - nur die Vorteilsgewährung für eine zukünftige Diensthandlung unter Strafe, sodann muß diese im Ermessen des Amtsträgers stehen. Der Geber befindet sich also nach der Anlage des Gesetzes in der günstigeren Position,138 mit Blick auf das angedrohte Strafmaß zumindest in keiner schlechteren. Gestünde man der fehlerhaften Genehmigung rechtfertigende Kraft zu, so wäre dieses Ergebnis gefährdet. Der Vorteilsnehmer würde von der Genehmigung profitieren. § 331 Abs. 3 StGB könnte ihm zwar nicht helfen, denn dessen Tatbestandsvoraussetzungen sind ja gerade nicht erfüllt; folglich tritt auch seine Rechtsfolge nicht ein. Das ist aber auch nicht nötig. Vielmehr genügen die §§ 70 BBG, 43 ff. VwVfG, um den Verwaltungsakt zugunsten des Beamten wirken zu lassen. Denn genau das besagt ja der Grundsatz von der Einheit der Rechtsordnung: Die Erlaubnisnorm muß nicht dem Strafrecht entstammen.139 Für den Vorteilsgeber stellt sich die Rechtslage deutlich anders dar. Auch ihm steht das Strafrecht nicht zur Seite, denn der Tatbestand des § 333 Abs. 3 StGB140 ist ebenfalls nicht erfüllt. Aber auch unmittelbar auf den Verwaltungsakt kann er sich nicht berufen. Denn "aus sich selbst heraus" erreicht ein Verwaltungsakt nur den Adressaten; der begünstigende Verwaltungsakt legt fest, daß der Adressat etwas darf. Adressat ist in unserem Fall aber nur der Beamte, der Vorteilsnehmer; dem Geber erlaubt die Genehmigung nichts. Das hatte der Strafgesetzgeber deutlich gesehen: "Ist dem Vorteilsempfänger eine entsprechende Genehmigung ... erteilt, dann ist die Vorteilsannahme nach §331 Abs. 3 straflos. Hingegen bliebe der Vorteilsgeber auch in diesem Falle nach § 333 Abs. 1 strafbar. Da dies ungerecht wäre, sieht Absatz 3 ... die Straflosigkeit auch für den Vorteilsgeber vor." 141 Diese Ungerechtigkeit, deren Vermeidung zu Recht das erklärte Ziel des Gesetzgebers war, würde in vollem Umfang neu geboren, gestünde man dem fehlerhaften Verwaltungsakt die Wirkung zu, den Vorteilsnehmer zu rechtfertigen.

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Dazu im 6. Teil I bei Fn8f. Oben 3. Teil DI pr. Und auch die fehlerhafte, aber wirksame Genehmigung nimmt der Tat ihre Strafrechtswidrigkeit; 3. Teil DI 1 b cc. 140 Diese Norm ist § 331 Abs. 3 StGB nachgebildet und mißt der vorherigen Genehmigung ebenfalls zumindest rechtfertigende Wirkung bei; z.B. Cramer, in: Schönke/ Schröder, § 333 Rn 21; Rudolphi, in: SK, § 333 Rn 13; siehe auch unten 6. Teil II pr. 141 Amtl. Begr. (BT-Drs. 7/550), S. 275. 139

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

Damit soll nicht behauptet werden, der Geber müßte in derartigen Fällen zwingend bestraft werden. Der Strafrechtsdogmatik stehen ausreichende Mittel zur Verfügung, dieses Ergebnis zu vermeiden; das Ziel wäre immerhin eine Einschränkung der Strafbarkeit. Es zeigt sich aber, daß die bisherige Ansicht über die Verwaltungsaktsakzessorietät zu diesem schweren Wertungswiderspruch führt. Natürlich können dessen Symptome behandelt werden; besser aber wäre es, das Übel mit der Wurzel auszurotten. cc) Probleme für § 357 StGB und das Strafrecht allgemein Eine weitere mißliebige Konsequenz tritt in § 357 StGB zutage. Diese Norm verbietet dem Vorgesetzten, seine Untergebenen zu einer rechtswidrigen Tat im Amt zu verleiten. Damit sind zumindest die Amtsdelikte des 29. Abschnitts gemeint,142 also auch Vorteilsannahme und Bestechlichkeit. Denken wir uns den Fall so: Ein Dienstvorgesetzter, zur Genehmigung von Vorteilsannahmen zuständig, erlaubt einem seiner Untergebenen die Annahme eines Vorteils, der für eine pflichtwidrige, sogar noch zukünftige Diensthandlung gegeben wird; sein Untergebener, freudig überrascht, macht den Unrechtspakt mit dem Bestecher sogleich fest. Daß der Vorgesetzte ihn damit zur Bestechlichkeit "verleitet", also bestimmt143 hat, kann kaum zweifelhaft sein: Ohne die Genehmigung hätte der Beamte niemals gehandelt, erst sie hat in ihm den Tatentschluß hervorgerufen. 144 Zur Strafbarkeit beider müßte die Tat rechtswidrig gewesen sein. Unsere Prämisse lautet aber, daß der verleitenden Genehmigung rechtfertigende Kraft innewohnt. Die Konsequenzen sind vielseitig. Erstens ginge § 357 StGB ins Leere, sobald nur der Vorgesetzte die Flucht nach vorn ergriffe und die Tat seines Untergebenen gleich erlaubte, anstatt sie bloß geschehen zu lassen und sich mit dieser schwächeren Tathandlung strafbar zu machen. Zweitens, das Beispiel zeigt es, bleiben die Probleme nicht auf § 331 StGB beschränkt. Sie bleiben nicht einmal auf Vorschriften beschränkt, die eine Genehmigung überhaupt zulassen. Statt um Bestechlichkeit könnte es sich ebensogut um Falschbeurkundung (§ 348 StGB) oder auch Aussageerpressung (§ 343 StGB) handeln. Nicht einmal eine Begrenzung auf die Amtsdelikte ist vorgegeben. Es ist (theoretisch) für jedes im StGB beschriebene Delikt denkbar, daß eine Behörde unter Mißachtung des sachlichen Rechts die Tathandlung genehmigt. 142

BGHSt 3, 349; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 357 Rn 9; Rudolphi, in: SK, § 357 Rn 4; Schäfer, in: LK, § 357 Rn 5. 143 "Verleitet" verweist auf die Regeln zur Anstiftung; OHG 2, 23 (30); Rudolphi, in: SK, § 357 Rn 7; Schäfer, in: LK, § 357 Rn 6. 144 Vgl. Cramer, in: Schönke/Schröder, §26 Rn4; Samson, in: SK, §26 Rn2. Auch die häufig geforderte psychische Beeinflussung (dazu Samson, aaO, Rn 5) fehlt nicht.

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dd) Ergebnis Eine Reparatur dieser unerträglichen Schäden mit rein strafrechtlichen Mitteln muß schwerfallen, will man sich nicht völlig vom Gedanken der Verwaltungsakzessorietät lösen. Dies nicht zu tun, besagt aber gerade die Prämisse von der strafrechtlichen Wirksamkeit fehlerhafter Genehmigungen, die wiederum auf dem Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung beruht. Der Schlüssel zur dringend gebotenen Lösung muß außerhalb des Strafrechts gesucht werden.

b) Die öffentlich-rechtliche Lösung Es ist kaum vorstellbar, daß das öffentliche Recht dem Strafrecht derart unerträgliche Vorgaben machen sollte. Das Beamtenrecht (und überhaupt das materielle öffentliche Recht) ist für diese Mißstände nicht verantwortlich; es geht in den materiellen Voraussetzungen einer Genehmigung der Vorteilsannahme mit dem Strafrecht konform. 145 Die Besonderheiten, die zu den geschilderten Spannungen führen, beruhen allein auf den Vorschriften zur Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte. Also liegt es nahe, dort mit der Lösung des Problems anzusetzen. Die richtige Norm für diese Arbeit ist § 44 VwVfG. Hier sind diejenigen Fehler genannt, die zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes führen. In der Tat ist das die Rechtsfolge, mit der die aufgezeigten Probleme im Strafrecht hinfällig würden. Hierfür würde eine Teilnichtigkeit genügen. Wir haben im 3. Teil gesehen, daß die Genehmigung nach § 70 BBG zwei Regelungen trifft. Zum einen erklärt sie den Verzicht auf beamtenrechtliche Sanktionen; insoweit ist dem "dürfen" in § 70 BBG eine ganz spezielle Bedeutung beigelegt, nicht die einer allgemeinen Erlaubnis. Das bedeutet für den Beamten, daß er weder Disziplinarmaßnahmen (§ 70 BBG) noch eine beamtenrechtliche Haftung (§ 78 BBG) für denkbare Schäden befürchten muß, obwohl er die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat. Zum anderen spricht die Genehmigung eine echte Erlaubnis aus, eine allgemeine, also rechtsgebietsüberschreitende Gestattung, soweit es um das spezifische Vorteilsannahmeunrecht geht. Nur diese zweite Regelung kann mit § 331 StGB in Konflikt geraten. Nur sie müßte deshalb zur Vermeidung von Normwidersprüchen nichtig sein. Der Verzicht auf beamtenrechtliche Sanktionen dagegen könnte wirksam bleiben.

145 Überhaupt nimmt die beamtenrechtliche Literatur weitgehend Rücksicht auf die strafrechtlichen Wertungen; vgl. z.B. die extremen Positionen oben 12 a.

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aa) § 44 Abs. 1 VwVfG § 44 Abs. 1 VwVfG enthält eine Generalklausel. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Hier genügt ein Blick auf die zweite Voraussetzung, um zu erkennen, daß diese Vorschrift unseren Ansprüchen nicht genügt. Die Genehmigung einer Bestechlichkeit, um das Beispiel von oben aufzugreifen, ist sicherlich fehlerhaft, und dieser Fehler ist, so kann man unterstellen, auch besonders schwerwiegend. Aber die Offenkundigkeit dieses Mangels muß damit keinesfalls einhergehen.146 Dieses Merkmal meint, daß der Verwaltungsakt seine Fehlerhaftigkeit gleichsam "auf der Stirn trägt". 147 Das mag in einzelnen Fällen durchaus einmal so sein, und dann ist der Täter nicht gerechtfertigt. Aber das ist eine für das Strafrecht eher "zufällige" Lösung148 und eine nur halbe obendrein. Mit § 44 Abs. 1 VwVfG läßt sich allein die Anzahl der problematischen Fälle reduzieren.

bb) § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG aaa) Strafrechtsakzessorietät des Verwaltungsrechts Für unsere Zwecke bedarf es einer Norm, die den Konflikt zwischen Verwaltungsverfahrensrecht und Strafrecht unmittelbar aufgreift und einer allgemeinen Lösung zufuhrt. Für einen Teilbereich ist das explizit geschehen. § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG 149 ordnet an, daß ein Verwaltungsakt stets nichtig ist, wenn er die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straftatbestand verwirklicht. Diese Vorschrift gehört in die Reihe zahlreicher Normen, die stets eine vergleichbare Spannung aufzulösen berufen sind. Immer geht es um die Frage, wieweit sich bestimmte formale Verfahrensregelungen gegen materielle Normen durchsetzen können, um die Spannung zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit also.150 Diese Frage taucht nicht nur dort auf, wo der Staat den Bürger verpflichtet, bei belastenden Verwaltungsakten also, sondern auch dort, wo innerhalb der Staatsorganisation Weisungs-

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Siehe z.B. Martens, in: Erichsen/Martens, § 15 II 2 (S. 225). Kopp, § 44 Rn 9; Merk, S. 870; Meyer/Borgs, § 44 Rn 9; Wolfl/Bachof, VerwR I, §51 Ic4(S. 426). 148 Die "Offenkundigkeit" eines Rechtsfehlers ist ein dem Strafrecht ganz fremdes Kriterium. 149 Gleichlautend §§ 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB X, 125 Abs. 2 Nr. 3 AO 1977. 150 Zur Bedeutung des § 44 VwVfG für diese Frage siehe Häberle, in: Festschr. f. d. Boorberg-Verlag, S. 83 f. 147

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kompetenzen bestehen. In den Beamtengesetzen finden sich besondere Vorschriften über Recht und Pflicht der Beamten zur Remonstration,151 im Strafrecht ist dieser Konflikt in der Diskussion um den rechtswidrigen Befehl in das Blickfeld geraten.152 Alle Vorschriften haben zweierlei gemeinsam. Erstens: Sind Verwaltungsakt, Befehl oder dienstliche Weisung nur "einfach" rechtswidrig, so bleiben sie für den Adressaten verbindlich; betreffen sie dagegen ein strafrechtswidriges, also "qualifiziert" rechtswidriges 153 Verhalten, so tritt die gestaltende Kraft der formalen Anordnung zurück, die Handlung muß und - so ausdrücklich § 11 Abs. 2 S. 1 SG - darf auch nicht mehr ausgeführt werden.154 Die Besonderheit dieser Normen liegt nun darin, daß sie das Verhältnis von Strafrecht und Verwaltungsrecht neu ordnen. Nicht nur dieses beeinflußt jenes; eine Akzessorietät findet vielmehr in beide Richtungen statt. Auch das Verwaltungsrecht interessiert sich für die Wertungen des Strafrechts und mißt ihnen hier sogar an allgemeiner und zentraler Stelle Bedeutung zu.155 Diese Akzessorietät bewirkt eine Harmonisierung der Rechtsgebiete ganz im Sinne des Gebotes einer einheitlichen und widerspruchsfreien Rechtsordnung.156 Denn mit der Nichtigkeit "strafrechtswidriger" Verwaltungsakte ist nicht nur sichergestellt, daß die Straftatbestände vor einer Aushöhlung bewahrt bleiben. Zusätzlich wird erreicht, daß auch in den außerstrafrechtlichen Gebieten der 151

§§ 38 Abs. 2 BRRG, 56 Abs. 2 BBG, 59 Abs. 2 LBG NW; auch § 56 Abs. 3 BGSG. Ähnliche Regelungen finden sich in den Tarifverträgen, z.B. § 8 Abs. 2 S. 3 BAT; dazu oben 1 pr. bei Fn 124. 152 Gesetzliche Regelungen in § 11 Abs. 2 S. 1 SG (siehe auch § 5 Abs. 1 WStG); ihm nachgebildet z.B. § 7 Abs. 2 S. 1 UZwG, § 59 Abs. 2 S. 1 PolG NW. Aus der Strafrechtsliteratur siehe nur Jakobs, Rn 16/11-15; Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 161165. 153 Zum qualifizierten Unrecht einer strafrechtswidrigen Tat oben im 3. Teil III 1 b aa bei Fn 89 f. und IV bei Fn 151-155. 154 Der Maßstab ist freilich nicht immer identisch. Während §§44 VwVfG, 11 Abs. 2 S. 1 SG objektiv urteilen, verlangen die Beamtengesetze (Fn 151) darüber hinaus individuelle Erkennbarkeit der Strafbarkeit. Das ist zwar systemwidrig, weil damit auch die Entscheidung zwischen Recht und Unrecht von der (potentiellen) Kenntnis des Täters abhängig gemacht wird. Praktisch führt es aber kaum zu Spannungen: Konnte der Beamte die Strafbarkeit erkennen, so braucht er die Anordnung nicht zu befolgen; konnte er die Strafbarkeit nicht erkennen, so muß er zwar der Weisung folgen, aber er hätte in der Regel auch keinen Grund, es nicht zu tun (das ihm unbekannte strafrechtliche Verbot kann ihn ja nicht hemmen), und er hat wegen § 17 S. 1 StGB auch keine Strafe zu befürchten, denn daß er zwar das Verbot, nicht aber die Strafbarkeit erkennt, wird äußerst selten sein. - Siehe noch unter bbb Fn 170. 155 Und nicht allein in ganz marginalen Vorschriften wie etwa in § 47 AuslG, wo die Strafrechtsakzessorietät auf ein ganz enges Gebiet beschränkt bleibt. 156 So etwa für § 56 Abs. 2 S. 3 BBG Hansen, S. 236 f. mit Fn 3; Schnapp, S. 170.

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Rechtsordnung durch den fehlerhaften Verwaltungsakt niemals eine Rechtfertigung erreicht werden kann. Damit ist diese "Schaltstelle" allen Bemühungen weit überlegen, die lediglich im Strafrecht ansetzen und dieses Rechtsgebiet mit besonderen dogmatischen Figuren von den übrigen Teilen der Rechtsordnung abkoppeln wollen.157 Zweitens: Alle Normen erfassen mit ihrem Wortlaut nur ein Gebot: Die Verwaltungsverfahrensgesetze sprechen vom "Verlangen" einer rechtswidrigen Tat, die Beamtengesetze von "dienstlichen Anordnungen", § 11 SG spricht vom "Befehl". Das ist für unsere Zwecke zu eng. Es kommt also darauf an, ob in Analogie zu § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG auch ein solcher Verwaltungsakt nichtig ist, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat erlaubt, die einen Straftatbestand verwirklicht. Dabei ist eine Einschränkung stets im Blick zu behalten: Natürlich müssen nur solche behördlichen Erlaubnisse nichtig sein, die sonst mit einem strafrechtlichen Verbot in Konflikt stünden. Häufig besteht solch ein Konflikt nicht, etwa in dem Fall, daß einem Beamten B ordnungsgemäß genehmigt wird, sich vom Inhaber A einer Autowerkstatt einen bestimmten Sportwagen verleihen zu lassen, dessen Eigentümer E aber eine solche Leihe dem A ausdrücklich verboten hatte. Dann ist dem B die Entleihe als Geschenkannahme behördlich erlaubt, als unbefugter Gebrauch des Fahrzeugs des E ist sie ihm gesetzlich verboten (§ 248b StGB). Daß es hier zu keinem Konflikt kommt, liegt daran, daß die behördliche Erlaubnis unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt ergeht als demjenigen, auf dem das gesetzliche Verbot beruht. In solchen Fällen kann B leicht einsehen, daß er seine geplante Spritztour unterlassen muß, weil die behördliche Genehmigung nur einen Aspekt des umfassenden Verbotes entfallen läßt. Er wird aber ratlos, wenn seine Genehmigungsbehörde zusätzlich erklärt, sie genehmige ausdrücklich auch, daß B trotz E's Unwillen dessen Sportwagen fahre, ihn also unbefugt gebrauche. Jetzt ist der Konflikt zwischen gesetzlichem Verbot und behördlicher Erlaubnis da, denn beide ergehen unter demselben rechtlichen Gesichtspunkt, betreffen dasselbe Unrecht. Jetzt will B zu Recht wissen, welche Norm die stärkere ist und welche weichen muß. bbb) Analogie zu § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG Das verwaltungsrechtliche Schrifttum äußert sich zur vorgelegten Frage gemischt. Soweit dazu überhaupt Stellung genommen wird, sind die Fronten etwa gleich stark. Teils wird die Analogie befürwortet, 158 teils wird sie abge157

So v.a. die bereits kritisierte Rechtsmißbrauchslösung; oben 14 bei Fn 99-104. Bull, S. 240 (in der 2. Aufl.: Rn 684); Ule/Laubinger, S. 396 f.; wohl auch Faber, S. 203, 204 mit Fn 12; unklar Kopp, § 44 Rn43 ("zumindest dann, wenn die Rechtswidrigkeit ... offensichtlich ist"). 158

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lehnt und die Genehmigung statt dessen an § 44 Abs. 1 VwVfG gemessen.159 In der strafrechtlichen Literatur ist der Gedanke einer Analogie - soweit ersichtlich - allein von Gröger, Ostendorf und Winkelbauer übernommen worden.160 Zunächst ist festzuhalten, daß die untersuchte Analogie nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB verstößt. Denn diese Vorschriften erstrecken das Analogieverbot nicht auf solche Fälle, wo das Strafrecht lediglich auf andere Teile der Rechtsordnung verweist; dortige Analogien sind für das Strafrecht verbindlich.161 Somit spricht nichts gegen die Analogie. Sie bedarf allerdings noch der positiven Begründung. Die Frage, ob ein Verwaltungsakt wirksam sein soll, obwohl er fehlerhaft eine straftrechtswidrige Tat erlaubt, ist im Gesetz nicht ausdrücklich beantwortet; es liegt eine Regelungslücke vor. 162 Weiter muß diese Lücke planwidrig sein, die zwei verglichenen Sachverhalte schließlich müssen gleich zu bewerten sein.163 Beide Merkmale fließen ineinander, denn "Planwidrigkeit" bedeutet, daß der (subjektiv oder objektiv zu deutende) Plan des Gesetzes unvollständig realisiert ist, daß also ein Sachverhalt nicht explizit geregelt ist, der es nach Plan sein müßte. Dies setzt den Nachweis voraus, daß der umfassende Plan den nicht geregelten Sachverhalt enthielt, daß er also die zwei verglichenen Sachverhalte gleich bewertete; sonst würde der ungeregelte Fall zu einem anderen Plan gehören. Die Frage lautet somit, ob das "erlauben" einer bestimmten Straftat ebenso wie das "verlangen" eines strafrechtswidrigen Verhaltens zu bewerten ist. Der Strafrechtler könnte in unserer Situation einen Erst-recht-Schluß befürworten: Wenn schon das Gebot den Täter nicht rechtfertigen könne, dann 159

Klappstein, in: Knack, § 44 Anm. 5.5; Martens, in: Erichsen/Martens, § 15 II 2 (S. 225); Obermayer, § 44 Rn 96; Recht, in: Hauck/Haines, SGB X/1,2, K § 40 Rn 19; Schmalz, S. 147, 169; Stelkens/Bonk/Sachs, §44 Rn77. - Das genügt für unsere Zwecke nicht; siehe oben aa. 160 Gröger, S. 22; Ostendorf, JZ 1981, 165 (175 mit Fn 147); Winkelbauer, NStZ 1988, 201 (206). Ablehnend dagegen Goldmann, S. 153 Fn 3; Hüwels, S. 38-40. 161 Aus dem Verfassungsrecht BVerfGE 78, 205 (213); Kunig, in: von Münch, Art. 103 Rn 25; Rüping, in: BK, Art. 103 Abs. 2 (Zweitbearb.), Rn 41. Aus dem Strafrecht Eser, in: Schönke/Schröder, § 1 Rn 33; Höpfel, JurBl. 1979, 575 (585); Krey, Studien, S. 227 f.; Tröndle, in: LK, § 1 Rn 38. 162 Larenz, Methodenlehre, S. 381, verlangt für den Analogieschluß eine "offene" Lücke. Im Sinne seiner Unterscheidung (aaO, S. 377 ff.) läge in unserem Fall dagegen eine "verdeckte" Lücke vor, weil hinter § 44 VwVfG der allgemeinere § 43 die Wirksamkeit jedes nicht nichtigen Verwaltungsaktes anordnet; danach wäre hier eine Reduktion (Larenz, aaO, S. 391 f.) des zu weit geratenen § 43 VwVfG geboten. Das Kriterium für Anlaß und Ausmaß dieser Restriktion kann aber nur im Vergleich zu § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG gefunden werden - durch Analogie also. 163 Engisch, Einführung, S. 140-149; Larenz, aaO, S. 373 f., 381 f.

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dürfe die schwächere Erlaubnis dies schon gar nicht. Das klingt überzeugend, wird aber durch die Sichtweise des Verwaltungsrechtlers relativiert: Wenn das schneidige Gebot nichtig sein soll, muß die harmlosere Erlaubnis daran noch lange nicht teilhaben. Die erste Formulierung hat viel für sich: Jedes Gebot schließt die Erlaubnis zum gebotenen Verhalten ein.164 Ist diese implizite Erlaubnis aber wirkungslos, muß für die "reine" Erlaubnis dasselbe gelten. Das Gebot ist dann eine gewissermaßen durch Aufforderung verstärkte Erlaubnis. Die zweite Formulierung dagegen betont das Gebot, betont die Pflichtenkollision beim Adressaten. Die bloße Erlaubnis führt nicht zu diesem Dilemma und bedarf daher nach diesem Ansatz nicht der Unwirksamkeit. Damit wäre die Alternative zur Analogie formuliert, der Umkehrschluß nämlich, die ausdrückliche Erwähnung nur des Verlangens zeige gerade, daß der Gesetzgeber das bloße Erlauben anders bewerte.165 Der ersten dieser möglichen166 Deutungen ist der Vorzug zu geben. Dafür sprechen die folgenden Überlegungen. Sicherlich muß eine Rechtsordnung Pflichtenkollisionen vermeiden. Sie sind unerträglich, weil sie erstens Rechtsunsicherheit schaffen (der Bürger weiß nicht, was rechtens ist) und zweitens unvermeidbare Sanktionen167 befürchten lassen. Ob die Rechtsordnung aber in einer Norm nur diese Kollisionen auflösen will, ist äußerst fraglich. Immerhin verlangt das Verfassungsgebot zur Harmonisierung der Rechtsordnung168 auch die Auflösung derjenigen Rechtsunsicherheit, die auf dem Zusammentreffen von Verbot und Erlaubnis beruht, soweit beide unter demselben rechtlichen Gesichtspunkt ergehen. Für die Annahme, Ziel des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG sei allein der Schutz vor unvermeidlichen Sanktionen, läßt sich keine Bestätigung finden. Diese Annahme setzt voraus, daß die Betonung dieser Vorschrift auf dem Wort "verlangt" liegt. Das aber würde eine ganz andere Analogie gebieten: die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes, der ein z. B. z/v/7rechtswidriges Verhalten verlangt, das sanktionsbewehrt ist.169 Auch hier befände sich der Adressat in einer Pflichtenkollision und hätte je nachdem öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Sanktionen zu erdulden. Diese konsequente Analogie ist noch nirgends befürwortet worden. Außerdem: Ginge es nur um eine Eliminierung der Pflichtenkollisionen, hätte das zur Folge, nur das Gebot nichtig sein zu lassen; die in

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Anschaulich Adomeit, S. 43 f. Zum Verhältnis dieser logisch gleichwertigen Möglichkeiten Engisch, Einführung, S. 148 f. 166 Deshalb ist der Hinweis von Obermayer, § 44 Rn 96, eine analoge Anwendung widerspreche dem Schutzzweck der Norm, ohne dessen nähere Beschreibung ganz nutzlos. 167 Im weiten Sinne des Wortes: belastende Folgen des Normverstoßes für den Normverletzer. 168 Vorne im 3. Teil I bei Fn 15 f., ergänzend 3. Teil II nach Fn 51. 169 Das hätte womöglich ebenso für §§56 BBG, 11 SG zu gelten. 165

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ihm enthaltene Erlaubnis müßte, da unbedenklich, ungehindert fortbestehen; auch das wird nirgends behauptet. Natürlich könnte man nun mit § 44 Abs. 4 VwVfG die Teilnichtigkeit den gesamten Verwaltungsakt ergreifen lassen. Aber damit hätte man die Begründung geradezu auf den Kopf gestellt: Nichtigkeit der Erlaubnis zu strafbarem Handeln nicht aus dem Interesse an der Vermeidung von Normwidersprüchen, sondern aus dem Desinteresse der Verwaltung an der Aufrechterhaltung des kümmerlichen Regelungsrestes. Diese Auffassung wäre auch nicht mit den Beamtengesetzen vereinbar. Gemäß § 56 Abs. 2 S. 3 BBG "muß" der Beamte die Anordnung des Vorgesetzten "ausführen, sofern nicht" das verlangte Verhalten strafbar ist. Ist es also strafbar, so muß er die Anweisung nicht befolgen. 170 Ob dem Beamten das "eigentlich" strafbare Verhalten erlaubt ist oder nicht, gehört nicht zum Regelungsgehalt der Norm. Vielmehr setzt sie voraus, daß eine beamtenrechtliche dienstliche Anordnung ein strafrechtliches Verbot nicht überspielen kann. Auf dieser Grundlage ist dann die von § 56 Abs. 2 S. 3 BBG angeordnete Rechtsfolge nur allzu verständlich: Was der Beamte (gesetzlich) nicht tun darf, soll er auch nicht (beamtenrechtlich) tun müssen. Damit ordnet die Norm zwar nicht ausdrücklich an, daß dienstliche Anordnung und Erlaubnis im strafrechtlichen Bereich keine legitimierende Kraft haben, macht es aber zur festen Voraussetzung.171 Noch größere Klarheit verschafft ein Blick in § 11 Abs. 2 S. 1 SG. Diese Vorschrift ordnet für den rechtswidrigen Befehl an: "Der Befehl darf nicht befolgt werden."172 Die Nichtigkeit der impliziten Erlaubnis ist also wesentlicher Regelungsgehalt der Norm. 173 Dasselbe gilt für § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG: Ein Verwaltungsakt ist nichtig, wenn ihn aus tatsäcldichen Gründen niemand aus-

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§ 56 Abs. 2 S. 3 BBG macht diese Rechtsfolge noch von der weiteren Voraussetzung abhängig, der Beamte müsse die Strafbarkeit erkennen können. Das gibt, nimmt man die Vorschrift wörtlich, natürlich keinen Sinn, denn der Konflikt zwischen dienstlicher Anordnung und Strafgesetz besteht objektiv und ist vom Erkenntnisvermögen des Beamten unabhängig (siehe schon oben Fn 154). Deshalb wird die Vorschrift so verstanden, daß bei Vorliegen beider Voraussetzungen der Beamte die Anordnung nicht befolgen darf Plog/Wiedow/Beck, § 56 Rn 12; Schütz, BBL, § 59 Rn 12; vgl. auch Baumgärtel, in: GKÖD IV, T § 8 Rn 59. Das ist durchaus sinnvoll, denn so tritt das Disziplinarrecht dem Strafrecht zur Seite; mit dem Wortlaut ist diese Deutung allerdings nicht in Einklang zu bringen. 171

Vgl. schon oben zu § 8 Abs. 2 S. 3 BAT unter 1 pr. bei Fn 124. Auf die Parallele der Nichtigkeit von Verwaltungsakten zum unwirksamen militärischen Befehl hat bereits Jellinek, S. 275, hingewiesen. 173 Die Amtl. Begr. weist ausdrücklich daraufhin, daß die strafrechtliche Nonn stets stärker als der militärische Befehl sein soll; bei Brandstetter, S. 97; siehe auch Scherer, SG, § 11 Anm. D i l . 172

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führen kann. Darunter fallen auch begünstigende Verwaltungsakte, deren Begünstigung niemand realisieren kann.174 All dies zeigt, daß es dem Gesetzgeber um mehr gegangen sein muß als lediglich um die Vermeidung von Pflichtenkollisionen. Vielmehr machen die aufgezeigten systematischen Bezüge zu den genannten Normen deutlich, was im Vordergrund steht: Der Konflikt zwischen gesetzlichem Verbot und behördlicher Erlaubnis soll gelöst werden.175 Das geschieht grundsätzlich so, daß der fehlerhafte Verwaltungsakt sich - gegenüber dem Zivilrecht - soll durchsetzen können.176 "Die Abweichung von § 134 BGB rechtfertigt sich, da der Verwaltungsakt als hoheitliche Maßnahme die Vermutung der Gültigkeit für sich hat und der Bürger auf den Verwaltungsakt soll vertrauen können. Etwas anderes soll nur für das Strafrecht gelten." So sagt es ausdrücklich die Amtliche Begründung zu dieser Vorschrift; 177 und sie legt Wert auf die Feststellung, daß gerade für den Bereich des Strafrechts die Entscheidung anders ausfällt. Auch die Begründung für diese Ausnahmestellung wird dort mitgeliefert: Das Strafrecht beruhe auf dem allgemeinen Sittengesetz und ermögliche so die Parallelwertung in der Laiensphäre. Das ist akzeptabel. Das Strafrecht als Kernbestand der wichtigsten Gebote und Verbote der Rechtsordnung, als ethisches Minimum, soll nicht durch rechtswidrige behördliche Akte überspielt werden können. Die Vermutung der Gültigkeit haben solche Akte nicht für sich, und sie schaffen auch keine Vertrauensbasis; denn der Bürger kann zumeist erkennen, daß der Verwaltungsakt mit diesen Grundwerten kollidiert. 178 Daß dieses Ziel und diese Begründung auch auf den Fall zutreffen, daß die Behörde bloß eine Erlaubnis ausspricht, ist schon deutlich und wird noch klarer durch den Hinweis, daß sich in der Begründung kein Wort zu der Entscheidung findet, die Nichtigkeit auf "verlangende" Verwaltungsakte zu beschränken. Mit diesem Merkmal hat der Gesetzgeber offenbar lediglich den plakativsten und wohl auch typischen Fall solcher Normwidersprüche eingefangen. 179 Die Ursache dafür wird in der Anlehnung des Gesetzgebers an §§56 BBG, 11 SG zu finden sein. Der Vorbildcharakter dieser Bestimmungen 174

Erbel, S. 118 f.; Meyer/Borgs, § 44 Rn 18. Kopp, § 44 Rn 41: Die Norm "ist eine notwendige Folge der Einheit der Rechtsordnung ..." 176 Dazu Meyer/Borgs, § 44 Rn 19. 177 BT-Drs. 7/910, S. 64; ganz ähnlich bereits ME 1963, S. 155. 178 Bull, S. 240, und Faber, S. 200, sprechen davon, daß in den Fällen des § 44 Abs. 2 VwVfG ganz allgemein eine gesetzliche unwiderlegliche Vermutung eines offenkundig besonders schweren Fehlers i.S.d. Abs. 1 bestehe. Das ist allerdings zweifelhaft, vgl. nur Klappstein, in: Knack, § 44 Anm. 3.2 m.w.Nachw. 179 Vgl. ME 1963, S. 154, zum Positivkatalog: "Die normierten Fallgruppen regeln die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Fälle". Auf die Typik weisen auch Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn 63, hin. 175

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läßt sich nicht so sehr dem Gesetzeswortlaut als der Amtlichen Begründung entnehmen. Die von den Beamtengesetzen geforderte Erkennbarkeit der Strafbarkeit ist in § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG - zu Recht - zum gesetzgeberischen Motiv abgesunken.180 Das Merkmal des Gebietens dagegen hat der Gesetzgeber ohne Not übernommen und mit dieser Typisierung hier größere Regelungslücken als dort gelassen: Im Beamten- und Soldatenverhältnis ist es in der Tat ganz üblich, daß an den Untergebenen dienstliche Weisungen und Befehle erteilt werden; "innerdienstliche Erlaubnisse" dagegen sind eine recht theoretische Vorstellung. Ganz anders bei der Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde. Hier stehen die Genehmigungen den Untersagungen in ihrer Häufigkeit nicht nach, so daß es hier oft passieren kann, daß eine Genehmigung mit einem gesetzlichen Verbot in Konflikt gerät. Gerade deshalb ist die untersuchte Regelungslücke ja auch hier in den Blick geraten und nicht bei §§ 56 BBG, 11 SG.181 Schließlich: Der Gesetzgeber fand bei der Schaffung des Verwaltungsverfahrensgesetzes eine von Rechtsprechung und Literatur gestaltete und gehandhabte Rechtsansicht zur Nichtigkeit von Verwaltungsakten vor; auf dieser Grundlage hat er aufgebaut. 182 Vor Geltung dieses Gesetzes aber wurde die Erlaubnis einer rechtswidrigen Tat dem Gebieten unter dem Topos der "rechtlichen Unmöglichkeit" gleichgestellt.183 Für beide Fälle ist Nichtigkeit jedenfalls dann angenommen worden, wenn die rechtswidrige Handlung einen Straftatbestand erfüllte. 184 Nur selten ist deutlich ausgesprochen worden, daß in diesen Fällen "kein Rechtfertigungsgrund dafür gegeben ist, die Nichtigkeitsfolge auf 'befehlende' Akte zu beschränken. Der Verwaltungsakt, der formal eine Straftat 'erlaubt', negiert die rechtsstaatliche Bindung der Exekutive mit der gleichen Intensität wie deijenige Akt, der eine solche Tat 'verlangt'." 185 Häufig wurden beide Fälle nicht deutlich unterschieden;186 angeführte Beispiele aber zeigen, daß auch die Fälle der bloßen Erlaubnis gemeint waren.187 180

Wie Fn 177. Für diese Vorschriften hat die hier aufgezeigte Analogie wohl ebenfalls Geltung, und zwar um so mehr, als keine dem § 44 Abs. 1 VwVfG vergleichbare Ausweichmöglichkeit besteht (zu den Mängeln dieser Vorschrift oben aa). 182 Klappstein, in: Knack, § 44 Anm. 3. 183 Dazu Erbel, S. 24 f., 39 Fn 138,49, 78, sowie die Nachw. in Fn 185, 187. 184 Deshalb ist es nicht verständlich, wenn Klappstein, in: Knack, § 44 Anm. 5.5, die Analogie zu § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG gerade mit dem Hinweis ablehnt, daß "die Nichtigkeit ... aus rechtlicher Unmöglichkeit abgeleitet wird." Denn bei strafrechtlicher Unmöglichkeit gilt doch gerade die spezielle Regelung in Nr. 5. 185 Erbel, S. 130; siehe noch S. 111 f., 129 f. Schon bei Jellinek, S. 275, werden die Erlaubnisse ausdrücklich in die Nichtigkeitsfolge einbezogen. 186 Z.B. bei Merk, S. 873 f. Unklar von Turegg/Kraus, S. 141. 187 Forsthoff, Lb, S. 247. Aus der Rechtsprechung RGSt 29, 376 (377); 65, 55 (57); OLG Celle, NJW 1969,2250. 181

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Diese Rechtsmeinung hatte der Gesetzgeber vor Augen. Seine Formulierung, der Verwaltungsakt müsse das rechtswidrige Verhalten "verlangen", beruht also entweder auf einer bewußten Abkehr von der damaligen Rechtsansicht oder auf einer unbedachten Übernahme der nachlässigen Formulierungen im Schrifttum. Das erste ist äußerst unwahrscheinlich, denn ein solcher Schritt wäre nicht ohne besondere Erwähnung und Begründung getan worden; in den Materialien aber findet sich dazu nichts. Die zweite Möglichkeit dagegen ist um so wahrscheinlicher, als auch die Vorbilder in §§ 56 BBG, 11 SG nur vom Gebot sprechen. Fassen wir zusammen: Der materielle Gehalt des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG beruht auf dem Konflikt behördlicher Akte mit dem Strafrecht. Das Merkmal "verlangt" ist dagegen ein typisierendes Merkmal, das nur die plakativste Fallgruppe solcher Konfliktsituationen einfängt; es trägt nichts zum Normgehalt bei, und es wird als einschränkendes Merkmal auch nicht von ihm getragen. Nach der gesetzlichen Systematik und dem Willen des Gesetzgebers ist das "erlauben" dem "verlangen" immer dann gleichwertig und deshalb in den Rechtsfolgen gleichzustellen, wenn die Erlaubnis unter demselben rechtlichen Gesichtspunkt ergeht, unter dem auch die Verbotsnorm erlassen wurde. Analog § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straftatbestand verwirklicht, mit Blick auf das in eben diesem Straftatbestand erfaßte Unrecht erlaubt.

ccc) Die "gegenseitige" Akzessorietät § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG ist allerdings eine mißglückte Norm. Das wird deutlich an denjenigen Strafnormen, wo das Strafrecht seinerseits anerkennt, daß eine behördliche Genehmigung schon die Tatbestandserfüllung oder doch zumindest die Rechtswidrigkeit der Tat hindert. Denn hier begibt sich auch das Strafrecht ausdrücklich in eine Akzessorietät zum Verwaltungsrecht. Wenn aber das Strafrecht zur Bewertung der Rechtslage auf das Verwaltungsrecht verweist und dieses wiederum auf das Strafrecht zurückgreift, dann liegt die Besorgnis nahe, daß durch diese Konstruktion ein unendlicher Kreislauf entsteht, der für die Lösung des Rechtsproblems nutzlos ist.188 Nehmen wir den Fall, daß dem Anlagenbetreiber A von der zuständigen Stelle, aber unter Verstoß gegen das materielle Verwaltungsrecht die wasserrechtliche Erlaubnis erteilt wird, ein Gewässer zum Betrieb seiner Anlage in einer nach Maß und Art bestimmten Weise zu benutzen (§ 7 Wasserhaushaltsgesetz). Ist A nach § 324 StGB strafbar, wenn er nun das Gewässer verunrei-

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So Gröger, S. 22; Hüwels, S. 39 f.; Winkelbauer, ebd.

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nigt? Den Straftatbestand hat er erfüllt. 189 Er kann aber aufgrund der behördlichen Erlaubnis gerechtfertigt sein (§ 2 WHG); diese Erlaubnis hätte nicht nur für das Wasserrecht, sondern auch für das Strafrecht Bedeutung. Die dem A erteilte Erlaubnis ist zwar materiell rechtswidrig, aber dennoch grundsätzlich wirksam. Sie ist es nur dann nicht, wenn sie nichtig ist. Das könnte sie analog § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG sein. Sie erlaubt die Begehung einer Tat, die einen Straftatbestand verwirklicht. Sie wäre also nichtig, wenn sie damit eine rechtswidrige Tat erlaubte. Die Tat ist gemäß § 324 StGB rechtswidrig, wenn sie unbefugt, also ohne wirksame behördliche Erlaubnis geschieht. Und so weiter. Für diesen Zirkel ist es übrigens ohne Belang, ob es sich um eine fehlerhafte oder um eine einwandfreie Genehmigung handelt. Denn die Rechtswidrigkeit der Genehmigung ist kein Tatbestandsmerkmal des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG. Es ist sogar ohne Belang, ob die Strafnorm überhaupt einen Genehmigungsvorbehalt enthält. Selbst wenn sie schweigt, gilt immer noch der allgemeine Satz, daß eine echte, allgemeine Erlaubnis rechtsgebietsüberschreitend wirkt und somit einer Tat auch ihre Strafrechtswidrigkeit nehmen kann. Greifen wir dazu auf den Fall zurück, daß die oberste Dienststelle dem Beamten B ausdrücklich gestattet, den Sportwagen des E gegen dessen Willen zu fahren. Den Straftatbestand des § 248b StGB hat B mit der Fahrt erfüllt. Er könnte aber aus der behördlichen Gestattung gerechtfertigt sein. Er wäre es nur dann nicht, wenn sie nichtig wäre. Analog § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG wäre sie es nur, wenn sie erstens die Begehung eines Straftatbestandes erlaubte - diese Voraussetzung ist erfüllt - und damit zweitens eine rechtswidrige Tat erlaubte. Ob die Tat nach § 248b StGB rechtswidrig ist, richtet sich danach, ob die behördliche Gestattung den B rechtfertigt. - Es ist zwar anerkannt, daß solche Verwaltungsakte nichtig sind;190 aber ohne weiteres läßt sich dieses - richtige - Ergebnis nicht aus § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG gewinnen. Der Zirkel ist letztlich nicht einmal eine Besonderheit der hier entwickelten Analogie zu § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG. Er droht ebenso bei direkter Anwendung der Norm, nur liegt er dort etwas versteckter. Wandeln wir den letzten Fall so ab, daß die Behörde den B angewiesen hätte, E's Sportwagen gegen dessen Willen zu benutzen. Wäre dieses Verlangen wirksam? Ja, außer der Verwaltungsakt wäre nichtig. Er wäre es gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG, wenn er erstens eine Tat verlangte, die einen Straftatbestand verwirklicht - so ist es - und diese Tat zweitens rechtswidrig wäre. Als Rechtfertigungsgrund 189

Wasserrechtliche Erlaubnis, Bewilligung und Zulassung vorzeitigen Beginns (§§7, 8, 9a WHG) werden überwiegend als Rechtfertigungsgründe angesehen, weil "unbefugt" nur auf das allgemeine Rechtswidrigkeitserfordernis verweise; vgl. Dreher/ Tröndle, § 324 Rn 7 m.w.Nachw. 190 Kopp, § 44 Rn 42; Winkelbauer, NStZ 1988, 201 (206). Siehe auch die Entscheidungen in Fn 187. Das hat Bedeutung für die Beispiele oben a cc. 10 Hardtung

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kommt die behördliche Erlaubnis in Betracht, die in dem behördlichen Verlangen wie in jedem Gebot enthalten ist.191 Die Frage, ob auch sie nichtig ist, fuhrt wiederum zum Zirkel. Wie läßt er sich also vermeiden? Den ersten Versuch einer Klärung hat Hübenett am Beispiel des schon genannten § 324 StGB unternommen, ohne allerdings eine Rekursion völlig vermieden zu haben. Sie kommt zu dem Schluß, der Gedanke der Nichtigkeit könne zur Lösung des Akzessorietätsproblems nichts beitragen. Die wasserrechtliche Zulassung sei "ein Rechtfertigungsgrund für dieses Delikt, so daß die Strafbarkeit 192 bei Vorliegen des Verwaltungsaktes entfällt." 193 Das ergebe sich aus folgender Überlegung: Der Strafgesetzgeber wollte über den Weg der behördlichen Genehmigung Ausnahmen von der Strafbarkeit zulassen; diese Genehmigungen könnten "daher nicht zwangsläufig nichtig sein. Denn sie gestatten immer - auch die rechtmäßigen - eine straftatbestandsmäßige Handlung. Somit kann die Verbindlichkeit einer Genehmigung nicht deswegen ausgeschlossen sein, weil ihre Vollziehung einen Straftatbestand verwirklicht. Vielmehr sind auch rechtswidrige wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen regelmäßig wirksam. Sie können daher grundsätzlich Rechtfertigungsgründe sein."194 Diese Ausführungen beziehen sich auf die rechtfertigende Genehmigung. Für die tatbestandsausschließende gelten sie aber ebenso, denn auch hier wollte der Gesetzgeber die Strafbarkeit einengen, und also können diese Genehmigungen ebenfalls "nicht zwangsläufig nichtig" sein. Hübenetts Ausführungen sind im Ergebnis für § 324 StGB wohl richtig. Aber sie treffen nicht den entscheidenden Punkt und können deshalb auch nicht im Zusammenhang ihrer weiteren Untersuchung bestehen. Der wesentliche Mangel liegt darin, daß Hübenett die zwei Tatbestandsmerkmale in § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nicht genügend trennt und untersucht. Das Merkmal "rechtswidrige Tat" taucht bei Hübenett an keiner Stelle auf. So ist es ja ganz unzweifelhaft, daß - mit Hübenetts Worten - die Verbindlichkeit einer Genehmigung nicht deswegen ausgeschlossen ist, weil ihre Vollziehung einen Straftatbestand verwirklicht. Dazu bedarf es aber keiner Herleitung aus dem Zweck der Strafnorm, sondern lediglich des schlichten Hinweises auf den Wortlaut: Das straftatbestandliche Verhalten müßte noch zusätzlich rechtswidrig sein. Was meint nun § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG mit "rechtswidrig"? Wonach bemißt sich diese Rechtswidrigkeit? Sicherlich nicht nach der Wirksamkeit der

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Oben bbb bei Fn 164. Genauer: Rechtswidrigkeit. Hübenett, S. 56. Ebd.

II. Die rechtswidrige Genehmigung

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untersuchten Genehmigung,195 denn genau das ist ja gerade unser Prüfungsgegenstand. Genauer: Es darf nicht darauf ankommen, ob der Verwaltungsakt "aus sich selbst heraus", nur aufgrund der §§ 43, 44 VwVfG, die Tat rechtfertigen will; so gäbe es in der Tat kein Entrinnen aus dem Zirkelschluß. Wollte man so fragen und sich im unendlichen Kreisen verlieren, wäre § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG eine sinnlose Norm, in seiner analogen wie in seiner direkten Anwendung. Wollen wir diese Vorschrift sinnvoll deuten, so müssen wir bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des verlangten/erlaubten Verhaltens den drohenden Zirkel wertend durchbrechen. Das läßt sich leicht bewerkstelligen, wenn man erkennt, daß der Gesetzgeber mit § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG den Verwaltungsakt der strafrechtlichen

Wertung über-

antworten wollte. Dort sah der Gesetzgeber den Maßstab, an dem er den Verwaltungsakt messen wollte. Es kann also nur darauf ankommen, ob das Strafrecht einem Verwaltungsakt die Macht zugesteht, ein straftatbestandliches Verhalten zu rechtfertigen. Maßgeblich ist, ob der Verwaltungsakt selbst in irgendeiner Vorschrift des Strafrechts als Tatbestandsmerkmal eines Erlaubnissatzes auftaucht. In verwaltungsrechtlicher Terminologie: Maßgeblich ist nicht die - gerade zu untersuchende - Gestaltungswirkung des Verwaltungsaktes, sondern seine davon unabhängige Tatbestandswirkung.196 Für den Fall der Verunreinigung eines Gewässers zeigt sich dabei folgendes: Die Tat ist gemäß § 324 StGB dann rechtswidrig, wenn sie "unbefugt" geschieht. Der Begriff verweist auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe und damit wieder auf die behördliche Genehmigung. Sie wäre nur nichtig, wenn sie eine rechtswidrige Straftatbestandsverwirklichung erlaubte. Nun hängt alles von der - rein strafrechtlich zu beantwortenden! - Frage ab, welche Voraussetzungen § 324 StGB an eine rechtfertigende Genehmigung stellt. Der Wortlaut stellt keine besonderen Anforderungen. Mangels spezieller strafrechtlicher Vorgaben liegt deshalb die Annahme nahe, daß der Gesetzgeber auf die ihm bekannten allgemeinen Regeln im öffentlichen Recht verweisen und damit auch die dort angeordnete Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte hinnehmen wollte. So läßt denn auch die herrschende Meinung jede fehlerhafte, aber wirksame Genehmigung genügen;197 besser: sie verlangt keine rechtmäßige Genehmigung. Diese Ausle-

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So aber verstehe ich Hübenetts Satz, auch rechtswidrige Erlaubnisse seien regelmäßig wirksam, die wasserrechtliche Zulassung sei ein Rechtfertigungsgrund, und so entfalle die Strafbarkeit bei Vorliegen des Verwaltungsaktes (ebd.). 196 Als Rechtsfolge eines Verwaltungsaktes, die deshalb gilt, weil der Verwaltungsakt zur Tatbestandsvoraussetzung eines Rechtssatzes gemacht worden ist, ganz unabhängig davon, ob diese Wirkung auch von der erlassenden Behörde intendiert ist; zur sehr uneinheitlichen Terminologie vgl. etwa Knöpfle, BayVBl. 1982, 225 (230); Seibert, S. 77-83, v.a. S. 81 (dort: Tatbestandswirkung im engen Sinne). 197 Sie nimmt hier also die übliche Verwaltungsakzessorietät an. Für die h.M. nur Steindorf, in: LK, § 324 Rn 75; siehe noch Cramer, in: Schönke/Schröder, § 324 Rn 12 10*

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gung schlägt auf § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG durch: Die fehlerhafte Genehmigung, so wie sie ist, genügt den strafrechtlichen Vorgaben und kann der Tat die Rechtswidrigkeit nehmen. Sie wirkt. 198 Das harmoniert noch völlig mit Hübenetts Ausfuhrungen zu § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG. Sie sagt ja ausdrücklich, daß auch rechtswidrige wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen wirksam sind.199 Diese Übereinstimmung ist aber nur noch zufällig. Sie besteht ganz und gar nicht mehr zu Hübenetts eigener Ansicht, daß bestimmte fehlerhafte Genehmigungen trotz verwaltungsrechtlicher Wirksamkeit der Tat nicht ihre Strafrechtswidrigkeit nehmen.200 Denn versagt § 324 StGB tatsächlich, wie Hübenett behauptet, einer spezifisch fehlerhaften Genehmigung die rechtfertigende Wirkung, so bleibt die Tat folglich - trotz Genehmigung - rechtswidrig. Damit aber ist die zweite Voraussetzung des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG erfüllt: Der Verwaltungsakt "erlaubt" die Begehung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straftatbestand verwirklicht. Damit ist die Genehmigung nichtig; dem Strafrecht zeigt sich kein Verwaltungsakt, über dessen Bedeutung noch zu reflektieren wäre; die Genehmigung stellt auch wasserrechtlich keine echte Erlaubnis dar; 201 die Einheit der Rechtsordnung bleibt bestehen. Das Merkmal "rechtswidrige Tat" in § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG kann sinnvoll nur so verstanden werden: Es fragt danach, ob das Strafrecht es akzeptiert, daß ein Verwaltungsakt überhaupt und - wenn ja - trotz seiner jeweiligen Fehler ein straftatbestandliches Tun erlauben kann. Nach dem dort vorgefundenen Maßstab bestimmt sich das Schicksal des Verwaltungsaktes.

und vor § 324 Rn 15-20 (dort die typischen Argumente und Gegenargumente der gegensätzlichen Ansichten). 198 Ebenso läßt sich der Zirkel auflösen, den Hüwels, S. 39 f., in der Entscheidung des OLG Celle, NJW 1969, 2250, zu § 284 StGB sieht. Auch hier hätte das OLG wohl erkennen müssen, daß die Norm sich mit einer wirksamen, wenn auch fehlerhaften Genehmigung begnügt, da ihr Wortlaut der Genehmigung keine Besonderheiten abverlangt. 199 Sie sollen es freilich nur "regelmäßig" sein. Über die erwogenen Ausnahmen findet sich aber keine Auskunft. 200 S. 96 ff; zusammenfassend S. 151-153. Ein Verstoß gegen das Gebot der Einheit der Rechtsordnung also! Hübenett sieht das freilich anders; dazu oben im 3. Teil DI 1 b cc. 201 Ein Regelungsrest kann allerdings erhalten bleiben: Der in der Erlaubnis zugleich liegende Verzicht auf ordnungsrechtliche Sanktionen. Näher unten eee.

. Die r e i g e Genehmigung

ddd) Bedeutung für die Vorteilsannahme Mit dem erarbeiteten Instrumentarium läßt sich der vermeintliche Normwiderspruch zwischen § 331 Abs. 3 StGB einerseits und §§ 70 BBG, 43, 44 VwVfG andererseits auflösen. Einem Beamten werde etwa die Forderung und Annahme eines Vorteils genehmigt. Fordert und nimmt er den Vorteil, so erfüllt er die Verbotstatbestände der §§ 331 Abs. 1 StGB, 70 BBG. Kann ihn die Genehmigung rechtfertigen? Diese Frage ist nicht nach Straf- und Beamtenrecht getrennt zu untersuchen, sondern einheitlich so zu beantworten: Ist die Genehmigung wirksam, so rechtfertigt sie den Beamten rechtsgebietsüberschreitend; der Grundsatz von der Einheit der Rechtsordnung läßt der Genehmigung im Beamtenrecht wie im Strafrecht Bedeutung zukommen. Ob aber die Genehmigung wirksam ist, richtet sich nach §§ 43, 44 VwVfG. Sie könnte analog § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nichtig sein. Sie erlaubt eine Tat, die einen Straftatbestand (§331 Abs. 1 StGB) verwirklicht. Diese Tat könnte nach den in § 331 Abs. 3 StGB beschriebenen Voraussetzungen gerechtfertigt sein. In diesem Erlaubnissatz taucht die behördliche Genehmigung auf. Sie allein reicht aber nicht hin. § 331 Abs. 3 StGB verlangt zusätzlich, daß der Täter den Vorteil nicht gefordert hat. Hat er ihn gefordert, so will das Strafrecht der Genehmigung keine erlaubende Wirkung zugestehen; die Tat soll rechtswidrig bleiben. Also ist die letzte Voraussetzung des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG erfüllt: Die Handlung, die der Verwaltungsakt erlauben will, bleibt die Begehung einer rechtswidrigen Tat. Folglich ist die Genehmigung insoweit nichtig, als sie dem Beamten eine echte Erlaubnis verschaffen will. Der Beamte hat objektiv rechtswidrig gehandelt. Die Begründung der Strafrechtswidrigkeit kann sich auch darauf stützen, daß § 331 Abs. 3 StGB nur eine Genehmigung zuläßt, die von der zuständigen Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse erteilt worden ist. Oben202 ist deutlich geworden, daß auch nach Beamtenrecht die Genehmigung eines geforderten Vorteils unzulässig ist. Hat die Behörde also ihre Befugnisse überschritten, ist der Erlaubnistatbestand des § 331 Abs. 3 StGB nicht erfüllt, und das Strafrecht hält die Tat nach wie vor für rechtswidrig. Diese Bewertung ist wiederum für § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG maßgeblich. Natürlich mag es befremden, daß § 331 Abs. 3 StGB derart weitreichende Konsequenzen zeitigt. Aber das ist die zwangsläufige Folge der Strafrechtsakzessorietät des Verwaltungsrechts und der Entscheidungsmacht des Gesetzgebers. Zunächst ist es für das öffentliche Recht nichts Neues, daß es besondere Vorschriften gibt, aus denen über § 44 VwVfG hinaus die Nichtigkeit eines

202

Unter 12 d bb.

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

Verwaltungsaktes folgt. 203 Sodann hat diese Sonderregelung ja durchaus gute Gründe: Wenn das Strafrecht schon eine behördliche Genehmigung als Rechtfertigungsgrund akzeptiert, dann liegt es nahe, gleichzeitig den "Auswüchsen" vorzubeugen, die eine Folge der §§ 43 ff. VwVfG wären, zu denen das Strafrecht akzessorisch ist. So werden im beamtenrechtlichen Schrifttum selbst Bedenken gegen den Mißbrauch der Genehmigungsmöglichkeit wach: Gewöhnlich, so Lindgen204, sei der Dienstvorgesetzte bestrebt, sich hinter seinen Beamten zu stellen; deshalb werde er die Zustimmung häufig erteilen, nur um das Ansehen seiner Behörde nicht zu schädigen, was im Falle einer Verurteilung des Beamten der Fall wäre. - In diesem wichtigen Bereich soll nach der Entscheidung des Gesetzgebers nicht schon die Einhaltung formeller Mindestanforderungen eine behördliche Erlaubnis wirksam sein lassen, sondern erst deren Übereinstimmung mit dem materiellen (Straf- und Verwaltungs-) Recht.205 Das heißt: Verstößt die Vorteilsannahme nur gegen Beamtenrecht und wird die Tat materiell fehlerhaft genehmigt, so ist der Verwaltungsakt nicht analog § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nichtig, weil die Tat schon keinen Straftatbestand erfüllt. Der "Rücksprung" zu den Voraussetzungen des Genehmigungsvorbehaltes in § 70 BBG ist deshalb gar nicht erforderlich. Die Tat ist disziplinarrechtlich gerechtfertigt. Verstößt die Vorteilsannahme aber zusätzlich gegen §331 Abs. 1 StGB, so ist der Verwaltungsakt analog §44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nichtig, denn die strafgesetzlichen Anforderungen an eine Rechtfertigung setzen sich durch. Das ist ja auch nur sinnvoll, legen doch die materiellen Vorschriften des öffentlichen Rechtes die Bestimmungen über die Wirksamkeit von Verwaltungsakten gerade zugrunde.206 Das Strafrecht aber hat wegen seines besonderen Regelungsgegenstandes viel eher Veranlassung, über die Angemessenheit der §§43 ff. VwVfG in seinem Bereich nachzudenken. Findet sich also hier eine Abweichung, so ist das allein schon ein guter Grund für den Vorrang dieser Sonderregelung. Für eine eigenständige strafrechtliche "Mißbrauchslösung" bei erschlichenen oder erzwungenen Genehmigungen übrigens ist - für die Fälle der Vorteilsannahme - kein Bedarf mehr. Denn alle materiell rechtswidrigen Genehmigungen sind ohnehin nichtig. Es ist zwar möglich, daß sich der Täter mittels Dro-

203

Siehe z.B. §§ 11,183 BBG, § 18 DRiG. Hb, S. 505. 205 Ganz in diesem Sinne sagt Rudolphi, in: SK, § 331 Rn46, durch die Formulierung des Gesetzes habe der Gesetzgeber klargestellt, daß "die rechtfertigende Wirkung der Genehmigung ausnahmsweise nicht allein an ihre formelle Wirksamkeit geknüpft ist." Von formeller Wirksamkeit kann er nur deshalb sprechen, weil er den Rückschluß auf die auch "verwaltungsrechtliche" Nichtigkeit nicht zieht. 206 Es gibt Ausnahmen; oben in Fn 203. 204

. Die r e i g e Genehmigung

hung eine fehlerfreie Genehmigung verschafft. Aber für eine Strafe aus § 331 StGB besteht in solchen Fällen kein Anlaß.207

eee) Wirksamer Verzicht auf beamtenrechtliche Sanktionen Halten wir fest: Soweit die fehlerhafte Genehmigung nach § 70 BBG eine echte, rechtsgebietsüberschreitende Erlaubnis ausspricht, ist sie nichtig. In dieser Regelung verborgen liegt aber zugleich die schwächere, gegenüber dem Vorteilsnehmer auf beamtenrechtliche Sanktionen zu verzichten.208 Kann der Verwaltungsakt insoweit wirksam bleiben? Das richtet sich nach § 44 Abs. 4 VwVfG. Danach ist der Sanktionsverzicht nichtig, wenn der erlaubende Teil so wesentlich war, daß die Behörde den Verwaltungsakt ohne diesen nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Eine solche Trennbarkeit bestünde etwa, wenn zwischen beiden Regelungen kein innerer Zusammenhang bestünde, wenn sie nur äußerlich in einem Verwaltungsakt zusammengefaßt wären.209 So liegt unser Fall nicht. Das zeigt sich schon daran, daß der Sanktionsverzicht nicht ausdrücklich neben der Erlaubnis ausgesprochen wird, sondern in dem Satz "... wird Ihnen gestattet ..." konkludent enthalten ist. Hätte also die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen? Nach allgemeiner Ansicht kommt es hierfür nicht auf den subjektiven Behördenwillen an; vielmehr müsse der Behördenwille als objektiv und vernünftig gedacht werden.210 Das darf man nicht so mißverstehen, daß die Rechtswidrigkeit der verbleibenden Regelung schon deshalb zur Nichtigkeit führe, weil eine objektive und vernünftige Behörde keinen rechtswidrigen Verwaltungsakt wolle. Denn so zu argumentieren hieße, daß eine an sich nur fehlerhafte Regelung stets deshalb nichtig wäre, weil sie mit einem nichtigen Regelungsteil in einem Verwaltungsakt stünde. Dann aber wäre das vom Gesetz verlangte Merkmal der Wesentlichkeit überflüssig. Außerdem vertrüge sich diese Auslegung nicht mit § 38 Abs. 3 VwVfG. Auch dort wird der hypothetische Behördenwille genannt. In ihn fließt das Kriterium der Rechtmäßigkeit aber nicht ein, denn der Gesetzgeber hat dieses Kriterium im Wortlaut neben den hypothetischen Willen gestellt.

207

Möglicherweise ist der Täter gemäß § 240 StGB strafbar. Näher oben b pr. 209 Z.B. Kopp, § 44 Rn 65; Obermayer, § 44 Rn 118. 210 Erichsen/Martens, § 15 II 3 (S. 226 f.); Klappstein, in: Knack, § 44 Anm. 7.2; Kopp, § 44 Rn 62; Obermayer, § 44 Rn 120; Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn 115. 208

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

So wollen die zitierten Stimmen denn auch nicht verstanden werden.211 Man muß vielmehr berücksichtigen, daß es um die Frage geht, wie sehr die Regelungsteile miteinander verknüpft sind. Man darf nicht danach fragen, ob die Behörde den Regelungsteil allgemein erlassen durfte, sondern man muß danach fragen, ob sie ihn speziell ohne den nichtigen Teil erlassen durfte. 212 Hätte also eine objektive und vernünftige Behörde den Sanktionsverzicht nicht ausgesprochen, wenn man sie zuvor belehrt hätte, daß eine allgemeine Erlaubnis zu geben nicht in ihrer Macht stand? Doch, das hätte sie. Sie hätte es dann sogar erst recht getan, denn wenn sie den Beamten schon nicht durch eine echte Erlaubnis vor sämtlichen Sanktionen schützen kann, so wird sie ihn wenigstens vor den speziellen Sanktionen ihres Bereichs, hier also des Disziplinarrechts, bewahren. Eine solche Beschränkung des Regelungsumfangs wäre auch mit § 70 BBG vereinbar: Wenn das Gesetz der Behörde die Rechtsmacht einräumt, eine echte Erlaubnis auszusprechen, hat die Behörde damit auch die Rechtsmacht zu einer Regelung, die in einer solchen Erlaubnis als Minus enthalten ist. Und für die Annahme, die Behörde dürfe entweder nur die volle Erlaubnis aussprechen oder aber gar keine Regelung treffen, finden sich keine Anhaltspunkte. Fazit: Die Genehmigung ist nur teilnichtig, nämlich insoweit, als sie eine echte Erlaubnis aussprechen will. Der darin liegende und dahinter zurückbleibende Verzicht auf beamtenrechtliche Sanktionen wird davon nicht ergriffen. Er bleibt wirksam. cc) Anhang: § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG Auch eine Lösung über § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG ist erwägenswert.213 Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, der gegen die guten Sitten verstößt. Das kann man so deuten, daß der Sittenverstoß im Behördenverhalten liegen muß;214 dann ließen sich all diejenigen Fälle nicht einfangen, in denen der Genehmigungsbeamte guten Glaubens handelt. Die ganz überwiegende Ansicht läßt aber genügen, daß der Verwaltungsakt sich zu einem Verhalten äußert, das sittenwidrig ist; 215 so wird - wie bei der Nr. 5 - die genehmigte Vorteilsannahme selber zum Gegenstand der Untersuchung. 211

Anders wohl Obermayer, § 44 Rn 120: "So ist die an sich wirksame Regelung gleichfalls nichtig, wenn sie die Behörde ... nicht hätte erlassen dürfen bzw. im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensbetätigung nicht erlassen hätte." 212 Deutlich Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn 115. 213 So wohl Erbel, S. 131, anders offenbar S. 130: Nr. 5 analog. 214 So Klappstein, in: Knack, § 44 Anm. 5.6. 215 BVerwG, NVwZ 1987, 411; OVG Münster, NVwZ 1985, 286; VGH München, NVwZ 1986, 1034 (1035); VGH Mannheim, NVwZ 1988, 640 (642).

. Die r e i g e Genehmigung

Die Lösung über die Nr. 6 scheint den Vorzug zu haben, daß die gewünschte Rechtsfolge (Nichtigkeit der Genehmigung) mit Bejahung der Sittenwidrigkeit viel direkter hergeleitet werden kann als auf dem mühsamen Weg über eine Analogie zu Nr. 5. Diese Leichtigkeit wäre jedoch erkauft durch eine gefühlige Anwendung des diffusen Merkmals "Verstoß gegen die guten Sitten". Wer versucht, diesem Merkmal schärfere Konturen zu geben, kommt nicht umhin, sich all diejenigen Fragen zu stellen, die unter bb zu Nr. 5 aufgeworfen wurden: Zunächst muß er es auch bei der Nr. 6 genügen lassen, daß das sittenwidrige Verhalten bloß erlaubt und nicht verlangt wird; er hätte hier allerdings die ganz überwiegende Ansicht auf seiner Seite.216 Vor allem muß er hier nicht anders als bei Nr. 5 klären, warum denn eine - wenn auch fehlerhafte - Genehmigung sich nicht soll durchsetzen und eine straftatbestandliche Handlung nicht soll rechtfertigen können; denn die Sittenwidrigkeit einer Genehmigung läßt sich in den untersuchten Fällen präzise ja nur daraus ableiten, daß sie eine rechtswidrige Straftat erlauben will, und nur dann wären die Normwidersprüche restlos beseitigt. Die Probleme sind also dieselben. Ihre Lösung muß aber im Rahmen der Nr. 6 schwerer fallen als bei Nr. 5. Denn mit der Sittenwidrigkeit der Nr. 6 knüpft man nur an das Sekundäre an. Das Primäre ist der Konflikt zwischen den widersprüchlichen Normen. Deshalb bietet die Nr. 6 denn auch keinen Maßstab, wann die behördliche Genehmigung und wann das gesetzliche Verbot vorgehen soll. Zudem gibt uns die Nr. 6 nicht einmal vor, die Genehmigung nur dann zurücktreten zu lassen, wenn sie mit einem straf- oder bußgeldbewehrten Verbot in Konflikt gerät. So sagt es aber Nr. 5. Entweder man setzt sich bei Nr. 6 über diese Wertung hinweg und erklärt auch solche Verwaltungsakte wegen Sittenwidrigkeit für nichtig, die ein zivilrechtswidriges Tun verlangen/erlauben; dann hätte man die schärfer konturierte Nr. 5 überflüssig gemacht, was nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Oder aber - so gebietet es die systematische Auslegung - man übernimmt die Wertung der Nr. 5 in die Nr. 6; dann wird um so deutlicher, daß die Lösung des beschriebenen Konflikts eigentlich bei der Nr. 5 anzusiedeln ist.

c) Anhang: Die rechtswidrige Genehmigung im Arbeitsrecht Greifen wir auf einen Gedanken zurück, den wir oben217 bereits aus strafrechtlicher Sicht behandelt haben: Einem Angestellten wird eine rechtswidrige Genehmigung zur Vorteilsannahme erteilt. Nimmt der Täter den Vorteil, kann 216

Siehe die Nachw. in Fn215; weiterhin BVerwGE 84, 314 (316); Kopp, §44 Rn 48; Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn 79. A.A. wohl Obermayer, § 44 Rn 79, der nur den Fall nennt, daß die Behörde ein sittenwidriges Verhalten "verlangt". 217 Unter 1 pr. bis Fn 124.

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

ihm die Genehmigung strafrechtlich nicht helfen. Wie aber steht es um einen Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten? Die Genehmigung ist nach zivilrechtlichen Regeln wirksam, also hat der Angestellte nicht vertragswidrig gehandelt und hat keine vertragsrechtlichen Sanktionen zu befurchten. Darin liegt ein Unterschied zur Situation des Beamten: Beide sind zwar vor beamtenrechtlichen und vor arbeitsvertraglichen Sanktionen geschützt; aber der Beamte hat beamtenrechtlich rechtswidrig gehandelt, der Angestellte dagegen hat arbeitsvertragsrechtlich rechtmäßig gehandelt. Das ist kein Widerspruch. Der Beamte steht in nur einer Rechtsbeziehung, nämlich in der des Staates zu seinem Beamten. §§331 StGB, 70 BBG sprechen beide von dieser Sphäre und müssen deshalb zu einem einheitlichen Urteil kommen. Der Angestellte aber steht in zwei Rechtsbeziehungen, nämlich zum einen in der gesetzlichen des Staates zu seinen Amtsträgern und zum anderen in der vertraglichen des Staates als privater Arbeitgeber zu seinen Angestellten als Arbeitnehmern. Also kann in diesen verschiedenen Sphären auch das Rechtswidrigkeitsurteil unterschiedlich ausfallen. Die Vorteilsannahme des Angestellten ist gemäß § 331 StGB "staatlich rechtswidrig" und gemäß § 10 BAT "vertraglich rechtmäßig".218

2. Formelle Rechtswidrigkeit

Nun ist auch leicht zu zeigen, daß die Genehmigung einer unzuständigen Behörde für die Rechtswidrigkeit einer Vorteilsannahme irrelevant ist. Die Irrelevanz setzt Nichtigkeit voraus. § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG greift nicht ein, denn danach führt nur die örtliche Unzuständigkeit in besonderen Angelegenheiten219 zur Nichtigkeit. Analog § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG bindet sich das Verwaltungsverfahrensrecht jedoch an die strafrechtlichen Vorgaben. Da §331 Abs. 3 StGB nur die Genehmigung der (örtlich und sachlich)220 zuständigen Behörde gelten läßt, ist die untersuchte Genehmigung nichtig, soweit sie eine echte Erlaubnis geben will. Der Sanktionsverzicht dagegen bleibt wirksam. Eine privatrechtliche Genehmigung für einen Angestellten oder Arbeiter des öffentlichen Dienstes, die von einer unzuständigen Stelle ausgesprochen wird, hat für das Strafrecht ebenfalls keine Bedeutung. Denn nach § 331 Abs. 3 StGB muß die Genehmigung von der zuständigen Behörde erteilt werden. Ob die Genehmigung arbeitsvertraglich Bedeutung hat, richtet sich nach allgemeinem Zivilrecht. Eine öffentlich-rechtliche Zuständigkeitsregelung ist pri218 219 220

Ausführlich oben im 3. Teil m 3. § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Siehe auch § 44 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG. Amtl. Begr. (BT-Drs. 7/550), S. 272; Sturm, JZ 1975,6(13).

DI. Ergebnis

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vatrechtlich wie die Erteilung einer Vollmacht anzusehen.221 Erteilt eine unzuständige Stelle eine Genehmigung, so ist diese einseitige Willenserklärung gemäß § 180 S. 1 BGB nichtig.222 III. Ergebnis §§ 331 Abs. 3 StGB, 70 BBG, 10 BAT haben gemeinsame materielle Genehmigungsvoraussetzungen: Eine Genehmigung kann nur für die einfache Vorteilsannahme im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB erteilt werden, nicht für Bestechlichkeit, nicht für Richter und nicht für geforderte Vorteile. Im Strafrecht ist das explizit aufgeführt. Im Recht des öffentlichen Dienstes sind diese Einschränkungen allgemein anerkannt. Wollte man die Normen anders verstehen, ginge dennoch die Regelung des § 331 Abs. 3 StGB vor, sobald eine Geschenkannahme dem Tatbestand des § 331 Abs. 1 StGB unterfiele; das ergibt sich aus den allgemeinen Kollisionsregeln. Jeder wirksame Verwaltungsakt hat auch im Strafrecht Bedeutung; diese Verwaltungsaktsakzessorietät folgt aus der Einheit der Rechtsordnung. Aber das Verwaltungsrecht ist dort strafrechtsakzessorisch, wo es nach der Nichtigkeit gebietender oder erlaubender Verwaltungsakte fragt: § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG (analog). Macht das Strafrecht deutlich, daß es einem fehlerhaften Verwaltungsakt keine rechtfertigende Wirkung beimißt, führt dieses Verdikt zur Nichtigkeit eines solchen Verwaltungsaktes. Damit hat er auch im außerstrafrechtlichen Bereich keine erlaubende Kraft, und die Einheit der Rechtsordnung bleibt gewahrt. Der Verwaltungsakt bleibt allerdings insoweit wirksam, als er einen bloßen Verzicht auf spezifische, hier zum Beispiel disziplinarische Rechtsfolgen ausspricht. Das Strafgesetz hat drei Möglichkeiten, die allgemeinen, verwaltungsverfahrensgesetzlichen Anforderungen an die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes zu erhöhen: Zum einen kann es schweigen und so zum Ausdruck bringen, daß dieser Straftatbestand keiner Rechtfertigung durch eine behördliche Genehmigung zugänglich ist. Ein Beispiel hierfür ist § 330a StGB, dessen Täter nicht wie bei den anderen Straftaten gegen die Umwelt aufgrund einer behördlichen Genehmigung gerechtfertigt sein kann, denn über die Rechtsgüter des § 330a StGB kann die Behörde nicht disponieren.223 Zum anderen kann das Strafge221

BGH, NJW 1973, 1369 (1370); Steffen, in: RGRK, Vor § 164 Rn 34; Wolff/Bachof, VerwR n 4 , S. 50, 67, 81. Allg. zu juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Beteiligte an einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis und zur Frage der privatrechtlichen Wirksamkeit des Handelns ihrer Organe Binder, S. 142 ff, 199 ff. (v.a. 201). 222 Oder gemäß § 180 S. 2 i.V.m. § 177 BGB (schwebend) unwirksam. 223 Cramer, in: Schönke/Schröder, § 330a Rn 8; Dreher/Tröndle, § 330a Rn 1; Horn, in: SK, § 330a Rn 9; Lackner, § 330a Rn 6; Steindorf, in: LK, § 330a Rn 15. - Daß eine

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4. Teil: Die vorherige Genehmigung der Vorteilsannahme

setz, wenn es eine Genehmigung zugelassen hat, besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen aufstellen. Drittens kann es ausdrücklich einen fehlerfreien Verwaltungsakt verlangen. In § 331 Abs. 3 StGB hat der Gesetzgeber die beiden letztgenannten Wege beschritten. In fast allen anderen Fällen, in denen das Strafgesetz eine behördliche Genehmigung zum Rechtfertigungsgrund (oder auch ihr Fehlen zum Tatbestandsmerkmal) gemacht hat, finden sich keine Hinweise darauf, daß die Wirksamkeit der Genehmigungen an strengere Voraussetzungen als die üblichen des Verwaltungsrechts gebunden sein sollte. Derartige zusätzliche Voraussetzung auch hier zu verlangen steht dem Gesetzgeber frei; in § 34 Außenwirtschaftsgesetz etwa hat er es jüngst getan.224 In dieser Richtung kann eine Lösung der Probleme gesucht werden, wie sie in jüngerer Zeit vor allem im Umweltstrafrecht aufgetaucht und beklagt worden sind. Ob solche verschärften Anforderungen auch vom Rechtsanwender mittels "Auslegung" erreicht werden können, muß hier offen bleiben. Die Chancen stehen jedenfalls äußerst schlecht; das hat die Diskussion zur Rechtsmißbrauchslösung gezeigt.225

Genehmigung in diesen Fällen (auch verwaltungsrechtlich) nichtig ist, macht allein Horn deutlich, der allerdings an § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG (Nichtigkeit wegen Sittenverstoßes) anknüpft und so nur diejenigen Fälle einfangen kann, wo die Behörde in Kenntnis der Lebens- oder Gesundheitsgefahr die Genehmigung mit Blick auf § 330a StGB erteilt. 224 1.d.F. v. 20.2.1992 (BGBl. I, 372). Nach Abs. 1 S. 1 wird bestraft, wer "ohne Genehmigung ... (bestimmte) Waren ... ausführt." Abs. 8 S. 1 bestimmt: "Ohne Genehmigung im Sinne des Absatzes 1 handelt auch, wer auf Grund einer durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Genehmigung handelt." - Näher zu dieser Norm und den im Text behandelten Rechtsfragen Wimmer, JZ 1993, 67 ff. 225 Oben unter 14 bei Fn 99-104.

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Im August 1987 unterzog sich der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate - wie schon in den Jahren zuvor - im Aachener Klinikum einer Behandlung und wohnte mit seinen Begleitern vor Ort in einem Hotel. Zu seiner Bewachung waren zahlreiche Beamte der Schutzpolizei eingesetzt. Am Ende des Besuches übergaben Mitglieder der Delegation des Präsidenten dem wachhabenden Beamten 48 "Rolex"-Uhren mit der Bitte, die Uhren als Geschenke an die zur Bewachung eingesetzten Beamten zu verteilen. Dieser Beamte informierte den Einsatzleiter, auf dessen Anweisung die Uhren zunächst "unter Vorbehalt" an die einzelnen Beamten verteilt wurden; später wurden sie wieder eingesammelt. Erst danach wurde eine Genehmigung beantragt; sie wurde - anders als in den zwei Jahren zuvor - abgelehnt. Dieser Sachverhalt lag einer Entscheidung des OVG Münster zugrunde.1 In dem Verwaltungsprozeß ging es um die Frage, ob die beantragte Genehmigung erteilt werden mußte. Die disziplinar- und die strafrechtliche Seite wurden deshalb nicht beleuchtet. Widmen wir uns dieser Aufgabe, wird schnell deutlich, worin die dogmatische Besonderheit des Falles liegt, die gar nicht so selten auftritt: Die Beamten haben jeder einen Vorteil - noch untechnisch gesprochen - entgegengenommen, ohne daß ihnen dazu vorher eine Erlaubnis erteilt worden wäre; danach aber haben sie eine Genehmigung beantragt. Unterstellt, sie wäre ihnen - wie in den Jahren zuvor - erteilt worden: Welche Auswirkungen hätte das für die (Disziplinar-)Strafbarkeit aus § 331 StGB, §§ 76, 83LBG NW2? § 331 Abs. 3 StGB erklärt die Vorteilsannahme auch dann für nicht strafbar, wenn der Täter unverzüglich danach bei der zuständigen Behörde Anzeige erstattet und sie die Annahme - im Rahmen ihrer Befugnisse3 - genehmigt. Das Strafgesetz schafft damit keine Kompetenz der Behörde zur nachträglichen

1

Urt. v. 18.10.1991, 6 A 2476/89. In 1. Instanz: Urt. des VG Aachen v. 7.9.1989, 1 K 1469/88. 2 Entspr. §§ 70, 77 BBG. 3 Weil dieses Merkmal für beide Genehmigungsformen gelten soll, hat der Gesetzgeber es in § 331 Abs. 3 StGB vor die Klammer gezogen; der Satz ist damit jedoch sprachlich mißglückt.

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Genehmigung, sondern stellt nur klar, daß eine womöglich im Beamtenrecht4 zulässige nachträgliche Genehmigung auch im Strafrecht beachtlich sein soll.5 § 70 BBG selbst spricht ohne näheren Zusatz von einer Zustimmung. Ob und unter welchen Voraussetzungen diese Zustimmung auch nachträglich erfolgen kann, sagt die Norm nicht. Daher ist eine Auslegung geboten. Weil das Ergebnis für §§ 70 BBG und 331 StGB gleich ausfallen muß, besteht kein Anlaß, die folgende Untersuchung für beide Normen getrennt vorzunehmen. Daher kann zugleich auf das straf- und das öffentlich-rechtliche Schrifttum zurückgegriffen werden.

L Meinungsstand Die "nachträgliche" Genehmigung, um die es in diesem Teil der Arbeit geht, ist eine Genehmigung, die erst erteilt wird, nachdem der Vorteilsnehmer den Vorteil - untechnisch gesprochen - an sich genommen oder ein Versprechen dazu akzeptiert hat. Ist eine solche Möglichkeit früher noch apodiktisch abgelehnt worden,6 hat sich im Laufe der Zeit immer stärker die Erkenntnis durchgesetzt, daß sie unter besonderen Umständen durchaus zugelassen werden muß. Die verschiedenen Stellungnahmen zu diesem Problemkreis gehen in mehrfacher Hinsicht weit auseinander. Angesichts der dürftigen gesetzlichen Vorgaben ist nur allzu verständlich, daß die Voraussetzungen divergieren, unter denen eine nachträgliche Genehmigung für möglich gehalten wird. Darüber hinaus unterscheiden sich auch die Rechtswirkungen, die einer solchen Genehmigung beigelegt werden. Teilweise wird ein Strafaufhebungsgrund angenommen, teilweise ein Rechtfertigungsgrund, teilweise wird schon der Verbotstatbestand als nicht erfüllt angesehen, teilweise fehlt dazu jede Stellungnahme. Es liegt auf der Hand, daß sich die Entscheidung für eine dieser Rechtsfolgen wiederum auf die Voraussetzungen auswirkt, die für ihren Eintritt verlangt werden. Der mangelnde Kontakt zwischen dem Recht des öffentlichen Dienstes und dem Strafrecht führt schließlich zu weiteren Divergenzen, die - so das Anliegen dieser Arbeit - ebenfalls beseitigt werden müssen. Die vorgefundenen Ansichten zur nachträglichen Genehmigung sind teils unausgegoren, teils sehr detailliert. Sie alle enthalten mehr oder weniger zutreffende Aussagen. Sie stellen nur selten ein geschlossenen Modell dar, ihre innere Struktur und Begründung wird kaum jemals deutlich. Deshalb wäre es von nur geringem Nutzen, wollte man jeweils eine Ansicht referieren und gleich darauf bewerten. Ein solches Vorgehen böte ein unorganisches Bild 4

Und im sonstigen Recht des öffentlichen Dienstes. Die folgenden Ausführungen gelten auch für die dort tätigen Angestellten und Arbeiter. 5 Ausführlicher oben im 3. Teil DI 1 a ab Fn 66. 6 Preuß. Ober-Tribunal, GA 1861, 788 f.; vgl. auch RG, JW 1938, 739.

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I. Meinungsstand

und ließe die Zusammenhänge vermissen. Deshalb soll hier zunächst der Meinungsstand lediglich dargestellt werden. Anschließend werden die vorgefundenen Ideen einzeln aufgegriffen und systematisch untersucht; erst dort werden auch die Argumente der jeweiligen Ansichten gewürdigt.

1. Recht des öffentlichen

Dienstes

Im Schrifttum zum Recht des öffentlichen Dienstes findet sich fast stets die Wendung, die Genehmigung "müsse" vor der Geschenkannahme vorliegen.7 Wo immer aber auf die daraus entstehenden Probleme eingegangen wird, findet dieser allgemeine Satz seine einschränkende Korrektur in dem Hinweis auf mögliche Ausnahmen.8 Teilweise wird deshalb von vornherein nur davon gesprochen, die Zustimmung müsse "regelmäßig" vor der Annahme eingeholt werden.9 Dabei werden als Voraussetzungen rechtmäßigen Handelns übereinstimmend genannt, eine Zustimmung vor der Geschenkannahme müsse un-

möglich sein10 und der Beamte müsse die Genehmigung unverzüglich beantra-

gen.11 Außerdem dürfe der Beamte das Geschenk nur "vorläufig" 12 oder "unter Vorbehalt"13 annehmen, er müsse sich nämlich bis zur Erteilung der Geneh-

7

Battis, § 70 Anm. 4; Bochalli, BBG, § 70 Anm. 3, und LBG, § 76 Anm. 2; Brand, DBG, § 15 Anm. 1; Brüse, in: PK-BAT, § 10 Rn 8; Ebert, DienstR, Rn 260/7 (S. 8); Strunk, Rn 116; Thiele, ZBR 1958, 33 (35); Ule, §43 BRRG Rn4; Wiese, S. 111, sowie die Nachweise in der folgenden Fußnote. Dazu noch im 1. Teil IV 3 in Fn 114. 8 So RdErl. d. BMI 1962, D.4; RdSchr. d. BMI 1981, Nr. 2; Bek.-m. Bay. Fin.-Min. v. 1962, n.4; RdSchr. Berlin, 1.3 Satz 2; W NW zu § 76 Nr. 3.1; VwVorschr. Rh.-Pf., 3.2 (alle nachgew. im 1. Teil Fn 100 f.]), Baumgärtel, in: GKÖD IV, T § 10 Rn7; Böhm/Spiertz, § 10 Rn 18 f.; Crisolli, § 10 BAT Rn 4; Lochbrunner, Rn 126a f.; Mühl, in: GKÖD I, K § 70 Rn 4, 8; Plog/Wiedow/Beck, § 70 Rn 6; Schütz, BBL, § 76 Rn 5, und DiszR, C II Rn 84. 9 Breier/Uttlinger, § 10 Erl. 2; Claussen/Janzen, Rn C 24; Fischbach, § 70 Anm. IV; Lindgen, Hb, S. 494, 502, 504; Nadler/Wittland/Ruppert, § 15 Rn5; Scheuring u.a., § 12 Erl. 4. 10 RdErl. d. BMI 1962, ebd. (Fn 8); Breier/Uttlinger; Fischbach; Lochbrunner; Plog/ Wiedow/Beck; implizit auch Schütz (alle ebd. [Fn 8 f.]). 11 RdErl. d. BMI 1962; RdSchr. d. BMI 1981; VV NW zu § 76 (alle ebd. [Fn 8]); Baumgärtel, ebd. (Fn 8); Clemens u.a., § 10 Erl. 8; Lindgen, Hb, S. 502, 504; Mühl, aaO (Fn 8), Rn 4; Nadler/Wittland/Ruppert, § 15 Rn 5; Schütz, ebd. (Fn 8). 12 RdErl. d. BMI 1962, ebd. (Fn 8); Clemens u.a., § 10 Erl. 8; Lindgen, Hb, S. 502; Mühl, ebd. 13 W NW zu § 76, ebd. (Fn 8). - RdSchr. d. BMI 1981, ebd. (Fn 8): "zunächst".

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

migung jeder Verfügung über das Geschenk enthalten14 und das Geschenk bei Verweigerung der Genehmigung zurückgeben.15 All diese Aussagen sind in den Kommentierungen verstreut und nirgends geschlossen konzipiert. Dennoch bietet sich ein insgesamt einheitliches Bild. Dazu paßt jedoch gar nicht eine Entscheidung des BVerwG zu dem ganz ähnlichen § 14 HeimG16. Das Gericht hat entschieden, daß die nach § 14 Abs. 1 S. 2 HeimG mögliche Ausnahmegenehmigung stets und ausnahmslos vor der Annahme eines Vorteils erteilt sein müsse.17 2. Strafrecht

Im Strafrecht werden - in grob vereinfachender Vorsortierung - zwei Formen der "nachträglichen Genehmigung" unterschieden: die Genehmigung vor und die Genehmigung nach Erßllung des Tatbestandes. Die Begriffswahl ist

auf den ersten Blick verwirrend. Nach dem eben Gesagten und der Überschrift dieses 5. Teiles ist die Rede von einer Genehmigung, die nachträglich und vorherig zugleich ist. Dieser scheinbare Widerspruch beruht auf der Verschiebung des Vergleichspunktes. Die Genehmigung, von der im 5. Teil die Rede ist, erfolgt stets nach der Annahme}* Die zwei Formen, die im Schrifttum diskutiert werden, unterscheiden sich darin nicht. Sie unterscheiden sich darin, daß die eine vor der Tatbestandserfüllung erteilt wird, die andere aber danach. Beginnen wir mit der ersten. a) Die Annahme unter Vorbehalt Was im Strafrecht unter dieser Bezeichnung vorgetragen wird, ähnelt stark den Stellungnahmen aus dem Recht des öffentlichen Dienstes. Die hierzu vertretenen Ansichten sind einander so ähnlich, daß sie zusammengefaßt werden können. Im Strafrecht wird - bedingt durch den Wortlaut des § 331 Abs. 3 StGB von vornherein eine nachträgliche Genehmigung für möglich gehalten;19 die 14

Battis, § 70 Anm. 4; Baumgärtel, ebd. (Fn 8); Breier/Uttlinger, ebd. (Fn 9); Crisolli, § 10 BAT Rn4; Fischbach, § 70 Anm. IV; Lochbrunner, Rn 126a; Nadler/ Wittland/Ruppert, § 15 Rn 5; Plog/Wiedow/Beck, § 70 Rn 6; Schütz, ebd. (Fn 8). 15 Scheuring u.a., § 12 Erl. 4. - Crisolli, § 10 BAT Rn 4, meint, der Angehörige des öffentlichen Dienstes könne den Vorteil auch an den Dienstheim abliefern. 16 Dazu bereits oben 4. Teil 12 d bb bei Fn 49. 17 NJW 1988, 984. Näher E 2 c aa. 18 Zu einer abweichenden Ansicht siehe gleich unten II 1. 19 Was methodisch nicht korrekt ist; siehe gerade oben vor I bei Fn 3-5. Vgl. noch 3. Teil m 1 a ab Fn 66.

I. Meinungsstand

161

gesetzlichen Voraussetzungen aber werden als unzureichend oder zumindest als höchst problematisch empfunden. § 331 Abs. 3 StGB nennt die nachträgliche Genehmigung als gleichberechtigte Möglichkeit neben der vorherigen und verlangt zweierlei: Der Amtsträger muß die Annahme eines Vorteils unverzüglich anzeigen, die Behörde muß die Annahme genehmigen. Damit bleiben viele Fragen offen. Die Amtliche Begründung verleiht Klarheit über den Gedankengang des Gesetzgebers: "Im Falle der nachträglichen unverzüglichen Anzeige ist ... die 'Annahme' nur im Sinne der vorläufigen Entgegennahme des Vorteils unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden aufschiebenden Bedingung der Genehmigung genehmigungsfahig, aber nicht im Sinne einer endgültigen Entgegennahme des Vorteils mit dem Willen, ihn zu behalten oder über ihn für eigene Zwecke zu verfügen ... Wird für eine vorläufige Annahme die nachträgliche Genehmigung versagt, so muß der Vorteilsnehmer den Vorteil zurückgeben. Andernfalls liegt in dem Behalten des Vorteils nunmehr die strafbare endgültige Annahme."20

Diese Sichtweise wird vom Schrifttum ganz überwiegend geteilt. Eine nachträgliche Genehmigung könne die Vorteilsannahme dann rechtfertigen, wenn die Annahme unter Vorbehalt geschehe21 und der Vorteil dauerhaft verfügbar sei.22 Behalte der Beamte den Vorteil, obwohl ihm die Genehmigung versagt werde, sei damit der Tatbestand vollendet.23 Für das Sichversprechenlassen gilt nach dieser Ansicht dasselbe.24 Die weiteren, in § 331 Abs. 3 StGB ausdrücklich genannten Voraussetzungen werden dabei zumeist nicht mehr eigens genannt, sondern schlicht vorausgesetzt, so etwa daß die Genehmigung unverzüglich beantragt werden muß25 oder daß der Vorteil "genehmigungsfahig" 26 sein muß. Im Gegensatz zum Recht des öffentlichen Dienstes findet sich

20

BT-Drs. 7/550, S. 272. Mit der erklärten Selbstverpflichtung des Beamten also, den Vorteil bei Verweigerung der Genehmigung vollständig zurückzugewähren. Cramer, in: Schönke/Schröder, §331 Rn 50 (zweifelnd noch in Rn27); Dreher/Tröndle, § 331 Rn21; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 6; Krey, BT, Rn670; Lackner, § 331 Rn 10; Preisendanz, § 331 Anm. 4 c; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn26, 48; Schmidhäuser, BT, Rn24/9. - Gegen eine solche befreiende Wirkung eines Vorbehaltes im Devisenstrafrecht allerdings RG, JW 1938, 739. 22 Dreher/Tröndle, ebd; Jescheck, aaO, Rn 16. Damit ist gemeint, daß der Vorteil später muß zurückgegeben werden können. 23 Blei, BT, S. 461 = JA 1974, 377 (379); Jescheck, ebd.; Krey, BT, Rn 670; Lackner, § 331 Rn 16; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 48. 24 Cramer, ebd. (Fn 21) (noch tastend in Rn 25); Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 25,48. 25 Bei Jescheck, ebd. (Fn 22), etwa wird deutlich, daß er dies implizit verlangt. 26 So Cramer, ebd. (Fn 21). Damit ist hier gemeint, daß es sich nur um eine Tat im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB handeln darf, ohne daß der Vorteil gefordert worden wäre, um eine Tat also, bei der auch eine vorherige Genehmigung zulässig war. Vgl. zum etwas anderen Verständnis dieses Begriffs gleich unter b. 21

11 Hardtung

162

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

auch ein Hinweis zur dogmatischen Einordnung: Die Annahme unter Vorbehalt sei keine Annahme im Sinne des § 331 StGB, folglich erfülle sie schon nicht den Verbotstatbestand.27

b) Materielle Genehmigungsfähigkeit Im Strafrecht ist - anders als im Recht des öffentlichen Dienstes - erkannt worden, daß die bisher geschilderte Konzeption häufig erfolglos bleiben muß. Denn es ist nicht selten, daß eine ihrer zahlreichen Voraussetzungen nicht erfüllt werden kann.28 Darüber hinaus ist es dem Nehmer oft zwar möglich, den Vorbehalt zu erklären, aber es ist ihm - nach üblicher Formulierung 29 - "nicht zumutbar". Damit sind solche Fälle gemeint, in denen der Vorbehalt gegen den Anstand und die Sitten verstieße, wie etwa bei Zuwendungen im diplomatischen Verkehr. 30 Dann ist das Interesse, keinen Vorbehalt zu erklären, aber nicht nur beim Nehmer vorhanden, wie es der Begriff "Unzumutbarkeit" nahelegt. Gerade der diplomatische Verkehr ist ein deutliches Beispiel dafür, daß eine vorbehaltlose Annahme vielmehr vom öffentlichen Interesse am Ansehen des Diplomatischen Dienstes gefordert wird. Deshalb ist es genauer, von Situationen zu sprechen, in denen der Vorbehalt "untunlich" ist.31 Obwohl also in den geschilderten Fällen32 eine Annahme unter Vorbehalt nicht in Betracht kommt, soll es dem Beamten dennoch ermöglicht werden, den Vorteil anzunehmen, ohne dabei rechtswidrig zu handeln.33

27 Siehe die Nachweise oben in Fn 21. Kritisch Maiwald, JuS 1977, 353 (356); Maurach/Schroeder, BT 2, S. 205; und unten II 1. 28 Cramer, ebd. (Fn 21); Dreher/Tröndle, § 331 Rn 21; Lackner, § 331 Rn 16 Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 49. Siehe unter II 2 b, c, 3. 29 Z.B. Cramer, ebd. (Fn 21); Rudolphi, ebd. 30 Wie Fn 29 und Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, Rn 78/24. 31 Jescheck, in: LK, § 331 Rn 16; Krey, BT, Rn 670; Lackner, § 331 Rn 16. 32 Cramer, ebd. (Fn 21), nennt schließlich noch "Vorteile, die nicht... zur Verfügung der Behörde gehalten werden können". Das ist mir unklar. Vermutlich meint er damit eine Alternative zur Rückgabe und hat also solche Vorteile im Auge, die weder zurückgegeben noch zur Verfügung der Behörde gehalten werden können. Aber warum sollte es dem voreiligen Nehmer gestattet sein, den Vorteil nach versagter Genehmigung statt dem Geber der Behörde auszuhändigen? Das steht in keinem Zusammenhang mit dem Zweck der Norm; vgl. unten II 2 b nach Fn 86. 33 So auch § 460 Abs. 3 E 1962, § 460 Abs. 4 E 1962, die ausdrücklich vom Ausschluß der Rechtswidrigkeit sprachen, wo § 331 Abs. 3 StGB nur von Straflosigkeit spricht.

IV. Ergebnis und Vergleich

163

aa) Die herrschende Ansicht Die überwiegende Ansicht steht auf dem Standpunkt, daß die nachträgliche Genehmigung nicht auf die Rechtswidrigkeit der Annahmehandlung zurückwirken kann.34 Deshalb wird auf denjenigen Gesichtspunkt zurückgegriffen, der dem formalen Akt der Genehmigung materiell zugrunde liegt: die Abwägung der beteiligten Rechtsgüter und Interessen. Dazu stellt die herrschende Ansicht mehrere Voraussetzungen auf. Erstens muß es sich hier - wie unter a) - um eine privilegierte Vorteilsannahme handeln, um eine Tat also, die überhaupt einer Genehmigung zugänglich ist.35 Zweitens muß nach der bisherigen Praxis der Behörde eine nachträgliche Genehmigung zu erwarten sein;36 dies wird meist als "materielle Genehmigungsfähigkeit" bezeichnet. Drittens muß auch der Amtsträger selbst an eine spätere Genehmigung glauben.37 Schließlich muß er bei der Annahme des Vorteils die Absicht haben, die Genehmigung nachträglich einzuholen.38 Ob die Genehmigung später tatsächlich erteilt wird, 39 soll danach unerheblich sein.40 Sind die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, handelt der Vorteilsnehmer rechtswidrig. Wird später dennoch eine Genehmigung erteilt, so stellt sie allerdings einen Strafaufhebungsgrund dar.41

34

Nachw. unten in Fn 40. Also von § 331 Abs. 3 StGB erfaßt wird; Cramer, ebd. (Fn21); Jescheck, ebd. (Fn 31); Lackner, § 331 Rn 16. 36 Benfer, Rn721; Brauer, S. 39; Cramer, aaO (Fn21), Rn 51; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 21; Eser, S. 228; Jescheck, ebd. (Fn 31); Krey, BT, Rn 670; Lackner, § 331 Rn 16; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, Rn 78/26; Preisendanz, § 331 Anm. 4 c. Rudolphi, in: SK, § 331 Rn49, verlangt zusätzlich, daß auch nach objektiver Abwägung der einander widerstreitenden Interessen eine Genehmigung zu erwarten war. Das ist nicht dasselbe; näher unten DI 3 b bb. 37 Cramer, ebd. (Fn 21); Dreher/Tröndle, ebd.; Jescheck, ebd. (Fn 31); Krey, ebd. 38 Cramer, ebd. (Fn 36); Krey, ebd.; Lackner, § 331 Rn 16; Rudolphi, ebd. (Fn 36). Unklar Jescheck, ebd. (Fn 31): Der Amtsträger müsse den Vorteil "im Hinblick auf die Genehmigung" annehmen. 39 Und, so ist wohl zu ergänzen, ob sie überhaupt beantragt wird. Nur Eser, S. 228, verlangt unverzügliche Anzeige. 40 Cramer, ebd. (Fn 36); Creifelds, GA 1962, 33 (36, 41); Graupe, S. 17; Krey, BT, Rn 670; Lackner, § 331 Rn 16; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 42,49. 41 Böhm/Spiertz, § 10 Rn27; Cramer, aaO (Fn21), Rn52; Eser, S. 228; Haft, S. 288; Krey, ebd.; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 50; Schmidhäuser, BT, Rn 24/9; ähnlich Dreher/Tröndle, § 331 Rn 21. Nicht einmal das will Creifelds, ebd., zulassen. 35

Ii*

164

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

bb) Abweichende Ansichten Die weiteren im Schrifttum vertretenen Ansichten folgen grundsätzlich diesem Ansatz, weichen aber in einzelnen Punkten von der geschilderten Linie ab. Rischau42 weist auf die Parallele zur mutmaßlichen Einwilligung hin, zieht daraus aber keine konkreten Schlüsse. Andere Autoren verlangen für die Rechtmäßigkeit der Annahme weniger als die angeführten Voraussetzungen. So verzichtet Preisendanz auf die genannten subjektiven Voraussetzungen und läßt es genügen, daß der Amtsträger nach den Umständen des Einzelfalles mit einer Genehmigung rechnen durfte. 43 Auch für Maiwald44 kommt es allein auf die objektive Wertabwägung an. Ein subjektives Rechtfertigungselement verlangt er nicht und wendet sich ausdrücklich gegen das sonst aufgestellte Erfordernis, der Amtsträger müsse beabsichtigen, die Genehmigung später zu beantragen.45 Jescheck46 erkennt ebenfalls an, daß dort, wo ein Vorbehalt unmöglich oder untunlich ist, die Zuwendung wegen der Genehmigungsfähigkeit gerechtfertigt ist. Er legt allerdings Wert auf den Hinweis, die nachträgliche Genehmigung bringe dies "formell zum Ausdruck". Deshalb hält er eine besondere Prüfung der materiellen Genehmigungsfähigkeit erst dann für erforderlich, wenn "die Genehmigung später versagt wird". Damit harmoniert allerdings nicht ohne weiteres die spätere Bemerkung, die Rechtmäßigkeit könne nicht in der Schwebe bleiben und von der nachträglichen Beurteilung des Sachverhaltes durch die Genehmigungsbehörde abhängig gemacht werden. - Wieweit die formelle Bedeutung der nachträglichen Genehmigung reicht, macht Jescheck nicht deutlich. Es liegt nahe, sie als Beweiserleichterung anzusehen.47 Einen anderen Weg geht die Amtliche Begründung zu § 331 Abs. 3 StGB.48 Nach den Ausführungen über die Annahme unter Vorbehalt49 wird lediglich erklärt, es bedürfe dann keines Vorbehaltes, wenn eine Annahme unter Vorbehalt unmöglich sei; das folge aus der Natur der Sache. "Derartige Vorteile 42

In: Sonderausschuß-Prot. VI, S. 619. § 331 Anm. 4 c; in Anlehnung an die Amtl. Begr.: "... wenn mit der Genehmigung von vornherein zu rechnen war." Diese Ähnlichkeit ist aber nur äußerlich; siehe gleich unten. Wie Preisendanz auch Göhler, in: Sonderausschuß-Prot. VI, S. 613. 44 JuS 1977, 353 (356 f.). Ihm folgt Brauer, S. 39 mit Fn 45. 45 Dazu unten DI 3 b cc. Ob der Amtsträger wenigstens selbst Genehmigungsfähigkeit annehmen muß, behandelt Maiwald nicht. 46 Alles Folgende in: LK, § 331 Rn 16. 47 So auch Horstkotte, in: Sonderausschuß-Prot. VI, S. 619. 48 BT-Drs. 7/550, S. 272. 49 Oben unter 2 a bei Fn 20, erster Teil des Zitates. 43

I. Meinungsstand

165

sind zumindest dann genehmigungsfähig, wenn mit der Genehmigung von vornherein zu rechnen war." Es soll danach also bei der Pflicht zur Anzeige bei der Behörde bleiben, und erst deren Genehmigung soll den Täter rechtfertigen. Was bei Versagung der Genehmigung folgt, sagt dieser Abschnitt nicht explizit. Aber die Einbindung in das Gesamtkonzept und der Kontext legen die Vermutung nahe, daß mangels Genehmigung auch keine Rechtfertigung eintritt. Der Amtsträger hat danach das Risiko der späteren behördlichen Entscheidung zu tragen. Die dogmatische Vorstellung, die schließlich den Ausführungen von Tröndle 50 zugrunde liegt, ist nur schwer zu deuten. Er nimmt dann eine Rechtfertigung an, wenn der Amtsträger mit der Genehmigung rechnen konnte und rechnete51 und drittens die Genehmigung auch wirklich erteilt wird. Er fährt dann fort: Hat der Amtsträger "mit der Genehmigung nach den Umständen rechnen dürfen und gerechnet, wird sie aber trotzdem nicht erteilt, so ist er in einem nicht vorwerfbaren Verbotsirrtum ...; anders beim vorwerfbaren Irrtum."52 Offensichtlich mißt er der späteren behördlichen Entscheidung maßgebliche Bedeutung bei. Unter welchem Gesichtspunkt sie aber relevant wird, macht er nicht recht deutlich. Sie kann nicht allein dazu dienen, die Genehmigungsfähigkeit formal zum Ausdruck zu bringen.53 Denn es heißt bei ihm ja ausdrücklich, daß die Genehmigung versagt wird und dennoch mit ihr gerechnet werden durfte. Die Genehmigung soll vielmehr eine vollwertige materielle Voraussetzung unter anderen sein, denn nur bei Erteilung der Genehmigung ist die Vorteilsannahme gerechtfertigt. Ist sie aber eine Voraussetzung des Erlaubnistatbestandes, so wäre ein Irrtum darüber ein Erlaubnistatbestandsirrtum; Tröndle dagegen nimmt einen Verbotsirrtum an.54 Folgt man seiner Einordnung der Genehmigung als echter Rechtfertigungsvoraussetzung, so bleiben zwei Möglichkeiten. Entweder soll auch in diesen Fällen der Verbotstatbestand vor der behördlichen Entscheidung noch nicht vollendet sein.55 Dazu paßt aber nicht, daß die problematischen Fälle ausdrücklich von denjenigen geschieden werden, wo die Annahme eines dauerhaft verfügbaren Vorteils unter Vorbehalt erfolgt und der Tatbestand deshalb noch nicht vollendet sein

50

In: Dreher/Tröndle, § 331 Rn 21; entsprechend zur VorteihgeM'ährung § 333 Rn 9. Soweit folgt er der herrschenden Lehre. 52 Das ist paradox: Wie kann der Verbotsirrtum vorwerfbar sein, wenn die Prämissen gerade zum nicht vorwerfbaren Irrtum führen? 53 So wie Horstkotte und Jescheck, oben bei Fn 46 f., es sehen. 54 Das ist auch nicht damit zu erklären, daß er diese Irrtümer gleich behandelte. Denn er ordnet den Erlaubnistatbestandsirrtum als Irrtum eigener Art ein und folgt nicht der strengen, sondern der rechtsfolgeneinschränkenden Schuldtheorie; siehe Dreher/Tröndle, § 16 Rn 27. 55 So also, wie es die Anitl. Begr., oben bei Fn 48 f., meint. 51

166

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

soll.56 Oder - auch das wäre nach dieser Konzeption schließlich noch denkbar die Rechtswidrigkeit soll durch die Genehmigung rückwirkend beseitigt werden. Die Annahme eines Verbotsirrtums bei Versagung der Genehmigung wäre damit noch am ehesten vereinbar: Der Amtsträger weiß dann zwar zur Zeit der Tat, daß er (noch) keine Genehmigung hat und daß deshalb ein Merkmal des Erlaubnistatbestandes fehlt, er glaubt aber trotzdem an seine jetzige Rechtfertigung in Voraussicht der rückwirkenden Genehmigung. Dazu paßt auch Tröndles Aussage, eine vor der Annahme erteilte Genehmigung sei stets ein Rechtfertigungsgrund, das gelte "auch dann, wenn die Genehmigung einem vorausgegangenen Sichversprechenlassen nachfolgt": 57 Hier könnte sie das Sichversprechenlassen nur rückwirkend rechtfertigen. - In diesem Sinne ist § 331 Abs. 3 StGB auch von Lackner zeitweilig verstanden worden.58

cc) Die Bedeutung der nachträglichen Genehmigung Fassen wir zusammen: Der späten behördlichen Genehmigung wird eine sehr unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Die herrschende Ansicht sieht sie für die Frage nach Recht und Unrecht als vollkommen unbeachtlich an und gesteht ihr lediglich die Rolle eines Strafaufhebungsgrundes zu. Andere Stimmen erheben sie zur echten Rechtfertigungsvoraussetzung. Teilweise wird ihr eine formale Bedeutung zugeschrieben, die am besten als prozessuale Beweisregel gedeutet werden kann. Diesen Unterschieden wird später nachzugehen sein.

II. Die Genehmigung vor Tatbestandserfüllung Die meisten Polizeibeamten des Ausgangsfalles haben "ihre" Uhr "unter Vorbehalt" angenommen und danach die Genehmigung beantragt. Beginnen wir deshalb mit derjenigen Lehre, die in diesem Verhalten schon keine Erfüllung des Tatbestandes sieht. Griffiger als die gewählte Überschrift wäre sicherlich die im Strafrecht übliche Bezeichnung "Annahme unter Vorbehalt". Jedoch fällt schon beim ersten Hinsehen auf, daß gerade dieser Vorbehalt, dem das Strafrecht entscheidendes Gewicht beimißt, im Schrifttum zum Recht des

56

Dreher/Tröndle, § 331 Rn 21. Dreher/Tröndle, § 331 Rn 20. Ebenso zur Vorteilsgewährung in § 333 Rn 9. 58 In der 9. Aufl. (1975), § 331 Anm. 6 c. Geändert bereits in der 10. Aufl. (1976). Siehe dazu noch Baumann, BB 1962, 503 (505); Benfer, Rn721; Schmitt, ZStW 73 (1961), 414 (424), die allesamt eine rechtfertigende Wirkung der rückwirkenden Genehmigung sehen und keine dogmatischen Bedenken dagegen äußern. 57

. Die Genehmigung vor Tatbestandserfllung

167

öffentlichen Dienstes kaum einmal erwähnt wird, wie sich überhaupt die zahlreichen Voraussetzungen hier und dort nur teilweise decken.59 Ordnen wir das Sammelsurium an Voraussetzungen, so ergeben sich folgende Maximalanforderungen: Eine vorherige Genehmigung muß unmöglich sein; die Annahme des Vorteils muß unter Vorbehalt erfolgen; der Vorteil muß dauerhaft verfugbar sein; die Annahme muß grundsätzlich genehmigungsfähig sein; die Genehmigung muß unverzüglich beantragt werden; der Beamte darf bis zur Entscheidung der Behörde nicht über den Vorteil verfügen; die Genehmigung muß ihm erteilt werden, oder - wird sie ihm versagt er muß den Vorteil unverzüglich zurückgeben.60 Mit dem Wortlaut der §§ 331 StGB, 70 BBG hat all das nur noch wenig gemein. Aber das heißt nicht viel. Es kann durchaus sein, daß jedes dieser Merkmale seine innere Notwendigkeit aufweist und erst alle gemeinsam den Vorteilsnehmer rechtfertigen können. Und da Rechtfertigung mehr als bloße Straflosigkeit ist, können die Anforderungen über die in § 331 Abs. 3 StGB enthaltenen Merkmale hinausgehen. § 331 Abs. 3 StGB macht die Wirkung einer nachträglichen Genehmigung von deren beamtenrechtlicher Wirksamkeit abhängig und verweist so auf § 70 BBG. Zahlreiche Fälle der Vorteilsannahme unterfallen nur dieser weiter gefaßten Norm. Methodisch bietet sich deshalb an, den Blick ganz auf das Beamtenrecht zu richten und dort durch Interpretation und notfalls auch Rechtsfortbildung praeter legem ein Modell zu entwickeln, das für die nachträgliche Genehmigung nach Voraussetzungen sowie Rechtsfolge befriedigt; § 331 Abs. 3 StGB kann dazu als Interpretationshilfe dienen. Der erste Gedanke soll dabei dem Modell selbst, seiner Leistungsfähigkeit und Konsistenz dienen (unter 1., 2.). Ist ein befriedigendes Modell gefunden, wird sich die Frage stellen, unter welchen näheren Voraussetzungen es zugelassen werden kann und muß (unter 3.). Die von den hier untersuchten Lehren favorisierte Konstruktion vermeidet schon eine Erfüllung des Verbotstatbestandes. Während sich die Stimmen im Beamtenrecht nicht auf eine besondere Art und Weise festlegen, wie dies zu geschehen habe, stehen die Strafrechtsautoren häufig auf dem Standpunkt, die Annahme unter Vorbehalt sei schon keine Annahme im Sinne des § 331 StGB.

1. Keine "Annahme " im Sinne des § 331 StGB?

Diese strafrechtliche Konstruktion ist griffig. Wann immer ein Amtsträger dem Geber zu verstehen gibt, daß er den Vorteil nicht endgültig, sondern nur 59

Oben unter 11,2 a. Weitere Sonderfälle: Die Erklärung des Vorbehaltes ist nicht möglich oder zumindest untunlich. Dazu siehe unter 12 b pr. 60

168

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

vorläufig und unter dem Vorbehalt der späteren Genehmigung annehme, soll dieser Akt keine Handlung sein, die den Tatbestand des § 331 Abs. 1 StGB erfüllt. Daran befremdet, daß dieses Merkmal, von dem nach strafrechtlicher Ansicht alles abhängen soll, im Beamtenrecht nicht einmal zur Sprache kommt. Stets heißt es dort lediglich, nach der Annahme müsse die Genehmigung unverzüglich beantragt werden. Das hat allerdings noch nicht viel zu bedeuten; die dogmatisch kaum fundierte Ansicht im Beamtenrecht kann ja durchaus das entscheidende Kriterium übersehen haben. Auch die Kritik Maiwalds an dieser Konzeption kann nicht bestehen. Er hält die Fassung des § 331 Abs. 3 StGB bei dieser Auslegung für paradox. Denn so sei ausgeschlossen, daß §331 Abs. 3 StGB, der die Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung einer wirklich geschehenen Annahme ausdrücklich vorsehe, hier überhaupt angewendet werden könne.61 Das kann aus zwei Gründen nicht überzeugen. Erstens ist gar nicht ausgemacht, daß die Norm von einer "wirklich geschehenen" Annahme spricht; die Motive machen gerade deutlich, daß der Gesetzgeber selber hier die Annahme unter Vorbehalt gemeint hat. Zweitens bleiben nach der von Maiwald kritisierten Lehre stets Fälle übrig, in denen kein Vorbehalt erklärt werden kann;62 für diese Fallgruppe könnte § 331 Abs. 3 StGB seinen Geltungsbereich auch dann behalten, wenn er von einer tatbestandsmäßigen Annahme spräche.63 Das eigentliche Bedenken hat Schroeder angesprochen. Er sieht in der Privilegierung der Annahme unter Vorbehalt einen "Widerspruch zu der generellen Einbeziehung mißtrauenerweckender Handlungen in die Bestechungsdelikte".64 Damit trifft er den Kern. Zieht man nämlich die allgemeinen Ausführungen zu den Merkmalen einer "Annahme" heran, so stellt man folgendes fest: Der Täter muß den Vorteil an sich nehmen und den Willen haben, den Vorteil zu genießen, zu behalten oder über ihn als eigenen zu verfügen. 65 In diesem Zusammenhang wird zweierlei deutlich hervorgehoben: Eine "Annahme" scheitert nicht daran, daß der Täter sich des Vorteils beim Eintritt gewisser Bedingungen wieder entledigen will; 66 und es ändert ebenfalls nichts an der "Annahme", daß der Täter den Vorteil nur unter bestimmten Voraus61

JuS 1977, 353 (356). Oben unter 12 b pr. und unten 3. 63 Diese Restmenge erkennt Maiwald selbst an; ebd. (Fn 61). 64 Maurach/Schroeder, BT 2, S. 205. 65 BGHSt 14, 123 (127); 15, 88 (97); MDR 1961, 431; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 14; Jescheck, in: LK, § 331 Rn6; Lackner, § 331 Rn7; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn26. RGSt 58, 263 (266); BGH, GA 1963, 147 (148); Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 26, stellen dabei ausdrücklich auf den Empfängerhorizont ab; das ist nach den Darlegungen oben im 2. Teil V 2 nur konsequent. 66 BGH, GA 1963,147 f.; Cramer, aaO, Rn 27; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 14. 62

II. Die Genehmigung vor Tatbestandserfllung

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Setzungen für sich verwerten will. 67 Auflösende und aufschiebende Bedingungen sind also grundsätzlich unbeachtlich. Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, eine bedingte Übereignung werde gemäß § 158 Abs. 1 BGB erst mit dem Eintritt der vereinbarten Bedingung wirksam, hier also erst mit der vorbehaltenen Genehmigung. Zivilrechtlich ist es zwar möglich, daß die Absprache "nur bei Genehmigung" eine echte, nicht bloß eine unbeachtliche Rechtsbedingung ist, nämlich dann, wenn die Genehmigung nicht gesetzliche Voraussetzung für die Wirksamkeit des Geschäfts ist (§ 134 BGB), sondern "nur" für dessen Rechtmäßigkeit;68 die Bedingung, rechtmäßig zu handeln, ist also grundsätzlich durchaus möglich.69 Nicht aber ist sie es in unseren Fällen: Erfolgt ein Übereignungsgeschäft zum Zwecke einer Straftat der §§ 331 ff. StGB, so ist es gemäß § 134 BGB nichtig.70 Daher kommt es strafrechtlich für die "Annahme" nur darauf an, ob der Beamte über den Vorteil verfügen kann und will; der Eigentumsübergang an dem Geschenk tut dabei nichts zur Sache. Dasselbe gilt für den Fall, daß sich der Beamte den Vorteil bedingt versprechen läßt. Auch hier kommt es zur Unrechtsvereinbarung; die vereinbarte Bedingung ändert daran nichts.71 Warum also sollte für diesen einen Vorbehalt, daß die Behörde genehmigen werde, eine Ausnahme gelten? Als einziger um eine Begründung bemüht, weist Cramer darauf hin, daß "hier die Disposition darüber, ob der Vorteil dem Amtsträger zufließen soll, der Behörde überlassen bleibt."72 Das ist zumindest ungenau. Wenn der Beamte den Vorbehalt erklärt, weiß seine Behörde noch lange nichts von der Vorteilsannahme. Sie erfährt von dem Geschehen nur, wenn der Beamte wirklich um die Genehmigung nachsucht. Das geschieht aber erst nach der Annahme und kann nicht rückwirkend darüber entscheiden, ob der Beamte richtig "angenommen" hat.73 Übrigens hat auch der Geber nicht das geringste Interesse an einer behördlichen Nachprüfung; er hat den Vorteil ja gerade angeboten und will keine "Komplikationen"; von ihm wird deshalb niemals die Kontrolle ausgehen, ob der Beamte wirklich wie an-

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BGH, GA 1963, 147 f.; Baldus, in: LK 9 , § 331 Rn 4; Cramer, ebd.; Rudolphi, ebd. (Fn 65). AM. allein (ohne Begründung) Dreher/Tröndle, § 331 Rn 14. 68 Manfred Wolf, in: Soergel, Vor § 158 Rn 11: Rechtsbedingung im weiteren Sinne. 69 BGH, MDR 1959, 658. 70 Damm, in: AK BGB, § 134 Rn 91; Flume, S. 345; Larenz, BGB AT, S. 431. 71 RGSt 57, 28; Cramer, aaO (Fn65), Rn25; Dreher/Tröndle, §331 Rn 13; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 5; Lackner, § 331 Rn 7; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 25. Vgl. ebenso RG, JW 1891,114; Schäfer, in: LK, § 302a Rn 54, Stree, in: Schönke/Schröder, § 302a Rn 19 zum wucherischen Versprechenlassen. 72 Ebd. (Fn 66). 73 Ausführlicher zur Rückwirkung später III 2.

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

gekündigt die Genehmigung beantragt hat. Der erklärte Vorbehalt allein verschiebt folglich die Dispositionsmacht um kein Stück.74 Wäre es so, wie die herrschende Lehre meint, ergäben sich schließlich untragbare Konsequenzen. Erstens wäre gar nicht mehr zu erklären, woher dann all die verlangten Folgepflichten kommen sollten. Wenn der Beamte nichts Unrechtes getan hat: Warum soll er dann unverzüglich seine Behörde informieren, und warum soll er eine Sache, die er legal erlangt hat, später bei Versagung der Genehmigung zurückgeben müssen? Worin wäre die stets und immer verlangte Unrechtsvereinbarung bei der späteren endgültigen Annahme durch Unterlassen der Rückgabe zu finden? Und vor allem: Wofür braucht der Beamte überhaupt eine Genehmigung, wenn sein Verhalten gar nicht den §§ 70 BBG, 331 Abs. 1 StGB unterfällt? Die Begründung könnte nur lauten: Er muß all dies bei Strafe tun, weil er immerhin nahe daran war und fast diese Verbotstatbestände erfüllt hat. Daß ein solches Modell vor Art. 103 Abs. 2 GG keinen Bestand haben könnte, lohnt kaum der ausdrücklichen Erwähnung. Zweitens wäre es nicht möglich, die Figur "Annahme unter Vorbehalt" auf die Fälle des § 331 Abs. 3 StGB zu begrenzen. Denn wenn die Entgegennahme des Vorteils keine Annahme im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB darstellt, dann kann es nicht dadurch zu einer Annahme werden, daß der Beamte den Vorteil zuvor gefordert hat. Und was keine Annahme im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB ist, ist auch bei Abs. 2 und selbst bei § 332 StGB keine. Zwar würde die informierte Behörde in diesen Fällen stets eine Genehmigung versagen und der Beamte dürfte den Vorteil immerhin nicht "endgültig annehmen". Aber bis dahin dürfte der Beamte das Geschenk behalten. Es ist offensichtlich, daß diese Konsequenzen für andere Fälle als die des § 331 Abs. 3 StGB nicht gewollt sind. Die Lösung des Sachproblems einfach an ein Tatbestandsmerkmal zu binden, führt weit über das Ziel hinaus.75 Die gewünschte Begrenzung ließe sich auch nicht dadurch erreichen, daß man darauf verwiese, man gehe doch gerade vom Erlaubnistatbestand in § 331 Abs. 3 StGB aus und komplettiere nur dessen Voraussetzungen. Wäre es so, bestünde tatsächlich eine Beschränkung auf dessen Fälle. Aber es ist gerade nicht so. Die Lösung wird beim Merkmal "Annahme" und damit im Verbotstatbestand gesucht. Fazit: Der Versuch, schon die tatbestandliche Annahme zu verneinen,76 führt zu keinem glücklichen Ende. Vor allem die letzten zwei Textabsätze aber machen schon deutlich, in welcher Richtung eine befriedigende "technische" Lösung des Problems gesucht werden kann. 74

Damit ist die Erklärung des Vorbehaltes freilich nicht überflüssig; dazu näher unten 2 c cc. 75 Die Tücken dieses Verfahrens sind schon in einem anderen Zusammenhang deutlich geworden; oben 2. Teil VI 1 zur sozialadäquaten Vorteilsannahme. 76 Für das Sichversprechenlassen gilt dasselbe.

II. Die Genehmigung vor Tatbestandserfllung

171

2. Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand

Als Ausgangspunkt aller weiteren Überlegungen müssen wir festhalten, daß auch deijenige Beamte, der einen Vorbehalt erklärt, den Vorteil annimmt und damit den Verbotstatbestand erfüllt, soweit er von § 331 Abs. 1 StGB formuliert wird - gerade so, wie derjenige den Tatbestand des § 138 Abs. 1 StGB erfüllt, der von dem Vorhaben eines Mordes glaubhaft erfährt und davon nicht rechtzeitig Anzeige macht; dann auch so, wie derjenige Unfallbeteiligte, der stundenlang vergeblich gewartet hat und schließlich davonfährt, sich vom Unfallort entfernt, ohne seine Mitteilungspflicht gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt zu haben; und schließlich auch genau so, wie der ohne Aufenthaltsgenehmigung einreisende Ausländer sich ohne Berechtigung im Inland aufhält (§ 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). a) Vorbilder Diese Fälle haben gemeinsam, daß der jeweils Handelnde noch keinen Verbotstatbestand vollständig erfüllt hat. Für § 331 Abs. 1 StGB ist das freilich erst noch zu zeigen; die übrigen Fälle verweisen auf gesetzliche Modelle, die für die Vorteilsannahme lehrreich sind. Im einzelnen: Die genaueste, aufschlußreichste und unseren Bedürfnissen nächste Konstruktion findet sich im Ausländerrecht. Grundsätzlich ist es unerwünscht, daß Ausländer einreisen, ohne daß eine Behörde überprüft, ob "der Aufenthalt des Ausländers Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt" (so die Generalklausel in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG). Ideal wäre eine vorherige Kontrolle, und so bestimmt § 3 Abs. 3 S. 1 AuslG für den Regelfall, daß die Aufenthaltsgenehmigung vor der Einreise eingeholt werden muß. Das Gesetz läßt aber in zahlreichen Fällen zu, daß die Aufenthaltsgenehmigung erst nach der Einreise eingeholt wird (§ 3 Abs. 3 S. 2 AuslG i.V.m. § 9 DVAuslG). Wählt der Ausländer diesen Weg, so hat er "unverzüglich nach der Einreise" die Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen (§ 69 Abs. 1 S. 1 AuslG). Tut er das, darf er bis zur Entscheidung der Behörde bleiben.77 Versagt sie ihm die Genehmigung, muß er unverzüglich ausreisen (näher § 42 AuslG). Er macht sich nur dann nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG strafbar, wenn er eines der "unverzüglichen" Gebote mißachtet. - Die Ähnlichkeit zu dem Modell der nachträglichen Genehmigung, wie es im Beamtenrecht vertreten wird, ist offensichtlich. § 142 StGB zeigt, daß diese Technik auch dem Strafgesetzbuch nicht fremd ist. Diese Norm schützt die zivilrechtlichen Interessen der Unfallbeteiligten. 78 77

Sein Aufenthalt gilt entweder als erlaubt (§69 Abs. 3 AuslG) oder als geduldet (§69 Abs. 2 AuslG). 78 Siehe nur Rüth, in: LK, § 142 Rn 3, mit zahlreichen Nachw.

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Dieser Zweck gebietet - isoliert betrachtet - ausnahmslos, jeden Beteiligten so lange am Unfallort festzuhalten, bis er die erforderlichen Auskünfte gegeben hat. Da kann er womöglich lange warten. Um auch seine Interessen zu berücksichtigen,79 beschränkt das Gesetz die Wartepflicht auf eine angemessene Dauer (§ 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Verläßt der Unfallbeteiligte erst nach Ablauf dieser Zeit den Unfallort, entläßt ihn das Gesetz gleichwohl nicht aus der Pflicht: Nun ist er nach § 142 Abs. 2 StGB verpflichtet, die Feststellungen "unverzüglich nachträglich" zu ermöglichen. Das entspricht exakt der Pflicht des Vorteilsnehmers zur unverzüglichen nachträglichen Anzeige.80 §§ 138, 139 Abs. 4 StGB sind nicht so sehr wegen des dahinter liegenden dogmatischen Konzepts von Bedeutung, denn es kommt z. B. gar nicht darauf an, daß der Täter nach der Erfüllung des Tatbestandes in § 138 Abs. 1 StGB nun unverzüglich eine gegensteuernde Handlung begangen haben müßte. Die Bedeutung liegt vielmehr darin, daß der Gesetzgeber § 139 Abs. 4 S. 1 StGB der Form nach (eigener Absatz, Formulierung) als Strafaufhebungsgrund konzipiert hat, so wie er es auch bei § 331 Abs. 3 StGB getan hat. Und doch sieht ihn die ganz herrschende Lehre als Tatbestandsausschluß an:81 Die Anzeigepflicht dient der Verbrechensverhütung; erreicht der Täter dieses Ziel auf andere Art und Weise, so ist das Schutzgut der Norm nicht berührt.

b) Mindestanforderungen Den Beispielen ist strukturell gemeinsam, daß erst eine Kombination von Handeln (Einreisen, Sichentfernen) 82 und nachfolgendem Unterlassen (des Genehmigungsantrags bei der Ausländerbehörde, des Ermöglichens der Feststellung, des Abwendens der Tat) den kompletten Verbotstatbestand erfüllt. Genau das wäre auch für §§ 70 BBG, 331 Abs. 1 StGB sinnvoll: rechtswidriges Verhalten erst dann, wenn der Täter den Vorteil annimmt (Handeln) und dann entweder die Behörde nicht informiert oder nach abgelehnter Genehmigung den Vorteil nicht zurückgibt (Unterlassen). Die Beispiele haben gezeigt, daß eine solche Handlungs-Unterlassungs-Kombination möglich, gar nicht unüblich und auch praeter legem konstruierbar ist. Immerhin stellt es eine täterfreundliche Rechtsfortbildung dar, und der Strafgesetzgeber selbst wollte den § 331 Abs. 3 StGB so verstanden wissen.83 Deutet man §§ 331 Abs. 1, 3 79

Cramer, in: Schönke/Schröder, § 142 Rn 30; Rudolphi, in: SK, § 142 Rn 33. Lediglich der zweite Abschnitt (unverzügliche Rückgabe des Vorteils bei Versagung der Genehmigung) findet in § 142 StGB keine Entsprechung mehr. 81 Siehe die zahlr. Nachw. bei Hanack, in: LK, § 139 Rn 37; dort auch zur Gegenansicht: persönlicher Strafaufhebungsgrund. 82 Anders nur für § 138 StGB: Unterlassen der Anzeige. 83 Oben 12 a bei Fn 20. 80

II. Die Genehmigung vor Tatbestandserfllung

173

StGB, 70 BBG in diesem Sinne, findet auch Cramers Begründung für die Beachtlichkeit des erklärten Vorbehalts84 ihren richtigen Anknüpfungspunkt in der dem Täter auferlegten unverzüglichen Anzeige.85 Um einen solchen Tatbestand für die Vorteilsannahme zu bilden, bedarf es einiger Mindestvoraussetzungen. Sie sind in der Aufzählung aller vereinzelt verlangten Voraussetzungen86 vollständig enthalten. Die Kernstücke sind die Handlungspflichten, die dem Beamten nach der Annahme des Vorteils auferlegt werden: die unverzügliche Anzeige und eventuell die unverzügliche Rückgabe. Eine Aushändigung des Vorteils an den Dienstherrn dagegen, wie sie teilweise in der Literatur als mögliche Lösung angesehen wird, ist ungeeignet. Denn der Geber erfährt so nie, daß der Nehmer den Vorteil nicht behalten hat; das Vertrauen in den öffentlichen Dienst bleibt gefährdet. Zweitens fehlt jede Begründung dafür, daß sich der Dienstherr den Vorteil einverleibt und über ihn verfügt. Eine dem § 73 StGB vergleichbare Vorschrift, wonach der Verfall des vom Täter aus der Tat erlangten Vermögensvorteils angeordnet werden kann, existiert nicht. - Doch weiter: Die unverzügliche Rückgabe setzt weiterhin voraus, daß der Vorteil so dauerhaft ist, daß er auch später noch zurückgegeben werden kann. Lindgen hat zwar vorgeschlagen, der Beamte dürfe verderbliche Güter verbrauchen und müsse bei Versagung der Genehmigung statt ihrer den Gegenwert erstatten.87 Das ist praktischen Bedenken ausgesetzt, denn der genaue Wert des Geschenkes wird häufig nicht zu ermitteln sein.88 Vor allem aber wäre in diesem Fall das zu schützende Rechtsgut bereits endgültig verletzt: Der Beamte hat sich den Gegenstand der Unrechtsvereinbarung einverleibt. Ersetzt er nun dem Schenker lediglich den Wert, so macht er damit nicht mehr das Geschehene rückgängig, sondern leistet bloß Kompensation, eine Wiedergutmachung noch dazu, die nicht einmal dasjenige heilt, was die Norm schützen will, sondern nur den materiellen Nachteil des Gebers. Und der ist für diesen nicht einmal ein Verlust; er hat ihn zu gewähren ja gerade als vorteilhafter empfunden als ihn zu behalten. Das Ziel muß hier wie bei all den anderen Modellen89 sein, eine Rechtsgutsverletzung zu vermeiden. Das bemakelte Geschenk selber muß also zurückgewährt werden. Der Tatbestand der Vorteilsannahme darf erst mit der letzten Unterlassungssünde erfüllt sein. Die mögliche Genehmigung - das ist die Frucht dieses "verlängerten" Tatbestandes - erfolgt dann früher, ist also vorherige Genehmi84

Oben unter 1 bei Fn 72. Ob das Argument auch inhaltlich trägt, ist erst unter c cc zu prüfen. 86 Oben II pr. bei Fn 60. 87 Hb, S. 502. Ähnlich RdSchr. d. BMI 1981, aaO (Fn 8). 88 Wieviel ist die Einladung zu einem Ausflug wert? 89 Der Ausländer muß die Bundesrepublik noch verlassen können; die Straftat muß noch verhindert werden können; die Unfallbeteiligung muß noch festgestellt werden können. 85

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

gung und bereitet keine dogmatischen Probleme.90 Das setzt aber voraus, daß der Tatbestand nicht schon mit der Annahme des Vorteils vollendet ist. In § 142 Abs. 1 StGB hat der Gesetzgeber das Fehlen der Vollendung von dem zusätzlichen Merkmal der Angemessenheit abhängig gemacht. Daraus könnte der Schluß gezogen werden, auch bei § 331 Abs. 1 StGB müsse ein weiteres Merkmal eingeführt werden, an dem sich das Fehlen der Tatbestandsvollendung festmachen ließe. Die Norm könnte etwa besagen, der Vorteil dürfe nicht "ohne Vorbehalt" angenommen werden oder die Einholung der vorherigen Genehmigung dürfe nicht möglich sein. Aber zur Funktionsfahigkeit der Handlungs-Unterlassungs-Kombination ist ein solches zusätzliches Merkmal nicht erforderlich. §§ 138, 139 Abs. 4 StGB eröffnen dem Täter ja ebenfalls eine freie Wahl; und das AuslG läßt den nachträglichen Antrag auf Erlaubnis nicht nur unter besonderen Voraussetzungen zu, sondern eröffnet dem Ausländer voraussetzungslos diesen zweiten Weg. Mit der Handlungs-Unterlassungs-Kombination ist es nun auch möglich, den Anwendungsbereich dieser Figur auf die Fälle des § 331 Abs. 3 StGB zu beschränken. Nimmt der Täter einen Vorteil an, so hat er damit diese eine in §§ 70 BBG, 331 Abs. 1 und 2, 332 Abs. 1 und 2 StGB beschriebene Tathandlung begangen. § 331 Abs. 3 StGB bezeichnet nun diejenigen Fälle, worauf die Wohltat beschränkt ist, die Vollendung hinter die Unterlassung zu verlegen. "Technische" Probleme bestehen nicht.

c) Weitere Tatbestandsmerkmale Bisher ist gezeigt worden, daß man §§ 331 Abs. 1, 3 StGB, 70 BBG mit wenigen zusätzlichen Merkmalen als Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand verstehen kann. Die nächste Frage ist, ob man es auch darf und muß, ob also diese Normen ein solches Verständnis zulassen oder gar gebieten. Bei der Antwort darauf zeigen sich zugleich die weiteren Tatbestandsmerkmale, die den "gestreckten" Verbotstatbestand komplettieren. Die Handlungs-Unterlassungs-Kombination dient dem Ziel, einer Genehmigung zur Wirksamkeit zu verhelfen, die erst nach der Annahme des Vorteils erteilt wird. Im Strafrecht bezeugt die Existenz des § 331 Abs. 3 StGB, daß eine solche Konzeption erwünscht ist; dieses Ergebnis wird durch die Motive des Gesetzgebers noch zusätzlich gestützt.91 Im Recht des öffentlichen Dienstes aber - und daran bindet sich das Strafrecht 92 - ist die Fassung der einschlägigen Normen völlig unergiebig. So spricht § 70 BBG einzig davon, der 90 91 92

Es gilt uneingeschränkt das im 4. Teil Gesagte. Zitiert oben 12 a bei Fn 20. Ausführlich schon im 3. Teil DI 1 a ab Fn 66.

I Die Genehmigung vor Tatbestandserfllung

175

Beamte dürfe Geschenke "nur mit Zustimmung" annehmen. Die Norm bedarf der Auslegung. Legt man den Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand zugrunde, so erhält der Beamte die Genehmigung stets vor der Tatvollendung. Nun kann daraus nicht gefolgert werden, § 70 BBG lasse also eine solche Genehmigung selbstverständlich zu. Um den Zirkelschluß zu vermeiden, müssen wir im Auge behalten, daß diese Genehmigung der Annahme des Geschenks zeitlich nachfolgt. Daß sie trotzdem vor Tatvollendung erteilt wird, ist erst die Folge des "Kniffes", dessen Zulässigkeit gerade in Frage steht. Läßt also § 70 BBG eine nachträgliche Genehmigung zu?

aa) Unmöglichkeit vorheriger Genehmigung Der Wortlaut des § 70 BBG steht nicht entgegen. Die Vorschrift spricht von "Zustimmung"93; das umfaßt - zumindest nach der Terminologie der §§ 182 ff. BGB - sowohl die vorherige als auch die nachträgliche Erlaubnis.94 Ein Vergleich mit § 65 Abs. 1 BBG bestätigt dieses Ergebnis und fallt sogar deutlich zugunsten einer nachträglichen Genehmigung aus. Diese Vorschrift läßt die Übernahme einer Nebentätigkeit ausdrücklich nur mit einer "vorherigen Genehmigung" zu. Ebenso deutlich verlangt § 67 SGB-X für die Offenbarung personenbezogener Daten, daß der Betroffene "eingewilligt hat". Der Gesetzgeber war sich der Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung also durchaus bewußt und hat sie dort, wo er sie nicht zulassen wollte, explizit verboten. Bei § 70 BBG jedoch ist das gerade nicht geschehen. Zu der recht ähnlichen Vorschrift des § 14 Abs. 1 HeimG hat das BVerwG allerdings mit beachtlichen Gründen entschieden, eine nachträgliche Genehmigung sei unzulässig.95 Nicht alle der entscheidungserheblichen Gründe sind auf § 70 BBG übertragbar. 96 Auf zwei Argumente jedoch ist hier einzugehen. 93 So auch alle anderen Beamtengesetze. Allein § 78 LBG Rh.-Pf. spricht von "Genehmigung". 94 Unverständlich daher die Verweise auf § 183 BGB (Einverständnis) bei Lochbrunner, Rn 126a, und v.a. Schütz, BBL § 76 Rn 4, sowie DiszR C II Rn 84 ("Zustimmung ist das Einverständnis ..." und müsse "also" vor der Annahme erteilt sein). 95 NJW 1988, 984. Die folgenden Passagen stehen dort auf S. 985. 96 So etwa der Hinweis auf den Wortlaut des § 14 Abs. 3 HeimG: Von Heimbewohnern erbrachte Geldleistungen sind zurückzuzahlen, soweit nicht eine Ausnahme "zugelassen worden ist". Der Hinweis des Gerichts auf das Perfekt geht aber wohl fehl. Die Norm ist eher vom Standpunkt des jetzt das vergangene Geschehen Beurteilenden formuliert, so daß die Ausnahme nicht vor der Zuwendung, sondern vor der jetzt zu treffenden Entscheidung über die Rückzahlungspflicht zugelassen worden sein muß. Dafür spricht, daß § 14 Abs. 3 HeimG auch schon von den Geldleistungen sagt, daß sie

176

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Erstens, so das BVerwG, sei ein Verstoß gegen das Vorteilsannahmeverbot des § 14 Abs. 1 HeimG mit Sanktionen belegt.97 Die Ausnahmegenehmigung nach § 14 Abs. 1 S. 2 HeimG solle den Eintritt dieser Rechtsfolgen gerade verhindern. Schon dieser Regelungszusammenhang "lege die Annahme nahe", daß die Genehmigung nur vor der Vorteilsgewährung zugelassen werden dürfe. Die bedächtige Formulierung zeigt, daß dieses Argument vom Gericht selbst nicht als stichhaltig bewertet wird. Zu Recht, denn der vorgetragene Gedanke wendet sich von vornherein gegen jeden nachträglichen Genehmigungsakt. Das wird an dem typischen Fall, der rückwirkenden Genehmigung, besonders deutlich. Sie läßt einen gesetzlichen Tatbestand im nachhinein entfallen, gerade um dessen Rechtsfolgen zu verhindern. 98 Das angefochtene Rechtsgeschäft etwa ist als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB); und genau deshalb wird es angefochten, nicht etwa weil der Erklärende sich damals geirrt hätte.99 - Diese intendierte und üblicherweise auch zugestandene Wirkung kann deshalb einem rückwirkenden und ebenso jedem anderen nachträglichen Akt nicht "belastend" vorgehalten werden. Weiter zieht das Gericht den Sinn und Zweck des § 14 HeimG heran. Die Vorschrift diene dem Schutz der Heimbewohner vor z. B. Ausbeutung und Ungleichbehandlung. Die Behörde müsse diesem Zweck Rechnung tragen, wenn sie eine Ausnahmegenehmigung erwäge, und den Sachverhalt sorgfältig prüfen. Der aber könne "am ehesten" geklärt werden, wenn der Heimbewohner vor der Vorteilszuwendung befragt werde, denn dann könne die Behörde den Sachverhalt besser eruieren. Daran ist schon tatsächlich zweifelhaft, ob es wirklich "auf der Hand liegt", wie das Gericht meint, daß eine nachträgliche Sachverhaltsaufklärung "erheblich erschwert" ist. Denn diese These trifft nur auf solche Fälle zu, wo die Genehmigung erst "lange nach dem Vollzug der Zuwendung" beantragt wird; und nur diese Fälle erörtert das Gericht. Damit wäre der Zweck der Norm ganz erheblich gefährdet. Aber deshalb muß auf eine nachträgliche Genehmigung nicht gleich völlig verzichtet werden. Vielmehr genügt die zusätzliche Genehmigungsvoraussetzung, daß der Antrag unverzüglich nach der Zuwendung gestellt wird. Diese Bedingung, die bei § 70 BBG von der Literatur durchgehend aufgestellt wird und sogar in den Wortlaut des § 331 Abs. 3 StGB Eingang gefunden hat,100 ist bereits gesetzliches

"erbracht worden sind" (statt: "erbracht werden"), so daß eine Vorzeitigkeit der Genehmigung gerade nicht aus dem Wortlaut folgt. 97 § 14 Abs. 3 HeimG: Rückzahlungspflicht; § 17 Abs. 1 Nr. 3 HeimG: Bußgeld. Näher zur Rückwirkung unter III 2. 98 Oder zielt umgekehrt gerade auf den Eintritt einer Rechtsfolge, so § 184 BGB. 99 §§ 119 f., 123 BGB nennen nur die Voraussetzungen, unter denen das Gesetz den Wunsch des Erklärenden auf Rückgängigmachung respektiert. 100 Deshalb ist kaum verständlich, warum das Gericht diese sehr ähnlichen Vorschriften bei seiner Auslegung des § 14 HeimG so ganz unberücksichtigt gelassen hat.

II. Die Genehmigung vor Tatbestandserftillung

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Merkmal unseres Handlungs-Unterlassungs-Tatbestandes. Sie ist es aus dem rein technischen Grund geworden, den Täter seine Anzeigepflicht nicht in beliebig ferner Zukunft erfüllen zu lassen. Nun zeigt sich auch die innere Rechtfertigung dieses Merkmals. Kann die Behörde schon nicht vor der Annahme deren Ungefährlichkeit überprüfen, dann soll sie zumindest101 so schnell wie möglich davon erfahren. Gewichtiger ist aber eine methodische Kritik. Das Gericht sieht den Normzweck allein im Schutz der Heimbewohner und wählt deshalb eine Auslegung, die diesem Zweck "am ehesten" gerecht wird. Dabei übersieht es den weiteren Zweck der Norm, den Schutz nämlich der vom Verbot beeinträchtigten Grundrechte der Beteiligten. Auf diese Rechtsgüter weist das Gericht nur kurz hin, wenn es verfassungsrechtliche Bedenken zerstreut. 102 Aber § 14 Abs. 1 S. 2 HeimG sieht ausdrücklich eine Ausnahmegenehmigung vor und nimmt damit den Schutz dieser Rechtsgüter eindeutig in den Zweck der Norm auf. Diesen "Gegendruck" völlig auszublenden und sich ganz einseitig am Hauptzweck zu orientieren ist üblich, aber methodisch fehlerhaft. Ganz im Banne seiner Sichtweise verabsäumt das Gericht etwa die Klärung der naheliegenden Frage, ob nicht umgekehrt eine ganz unbedenkliche und deshalb materiell genehmigungsfähige Vorteilsannahme "erheblich erschwert" würde, wenn man nur eine vorherige Genehmigung zuließe. Schließlich müssen Verwaltungsverfahren so ausgestaltet sein, daß sie die Verwirklichung materieller Grundrechte nicht verhindern. 103 Diese Frage soll nicht mehr für § 14 HeimG untersucht werden, sondern für § 70 BBG. Das Kriterium für die richtige Antwort liegt in der beamtenrechtlichen Literatur zu dieser Norm bereit. Grundsätzlich muß das behördliche Kontrollinteresse als Hauptzweck dem Vorteilsannahmeinteresse vorgehen. Ist es deshalb möglich, vor der Annahme eine Genehmigung einzuholen, so besteht für das Gesetz kein Grund, auf die beste Kontrolle, also präventive Prüfung, zu verzichten. Außerdem: Versagt oder genehmigt die Behörde die Annahme, so ist sich der Adressat über den Umfang seiner Rechte sicher - auch das ein Argument für den Vorrang der vorherigen Genehmigung. Ist aber vor der Tathandlung kein Zuwarten auf die behördliche Entscheidung möglich,104 101 Es ist übrigens gar nicht ausgemacht, daß eine behördliche Prüfung vor der Annahme stets bessere Ergebnisse liefert als eine unmittelbar nachfolgende. Immerhin sieht die Behörde im zweiten Fall ex post, was sie im ersten noch ex ante prognostizieren müßte. 102 AaO (Fn 95), S. 985, r. Sp. u. 103 Zusammenfassend BVerfGE 52, 380 (389 f.); 53, 30 (65); siehe noch Hesse, Rn 339, 358-360. 104 Erstaunlicherweise taucht diese Voraussetzung in der strafrechtlichen Literatur nicht auf. Allein bei Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 50, findet sie sich in der Bemerkung angedeutet, eine Annahme unter Vorbehalt sei (nur?) dann keine Annah-

12 Hardtung

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

so ist nicht einzusehen, warum der Beamte die Genehmigung nicht auch danach soll beantragen dürfen, dann aber - siehe oben - unverzüglich, um die Aufklärungsarbeit der Behörde nicht unnötig zu erschweren. Die genannten Voraussetzungen ergeben eine (vorläufig) befriedigende Lösung: Der Interessenkonflikt zwischen Staat und Bürger ist akzeptabel ausbalanciert; die Individualgrundrechte von Vorteilsgeber und -nehmer sind nur soweit beschränkt, wie dies wirklich erforderlich und im engen Sinne verhältnismäßig ist. Die Voraussetzungen bedürfen allerdings noch der Präzisierung. "Unverzüglich" bedeutet wie in § 121 Abs. 1 BGB "ohne schuldhaftes Zögern". 105 "Unmöglichkeit vorheriger Genehmigung" liegt immer dann vor, wenn der Beamte nicht beides haben kann: vorherige Genehmigung und Vorteil zugleich. An dieser Voraussetzung fehlt es z. B. dann, wenn ein Naturschutzbeauftragter zur Annahme eines Preises für die Förderung von Naturparks geladen wird; 106 hier hat er im Regelfall vorher genügend Zeit, die erforderliche Genehmigung zu beantragen. Eine solche Situation kann aber etwa dort eintreten, wo die Vorteile ohne Zutun des Nehmers schon gewährt sind (Zusendung eines Blumenstraußes mit Fleurop, Überweisungen auf das Konto des Beamten, Ablieferung einer Kiste Wein bei den Familienangehörigen),107 oder dort, wo Vorteile angeboten werden, die nur sofort erbracht werden können (Einladung zu einem Essen, einem Ausflug, einer Übernachtung, einem Konzert) 108 oder die der Geber nur hic et nunc gewähren will. Dieser letzte Fall ist bisher nicht formuliert worden, scheint aber im Behördenalltag der häufigste zu sein. Ein Bürger etwa, der einem zuvorkommenden und hilfsbereiten Beamten für die prompte Erledigung eines komplizierten Antrags eine Schachtel Pralinen schenken möchte, wird sie dem Beamten entweder jetzt gleich oder nie geben. Wollte der Beamte ihm erklären, er freue sich sehr, be-

me, wenn die Initiative des Gebers darin besteht, daß er den Vorteil nicht bloß anbietet, sondern "gleich zuwendet". - Allgemein dazu Roxin, AT, Rn 17/48, der einen Rückgriff auf § 34 StGB zulassen will. 105 Nach zivilrechtlichem objektiven Maßstab. Also kein Widerspruch zu strafrechtlichen Kategorien. 106 Beispiel von Scheerbarth/Höffgen, S. 350. 107 Baumgärtel, in: GKÖDIV, T § 10 Rn 7; Schütz, BBL, § 76 Rn 5. In diesen Fällen nimmt der Amtsträger durch Unterlassen an, sobald er die Zuwendung als amts- bzw. diensthandlungsbezogenen Vorteil erkennt und sie nicht unverzüglich zurücksendet. Vgl. aus dem Strafrecht RGSt 13, 396 (397); BGHSt 15, 88 (103); OLG Köln, MDR 1960,156; Cramer, aaO (Fn 104), Rn 27; Jescheck, in: LK, § 331 Rn 6; Lackner, § 331 Rn 7; Rudolphi, in: SK, § 331 Rn 26; aus dem Recht des öffentlichen Dienstes Baumgärtel, aaO, Rn 5; Battis, § 70 Anm. 3; Mühl, in: GKÖD I, K § 70 Rn 4; Schütz, BBL, § 76 Rn 4; Scheuring u.a., § 12 Erl. 3; Ule, § 43 BRRG Rn 2. 108 Z.B. Cramer, ebd. (Fn 104); Rudolphi, aaO, Rn49. In diesen Fällen jedoch greift der tätergünstigere Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand nicht ein, weil der Vorteil nicht dauerhaft ist; vgl. oben b bei Fn 87-89.

II. Die Genehmigung vor Tatbestandserfüllung

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nötige aber vor der Annahme unbedingt eine Genehmigung, er werde sie sogleich beantragen und der Bürger möge bitte nächste Woche noch einmal vorbeischauen und dann das Präsent mitbringen: dieser Beamte bekäme seine Pralinen nie. bb) Keine Nutzung des Vorteils bis zur Genehmigung Noch sind nicht alle Tatbestandsmerkmale beisammen. Dem Normzweck lassen sich noch zwei weitere Voraussetzungen entnehmen. §§ 331, 70 BBG schützen die Funktionsfähigkeit der Verwaltung, und zwar einmal vor den typischen inneren Gefahren, die mit der Vorteilsannahme verbunden sind, zum anderen vor den äußeren Gefahren. 109 Zu den inneren Gefahren gehört, daß die Staatsdiener selbst sich für Vorteile zu interessieren beginnen und darüber womöglich ihre Unparteilichkeit verlieren. Diese Sorge gebietet, die Staatsdiener nur solche Vorteile annehmen zu lassen, für die es ihnen erlaubt worden ist. Haben etwa die Polizeibeamten im Ausgangsfall die Uhren ausgehändigt bekommen, so ist das vor der Genehmigung geschehen. Würden sie nun die Uhren tragen und damit Nutzen aus dem Vorteil ziehen, so hätten sie genau diejenige Gefahr verwirklicht, die §§331 StGB, 70 BBG verhindern sollen. Das zeigt deutlich der Fall, daß ihnen später die Genehmigung versagt wird. Aber auch wenn sie erteilt wird, ändert das nichts daran, daß die Beamten den Vorteil schon vorher ausgenutzt haben. Oben110 ist aber gezeigt worden, daß sie den Vorteil nur dann und nur deshalb vorläufig annehmen dürfen, wenn und weil sie ihn sonst gar nicht erlangen könnten. Das läßt sich auf diese Situation übertragen: Es besteht kein Anlaß, den Beamten schon jetzt die Nutzung der Vorteile vorläufig zu gestatten. Denn das Abwarten bis zur Genehmigung kann die mögliche spätere Nutzung des Vorteils nicht mehr gefährden. Den Beamten entgeht nichts, wenn sie den Vorteil nicht schon jetzt, sondern erst später nutzen dürfen. 111 Diese Einschränkung hängt also auch nicht davon ab, ob das Geschenk durch den vorläufigen Gebrauch abgenutzt und an Wert verlieren würde. Bis zur Entscheidung der Behörde darf der Beamte kein Bild aufhängen und keine compact disc abspielen, obwohl der Wert dieser Geschenke dadurch nicht sinken würde. Denn hier ist nicht entscheidend, ob der Geber trotz Rückgabe des Geschenkes geschädigt ist; für seine Vermögenslage interessieren sich die Nor-

109

Oben im 2. Teil 14. Unter aa ab Fn 103. 111 Etwas anderes kann nur für verderbliche Vorteile gelten. Aber die können ihrer mangelnden Dauerhaftigkeit wegen ohnehin nicht die Verlängerung der Tatbestandsvollendung bewirken, denn sie können nach Versagung der Genehmigung nicht mehr zurückgegeben werden; oben b bei Fn 86-89. 110

12*

180

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

men nicht. Es geht allein darum zu gewährleisten, daß der Beamte mit dem Vorteil vor der Genehmigung so wenig wie irgend möglich zu schaffen hat.112

cc) Erklärung des Vorbehaltes Mit dieser Einschränkung korrespondiert eine weitere, die dem Schutz der Verwaltung vor äußeren Gefahren dient. Diese finden sich vor allem in dem Verlust des Vertrauens der Bevölkerung in die Integrität der Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Auch dieser Gefahr muß so weit wie möglich vorgebeugt werden. Nimmt nun ein Beamter einen Vorteil an, ist der dauerhaft und genehmigungsfähig, beantragt der Beamte unverzüglich die Genehmigung und legt er den Vorteil bis dahin beiseite, so sind durch seine Enthaltsamkeit und die behördliche Kontrolle die inneren Gefahren gebannt - die äußeren aber sind es nicht. Für den Geber macht all diese spätere Aktivität keinen Unterschied; er sieht nur, daß er dem Beamten einen Vorteil angeboten und daß dieser ihn genommen hat. Damit ist die "Unrechts"-Vereinbarung 113, der Kern der Vorteilsannahmedelikte, geschlossen und realisiert. In diesem Fall unterscheidet sich die geschaffene äußere Gefahr in nichts von dem Fall der echten und endgültigen Tatbestandserfüllung. Wie bei der inneren Gefahr ist also auch hier ein weiteres Merkmal erforderlich, daß die von der (Unrechts-)Vereinbarung geschaffene äußere Gefahr auf ein tolerables Maß reduziert. Darin liegt die Bedeutung der Annahme unter Vorbehalt. Der Vorbehalt ändert nichts an der Tathandlung und an der (Unrechts-)Vereinbarung. Aber er fängt die dadurch geschaffene Erschütterung des Vertrauens auf. Das zeigt der folgende Gedankengang. Nimmt ein Beamter einen Vorteil an, so sieht der Geber, daß dieser Amtsträger unter den gegebenen Umständen einen solchen Vorteil anzunehmen sich nicht scheut. Nun kann der Geber oder ein Dritter auch schon bei ganz unverfänglichen Geschenkannahmen die Neutralität des Nehmers gefährdet sehen. Hat die Behörde dem Beamten vorher die Annahme erlaubt, so erklärt sie damit diese böswillig-misanthropische Vermutung des argwöhnischen Dritten für hinnehmbar; das solchermaßen geschaffene Risiko für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ist erlaubt. Hat sie aber noch nicht genehmigt, so ist ganz unklar, ob der Beamte mit der Annahme des Vorteils ein (materiell) erlaubtes Risiko setzt. Wird die Genehmigung später erteilt, so erweist sich das eingegangene Risiko als erlaubt. Für diesen Fall hat sich der Mut des Beamten gelohnt: Er hat das Schutzgut der §§ 331 Abs. 1 StGB, 70 BBG in nicht höherem Maße gefährdet, als wäre ihm die Genehmigung im 112

Vgl. schon oben b bei Fn 88 f. zur Rückgebbarkeit. Der Begriff paßt hier nicht mehr. Diese Vereinbarungen sollen ja gerade kein Unrecht darstellen. 113

II. Die Genehmigung vor Tatbestandserfllung

181

voraus erteilt worden; denn aus der Sicht des Gebers oder eines Dritten - sie wissen weder von der vorherigen noch von der nachträglichen Genehmigung stellen sich beide Fälle genau gleich dar. Wird dem Beamten aber die spätere Genehmigung versagt, so kann, muß und wird er den Vorteil zurückgeben. Aber er kann so nicht mehr verhindern, daß er mit der Annahme des Geschenkes eine unerlaubte Gefahr geschaffen hat. Die spätere Rückgabe könnte allenfalls zur nachträglichen Beseitigung dieser Gefahr dienen. Und selbst das ist mehr als fraglich: Der Schenker, dem das Geschenk zurückgegeben wird, ist davon völlig überrascht. Der Beamte mag beteuern, was er will, für den Geber wird es so aussehen, als habe der Beamte damals den Vorteil unerlaubterweise angenommen, sei ertappt worden und müsse nun das makelbehaftete Geschenk "zur Wiedergutmachung" hergeben. Sein Vertrauen in die öffentliche Verwaltung würde durch die Rückgabe eher noch weiter sinken als wieder steigen. Selbst wenn aber die Rückgabe reinigende Wirkung hätte, wäre dies rechtlich nicht anders zu bewerten als die Rückgabe der Diebesbeute. In beiden Fällen ist genau der Erfolg eingetreten, den zu verhindern die Verbotsnormen bezwecken. Die Rückgabe des Vorteils wie der Beute wäre bloßes Nachtatverhalten, das nur für das Strafmaß bedeutsam sein könnte. Um dieser Konsequenz zu entgehen, muß der Beamte schon bei der Annahme des Vorteils eine vertrauenserhaltende Maßnahme treffen. Er muß sich so verhalten, daß der Vertrauensverlust, zu dem die Annahme des Geschenkes führen kann, aufgefangen oder zumindest abgeschwächt wird. Er muß das Vertrauen in seine Unparteilichkeit und Integrität stärken. Konnte er die tatsächliche Integrität der Beamtenschaft durch die unverzügliche Einschaltung der Behörde und durch die weiteren oben geschilderten Maßnahmen hinreichend stärken, so bleibt ihm zur Stärkung des Vertrauens in eben diese Integrität nichts anderes als die deutliche Ankündigung eben dieses späteren Verhaltens. Das heißt genauer: Es genügt nicht, daß der Beamte lediglich erklärt, er gebe den Vorteil zurück, falls ihm die Genehmigung versagt werde; ebenso wichtig ist die Ankündigung, die Genehmigung unverzüglich zu beantragen und sich damit ganz in die Hände der zuständigen Behörde zu begeben.114 Nach einer solchen Ankündigung hat der Geber auch keinen Anlaß, an der Redlichkeit des Beamten zu zweifeln, wenn dieser ihm den Vorteil später tatsächlich zurückgewährt. Im Gegenteil wird dadurch das Vertrauen noch gestärkt durch die Bestätigung, daß der Beamte in der Tat seinen erklärten Vorbehalt ernstgenommen und die Behörde informiert hat. Mit diesen Bemühungen kann der Beamte zwar noch immer nicht erreichen, daß die Annahme des Geschenkes auf keinen Fall zu einem Vertrauensverlust führt. Man muß sich den Geber oder einen Dritten wiederum nur argwöhnisch

114

Das klingt allein bei Cramer, ebd. (Fn 107), an, der allerdings irrtümlich an die tatsächliche spätere behördliche Kontrolle anknüpft; siehe oben unter 1 bei Fn 72-74.

182

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

genug denken, um ihn dem beteuerten Vorbehalt des Beamten mißtrauen zu lassen. Aber dennoch hat der Beamte alle Mittel zur Vertrauenssicherung eingesetzt, die ihm zu Gebote standen. Mehr könnte er nur erreichen, wenn er den Vorteil gar nicht erst annähme. Ihm die Annahme zu ermöglichen, ist aber gerade unser Ziel, das im gesamten Schrifttum gebilligt wird und auch geboten115 ist. Deshalb genügt es der Rechtsordnung, daß der Beamte durch seinen Vorbehalt das Risiko eines Vertrauensschwundes immerhin erkennbar vermindert hat. Das zweifellos existierende Restrisiko wird von ihr in den von § 331 Abs. 3 StGB beschriebenen Fällen erlaubt.

d) Das Sichversprechenlassen unter Vorbehalt Die aufgestellten Voraussetzungen gelten für die Annahme eines Geschenkes. Läßt sich der Beamte den Vorteil zunächst versprechen, bedürfen sie der Modifikation. So ist es bereits fraglich, ob es auch hier dem Beamten unmöglich sein muß, schon vorher eine Genehmigung einzuholen. Diese Unmöglichkeit kann hier z. B. darauf beruhen, daß der Beamte ebenso "überrumpelt" wird, wie es bei der Zusendung eines Vorteils für die Annahme gegolten hat, dann nämlich, wenn dem Beamten statt des Vorteils selbst erst ein briefliches Versprechen zugeht. Die zweite Möglichkeit, die für die Fälle der Annahme vermutlich den häufigsten Fall darstellt, hat für das Sichversprechenlassen wohl nur theoretische Bedeutung: Der Versprechende will den Vorteil nur jetzt und hier versprechen. Das ist zwar möglich; denn weigert er sich, das Versprechen nach erteilter Genehmigung zu wiederholen, kann der Beamte sich den Vorteil unter Vorbehalt versprechen lassen. Aber warum sollte der Versprechende so engstirnig sein? Er plant doch ohnehin, später noch einmal zur Gewährung des Vorteils aktiv zu werden; es ist kaum vorstellbar, warum er dann sein Versprechen zu wiederholen nicht bereit sein sollte. Im Gegensatz zur Vorteilsannahme kann die Unmöglichkeit des Sichversprechenlassens schließlich nicht darauf beruhen, daß der Vorteil nicht dauerhaft ist, denn er wird ja noch nicht zur Nutzung gewährt, sondern erst in Aussicht gestellt.116 Die Anzahl der Fälle, in denen das Merkmal der Unmöglichkeit vorheriger Genehmigung erfüllt sein kann, ist also äußerst gering. Andererseits: Besteht beim Sichversprechenlassen ebenso wie beim Annehmen ein Anlaß für diese Voraussetzung? Oben ist gesagt worden, das behördliche Kontrollinteresse überwiege grundsätzlich das Vorteilsa/wtf/w/einteresse. 117 In diesem Zusammenhang gewinnt die Einsicht an Bedeutung, daß erst recht spät im historischen Prozeß auch das Sichversprechenlassen verboten wurde, um den Gefah115 116 117

Oben 11,2 a. Zu den drei Fällen der Unmöglichkeit bei Vornahme oben c aa ab Fn 105. Oben unter c aa iun Fn 104.

II. Die Genehmigung vor Tatbestandserfllung

183

ren der Annahme schon im Vorfeld zu begegnen.118 Dieses Verbot bekämpft gleichsam die Gefahr einer Gefahr. Das Interesse daran ist zweifellos geringer als das an dem Verbot der Annahme selbst. Deshalb spricht einiges dafür, an eine Erlaubnis des Sichversprechenlassens weniger strenge Anforderungen zu stellen. Die Formulierungen in § 70 BBG und § 331 Abs. 3 StGB sind ein starkes Indiz dafür, daß auch der Gesetzgeber dem Sichversprechenlassen deutlich weniger Bedeutung beimißt. § 70 BBG erwähnt das Sichversprechenlassen gar nicht. § 331 Abs. 3 StGB macht die Rechtfertigung des Sichversprechenlassens davon abhängig, daß die Annahme genehmigt worden ist. 119 Diese sonderbare Aussage kann auch nicht mit Formulierungsschwierigkeiten erklärt werden, denn es wäre ohne weiteres die präzise Fassung möglich gewesen, daß "die jeweilige Tathandlung" genehmigt werden müsse. Das geringere Gewicht des Sichversprechenlassens läßt also das besondere Merkmal "Unmöglichkeit vorheriger Genehmigung" entbehrlich erscheinen. Ebenso entfällt das Verbot, bis zur Entscheidung der Genehmigung nicht über den Vorteil zu verfügen; der Beamte hat ihn ja nicht. Aus demselben Grund kann und muß er ihn auch nicht bei Versagung der Genehmigung zurückgeben. Statt dessen wird es genügen, wenn er selbst nicht auf Einlösung des Versprechens drängt und den vom Versprechenden angebotenen Vorteil nicht annimmt. Die restlichen Merkmale des Handlungs-Unterlassungs-Tatbestandes bleiben bestehen; es sind - das kann nicht überraschen - die Kernvoraussetzungen, die zur Begrenzung der inneren und äußeren Gefahren dienen. 1. Das Sichversprechenlassen des Vorteils muß genehmigungsfähig sein: Die Tat gehört damit der ungefährlichsten Fallgruppe an. 2. Der Beamte darf sich den Vorteil nur unter Vorbehalt versprechen lassen: Der Vertrauensverlust wird begrenzt. 3. Er muß unverzüglich die Genehmigung beantragen: Den inneren Gefahren wird vorgebeugt.

3. Ergebnis und Würdigung

Die Untersuchungen haben gezeigt, daß die Genehmigung dem Sichversprechenlassen und der Annahme des Vorteils durchaus nachfolgen kann. Das ist aber nur unter zahlreichen Voraussetzungen möglich.120 Einige von ihnen entfallen beim Sichversprechenlassen, so daß kein einheitlicher Maßstab gilt. In Anlehnung an § 142 StGB kann der Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand in seiner vollständigen Form folgendermaßen formuliert werden: 118

Oben im 1. Teil m 2 bei Fn 68 f. Ebenso Amtl. Begr. (BT-Drs. 7/550), S. 271 r. Sp. u.; anders aber aaO, S. 272 r. Sp. o. - Diese Besonderheit wird uns noch in einem anderen Zusammenhang interessieren; unten DI 3 d. 120 Siehe die vollständige Auflistung oben unter II pr. bei Fn 60. 119

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

184 § 331 StGB

(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil als Gegenleistung dafür, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, 1. fordert, 2. einen von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt oder 3. ohne vorherige, von der zuständigen Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse erteilte Genehmigung a) ohne Erklärung eines Vorbehaltes sich versprechen läßt oder annimmt oder b) annimmt, obwohl eine vorherige Genehmigung möglich und tunlich war, wird... bestraft. (2) Unverändert. (3) Nach Absatz 1 wird auch ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter bestraft, der einen Vorteil unter Vorbehalt sich versprechen lassen oder angenommen hat (Absatz 1 Nr. 3 Buchst, a) und 1. nicht unverzüglich danach bei der zuständigen Behörde die erforderliche Genehmigung beantragt, 2. den angenommenen Vorteil vor Erteilung der Genehmigung nutzt oder 3. ihn nach Versagung der Genehmigung nicht unverzüglich zurückgewährt.

Die zahlreichen Voraussetzungen behindern einander teilweise gegenseitig. So muß es dem Nehmer etwa unmöglich sein, eine vorherige Genehmigung zu erlangen. Das ist z. B. bei Vorteilen der Fall, die - wie eine Einladung zum Essen - nur sofort erbracht werden können. Trotzdem ist in diesen Fällen der Nehmer nach Versagung der Genehmigung strafbar, denn er kann den vergänglichen Vorteil nicht zurückgewähren. Schließlich gibt es Fälle, in denen es unmöglich oder zumindest untunlich ist, den Vorbehalt zu erklären; 121 auch hier ist die Tat mit der Annahme des Vorteils vollendet. Messen wir die Leistungsfähigkeit des Handlungs-Unterlassungs-Tatbestandes an unserem Ausgangsfall: Die Polizeibeamten hatten "ihre" Uhren unter Vorbehalt angenommen und - so wollen wir unterstellen - auch nicht getragen; die Uhren waren dauerhafte und auch grundsätzlich genehmigungsfähige Vorteile; die Genehmigung ist unverzüglich beantragt worden. Aber all das hilft den Beamten nicht, denn es war durchaus möglich, mit der Verteilung der Uhren zu warten, bis die Genehmigungsbehörde entschieden hatte. Da also die vorherige Genehmigung möglich war, wird der Verbotstatbestand der §§ 331 Abs. 1 StGB, 70 BBG nicht um die Unterlassungsphase verlängert. Die Beamten haben den Tatbestand der Vorteilsannahme erfüllt, ohne vorher eine

121

Oben unter 12 b pr. Beispiel gleich im nächsten Absatz.

I . Die Genehmigung

Tatbestandserfllung

185

Genehmigung erlangt zu haben. - Der eine Beamte jedoch, der sämtliche 48 Uhren auf einen Schlag in die Hand gedrückt bekam, konnte vorher keine Genehmigung einholen. Aber er hat bei der Annahme keinen Vorbehalt erklärt und deshalb ebenfalls den Verbotstatbestand erfüllt. Das gibt zu einer allgemeinen Feststellung Anlaß: Häufig besteht - wie im Ausgangsfall - ein öffentliches Interesse an der Annahme des Vorteils. Dieses öffentliche Interesse macht dann zugleich die Erklärung eines Vorbehaltes untunlich. Für diese wichtige Fallgruppe kann das dargestellte Modell nichts leisten. Die Handlungs-Unterlassungs-Kombination erweist sich insgesamt als eine wenig ertragreiche Reaktion auf das berechtigte Anliegen, in besonderen Fällen einer nachträglichen Genehmigung rechtfertigende Kraft beizumessen. Die Mängel des Handlungs-Unterlassungs-Tatbestandes beruhen ganz überwiegend auf dem Bemühen, den Vollendungszeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Genehmigung nachfolgen zu lassen und so die Lösung statt im Rechtfertigungstatbestand in der Verbotsnorm zu finden. Vielleicht aber ist das gar nicht notwendig. Wenden wir uns deshalb den weiteren denkbaren Lösungsansätzen zu. III. Die Genehmigung nach Tatbestandserfüllung 1. Vorüberlegungen

Wir haben also gesehen, daß es in zahlreichen Fällen nicht gelingt, die Vollendung des Verbotstatbestandes hinter die behördliche Genehmigung zu verlegen. Von dieser Grundlage müssen die folgenden Überlegungen ausgehen. Dabei stellen sich zwei Fragen: Aus welchem Grund kann der Vorteilsnehmer gerechtfertigt sein? Und: Welche Bedeutung hat dabei die nachträgliche behördliche Genehmigung? Mit der ersten Frage ist bereits eine Festlegung getroffen worden: Auch bei tatbestandlicher Vorteilsannahme ohne vorherige Genehmigung soll der Täter gerechtfertigt sein können. Das ist nicht selbstverständlich, denn § 331 Abs. 3 StGB spricht nur davon, daß die Tat in solchen Fällen "nicht strafbar" ist. Damit wäre auch eine Deutung dieser Vorschrift als Strafaufhebungsgrund vereinbar. Diese schwächste Form strafgesetzlicher Freundlichkeit beruht aber nicht auf einer inhaltlichen Entscheidung, sondern allein auf dogmatischer Unsicherheit. Der Gesetzgeber hat die mit der nachträglichen Genehmigung verbundenen rechtssystematischen Probleme sehr deutlich gesehen und ausdrücklich nicht lösen wollen. Nur deshalb ist er vom klaren Wortlaut der §§ 460 Abs. 3 E 1960, 460 Abs. 4 E 1962 abgewichen, die noch beide dem Täter in den fraglichen Fällen ein rechtmäßiges Handeln zugebilligt hatten.122 122

"Die Frage, ob die Genehmigung die Tatbestandsmäßigkeit der Vorteilsannahme beseitigt oder nur ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund oder ein persönli-

186

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Es ist ja auch tatsächlich kein Sachgrund zu finden, der für eine Ungleichbehandlung von vorheriger und nachträglicher Genehmigung spräche. Gehen wir von einer in beiden Fällen fehlerfreien Genehmigung aus,123 so hat beide Male die vom Gesetzgeber zur Interessenabwägung berufene Stelle124 erklärt, daß die Tat tolerabel geringe Gefahren schafft. Das materiell rechtskonforme Verhalten kann also nicht hier rechtmäßig und dort rechtswidrig sein, bloß weil im ersten Fall der formelle Genehmigungsakt vor der Tatbestandserfüllung erfolgt ist. Am Ende dieses Abschnitts kann daher nur ein Modell stehen, in dem die nachträgliche Genehmigung der vorherigen weitestgehend gleichgestellt wird und ebenso wie diese das Unrecht ausschließt. Wie dieses Modell aussehen kann, muß sich im folgenden zeigen. Zuvor ist noch ein Gesichtspunkt anzusprechen, der bisher unbeachtet geblieben ist. Wo immer die Bedeutung einer Genehmigung nach Tatbestandserfüllung diskutiert wird, 125 gerät einzig die beamtenrechtliche Genehmigung in den Blick; sie ist ein Verwaltungsakt. Die arbeitsrechtliche Genehmigung, deren die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes bedürfen, ist aber ebenso bedeutsam; hier handelt es sich um eine privatrechtliche Willenserklärung. Da beide Genehmigungen von § 331 Abs. 3 StGB beachtet werden, stehen wir wie bisher vor der Aufgabe, Straf-, Zivil- und Öffentliches Recht zu harmonisieren. Die möglichen Lösungsansätze sind stets daraufhin zu überprüfen, ob sie die Einheit der Rechtsordnung wahren. Dabei müssen vor allem Normwidersprüche vermieden werden. Da es aber ebensowenig zu Wertungswidersprüchen kommen darf, ist eine Vorgabe sicher: Die Strafrechtfertigung des Vorteilsnehmers muß unabhängig davon sein, ob er Beamter oder Arbeiter ist, ob eher Strafaufhebungsgrund ist, läßt der Entwurf offen, weil der Gesetzgeber nicht gezwungen ist, hierzu Stellung zu nehmen. Es reicht aus, daß er bestimmt, daß die Tat jedenfalls nicht strafbar ist. Ober alles andere sollen sich die Professoren den Kopf zerbrechen" (Göhler, in: Sonderausschuß-Prot. VE, S. 613). Weiter heißt es in den Beratungen: "Hinsichtlich der Frage, wie die Genehmigung in § 331 Abs. 3 strafrechtlich zu bewerten sei, habe man sich nicht festlegen wollen, weil man in der Tat darüber streiten könne, ob sie bereits als Tatbestandsausschließungsgrund oder aber als Rechtfertigungsgrund zu bewerten sei... Die Genehmigung als Strafaufhebungsgrund zu bewerten erscheine nicht ausreichend. Die Handlung sei in den in Frage kommenden Fällen gerechtfertigt, wenn sie mit dem Dienstrecht übereinstimme (SonderausschußProt. VE, S. 617). - Der Sonderausschuß sprach sich ausdrücklich gegen einen bloßen Strafaufhebungsgrund aus (Prot. VII, S. 620, und BT-Drs. 7/1261, S. 21). 123 Ist die Genehmigung fehlerhaft, so muß für die vorherige und die nachträgliche Genehmigung natürlich auch dasselbe gelten. Nach dem im 4. Teil Gesagten ist das Nichtigkeit. 124 Auch das ist eine beachtliche Vorgabe des Strafgesetzes: Die sachnahe zuständige Behörde soll entscheiden, ob die Gefahren der Tat tolerabel sind, einerlei ob sie dies im voraus oder im nachhinein tut! Allgemein zum administrativen Vorrang bei der Gesetzeskonkretisierung M. Schröder, WdStRL 1991,196 (207 f.) m.w.Nachw. 125 Das geschieht nur im Strafrecht; siehe oben 12 b zum Meinungsstand.

I . Die Genehmigung

Tatbestandserfllung

187

die Genehmigung als Verwaltungsakt oder als private Willenserklärung erteilt wird. Denn eine Ungleichbehandlung beider Personengruppen im Strafrecht wäre nicht zu rechtfertigen. 126

2. Die rückwirkende

Genehmigung

Der oben konstruierte Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand war mit zahlreichen Umständlichkeiten verbunden. Suchen wir nun gezielt nach einer besonders klaren und einfachen Lösung, so gerät das Modell der Rückwirkung in den Blick. Es sieht bestechend aus: Sobald nur die Genehmigung erteilt wird, kann sie ohne weiteres die vollendete Tat rückwirkend rechtfertigen. 127 Das öffentliche und das Privatrecht kennen rückwirkende Akte. Unser Bemühen um die Einheit der Rechtsordnung könnte womöglich dazu führen, diese Wirkung auch im Strafrecht anzuerkennen.

a) Rückwirkung im Strafrecht: Meinungsstand Im Zusammenhang mit der Vorteilsannahme ist der Gedanke an eine rückwirkende Genehmigung nur selten und unklar formuliert worden.128 Die meisten Stimmen sprechen sich dagegen aus.129 Auch sonst findet dieser Gedanke in Rechtsprechung und Literatur nur gelegentlich Zustimmung. Dem rückwirkenden Akt wird teilweise rechtfertigende, teilweise aber auch nur strafaufhebende Wirkung beigemessen, häufig werden diese Möglichkeiten nicht getrennt; beide Ansichten werden deshalb hier zusammengefaßt. Die Fälle, in denen eine Rückwirkung angenommen worden ist, erfassen annähernd alle denkbaren Konstellationen, in denen eine Rückwirkung nach öffentlichem und Privatrecht möglich ist. Im einzelnen: Betrachten wir zunächst die verschiedenen Fallgruppen, in denen ein nach Öffentlichem Recht rückwirkender Akt im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrecht relevant sein kann. Die erste, der auch unser Problem angehört, umschließt alle Fälle einer rückwirkenden Genehmigung. Hier ist vor allem zu 126

Vgl. schon oben 3. Teil IV a.E., 4. Teil II 1 a aa. Ob die Rechtsordnung diese Rückwirkung nur unter besonderen Voraussetzungen zulassen will, ist - wie bei der Annahme vor Tatbestandserfüllung - eine Frage, der wir uns erst dann zuwenden, wenn über die "technische" Möglichkeit der Rückwirkung befunden worden ist. 128 Siehe oben unter 12 b bb ab Fn 48. 129 Oben unter 12 b aa Fn 34. 127

188

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

§ 15 Abs. 1 S. 1 Fernmeldeanlagengesetz130 häufig angenommen worden, die später erteilte rückwirkende Genehmigung lasse die Rechtswidrigkeit zur Zeit der Tat entfallen. 131 Ähnliche Stellungnahmen finden sich zum Devisenrecht 132, zu § 33 Abs. 2 Nr. 1 AußenwirtschaftsG (unerlaubte Einfuhr von Waren) 133 und zu § 16 KulturgutschutzG (unerlaubte Ausfuhr von eingetragenem Kulturgut) 134. Ausdrückliche Äußerungen gegen eine Relevanz rückwirkender Genehmigungen finden sich zu § 61 Abs. 1 Nr. 1 PBefG 135 (unerlaubte Beförderung von Personen), zur ordnungsgemäßen Besetzung der Strafkammer 136 und auch ganz allgemein137. Im Disziplinarrecht soll eine derartige Rückwirkung ebenfalls unbeachtlich sein.138 Daß auch einem nachträglichen Verbot oder Gebot Rückwirkung beigelegt

worden wäre, läßt sich nicht nachweisen. Es wäre auch mit rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar, wenn eine Behörde durch ein rückwirkendes Verbot erreichen könnte, daß ein Bürger eine Straftat begangen hat. Schon das Öffentliche Recht selbst läßt solche belastende Akte nicht zu; ein Verwaltungsakt, der ein Verbot oder Gebot rückwirkend anordnen wollte, wäre nichtig.139 Dagegen ist die rückwirkende Außebung einer rechtswidrigen Genehmigung

kraft der ausdrücklichen Anordnung des § 48 VwVfG möglich. Aber nur selten werden daraus strafrechtliche Konsequenzen gezogen: Die ex-tunc-Rücknahme der Erlaubnis zum Betreiben einer Apotheke (§ 4 Abs. 1 ApothekenG) 130 Das Errichten oder Betreiben einer Fernmeldeanlage "entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes" ist strafbar. 131 OLG Braunschweig, JZ 1951, 566 (567); Aubert1, S. 92 mit Fn 98, 196; Fuhrmann, in: Dalcke/Fuhrmann/Schäfer, § 15 FAG Anm. 2 (S. 1061); Neugebauer, S. 107, 305. - Gegen jede Auswirkung auch nur auf die Strafbarkeit OLG Hamm, Urt. v. 15.1.1927 (zitiert bei Stenglein, Kommentar, § 15 FernmG Anm. 2 a [S. 460]); Aubert/ Klingler 3 n, S. 5; Meyer, in: Erbs/Kohlhaas, F 55, § 15 Anm. 2 e; Schneidewin, in: Stenglein, ebd. 132 Gräbel, JW 1932, 1956. Dagegen aber RG, HRR 1934, Nr. 1509; JW 1938, 739; BGHSt 7, 294 (295); Hartenstein, JW 1932, 124; Thiele, JW 1938, 721 f. (beide aber für eine Lösung über § 153 StPO). 133 Schüler, ZfZ 1981, 205 f.; aA. Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, A 217, § 33 Anm. 3 a. 134 Riegel, in: Erbs/Kohlhaas, K 213, § 16 Anm. 1. 135 Meyer, in: Erbs/Kohlhaas, P 56, § 61 Anm. 3 a bb. 136 Die Mitwirkung eines nicht zugeteilten Richters kann nicht rückwirkend genehmigt werden; RGSt 66, 122 (123 f.). 137 Z.B. Bachof, SJZ 1949, 378 (394); Brauer, S. 69, 154 f. 138 Arndt, in: Behnke, Einf. B, Rn 19, 26. 139 Wolff/Bachof, VerwR I, § 50 m c 3 (S. 422). So schon Nebinger, S. 222. Speziell zu § 70 BBG: Keine beamtenrechtliche Pflicht zur Geschenkablehnung durch rückwirkende Ernennung zum Beamten (vgl. § 11 Abs. 1 S. 2 BBG); RDH bei Schulze/Simons/Foerster 1932, S. 2 f.

I. Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

189

führe dazu, sagt etwa Pelchen, daß es von vornherein an der erforderlichen Erlaubnis fehle und der Straftatbestand des § 23 ApothekenG schon mit Beginn des Betriebes erfüllt sei.140 Bei der rückwirkenden Außebung eines behördlichen oder gerichtlichen

Verbotes sind zuerst diejenigen Probleme in den Blick geraten, die aus der nachträglichen Nichtigerklärung oder rückwirkenden Aufhebung eines Patents oder Warenzeichens entstehen. Beiden Akten ist häufig eine unrechtsausschließende Wirkung zugestanden worden.141 Zumindest Straflosigkeit ist vertreten worden für die rückwirkende Aufhebung der Einberufung zum Wehrdienst142, der Anordnung eines Verkehrszeichens143, der Ausweisung eines Ausländers144, belastender Verwaltungsakte im Umweltstrafrecht 145. Auch in anderen Bereichen sprechen sich einige Stimmen für eine Berücksichtigung der nachträglichen Aufhebungsakte aus;146 sie berufen sich aber nicht stets auf die Rückwirkung, sondern machen auch den Gedanken des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs fruchtbar und lassen als straftatbegründende Verbote nur rechtmäßige Verwaltungsakte gelten; eine klare Abgrenzung fehlt dabei zuweilen.147 Die Gegenstimmen sprechen der rückwirkenden Auf140 In: Erbs/Kohlhaas, A 165, § 23 Anm. 3. Er nimmt beim ahnungslosen Täter allerdings Vorsatzausschluß an (Anm. 8); ebenso Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (62-64); weitergehend Saunus, S. 51 f., 53: stets Vorsatzmangel. Zu dem ähnlichen Ansatz von Schünemann bereits oben im 3. Teil III 1 b cc bei Fn 122-127. - Gegen eine strafrechtliche Auswirkung derartiger Rückwirkungen z.B. Horn, in: SK, Vor § 324 Rn 13; Steindorf, in: LK, § 324 Rn 106. 141 RGSt 7, 146; 14, 261; 30, 187; 48, 419 (421); SeuffBl. 1911, 668; Bernhardt/ Krasser, S. 670; Busse, § 49 Rn 3; Rogge, in: Benkard, PatG, § 22 Rn 63, § 142 Rn 3; Schulte, § 142 Rn 2. Allgemein für rückwirkende Zivilurteile Saunus, S. 50, 52. - Anders für die Nichtigerklärung einer Ehe: RGSt 60, 246. 142 OLG Frankfurt, NJW 1967,262. Anders die in Fn 143 genannten Gegenstimmen. 143 AG Bonn, NJW 1967, 1480; Janick'i, JZ 1968, 94 (95); ähnlich Stern, in: Festschr. f. Lange, S. 864. Dagegen BGHSt 23, 86 (91-94); BayObLG, DÖV 1967, 460; VRS 35, 195; OLG Karlsruhe, NJW 1967, 1625; OLG Stuttgart, JZ 1967, 101; Honnacker, NJW 1967,1769. Siehe schließlich OLG Frankfurt, NJW 1969,1917. 144 Rittstieg, InfAuslR 1988, 17 (Vorsatzausschluß). Dagegen OLG Frankfurt, StV 1988, 301 (aber möglicherweise Strafaufhebungsgrund) mit kritischer Anm. von B. Wolf. 145 Siehe nur Cramer, in: Schönke/Scliröder, Vor § 324 Rn 21 m.w.Nachw.; zur Gegenansicht etwa Dreher/Tröndle, § 325 Rn 3a, ebenfalls m.w.Nachw. 146 OLG Celle, NJW 1977, 444 (Rechtswidrigkeit als objektive Bedingung der Strafbarkeit); Geulen, ZRP 1988, 323 ff.; Lagemann, S. 131 ff, 149 Fn 52; Schall, NJW 1990, 1263 (1267 f.), Schenke, JR 1970, 449 ff.; differenzierend Gerhards, NJW 1978, 86 (z.B. 89); Gornik, S. 68-78 (v.a. 77). Vgl. noch Lorenz, DVB1. 1971, 165 (168) (allerdings ausdrücklich gegen das Rückwirkungsargument) und M. Schröder, VVdStRL 1991, 196 (224 f.). 147 Siehe z.B. Krause, JuS 1970,221 (222 Fn 22).

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

hebung belastender Verwaltungsakte jede Auswirkung auf die Strafbarkeit ab. 148 Rückwirkenden Akten, die das Privatrecht vorsieht, wird ganz überwiegend eine strafrechtliche Bedeutung abgesprochen. Vor allem die rückwirkende Genehmigung des § 184 BGB soll im Strafrecht bedeutungslos sein. 149 Vereinzelt wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß auch umgekehrt eine vor der Tat erteilte Einwilligung nicht nachträglich rückwirkend widerrufen werden kann. 150 Das stimmt mit der allgemeinen Ansicht überein, daß die Anfechtung eines Rechtsgeschäftes trotz § 142 BGB weder zugunsten noch zu Lasten des Täters auf die Rechtslage zur Tatzeit zurückwirken kann. 151 Aber beide Positionen sind nicht unbestritten geblieben. Vor allem der rückwirkenden Genehmigung ist gelegentlich auch für das Strafrecht Bedeutung zuerkannt worden (allerdings nicht stets gerade wegen ihrer Rückwirkungsintenti-

148

BayObLGSt 1962, 26 (30 f.) (allerdings mit der Einschränkung: "jedenfalls solange .. lediglich die für Übertretungen vorgesehene Strafe ... angedroht wird".); OLG Hamburg, NJW 1980, 1007 (1008); OLG Karlsruhe, JZ 1977, 478 (479); NJW 1988, 1604 (1605); Bachof, SJZ 1949, 378 (394); Haaf, S. 228 f. (aber inkonsequent auf S. 248-250, 252 f., 288: An konstitutive Verwaltungsakte sei der Strafrichter erst mit deren Bestandskraft gebunden, bis dahin müsse er das Strafverfahren aussetzen; dies sei nur eine scheinbare Rückwirkung). Wohl auch BVerfGE 80, 244 (256); BGH, NJW 1990,918. 149 RGSt 25, 375 (383); 61, 393 (394); BGHSt 17, 359 (360); BayObLG, JZ 1983, 268; OLG Frankfurt, VRS 29, 457 (459); OLG Oldenburg, NJW 1966, 2132 f.; OLG Hamm, NStZ 1986, 119; Österr. OGH, ÖJZ 1961, 276; Creifelds, GA 1962, 33 (36 Fn 17); Dreher/Tröndle, Vor § 32 Rn 3b, § 226a Rn2; Eser, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn 36; Geier, LM Nr. 8 zu § 226a StGB; Goldmann, S. 1 Fn 3; Graupe, S. 17; Günther, S. 51, 364 f.; Heidner, S. 154; Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn44, 112, § 226a Rn 3; Horn, in: SK, § 226a Rn 4; Jescheck, AT, S. 342; Kühne, JZ 1979, 241 (243); Lackner, § 226a Rn 4; Lange, in: Festschr. f. von Weber, S. 166; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn 44, § 266 Rn 21; Maurach/Zipf, AT 1, Rn 17/57; Michel, JuS 1988, 8 (9); Noll, S. 132; Roxin, AT, Rn 13/50; Ruß, in: LK, § 242 Rn 35, 70; Samson, in: SK, Vor § 32 Rn 44; Zipf, S. 53. Aus dem älteren Schrifttum: Ahrens, S. 63 ff. (v.a. 67, 69); Alsen, S. 10; Bruns, Befreiung, S. 60 f., 253 f.; Fischer, S. 278 f.; Gerland, S. 160; von Hippel, S. 249, 254 Fn 8; Keßler, S. 104; Lobe, in: Festschr. f. von Frank, S. 42; Mezger, in: LK 8 , Vor § 51 Anm. 9 d; Rothkugel, S. 51; Seib, S. 145; Traeger, Gerichtssaal 94 (1927), 112 (134); Zitelmann, AcP 1906, 1 (99-102). Aus dem Strafprozeßrecht: Keine rückwirkende Genehmigung des Prozeßhandelns eines noch unbestellten Verteidigers; RGSt 66, 265 (266 f.). 150

Michel, JuS 1988, 8 (9). RGSt 66, 175 (179 f.); RMG 18, 17 (21); KG, JW 1930, 943; BayObLGSt 1952, 226 (227); OLG Hamm, NJW 1967, 1344 (LS); Eser, in: Schönke/Schröder, §246 Rn4; Ruß, in: LK, § 246 Rn4; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, Rn 34/15; Seib, S. 145. 151

I. Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

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on),152 ebenso der Anfechtung 153. Schließlich finden sich ganz allgemeine Stellungnahmen zugunsten der Rückwirkung im Strafrecht. 154 Teilweise wird eine Rückwirkung abgelehnt, aber dem irrtümlich darauf vertrauenden Täter ein Vorsatzausschluß zugebilligt.155 In unserem Zusammenhang ist schließlich noch ein weiteres Beispiel interessant. § 890 ZPO gestattet es, gegen den Schuldner einer Unterlassungs- oder Duldungspflicht Ordnungsgeld oder -haft zu verhängen, wenn er diese Pflicht mißachtet. Die Norm dient vor allem dazu, den Willen des widerspenstigen Schuldners für die Zukunft zu beugen. Daneben enthält die Norm aber auch strafrechtliche Elemente, denn die angeordneten Sanktionen sind zugleich Repression für den bisherigen Pflichtenverstoß. 156 Deshalb ist es nach dem bisher Gesagten fast überraschend, wie einhellig bei dieser strafrechtsnahen Norm einer rückwirkenden Aufhebung des Titels tatbestandsausschließende Wirkung beigemessen wird: "Eine Aufhebung des Titels mit ex-tunc-Wirkung schließt die Ahndung einer früheren Zuwiderhandlung aus, weil dann die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht vorgelegen haben."157 b) Vorläufige Stellungnahme Die gedrängte Darstellung des Meinungsstandes ist ungenau und verschweigt fraglos zahlreiche Nuancen der Thesen und Argumente. Die Diskussion zu den einzelnen Streitgegenständen kann hier weder fortgeführt noch nachgezeichnet werden. Deshalb zunächst nur folgende Bemerkungen zur Rückwirkung im Strafrecht. Häufig wird kein Zusammenhang gesehen zwischen dem Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und dem Verbot rückwirkender Akte im 152 Von Bar, S. 78 f.; Baumann/Weber, S. 327; Binding, Hb 1, S. 715 Fn 21; Weber, in: Festschr. f. Baur, S. 140-145. 153 KG, Urt. v. 31.10.1916 - 6 S 55/16 - (mitgeteilt in KG, JW 1930, 943). 154 Binding, Abh. 1, S. 98 Fn 2, 113 f., 125 f. und passim; Gornik, S. 68-78 (v.a. 77): je nach Auslegung der jeweiligen Strafnormen; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (63 f., 121 f.; 125 f., 128 u. passim.). - Allgemein dagegen Lobe, aaO (Fn 149), S. 44-50. 155 Schubert, S. 23, 30, 35,44-50 u. passim.; vgl. Rittstieg, ebd. (Fn 144). 156 BVerfGE 20, 323 (332-334). Zur Doppelnatur dieser Norm Baur/Stürner, Rn 693; Schmidt-von Rhein, in: AK ZPO, § 890 Rn 9. 157 Schmidt-von Rhein, ebd.; ebenso OLG Frankfurt, NJW 1962, 542; 1982, 1056 (LS); Hartmann, in: Baumbach u.a., § 890 Anm. 3 F; Jestaedt, WRP 1981, 433 (435); Münzberg, in: Stein/Jonas, § 890 Rn 27; Zöller, § 890 Anm. 9; alle mit zahlr. Nachw. A.A. etwa Borck, WRP 1980, 670 (676). - Nach OLG Karlsruhe, MDR 1979, 150; Baur/Stürner, Rn 694; Rosenberg/Gaul/Schilken, S. 766, müssen bereits kassierte Ordnungsgelder zurückgezahlt werden.

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Strafrecht. So akzeptiert etwa Brauer einerseits, daß im Strafrecht nicht verboten sein könne, was im Verwaltungsrecht erlaubt ist,158 und wendet sich andererseits gegen die Geltung ex tunc wirkender Akte im Strafrecht. 159 Das äußert sich weiterhin in Formulierungen wie deijenigen, daß im Strafrecht "anders als im Zivilrecht einer nachträglichen Genehmigung die rechtfertigende Kraft versagt" bleibe160 oder daß beim Diebstahl durch nachträgliche Genehmigung "trotz § 184 BGB ein Gewahrsamsbruch nicht in Wegfall" komme161. Ganz deutlich schließlich: "Obwohl eine erfolgreiche Anfechtung die ex-tunc-Nichtigkeit des Erwerbes nach sich zieht, kann der Täter mit dieser bürgerlichrechtlich notwendigen, strafrechtlich aber unerträglichen Rückwirkung nicht belastet werden."162 Und: "Eine rückwirkende Genehmigung ... wie im Zivilrecht ist im Strafrecht unbrauchbar." 163 Wer aber, wie die herrschende Lehre, von der Einheit des Rechtswidrigkeitsurteils ausgeht164 oder zumindest alle außerstrafrechtlichen Erlaubnissätze auch im Strafrecht wirken lassen will 165 , dürfte sich mit dieser Rechtsansicht nicht leichttun. Denn die angeführten Passagen gehen davon aus, daß eine Anfechtung oder eine nachträgliche Genehmigung rückwirkend der Tat ihre (zivilrechtliche) Rechtswidrigkeit nimmt, was z. B. für § 823 BGB beachtlich wäre. 166 Dann aber ist es zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsordnung nur konsequent, diese Wirkung auch im Strafrecht anzuerkennen. Warum hier ein Widerspruch im Rechtswidrigkeitsurteil soll unbedenklich sein, wird kaum einmal ernsthaft begründet. Zumeist wird lediglich darauf hingewiesen, im Strafrecht komme es schließlich auf die Rechtswidrigkeit zur Zeit der Tat an.167 Das ist wohl zu dürftig. Auch in den anderen Rechtsgebieten kommt es stets auf die Rechtswidrigkeit zur Zeit des Geschehens an. Wenn aber ein rückwirkender Akt die Rechtswidrigkeit mit Wirkung für damals zur Rechtmäßigkeit machen kann - und so lautet ja die These, die den angeführten Zitaten zu entnehmen ist -, dann war das Geschehen zu seiner Zeit rechtmäßig. Besser

158

S. 46, 96. S. 69, 155. - Siehe auch Mezger, in: LK 8 , Bern. 9 d vor § 51. 160 Günther, S. 51. 161 Eser, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn 36. Ebenso Mezger, ebd. (Fn 159): "Gegensatz zu § 184 BGB". 162 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, Rn 34/15; Hervorhebungen hier und in den vorausgegangenen Zitaten von mir. 163 Zipf, S. 53. 164 Oben im 3. Teil II. 165 Nachweise oben im 3. Teil IE 1 b aa in Fn 70, 72. 166 Vgl. dazu etwa Schwerdtner, GRUR 1968, 9 (23). 167 Z.B. RGSt 61, 393 (394); BayObLGSt 1951, 226 (227 f.); Bruns, S. 254; Goldmann, S. 1 Fn 3; Heidner, S. 154; Hirsch, in: LK, Vor §32 Rn44; Mezger, ebd. (Fn 159); Noll, S. 132. 159

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formuliert lautet die These also, es komme im Strafrecht darauf an, wie die Rechtswidrigkeit zur Zeit der Tat beurteilt werde.168 Aber auch das ist zunächst nur eine Hypothese, die zu begründen erst die eigentliche Aufgabe wäre. Gelegentlich findet sich auch eine gründlichere Stellungnahme. Die Darlegung, warum die Einheit der Rechtsordnung durch das strafrechtliche Rückwirkungsverbot nicht verletzt sei, wird stets an der rückwirkenden Genehmigung des § 184 BGB exemplifiziert. So sagt Günther169, die rückwirkende Genehmigung bewirke schon im Zivilrecht selbst nicht etwa die Rechtmäßigkeit einer ohne vorherige Einwilligung erfolgten Rechtsgutsverletzung, sondern wolle die Rechtsposition des Verletzten verbessern, indem sie ihm die Möglichkeit eröffne, aus der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts Vorteile zu ziehen. Der Zweck des § 184 BGB allein ist als Argumentationshilfe freilich wenig geeignet. Er sagt nur, was das Gesetz will. Suchen wir aber nach Normwidersprüchen, muß uns interessieren, was das Gesetz tut. Und hier stimmt es allerdings, was Günther sagt: § 184 BGB bewirkt allein die "Wirksamkeit eines Vertrages" (§ 182 Abs. 1 BGB), aber nicht die Rechtfertigung desjenigen, der den Vertrag ohne Rechtsmacht geschlossen hat.170 Das Zivilrecht nimmt an dieser Stelle eine Trennung zwischen Rechts Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit vor. Es ist anerkannt, daß der nichtberechtigt Verfugende des § 185 Abs. 1 BGB auch nach der rückwirkenden Genehmigung Nichtberechtigter bleibt und deshalb z. B. das als Gegenleistung Erlangte gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB herauszugeben hat.171 So richtig all diese Ausfuhrungen sind: Für die vorgelegte Frage ist damit nichts gewonnen. Wenn § 184 BGB im entscheidenden Punkt der Rechtswidrigkeit des Verhaltens schon im Zivilrecht nicht zurückwirkt, ist es kein Wunder, wenn die Norm im Strafrecht ebensowenig rechtfertigend wirkt. Was liegt also näher, als unsere Frage an solchen außerstrafrechtlichen Normen zu überprüfen, die tatsächlich rückwirkend Einfluß auf die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nehmen? Das klarste Beispiel hierfür ist § 142 BGB. Fällt durch die Anfechtung des Diebes das vor der Tat irrtümlich an das Opfer übertragene Eigentum am Diebesgut an den Täter ex tunc zurück, so hat er sich zivilrechtlich sein Eigentum zurückgeholt. Was bedeutet das für den Tatbestand des § 242 StGB? Hier gelangen die Stellungnahmen, die sich für eine Unbeachtlichkeit der Rückwirkung im Strafrecht aussprechen, über bloße Be168 Brauer, S. 69, 155; Graupe, S. 17; Kühne, JZ 1979, 241 (243); Rengier, ZStW 101 (1989), 874(891). 169 S. 364 f. 170 So bereits Rothkugel, S. 51; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (99-102). 171 RGZ 115, 31 (35); BGHZ 29, 157 ff.; 56, 131 (134). Siehe noch BGH, NJW 1960, 860; DB 1976, 814 (815); Leptien, in: Soergel, § 185 Rn 25; Thiele, in: MünchKomm § 185 Rn 51.

13 Hardtung

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

hauptungen nicht hinaus.172 Zitelmann dagegen wählt bei einem anderen Fall gleichfalls ohne Bedenken - den entgegengesetzten Weg und übernimmt die zivilrechtliche Rückwirkung ins Strafrecht: Eine vorherige Einwilligung in eine rechtsgutsverletzende Handlung könne wie jede Willenserklärung nachträglich angefochten werden. "Da die Anfechtung rückwärts wirkt, wird mit ihr die Handlung rückwärts zu einer objektiv rechtswidrigen." 173 Die Genehmigung der Vorteilsannahme will nicht die Schenkung wirksam machen,174 sondern die Tat erlauben; das gilt für die vorherige wie für die nachträgliche Genehmigung. Damit zeigen sich an unserem besonderen Problem die allgemeinen Spannungen zwischen dem Gebot einer widerspruchsfreien Rechtsordnung und dem Interesse des Strafrechts, eine rückwirkende Änderung der Rechtslage nicht zuzulassen.175 Das Problem ist nur mit einer Untersuchung desjenigen rechtlichen Geschehens in den Griff zu bekommen, das sich hinter dem Begriff der "Rückwirkung" verbirgt. c) Die dogmatische Natur rückwirkender Akte aa) "Echte" Rückwirkung In einem ersten Versuch könnte man, sich ganz am Wort orientierend, die unbefangene Vorstellung hegen, daß z. B. mit Erklärung der Genehmigung tatsächlich die damalige Rechtslage geändert wird: Aus der zuerst unbestreitbar rechtswidrigen Vorteilsannahme wird durch den späteren Genehmigungsakt ebenso unbestreitbar eine schon damals rechtmäßige. Eine ex-tunc-Rücknahme der Genehmigung (§ 48 VwVfG) könnte dann die ursprüngliche Rechtswidrigkeit wieder tatsächlich herstellen. Logisch ist daran nichts auszusetzen. Die Schlußregeln sind eindeutig, die Ergebnisse widerspruchsfrei. 176 Daß die logische Folge zeitlich vor der Prämisse liegt, verstößt zwar gegen das Kausalgesetz; aber daran ist das logische Denken nicht gebunden.177 Sobald man aber daran geht, diese Vorstellung in 172

Siehe oben in Fn 151 und das Zitat eben im Text bei Fn 162. AcP 99 (1906), 1, 62. Weitere Fälle zu §§ 177, 185 BGB dort auf S. 119-130. 174 Auf den zivilrechtlichen Eigentumsübergang kommt es nicht an; vgl. oben II 1 bei Fn 68-71. 175 Womöglich liegt es auch gar nicht, wie meist behauptet, im Interesse des Strafrechts, rückwirkende Akte völlig zu ignorieren. Immerhin gilt für Gesetze der Grundsatz, daß nur stiafbaikeiisbegrilndende oder -erhöhende Normen nicht rückwirken dürfen (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB); BVerfGE 8, 197 (201 f.). Die Rückwirkung von Gesetzen und von Einzelakten weist keine hier relevanten rechtstheoretischen Unterschiede auf; vgl. unten c cc. 176 Vgl. dazu Lachmayer, S. 71 f. 177 Philipsborn, Gruchots Beitr. 64 (1920), 10 (11 f., 13). 173

DI. Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

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die Wirklichkeit umzusetzen, erkennt man schnell die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens. So denkmöglich eine "echte" Rückwirkung auch ist, so sinnlos ist sie zugleich. Schon die Sprache sträubt sich dagegen. Ich kann bedenkenlos formulieren: "Ich will jetzt, daß du jetzt etwas tust"; "Ich wollte damals, daß du damals etwas tatest"; "Ich wollte damals, daß du jetzt etwas tust"; und ich würde eben so verstanden werden.178 Bei dem Satz aber: "Ich will jetzt, daß du damals etwas tatest" wehrt sich der Verstand. Der begehrte Sinn einer echten Sollensaussage wird darin nicht deutlich; der Hörer würde allenfalls verstehen: "Ach, hättest du damals doch etwas getan." Daß dieser Satz im Irrealis steht, weist auf das Richtige hin. Selbst wenn ich einen echten Befehl für vergangene Zeiten ausspreche, ist er doch vergeblich. Der Befehl kann nicht mehr und damit nie befolgt werden und ist sinnlos. Auch eine Deutung der Rechtsnorm als Bewertungsnorm179 ändert am Ergebnis nichts. Auch hier muß die Bewertung der Tat als rechtlich mißbilligtes Verhalten schon zur Tatzeit vorliegen, um daran Konsequenzen zu knüpfen. Also nicht: "Ich mißbillige jetzt dein damaliges Verhalten", sondern: "Ich stelle jetzt fest, daß ich damals dein Verhalten mißbilligte". Solche Konstruktionen wären nicht nur sinnlos, sondern im Wortsinne "tatsächlich" unmöglich. Sobald das Recht seine Aufgabe erfüllen und das reale Leben der Rechtsgemeinschaft ordnen will, muß es auch in diese Realität eingreifen und ist damit an das Kausalgesetz gebunden. Das Recht kann zwar beliebig entscheiden, ob es ein Verhalten erlaubt. Hat es sich aber entschieden, so ist das Erlaubtsein die kausale (nicht bloß logische) Folge des Gestattungsaktes; dann ist es eine Tatsache, daß "der Gesetzgeber" das fragliche Verhalten billigt. Eine Änderung dieses tatsächlichen Zustandes ist nur ex nunc möglich; jede Äußerung des Gesetzgebers über Vergangenes kann nur die Qualität einer Aussage, nicht aber eines Imperatives haben.180

bb) Deklarationslehre Die Kritik an der extremen Theorie von einer "echten" Rückwirkung läßt schon erkennen, in welcher Richtung der Rückwirkung einen Sinn zu geben versucht worden ist. Nach der Deklarationslehre 181, der etwa von Philipsborn 178 Satz 1 ist ein normativer, Sätze 2 und 3 sind deskriptive Sätze über damalige Imperative. 179 Nachweise zum Meinungsstand oben im 3. Teil in Fn 28. 180 Binding, Hb 1, S. 226; Esser, S. 175; Lobe, in: Festschr. f. von Frank, S. 45. Zur "echten" Rückwirkung insgesamt siehe noch die Kritik bei Jacobi, S. 4-8. 181 Endemann, S. 414 f.; Fitting, S. 5 ff. (zusammenfassend S. 118 f.); Holder, § 184 Erl. 2; Rothkugel, S. 3 f., 6-19.

1 *

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

eine ausführliche Arbeit gewidmet worden ist, 182 nimmt die Rückwirkung keinen Einfluß auf die damalige Rechtslage. Der "rückwirkende" Akt 183 stellt vielmehr klar, daß die Rechtslage schon immer so war, wie sie nun "offengelegt" ist: "Rückwirkung ist die durch späteren Eintritt eines Umstandes erfolgende Feststellung, daß ein Tatbestand bereits an einem früheren Zeitpunkt eine Rechtsfolge gehabt oder nicht gehabt hat." 184 Nach dieser Sicht ist zu unterscheiden zwischen der damals unerkannten (und häufig unerkennbaren!) tatsächlichen Rechtslage und der damals womöglich irrigen, nun aber durch den rückwirkenden Akt geläuterten subjektiven Ansicht der Rechtsunterworfenen.185 Die Ungewißheit kann auf einzelne Personen beschränkt sein,186 aber es kann ebensogut ein Zustand der objektiven Ungewißheit vorliegen. 187 Diesen grundsätzlichen Ausführungen zufolge scheint die Deklarationslehre den Fehler der Theorie von der "echten" Rückwirkung zu vermeiden. Aber dennoch hat sie sich nicht völlig von dieser Vorstellung gelöst. So heißt es etwa, daß die "Erklärungen des Minderjährigen und die Zustimmung des Vertreters gleichzeitig gedacht und mit der Rechtsfolge des wirksamen Vertragsschlusses gedanklich verbunden" werden.188 Begründet wird die Zulässigkeit solchen Vorgehens mit dem Hinweis, die Logik sei nicht an das Kausalitätsgesetz der Realität gebunden.189 Daß dieser Ansatz die Ordnungsfunktion des Rechts verkennt, ist schon eben gesagt worden. In Widerspruch zu der gerade zitierten Stelle heißt es kurz darauf, der Grund der eingetretenen rechtlichen Wirkung liege nicht im Eintritt der künftigen Tatsachen, sondern "in den von vornherein gesetzten Vorgängen"; die Genehmigung einer zustimmungsbedürftigen Willenserklärung stelle lediglich fest, daß die damalige Willenserklärung schon "ihre innere Berechtigung" gehabt hätte, etwa weil "im gegebenen Falle die Interessen des Mündels gewahrt sind"; 190 die Anfechtung stelle fest, daß "nur der Schein einer Willenserklärung vorgelegen" habe.191 Das ist bedenklich. Denn es käme nach dieser Sichtweise für die Wirksamkeit der Willenserklärung des Minderjährigen dar182

In: Gruchots Beitr. 64 (1920), 10 ff. An ihr als einer historisch späten Arbeit orientiert sich die folgende Darstellung. Eine genauere Behandlung anderer Spielarten findet sich bei Jacobi, S. 9-16. 183 Dieser Name trifft danach freilich nicht mehr den Kern. 184 So gleich der einleitende Satz bei Philipsborn, aaO (Fn 182), S. 10. 185 Philipsborn, aaO (Fn 182), S. 11: "Zustand der Ungewißheit über den gegenwärtigen Rechtszustand". 186 "Unkenntnis"; Philipsborn, aaO (Fn 182), S. 14. 187 Philipsborn, aaO (Fn 182)r S. 12. 188 Philipsborn, aaO (Fn 182), S. 13 (Hervorhebung von mir). 189 Philipsborn, aaO (Fn 182), S. 11 f., 13,15,16 u. passim. 190 Philipsborn, aaO (Fn 182), S. 14 f., 17. 191 Philipsborn, aaO (Fn 182), S. 22.

I . Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

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auf an, daß sie seine Interessen wahrt; nur dann und immer dann müßte die damalige Willenserklärung ihre innere Berechtigung gehabt haben und wirksam gewesen sein. Ebenso wäre ein Rechtsgeschäft schon wegen Irrtums oder Drohung nur der Schein einer Willenserklärung gewesen. Das aber sagt das Gesetz deutlich nicht. Die Wirkung der Genehmigung des Erziehungsberechtigten ist völlig unabhängig von der Wahrung der Interessen des Mindeijährigen;192 und der Irrtum berechtigt den Erklärenden nur zur Anfechtung, erst von dessen nachträglicher freier Entscheidung hängt das Schicksal des Rechtsgeschäftes ab. Deshalb kann die Deklarationslehre nicht mehr zur Beschreibung des Gesetzes dienen. Sie sieht eine endgültige Entscheidung schon dort, wo nach dem Gesetz das Spiel ausdrücklich noch offen ist. Schließlich kehrt diese Theorie die gesetzlichen Anordnungen noch in einem weiteren Punkt um und leistet damit eine noch schlechtere Erklärung der rechtlichen Vorgaben: Nach der Deklarationstheorie ist die Rechtslage von Anfang an (unerkennbar) objektiv gewiß, nach dem Rückwirkungsakt ist sie es auch subjektiv. Vorher aber bestehe für jedermann völlige Ungewißheit über die wahre Rechtslage. Der Vertrag des nicht Vertretungsberechtigten sei also nicht schwebend unwirksam, sondern allein schwebend. 193 - Natürlich können wir die Rechtslage als ungewiß denken. Aber der an ihr beteiligte Rechtsunterworfene will zu Recht wissen, wie seine Rechtslage ist. Diese reale Entscheidung muß ihm das Recht liefern, wenn es seine Aufgabe erfüllen will. Das Gesetz hat diese Entscheidung auch getroffen: (schwebende) Unwirksamkeit bei fehlender Einwilligung (§§ 107, 177 Abs. 1 BGB), Wirksamkeit des anfechtbaren Rechtsgeschäfts. Das erkennt auch Philipsborn, wenn er - fast beiläufig - doch wieder die Rechtslage vor Eintritt des rückwirkenden Aktes bestimmt.194 Wie soll es dann möglich sein, daß die spätere Genehmigung feststellt, daß von Anfang an das Gegenteil gegolten hat? Philipsborn müßte - in Konsequenz seines Ansatzes - nun wieder die gesetzliche Anordnung für die Zeit bis zur Genehmigung oder Anfechtung als "vorläufige" Festlegung betrachten, die unabhängig von der "wirklichen" Rechtslage erfolgt. Das paßt gar nicht zu seinem Ziel nachzuweisen, daß die Erklärung rechtlicher Rückwirkung ohne das Hilfsmittel der Fiktion auskommen könne.195 Denn auch sein Modell bedarf der Fiktion, das wirksame (weil später genehmigte) 192 Daß der Erziehungsberechtigte zur Interessen Währung verpflichtet ist (§ 1621 BGB), besagt in diesem Zusammenhang nichts; er kann dieses Gebot ja mißachten. 193 »Nichts hindert uns, ... auf die Erzeugnisse des Denkens, mit denen allein das Recht zu tun hat, die Denkform der Möglichkeit anzuwenden und die ... (Rechtslage) als mögliche oder ungewisse zu denken." (Philipsborn, aaO [Fn 182], S. 15). 194 AaO (Fn 182), S. 19: "Dem Zustande schwebender Ungewißheit, dem zunächst unwirksamen Rechtsgeschäft ...". Oder S. 21: "Das anfechtbare Rechtsgeschäft ist ... zunächst wirksam ..." - erneut ein Widerspruch zu den Zitaten oben bei und in Fn 184, 193. 195 Philipsborn, aaO (Fn 182), S. 11 Fn 1.

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Rechtsgeschäft sei unwirksam und die unwirksame (weil später angefochtene) Übereignung sei wirksam. Das Gesetz aber geht umgekehrt vor: Es trifft für diesen Zeitraum bestimmte Festlegungen, fiktiv formuliert es erst bei den Rückwirkungsnormen selbst.196 Letztlich treffen die Deklarationslehre dieselben Einwände wie die Theorie einer "echten" Rückwirkung. Sie ist mit der Regelungs- und Ordnungsfunktion des Rechts unvereinbar. Darüber hinaus gibt sie gesetzliche Vorgaben unkorrekt wieder. 197

cc) Konstitutionslehre Zu Recht hat sich eine andere Konzeption durchgesetzt: die Konstitutionslehre. 198 Sie geht von zwei wesentlichen Prämissen aus. Erstens ist eine "echte" Rückwirkung nicht möglich. Zweitens besteht die objektive Rechtslage vor dem und bis zum Eintritt der Rückwirkung stets so, wie das Gesetz es vorgibt: Unwirksamkeit des genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäfts, Wirksamkeit des anfechtbaren Rechtsgeschäfts usw. Damit akzeptiert sie im Gegensatz zur Deklarationslehre die gesetzlichen Vorgaben und leistet auf dieser Grundlage eine echte Erklärung. Erst mit Erfüllung des Tatbestandes einer Norm, deren Rechtsfolge eine Rückwirkung anordnet, tritt die von dieser Norm intendierte rechtliche Wirkung ein. Aber, und nur das ist die Eigenart "rückwirkender" Akte, die Rechtsfolge ist besonderer Art: Die Rechtslage wird von der Norm so umgestaltet, wie sie bestünde, wenn schon damals die Rechtslage eine andere gewesen wäre.199 Zur Ermittlung der richtigen Rechtsfolge einer Rückwirkungsnorm muß also eine andere vergangene Rechtslage fingiert werden. Darin liegt das Rückwirkende, aber es ist nur ein Spiel der Gedanken. Erst das Ergebnis dieser Fiktion tritt als echte, zukünftig wirkende Rechtsanordnung in die Wirklichkeit ein.200 Deshalb ist zu Recht gelegentlich 196 Deutlich § 142 Abs. 1 BGB: Das Rechtsgeschäft "ist als von Anfang an nichtig anzusehen." 197 Weitere Kritik bei Esser, S. 195-198; Hellwig, in: Festschr. f. d. Jur. Fak. in Gießen, S. 25-31; Jacobi, S. 17-27. 198 Z.B. Binding, Hb 1, S. 226; Flume, S. 898 ff.; Lobe, in: Festschr. f. von Frank, S. 44-46; Schubert, S. 6-8. Eindringlich Bernhöft, in: Festg. f. Bekker, S. 241-247, 256-259 und v.a. 266-270; Esser, S. 171-198; Hellwig, ebd.; Jacobi, S. 27-33. 199 Siehe nur die Kommentare zu § 184 BGB, z.B. Dilcher, in: Staudinger, § 184 Rn 5; Steffen, in: RGRK, § 184 Rn 5,7 f.; Thiele, in: MünchKomm, § 184 Rn 11; dazu noch Esser, S. 175; Larenz, BGB AT, S. 476; Lobe, aaO, S. 45 f. 200 Die Bezeichnung "Konstitutionslehre" ist unglücklich gewählt. Konstitutiv ist jede Rechtsfolge. Das besondere Rückwirkende ist aber gerade nicht konstitutiv, sondern nur fiktiv. "Fiktionslehre" wäre die korrekte Bezeichnung (die auch von Jacobi, S. 27,

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angemerkt worden, daß der Gesetzgeber die gewünschte Rechtsfolge auch ohne die zuweilen umständliche Fiktion hätte formulieren können (und sollen).201 Für Gesetze gilt übrigens nichts Besonderes.202 Betrachten wir den Modellfall eines rückwirkenden Strafgesetzes, so könnte es lauten: "Wer Pfeife raucht, wird bestraft. Dieses Gesetz gilt ab dem 1. Januar 1994." Die Anordnung an die Rechtspflegeorgane, von nun an solche Taten zu bestrafen, wäre nicht fiktiv, sondern echt und deshalb unbedenklich. Die Norm könnte also meinen, daß das Pfeiferauchen zwar nicht rechtswidrig, aber dennoch strafbar sein soll. Das hätte natürlich, auch ohne Art. 103 Abs. 2 GG, vor der Verfassung keinen Bestand. Also muß in den Wortlaut zusätzlich die Verbotsnorm hineingelesen werden: "Wer Pfeife raucht, handelt rechtswidrig und wird bestraft ..." Daran ist nichts auszusetzen für diejenigen Fälle, die sich ab dem Inkrafttreten des Gesetzes ereignen. Für alle anderen vor dem Neujahrstag 1994 geht die Formulierung ins Leere. Als deskriptiver Satz wäre sie offensichtlich falsch, denn damals war Pfeiferauchen nicht rechtswidrig. Als normativer Satz wäre sie unmöglich, weil ein Befehl nicht in die Vergangenheit reichen kann. Sie ist also auch hier bloße Fiktion und ändert deshalb nichts daran, daß tatsächlich noch immer ein rechtmäßiges Verhalten bestraft werden soll. Das aber ist schon nach allgemeinen Verfassungs- und Strafrechtsgrundsätzen unstatthaft. Das Verfassungsverbot rückwirkender Strafgesetze erweist sich insoweit als Feststellung und Bekräftigung dessen, was ohnehin schon gilt. Bedeutung hat es aber für diejenigen Fälle, in denen ein schon bisher rechtswidriges Verhalten erst später unter Strafe gestellt wird.

d) Strafrechtsdogmatische Konsequenzen Die Rechtswirklichkeit und die Rechtsfiktion auseinanderzuhalten ist für ein korrektes Verständnis der dogmatischen Bedeutung rückwirkender Akte unentbehrlich. Die Bezeichnung "Rückwirkung" taucht das Geschehen ebenso in ein falsches Licht wie die Rede von einer "Wirkung ex tunc". Jede Norm und jeder Rechtsakt wirken frühestens ex nunc. Zwischen der nachträglichen Genehmigung mit und ohne Rückwirkung gibt es insoweit keinen Unterschied. Zurück wandert bei der Rück"wirkung" allein der Blick desjenigen, der die richtige rechtliche Wirkung zu bestimmen hat. Der anfechtbar Übereignende verliert sein Eigentum. Ficht er an, so erhält er jetzt sein Eigentum zurück,

verwendet wird); "Konstitutionslehre" müßte die oben behandelte Lehre von der "echten" Rückwirkung heißen. - Hier wird die herkömmliche Terminologie beibehalten. 201 Esser, S. 176; Lobe, aaO (Fn 198), S. 46. 202 Siehe schon Binding, Hb 1, S. 226. Vgl. noch BayVerfGH, JZ 1951, 637 f.; Engisch, ZgS 108 (1952), 385 (406 f.); Hardwig, JZ 1961, 364 (365).

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

nicht früher; aber er wird so gestellt, als hätte er es nie verloren. 203 Ebenso erlangt das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft erst mit der Genehmigung seine Wirksamkeit, allerdings so, als wäre das Geschäft von Beginn an wirksam gewesen.204 Nur darin liegt der Unterschied zur nachträglichen, aber nicht rückwirkenden Genehmigung205: Diese wirkt wie eine aufschiebende Bedingung. Ob es sich um eine privat- oder öffentlich-rechtliche Willenserklärung handelt, ob sie zur Rechtswirksamkeit führt oder ob sie zur Rechtmäßigkeit verhilft, all das macht für die dogmatische Natur ihrer Rückwirkung keinen Unterschied. Die rückwirkende Erlaubnis ändert nichts an der Rechtswidrigkeit der Tat. Rückwirkung kann Unrecht weder begründen noch aufheben. Deshalb kann auch der Glaube an den Eintritt eines rückwirkenden Aktes den Vorsatz weder begründen (also auch keine Versuchsstrafbarkeit) noch aufheben (kein [Erlaubnis-]Tatbestandsirrtum). Diese Aussage gilt uneingeschränkt. Sie betrifft nicht nur das Strafrecht, sondern ebenso das Öffentliche und das Bürgerliche Recht. Obwohl heute ganz herrschend der Konstitutionslehre gefolgt wird, werden diese schlichten dogmatischen Folgen oft genug verkannt.206 Das scheint seine Ursache darin zu finden, daß durch die Bezeichnung "KonstitutionsMlehre die eigentliche Besonderheit, die Fiktion nämlich, ins Hintertreffen gerät und die Norm unversehens doch wieder "rückwirkend" konstitutiv verstanden wird. 207 So wirkt z. B. die Anfechtung zwar nicht zurück, aber sie ist dennoch nicht bedeutungslos. Bevor sie erklärt wird, hat etwa der Sachbeschädiger rechts203 Den anderen Weg hat das Gesetz beim Rücktritt gewählt. Nach § 346 BGB sind die Parteien verpflichtet, einander das Empfangene zurückzugewähren - eine schuldrechtliche Lösung also, keine dingliche. 204 Daß dies eine Fiktion ist und völlig der Definitionsmacht des Gesetzgebers unterliegt, zeigt die Sonderregelung in § 184 Abs. 2 StGB: keine grenzenlose Fiktion. Zu den weiteren Einschränkungen der Reichweite der Fiktion im Zivilrecht siehe Medicus, Rn 1025-1029. 205 Das ist möglich: Die Parteien können vereinbaren, daß die nachträgliche Genehmigung keine Rückwirkung haben soll (§ 184, letzter Halbs., BGB). 206 Entweder wird für das Zivilrecht eine "echte" Rückwirkung behauptet (oben bei und in Fn 149-151, 160-163), oder die Vorstellung des Täters über den Eintritt eines rückwirkenden Aktes wird für beachtlich erklärt (siehe v.a. Schubert, der erst der Konstitutionslehre Recht gibt [S. 6-8], um dann trotzdem die Auswirkungen zivilrechtlicher Rückwirkungsfiktionen auf den objektiven [S. 30-43] und subjektiven [S. 44-49] Straftatbestand zu untersuchen; siehe noch Rittstieg, ebd. [Fn 144]). - Im Zivilrecht besteht diese Unklarheit freilich ebenso; vgl. z.B. Schwerdtner, GRUR 1968, 9 (23): "Der Eingriff (in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut) war auf Grund der Rückwirkung ... nicht rechtswidrig." Klärend aber Flume, S. 899 Fn 4. 207 Vgl. oben Fn 200.

IE. Die Genehmigung nach Tatbestandserfiillung

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widrig und schuldhaft fremdes Eigentum verletzt und haftet gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Nun ficht er das frühere Übereignungsgeschäft an, und die Rechtsfolge des § 142 BGB tritt ein. Sie besagt, den Schädiger so zu behandeln, wie er stünde, wenn er das Eigentum an der beschädigten Sache niemals verloren hätte. Wir erkennen fiktiv, daß er dann eine eigene Sache beschädigt und daher nicht rechtswidrig gehandelt hätte; er hat aber rechtswidrig gehandelt, ein Rechtfertigungsgrund ist die Genehmigung also nicht. Wir erkennen weiter, daß er dann auch ohne Schuld gehandelt hätte; er hat aber schuldhaft gehandelt, also auch kein Schuldausschließungsgrund. Wir erkennen schließlich, daß er dann auch nicht gehaftet hätte; er hat aber gehaftet, weshalb auch kein Haftungsausschließungsgrund in Betracht kommt. Der Blick in die fiktive Vergangenheit hat als richtige Rechtsfolge ergeben, daß der Schädiger ab jetzt nicht mehr haften darf. Da er es aber noch tut, müssen wir diese Haftung aufheben. Die (rückwirkende) Anfechtung ist im Deliktsrecht des Bürgerlichen Rechts ein Haftungsaufhebungsgrund. Ist die Anfechtung dann in § 303 StGB ein Strafaufhebungsgrund? Unser starkes systematisches Argument steht uns nicht mehr zur Seite. Es geht nicht mehr um Recht oder Umecht; die Tat war einheitlich und unabänderlich für alle Rechtsgebiete widerrechtlich. Ein Normwiderspruch kann deshalb nicht bestehen. Es könnte allerdings einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn man den zivilrechtlichen Haftungsausschluß nicht auch ins Strafrecht übernähme. Die zur Beantwortung dieser Frage erforderliche Wertung kann nun 208 auf die Besonderheiten der rechtsgebietsspezifischen Rechtsfolgen zurückgreifen, auf die unterschiedlichen Ziele und Zwecksetzungen von Schadensersatz und Strafe. Diese Entscheidung ist hier nicht zu treffen. Sollte die Frage jedoch bejaht werden, so wäre die Anfechtung dogmatisch ein Strafaufhebungsgrund. 209 Überhaupt gilt grundsätzlich, daß man zivilrechtliche Rückwirkungsvorschriften nicht mit dem pauschalen Hinweis für strafrechtlich unbeachtlich erklären kann, sie dürften keinen Einfluß auf das Unrecht der Tat haben. Es ist zwar deutlich geworden, daß sie einen solchen Einfluß in der Tat niemals haben können. Aber die in Wahrheit zu beantwortende Frage lautet, ob diese Normen nicht auch im Strafrecht einen Strafaufhebungsgrund darstellen. Hier

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Vgl. schon zum Verzicht auf Strafe einerseits und auf Disziplinarmaßnahmen andererseits im 4. Teil II 1 b bb ddd und eee. 209 Damit verträgt sich Webers, in: Festschr. f. Baur, S. 143-145, Idee (für die nachträgliche Genehmigung) einer Analogie zu §§ 158, 310 StGB, nicht dagegen sein Gedanke an eine (negative) Strafwürdigkeitsbedingung oder eine prozessuale Lösung (die er allerdings selbst nur als erleichterndes Angebot an die abweichende herrschende Lehre macht). - Gegen einen Strafaufhebungsgrund etwa Maurach/Zipf, AT 1, Rn 17/57.

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

ist keine pauschale Antwort mehr möglich,210 sondern für jede Strafnorm muß die Beachtlichkeit einer Rückwirkungsnorm gesondert bewertet werden.211 Nur dort, wo die Rückwirkung täterfeindlich die Strafbarkeit begründen würde, ist sie strafrechtlich generell unbedeutend.212

e) Ergebnis und Würdigung Oben ist bereits gesagt worden, daß § 70 BBG dann eine nachträgliche Genehmigung der Vorteilsannahme zuläßt, wenn eine vorherige Genehmigung nicht eingeholt werden konnte und die nachträgliche unverzüglich beantragt wird. 213 Für die rückwirkende Genehmigung können diese Ausführungen vollständig übernommen werden. Maßgeblich ist nämlich nur, daß die Beamtengesetze der Behörde die Möglichkeit zugestehen, nach der "eigentlichen" Tathandlung die Gefährlichkeit der Tat verbindlich zu beurteilen. Ob diese nachträgliche Beurteilung im Rahmen eines Handlungs-Unterlassungs-Tatbestandes oder als rückwirkende Genehmigung dogmatisch zur Geltung gebracht wird, ist für diese inhaltliche Entscheidung uninteressant. Die übrigen besonderen Merkmale, die für den Handlungs-UnterlassungsTatbestand erforderlich waren, sind für die rückwirkende Genehmigung überflüssig. Sie waren aus der Not geboren, die Rechtsgutsverletzung vermeiden zu müssen. Darauf kommt es hier nicht mehr an: Die rückwirkende Genehmigung kann den Täter ohnehin nicht mehr rechtfertigen, sondern nur noch seine Strafbarkeit aufheben. Weniger als die genannten zwei Voraussetzungen kann jedoch nicht verlangt werden. § 331 Abs. 3 StGB spricht freilich nur von der zweiten: unverzügliche Anzeige bei der Behörde. Von der Unmöglichkeit einer vorherigen Genehmigung sagt das Strafrecht nichts. Aber § 331 Abs. 3 StGB verlangt eine materiell rechtmäßige Genehmigung und verweist zur näheren Bestimmung - wir haben es schon häufig gesagt - auf das Beamtenrecht. Dessen Interpretation hat zu dieser Einschränkung geführt. Sie gilt somit gleichfalls im Strafrecht. Die rechtmäßige rückwirkende Genehmigung ist also, ganz im Sinne der herrschenden Ansicht im Strafrecht, lediglich ein Strafaufhebungsgrund. 210 Etwa die These, das Strafrecht lasse keine Fiktionen zu. Schon §§ 284 Abs. 2, 286 Abs. 2 StGB beweisen das Gegenteil. 211 Vgl. aber Lobe, der mit grundsätzlichen Erwägungen zu den unterschiedlichen Zielen von Straf- und Zivilrecht eine Übernahme der Rückwirkungsvorschriften generell ablehnt; in: Festschr. f. von Frank, S. 46-50. 212 Vgl. schon oben zu rückwirkenden Strafgesetzen unter c cc a.E. 213 UnterE 2 b,caa.

E. Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

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Mehr kann sie nicht leisten. Immerhin aber stellt sie, obwohl dem einzelnen Vorteilsnehmer erteilt, einen sachlichen Strafaufhebungsgrund 214 dar. Sie hat ebenfalls für den Vorteilsgeber (§ 333 Abs. 3 StGB) sowie für die Teilnehmer an beider Taten Bedeutung. Diese Wirkung kann sich bis hin zu § 357 StGB erstrecken. 215 Damit ist immerhin erreicht, daß stets dort von Strafe abgesehen wird, wo dies auch bei Erteilung einer vorherigen Genehmigung der Fall wäre. Es bleiben aber zwei belangvolle Nachteile gegenüber der vorherigen Genehmigung: Erstens wird den beteiligten Personen bescheinigt, sie hätten sich falsch verhalten, nur sei ausnahmsweise eine Strafe entbehrlich. Zweitens kann der Täter, der die Situation falsch einschätzt und deshalb irrig annimmt, die strafbefreiende Genehmigung werde ihm demnächst erteilt, der Strafe nicht entgehen, denn die Behörde wird ihm die beantragte Genehmigung nicht erteilen, und sein Irrtum über einen Strafaufhebungsgrund ist unbeachtlich. Auch diese Konzeption ist somit unbefriedigend. Im Vergleich zum Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand steht das Modell der rückwirkenden Genehmigung teils besser, teils schlechter da. Es leistet mehr, weil es auch in denjenigen Fällen hilft, wo die Handlungs-Unterlassungs-Kombination wegen ihrer zahlreichen Voraussetzungen scheitern mußte.216 Es leistet weniger, weil es dem Vorteilsnehmer nicht die gewünschte Rechtfertigung verschaffen kann. Halten wir nach einer dritten Möglichkeit Ausschau.

3. Die mutmaßliche Genehmigung

a) Die mutmaßliche Einwilligung als dogmatische Heimat Die rückwirkende Genehmigung kann den Vorteilsnehmer nicht rechtfertigen. Blenden wir deshalb den nachträglichen Genehmigungsakt aus und folgen wir der allgemeinen Ansicht, daß es unumgänglich ist, zur Tatzeit einen besonderen Rechtfertigungsgrund eingreifen zu lassen. Die Strafrechtslehre hat bei der Suche nach einem derartigen Erlaubnissatz stets den Fall vor Augen, daß der Täter ein Beamter und daß kein genehmigender Verwaltungsakt erlassen worden ist, allgemeiner: den Fall, daß eine vorherige öffentlichrechtliche Genehmigung nicht eingeholt wurde, aber im Falle ihrer Erteilung die Tat gerechtfertigt hätte. Das ist eine der Strafrechtsdogmatik ungewohnte 214 Zur Terminologie näher Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn 131. - Das übersieht Haft, S. 228, der einen lediglich persönlichen Strafaufhebungsgrund annimmt. Die übrigen Autoren (Nachweise oben unter I 2 b aa in Fn 41) nehmen zu dieser Frage keine Stellung. 215 Zu den denkbaren Fällen bereits oben im 4. Teil II 1 a cc. 216 Dazu oben II 3.

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Konstellation. Die herrschende Lehre befürwortet in solchen Fällen einen "materiellen Durchgriff' auf diejenigen Erwägungen, die der behördlichen Entscheidung zugrunde liegen, und schafft so den Rechtfertigungsgrund der "materiellen Genehmigungsfähigkeit". 217 Damit läßt sie für § 331 StGB genügen, was sie an anderer Stelle als unzureichend bezeichnet.218 Weiterhin verknüpft sie die materielle Genehmigungsfähigkeit mit weiteren, hauptsächlich subjektiven Voraussetzungen, um sie für eine Rechtfertigung genügen zu lassen. Damit befürwortet sie für diese unüblichen Fälle einen ebenso unüblichen Rechtfertigungsgrund, der in seiner vorgetragenen Ausgestaltung einzigartig und dem sonstigen System strafrechtlicher Erlaubnissätze fremd ist. Nimmt man dagegen den Blick auf den anderen Teil der beachtlichen Fälle, auf die Vorteilsannahme der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst, so drängt sich eine Entsprechung zur herkömmlichen Rechtfertigungsdogmatik geradezu auf. Diesen Tätern wird eine Genehmigung als privatrechtliche Willenserklärung erteilt. Die vorherige Genehmigung ist in diesen Fällen in strafrechtlicher Systembildung nichts anderes als eine (rechtfertigende oder tatbestandsausschließende, darauf kommt es nicht an) Einwilligung.219 Was liegt also näher, als dort, wo die vorherige Einwilligung nicht erteilt worden ist, die Rechtfertigung des Täters über die Figur der mutmaßlichen Einwilligung zu suchen? Dann aber kann es im nächsten Schritt keinen Unterschied machen, daß die Genehmigung im Beamtenrecht als Verwaltungsakt erteilt wird. Stets handelt es sich um denselben Konflikt, dieselben Bewertungskriterien, denselben Entscheidungsträger. Allein die Rechtsform der Entscheidung ist verschieden. Aber es ist nicht zu sehen, warum von dieser Form etwas abhängen sollte.220 §331 Abs. 3 StGB etwa erfaßt beide Fälle in demselben Wort. Auch sonst kommt es für die Einwilligung nicht auf die Rechtsform an; die strafrechtliche Wirkung der Einwilligung eines Privaten ist anerkanntermaßen völlig unabhängig von der Frage, ob der Erklärende eine nach bürgerlichem Recht wirksame Willenserklärung abgegeben hat.221 217

Zum Meinungsstand oben unter 12 b aa. Siehe nur Cramer, in: Schönke/Schröder, Vor § 324 Rn 19; Lackner, § 324 Rn 10 (mit zahlr. Nachw). A.A. z.B. Brauer für den gesamten Bereich der Verwaltungsakzessorietät im Strafrecht (mit wenigen Ausnahmen); siehe nur S. 160 f. Nicht grundsätzlich abgeneigt Horn, in: SK, Vor § 324 Rn7; ebenso Rudolphi, NStZ 1984, 193 (197 f.) bei Ermessensreduzierung auf Null. 219 Siehe schon oben im 4. Teil 14 bei Fn 108 f. 220 Siehe schon oben im 4. Teil II 1 a aa. Zu Recht hält daher Roxin, AT, Rn 17/48, die nicht einholbare Genehmigung einer dringenden Handlung für ersetzbar, er greift allerdings auf § 34 StGB zurück. 221 Allg. Ansicht, siehe nur Jescheck, AT, S. 342 f. m.w.Nachw. 218

E. Die Genehmigung nach Tatbestandserfiillung

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Ist dies ein im Strafrecht akzeptierter Weg, so spricht nichts dagegen, ihn auch im arbeitsrechtlichen und disziplinarrechtlichen Bereich zugunsten des Vorteilsnehmers anzuerkennen; allemal geht es um dieselbe Frage, ob ein bestimmtes Verhalten erlaubt oder verboten war. Der angestellte Vorteilsnehmer hätte schon dann arbeitsvertragsrechtmäßig gehandelt, wenn er zur Zeit der Tat eine Zustimmung seines Arbeitgebers mutmaßen durfte; der Beamte hätte in derselben Situation im Einklang mit dem Beamten- und Disziplinarrecht gehandelt. Das alles setzt freilich voraus, daß die Einwilligung in eine Vorteilsannahme keine Besonderheit gegenüber den herkömmlichen Einwilligungsfällen aufweist, die eine Gleichbehandlung verböte. Ein Unterschied liegt freilich auf der Hand. Die Einwilligung kommt nach herkömmlicher Formulierung nur in Betracht, wenn der Rechtsgutsträger auf den Schutz seines Rechtsgutes verzichtet.222 Deshalb sei, so heißt es, eine Einwilligung in Angriffe gegen Güter der Allgemeinheit "begrifflich unmöglich".223 Um einen solchen Fall aber handelt es sich hier, denn das Schutzgut des § 331 StGB ist letztlich die Funktionsfahigkeit der öffentlichen Verwaltung.224 Bei näherem Zusehen zeigt sich aber, daß die so beschriebene Grenzziehung äußerst ungenau ist. Einwilligungsbefugt ist der zur Disposition über das betroffene Rechtsgut Befugte. 225 Das ist zwar meist, aber nicht immer der Rechtsgutsträger selbst. Darüber hinaus ist der Rechtsgutsinhaber häufig nicht dispositionsbefugt; dann kann auch er nicht wirksam einwilligen.226 Das alles ist allgemein anerkannt,227 so daß sich nur die weitere Frage stellt, wer unter welchen Voraussetzungen dispositionsbefugt ist. Und auch hier trifft die These, bei Rechtsgütern der Allgemeinheit sei dies niemand, nur das Typische und nicht das Allgemeingültige. Denn sämtliche Strafnormen, die das Unrecht von einer behördlichen Genehmigung abhängig machen, beweisen das Gegenteil.228 Diese Tatbestände betreffen Rechtsgüter der Allgemeinheit.229 Deshalb ist es zwar richtig, daß Private 222

Z.B. Lenckner, in: Schönke-Schröder, Vor § 32 Rn 35a; Samson, in: SK, Vor § 32 Rn 40. 223 So Maurach/Zipf, AT 1, Rn 17/43. Ebenso etwa Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 114; Jescheck, AT, S. 342; Samson, ebd. 224 Oben 2. Teil 13. 225 Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 114; Jakobs, Rn 14/7. 226 Siehe nur die gesetzliche Vorgabe in § 226a StGB. 227 Auch von den in Fn 222 genamiten Autoren, so daß ihre Formulierung bloß auf Ungenauigkeit beruht; vgl. Lenckner, aaO, Rn 41; Samson, aaO, Rn 41a. 228 Genauer: Immer dami, wenn die Behörde keine bloße Ungefahrlichkeitsprüfung anstellt, sondern eine Güterabwägung vornimmt, denn nur in diesem zweiten Fall steht das geschützte Rechtsgut zu ihrer (beschränkten) Disposition. Gerade für § 331 Abs. 3 StGB ist dies zweite der Fall; oben 4. Teil I 3 ab Fn 77. 229 Oder Rechtsgüter des Staates. Hier ist eine systematisierende Unterscheidung möglich. Dogmatische Konsequenzen hat sie nicht; Maurach/Zipf, AT 1, Rn 19/10 f.

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

nicht in die Gefährdung von Rechtsgütern der Allgemeinheit einwilligen können; Behörden aber können es sehr wohl.230 Diese Unterscheidung wird man natürlich aufrechterhalten und das eine "Genehmigung", das andere aber "Einwilligung" nennen können.231 Damit jedoch versperrt man sich den Blick auf das Gemeinsame beider Institute: Üblicherweise nimmt schon das Strafgesetz selbst in den Tatbeständen eine Abwägung zwischen kollidierenden Interessen vor. Will es nicht eine typisierende, sondern eine konkret-individuelle Entscheidung, gibt es dem rechtsanwendenden Richter die Interessenabwägung und -preisgäbe in die Hand.232 In anderen Fällen delegiert das Gesetz diese Abwägungs- und Preisgabekompetenz auf Dritte, deren Entscheidung dann maßgeblich ist. Die danach zur Disposition Befügten können - je nach Rechtsgut Private oder Behörden sein. Besagt nun die Figur der mutmaßlichen Einwilligung, daß statt des tatsächlichen Willens des Privaten sein mutmaßlicher zur Rechtfertigung genügen kann, so hat dieser Gedanke dieselbe Gültigkeit für den Fall, daß eine Behörde keinen tatsächlichen Willen gebildet hat. Eine Rechtfertigung kann daher auf dem Gedanken einer mutmaßlichen behördlichen Genehmigung beruhen.

b) Die mutmaßliche Genehmigung der Vorteilsannahme Es hat sich gezeigt, daß eine mögliche Rechtfertigung des Vorteilsnehmers auf dem allgemeinen Gedanken der mutmaßlichen Zustimmung des Dispositionsbefugten beruht. Die große Ähnlichkeit zum Rechtfertigungsgrund der "materiellen Genehmigungsfähigkeit", den die herrschende Lehre hier befürwortet, liegt auf der Hand. Mit der Anbindung an die Einwilligungsdogmatik verliert dieser Erlaubnissatz immerhin seine Sonderstellung. Praktisch jedoch ist damit allein noch keine Klarheit über Umfang und Grenzen der mutmaßlichen Genehmigung gewonnen, denn die Grundlagen und Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung, auf die wir zurückzugreifen gedenken, sind reichlich umstritten. Diese offenen Fragen zu klären kann kaum Gegenstand dieser Arbeit sein. Dennoch sollen sie zumindest berührt werden, um an ihnen die Berechtigung der zahlreichen Voraussetzungen zu überprüfen, die von der herrschenden Lehre für die "materielle Genehmigungsfähigkeit" aufgestellt werden.233

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Vgl. auch Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 114; Jescheck, S. 342. Z.B. Jescheck, ebd. ("scheinbare Ausnahme"). Hirsch dagegen erwähnt gerade § 331 Abs. 3 StGB bei der Einwilligung (Vor § 32 Rn 115, Stichwort "Bestechlichkeit"). 232 Ganz deutlich etwa in § 34 StGB. 233 Zu ihnen oben unter 12 b aa. 231

I. Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

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aa) Unmöglichkeit vorheriger Genehmigung Es ist strittig, ob eine mutmaßliche Einwilligung stets nur dann in Betracht kommt, wenn eine ausdrückliche Einwilligung nicht erteilt werden konnte.234 Diese Voraussetzung wird teilweise dann für unnötig gehalten, wenn "ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß (der Dispositionsbefugte) auf eine Befragung keinen Wert legt".235 Das ist bedenklich. Die mutmaßliche Einwilligung wird ganz überwiegend als Ersatz für eine tatsächliche Einwilligung angesehen.236 Deshalb muß es das Ziel sein, den wahren Willen des Dispositionsbefügten zu erforschen. 237 Das hat mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu geschehen.238 Weshalb dazu nicht auch die Nachfrage beim Dispositionsbefügten selbst gehören sollte, ist nicht einzusehen. Es besteht auch kein Anlaß, das Risiko, daß der wirkliche Wille des Dispositionsbefügten verfehlt werde, dort zu erlauben, wo eine Befragung möglich ist.239 Zu Recht weisen Hirsch 240 und Roxin241 darauf hin, daß in den gemeinten Fällen das Unrecht der Tat ohnehin meist aus anderen Gründen entfallt. Bei Lappalien etwa kann das Tun sozialadäquat sein.242 Die Einwilligung darf folglich nur gemutmaßt werden, wenn eine tatsächliche Einwilligung nicht möglich ist. Für die mutmaßliche Genehmigung der Vorteilsannahme muß dasselbe gelten.243 bb) Maßstab: Wille der Behörde Es ist schon gesagt worden, daß der Wille des Dispositionsbefügten ermittelt werden muß. Es wäre ein Mißverständnis, die beteiligten Rechtsgüter nach 234 Das umfaßt echte Unmöglichkeit ebenso wie Unzumutbarkeit (näher Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 136). So haben wir es schon bei § 331 Abs. 3 StGB kennengelernt; oben II 2 c aa ab Fn 105. 235 So Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn 54. Siehe noch OLG Hamburg, NJW 1960, 1482 (1483). Ebenso Samson, in: SK, Vor § 32 Rn 52; Tiedemann, JuS 1970, 108 (109); aber beide nur bei Rechtfertigung aus mangelndem Interesse. 236 Siehe nur Lenckner, aaO, Rn 56, mit Nachw. zum Meinungsstand. 237 Z.B. Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 129. 238 Wie Fn 236 f. 239 Roxin, AT, Rn 18/10, und in: Festschr. f. Welzel, S. 461. 240 In: LK, Vor § 32 Rn 136,139. 241 AaO (Fn 239), S. 462 f. 242 So auch bei der Vorteilsannahme; siehe im 2. Teil VI 3. 243 Das sagt nur Rudolphi, in: SK, § 331 Rn43, deutlich. Die übrigen Autoren äußern sich nicht klar, scheinen es aber ebenso zu sehen. So übrigens auch schon oben II 2 c aa für den Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand. Anders für das Sichversprechenlassen: unten d.

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

objektiven Maßstäben abwägen zu wollen, wie es beim rechtfertigenden Notstand üblich ist.244 Denn der Wille des disponierenden Privaten kann durchaus objektiv unvernünftig sein.245 Die objektive Vernünftigkeit darf deshalb nur mangels besserer Indizien als Auslegungshilfe zur Ermittlung des hypothetischen Willens herangezogen werden.246 Das gilt auch für den hypothetischen Willen der Genehmigungsbehörde. Nun ist sie allerdings - anders als der Private - zu einer sachgerechten Entscheidung verpflichtet. Deshalb gewinnt die objektive Güterabwägung zusätzliches Gewicht. Aber dennoch bleibt sie Mittel zum Zweck. Selbst nach Ausschöpfung aller gesetzlichen Vorgaben und nach Berücksichtigung der bindenden Verwaltungsvorschriften bleibt der Genehmigungsbehörde ein Ermessensspielraum. Sowenig der Richter bei der Rechtmäßigkeitsprüfung eines Verwaltungsaktes in diesen Ermessensbereich eindringen darf, 247 sowenig darf er nun in diesem Ermessensbereich sein subjek-tives Empfinden über eine objektive Güterabwägung248 an die Stelle der behördlichen Beurteilung setzen. Somit müssen bei der Suche nach dem hypothetischen Behördenwillen auch frühere Entscheidungen dieser Behörde berücksichtigt werden, solange sie nicht ermessensfehlerhaft sind, selbst wenn sie dem Strafrichter "objektiv" unvernünftig erscheinen.249 Die Verwaltungsvorschriften dagegen sind mit Vorsicht zu genießen. Zwar liegt es nahe, den mutmaßlichen Behördenwillen aus ihnen zu gewinnen, denn die Bediensteten der öffentlichen Verwaltung unterliegen einer Gehorsamspflicht, und daraus folgt die tatsächliche Vermutung, daß Verwaltungsvorschriften und Verwaltungspraxis sich decken.250 In unserem Fall aber kann dieser Rückgriff leicht zu Fehlern führen. Denn die Richtlinien erwähnen einen Fall erlaubnisfähiger Vorteilsannahme nicht: das überwiegende Interesse des Staates oder des Vorteilsnehmers selbst an der Entgegennahme des Vorteils.251 Wollte man die Verwaltungsvorschriften beim Wort nehmen, müßte

244

Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 129, 132, mit Nachw. zur Gegenansicht. Manche Autoren plädieren bei Unmöglichkeit einer erforderlichen behördlichen Genehmigung gar für eine unmittelbare "ergänzende Anwendbarkeit des § 34 StGB"; z.B. Winkelbauer, NStZ 1988, 201 (204). 245 RGSt 25, 375 (382, 384); Hirsch, aaO, Rn 137; Roxin, aaO (Fn 239), S. 450 f. 246 Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 129, 132, 137; Lenckner, aaO (Fn 235), Rn 56 f.; Roxin, aaO (Fn 239), S. 453. 247 Oben 4. Teil H l bei Fnl21. 248 Vom "subjektiven Empfinden über eine objektive Güterabwägung" zu reden ist kein Widerspruch, sondern psychologisch nur allzu verständlich. Adomeit, S. 73, zitiert warnend den Satz: "Be reasonable! means: do it my way!" 249 Die überwiegende Ansicht zu § 331 Abs. 3 StGB gelangt zu demselben Ergebnis; siehe oben 12 b aa bei Fn 36. 250 Ossenbühl, in: Erichsen/Martens, § 7IV 4 a bb (S. 93). 251 Oben im 4. Teil I 3 ab Fn 69.

I . Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

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man mutmaßen, daß die Behörde in einem solchen Fall keine Genehmigung erteilen würde. Diese Entscheidung aber wäre ermessensfehlerhaft mangels Berücksichtigung aller beteiligten Interessen. Auf eine derartige Deduktion aus den Richtlinien muß und darf sich der Strafrichter folglich nicht einlassen.252 Üblicherweise findet man die Formulierung, der "hypothetische Wille" des Dispositionsbefügten müsse ermittelt werden.253 Auch das ist nur zum Teil richtig. Es ist ja durchaus denkbar, daß der Dispositionsbefügte zur Zeit der Tat einen echten Willen gebildet hatte. Das ist allgemein anerkannt und wird deutlich, wenn vom "wahren Willen" die Rede ist.254 So wäre die terminologische Ungenauigkeit läßlich, wenn nicht in ihrer Folge eine gewisse Verwirrung entstünde. Wo immer vom hypothetischen Willen gesprochen wird, heißt es, er könne nur vermutet werden. Diese Beurteilung müsse aus der Sicht eines objektiven und vernünftigen Beobachters ex ante erfolgen. 255 Der Maßstab des vernünftigen Beobachters ist richtig, denn die objektive Rechtswidrigkeit kann nicht von dem subjektiven Urteil des Täters abhängen. Aber warum die Vermutung ex ante zu treffen sein soll, ist nicht ohne weiteres einzusehen. Erkennt man, daß es zuvörderst auf den tatsächlichen Willen ankommt, so wird deutlich, daß dieser - wie grundsätzlich jedes andere Tatbestandsmerkmal - ex post zu ermitteln ist. Deckt sich die Vorstellung des Täters mit dem ex post ermittelten wahren Willen, den der Dispositionsbefügte zur Tatzeit hatte, so ist die Tat gerechtfertigt. Erst wenn der Dispositionsbefügte keinen echten Willen gebildet hat, muß auf seinen hypothetischen Willen abgestellt werden. Aber allein deshalb kann die auch hier immer noch gebotene ex-post-Betrachtung nicht in eine ex-ante-Prognose umschlagen. Denn für den hypothetischen Willen stellt die Erklärung des nachträglich befragten Dispositionsbefügten ein ungemein starkes Indiz dar. 256 Nun sind aber zu Recht vor allem diejenigen Konstellationen in den Blick genommen worden, wo die Beurteilung ex post zu dem Ergebnis führt, daß der 252 Hier bietet sich ein Hinweis auf § 44 Abs. 4 VwVfG an: Auch diese Norm verlangt eine Suche nach dem hypothetischen Behördenwillen. Dabei ist es allgemeine Ansicht, daß nicht der "tatsächliche", subjektive Behördenwille zählt, der ja vielleicht offensichtlich ist. Vielmehr kommt es auf den "objektiven und vernünftigen", nämlich rechtmäßigen, vielleicht geradezu fingierten Behördenwillen an. Nachweise im 4. Teil II 1 bbbeee inFn210. 253 Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 129; Lenckner, aaO (Fn 235), Rn 56; Roxin, aaO (Fn 239), S. 451. 254 Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 132; Roxin, aaO (Fn239), S. 453. Ausdrücklich Baumann/Weber, S. 333, und Lenckner, in: Festschr. f. Mayer, S. 175,178. 255 Z.B. Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 137; Jescheck, AT, S. 346. 256 Vgl. Roxin, aaO (Fn239), S. 460. Kritisch allerdings Maurach/Zipf, AT 1, Rn 28/16.

14 Hardtung

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Dispositionsbefugte die Tat (hypothetisch oder tatsächlich) nicht wollte. Erst für diese Fälle wird der Gedanke des erlaubten Risikos fruchtbar: Dem Täter steht, wenn er sich für oder gegen die Tat entscheiden muß, nur die Diagnose ex ante zur Verfügung, und jeder andere in seiner Situation hätte dieselben begrenzten Erkenntnismöglichkeiten. Bekäme der Täter das Risiko einer Fehleinschätzung aufgebürdet, verleitete seine Sorge ihn zur Passivität, obwohl sein Handeln häufig dem Willen des Dispositionsbefügten entsprochen und Gutes bewirkt hätte.257 Deshalb wird von ihm nicht mehr als dasjenige verlangt, was der vernünftige Beobachter in dieser Lage leisten könnte. Auch der könnte nur ex ante urteilen, und deshalb ist dies der korrekte Maßstab für den Handlungsunwert, für die Frage also, ob der Täter sorgfaltswidrig gehandelt, das erlaubte Risiko überschritten hat. Er ist aber, das sei noch einmal deutlich gesagt, erst dann wichtig, wenn die ex-post-Betrachtung zu Lasten des Täters ausfällt, also ein Erfolgsunwert existiert. Das wird ganz deutlich an denjenigen Fällen, in denen der wahre oder hypothetische Wille, den der Dispositionsbefugte zur Zeit der Tat hatte, ex ante mutmaßlich zu verneinen, ex post aber zu bejahen ist. Wollte man hier, getreu der üblichen Prämisse, auf der Sicht ex ante beharren, müßte man den Täter wegen vollendeten Deliktes bestrafen, wenn er subjektiv zu demselben Ergebnis wie der ex ante urteilende objektive Beobachter gekommen ist. Ein aberwitziges Ergebnis, wenn man im nachhinein sieht, daß der Täter etwa mit seiner behördlich erwünschten Vorteilsannahme einen Erfolgs wert geschaffen hat. Das wird denn auch nirgends vertreten. Statt dessen wird die gebotene ex-post-Sicht zugrundegelegt. Aber dabei wird nicht erkannt, daß sie das eigentlich Primäre ist. Und so wird der ex post gefundene wahre Tatzeitwille in unnötiger dogmatischer Komplizierung "konstruktiv" als "unwiderlegliche Vermutung" dafür angesehen, daß die Handlung "auf einem sachgerechten Urteil über die mutmaßliche Einstellung des Betroffenen" beruhe.258 - Ganz unbefangen und völlig richtig heißt es dagegen zum analogen Merkmal "Gefahr" in § 34 StGB: "Das Vorliegen einer Gefahr ist unproblematisch zu bejahen, wenn sich ein tatsächlich eingetretener Schaden rückblickend als deren Realisierung darstellt. In allen anderen Fällen ist ein Wahrscheinlichkeitsurteil (ex ante) erforderlich." 259 Das gilt genau so auch für die mutmaßliche Einwilligung. Daß der ungenaue Ansatz schließlich sogar zu falschen Ergebnissen fuhren kann, zeigen diejenigen Fälle, in denen das Täterhandeln zwar nicht dem ex post ermittelten Willen des Dispositionsbefügten entspricht, wohl aber dem ex ante objektiv vermuteten. Teilt der Täter subjektiv diese ex-ante-Betrachtung,

257

Lenckner, aaO (Fn 254), S. 182.

258

Roxin, aaO (Fn 239), S. 460 f. Hier zeigt sich noch dazu eine Verschiebung des Akzentes vom primären echten Willen zum sekundären hypothetischen. 259

Hirsch, in: LK, § 34 Rn 27.

DI. Die Genehmigung nach Tatbestandserfüllung

211

so wird ihm meist volle Rechtfertigung zugestanden.260 Teilweise wird aber noch zusätzlich verlangt, der Täter müsse eine "gewissenhafte Prüfung" aller in Betracht kommenden Umstände vorgenommen haben. Das folge aus dem Gedanken des erlaubten Risikos. Denn dieses Risiko dürfe immer nur insoweit eingegangen werden, als der Täter alles getan habe, um das Risiko auf ein Minimum zu reduzieren. 261 Das erweist sich nach dem bisher Gesagten als wenig überzeugend. Welches Risiko noch erlaubt ist, entscheidet die objektive Beurteilung ex ante des vernünftigen Beobachters. Damit hat das Recht die Grenze zwischen erlaubtem und verbotenem Verhalten gezogen. Bewegt sich der Täter innerhalb dieser Grenzen, so handelt er objektiv rechtmäßig.262 Nun interessiert sich die Rechtsordnung nur noch für seine Vorstellung von der Tat, weil sie einen strafbaren Versuch begründen könnte. Deckt sich aber die Tätervorstellung vom Willen des Dispositionsbefügten mit der objektiven Sicht ex ante, so ist auch jedes subjektive Unrechtselement ausgeräumt, und alle Schusseligkeit der Welt kann die Tat nicht unrecht machen.263 Die Gegenansicht macht den Gedanken des erlaubten Risikos irrtümlich gleich zweimal geltend. Zuerst bei der Entscheidung, eine objektive Betrachtung ex ante zuzulassen; daraus folgt die Notwendigkeit, sich den vernünftigen Beobachter als jemanden vorzustellen, der gewissenhaft alle Umstände prüft. Sodann aber nochmals als subjektives264 Rechtfertigungselement, wonach nun der Täter selbst gewissenhaft soll prüfen müssen. Dieser Irrtum scheint dadurch begünstigt zu sein, daß die erstgenannte und richtige Auswirkung des erlaubten Risikos zu sehr aus dem Blick verschwunden ist. Wenn fast überall von vornherein die Rede davon ist, der Wille des Dispositionsbefügten müsse ex ante vermutet werden, und zugleich der Gedanke wachgehalten wird, dieser Rechtfertigungsgrund beruhe auf dem Gedanken des erlaubten Risikos, so liegt allerdings der Fehlschluß nahe, daß dieses Prinzip noch irgendwo seinen Nie260 BayObLG, JZ 1983, 268; Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 140; Rudolphi, in: Gedächtnisschr. f. Schröder, S. 88; Schmidhäuser, AT, Rn 6/91. 261 Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn 19, 58, und Festschr. f. Mayer, S. 181; wohl auch Wessels, AT, § 9 I 3 a (S. 107). Offen bei Jescheck, AT, S. 349; Maurach/Zipf, AT 1, Rn 28/15. 262 Ebenso Rudolphi, aaO (Fn 260), S. 87-89. Deshalb scheidet nicht nur ein vollendetes Vorsatzdelikt aus, sondern ebenso eine fahrlässige Tat: Zwar kann man dem Täter einen Verstoß gegen objektive Sorgfaltspflichten anlasten, wenn er das Risiko nachlässiger ermittelt, als es der gewissenhafte und vernünftige Dritte getan hätte; aber diese Sorgfaltswidrigkeit steht in keinem Zusammenhang mit dem Erfblgsunwert; vgl. dazu allg. nur Samson, in: SK, Anh. zu § 16 Rn 25. 263 So auch Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 132 a.E.; Jakobs, Rn 11/26; Roxin, AT, Rn 18/28. Siehe noch Zielinski, S. 271-276. 264 So ausdrücklich Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn 58. Schon das ist seltsam: Mit der gewissenhaften Prüfung wird dem Täter doch eine Verhaltenspflicht auferlegt und nicht nach seiner Einstellung gefragt. Vgl. Zielinski, S. 272.

1*

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

derschlag finden müsse. Mit der Pflicht zur gewissenhaften Prüfung aber wird die richtige täterfreundliche Tendenz in ihr Gegenteil verkehrt. cc) Subjektive Rechtfertigungselemente Ergibt die objektive Untersuchung des (wahren oder hypothetischen) Willens, daß der Dispositionsbefugte zur Zeit der Tat mit der Rechtsgutsbeeinträchtigung einverstanden war oder gewesen wäre, so ist der Täter objektiv gerechtfertigt. Damit korrespondiert als subjektives Element, daß der Täter diesen (wahren oder hypothetischen) Willen kennt oder richtig vermutet. Dieses subjektive Rechtfertigungselement wird auch bei § 331 StGB verlangt. 265 Fehlt es, so stellt sich die ganz allgemeine Frage, ob der Vorteilsnehmer eine vollendete Tat, einen Versuch oder gar keine strafbare Handlung begangen hat. Hier kann nur auf diesen Meinungsstreit hingewiesen werden.266 Für die mutmaßliche Einwilligung wird nirgends verlangt, der Täter müsse noch zusätzlich den Willen haben, die Einwilligung so bald wie möglich nach der Tat einzuholen. Diese ungewöhnliche Anforderung will aber die herrschende Lehre an den Vorteilsnehmer stellen.267 Das sei deshalb erforderlich, weil "die Dispositionsbefügnis der Behörde auch in diesen Fällen nicht völlig aufgehoben (ist), sondern in einer Art Kontrollbefugnis weiterbesteht."268 Diese Begründung kann in zwei Richtungen gedeutet werden. Entweder soll die nachträgliche Anzeige dem Schutz des Rechtsgutes dienen. Dann beweist das Argument zuwenig. Es ist zwar richtig, daß die behördliche Dispositionsbefugnis fortbesteht. Sie ist auch von Beginn an zugleich Kontrollbefügnis. Aber diese Rechtsmacht kann faktisch nun nichts mehr ausrichten, weil sich die Kontrolle auf bereits Geschehenes bezieht. - Oder aber die nachträgliche Anzeige soll nur zur Information des Dispositionsbefügten dienen. Dann beweist das Argument zuviel. Denn wenn ein Anspruch auf nachträgliche Information bei Handlungen ohne ausdrückliche Genehmigung schon allein aus der Dispositionsbefugnis folgte, wäre gar nicht mehr erklärbar, warum dies dann nur bei § 331 StGB oder zumindest nur bei behördlicher Dispositionsmacht gelten sollte. Daß aber jede mutmaßliche Einwilligung nur bei nachträglicher Information des Dispositionsbefügten rechtfertigen könnte, wird nirgends vertreten. - Und noch ein weiteres: Dem kritisierten Argument ist noch wohlwollend die Annahme zugrundegelegt worden, daß die Informati265

Oben unter 12 b aa bei Fn 37. Nachweise zum Meinungsstand etwa bei Lenckner, aaO (Fn264), Rn 13-15. Das Vorliegen eines Handlungsunwertes ohne Erfolgsunwert spricht für die Versuchslösung. Auch ein Wahndelikt kann in Betracht kommen; vgl. gleich unten bei Fn 275. 267 Oben 12 b aa bei Fn 38. 268 Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn 51. 266

I . Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

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onspflicht auch tatsächlich bestehe. Aber nicht einmal das ist der Fall. Die herrschende Lehre verlangt vielmehr nur, der Vorteilsnehmer müsse lediglich die Absicht zur Information haben. Unterstellt nun, die Dispositionsbefügnis der Behörde bestünde tatsächlich "in einer Art Kontrollbefugnis" fort und deshalb wäre eine nachträgliche Anzeige erforderlich, um die Vorteilsannahme völlig zu rechtfertigen: Weshalb sollte es dann dem Täter zugute kommen, daß er bei der Annahme des Vorteils diese Absicht hatte, selbst wenn er sie später nicht mehr in die Tat umsetzt? Das verbleibende Unrecht würde von dieser überschießenden Innentendenz nicht beseitigt. - Fazit: Die Absicht zur nachträglichen Anzeige bei der Behörde ist kein subjektives Rechtfertigungselement für die mutmaßliche Genehmigung der Vorteilsannahme.269 Den umstrittensten Bereich in der Diskussion zur mutmaßlichen Einwilligung stellen diejenigen Fälle dar, in denen nach objektiver Beurteilung sowohl ex post als auch ex ante der Dispositionsbefugte in die Tat nicht eingewilligt hätte, wenn aber des Täters subjektive Mutmaßung zum entgegengesetzten Ergebnis führte. Auch hier bestehen bei der mutmaßlichen Genehmigung der Vorteilsannahme keine Besonderheiten. Deshalb nur soviel: Die Anhänger der strengen Schuldtheorie sehen die Tat als rechtswidrig an und gestehen dem Täter einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu, wenn er den hypothetischen Willen gewissenhaft erforscht hat.270 Sie halten den Vertretern der eingeschränkten Schuldtheorie vor, konsequenterweise stets dann ein Vorsatzdelikt verneinen zu müssen, wenn der Täter - vermeidbar oder unvermeidbar - irrtümlich die hypothetische Einwilligung angenommen hat.271 Diese Lehre gelangt jedoch zu einem differenzierenden Ergebnis. Sie erkennt die Existenz von gesamttatbewertenden Tatbestandsmerkmalen an, in denen sich die gesamte rechtliche Mißbilligung der jeweiligen Tat ausdrückt. Bei ihnen wird danach differenziert, ob der Täter über die zu bewertenden Umstände irrt: dann (Erlaubnis-)Tatbestandsirrtum, oder über die Bewertung selbst: dann Verbotsirrtum. 272 Ohne selbst hierzu ausführlich Stellung nehmen zu können, scheint mir die letztgenannte Ansicht die überzeugenden Argumente zu haben. Immerhin ist die Existenz solcher gesamttatbewertender Merkmale der Sache nach durchaus anerkannt. Denn dort, wo im Tatbestand die Begriffe

269

Ebenso mit weiteren Gründen Maiwald, JuS 1977, 353 (357). Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rn 140. 271 Hirsch, ebd. 272 Der gemutmaßte Wille gehört zu diesen Merkmalen ebenso wie z.B. die "Verwerflichkeit" in § 240 Abs. 2 StGB oder die Güterabwägung in § 34 StGB; siehe Herdegen, in: Festschr. f. d. BGH, S. 200 f.; Jescheck, AT, S. 223, 266, 411, 419; Roxin, Offene Tatbestände, S. 81 f., 132-139 (v.a. 135), 188, AT, Rn 10/50, und in: Festschr. f. Welzel, S. 458-460; Rudolphi, in: SK, § 16 Rn 17, und aaO (Fn 260), S. 93 f.; Samson, in: SK, Vor § 32 Rn 18. Distanziert etwa Otto, JK 90, StGB § 16/2 m. w. Nachw. 270

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

"widerrechtlich" oder "rechtswidrig" auftauchen, 273 werden sie nicht als echte Tatbestandsmerkmale angesehen, sondern als bloße Hinweise auf das allgemeine Rechtswidrigkeitsurteil. 274 Auch hier also kennzeichnen diese Begriffe nicht die Bewertungsgrundlagen, sondern die Bewertung selbst. Deshalb - und erst das ist die inhaltliche Begründung für dieses Phänomen - wird der darüber Irrende nicht nach § 16, sondern nach § 17 StGB behandelt. - Diese Differenzierung muß dann allerdings auch bei dem umgekehrten Fall wiederkehren: Liegt eine mutmaßliche Genehmigung vor, erkennt der Täter dies jedoch nicht, so kann er sich sowohl über die Bewertungsgrundlagen als auch über die Bewertung selbst irren; es kommen demnach Versuch und Wahndelikt in Betracht.275 Diejenigen Stimmen in der Literatur, die vom Täter eine gewissenhafte Prüfung verlangen,276 wollen über die eben genannte Differenzierung hinausgehen und dem gewissenhaft prüfenden Täter seinen dennoch bestehenden Irrtum nicht anlasten; die Tat sei dann stets nicht rechtswidrig. 277 Aber damit wird ohne Not die auch von diesen Autoren befürwortete Unterscheidung zwischen Bewertungsgrundlagen und Bewertung aufgegeben. Erkennt der Täter die Umstände und wertet er zwar gewissenhaft, aber falsch, so irrt er, wir sagten es bereits, über das rechtliche Verbot. Weshalb seine gewissenhafte Prüfung soll der Tat ihr Unrecht nehmen können, ist nicht einzusehen. Seine Gewissenhaftigkeit macht allerdings seinen Irrtum unvermeidbar, so daß er immerhin ohne Schuld gehandelt hat. Irrt der Täter dagegen schon über die Tatumstände, so läßt seine dann nur noch "individuell gründliche" Prüfung lediglich den Vorwurf der Verletzung individueller Sorgfaltspflichten, also ebenfalls die Schuld entfallen. 278

c) Die Bedeutung der nachträglichen Genehmigung Die mutmaßliche Genehmigung kommt unseren Anforderungen schon sehr nahe. Allerdings spielt die nachträglich tatsächlich erteilte Genehmigung da273 So z.B. in §§ 123, 240 Abs. 1, 303 StGB. Diese Parallele zieht auch Roxin, AT, Rn 10/47. 274 Siehe nur BGHSt (GS) 2, 194 f. (zu § 240 StGB); Dreher/Tröndle, § 123 Rn 11, § 303 Rn 11 f.; Lackner, § 123 Rn 6, § 303 Rn8; Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 123 Rn 31; Rudolphi, in: SK, § 123 Rn 38; Wolff, in: LK, § 303 Rn 11. 275 Siehe eben bei und in Fn 266. Die versuchte Vorteilsannahme freilich ist nicht strafbar. 276 Oben bei und in Fn261. 277 Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn 60. 278 Die objektiv gebotenen Sorgfaltsanforderungen hat er dagegen nicht erfüllt, denn er hat die Erkenntnisse des vernünftigen Beobachters ja gerade nicht erlangt.

I. Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

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bei bisher nur eine Rolle als bloßes Indiz für den Tatzeitwillen der Genehmigungsbehörde. Eine unserer Prämissen lautet aber, daß ihr ebensoviel Bedeutung zukommen müsse wie der vorherigen Genehmigung. Der in § 331 Abs. 3 StGB zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers spricht eine klare Sprache.279 Wir müssen deshalb nach einer Möglichkeit suchen, wie diese gesetzliche Vorgabe dogmatisch umgesetzt werden kann. aa) Die nachträgliche Genehmigung als Beweisregel Wieder einmal sind wir nicht darauf angewiesen, eine besondere Konstruktion zu entwickeln, sondern können auf ein Modell zurückgreifen, das uns vom Gesetz geboten wird, und zwar diesmal in § 190 S. 1 StGB. Nach § 186 StGB wird bestraft, wer einem anderen übel nachredet, wenn nicht die behauptete Tatsache erweislich wahr ist.280 Das Strafgericht muß gemäß § 244 Abs. 2 StPO dieser Wahrheitsfrage nachgehen. Aber hier verdrängt § 190 S. 1 StGB den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO), indem es eine Beweisregel vorgibt: Hat der Täter eine Straftat behauptet, so gilt diese behauptete Tatsache als erweislich wahr, wenn der Beleidigte wegen dieser Tat rechtskräftig verurteilt worden ist. Es kommt nicht darauf an, ob das Urteil vor oder nach der üblen Nachrede gefällt worden ist, es muß allein vor dem zweiten Prozeß ergangen sein. Um diese Situation zu stützen und damit die häufige Anwendbarkeit der Beweisregel zu sichern, bestimmt § 154e Abs. 2 StPO, das zweite Verfahren bis zum Abschluß des ersten einzustellen. Wir sehen, daß auf diese Art und Weise auch der nachträglichen behördlichen Genehmigung Geltung verschafft werden kann: die nachträgliche Genehmigung als prozessuale Beweisregel für den zu mutmaßenden Willen der Genehmigungsbehörde zur Tatzeit der Vorteilsannahme. Diese Konzeption setzt die gesetzgeberische Intention281 mit befriedigendem Ergebnis in dogmatische Wirklichkeit um. Sie klingt vereinzelt in den Materialien und dem Schrifttum zu § 331 Abs. 3 StGB an.282 Erstaunlicherweise ist der Gedanke einer prozessualen Beweisregel schon ganz allgemein für die mutmaßliche

279

Siehe oben m 1 in Fn 124. Ganz herrschend wird die Erweislichkeit als Strafausschließungsgrund bzw. - ohne sachlichen Unterschied - die Nichterweislichkeit als objektive Bedingung der Strafbarkeit gedeutet; siehe nur Herdegen, in: LK, § 190 Rn 1 m.w.Nachw. 281 Nicht nur die des Strafgesetzgebers. Auch nach dem Recht des öffentlichen Dienstes soll ja deijenige rechtmäßig gehandelt haben, dessen Vorteilsannahme nachträglich genehmigt wird. Hier fällt das allerdings nicht auf, weil über die - im Gegensatz zum Strafrecht - ganz arglos verwendete "Rückwirkung" praktisch befriedigende Ergebnisse erreicht werden. 282 Siehe oben 12 b bb bei Fn 46 f. 280

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Einwilligung formuliert worden.283 Überhaupt ist die Idee einer Beweisregel, die im eigentlich materiellen Strafgesetz angesiedelt ist, nichts Außergewöhnliches. So ist etwa die Ansicht vertreten worden, in § 186 StGB sei die Nichterweislichkeit ein echtes Tatbestandsmerkmal;284 das Gelingen oder Mißlingen des Wahrheitsbeweises im späteren Prozeß sei dann als prozessuale Beweisregel maßgeblich.285 Spendel deutet die Rauschtat, von der die Strafbarkeit nach § 323a StGB abhängt, als "unwiderlegliche Beweistatsache für die Gefährlichkeit des Sichberauschens ... im konkreten Falle"; diese konkrete Gefährlichkeit sei ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal.286

bb) Zulässigkeit dieser Beweisregel Wie bisher müssen wir uns aber auch hier die Frage stellen, ob dasjenige, was dem Willen des Gesetzgebers am nächsten kommt, auch möglich und zulässig ist. Überprüfen wir zunächst die Vereinbarkeit unserer Idee mit dem Wortlaut des § 331 Abs. 3 StGB. Er macht mehrere Einschränkungen: Auch hier muß wieder die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse gehandelt haben, und der Täter muß die Vorteilsannahme unverzüglich bei ihr angezeigt haben. Das ist unbedenklich. Wenn das Gesetz überhaupt eine derartige Beweisregel aufstellen darf, bewegen sich die genannten Einschränkungen im gesetzlichen Entscheidungsspielraum. Diese Begrenzungen finden ihren guten Grund in dem Anliegen, nur solche Verwaltungsentscheidungen an die Stelle gesetzlicher oder richterlicher Beurteilung zu setzen, die dazu durch besondere sachliche und zeitliche Nähe zur Tat legitimiert sind.287 Unsere Idee muß sich weiterhin an den Aussagen der StPO messen lassen. Gemäß § 244 Abs. 2 StPO hat das Gericht zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind; § 261 StPO bestimmt, daß der Richter über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien Überzeugung entscheidet, und ergänzend fügt § 262 Abs. 1 StPO hinzu, daß der Strafrichter auch über bürgerlich- oder verwaltungsrechtliche 288 Vorfragen selber entscheidet. All das sind aber Grundsätze, die einer Beweisregel nicht entgegenstehen.

283

Roxin, oben b bb bei Fn 258, freilich mit der dort gerügten Komplizierung. Siehe weiterhin von Bar, S. 79. 284 Anders die heute ganz h. A.; siehe eben bei Fn 280. 285 Nagler, in: LK 6 - 7 , § 186 Anm. E 4; Schaefer, in: LK 8 , § 186 Anm. E 4. Dagegen zu Recht Herdegen, in: LK, § 186 Rn 3; Hirsch, Ehre, S. 159 f. 286 In: LK, § 323a Rn 61. Siehe noch Rn 60,65, 71,157, 161. 287 Vgl. schon oben 4. Teil E 1 b bb ddd bei Fn 205, 5. Teil EI 1 in Fn 124. 288 Hier gilt § 262 StPO analog; siehe nur Paulus, in: KMR, § 262 Rn 3 m.w.Nachw.

I. Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

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Für § 190 StGB etwa, das Vorbild unserer favorisierten Lösung, ist ganz unbestritten, daß er mit §§ 244, 261 f. StPO in Einklang zu bringen ist: § 244 Abs. 2 StPO gibt dem Gericht auf, die Beweisaufnahme auf solche Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Welche Tatsachen sind das? Die Antwort darauf kann nur das Gesetz geben. In § 190 S. 1 StGB ordnet es an, daß eine Behauptung dann "erweislich wahr" im Sinne des § 186 StGB ist, wenn der Beleidigte wegen der behaupteten Tat rechtskräftig verurteilt worden ist. Das also sind die Tatsachen, die nach der gesetzlichen Anweisung für die gerichtliche Entscheidung von Bedeutung sind. Dort, wo § 190 StGB eingreift, ist die Erweislichkeit selbst keine entscheidungserhebliche Tatsache.289 Dasselbe gilt für den mutmaßlichen Willen der Genehmigungsbehörde zur Tatzeit: Er ist nicht mehr entscheidungserheblich, wann immer die Behörde auf unverzüglichen Antrag nachträglich eine Genehmigung erteilt hat. Eine Beweiserhebung über diese Tatsachen wäre nicht mehr zulässig.290 Deshalb ist auch §261 StPO nicht betroffen: "Gegenstand der Überzeugungsbildung in diesen Fällen ist nicht das ... Sein des Vermuteten, sondern sind die tatsächlichen Voraussetzungen jener Präsumtionen."291 Die Beweisregeln verändern nur das Beweisthema, die Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung hinsichtlich der nach diesem Beweisthema beweisbedürftigen Tatsachen aber schränken sie in keinem Fall ein.292 - Natürlich kann man immer noch auf das ursprüngliche Merkmal ("Erweislichkeit", "mutmaßliche Genehmigung") blicken und konstatieren, daß der Richter die möglichen Beweise hierüber nicht mehr frei würdigen darf. Aber wo immer das geschieht, fehlt nie der richtige Hinweis, daß der "Grundsatz der freien Beweiswürdigung" stets nur in dem Umfang gilt, den das Gesetz vorgibt. 293 Dieser Terminus eignet sich deshalb nur als Beschreibung eines tatsächlichen Typus, nicht aber zum normativen Obersatz, an dem gesetzliche Beweisregeln zu messen wären. Für § 262 StPO kann nur dasselbe gelten.294 Auch über die außerstrafrechtlichen Vorfragen entscheidet das Gericht "nach den für das Verfahren und den

289

Siehe dazu z.B. Schlüchter, Rn 471.1. Gollwitzer, in: Löwe/Rosenberg, § 244 Rn 194. 291 Paulus, in: KMR, § 244 Rn 280. 292 Paulus, aaO, Rn279; weiterhin BVerfGE 36, 174 (185); BGHSt 6, 292 (296); OLG Hamm, VRS 41, 49 f.; Gollwitzer, aaO (Fn 290), § 261 Rn 69; Haaf, S. 150 f.; Kleinknecht/Meyer, §261 Rn23. - Weitere Fälle nennt Hürxthal, in: KK, §261 Rn 34-37. 293 RGSt 44, 254 (257); GA 1930, 29 (32); Gollwitzer, aaO, Rn 43; Meurer, in: Festschr. f. Oehler, S. 360 f.; Roxin, StrafverfR, S. 81, 84; Peters, Strafprozeß, S. 303. 294 Zu § 262 StPO etwa Haaf, S. 152-156. 290

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Beweis ... geltenden Vorschriften." Dazu gehören auch §§ 190295, 331 Abs. 3 StGB. Der Sache nach weist das Gesetz damit freilich die abschließende Kompetenz zur Entscheidung über die Vorfrage einer anderen staatlichen Instanz zu. Aber das ändert nichts daran, daß solche gesetzlichen Sonderregelungen § 262 StPO unanwendbar machen.296 Die Beweisregel des § 331 Abs. 3 StGB steht also im Einklang mit dem sonstigen Strafprozeßrecht. Aber nach dem soeben Gesagten liegt die nächste Frage auf der Hand: Ist es womöglich mit dem Verfassungsrecht unvereinbar, dem Strafrichter die Kompetenz zur Feststellung des Merkmals "mutmaßliche Genehmigung zur Tatzeit" zu nehmen? Bestimmen wir zunächst die Untersuchungsbasis. Die Beweisregel des § 331 Abs. 3 StGB knüpft an eine Genehmigung an. Den Beamten wird sie als behördlicher Verwaltungsakt erteilt, den Angestellten und Arbeitern als privatrechtliche Willenserklärung. Diesem Unterschied wird aber keine Bedeutung zukommen können. Es lohnt sich, auch hier § 190 StGB im Blick zu behalten. Er ist dem § 331 Abs. 3 StGB in seiner Beweisregelfunktion außerordentlich ähnlich. Gegen seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz sind nie Bedenken laut geworden. Das ist ein Indiz für die Verfassungsmäßigkeit des § 331 Abs. 3 StGB. Natürlich enthalten beide Normen einige Unterschiede; darauf wird an gegebener Stelle einzugehen sein. Das'mArt. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip verlangt eine möglichst vollständige Wahrheitsermittlung im Strafprozeß. Dieser Grundsatz gilt aber nicht absolut, sondern muß in einem ausgewogenen Verhältnis zu anderen Verfassungszielen verwirklicht werden. Deshalb gebietet das Rechtsstaatsprinzip nicht die ausnahmslose Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände. Das ist vor allem dort von Belang, wo die begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des Richters ohnehin nicht ausreichen, um ein in jeder Hinsicht vollständiges Bild von der Tat zu gewinnen.297 Deshalb ist es unbedenklich, den Strafrichter im Interesse der Rechtsklarheit an die nachträgliche Genehmigung zu binden, wenn er über den höchst unsicheren hypothetischen Genehmigungswillen der Behörde zur Tatzeit zu entscheiden hat. Art. 92 GG vertraut den Richtern die "rechtsprechende Gewalt" an. So mühsam eine nähere Bestimmung dieser Formulierung auch ist,298 so unstreitig gehört dazu jedenfalls das Strafverfahren 299 und dazu wiederum die Beweiserhebung.300 Aber Art. 92 GG garantiert nicht die absolute richterliche Freiheit zur 295

§ 190 StGB betrifft freilich keine außerstrafrechtlichen Vorfragen. Gollwitzer, aaO (Fn 290), § 262 Rn 12; Paulus, in: KMR, § 262 Rn 4 (und Rn 12 zu § 190 StGB). 297 Zu allem BVerfGE 36, 174 (185-187); siehe auch E 33, 367 (383 f.). 298 Siehe nur Achterberg, in: BK, Art. 92 (Zweitbearb.), Erl. 64-111. 299 BVerfGE 8, 197 (207); 22,49 (77 f.); Achterberg, aaO, Erl. 103. 300 Herzog, in: Maunz u.a., Art. 92 Rn 66. 296

I. Die Genehmigung nach Tatbestandserfillung

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restlosen selbständigen Aufklärung des Sachverhaltes. Das zeigen schon der Verhandlungsgrundsatz im Zivilprozeß, wonach das Gericht keine Beweise von Amts wegen erheben darf, 301 und der ganz anerkannte § 190 StGB. Dem Art. 92 GG läßt sich nur entnehmen, daß dann, wenn Beweis erhoben wird, dieser Beweis vom Gericht erhoben werden muß. Umfang und Ausgestaltung der Beweiserhebung liegen damit wiederum in Händen des Gesetzgebers.302 Deshalb ist das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung von Beweisregeln zu Recht gar nicht erst auf Art. 92 GG eingegangen.303 Art. 97 Abs. 1 GG gewährt dem Richter sachliche Unabhängigkeit. Er schützt ihn davor, Weisungen befolgen zu müssen, die seine richterliche Tätigkeit betreffen. 304 Zugleich unterwirft Art. 97 Abs. 1 GG den Richter ausdrücklich dem Gesetz. "Gesetzliche Weisungen" also sind für ihn sehr wohl beachtlich. Diesem Zusammenspiel von Freiheit und Bindung305 kann in einem ersten Zugriff eine recht klare Grenzziehung entnommen werden: Der Richter ist unbedingt vor Einzelfallweisungen geschützt. Sobald aber die richterliche Unabhängigkeit gesetzlich begrenzt wird, steht Art. 97 Abs. 1 GG nicht im Wege. Deshalb ist es auch unbedenklich, wenn das Gesetz an einen behördlichen Akt anknüpft und so die Behörde den Richter binden kann. Denn auch hier ist die Bindung gesetzlich, generell und also konform mit Art. 97 Abs. 1 GG. Diese Ansicht paßt zu dem historischen Ursprung der richterlichen Unabhängigkeit. Die Richter sollten vor Übergriffen in ihren Tätigkeitsbereich durch "Machtsprüche" des Landesherrn geschützt werden.306 Nach dieser Ansicht wären die Beweisregeln in §§ 190, 331 Abs. 3 StGB von vornherein unbedenklich. Nach verbreiteter Ansicht wäre eine solche Grenzziehung jedoch zu großzügig. Auch gesetzlich angeordnete Bindungen der geschilderten Art können danach gegen Art. 97 Abs. 1 GG verstoßen. Wo aber die Grenze zwischen erlaubten und unerlaubten Bindungen zu ziehen ist, wird uneinheitlich beantwortet. 307 Noch am ehesten wird folgende Unterscheidung zugrundegelegt:308 301

Ausnahme: § 616 ZPO. Näher zur Ambivalenz der Verfassung zum Untersuchungs- und Verhandlungsgrundsatz Schmidt-Aßmann, in: Maunz u.a., Art. 19 Abs. 4 Rn 219. 302 Vgl. schon oben zu §§ 244, 261 StPO bei und in Fn 289-293. Vgl. etwa SchmidtAßmann, aaO, Rn 222-228, zu den Grenzen der Beweiserhebung. 303 BVerfGE 12, 67 (70-72) zu § 16 RHG; 36,174 ff. zu § 51 BZRG. 304 BVerfGE 31,137 (140) m.w.Nachw. zur Verfassungsrechtsprechung; Achterberg, aaO (Fn 298), Erl. 272; Herzog, aaO (Fn 300), Art. 97 Rn 22-25; Stern, StaatsR, S. 912; Wassermann, AK GG, Art. 97 Rn 21. 305 Zu den Spannungen zwischen diesen beiden Grundsätzen siehe Herzog, aaO (Fn 300), Rn 20. 306 Näher Wassermann, in: AK GG, Art. 97 Rn 1,4. 307 Beispiele: Bindung des Strafrichters an eine nach der Tat ergangene Feststellungsentscheidung einer Behörde? Bei § 1 Abs. 4 KreditwG v. 25.9.1939 zulässig

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5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

Der Richter ist an behördliche Entscheidungen nicht "gebunden", aber sie sind für ihn "beachtlich". Er muß nämlich akzeptieren, daß diese Akte in der Welt sind, und er muß deren Umgestaltung der Rechtslage akzeptieren. M i t diesen Tatbestands- und Gestaltungswirkungen 309 ist aber die Grenze des Erlaubten erreicht. Art. 97 Abs. 1 GG verbietet eine Bindung des Richters an behördliche Feststellungen, seien es rechtliche oder tatsächliche. Nun ist es zwar durchaus fraglich, ob mit dieser schematisierten Lösung ein befriedigendes Ergebnis erreicht werden kann. Immerhin betrifft die Unterscheidung nur den Weg, auf dem der Richter seine Unabhängigkeit verliert; der aber ist weitgehend auswechselbar. 310 Diese verfassungsrechtliche Frage kann aber unbeantwortet bleiben. Für unsere Arbeit genügt es, wenn die Beweisregel des § 331 Abs. 3 StGB auch vor diesem strengeren Maßstab bestehen kann. § 331 Abs. 3 StGB bindet den Strafrichter an eine behördliche Entscheidung 311 in Form eines Verwaltungsaktes oder einer privatrechtlichen Willens(BGHSt 4, 347 [349]); bei Art. 168 Abs. 3 BayForstG unzulässig (BayObLGSt 1961, 253 [255 f.]); bei §§ 7, 35 Abs. 2 S. 2, 40 Abs. 3 PBefG v. 4.12.1934 streitig (Meinungsstand in BayObLGSt 1960, 94 [95]). Bindung an eine vor Begehung der Tat ergangene und rechtskräftige Feststellungsentscheidung? Bei Art. 168 Abs. 3 Bay ForstG zulässig (BayObLGSt 1959, 257 [260 f.]). Bindung an ein nach Begehung der Tat ergangenes Strafurteil? Bei § 190 S. 1 StGB zulässig (allg. Ans.; vgl. dazu aber unten Fn 311). Bindung an die behördliche Löschung einer Eintragung im Bundeszentralregister (§ 51 Abs. 1 BZRG)? Zulässig (allg. Ans., siehe v.a. BVerfGE 36, 174 [185]). Bindung an die abschließende Verfügung des Generalstaatsanwalts in Rechtshilfeangelegenheiten (§ 16 RHG)? Zulässig (BGHZ 95,212 [218]). 308 Hier nach Bettermann, in: Grundrechte m/2, S. 535. Ebenso z.B. Haaf, S. 244246, 255 f.; wohl noch weitergehend Mohrbotter, JZ 1971, 213 ff. (v.a. 216). Kritisch etwa Bachof, JZ 1957, 334 (336 unter 8.). Vgl. noch Herzog, aaO (Fn 304), Rn 29-31; Kaiser, NJW 1965,474 (475); Schäfer, in: Löwe/Rosenberg, Einl. 12 Rn 126 f. 309 Näher z.B. Haaf, S. 72 f., 100; Knöpfle, BayVBl. 1982, 225 (230). Hierzu auch BGHSt 20, 205 (206 f.); Peters, Strafprozeß, S. 34: Bindung des Strafrichters an die Löschung einer Verurteilung im Strafregister, auch wenn diese zu Unrecht erfolgte. So wohl auch BVerfGE 75, 329 (346) zu § 327 Abs. 2 StGB (unerlaubtes Betreiben bestimmter Anlagen): "Die Pflicht des Strafrichters, erteilte Genehmigungen jedenfalls grundsätzlich als gegeben hinzunehmen, folgt bereits aus der Formulierung des gesetzlichen Tatbestandes." Ebenso BVerfGE 80, 244 (256) zum - belastenden - vollziehbaren Vereinsverbot, auch wenn es noch anfechtbar ist (vgl. den Wortlaut des § 20 Abs. 1 VereinsG). 310 Bedenken auch bei Haaf, S. 255 f., der daraus allerdings keine Konsequenzen zieht. Für eine Bindung des Zivilrechts durch feststellende wie durch gestaltende Verwaltungsakte etwa Jarass, VVdStRL 1991, 238 (268), m. w. Nachw. 311 § 190 StGB bindet ihn an ein gerichtliches Urteil. Häufig wird schon allein deshalb die Vereinbarkeit dieser Norm mit Art. 97 Abs. 1 GG behauptet: Die Verfassungsnorm schütze den Richter nur vor Einzelfallweisungen der Exekutive und der Legislative; BVerfGE 12, 67 (71); 31, 137 (140); NJW 1961, 655; Bettermann, aaO (Fn 308), S. 536-540; Haaf, S. 246; Schäfer, aaO (Fn 308), Rn 126. Aber kann denn

I . Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

221

erklärung. Liegt darin eine unzulässige Feststellungswirkung? Das wäre der Fall, wenn der Richter an die tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen gebunden wäre, die sich in der bindenden Genehmigungsentscheidung finden. 312 Aber so ist es nicht: Bei der nachträglichen Genehmigung stellt die Behörde fest, wer den Vorteil genommen und wer ihn gegeben hat; sie stellt dessen Wert und die sonstigen Umstände der Tat fest. Nach diesen tatsächlichen Feststellungen trifft sie die Abwägung, daß hier das Interesse des Vorteilsnehmers die entgegenstehenden Interessen überwog. Dann spricht sie die Genehmigung aus. All dies tut die Behörde aus ihrer Sicht ex post zur Zeit der Entscheidung. Auf all diese tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zielt aber die Frage des Strafrichters gar nicht ab. Er muß entscheiden, ob die Behörde zur Zeit der Tat genehmigt hätte. Darüber aber finden sich in der behördlichen Genehmigung keine Feststellungen, an die der Richter gebunden sein könnte.313 Und umgekehrt: An diejenigen Feststellungen, auf denen die Genehmigung beruht und die sie ausdrücklich trifft, ist der Strafrichter eindeutig nicht gebunden. Er entscheidet selber über alle Umstände der Tat. Weicht seine Sicht von der behördlichen ab, so setzt sie sich durch. Das ist für die Feststellungen zum Straftatbestand ohnehin klar, weil die Beweisregel hierhin gar nicht reicht. Aber auch in deren Wirkungsbereich ist eine abweichende richterliche Beurteilung stärker. Nehmen wir nur den Fall, daß der Richter feststellt, der Täter habe den Vorteil gefordert. Dann ist für eine mutmaßliche Genehmigung kein Raum. Hat nun aber die Behörde nachträglich genehmigt und dabei festgestellt, der Täter habe den Vorteil nicht gefordert, so ist das für den Richter belanglos. In diesem Fall käme die Beweisregel nicht zum Zuge. Denn das Gesetz knüpft sie nur an eine rechtmäßige Genehmigung. Diese Rechtmäßigetwa der Kammervorsitzende den Berichterstatter bei der Abstimmung anweisen? Oder darf ein OLG das LG bei dessen Entscheidung anweisen, etwa um es gar nicht erst zum Berufungsverfahren kommen zu. lassen? Auch das wären Angriffe auf die Unabhängigkeit des Richters. Davor will Art. 97 Abs. 1 GG schützen. Natürlich kann man behaupten, diese Norm besage für diese Fälle nichts, und die Unzulässigkeit aus anderen Verfassungssätzen ableiten. Aber das wäre gekünstelt. Art. 97 GG enthält nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß er nur solche Verletzungen der Unabhängigkeit meint, die aus einer bestimmten Richtung kommen. Ebenso Herzog, aaO (Fn 304), Rn 33-38; Jarass/Pieroth, Art. 97 Rn 5; Stern, StaatsR, S. 912 f. 312 Zu dem recht unklaren Begriff der "Feststellungswirkung" näher Knöpfle, BayVBl. 1982, 225 (230); Seibert, S. 127-131. Aufschlußreich das Beispiel bei Bachof, VerfR, Nr. 355. 313 Für § 190 StGB - z.B. Haaf, S. 76 Fn 9, und Sax, in: KMR, Einl. XEI Rn 15, nehmen auch hier Tatbestandswirkung an - ist der Nachweis wohl deutlich schwerer zu führen. Womöglich würde er gar mißlingen. § 118 SGBX bindet den Richter sogar ausdrücklich an die imanfechtbare behördliche Entscheidung, daß und in welchem Umfang ein Sozialleistungsträger zur Leistung verpflichtet ist. - Das aber deutet nicht so sehr auf die Verfassungswidrigkeit der §§190 StGB, 118 SGB X hin als vielmehr auf einen Fehler und zu große Strenge im hier versuchsweise herangezogenen Maßstab.

222

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

keit darf und muß der Richter selbständig prüfen. Liegen der Genehmigung nach seiner Ansicht falsche Feststellungen zugrunde, so ist sie deshalb ermessensfehlerhaft und rechtswidrig; damit entfällt auch die Beweisregel.314 Das einzige, was der Strafrichter nicht nachprüfen darf, ist die ermessensfehlerfreie behördliche Abwägung der beteiligten Interessen. Damit bindet ihn die Beweisregel in exakt demselben Ausmaß an die nachträgliche Genehmigung, in dem er auch an die vorherige Genehmigung gebunden ist. 315 Die erstgenannte Bindung erfolgt über die Tatbestandswirkung der Genehmigung, die zweitgenannte zusätzlich kraft deren Gestaltungswirkung. Es zeigt sich, daß die verschiedenen Wege zum selben Ziel führen. Daß die eine Genehmigung vor der Tat, die andere aber erst danach erteilt wird, kann zu keinen Bedenken Anlaß geben. Die vorherige Genehmigung, die z. B. eine Woche vor der Vorteilsannahme erteilt wird, kann - wie die nachträgliche auch - nicht mehr als ein bloßes Indiz dafür sein, daß die Behörde zur Zeit der Tat mutmaßlich genehmigt hätte; wer weiß, ob sie ihre Ansicht nicht geändert hat. Für den Behördenwillen zur Tatzeit begründen die vorherige und die nachträgliche Genehmigung gleichermaßen bloße Vermutungen.316 Wer also in der Verbindlichkeit der nachträglichen Genehmigung für den Strafrichter einen Verstoß gegen dessen richterliche Unabhängigkeit sehen will, der muß konsequent sein und denselben Vorwurf ebenfalls der vorherigen Genehmigung machen. Daß er hier aber unbegründet ist, wurde schon des öfteren dargelegt.317

cc) Anhang 1: Bindungswirkung der Genehmigungsversagung? Bisher war stets nur die Rede davon, daß die Behörde die Tat (vorher oder nachher) genehmigt hat. Es ist jedoch ebenso möglich, daß sie die Genehmigung (vorher oder nachher) versagt. Hat sie das rechtmäßig getan, stellt sich auch für diese Fälle die Frage, ob der Strafrichter an die behördliche Entscheidung gebunden ist. 314

Eine ähnliche "Sicherung" enthält § 190 StGB, indem er eine rechtskräftige Verurteilung verlangt. 315 Oben 4. Teil II 1 bei Fn 121: volle Rechtmäßigkeits-, aber keine Zweckmäßigkeitskontrolle. 316 Hier mag man versucht sein einzuwenden, die Behörde habe mit der vorherigen Genehmigung das Rechtsgut doch preisgegeben und sei daran festzuhalten, bis sie einen actus contrarius setzt. Das stimmt zwar, ist aber nicht mit materiellen Erwägungen zum Rechtsgüterschutz begründbar. Die Anknüpfung an den erkennbaren Akt der Preisgabe dient nur der Rechtssicherheit, sie ist klarer und deshalb besser handhabbar. Genau dasselbe gilt für die nachträgliche Genehmigung. - Zur vorherigen und nachträglichen Versagung der Genehmigung unten cc bei Fn 321. 317 Siehe nur BVerfGE 75, 329 (346), und Winkelbauer, UmweltstrafR, S. 35 f. m.w.Nachw.

E. Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

223

Überlegen wir zunächst, wann sich dem Strafrichter diese Frage überhaupt stellen kann. Hat der Täter eine tatbestandliche Vorteilsannahme begangen, so könnte er gerechtfertigt sein. Er wäre es gemäß § 331 Abs. 3 StGB, wenn ihm eine einwandfreie vorherige Genehmigung erteilt worden wäre; das ist jedoch nicht der Fall. 318 Er wäre gemäß § 331 Abs. 3 StGB weiterhin gerechtfertigt, wenn er sich auf eine mutmaßliche Genehmigung stützen könnte. Das kann er nur, wenn es ihm nicht möglich war, eine vorherige Genehmigung abzuwarten. An dieser Voraussetzung wird es in der Regel fehlen, wenn der Täter schon vor der Tat eine Genehmigung beantragt und die behördliche (ablehnende) Entscheidung abgewartet hat; er könnte ja verwaltungsgerichtlichen Schutz suchen und weiter warten. Aber Ausnahmen sind ohne weiteres möglich: Dem Täter wurde die Genehmigung versagt; daraufhin erneuert der Geber sein Angebot und schränkt es lediglich dahin ein, daß er entweder jetzt oder nie zu schenken bereit sei. Nun könnte der Nehmer nicht mehr rechtzeitig auf Erteilung der Genehmigung klagen, und die vorherige Versagung beträfe genau diejenige Vorteilsannahme, die später erfolgt ist. - Üblicherweise wird sich die Frage nach der Bindungswirkung der Genehmigungsversagung jedoch dann stellen, wenn eine vorherige Genehmigung unmöglich ist, der Täter den Vorteil annimmt, sodann eine nachträgliche Genehmigung beantragt und sie ihm versagt wird. Muß der Strafrichter diese behördlichen Entscheidungen beachten? Die Antwort ist de lege lata einfach: Nein, denn das Gesetz schafft eindeutig keine derartige Bindungswirkung. Faktisch wird es dem Richter freilich ein kaum umstößliches Indiz sein, wenn die Behörde die Genehmigung vor der Tat ablehnt. Auch die nachträgliche Versagung ist ein starkes Indiz, allerdings nur für die anfängliche ex-post-Betrachtung. Die danach erforderliche Beurteilung ex ante dagegen kann sich darauf nicht stützen.319 Maiwald allerdings befürwortet eine zwingende Bindung durch die (rechtmäßige!) vorherige Versagung: Der Amtsträger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung; deshalb sei mit der Vorteilsannahme trotz vorheriger Versagung zugleich das Unrecht des § 331 StGB gegeben.320 Aber Maiwalds Folgerung stimmt nur, wenn die Behörde ihren zuvor geäußerten Unwillen noch im Zeitpunkt der Tat aufrechterhält. Da dies nicht unbedingt so sein muß, ist Maiwalds Gedankengang in diesem Punkt unvollständig. Für den Behördenwillen zur Tatzeit ist die vorherige Versagung der Genehmigung nur 318 Das umschließt auch die Fälle, die dem Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand unterfallen. Auch hier wäre eine Genehmigung vor der Tatbestandsvollendung erteilt worden. 319 Notabene: Die unverzügliche nachträgliche Erteilung der Genehmigung besagt zwar ebensowenig für die ex-ante-Prognose, läßt es aber aufgrund der tätergünstigen ex-post-Betrachtung erst gar nicht dazu kommen. 320 JuS 1977, 353 (356).

224

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

ein (wenn auch ungemein starkes) Indiz.321 Da sich zuweilen aber auch Gegenindizien finden lassen können, existiert keine derartige Beweisregel. Sie bedürfte der gesetzlichen Anordnung. dd) Anhang 2: Gerichtliche Aussetzungspflicht vor Entscheidung der Genehmigungsbehörde Wir wissen bereits, wie sich der Strafrichter zu verhalten hat, wenn die zuständige Behörde die Genehmigung der Vorteilsannahme erteilt oder auch versagt.322 Wie aber, wenn die Behörde noch keine Entscheidung getroffen hat? Das hängt davon ab, ob denn immerhin schon ein Genehmigungsverfahren läuft. Denn wir wissen, daß die nachträgliche Genehmigung nur dann zur Beweisregel werden kann, wenn der Amtsträger nach der Tat unverzüglich seine Behörde informiert, wie § 331 Abs. 3 StGB es von ihm verlangt. Wollte der Täter also erst nach Einleitung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens, nach Monaten womöglich, eine Genehmigung beantragen, so könnte die, sollte sie tatsächlich erteilt werden, schon mangels Unverzüglichkeit keine Bedeutung als Beweisregel erlangen. Es bleibt allein der Fall übrig, daß der Täter die Genehmigung unverzüglich beantragt hat und sich das Genehmigungsverfahren so lange hinzieht, daß bereits Staatsanwaltschaft oder gar Richter auf den Plan getreten sind. Hier bietet die Strafprozeßordnung zwei Möglichkeiten: Entweder bloßes Aussetzungsermessen analog §§ 154d, 262 StPO323 oder staatsanwaltschaftliches Aussetzungsermessen nebst richterlicher Aussetzungspflicht analog § 154e StPO324. Die Entscheidung für die zweite Möglichkeit kann kaum schwerfallen. § 154e StPO erfaßt genau den für unsere Beweisregel vorbildhaften § 190 S. 1 StGB.325 Es leuchtet ja auch unmittelbar ein, daß der Strafrichter dort, wo ihn das Gesetz an eine Entscheidung bindet, die eine andere Stelle erst nach der zu untersuchenden Tat trifft, eben diese Entscheidung auch abwarten muß. Das gilt genauso für § 331 Abs. 3 StGB. Folglich soll analog § 154e StPO von der Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer Vorteilsannahme oder Vorteilsgewährung326 abgesehen werden, solange wegen der Vorteilsannahme ein be321

Ebenso wie die vorherige Erteilung der Genehmigung; oben bb bei Fn 315 f. Oben aa-cc. 323 Analog deshalb, weil § 262 StPO lediglich von zivilrechtlichen Vorfragen spricht und beide Nonnen nicht das verwaltungsbehördliche Verfahren erfassen. 324 Grundsätzlich gegen eine Analogie zu dieser Vorschrift Schoreit, in: KK, § 154e Rn3; Rieß, in: Löwe/Rosenberg, § 154e Rn4. Das ist zu apodiktisch. Vgl. nur die zahlreichen Fälle ausschließlicher Vorfragenkompetenz bei Paulus, in: KMR, § 262 Rn 12. 325 Freilich auch noch weitere Fälle. Sie interessieren hier nicht. 326 Dazu sogleich im 6. Teil. 322

I . Die Genehmigung nach Tatbestandserfllung

225

hördliches Genehmigungsverfahren anhängig ist. Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so stellt das Gericht das Verfahren bis zum Abschluß des Genehmigungsverfahrens wegen der Vorteilsannahme ein.

d) Die mutmaßliche Genehmigung des Sichversprechenlassens Auch für die zweite genehmigungsfähige Tathandlung, das Sichversprechenlassen eines Vorteils, kann sich der Täter zu seiner Rechtfertigung auf eine mutmaßliche Genehmigung berufen. Dabei gilt fast alles entsprechend, was zur Annahme des Vorteils gesagt worden ist. Aber hier gilt dieselbe Einschränkung wie schon beim Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand: Auf eine mutmaßliche Genehmigung kann sich auch derjenige berufen, dem es möglich war, vorher eine Genehmigung einzuholen. Das liegt an dem deutlich geringeren Unrechtsgehalt dieser Tathandlung.327 Auch der Wortlaut des § 331 Abs. 3 StGB stützt dieses Ergebnis. Er macht die Rechtfertigung des Sichversprechenlassens von der Genehmigung der Annahme abhängig. Das besagt zweierlei. Erstens wird daran deutlich, ein wie geringes Gewicht der Gesetzgeber dieser Tatmodalität beimißt. Zweitens erhebt er hier die nachträgliche Genehmigung geradezu zum Regelfall! Der Beweisregelcharakter des § 331 Abs. 3 StGB zeigt sich daran ganz besonders anschaulich. Wird eine Genehmigung - und das dürfte der häufigste Fall sein nach dem Sichversprechenlassen, aber vor der Annahme des Vorteils erteilt, so ist die Annahme über die Gestaltungswirkung der Genehmigung gerechtfertigt. Das Sichversprechenlassen ist wegen der mutmaßlichen Genehmigung erlaubt. Und nun dient sogar die behördliche Entscheidung, daß eine künftige Annahme des Vorteils unbedenklich ist, als unwiderlegliche Vermutung dafür, daß ein in der Vergangenheit liegendes Sichversprechenlassen ebenfalls ganz harmlos war und genehmigt worden wäre.

4. Die rechtswidrige

Genehmigung nach Tatbestandserfüllung

Auch die nachträgliche Genehmigung kann rechtswidrig sein. Dabei sind alle Fehler denkbar, die schon für die vorherige Genehmigung möglich waren. 328 Weitere Fehlerquellen ergeben sich aus den zusätzlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, daß eine vorherige Genehmigung unmöglich gewesen sein und daß der Täter die Vorteilsannahme unverzüglich der Behörde angezeigt haben muß. All diese Mängel haben in zweierlei Hinsicht Konsequen327 328

Näher oben II 2 d. Dazu im 4. Teil I.

IS Hardtung

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

226

zen: zum einen für die Beweisregelfünktion der nachträglichen Genehmigung, zum anderen für deren Bedeutung als Rechtsfolgenaufhebungsgrund. Beginnen wir mit der Beweisregel. Sie gilt im Straf-, Beamten- und Arbeitsvertragsrecht. Überall gilt sie in dem Umfang, den § 331 Abs. 3 StGB vorschreibt. Diese Norm verlangt deutlich eine materiell rechtmäßige Genehmigung der zuständigen Behörde. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, gilt auch keine Beweisregel. Stets ist der Richter dazu aufgerufen, selber den mutmaßlichen Willen der Genehmigungsbehörde zu erforschen. Hier ist die rechtswidrige nachträgliche Genehmigung ganz nutzlos. Wie aber steht es um ihre Wirkung als Sanktionsaufhebungsgrund? Legen wir die relevanten Normen zunächst isoliert aus. § 331 Abs. 3 StGB verlangt auch hierfür eine rechtmäßige Genehmigung; die fehlerhafte zählt danach im Strafrecht nichts. §§ 70 BBG, 43 f. VwVfG dagegen wollen auch die rechtswidrige Genehmigung wirksam sein lassen. Welche Wirkung hätte sie dann? Die Behörde spricht mit der nachträglichen (rückwirkenden!) Genehmigung aus, daß der Vorteilsnehmer so zu behandeln ist, als hätte er die Genehmigung schon vor der Tat erhalten. Dann hätte er allgemein rechtmäßig gehandelt und wäre keinerlei Sanktionen ausgesetzt, weder disziplinarrechtlichen - noch strafrechtlichen. Der rückwirkende Verwaltungsakt intendiert also einen die gesamte Rechtsordnung umfassenden Sanktionsverzicht. Wir stehen hier vor demselben Konflikt, den wir schon bei der fehlerhaften vorherigen Genehmigung erörtert haben. Auch hier geraten §331 Abs. 3 StGB und §§70 BBG, 43 f. VwVfG in einen konkreten Normwiderspruch. Nur der Inhalt der widersprüchlichen Aussagen hat gewechselt. Bei der vorherigen Genehmigung war es die rechtfertigende Wirkung, die von beiden Normenkomplexen unterschiedlich beurteilt worden ist; wir hatten diesen Konflikt im Sinne des Strafrechts gelöst.329 Nun geht es um die Wirkung der nachträglichen Genehmigung als Strafaufhebungsgrund; §§ 70 BBG, 43 f. VwVfG wollen die rechtswidrige Genehmigung dafür genügen lassen, § 331 Abs. 3 StGB will das nicht. Die analoge Anwendung des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG in der Form, wie sie uns bei der vorherigen Genehmigung geholfen hatte, führt hier nicht weiter. Denn die nachträgliche Genehmigung "erlaubt" nichts. Allerdings muß auch dieser Normwiderspruch zugunsten der strafrechtlichen Regelung entschieden werden. Erstens ist § 331 Abs. 3 StGB die speziellere Norm, denn sie befaßt sich genau mit der Rechtsfolge "Strafe", während § 70 BBG diese Einschränkung nicht aufweist. Zweitens würde ein Wertungswiderspruch zur rechtswidrigen vorherigen Genehmigung entstehen, wenn man die fehlerhafte nachträgliche Genehmigung als Strafaufhebungsgrund gelten lassen wollte. Denn das hieße, dem "schwächeren", weil bloß rechtsfolgenbeseitigenden Verwaltungsakt eine größere Wirkung beizulegen 329

4. Teil D.

. Die Genehmigung nach Tatbestandserfüllung

227

als dem "stärkeren", weil rechtfertigenden Akt: Denken wir uns beide Verwaltungsakte als fehlerhaft, wäre jener wirksam, dieser aber nicht.330 Das zeigt zugleich, daß - drittens - die im 4. Teil gefundene gesetzliche Entscheidung im Ergebnis unterlaufen würde. Nehmen wir den Fall so, daß die Behörde zunächst vor der Tat fehlerhaft genehmigt und es sodann nach der Tat noch einmal und ebenso fehlerhaft tut. Wenn nun dieser zweite Verwaltungsakt trotz der Gegenwehr des § 331 Abs. 3 StGB ein Strafaufhebungsgrund wäre, so hätte die Macht des Strafrechts, diese Tat entgegen der ersten Genehmigung als rechtswidrig auszuweisen, ihren Sinn größtenteils verloren. 331 Viertens wären alle innerstrafrechtlichen Wertungswidersprüche neu entstanden, die bei der vorherigen rechtswidrigen Genehmigung durch deren Nichtigkeit vermieden worden sind.332 Hier sei nur der Vorteilsgeber genannt, dem die Genehmigung allein nicht helfen könnte, weil sie nur den Nehmer von Strafe befreit. Ihn könnte nur § 333 Abs. 3 StGB straffrei stellen und täte es im konkreten Fall nicht, weil diese Vorschrift eine rechtswidrige Genehmigung nicht genügen läßt. §§70 BBG, 43 f. VwVfG können also eine fehlerhafte Genehmigung jedenfalls nicht zum S/ra/aufhebungsgrund machen. Sucht man über die genannten materiellen Erwägungen hinaus nach einer gesetzlichen Stütze für dieses Ergebnis und will man sich nicht mit § 44 Abs. 1 VwVfG begnügen,333 so bleibt auch hier der Rückgriff auf § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG. Man wird die hierzu gefundene Analogie, daß auch strafrechtswidrige Erlaubnisse nichtig sind, noch einmal auf jene Fälle analog ausdehnen müssen, in denen es um strafrechtswidrige Strafverzichtsanordnungen geht. Ist die rechtswidrige nachträgliche Genehmigung dann wenigstens ein DisziplinarstrafaufhebungsgTund ? Ja, denn §§70 BBG, 43 f. VwVfG möchten das und § 331 Abs. 3 StGB schweigt hierzu. Deshalb besteht insoweit kein Normwiderspruch. Der Verzicht auf Disziplinarmaßnahmen wäre auch nicht gemäß § 44 Abs. 4 VwVfG nichtig. Denn der nichtige Teil der nachträglichen Genehmigung ist nicht so wesentlich, daß die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.334 Es bleibt noch ein Blick auf die arbeitsvertragliche Genehmigung zu werfen. Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen, daß sie nicht mit dem Gesetz harmonisiert werden muß, weil sie in der ganz anderen Rechtsbeziehung Ar330

So auch Horn, NJW 1981,1 (3 Fn 18). Sie wäre nicht völlig bedeutungslos: Die Tat bliebe rechtswidrig und damit z.B. notwehrfähig. Aber wie sähe ein solcher Fall aus, in dem Notwehr gegen eine Vorteilsannahme geübt würde? 332 4. Teil D 1 a. 333 Diese Lösung ist hier denselben Bedenken ausgesetzt wie oben, 4. Teil II 1 b aa. 334 Ausführlich im 4. Teil II 1 b bb eee. 331

15*

228

5. Teil: Die nachträgliche Genehmigung

beitnehmer-Arbeitgeber angesiedelt ist.335 Die Wirksamkeit dieser Genehmigung hängt nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen allein von der Außenvertretungsmacht des für den Arbeitgeber Handelnden ab. Erteilt die Behörde als Vertreter für den Arbeitgeber im öffentlichen Dienst im Rahmen ihrer Vertretungsmacht eine nachträgliche Genehmigung, so ist diese Willenserklärung wirksam, auch wenn die erklärende Behörde damit im Innenrechtsverhältnis gegen die Anordnungen des Vertretenen verstößt. Diese nachträgliche "Genehmigung" bedeutet - wie gewohnt - einen Rechtsfolgenverzicht, hier nun aber von vornherein auf den arbeitsvertraglichen Bereich beschränkt. Deshalb entsteht kein Konflikt zu den fortbestehenden gesetzlichen Rechtsfolgen. Die nachträgliche rechtswidrige arbeitsvertragliche Genehmigung ist wirksam. Sie schützt die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst vor arbeitsrechtlichen Sanktionen.

IV. Ergebnis und Vergleich Mit der mutmaßlichen Genehmigung ist unser Ziel erreicht. Dieser Rechtfertigungsgrund kombiniert die Vorteile des Handlungs-Unterlassungs-Tatbestands mit denen der rückwirkenden Genehmigung und vermeidet beider Nachteile: Wo immer eine vorherige Genehmigung unmöglich ist, kann der Vorteilsnehmer 336 wegen mutmaßlicher Genehmigung gerechtfertigt sein. Dieser Erlaubnissatz läßt sich auf das Disziplinar- und Arbeitsrecht übertragen. § 331 Abs. 3 StGB ordnet zugleich eine Beweisregel an: Immer, wenn der Vorteilsnehmer unverzüglich nach der Tat die Behörde informiert und sie ihm daraufhin eine rechtmäßige Genehmigung erteilt, gilt die unwiderlegliche Vermutung, daß die Behörde zur Tatzeit eingewilligt hätte. Diese Beweisregel ist verfassungsrechtlich unbedenklich und stellt auch keine Besonderheit dar. Der Vergleich zu den anderen Modellen gibt noch zu folgendem Hinweis Anlaß. Die im Rahmen des Handlungs-Unterlassungs-Tatbestandes erteilte Genehmigung ist eine vorherige Genehmigung. Bedeutet das etwa, daß sich der Täter nur dann auf die mutmaßliche Genehmigung berufen kann, wenn eine Handlungs-Unterlassungs-Kombination nicht möglich ist? Diese Frage zu bejahen hieße, die zeitliche Differenz zwischen der Annahme des Vorteils und der vollständigen Tatbestandserfüllung zu mißachten.337 Nur auf den erstgenannten Zeitpunkt kommt es an. Ist bis zur Annahme des Vorteils keine Genehmigung möglich, so muß dem Täter auf andere Weise geholfen werden.

335

3. Teil m 3,4. Teil H 1 c. Für denjenigen, der sich den Vorteil nur versprechen läßt, entfallt auch diese eine Voraussetzung; oben 3 d. 337 Vgl. oben 12 pr. 336

IV. Ergebnis und Vergleich

229

Mutmaßliche Genehmigung und Handlungs-Unterlassungs-Kombination sind hier zwei völlig gleichrangige Hilfen, deren sich der Täter wahlweise "bedienen" kann. Er kann ohne weiteres den Vorteil annehmen, ohne einen Vorbehalt zu erklären. Vertraut er auf den Genehmigungswillen der zuständigen Behörde und hat er damit Recht, so ist er vollkommen gerechtfertigt. Er trägt aber - das muß deutlich gesagt werden - das Risiko, den Behördenwillen falsch eingeschätzt zu haben. Will er dieses Risiko vermeiden, so muß er den Vorteil zurückweisen oder aber dem Geber den Vorbehalt erklären. 338 Das zeigt uns: Die mutmaßliche Genehmigung ist der umfassendste Rechtfertigungsgrund - der zuverlässigste ist sie nicht. Bleibt dem Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand also neben der mutmaßlichen Genehmigung noch Raum, so wird die Leistungsfähigkeit der rückwirkenden Genehmigung im Strafrecht aufgesaugt: Wann immer eine rechtmäßige nachträgliche Genehmigung erteilt wird, bewirkt sie über die Beweisregel für die mutmaßliche Genehmigung eine Rechtfertigung des Täters; denn rechtmäßig ist die Genehmigung nur, wenn sie unverzüglich nach der Tat beantragt wurde. Der bloße Strafaufhebungsgrund, der unmittelbar der rückwirkenden Genehmigung entspringt, geht damit ins Leere. Ist die Genehmigung rechtswidrig, so wirkt sie weder als Beweisregel noch als Strafaufhebungsgrund. Auch die (vorherige oder nachträgliche) behördliche Versagung der beantragten Genehmigung stellt keine Beweisregel dar, an die der Strafrichter gebunden wäre. Ist ein Genehmigungsverfahren anhängig, kann der Staatsanwalt und muß der Richter das Strafverfahren analog § 154e StPO aussetzen.

338

Das hilft ihm nur dann, wenn alle sonstigen Voraussetzungen der Handlungs-Unterlassungs-Kombination vorliegen.

6. Teil: Die Vorteilsgewährung L Das Verbot Gemäß § 333 StGB ist auch die Vorteilsgewährung strafbar. Hierzu gibt es im Recht des öffentlichen Dienstes keine Parallele, die Suche nach Normwidersprüchen wäre vergeblich. Aber immerhin darf § 333 StGB auch keine Wertungswidersprüche zu § 331 StGB entstehen lassen. Drei Hinweise sind geboten. Erstens: § 333 StGB untersagt es, Vorteile anzubieten, zu versprechen oder zu gewähren. Diese Tathandlungen werden zumeist als "Gegenstücke" zu den Begehungsformen des § 331 StGB bezeichnet.1 Will man das so sehen, muß man den Begriffen allerdings einen genau darauf zugeschnittenen Sinn geben und darf sich von der dabei hinderlichen Wortwahl des Gesetzgebers nicht verwirren lassen. Beim "Gewähren" ist das noch unproblematisch. Diese Handlung ist in der Tat das genaue Komplement zum Annehmen; beide ergänzen einander zur gemeinsamen Realisierung der Unrechtsvereinbarung. In zivilrechtlicher Terminologie2 sind beide sowohl Angebot als auch Annahme des "Erfüllungsgeschäftes", mal das eine, mal das andere - je nachdem welcher der beiden Täter die Initiative ergreift. Die restlichen vier Tatmodalitäten dagegen bereiten Schwierigkeiten. Sie betreffen allesamt den Abschluß des "Verpflichtungsgeschäftes", mit ihnen wird der Unrechtspakt geschlossen. Hier sorgt nun für Verwirrung, daß der Gesetzgeber diesmal "Angebot" und "Annahme" für beide Täter mit selbständigen Begriffen beschreibt und damit genau doppelt soviel Worte wie beim "Erfüllungsgeschäft" macht. Um auch hier die Spiegelbildlichkeit zu wahren, darf man nun nicht - obwohl die Wortwahl des Gesetzes dies nahelegt - im "Sichversprechenlassen" des Nehmers die Reaktion auf das "Versprechen" des Gebers suchen. Denn damit wäre für den Vorteilsgeier das weitere Tatbe1 BGHSt 15, 88 (102); Benfer, Rn 733; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 333 Rn 8; Jescheck, in: LK, § 333 Rn 4; Lackner, § 333 Rn 3 ("teilweise"); Maurach/Schroeder/ Maiwald, BT 2, Rn 78/12, 29; Otto, BT, S. 474; Rudolphi, in: SK, § 333 Rn 7; Widmaier, JuS 1970, 241 Fn 1. So schon Goltdammer, S. 675. 2 Ohne daß es freilich in §§ 331, 333 StGB auf zivilrechtlich wirksame Willenserklärungen ankäme.

I. Das Verbot

231

standsmerkmal "Anbieten" überflüssig. Vielmehr muß man diese Tatmodalitäten voneinander trennen und wie folgt formulieren: Fordern des Nehmers und Anbieten des Gebers sind die jeweiligen Angebote auf Abschluß des unrechten Verpflichtungsgeschäftes. Sie werden angenommen jeweils durch das Versprechen des Gebers3 und das Sichversprechenlassen des Nehmers.4 Der Wert einer solchen Begriffspaarung, die das "Versprechen" des Gebers allzu gewaltsam als eine bloße Reaktion auf ein Fordern des Nehmers beschreibt, ist allerdings zweifelhaft. Mit dieser erzwungenen Kongruenz wäre dem Rechtsunterworfenen auch nicht gerade zu vermehrter Rechtssicherheit verholfen. Viel näher liegt die Annahme, daß sowohl das "Anbieten" als auch das "Versprechen" des Gebers sowohl Aktion als auch Reaktion sein können und daß der Gesetzgeber bei der Wortwahl um der Klarheit willen eben doch nur die typischen, anschaulichen Begriffe gewählt hat:5 Der Geber bietet an, was er sofort, und verspricht, was er später gewähren will. 6 Beides akzeptiert der Nehmer, indem er sich den Vorteil versprechen läßt.7 - Diese ungezwungene Sicht zerbricht dann freilich die allenthalben behauptete Kongruenz, denn "Fordern" und "Sichversprechenlassen" des Nehmers lassen sich nicht mehr spiegelbildlich dem "Anbieten" und "Versprechen" des Gebers zuordnen. Zweitens: Die Vorteilsgewährung ist in deutlich geringerem Umfang strafbar als die Vorteilsannahme. Verboten ist nur die Gewährung von Vorteilen für zukünftige Diensthandlungen, und das auch nur dann, wenn diese im Ermessen des Vorteilsnehmers stehen. Beide Einschränkungen sind dem § 331 StGB fremd. Der Grund für diese Besserstellung des Gebers "liegt darin, daß in der Allgemeinheit die Anschauung, in der Gewährung eines Vorteils für eine ordnungsgemäße Handlung sei nichts Verfängliches, sondern nur ein Akt des Wohlwollens oder der Dankbarkeit zu erblicken, weit verbreitet ist, so daß es nicht verstanden würde, wenn man ein solches Verhalten allgemein unter Strafe stellen wollte."8 Das liest sich gerade so, als hätte der Gesetzgeber am liebsten auch das verboten, sich aber nicht getraut. So kann er es natürlich nicht gemeint haben. Vielmehr hat er selbst die der Allgemeinheit in den Mund gelegte Wertung getroffen: Trotz der bestehenden Gefahren für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung dürfen die Bürger den Amts3

Z. B. Cramer, aaO (Fn 1), § 331 Rn 25. Zumindest ähnlich wohl Dreher/Tröndle, § 333 Rn 4: "Anbieten" als Offerte, "Versprechen" als Zusicherung. 5 Deshalb macht Blei, BT, S. 458, ganz zu Recht darauf aufmerksam, daß eine selbständige Bedeutung des Versprechens neben dem Anbieten zweifelhaft und daß eine genaue Abgrenzung beider Modalitäten voneinander entbehrlich ist. 6 Benfer, Rn 737; Jescheck, ebd. (Fn 1); Rudolphi, ebd. (Fn 1). 7 Im ersten Fall wohl häufig zugleich mit dem Annehmen selbst; oft wird sich beides jedoch zeitlich voneinander trennen lassen. 8 Amtl. Begr. (BT-Drs. 7/550), S. 274. 4

232

6. Teil: Die Vorteilsgewährung

trägem in begrenztem Umfang Geschenke anbieten, weil 1. diese Gefahren sehr gering sind, 2. der Amtsträger derartige Angebote meist zurückweisen wird, weil § 331 ihn mit Strafe bedroht, und 3. die Bezeugung von Wohlwollen und Dankbarkeit gegenüber der Beamtenschaft ein sozial wertvolles Verhalten darstellt, das letztlich die damit verbundenen geringen Risiken aufwiegt.9 § 333 StGB erfaßt nur noch Fälle, die sehr nahe an der echten Bestechung liegen. Bei ihr muß allein noch hinzukommen, daß der Schenker als Gegenleistung eine Verletzung

der Dienstpflicht

erwartet. Da faktisch ein Vorteil für

eine künftige Ermessenshandlung fast immer mit dieser Absicht einhergeht (§ 334 Abs. 3 Nr. 2 StGB!), hat § 333 StGB ganz überwiegend die Funktion eines Auffangtatbestandes für diejenigen Fälle, in denen der Schenker eine Bestechungsabsicht entweder nicht oder nicht nachweisbar hatte.10 Drittens: § 333 StGB erwähnt ausdrücklich auch "Soldaten der Bundeswehr" als taugliche Adressaten einer strafbaren Vorteilsgewährung. §331 StGB nennt diesen Personenkreis nicht als Täter, und auch § 48 Abs. 1 WStG macht § 331 StGB nur auf Offiziere und Unteroffiziere anwendbar. Damit ist strafbar, wer einem einfachen Soldaten Vorteile im Rahmen des § 333 StGB gewährt; der annehmende Soldat dagegen bleibt straflos. Er wäre auch nicht Anstifter oder Gehilfe zur Vorteilsgewährung, denn die Selbständigkeit der §§ 331, 332 StGB einerseits und der §§ 333, 334 StGB andererseits verbietet die Anwendung der §§ 26, 27 StGB.11 Da sonst das Gesetz den Nehmer stets als den Schlimmeren von beiden ansieht, liegt hierin ein Wertungswiderspruch. Die Materialien weisen daraufhin, daß der Soldat "jedenfalls ... disziplinarisch zur Rechenschaft gezogen werden kann."12 Das mildert zwar die Ungleichbehandlung, beseitigt sie jedoch nicht. Zu ihrer Begründung heißt es, die "uneingeschränkte Anwendung des § 331 auf Soldaten" sei "nicht angängig. Ebensowenig erscheint es kriminalpolitisch vertretbar zu sein, die Hingabe eines Vorteils an Soldaten ... nur dann unter Strafe zu stellen, wenn der Soldat Offizier oder Unteroffizier ist." Das wird man noch nicht als willkürlich bezeichnen können, aber jedenfalls als sehr dürftig. 13

9

Hier zeigt sich sehr deutlich, wie die Gedanken der Sozialadäquanz und des erlaubten Risikos bereits in die Fassung des Gesetzes Eingang gefunden haben. 10 Amtl. Begr., aaO (Fn8), S. 274 f.; Cramer, aaO (Fn 1), Rn4; Lackner, § 333 Rn 4; Rudolphi, aaO (Fn 1), Rn 4. 11 Cramer, aaO (Fn 1), Rn 18; Dreher/Tröndle, § 333 Rn 8; Jescheck, aaO (Fn 1), Rn 11; Lackner, § 333 Rn 8; Rudolphi, aaO (Fn 1), Rn 16. 12 Amtl. Begr., aaO (Fn 8), S. 275. 13 Kritisch auch Cramer, aaO (Fn 1), Rn 17; Jescheck, aaO (Fn 1), Rn 3; Lackner, § 333 Rn 2; Rudolphi, aaO (Fn 1), Rn 2.

II. Die Erlaubnis

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IL Die Erlaubnis § 333 StGB existiert, um den Geber besser als den Nehmer zu stellen. Er schützt den Schenker davor, als Anstifter oder Gehilfe zur Vorteilsannahme bestraft zu werden.14 Wäre der Schenker aber Teilnehmer, hätte er über § 331 Abs. 3 StGB Teil an der rechtfertigenden Wirkung der Genehmigung. So aber hilft ihm dieser Rechtfertigungsgrund nicht. Auch die Gestaltungskraft des Verwaltungsaktes selbst, wollte man sie unbeschränkt wirken lassen, könnte dem Schenker nicht helfen, denn ihm erlaubt die Genehmigung nichts. Also würde der Schenker bestraft, wo der Nehmer gerechtfertigt wäre. Um diese Ungerechtigkeit zu vermeiden,15 übernimmt § 333 Abs. 3 StGB die rechtfertigende Wirkung der Genehmigung auch für den Vorteilsgeber. 16 Das ist nicht unbedenklich.17 Wir haben oben festgestellt, daß die rechtfertigende Genehmigung auf einer Interessenabwägung beruht.18 Die Behörde berücksichtigt im Genehmigungsverfahren jedoch neben den öffentlichen Interessen nur das private Interesse des Antragstellers, das ist der Amtsträger. Da er als Angehöriger des öffentlichen Dienstes in besonderem Maße in die Pflicht genommen wird, gilt ein sehr strenger Maßstab. Die nur akzessorische Rechtfertigung des Schenkers über die Rechtfertigung des Nehmers übernimmt diesen Maßstab. Für den Schenker ist das aber zu hart, denn er ist dem Staat gegenüber nicht besonders verpflichtet. Deshalb werden seine Interessen stärker gewichtet,19 und das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit der Verwaltung wird eher unterliegen.20 Der Grundgedanke des § 333 Abs. 3 StGB ist es also, den Schenker immer dann zu rechtfertigen, wenn dem Nehmer dieselbe Wohltat gewährt wird. Deshalb ist § 331 Abs. 3 StGB fast wörtlich - mutatis mutandis21 - übernommen worden. So gilt all das bisher Gesagte auch für den Vorteilsgeber. Da übrigens § 333 StGB schon im Verbotstatbestand nur die bedenklichen Fälle des

14

RGSt 13, 181 f.; 42, 382 f.; OLG Hamburg, HESt 2, 339 (341); Arzt/Weber, Rn 463; Binding, Hb 1, S. 361; Cramer, aaO (Fn 1), § 332 Rn28; Dreher/Tröndle, § 331 Rn 24; Jescheck, in: LK, § 331 Rn29; Lackner, § 331 Rn 19; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, Rn 78/28; Rudolphi, aaO (Fn 1), Rn 1, 16. Ähnlich Sax, ZStW 90 (1978), 927 (953). 15 Siehe das Zitat aus der Amtl. Begr. im 4. Teil II 1 a bb bei Fn 141. 16 Das ist übrigens ein deutliches Beispiel für eine Tatbestandswirkung eines gestaltenden Verwaltungsaktes, nämlich der vorherigen Genehmigung. 17 Kritisch auch Blei, BT, S. 464, = JA 1974, 377 (382). 18 4. Teil I 3 bei Fn 66-68. 19 Das zeigte schon der Vergleich der Verbotsnormen. 20 Besondere Probleme entstehen dann, wenn eine Genehmigung versagt wird, weil der Amtsträger den Vorteil gefordert hat. Dazu unter 3. 21 Er enthält nur eine inhaltliche Änderung; gleich unter 3.

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6. Teil: Die Vorteilsgewährung

§331 StGB erfaßt (zukünftige Ermessenshandlungen), ist die Wahrscheinlichkeit äußerst gering, daß eine Genehmigung überhaupt jemals erteilt werden wird. 22 Darüber hinaus gilt folgendes: 7. Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand

Eine dem Nehmer erteilte vorherige Genehmigung rechtfertigt den Schenker. Auch hier kann die Genehmigung der eigentlichen Tathandlung nachfolgen, aber wegen des "verlängerten" Handlungs-Unterlassungs-Tatbestandes die Vollendung verhindern. Dessen Voraussetzungen, wie sie für den Vorteilsnehmer gefunden worden sind,23 bedürfen freilich einer Anpassung an die veränderte Situation. Auch hier muß der Vorteil dauerhaft und grundsätzlich genehmigungsfähig sein. Auch hier darf der Vorteil nur gewährt werden, wenn es unmöglich oder untunlich wäre, vorher eine Genehmigung einzuholen. Damit erweist sich der Handlungs-Unterlassungs-Tatbestand beim Schenker als noch viel weniger hilfreich als beim Nehmer. Dort wurde diese Konstruktion vor allem dann nützlich, wenn der Amtsträger an einen Bürger geriet, der sein Geschenk nur jetzt gleich oder nie machen wollte.24 Für den Geber läßt sich eine analoge Situation kaum konstruieren: Er müßte an einen Amtsträger geraten, der den Vorteil nur hier und jetzt annehmen will. Eine solche Situation ist nicht auszuschließen, aber äußerst unwahrscheinlich. In den ganz seltenen Fällen, in denen mit der Gewährung und der Annahme des Vorteils die §§ 331, 333 StGB noch nicht erfüllt sind, entstehen für den Schenker nach der Hingabe des Vorteils keine "Zwischenpflichten" ähnlich denen des Nehmers.25 Er muß lediglich nach Versagung der Genehmigung an der vom Nehmer angebotenen Rückgabe unverzüglich mitwirken. 26 2. Mutmaßliche Genehmigung

Für den Schenker ist deshalb die mutmaßliche Genehmigung um so wichtiger. Hier gilt grundsätzlich all das für den Vorteilsnehmer 27 Gesagte. Die Be22

Cramer, aaO (Fn 1), Rn 20; Jescheck, aaO (Fn 1), Rn 8; Rudolphi, aaO (Fn 1), Rn 13. 23 Oben im 5. Teil D 2 b, c. 24 Oben 5. Teil II 2 c aa a.E. 25 Unverzügliche Beantragung der Genehmigung, keine Verfügung über den Vorteil. Siehe ebd. (Fn 23). 26 Ähnlich Jescheck, ebd. (Fn 22). Das meint auch Rudolphi, aaO (Fn 1), Rn 14: Erforderlich sei, daß der Geber den Vorteil "nicht endgültig zuwendet" (vgl. Rudolphi, in: SK, § 331 Rn48). 27 Oben im 5. Teil HI 3.

n. Die Erlaubnis

235

hörde muß zur Zeit der Tat die Vorteilsannahme2* (tatsächlich oder hypothetisch) gewollt haben. Eine unverzüglich nach der Tat beantragte und später erteilte Genehmigung beweist unwiderleglich diesen Willen. 29 Fehlt sie, so muß der Richter erst ex post und gegebenenfalls ex ante den Behördenwillen mutmaßen. - Häufig wird für eine Rechtfertigung des Gebers verlangt, er müsse davon ausgehen, daß der Nehmer die Genehmigung unverzüglich beantragen werde.30 Das ist ebensowenig angebracht wie eine solche Absicht des Vorteilsnehmers selbst.31

3. Geforderte

Vorteile

§ 333 Abs. 3 StGB weicht in einem wichtigen Punkt von § 331 Abs. 3 StGB sachlich ab. Der Schenker wird auch dann vor der Genehmigung gerechtfertigt, wenn der Nehmer den Vorteil gefordert hat. Das ist nur konsequent. Für den Nehmer ist das Fordern besonders vorwerfbar, weil er damit selber aktiv wird. Aber dafür kann der Schenker nichts.32 Übrigens stellt es auch keinen Wertungswiderspruch dar, daß beim Schenker die Rechtfertigung nicht etwa deshalb ausgeschlossen wird, weil er den Vorteil angeboten hat. Denn die darin liegende Initiative ist auch den übrigen Tathandlungen (Versprechen, Gewähren) eigen und deshalb für den Schenker gar nichts Besonderes.33 Wie wirkt sich die intendierte Besserstellung aus? Eine Genehmigung, die dem Vorteilsnehmer (vorher oder nachher) erteilt wird, obwohl er den Vorteil gefordert hat, ist unwirksam.34 Nach dem Wortlaut des § 333 Abs. 3 StGB könnte dieser Akt nicht zur Rechtfertigung führen, denn die Behörde hat mit dieser Genehmigung ihre Befugnisse ja gerade überschritten. Zugleich zeigt aber der Umstand, daß der einschränkende Satzteil des § 331 Abs. 3 StGB nicht übernommen wurde, daß es auf das Fordern nicht ankommen soll. Also wird man den Wortlaut dahin extendieren müssen, daß eine Genehmigung ge-

28

Darauf stellt das Gesetz ab, nicht auf die VorteiXsgewährung. Zu den Bedenken siehe oben II pr. bei Fn 15-20. 29 Deshalb auch hier: Rechtfertigungs-, nicht bloß Strafaufhebungsgrund. Anders auch hier wie schon bei § 331 StGB Cramer, aaO (Fn 1), Rn 22; Rudolphi, aaO (Fn 1), Rn 14. 30 Cramer, aaO (Fn 1), Rn22; Dreher/Tröndle, § 333 Rn 9; Jescheck, aaO (Fn 1), Rn 8; Rudolphi, aaO (Fn 1), Rn 14. 31 Ausführlich oben im 5. Teil m 3 b cc bei Fn 267-269. 32 Ebenso Cramer, aaO (Fn 1), Rn 21. 33 Würden dagegen die drei Begehungsformen in §§ 331, 333 StGB tatsächlich jeweils korrelieren, wie die h. L. annimmt, wäre diese Abweichung unverständlich. 34 Oben, 4. Teil H 1 b bb ddd.

236

6. Teil: Die Vorteilsgewährung

nügt, die nur deshalb nichtig ist, weil sie ein Fordern erlauben will. 35 Wird also die Genehmigung erteilt, so ist die Lage für unseren Schenker gut. Aber - und darin liegt die eigentliche Erschwernis - die Behörde hat in solchen Fällen überhaupt keinen Grund, die Genehmigung zu erteilen. Denn sie blickt nur auf das Verhalten des Nehmers, und sie wird sein Fordern so sehr mißbilligen, daß sie eine Genehmigung versagt. In dieser Situation kann dem Schenker nur noch die mutmaßliche Genehmigung helfen. Nach wie vor muß der Bezugspunkt sein, ob die Behörde das Handeln des Amtsträgers genehmigt hätte. Nun aber muß nach einem immer hypothetischen Willen geforscht werden, denn er muß sich auf einen hypothetischen Sachverhalt beziehen: Das Fordern müssen wir uns hinwegdenken. Auf dieser Basis gilt dann das zur mutmaßlichen Genehmigung bereits Gesagte. - Das ist zwar ein ungewöhnliches Verfahren, aber aus der Not geboren, die der Gesetzgeber dadurch geschaffen hat, daß er die Rechtfertigung des einen vom erlaubten Verhalten des anderen abhängig und zugleich nicht abhängig gemacht hat.

35

Damit knüpft die Tatbestandswirkung des § 333 Abs. 3 StGB an die bloße Existenz eines Verwaltungsaktes an, die von dessen Wirksamkeit unabhängig ist; siehe dazu nur Maurer, § 9 Rn 66.

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